Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/11/1975

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Der Wahlleiter des Landes Schleswig-Holstein hat mir am 8. Dezember 1975 mitgeteilt, daß Herr Hans-Uwe Emeis sein Mandat für den Deutschen Bundestag angenommen hat. Ich begrüße den neuen Kollegen. ({0}) - Herr Kollege Emeis gehört keiner Fraktion an. Herr Kollege Dr. Kempfler, am 6. Dezember haben Sie Ihren 71. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren Ihnen nachträglich alle herzlichst. ({1}) Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen: Betr.: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1975 Bezug: Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967 - Drucksache 7/4355 zuständig: Auswärtiger Ausschuß ({2}), Verteidigungsausschuß Betr.: Bericht der deutschen Delegation in der Interparlamentarischen Union über die Herbsttagung der IPU in London vom 3. bis 13. September 1975 - Drucksache 7/4370 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist es so beschlossen. Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Dezember 1975 dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({3}) nicht zugestimmt. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4412 verteilt. Die Bundesregierung hat beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({4}) zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Das Schreiben des Bundeskanzlers ist als Drucksache 7/4414 verteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 4. Dezember 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Zeyer, Frau Pack, Thürk, Dr. Luda, Dr. Dollinger, Dr. Müller-Hermann, Dr. Narjes, Dr. Mende, Springorum, Dr. von Bismarck, Schmitt ({5}) und Genossen betr. Absatz- und Beschäftigungslage der Saarbergwerke AG - Drucksache 7/4268 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4410 verteilt. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 8. Dezember 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Althammer, Dr. Götz, Röhner, Geisenhofer, Frau Schleicher, Dr. Kunz ({6}), Biehle, Dr. Müller ({7}), Schröder ({8}), Dr. Jenninger, Ziegler und der Fraktion der CDU/CSU betr. Lehrstellenmangel im Krankenpflegeberuf - Drucksache 7/3905 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/4424 verteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 8. Dezember 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schröder ({9}), Niegel, Spranger, Biehle, Gerlach ({10}), Vogel ({11}), Dr. Miltner und Genossen betr. angebliche Dienstvergehen des Personalratsvorsitzenden im Bundeskanzleramt - Drucksache 7/4343 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/4427 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 3. Dezember 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat: Verordnung ({12}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({13}) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein, der Verordnung ({14}) Nr. 817/70 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete, der Verordnung ({15}) Nr. 865/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und der Verordnung ({16}) Nr. 950/68 ober den Gemeinsamen Zolltarif ({17}). Überwefsung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung ({18}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Waren der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten ({19}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Verlängerung der Verordnung ({20}) Nr. 2107/75 zur Verlängerung der von der Gemeinschaft für den Warenverkehr mit Tunesien angewandten Regelung zur Verlängerung der Verordnung ({21}) Nr. 2108/75 zur Verlängerung der von der Gemeinschaft für den Warenverkehr mit Marokko angewandten Regelung ({22}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({23}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({24}) Nr. 226/73 hinsichtlich des bei der Einfuhr von Butter und Käse aus Neuseeland in das Vereinigte Königreich einzuhaltende cif-Preises ({25}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({26}) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWGV auf die französischen überseeischen Departements ({27}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Präsident Frau Renger Verordnung ({28}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für eine Reihe von industriellen Waren zur zeitweiligen und vollständigen Aussetzung der in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung anwendbaren Zollsätze für die Einfuhr von einigen chemischen Erzeugnissen aus den neuen Mitgliedstaaten ({29}). überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({30}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({31}) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis ({32}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({33}) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für geschlachtete Schweine zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch ({34}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates zur Verlängerung der Genehmigungspflicht in der Bundesrepublik Deutschland für synthetische Socken und in Frankreich für Handschuhe aus Wirkwaren mit Ursprung in der Republik Korea ({35}) überwiesen in den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Vorschläge zur Sodifizierung im Reissektor ({36}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 24 der Tagesordnung - Beratung des Antrags der Abgeordneten Pieroth, Dr. Burgbacher und der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung der betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer - abgesetzt werden. - Auch damit ist das Haus einverstanden; es ist so beschlossen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch in dieser Woche zwei Fragestunden - abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde - mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Nach § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt i der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 7/4409 -Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schmidt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Reiser auf: Verfügt die Bundesregierung über Informationen, wonach von Kürzungen innerhalb des Verteidigungshaushalts Großbritanniens auch der entsprechende Anteil des Landes an dem MRCA-Projekt betroffen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Reiser, nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen wird von den Kürzungen innerhalb des Verteidigungshaushaltes Großbritanniens der entsprechende Anteil des Landes an dem MRCA-Projekt nicht betroffen. Bereits bei der letzten großen Überprüfung des englischen Verteidigungshaushaltes im Jahre 1974 wurde das MRCA-Programm wegen seiner Priorität für die britische Landesverteidigung sowie seiner Bedeutung für das Bündnis und die internationale Rüstungszusammenarbeit ausdrücklich von den Kürzungsmaßnahmen ausgenommen. Aus Kreisen des britischen Verteidigungsressorts ist bekannt, daß selbst bei erneuten prozentualen Kürzungen des Verteidigungshaushaltes keine Reduzierung des MRCA-Anteils in Erwägung gezogen wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Hermann P. Reiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001814, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie widersprechen damit also Meldungen von deutschen London-Korrespondenten, beispielsweise der Meldung des Londoner Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung" vor 14 Tagen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, ich widerspreche diesen Nachrichten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Niegel auf: Wie will der Bundesverteidigungsminister den Wettbewerb von Anbietern aufrechterhalten und billigere Angebote sichern, wenn bei Inneneinrichtungen von Garnisonen, z. B. Speisesaalstühlen, schutzrechtbehaftete Erzeugnisse in der Ausschreibung zwingend vorgeschrieben werden und andere, billigere Vergleichserzeugnisse nicht gestattet sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Niegel, bei der Abfassung der technischen Lieferbedingungen zur Deckung des Bedarfs der Bundeswehr an Möbeln wird darauf geachtet, daß möglichst allen Herstellern eine Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht wird. Den Zuschlag erhält jeweils das wirtschaftlichste Angebot. Dabei müssen allerdings die speziellen Verhältnisse bei der Bundeswehr berücksichtigt werden. Der Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln erfordert Möbel, die trotz der überdurchschnittlichen Beanspruchung durch die Truppe eine lange Lebensdauer erwarten lassen. Weniger stabile und damit billigere Ausführungen haben erfahrungsgemäß eine wesentlich geringere Lebensdauer und führen damit im Ergebnis zu einer nicht vertretbaren Verteuerung. Sie wären daher für den Einsatz in der Truppe nicht geeignet. In die Leistungsbeschreibung werden grundsätzlich schutzrechtbehaftete Möbel oder Möbelteile - das gilt auch für Speisesaalstühle - nicht aufgenommen. Ist dies ausnahmsweise z. B. aus technischen, hygienischen oder ergonomischen Gründen unvermeidbar, so wird folgende Vereinbarung getroffen: Die Herstellung ist ohne besondere Genehmigung des Schutzrechtinhabers ({0}) nur für die Zwecke der Bundeswehr zulässig. Damit wird sichergestellt, daß jedes Unternehmen, das sich gewerbsmäßig mit Leistungen der ausgeschriebenen Art befaßt, die Preise nach denselben Gesichtspunkten errechnet und sich am Wettbewerb beteiligen kann. Die technischen Lieferbedingungen für die Ausschreibung von Speisesaalstühlen entsprechen diesen Grundsätzen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in der Ausschreibung Q/6 A 5 B/51 601/59631 scheint nicht nach diesem Grundsatz vorgegangen worden zu sein, da Firmen deswegen von einer Mitbietung Abstand nehmen mußten, weil Preßholzformteile der Speisesaalstühle Schutzrechten von zwei Firmen unterlagen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, das können wir nachprüfen. Sie werden sicher nicht angenommen haben, daß diese spezielle Frage, die mir nicht vorher gestellt worden ist, von mir hier beantwortet werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie verhält es sich beispielsweise bei Einrichtungen - ich könnte Ihnen eine Reihe anderer Fälle aufzeigen wie etwa der Bundeswehrhochschule in München damit, daß ausgerechnet ein amerikanisches Gestühl zwingend vorgeschrieben wurde und erst auf Grund meines Einsatzes deutsche Gestühle, die um die Hälfte billiger waren, zum Zuge kommen konnten?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir haben uns, da wir die Erfahrungen über die Ausstattung von Universitäten in dem Maße nicht hatten - wir hatten ja vorher keine Universitäten -, von den Ländern beraten lassen, die ja eigene Universitäten haben. Wenn in diesem Falle ein amerikanisches Gestühl vorgeschrieben worden und das dann geändert worden ist, so, meine ich, ist das durch Ihre Initiative mit Recht erfolgt. Wir wollen ja dabei die heimische Wirtschaft stützen. Zu den Einzelheiten kann ich aber nicht Stellung nehmen. Ich bin gern bereit, auch wenn Sie noch mehr solche Anfragen haben, schriftlich Antwort darauf zu geben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist Ihr Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack steht zur Verfügung. Die Frage 5 stellt Herr Abgeordneter Dr. Wernitz: Ist die Bundesregierung bereit, die Richtlinien für die Vergabe von Wohnungsfürsorgemitteln ({0}) so zu verändern, daß die im Zuge der Sparmaßnahmen erheblich reduzierten Mittel vorwiegend den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zur Verfügung stehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Dr. Dieter Haack (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000757

Herr Kollege Dr. Wernitz, ich kann Ihre Frage im Prinzip bejahen. Die haushaltsentlastenden Maßnahmen, die im Bereich des Wohnungsbaus für Bundesbedienstete getroffen worden sind und die in der Tat zu einer erheblichen Reduzierung der Bewilligungsrahmen für die folgenden Jahre führen werden, werden nach Auffassung der Bundesregierung nicht zur Folge haben, daß die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen von der Familienheimförderung ausgeschlossen oder benachteiligt werden, soweit sie die Förderungsvoraussetzungen nach den Richtlinien erfüllen. Die Bundesregierung erwägt, die Sozialklausel der Familienheimrichtlinien, wonach derzeit unter anderem die Förderung Kinderreicher und Schwerbehinderter Priorität genießt, dahin zu erweitern, daß bei Mittelknappheit auch Bezieher geringerer Einkommen vorrangig zu fördern sind. Ich glaube, daß damit dem Anliegen, das Sie hier mit Recht verfolgen, auch Rechnung getragen werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage. Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist auch Ihr Bereich behandelt. Die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Der Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen steht jetzt nicht zur Diskussion, weil der Fragesteller, der Abgeordnete Dr. Riedl ({0}), um schriftliche Beantwortung seiner Frage 6 gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 7 des Herrn Abgeordneten Ey: Wie beurteilt die Bundesregierung die neuerlich in der Presse wiederholten Behauptungen, für die Entwicklung wenig aussichtsreicher Raketen würden erhebliche Geldmittel aufgewandt, während indessen für die aussichtsreichere Entwicklung einer „Billigrakete" keinerlei Interesse gezeigt würde?

Dr. Volker Hauff (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000828

Herr Kollege, die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich im Rahmen des europäischen Weltraumprogramms mit einem festen Betrag von jetzt jährlich 40 Millionen DM über acht Jahre an der Entwicklung der europäischen Trägerrakete ARIANE. Diese Rakete befindet sich seit anderthalb Jahren in der Entwick14318 lung. Es hat bisher keine Anzeichen gegeben, die diese Rakete als nicht aussichtsreich erscheinen lassen. Zur sogenannten Billigrakete der Firma OTRAG hat der Ausschuß für Forschung und Technologie am 1. und 2. Oktober dieses Jahres auf der Grundlage eines Gutachtens der DFVLR beraten. Dabei hat die Bundesregierung ausführlich Stellung genommen. Ein Vergleich mit ARIANE ist auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht möglich.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage bitte, Herr Abgeordneter!

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in eine nochmalige Überprüfung der Raketensysteme einzutreten bzw. eine solche Überprüfung auf europäischer Ebene nochmals anzuregen?

Dr. Volker Hauff (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000828

Herr Kollege Ey, der Entwickler dieser Rakete, Herr Kaiser, hat in einem Antrag an das Bundesministerium für Wirtschaft, in dem er um die Übernahme einer Bürgschaft nachsucht, ausgeführt, daß bei dieser Rakete Forschungs- und Entwicklungsarbeiten seines Erachtens nicht mehr anfallen. Angesichts dieser Tatsache hat der Bundesminister für Forschung und Technologie keinen Anlaß und keine Möglichkeit, hier in eine erneute Überprüfung einzutreten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer zweiten Zusatzfrage bitte!

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß neue Technologien im Laufe der Zeit durchaus auch andere Bedeutung bekommen können?

Dr. Volker Hauff (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000828

Ja, Herr Kollege.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär! Die Frage aus Ihrem Geschäftsbereich ist damit beantwortet. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Sperling auf: Erstreckt sich der Geltungsbereich des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften über die Beschäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst auch auf Mitarbeiter staatlicher Stellen, die nur während der Ferienzeit, z. B. für vier Wochen, für untergeordnete Tätigkeiten eingestellt werden, und lohnt in solchen Fällen der Verwaltungsaufwand für die entsprechende Überprüfung der einzustellenden Personen, ob sie ständig und immer die Gewähr bieten, aktiv für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten? Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Sperling, Ihre Frage bezieht sich auf einen Personenkreis, der offensichtlich nicht in einem Beamtenverhältnis beschäftigt werden soll. Er kann daher schon aus diesem Grunde nicht von dem genannten Gesetz erfaßt werden. Es erstreckt sich nämlich nur auf Bewerber für den Beamten-, Richter- oder Soldatenberuf.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist denn der Geltungsbereich nicht auch auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst erstreckt worden?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Sie hätten recht mit der Feststellung, Herr Kollege, daß das Problem, um das es in diesem Gesetz geht, auch für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst erhebliche Bedeutung hat. Das Bundesverfassungsgericht hat hier ja eine gewisse Abstufung erkennen lassen. Daraus folgt aber nicht, daß das Gesetz in diesem Bereich in irgendeiner Weise anzuwenden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir denn sagen, welche Rechtsgüter, Belange oder Interessen der Bundesrepublik gefährdet würden, wenn z. B. bei der Bundesbahn auf vier Wochen angestellte Studenten im Weihnachtsverkehr Päckchen anfassen, obwohl diese Studenten nicht dauernd die Gewähr böten, daß sie für die freiheitliche demokratische Grundordnung ständig eintreten?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Sperling, ob in einem solchen Fall Belange der Bundesrepublik Deutschland oder gar wichtige Belange gefährdet oder berührt sind, darüber kann man in der Tat streiten. Wir sind bei unserer Beurteilung freilich an die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 22. Mai dieses Jahres gebunden. Sie erstreckt sich nicht nur auf Beamte, sondern enthält auch Hinweise auf den Bereich der Angestellten und Arbeiter. Zu dieser Auffassung und zu den Gründen für eine einheitliche Handhabung im öffentlichen Dienst habe ich auf Ihre Frage in der Fragestunde am 5. November 1975 ausführlich geantwortet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir darüber Auskunft geben, ob das Problem, welches das Gesetz ja für Beamte regelt, bereits in Manteltarifverträgen für den hier angesprochenen Bereich behandelt wird? Falls nein: Beabsichtigt die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß die Manteltarifverträge in diesem Sinne geändert werden?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Frau Kollegin, es ist so, daß die Manteltarifverträge bzw. das Tarifrecht bereits Regelungen sowohl für den Bereich der Angestellten als auch für den Bereich der Arbeiter im öffentlichen Dienst enthalten. Ich kann Ihnen aus § 8 Abs. 1 des Bundesangestelltentarifvertrags folgendes vorlesen: Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Er muß sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Danke schön! Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Gölter auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die französische Regierung im Elsaß als Standorte für Kernkraftwerke außer Fessenheim die Gemarkungen von Lauterburg, Gerstheim, Sundhausen und Marckholsheim in Aussicht genommen hat, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bezüglich der einzelnen sich aus dieser Planung ergebenden Probleme, z. B. an der elsässisch/ pfälzischen Grenze zu einer Übereinkunft mit der französischen Regierung zu kommen? Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Gölter, der Bundesregierung ist bekannt, daß die französische Regierung die Standorte Lauterburg, Gerstheim, Sundhausen und Marckholsheim als Alternativstandorte für ein Kernkraftwerk in Erwägung gezogen hat. Abschließende Entscheidungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung erörtert mit der französischen Regierung seit längerer Zeit Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen bilateral in der „Deutsch-Französischen Kommission zum Vergleich der Kernkraftwerke Fessenheim und Neckarwestheim". Diese Kommission enthält auch Arbeitsgruppen, die sich mit standortrelevanten radioökologischen Problemen befassen. So wird z. B. eine Erörterung der Standortbewertungsdaten des Bundesministers des Innern und der Vergleich mit französischen Kriterien in der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe „Standorte" vorbereitet. Eine Erweiterung der Aufgaben der Kommission ist in Vorbereitung. Die Bundesregierung erwartet von diesen Erörterungen die übereinstimmende Beurteilung von Problemen der Standortplanung und deren Regelung in gegenseitiger Rücksichtnahme. Wie Sie wissen, ist die Standortentscheidung auf der deutschen Seite Sache der Bundesländer. Die Gespräche mit der französischen Regierung erfolgen deshalb unter Einbeziehung der betroffenen Bundesländer oder in Abstimmung mit ihnen. Über die bilateralen Kontakte hinaus erörtert die Bundesregierung Fragen, die mit der Planung von Kernkraftwerken im grenznahen Raum der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich und in der Schweiz im Zusammenhang stehen, in einer gemeinsamen Regierungskommission. Diese „Commission Tripartite" hat sich am 3. November 1975 konstituiert.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.

Dr. Georg Gölter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, stimmen Sie der Zielsetzung zu, daß angesichts des mit hoher Wahrscheinlichkeit in Aussicht genommenen Standortes Neupotz unmittelbar nördlich der pfälzisch-elsässischen Grenze ein Standort Lauterburg nach Möglichkeit auf Grund der angesprochenen Beratungen vermieden bzw. verhindert werden sollte?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Ich kann Ihnen sagen, daß Lauterburg und die anderen genannten Orte lediglich als alternativ geplante Standorte für ein Kernkraftwerk vorgesehen sind. Eine Beurteilung dieser Standorte hat die Bundesregierung bisher im einzelnen nicht getroffen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Georg Gölter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich meine Frage noch einmal in dem Sinne präzisieren, daß angesichts des Standortes Neupotz auf die französische Regierung eingewirkt werden sollte, daß Lauterburg als einer der Alternativstandorte ausscheidet?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Das ist ein Gesichtspunkt, der in den Gesprächen mit der französischen Regierung berücksichtigt werden wird; dessen bin ich sicher.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Haenschke auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Gerster ({0}) auf: Wie viele Beamte des Bundesgrenzschutzes sind z. Z. dem neu errichteten Grenzschutzkommando West unterstellt, und wie hoch wird sich die Personalstärke des Grenzsdiutzkommandos West im Endausbau belaufen? Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Gerster, zum Grenzschutzkommando West gehören zur Zeit rund 3 000 Angehörige des Bundesgrenzschutzes. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Verbände und Einheiten, die bisher schon im Raum Bonn stationiert und dem Grenzschutzkommando Mitte unterstellt waren und jetzt in den Zuständigkeitsbereich des neuen Grenzschutzkommandos West fallen. Das sind etwa 2 600 Beamte. Die Einsatzkräfte sind entsprechend den sofort verfügbaren Unterkunftsmöglichkeiten um etwa 350 Mann verstärkt worden. Als Führungseinrichtung ist zum 1. Dezember des Jahres das Grenzschutzkommando West mit rund 50 Angehörigen mit der dazugehörigen Grenzschutzverwaltung West mit etwa 25 Beamten und Angestellten errichtet worden. Eine zweite Phase der Verstärkung wird sich anschließen, sobald der benötigte neue Unterkunftsraum geschaffen ist. Sie wird sich in einer Größenordnung von zwei bis drei Hundertschaften, also etwa 400 bis 600 Mann, bewegen. Dazu soll auch eine Ausbildungseinheit gehören, um den Nachwuchsbedarf des Grenzschutzkommandos West aus dem eigenen Bereich im westlichen Bundesgebiet decken zu können. Weitergehende Zahlen über den Endausbau des Kommandos lassen sich derzeit nicht nennen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich den Widerspruch, der darin gesehen werden kann, daß Sie wie auch der Bundesinnenminister bei der Errichtung des Grenzschutzkommandos West von 3 000 Bundesgrenzschutzbeamten im Bonner Raum gesprochen haben, während die Bundesregierung in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU unter dem Datum des 23. Oktober 1975 noch festgestellt hat, daß für die Sicherung der Bundesorgane insgesamt nur 1 165 Beamte erforderlich sind?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Darin liegt, Herr Kollege Gerster, kein Widerspruch, denn ich konnte Ihnen in der Beantwortung Ihrer Frage sagen, daß in den rund 3 000 Angehörigen des Bundesgrenzschutzes bereits rund 2 600 Beamte enthalten sind, die bisher schon hier Dienst tun und die unterschiedlichsten Aufgaben haben. Sie sprechen einen ganz bestimmten Aufgabenbereich an, der sich nicht mit dem Gesamtaufgabenbereich des Grenzschutzkommandos West deckt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob zumindest für die 350 Beamten, die jetzt aus dem Grenzbereich abgezogen werden, und die 400 bis 600 Beamten, die in einem weiteren Stadium aus dem Grenzbereich abgezogen werden sollen, ein Ersatz in diesem Grenzbereich geschaffen wird und woher dieser Ersatz kommen soll? Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär: Ich werde Ihnen dies gleich in meiner Antwort auf die zweite Frage, die Sie gestellt haben, mitteilen. Bei der Gelegenheit dieser Antwort werde ich auf diesen Aspekt eingehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frage 13 des Herrn Abgeordneten Gerster: Von welchen Standorten wurden und werden die Beamten für das Grenzschutzkommando West abgezogen, und wie werden die hierdurch im Grenzbereich entstandenen oder entstehenden Personallücken geschlossen?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Zur Verstärkung der Kräfte im Raum Bonn und zur Errichtung des Grenzschutzkommandos West sind in der ersten Phase 394 Stellen hierher verlegt worden. Diese Stellen sind zum Teil gewonnen worden durch die Auflösung von drei der bisher sieben Gruppenstäbe, und zwar der Stäbe in Schwandorf, Fuldatal und Goslar. Dadurch konnten 150 Stellen bereitgestellt werden. Weitere 244 Stellen konnten durch Rationalisierungsmaßnahmen aus dem Gesamtbereich des BGS frei gemacht werden. Dabei ist die Einsatzstärke völlig erhalten geblieben. Die Masse dieser weiteren Stellen kommt aus dem Fernmeldebereich, der infolge modernerer Techniken Personal abgeben konnte, aus dem Sanitätsbereich und den Kommandostäben. Schließlich sind auch bisher unbesetzte Stellen herangezogen worden. Die auf diese Weise gewonnenen Stellen werden durch versetzungsbereite Beamte aus dem Gesamtbereich des BGS besetzt. Dadurch werden Härten für den einzelnen vermieden. Im Grenzraum zur DDR und zur Tschechoslowakei entstehen keine Personallücken. Die Einsatzkräfte sind hier nicht vermindert worden. Im Gegenteil ist die Einsatzstärke des Bundesgrenzschutzes zur Zeit so groß wie nie zuvor. Er hat seine Sollstärke von 21 616 Polizeivollzugsbeamten mit 21 059 besetzten Stellen praktisch erreicht. Die Zahl von 557 Freistellen ist bei einem Verband solcher Größe unvermeidlich. Die Einsatzkraft des BGS ist zusätzlich durch bessere und längere Ausbildung erhöht worden. Dies ist besonders durch den Verzicht auf die Heranziehung von Kurzdienenden ermöglicht worden. Dienstpflichtige mit einer Dienstzeit von 15 Monaten werden seit Oktober 1973, zweijährig Dienstleistende seit Herbst 1974 nicht mehr eingestellt. Neben Lebenszeitbeamten umfaßt der BGS nur vier-, achtund zwölfjährig Dienende. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Personalstruktur höhere Einsatzwerte mit sich bringt. Als Führungseinrichtung bleibt jedem Grenzschutzkommando neben dem Kommando selbst im ostwärtigen Grenzgebiet je ein Gruppenstab, und zwar in Coburg, Alsfeld, Uelzen und Lübeck. Eine Schwächung der Führungsstruktur im Grenzraum tritt nicht ein. Die Kommandostäbe und die verbleibenden Gruppenstäbe können alle in Betracht kommenden Führungs- und Ausbildungsaufgaben wahrnehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie noch einmal konkret fragen: Sind Sie in der Tat der Auffassung, daß die Verlegung von rund 3000 BGS-Beamten in den letzten Jahren bis heute sowie die weiter geplante Verlegung von Bundesgrenzschutzbeamten aus dem Grenzbereich in den Raum Bonn insgesamt durch Rationalisierung und durch eine andere Ausbildungskonzeption in diesen Bereichen aufgefangen werden kann, daß also keine Schwächung im Grenzbereich entstanden ist?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Ohne die Voraussetzungen, von denen Sie in Ihrer Frage ausgehen, zu bestätigen, kann ich Ihnen sagen, daß ich dieser Meinung bin. Die Voraussetzungen kann ich deshalb nicht bestätigen, weil wir uns hier heute vor allem über diejenigen Stellen unterhalten, die zusätzlich zu den schon vorhandenen 2600 in letzter Zeit hierhergeholt worden sind und die noch in einer Größe von 400 bis 600 Mann hierhergeholt werden sollen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir erklären, wie der Bundesgrenzschutz ohne eine Schwächung im Grenzbereich es verkraften soll, wenn nach der neuen Ausbildungskonzeption des Bundesgrenzschutzes ganze Einsatzabteilungen zukünftig aufgelöst und zu Ausbildungsabteilungen umgebaut werden sollen? Würden Sie auch hinsichtlich dieses Sachverhaltes feststellen wollen, daß keine Schwächung der Einsatzreserve im Grenzbereich zu befürchten ist?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Ja, das möchte ich unbedingt feststellen; denn ich konnte darauf verweisen, daß für die Ausbildung jetzt bessere Voraussetzungen bestehen und daß die Einsatzkraft allein schon durch die Umstellung der Dienstzeiten erheblich verbessert werden konnte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ungeachtet Ihrer Darstellungen und der Zahlen, die Sie brachten, frage ich Sie: Sind die Auftragsinhalte des Bundesgrenzschutzes, nämlich die Grenze zu schützen, in irgendeiner Weise verändert worden?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Die Auftragsinhalte sind im BGS-Gesetz festgeschrieben und in dieser Hinsicht nicht verändert worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Feststellungen, daß die Führungsfähigkeit der Leitung des Bundesgrenzschutzes an der innerdeutschen Zonengrenze durch diesen Abzug, durch die Auflösung dieser Gruppenstäbe, nicht vermindert sei, ergibt sich die einfache Frage: Was hatten diese Stäbe bisher zu tun, wenn durch ihren Wegfall keinerlei Schwächung der Führungsfähigkeit eingetreten ist?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Jäger, die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß es nicht erforderlich ist - wie man früher angenommen hat -, Gruppenstäbe in dieser Zahl zu unterhalten, wie sie bisher bestanden haben. Deshalb ist die Reduzierung um drei Gruppenstäbe auf vier verbleibende erfolgt, und zwar so, daß in jedem Grezschutzkommando ein Gruppenstab für den Fall zur Verfügung steht, daß Führungsaufgaben von diesem Gruppenstab zu übernehmen und zu bewältigen sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf: Wie ist der Stand der Beratungen zur Einbeziehung der Zollverwaltung in ein fortgeschriebenes Sicherheitsprogramm? Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Wernitz, der Sachstand ist seit Ihrer Anfrage am 21. Mai 1975 unverändert. Der Arbeitskreis II „Öffentliche Sicherheit und Ordnung" der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder, der sich am 22. und 23. Mai 1975 mit diesem Thema befaßt hat, hat die Vorschläge des Bundesministers der Finanzen - es handelt sich um das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1974 an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz - dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz als Material für eine etwaige Fortschreibung des Sicherheitsprogramms vorgelegt. Wann mit einer Fortschreibung zu rechnen ist, läßt sich noch nicht sagen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wernitz.

Dr. Axel Wernitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem diese Frage fast auf den Tag genau zwei Jahre auf der Tagesordnung steht, frage ich Sie: Sehen Sie eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung - bzw. die oder der Vertreter der Bundesregierung - bei der Innenministerkonferenz im zuständigen Arbeitskreis II noch einmal vorstellig wird, damit dieses Thema dort in absehbarer Zeit behandelt wird?

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Die Bundesregierung hat in ihren Antworten auf frühere Fragen deutlich gemacht, daß sie der Einbeziehung der Zollverwaltung in das Sicherheitsprogramm zustimmt und daß sie bereit ist, dieses Vorhaben zu unterstützen. Eine Aussicht, das nun auch konkret zu fördern, besteht nur dann, wenn in absehbarer Zeit mit einer Fortschreibung des Sicherheitsprogramms zu rechnen ist. Wenn das also aktuell werden wird - und das liegt im wesentlichen bei den Ländern -, dann wird die Bundesregierung auf den Punkt zurückkommen. Aber es läßt sich nicht absehen, wann das soweit ist, weil es vorerst darum geht, die im Sicherheitsprogramm festgelegten Vorhaben und Forderungen zu verwirklichen und zu vervollkommnen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Axel Wernitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß im Rahmen der Innenministerkonferenz sachliche Bedenken gegen die Einbeziehung geltend gemacht wurden, und sind Sie weiterhin der Auffassung, daß das Sicherheitsprogramm ohne Einbeziehung der Zollverwaltung sachlich eine Lücke aufweisen würde? Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Wernitz, ich würde nicht so weit gehen, von einer Lücke zu sprechen, aber aus den bisherigen Verlautbarungen der Bundesregierung wird deutlich, daß sie es als eine Bereicherung des Programms ansähe, wenn die Zollverwaltung einbezogen werden könnte. Vom Arbeitskreis II, dem zuständigen Arbeitskreis der Innenministerkonferenz, konnte ich Ihnen berichten, daß er den Vorschlag als Material für eine eventuelle Fortschreibung weitergegeben hat. Von einer Wertung in diesem Zusammenhang ist mir nichts bekannt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit sind Ihre Fragen beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With steht zur Beantwortung zur Verfügung. Frage 1 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) : Steht die Bundesregierung noch zu ihrer mehrmals definitiv erklärten Aussage, daß der Kanzlerreferent Guillaume nicht vor Verbüßung seiner zu erwartenden Haftstrafe ausgetauscht wird, und wird sie dem Bundespräsidenten auch nicht eine Begnadigung empfehlen oder vorschlagen? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Herr Kollege Kunz, die Bundesregierung hat zu dieser Frage mehrfach eindeutig Stellung genommen. Sie sieht keinen Anlaß, diese Stellungnahmen zu ändern oder zu ergänzen

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie kann die Bundesregierung dem Eindruck begegnen, daß eine Agententätigkeit in der Bundesrepublik ein gefahrloses Unternehmen darstellt, wenn ein vorzeitiger Austausch doch ins Auge gefaßt werden sollte?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ich glaube, die bisherige Geschichte zu diesem Vorgang belegt, daß dies pure Spekulation ist. Es geht alles seinen ruhigen Gang. Anlaß zu Spekulationen gibt es in keiner Weise.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bei wem und wie oft sind Beauftragte Ost-Berlins wegen eines Austauschs von Guillaume vorstellig geworden, und welchen Bescheid hat die Bundesregierung direkt oder indirekt diesen Beauftragten zukommen lassen?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Mir ist zu dieser Frage nichts bekannt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, streiten Sie dann Berichte wie z. B. den der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3. Dezember 1975 ab, worin behauptet wird, daß wiederholt Beauftragte Ost-Berlins wegen eines Austauschs von Guillaume vorstellig geworden seien?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ich habe gesagt, mir ist zu dieser Frage nichts bekannt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bedeutet Ihre erste Antwort auf die hier gestellte Frage, daß Sie damit definitiv im Namen der Bundesregierung erklären wollen, daß ein Austausch von Guillaume nicht in Frage steht?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ich habe klar gesagt, daß ich mich zu dieser Frage auf die Äußerungen beziehen kann, die früher gefallen sind. Ich darf zitieren, was der damalige Innenminister am 26. April vergangenen Jahres erklärt hat: Ich denke, daß jeder, vor allen Dingen die Profis, die in diesen Fall verwickelt sind - ich nehme an, daß Guillaume und seine Leute das wissen werden -, das Gefühl haben wird, daß im Zusammenhang mit ihnen das Wort „Austausch" sicher eine unbegründete Hoffnung wäre. Die bisherige Geschichte des Prozesses belegt, daß dies zutrifft. Davon gehe ich auch weiterhin aus.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, unterstellt, es gäbe jenes in den Zeitungen berichtete Interesse der Regierung der DDR und man könnte für Guillaume eine Menge Menschen freikaufen, wäre dann nicht die Freiheit dieser Menschen unter Umständen den Austausch wert?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Sie verstehen, daß ich zu abstrakten Spekulationen, ohne daß es konkrete Hinweise gäbe, keine Antwort erteilen kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Sie ausdrücklich betonen, daß Ihnen persönlich von irgendwelchen Angeboten der östlichen Seite nichts bekannt ist, muß ich daraus schlußfolgern, daß solche Angebote anderen Mitgliedern der Bundesregierung oder anderen Bundesbehörden gemacht wurden?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Dies müssen Sie nicht daraus schlußfolgern. Ich sage, mir ist nichts bekannt, und ich gehe davon aus, daß mir das bekanntgeworden wäre. Aber eine Schlußfolgerung in Ihrem Sinne ist nach meiner Aussage nicht gerechtfertigt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß es Wege gibt, die zu einem Austausch des Herrn Guillaume führen könnten, die gar nicht über die Bundesregierung, sondern über andere Instanzen laufen?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ich wüßte nicht, über welche. Die Bundesregierung hat nach Gesetz und Recht zu verfahren, und noch immer läuft dieses Verfahren, betrieben durch den Generalbundesanwalt. Mir ist nicht klar, welche Andeutung Sie insoweit machen wollen. Ich gehe davon aus - ich betone dies -, daß dieses Verfahren wie bisher seinen normalen Gang geht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können wir Ihren persönlichen Ausführungen entnehmen, daß Sie nicht in der Lage sind, im Auftrag der Bundesregierung eine Antwort zu geben?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ich denke, ich habe im Auftrag der Bundesregierung geantwortet, insonderheit durch meine letzte Antwort. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke, Herr Staatssekretär. Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Tietjen wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 10 des Abgeordneten Schäfer ({0}), die unter diesem Geschäftsbereich läuft. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeord neten Gansel auf: Trifft es zu, daß der BND oder andere Stellen der Bundesregierung oder Personen im Auftrag der Bundesregierung an Waffengeschäften der Werk zeugaußenhandelsgesellschaft mbH beteiligt gewesen sind, die bis 1972 von einem ehemaligen Adjutanten Hitlers geführt wurde, und wenn ja, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung nach Kenntnis der Beteiligung veranlaßt? Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Herr Kollege Gansel, der Sachverhalt, den Sie in dieser Frage ansprechen, ist Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bonn. Sie werden daher Verständnis dafür haben, daß sich die Bundesregierung einer Äußerung zu diesem schwebenden Verfahren enthält.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Seit wann ist dieser Gegenstand, der ja von dem Strafverfahren gegen die Merex AG losgelöst sein müßte, Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Dies kann ich Ihnen leider nicht sagen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da ich auch nach der Zusammenarbeit des BND mit dem letzten Adjutanten Hitlers, General Engel, gefragt habe und da eine solche Zusammenarbeit ja leider nicht strafbar ist und auch nicht Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sein kann, möchte ich Sie fragen, wie die Bundesregierung politisch eine solche, in der Öffentlichkeit und in Senatsausschüssen in den USA mehrfach angesprochene Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem letzten Hitler-Adjutanten beurteilt.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Ohne daß ich Ihre Äußerungen, die unter Umständen gewisse Wertungen enthalten, von mir aus in der einen oder anderen Weise bewerten möchte, darf ich darauf verweisen, daß Ihre Frage dem Komplex nach Dinge betrifft, zu denen es ein Ermittlungsverfahren gibt. Dieses steht unter „Streng geheim". Deswegen verbietet es sich für mich - also nicht nur, weil es sich um ein schwebendes Ermittlungsverfahren handelt -, hierzu Auskunft zu geben. Im übrigen, meine ich, muß jedem selbst eine entsprechende Wertung überlassen bleiben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn auch das Verfahren selbst unter die von Ihnen genannte Geheimhaltung fallen sollte, könnten Sie dem Haus dann wenigstens mitteilen, auf welchen Zeitraum sich das angestrengte Verfahren bezieht?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Nein, dies kann ich nicht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie denn wenigstens sagen, ob der Verfassungsschutz diesen früheren Hitler-Adjutanten auf seine Zuverlässigkeit nach den Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes geprüft hat?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Da ich den Zusammenhang mit der ursprünglich gestellten Frage nicht sehe, kann ich hierzu auch keine Antwort erteilen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Fragen 103 und 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Dübber werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Herr Staatssekretär, damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich erschöpft. Ich danke Ihnen. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Offergeld zur Verfügung. Die Fragen 15, 16, 17 und 18 werden auf Wunsch der Fragesteller, der Kollegen Dr. Althammer und Höcherl, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe nunmehr die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Schöfberger auf: Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Bayerische Staatsbürgerliche Vereinigung e. V. als „gemeinnützig" und daher förderungswürdig anerkannt ist?

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Kollege, die Entscheidung über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit liegt nicht beim Bundesfinanzministerium, sondern bei den örtlich zuständigen Landesfinanzbehörden. In der zur Verfügung stehenden Zeit war es nicht möglich, beim zuständigen Bayerischen Staatsministerium der Finanzen die steuerliche Behandlung der Bayerischen Staatsbürgerlichen Vereinigung festzustellen und klären zu lassen, ob die Vereinigung mit der Bekanntgabe ihrer steuerlichen Verhältnisse einverstanden ist. Ohne dieses Einverständnis kann das Bundesfinanzministerium wegen des Steuergeheimnisses keine Einzelheiten über diesen Fall mitteilen. Ich werde Sie, Herr Kollege, so bald als möglich im Rahmen des Zulässigen unterrichten, wenn wir vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen informiert worden sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schöfberger!

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, daß mit einer solchen staatsbürgerlichen Vereinigung der Zweck verfolgt wird, die Grenzen des § 10 b des Einkommensteuergesetzes zu umgehen, wonach Spenden an Parteien nur bis zu 1200 DM, Spenden für staatspolitische Zwecke jedoch bis zu 10 % vom Einkommen absetzbar sind?

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Kollege Schöfberger, ich kann niemals theoretisch ausschließen, daß versucht wird, Vorschriften zu umgehen. Ich kann aber hier zu diesem konkreten Fall mangels Information nichts sagen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordnete Meinike.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie auch im Hinblick auf bereits früher von mir gestellte Fragen nochmals fragen, ob die Bundesregierung nicht nunmehr willens und bereit ist, nicht nur die Staatsbürgerliche Vereinigung e. V. Bayern, sondern all jene gemeinnützigen Vereine und Verbände, die in Rechenschaftsberichten der Parteien erscheinen, auf die Frage hin zu überprüfen, wieweit diese Vereinigungen mit Sicherheit Einnahmen, die steuerbegünstigt abgesetzt worden sind, für Parteispenden und damit im Grunde nicht mehr satzungsgemäß verwenden? Offergeld, Parl. Staatssekretär, Herr Kollege, diese Frage war mehrfach Gegenstand der Fragestunde. Daraufhin hat das Bundesfinanzministerium Überprüfungen durch die zuständigen Länderfinanzbehörden veranlaßt. Diese Prüfungen sind auch durchgeführt worden; uns ist berichtet worden, daß sich kein Grund zur Beanstandung ergeben hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn nicht der Konflikt bekannt, der eigentlich entstehen muß, wenn eine von einer bestimmten Partei geführte Landesregierung die Gemeinnützigkeit für Organisationen bescheinigt, die genau für diese Partei die Geldspenden besorgen? ({0})

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Daß da ein Konflikt auftreten kann, Herr Kollege, ist theoretisch nicht zu bestreiten. Ich gehe aber davon aus, daß sich die Landesregierungen an die gesetzlichen Vorschriften halten. Wir haben bisher keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, daß dies nicht geschehen wäre.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung mit mir davon aus, daß die Prüfung dieser Frage zunächst einmal in die Zuständigkeit des örtlich und sachlich zuständigen Finanzamts fällt und daß dieses Finanzamt nach den Gepflogenheiten unserer Steuerverwaltung objektiv und ohne parteipolitische Bezüge diese Frage prüft? ({0}) Offergeld, Parl. Staatssekaretär: Herr Kollege, ich habe bereits gesagt, daß die verwaltungsmäßige Abwicklung dieser Fälle Sache der Landesfinanzverwaltung ist. Ich muß aber auch darauf hinweisen, daß der Bundesfinanzminister die Möglichkeit hat, sich darüber berichten zu lassen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Dr. Schöfberger, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hält es die Bundesregierung für den demokratischen Prozeß für erheblich, wenn eine politische Partei von einer Staatsbürgerlichen Vereinigung regelmäßig namhafte Millionenbeträge bekommt, ohne daß den Bürgern voll aufgedeckt wird, welcher Vereinszweck und welche Vereinsabsichten dahinterstecken? ({0})

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Kollege, ich habe Ihre Frage nicht verstanden. Worin lag die Frage?

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte die Frage wiederholen. Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Bürger dieses Landes Anspruch auf Aufklärung haben, wenn eine Staatsbürgerliche Vereinigung alljährlich namhafte Millionenbeträge an eine politische Partei überweist und auf diese Weise in den politischen Prozeß eingreift?

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Kollege, wenn Sie „Anspruch" nicht rechtstechnisch verstehen, kann ich Ihnen zustimmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie, Herr Staatssekretär, auch dann für Aufklärung sorgen, wenn der Staatsbürger sich danach erkundigte, welche finanzielle Unterstützung der DGB der SPD gewährt? ({0})

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Ich habe nicht gesagt, daß ich für Aufklärung sorgen würde, Herr Kollege; das muß ich hier richtigstellen. Sie haben meine Antwort mißverständlich interpretiert. Im übrigen gehe ich davon aus, daß die Verbände - insbesondere der DGB - ihren Mitgliedern sehr wohl Rechenschaft über die Verwendung der Mitte] ablegen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf: Sind der Bundesregierung die erheblichen Preisunterschiede bei Benzin, selbst der gleichen Marke, innerhalb enger Regionen und die dadurch entstehenden unterschiedlichen Belastungen der Arbeitnehmer in Klein- und Großstädten bekannt, und hat die Bundesregierung Möglichkeiten, gegen regional überhöhte Kraftstoffpreise vorzugehen, um die Arbeitnehmer in den ländlichen Räumen vor ungebührlichen finanziellen Belastungen zu bewahren und die Abwanderung der Tankstellenkunden zu billigeren Großstadtangeboten zu verhindern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege Dr. Enders, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Verbraucherpreise für Benzin regional und auch zwischen Tankstellen der gleichen Marke unterschiedlich sind. Ich habe am 15. Juli dieses Jahres auf eine Frage des Kollegen Dr. Kreutzmann zur Entwicklung dieser Preisunterschiede ausführlich geantwortet und erläutert, daß das Preisniveau in Orten oder Gebieten mit gemischter Angebotsstruktur, wo Markengesellschaften, freie Tankstellen und sonstige branchenfremde Anbieter nebeneinander Benzin anbieten, durchweg niedriger ist als in Gebieten, in denen diese Angebotsvielfalt nicht besteht. Auch Unterschiede in den Vertriebskosten spielen für regionale Preisunterschiede eine Rolle. Die Benzinpreise in der Bundesrepublik bilden sich - anders als in einigen unserer Nachbarländer - ohne staatliche Einflußnahme frei im Wettbewerb. Regional unterschiedliche Preise sind Ausdruck dieser wettbewerbswirtschaftlichen Preisgestaltung. Der Preisabstand findet dort seine Grenze, wo der Verbraucher den weiteren Weg zu einer billigeren Tankstelle einem höheren Preis an einer nahe gelegenen Tankstelle vorzieht. Die Bundesregierung hat weder die Absicht noch die Möglichkeit, gegen regional höhere Benzinpreise vorzugehen. Die Abwanderung von Tankstellenkunden zu billigeren Großstadtangeboten verhindern zu wollen, würde den bestehenden Preisabstand tendenziell noch vergrößern. Insgesamt zeigt ein Vergleich der europäischen Benzinpreise, daß der deutsche Verbraucher mit unserem System nicht schlecht fährt. Die Benzinpreise in der Bundesrepublik - die unterschiedlichen Steuersätze nicht berücksichtigt liegen sowohl für Normalbenzin als auch für Superbenzin am unteren Ende der Skala.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, über einen Konzern, bei dem der Bund die Mehrheitsbeteiligung hat, oder über das Kartellgesetz auf dem Benzinmarkt preisregulierend einzugreifen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Jeder hat die Möglichkeit, durch Anzeige beim Kartellamt auf Wettbewerbsverstöße aufmerksam zu machen und ein Verfahren einzuleiten. Auch die Bundesregierung würde das tun, wenn sie für solche Wettbewerbsverstöße Anhaltspunkte hätte. Aber der hier soeben dargelegte Sachverhalt beruht auf unserer derzeitigen Kenntnis der Marktverhältnisse, u. a. auch auf Grund der Informationen, die uns durch die Beteiligung an einem Unternehmen zur Verfügung stehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie das Argument der Benzinverbände für stichhaltig, ein unterschiedlicher Benzinpreis sei auf Grund der unterschiedlichen Transportkosten gerechtfertigt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das ist sicher ein Element der Kosten, die diese Unternehmen haben. Es ist gar keine Frage, daß das dabei eine Rolle spielt. Dieses Moment ist aber für die Preisgestaltung nicht ausschließlich verantwortlich.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es gut wäre, mehr Transparenz in die Preispraktiken von Mineralölkonzernen zu bringen, vor allem dann, wenn sie gewisse Marktpositionen, die sie in bestimmten Räumen haben, offensichtlich besonders ausnutzen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich halte die Transparenz für sehr wichtig. Aber ich glaube, daß ich in der Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Enders auch sehr deutlich gemacht habe, was die Ursachen für diese unterschiedlichen Preise sind. Darin liegt ein Teil Transparenz.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf: Mit welchem Einsatz heimischer Steinkohle in Kraftwerken, mit welchem Strombedarf sowie mit welcher Kapazitätsentwicklung bei Stromerzeugungsanlagen ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Bundesregierung 1975 sowie 1976 bis 1980 zu rechnen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Darf ich die Fragen 21 und 22 wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten, Frau Präsident?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das liegt beim Fragesteller. Sind Sie einverstanden? - Danke schön. Ich rufe dann noch die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Zeitel auf: Wie werden sich Aufkommen und Verteilung der Mittel aus der Verstromungsabgahe für die Jahre 1975 und 1976 gestalten?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Für 1975 rechnet die Bundesregierung mit einem Einsatz von rund 22 Millionen t Steinkohleneinheiten in der Kraftwirtschaft. Eine Absatzvorausschätzung für die kommenden Jahre wird derzeit von dem Bundesbeauftragten für den Steinkohlenbergbau vorgenommen. Diese Vorausschätzung soll in Kürze im Kohlebeirat beraten und anschließend im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Die Bundesregierung bittet um Verständnis, daß sie vor dieser Veröffentlichung keine eigene Absatzprognose abgibt. Dies gilt auch für den voraussichtlichen Stromverbrauch in den kommenden Jahren, da die Absatzvorausschau des Bundesbeauftragten auch hierzu Angaben enthalten wird. Bei den Stromerzeugungsanlagen ist mit folgender Kapazitätsentwicklung zu rechnen: 1975 insgesamt 76 000 MW, 1976 82 600 MW, 1977 87 750 MW und 1978 88 050 MW; auf Steinkohlebasis - einschließlich Steinkohlemischfeuerung -: 1975 29 000 MW, 1976 30 200 MW, 1977 29 200 MW und 1978 29 600 MW. Der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 10. Dezember die Rechtsverordnung des Bundesministers für Wirtschaft beraten, durch die der Prozentsatz der Ausgleichsabgabe für 1976 festgesetzt wird. Die Rechtsverordnung ist dem Wirtschaftsausschuß entsprechend einer Zusage aus dem Gesetzgebungsverfahren für das Dritte Verstromungsgesetz zugeleitet worden. Zusammen mit dem Text des Verordnungsentwurfs sind dem Wirtschaftsausschuß ergänzende Unterlagen übermittelt worden, aus denen sich die Entwicklung des Ausgleichsfonds in den Jahren 1975 und 1976 im einzelnen ergibt. Ich möchte deshalb, Ihr Einverständnis voraussetzend, nur folgende wesentliche Daten herausgreifen: 1975 wird der Ausgleichsfonds mit einem Guthaben von rund 200 Millionen DM abschließen. Bei einem voraussichtlichen Aufkommen von 750 Millionen DM sind nur rund 530 Millionen DM an Zuschüssen im Jahre 1975 tatsächlich ausgezahlt worden. Das Guthaben von 220 Millionen DM wird in das Jahr 1976 übertragen. Ihm stehen jedoch Restansprüche aus 1975 und Vorjahren in Höhe von 370 Millionen DM gegenüber. Für 1976 ist - bei unveränderter Beibehaltung der Verstromungsgesetze - mit Zuschußzahlungen von insgesamt 1 088 000 000 DM zu rechnen. Bei voraussichtlichen Gesamterlösen der Elektrizitätswirtschaft im Jahre 1976 von rund 34 Milliarden DM soll daher der Prozentsatz der Ausgleichsabgabe für 1976 nach den Vorschlägen des Wirtschaftsministeriums auf 3,2 % festgesetzt werden. Ich füge hinzu, daß der Wirtschaftsausschuß in seiner heutigen Sitzung den Vorschlag gemacht hat, 3,24 % festzusetzen. Im Falle einer Novellierung des Dritten Verstromungsgesetzes müßte der Prozentsatz der Ausgleichsabgabe gegebenenfalls in der Novelle selbst neu festgesetzt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Erste Zusatzfrage, Herr Dr. Zeitel.

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, zeichnet sich im Kapazitätszuwachs bei der Stromerzeugung in der Zusammensetzung nach Einsatzstoffen eine andere Schichtung ab, als sie dem Energieprogramm der Bundesregierung zugrunde liegt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine solche Aussage ist im Augenblick wegen der außerordentlich starken konjunkturellen Überlagerung des gegenwärtigen Absatzes nicht möglich. Aber ich bin sicher, daß wir uns im Zusammenhang mit der Debatte über das Verstromungsgesetz auch um Aussagen dazu bemühen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram, bitte!

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob die Bundesregierung an den Zahlen der Ersten Fortschreibung des Energiekonzepts festhält, und wird sie die Elektrizitätswirtschaft zur Einhaltung dieser Mengen veranlassen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, es sind Verhandlungen im Gange. Es ist das Ziel der Bundesregierung und des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes über die Verstromungsabgabe, daß eine möglichst große Menge Steinkohle im Wege der Verstromung abgesetzt werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär! Frage 23 des Herrn Abgeordneten Thürk. - Ist er im Saal? - Nein, ich sehe ihn nicht. Dann wird diese Frage ebenso wie die Frage 24 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen: Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftlichen Auswirkungen eines garantierten Mindestpreises für Ö1, und teilt die Bundesregierung die Befürchtungen, daß dieses Instrument zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen wird, wenn der Marktpreis in die Nähe des Mindestpreises absinkt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Internationale Energieagentur hat bekanntlich im März dieses Jahres das Prinzip eines Mindestpreises zur Absicherung von Investitionen zur Entwicklung von alternativen Energien beschlossen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Mindestpreises hängen entscheidend von seiner Höhe ab. Ein Beschluß über diese Höhe steht noch aus. Zur Diskussion steht derzeit eine Höhe zwischen 6 und 8 Dollar pro Barrel bei einem gegenwärtigen durchschnittlichen Ölpreis von etwa 12 Dollar pro Barrel. Die Bundesregierung hat sich stets für die Festsetzung eines möglichst niedrigen Mindestpreises ausgesprochen. Zuletzt hat der Bundeskanzler im Europäischen Rat erklärt, daß für die Bundesrepublik ein Preis von mehr als 7 Dollar pro Barrel nicht akzeptabel sei. Ein solcher Mindestpreis würde einen Schutz für bereits getätigte Energieinvestitionen und einen Anreiz für zusätzliche Energieinvestitionen bedeuten. Bei einem Absinken des Marktpreises in die Nähe des Mindestpreises ergeben sich keine Wettbewerbsverzerrungen. Auch wenn der Marktpreis unter den Mindestpreis absinkt, wären voraussichtlich keine untragbaren Wettbewerbsverzerrungen zu erwarten. Der Mindestpreis würde nämlich von allen 18 Mitgliedstaaten der Internationalen Energieagentur, d. h. allen großen westlichen Industrienationen einschließlich der USA, Japans und der acht EWG-Staaten mit Ausnahme von Frankreich im Rahmen eines Programms zur langfristigen Zusammenarbeit eingeführt. Der Europäische Rat hat darüber hinaus am 1. und 2. Dezember einen großen Fortschritt in Richtung auf parallele Mechanismen innerhalb der Europäischeh Gemeinschaften gebracht, die ein Mindestpreissystem einschließen. Damit wird die von der Bundesregierung stets unterstützte Parallele zwischen der Internationalen Energieagentur und den Europäischen Gemeinschaften erreicht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stavenhagen.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, droht uns dann, wenn der Marktpreis in die Nähe des Mindestpreises kommt - sonst wäre das überhaupt nur eine Erklärung ohne ökonomische Wirkung -, eine Ölmarktordnung analog der Agrarmarktordnung mit ihren Schwierigkeiten, die wir zur Genüge kennen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Der Sinn dieses Mindestpreises liegt ja darin, heutige Energieinvestitionen gegen ein Absinken des Ölpreises unter die Rentabilitätsschwelle heute unternommener Investitionen abzusichern. Zur Erreichung dieses Zieles gibt es verschiedene Mechanismen, über die diskutiert werden muß, wenn ein solcher Fall eintritt. - Ich glaube aber, daß diese Ihre Frage auch schon eng mit der zweiten Frage, die Sie gestellt haben, zusammenhängt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage, bitte sehr!

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie soll ein solcher Mindestpreis durchgesetzt werden, wenn der Anbieter von Rohöl weder der deutschen noch der europäischen Jurisdikation untersteht, und soll das so geschehen, daß dann die Preisdifferenz von staatlicher Seite abgeschöpft wird, damit mit diesen Mitteln andere Energieinvestitionen getätigt werden können?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Der Mechanismus einer solchen Abschöpfung ist denkbar, allerdings nur auf der Basis, daß die 18 erwähnten Industrienationen hier einheitlich handeln; das ist das Ziel der Überlegungen. Es wäre auch eine Abschöpfung innerhalb des Marktes denkbar. Ich möchte Ihre Frage nicht mit der nach der Verwendung derartiger abgeschöpfter Mittel verknüpfen. Es wird eine solche Entscheidung auch erst dann diskutiert werden können, wenn eine reale Vermutung besteht, daß sich der Marktpreis an einen solchen Mindestpreis, der ja bis heute noch nicht festgelegt ist, annähert.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf: Hat die Bundesregierung aus den Ölpreisbewegungen der Vergangenheit die Vermutung, der Marktpreis könnte in die Nähe des Mindestpreises absinken?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Seit 1973 werden die Rohölpreise einseitig durch Beschluß der Förderländer festgesetzt. Seit diesem Zeitpunkt sind die Rohölpreise ständig gestiegen. Trotz des weltweiten Rohölüberschusses im Jahre 1975 haben die OPEC-Staaten die Preise ab 1. Oktober 1975 um 10 % angehoben; neue Preiserhöhungen sind angekündigt. Dennoch ist angesichts der extrem niedrigen Produktionskosten von teilweise weit unter einem Dollar pro Barrel die Möglichkeit einer gezielten und massiven Preissenkung nicht von vornherein auszuschließen. Gegen einen solchen Preisverfall spricht allerdings, daß der Spielraum für Preissenkungen für die meisten Ölförderstaaten wegen ihrer großen wirtschaftlichen Aufbaupläne und des damit verbundenen enormen Finanzbedarfs trotz der sehr niedrigen Förderkosten gering sein dürfte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für realistisch, daß die Ölländer in dem Wissen, daß die Preisdifferenz von den Verbraucherstaaten abgeschöpft würde, überhaupt auf einen Marktpreis unter einem definierten Mindestpreis heruntergehehen würden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Aber als eine gezielte Marktstrategie zur Verfolgung politischer Ziele kann man so etwas nie ganz ausschließen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage dazu. Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Welche schriftlichen Unterlagen haben dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft und dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesverkehrsminister und dem Bundesverteidigungsminister im Genehmigungsverfahren gemäß dem Kriegswaffenkontrollgesetz über Waffenlieferungen der Merex AG im Jahr 1965 und 1966, insbesondere aus den angeblichen Empfängerstaaten, vorgelegen, und wie will die Bundesregierung in Zukunft verhindern, daß sie durch echte oder gefälschte Urkunden über die wahren Endempfänger getäuscht wird?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Bei den Waffenlieferungen der Merex-AG handelte es sich bis auf einen Fall um kommerzielle Exportgeschäfte. Die Genehmigungen dafür sind vom Wirtschaftsministerium als der zuständigen Genehmigungsbehörde im Einvernehmen mit dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt erteilt worden. Der Verkehrsminister und das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft waren an diesem Verfahren nicht beteiligt. Das Einvernehmen des Verteidigungsministeriums und des Auswärtigen Amtes wurde seinerzeit schriftlich unter Darlegung des Sachverhalts eingeholt. Die - beim Wirtschaftsministerium geführten - Antragsunterlagen sind bei dem Brand der zum Wirtschaftsministerium gehörenden Holzbaracke im April 1969 vernichtet worden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sie nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht vollständig beigebracht worden wären, insbesondere auch nicht dafür, daß die erforderlichen Endverbleibserklärungen der Regierungen der Empfängerstaaten nicht vorgelegen hätten. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat die neben den Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz rechtlich erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz erteilt. Die Genehmigungen nach dem KWKG haben dem BAW vor Erteilung der entsprechenden Ausfuhrgenehmigung vorgelegen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, man kann also, obwohl die Unterlagen vernichtet sind, davon ausgehen, daß damals im Genehmigungsverfahren keine gefälschten Unterlagen verwendet worden sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Nach allem, was wir bis heute wissen, kann man davon ausgehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann weiter fragen, ob Sie auf Grund des von Ihnen dargelegten Sachverhalts keinerlei Veranlassung sehen, den zweiten Teil meiner Frage dahin gehend zu beantworten, daß Sie Maßnahmen für notwendig erachten, um Mißbrauch in Zukunft zu verhindern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich bitte um Entschuldigung dafür, daß ich auf diesen Komplex nicht eingegangen bin. - Um Täuschungen über die wahren Endempfänger vorzubeugen, besteht das Wirtschaftsministerium für das Genehmigungsverfahren seit je auf Vorlage originaler Endverbleibserklärungen der Regierungen der Bestimmungsländer. Darüber hinaus wird den Genehmigungsinhabern in besonders gelagerten Fällen in der Genehmigung die Auflage erteilt, die amtlichen Wareneingangsdokumente der Empfängerländer vorzulegen. Soweit es um die Verwertung von Überschußmaterial der Bundeswehr geht - allein darauf bezog sich das jetzt in erster Instanz abgeschlossene Merex-Strafverfahren -, hat der Bundesverteidigungsminister im Jahre 1970 entschieden, daß ausgesonderte Waffen nur noch von Regierung zu Regierung abgegeben werden dürfen und hierbei privater Waffenhandel nicht beteiligt werden darf. Diese Entscheidung ist im Weißbuch der Bundesregierung 1971/72, das vom Verteidigungsministerium herausgegeben wird, schriftlich niedergelegt worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Dr. Sperling zu einer Zusatzfrage.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn wir nach Ihrer Auskunft davon ausgehen dürfen, daß die bei dem Brand vernichteten Akten echt waren, dürfen wir dann mit der gleichen Sicherheit annehmen, daß die Echtheit dieser Akten nicht dadurch zustande kam, daß der Bundesnachrichtendienst mit den Zwischenempfängerländern der Waffen manipuliert hat?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich kann hier lediglich noch einmal meine Antwort auf die Frage nach den Akten unterstreichen, die im Bundeswirtschaftsministerium verbrannt sind. Ich kann zu einer weitergehenden Frage mangels Informationen nicht Stellung nehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Penner.

Dr. Willfried Penner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist versucht worden, die Akten, die verbrannt sind, zu rekonstruieren?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das ist nicht versucht worden, weil dazu keine Veranlassung bestand. Es handelte sich im übrigen nicht um verschlußpflichtige Akten, sondern um ganz normale Registraturablagen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die letzte Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gab es denn Doppel von diesen Akten, die verbrannt sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Selbstverständlich gibt es Doppel dieser Akten; ich kann allerdings nicht sagen, in welchem Umfang. Unsere Aussage und unsere Meinung, daß diese Akten keinen Hinweis - im Sinne einer Aufdeckung von hier in Frage stehenden Zusammenhängen - gäben, beruht auf der schlichten Überzeugung, daß ganz normal verwahrte Akten, die nicht als Verschlußakten bezeichnet worden sind, keine geheimen Vermerke enthalten haben können, denn sonst wären sie anders verwahrt worden. Auf Grund dieser Überlegung gebe ich Ihnen hier diese Auskunft. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das war eben die letzte Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Welche Sachverhalte waren Gegenstand eines Bußgeldverfahrens des Bundeswirtschaftsministeriums gegen die Merex AG aus dem Jahr 1967, 1968 oder 1969, und wie hat die Bundesregierung nach diesem Verfahren die vom Kriegswaffenkontrollgesetz geforderte „Zuverlässigkeit" der für die Murex AG tätigen Personen beurteilt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Gegenstand des Bußgeldverfahrens waren Formalverstöße, nämlich daß die Merex-AG erstens entgegen § 12 Abs. 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes kein Kriegswaffenbuch geführt hat und zweitens die nach § 12 Abs. 5 des Kriegswaffenkontrollgesetzes erforderlichen Meldungen an das BAW nicht erstattet hat. Der Unrechtsgehalt dieser Ordnungswidrigkeiten wurde nicht als ausreichendes Indiz dafür gewertet, daß die für die Merex-AG tätigen Personen für die Durchführung der Kriegswaffenexporte nicht die vom Kriegswaffenkontrollgesetz geforderte Zuverlässigkeit besäßen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob es irgendwelche Hinweise darauf gibt, daß der Bundesnachrichtendienst das Verfahren zu beeinflussen versucht hat?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es gibt für uns darüber keinerlei Informationen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie noch etwas genauer auf den Ausgang dieses Verfahrens hinweisen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich verstehe die Frage nicht.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wiederhole die Frage: Können Sie uns etwas Genaueres über den Ausgang dieses Verfahrens mitteilen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Über den Ausgang des angesprochenen Bußgeldverfahrens? ({0}) Nein, ich kann Ihnen über das hinaus, was ich Ihnen eben gerade mitgeteilt habe, leider nichts mitteilen, nicht etwa, weil ich dies nicht wollte, sondern weil ich darüber nichts in meinen Unterlagen habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie ist es möglich, daß jemand als ausreichend zuverlässig betrachtet wird, der das Kriegswaffenkontrollbuch nicht führt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, solche formalen Fehler kommen immer wieder vor. Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, daß die damals entscheidenden Behörden einen solchen Verstoß auf Grund ihrer laufenden Praxis nicht als so schwerwiegend angesehen haben, daß sie etwa an der Zuverlässigkeit generell gezweifelt hätten. ({0}) Präsident Frau Renger? Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß bei dem Brand nicht nur die Unterlagen für das Bußgeldverfahren, sondern auch andere Unterlagen - siehe die vorhergehende Frage 27 - über die Waffengeschäfte der Merex AG vernichtet worden sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich nicht in der Lage bin, angesichts dieses komplexen Verfahrens zu detaillieren, was verbrannt ist und was nicht. Die Schwierigkeit bei der Beantwortung all der Fragen beruht darauf, daß uns die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Die Bundesregierung sieht sich deshalb im Augenblick außerstande und ist auch nicht willens, den Gesamtkomplex darzustellen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frage 29 des Herrn Abgeordneten Brandt ({0}) : Sind Presseberichte zutreffend, daß eine zum Bundeswirtschaftsministerium gehörige Baracke, in der auch Unterlagen über ein Bußgeldverfahren gegen die Merex AG verwahrt wurden, abgebrannt ist, und was war die Ursache des Schadensfeuers?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Diese Presseberichte treffen zu. Nach den getroffenen Ermittlungen ist es durch Unachtsamkeit eines Pförtners zu dem Brand gekommen. Das gegen ihn wegen fahrlässiger Brandstiftung eingeleitete Strafverfahren ist durch Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 3. Dezember 1969 wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO eingestellt worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Brandt.

Hugo Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000245, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist, da nun unter allen denkbaren Objekten, die ja hätten abbrennen können, just dieses Gebäude mit gelegenem Inhalt zu einem gelegenen Zeitpunkt abgebrannt ist, die Leitung des Hauses vollständig darüber informiert worden, was Inhalt dieser Baracke war, was dort alles gelagert war? Hat man darüber einen vollständigen Überblick behalten?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es besteht ein vollständiger Überblick, den ich Ihnen allerdings hier nicht im einzelnen geben kann. Ich kann noch einmal betonen, daß keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Inhalt der verbrannten Akten, die in der Tat unter anderem auch Unterlagen über ein Bußgeldverfahren gegen die Merex AG enthielten, derartige Rückschlüsse erlaubt hätte. Ich kann noch einmal unterstreichen, daß wir das daraus schließen, daß diese Akten ganz normal verwahrt worden sind ({0}) und daß es undenkbar erscheint, daß Akten, die in irgendeiner Weise Geheimvermerke, Verschleierungstatbestände oder andere Dinge enthalten haben, in einer völlig normalen Registratur praktisch öffentlich zugänglich aufbewahrt worden wären. Darauf gründet sich die Meinung, daß diese Akten keine Hinweise, die in diesem Verfahren hätten weiterhelfen können, enthalten haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß es 1969 für ein besonderes Mißtrauen keine Veranlassung gegeben hätte. Stimmen Sie mit mir darin überein, daß heute nach den Ermittlungen des amerikanischen Senatsausschusses über die Tätigkeiten des CIA z. B. für Parlamentarier und für Regierungsmitglieder in solchen Angelegenheiten eine Pflicht zu einem besonderen Mißtrauen besteht?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, das ist nicht Inhalt der Frage 29. Ich lasse Ihre Zusatzfrage nicht zu. Ich rufe Frage 30 des Herrn Abgeordneten Gansel auf: Gibt es bezüglich der von der Merex AG 1965 und 1966 getätigten Waffengeschäfte einen Kabinettsbeschluß, und welche Stelle innerhalb der Bundesregierung hat im Verhältnis zur Merex AG koordinierende und letztlich entscheidende Befugnis gehabt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Einen Kabinettsbeschluß über die Kriegswaffenausfuhren der Merex AG gibt es nicht. Genehmigungsbehörde für diese Exporte war der Bundeswirtschaftsminister. Er hat die Genehmigung im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium erteilt. Bei den hier in Rede stehenden Waffengeschäften der Merex AG handelte es sich um Überschußmaterial aus Beständen der Bundeswehr. Die Verwertung dieses Materials obliegt der VEBEG-Verwertungsgesellschaft mbH, Frankfurt/Main, im Auftrage des Bundes, und zwar in eigener Verantwortung, soweit sie nicht durch Weisungen des Bundesverteidigungsministers im Einzelfall gebunden ist. Die VEBEG ist ein bundeseigenes Unternehmen. Die Entscheidung darüber, welche Überschußgüter zum Zwecke ihrer weiteren Verwertung ausgesondert werden, trifft der Bundesverteidigungsminister.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wissen Sie, an welche Regierungsstellen, an welche Staatssekretäre und - in einzelnen Fällen - auch an welche Minister von seiten des BND Vorlagen gemacht worden sind, wenn es bei den Waffengeschäften der Merex AG Schwierigkeiten gegeben hat?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Mir ist nicht bekannt, daß es solche Vorlagen gegeben hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie kann denn dann ein Richter zu der Annahme kommen, daß Regierungspersonen Vorlagen vorgelegen haDr. Sperling ben, und zwar nach den Akten, die ihm vorgelegen haben?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine solche Äußerung eines Richters ist mir nicht zugänglich. Wir müssen die schriftlichen Gründe des Urteils abwarten, ehe wir feststellen können, ob es tatsächlich einen solchen Vorwurf in einem Gerichtsurteil gibt?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 79 des Abgeordneten Dr. Sperling auf: Mit welchem Ergebnis hat der Verfassungsschutz gemäß dem Kriegswaffenkontrollgesetz im Rahmen des § 6 Abs. 2 Ziffer 2 dieses Gesetzes für die Merex AG und die Werkzeugaußenhandelsgesellschaft mbH tätige Personen überprüft, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Erfahrungen mit diesen Vorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine Überprüfung der Antragsteller oder der bei ihnen tätigen Personen durch den Verfassungsschutz sieht das Kriegswaffenkontrollgesetz nicht vor. Sie hat auch nicht stattgefunden. Als Nachweis der Zuverlässigkeit einer Firma dient im Regelfall die Vorlage ihrer Waffenhandelserlaubnis, die von den zuständigen Landesministerien ausgestellt wird. Da die MerexAG die Waffenhandelserlaubnis nicht selbst vorgelegt hatte, wurde Rückfrage bei dem zuständigen Landesminister - dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf - gehalten. Sie wurde am 26. April 1965 dahin beantwortet, daß der Merex-AG mit Bescheid des Polizeipräsidenten Bonn vom 1. April 1965 die Erlaubnis zum Handel mit Schußwaffen und Munition erteilt wurde und daß an der Zuverlässigkeit des Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Gesellschaft, Herrn Georg Mertins, keine Zweifel im Sinne des § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG bestehen. Ich sehe auch nach den Erfahrungen im Falle der Merex-AG keine Veranlassung, das KWKG insbesondere im Hinblick auf die Zuverlässigkeitsprüfung zu ändern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es möglich, daß sich diese Ihre Meinung ändert, wenn Ihnen die schriftliche Urteilsbegründung zu dem Merex-Verfahren vorliegt, das kürzlich stattgefunden hat? ({0})

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wir werden uns in dieser Frage nicht äußern, bevor wir das Urteil gesehen haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, welche Kriterien der Zuverlässigkeitsprüfung an den Leiter der Werkzeugaußenhandelsgesellschaft mbH, den ehemaligen Adjutanten Hitlers, Generalleutnant Engel, gelegt worden sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich bin mit dieser Frage überhaupt nicht befaßt und kann mich deshalb nicht dazu äußern. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind damit beantwortet. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann zur Verfügung. Die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Dr. Holtz werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Scheffler auf: Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, im Zusammenwirken mit den Reitsportorganisationen und der Veterinärmedizin die mißbräuchliche Anwendung von „medizinischen Hilfen" im Reitsport zu überprüfen, und ist die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls durch gesetzliche Maßnahmen, Informationen und bessere Kontrollmöglichkeiten, die medikamentöse und operative Behandlung von Reitpferden mit dem Ziel einer Leistungssteigerung oder der Verkürzung des erforderlichen Heilungsprozesses nach Verletzungen zu verhindern?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Herr Kollege Scheffler, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Anwendung sogenannter medizinischer Hilfen im Reitsport und die in der Frage angeführte medikamentelle bzw. operative Behandlung von Reitpferden je nach Lage des Einzelfalls den Tatbestand einer Verletzung von Geboten bzw. Verboten des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 erfüllen können. Nach § 15 dieses Gesetzes obliegen die Durchführung und Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Tierschutzgesetzes den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Für die in diesem Zusammenhang sicher vermehrt notwendigen Kontrollen bieten § 11 mit seiner Anzeigepflicht für natürliche und juristische Personen, die gewerbsmäßig einen Reit- und Fahrbetrieb unterhalten, sowie § 16, der u. a. eine Beaufsichtigung derartiger Reit- und Fahrbetriebe durch die zuständige Behörde vorschreibt, genügend Handhabe, möglichen Mißständen im Sinne der Verletzung tierschutzrechtlicher Vorschriften wirksam entgegenzutreten. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß die notwendigen gesetzlichen Grundlagen bereits vorhanden sind. Sie wird diese Anfrage jedoch zum Anlaß nehmen, die für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden um besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich eines wirksamen Tier14332 schutzes beim Reitsport zu bitten. Die Bundesregierung möchte diese neuerliche Tierschutzanfrage darüber hinaus zum Anlaß nehmen, darauf hinzuweisen, daß jede tierschutzrechtliche Vorschrift stets nur so gut und wirksam sein kann, wie sie von der Gesellschaft akzeptiert und praktiziert wird. Sie ist der Auffassung, daß die Einrichtung einer freiwilligen Tierschutzselbstkontrolle seitens der Reitsportorganisationen und der Reitsportveranstalter ein wertvoller Beitrag wäre, der mit der Anfrage aufgezeigten Divergenz zwischen den Rechtsnormen und der Praxis zu begegnen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Scheffler.

Hermann Scheffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001951, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie den Zustand nicht für fragwürdig, wenn in den meisten Reitkursen zwar die Grundvoraussetzungen im Reitsport vermittelt, Kenntnisse über die Tiermedizin den Reitschülern aber nur selten erteilt werden?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Wir sind mit dem jetzigen Zustand durchaus nicht zufrieden; das habe ich eben zugegeben. Deshalb sind wir für Ihre Anfrage dankbar. Wir werden Gelegenheit nehmen, die Länder gerade auf diese Probleme aufmerksam zu machen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Hermann Scheffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001951, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie sich gegenüber den Reitsportorganisationen und Reitschulen der Auffassung anschließen, daß die Reitkurse durch entsprechende Grundkenntnisse der Tiermedizin generell ergänzt werden sollten, z. B. ähnlich den obligatorischen Erste-Hilfe-Kursen im Berufsleben oder wie bei der künftigen Erteilung der Fahrerlaubnis oder der Erlaubnis zum Führen eines Flugzeugs?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Ich bin in etwa Ihrer Auffassung. Ich finde durchaus, daß eine solche Ergänzung Schäden, wie sie jetzt festgestellt worden sind, verhindern kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann angesichts der starken Zunahme von Freizeit- und Hobbyreitern und der starken kommerziellen Nutzung dieser Tiere auf irgendeine Weise sichergestellt werden, daß die Tierschutzbestimmungen diesen veränderten Bedingungen angepaßt werden?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Wir haben uns an sich bemüht, die Tierschutzbestimmungen den geänderten Bedingungen laufend anzupassen. Ich glaube, was jetzt hinzukommen muß, ist eine gewisse Selbsthilfe - darauf habe ich vorhin in meiner Antwort schon hingewiesen -, d. h. also, wir müssen uns bemühen, die Errichtung einer freiwilligen Selbstschutzkontrolle seitens der Reitsportorganisationen anzuregen. Dazu bieten gerade die hier gestellten Fragen Anlaß.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf: Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang innerhalb der EG Lebensmittel vernichtet oder denaturiert werden, wie hoch der Marktwert der jährlich vernichteten oder denaturierten Lebensmittel geschätzt wird, und wieviel die Vernichtung selbst kostet?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Herr Dr. Schöfberger, von einer Lebensmittelvernichtung innerhalb der EG ist der Bundesregierung nichts bekannt. Der Bundesregierung ist bekannt, daß in Frankreich, vor allem in den südlichen, marktfernen Landesteilen, insbesondere Äpfel der Sorte Golden Delicious der Intervention auf Grund der gemeinsamen Obst-und Gemüsemarktorganisation zugeführt werden. Diese intervenierten Erzeugnisse sind danach einer sinnvollen Verwendung - Verschenken an karitative Einrichtungen und Schulen, Destillieren zu Alkohol, Verfüttern etc. - zuzuführen. Diese Verwendungsmöglichkeiten waren aber wegen der großen Ernte in diesem Jahr rasch erschöpft, so daß die Erzeugnisse zum Teil bereits vor einer geeigneten Verwendung, insbesondere wegen unzureichender Lagerkapazitäten in Kühlhäusern, auf Grund ihres natürlichen Verderbs aus dem Markt genommen werden mußten. Es handelte sich aber keineswegs um gezielte Vernichtungen. Angaben über den tatsächlichen Umfang und die finanziellen Aufwendungen des EG-Fonds liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Auch für die zurückliegende Ernte 1974 ist es nicht möglich, die Entschädigung für Marktentnahmen zu quantifizieren, da die Aufwendungen sämtliche Kosten der sogenannten Intervention einschließlich der Verwertung enthalten. Die gesamten Interventionskosten betrugen 1974 für Obst und Gemüse in der Gemeinschaft rund 50 Millionen Rechnungseinheiten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schöfberger.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wollen Sie damit sagen, daß außer in dem von Ihnen genannten Bereich auf dem Agrarmarkt keine Lebensmittelvernichtung vorkommt?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Eine gezielte Lebensmittelvernichtung ist nicht vorgekommen; darauf habe ich soeben hingewiesen. Anfallende Mengen von Obst, die nicht anders zu verwerten waren, sind vernichtet worden. Das ist ja bekannt und auch zugegeben worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Rudolf Schöfberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß südfranzösische und italienische Weine zu Haarwasser denaturiert werden, weil sie nicht mehr absetzbar sind und daher preisinterveniert werden mußten?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Das ist durchaus bekannt. Wir haben ja in der Gemeinschaft eine Weindestillation bekommen. Die Bundesregierung hat sich dagegen immer zur Wehr gesetzt, aber sie ist durch Mehrheitsbeschluß eingesetzt worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Geldner auf: Welche Verbilligungsmaßnahmen im Ernährungssektor wurden oder werden - nach Ansicht der Bundesregierung - 1975 aus nationalen oder EG-Mitteln durchgeführt?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Herr Kollege Geldner, aus nationalen Vorratsbeständen und zu Lasten des nationalen Haushalts wurden im Frühjahr 1975 rund 12 000 Tonnen Rindfleischkonserven preiswert mit einem Abgabepreis von 1,45 DM pro 400-Gramm-Dose verkauft. Zweitens. Mit Mitteln des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds werden 1975 in der Bundesrepublik folgende Verbilligungsmaßnahmen durchgeführt. Abgabe von rund 15 000 t Rinder-Hintervierteln aus Interventionsbeständen zu Verarbeitungszwecken, Verbilligung um rund 1,30 DM/kg bei Bullenvierteln und rund 1,40 DM/kg bei Ochsenvierteln, Abgabe von Butter bzw. Butterschmalz aus Interventionsbeständen, und zwar bisher - rund 7 470 t Butter an gemeinnützige Einrichtungen, Verbilligung um rund 4,30 DM/kg bis September, derzeit um rund 4,60 DM kg, - rund 39 260 t Butter zur Backwaren- und Speiseeisherstellung, Verbilligung bis September rund 3,55 DM/kg zur Backwarenherstellung und 2,65 DM/kg zur Speiseeisherstellung, derzeit rund 3,75 DM/kg zur Backwarenherstellung und 2,75 DM/kg zur Speiseeisherstellung, - rund 4 120 t Butter an Streitkräfte, Verbilligung bis September rund 4,30 DM/kg, derzeit rund 4,60 DM/kg, - rund 3 490 t Butter als Butterreinfett, Verbilligung rund 2,70 DM/kg bis März, rund 3,10 DM/ kg bis Oktober, derzeit rund 3,65 DM/kg, sowie Ausgabe von Gutscheinen im Wert von 2,60 DM/ kg an bestimmte, soziale Hilfen beziehende Verbrauchergruppen zum Kauf von Butter; die darauf bisher bezogene Buttermenge beläuft sich auf rund 4 920 t.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die Mittel für Verbilligungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren innerhalb der Bundesregierung und der EG gestiegen oder gesunken sind?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Soviel ich weiß, sind diese Mittel steigend gewesen. Das zeigen auch schon die Zahlen. Hier sind jetzt höhere Verbilligungsbeträge erforderlich.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, kann ich daraus schließen, daß sich damit die Agrarpreise günstig für den Erzeuger entwickelt haben?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Das hat damit eigentlich direkt nichts zu tun, ({0}) aber wir meinen, daß es wichtig ist, daß indirekt versucht wird, wenn z. B. Überschüsse in der EG finanziert werden müssen, daß man sich, weil man dann finanzielle Kosten bei den Verbrauchern verursacht, auch bemühen sollte, den Verbrauchern wieder Verbilligungsmaßnahmen zugute kommen zu lassen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frage 41 des Herrn Abgeordneten Geldner: Ist der Bundesregierung bekannt, ob - und wenn ja - welche Konsequenzen von der Forstpolitik aus den Waldbränden des vergangenen Sommers gezogen worden sind oder noch gezogen werden sollen?

Fritz Logemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001367

Die Frage bezieht sich auf die Forstpolitik generell. Die Bundesregierung hält es jedoch für erforderlich, zwischen der Forstpolitik des Bundes und der Länder zu unterscheiden. Auf entsprechende mündliche und schriftliche Anfragen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung bereits festgestellt, daß die Abwehr von Katastrophen und die Beseitigung ihrer Folgen Aufgaben der Länder sind. Eine finanzielle Hilfeleistung hierfür fällt daher nicht in die Zuständigkeit des Bundes. Zur Frage, welche Konsequenzen die Forstpolitik der Länder aus den Waldbränden des vergangenen Sommers gezogen hat, kann die Bundesregierung keine Antwort geben. Mir ist bekannt, daß die Landesforstverwaltungen die Waldbrandkatastrophe zum Anlaß genommen haben, ihre Vorbeugungsmaßnahmen zu überprüfen und erforderlichenfalls zu verbessern. Das Land Niedersachsen führt z. B. für Teile des Brandgebietes Standortkartierungen durch, um den Laubholzanteil auf geeigneten Standorten zu vergrößern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 42, 43 und 44 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär; Ihr Bereich ist beendet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Der Herr Parla14334 Präsident Frau Renger mentarische Staatssekretär Buschfort steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Fragen 45 und 46 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens: Gedenkt die Bundesregierung, die Regelungen des Maschinenschutzgesetzes, durch die Unfallgefahren durch Spielzeug verhindert werden sollen, auf den Handel auszudehnen, um den Ordnungsämtern ein wirkungsvolles Vorgehen gegen gefährliches Spielzeug zu ermöglichen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, es ist zutreffend, daß das Gesetz über technische Arbeitmittel, das sogenannte Maschinenschutzgesetz, sich im wesentlichen an die Hersteller und Importeure von Spielzeug wendet. Nach diesem Gesetz kann unter bestimten Voraussetzungen das Inverkehrbringen und das Ausstellen von gefährlichem Spielzeug untersagt werden. Zur Abwendung einer konkreten Gefahr kann von den Gewerbeaufsichtsämtern auch der Verkauf von Spielzeugen im Handel untersagt werden. Die Bundesregierung will erreichen, daß nach Möglichkeit alle im Handel befindlichen Spielzeuge den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen. Sie hat daher seit geraumer Zeit eingehende Gespräche mit dem Rat des Deutschen Einzelhandels geführt. Die Spitzenverbände haben zugesagt, in einem Aktionsprogramm auf eine sicherheitstechnische Verbesserung ihrer Erzeugnisse hinzuwirken. Sie wollen in diesem Zusammenhang insbesondere auch erreichen, daß der Handel nur noch Spielzeug in sein Angebot aufnimmt, das in einer der 51 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung anerkannten Prüfstellen auf Sicherheit getestet worden ist. Sollten diese freiwilligen Bemühungen des Handels nicht in angemessener Zeit zu den gewünschten Ergebnissen führen, müßte auch eine Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen in Betracht gezogen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie aussagen, daß sich die bisher im Maschinenschutzgesetz vorhandenen Regelungen bewährt haben?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Ja, die gesetzlichen Bestimmungen haben sich in ihrem engeren Anwendungsbereich wohl bewährt, obwohl wir wissen, daß die sicherheitstechnischen Schutzvorschriften für Spielzeuge und andere Artikel, wenn sie sich erst im Handel befinden, nicht ganz ausreichend sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen 48 und 49 des Herrn Abgeordneten Franke ({0}) auf. - Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die 1 Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Pensky auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß es immer wieder Fälle gibt, bei denen bei der Auszahlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zu Lasten des Arbeitslosen gehende Verzögerungen eintreten, weil zwischen Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe Uneinigkeit über die Zuständigkeit für Abschlavgs-und Zwischenzahlungen besteht?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Pensky, die Arbeitsämter sind angewiesen, grundsätzlich Abschlagszahlungen zu leisten, wenn der Anspruch dem Grunde nach feststeht und nur wegen der Höhe noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen. Eine entsprechende Regelung sieht das Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, vor, das am 1. Januar 1976 in Kraft treten wird. Die Abschläge werden bar bezahlt, wenn der Arbeitslose auf die sofortige Zahlung angewiesen ist. Hierfür sind bei allen Arbeitsämtern Zahlstellen eingerichtet. Nur wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe auch dem Grunde nach nicht feststeht, müssen die Träger der Sozialhilfe bei Bedürftigkeit des Arbeitslosen mit Leistungen eintreten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pensky.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich kann also davon ausgehen, daß hier ab 1. Januar 1976 eine neue Regelung gilt. Ich hatte in meiner Frage bemängelt, daß es derzeit noch nicht möglich ist, solche Zahlungen zu leisten, weil bei den Arbeitsämtern keine Vorschußkassen vorhanden sind.

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Pensky, das ist nicht zutreffend. Bisher gibt es eine Anweisung, wonach Abschlagszahlungen geleistet werden, und zukünftig gibt es hierüber eine gesetzliche Regelung. Schon bisher war es möglich, Abschlagszahlungen beim Arbeitsamt zu erhalten, wenn, wie gesagt, der Anspruch dem Grunde nach besteht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pensky?

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da meine Frage ein von mir ermittelter Sachverhalt in meinem Wahlkreis zugrunde liegt, darf ich Ihnen mitteilen, daß bei dem Arbeitsamt, um das es hier geht, eine Vorschußkasse nicht vorhanden ist. Ich frage deshalb: Ist das Verhalten dieses Arbeitsamtes nicht den Vorschriften entsprechend gewesen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Pensky, darf ich die Antwort auf diese Zusatzfrage mit der Antwort auf Ihre zweite Frage verbinden; denn dort habe ich entsprechende Ausführungen gemacht?

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Dann rufe ich die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Pensky auf: Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß notwendig werdende Überbrückungszahlungen an Arbeitslose - gegebenenfalls durch eine Verpflichtung zum Vorhalten von Vorschußkassen bei allen Arbeitsämtern - besser als bisher gewährleistet werden können?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Schwierigkeiten der von Ihnen genannten Art dürften eigentlich nicht auftreten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nähere Einzelheiten über die Fälle mitteilten, die Anlaß für Ihre Frage waren. Ich bin gern bereit, diesen Fällen nachzugehen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Müller ({0}) auf: Was hat die Bundesanstalt für Arbeit bewogen, mit Erlaß vom 27. August 1975 ({1}) ganze Handwerksberufe wie u. a. Maurer, Zimmerer, Maler, Bäcker und Konditoren von der weiteren Förderung der beruflichen Fortbildung gemäß § 36 AFG auszuschließen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Beobachtungen des Arbeitsmarktes durch die Bundesanstalt für Arbeit haben zu dem von Ihnen erwähnten Erlaß geführt. In den genannten Berufen können Arbeitnehmern, die nach der Fortbildung zum Meister als solche unselbständig tätig bleiben wollen, meist keine ihrer Fortbildung entsprechenden Arbeitsplätze vermittelt werden. Der Bedarf des Arbeitsmarktes an unselbständigen Meistern ist in diesen Berufen weitgehend gedeckt. Die nach § 36 des Arbeitsförderungsgesetzes erforderliche arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit der Förderung kann daher in diesen Fällen nicht mehr generell angenommen werden. In begründeten Einzelfällen sind jedoch Ausnahmen möglich. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der § 36 Arbeitsförderungsgesetz von den Änderungen im Haushaltsstrukturgesetz betroffen ist. Im Hinblick hierauf hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitsämter angewiesen, den Erlaß ab 1. Januar 1976 nicht mehr anzuwenden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind auf Grund dieses Erlasses oder auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes Ausnahmen möglich?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, Ausnahmen sind bisher möglich, wenn die Ausbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Künftig werden wir unterscheiden müssen zwischen Arbeitnehmern, die selbständig werden möchten, und Arbeitnehmern, die zwar eine Fortbildung mitmachen, aber zukünftig in unselbständiger Tätigkeit weiterarbeiten möchten. Für die unselbständig tätig Werdenden gilt dann das Arbeitsförderungsgesetz, für die andere Kategorie ist die Förderung grundsätzlich ausgeschlossen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe auf die Frage 53 des Abgeordneten Engholm. Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen, daß der Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 27. August 1975 ({0}) die Weiterqualifizierung zahlreicher Gesellen im Handwerk zum Meister erheblich behindern und, da die Meisterprüfung Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen ist, auch zu negativen Auswirkungen auf die Ausbildungskapazität des Handwerks führen wird?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Engholm, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß sich der Erlaß nicht auf Personen bezieht, die nach der Meisterprüfung selbständig tätig werden. Sein Ziel war es, die Förderung in den genannten Berufen für Personen auszuschließen, die nach Ablegen der Meisterprüfung als unselbständige Meister tätig sein wollen. Wegen der zur Zeit ungünstigen Beschäftigungssituation in diesen Berufen ist eine Förderung grundsätzlich nicht mehr arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig im Sinne des § 36 Arbeitsförderungsgesetz. Diese Erkenntnis beruht auf Beobachtungen des Arbeitsmarktes durch die Bundesanstalt. Sie werden durch wissenschaftlich abgesicherte Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Erlangen untermauert. Der genannte Erlaß gilt nur für den Regelfall. Begründete Ausnahmen sind insbesondere im Hinblick auf regionale Besonderheiten möglich. Wegen der im Haushaltsstrukturgesetz vorgesehenen Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes hat der Präsident der Bundesanstalt die Arbeitsämter angewiesen, den Erlaß vom 1. Januar 1976 ab nicht mehr anzuwenden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Engholm.

Björn Engholm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Insofern darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß sie Auswirkungen auf die Ausbildungskapazitäten des Handwerks nicht befürchten?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Auf die Ausbildung in den von Ihnen genannten Bereichen des Handwerks befürchte ich keine Auswirkungen und weise darauf hin, daß es ja in bestimmten Bereichen und in bestimmten Fällen auch Ausnahmemöglichkeiten gibt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Frage Nr. 54 des Herrn Abgeordneten Niegel! Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V. ({0}) und des Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen e. V. ({1}), die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung auf die Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung anzuheben, und wie hoch wäre dann die Belastung für den betroffenen Personenkreis?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Niegel, die Versicherungspflicht- und Beitragsbemesgungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung ist auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag ab 1. Januar 1971 auf 75 v. H. der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung festgelegt worden. Die Bundesregierung hat derzeit nicht die Absicht, in der gesetzlichen Krankenversicherung die in der Rentenversicherung geltende Beitragsbemessungsgrenze einzuführen. Eine Anhebung der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze in dem von Ihnen angesprochenen Sinne hätte für den betroffenen Personenkreis unterschiedliche Auswirkungen. Im Einzelfall käme es darauf an, welches Einkommen der Versicherte hat und welcher Beitragssatz für ihn maßgebend ist. So würde zum Beispiel der durchschnittliche Beitrag eines freiwillig versicherten Angestellten in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 1976, einschließlich des Arbeitgeberanteils, von voraussichtlich 260 DM auf 350 DM im Monat steigen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie folglich die Vorschläge, die hier von den Verbänden der Ersatzkassen gemacht wurden, und die auch auf dem SPD-Parteitag einen Widerhall gefunden haben, als nicht für nötig erachten?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, wenn wir die finanzielle Situation der Krankenversicherung sehen, kann man über diese Frage sehr wohl diskutieren. Ob allerdings mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze eine sparsame Ausgabenpolitik bewirkt wird, mag dahingestellt sein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Damit ist die Fragestunde beendet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. ({0}) Gestern früh erreichte uns die Nachricht, daß unser Kollege Carlo Graaff in den frühen Morgenstunden infolge eines akuten Herzversagens nach einer langen, schweren Erkrankung in einem Sanatorium in Braunlage im 62. Lebensjahr verstorben ist. Carlo Graaff wurde am 22. Juni 1914 in Haaren bei Aachen geboren. Nach dem Besuch eines Realgymnasiums und einem Studium an den Technischen Hochschulen in Aachen und Berlin schloß er seine Ausbildung im Jahre 1939 als Diplom-Ingenieur ab. Nach praktischer Tätigkeit als Betriebsleiter und stellvertretender Betriebsführer übernahm er im Jahre 1950 die väterliche Waggonfabrik in Elze bei Hannover. Daneben gründete er eine Zweigfabrik zum Bau von Straßenfahrzeugen. Bald nach dem Krieg begann er auch, sich der Politik zu widmen. Er schloß sich im Jahre 1949 der FDP an und war dann von 1957 an bis 1969 ihr Landesvorsitzender in Niedersachsen. Während der 2. Wahlperiode, am 4. Juli 1955, kam er über die niedersächsiche Landesliste in den Deutschen Bundestag. Er legte jedoch sein Mandat am 8. Mai 1959 nieder, um das Amt des Niedersächsischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr im Kabinett Hinrich Wilhelm Kopf und später im Kabinett Diederichs in Hannover zu übernehmen. Er hatte dieses Amt bis 1965 inne, ab April 1963 auch das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten. In seiner Eigenschaft als Mitglied einer Landesregierung war Graaff in der Zeit von 1959 bis 1965 auch Mitglied des Bundesrates. 1965 kehrte Carlo Graaff in den Bundestag zurück, dem er bis zu seinem Ableben angehörte. Die Schwerpunkte seiner parlamentarischen Tätigkeit lagen bei ihm auf finanzpolitischem, wirtschaftspolitischem und verkehrspolitischem Gebiet. Während der 6. Wahlperiode war er eine Zeitlang Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft. Daneben war er im Beirat für handelspolitische Vereinbarungen, im 1. Untersuchungsausschuß und als stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises der FDP für Wirtschafts-, Finanzpolitik und Landwirtschaft tätig. Fragen der Verteidigungspolitik gehörten im 7. Bundestag zu seinem Aufgabengebiet, wo er als Ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuß arbeitete. Der Deutsche Bundestag verliert mit Carlo Graaff einen engagierten, fachkundigen Wirtschaftspolitiker und Verkehrsexperten. Er hat sich im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Arbeit speziell um die Zonenrandförderung große Verdienste erworben. Ich spreche den Angehörigen des Verstorbenen, insbesondere seiner Witwe und seinen drei Kindern, sowie der Fraktion der FDP meine und des ganzen Hauses aufrichtige Anteilnahme aus. Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung des Einspruchs des Bundesrates zum Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes ({1}) - Drucksache 7/4411 Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und und Herren! Im Namen der sozialliberalen Koalition gebe ich folgende Erklärung ab. Die Bundestagsfraktion der Opposition und die parteipolitisch längst gleichgeschaltete CDU/CSU-Bundesratsmehrheit verweigern noch immer die Auskunft darüber, auf welch anderem Wege als über eine Beitragssatzanhebung zur Arbeitslosenversicherung um je ein halbes Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Finanzierungslücke bei der Bundesanstalt für Arbeit geschlossen werden soll. Wenn die Sprecher der Opposition wiederholt erklären, es käme nicht auf die Finanzierung der Arbeitslosigkeit, sondern vielmehr auf deren Beseitigung an, ({0}) so versuchen sie, meine Damen und Herren, politische Nebelwände aufzubauen. Selbstverständlich ist es unser Anliegen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Genauso aber steht es für uns außer Frage, daß wir für die Arbeitslosen sorgen müssen, solange es Arbeitslosigkeit gibt. Daher handeln alle jene verantwortungslos, so meinen wir, die der Bundesanstalt für Arbeit die erforderlichen Einnahmen verweigern. Die Anhebung der Beiträge, welche die Koalitionsfraktionen heute durchzusetzen gezwungen sind, schließt allerdings mit ein, daß der Beitragssatz wieder gesenkt werden könnte, wenn eine nachhaltige Besserung der Arbeitsmarktsituation eingetreten sein wird. Niemand wird Beitragssatzerhöhungen begrüßen; sie sind jedoch eine Notwendigkeit, der wir uns in dieser Situation nicht verschließen können. ({1}) Mit ihrer ablehnenden Haltung steht die Opposition erneut im Abseits. Die Gewerkschaften sind zwar keineswegs begeistert über die Beitragssatzerhöhungen; sie ziehen diese aber Leistungseinschränkungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz vor.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen oder die Gespräche nach draußen zu verlegen. Der Redner ist nicht zu verstehen. Danke schön.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Gewerkschaften stellen damit wiederum unter Beweis, daß ihnen an der Solidarität aller Arbeitnehmer untereinander gelegen ist, die selbstverständlich die Solidarität zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen einschließt. Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hat durch ihren Präsidenten letztlich bekundet, daß nach ihrer Auffassung eine Beitragssatzerhöhung in der Arbeitslosenversicherung nicht zu umgehen sei. In der Kriegsopferversorgung richtet sich der Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie der Bundesratsmehrheit gegen die neue gesetzliche Präzisierung der Anspruchsvoraussetzungen für die Witwen- und Waisenbeihilfe. Entgegen den jüngsten Oppositionsäußerungen bedeutet das aber keineswegs - ich meine, das muß hier mit aller Deutlichkeit unterstrichen werden - Kürzungen der Witwen- und Waisenrenten. Erneut ist daher klarzustellen: Es geht lediglich darum, bei Neufällen keine Beihilfen zu zahlen, wenn der Geschädigte nicht an den Schädigungsfolgen gestorben ist, wenn die Schädigung die Hinterbliebenenversorgung nicht gemindert hat und der Lebensbedarf der Witwen und Waisen bereits durch andere Einkünfte hinreichend gesichert ist. Die Behauptung, die anstehende Änderung des Bundesversorgungsgesetzes führe dazu, daß bis 1979 rund 49 000 Witwen weniger eine Beihilfe erhielten, trifft nicht zu. Diese Zahl ist selbst dann als weit überzogen zu bezeichnen, wenn man der Opposition gewissermaßen einen Bonus für ihre politische Propaganda einräumt. Jedoch beweist die von der Opposition genannte Zahl, wie hoch man bei der Union den Anteil derjenigen Witwen einschätzt, die als Hinterbliebene von nicht erwerbsunfähigen Schwerkriegsbeschädigten keine wirtschaftliche Einbuße durch die Schädigung des an anerkannten Schädigungsfolgen verstorbenen Ernährers erlitten haben; denn die Änderung der maßgebenden Vorschrift wirkt sich nur für solche Witwen aus, deren Einkommen 1 530 DM monatlich überschreitet. ({0}) Zum Kreis dieser Witwen gehören also jene, die durch mehrere Renten- oder Versorgungsansprüche wirtschaftlich abgesichert sind. ({1}) Es ist nicht die Aufgabe des Bundesversorgungsgesetzes, unabhängig von einer schädigungsbedingten Einbuße die Einkommenssituation eines besonderen Personenkreises zu verbessern. Wenn der Anteil der Witwen, die durch die Schädigung ihres Mannes in ihrer Versorgung finanzielle Einbußen erlitten haben, nicht sehr groß ist, so wird dadurch im übrigen untermauert, daß wir mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über die gesundheitliche und berufliche Rehabilitation den richtigen Weg eingeschlagen haben. Sowohl bei den Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes als auch bei den Änderungen des Bundesversorgungsgesetzes sieht die sozialliberale Koalition aus den dargelegten Gründen keinen Anlaß, ihren bisherigen Standpunkt aufzugeben. Wir bitten daher, den Einspruch des Bundesrates zurückzuweisen und dem ersten Antrag des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsstrukturgesetz auf der Drucksache 7/4359 zuzustimmen. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Adolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der CDU/CSU gebe ich folgende Erklärung ab. Der Deutsche Bundestag muß heute mit einer qualifizierten Mehrheit eine Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von bisher 2 auf 3 °/o des Bruttoarbeitseinkommens eines jeden Arbeitnehmers beschließen. Die CDU/CSU-Fraktion wird einer solchen 50 °/oigen Beitragserhöhung ihre Zustimmung aus grundsätzlichen Erwägungen verweigern. Die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung belastet die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit mit rund 2 Milliarden DM und die Arbeitgeber mit der gleichen Summe. Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Situation ist eine solche Mehrbelastung unverantwortlich. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer Müller ({0}) wird unzulässig eingeschränkt, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen unnötig erschwert. Die CDU/CSU-Fraktion wehrt sich auch deshalb grundsätzlich gegen diese Beitragserhöhung, weil dahinter ein falscher politischer Weg steht, den die Koalition ohne uns gehen muß, nämlich Arbeitslosigkeit zu bezahlen, statt sie mit gezielten Maßnahmen zu verhindern. ({1}) Angesichts der leeren Kassen des Bundeshaushalts mag es zwar aus der Sicht der Koalition verständlich sein, die Verantwortung auf Wirtschaft und Arbeitnehmer abzuschieben; die Maßnahme bleibt dennoch falsch. Die Verantwortung trägt daher die Mehrheit der Koalitionsfraktionen allein. Bei allen Beratungen über weitere Rechtsverkürzungen, welche die Arbeitnehmer durch den Koalitionsbeschluß zur Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes hinnehmen müssen, habe ich schon früher den Widerstand der CDU/CSU-Fraktion deutlich gemacht. Diese Haltung bleibt unverändert. Die Einschränkung des förderungswilligen und förderungsfähigen Personenkreises bei den beruflichen Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen dient nicht der Beschneidung von sogenanntem Wildwuchs, sondern sperrt gerade die von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen jugendlichen Arbeitnehmer und die wiedereingliederungswilligen Frauen von den beruflichen Weiterbildungschancen, die das Arbeitsförderungsgesetz gewährt, aus. Die von der Koalitionsmehrheit im Rahmen des Art. 20 des Haushaltsstrukturgesetzes vorgesehenen Haushaltseinsparungen konnten in allen bisherigen Beratungen nicht erhärtet werden, bleiben deshalb zweifelhaft und werden auch weiterhin von uns bestritten. Die darüber hinaus von der Koalitionsmehrheit beschlossenen Entscheidungs- und Verfügungsbeschränkungen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg hinsichtlich ihrer Vermögens- und Anlagepolitik, die ich schon früher als „Maulkorb-Erlaß" bezeichnet habe, beschneiden die Rechte der Selbstverwaltung zugunsten erhöhter Machtvollkommenheit der Bundesregierung und geben daher um so weniger Veranlassung, den von Ihnen beabsichtigten Beitragserhöhungen die Zustimmung zu geben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält unbeirrt an der 1969 bei der Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes grundgelegten Zielvorstellung fest, dem Arbeitnehmer, insbesondere dem nicht hinreichend qualifizierten, ein höheres Maß beruflicher Mobilität und persönlicher Chancen einzuräumen. Die von der Mehrheit der Sozialdemokraten und Freien Demokraten beschlossene Beitragserhöhung bei gleichzeitiger Beschneidung der Rechte der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsförderungsgesetz steht der Verwirklichung dieser Ziele im Wege. Aus arbeitsmarktpolitischen, insbesondere aber aus grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Überlegungen lehnt die Fraktion der CDU/CSU die 50 °/oige Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung ab. Unsere Fraktion bedauert es außerordentlich, daß nach dem vom Bundesrat gestellten Antrag zum Bundesversorgungsgesetz betreffend die Gewährung von Witwenbeihilfen der alte Rechtszustand nicht wiederhergestellt wurde. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, bitte noch einen Moment! - Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe. Der Redner kann sich kaum durchsetzen. ({0})

Adolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr, Frau Präsidentin! - Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion ist es nicht vertretbar, eine derartige Einschränkung bei den Witwen vorzunehmen, deren Männer ein Leben lang das harte Los der Schwerkriegsbeschädigten tragen mußten, von dem die Ehefrauen und Kinder in vielen Fällen erheblich betroffen und benachteiligt wurden. Die CDU/CSU-Fraktion ist der Meinung - und die langjährige Erfahrung hat das gezeigt -, daß die Schwerkriegsbeschädigten vor allem durch das Fehlen einer modernen Rehabilitation in den früheren Jahren, in denen die Technik nicht so weit fortgeschritten war wie heute, in der Regel für das Alter nicht so vorsorgen konnten wie ein Gesunder. Sie sieht daher einen Widerspruch in der jetzt vorgenommenen gesetzlichen Regelung gegenüber der langjährigen rechtlichen Handhabung. Im Namen meiner Fraktion darf ich darauf hinweisen, daß bei dieser Regelung in der Tat deshalb keine Mehrkosten entstehen, weil diese Witwenbeihilfe in Höhe von zwei Drittel der Witwenversorgung nur dann gezahlt wird, wenn ein Schwerbeschädigter stirbt. Die Rente des Schwerbeschädigten entfällt mit dem Tode, so daß sich Ausgaben und Einsparungen im vorliegenden Fall auch für die Zukunft ausgleichen. Dennoch haben wir einen Dekkungsvorschlag bei den Beratungen gemacht. Nach 25 Jahren des Bestehens des Bundesversorgungsgesetzes haben diese Regierung und die sie tragende Koalition zum erstenmal einen traurigen Akt einer unvertretbaren Rechtsverschlechterung bei den Kriegsopfern vollzogen. ({0}) Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrem Wort. Sie räumt den Kriegsopfern nach wie vor Priorität ein. Sie wird nicht ruhen, bis das alte Recht in vollem Umfang wiederhergestellt wird. Wir werden daher in Bälde einen entsprechenden Initiativentwurf einbringen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Nach § 92 unserer Geschäftsordnung erfolgt die Abstimmung über den Einspruch des Bundesrates durch Zählung der Stimmen. Namentliche Abstimmung wird nicht gewünscht. Um den Einspruch des Bundesrates, der mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen worden ist, zurückzuweisen, bedarf es der Mehrheit der Mitglieder des Hauses. Das heißt, es müssen sich mindestens 249 Stimmen für die ZuPräsident Frau Renger rückweisung des Einspruchs ergeben. Wer also den Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja stimmen. Das ist jetzt, glaube ich, klar. Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung durch Auszählen. Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Ich bitte, die Türen zu schließen. Bevor wir die Türen öffnen, darf ich die Schriftführer bitten, die Berliner Abgeordneten getrennt zu zählen. - Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen. ({1}) - Indem Sie die Türen aufmachen, verehrter Herr Kollege! ({2}) - Verzeihung, Herr Kollege, wir haben es immer so gemacht, daß wir die Berliner beim Hereinkommen gesondert zählen. ({3}) - Ich darf darauf aufmerksam machen, daß interfraktionell abgesprochen ist, daß es so gemacht werden soll, wie ich es soeben anordnete. Ich kann mich nur auf die interfraktionelle Absprache beziehen. ({4}) Können Sie die Lautsprecheranlage nach draußen in die Wandelhalle schalten? - Die Berliner Abgeordneten werden gebeten, beim Hereinkommen anzugeben, daß sie Berliner sind; sie werden gesondert gezählt. Ich darf bitten, die Türen zu öffnen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Auszählungsergebnis bekannt. Insgesamt wurden 417 Stimmen abgegeben, außerdem 16 Berliner Stimmen. Mit Ja haben 261, mit Nein 156 Mitglieder des Hauses gestimmt. Von den Berlinern haben 10 mit Ja und 6 mit Nein gestimmt. Mit den 261 Ja-Stimmen ist die vorgeschriebene absolute Mehrheit von 249 Stimmen erreicht. Der Einspruch des Bundesrates ist damit zurückgewiesen. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Artikel 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes - Drucksache 7/4167 Bericht und Antrag des Innenausschusses ({5}) - Drucksache 7/4384 Berichterstatter: Abgeordneter Gerster ({6}) Abgeordneter Dr. Schäfer ({7}) ({8}) Ich danke den Berichterstattern für ihren Bericht. Wünschen die Berichterstatter zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Beratung. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer ({9}).

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Verwaltungsbezirk Oldenburg und im Landkreis Schaumburg-Lippe sind am 19. Januar dieses Jahres Volksentscheide durchgeführt worden, die auf Volksbegehren aus dem Jahre 1955 zurückgehen. In beiden Fällen haben mehr als 25 % der zum Landtag Wahlberechtigten dem Begehren zugestimmt. ({0}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Redner mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Verfassung sagt, daß der Bundesgesetzgeber in solchen Fällen, wenn ein erfolgreicher Volksentscheid vorliegt, innerhalb eines Jahres die Landeszugehörigkeit der Gebietsteile zu regeln hat. Das ist der Inhalt des vorliegenden Gesetzes. Auch die Frage, die wir zu entscheiden haben, steht in der Verfassung. Im Grundgesetz heißt es in Art. 29 Abs. 4, daß dem Bundesgesetz, welches die Landeszugehörigkeit regelt, grundsätzlich das Ergebnis des Volksentscheids zugrunde zu legen ist. „Es darf von ihm nur abweichen, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Abs. 1 erforderlich ist." Das ist die Frage, die hier zu entscheiden ist, über die wir im Innenausschuß beraten haben und zu der wir im Innenausschuß Vertreter aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Mitbürger, die die Initiativen dort getragen haben -, gehört haben. Art. 29 Abs. 1 GG ist der Richtwert, an dem wir prüfen müssen, ob wir vom Volksentscheid abweichen dürfen. Bei Art. 29 Abs. 1 ist es der zweite Satz, der nach allgemeiner Auffassung Vorrang hat. Dort heißt es nämlich als Auftrag an den Bundesgesetzgeber - ich zitiere -: Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Die Frage ist also, ob, wenn man dem Volksentscheid folgt, dem Gebot des Art. 29 Abs. 1 Satz 2 GG zuwidergehandelt würde oder ob man dem Volksentscheid folgen kann, weil Art. 29 Abs. 1 GG das zuläßt. Theoretisch könnte man sich durchaus eine Neugliederung des Bundesgebietes denken, durch die nicht fünf oder sechs, sondern 30 Ländern entste14340 Dr. Schäfer ({0}) hen. Aber auch darüber besteht kein Streit; denn es heißt: „Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können." Das bedeutet nach allgemeiner Auffassung, daß nicht kleinere Länder, als es sie jetzt schon gibt, sondern größere Räume zu schaffen sind. In diesem Zusammenhang ist es wohl durchaus nützlich, einiges aus dem sogenannten Ernst-Gutachten zu zitieren, das 1972 erstattet wurde und sich mit diesen Fragen befaßt. Das Ernst-Gutachten sagt in seiner Textziffer 96: Nur wenn alle Länder räumlich so gestaltet sind, daß sie sowohl für ihren territorialen Bereich wie für das Wohl des Ganzen gegenwärtig und zukünftig produktive Leistungen erbringen können, entspricht die Gliederung des Bundesgebietes auch dem Erfordernis der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Satz 1. Ich füge hinzu: und der übergeordneten Norm des Satzes 2. Mancher sagt nun: Es liegt kein Gesamtkonzept vor. - Nun, ein Gesamtauftrag der Verfassung liegt insoweit vor, als Länder geschaffen werden sollen - dazu ist uns freie Hand gegeben -, die diesen Richtlinien entsprechend groß genug sind. Man kann sich also nicht daran orientieren, daß man sagt: Es liegt derzeit kein von den politischen Organen vorgelegtes realisierbares Gesamtkonzept vor, es gibt nur das Ernst-Gutachten; weder die Bundesregierung noch der Bundesrat haben ein Gesamtkonzept entwickelt. Man kann auch nicht auf das Land Bremen oder auf das Saarland hinweisen und sagen: Diese Länder sind auch klein, sie müssen ja auch mit Hilfe des Finanzausgleichs - insbesondere das Saarland - am Leben erhalten werden. Das sind alles keine stichhaltigen Argumente; denn der Auftrag lautet, daß leistungsfähige Länder zu schaffen sind. Wenn dieser Auftrag des Grundgesetzes nach Art. 29 Abs. 1 verwirklicht werden soll, darf dem Volksentscheid nicht gefolgt werden. Ob es sich bei der genannten Regelung des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes um einen offiziellen Auftrag oder um eine Kann-Bestimmung handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Aber die Entscheidung über die uns übertragene Aufgabe haben wir auf Grund der bestehenden Verfassung zu lösen; denn auf der Basis des Wortlauts der Verfassung ist das Verfahren eingeleitet und durchgeführt worden. Eine Änderung halte ich für vielleicht juristisch möglich, aber für politisch unangebracht. Das Ernst-Gutachten führt bezüglich des norddeutschen Raumes aus - in Textziffer 280 -: Die Aufteilung des nördlichen Bereichs des Bundesgebietes in vier selbständige staatliche Hoheitsbereiche erschwert eine wirksame staatliche Entwicklungspolitik für die Küstenregion, deren zunehmende Bedeutung als Standort von Wirtschaftsunternehmen, aber auch für die sich daraus ergebenden Probleme eine solche Politik in besonderem Maße erfordert. Schon vier Länder werden für zuviel gehalten. Das würde erst recht gelten, wenn man der Überlegung näher träte, Oldenburg selbständig zu machen. In dem Hearing wurde vorgetragen: Es besteht aber die Pflicht des Bundesgesetzgebers, dem Volksentscheid zu folgen und jetzt ein Land Oldenburg zu schaffen. Dabei führten die Betreffenden aus, sie seien sich bewußt, daß dieses Land Oldenburg bei einer späteren großräumigen Neugliederung möglicherweise wieder in einem größeren Land aufginge. Solche Ausführungen kann man der Entscheidung nicht zugrunde legen. Wenn man das täte, wäre ein merkwürdiger Zickzackkurs die Folge. Eine solche Zwischenlösung ist verfassungsrechtlich ungeeignet. Es gab dann einige besorgte Überlegungen, ob das Land Niedersachsen hier seine Verpflichtungen erfülle. Meine Damen und Herren, es ist ganz interessant, sich mit dieser Frage zu befassen, und es ist insbesondere interessant, daß das Land Niedersachsen in seiner Verfassung einen Art. 56 hat, der genau den Forderungen des Art. 29 Abs. 1 entspricht. Die niedersächsische Verfassung wurde 1951 geschaffen, und in ihrem Art. 56 wird folgendes gesagt: Die kulturellen und historischen Belange der ehemaligen Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe sind durch Gesetzgebung und Verwaltung zu wahren und zu fördern. Es ist gar nicht unsere Sache, hier nun im einzelnen darauf einzugehen. Deshalb darf ich auch gleich zu Ihrem Entschließungsantrag folgendes sagen: Der Bundestag übernimmt sich, wenn er glaubt, dem Lande Niedersachsen hier solche konkreten Ratschläge geben zu können, und es ist ein etwas merkwürdiges Föderalismusverständnis, wenn man dann am Schluß von der Bundesregierung verlangt, auf das Land Niedersachsen einzuwirken und dem Deutschen Bundestag nach Ablauf von zwei Jahren zu berichten. Nein, meine Damen und Herren, das Land Niedersachsen hat aus eigener Zuständigkeit seine Rechte und seine Verpflichtungen, und es ist nicht Sache dieses Bundestages, dem Land Niedersachsen Weisungen zu geben. Es ist nicht Sache dieses Bundestages und entspricht nicht der föderalistischen Ordnung in der Bundesrepublik, daß wir Vorschläge machen, was dort in der Verwaltungs- oder Gebietsreform zu geschehen hat. ({1}) Wir werden deshalb diese Entschließung ablehnen müssen, wie wir sie auch im Ausschuß abgelehnt haben. Lassen Sie mich noch ein Wort zu Schaumburg-Lippe sagen. Das, was zu Oldenburg bezüglich der Selbständigkeit gesagt ist, gilt zweifellos, ohne daß man es noch einmal ausführen muß, auch für Dr. Schäfer ({2}) Schaumburg-Lippe. Es ist interessant, daß die Vertreter aus Schaumburg-Lippe beim Hearing gesagt haben: „Wir haben nie ein Land Schaumburg-Lippe angestrebt. Wir haben uns formell an den Bundestag gewandt, in der Sache haben wir aber Hannover gemeint. Wir wollten Einfluß nehmen auf die Gebietsneueinteilung." Gut, das ist ihre Sache. Die CDU in Niedersachsen benimmt sich meines Erachtens auch vollkommen korrekt, wenn, wie ich aus einer Zeitungsnachricht weiß, der Vorsitzende der CDU angekündigt hat, daß im Januar ein Gesetzentwurf ähnlichen Inhalts in Hannover eingebracht wird. Das ist der richtige Weg, daß die CDU im Landesparlament diese Probleme aufwirft und daß im Landesparlament darüber gesprochen wird. ({3}) Es ist anerkennenswert, daß die Landesregierung dem Innenausschuß einen ausführlichen Bericht gegeben hat, in welcher Form Art. 56 bislang realisiert wurde, aber es ist auch verständlich und richtig, daß die Landesregierung unmißverständlich gesagt hat, daß sie ihre Aufgabe kenne und daß sie demgemäß auch weiterhin danach handeln werde. Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, wie er von der Regierung vorgelegt wurde und wie er vom Innenausschuß dem Hause vorgelegt wird, kann nach den Bestimmungen der Verfassung gar nicht anders lauten, weil der Richtwert des Art. 29 Abs. i Satz 2 uns verwehrt, dem Ergebnis des Volksentscheides zu folgen. Deshalb wird die SPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen und aus den Gründen, die ich dargelegt habe, Ihren Entschließungsantrag ablehnen. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Gerster ({5}).

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der positive Ausgang der Volksentscheide vom 19. Januar 1975 in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zwingt den Bundesgesetzgeber, heute zwischen zwei Wegen zu wählen, die beide steinig, fast ungehbar und damit fast unzumutbar sind. Folgt der Bundestag dem Mehrheitswillen der Bevölkerung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe und errichtet er die früheren Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe, dann entstehen aus dem Territorium des Landes Niedersachsen drei staatliche Hoheitsbereiche und ein Länderwirrwarr im norddeutschen Raum, der sachlich kaum zu rechtfertigen ist. Folgt der Bundestag dem Vorschlag der Bundesregierung, in Niedersachsen alles beim alten zu belassen, mißachtet er nicht nur den Willen der Mehrheit der Bevölkerung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe, sondern er beschließt gleichzeitig ein Gesetz, dessen Verfassungsmäßigkeit nicht ganz ohne Grund in Frage gestellt wird. ({0}) Diese unerfreuliche, fast ausweglose Situation hat in erster Linie diese Bundesregierung zu verantworten. Der Bundestag hatte im Jahre 1969 die Frist zur Durchführung der Volksentscheide nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes bis zum 31. März 1975 auch deshalb geschaffen, um mit Hilfe dieser Volksentscheide die Gesamtneugliederung des Bundesgebiets voranzubringen. Trotz zwischenzeitlicher Vorlage des Gutachtens der Ernst-Kommission hat die Bundesregierung allerdings die Zeit von 1969 bis heute ungenutzt vorbeigehen lassen. Sie hat keinen ernstzunehmenden Anlauf in Sachen Neugliederung unternommen, obwohl sie vor Durchführung der Volksentscheide wiederholt - z. B. auch durch Anfragen in diesem Hause, durch mich - darauf hingewiesen worden war, daß bei positivem Ausgang der Volksentscheide für den Bundesgesetzgeber eine sehr schwierige Lage entstehen würde. Die in den Volksentscheiden zum Ausdruck gekommene Mehrheitsmeinung der Bevölkerung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe zwingt uns daher heute zunächst, und zwar innerhalb der verfassungsgemäßen Jahresfrist, die Landeszugehörigkeit dieser Gebietsteile durch Bundesgesetz zu regeln, gibt uns aber auch Anlaß, darüber hinaus Klarheit zu gewinnen, ob und in welcher Weise das Thema Neugliederung befriedigend gelöst werden kann. Da, wie bereits angedeutet, eine isolierte Teilauflösung des Landes Niedersachsen - ich erinnere daran, daß ein Land Schaumburg-Lippe mit nur 85 000 Einwohnern entstünde - nicht in Betracht kommt, sollten zumindest folgende Erwägungen bei der Entscheidung heute Beachtung finden: Dem nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes zu beschließenden Bundesgesetz über die Landeszugehörigkeit von Oldenburg und Schaumburg-Lippe ist nach Abs. 4 dieses Grundgesetzartikels das Ergebnis der Volksentscheide in diesen Gebietsteilen zugrunde zu legen. Hiervon darf lediglich abgewichen werden, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Gesamtneugliederung des Bundesgebiets erforderlich ist. Da zur Zeit bei der Bundesregierung keinerlei konkrete Absichten oder Pläne für eine Gesamtneugliederung des Bundesgebiets bestehen, ({1}) erhebt sich die Frage, ob eine Erichtung der Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe überhaupt Zielen einer Gesamtneugliederung des Bundesgebiets widersprechen kann; denn konkrete Ziele einer Gesamtneugliederung können überhaupt nur existieren, wenn in der Tat der Plan besteht, dieses Bundesgebiet neu zu gliedern. Hier sind wir im Gegensatz zu der Auffassung vom Kollegen Professor Schäfer der Meinung, daß sehr wohl auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Bundesgesetzes bestehen. ({2}) Folgt der Bundesgesetzgeber trotz dieser Bedenken nicht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung Gerster ({3}) in Oldenburg und Schaumburg-Lippe, lehnt er also die Errichtung dieser Bundesländer ab, muß er sich folgender Konsequenzen bewußt sein: Wenn unser Grundgesetz in einer einzigen Sachfrage, nämlich der Neugliederung des Bundesgebiets, die Durchführung von Volksentscheiden vorsieht, dann mit Sicherheit nur deshalb, weil es der Auffassung der Bevölkerung in dieser Sachfrage eine besonders gravierende Bedeutung beimißt. Dem von der Mehrheit getragenen Ergebnis eines Volksentscheides muß daher mit allen erdenklichen und verantwortbaren Mitteln Rechnung getragen werden. ({4}) Andernfalls würde der Volksentscheid zur Farce, fühlte sich der Bürger hintergangen, würde sein Demokratieverständnis auf eine allzu harte Probe gestellt. ({5}) Für den Fall Oldenburg und Schaumburg-Lippe kann dies nur bedeuten, daß zwar aus gesamtstaatlichen Erwägungen heraus keine Errichtung neuer Bundesländer verantwortet werden kann, daß jedoch innerhalb des Landes Niedersachsen dem Wunsch der Bevölkerung nach größerer Eigenständigkeit soweit wie möglich entsprochen werden muß. Der federführende Innenausschuß hat daher im Rahmen seiner Beratungen die Landesregierung von Niedersachsen wiederholt um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob sie bereit ist, im Rahmen des Landesrechtes dem Willen der Oldenburger und Schaumburg-Lipper Bevölkerung nach größerer Eigenständigkeit Rechnung zu tragen. Herr Professor Schäfer, Sie selbst haben als Vorsitzender dieses Ausschusses dreimal Anfragen an die Landesregierung gerichtet, was nur dem Ziel dienen konnte, tatsächlich ein größeres Entgegenkommen der Landesregierung zu erfahren. Die Antwort der Landesregierung war jedoch ebenso knapp, bündig, unmißverständlich und verblüffend: Das Land Niedersachsen sieht sich außerstande, den Schwierigkeiten, denen der Bund bei der Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art. 29 des Grundgesetzes begegnet, durch Maßnahmen nach Art einer Föderalisierung des Landes Rechnung zu tragen. Diese Haltung der Landesregierung von Niedersachsen ist um so bemerkenswerter, weil die in einem Hearing des Innenausschusses befragten Verantwortlichen aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe übereinstimmend festgestellt haben, daß die Voten der Volksentscheide nicht nur an den Bundesgesetzgeber zum Zwecke der Neugliederung, sondern zumindest ebenso an den Landesgesetzgeber und Landesregierung gerichtet waren, um eine Respektierung landes-interner Interessen zu erreichen. Es kann nach unserer Auffassung nicht angehen, daß das Land Niedersachsen auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes verweist, der allerdings aus den Volksentscheiden keine Konsequenzen ziehen soll, und daß der Bund andererseits auf die Zuständigkeit des Landes Niedersachsen für Maßnahmen im Rahmen der Landesgesetzgebung verweist, das gerade erklärt hat, ebenfalls keine Konsequenzen ziehen zu wollen, ({6}) und das deshalb aus den Volksentscheiden keinerlei Konsequenzen gezogen werden sollen. Hier muß der Bund klar zu erkennen geben, daß er es für notwendig hält, daß das Land geeignete Maßnahmen ergreift. Nur so kann nach unserer Auffassung eine völlige Mißachtung des Wählerwillens vermieden werden. ({7}) Ihre Auffassung, Herr Kollege Schäfer, daß in diesem Verhalten ein merkwürdiges Föderalismusverständnis zum Tragen käme, kann nach meiner Auffassung nicht geteilt werden. Selbst wenn der Bundestag den Willen zum Ausdruck bringt, den Gebietsteilen Oldenburg und Schaumburg-Lippe insgesamt im Rahmen der Landesgesetzgebung zu einer größeren Eigenständigkeit zu verhelfen, dann wird hiermit, wenn diese Resolution durch den Bundestag an die Bundesregierung gerichtet wird, nicht unmittelbar in das Land Niedersachsen hineingewirkt, sondern allenfalls der im föderativen System der Bundesregierung zustehenden Möglichkeit Rechnung getragen, ihren Einfluß gegenüber der Landesregierung von Niedersachsen geltend zu machen. ({8}) Dabei hätten wir über den Inhalt unseres Resolutionsantrags verhandeln können. Nur waren die Koalitionsparteien nicht bereit, im einzelnen über diese Dinge zu befinden. Sie haben von Anfang an signalisiert, daß sie nicht bereit sind, mit uns zu gehen und einen Appell an die Landesregierung zu richten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion legt Ihnen, damit aus diesen Volksentscheiden eine Konsequenz gezogen wird, daher einen Entschließungsantrag vor, den der Kollege von Alten-Nordheim Ihnen im Anschluß noch im einzelnen begründen wird. Die Bundesregierung soll demzufolge ihren Einfluß auf das Land Niedersachsen geltend machen, daß den durch die Volksentscheide ausgesprochenen Erwartungen der Bevölkerung entsprochen wird. Außerdem wünschen wir, daß dem Innenausschuß und dem Bundestag innerhalb von zwei Jahren über das Ergebnis dieser Bemühungen berichtet wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Annahme dieser Ihnen vorliegenden Entschließung erhielte die Bevölkerung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe die Gewißheit, daß ihr Votum bei den Volksentscheiden im Rahmen des dem Bundestag Möglichen Berücksichtigung fand. Damit würden nach meiner Auffassung außerdem die verfassungsmäßigen Bedenken, die bei einer völligen Mißachtung des Wählerwillens bestehen müßten, zumindest gemildert. ({9}) Schließlich erscheint es auch dem Lande Niedersachsen gegenüber zumutbar, daß es für seine vollständige Erhaltung, und zwar gegen den MehrheitsGerster ({10}) willen in einzelnen Gebietsteilen, ein entsprechendes Entgegenkommen zeigt und im Rahmen der Landesgesetze entsprechende Maßnahmen be-beschließt. Mit der Annahme dieser Entschließung bräuchte die CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf der Bundesregierung trotz bestehender, auch verfassungsrechtlicher, Bedenken nicht in Bausch und Bogen abzulehnen. In der Ablehnung unseres Antrages dagegen würden wir den fehlenden Willen, auch nur geringste Konsequenzen aus den Volksentscheiden zu ziehen, erkennen müssen. Die CDU/CSU-Fraktion würde dann den Regierungsentwurf ablehnen müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da bisher die Pflicht zur Durchführung von Volksentscheiden als Garantie auch dafür erschien, daß auch die Gesamtneugliederung des Bundesgebietes angepackt wird, gebietet der formale Abschluß dieser Volksentscheide auch ein Wort zur Gesamtneugliederungsproblematik. Falls die Bundesregierung auch weiterhin keine Absicht bekundet, dem Neugliederungsgebot des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes zu folgen und ein Neugliederungskonzept vorzulegen, sollte in der Tat an eine Umwandlung des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes gedacht werden. Die Nichtbefolgung des Neugliederungsgebotes ist nämlich auf Dauer mit Sicherheit unerträglich. Wir sollten dabei allerdings folgendes beachten: Noch so drängende andere Probleme dieser Tage, die die Gesamtneugliederung des Bundesgebietes wiederum in den Hintergrund drängen, sollten einer späteren Gesamtneugliederung nicht den Weg versperren. Von daher empfiehlt sich nicht die öffentlich erörterte ersatzlose Streichung des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes. Allenfalls eine Umwandlung dieser Bestimmung kommt in Betracht, wobei nach unserer Auffassung eine erweiterte Möglichkeit, den Bürger durch Volksentscheide unmittelbar an zukünftigen Entscheidungen mitwirken zu lassen, geschaffen werden sollte. Es ist auch zu erwägen, ob nicht ein Weg gefunden werden muß, die Neugliederung durch entsprechende Voten der Bevölkerung in Gang zu bringen, d. h. der Bevölkerung ein entsprechendes Initiativrecht zuzugestehen. In diesen Zusammenhang gehört auch die fällige Novellierung des Gesetzes nach Art. 29 Abs. 7 des Grundgesetzes. Gerade in den Ballungsräumen warten an Landesgrenzen eine Reihe von Einzelfragen auf eine Lösung, die unterhalb einer Gesamtneugliederung dann gefunden werden könnte, wenn Grenzveränderungen nicht - wie bisher - an Gebiete bis 1 000 Hektar und bis zu 500 Einwohner bzw. bis zu 2 000 Personen gebunden wären. Lassen Sie mich das Beispiel der rechtsrheinischen Mainzer Vororte, also ein Beispiel aus meiner engeren Heimat, hier anführen - diese Vororte sind noch durch Landesgrenzen von Mainz getrennt -, an dem Sie sehen können, wie dringend auch heute noch Einzelprobleme einer Lösung harren. Warum sollten Grenzveränderungen bis zu 100 000 oder 200 000 Personen nicht für den Fall ermöglicht werden, daß sich Bundesländer einigen und die betroffene Bevölkerung zustimmt? Gerade die Volksentscheide in Oldenburg und Schaumburg-Lippe müssen über unsere Entscheidung heute hinaus auch den Bundesgesetzgeber veranlassen, gesetzgeberisch vorausschauend tätig zu werden, dies im Interesse eines stärkeren Initiativrechts der Bürger zur Lösung bereits überfälliger Einzelfragen und Probleme auch unterhalb der Ebene der Gesamtneugliederung. ({11}) Die Bundesregierung ist in diesem Sinne gefordert, nach langwierigen Ankündigungen und publikumswirksamen Versprechungen endlich ihrem verfassungsgemäßen Auftrag gerecht zu werden und ein Gesamtkonzept vorzulegen, über das dieses Hohe Haus dann unverzüglich beraten sollte. ({12}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002477, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insbesondere im Blick auf den hochgeschätzten Kollegen Gerster ein Wort vorab. Sicherlich ist trotz aller Meinungsverschiedenheiten dieses Gesetz über die Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach einem Volksentscheid im Sinne von Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes kein geeigneter Gegenstand für einen parteipolitischen Meinungsstreit. ({0}) Ich glaube, so sehen wir es alle auch nicht. Wir sollten es hier in diesem Hause ebensowenig wie in Niedersachsen so sehen. Dennoch ist dies zugleich nicht nur ein Bild norddeutscher Krähwinkelei, sondern es ist ein Problem höchster Aktualität und geht uns alle an, ganz gleich, ob wir in Niedersachsen oder in einem anderen Teil des Bundesgebiets wohnen. Mit dem Oldenburg- und Schaumburg-Lippe-Gesetz haben wir gewissermaßen nur den Zipfel eines großen noch unerledigten Bereichs in den Griff bekommen. Was hier und heute geschieht, wird nicht ohne Konsequenzen für die künftige Entwicklung der Länderneugliederung im Bundesgebiet bleiben können und bleiben dürfen. Eine zweite Vorbemerkung. Mit einem Gesetz, welches das Verbleiben von Oldenburg und Schaumburg-Lippe bei Niedersachsen bestimmt, wird nicht etwa - wie oft vorgetragen - ohne großes Federlesen oder gar leichtfertig über den politisch relevanten Willen einer Bürgermehrheit hinweggegangen. ({1}) Es wird hier ganz nüchtern und nach gründlicher Abwägung ein Zielkonflikt entschieden - das habe ich schon im Innenausschuß gesagt -, den die Väter des Grundgesetzes als möglich vorausgesehen und zu dessen Lösung sie ganz bestimmte Richtbegriffe aufgestellt haben. ({2}) Es geht in schlichten Worten um nicht mehr und nicht weniger als um eine Entscheidung zwischen dem Ergebnis eines qualifizierten Bürgerentscheids nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes und den Leitsätzen, die in Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes für eine Länderneugliederung im gesamten Bundesgebiet aufgestellt sind. Wenn der Bundesgesetzgeber nach sorgfältiger Abwägung, wie ich meine, sich in diesem Gesetz für den Vorrang der Leitsätze des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes entscheidet, dann mißachtet er keinen Bürgerwillen; er macht vielmehr lediglich von seinem Recht, aber auch seiner Pflicht zur sachgemäßen Lösung des angedeuteten Zielkonflikts Gebrauch. Das Verhalten des Bundesgesetzgebers kann nur daran gemessen werden, ob die Entscheidung sachlich geboten ist und ob sie von den Normen des Grundgesetzes gedeckt wird. Nur darum geht es hier. Sieht man es so - und nur so kann man es sehen -, kommt es nach dem Bürgerentscheid in Oldenburg und Schaumburg-Lippe vom 19. Januar 1975 nur darauf an, ob im abweichenden Fall diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, die den Bundesgesetzgeber ermächtigen, von einer Wiederherstellung der ehemaligen Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe abzusehen. Das ist doch die Frage. Dieses Abweichen, so meine ich, ist nur vertretbar, dann aber auch zwingend geboten, wenn und soweit dies zur Erleichterung der Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes erforderlich ist. Meine Damen und Herren, ich will für mich und meine Fraktion keine Verfassungsexegese betreiben, die sicherlich hier in dieser Debatte nicht am Platze ist. Daß in der Sache primär zwar dem Ergebnis der Volksentscheide zu entsprechen wäre, also Wiederherstellung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe, steht nach dem Grundgesetz außer Zweifel. Vor der sachlichen Erörterung der Frage, ob hier nicht eine andere Lösung im Sinne von Abs. 4 geboten ist, steht die Vorfrage, ob bei einer solchen Entscheidung die Ziele einer Länderneugliederung insgesamt konkret konzipiert sein müssen. Herr Kollege Gerster ist auf diese Frage eingegangen. Der Entwurf der Bundesregierung verneint in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung der Wissenschaft diese Frage und läßt es allein auf die allgemeinen Richt- und Leitsätze in Abs. 1 des Art. 29 Grundgesetz ankommen. Dem kann ich für meine Fraktion nur zustimmen. Offensichtlich sind die Träger der Volksentscheide in Oldenburg und Schaumburg-Lippe selber, jedenfalls überwiegend, der Meinung gewesen, daß eine Wiederherstellung der alten Länder auch von den mit Ja votierenden Bürgern im letzten Ergebnis meist nicht angestrebt worden ist. Geht man aber, was nach meiner Meinung zwingend ist, davon aus, daß Art. 29 Abs. 4 nur auf die allgemeinen Leitsätze in Art. 29 Abs. 1 GG verweist, kann an der Richtigkeit der Lösung des Zielkonflikts im Sinne des Regierungsentwurfs überhaupt kein Zweifel sein. Damit erweist sich die Entscheidung, die der Regierungsvorlage zugrunde liegt, nicht nur als verfassungsrechtlich tragbar, sondern auch als von der Sache her zwingend. Niemand kann letztlich annehmen wollen - und das tut auch niemand -, daß beispielsweise ein Gebiet wie Schaumburg-Lippe, zur Zeit ein Landkreis mit 75 000 Einwohnern, als selbständiges Bundesland auch nur als eine zeitlich begrenzte Zwischenstufe im Zuge einer Länderneugliederung wiederhergestellt werden kann. Auf die landespolitischen Probleme komme ich noch in ein paar kurzen Sätzen. Auch - und das hat sicherlich größeres Gewicht - ein selbständiges Land Oldenburg ({3}) - darüber könnte man streiten; es kommt auf die Akzente an - kann weder als Zwischenstufe für eine Länderneugliederung noch gar als Endzustand, wie Sie vielleicht meinen, als mit den Zielen des Art. 29 Abs. 1 GG vereinbar angesehen werden. Oder umgekehrt argumentiert: Eine Entscheidung im Sinne der Ergebnisse des Volksentscheids vom 19. Januar dieses Jahres ginge hinter den gegenwärtigen Zustand zurück, während Art. 29 Abs. 1 doch ganz eindeutig zumindest von gleich großen, wenn nicht größeren Ländereinheiten ausgeht. Dies würde auch gegenüber dem gegenwärtigen Zustand eine grundsätzliche Verschlechterung bedeuten. Der Regierungsentwurf geht zu Recht davon aus, daß in Art. 29 Abs. 1 GG in der Neugliederung das Prinzip den Vorrang besitzt, Länder zu schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Der Bundesgesetzgeber entscheidet sich also richtig, wenn er der Regierungsvorlage zustimmt, und zwar richtig sowohl im Hinblick auf das verfassungspolitisch-rechtlich wie auch sachlich Gebotene. Sicher erscheint es auf den ersten Blick - ich will dem gar nicht widersprechen - nicht sehr erfreulich, wenn damit das Ergebnis des Volksentscheids in den beiden Landesteilen praktisch, wie man meinen könnte, unberücksichtigt bleibt. Aber eine Alternative bietet sich für den Bundesgesetzgeber hier und heute nicht - im Gegensatz zu der Meinung, die hier von der Opposition vertreten wird. Aber auch die CDU/CSU ist offensichtlich selber unserer Meinung; denn der Entschließungsantrag setzt ja zwangsläufig voraus, daß der Bundesgesetzgeber gar nicht anders entscheiden kann. Ich kann, Herr Kollege Gerster, die Frage doch nur so stellen: Entweder trägt die Brücke des Art. 29 Abs. 4 GG überhaupt nicht, weil die Ziele der Länderneugliederung konkret definiert sein müssen - das sind sie aber nicht -, oder diese Brücke trägt. Wenn sie trägt, müssen wir entscheiden, und dann können wir rechtlich in der Sache gar nicht anders entscheiden, als die Vorlage es vorsieht. ({4}) - Ich komme darauf, Herr Carstens. Auch Oldenburg hat noch ein Wort. Damit bin ich im Grunde genommen schon beim Entschließungsantrag. Denn rechtlich ist es absolut zwingend, daß hier gar nicht anders entschieden werden kann. Der Entschließungsantrag ist sowohl verfassungspolitisch in hohem Maße bedenklich als auch sachlich - und das möchte ich auch einmal sagen dürfen - nicht begründet. Ich will mich nicht nur in verfassungspolitischen Argumentationen verfangen. Der Entschließungsantrag fordert, zum Teil sehr konkret, bestimmte Handlungen der niedersächsischen Landesregierung bzw. des Landesgesetzgebers. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Aus welchen rechtlichen oder auch politischen Gründen sollte der Bundesgesetzgeber ermächtigt sein, einem Land solche Maßnahmen zu empfehlen? ({5}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerster?

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wendig, wenn Sie sachliche Bedenken gegen einzelne Vorschläge haben, können Sie mir dann sagen, warum Sie nicht im Innenausschuß die Gelegenheit wahrgenommen haben, mit uns gemeinsam eine in Ihrem Sinne bessere Entschließung zu beraten und zu verabschieden?

Dr. Friedrich Wendig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002477, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darauf komme ich noch; ich fange mit der Entschließung gerade erst an, Herr Kollege Gerster. Das können Sie nachher vielleicht fragen. Welche rechtliche und auch politische Möglichkeit gibt es also für den Bundesgesetzgeber, eine solche Empfehlung zu geben? Rechtspflichten aus dem Verfassungsrecht des Bundes bestehen doch wohl nicht. Andernfalls müßte man behaupten wollen, daß ein Bundesland - hier Niedersachsen - bei einem positiven Volksentscheid nach Art. 29 Abs. 3 rechtlich gezwungen wäre, in den betroffenen Landesteilen - hier Oldenburg und Schaumburg-Lippe - durch eine stärkere organisatorische, personelle oder finanzielle Ausgestaltung bestimmter Einrichtungen dem angenommenen Volkswillen stärker Rechnung zu tragen. Aber eine Auffassung, nach der das Grundgesetz den Ländern, in denen erfolgreiche Volksentscheide stattgefunden haben, für ihre innere Verfassung und Verwaltung bestimmte Verpflichtungen auferlegt, wird ersichtlich von niemandem ernstlich vertreten. Diese Erwägung - damit gehe ich einen Schritt weiter - sollte es dann aber auch aus politischen Gründen ausschließen, daß der Bundesgesetzgeber einem Land auch nur eine allgemeingehaltene Empfehlung gibt, wie sie etwa in der Präambel des Entschließungsantrages der CDU/CSU enthalten ist. Eine ganz andere Frage ist es, Herr Kollege Gerster, ob sich die niedersächsische Landesregierung oder der Landesgesetzgeber in Niedersachsen aus einer nicht bundesverfassungsrechtlichen Motivation heraus veranlaßt sehen könnte, in den Abstimmungsgebieten bestimmte Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen. Dies ist indessen - davon bin ich nach wie vor überzeugt, und das sollten wir im Grunde genommen alle in diesem Hause sein -, immer von der Bundesverfassung her gesehen, eine Frage für das Land Niedersachsen wie für jedes andere Land in der gleichen Lage, ein völlig freier Entscheidungsraum, ({0}) der in dem durch das Grundgesetz in keiner Weise bestimmten politischen Ermessen des Landesgesetzgebers liegt. Hierüber haben wir also nicht zu befinden. Darüber hinaus ist es aber auch aus allgemeinpolitischen Erwägungen heraus absolut unmöglich, daß der Bundestag einem Land im Wege der Empfehlung etwa konkrete Maßnahmen bei der Bildung von Landschaftsverbänden, bei der Kreisreform, bei der Verfügung über die Finanzmasse nahelegt. Ich sage dies nicht, weil mir etwa die niedersächsische Landesregierung politisch näher stünde; ich würde die gleiche Auffassung gegenüber jedem Land vertreten, ob Bayern, Baden-Württemberg oder auch Rheinland-Pfalz, wenn Sie wollen, ganz gleich, wie die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse dort beschaffen sind. Nimmt man den Föderalismus in der Bundesrepublik ernst - und ich tue das nicht nur aus Gründen des Verfassungsgebots -, so kann man nur dringend, und zwar alle in diesem Hause, vor einer Praxis warnen, die mit dem Entschließungsentwurf der Opposition hier erstmalig in das BundLänder-Verhältnis eingeführt werden soll, eine Entschließung, die, wie ich nochmals betonen möchte, jeder rechtlichen, aber auch jeder vernünftigen politischen Grundlage entbehren würde. Verfassungsrechtlich wie auch gemessen an den sachlichen und politischen Notwendigkeiten ist also der Regierungsentwurf in Ordnung. Er ist die einzige Regelung, die zugleich auch die Entwicklung für die Zukunft nicht verbaut. Wir Freien Demokraten werden ihr daher zustimmen. Eines, meine Damen und Herren von der Opposition, ist dennoch gewiß: Ganz ohne ein gewisses Mißbehagen kann man die Entscheidung über Oldenburg und Schaumburg-Lippe so lange nicht betrachten, ({1}) als wir nicht den politischen Willen aller - ich sage jetzt ganz deutlich: aller - in diesem Lande, d. h. nicht nur der gegenwärtigen Bundesregierung, sondern aller Parteien in diesem Bundestag, spüren, die Aufgabe der Länderneugliederung voranzubringen. ({2}) Dazu möchte ich jetzt einiges sagen. Dazu gehört vor allem Klarheit darüber, wie wir die künftige föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland definiert wissen wollen oder, anders gefragt, welchen politischen Stellenwert wir dem Verfassungs14346 gebot einer föderativen Struktur des Bundesgebietes heute zumessen. ({3}) - Ich komme auf die Verfassung noch zu sprechen. Dabei wird eine Reihe von Fragen sowohl im Rahmen des gegenwärtigen Art. 29 als auch möglicherweise bei einer Fortentwicklung neu zu stellen sein, wobei ich Ihnen, Herr Gerster, darin zustimme, daß wir von einer Streichung des Art. 29, wie Sie sagten, absolut absehen sollten. Aber sind die Voraussetzungen - das muß man fragen, wenn man über eine Neugestaltung des Art. 29 so oder so spricht - richtig, aus denen beispielsweise das Ernst-Gutachten konzipiert wurde? Kann sich Föderalismus nur formal als Instrument einer zusätzlichen Kontrolle staatlicher Zentralgewalt begreifen, wie es oft vorgetragen wird? Sind die Leitsätze mit den Kriterien der Größe und der Leistungsfähigkeit der Länder ausreichend beschrieben? Wir wissen doch alle längst, daß die Leistungsfähigkeit eines Landes neben seiner Größe auch von anderen Faktoren abhängig ist, wie insbesondere der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern und der Finanzverfassung im Bund bzw. dem vertikalen Finanzausgleich. Die föderative Struktur der Bundesrepublik ist zu einem großen Teil Erbe einer langen geschichtlichen Entwicklung, zum Teil aber auch Ergebnis der politischen Situation in Westdeutschland des Jahres 1949. Es gibt territoriale Bereiche - und es hat sie immer gegeben -, in denen das Land, der Territorialstaat also, im Bewußtsein der Bürger eine besonders lebendige Bedeutung gehabt hat. Man soll das nicht geringachten, drückt sich doch darin für viele Bürger unseres Landes die unmittelbarste persönliche Beziehung zur Staatlichkeit überhaupt aus. Zu diesen Bereichen mögen die alten, die historischen Länder gehören, vielleicht auch Oldenburg von 1945, das älter ist als das damals entstandene Niedersachsen. Für viele war auf der anderen Seite der Föderalismus aber auch eine, wenn auch notwendige, so doch - das möchte ich sagen dürfen - im Prinzip ungeliebte Fessel. Die föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland nach dem Grundgesetz von 1949 wurde von den einen als zu zentralistisch abgelehnt - ich denke an das damalige Bayern -, von anderen als Ausdruck einer föderativen Staatsverfassung bejaht und von dritten als die einzige Form deutscher Staatlichkeit, die damals politisch erreichbar war, lediglich hingenommen. Das galt im übrigen zum Teil auch für die damals vorhandenen und noch heute bestehenden Länder. Ich darf hier abschließend auf einen Satz des Abgeordneten im Parlamentarischen Rat Professor Dr. Heuss verweisen, des ersten Präsidenten dieser Republik. Er hat damals im Parlamentarischen Rat zu dieser Frage ausgeführt - ich zitiere -: Ich will niemandem zu nahe treten, aber manche dieser Staaten sind weniger originär als origiell in der Art, wie sie geworden sind. Wenn wir hier - im Parlamentarischen Rat von den Landtagen gewählt worden sind, so sind die Landtage im Augenblick Behelfsheime der deutschen Existenz überhaupt. Bitte, besinnen wir uns doch einmal zurück! Das stenographische Protokoll verzeichnet damals „lebhafte Zurufe, Sehr gut! und Heiterkeit". Auch hierauf muß verwiesen werden, wenn man über diese Dinge spricht. Hierzu ist zweierlei festzustellen. Die Länder des Jahres 1949 haben inzwischen - auch im Bewußtsein ihrer Bürger - eine Verfestigung erfahren, die nicht, wie es manchmal geschieht, mit einem Hinweis auf die Sorge etablierter politischer Gruppen vor der Zerstörung gewachsener Stammesherzogtümer abgetan werden kann. Das gilt auch für das heutige Niedersachsen. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, wie sehr im Bereich der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern in den Jahren nach 1949 aus Sachzwängen heraus, aber mit dem Willen einer Mehrheit unserer Bevölkerung die Zuständigkeiten des Bundes erweitert worden sind. Meine Damen und Herren, in diesem Rahmen steht die ganze Frage einer Neukonzeption des Art. 29 des Grundgesetzes. Wir sollten, wenn wir über den heutigen Tag hinausgehend, die Fragen des Art. 29 debattieren, an all diese Grundsätze denken. Hier und heute kann aus den rechtlichen wie aus den politischen Zwängen, die ich aufgezeigt habe, eine andere Entscheidung als die, wie die Regierungsvorlage sie vorschlägt, nicht getroffen werden. Ich empfehle Ihnen Zustimmung. ({4}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache über diesen Tagesordnungspunkt, zu dem mir noch weitere fünf Wortmeldungen vorliegen, fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lemp.

Hans Lemp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001316, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wenn ich hier und heute anläßlich der zweiten und der dritten Lesung einige Ausführungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und auch zu der in der ersten Lesung vorangegangenen Diskussion mache, so stehe ich hier weder als Verfassungsrechtler noch überhaupt als Jurist, sondern ganz schlicht und einfach als Südoldenburger, als jemand, der dort geboren ist und dort auch noch lebt. Was mich hier aufs Podium bringt, sind andere Dinge, als Sie sie in verfassungsrechtlicher Hinsicht hören möchten. ({0}) - Natürlich auch! Das setze ich voraus. Bitte keine Zwischenrufe in der Art; aber Sie unterstützen mich natürlich, vielen Dank. - Mir geht es um die Äußerungen meines Kollegen Carstens ({1}) in der ersten Lesung. Er hatte da die Dinge fast schon als Verfassungsrechtler en detail behandelt. Bloß glaube ich, da muß man doch einiges geraderücken, denn hier gibt es Dinge, die so nicht stehenbleiben können. Wenn der Kollege Carstens davon spricht, daß die Oldenburger oder der Landesteil Oldenburg in Niedersachsen durch die Landesregierung vernachlässigt worden sind, muß ich das natürlich konsequent zurückweisen, ({2}) was ja wohl logisch ist; denn Ihnen, Kollege Carstens, wäre es wahrscheinlich gar nicht erlaubt worden, hier zu sprechen, wenn Hasselmann Ministerpräsident geworden wäre. ({3}) Das muß man wissen. Für mich gilt folgendes. Meine Freunde und die Freunde von der FDP regieren in Hannover. ({4}) Ich muß hier eindeutig feststellen, daß sie gerade auf den Gebieten, die Sie zitiert haben - sei es Schule, sei es Kultur oder sei es Wirtschaft -, doch wesentlich mehr geleistet haben, als sie normalerweise im Gesamtbereich eigentlich leisten konnten. ({5}) - Kollege Lagershausen, wenn Sie sich mit diesen Zwischenrufen zu Hause tummeln wollen, dann machen Sie das. Hier sind wir im Moment im Plenum des Bundestages und nicht in der Kneipe. ({6}) Ich möchte dazu nur folgendes feststellen. Deshalb habe ich mich hier auch zu Wort gemeldet; ich habe es eben schon angedeutet. Wenn gesagt wird, daß das Land Niedersachsen den Landesteil Oldenburg vernachlässigt hat - zuhören, Kollege Carstens; nicht nur draußen etwas erzählen, sondern auch hier zuhören! -, muß man dem entgegenhalten, daß eine Menge im Bereich der Wirtschaftsförderung speziell in diesen Bereich des Landes Oldenburg geflossen ist. ({7}) - Entschuldigung! Wir sind doch alle Niedersachsen, nehme ich an. Ich glaube auch nicht - das muß ich hier einmal deutlich sagen -, daß wir, weil wir die Chance zur Volksabstimmung hatten, nun so unfair sein sollten, zu meinen: Jetzt nehmen wir alles für uns und denken nicht an die anderen - Braunschweig, Schaumburg-Lippe oder wie immer sie heißen. Man muß die Dinge doch insgesamt ein bißchen konsequent sehen. Als Christ muß man die Dinge solidar sehen. Das meine ich. ({8}) Aber damit nicht genug; wir sind noch nicht fertig. Ich meine, daß sich hier noch einige Probleme mehr ergeben. Betrachten wir uns einmal den Bereich der Kultur und lesen wir in dem Bericht, den der Ausschuß uns geboten hat, nach, was darin steht. Wer den Bericht nachgelesen hat, sieht eindeutig, daß man in diesem Bereich der landsmannschaftlichen Bindung eine Menge getan hat: ob man nun das Oldenburger Schloß oder das Theater nimmt, ob man die Museen nimmt oder ob man, wenn wir an unseren speziellen Raum denken, das Museum in Cloppenburg nimmt. ({9}) Es wird also eine Menge getan. Man kann doch nicht einfach so tun, als sei das alles nichts. ({10}) Dies sind Leistungen, die vollbracht werden, und ich freue mich, daß sie vollbracht werden. Ich sage jetzt natürlich auch: nicht fordern ist Faulheit. Natürlich, hier geht es ja um das gute Recht der Opposition und auch mein Recht. Wenn ich darüber nachdenke und einmal nachlese, was alles von Hannover kommt, wenn Kollege Carstens mit dikken Schlagzeilen vermeldet, was alles noch gekommen ist, hier dann aber sagt, es passiere nichts, kann ich nur zum Ausdruck bringen: Das halte ich nicht für einen sauberen Stil! ({11}) - Kollege Carstens, wir sind ja gleich so weit. Verehrter Kollege Lagershausen, hier geht es darum, Dinge zurückzuweisen - dazu fühle ich mich politisch verpflichtet -, die gegen die Landesregierung in Niedersachsen, sprich: SPD/FDP, gerichtet sind. Ich fühle mich berufen, dies hier zu tun. ({12}) So einfach kann man sich das mit mir nicht machen! Wir wollen ja aber noch ein bißchen weiterkommen. Ich wollte auch nur das eine zurückweisen. Verehrter Kollege Lagershausen, Sie werden Ihre Stimmen schon kriegen, so oder so; darum geht es also gar nicht. Hören Sie noch einen Moment zu, denn es wird jetzt ganz interessant. Ich greife nur zwei Dinge heraus. Zum einen weise ich das zurück, was der Kollege Carstens in die Welt setzt. Zum anderen komme ich auf das zu sprechen, was ich einmal „Motivation" nennen möchte, damit die Leute - auch Ihre eigenen Kollegen - einmal erfahren, wie es eigentlich gelaufen ist. Das ist ja auch wichtig. ({13}) - Ich will Ihnen einmal folgendes sagen. Ich zweifle ja die aufgebrachten Stimmen in ihrer Mehr14348 heit nicht an, die dazu beigetragen haben, daß wir uns heute hier über dieses Thema unterhalten. Es ist das gute Recht und auch die Pflicht dieses Hohen Hauses, jetzt eine Entscheidung zu treffen. Aber man muß ja auch einmal etwas zur Motivation sagen dürfen. ({14}) Ich habe mir extra ein bißchen was mitgebracht. Kollege Lagershausen: Motivation! ({15}) „Zum Volksentscheid" - hören Sie bitte zu, es ist mir sehr ernst, ich muß es sagen. ({16}) Spaßig wird es natürlich dann, wenn ich erstens sehe, was da ist, und zweitens, was hier steht ({17}) - in der Zeitung. Kollege Lagershausen, hören Sie andächtig zu; Sie sind doch mehr betroffen als mein Kollege Carstens. Hier schreibt jemand, das ist der Herr Kollege Heinz zu Jührden. Er ist Landrat von der CDU - bedauerlicherweise, aber was soll's. ({18}) Ich möchte vorausschicken, daß wohl kaum jemand von uns der Meinung ist, daß das alte Land Oldenburg zu einem neuen Bundesland werden soll. Nutzen Sie diese Chance und stimmen Sie für Oldenburg. Steht das hier oder nicht? ({19}) - Mit einer guten Brille. ({20}) - Ich spreche hier von Motivation, von nichts anderem. Ich bin kein Verfassungsrechtler. ({21}) „Aufruf zum Volksentscheid." - Entschuldigung, Herr Präsident: Sie gestatten, daß ich zitiere? ({22}) „Aufruf zum Volksentscheid." Herr Lagershausen, hören Sie bitte zu, Sie haben das sonst nachher wieder vergessen: „Stimmen Sie am 19. Januar 1975 auf dem Stimmzettel für Oldenburg." Unter 2, das erste wissen wir alle. „Sie erreichen die Erhaltung des Landkreises Ammerland, da bei positivem Entscheid für den Raum Oldenburg keine Kreisneugliederung in der vorgesehenen Form durchgeführt werden kann." ({23}) - Motivation, Kollege Lagershausen, mehr will ich ja gar nicht. ({24}) Und jetzt noch etwas, was ich dazu beitragen möchte. Dazu gestatte ich mir, den Herrn Präsidenten zu bitten, mich das auf Plattdeutsch sagen zu lassen. *) ({25}) - Ja, Nahkämpfer. Ich stelle mich schon auf den Wahlkampf ein, das ist ganz klar. Herr Lagershausen, ich muß schon sagen, wenn Sie hier auf Plattdeutsch einen Zuruf machen würden, wäre ich Ihnen durchaus wohlgesonnen, das muß ich schon sagen. Schließlich bin ich ja aus Südoldenburg und Sie nicht. ({26}) Da sind dann die Leute so in Südoldenburg - hören Sie zu, Herr Carstens, hören Sie zu - durch das Land gezogen und haben versucht, das den Leuten zu erklären. Sie haben gesagt: Wenn ihr alle für das Land Oldenburg stimmt, dann geht das auch mit dem Land Oldenburg klar, das wird dann herausgenommen, und wir haben mit der Verwaltungs- und Gebietsreform nichts zu tun. Sehen Sie, das ist ja nicht falsch, und ich habe auch nichts dagegen. Ich bin ja in Südoldenburg auch noch Kommunalpolitiker. ({27}) - Nun seien Sie doch mal einen Augenblick still! **) ({28}) Ich will das einmal dem zuständigen Herrn sagen, damit Sie beruhigt sein können: Mir gefällt als Kommunalpolitiker auch nicht alles, was da so läuft. Das muß ich ehrlich sagen. ({29}) Nun ist Politik aber ein schwieriges Werk, und man kann die Dinge nicht jedem so recht machen, wie man vielleicht möchte. Das habe ich eingesehen, Sie noch nicht. ({30}) - Ja, das kann ich mir vorstellen, aber ich muß damit zurechtkommen, das nützt nun einmal nichts. Ich muß damit zurechtkommen, und der Kollege Carstens muß ebenfalls damit zurechtkommen. Wenn man die Sache nun so sieht, Kollege Carstens, wenn alles so gekommen wäre, wie ich es haben wollte, wie es aber nicht gekommen ist, so muß ich sagen: Das tut mir leid, aber die Politik wird ja für diese Sache nicht im Bundestag gemacht, die wird im Landtag gemacht, und deshalb habe ich das gerade zu unserem Minister gesagt. ({31}) *) Die im folgenden plattdeutsch vorgetragenen Ausführungen werden auf Weisung des amtierenden Präsidenten auf hochdeutsch wiedergegeben. Plattdeutsche Originalfassung: „Nu halt'n Se doch mal'n Moment dat Mul!" Mir paßt auch vieles nicht, aber das ist eben so. Was soll's? Nun noch eins, das ich hier noch festhalten möchte. Ich hoffe, Kollege Carstens, Sie können Plattdeutsch. Ich glaube nicht, daß die Leute aus Südoldenburg oder überhaupt aus Oldenburg mit Gewalt einen neuen Ministerpräsidenten haben wollen. Ich meine, wenn ich dadurch Bundesratsmehrheiten schaffen kann, möchte ich schon einen haben. ({32}) Das gibt es aber nicht, und ich glaube auch nicht, Kollege Carstens, daß es da wieder einen Großherzog mit Kammerzofe und allem Drum und Dran geben soll. Das wollen die Leute nicht, das muß man wissen. Das muß man wissen. Und wenn der Landtag - das muß ich jetzt auch noch sagen, wenn Sie hier jetzt so unglücklich gucken - fragt, warum das hier nicht anders geht, dann muß ich sagen: Wenn die Leute in Südoldenburg damals ein paar Sozialdemokraten mehr in den Landtag geschickt hätten, dann wäre das ein bißchen besser gegangen. Bloß habt ihr alle das verhindert. Die Leute müssen sich nun einmal Gedanken darüber machen. Wenn wir eine große Mehrheit haben, dann kann doch gerade in dieser Beziehung noch ein bißchen mehr gemacht werden. Das wollte ich dazu nur sagen. Nun wieder auf hochdeutsch, Herr Präsident! Kollege Carstens, ich würde sagen: Aufmerksamkeit für ihren Gegenkandidaten! Ich bin schon einer. Ich sage ein abschließendes Wort, Kollege Carstens, zu dem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion. Herr Kollege Carstens, nachher sagen Sie, Sie hätten die Hälfte nicht mitgekriegt. Das reizt mich jetzt langsam. Die Fraktion der CDU/ CSU hat doch schon damals im Innenausschuß eine Entschließung vorgelegt. Auch heute hat sie es wieder gemacht. Die Entschließung liegt ja wohl auch schon in dem Bericht fest. Dazu würde ich sagen, daß der Deutsche Bundestag, dem wir hier angehören, kein Organ ist, welches Länderparlamente zu disziplinieren hat. Dies sieht die Verfassung auch nicht vor. Das Anliegen der CDU/CSU-Fraktion - - Herr Kollege Carstens, bitte nicht so traurig! Wir kennen uns doch sonst auch. Gucken Sie doch einmal nach hinten, wie traurig es bei Ihnen aussieht! ({33}) Aber nicht über mich traurig sein! Das Anliegen - und das ist der Antrag Ihrer Fraktion - gehört mit den vielen Wünschen, die ich sogar begleite, leider nicht hierher, sondern in den niedersächsischen Landtag. Das Ansinnen dort vorzubringen, halte ich für sinnvoll. Damit möchte ich hier schließen. Bloß lassen Sie mich noch eines - entschuldigen Sie, Herr Präsident - zu meinem Kollegen auf plattdeutsch sagen: Wenn einer zu mir kommt und sagt: ich mache es allen Menschen recht, dann sage ich: lieber Freund, mit Gunst, nun lehr mich mal die große Kunst! ({34}) Vizepräsident von Hassel: Verehrter Herr Kollege Lemp, die Amtssprache im Deutschen Bundestag ist das Hochdeutsche. Ich bin gezwungen, Ihre Rede für das Wortprotokoll vom Tonband in das Hochdeutsche übertragen zu lassen. Ich gerate lediglich an einem Punkt in Schwierigkeiten. „Holt dat Mul!" ist auf plattdeutsch sicher keines Ordnungsrufes würdig. Auf hochdeutsch würde ich einen erteilt haben. ({35}) In diesem Zusammenhang müssen wir das Wortprotokoll dann gemeinsam etwas verfeinern. ({36}) Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Kollege Lemp, es war zwar sehr amüsant, Ihnen zuzuhören, und ich gestatte Ihnen, daß Sie den Ihnen eigenen Stil hier im Deutschen Bundestag auch zeigen. Nur muß ich Ihnen offen gestehen: Wenn wir von den politischen Parteien aus unsere Bürger zum besseren Demokratieverständnis und zur besseren Entwicklung zur Demokratie hin ermuntern, sie in Wählerinitiativen und zu Bürgerinitiativen aufrufen, um diese Demokratie zu verbessern, und wenn dann auf der anderen Seite die Bürger ein Bild über die Motivationen von Anträgen vorgeführt bekommen, das Zweifel über die Ernsthaftigkeit der Behandlungsweise durch das Parlament aufkommen läßt, ({0}) dann, meine Damen und Herren, dürfen wir uns nicht wundern, daß damit das Ansehen im Grunde des Hauptverantwortlichen, nämlich dieses Parlaments, schließlich mit zu sinken beginnt. Kollege Lemp, auch Ihr Spaß, Ihre Fröhlichkeit in allen Ehren. ({1}) Insbesondere habe ich - das wissen Sie - Hochachtung vor jedem, der Tradition zu pflegen bereit ist. Darüber besteht auch kein Zweifel. ({2}) Aber ob das der richtige Stil war, bei einer Sache, bei der es auch um Werte von Menschen geht, die eben Tradition und geschichtliche, gewachsene Bindung für echte Werte halten, überlasse ich der Beurteilung der Öffentlichkeit. ({3}) Wir stimmen dieser Gesetzesvorlage nicht zu, weil sie verfassungspolitisch unhaltbar ist ({4}) und möglicherweise auch nicht verfassungsbeständig ist. Im Hearing des Innenausschusses haben wir gehört, daß gewichtige Stimmen aller der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien hinter dem Olden14350 burger Volksentscheid stehen. Es sind ernst zu nehmende Argumente vorgetragen worden, die durchaus als fortschrittlich im Sinne der Fortentwicklung eines ausgewogenen Föderalismus angesehen werden können. Ich sage das als niedersächsischer Abgeordneter, der außerhalb des Landes Oldenburg, allerdings in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihm wohnt. ({5}) Den Vertretern Oldenburgs, die im Innenausschuß zu Wort gekommen sind, ging es offenbar, ebenso wie mir, auch darum, das zu vermeiden, was die Bundesregierung mit diesem Entwurf unternimmt, nämlich: Ein konstruktiver Gedanke der Neugliederung wird wie im Handstreich vom Tisch gefegt. Sicherlich hat die Bundesregierung damit der Form Genüge getan. Sie hat die Verfassung beachtet, den mündigen Bürger hat sie aber mißachtet; ({6}) denn es geht hier auch und vor allem um die Reaktion des Verfassungsorgans Bundesregierung auf einen Volksentscheid, den wir von seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung her einer Parlamentswahl gleichachten müssen. Schließlich haben wir als Parlament noch im Jahre 1969 durch die Neufassung des Art. 29 des Grundgesetzes und durch das Ausführungsgesetz im Jahr 1974 die Bevölkerung des Landes Oldenburg gefragt, und wir haben darauf eine Antwort bekommen. Diese Antwort müssen wir nicht nur beachten, sondern wir müssen sie auch achten wollen. Das ist das Gebot; denn auch das liegt im Verfassungsauftrag des Art. 29 des Grundgesetzes, daß nämlich der einzelne Mensch ermutigt werden soll, seine Möglichkeiten selbst zu suchen, zu entscheiden und sie einzubringen in das Ganze des Gemeinwesens, indem er seinen demokratischen Willen der Selbstbehauptung durch Veränderung erklärt. Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat das Land Niedersachsen dreimal um eine Stellungnahme dazu aufgefordert: welche Vorstellungen Niedersachsen hat, wie Oldenburg innerhalb Niedersachsens seine landsmannschaftliche Verbundenheit und seinen Selbständigkeitswillen verwirklichen könne. Die beiden ersten Antworten aus Hannover waren bekanntlich so unzulänglich und mager, daß der Innenausschuß, sogar einvernehmlich mit den Stimmen der Koalition, Ergänzungen verlangen mußte. Die letzte und dritte Stellungnahme aus Hannover war geradezu zynisch und selbstgefällig ({7}) mit der lapidaren Behauptung, Niedersachsen werde nach wie vor gleichmäßig für alle Landesteile sorgen. Diese Behauptung geht am Kern des Votums völlig vorbei. Das Oldenburger Votum ist der demokratische Wille nach Verbesserung durch Veränderung. Das ist legitim. Zugleich sehe ich darin einen deutlichen Hinweis auf das gestörte Verhältnis zwischen der Landesregierung in Hannover und Oldenburg. Das wird nicht nur durch den halbherzigen Zuspruch der Niedersächsischen Landesregierung deutlich, sondern das vermittelt auch unüberhörbar das sehr zurückhaltend und nur dosiert geäußerte Vertrauen der verschiedensten Bevölkerungsgruppen in Oldenburg gegenüber dem Bundeslande Nie, dersachsen. Hannover spricht bei der Frage der landsmannschaftlichen Verbundenheit immer von kulturellen Fragen und von der Tradition. Den Oldenburgern geht es um ihre Zukunft, die sie im Bereich der Landesentwicklung und der verantwortlichen Mitsprachemöglichkeit gesichert wissen möchten. Nach unserem Demokratieverständnis ist dies das verbriefte Recht der Bürger, dem wir Rechnung tragen müssen. Daß dies über den Weg eines neuen norddeutschen Bundeslandes angestrebt wird, muß uns zu denken geben im Hinblick auf den zu erfüllenden Verfassungsauftrag, der eine gute Ausstrahlungswirkung auf die betroffenen Bürger haben muß. Art. 29 des Bonner Grundgesetzes wurde erst im Jahre 1969 geändert; das sagte ich schon. Die Abgeordneten sind im Hearing gefragt worden, ob von vornherein beabsichtigt gewesen sei, den Volksentscheid nur dann zu befolgen, wenn er die vorhandene Länderstruktur erhalte. Diese Frage, meine Damen und Herren, ist unzulässig. Gewiß bevorzugt das Grundgesetz die parlamentarische Demokratie. Hier handelt es sich aber um einen als gleichwertig anerkannten Volksentscheid, wahrscheinlich wohl um den letzten Fall eines Volksentscheides gemäß dem Grundgesetz. Wir können hierüber nicht einfach hinweggehen, zumal wir alle, vor allem auch der Bundesinnenminister, immer wieder neue Vor, schläge für Bürgerinitiativen und Bürgerbeteiligung machen. Der Volksentscheid steht fest. Nach Art. 29 ist nur eine Abweichung im Interesse der Neugliederung zulässig. Das bringt die Bundesregierung in ihrer eigenen Begründung zum Ausdruck. Hier sind wir als Parlament angesprochen. Wir wissen doch alle, daß nicht stimmt, was uns die Bundesregierung in der Gesetzesvorlage glauben machen will. Die Gesetzesbegründung sagt, es sollte mit der Erhaltung des Landes Niedersachsen nur die Voraussetzung für die umfassende Neugliederung geschaffen werden. Wir wissen alle: in Wahrheit sollen hier nur die letzten alten Verfahren erledigt werden, und das letzte Hindernis für die Änderung des Art. 29 soll beiseite geschafft werden. Wir wissen alle, daß es sich hier nicht um ein Gesetz im Interesse der Neugliederung handelt. Aber selbst wenn man die Neugliederung gar nicht will, ist die Gesetzesvorlage problematisch. Man hat nun mal das Volk gefragt, und es hat sich entschieden. Gewiß geht es eher wohl um die in Art. 29 genannten Ziele: die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und die Leistungsfähigkeit des Landes. Die Verfolgung dieser Ziele muß aber doch schon sehr gewichtig sein, wenn man von einem solchen Entscheid abweichen will. Das Hearing hat ergeben, daß sich die Vertreter Oldenburgs sehr wohl Gedanken über die finanziellen und verwaltungsmäßigen Konsequenzen der Neugliederung bzw. der Wiederherstellung des Landes gemacht haben. Man hat sehr wohl über die Konsequenzen im Länderfinanzausgleich nachgedacht, ebenso auch über die jetzt schon genutzten Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern. Was aber, meine Damen und Herren, soll man sagen und antworten, wenn einem Oldenburger entgegengehalten wird, daß das Saarland und das Land Bremen bestehenbleiben sollen, daß man deshalb sogar den Art. 29 ändern will, daß aber andererseits das Grundgesetz dazu zwinge, in Niedersachsen alles beim alten zu lassen? Schließlich handelt es sich hier um ein Verfassungsgesetz. Wir müssen alle insgesamt viel ernster diese Frage auffassen, und wir müssen als Parlament auch ernster genommen werden wollen. ({8}) Es handelt sich hier ja auch um ein verfassungsrechtliches Problem, und insofern sind wir als Parlament nochmals betroffen. Es ist durchaus möglich, daß eine Verfassungsklage als Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe zugelassen wird. Es ist nicht sicher, ob sie Erfolg hat. Die Klage kann als unbegründet abgelehnt werden, aber möglicherweise bekämen wir als Parlament bei Ablehnung der Frage erneut eine Lektion des Bundesverfassungsgerichts in Sachen des Art. 29, diesmal nicht nur in Sachen Neugliederung, sondern möglicherweise auch in Sachen Demokratieverständnis. ({9}) Wir müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem Entwurf unsere Zustimmung versagen. Entweder muß das Land Oldenburg wiederhergestellt werden, oder das gesamte Bundesgebiet muß neu gegliedert werden, und zwar unter der nötigen Beachtung des Verfassungsauftrages und vor allem unter der gebotenen Achtung und Berücksichtigung des Volkswillens. In diesem Hohen Hause muß auch für jeden Mitbürger in unserer Bundesrepublik dies in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden: durch den vorliegenden Regierungsentwurf ist das klare Votum des Bürgers mißachtet. Der legitimierte Wille der Oldenburger Bevölkerung ist kaltgestellt. Die Bundesregierung gibt damit ein Beispiel der Macht mit Anmaßung. Sie hat das Votum des mündigen Bürgers mit einer Ohrfeige für den Bürger beantwortet. ({10}) Wir bitten darum, meine Damen und Herren, dem Entschließungsantrag der CDU/CSU Ihre Zustimmung zu geben. ({11}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schirmer.

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gern und überzeugt bekenne ich mich als ein Schaumburg-Lipper Bürger, auch wenn es wegen des hier vorliegenden Gesetzentwurfes schon viele frotzelnde Bemerkungen mir gegenüber gegeben hat. Gegenstand des Volksentscheides war im Landkreis Schaumburg-Lippe - darauf beschränke ich mich hier - die Frage, ob dieses Gebiet wieder selbständiges Bundesland werden oder beim Lande Niedersachsen verbleiben sollte. Das Wahlergebnis ist bekannt: Bei etwa 50%iger Wahlbeteiligung stimmten mehr als 39 % der Bürger für die Wiederherstellung eines selbständigen Bundeslandes Schaumburg-Lippe; ein in der Tat überraschendes Ergebnis. Aber, Herr Kollege Gerster, wenn Sie vorhin anmerkten, daß dies die Mehrheit der Bürger gewesen sei, so lassen Sie mich sagen, daß dies 39 % und damit nicht die Mehrheit der Bürger waren, sondern hier lediglich ein Quorum erfüllt wurde. ({0}) - „Lediglich" bedeutet 39 °/o und nicht mehr als 50 %, Herr Kollege Carstens. ({1}) - Dies ist die schlichte Richtigstellung der Behauptung, ({2}) daß sich hier die Mehrheit der Bürger für dieses Votum ausgesprochen hätte. ({3}) Diese Behauptung ist richtig. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist die Bundesregierung von diesem Begehren abgewichen, weil das erforderlich ist, um die Ziele der Neugliederung des Bundesgebietes zu erreichen. Die Begründungen dafür wurden hier gegeben. Auch in der ersten Lesung, in den Beratungen im Bundesrat, im Rechtsausschuß und im Innenausschuß haben wir dies alles erörtert. Nach mehrmaligen Beratungen hat der Innenausschuß, wie bereits vorhin mehrfach erwähnt, eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Von dem Sprecher der schaumburg-lippischen Wählerinitiative wie von den Kreisvorsitzenden der SPD, CDU und FDP wurde übereinstimmend vorgetragen, daß niemand ernstlich erwogen habe oder erreichen wollte, ein selbständiges Bundesland Schaumburg-Lippe wiederherzustellen. Diese Auffassung, meine Damen und Herren, deckt sich also mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, nach dem dieser Landkreis beim Lande Niedersachsen verbleiben soll. Ich habe bei öffentlichen Diskussionen im schaumburg-lippischen Raum auch noch niemanden gefunden, der ernsthaft die Wiederherstellung eines selbständigen Bundeslandes Schaumburg-Lippe gefordert hat. Das wäre ja auch für ein Gebiet mit 137 Quadratkilometern und knapp 87 000 Einwohnern, also einer Bevölkerungszahl, die knapp einer Mittelstadt entspricht, nicht ernst zu nehmen gewesen. Auch der Staatsrechtler Professor Evers hat in sei14352 nem heute bereits hier zitierten Gutachten ausgeführt, daß Schaumburg-Lippe nach Fläche und Einwohnerzahl natürlich zu klein sei, um die Aufgaben eines Bundeslandes wirksam erfüllen zu können. Eine solche Einrichtung würde das föderative Gesamtgefüge empfindlich verschlechtern. Professor Evers bestätigt damit doch die Auffassung der Bundesregierung, daß hier ein Abweichen vom Ergebnis des Volksentscheides erforderlich sei. Nachdem also offenbar Einmütigkeit über diese Auffassung besteht, bleibt die Frage, weshalb dann 39 % der Wähler ihr Ja für ein selbständiges Bundesland gegeben haben. Meine Damen und Herren, niemand ist von diesen Wählern legitimiert worden, ihre Beweggründe zu erklären. Ich bin es auch nicht. Aus vielen Gesprächen ist aber dennoch erkennbar geworden, worum es den meisten ging. Sie wollten offenbar ihre landsmannschaftliche Verbundenheit und die Eigenständigkeit dieses über viele Jahrhunderte selbständigen Raumes verdeutlichen und gleichzeitig ihre Befürchtung zum Ausdruck bringen, zwischen den Ballungsgebieten des Großraumes Hannover und dem nordrhein-westfälischen Fördergebiet Ostwestfalen-Lippe benachteiligt zu werden. Viele Bürger befürchteten auch, daß weitere Gebietsteile ausgegliedert würden und so eine Zersplitterung dieses landsmannschaftlich geschlossenen Raumes drohe. Außerdem wollten sie dazu auffordern, die seit 1648 getrennten Gebiete des Landkreises Schaumburg-Lippe und der benachbarten Grafschaft Schaumburg zu einem Landkreis zusammenzuschließen. Erst später wurden in der Öffentlichkeit von interessierter Seite Erwartungen geweckt, als könnten für die Bürger Vorteile erreicht und das Domanialvermögen besser als bisher genutzt werden. Das wurde auch in den Beratungen des Innenausschusses deutlich. Dort wie heute hier - legte die Opposition den Entschließungsentwurf vor, allerdings mit der Änderung, daß heute nicht mehr zwingend gefordert wird, daß ein Landschaftsverband oder eine andere adäquate Einrichtung dieses Vermögen verwaltet, sondern hier wird der Landkreis weiter als verwaltende Dienststelle genannt. Durch diese Erörterungen soll doch wohl der Eindruck erweckt werden, meine Damen und Herren, daß den Bürgern bisher zustehende Rechte oder Vermögensteile vorenthalten worden seien. Das aber ist falsch. Wie heute schon der Kollege Professor Dr. Schäfer hier ausführte, können und dürfen weder der Deutsche Bundestag noch die Bundesregierung in das originäre Recht eines Bundeslandes eingreifen. Wir werden auch einer solchen Aufforderung nicht unsere Zustimmung geben, weil das mit den bundesstaatlichen Grundsätzen unserer Verfassung unvereinbar wäre. ({4}) Unverständlich ist mir geblieben, welche Gründe die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuß bewogen haben mögen - und, wie zuvor angekündigt, hier gleichermaßen bewegen werden -, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. Das darf doch wohl nicht nur eine Reflexion auf die Ablehnung der Resolution sein. ({5}) Bei den Befragungen im Wahlkreis während der vergangenen Tage in öffentlichen Diskussionen habe ich mich stets zugunsten der Kollegen der CDU/CSU-Fraktion geweigert, daraus den Umkehrschluß zu ziehen, daß sie damit für die Wiederherstellung eines selbständigen Bundeslandes Schaumburg-Lippe votieren. Meine Damen und Herren, ich werde es Ihnen ersparen, hier am falschen Platze viele Fragen des Landesrechts vorzutragen. Sie gehören in das zuständige Parlament, den Niedersächsischen Landtag zu Hannover. Das gilt für das Landesvermögen ebenso wie für den Vorschlag, einen Landschaftsverband zu bilden, den der CDU-Landesvorsitzende Hasselmann am 27. November in Stadthagen als seine Initiative im Niedersächsischen Landtag angekündigt hat. Das ist sein gutes Recht. Meine politischen Freunde und ich stellen zum Sachverhalt fest: Erstens. Geschlossene Verträge müssen gehalten werden. Das gilt auch für die zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landkreis SchaumburgLippe geschlossene Vereinbarung über das Domanialvermögen - es sei denn, es wird einvernehmlich eine andere Regelung getroffen - und für das dazu ergangene rechtsgültige Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes, das wir respektieren. Zweitens. Das Domanialvermögen wurde von der sozialliberalen niedersächsischen Landesregierung nicht aus rechtlichen Erwägungen, sondern aus politischer Einsicht und ohne juristische Verpflichtung dazu zur Hälfte an den Landkreis SchaumburgLippe zurückgegeben. Drittens. Wir erwarten, daß der zuständige Landtag in Hannover alsbald die Kreisreform mit einem Landkreis Schaumburg verabschiedet und damit den Wünschen der Bürger dieses Raumes entspricht. Viertens. Wir fordern die Bundesregierung auf und erhoffen von der niedersächsischen Landesregierung, daß sie ihre fördernden Maßnahmen für dieses Gebiet fortsetzen und intensivieren wird, wie dies mit der Einbeziehung in die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und in die Förder- und Konjunkturprogramme schon deutlich geworden ist. Damit wäre den Bürgern in diesem Raume tatsächlich geholfen, und darauf kommt es doch an. Nachträglich wird nun oft versucht, in diesen Volksentscheid andere Interessen hineinzumanipulieren, als die Fragestellung tatsächlich gelautet hat. Das muß zurückgewiesen werden. Besonders über den Volksentscheid in Schaumburg-Lippe haben überregionale Zeitungen scherzhaft und gelegentlich satirisch mit Überschriften berichtet wie die „FAZ" mit „Durchlaucht haben gesiegt", wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung" und die Wochenzeitung „Der Spiegel" mit Karikatur und Glosse: „Schaumburg-Lippe - vielleicht als selbständiges Land in die Vereinten Nationen?" Nein, meine Damen und Herren, solche - doch wohl nur im Scherz aufzufassende - Gedanken bewegten die soliden und gründlichen Schaumburg-Lipper Bürger nicht. Ihre Beweggründe habe ich hier aufzuzeigen versucht. Wir bejahen die Vorlage der Bundesregierung, weil nur so die Voraussetzungen dafür erreicht werden können, daß beide Schaumburger Kreise zusammengeführt und zum Wohle ihrer Bürger landsmannschaftlich, wirtschaftlich, strukturell und kulturell gestärkt werden können. Ich bitte, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und den Entschließungsantrag abzulehnen. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Alten-Nordheim. von Alten-Nordheim ({7}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes ist unbefriedigend. Das hat auch der Herr Bundesinnenminister in seiner Rede vom 24. Oktober klar festgestellt. Dieser Gesetzentwurf muß alle, die sich mit den Volksentscheiden befaßt haben, mit Unbehagen erfüllen, weil er sich über den geäußerten Willen der Bevölkerung hinwegsetzt und alles beim alten beläßt, zumal es sich hier nach unserer Verfasssung um den einzigen Fall dieser Art handelt, der dem Volke Gelegenheit gibt, seinen Willen in einer bestimmten Sache unmittelbar zu äußern. Wenn bei manchen Mitgliedern dieses Hohen Hauses auch die Frage nach der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe vielleicht nur ein leicht süffisantes Lächeln in den Mundwinkeln zu erzeugen vermag, so hat doch dieser Problemkreis, bei dem es um die Landeszugehörigkeit im Grunde gar nicht geht, viel größere Bedeutung grundsätzlicher Art, als es unter dem Eindruck von lokalen Interessen zunächst erscheinen mag. Unter II. 9. heißt es im Bericht der Berichterstatter Gerster und Dr. Schäfer - in dieser Ziffer wird u. a. aus einem Gutachten von Professor Dr. Evers zitiert - folgendermaßen - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -: Die Volksentscheide im Schaumburg-Lippe und Oldenburg richten sich in der Form an den Bundesgesetzgeber, in der Sache aber gegen das Land Niedersachsen. Es heißt dann weiter: Daß nahezu 30 Jahre nach Errichtung des Landes Niedersachsen die Integration der Bevölkerung der Gebietsteile in das Land noch nicht gelungen ist, wirft staatspolitische Fragen auf. Ich habe bisher hier auf zwei Dinge hingewiesen: Erstens auf die Zuständigkeit einmal in der Form und zum anderen in der Sache - und zum zweiten darauf, daß trotz Volksentscheid alles beim alten bleiben soll. Zu erstens: Daß nun angesichts der Zuständigkeiten in Form und Sache der Bund auf das Land verweist und umgekehrt das Land auf den Bund, ist einfach unerträglich, meine Damen und Herren. Wenn auch ein altes, humorvolles Wort sagt, daß die Stärke des preußischen Beamten im Nachweis seiner Unzuständigkeit liegt, so mag ich dieses Wort allerdings nicht auf die SPD/FDP-Regierungen in Bund und Land anwenden und es ihnen zugute halten, zumal sie sich von so vielen guten preußischen Tugenden mittlerweile weit entfernt haben. ({8}) Zu zweitens: Ich habe darauf hingewiesen, daß dieser Gesetzentwurf alles beim alten läßt und den Betroffenen nur Steine statt Brot gibt. ({9}) Das ist ebenfalls unerträglich. Auch hier greife ich ein wenig in die Historie zurück und möchte Fritz Reuter mit seiner Urgeschichte von Mecklenburg zitieren, ({10}) um zu dokumentieren, als wie wenig fortschrittlich sich die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf erweist, obwohl sie das moderne Deutschland schaffen will. Es heißt in Fritz Reuters Mecklenburgischer Landesverfassung in § 1 - das kann man nur im Originaltext sagen; ich bitte den Herrn Präsidenten um Genehmigung, daß ich dies nun in Plattdeutsch sagen kann, weil ich ja zitiere -: „Aliens bliwwt bin ollen". Dieser Paragraph wurde später noch einmal novelliert und hieß dann als neuer § 1: „Dat bliwwt all so, as dat west is!" Genau diesen § 1 der Reuterschen Mecklenburgischen Verfassung übernimmt die sich so gern fortschrittlich und sozialliberal gebende Bundesregierung in diesem Fall. Kaum jemand hier im Parlament will ernsthaft - draußen bei den Bürgern der betroffenen Gebiete ist es bei der überwältigenden Mehrheit nicht anders; vielleicht in dieser Ausschließlichkeit nicht für Oldenburg geltend - die Wiederherstellung von selbständigen Ländern, sondern dieses Volksbegehren, dieser Volksentscheid, hat in Wahrheit ganz andere Motive und Beweggründe, die in ganz anderen Bereichen liegen. Gerade deswegen hätte sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber echte Möglichkeiten gehabt, dem Demokratieverständnis dieser Bürger zu entsprechen und nicht sie zu düpieren und ihr demokratisches Staatsbewußtsein zu frustrieren. Das kam schon in der ersten Lesung im Oktober zutage; ich kann mich hier auf meine beiden Kollegen Klein und Carstens beziehen. SPD und FDP in Bund und Land machen es sich wahrhaftig zu einfach, wenn sie lediglich lapidar erklären: Es würde den Zielen einer Neugliederung nach Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes widersprechen, wenn aus den beiden Gebietsteilen Niedersachsens neue Bundesländer gemacht würden. Und weiter: Das in Art. 29 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verankerte Gebot, die landsmannschaftliche Verbundenheit so14354 von Alten-Nordheim wie die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge zu berücksichtigen, sei ausreichend durch das Land wahrgenommen worden. Das heißt, es passiert eben nichts, und § 1 der Mecklenburgischen Verfassung - „Allens bliwwt so, wie dat west is" - wird von den Koalitionsparteien für diesen Fall praktiziert. Dabei hätte der Bundesgesetzgeber eine durchaus berechtigte Aufgabe, nämlich seinen Einfluß geltend zu machen, daß eben nicht alles so bleibt, wie es gewesen ist. Dazu bot dieser Gesetzentwurf eine echte Möglichkeit. Wie notwendig das ist, macht die unglaublich lapidare und arrogant anmutende Erklärung des Landes Niedersachsen in lediglich vier Sätzen deutlich. Satz 1: „Das Land Niedersachsen wird in Zukunft wie in der Vergangenheit seine Landesteile gleichmäßig fördern." Satz 2: „Dies verlangt nicht zuletzt Artikel 56 der Vorläufigen Niedersächsischen Landesverfassung, der eine Integration aller ehemaligen Länder gebietet." ({11}) Satz 3: „Das Landesentwicklungsprogramm gibt über die Vorhaben zur Erfüllung dieser gegenüber dem gesamten Landesgebiet bestehenden Pflichten im einzelnen Auskunft." ({12}) Satz 4: „Die nach Artikel 29 des Grundgesetzes durchgeführten Volksentscheide rechtfertigen nicht eine Bevorzugung einzelner Landesteile." ({13}) Was heißt das im Klartext? Es wird in Zukunft eben nichts geschehen, weil die niedersächsische Landesregierung von ihrer vorbildlichen Betreuung dieser Gebietsteile restlos überzeugt ist, was übrigens auch noch in einer recht selbstgefälligen und selbstgerechten Äußerung der niedersächsischen Landesregierung zu finden ist, die im Gesetzentwurf abgedruckt ist. Allein diese Tatsache ist ein zumindest sehr ungewöhnliches Faktum in einem BundesregierungsGesetzentwurf und könnte durchaus den Rückschluß zulassen, daß hier für den Bundesgesetzgeber als Kompetenten im Formalen sich ein Ansatz ergibt, seinen Einfluß auf den Kompetenten im Sachlichen geltend zu machen; denn hier geht es um das Demokratieverständnis von Hunderttausenden von Bürgern, die mit Recht erwarten, daß auf Grund ihres Volksentscheids irgend etwas erfolgt. Die CDU/CSU hat sich im Verlauf der Beratungen dafür eingesetzt, daß ein Hearing mit Vertretern aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe durchgeführt wird. ({14}) In dieser Anhörung sind wohl vollständig die Wünsche aus diesen Gebieten vorgetragen worden. Eines klang aber wiederholt und aus fast allen Äußerungen deutlich heraus, wie es in II. 9. des Berichts heißt: daß nahezu 30 Jahre nach Errichtung des Landes Niedersachsen die Integration der Bevölkerung der Gebietsteile in das Land noch nicht gelungen ist. Der Rückschluß drängt sich einem unbefangenen Betrachter doch wohl geradezu auf: Wenn alles in der Vergangenheit so vorbildlich geschehen ist, wie es die Landesregierung in ihrer Äußerung zu dem Gesetzentwurf dargestellt hat, hätte doch wohl der Volksentscheid anders ausfallen müssen. ({15}) Oder, anders ausgedrückt: Wenn fast 40 % der Bevölkerung in Schaumburg-Lippe und 31 % der Bevölkerung in Oldenburg ihr Mißfallen über die wirtschaftliche Entwicklung, den Ausbau der öffentlichen Einrichtungen, die Pflege der heimatgebundenen Institutionen und über die Gebiets- und Verwaltungsreform so unüberhörbar äußern - trotz einer großen Kampagne der SPD, zumindest was Schaumburg-Lippe angeht, sich für Niedersachsen zu entscheiden -, kann es wohl mit der Wahrnehmung der Interessen dieser Gebietsteile durch die niedersächsiche Landesregierung nicht sehr weit her gewesen sein. ({16}) Deswegen, meine Damen und Herren, kann und darf es hier nicht heißen wie in § 1 der Mecklenburgischen Landesverfassung: „Aliens bliwwt bi'n ollen." Nun lassen Sie mich speziell zu der vorliegenden Entschließung der CDU/CSU-Fraktion auf der Drucksache 7/4431 noch einige Sätze sagen und darlegen, was damit erreicht werden soll. Lassen Sie mich vorab feststellen, daß doch wohl der Deutsche Bundestag an erster Stelle aufgerufen ist, darüber zu wachen, daß in unserem Land demokratische Verhältnisse erhalten bleiben. ({17}) Daher kann und darf auch der Deutsche Bundestag sich seiner besonderen Verpflichtung, für die Demokratie in Deutschland verantwortlich zu sein, nicht entziehen. Aus diesem Grunde ist der Deutsche Bundestag aufgerufen, in seiner demokratischen Verantwortung im Rahmen der Gegebenheiten einige konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen, auf die Hunderttausende von Bürgern warten, die mit Recht erwarten, daß ihrem demokratisch zum Ausdruck gebrachten Wählerwillen in irgendeiner Form Rechnung getragen wird. Es sollte daher für den Verwaltungsbezirk Oldenburg ein oldenburgischer Kommunalverband mit Zuständigkeit für Regionalplanung gebildet werden, der bei Maßnahmen für heimatgebundene Entwicklungen im Sinne des Art. 56 der Niedersächsischen Verfassung ein Anhörungsrecht erhält. Es sollte die schon bestehende Oldenburgische Landschaft weiter ausgebaut werden, um die Verwaltung kultureller Einrichtungen des ehemaligen Landes Oldenburg zu ermöglichen, was vor allen Dingen auch eine bessere finanzielle Ausstattung erfordert. Und im Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform sollte von Alten-Nordheim der im Volksentscheid zum Ausdruck kommende Wählerwillen berücksichtigt werden, damit nicht landsmannschaftlich gewachsene Strukturen auseinandergerissen werden. ({18}) Für den Landkreis Schaumburg-Lippe sollte daher nach dem Vorbild der Ostfriesischen Landschaft eine Schaumburg-Lippische Landschaft gebildet werden, der die Verwaltung des Domanialvermögens des ehemaligen Freistaats Schaumburg-Lippe zu übertragen wäre. Dieses Vermögen wird heute zu einem Teil durch den Landkreis Schaumburg-Lippe, aber zum anderen Teil durch das Land Niedersachsen verwaltet. Gerade was diesen Teil, der sich im Besitz des Landes Niedersachsen befindet, angeht, gibt es rechtlich eine durchaus differenzierte Meinung, die im Gutachten des Staatsrechtlers Professor Dr. Evers dargelegt ist. Hier könnte nach Ansicht des Professors für öffentliches Recht, unseres Kollegen Dr. Klein ({19}), durchaus eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 135 Abs. 4 bzw. Abs. 5 des Grundgesetzes gegeben sein. Ferner sollte auch für den Landkreis Schaumburg-Lippe im Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform der im Volksentscheid zum Ausdruck gekommene Wählerwillen Berücksichtigung finden, der für ein Zusammenlegen der beiden Schaumburger Kreise zu einem Großkreis Schaumburg eintritt. Dafür haben sich auch alle Wirtschaftsverbände und die CDU beider Kreise ausgesprochen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Erstens: Dieser Gesetzentwurf ist schlecht, weil er allen Betroffenen Steine statt Brot gibt. Zweitens: Der Bundestag kann sich angesichts seiner Verantwortung für die Demokratie in Deutschland hier nicht seiner Verpflichtung entziehen, Wege aufzuzeigen, wie dem Wählerwillen in anderer Weise Rechnung getragen werden kann. Drittens: Der Deutsche Bundestag hat darüber zu wachen, daß das Demokratieverständnis der betroffenen Bevölkerung nicht Schaden leidet, weil die niedersächsische Landesregierung anscheinend nicht die Absicht hat, etwas zu tun. Viertens: Wenn es der Mehrheit in diesem Hause mit ihrem oft lautstark betonten Ruf nach mehr Demokratie wirklich ernst ist, dann hat sie hier und heute Gelegenheit dazu, das unter Beweis zu stellen. Ich empfehle dem Hohen Hause die Annahme der CDU/CSU-Entschließung. ({20}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Innenminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, Herr Groß. Minister Groß ({21}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe ist in einem Zusammenhang mit der Gesamtproblematik einer Neugliederung des Bundesgebietes zu sehen und vor dem Hintergrund des immer noch nicht erfüllten Verfassungsauftrages aus Art. 29 des Grundgesetzes zu werten. Ihnen ist bekannt, daß die niedersächsische Landesregierung bestimmte Vorstellungen darüber hat, wie das Bundesgebiet neu gegliedert werden sollte. Niedersachsen bedauert, daß es zu dieser umfassenden Neugliederung noch nicht gekommen ist. Dabei war und ist das Land Niedersachsen bereit, seine eigene staatliche Existenz in Frage zu stellen. Der Auftrag aus Art. 29 des Grundgesetzes mag gegenwärtig nicht erfüllbar sein. Der Bund, d. h. sowohl die Bundesregierung als auch der Bundestag, aus dessen Mitte ja ebenfalls Anträge gestellt werden können, die aber bisher nicht gekommen sind, wenn ich es recht sehe, auch nicht von der Opposition in diesem Hause, kann sich diesem Verfassungsauftrag aber nicht entziehen. Die Kritik, die hier daran geübt worden ist, daß bisher ein Gesetzentwurf nicht vorgelegt worden ist, trifft naturgemäß alle Bundesregierungen seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, also seit 1949. Je länger dieser Zustand anhielt, desto deutlicher machte sich die normative Kraft des Faktischen hier bemerkbar. Je früher man an dieses Thema herangegangen wäre, desto leichter wäre es wahrscheinlich lösbar gewesen. Hier und heute, meine Damen und Herren, haben wir es jedenfalls nur mit einem Teilaspekt der ganzen Neugliederungsproblematik zu tun. Zwischen den Fraktionen dieses Hauses - diesen Eindruck habe ich - besteht Einigkeit darüber, daß eine Wiederherstellung der früheren Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe ein Schritt auf dem falschen Wege wäre, einem Weg, der uns von den Zielvorstellungen des Art. 29 wegführen würde. Dazu ist alles Notwendige bereits gesagt worden. Auch diejenigen, die zur Bejahung der Abstimmungsfrage aufgerufen haben, haben an eine Wiederherstellung der früheren Länder nicht ernstlich gedacht. Der Kollege von Alten-Nordheim hat soeben in seinen Worten noch einmal deutlich gemacht, welche unterschiedlichen Motive - er nannte das Stichwort Verwaltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen - hier bei der Abstimmung Pate gestanden haben mögen. Aber es nicht Aufgabe der Landesregierung, sich als Motivforscher zu betätigen. Obwohl Einigkeit darüber besteht, daß die früheren Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe nicht wiederhergestellt werden sollten, hat nun die CDU/ CSU-Fraktion diesem Hohen Hause einen Entschließungsantrag vorgelegt, nach dem der Deutsche Bundestag vom Lande Niedersachsen erwartet, es werde bei der anstehenden Verwaltungs- und Gebietsreform - dem niedersächsischen Landtag liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor - auf die landsmannschaftliche Verbundenheit der Bevölkerung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe Rücksicht nehmen, es werde eine neue Körperschaft bilden, der die Regionalplanung übertragen werde - das geht Minister Groß übrigens, Herr Kollege von Alten-Nordheim, weit über Art. 56 der niedersächsischen Landesverfassung hinaus -, es werde der oldenburgischen Landschaft mehr Befugnisse übertragen und sie finanziell besser dotieren, und es werde schließlich das sogenannte Domanialvermögen des früheren Landes Schaumburg-Lippe, das es vertraglich zur Hälfte dem Landkreis Schaumburg-Lippe übertragen hat, voll einer solchen Körperschaft übertragen. Zu diesem Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, habe ich namens der Landesregierung Niedersachsens zu erklären: Eine solche Aufforde-rung an das Land Niedersachsen wäre verfassungswidrig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die Initiatoren dieses Antrages der Konsequenzen im Falle seiner Annahme voll bewußt gewesen sind. Hier würde ein Präzedenzfall geschaffen, hier würde ein Weg beschritten, der nicht nur zu ähnlichen Anträgen, etwa für Landesteile des Freistaates Bayern, des Landes Rheinland-Pfalz oder des Landes BadenWürttemberg führen könnte ({22}) - nun, Herr Kollege Gerster, Sie haben doch die „unerlösten" Teile von Rheinland-Pfalz jenseits des Rheins angesprochen, und da sollten Sie vielleicht ruhig sein -, ({23}) sondern es könnte ein solcher Präzedenzfall auch dazu ermuntern, auch in anderen Fällen in den grundgesetzlich geschützten Bereich der Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland einzudringen. Ich frage mich, meine Damen und Herren, was wohl der Herr Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz sagen würde, wenn dieser Bundestag beschließen würde, ({24}) die Gliederung des Landes Rheinland-Pfalz in soundso viele Kreise und soundso viele Regierungsbezirke solle soundso vorgenommen werden. ({25}) Ich glaube, Herr Kollege Gerster, daß der Herr Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz dann mit Sicherheit das Bundesverfassungsgericht bemühen würde, und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der Herr Ministerpräsident des Freistaates Bayern dies ohne weiteres hinnähme. Ich meine, die Problematik eines solchen Antrages sollte allgemein gesehen werden, und darauf wollte ich hingewiesen haben. Es ist nach Art. 29 des Grundgesetzes Sache des Deutschen Bundestages, das Ergebnis der Volksabstimmungen in Oldenburg und Schaumburg-Lippe politisch zu würdigen und in ein Bundesgesetz umzusetzen. Dabei kann der Bundestag allein von der Kompetenz ausgehen, die das Grundgesetz ihm einräumt. Diese Kompetenz geht sehr weit. Das Land Niedersachsen insgesamt in seiner heutigen Gestalt steht zur Disposition dieses Hauses. Solange das Land aber besteht, hat sich der Bund aller nicht ausdrücklich vom Grundgesetz gedeckten Einwirkungen auf die Politik des Landes zu enthalten. Die Verfassungsorgane des Bundes haben nach der Verfassung unseres föderativen Staates die Staatsqualität und die Eigenständigkeit der Länder zu achten. Die Stimmabgabe in Oldenburg und Schaumburg-Lippe hat rechtliche Bedeutung nur im Rahmen des Art. 29 des Grundgesetzes, d. h. gegenüber dem Bundesgesetzgeber. Ihre davon nicht zu trennende politische Bedeutung entfaltet sich ebenfalls in erster Linie gegenüber dem Bund; auch dies ist hier ja von den Vertretern der Opposition deutlich gesagt worden: Hauptverantwortlicher ist der Bund. Darüber, welche politische Bedeutung, welches Gewicht die Abstimmung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe für das Land Niedersachsen hat, steht den Verfassungsorganen des Bundes kein Urteil zu. Meine Damen und Herren, wir haben im niedersächsischen Landtag eine ganze Reihe von Abgeordneten, die aus diesen Landesteilen kommen, wir haben eine starke Opposition, und wir halten allein die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages und die Landesregierung für berufen, zu prüfen, welche politischen Konsequenzen sich aus der Abstimmung für das Land ergeben, und diese Konsequenzen zu artikulieren. Das Land Niedersachsen hat nach Art. 56 seiner ja ausdrücklich als vorläufig bezeichneten Verfassung die kulturellen und historischen Belangen der ehemaligen Länder zu wahren und zu fördern. Es hat die überkommenen heimatgebundenen Einrichtungen weiter dem heimatlichen Interesse dienstbar zu machen und zu erhalten. Im Innenausschuß des Deutschen Bundestages ist im einzelnen dargelegt worden, wie das Land Niedersachsen diesen Verfassungsauftrag erfüllt hat. Ich brauche das im einzelnen hier nicht darzustellen. Meine Damen und Herren, wenn übrigens im Innenausschuß des Deutschen Bundestages Bürger aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe zu Wort gekommen sind, so möchte ich dazu nur der Genauigkeit halber feststellen: Dies waren nicht die Vertreter Oldenburgs, sondern es waren Vertreter von Oldenburger Organisationen, die nach dem Volksentscheid gebildet worden sind. ({26}) - Herr Kollege Lagershausen, ich bitte Sie, sich einmal genau anzusehen, wann das Komitee „Volksentscheid Oldenburg" gebildet und wann jene andere Organisation gegründet worden ist. ({27}) - Das war eine andere Organisation. Die beiden Organisationen - ich wiederhole es -, die vor dem Innenausschuß dieses Hauses gehört worden sind, sind unter diesen Bezeichnungen nach dem Volksentscheid gebildet worden. ({28}) Minister Groß - Herr Kollege Lagershausen, ich wäre dankbar, wenn Sie sich das einmal ganz genau ansähen. ({29}) Meine Damen und Herren, ich will den Vortrag der Landesregierung über die Leistungen für diese Bereiche nicht weiter vertiefen. Sie sind unter anderem darüber unterrichtet worden, daß das Land Niedersachsen bereits im Jahre 1955 rund die Hälfte des sogenannten schaumburg-lippischen Domanialvermögens unentgeltlich dem Landkreis Schaumburg-Lippe übertragen hat, obwohl dazu gar keine rechtliche Verpflichtung bestand. Meine Damen und Herren, ich will den Entschließungsantrag in seinen Motiven weiter nicht bewerten. Die Forderungen, die in diesem Entschließungsantrag enthalten sind, machen aber bereits deutlich, daß die Zielrichtung nicht die ist, Art. 29 des Grundgesetzes - Neugliederung des Bundesgebietes -auszufüllen, sondern daß die Zielrichtung ist, landespolitische Ziele mit Hilfe des Deutschen Bundestages durchzusetzen. Dies aber ist in unserer Verfassung, im Grundgesetz nicht vorgesehen. Dies, so meine ich, sollte als die Meinung der niedersächsischen Landesregierung, die sehr wohl weiß, was sie für alle Teile des Landes Niedersachsen zu tun hat, und die sehr wohl weiß, was sie getan hat, hier gesagt werden. ({30})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Klein.

Prof. Dr. Hans Hugo Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001115, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung ist der Tatsache zu verdanken, daß der Herr Innenminister des Landes Niedersachsen, wie ich meine, zu einem zu späten Zeitpunkt hier das Wort ergriffen hat. Ich meine, es wäre fair gewesen, wenn Sie, Herr Kollege Groß, uns die Stellungnahme des Landes Niedersachsen zu diesem Thema zu Beginn dieser Debatte mitgeteilt hätten. ({0}) Zum zweiten möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wahrscheinlich sowohl Sie als auch der Präsident dieses Hauses mit einem Antrag unseres gewissenhaften Kollegen Arndt zu rechnen haben, Ihre Rede aus dem Protokoll des Bundestages zu streichen, ({1}) dem ganz sicher haben Sie hier nicht für den Bundesrat, sondern als Mitglied der Landesregierung von Niedersachsen gesprochen, was Herr Kollege Arndt, wenn ich ihn richtig verstehe, für unzulässig hält. ({2}) Meine Damen und Herren, Herr Kollege Groß hat den Versuch unternommen, die Verantwortung für die Situation, vor der wir stehen, auf den Bund abzuschieben, und natürlich nicht nur auf die amtierende, sondern auf sämtliche früheren Bundesregierungen. Dieser Versuch ist offenkundig zum Scheitern verurteilt, denn niemand und nicht einmal Sie, Herr Minister Groß, haben geleugnet, daß der Volksentscheid eben nicht Bundes-, sondern landespolitisch motiviert gewesen ist. Ich gebe Ihnen völlig recht, wenn Sie sagen, niemand hat an die Wiederherstellung der alten Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe gedacht. Man hat aber eben in diesem Volksentscheid eine sehr nachhaltige Unzufriedenheit mit der Politik der Landesregierung von Niedersachsen zum Ausdruck gebracht. ({3}) Dies war das Ventil, das sich anbot. Ich teile auch Ihre Meinung nicht ganz, Herr Kollege Groß, daß die Landesregierung nicht die Aufgabe habe, sich zum Motivforscher zu machen. Ich meine, der Regierung des Landes Niedersachsen stünde es nicht schlecht zu Gesicht, manchmal die Motive der Bevölkerung zu erforschen und sich danach in ihrem Handeln auszurichten. ({4}) Die Kernfrage, vor der wir als Bundesparlament in dieser Situation stehen, ist - ich habe das früher schon gesagt - nach meinem Dafürhalten keine verfassungsrechtliche, obgleich ich die verfassungsrechtlichen Argumente, die uns im Innenausschuß vorgetragen worden sind, durchaus nach ihrem Gewicht zu würdigen weiß, sondern sie ist eine verfassungspolitische. Keiner der Redner, die aus dem Plenum des Hauses heute hier das Wort ergriffen haben, hat in Abrede gestellt, daß uns ein gewisses Mißbehagen - so hat es der Kollege Wendig ausgedrückt -, ich würde sagen, daß uns ein schlechtes Gewissen angesichts der Tatsache bewegt, daß wir in der Tat nach der gegebenen Sachlage nicht viel anderes tun können, als es beim alten zu lassen. Dieses schlechte Gewissen ist, jedenfalls was die CDU/ CSU angeht, durch die hier schon vorhin charakterisierten Äußerungen der niedersächsischen Landesregierung sowohl im bisherigen Gesetzgebungsverfahren als auch heute nur genährt worden. Herr Kollege Schäfer, Sie haben gesagt, es sei nicht unsere Sache zu fragen, ob das Land Niedersachsen seinen Verpflichtungen gegenüber den betroffenen Landesteilen nachgekommen ist. Ich meine, die freilich exzeptionelle Lage, um die es sich hier handelt, ist doch geeignet, uns diese Frage stellen zu lassen; denn wir haben als Parlament - ich weiß, daß Sie diese Auffassung teilen - eine Verantwortung für das demokratische Staatsbewußtsein in diesem Land. Der Bundestag aber - und das ist es, was uns so unbefriedigt läßt - hat in diesem Augenblick nichts als Kompensation für das Nein zu jeder Veränderung des Status quo zu bieten, denn dies ist die Bedeutung dieses Gesetzes. Es nützt dabei nichts, Herr Kollege Wendig, wenn wir den Betroffenen in Oldenburg und in Schaumburg-Lippe versichern, wir hätten uns redlich bemüht und alle denkbaren Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Damit allein wie auch mit Reden in diesem Hause ist den Betroffenen nicht hinreichend gedient. Ich könnte Dr. Klein ({5}) mich schon gar nicht dazu bereitfinden, das Ergebnis der Abstimmung herunterzuspielen. ({6}) Meine Damen und Herren, 39,1 % haben in Schaumburg-Lippe für die Wiederherstellung des alten Landes Schaumburg-Lippe gestimmt. ({7}) - Moment, Herr Kollege Schäfer, ich komme darauf. ({8}) In einigen Abstimmungsbezirken des Landes Oldenburg sind Prozentsätze über 50 und 60 °/o erreicht worden. ({9}) Man hat klüglich errechnet, daß die derzeitige niedersächsische Landesregierung, die von SPD und FDP getragen wird, auf den Stimmen von rund 40 °/o der Wahlberechtigten beruht. Niemand hat deshalb bisher ihre Legitimität in Frage gestellt. Ich meine daher, man sollte es auch in diesem Fall nicht versuchen. Nun ein Wort zu dem Entschließungsantrag, den wir dem Hohen Hause vorgelegt haben. Wir haben hier beantragt, der Bundestag möge eine gewisse Erwartung an die Adresse des Landes Niedersachsen richten. Wir wissen natürlich, daß der Antrag nicht rechtsverbindlicher, sondern politischer Natur ist. Deshalb kann es sich natürlich auch nicht um eine Weisung handeln, wie es, glaube ich, Herr Kollege Schäfer vorhin formuliert hat. Es handelt sich um eine außergewöhnliche Situation. Zugegebenermaßen ist auch unser Entschließungsantrag eine außergewöhnliche Angelegenheit. Aber es ist eben auch außergewöhnlich und einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß zwei Teile eines Bundeslandes ihren Willen bekundet haben, sich von diesem Bundesland zu trennen. Deshalb kann die Entschließung auch keine präjudizielle Bedeutung für künftige Fälle haben. In den Landesteilen Oldenburg und Schaumburg-Lippe wird aufmerksam zur Kenntnis genommen worden sein, daß Sie, Herr Kollege Wendig, gesagt haben: jede der von uns in dem Entschließungsantrag ausgesprochenen Erwartungen entbehre jeder vernünftigen politischen Grundlage. Ich wiederhole das, weil ich glaube, es verdient in den betreffenden Landesteilen gehört und zur Kenntnis genommen zu werden. Schließlich - dies zu Ihrer Beruhigung, Herr Kollege Schäfer - ist unser Motiv für die nach der zu erwartenden Ablehnung unseres Entschließungsantrags durch die Mehrheit dieses Hauses wahrscheinliche Ablehnung des Gesetzentwurfs durch die CDU/CSU nicht, daß wir eine Wiederherstellung der alten Länder Oldenburg und SchaumburgLippe erreichen wollen. Wir wollen keine neuen Länder im Bereich des Bundesgebiets. ({10}) Unser Motiv, Herr Kollege Schäfer, ist auch nicht so sehr verfassungsrechtlicher Natur, obgleich hier verfassungsrechtliche Überlegungen impliziert sind. ({11}) Aber wir meinen: So einfach, wie es hier geschehen ist, kann es sich der Bundesgesetzgeber bei seiner über den Bereich eines Landes hinausgehenden Verantwortung für die politische Struktur und die demokratische Verfassung in unserem Lande nicht machen. ({12})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gründe, die die Bundesregierung bestimmt haben, von dem Ergebnis der Volksentscheide in Oldenburg und Schaumburg-Lippe vom 19. Januar dieses Jahres abzuweichen und dem Gegesetzgeber den Verbleib der beiden Abstimmungsgebiete beim Land Niedersachsen vorzuschlagen, hat Bundesminister Professor Maihofer in seiner Einbringungsrede an dieser Stelle bereits vorgetragen. Sie sind außerdem in der Begründung zu dem Gesetzentwurf und in einem Schreiben des Bundesinnenministers an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages ausführlich dargelegt worden. Die Bundesregierung hat bei dieser Gelegenheit eindeutig begründet, warum eine Wiederherstellung der vormaligen Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe den Zielen der Neugliederung nach Art. 29 Abs. 1 GG widersprechen würde. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuß des Deutschen Bundestages am 27. und 28. November haben die zu einer Anhörung geladenen Vertreter der beiden Abstimmungsgebiete, insbesondere diejenigen aus Oldenburg, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs geäußert. Die Bundesregierung ist demgegenüber in Übereinstimmung mit der einmütigen Auffassung des Rechtsausschusses des Bundestages und des Innenausschusses des Bundesrats der Überzeugung, daß der vorliegende Gesetzentwurf in vollem Einklang mit dem Grundgesetz steht. Der Gesetzentwurf beruht auf der Vorschrift des Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG, welche vorsieht, daß das Bundesgesetz nach Art. 29 Abs. 3 GG von dem Ergebnis des Volksentscheids abweichen darf, soweit das zur Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Abs. 1 erforderlich ist. Die Ziele der Neugliederung sind in Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes formuliert. Das wichtigste dieser Ziele ist die Schaffung von Ländern, die nach Größe und Leistungsfähigkeit ihre Aufgaben als Länder wirksam erfüllen können. Das wäre bei einem Land Schaumburg-Lippe, das nicht einmal der Größenanforderung eines modernen Landkreises genügt, zweifellos nicht der Fall. Auch ein selbständiges Land Oldenburg könnte wegen seiner durch Größe und Struktur bedingten wirtParl. Staatssekretär Dr. Schmude schaftlichen und finanziellen Leistungsschwäche diesen Anforderungen nicht genügen. Die Schaffung eines Bundeslandes Oldenburg, das die strukturschwachen niedersächsischen Gebiete an der holländischen Grenze vom niedersächsischen Zentralland abschnitte, widerspräche wegen dieser seiner räumlichen und geographischen Gestaltung auch dem Richtbegriff der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit. Die Bildung zweier neuer Länder auf dein Boden des Landes Niedersachsen wäre mit den Zielen einer Neugliederung schließlich auch deshalb unvereinbar, weil eine solche Aufsplitterung des norddeutschen Raumes für jede künftige Neugliederung eine wesentlich schwierigere Ausgangslage schaffen müßte, als sie die gegenwärtige Gliederung des norddeutschen Raumes darstellt. Das, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, gilt für jede künftige Neugliederung, unabhängig davon, ob ein Konzept vorliegt oder nicht. Weshalb die Bundesregierung ein solches Konzept noch nicht vorgelegt hat, hat sie Ihnen in zahlreichen Fragestunden und bei anderen Gelegenheiten immer wieder dargelegt, ohne daß Sie in der Lage gewesen wären, die Gründe zu entkräften oder auch nur ernsthaft anzugreifen. Art. 29 des Grundgesetzes, wie es hier gefordert ist, soll geändert werden. Die Vorbereitungen der Bundesregierung laufen seit langem, und es ist auch angekündigt, daß eine solche Änderung alsbald erfolgen soll. Schließlich ist es für die verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Beurteilung des vorliegenden Entwurfs ohne Bedeutung, ob die Ansinnen, die von oldenburgischer und Schaumburg-lippischer Seite an das Land Niedersachsen in Richtung auf eine Verstärkung der landsmannschaftlichen Akzente in der Kulturpolitik gerichtet worden sind, in der Sache berechtigt sind oder nicht; denn dabei handelt es sich um Fragen, die nach dem Grundgesetz und nach niedersächsischer Verfassung eindeutig in die Zuständigkeit des Landes gehören und im Rahmen der landespolitischen Willensbildung ausgetragen werden müssen und können. Es ist nicht unsere Sache, vom Bund her die Geschäfte des Landes Niedersachsen zu besorgen. Ich bin ganz sicher, daß die Opposition die rechtspolitische Tragweite ihres Entschließungsantrages entweder nicht gewürdigt oder etwaige Bedenken aus parteipolitischen Gründen zurückgestellt hat. Mit Herrn Minister Hirsch stimme ich darin überein, daß Ihnen diese Tragweise sehr schnell klar würde, wenn sich ein solcher Entschließungsantrag einmal auf die Belange anderer Bundesländer - sei es Schleswig-Holstein, sei es der Freistaat Bayern oder das Land Rheinland-Pfalz - von dieser Stelle aus richtete. ({0}) Zusammenfassend bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf, der nach der Forderung des Grundgesetzes der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses bedarf und spätestens am 18. Januar 1976 in Kraft treten muß, Ihre Zustimmung zu geben. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Carstens ({0}). ({1})

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! ({0}) Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, Herr Professor Schäfer, bin ich gerne bereit, Ihnen zu antworten. ({1}) Es war zwar abgesprochen, daß von unserer Seite kein weiterer Redner sprechen sollte. ({2}) Ich bin aber, wie Sie mir zugestehen werden, in sehr persönlicher Art und Weise von meinem Kollegen Lemp angegangen worden. ({3}) Auf Grund dieses Umstandes müssen Sie mir wohl zugestehen, einige Worte der Erwiderung zu sagen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, gerade für Sie, Herr Professor Schäfer. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe für den Redner.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Spätestens bei der Rede der Kollegen Lemp und Schirmer sollte es deutlich geworden sein, daß sich die SPD/FDP-Abgeordneten oftmals nicht in der Lage sehen, die ureigensten Interessen der Bürger ihres Raumes zu vertreten. ({0}) Daß man sich dann als betroffener Abgeordneter komisch vorkommt, Herr Lemp, ({1}) ist wohl die zwangsläufige Folge. Ich bedauere nicht, daß der Kollege Lemp dieses Plenum erheitert hat, sondern ich bedauere zutiefst, daß er sich nicht in der Lage gesehen hat, hier vor dem Deutschen Carstens ({2}) Bundestag die Interessen der oldenburgischen Bevölkerung zu vertreten. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe noch zu einigen Punkten etwas zu sagen. Zunächst möchte ich den Innenminister des Landes Niedersachsen ansprechen. Er hat eben erwähnt, daß die Vertreter Oldenburgs, die beim Hearing dabeigewesen sind, aus einem Verein oder aus einem Komitee kommen, die noch nicht bestanden hätten, als der Volksentscheid stattfand. ({4}) Das ist nicht wahr, und es ist sehr merkwürdig und bezeichnend, daß das der Innenminister des Landes Niedersachsen nicht gewußt hat. ({5}) Mir liegt die Satzung des Vereins vor. Herr Groß, sehen Sie sich diese bitte genau an; ich bin gerne bereit, Ihnen die Satzung gleich auszuhändigen. Die Satzung besagt, daß der Verein zur Förderung der oldenburgischen Heimat e. V. bereits am 11. Januar gegründet wurde. Bei dem Komitee „Volksentscheid Oldenburg" verhält es sich so, daß dieses Komitee, nachdem der Volksentscheid positiv ausgegangen war, als neutrales und überparteiliches Gremium gegründet wurde, welches die Interessen der oldenburgischen Bevölkerung vertreten sollte. Das halte ich für völlig legal und verständlich. Noch eines zur FDP. Herr Groß, Sie sind einer derjenigen, die in unserer Heimatpresse zum Ausdruck gebracht haben, daß mit ca. 31 % nicht die Mehrheit der Bevölkerung für die Selbständigkeit Oldenburgs gewesen sei. Sie müssen das gerade als FDP-Landesminister sagen! Wir haben beim Volksentscheid für ein selbständiges Oldenburg fast so viel Stimmen ohne Parteieneinschaltung erhalten, wie Sie in ganz Niedersachsen bei der Landtagswahl für die FDP zusammenbekommen haben. ({6}) Und mit diesen wenigen Stimmen trauen Sie sich zu, ({7}) bloß mit einer Stimme Mehrheit im Landtag die gesamte Kreis- und Bezirksreform durchzuziehen. Was ist das für ein Demokratieverständnis! ({8}) Im übrigen ist es so, daß die FDP sich im Lande Niedersachsen damit hervortut,, daß sie zu einem Bürgerbegehren kommen will. ({9}) Das soll sie gerne tun, aber dann soll sie heute nachweisen, daß sie bereit ist, zunächst einmal Grundgesetz und Volksabstimmung zu achten. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich müßte noch auf weitere Punkte eingehen. Ich will das nur noch zu einem Punkt tun. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Professor Schäfer, sah sich veranlaßt, weil er die verfassungsrechtliche Seite dieses Gesetzentwurfes durchschaut, dreimal das Land Niedersachsen zu bitten, noch deutlicher zu sagen, wie es die landsmannschaftliche Verbundenheit des Landes Oldenburg innerhalb des Landes Niedersachsen gewährleisten wolle. Gerade aber die dritte Meinungsäußerung der Landesregierung war als beschämend zu bezeichnen; doch nachdem diese beschämende Stellungnahme vorgelegt wurde, sahen Sie sich auf einmal in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich finde das sehr merkwürdig, Herr Professor Schäfer. Nun noch ein Letztes. Es ist nicht so - das braucht sich niemand einreden zu lassen -, daß wir irgendwann wiedereinmal einen Großherzog - auch nicht eine eigene Landesregierung - haben wollten. Das ist politisch niemals von der CDU/CSU vertreten worden, aber wir wollen - wobei die verfassungsrechtliche Seite noch zu klären sein wird - die Interessen der Bevölkerung vertreten wissen. Das, so hat sich heute für die Bevölkerung herausgestellt, kann nur durch die CDU/CSU erfolgen. ({11})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. ({0}) Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung in zweiter Beratung über die §§ 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. - Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Wir kommen nunmehr zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Nach Art. 29 Abs. 4 GG ist die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich. Wir müssen daher auszählen. Ich bitte die Kollegen, den Saal zu verlassen, die Schriftführer, an die Türen zu gehen und bei der Auszählung die Berliner Stimmen gesondert zu zählen. Ich bitte die Berliner Kollegen, es den Zählern einfach zu machen, indem sie sich entsprechend melden. Ich bitte die Schriftführer, die Türen noch offenzuhalten. Ich habe die Abstimmung noch nicht geschlossen. Ich bitte nunmehr, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen. Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor. Ihre Stimme abgegeben haben insgesamt 369 voll stimmberechtigte Abgeordnete und 11 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben 254 voll abstimmungsberechtigte und acht Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 113 voll stimmberechtigte und drei Berliner Vizepräsident Frau Funcke Abgeordnete. Zwei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist das Gesetz mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Ich komme nun zur Abstimmung über den Punkt 2 des Ausschußantrags, die Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe nun den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 7/4431 auf. Darf ich annehmen, daß Begründung und Aussprache stattgefunden haben? Das ist der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthallungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch - Drucksache 7/4017 Bericht und Antrag des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform - Drucksache 7/4354 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr Ostman von der Leye Abgeordneter Dr. Eyrich ({1}) Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. In der Aussprache hat das Wort Herr Abgeordneter Ostman von der Leye.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser sehr anstrengenden vorherigen Aussprache versuche ich, es ganz kurz zu machen. ({0}) Der Bundesrat wünscht in seiner Vorlage eine Ergänzung des Art. 314 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und die Einfügung eines Art. 316 a zur Klarstellung. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch ist erst vor wenigen Monaten in diesem Hause einstimmig verabschiedet worden. Der Bundesrat hat zugestimmt. In langer und mühseliger Arbeit hatte eine Unterkommission, der die Kollegen Dr. Penner und Dr. Eyrich als der Vorsitzende angehörten, über 1 000 Paragraphen bearbeitet und einstimmig zur Beschlußfassung empfohlen. Auslegungsschwierigkeiten wird es bei Gesetzen immer geben. Zur Auslegung von Gesetzen ist die unabhängige dritte Gewalt, die Rechtsprechung, von Verfassungs wegen berufen. Nun hat das ehrbare Handwerk der Rechtsauslegung häufiger Schwierigkeiten sowohl mit der deutschen Sprache wie auch mit der Logik - genauso wie der Gesetzgeber selbst auch. Wir wollen uns ja gar nicht freisprechen. Nur im Falle des Art. 314 Abs. 2 ist mir die Rechtsprechung der rheinland-pfälzischen Oberlandesgerichte völlig unverständlich. Die Gerichte haben offensichtlich übersehen, daß es sich ausweislich der Überschrift um eine Überleitungsvorschrift handelt. Sie setzt vom 1. Januar 1975 an keine neue Frist in Lauf, sondern ersetzt die Bewährungshilfe des alten § 49 h StGB durch die Führungsaufsicht. Hierfür gelten die allgemeinen Regeln über Fristen, die Fristen laufen also wie bisher weiter. Nichts anderes besagt der Teilsatz: „..., so tritt Führungsaufsicht ein". Man hätte auch sagen können: „..., so tritt statt Bewährungshilfe Führungsaufsicht ein" . Der Zusammenhang mit dem Satz 2 macht aber die Absicht des Gesetzgebers eindeutig klar. Nicht die Weitergeltung der allgemeinen Regeln für Fristen hätte eine Erwähnung des Gesetzgebers erfordert. Dies hätte vielmehr nur ein Verschlechterungsgebot notwendig gemacht. Dies aber ist mit Absicht nicht erfolgt. Die hier vorgetragene Auslegung ist von den Mitgliedern der Unterkommission entgegen einer früheren, mißverständlichen Verlautbarung im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform ausdrücklich bestätigt und zu Protokoll gegeben worden. Das wird für die zukünftige Rechtsprechung eine Hilfe sein. Selbst wenn die Rechtsprechung entgegen der gemeinsamen Auffassung des Bundesrates und des Bundestages auch weiterhin zu anderer Auslegung käme, könnte es sich doch nur um eine Übergangszeit handeln, in der in der Praxis Mindestfristen festgelegt werden müßten. Auch im Falle des Art. 316 a handelt es sich um eine Korrektur der Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat entgegen der Auffassung des Bundestages und des Bundesrates entschieden, daß bei Vollstreckungsunterbrechungen und Aussetzungen zur Bewährung, die vor dem 1. Januar 1975 erfolgt sind, nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das erkennende Gericht zuständig sein soll. Dies ist zwar unerwünscht, aber nicht schädlich, und das Problem erledigt sich durch Zeitablauf von selbst. Bei aller Übereinstimmung in der Sache kann aber der Gesetzgeber nicht von dem Grundsatz abgehen, daß die Rechtsprechung in eigener Zuständigkeit die Einheitlichkeit der Auslegung zu gewährleisten und dem Willen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen hat. Nur in schwerwiegenden und unerträglichen Fällen sollte der Gesetzgeber eingreifen. Solche Fälle liegen aber weder bei kleinen Provokationen, die ich hier nicht unterstellen möchte, noch vor allem bei Übergangsvorschriften dieser Art vor, zumal der Wortlaut bei objektiver Betrachtungsweise keinen Anlaß zu Zweifeln gibt. Aus diesen Gründen bitte ich im Namen der Fraktionen der SPD und der FDP, den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch - Drucksache 7/4017 - abzulehnen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Qualität gesetzgeberischer Tätigkeit erweist sich nicht allein durch ihren sachlichen Inhalt, sondern auch daran, ob die Gesetze den Geboten der Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit entsprechen oder ob sie von den Gerichten unterschiedlich interpretiert und unterschiedlich angewendet werden. Hat der Gesetzgeber Rechtsnormen zu verantworten, von denen der Bürger nicht weiß, wie die Gerichte sie auslegen, und die die Gerichte tatsächlich auch unterschiedlich anwenden, dann ist der Gesetzgeber verantwortlich für die mögliche Verletzung der Grundsätze der gerechten Gleichbehandlung durch das Gesetz. Dieser Vorwurf wiegt schwer. Der Gesetzgeber darf ihn nicht tatenlos hinnehmen. Er muß mißverständlichen Normen eine unmißverständliche Fassung geben. Er darf sich nicht damit begnügen, von ihm verursachte Unklarheiten auf die Rechtsprechung abzuladen und ihr aufzuerlegen, im Verlauf vieler dazu notwendiger Entscheidungen eine herrschende Meinung herauszubilden, die nach den Prinzipien unserer Rechtsordnung dennoch unverbindlich bleibt, abweichende Entscheidungen nach wie vor ermöglicht und damit die Rechtsunsicherheit aufrechterhält. Der Gesetzgeber muß im Interesse unserer Bürger klar sagen, was er will und was er nicht will. Dieser Verpflichtung zur Rechtsklarheit und zur Rechtssicherheit entsprechend hat der Bundesrat auch den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgelegt und eine Änderung des Art. 314 Abs. 2 EGStGB und die Einführung eines Art. 316 a EGStGB bezüglich des § 462 a StPO beantragt; denn diese beiden Bestimmungen werden in der Praxis unterschiedlich ausgelegt. Bei Art. 314 Abs. 2 EGStGB herrscht Streit, ob bei der Festsetzung der Dauer der Führungsaufsicht auch die vor dem 1. Januar 1975 liegende Zeit einer bedingten Entlassung anzurechnen ist oder nicht. Das Bundesjustizministerium, die Generalstaatsanwälte und verschiedene Oberlandesgerichte haben die Anrechnung zugelassen. Die Oberlandesgerichte Zweibrücken und Koblenz haben sie mit der Begründung abgelehnt, daß der Gesetzgeber dies dann hätte ausdrücklich bestimmen müssen, was er in Wirklichheit nicht getan hat. Im Strafrechtssonderausschuß herrschte Einmütigkeit darüber, daß sich die Anwendung aus dem Charakter der Übergangsregelung ergebe und vom Gesetzgeber von Anfang an gewollt gewesen sei. Wenn danach zwar Art. 314 Abs. 2 EGStGB in dem vom Bundesrat gewünschten Sinne auch nach Auffassung des Strafrechtssonderausschusses zu verstehen ist, so erscheint doch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung entgegen der Ansicht des Bundesjustizministeriums und der Koalitionsparteien notwendig. Die Tatsache unterschiedlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert eine ausdrückliche Klärung durch den Gesetzgeber, die bisher fehlt, wie das Oberlandesgericht Zweibrücken in seiner, Herr Ostman von der Leye, sicherlich nicht als „abstrus" zu bezeichnenden Entscheidung feststellte. Selbst wenn man den Grundsatz ablehnen muß, daß der Gesetzgeber schon immer dann tätig werden müsse, wenn die Rechtsprechung Gesetze unterschiedlich interpretiert, so erscheint hier jedenfalls eine Regelung im Interesse derjenigen notwendig, die von dieser Unsicherheit betroffen sind; denn die Interpretationen des Gesetzgebers sind für die Gerichte nicht bindend und sie beseitigen nicht die offenkundige Rechtsunsicherheit. Ich meine, es ist sehr beachtenswert, daß die Koalitionsparteien heute im Strafrechtssonderausschuß die Frage der rechtsgeschäftlichen Vertretung im Rahmen des Bundeszentralregistergesetzes durch eine Gesetzesänderung geklärt haben, eben weil diese Frage strittig war. Wird der Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, dann ist nicht auszuschließen, daß sich noch andere Gerichte an der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Zweibrücken und Koblenz zum Nachteil der Betroffenen orientieren. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollten den Gesetzgeber außerdem verpflichten, ausdrücklich zu regeln, daß die Strafvollstreckungskammern auch für die Fälle zuständig sind, in denen vor dem 1. Januar 1975 die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In diesem Sinne haben eine Reihe von Oberlandesgerichten - z. B. einmütig die drei bayerischen Oberlandesgerichte - entschieden. Dies ist auch die Auffassung des Bundesrates. Im Gegensatz dazu hat nun der Bundesgerichtshof in einem Beschluß vom 27. Februar 1975 zum Ausdruck gebracht, daß die Strafvollstreckungskammern nicht für Fälle vor dem 1. Januar 1975 zuständig seien. Für die Auffassung des Bundesrates und gegen die Ansicht des Bundesgerichtshofes sprechen mehrere Gründe. Wenn schon der Gesetzgeber die in § 462 a StPO vorgesehenen Entscheidungen wegen der besonderen Erfahrung und der Entscheidungsnähe den Strafvollstreckungskammern zugewiesen hat, dann ist nicht einzusehen, warum dies nicht auch für die bereits vor dem 1. Januar 1975 betroffenen, gleichgearteten Fälle gelten soll. Dieser Auffassung entspricht auch die gesamte Tendenz der Strafrechtsreform, nämlich den Strafvollstreckungskammern bestimmte und gerade auch diese Aufgaben zu übertragen. Wenn ein Vertreter des Bundesjustizministeriums im Ausschuß erklärte, der Bundesrat wolle mit seinem Vorschlag den Bundesgerichtshof desavouieren, verkannte er nicht nur die Sachlage, sondern auch die Motive des Bundesrates, dem es um eine gleichartige formelle Zuständigkeit bei der Entscheidung dieser Fragen geht. Im übrigen hat auch ein anderer Vertreter des Bundesjustizministeriums dem Anliegen des Bundesrates in der Sache zugestimmt und es für berechtigt erklärt. Wenn dies zutrifft, ist nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber sehenden Auges und in vornehmer Zurückhaltung zulassen soll, daß sich eine von ihm nicht gewünschte herrschende Rechtsprechung auf Grund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes herausbildet. Diese Erwartung ist außerdem sehr unbestimmt, weil der Bundesgerichtshof bei dieser Frage keine absolute Kompetenz hat, sondern in vielen Verfahren die Oberlandesgerichte wie bisher Endinstanz sein werden. Deswegen kann von einer Kontinuität bei den Vollstreckungsentscheidungen hier nicht gesprochen werden. Durch eine gesetzliche Klarstellung würde deshalb in der gerichtlichen Praxis nicht Unruhe erzeugt, sondern Ruhe hergestellt werden. Der mögliche Zeitablauf bezüglich dieses Problems enthebt uns nicht des Zwangs, heute eine unumgängliche Entscheidung zu treffen. Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, ist nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion eine Gesetzesänderung gemäß den Vorschlägen des Bundesrates notwendig. Der gegenteiligen Auffassung der Koalitionsparteien vermögen wir nicht zuzustimmen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich in zweiter Beratung die §§ 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform beantragt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wir stimmen über diesen Antrag des Ausschusses ab. Wer dem Ausschußantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen; damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung abgelehnt. Nach § 84 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung entfällt jede weitere Beratung und Beschlußfassung. Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 5 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen - Drucksache 7/4021 Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) - Drucksache 7/4408 Berichterstatter: Abgeordneter Büchler ({1}) ({2}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Büchler!

Hans Büchler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000294, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen wurde vom federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einstimmig gebilligt. Ich darf deshalb den schriftlichen Bericht nur ganz kurz um einige Punkte ergänzen. Im Bereich der landwirtschaftlichen Märkte übt gegenwärtig in der Bundesrepublik eine größere Anzahl staatlicher Einrichtungen marktordnende Funktionen aus. Das Schwergewicht der Aufgaben entfällt auf die vier Einfuhr- und Vorratsstellen und auf das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft. Überlegungen zu einer Reform der Verwaltung wurden schon Mitte der 60er Jahre bei der Umwandlung der ehemaligen Außenhandelsstelle zum Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft angestellt. Damals sollte jedoch zunächst die Entwicklung der gemeinsamen Marktpolitik abgewartet werden. Sie brachte mit der Errichtung der gemeinsamen Marktorganisationen eine schwerpunktmäßige Verlagerung der Aufgaben bei den Marktordnungsstellen vom nationalen in den EWG-Bereich. Die umfangreichen Änderungen und zusätzlichen Anforderungen, die der Vollzug der gemeinsamen Marktorganisationen an die nationale Durchführung stellt, erreichten inzwischen ein Ausmaß, das die Neuorganisation unvermeidbar macht. Die Bundesregierung hat daraufhin im Jahre 1971 den Rechnungshof beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, um die Möglichkeiten der Rationalisierung im Bereich der landwirtschaftlichen Marktordnungen zu erforschen. Die Vorstellungen des Bundesrechnungshofes haben in diesen Gesetzentwurf weitgehend Eingang gefunden. Schwerpunkt der Neuorganisation ist die Zusammenfassung der bestehenden vier Einfuhr- und Vorratsstellen zu einer „Anstalt für landwirtschaftliche Marktordnung". Dadurch wird eine entscheidende verwaltungsmäßige Konzentration erreicht und die Grundlage für eine Straffung und Rationalisierung bei der Durchführung von nationalen und gemeinschaftlichen Marktordnungsmaßnahmen geschaffen. Die Straffung wird nach Auffassung des federführenden Ausschusses dazu führen, daß marktordnerische Aufgaben zügiger abgewickelt werden können. Die Senkung von Personal- und Verwaltungskosten infolge der Rationalisierung wird öffentliche Mittel in wesentlichem Umfange einsparen helfen. Der Ausschuß hat besonderen Wert auf überschaubare Organisationseinheiten gelegt. In sich abgeschlossene Warenbereiche werden - etwa entsprechend der bisherigen Aufteilung bei den Einfuhr- und Vorratsstellen - selbständig verwaltet, so daß der Übergang der Aufgaben auf die neue Anstalt ohne Schwierigkeiten vollzogen werden kann. Auf die Mitwirkung von Wirtschaft und Verbrauchern in der neuen Anstalt wird wie bisher entscheidendes Gewicht gelegt. Wirtschaft und Verbraucher sind an der Arbeit der Anstalt durch den Verwaltungsrat als Organ der Anstalt und fachbezogen durch Fachbeiräte beteiligt. Es ist eine grundsätzliche Abgrenzung der Aufgaben zwischen der neuen Anstalt und dem Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft gefunden worden, die der verwaltungsmäßig unterschiedlichen Ausrichtung dieser beiden Marktordnungsstellen entspricht. Grundsätzlich sollen die gemeinsamen Marktordnungen, die vornehmlich mit den Warengeschäften zusammenhängende Aufgaben vorsehen, in Zukunft von der Anstalt durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um Aufgaben des Interventionsbereiches, die Waren- und Marktkenntnisse erfordern. Büchler ({0}) Im Zusammenhang mit der Neuorganisation werden dem Bundesamt auch die Aufgaben der gemeinsamen Weinmarktorganisation übertragen. Für die Übertragung dieser Aufgaben, die ebenfalls zu einer Verringerung der Marktordnungsstellen beiträgt, sind in erster Linie verwaltungsrechtliche Gründe maßgebend gewesen. Das Bundesamt wird sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben so weit wie möglich der Mithilfe des Stabilisierungsfonds Wein bedienen. Dies war ein besonderer Wunsch des Ausschusses. Das Gesetz wird aber nicht nur die Anpassung der marktordnenden Verwaltung an die veränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Bereich der landwirtschaftlichen Märkte herbeiführen. In der neuen Anstalt wird darüber hinaus eine Institution geschaffen, die die Voraussetzungen dafür bietet, einer künftigen Entwicklung landwirtschaftlicher Märkte Rechnung zu tragen. Der weitgespannte Bogen des Aufgabenbereiches der Anstalt erlaubt sowohl die Übertragung der Durchführung weiterer gemeinsamer Agrarmarktorganisationen als auch Tätigkeiten bei besonderen Maßnahmen zur Entlastung der landwirtschaftlichen Märkte, so z. B. bei der Erntefinanzierung. Die Neuorganisation der Einfuhr- und Vorratsstellen hat nicht überall den Beifall der Wirtschaft gefunden. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Einwände der Wirtschaft nicht leichtgenommen und war bemüht, den berechtigten beiderseitigen Anliegen der Verbraucher und der Wirtschaft so weit wie möglich zu entsprechen. Letzten Endes müssen alle Beteiligten an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert sein. Der Entwurf enthält damit meines Erachtens, insgesamt gesehen, ein Optimum an Mitwirkungsmöglichkeiten der Wirtschaft und der Verbraucher, ohne die notwendigen Grenzen staatlicher Verantwortung zu verwischen. Die Gesetzesvorlage ist ein Schritt, der die deutsche Agrarwirtschaft im Hinblick auf die Anforderungen des gemeinsamen Agrarmarktes stärkt. Dennoch glaube ich im Namen aller Ausschußmitglieder dies hinzufügen zu dürfen: Trotz dieses wichtigen Schrittes bleiben der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung aufgefordert, weitere Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Organisationsgrad der deutschen Agrarwirtschaft zu verbessern. Der Ausschuß bittet um Annahme der Vorlage. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 32, Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tierzuchtgesetzes - Drucksache 7/4008 Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) - Drucksache 7/4402 Berichterstatter: Abgeordneter Schröder ({1}) ({2}) Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schröder ({3}), wünscht das Wort.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte, daß ich als Berichterstatter für dieses Gesetz im Namen des federführenden Ausschusses einige ergänzende Anmerkungen zum Schriftlichen Bericht vortrage. Zunächst einige Worte des Dankes. Zu danken haben wir dem Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herrn Dr. Martin Schmidt ({0}), dafür, daß er den entscheidenden Anstoß für die Novellierung des Tierzuchtgesetzes gegeben hat, nicht zuletzt, wenn ich richtig informiert bin, ausgelöst durch praktische Erfahrungen mit dem alten noch in Kraft befindlichen Gesetz. Danken möchte ich auch den zuständigen Referenten im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, daß sie dem Ausschuß einen Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt haben, der nicht nur sorgfältig vorbereitet, sondern mit den Länderreferenten und den daran interessierten Verbänden und Organisationen auch hervorragend abgestimmt wurde. Uns liegt jetzt zur abschließenden Beratung ein Gesetzentwurf vor, von dem man erwarten darf, daß er für die nächsten zwei Jahrzehnte seinem in § 1 festgelegten Zweck gerecht wird, wenn - und diese Einschränkung muß ich hier machen - wir gleichzeitig bereit sind, aus den Erfahrungen mit dem alten Gesetz zu lernen. Gestatten Sie mir dazu bitte eine kurze Rückblende auf ein Erlebnis, das etwa zehn Jahre zurückliegt. Damals war ich Zeuge eines Gespräches von Tierzuchtexperten, die es sich zur Aufgabe gestellt hatten, Anregungen für ein neues Tierzuchtgesetz zu geben. Solche Gespräche hat es mehrfach gegeben. Sie endeten jedoch alle damit, daß nichts geschah. Es geschah deswegen nichts, weil man die Sorge hatte - und dies wurde auch in aller Offenheit ausgesprochen -, das Parlament könne das Tierzuchtrecht völlig aufheben, wenn man es erst einmal zur Diskussion stellt. Diese Sorge hatte ihren realen Hintergrund in der Tatsache, daß das alte Schröder ({1}) Gesetz seiner eigentlichen Aufgabe, der Förderung der tierischen Produktion, in vielen Fällen deshalb nicht mehr gerecht wurde, weil bei der Körung und Beurteilung von Vatertieren häufig nicht die zu erwartende Leistungsvererbung in den Vordergrund gestellt wurde, sondern mehr die äußere Körperform. Die Tatsache, daß Schönheit oft höher bewertet wurde als Leistungsfähigkeit, hat sicher dazu beigetragen, daß heute zahlreiche deutsche Tierzüchter in der ganzen Welt nach neuem genetischem Potential Ausschau halten. Ein typisches Beispiel dafür ist die deutsche Schwarzbunt-zucht, die zur Zeit in großem Umfang durch Spermaimporte und Ankauf von Tieren neue Blutlinien aus den USA und Kanada einführt, zwei Ländern übrigens, in denen es meines Wissens bislang keine Tierzuchtgesetze gegeben hat. Diese Randbemerkung könnte zu dem Schluß führen, daß der deutschen Tierzucht mit einer völligen Liberalisierung besser gedient wäre als mit einem neuen Tierzuchtgesetz. Dieser Schluß würde uns jedoch mit Sicherheit auf den falschen Weg führen. Die Erfahrungen drüben haben gezeigt, daß - zweifellos mitverursacht durch die völlige Liberalisierung - die Zucht zu einem beachtlichen Teil in die Hände großer kommerzieller Unternehmen gelangt ist. Eine solche Entwicklung entspricht nicht unseren agrarpolitischen Vorstellungen. Wir möchten - ich glaube, das ist die einhellige Auffassung des Ausschusses -, daß die Zucht soweit wie möglich in der Hand der bäuerlichen Familien bleibt. Soweit es erforderlich und wirtschaftlich notwendig ist, gibt das Gesetz daneben genügend Raum für die Tätigkeit von sogenannten Zuchtunternehmen, die in einigen Sparten der Tierzucht sicher nicht mehr wegzudenken sind. Von dieser Randbemerkung nun aber zurück zum Kern des Gesetzes. Ich sagte es schon: das alte Gesetz ist seiner Aufgabe häufig nicht gerecht geworden, weil es in der Praxis falsch angewendet wurde. Dieses Risiko besteht - zumindest im Bereich der Körung - auch im neuen Gesetz. Um zu verhindern, daß auch das neue Tierzuchtgesetz bald in Mißkredit gerät, sollten bei der Körung nach dem neuen Gesetz zumindest zwei Grundsätze beachtet werden: 1. Die Beurteilung von Vatertieren muß sich in erster Linie an dem zu erwartenden Zuchtwert für die jeweilige Rasse oder Gattung orientieren und darf formalistische Aspekte nur zweitrangig berücksichtigen. 2. Die Körentscheidungen sollten für den Vatertierhalter durch eine Begründung der zuständigen Kommission verständlicher gemacht werden, aus der ersichtlich ist, welcher oder welche nutzungsbeschränkenden Mängel für die Ablehnung eines Vatertieres maßgebend waren. Eine weitere Gefahr für die Wirksamkeit dieses Gesetzes liegt in der Tatsache, daß es nicht nur Rechtsverordnungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorsieht, sondern auch zahlreiche Rechtsverordnungen der Länder. Im Interesse eines einheitlichen Tierzuchtrechts bitte ich den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dringend, seine Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um ein weitgehend einheitliches Recht auf diesem Gebiet sicherzustellen. ({2}) Meine Bitte an die Länder geht dahin, daß sie sich bei dem Erlaß von Rechtsverordnungen für die Durchführung von Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen einheitlicher Grundsätze bedienen. Es ist sicher verständlich, daß bei der Einführung neuer wissenschaftlicher Methoden zunächst verschiedene Wege beschritten werden. Es muß alles ausprobiert werden. Ich meine aber, in vielen Fällen - ich könnte Beispiele zitieren, aber wegen der Kürze der Zeit möchte ich bewußt darauf verzichten - ist diese Anlaufzeit vorbei. Wenn wir bei der steigenden Bedeutung des Zuchtviehexports den künftigen Ansprüchen unserer Kunden auf dem internationalen Markt gerecht werden wollen, dann müssen wir uns bemühen, zumindest für die jeweiligen Rassen einheitliche Methoden der Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung anzuwenden. Es kann nicht angehen, wie wir es zeitweilig erleben, daß jedes Land seine eigene Vorstellung entwickelt und wir gegenüber dem Ausland in dieser Frage nicht mit der gleichen Sprache sprechen. Nur wenn wir das durchführen, wird es uns gelingen, nicht nur die tierische Produktion zu verbessern, wie es das Ziel dieses Gesetzes ist, sondern gleichzeitig auch die Vermark- i tung unserer Produkte sicherzustellen. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe die §§ 1 bis 28 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern - Drucksache 7/4059 - Vizepräsident Frau Funcke a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4399 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bülow b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 7/4398 Berichterstatter: Abgeordneter Röhling ({2}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe zur dritten Beratung auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 28. Februar 1975 sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden Abkommen - Drucksache 7/4139 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4405 Berichterstatter. Abgeordneter Carstens ({4}) b) Bericht und Antrag des Auswärtigen Ausschusses ({5}) - Drucksache 7/4404 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Corterier ({6}) Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter Corterier!

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar kurze Ergänzungen zu meinem Schriftlichen Bericht geben. Die Europäische Gemeinschaft ist in der letzten Zeit gewiß nicht mit Erfolgen überhäuft worden. Um so mehr haben wir Anlaß, über den erfolgreichen Abschluß des bedeutsamen AKP-EWG-Abkommens befriedigt zu sein. Dabei verdient hervorgehoben zu werden, daß dieses Abkommen von der Gemeinschaft in einer Zeit ausgehandelt wurde, als sie selber eine schwere innere Krise durchmachte, die durch den englischen Wunsch auf Neuverhandlungen und andere gravierende Probleme verursacht worden war. Trotz dieser inneren Schwierigkeiten der Gemeinschaft, trotz der Komplexität der Verhandlungsmaterie, trotz der Probleme, die allein schon durch die große Zahl der an den Verhandlungen beteiligten Staaten verursacht wurden, ist es gelungen, ein Abkommen auszuhandeln, das der senegalesische Minister und amtierende Präsident des Ministerrats der AKP-Staaten, Babacar BA, bei der Unterzeichnung als revolutionär und einzigartig in der Geschichte der Beziehungen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern bezeichnet hat. Das Abkommen stellt in der Tat ein Vertragswerk von außerordentlichem Ausmaß dar. Es ist von den Vertretern von 55 Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von 525 Millionen Menschen vereinbart worden. Es ist ein Modell für die Bestrebungen zur Schaffung einer gerechteren und ausgewogeneren internationalen Wirtschaftsordnung. Es erweitert entscheidend den Aktionsradius der Europäischen Gemeinschaft und überspringt erstmals die von den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien erzeugten außenpolitischen Präferenzen ihrer ehemaligen überseeischen Gebiete. Es zeigt schließlich, daß die Europäische Gemeinschaft zu wesentlichen eigenständigen politischen Aktivitäten in der Lage ist und nicht nur zwischen den Partikularinteressen der einzelnen Mitglieder zerrieben wird. Angesichts dieser Ergebnisse ist die eineinhalbjährige Verhandlungsdauer nicht erstaunlich. Die Zahl der Partner war groß, und es galt, sehr unterschiedliche historische, wirtschaftliche, kulturelle und geographische Ausgangssituationen zu berücksichtigen. Auch fielen die Verhandlungen in eine Zeit bedeutender weltwirtschaftlicher Veränderungen: Rohstoffpreisveränderungen, Forderungen nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, wachsendes Selbstbewußtsein der Dritten Welt bei sehr schwierigen wirtschaftlichen Problemen in den Industriestaaten. Eine zusätzliche Herausforderung an die Europäische Gemeinschaft war der solidarische Elan der AKP-Staaten, der die europäischen Länder mehr als manches andere zu einer einheitlichen Haltung gezwungen hat. Lassen Sie mich zu einigen der wichtigsten Regelungen des Abkommens von Lomé ein paar Bernerkungen anschließen. Die handelspolitische Zusammenarbeit erhält einen sehr bedeutsamen neuen Aspekt durch die Nichtgegenseitigkeit der Handelspräferenzen. Die AKP-Staaten sind nicht verpflichtet, den Europäern dieselben Handelsvorteile einzuräumen, die sie selbst auf dem europäischen Markt genießen. Das ist gleichzeitig eine wesentliche Entlastung für die Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu den Vereinigten Staaten, wo die Politik der Gegenpräferenzen immer wieder auf starken Widerspruch gestoßen ist. Wegen der Erleichterung einer sinnvollen längerfristigen Finanzplanung dürfte der vereinbarte Mechanismus zur Stabilisierung der Ausfuhrerlöse für ausgewählte Rohstoffe, der sogenannte STABEX, für die AKP-Staaten von großer Bedeutung sein. Besonders in den letzten Jahren haben geradezu groteske Preissprünge auf dem Rohstoffmarkt die Investitionsplanung und die Ausgewogenheit der öffentlichen Finanzen in den Ländern erschwert, deren Wirtschaft von einem schwach diversifizierten Export von Rohstoffen und Grundstoffen abhängt. Aus einem von der Europäischen Gemeinschaft gespeisten Fonds werden auf Grund des Abkommens in Zukunft Ausgleichszahlungen für solche Rohstoffe geleistet, deren Exporterlöse eine bestimmte Bandbreite unterschritten haben. Diese Zahlungen müssen zurückerstattet werden, wenn die Erlöse über einem festgelegten Maximum liegen. Die industrielle Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit den 46 Partnerländern wird einen hohen Rang einnehmen. Sie dient dem Ausbau und der Diversifizierung der industriellen Struktur in den AKP-Staaten sowie der Ausweitung ihrer Handelsmöglichkeiten ebenso wie dem Transfer von Technologien und der besseren Vermarktung von Gütern aus diesen Ländern. Zu diesen Zwecken sind der „Ausschuß für industrielle Zusammenarbeit" und das von ihm kontrollierte „Zentrum für industrielle Entwicklung" gebildet worden. Der Umfang der finanziellen und technischen Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit den assoziierten Staaten der Dritten Welt steigt nach dem Abkommen um das Dreieinhalbfache, obwohl sich die Zahl der Partner nur etwas mehr als verdoppelt hat. Die Gesamtaufwendungen des 4. Europäischen Entwicklungsfonds, verteilt auf fünf Jahre, betragen einschließlich der Mittel für die Europäische Investitionsbank 3,55 Milliarden Rechnungseinheiten, zu denen die Bundesrepublik rund 26 °/o beisteuert. Dieser Anteil ist geringer als bei den vorausgegangenen drei Entwicklungsfonds, wo er zwischen 34,41 °/o und 33,16 °/o geschwankt hatte. Hervorzuheben ist noch, daß nach dem Abkommen die AKP-Staaten in modellhafter Weise an der Verwaltung und Lenkung der Hilfe beteiligt werden. Sie spielen sowohl bei der allgemeinen Ausrichtung der Hilfe eine Rolle als auch bei der Realisierung einzelner Projekte, d. h., die Programmierung der Hilfe, die Prüfung der Projekte, die Vorbereitung der Finanzierungsbeschlüsse, die Ausführung der Vorhaben und die Beurteilung ihrer Ergebnisse finden nicht mehr ohne die Entwicklungsländer statt. Für die am wenigsten entwickelten Länder gibt es Sondermaßnahmen. Die solidarische Berücksichtigung der Interessen gerade der wirtschaftlich schwächsten Entwicklungsländer in dem Abkommen erscheint mir besonders bemerkenswert. Seit der Unterzeichnung des Abkommens am 28. Februar 1975 haben die weitaus meisten AKP-Staaten das Abkommen in rascher Folge ratifiziert. Der Prozeß der Ratifikation hat sich auf der Seite der Gemeinschaftsstaaten sehr viel langsamer vollzogen. Dies hat hie und da zu Kritik geführt und teilweise auch zu dem Eindruck, daß die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft an dem Abkommen weniger interessiert seien als die beteiligten Entwicklungsländer. Dabei muß man auch berücksichtigen, daß zwischen Unterschrift und Inkrafttreten des Abkommens lediglich Interimsabmachungen gelten, nach denen nur die Handelsregelungen des Abkommens angewandt werden, während sämtliche finanziellen Verpflichtungen für die Gemeinschaft erst nach der Ratifizierung in Kraft treten. Unter diesen Umständen ist es sehr zu begrüßen, daß der Deutsche Bundestag das Abkommen so zügig beraten und damit einen Beitrag zu seiner raschen und völligen Inkraftsetzung geleistet hat. Die politische Bedeutung des Abkommens ist oft genug gewürdigt worden. Es hat den Beifall des größten Teils der Welt gefunden. Die EG-Staaten haben mit diesem Abkommen gezeigt, daß sie zu gemeinsamen Aktionen fähig sind, die die Möglichkeiten jedes einzelnen überstiegen hätten. Ich bitte Sie, dem wichtigsten internationalen Vertrag, den die Europäische Gemeinschaft in den letzten Jahren abgeschlossen hat, zuzustimmen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und rufe die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort hat der Abgeordnete Hofmann.

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Abkommen von Lomé hat die EG, die in den letzten Jahren von mancherlei Stagnationserscheinungen befallen war, eine beachtliche Leistung erbracht. Dieses Abkommen ist der glückliche und hoffnungsvolle Kompromiß zwischen den Wünschen der 46 Staaten aus Afrika, dem karibischen und pazifischen Raum und den Möglichkeiten der neun Staaten in der Europäischen Gemeinschaft. Trotz mancher Unkenrufe hat sich die Europäische Gemeinschaft als handlungsfähig erwiesen. Sie wurde ihrer weltweiten Verantwortung gerecht, und sie hat mit diesem Abkommen einen wesentlichen Beitrag zum Abbau des Entwicklungsgefälles zwischen Nord und Süd geleistet. Ebenso ist von den AKP-Staaten zu sagen, daß sie trotz unterschiedlicher Interessen in erfreulicher Einigkeit die langwierigen Verhandlungen zu diezem Ergebnis brachten. Läßt man die Kräfteverhältnisse in der UNO nicht unbeachtet, so kann dieses Abkommen weltpolitische Bedeutung erlangen. Das Abkommen von Lomé ist schon ein erster Teilschritt zu den ökonomischen Umgangsformen in der Welt. Mit ihm hat eine neue Etappe der Zusammenarbeit zwischen der EG und den 46 Ländern der Dritten Welt begonnen. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen sind von diesem Abkommen betroffen, das als das bisher bedeutendste entwicklungspolitische Vertragswerk der Europäischen Gemeinschaft gelten darf. Es setzt die Tradition der Zusammenarbeit von Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft und afrikanischen Staaten aus den Assoziierungsabkommen von Jaunde mit vorwie14368 gend französischsprechenden Ländern Afrikas fort und bringt einige völlig neue Elemente, nachdem durch den Beitritt Großbritanniens auch eine große Zahl von Commonwealthstaaten hinzugekommen sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Todenhöfer? - Bitte!

Dr. Jürgen Todenhöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002333, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wie verstehen Sie Ihre Aussage, daß dieses Abkommen weltpolitische Bedeutung erlangen werde?

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Todenhöfer, ich komme noch darauf; ich will es aber gleich vorwegnehmen. Wenn man bedenkt, daß etwa mit der Hälfte der UNO-Staaten ein Vertrag geschlossen wurde, kann man von weltweiter Bedeutung schon sprechen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Todenhöfer? - Bitte!

Dr. Jürgen Todenhöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002333, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, bedeutet das, daß Sie der Auffassung sind, daß gerade dieses spezielle Modell später weltweit angewendet werden sollte?

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt Ansätze dazu. Wir hoffen, daß dies wirklich ein Modell zur weiteren Entwicklung über die bisherigen 46 Staaten hinaus ist. ({0}) - Herr Kollege Todenhöfer, wir haben im Ausschuß sehr deutlich gesagt, daß dies Anfänge sind. Wir hoffen, daß dadurch beiden Seiten, den AKP-Staaten wie uns, die Möglichkeit gegeben wird, den Menschen mehr als bisher zu helfen. ({1}) Die entscheidende handelspolitische Änderung ist der Verzicht der Europäischen Gemeinschaft auf eine Präferenzbehandlung auf den Märkten der AKP-Staten. Die Partner haben nunmehr die Möglichkeit, gegenüber der EG zollschützende Maßnahmen zugunsten ihrer Industrie zu ergreifen, womit der Förderung ihres Industrialisierungsprozesses wie der Ausweitung ihres Handels in besonderem Maße Rechnung getragen wird. Dieser Verzicht auf Gegenpräferenzen war ein besonderes Anliegen unserer Bundesregierung, die seit Beginn der EG in internen Vorarbeiten darauf hinwirkte, diese Forderung der AKP-Staaten zu realisieren. Dabei wurde aber auch festgehalten, daß die AKP-Staaten die EG nicht schlechter als dritte Industriestaaten behandeln dürfen. Fast alle Waren mit dem Ursprung in den AKP-Staaten haben unter Befreiung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung Zugang zum Markt der Gemeinschaft. Durch diese Bestimmungen garantiert die Gemeinschaft den AKP-Staaten die gleiche Behandlung, die die Mitgliedstaaten untereinander anwenden. Das System der Exporterlösstabilisierung bringt einen Vorteil für alle die Länder, deren Volkswirtschaft in besonders starkem Maße vom Export bestimmter Grundstoffe in die Gemeinschaft abhängt. Mit Hilfe eines Ausgleichsfonds werden sie gegen Preis- und Mengenschwankungen abgesichert. Die Entwicklungsländer können dadurch sicherer planen und können beruhigter an die wirtschaftliche Aufbauarbeit gehen. Mit dieser Stabilisierung der Ausfuhrerlöse wird ein Neuland bei der Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten und Dritter Welt beschritten, und beide Seiten können nur hoffen, daß die großen Erwartungen, die man darauf setzt, in Erfüllung gehen. Ich glaube, Herr Kollege Dr. Todenhöfer, Ihnen ist ebenso wie uns allen bekannt, daß ein großer Teil der AKP-Staaten in besonders starkem Maße vom Export bestimmter Grundstoffe, genauer gesagt: von Mengen- und vor allem von Preisschwankungen abhängig ist. Deshalb diese Exporterlösstabilisierung. Das Auf und Ab der Weltmarktpreise bestimmt das Wohl und Wehe dieser Staaten. Einige Beispiele mögen die Abhängigkeit verdeutlichen: In Burundi entfallen 86 °/o des Exports auf Kaffee. 69 °/o der Warenausfuhr des Tschads sind Baumwolle. Die Ausfuhr von Erdnüssen und Erdnußerzeugnissen beträgt für Gambia 94 °/o. Die Liste der Waren in diesem Abkommen umfaßt 12 Hauptgüter und einige Nebenprodukte, zusammen 29 Erzeugnisse, von denen jedes individuell gesichert ist. Zum erstenmal einigen sich Industrieländer und Grunderzeugnisse exportierende Entwicklungsländer auf ein System, das den Entwicklungsländern eine bestimmte Höhe der Ausfuhrerlöse garantiert. Das ist eine konkrete Antwort auf das Anliegen, die grundstoffproduzierenden Länder und die grundstoffverbrauchenden Länder in eine gleichgewichtigere und, wie wir hoffen, harmonische Beziehung zueinander zu bringen. Das Ergebnis ist auch in diesem Teilbereich ein Kompromiß. Nach unserer Sicht ist es ein vertretbarer Kompromiß, bei dem hervorzuheben ist, daß statt der ursprünglich vorgeschlagenen unbegrenzten Kreditlinie nun eine feste Obergrenze vorgesehen ist. Für die AKP-Staaten ist es der Kernpunkt des Abkommens, an den größte Erwartungen geknüpft werden. Das Stabilisierungssystem wird mit einem Gesamtwert von 375 Millionen Rechnungseinheiten für die Laufzeit des Abkommens ausgestattet. Die Durchführungs- und Berechnungsmechanismen, die Abhängigkeitsschwelle und Auslöseschwelle bringen für die am wenigsten entwickelten Länder Vorzugsregelungen. Die Gemeinschaft ist bei der Abnahme von Zukker noch einen Schritt weitergegangen. Sie verpflichtet sich, die festgesetzte Zuckermenge von maximal 1,4 Millionen Tonnen jährlich zum EG-Preis abzunehmen. Für den gesamten EG-Agrarmarkt wird durch das Abkommen von Lomé den AKP-Staaten gegenüber anderen Drittländern eine verbesserte Zugangsmöglichkeit bei Agrarwaren geschaffen. Für fast alle wichtigen Agrarausfuhren der AKP-Staaten werden bestimmte Erleichterungen eingeräumt. Der Ausbau der industriellen Zusammenarbeit war ein besonderes Anliegen der AKP-Länder. Die Bedeutung dieses Abschnitts im Abkommen erklärt sich auch aus der Tatsache, daß die AKP-Staaten ein Memorandum dazu vorgelegt haben. In einem gesonderten Teil werden die einzelnen Aktionsgebiete umrissen. Die praktische Durchführung der industriellen Zusammenarbeit wird auch - und vor allem - von den verfügbaren Mitteln abhängen, wie auch von der aktiven Mithilfe der Privatwirtschaft. In der Zusammenarbeit will man sich auf zwei besondere Organe stützen. Es ist der Ausschuß für industrielle Zusammenarbeit, der Anstöße geben soll, und ein Zentrum für industrielle Entwicklung, das gemeinsam von den AKP-Staaten und der Gemeinschaft verwaltet werden wird. Die hauptsächliche Aufgabe dieses Zentrums wird die Industrieinformation, die Herstellung von Kontakten und die Industrieförderung sein. Es wird dabei nicht ohne die regionale Zusammenarbeit unter den Entwicklungsländern selbst gehen. Zahlreiche kleine Entwicklungsländer haben innerhalb ihrer Grenzen langfristig nur geringe Chancen, sich zu entwickeln. Ihre Möglichkeit liegt mehr in der regionalen Zusammenarbeit, die zur Verringerung des Entwicklungsabstands zwischen den Entwicklungsstaaten einerseits und den Industrieländern andererseits beitragen soll. Erfreulicherweise sind 10 °/o der Finanzmittel des neuen Entwicklungsfonds für solche Projekte und Programme vorgesehen. Diesem Ausbau der regionalen Integration dient auch die kumulative Ursprungsregelung. Die Gemeinschaft hat dem zugestimmt, damit die AKP-Länder als Einheit behandelt werden können, so daß die Be- und Verarbeitung in mehreren Stufen in verschiedenen AKP-Staaten erfolgen kann. Die Finanzierung erfolgt durch die Mitgliedstaaten. Die verfügbaren Mittel werden 3,7mal größer sein als bei den vorhergehenden Abkommen und über 10 Milliarden DM betragen. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland rund 26 °/o aufzubringen, ebenso Frankreich. Englands Beitrag liegt bei 18,75 °/o. Das Novum bei diesem Kapitel ist die vermehrte Verantwortung der AKP-Staaten. Sie werden am Entscheidungsverfahren über die Mittelvergabe in stärkerem Maße als bisher beteiligt werden. „Das Vertragswerk ist ein Stück Vernunft in dieser Welt", schrieb die „Frankfurter Allgemeine". Gewiß, es werden damit nicht alle Probleme auf einmal gelöst. Dennoch, das Abkommen ist in der Geschichte der Beziehungen zwischen Nord und Süd ohne Vorbild. Es ist ein Modell. Die Europäer haben es verstanden, mit fast der Hälfte der UNO-Mitgliedstaaten eine Partnerschaft zu erreichen. Als Gleichwertige, als Unabhängige und Selbständige haben sie beschlossen, ohne Vorbedingungen miteinander zusammenzuarbeiten zur Linderung der Not, zum Aufbau eines friedlichen Interessenausgleichs. Wir sind zuversichtlich, daß dieses historische Abkommen ein wichtiger Schritt bei dem Bemühen ist, die über eine halbe Milliarde Menschen der 55 Länder näher zusammenzuführen. Ich darf abschließend der Bundesregierung danken, daß sie bei all den langen und zuweilen harten Verhandlungen stets im Interesse der Partnerschaft wirkte und sich auch durch die permanente Kritik im eigenen Lande nicht davon abbringen ließ, zur Verständigung der Völker erneut beizutragen. Wir wünschen, daß dieser Vertrag mit Leben erfüllt wird und die darin enthaltenen Ziele bald erreicht werden. Daher sagen wir ja zu diesem Abkommen. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Roser.

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kollegen! Angesichts der Tatsache, daß dieses Abkommen über eine halbe Milliarde Menschen betrifft, davon 275 Millionen allein in Entwicklungsländern, angesichts der Tatsache - Herr Kollege Hofmann, Sie haben darauf hingewiesen -, daß fast die Hälfte der Partnerstaaten der EG Entwicklungsstaaten sind, sehen wir in diesem Abkommen einen bedeutenden Akt der Wahrnehmung der Verantwortung der Europäischen Gemeinschaft für die Dritte Welt. Wir unterstützen sowohl den Ausbau einer eigenständigen Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft als auch eine - das ist hier noch nicht hinreichend vorhanden - weltweite Öffnung der Europäischen Gemeinschaft in entwicklungspolitischer Hinsicht. Insofern wird mit dem Abkommen von Lomé eine wenigstens seit fünf Jahren ausgesprochene Forderung der CDU/CSU-Fraktion zumindest teilweise verwirklicht. Dabei kann die Bundesregierung gewiß sein, daß wir jeden vernünftigen Schritt in Richtung „mehr Europa" nachdrücklich und tatkräftig unterstützen werden, vor allem, wenn er eine Konkretisierung weltweiter Verantwortung für die Entwicklungsländer bedeutet. Das Abkommen von Lomé selbst ist ja im federführenden Ausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen ausgiebig beraten und erörtert worden. Insofern kann es hier nur darum gehen, einige Anmerkungen zu machen, einige Erwartungen und, wenn nötig, auch einige Bedenken auszusprechen. Erstens. Die Europäische Gemeinschaft hat bereits vor Jahren das System der Handelspräferenzen für die Entwicklungsländer eingeführt. Dies war eine entwicklungspolitische Maßnahme von ebenso entscheidender wie beispielhafter Bedeutung. Gemäß dem AKP-Abkommen werden nun die Waren mit Ursprung in diesen Staaten grundsätzlich einen von Zöllen und ähnlichen Abgaben sowie mengenmäßigen Beschränkungen freien Zugang zum Markt der Europäischen Gemeinschaft haben. Das betrifft immerhin 94 °/o der derzeitigen Ausfuhr dieser Staa14370 ten auf den europäischen Markt. Umgekehrt gilt dies nur - das halten wir für wichtig - eingeschränkt: Die AKP-Staaten können zum Schutz ihrer industriellen Produkte, ihres industriellen Aufbaus die notwendigen tarifären Maßnahmen einleiten und ergreifen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich. Der Verzicht auf Gegenpräferenzen scheint uns außerordentlich wichtig zu sein. Wir beurteilen gerade diese Regelung - deswegen komme ich in Ergänzung der Aussagen des Berichterstatters noch einmal darauf zu sprechen - als Beweis dafür, daß auch innerhalb der bestehenden freien Weltwirtschaftsordnung schwächeren Wirtschaftspartnern gegenüber durch systemkonforme Maßnahmen der notwendige Schutz gewährt werden kann. Das ist für uns entscheidend. Wir halten diese Regelung für ein wichtiges Element einer sozial ausgestalteten, aber im Prinzip freien Weltwirtschaftsordnung. Zweitens. Zum ersten Mal wird in einem internationalen Vertrag zwischen Industrie- und Entwicklungsländern die besondere Bedeutung der regionalen Zusammenarbeit - darauf ist bislang noch nicht hingewiesen worden - für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder formuliert. Ein Zehntel der für die Entwicklung dieser Staaten vorgesehenen Mittel ist dafür reserviert. Auf diese Weise soll die Schaffung größerer und auch leistungsfähigerer Märkte erreicht werden. Wir erwarten allerdings gerade hier gezielte Aktivitäten der Bundesregierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und natürlich auch der beteiligten Staaten und Staatengruppen, um die es sich hier handelt. Drittens. Das entscheidende Instrument zum Vollzug dieses Abkommens in technischer und finanzieller Hinsicht ist der Europäische Entwicklungsfonds. Dieser Europäische Entwicklungsfonds hat sich seit seinem Bestehen - auch darauf sollte bei dieser Gelegenheit einmal hingewiesen werden - im Gegensatz zu mancher anderen multilateralen Einrichtung vergleichsweise sehr bewährt. Er wird in diesem Zusammenhang mit zirka 10 Milliarden DM ausgestattet werden. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es, daß die Europäische Gemeinschaft auch insofern besondere entwicklungspolitische Gesichtspunkte berücksichtigt hat, als etwa die Hälfte der AKP-Partner, nämlich die, die besonders bedürftig sind, spezielle Bedingungen und spezielle Berücksichtigung erfahren sollen. Auch hierin dokumentiert die EG ihren Willen zu einer aktiven entwicklungspolitischen Tätigkeit. Es ist bereits wiederholt darauf hingewiesen worden, daß das wesentlichste Element des Vertrages in der Einführung eines bestimmten Systems der Stabilisierung der Erlöse liegt, die die Entwicklungsländer durch den Verkauf ihrer Produkte erzielen. Hier freilich können wir erhebliche Bedenken nicht verschweigen. Ich möchte allerdings von vornherein sagen, daß ich nur hoffen kann, daß die Bedenken und Befürchtungen durch eine günstigere Entwicklung ausgeräumt werden. Es kann z. B. nicht ausgeschlossen werden, daß es in den Entwicklungsländern zu erheblicher Überproduktion kommen wird. Mich würde sehr interessieren, wie das ausgeschlossen werden soll. Zum anderen ist zu fürchten, daß dieses System sich diversifizierungsfeindlich auswirken könnte. Ein Huhn, das zwar nur Minieier legt, die am Ende aber doch vergoldet werden, schlachtet man nicht gerne. Zur Erhaltungssubvention sollte, so meinen wir, diese Erlösstabilisierung jedenfalls nicht werden; denn damit würde sie in ihr Gegenteil verkehrt. Es gibt ja wohl auch im europäischen Raum gewisse einschlägige negative Erfahrungen. Wir möchten jedenfalls nicht haben, daß es zur Zementierung einseitiger, ohnehin nicht günstiger Strukturen in den Entwicklungsländern mittels dieser Stabilisierungssystematik kommen könnte. Man wird im übrigen sehr aufmerksam beobachten müssen, welche Erlöse überhaupt stabilisierenswert sind. Zudem scheint die Anbindung des Systems der Ausgleichszahlungen an einzelne Produkte und nicht an den Gesamterlös der jeweiligen Volkswirtschaft besonders problematisch zu sein. Wir hätten es für besser gehalten, wenn man an den Gesamterlös angeknüpft hätte und nicht an den Einzelprodukterlös, natürlich aufgerechnet innerhalb einiger Jahre. Daß es nicht möglich war, eine Erfolgskontrolle der an die begünstigten Länder abfließenden Mittel vertraglich sicherzustellen, muß wohl auch entwicklungspolitisch als bedenklich betrachtet werden. Wir hätten gerade eine solche Regelung als Ausdruck einer aufrichtigen Partnerschaft besonders begrüßt. In dem Abkommen heißt es demgegenüber sehr lapidar: „Der begünstigte Staat beschließt über die Verwendung der Mittel selbst." Es ist im übrigen auch zu fragen, ob die Ausstattung des Finanzplafonds mit 350 Millionen Rechnungseinheiten hinreichend ist oder ob es à la longue nicht doch zu wiederholten Aufstockungen kommen wird, was sicher zunächst einmal nicht beabsichtigt sein kann. Um das Ganze zu verdeutlichen: Wir sind nicht gegen die Bereitstellung der hier in Frage stehenden Mittel, aber wir meinen, daß ein entwicklungspolitisch klar definierter Verwendungszweck hätte verankert werden müssen, auch gegenüber dem einzelnen Land. Diese Bedenken und einige andere, die sich z. B. auf das neue Informationszentrum, für das man im Augenblick schon etwas verzweifelt Aufgaben sucht, sowie auf einige Agrarfragen beziehen, sind es gewesen, welche die CDU/CSU veranlaßt haben - sie hat dabei die Zustimmung der übrigen Ausschußmitglieder gefunden -, die Bundesregierung aufzufordern, dem Bundestag möglichst bald über die Auswirkungen des Abkommens, insbesondere im Blick auf das System der Erlösstabilisierung, Bericht zu erstatten. Damit aber auch hier keine Mißverständnisse entstehen, möchte ich noch einmal betonen: Die vorgetragenen Bedenken richten sich gegen das hier vorliegende System, nicht gegen eine Erlösstabilisierung im Prinzip. Im Gegenteil: Wir sehen in der Erlösstabilisierung, und zwar in vernünftigen Regelungen hierzu - wohlgemerkt: in der Erlösstabilisierung und nicht in der Preisstabilisierung -, ein wichtiges, ich möchte am liebsten sagen: das wichtigste Instrument zur gerechten Gestaltung einer sozialen, freien Weltwirtschaftsordnung. Zusammenfassend darf ich sagen: Trotz der eben genannten Bedenken begrüßen wir das Abkommen von Lomé erstens als Kompromiß zur Verhinderung von Konfrontation, zweitens als einen Beitrag für einen praktischen und auch in der Praxis vollziehbaren Interessenausgleich zwischen den Entwicklungsländern und den Industriestaaten und drittens schließlich als akzeptablen Ausgangspunkt für zukünftige Kooperation. Zugleich aber fordern wir die Bundesregierung auf, strictissime darauf zu achten, daß dieses vorliegende System der Erlösstabilisierung nicht zum weitergehenden internationalen Modell zu einem Zeitpunkt wird, zu dem man seine Auswirkungen auf die Entwicklungsländer selbst und auf die weltwirtschaftliche Ordnung noch nicht klar abschätzen kann. Da fehlen uns noch Erkenntnisse. Herr Kollege Hofmann, ich kann nur hoffen, daß Sie dem zustimmen. Ich habe Ihre Aussage vorhin etwas anders verstanden, fast möchte ich sagen: verstehen müssen. Wir verbinden mit dem AKP-Abkommen schließlich die Erwartung, daß die Europäische Gemeinschaft alsbald Anlaß haben wird, weitere Schritte in Richtung auf weltweite europäische Entwicklungspolitik, insbesondere bezogen auf den lateinamerikanischen Kontinent, zu unternehmen. Denn auch dieses Abkommen soll nach unserer Meinung dazu beitragen, die Kluft zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern zu überbrücken. Das Abkommen von Lomé ist erwachsen aus den historischen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und den hier in Rede stehenden 46 Staaten, konkret veranlaßt durch den Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft. Nun muß darauf geachtet werden, daß nicht ein Graben zwischen denen, die sozusagen drinnen sind - im Abkommen, in den Vertragsregelungen, in allen Vergünstigungen -, und denen, die, jedenfalls zur Zeit, noch draußen sind, auf die sich das Abkommen nicht bezieht. Die CDU/CSU empfiehlt Zustimmung zu diesem Vertrag. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Vertragsentwurf in der Drucksache 7/4139 ist das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen der Vertragsparteien zwischen der feierlichen Eröffnungssitzung in Brüssel am 25./26. Juli 1973 und der Abschlußveranstaltung am 28. Februar in der togolesischen Hauptstadt Lomé. Die FDP begrüßt dieses AKP-Abkommen, dessen Vertragspartner 46 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik einerseits und die Staaten der Europäischen Gemeinschaft andererseits sind. Dieser Vertrag ist im zuständigen Ausschuß ausgiebig beraten worden und hat dort breite Zustimmung erfahren. Er liegt jetzt als Ganzes dem Parlament zur Ratifizierung vor. Das Ja der FDP dazu ist ein sehr überzeugtes Ja, weil der Vertrag ein Beitrag in der richtigen Richtung zur Fortentwicklung der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen in der Weise ist, wie es auch auf der Siebenten Sonderkonferenz der Vereinten Nationen in der Schlußakte deutlich bekundet wurde. Auch macht dieser Vertrag sehr nachdrücklich die Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit der Europäischen Gemeinschaft deutlich, einen sinnvollen Beitrag zum Abbau des epochalen Nord-Süd-Wirtschaftsgefälles zu leisten. Es ist ein Schritt zu gemeinsamer und, wie ich meine, dringend erforderlicher europäischer Außenpolitik in dem so wichtigen politischen Gestaltungsbereich der Entwicklungspolitik. Wir alle können eigentlich nur wünschen, daß sich diese geschlossene Handlungsfähigkeit im Bereich der Entwicklungspolitik vielleicht auch für den Bereich der Energiepolitik auswirken möge, ganz gewiß aber auch für andere Bereiche, die man als Beispiel zitieren könnte. Dieser Vertrag ermöglicht Hilfe zur Selbsthilfe in einer Form, die wir von der FDP besonders begrüßen, weil hier gute Voraussetzungen für alle die Staaten gelegt werden, die bereit sind, selber die Armel hochzukrempeln und nicht nur an der Klagemauer zu stehen. Sowohl nach der Zahl der an ihm beteiligten Länder als auch nach seinen Inhalten stellt dieser Vertrag eine sehr deutliche Verbesserung der Assoziationsabkommen von Jaunde und Aruscha dar. Die wesentlichen Ziele, die ich hier noch einmal erwähnen und mit einigen Bemerkungen skizzieren möchte, sind Regelungen im Handelsbereich, Regelungen im Bereich der industriellen Kooperation, der Erlösstabilisierung im Außenhandel sowie der finanziellen und technischen Zusammenarbeit. Zweifelsohne ist die fundamentale Neuerung im Handelsbereich die des freien und ungehinderten Zugangs zum europäischen Markt. Das umschließt bis auf sehr wenige Marktordnungsprodukte den gesamten Agrarbereich. Dieser freie Marktzugang, der ohne Gegenpräferenz von der Europäischen Gemeinschaft gewährt wird, gibt den AKP-Staaten die Möglichkeit, in der Regel über 90 % ihrer Ausfuhren ohne Hemmnisse durch Zölle oder Kontingente auf den Markt der Europäischen Gemeinschaft zu bringen. Dies wird noch durch eine kumulative Ursprungsregelung erleichtert, die alle AKP-Staaten zolltechnisch als eine Einheit sieht und bewertet. Wir meinen, daß diese Form der Hilfe durch Handel eine sehr begrüßenswerte Form der Unterstützung für die Entwicklungsländer darstellt. Wir meinen aber auch, daß wir klaren Auges sehen müssen, daß dies zu wirtschaftlichen Strukturveränderungen führen muß. Dies ist ein gewolltes Ergebnis, dem man sich auch dann wird stellen müssen, wenn es hier und da einmal unbequem sein sollte. Herzstück des Abkommens ist die Einrichtung eines Fonds zur Erlösstabilisierung von Rohstoffen und Produkten, die für die Deviseneinnahmen der Entwicklungsländer von besonders hervorgehobener Bedeutung sind. Dies ist nach dem Vertrag dann der Fall, wenn ein Exportgut mehr als 7,5 % der gesamten Ausfuhrerlöse ausmacht. Wir begrüßen die vorgeschlagene Regelung, weil sie die jeweiligen Staaten in eine bessere Lage versetzt, die Risiken einer ordentlichen Haushalts- und Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik schlechthin, wenn man so will, erheblich zu reduzieren. Wir halten eine Fondslösung für besser als den Versuch, sichere und möglichst steigernde Einnahmen möglicherweise durch das Instrumentarium einer Preisindexierung durchsetzen zu wollen. Wir sehen in diesem Versuch der Erlösstabilisierung durch einen Fonds auch eine entwicklungspolitische Komponente, die wir nur begrüßen können. Zweifelsohne muß festgehalten werden, daß mit diesem Instrumentarium Neuland betreten wird. Keiner kann mit letzter Sicherheit sagen, ob diese Instrumente zur Zufriedenheit aller daran Beteiligten greifen werden. Insofern wird eine sehr nüchterne Beobachtung der Wirkungen in der Praxis zweifelsohne vonnöten sein. Allerdings muß auch hinzugefügt werden, daß bislang keine besseren Instrumente haben angeboten werden können. ({0}) Inwiefern die hier angedeuteten Gefahren einer Überproduktion oder einseitiger Wirtschaftsstrukturen auftauchen, wird, glaube ich, nicht unbeachtlich davon abhängen, welches Wirtschaftssystem man bei dem jeweiligen Staat vor Augen hat, und wird, meine ich, sofern Gefahren überhaupt vorhanden sein sollten, zumindest auch durch die Höhe - sie wird immer begrenzt bleiben - eines solchen Fonds eingeschränkt werden. Ob das angesichts der angedeuteten Fragen ausreichend ist, wird man nach meiner Auffassung zu beobachten haben. Aber ich könnte mir denken, daß der eingeschlagene Weg, wenn nicht insgesamt, so doch vielleicht in wesentlichen Teilen - das wäre eigentlich nur zu wünschen - modellhaften Charakter für die Lösung der vorhandenen Probleme haben könnte. Wir von der FDP stimmen dieser Vorlage zu, die wir deshalb für den bedeutsamsten internationalen Vertrag der Europäischen Gemeinschaft halten, weil dieses Vertragswerk, wie wir meinen, gut geeignet ist, die Beziehungen zwischen Entwicklungsländern und der Europäischen Gemeinschaft weg von Konfrontation und ein wenig mehr hin zur Kooperation gestalten zu helfen. Darum ist es gut, daß dieser Vertrag bald in Kraft treten kann. Wir wollen das Unsere dazu beitragen. Ich kann es mir allerdings nicht versagen, mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, daß hier - wie in der vergangenen Woche auch diesmal wieder vor ziemlich leerem Hause wesentliche entwicklungspolitische Debatten geführt und Beschlüsse gefaßt werden müssen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Staatsminister Wischnewski.

Not found (Gast)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Herren! Die Bedeutung des Abkommens verlangt einige Bemerkungen und Aussagen der Bundesregierung. Außerdem, Herr Kollege Roser, bin ich Ihnen eine Antwort schuldig. Das Abkommen von Lomé regelt die wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft mit 46 Entwicklungsländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik. Es stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung auf eine europäische Außen- und Entwicklungspolitik dar. Mit ihm tritt Europa mit einem großen Teil der Dritten Welt in eine neue Beziehung, die auf einen friedlichen Ausgleich und Austausch gerichtet ist. Die Bundesregierung wertet es deshalb gemeinsam mit ihren Partnern in der Gemeinschaft als einen vollen Erfolg, daß es gelungen ist, in anderthalbjährigen Verhandlungen die Beziehungen zu den bisher durch die Abkommen von Jaunde und Aruscha assoziierten und den im Protokoll 22 des Beitrittsvertrages genannten Commonwealth-Ländern sowie weiteren sechs afrikanischen Staaten einheitlich zu regeln und auf eine neue Basis zu stellen. Das Verhandlungsergebnis ist ein fairer Kompromiß zwischen den Wünschen der einen und den Möglichkeiten der anderen Seite. Zwei Aspekte des Abkommens von Lomé, durch die es sich in seiner Dimension und politischen Tragweite erheblich von den vorausgegangenen Abkommen von Jaunde und Aruscha unterscheidet, möchte ich besonders hervorheben: Erstens die große Zahl der betroffenen Entwicklungsländer. Das Abkommen wurde von fast der Hälfte aller Entwicklungsländer unterzeichnet; darunter befinden sich 24 der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Zweitens den umfassenden, teilweise neuartigen entwicklungspolitischen Ansatz des Abkommens. Das Abkommen enthält viele wegweisende Elemente, z. B. den entwicklungspolitisch begründeten Verzicht auf die Einräumung von Gegenpräferenzen, der erfreulicherweise erwähnt worden ist, das System der Erlösstabilisierung, die industrielle Kooperation und schließlich auch die Förderung der regionalen Zusammenarbeit, die meines Erachtens von ganz entscheidender Bedeutung ist. Politisch trägt das Abkommen mit 46 AKP-Staaten zum Abbau der Konfrontation zwischen Industrie-und Entwicklungsländern bei. Der institutionelle Rahmen des Abkommens bietet die Möglichkeit regelmäßiger und enger Kontakte. Daraus ergibt sich die Chance besseren gegenseitigen Verständnisses und der Förderung der Beziehungen auf mehreren Ebenen. Für das Verhältnis Europas zu den Entwicklungsländern ist das ein ganz entscheidender Vorzug. Das Abkommen ist auch ein Fortschritt auf dem Wege der europäischen Integration. Es integriert einen wesentlichen Bereich unserer Entwicklungspolitik in die Gemeinschaft. Der Vertrag von Lomé gestattet der Gemeinschaft, bei internationalen Verhandlungen mit Entwicklungsländern eine wichtige Rolle als Gesprächspartner zu spielen. Für die weitere Entwicklung und die weltpolitische Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft ist es bedeutsam, daß sie mit rund einem Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen besondere Beziehungen aufgenommen hat. Der Vertrag von Lomé hat das Ansehen der Gemeinschaft in der Dritten Welt - und damit alle, die dazu beigetragen haben, daß es zustande gekommen ist - deutlich gestärkt. Das Abkommen ist eines der fortschrittlichsten Vertragswerke zwischen Industrie- und Entwicklungsländern überhaupt. Es kommt den entwicklungspolitischen Zielsetzungen und Bedürfnissen unserer Partner entgegen. Deshalb kann man das Abkommen als Modell für die Beziehungen entwickelter Länder zu Entwicklungsländern betrachten. Wirtschaftlich und entwicklungspolitisch weist das Abkommen neue Wege. Über den wesentlichen Inhalt ist hier bereits gesprochen worden. Ich kann es mir deshalb ersparen, Weiteres darüber zu sagen. Ich möchte aber noch einige Bemerkungen zur Erlösstabilisierung machen. Das neue System soll die oft sehr schwerwiegenden Folgen plötzlicher erheblicher Rückgänge der Ausfuhreinnahmen gerade bei den weniger entwickelten Ländern mildern. Die Deviseneinnahmen dieser Länder hängen manchmal stark vom schwankenden Preis eines Produktes oder weniger Produkte ab. Auch Mißernten können katastrophale Folgen für den Aufbau des betreffenden Staates und für große Teile seiner Bevölkerung haben. Hier will die Gemeinschaft helfen. Ich bestreite nicht, daß das, was wir begonnen haben, ein Kompromiß ist. Wenn 55 Verhandlungspartner mit sehr unterschiedlichen Interessen am Tisch sitzen, kann es ja wohl auch nur ein Kompromiß sein. Wir selbst hätten für uns ein anderes Modell erarbeitet, von dem wir glaubten, es könnte noch effizienter sein. Wir müssen mit dem Weg, den wir gemeinsam gefunden haben - und es kam nur ein Weg in Frage, dem 55 Verhandlungspartner zustimmen können; eine andere Möglichkeit gab es nicht -, zufrieden sein und werden nun Erfahrungen sammeln müssen. Durch einen Plafonds ist eine Begrenzung gegeben. Es besteht keine Absicht, diesen Plafonds zu erhöhen. Im Rahmen dieses Plafonds werden wir die notwendigen Erfahrungen sammeln. Die Bundesregierung kommt dem Wunsch gerne nach, darüber zu berichten, welche Erfahrungen wir sammeln. Bis jetzt haben wir noch keine; wir können noch keine haben, denn erst muß das Abkommen ja noch in Kraft treten. Wir haben ferner - um eine andere Frage anzusprechen - eine ganze Reihe von Methoden zur Förderung der Industrialisierung und damit der Diversifizierung unserer Partnerländer in einem besonderen Kapitel über die industrielle Zusammenarbeit festgelegt. Sie haben hier eine vorsichtige Bemerkung über die Verwendung des Informationszentrums gemacht. Die Bundesregierung verfolgt dies mit großer Aufmerksamkeit und hat gerade in der vergangenen Woche mit der Arbeitsgemeinschaft „Entwicklungsländer" der deutschen Wirtschaft ein Gespräch über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet geführt. Übrigens würde ich generell nicht die Behauptung aufstellen, daß es keine Kontrolle gebe. Kontrolle ist ein schlechtes Wort in der Zusammenarbeit zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Ich würde eher von guter Zusammenarbeit sprechen. Herr Kollege Roser, Sie wissen doch aus eigener Erfahrung, daß die Europäische Gemeinschaft in den Ländern, mit denen sie in einem besonderen Kontakt steht, besondere Vertretungen hat, die sich ausschließlich um diese Fragen kümmern. Ich finde, das ist die vernünftige Basis für eine Zusammenarbeit. Dann kann man das böse Wort „Kontrolle" im Verhältnis zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern vermeiden. ({0}) Er heißt lange nicht mehr so. Wir haben ja auch kein Assoziierungsabkommen mehr, sondern entsprechend der veränderten Situation andere Begriffe mit anderem geistigen Inhalt. Das ist gut für das Abkommen. Zusammenfassend möchte ich hervorheben, daß das Abkommen neue Dimensionen und Kooperationsformen für die Entwicklungspolitik der Gemeinschaft erschließt. Es ist ein wichtiger Schritt der Gemeinschaft, ihrer weltweiten Verantwortung gerecht zu werden. Im Geiste partnerschaftlicher Zusammenarbeit leitet das Abkommen von Lomé ein neues Kapitel in den Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu einer Vielzahl von Entwicklungsländern ein. Ich bin sicher, daß der Vertrag eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten schaffen wird. Der Vertrag leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Abbau der Spannungen und zur Versachlichung der Diskussion zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, der Diskussion, die in der nächsten Woche in eine ganz besonders bedeutungsvolle Phase eintreten wird. Deshalb ist es gut, daß zu diesem Zeitpunkt die Konvention von Lomé in Kraft treten kann. Der Deutsche Bundestag sollte ihm die breite Zustimmung geben, die er mit Fug und Recht verdient. Die Bundesregierung bedankt sich beim Hohen Hause und insbesondere bei den Ausschüssen für die zügige Arbeit. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und Schlußabstimmung, die damit verbunden wird, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen I Meine Damen und Herren, wird haben noch über Ziff. 2 des Ausschußantrages auf Drucksache 7/4404 abzustimmen, wonach die Bundesregierung ersucht wird, „zu gegebener Zeit über die Auswirkungen des Abkommens, insbesondere im Bereich der Exporterlösstabilisierung, zu berichten". Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf : Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes - Drucksache 7/2379 Bericht und Antrag des Innenausschusses ({0}) - Drucksache 7/4407 Berichterstatter: Abgeordneter Pensky Abgeordneter Entrup Abgeordneter Dr. Wendig ({1}) Ich frage zunächst, ob die Herren Berichterstatter eine Ergänzung der Berichterstattung wünschen. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1 Nrn. 1 bis 39 auf. ({2}) - Einen Augenblick! Bei Nr. 40 werde ich Ihnen zur Begründung des Änderungsantrages das Wort geben. Sie können die Begründung dann mit der Begründung des Änderungsantrages zu Ziffer 41 und zu Art. 2 verbinden. Wer den aufgerufenen Nrn. 1 bis 39 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Nr. 40 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/4435 vor. Ich gehe davon aus, daß Sie, Herr Kollege Pensky, gleichzeitig den Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 41 und den Änderungsantrag zu Art. 2 - beide auf derselben Drucksache - begründen werden. Bitte, Sie haben das Wort.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zugleich namens meiner mitunterzeichnenden Kollegen Entrup und Dr. Wendig den Änderungsantrag auf Drucksache 7/4435 begründen. Bei diesem Änderungsantrag handelt es sich um eine Änderung der Zeitpunkte für die Anzeigefrist und das Verbot der Führung verbotener Gegenstände sowie für die Anmeldepflicht für Schußwaffen. Ein Hinausschieben der Termine für den Beginn und das Ende dieser Fristen um zwei Monate, und zwar vom 1. Januar 1976 bzw. 30. April 1976 auf den 1. März 1976 bzw. auf den 30. Juni 1976, hat sich als notwendig erwiesen. Der Innenausschuß war bei seiner Beschlußfassung über die erstgenannten Termine davon ausgegangen, daß der Bundesrat den Gesetzentwurf im zweiten Durchgang am 18. Dezember 1975 behandelt. Der Bundesrat wird jedoch, wie nunmehr verbindlich mitgeteilt worden ist, das Änderungsgesetz erst in der darauffolgenden Sitzung, nämlich am 20. Februar 1976 beraten. Dadurch werden die Änderungen wie vorgeschlagen erforderlich. Die Antragsteller bitten um Zustimmung.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke Ihnen! Meine Damen und Herren, das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich schlage vor, daß wir über die Änderungsanträge zu den Nrn. 40 und 41 gemeinsam abstimmen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; das ist so gebilligt. Wer Ziff. 1 und 2 des Änderungsantrages auf Drucksache 7/4435 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Wer der geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich nunmehr um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Art. 2 auf. Hierzu liegt ebenfalls ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/4435 vor. Er ist bereits begründet worden. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Wer Art. 2 in der nunmehr geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so gebilligt. Ich rufe Art. 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig gebilligt. Meine Damen und Herren, wir treten nunmehr in die dritte Beratung ein. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Pensky.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt, daß der Deutsche Bundestag heute die Novelle zum Bundeswaffengesetz beschließen kann, die sich als notwendig erwiesen hat. Sicherlich ist die Frage, die gelegentlich gestellt worden ist, berechtigt, ob eine Änderung des Waffenrechts erforderlich ist, nachdem ,das jetzt gültige Gesetz erst am 1. Januar 1973 in Kraft getreten ist. Die Frage nach dem Warum wurde auch - und zwar aus den unterschiedlichsten Interessenlagen heraus - mit der Frage verbunden, ob die seit 1973 in Kraft befindlichen waffenrechtlichen Änderungen überhaupt wirksam gewesen sind. Während die einen befürchten, das Waffenrecht könne wieder aufgeweicht werden, machen andere geltend, daß das Gesetz zu eng gefaßt würde, wobei auch die gesetzestreuen Bürger wie Jäger, Sportschützen und Waffensammler, aber auch der Waffenhandel zu sehr eingeengt werden. Hierzu möchte ich folgende grundsätzliche Bemerkungen machen. Zum Erlaß einer bundeseinheitlichen Waffengesetzgebung ist dem Bund erst im Jahre 1972 durch eine Grundgesetzänderung die Kompetenz übertragen worden. Das geschah seinerzeit auf Anregung der Bundesländer, weil eine solche Notwendigkeit aus rein sicherheitspolitischen Erwägungen für zwingend notwendig gehalten wurde; denn wir hatten bis dahin elf unterschiedliche Ländergesetze. Das 1972 vom Bundestag beschlossene und am 1. Januar 1973 in Kraft getretene Bundeswaffengesetz war als ein Sicherheitsgesetz konzipiert. Es ging davon aus, daß der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schußwaffen auf enge Voraussetzungen zu beschränken ist, wobei neben einer Zuverlässigkeits- und Sachkundeprüfung im wesentlichen auch ein Bedürfnis für den Waffenerwerb nachzuweisen ist. Ein wesentliches Ziel des Gesetzes war auch die Einführung einer allgemeinen Registrierpflicht für erwerbsscheinpflichtige Waffen. Verbunden mit der gesetzlichen Regelung war die Eröffnung einer Anmeldefrist für erwerbsscheinpflichtige Waffen bei Gewährung von Straffreiheit für diejenigen, die ihre Waffen innerhalb der genannten Frist angemeldet haben. Hiervon haben damals etwa 2 1/2 Millionen Waffenbesitzer Gebrauch gemacht. Die verschärften waffenrechtlichen Vorschriften haben sich auch bewährt. Dies läßt sich jedenfalls aus der Kriminalstatistik ableiten. Bis zum Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes waren die kriminellen Delikte unter Schußwaffenverwendung von Jahr zu Jahr angestiegen. Sie erreichten im Jahre 1972 mit 13 709 Fällen, bei denen geschossen wurde, einen Höhepunkt. Mit Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes sank diese Zahl im Jahr 1973 auf 10 487 und im Jahr 1974 auf 8 081 Fälle. Den Kriminalitätsrückgang auf diesem Gebiet führen die Fachleute übereinstimmend auf die strengen Vorschriften des Waffengesetzes zurück. Wir fühlen uns deshalb in der damaligen Konzeption auch bestätigt. Bei der Beobachtung der Kriminalitätsentwicklung in unserem Land ist nunmehr jedoch leider festzustellen, daß diese günstige Tendenz wieder umgeschlagen ist. Seit Beginn dieses Jahres, 1975, ist nach vorläufigen Erhebungen wiederum ein Ansteigen der Kriminalität zu verzeichnen, die mittels Schußwaffen begangen wird. Eingehende Analysen über die Ursachen führen zu dem Schluß, daß dies ebenso auf die Entwicklung neuer Waffen durch die Waffenindustrie wie aber auch darauf zurückzuführen ist, daß findige Waffenhändler Möglichkeiten entdeckt haben, dieses Gesetz zu umgehen. Dem gilt es einen Riegel vorzuschieben. So haben sich beispielsweise 4-Millimeter-Pistolen und -Revolver, die bisher erwerbsscheinfrei waren, als ein Verkaufsschlager der Waffenindustrie und des Waffenhandels herausgestellt. Diese Waffen, ,die sich äußerlich von erwerbsscheinpflichtigen Waffen nicht unterscheiden, sind zu einem erheblichen Risiko für die innere Sicherheit geworden, da mit ihnen zunehmend strafbare Handlungen begangen werden. Diese Waffen werden sowohl als Drohmittel verwendet als auch wird mit ihnen zunehmend geschossen, und zwar mit der Folge erheblicher und teils lebensgefährlicher Verletzungen. Auch die Annahme der Sachverständigen, daß diese Waffen keine tödliche Wirkung haben könnten, ist inzwischen widerlegt. Als besonders gefährlich haben sich der Handel und der Umgang mit sogenannten unbrauchbar gemachten Kriegswaffen herausgestellt. Auf diesem Gebiete waren natürlich in erster Linie unseriöse Waffenhändler am Werke. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, daß große Posten vollautomatischer Kriegswaffen aus Armeebeständen völlig unzulänglich unbrauchbar gemacht und als sogenannte Dekorationswaffen weiterveräußert wurden, teilweise mit einer Gebrauchsanweisung versehen, wie solche Waffen mit einfachen Werkzeugen wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt werden können. Auf diesem Wege sind solche Waffen in die Hände von Kriminellen gelangt; sie wurden auch bei schwersten Straftaten benutzt. Solchen skrupellosen Geschäftemachern wollen wir nicht tatenlos zusehen. Deshalb soll dem mit dieser Novelle zum Waffengesetz entschlossen entgegengewirkt werden. Während der kriminellen Entwicklung durch geeignete Maßnahmen Einhalt zu gebieten ist, sollen jedoch Jäger, Sportschützen und Waffensammler weiterhin unter erleichterten Bedingungen ihrer Tätigkeit nachgehen können. Das ist nach allen Beobachtungen auch durchaus zu vertreten, weil sich diese Personenkreise durchweg als gesetzestreu erwiesen haben. Nur etwa 4 bis 5 % aller legalen Waffenbesitzer begehen mit ihren Waffen strafbare Handlungen. Einige Bemerkungen zu den sogenannten CombatSchießschulen, für die in diesem Gesetz erstmals eine Regelung getroffen wird. Bei den CombatSchießschulen handelt es sich um Schießschulen auf privater und gewerblicher Basis, die in ihrer Selbstdarstellung davon sprechen, daß dort kampfmäßiges Vorgehen sowohl im Angriff wie in der Verteidigung geübt wird. Jedermann hat die Möglichkeit - natürlich gegen ein entsprechendes Entgelt -, sich in solchen Disziplinen ausbilden zu lassen. Hier muß man jedoch fragen: Kampfmäßiges Vorgehen im Angriff gegen wen? Es scheint, daß solche Einrichtungen, wenn sie ohne ausreichende öffentliche Kontrolle bleiben, zu einer erheblichen Gefahr für die innere Sicherheit werden können. Dem will dieses Gesetz durch entsprechende Vorschriften entgegenwirken. Es wird deshalb gefordert, daß derjenige, der solche Schießstätten betreibt oder sich auf ihnen als Ausbilder betätigt, einen Zuverlässigkeitsnachweis zu erbringen hat. Nur solche Personen sollen an einer Ausbildung auf Combat-Schießschulen teilnehmen, die eine Waffe unter den ge14376 nannten strengen Bedingungen legal erworben haben. Das erscheint angemessen, aber auch notwendig. Mit diesem Gesetz wird erneut eine Anmeldefrist, verbunden mit einer Amnestie, eingeführt, d. h. konkret: Allen Personen wird Straffreiheit gewährt, die vom 1. März bis zum 30. Juni 1976 die in ihrem Besitz befindlichen erwerbsscheinpflichtigen und noch nicht angemeldeten Waffen bei der zuständigen Behörde anmelden. Für solche Waffen werden den Besitzern Waffenbesitzkarten ausgestellt; sie können also ihre Waffen behalten. Dies das möchte ich unterstreichen - ist eine politische Zweckmäßigkeitsentscheidung; denn Ziel des Waffengesetzes ist es unter anderem, aus Sicherheitsgründen möglichst alle in Bürgerhand befindlichen Waffen zu registrieren. Das ist aber zugleich auch eine Chance für alle Bürger, die es angeht, eine Kriminalisierung zu vermeiden. Wer dieses Angebot ausschlägt, muß damit rechnen, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer empfindlichen Geldstrafe belangt zu werden. Wir, meine Damen und Herren, sind zuversichtlich, daß dieses Gesetz, das auf Verbrechensverhütung abzielt, einen weiteren wirksamen Beitrag zur inneren Sicherheit leisten wird. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Entrup.

Otto Entrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000481, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Waffengesetzes, der heute zur abschließenden Beratung vorgelegt wird, hat das Ziel, einerseits unnötige Belastungen, die auch gesetzestreuen Bürgern durch das 1972 beschlossene Waffengesetz auferlegt werden, wie auch vermeidbaren Verwaltungsaufwand abzubauen, andererseits das Waffenrecht den heutigen Verhältnissen anzupassen und damit diejenigen Vorschriften zu verschärfen, die sich als lückenhaft oder als unzureichend erwiesen haben. Die vorliegende Gesetzesänderung führt nicht zu einer Aufweichung des geltenden Waffenrechts. Sie trägt lediglich den Erfahrungen und den neu gewonnenen Erkenntnissen Rechnung, die mit dem Waffengesetz von 1972 gemacht wurden. Es wird daher an der Grundentscheidung des Waffengesetzes über den Erwerb, den Besitz und das Führen von Schußwaffen und Munition festgehalten. Somit verbleibt es auch bei der Erlaubnispflicht für den Erwerb von Langwaffen und Munition. Die Erfahrungen beim Vollzug des Waffenrechts haben allerdings gezeigt, daß es im Rahmen der beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung wünschenswert erscheint, einige Vorschriften des Gesetzes flexibler zu gestalten und auch zu vereinfachen mit dem Ziel, unnötigen Aufwand für Bürger und Verwaltung abzubauen. Aus diesem Grund sieht das Änderungsgesetz die Beseitigung der fünfjährigen Befristung der Waffenbesitzkarte vor. Sportschützen und Waffensammlern wird eine besondere Waffenbesitzkarte erteilt und der Bedarfsnachweis erleichtert. Eine Verfahrensvereinfachung bedeutet auch die im § 29 vorgesehene Änderung bezüglich des Munitionserwerbs. Die bisherige Regelung sah vor, daß für den Munitionserwerb der sogenannte Munitionserwerbsschein notwendig war. Der Ausschuß hat sich abweichend vom Regierungsentwurf dafür ausgesprochen, daß die Inhaber von Waffenbesitzkarten nach dem vorgelegten Entwurf, bei denen Zuverlässigkeit, Sachkunde und Bedürfnis geprüft worden sind, keinen Munitionserwerbsschein mehr benötigen. Sie sind durch die Waffenbesitzkarte berechtigt, für die auf der Karte aufgeführten Waffen Munition zu erwerben. Diese Regelung erscheint unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten unbedenklich und hat zur Folge, daß sowohl die Behörden als auch die betroffenen Bürger verwaltungs-und kostenmäßig entlastet werden. Dagegen sollen jedoch Inhaber von Waffenbesitzkarten, die auf Grund der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen, bei denen die oben genannten Voraussetzungen nicht geprüft worden waren, wie bisher eine Erlaubnis zum Munitionserwerb benötigen. Der Innenausschuß konnte sich nicht der Auffassung des Bundesrates anschließen, von der Führung des Munitionshandelsbuches abzusehen, denn die kriminalpolizeilichen Nachforschungen nach dem Verbleib von Munition werden durch Munitionshandelsbücher wesentlich erleichtert. Die mit der Führung des Munitionshandelsbuches gewünschte Zielsetzung kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn die Munitionshandelsbücher öfter als bisher von den zuständigen Behörden kontrolliert werden. Im Änderungsgesetz wird jedoch, um das Gesetz flexibler zu machen, dem Bundesminister des Innern die Ermächtigung zugestanden, Munition, die erfahrungsgemäß nicht zur Begehung von strafbaren Handlungen verwandt wird, von den Vorschriften über das Munitionshandelsbuch auszunehmen. Nach meiner Auffassung ist es bei den oben genannten Änderungen gelungen, Verfahrensvereinfachungen möglich zu machen, ohne sicherheitspolitische Grundsätze aufzugeben. Die Härte des Gesetzes bleibt dort gewahrt, wo es die Sorge um die öffentliche Sicherheit erfordert. Aus diesem Grund hat der Ausschuß auch den Änderungen zugestimmt, die zu einer Verschärfung des Waffengesetzes führen. Mit Inkrafttreten des Waffengesetzes wurde 1972 der freie Erwerb der sogenannten 4-mm-Waffen erlaubt. Diese Waffen, deren Geschossen nur eine geringe Bewegungsenergie erteilt wird, waren auf Grund von Untersuchungen, die eine relative Ungefährlichkeit nachgewiesen hatten, freigegeben worden. Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes widerlegen diese Untersuchungen, wie der Herr Kollege Pensky zutreffend bereits ausgeführt hat. In der Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum 31. März 1975 sind mit diesen Waffen 190 Straftaten begangen worden, wobei es sich neben Bedrohungen und Körperverletzungen sogar jüngst um einen Todesfall gehandelt hat. Unter diesen Umständen erEntrup scheint es geboten, diese Waffen der Waffenbesitzkartenverpflichtung zu unterwerfen, wobei jedoch vorgesehen ist, daß die erste Verordnung zum Waffengesetz den Erwerb unter erleichterten Bedingungen ermöglicht, d. h. von einer Bedürfnisprüfung abgesehen wird. Die Waffenbesitzkartenpflicht bezieht sich auch nur auf die Kurzwaffen - Revolver und Pistolen -, da bislang keine Erkenntnisse vorliegen, daß mit Langwaffen dieser Art strafbare Handlungen begangen worden sind. Da die Kontrolle dieser Waffen die Erfassung in den Waffenbüchern und eine Kennzeichnung mit der Herstellungsnummer voraussetzt, sieht der Entwurf in Art. 1 Nr. 3 b und 4 in den §§ 12 und 13 vor, die genannten Waffen der Buchführungs- und vollen Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen. Meine Damen und Herren, besondere Aufmerksamkeit haben wir auch dem Problem der Combat-Schießschulen gewidmet. Bei diesem Combat-Schießen handelt es sich um eine Schießtechnik für das kampfmäßige Vorgehen sowohl im Angriff als auch bei der Verteidigung unter rasch wechselnden Situationen. Diese Lehrgänge werden sowohl von Schützengemeinschaften als auch von gewerblich betriebenen Schießschulen angeboten und fanden in der letzten Zeit in der Presse erhebliche Beachtung. Der Ausschuß war der Auffassung, daß diese Schießtechnik zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit zumindest dann wird, wenn sie zu strafbaren Zwecken mißbraucht und gegen Organe der Sicherheitsbehörden angewandt wird. Es bedarf sicherlich keiner weiteren Erörterung der Frage, daß es in erster Linie Aufgabe der Sicherheitsorgane ist, für die Sicherheit der Bürger dieses Landes zu sorgen und sie zu garantieren. Es erscheint daher geboten, Vorsorge insoweit zu treffen, daß zu solchen Lehrgängen nicht Personen zugelassen werden, die etwa die erlernte Schießtechnik zu strafbaren Handlungen mißbrauchen könnten. Darum erscheint es notwendig und erforderlich, die Durchführung derartiger Lehrgänge sowie die Teilnahme an ihnen einer behördlichen Überwachung zu unterstellen. Die vorliegende Novelle sieht deshalb in § 44 Abs. 3 vor, da das geltende Waffenrecht hierzu keine hinreichende Handhabe bietet, in einer Rechtsverordnung die materielle Regelung der Überwachung dieser Lehrgänge aufzuführen. Der Ausschuß hat sich schließlich auch der Auffassung der Bundesregierung bezüglich der unbrauchbar gemachten Kriegswaffen angeschlossen, indem er das Verbot von Inverkehrbringen und Besitz derartiger automatischer Selbstladewaffen gleichfalls für notwendig hielt. Es ist vorgesehen, daß der Anmeldende durch Vorlage einer behördlichen Bescheinigung oder einer Bescheinigung eines zugelassenen Waffenherstellers oder Büchsenmachers dem Bundeskriminalamt die Unbrauchbarkeit als Schußwaffe nachzuweisen hat. Die. angesprochene Verwendung der Waffen als Drohmittel wird eingeschränkt, indem das Führen dieser Waffen in der Öffentlichkeit verboten und bei Zuwiderhandeln als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Schließlich haben sicherheitspolitische Erwägungen auch dazu geführt, daß es nicht mehr sehr leicht möglich sein wird, altertümliche Waffen zu erwerben, die geeignet sind, tödliche Wirkungen herbeizuführen. Die verschärfenden Vorschriften werden nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten, während die sonstigen Änderungen zum 1. Juli 1976 in Kraft treten werden. Dabei ließ sich der Ausschuß von dem Gedanken leiten, daß erkennbare Sicherheitsrisiken sofort eingedämmt beziehungsweise beseitigt werden sollten. Jeder Aufschub des Inkrafttretens der verschärfenden Bestimmungen des Waffenrechts würde dem Anliegen, die öffentliche Sicherheit soweit wie möglich zu erhöhen, nicht gerecht werden. Aus diesem Grunde schien es - auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen - nicht vertretbar, diese Beschränkungen etwa erst nach Ablauf einer kürzeren oder längeren Übergangsfrist in Kraft zu setzen. Lassen Sie mich zum Schluß, meine Damen und Herren, einen sehr wesentlichen Punkt ansprechen. Der Ausschuß hat sich im Zuge des Änderungsgesetzes dafür ausgesprochen, allen Waffenbesitzern, die bisher ihre Waffen nicht angemeldet haben, die Möglichkeit zu geben, dies bis zum 30. Juni 1976 nachzuholen. Der Ausschuß hat sich unter Zurückstellung von erheblicher Bedenken aus sicherheitspolitischen Gründen dazu durchgerungen, in die vorgesehene Amnestie auch die Schußwaffen einzubeziehen, die in der Zeit seit dem 1. Januar 1973 illegal erworben worden sind. Durch die erneute Möglichkeit der Anmeldung soll allen Waffenbesitzern noch mals die Chance geboten werden, ihren Waffenbesitz zu legalisieren. Wir hoffen, daß eine entsprechende Honorierung von den Betroffenen hier erfolgt und in einem großen Umfang von der erneuten Möglichkeit der Anmeldung unter Straffreiheit Gebrauch gemacht wird. Wir hoffen, daß mit der Neueröffnung dieser Anmeldefrist eines der wesentlichsten Probleme aus dem illegalen Waffenbesitz aus dem Jahre 1972 gelöst sind. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Bundesregierung Gelegenheit nehmen wird, durch eine entsprechende gezielte Information mit dazu beizutragen, daß diese erneut gegebene Anmeldefrist nicht ungenutzt verstreicht. Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich um die Zustimmung zu dem Gesetz. Es handelt sich hier um einen Schritt auf dem Wege zu einem Mehr an öffentlicher Sicherheit, auf die jeder Bürger unseres Landes Anspruch hat. Ich gebe an dieser Stelle meiner Freude Ausdruck, daß die Beratungen des Ausschusses zu einstimmigen Ergebnissen geführt haben. Mein Dank gilt sowohl dem Kollegen Pensky wie auch den Herren des Innenministeriums, die uns bei dieser Arbeit sehr wohltuend begleitet haben. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002477, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten sind ebenfalls der Auffassung, daß eine Änderung der waffenrechtlichen Bestimmungen von 1972 aus sicherheitspolitischen Gründen vordringlich geboten ist. Aus diesen Motiven heraus wird verständlich, daß die heutige Novelle natürlich nicht schlicht, wie von einigen Organen in unserem Lande behauptet wurde, eine Lockerung des bisher geltenden Rechts bedeutet; zum Teil im Gegenteil. Sicher ist es uns in einigen Punkten nicht leichtgefallen, den gerechten Ausgleich zu finden zwischen manchmal durchaus begründeten wirtschaftlichen und privaten Interessen auf der einen Seite und einer verbesserten, erhöhten inneren Sicherheit auf der anderen. Wir haben uns schließlich aber in den einzelnen Konfliktfällen jeweils für den Vorrang der sicherheitspolitischen Momente entschieden. Ich freue mich ferner, mit meinen Kollegen Mitberichterstattern feststellen zu können, daß sich die drei Fraktionen dieses Hohen Hauses bei der Beratung über die tragenden Grundsätze des Entwurfs wie über die Ausführung im Detail grundsätzlich einig gewesen sind. Dabei sollte es zu einer Erleichterung der notwendigen Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren da kommen, wo ein zu hoher Verwaltungsaufwand vorlag, ohne daß zugleich übergeordnete Sicherheitsinteressen auf dem Spiel standen. Dies gilt unter anderem für Bereiche, in denen nach bisherigem Recht in der Regel gesetzestreue Bürger belastet wurden, ohne daß damit etwa schon ein wirksamer Beitrag zur inneren Sicherheit verbunden gewesen wäre. Ich will mich kurz auf wenige Schwerpunkte beschränken, die zum Teil schon von meinen Herren Kollegen Vorrednern vorgetragen worden sind und die bei der zur Entscheidung anstehenden Novelle zum Waffengesetz vorrangig sind. Erstens. Bei Pistolen und Revolvern mit einer verhältnismäßig geringen Bewegungsenergie war bisher der freie Erwerb - wir hörten es schon - gestattet. Die Tatsache, daß mit diesen Waffenschwere Verletzungen herbeigeführt werden können, und die weitere Erkenntnis, daß die Verwendung dieser Waffen zu Straftaten nach oben anzog, ließen es uns allen als geboten erscheinen, den bisher freien Erwerb einzuschränken. Ich weiß, hier hatte sich ein gewisser Markt eröffnet - Herr Pensky sprach schon davon -, und ich weiß, daß im Kreise unserer Bürger hinsichtlich dieses Vorschlages nicht überall Zustimmung vorhanden war. Aber unter der Voraussetzung, daß in der ersten Verordnung zum Waffengesetz unter Verzicht auf die Bedürfnisprüfung erleichterte Bedingungen vorgesehen werden sollen, kann dies auch unter möglicherweise berechtigten wirtschaftlichen Aspekten voll vertreten werden. Zu prüfen bliebe nämlich nach einer ersten Verordnung zur Durchführung lediglich die Zuverlässigkeit des Erwerbers. Wer wollte aber ernstlich fordern wollen, von diesen Bedingungen abzusehen mit der Folge, daß dann etwa auch einem leichtfertigen oder unzuverlässigen Erwerber der Erwerb oder der Besitz einer solchen Waffe ohne Einschränkung gestattet würde? Zweitens. Das Verbot, unbrauchbar gemachte automatische Selbstladewaffen, die Kriegswaffen waren, in den Verkehr zu bringen oder zu besitzen, ist aus sicherheitspolitischen Gründen ganz ohne Zweifel und ohne jede Einschränkung zu bejahen. Ich weiß auch, daß von diesem Verbot sehr viele private Sammler betroffen werden. Solche Waffen müssen in Zukunft beim Bundeskriminalamt angemeldet werden. Sowohl dem Sicherheitsinteresse wie dem Interesse von harmlosen und gesetzestreuen Waffensammlern kann in gerechter Abwägung aller Umstände durch eine behördliche Bescheingung oder die Bescheinigung des Waffenherstellers oder Büchsenmachers entsprochen werden, die dem BKA die Unbrauchbarkeit der Schußwaffe ausweist. Dies sollte genügen. Eine Einziehung bzw. Unbrauchbarmachung altere Waffen erschien uns dagegen nicht notwendig. Drittens. Wir bleiben auch dabei, die Einführung eines Munitionshandelsbuches grundsätzlich beizubehalten. Die Bundesregierung sollte allerdings ermächtigt werden, besondere Munitionsarten, insbesondere für Jagd- und Sportwaffen, von den Vorschriften über das Munitionshandelsbuch auszunehmen. Es handelt sich hier insbesondere um einen Bereich, in dem sich Bürger grundsätzlich gesetzestreu verhalten. Bei dem Munitionsverkauf auf Schützengelände war eine Änderung der bestehenden Vorschriften erforderlich. Eine Beseitigung des Schießstellenprivilegs - Vergünstigung der Munitionsabgabe auf Schießstätten - kann vermieden werden, wenn man die Abgabe auf den sofortigen Verbrauch auf der Schießstätte selbst beschränkt. Dies trägt den sicherheitspolitischen Bedürfnissen hinreichend Rechnung, ohne in bestehende Verhältnisse allzu sehr einzugreifen. Und letztens, viertens. Die neue Anmeldungsfrist auch für Waffen, die im ersten Halbjahr 1973 nicht angemeldet sind, verbunden mit der Rechtswohltat der Straffreiheit, ist rechtspolitisch sicherlich von erheblicher Bedeuung. Auch ich verkenne nicht die Problematik einer solchen Lösung, die darin besteht, daß hier bereits konkret verwirklichte Straftatbestände rückwirkend straflos bleiben. Die Bedenken, die wir hiergegen gehabt haben, waren sicher nicht leicht zu widerlegen. Gründe der inneren Sicherheit ließen uns dennoch die gedachte Lösung als die geeignetere erscheinen. Wenn es gelingt - hier schließe ich mich voll dem an, was meine Vorredner gesagt haben -, durch eine nochmalige Anmeldefrist den Waffenbesitz letztmalig zu legalisieren, so hat dies für die innere Sicherheit in unserem Lande ohne Zweifel ein großes Gewicht. Nach gründlicher Abwägung des Für und Wider meinen wir deshalb, daß der Einführung einer neuen Anmeldefrist mit den von mir geschilderten Folgen der Straffreiheit der Vorzug zu geben ist. Diese Gründe gelten auch für eine Amnestie, soweit sie einen Waffenerwerb betrifft, der in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1973 und dem nunmehr vorgesehenen 1. März 1976 getätigt worden ist. Wir erwarten hierbei - das gilt im übrigen natürlich auch für die gesamte Novelle -, daß die neuen Vorschriften dazu beitragen, das oft undurchdringliche Gestrüpp von Vorschriften und Verboten durchschaubarer zu machen, unnötige VerwalDr. Wendig tungsarbeit zu vermeiden, zugleich aber vorrangig die innere Sicherheit in unserem Lande zu verbessern, auch dadurch, daß für bestimmte Bereiche des Waffenbesitzes und Waffenerwerbs zusätzliche Verbots- und Genehmigungsvorschriften vorgesehen werden. Insgesamt gesehen ist auch für uns diese Novelle zu bejahen. Die Freie Demokratische Partei empfiehlt Ihnen die Zustimmung. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das im Juni 1972 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Waffengesetz hat das bis dahin in einen landes- und einen bundesrechtlichen Teil gespaltene Waffenrecht auf der Grundlage einer Grundgesetzänderung vereinheitlicht. Dadurch konnten die Gesetzeslücken im Hinblick auf den Erwerb von Schußwaffen und Munition geschlossen und die Behörden in die Lage versetzt werden, gegen den illegalen Erwerb und Besitz von Schußwaffen und Munition sowie gegen die steigende Schußwaffenkriminalität mit verwaltungs- und strafrechtlichen Mitteln wirksamer vorzugehen. Die im Jahre 1972 getroffenen Grundentscheidungen, insbesondere die Verschärfung der Vorschriften über den Erwerb von Schußwaffen und Munition, haben sich - das möchte ich hier ausdrücklich feststellen - als richtig erwiesen. Die Neuregelung hat zwar Kritik bei denjenigen gefunden, die sich durch sie in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt sehen; die Beschränkungen waren jedoch erforderlich, weil anders eine wirksamere Bekämpfung des illegalen Erwerbs, des illegalen Handels und des Schmuggels sowie der kriminellen Anwendung von Schußwaffen nicht möglich gewesen wäre. Statistische Unterlagen lassen erkennen, daß sich die Verschärfung des Waffenrechts gemeinsam mit anderen gesetzlichen und organisatorischen Maßnahmen positiv ausgewirkt hat. So konnten mit Hilfe der neuen Rechtsgrundlage seit Anfang 1973, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, Schußwaffen in steigender Zahl polizeilich sichergestellt werden. Was die kriminelle Anwendung von Schußwaffen angelangt, hat der Kollege Pensky schon auf die Kriminalstatistik hingewiesen, die in dieser Beziehung eine bemerkenswerte Veränderung erkennen läßt. Zu der dem Hause zur Beschlußfassung vorliegenden Novelle zum Waffengesetz möchte ich unterstreichen, daß mit den vorgesehenen Regelungen keine Aufweichung des geltenden Waffenrechts beabsichtigt ist. An den Grundentscheidungen des Gesetzes über den Erwerb, den Besitz und das Führen von Schußwaffen und Munition soll nach wie vor festgehalten werden. Die vorgesehenen Änderungen sollen den inzwischen gewonnen Erfahrungen bei der Durchführung des Gesetzes Rechnung tragen. I Die Novelle bezweckt deshalb, einerseits unnötige Belastungen abzubauen, andererseits diejenigen Vorschriften zu verschärfen, die sich als unzureichend oder lückenhaft erwiesen haben. Der Entwurf enthält zusätzliche Vorschriften für die Betätigung der sogenannten Combat-Schießschulen, die künftig einer behördlichen Kontrolle unterworfen werden sollen. Die mißbräuchliche Anwendung der in diesen Schulen vermittelten Schießtechnik kann zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit werden. Es muß deshalb verhindert werden, daß unzuverlässige Personen solche Lehrgänge veranstalten und daß Personen, von denen eine mißbräuchliche Anwendung dieser Technik zu besorgen ist, an diesen Lehrgängen teilnehmen. Die Novelle ermächtigt den Bundesminister des Innern, das Nähere über die Bestellung der Aufsichtspersonen und Ausbilder sowie über die Zulassung zur Teilnahme zu regeln. Hinsichtlich des Munitionserwerbs hat sich der Innenausschuß des Bundestages abweichend von der Regierungsvorlage für eine differenzierte Lösung entschieden: Grundsätzlich soll ein Munitionserwerbsschein nicht mehr erforderlich sein für Inhaber von Waffenbesitzkarten, bei denen zuvor alle persönlichen Voraussetzungen zum Erwerb einer Schußwaffe geprüft worden sind. Dagegen sollen Inhaber von Waffenbesitzkarten, bei denen diese Voraussetzungen nicht geprüft worden sind - die sogenannten Altbesitzer -, einer Erlaubnis zum Munitionserwerb bedürfen. Ich schließe mich dieser Lösung des Innenausschusses an. In der Tat wäre es nicht ganz unbedenklich, jedem Inhaber einer Waffenbesitzkarte über Altbesitz einschließlich derjenigen, die ihre Waffe erst jetzt anmelden, den Erwerb von Munition ohne Prüfung des Bedürfnisses zu gestatten. Als weitere Verschärfung sieht der Entwurf die Einführung einer Erlaubnispflicht für den Erwerb der sogenannten 4-Millimeter-Waffen vor. Mit diesen Waffen, die nach den ursprünglichen gerichtsmedizinischen Untersuchungen als verhältnismäßig ungefährlich angesehen wurden, wurden zahlreiche Straftaten begangen und den Opfern vielfach schwere Verletzungen beigebracht. Angesichts dieser Erfahrungen erscheint es nicht vertretbar, den freien Erwerb solcher Waffen weiterhin zu gestatten. Darüber hinaus hat sich bei einigen altertümlichen Waffen, besonders bei den mehrschüssigen Vorderladerperkussionswaffen, eine Gesetzeslücke herausgestellt. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollten diese Waffen nicht frei erworben werden können. Der freie Erwerb altertümlicher Waffen soll deshalb künftig nur noch in engen Grenzen zugelassen werden. Das Inverkehrbringen und der Besitz unbrauchbar gemachter vollautomatischer Kriegswaffen sowie unbrauchbar gemachter Schußwaffen, die den Anschein vollautomatischer Kriegswaffen hervorrufen, sollen künftig verboten werden, um die Verwendung solcher Waffen als Drohmittel bei der Begehung von Straftaten möglichst zu verhindern. Soweit es sich dabei um Altbesitz handelt, sollen diese Gegen14380 stände dem Bundeskriminalamt angemeldet und von dem Besitzer der Nachweis erbraucht werden, daß sie tatsächlich unbrauchbar gemacht worden sind. Andererseits sieht der Entwurf vor, im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht unbedingt erforderliche Belastungen abzubauen und einige Vorschriften einfacher und flexibler auszugestalten. Zu nennen sind hier besonders der Wegfall der Befristung der Waffenbesitzkarte für den Regelfall, die Einführung einer besonderen Waffenbesitzkarte für Sportschützen und Waffensammler sowie die Erleichterung des Bedürfnisnachweises für den Erwerb von Sportwaffen durch Sportschützen. Durch diese Änderungen werden sich für die betroffenen Personenkreise einige wesentliche Erleichterungen ergeben, so daß die an den bisherigen Regelungen geäußerte Kritik seitens der Betroffenen entfallen kann. Der Ausschuß ist dem Vorschlag der Bundesregierung gefolgt, den Waffenbesitzern, die ihre Waffen im ersten Halbjahr 1973 nicht angemeldet haben, die Möglichkeit einer neuen Anmeldung einzuräumen und ihnen Straffreiheit zu gewähren, soweit sie ihre Waffen innerhalb einer gesetzten Nachfrist anmelden. Mit dem Innenausschuß halte ich es für angemessen, in die vorgesehene Amnestie auch die Schußwaffen einzubeziehen, die inzwischen illegal erworben worden sind. Dabei gehe ich davon aus, daß den Betroffenen mit der Eröffnung einer nochmaligen Anmeldefrist eine letzte Chance zur Legalisierung ihres Waffenbesitzes geboten wird. Wer diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen läßt, muß mit der entschädigungslosen Einziehung seiner Waffen und mit Bestrafung rechnen. Die Bundesregierung erwartet von der jetzt anstehenden Änderung des Waffengesetzes die Verbesserung seiner bisher durchaus schon positiv zu bewertenden Wirkung. Deshalb begrüßt sie die nun zu verabschiedende Novelle als einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit und bittet Sie um Ihre Zustimmung. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in der dritten Beratung einstimmig angenommen. Ich gehe davon aus, daß das Haus die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt erklärt. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr die Punkte 10 bis 16 der Tagesordnung auf: 10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({0}) - Drucksache 7/4374 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 28. April 1975 zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft - Drucksache 7/4382 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Auswärtiger Ausschuß 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zu dem Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen - Drucksache 7/4360 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß 13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den rechtlichen Status der Bundeswasserstraße Elbe-Seitenkanal - Drucksache 7/4381 -Überweisungsvorsachlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank - Drucksache 7/4380 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft 15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Pockenschutzimpfung - Drucksache 7/4375 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit 16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geflügelfleischhygienegesetzes - Drucksache 7/4413 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({3}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Das Wort wird von der Bundesregierung nicht begehrt. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates bitte ich der Tagesordnung zu entnehmen. Ich frage, ob das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden ist. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshelfer-Gesetzes - Drucksache 7/4393 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({4}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Von der Bundesregierung wird das Wort zur Begründung nicht begehrt. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Bühling.

Reinhard Bühling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000298, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1963 haben wir Erfahrungen mit der Tätigkeit von Entwicklungshelfern. Seitdem haben der Deutsche Entwicklungsdienst und auch andere Träger insgesamt 6 000 Entwicklungshelfer in die Dritte Welt entsandt. Sie haben dort vor Ort gute Arbeit geleistet. Erst im Jahre 1969 sind die positive Tätigkeit der Entwicklungshelfer und ihre soziale Sicherung gesetzlich geregelt worden. Es ist jetzt an der Zeit, diese Regelungen neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Entwicklungshelfer brauchen eine Änderung des Gesetzes wegen ihrer besonderen Schutzwürdigkeit. Im Gegensatz zu den vielen oft hochbezahlten Experten arbeiten sie für ein geringes Entgelt und ohne jede Erwerbsabsicht. Deshalb ist es auch notwendig, ihre soziale Sicherung so zu gestalten, daß ihr mehrjähriger Verzicht auf hohen Verdienst im Heimatland nicht auch noch soziale Nachteile nach sich zieht. Inzwischen sind im Bereich der sozialen Absicherung in unserem Lande große Veränderungen eingetreten, die eine Anpassung auch für den Personenkreis der Entwicklungshelfer erforderlich machen, wenn sie nicht schwer benachteiligt werden sollen. Es haben sich folgende Erkenntnisse durchgesetzt. Aus entwicklungspolitischen Gründen und wegen der zunehmenden Internationalisierung der Entwicklungspolitik muß eine Bestimmung geschaffen werden, daß auch ausländische Entwicklungshelfer und die sie beschäftigenden Träger berücksichtigt werden. Das Durchschnittsalter der Entwicklungshelfer ist seit 1963 von 22 auf 26 Jahre angestiegen. Immer mehr Entwicklungshelfer haben eine Familie, die mit in das Entwicklungsland geht. Die Sozialgesetzgebung in der Bundesrepublik ist erfreulicherweise den Regelungen im Entwicklungshelfer-Gesetz davongelaufen. Die Qualifikation, die von den Entwicklungsländern verlangt wird, hat sich erheblich gewandelt. Nicht nur Facharbeiter mit qualifizierter Berufsausbildung, sondern auch Ingenieure, Lehrer, Ärzte und ähnliche Berufe werden immer mehr gefragt. Dem soll dieses neue Gesetz Rechnung tragen. Auch mehr Ausländer können dann als Entwicklungshelfer in deutschen Trägerorganisationen arbeiten. Dies ist deshalb begrüßenswert, weil die wachsende internationale Verflechtung und die verstärkte internationale Zusammenarbeit eine Beschränkung auf deutsche Entwicklungshelfer wie bisher nicht als zweckmäßig erscheinen läßt. Die Beihilfen zur Wiedereingliederung zurückkehrender Entwicklungshelfer sollen in erweitertem Umfang gezahlt werden. Auch die Beschäftigten in internationalen Entwicklungsdiensten werden von dieser Regelung erfaßt. Diese Regelung ist deshalb notwendig, weil seit der Schaffung eines Freiwilligendienstes der Vereinten Nationen auch deutsche Entwicklungshelfer multilateral tätig sind. Die Haftpflichtversicherung für Entwicklungshelfer soll künftig von den Trägern auch auf die Familienangehörigen ausgedehnt werden. Damit sollen die Entwicklungshelfer soweit wie möglich vor materiellen Schäden bewahrt werden. Anders als bisher sollen die deutschen Freiwilligendienste auch die Kosten für private Krankenversicherungen voll übernehmen. Die finanziellen Kompensationsleistungen bei Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall werden ebenfalls verbessert und den Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung angepaßt. Die Arbeitslosenbeihilfe wird auf einen Zeitraum von drei Jahren nach Beendigung der Einsatzzeit verlängert. Die Beiträge zur Rentenversicherung beschränkten sich bisher auf die Hälfte der beschriebenen Bemessungsgrenze. Sie sollen nun auf zwei Drittel dieser Bemessungsgrenze angehoben werden. Auch - last not least - in der Frage der Freistellung von Entwicklungshelfern vom Wehr- und Zivildienst werden erhebliche Verbesserungen eintreten. Es ist zu begrüßen, daß Wehr- und Zivildienstpflichtige nicht nur - wie bisher - bis zum Alter von 22 Jahren, sondern nunmehr bis zum Lebensalter von 30 Jahren freigestellt werden, wenn sie sich bei einem anerkannten Träger für den Entwicklungsdienst verpflichten. Das bedeutet vor allem, daß die künftigen Entwicklungshelfer genügend Zeit haben werden, ihre notwendige Berufsausbildung mit Berufspraxis zu erreichen. Die Entwicklungsländer selbst legen zunehmend großen Wert darauf, daß nur solche Kräfte in Projekten tätig werden, deren Wissensstand und Berufserfahrung einen Erfolg bei der Projektbetreuung versprechen. Der vorliegende Gesetzentwurf wird durch eine ganze Reihe von Verbesserungen den sozialen Status der Entwicklungshelfer zum Guten wandeln. Es wird im Ausschuß im einzelnen zu beraten sein, ob nicht noch der eine oder andere Punkt darüber hinaus verbessert werden kann. Ich darf im Namen der SPD-Bundestagsfraktion erklären, daß wir dem Gesetz zustimmen, und möchte abschließend die Gelegenheit nehmen, den Entwicklungshelfern Dank, Anerkennung und Respekt für ihre Tätigkeit zum Wohle unseres Landes und ihres Gastlandes auszusprechen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum.

Eckhard Schleifenbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001981, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Änderung des Entwicklungshelfergesetzes vom 18. Juni 1969 wird erforderlich, weil eine Anpassung an die fortgeschriebene Sozialgesetzgebung notwendig ist, weil sich in der Praxis verschiedene Probleme ergeben haben, die den Einsatz von Entwicklungshelfern im Entwicklungsdienst unzumutbar behindern, weil die Voraussetzung geschaffen werden muß, Entwicklungshelfer mit qualifizierter Berufspraxis für den Entwicklungsdienst zu gewinnen, und weil die Wiedereingliederung von zurückgekehrten Entwicklungshelfern auch von der Arbeitsmarktsituation bei uns beeinflußt wird. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt den geschilderten Erfordernissen in geeigneter Form Rechnung. Zu den technischen Details kann erst nach den Ausschußberatungen abschließend Stellung genommen werden. Ich möchte mich hier auf einen besonderen Punkt beschränken, der über den Kreis der Betroffenen hinaus wahrscheinlich in der Öffentlichkeit Interesse finden wird. Ich möchte auf § 22 hinweisen, nach dem das Wehrpflichtgesetz in der Weise geändert werden soll, daß die Freistellungsgrenze beim Wehrdienst - für den Fall einer Verpflichtung zu mindestens zweijährigem Entwicklungsdienst - auf das vollendete 30. Lebensjahr heraufgesetzt wird; hinzu kommt die Freistellung vom Wehrdienst und vom Ersatzdienst nach Ableistung des Entwicklungsdienstes, wobei die kürzeste Frist im Sonderfall 15 Monate sein kann. Diese Änderungen sollten nicht die Illusion erwecken, daß Entwicklungsdienst zu einer neuen Variante eines bequemen Ersatzdienstes denaturiert werden könnte, mit der dann auch noch ein Quentchen Abenteuerlust befriedigt würde. Dies ist weder vom zahlenmäßigen Potential her - zur Zeit haben wir weniger als 1 500 Entwicklungshelfer - noch von den Anforderungen her, die an einen Entwicklungshelfer gestellt werden, gerechtfertigt. Die Tätigkeit als Entwicklungshelfer erfordert die Mobilisierung der besten Tugenden des Menschen wie Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit, Unverzagtheit, Improvisationstalent, Pioniergeist, Mut, Selbstdisziplin, Verantwortungsbereitschaft und Toleranz. Entwicklungshelfer müssen Vorbild sein; sie tragen ein gut Teil Verantwortung dafür, welches Bild vom heutigen Deutschland sich den befreundeten Völkern der Dritten Welt einprägt. Und sie sind, wenn sie in die Heimat zurückgekehrt sind, Multiplikatoren für die ungeschminkte Verbreitung der Probleme der Dritten Welt und tragen damit sicherlich zu einer wachsenden Erkenntnis unserer Öffentlichkeit, daß Entwicklungshilfe nicht ohne substantiellen Beitrag des Bürgers auskommt, bei. Diese Stunde ist auch ein Anlaß, allen Entwicklungshelfern - es sind in den letzten zehn Jahren zirka 5 000 gewesen - für ihren Einsatz zu danken und sie zur Fortsetzung ihres Engagements zu ermuntern. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Entwicklungshelfer auch in Zukunft sinnvoll in das entwicklungspolitische Instrumentarium eingeordnet werden können. Es darf nicht übersehen werden, daß der „integrierte Experte" in den entwickelteren Ländern der Dritten Welt zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Dies muß aber nicht zu Lasten des Entwicklungsdienstes geschehen. Die Aufgaben in den weniger entwickelten Ländern - und wir wollen ja hier Schwerpunkte setzen - sind so groß, daß der Entwicklungsdienst auch in Zukunft nicht vernachlässigt werden darf. Deshalb sollten wir bei der Beratung in den Ausschüssen nicht kleinlich sein. Wir haben Grund zu der Annahme, daß die Beratungen nicht kontrovers erfolgen werden. Die FDP-Fraktion stimmt den Überweisungsvorschlägen zu. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Todenhöfer.

Dr. Jürgen Todenhöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002333, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die CDU/ CSU-Fraktion empfindet die soziale Absicherung unserer Entwicklungshelfer nach dem Entwicklungshelfergesetz von 1969 als unbefriedigend. Ich glaube, daß das soziale Engagement unserer Entwicklungshelfer mit zu dem Wertvollsten gehört, was wir in unserem Lande an sozialem Engagement haben. Wir verfolgen daher alle sozialen Verbesserungen für unsere Entwicklungshelfer, insbesondere für ihre Rückgliederung in unser Land, mit besonderer Sympathie. Wir werden bei den Beratungen im Ausschuß diesen grundsätzlichen, generellen und uneingeschränkten Goodwill für die Arbeit der Entwicklungshelfer unter Beweis stellen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch bereits die Anregung geben, daß sich die Bundesregierung und die beiden Koalitionspartner Gedanken darüber machen, wie die Entwicklungshelfer in Zukunft in ein geschlossenes Gesamtkonzept der „personellen Hilfe" besser eingegliedert werden können. Ich möchte diesen Wunsch von dieser Stelle aus mit allem Nachdruck in die Diskussion einbringen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Wir stehen am Ende der Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit - federführend -, dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung sowie dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser ({0}), Schmidhuber, Lampersbach, Dr. von Bismarck, Engelsberger, von Bockelberg, Pohlmann, Schedl, Dr. Müller-Hermann, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Zeitel, Dr. Becker ({1}), Gewandt, Haase ({2}), Dr. Luda, Schröder ({3}), Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der mittelständischen Wirtschaft ({4}) - Drucksache 7/4284 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({5}) Finanzausschuß Haushaltsausschuß Zur Begründung des Gesetzentwurfes hat der Herr Abgeordneter Hauser ({6}) das Wort.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt zur Beratung in erster Lesung der von der CDU/CSU-Fraktion einstimmig beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der mittelständischen Wirtschaft, der Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes vor. Damit liegt diesem Hohen Hause erstmalig in seiner Geschichte eine in sich geschlossene Gesamtkonzeption der Mittelstandsförderung auf gesetzlicher Basis vor. Dieser Rahmengesetzentwurf ist der erste Teil der Alternative der Union in der Mittelstandspolitik. Der Rahmengesetzentwurf - ich sage dies schon jetzt an dieser Stelle - wird durch ein strukturpolitisches Aktionsprogramm zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und der freien Berufe ergänzt werden, das konkrete Einzelmaßnahmen in den wichtigsten mittelstandspolitisch relevanten Teilbereichen der Wirtschafts-, Finanz-und Gesellschaftspolitik enthält. Einzelinitiativen in verschiedenen Bereichen der Mittelstandspolitik - so wichtig und so berechtigt sie auch sein mögen - sind dann wenig wirkungsvoll, wenn sie nicht in eine zukunftsorientierte Gesamtkonzeption der Mittelstandspolitik eingebettet sind. Eine solche Konzeption haben wir Ihnen mit dem Gesetzentwurf eines Mittelstandsförderungsgesetzes hier heute vorgelegt. Wir melden in der ersten Lesung zunächst nur diesen einen Wunsch an die Koalition an: Machen Sie es sich in der Mittelstandspolitik nicht zu leicht! Urteilen Sie mangels eigener Initiativen der Regierung oder aus den Reihen Ihrer Fraktion nicht vorschnell über den von uns konzipierten Weg, Ziele und Maßnahmen der Mittelstandspolitik in einem Gesetz zu kodifizieren. Andere Bereiche der Wirtschaftspolitik haben bereits einen gesetzlichen Rahmen, wie Sie alle wissen. Ein solcher Rahmen hat sich bewährt, z. B. in der Konjunkturpolitik, zu der wir ja in diesem Hohen Hause einmütig das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Stabilität angenommen haben. Auch im Bereich der Ordnungspolitik haben wir einstimmig die zweite Kartellgesetznovelle verabschiedet. Es war in der zurückliegenden Zeit also durchaus immer möglich, zu gemeinsamen Auffassungen zu kommen. Da Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, und Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, auf dem Sektor der Mittelstandspolitik keine Alternative haben - dem Hohen Hause liegt weder ein Gesetzentwurf noch eine andere Initiative von Ihnen vor ({0}) - zu der Politik, die Sie bis jetzt betrieben haben und auf die ich gleich noch im einzelnen zu sprechen komme, Herr Kollege Ehrenberg -, laden wir Sie zur kritischen Mitarbeit an unserem Gesetzentwurf ein. Wir können mit der Mittelstandspolitik nicht bis zur Sommerpause 1976 warten, wenn Sie dann in der Lage sein werden - Zeitungsmeldungen zufolge -, Ihren Mittelstandsbericht vorzulegen, den Sie uns doch schon für Ende dieses Jahres prophezeit hatten. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf nicht zuletzt auch einen Impuls dafür geben, daß die Mittelstandspolitik wieder stärker öffentlich diskutiert, parlamentarisch verantwortet und durch Gesetz abgesichert wird. In dieser globalen Zielsetzung sollten wir doch sicher Einigkeit erzielen können. Dieser Gesetzentwurf - lassen Sie mich dies auch vorweg sagen - ist kein Ersatz für konkrete Einzelmaßnahmen der Mittelstandspolitik. Er stellt jedoch eine bessere Gesamtvoraussetzung für die Durchführung einer zukunftsorientierten Mittelstandspolitik dar.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Hauser, bei der Besetzung des Hauses können Sie Ihre Stimme schonen. ({0})

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, vielen Dank für diesen Hinweis. Ich habe nun einmal eine kräftige Stimme, aber ich will mich bemühen, etwas dezenter zu sprechen, wenn das dem Hause angemessener ist. ({0}) - Man weiß ja nie, ob man richtig verstanden wird. Da spricht man lieber etwas deutlicher, um keine Vorwürfe aufkommen zu lassen, man habe nicht deutlich genug gesprochen, Herr Kollege Schachtschabel. ({1}) - Ja, natürlich. Aus dem Lande Bayern wissen wir, Herr Kollege Graf Lambsdorff, daß das dortige Landesgesetz, das nun seit über einem Jahr in Kraft ist, sich bereits sehr positiv ausgewirkt hat. Für den Mittelstand hat sich mehr als nur das Klima gewandelt. Zahlreiche Verbände haben der bayerischen Staatsregierung bereits schriftlich mitgeteilt, daß von dem bayerischen Landesmittelstandsförderungsgesetz, das gleichfalls als Rahmengesetz konzipiert wurde, konkrete positive Auswirkungen ausgegangen sind. ({2}) Hauser ({3}) Ja, in Bayern weiß man, wie man Politik richtig macht, Herr Kollege Lambsdorff; darin liegt der feine Unterschied zu dem, was wir hier oft erleben. Generell beklagen wir aber die Tatsache, daß die Mittelstandspolitik bei der SPD/FDP-Bundesregierung, aber auch bei der SPD/FDP-Koalition ein Schattendasein fristen muß. ({4}) Das ist der feine Unterschied zu Bayern, von dem ich eben sprach, und das hat mit Ergebenheitsadressen gar nichts zu tun. Darüber kann auch manche Aktivität ,der mittelstandspolitischen Abteilung im Bundeswirtschaftsministerium, obwohl in dieser Abteilung in vier Unterabteilungen über 100 Beamte beschäftigt sind, nicht hinwegtrösten oder hinwegtäuschen. ({5}) Welchen Stellenwert die Mittelstandspolitik in der Bundesregierung hat, zeigt sich auch deutlich daran, daß nach sehr, sehr langer Pause der Beirat für gewerblichen Mittelstand morgen zum zweitenmal in diesem Jahr zusammentritt! ({6}) Es geht um den Stellenwert, den die Mittelstandspolitik künftig haben soll. Hier sind wir offensichtlich unterschiedlicher Auffassung. Wir gehen bei unserer mittelstandspolitischen Konzeption davon aus, daß der Anteil der Klein- und Mittelunternehmen an der Gesamtzahl der 1,9 Millionen Unternehmen 99,6 °/o beträgt. Nur 7 136 oder 0,4 °/o aller Unternehmen sind sogenannte Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Zwar sind in diesen 0,4 °/o aller Unternehmen 41,4 % der Beschäftigten tätig, dies heißt aber mit anderen Worten auch, daß rund 60 °/o aller Arbeitsplätze in Klein- und Mittelunternehmen sind. Diese Arbeitsplätze sind durch die gegenwärtige Konjunktursituation stärker gefährdet als die Arbeitsplätze in Großunternehmen. Dazu kommt, daß in vielen.. kleinen Unternehmen die Möglichkeit eines Zurückfahrens der Zahl der Beschäftigten nicht besteht, sondern daß sich hier oft nur die Alternative in Form des Ausscheidens aus dem Markt darbietet, was nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern gleichzeitig die Aufgabe selbständiger Tätigkeit zur Folge hat, eine Situation, die nie wiedergutzumachen ist. Mittelstandspolitik ist also weit mehr als eine Politik zur Sicherung des Bestandes dieser Unternehmen. Mittelstandspolitik muß auch verstanden werden als eine Politik der Sicherung der Arbeitsplätze in diesen Unternehmen, als eine Politik zur Sicherung der großen Mehrheit der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland. Dann genügt es eben nicht, bei der Mittelstandspolitik auf die Arbeit einer Abteilung der Bundesregierung zu schielen. Es genügt ebensowenig, die Arbeit eines Ministeriums als allein mittelstandspolitisch relevant zu bezeichnen. Mittelstandspolitik muß von der gesamten Bundesregierung in all den Bereichen betrieben werden, die für den Mittelstand von Bedeutung sind, ob das öffentliche Aufträge, Maßnahmen der Sozial- und Gesellschaftspolitik, der Familienpolitik oder steuerpolitische Maßnahmen oder Maßnahmen des Außenhandels sind. Ich habe hier nur ein paar Beispiele aufgezählt, um zu zeigen, daß ein mittelstandspolitischer Anspruch an eine Bundesregierung sehr viel weiter geht, als es durch die Arbeit einer einzigen Abteilung abgedeckt werden kann. Aus diesem Grunde halten wir auch nichts davon, wenn man seitens der SPD von den eigentlichen Problemen des Mittelstands dadurch abzulenken versucht, daß man den Eindruck erweckt, durch die Schaffung einer neuen Planstelle im Beamtenapparat, nämlich eines Staatssekretärs für Mittelstandsfragen, könnte eine Änderung der im Prinzip mittelstandsfeindlichen Politik der SPD/FDP-Regierung bewirkt werden. Ein zusätzlicher Beamter, selbst wenn er sehr hoch besoldet wird, würde, zumal er nicht mit Kompetenzen ausgestattet ist, sehr bald Gefahr laufen, nur ein Briefkastenonkel zu sein. Wir sind also strikt dagegen, die Mitglieder der Bundesregierung von ihrer mittelstandspolitischen Verantwortung dadurch zu entlasten, daß wir sie auf einen Staatssekretär für den Mittelstand delegieren, wie Sie, Herr Professor Schachtschabel, ihn nun schon mehrfach gefordert haben. ({7}) - Nun gut, wenn Sie da differenzieren wollen. ({8}) Es geht darum, daß praktisch alle Gesetze, alle Maßnahmen des Staates mittelstandsgerecht konzipiert werden. Dies eben ist das Ziel, das wir mit dem Mittelstandsförderungsgesetz anstreben. Es verläßt dadurch den engeren Rahmen der bisherigen Mittelstandspolitik. Es will also weit mehr als Ihr sogenanntes Aktionsprogramm, das Sie jeweils vor Beginn eines Bundestagswahlkampfes präsentieren. Wir haben das Aktionsprogramm des letzten Bundestagswahlkampfes, das Sie am 29. Dezember 1970 als Bundestagsdrucksache hier veröffentlicht haben, schon als ein „Aktionsprogramm ohne Aktionen" entlarvt. Auf Grund dieses Aktionsprogramms sind auch im Bereich der Gesetzgebung nie konkrete Aktionen erfolgt. Wir sind infolgedessen auch sehr skeptisch gegenüber einer Fortschreibung dieses alten Aktionsprogramms. Besser und wichtiger wäre es, wenn Sie hier und heute darlegten, was denn auf Grund Ihres Aktionsprogramms aus dem Jahre 1970 mittelstandspolitisch tatsächlich bewirkt wurde. Erfolgskontrolle ist hier aus der Sicht der Opposition das Gebot der Stunde. Diese Erfolgskontrolle hat uns die Bundesregierung bisher vorenthalten. Seit über einem halben Jahr arbeiten die zahlreichen Beamten der Mittelstandsabteilung zwar, wie es heißt, an einem umfassenden Mittelstandsbericht. Er sollte auch, den Ankündigungen des Bundeswirtschaftsministeriums folgend, noch in Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Hauser ({9}) diesem Jahr vorgelegt werden. Er liegt aber heute, in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres, dem Hohen Hause noch nicht vor. Nun wird der Sommer 1976 als Veröffentlichungstermin vorausgesagt. Wir schließen daraus zunächst einmal, daß es der Bundesregierung offensichtlich außerordentlich schwerfällt, einen solchen Bericht zu erstellen. Auch in den Jahreswirtschaftsberichten, die Sie jeweils zu Beginn eines Jahres vorlegen, hat im Grunde immer eine klare Darstellung Ihrer mittelstandspolitischen Arbeit gefehlt. Mit globalen Erklärungen und allgemeinen Lippenbekenntnissen zum Mittelstand, z. B. ständigen Ankündigungen vom Verlustrücktrag, von dem Sie reden, den Sie aber nicht beschließen, obwohl er diesem Hohen Hause beschlußreif vorliegt, mit Sonntags- und Festreden ist in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation dem Mittelstand nicht gedient. ({10}) Wir haben allen Anlaß zu der Vermutung, daß Sie durch Ihre global ausgerichtete Politik die eigentlichen Sorgen und Probleme des Mittelstands eben nicht richtig erkennen oder erkennen wollen. Lassen Sie mich daher zunächst eine Situationsanalyse der Lage im Mittelstand versuchen, wie wir sie sehen. Wir sind dazu gezwungen, nachdem Ihr Mittelstandsbericht diesem Hohen Hause leider nicht vorliegt. Obwohl wir in dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ein ausgezeichnetes konjunkturpolitisches Instrumentarium zur Verfügung haben, haben Sie alle globalen Ziele der Wirtschaftspolitik verfehlt. Trotz der Vollbeschäftigungsgarantie des früheren Bundeskanzlers haben wir Arbeitslosigkeit, verbunden mit nach wie vor zu hohen Inflationsraten. ({11}) Hinzu kommt ein schrumpfendes Bruttosozialprodukt, das mehr als deutlich die verfehlte Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung zeigt. Der Mittelstand wurde von der Fehlentwicklung der globalen ökonomischen Daten noch weitaus härter getroffen als die Großbetriebe. Er sieht sich dem dreifachen Zangengriff von Kostenexplosion, der Lawine steigender Soziallasten und steigender Steuern ausgesetzt. Wir haben in der Begründung zu unserem Gesetzentwurf die Fakten detailliert aufgezeigt, die Sie in Ihren Jahreswirtschaftsberichten beharrlich verschwiegen haben. Lassen Sie mich an Stelle von vielen Einzelzahlen nur das Gesamtergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik feststellen. An zusätzlichen Steuerbelastungen, die in den Jahren 1969 bis 1975 - wobei die für 1975 geschätzt sind - entstanden sind, mußte die Wirtschaft insgesamt rund 17,5 Milliarden DM verkraften. Hinzu kam die von Ihnen ausgelöste Sozialkostenlawine, die von 1969 bis 1975 Mehrbelastungen von 39,7 Milliarden DM gebracht hat. Die global festgehaltenen zusätzlichen Kostenbelastungen, sowohl durch die Steuerpolitik wie auch durch die Sozialpolitik, schlagen sich in der Bilanz eines jeden einzelnen Betriebes in Mark und Pfennig nieder. Bei den Sozialbeiträgen rückt die 1 000,- DM-Schwelle monatlich immer näher. Ab 1976 erreichen die Beiträge für Sozialversicherungen in der Spitze 918,40 DM. Das werden 137,90 DM bzw. 17,7 % mehr als 1975 sein; denn ab 1. Januar 1976 steigt die Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung von 2 800 DM auf 3 100 DM monatlich und in der Krankenversicherung von 2 100 auf 2 325 DM. Zu Ihrer Erinnerung sei gesagt, daß die Sozialbeiträge 1970 noch einen Höchstsatz von 427,80 DM hatten. Sie haben sich also in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich muß Sie auf den Zeitablauf aufmerksam machen.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

War denn eine Zeit festgesetzt?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ja. Ich bitte Sie daher freundlicherweise, zum Ende zu kommen.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde mich kurz fassen, Herr Präsident. ({0}) Hinzu kam die Personalkostenlawine, die mittlerweile schon auf 58 % des Lohnes gestiegen ist. Sie führt dazu, daß wir bei einem ähnlich anhaltenden Zuwachstempo in sieben Jahren auf 100 DM Lohn noch einmal 100 DM an Nebenkosten drauflegen müssen. Diese Substanzverluste der Betriebe schlagen sich vor allen Dingen im mittelständischen Bereich nieder und führen zu einer negativen Ertragsentwicklung, die sich dann in der Konkursstatistik zu einer Totenliste der Marktwirtschaft verdeutlicht. Das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben - ich will das wegen der Zeit nicht mehr alles vortragen -, ist in den Statistiken des Bundesamtes im einzelnen dargestellt, und auch das von Ihnen bei der Prognos AG in Basel bestellte Gutachten über die Lage des Mittelstandes ändert an dieser Situation nichts. Die Welt, die 1985 nach dieser Darstellung für den Mittelstand wieder in Ordnung sein soll, wird nur in Ordnung kommen, wenn eine politische Kurskorrektur auf allen Ebenen erfolgt. ({1}) Wir brauchen eine mehrjährige Kostengewißheit als Voraussetzung für verläßliche Kalkulationen, eine langfristige Kalkulierbarkeit aller die Strukturentwicklung beeinflussenden Entscheidungen und ordnungspolitische Gewißheit, d. h. einen Stopp aller systemüberwindenden Pläne und Projekte. In unserem Entwurf ist die Therapie enthalten, die wir Ihnen anzubieten haben. Dieser Gesetzentwurf sollte nach unserer Meinung noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich bitte Sie nochmals, zum Ende zu kommen.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme jetzt zum Ende. Hier entscheidet sich, ob Sie ernsthaft bereit sind, dem Mittelstand zu helfen. Hier entscheidet sich, ob Sie dem Mittelstand in die Zukunft hinein eine Chance geben. Mit dieser Konzeption bieten wir Ihnen die Möglichkeit an, mit uns gemeinsam für den Mittelstand eine Basis zu schaffen, die ihm in der Zukunft eine Sicherung bietet. Wir haben daher die Bitte an das Hohe Haus, diese Konzeption mit uns gemeinsam zu tragen. Wir sind für Verbesserungsvorschläge offen, aber wir glauben, daß die Zeit des Handelns endgültig gekommen ist. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn sich die folgenden Redner an die vereinbarten Redezeiten halten würden, damit wir auch bei dem letzten Punkt der Tagesordnung, zu dem noch eine Aussprache vorgesehen ist, den Rednern, die freundlicherweise inzwischen eingetroffen sind, noch die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, geben können. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schachtschabel.

Dr. Hans Georg Schachtschabel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001929, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Prinzipiell ist durchaus anzuerkennen, daß sich die Opposition darum bemüht, wenigstens auf mittelstandspolitischem Gebiet ihre Auffassungen und Ansichten in Form eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes bekanntzugeben. ({0}) Wir haben diesen Entwurf mit größter Aufmerksamkeit entgegengenommen und gehofft, daß gerade diejenigen, die sich fast marktschreierisch als einzige Hüter und Wahrer des gewerblichen Mittelstandes sowie der Selbständigen ausgeben, mit neuen Ideen, neuen Überlegungen und durchschlagenden Maßnahmen hervortreten würden. Aber - nehmen Sie uns das nicht übel - wir sind enttäuscht. Wo ist denn da die Alternative, Herr Kollege Hauser? Denn abgesehen davon, daß die Opposition wie in vielen anderen Bereichen auch mit ihrem Mittelstandsförderungsgesetz zu spät kommt, enthält der Entwurf kaum andere als diejenigen Vorschläge und Maßnahmen, die von der sozialliberalen Bundesregierung aus echter selbständigenpolitischer Verantwortung seit Jahren erfolgreich zur Erhaltung und Förderung der mittelständischen Leistungsfähigkeit vertreten und praktiziert werden. ({1}) Bei genauer Überprüfung zeigt sich sehr schnell, meine Herren, daß es sich bei dem Entwurf der Opposition um das unvollständig abgeschriebene mittelstandspolitische Aktionsprogramm der sozialliberalen Bundesregierung handelt. ({2}) Insofern entsteht durch den Entwurf der CDU/CSU der Eindruck, als ob man sich damit nur ein Make-up aufzulegen gedenkt, wobei man sich völlig ungeniert - offenbar auch aus Mangel an eigenen Vorstellungen und Vorschlägen - sogar derjenigen Grundsätze und Formulierungen bedient, die von der Sozialdemokratie längst im Godesberger Programm von 1959 und in vielen anderen sozialdemokratischen Programmen und Verlautbarungen niedergelegt worden sind. ({3}) So wird bereits im Godesberger Programm herausgestellt - das muß ich Ihnen nun direkt entgegenhalten -, daß es darauf ankomme, die Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu stärken, damit sie die wirtschaftliche Auseinandersetzung mit den Großunternehmen bestehen können. Diese Zielsetzung, meine Herren von der Opposition, hat ihren Niederschlag auch in den Regierungserklärungen sozialdemokratisch geführter Bundesregierungen, so zuletzt in der des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, gefunden. ({4}) - Nun warten Sie erst einmal ab! Es ist klar, daß sich bei den von der sozialliberalen Bundesregierung vertretenen und praktizierten Maßnahmen nicht darum handeln kann, Schutzzäune zu errichten oder erstarrte Strukturen künstlich am Leben zu erhalten. Vielmehr verstehen wir unter sozialliberaler Mittelstandspolitik die Anwendung und Durchführung des Grundsatzes der Hilfe zur Selbsthilfe, um damit kleinen und mittleren Unternehmen die Anpassung an den wirtschaftlichen und technischen Strukturwandel zu erleichtern, Wettbewerbshemmnisse abzubauen und soziale Härten bei der Anpassung an strukturelle Veränderungen zu mildern. Dieser Auffassung hat die SPD konkrete Taten folgen lassen, und zwar im Gegensatz zur CDU/CSU, deren Hauptarbeit sich weitgehend in verbalen Äußerungen erschöpft und die dennoch nicht müde wird, sich unentwegt als Gralshüter mittelstandspolitischer Interessen anzubieten. ({5}) Insofern wäre es gut und zweckmäßig gewesen, meine Herren - das müssen Sie sich nun einmal sagen lassen -, wenn sich die Vertreter der Opposition mit den von der sozialliberalen Bundesregierung bereits 1970 verabschiedeten Grundsätzen einer Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen intensiv befaßt und den umfangreichen Katalog zur Förderung der Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft der kleinen und mittleren Selbständigen in Handel, Handwerk und dem übrigen mittelständischen Gewerbe eingehend studiert hätten. Dann wäre ihnen sicherlich nicht entgangen, daß die sozialliberale Bundesregierung längst eine wirkungsvolle Mittelstandspolitik erfolgreich praktiziert. ({6}) Lassen Sie mich in aller Kürze nur die Schwerpunkte nennen: Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten, Maßnahmen zur Förderung der Rationalisierung, der Forschung, der Entwicklung und Innovation, Maßnahmen zur Verbesserung des Informations- und Beratungswesens sowie der beruflichen Fortbildung. Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren, haben wir diese Maßnahmen finanziert, um sie zu verwirklichen, während Sie in Ihrem § 6 - worauf ich noch zurückkommen werde - nur mit einem Hinweis „unter Vorbehalt haushaltsmäßiger Bewilligung" reagieren. Seit Jahren stellt die sozialliberale Bundesregierung ständig steigende Beträge zur Durchführung jener Hilfen zur Verfügung. So belief sich allein 1975 die finanzielle Förderung des Mittelstandes aus Haushaltsmitteln des Bundes, ergänzt durch Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau und Kredite und Gewährleistungen aus dem ERP-Sondervermögen, auf insgesamt etwa 2,3 Milliarden DM. Erst kürzlich beschloß das Bundeskabinett im Entwurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes für 1976 eine Steigerung der ERP-Mittel insgesamt gegenüber dem Vorjahr um 8,6 v. H. auf 2,75 Milliarden DM. In diesem Zusammenhang wurde auch der Mittelansatz zur Förderung der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen um knapp 40 v. H. von 475 auf 657 Millionen DM enorm erhöht. Mit diesem Beschluß erteilt die Bundesregierung allen jenen exemplarisch eine Lektion, die ihr Unternehmer- oder sogar Mittelstandsfeindlichkeit vorwerfen. Festzuhalten bleibt, daß die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Finanzierungshilfen dem gewerblichen Mittelstand eine breite Palette langfristiger Finanzierungsmittel anbietet, die seinen Bedürfnissen und betrieblichen Erfordernissen entsprechen und die langfristig und zu festen Konditionen zur Verfügung gestellt werden. Über diese Finanzierungshilfe hinaus widmet die Bundesregierung der Förderung von Forschung und Entwicklung sowie der Gewerbeförderung in kleinen und mittleren Unternehmen größte Aufmerksamkeit. ({7}) Die hierfür zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Bundeshaushalt, meine Herren von der Opposition, haben sich allein von 1970 bis 1975 mehr als verdoppelt. Ich erwähne nur, daß es 1970 61,6 Millionen DM waren und 1975 127,327 Millionen DM. Darüber hinaus sind noch weitere Maßnahmen getroffen worden, auf die ich hier wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht näher eingehen möchte. Eines möchte ich aber noch bemerken: Vom Bundesmininsterium für Forschung und Technologie werden zusätzlich umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt, wobei nur auf die von diesem Ministerium herausgebrachte Förderfibel verwiesen wird, die in diesen Tagen erschienen ist. ({8}) Der Opposition sei an dieser Stelle ins Stammbuch geschrieben: Wer alle diese Bemühungen und Initiativen kennt, einen Teil davon - nicht alle - in den Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes einbezieht, darüber hinaus keine eigenen Ideen und sachlichen Bereicherungen hinzufügt und weiterhin einen der wichtigsten Aspekte hinsichtlich der Durchführung von Förderungsmaßnahmen, nämlich die Finanzierung, nicht abschließend regelt, ja ausdrücklich unter Haushaltsvorbehalt stellt - ich verweise auf den § 6 des Entwurfs -, dokumentiert letztlich nichts anderes als die eigene Konzeptions-und Einfallslosigkeit. Nun ist die Übernahme von bewährten und erfolgreichen Maßnahmen, Herr Kollege Hauser, an sich keine Schande, im Gegenteil wird doch dadurch erkennbar, daß aus Einsicht Anerkennung gezollt wird. Doch erscheint es einfach lächerlich und unglaubwürdig, wenn im „Deutschen Wirtschaftsblatt" - Sie haben es an dieser Stelle vorhin wiederholt - zu lesen ist, daß das sozialliberale Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung der kleinen und mittleren Unternehmen ein „Aktionsprogramm ohne Aktion" sei. Allein die von mir nur kurz genannten sozialliberalen Förderungsmaßnahmen im Bereich des gewerblichen Mittelstandes offenbaren die völlige Haltlosigkeit dieser Behauptungen, die um so grotesker wirken, als sich die Opposition in ihrem Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes auf eben diese unsere Maßnahmen stützt. Diese Vernebelungstaktik zeigt das wahre Anliegen der Opposition, die Sorgen und Probleme eines großen Teils unserer Bevölkerung für ihre Wahlkampfmanöver zu mißbrauchen. ({9}) Wir sprechen das sehr deutlich aus, weil Sie genau und jetzt in diesem Augenblick damit kommen, um sich, meine Herren von der Opposition, damit nach außen zu dokumentieren und weiter nichts tun, als in der Bevölkerung den Eindruck hervorrufen zu wollen, als ob Sie hier die einzigen Wahrer der Mittelstandspolitik seien. ({10}) Sie können doch nicht daran vorbeigehen, meine Herren, die CDU/CSU redet so viel und so laut von ihren mittelstandspolitischen Anliegen, ({11}) daß es notwendig ist, hier und heute noch einmal daran zu erinnern, daß es immerhin erst dieser sozialliberalen Bundesregierung bedurfte, einen mittelstandspolitischen Meilenstein mit der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu schaffen. ({12}) 1438a Mit dieser Kartellgesetznovelle setzte die Regierungskoalition entscheidende Verbesserungen für die Tätigkeit gerade kleiner und mittlerer Unternehmen durch. Ich will auf die Einzelheiten nicht näher eingehen, aber eins sei noch erwähnt. Es war auch die SPD/FDP-Koalition, die im Zuge der Rentenreform das gesicherte Fundament für die Altersversorgung auch der Selbständigen in unserem Lande schuf. Die Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung bietet Selbständigen die Möglichkeit, ihre Alterssicherung in der Rentenversicherung entweder über die Pflichtversicherung auf Antrag oder die freiwillige Versicherung aufzubauen und damit für einen gesicherten Lebensabend Sorge zu tragen. Allen Verdrehungsversuchen zum Trotz brachte auch die Steuerreform wirksame Entlastungen für den überwiegenden Teil der Selbständigen. Ich will davon absehen, die entsprechenden Beweise anzuführen. Aber über diese bedeutenden Reformmaßnahmen hinaus prüft die Bundesregierung zur Zeit in der Tat, meine Herren, steuerliche Maßnahmen zur Erleichterung der Investitionstätigkeit, die insbesondere auch den kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen sollen. ({13}) Diese Überlegungen sind angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in unserem Lande ausdrücklich in der Entschließung zur Wirtschaftspolitik auf dem Mannheimer Parteitag der SPD vom 11. bis 15. November 1975 zum Ausdruck gebracht worden, indem dort gefordert worden ist, zu überprüfen, inwieweit steuerliche Entlastungen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen bis hin zu unmittelbaren Hilfen notwendig sind. Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, kann idi an dieser Stelle ausdrücklich feststellen, daß die sozialliberale Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen von SPD und FDP auf dem richtigen mittelstandspolitischen Wege sind. Sie haben die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der vielen kleinen und mittleren Selbständigen für unser Land frühzeitig erkannt. Mit einer Fülle anregender und stützender Maßnahmen haben sie die Sicherung und den Ausbau mittelständischer Existenzen gefördert. Ziel und Zweck des von der Opposition vorgelegten Gesetzentwurfes, einschließlich der Ausrichtung der darin enthaltenen Maßnahmen, sind längst mittelstandspolitische Praxis. Deshalb und im Interesse der erforderlichen Flexibilität in der Mittelstandsförderung wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen. Genauer gesagt, meine Herren von der Opposition: er ist überflüssig. ({14})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Gnädige Frau! Meine sehr geehrten Herren! Zunächst einmal muß man dem Ältestenrat Lob zollen für die Terminansetzung - nicht wegen des späten Abends. Aber daß ein solcher Gesetzentwurf so gerade zwischen Nikolaus und Weihnachten auf die Tagesordnung gesetzt wird, ist für die Austeilung von guten Gaben, die hier vorgesehen ist, ganz angemessen. ({0}) Ich bin mir allerdings nicht so ganz im klaren, Herr Kollege Hauser, ob nun hier wirklich der Heilige Nikolaus oder der Weihnachtsmann tätig war ({1}) oder ob nicht der Sack, den Sie vollgefüllt haben und austeilen wollen, von vielen Weihnachtsmännern zusammengestellt worden ist und ob das, was Sie daraus ausschütten wollen, nicht im Grunde das ist, was die sozialliberale Politik in der Mittelstandspolitik längst zur Verfügung gestellt hat. Sie wollen also Geschenke verteilen, die die Beschenkten längst haben. ({2}) Im übrigen, meine Damen und Herren, wollen Sie sich natürlich - und das ist ja verständlich - als Mittelstandspartei profilieren. ({3}) Wahrscheinlich wollen Sie auch, den Klagen von Herrn Lampersbach folgend, etwas tun, um die Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU finanziell wieder aufzuforsten. Er hat ja in Ihrem Pressedienst bewegte Klage darüber geführt, daß es ihr doch so erbärmlich schlecht gehe. Er ist ja auch in Mannheim so schlecht behandelt worden und hat dort ganz zu Recht festgestellt, daß die CDU/CSU soziologisch gar nicht mehr in der Lage sei, die Interessen des Mittelstandes zu vertreten. Das werden Sie mit ihm auszudiskutieren haben. ({4}) Nun, meine Damen und Herren, ein solches Mittelstandsgesetz, ein eigenes Bundesmittelstandsgesetz - darauf hat der Kollege Schachtschabel schon mit Recht hingewiesen - fördert das Naturschutzpark-Denken ({5}) und läßt im übrigen einen bestimmten Eindruck entstehen, einen sicherlich ganz falschen Eindruck; aber Sie tragen dazu bei, daß er entsteht. Der Kollege Müller-Hermann schüttelt schon den Kopf, bevor ich überhaupt gesagt habe, was ich sagen wollte. Sie gehen nach dem Motto vor: „Ich weiß zwar nicht, was die Regierung sagen wird, aber ich bin dagegen." - Sie lassen hier den Eindruck entstehen, als seien mit einem solchen Gesetz die Probleme des Mittelstandes geregelt. ({6}) Das wundert mich eigentlich. Im übrigen, Herr Kollege Becker, ich sehe Sie gerade zu meinem Erstaunen, aber mit Dank - Sie hatten das angekündigt -, in der ersten Reihe sitzen. Sie haben soeben noch den Sparsamkeitsappellen Ihres Kollegen Albrecht aus Niedersachsen laut Beifall gezollt. ({7}) - Der Appell war ausgezeichnet, Ihr Beifall auch, nur paßt er hier nicht. Hier haben Sie ja auch Beifall gezollt. Aber Sie zollen immer Beifall, wenn einer von Ihnen redet. ({8}) Es ist ziemlich egal, ob er sich widerspricht oder nicht. Meine Damen und Herren, das Mittelstandsgesetz ist genauso wenig sinnvoll - Herr Schachtschabel hat es als überflüssig bezeichnet; damit hat er recht - wie ein Mittelstandsministerium oder ein Mittelstandsstaatssekretär. Mittelstandspolitik ist ein gesellschaftspolitisches Problem, das in allen Ausschüssen des Bundestages, in allen Ministerien der Bundesregierung, bei allen Gesetzentwürfen auf seine Auswirkung in diesen Bereich hinein überprüft werden muß. Diese ständige strukturpolitische Aufgabe muß in unsere marktwirtschaftliche Ordnung eingebaut und in diesem Sinne berücksichtigt werden. Dabei wissen wir sehr genau, daß eine Vielzahl und Vielfalt von Unternehmen notwendig und wünschenswert sind, aber es ist nicht notwendig und nicht wünschenswert, daß wir Erhaltungssubventionen und Erhaltungspolitik betreiben. ({9}) - Herr Kollege Hauser, lassen Sie mich ausreden. - Es ist durchaus kein Schaden an sich, daß sich mittelständische Unternehmen dann, wenn sie in Größenordnungen hineinkommen, in denen sie die Kapitalbedürfnisse, die Managerbedürfnisse aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen können, größeren Einheiten anschließen und in denselben aufgehen, wenn - das ist allerdings die wichtige Voraussetzung - die Wirtschaftsordnung anderen mittelständischen, kleinen und mittleren Unternehmen Raum läßt, nachzuwachsen. ({10}) Und dieses ist der Fall. Und, Herr Hauser, es war in bezug auf das Prognos-Gutachten keine schöne Bemerkung von Ihnen zu sagen: „Das von Ihnen bestellte Prognos-Gutachten”, weil damit natürlich insinuiert wird, daß Gutachten, die man bezahlt, in der Richtung geschrieben werden, wie der Auftraggeber dies meint. ({11}) Bei Prognos können Sie andere Erfahrungen sammeln. Das Ansehen und die Reputation von Prognos sind so nicht zu behandeln. Sie sollten sich das vielleicht noch einmal überlegen. Mittelstandspolitik ist - hoffentlich sind wir darin einig - auch mehr als Subventionspolitik. Sie kann doch eigentlich und sollte auch nichts anderes sein, als Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Von diesen Möglichkeiten sollte und kann dann auch Gebrauch gemacht werden. Das hat die Bundesregierung schon im Dezember 1970 mit den Grundsätzen der Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen angeboten. Im übrigen wissen Sie - Sie haben es selber erwähnt -, daß das Aktionsprogramm neu gefaßt, etwa im Februar/März im Kabinett sein wird und dann hier in diesem Hause diskutiert werden kann. Was Sie getan haben - da hat Herr Schachtschabel vollständig recht -, ist: Sie haben vom alten Aktionsprogramm fleißig abgeschrieben und, wie gesagt, den Katalog existierender Maßnahmen in ein Gesetz gebracht, in dem nichts, aber auch gar nichts Neues steht. Irgend etwas Neues hätten Sie sich wirklich einfallen lassen sollen. ({12}) So viel Zeit haben Sie doch gehabt, noch einmal darüber nachzudenken, ob man nicht eine neue Idee - etwas Originäres oder, wenn das nicht geht, wenigstens etwas Originelles - hätte hineinschreiben können. Meine Damen und Herren, wir haben eine Erfolgsbilanz in der 7. Wahlperiode dank der Wirtschaftspolitik dieses Wirtschaftsministers aufzuweisen, ({13}) angefangen bei den Maßnahmen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das wir mit Ihrer Zustimmung verabschiedet haben. Im übrigen habe ich den Eindruck: Wenn es den sachverständigen und klugen Kollegen Frerichs in Ihren Reihen noch gäbe, hätten wir es vielleicht gar nicht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun. Aber das ist meine Spekulation.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber selbstverständlich, immer; mit dem größten Vergnügen.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wollten Sie Ihre Anmerkung über die erfolgreiche Wirtschaftspolitik für den Mittelstand als einen charmanten Weihnachtsscherz von uns aufgefaßt wissen, wenn Sie daran denken, daß wir Rekorde an Konkursen, Geschäftsaufgaben und Fusionen erleben, ({0}) die doch alle im Grunde auf die Inflationspolitik dieser Regierung zurückgehen?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Konkurse und Insolvenzen, Herr Müller-Hermann, ereignen sich keineswegs nur im mittelständischen Bereich; ({0}) sie ereignen sich überwiegend, wie Sie sehr genau wissen, im Bereich der Neugründungen und ungenügend finanzierten Unternehmen. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die aus bedauerlichen Gründen aus dem Markt ausgeschieden sind. Ich wiederhole hier, was ich schon mehrfach gesagt habe - ich hoffe, daß wir darin übereinstimmen -: Unternehmer, die sich so finanzieren, als gäbe es Zeiten von Restriktionspolitik der Notenbank mit knappem Geld und hohen Zinsen nicht, als brauchte man damit nicht zu rechnen, müssen die Folgen für falsches unternehmerisches Planen und Verhalten tragen. Eine große Zahl von denen gehört dazu.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich, wenn der Herr Präsident die Güte hat, mir das nicht auf die Redezeit anzurechnen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das schreckt möglicherweise weitere Fragesteller ab.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wollen Sie mir dann wenigstens darin zustimmen, daß gerade die mittelständischen und kleineren Betriebe, die in besonderem Maße auch unter Kapitalschwäche leiden, einen anhaltenden Kostendruck, wie wir ihn in den letzten Jahren erlebt haben, nicht durchhalten können, sondern daß hier ein Substanzverkehr stattfindet, der sich dann auch in den relativ astronomischen Ziffern an Konkursen ausdrückt?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, wir müssen uns zunächst darüber verständigen, was denn eigentlich der Kapitalmangel ist, den Sie meinen. ({0}) Ich gehe davon aus, daß wir uns erst einmal darauf einigen, daß es sich um den Eigenkapitalmangel handelt. Ich stimme Ihnen zu, daß bei der Fremdkapitalfinanzierung mittelständische Unternehmen einen strukturellen Nachteil gegenüber emissionsfähigen Firmen haben. Das ist gar keine Frage; da haben wir mit der Industriekreditbank und ähnlichen Einrichtungen Abhilfe geschaffen. Bei der Eigenkapitalsituation haben wir die genauen Zahlen bis heute immer noch nicht. Der Bericht über die Eigenkapitalstruktur unserer kleinen und mittleren Unternehmen steht kurz vor der Veröffentlichung. Alle Vermutungen sprechen dafür, daß der Eigenkapitalanteil - im Verhältnis zum Fremdkapital gesehen - bei den kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland höher ist als bei den großen Unternehmen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn ({0})?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich, da Ihre Warnungen, Herr Präsident, offensichtlich nicht verfangen. ({0})

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Graf Lambsdorff, Sie sprachen von einer Erfolgsbilanz. Wie ordnen Sie in Ihre sogenante Erfolgsbilanz das Haushaltsstrukturgesetz - besser gesagt: das Haushaltssicherungsgesetz - ein?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Haushaltsstrukturgesetz ist der Ausweis einer handlungsfähigen und tatkräftigen Regierung, die aus einer Situation die notwendigen Folgerungen zieht. ({0}) Dabei sehen wir allerdings, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, einer damit verbundenen notwendigen Einnahmeverbesserung im Wege stehen; Sie verschlechtern durch zusätzliche ausgabewirksame Anträge die Situation. Bisher habe ich von der Opposition dazu nichts Vernünftiges gesehen. ({1}) Ein Glück, daß wir wenigstens heute mit 261 Stimmen einen Ihrer schlimmsten Fehler korrigieren konnten. ({2}) Meine Damen und Herren, die Mittelstandsfibel des Bundeswirtschaftsministeriums, die Leistungen des ERP-Sondervermögens, die in flexibler Weise den Bedingungen und Notwendigkeiten des Marktes angepaßt worden sind - allein dadurch sind bis Ende 1974 33 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden -, das Mittelstandsprogramm der KfW, die besondere Berücksichtigung in den konjunkturpolitischen Sonderprogrammen - dies ist noch im letzten Programm geschehen - und auch die Steuerreform dienen dem Mittelstand. Bei der Steuerreform sind gerade für den Mittelstand eine große Reihe von erleichternden Maßnahmen getroffen worden. So haben wir z. B. - ich will hier nur ein oder zwei Maßnahmen nennen, um Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen - den Gewerbesteuerfreibetrag für mittelständische Unternehmen erhöht. Leider, Herr Kollege Hauser, habe ich es sträflicherweise verabsäumt, einmal nachzusehen, was in Krefeld geschehen ist. Aber Sie werden uns das sicher sagen können. Leider haben wir festgestellt, daß - unter fleißiger Mitwirkung Ihrer Parteifreunde - in den Gemeinden die Gewerbesteuerhebesätze heraufgesetzt worden sind und sogar die Lohnsummensteuer neu eingeführt worden ist zu einem Zeitpunkt, als wir durch Anhebung des Gewerbesteuerfreibetrags gerade die mittleren Unternehmen schützen wollten. Nun, meine Damen und Herren: Beseitigung der Ergänzungsabgabe, Einführung eines Altersentlastungsfreibetrags. Ich will das im einzelnen nicht fortsetzen. ({3}) - Aber ich glaube, Herr Hauser will uns mitteilen, wie er es in Krefeld gehandhabt hat.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne, selbstverständlich.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Graf Lambsdorff, ist Ihnen bekannt, daß Krefeld in Nordrhein-Westfalen zu den Städten mit dem niedrigsten Hebesatz bei der Lohnsummensteuer gehört und daß wir bisher eben mit Rücksicht auf die kleinen und mittelständischen Betriebe in unserer Stadt, deren Schutz von uns ständig durchgehalten wird, diesen niedrigsten Hebesatz für die Lohnsummensteuer bis heute haben aufrechterhalten können, obwohl das naturgemäß auch zu Einschränkungen mancher Leistungen geführt hat? Nur, das, was Sie jetzt im nachhinein mit Ihrem Haushalsstrukturgesetz erledigen müssen, haben wir vorher schon gewußt.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Hauser, ich nehme das zur Kenntnis. Aber ich sage Ihnen ganz offen: Ob Sie eine niedrige Lohnsummensteuer haben oder eine hohe, ,die Lohnsummensteuer ist in meinen Augen eine Arbeitsplatz-Strafsteuer und sollte völlig verschwinden. Es ist schlimm genug, daß Sie sie überhaupt noch haben. ({0}) Wir sind uns ja alle im klaren darüber, daß Mittelstandspolitik kontinuierlich betrieben werden muß. Ich habe das vorhin gesagt. Es gibt im Bereich des Einzelhandels in der Entwicklung der Verkaufsflächen besorgniserregende Tendenzen. Daran ist kein Zweifel. Wenn von Ihnen jemand käme und uns hier einen Formulierungsvorschlag machte, wie man Nachfragemacht im Kartellgesetz definieren und das in Ordnung bringen kann, würde ich eine Lobpreisrede auf ihn und die ganze Fraktion halten. Dies aber bringen Sie nicht fertig. ({1}) - Doch, doch, Herr Kollege Müller-Hermann, ich bin zu allem Möglichen imstande. Sie glauben das gar nicht. ({2}) Die exzessive Rabattpolitik, die es in einigen Bereichen gibt, auch das öffentliche Auftragswesen, das überprüft werden muß - es geht nicht nur um die VOB, sondern auch um die VOL; die VOB hat im Baubereich zu unerfreulichen Kartellerscheinungen geführt, die VOL bringt parallele Erscheinungen mit sich -, alles dies wird überprüft, daran wird gearbeitet. Dies sind die ständigen Aufgaben, die sich ergeben. Ich warne davor, dies in ein Gesetz zu schreiben, es zu verabschieden, es im Bundesgesetzblatt abdrucken zu lassen und sich dann beruhigt zum Schlaf zurückzuziehen und zu sagen: Mittelstandspolitik haben wir nun gemacht, darum brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. - Sie schlagen hier noch einmal den Verlustrücktrag vor. Sie wissen, daß das eine Sache ist, die inzwischen läuft. Sie haben auf dem Deckblatt der Drucksache, wie das ja üblich ist, aufgeführt: Problem - Lösung - Alternativen - Kosten. Das Problem, meine Damen und Herren von der Opposition, ist bekannt. Die Lösung ist das Aktionsprogramm der sozialliberalen Bundesregierung. Aber die Kosten! Bei den Kosten haben Sie nun wirklich eine entwaffnende Mitteilung gemacht: „Die auf Grund dieses Gesetzes vorgesehenen ausgabewirksamen Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der haushaltsmäßigen Bewilligung." - Also, meine Damen und Herren, der Sack, den Sie da ausschütten wollen, ist in der Tat noch nicht einmal bezahlt; Sie haben die Nüsse, die Sie da zu verteilen gedenken, auf Pump gekauft. ({3}) Fehlt Ihnen eigentlich der Mut, oder fehlt Ihnen die Fähigkeit, die genauen Kosten zu nennen? Die „Wirtschaftswoche" hat das ja in der vorigen Woche nachgerechnet. 15 Milliarden, liest man da, würde dieses Programm kosten. Nun, ich will annehmen, das ist etwas übertrieben; denn die schreiben auch, Herr Hauser, Sie seien der Vorsitzende einer 80 Mann starken Mittelständlergruppe in der Fraktion. Die sind ja auch nicht da. Die Zahlen werden also nicht ganz stimmen; ich will das gern einräumen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Graf Lambsdorff, gestatten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Becker?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber selbstverständlich.

Dr. Curt Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000125, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Graf Lambsdorff, ist Ihnen nicht bekannt, daß die CDU-Fraktion den Beschluß gefaßt hat, Steuersenkungen für die Wirtschaft in Höhe von etwa 7 Milliarden DM vorzuschlagen, daß also diese 15 Milliarden DM in keiner Weise einem Beschluß der Fraktion entsprechen? ({0})

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Becker, natürlich ist mir das bekannt. Aber ich habe Ihnen ja schon einmal gesagt: Sie fassen Ausgabenbeschlüsse, um sie dann mit großer Geste zurückzuziehen und das dann als Sparsamkeit darzutun. Nunmehr gehen Sie noch einen Schritt weiter: Sie fassen Beschlüsse, keine ausgabewirksamen Maßnahmen mehr vorschlagen zu wollen. Jetzt schlagen Sie Maßnahmen vor, die ausgabewirksam sind, sagen aber über die Kosten nichts. Das ist die neueste Tour, sich sparsam zu verhalten.

Dr. Curt Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000125, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Zusatzfrage, Graf Lambsdorff: Ist Ihnen nicht bekannt, ,daß Sie ein Investitionszulagengesetz gemacht haben die berühmten 7,5 °/o -, das ungefähr 7 Milliarden DM gekostet hat, wobei im Gesetzesvorblatt steht „Kosten: keine"? Sie haben nämlich angenommen, daß dadurch die Wirtschaft belebt wird. Genau dasselbe nehmen wir bei diesem Programm an: Durch unser Senkungsprogramm wird die Wirtschaft belebt. Das ist also dasselbe, was Sie mit Ihrem Investitionszulagenprogramm gemacht haben.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hatte immer gedacht, Herr Becker, wenn Sie von „Selbstfinanzierung" sprechen, meinten Sie etwas anderes. Aber das ist offenbar die neue Form der Selbstfinanzierung, die Sie uns soeben dargestellt haben. Wir werden versuchen, uns auch damit zu befreunden. Nur, Sie können nicht im Ernst annehmen, das wir uns, abgesehen davon, daß wir natürlich der Überweisung zustimmen und im Ausschuß beraten werden, ernsthaft zu solchen Schritten entschließen können. Sie haben nämlich zum Schluß auch geschrieben: Alternativen: keine. Es gibt durchaus eine Alternative: die Fortsetzung der Mittelstandspolitik dieses Bundeswirtschaftsministers. ({0}) Die Nüsse, meine Damen und Herren, die Sie hier verteilen wollen, sind vielleicht äußerlich vergoldet, aber mattgolden; innen sind sie hohl und leer. Sie brauchen dafür auch keinen Nußknacker. Mit dem Gesetz ist nichts anzufangen. Es ist in der Tat überflüssig. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schedl.

Albert Schedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001948, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Graf Lambsdorff hat in seiner Rede, die er mit dem Hinweis entweder Nikolaus oder Weihnachtsmann begonnen hat, für unsere Gefilde, meine ich, eher die Knecht-Ruprecht-Rolle übernommen. Aber er hat uns am Ende, was er vielleicht gar nicht wollte, trotzdem ein sehr positives Prädikat ausgestellt. Er meinte nämlich, an diesem Gesetz sei das Äußere Gold, es fehle aber der Inhalt. Graf Lambsdorff, dieses Gesetz ist ein Rahmengesetz. Wenn es ein goldener Rahmen ist, wie wir glauben, dann haben wir mit dem ersten Schritt den richtigen Schritt getan. ({0}) Ich möchte nicht, meine verehrten Kollegen, auf alle sicher sehr bedeutsamen Äußerungen eingehen, die bisher von den Kollegen gemacht worden sind. Es war interessant zu hören, wie der Kollege Schachtschabel einen Anlauf nahm, bei dem ich meinte, es gehe recht gut weiter, als er sagte, „prinzipiell sei anzuerkennen", daß hier endlich einmal - ich dachte jedenfalls, daß er das sagen wollte - eine Rahmengesetzgebung auf den Tisch gelegt werde. Aber er stellte dann fest, daß hier endlich eine Alternative der CDU/CSU auf diesem Gebiet vorgelegt werde, und meinte, wie auch Sie ausgeführt haben, die eigentliche Alternative sei das Aktionsprogramm der Bundesregierung. Professor Schachtschabel hat dies noch besonders mit dem Hinweis auf die erfolgreiche Arbeit auf diesem Feld unterstrichen. Herr Professor Schachtschabel, ohne bestreiten zu wollen, daß sich viele Kollegen um den Mittelstand bemühen, möchte ich sagen: Bei einer Konkursliste, die in diesem Jahr annähernd 10 000 Konkurse aufweist, sollten wir in diesem Hause wirklich damit aufhören, auch noch eine erfolgreiche Arbeit in diesem Bereich besonders unter Beweis stellen oder unterstreichen zu wollen. ({1}) - Herr Wehner, ich könnte das niemals so sagen wie Sie als Alt- und Großmeister, die Sie das wesentlich besser beherrschen. Ich meine ganz ernst: es besteht die große Gefahr, daß man den letzten Funken Glauben an viele hier in diesem Raum, mindestens an alle diejenigen, die die Verantwortung zu tragen haben, verliert, wenn man ihnen in einer adventlichen Stunde auch noch hervorragende Erfolge verkündet. Die Konkursliste mit fast 10 000 Konkursen als kleiner Betriebsunfall? So können wir das doch wirklich nicht handhaben. Sie sind auf einige Details eingegangen. Ich kann das nicht mehr im einzelnen widerlegen, vor allen Dingen deshalb nicht, weil der Herr Präsident - ich verstehe ihn - im Hinblick auf die Zeit schon vorher mahnende Blicke in meine Richtung gelenkt hatte. Lassen Sie mich nur noch einen Punkt zu Ihren Ausführungen ansprechen, Herr Professor Schachtschabel. Sie haben auch die ordnungspolitische Komponente angesprochen; Graf Lambsdorff hat dies ebenfalls getan. Sie sollten sich auf Grund all dessen, was wir in der Vergangenheit in diesem Bereich getan haben, darüber im klaren sein, daß wir weder Schutzräume noch Gettos und erst recht nicht Reservate wollen, in denen am Schluß der letzte Mittelständler, der übriggeblieben ist, zum Photographieren freigegeben wird. Nur, wenn Sie Ihre „erfolgreiche" Politik fortführen, werden Sie die Zäune bekommen, ohne daß Sie sie bauen wollen, weil Sie nämlich in der Negativrichtung eine AbSchedl zäunung errichten, in der allmählich die letzten dieses Stammes eingegrenzt werden. Zur Finanzierung, Graf Lambsdorff, haben Sie erklärt: Ihr habt es euch einfach gemacht. Wissen Sie, ich brauche mir nur - Kollege Becker hat dies hier schon angeführt - einige Programme der Regierung anzusehen, um festzustellen, wie einfach man es sich bei Ihnen macht, obwohl Sie vor, auf und neben der Kasse sitzen. Schaue ich mir dagegen unser Programm an, so kann ich wirklich sagen: Hier spielen wir nicht nur den Einsatz, sondern erheblich mehr ein. Sie orientieren sich ja nicht an der Aufrechnung der „Wirtschaftswoche"; Sie wissen ja ganz genau, daß die Dinge dort in der Darstellung nicht so waren, wie wir diesen Rahmen in einem ersten Schritt, in einem folgenden Entschließungsantrag ausfüllen wollen. Sie wissen genau, daß diese Volumina gar nicht stimmen. Es gibt natürlich noch eines, worüber Sie dann auch nachdenken sollten. Ihre Alternative ist das Aktionsprogramm, sagen Sie. Von dem sagen Sie, da ist der wirkliche, der echte Sack mit den Goldpapierpäckchen, die ständig ausgeschüttet werden. Dieses Aktionsprogramm stellen Sie unserer Initiative gegenüber; die unsere schieben Sie in die Ecke, weil Sie sie als finanziell undarstellbar und unsolide bezeichnen. Dann müssen Sie doch aber für Ihr Programm überhaupt kein Geld ausgeben, und ohne Geld werden Sie in einigen Bereichen wenig Musik spielen lassen können, Graf Lambsdorff. Das ist ein Widerspruch, den ich, offen gestanden, nicht verstanden habe. Was wir im steuerlichen Bereich wollen, ist durch Zwischenfragen teilweise geklärt worden. Nur eine Einlassung zur Gewerbesteuer: Sie haben völlig recht, die Anhebung des Freibetrages nützt uns draußen überhaupt nichts, weil die Gemeinde am Hebesatz bastelt oder dann nur an der großen Schraube der Lohnsummensteuer dreht - das aber doch nur, weil Sie von Bonn aus über die Länder zwar massenweise die Aufgaben dorthin schicken, aber seit langem nicht mehr das Geld, das die Gemeinden brauchen. Das ist doch der entscheidende Punkt! ({2}) Wenn wir von hier aus nicht neue Plattformen schaffen, dann hilft alles verstärkte Nachdenken nichts. Wenn wir in die rechte Tasche etwas geben, damit die gleiche öffentliche Hand aus der linken Tasche noch mehr herausholen kann, wird es sicherlich keine Entwicklungen geben, die wir wirklich für die Zukunft als vernünftige und sinnvolle Entwicklungen betrachten können. ({3}) Wir werden im Entschließungsantrag in diesen goldenen Rahmen ein noch goldeneres Bild legen. Wir werden dieses Bild nicht malen, Herr Professor Schachtschabel, um mehr Wähler zu fangen. Der Mittelstand weiß sowieso und hat immer gewußt, wo man wirklich weiß, wo die Nöte sind, wo der Schuh drückt. Wer, wie die SPD/FDP, bei all diesen Papieren die hier auf dem Tisch liegen, „Erfolgsrechnung" sagt, dem kann man nicht glauben, daß er die Problemstellungen wirklich kennt. Wir werden in den Rahmen, der vertretbar und verantwortbar ist, in den Rahmen, der darstellbar ist, in diesen goldenen Rahmen das richtige Bild legen. Und es geht uns nicht darum, hier den Wahlkampf zu eröffnen und Stimmen zu fangen - was hier alles gegen uns geäußert worden ist -, sondern darum, dazu zu helfen, daß die Insolvenzliste nächtes Jahr nicht noch länger wird. ({4}) Es geht uns darum, daß draußen in diesem Bereich ganz wichtige Arbeitsplätze nicht verloren gehen, weil die unter Umständen wichtiger sein können als andere Größenordnungen. Es geht uns darum, daß wir diese Arbeitsplätze in der Zukunft zum Ausbilden brauchen, es geht uns darum, daß wir die dort Beschäftigten als recht solide Steuerzahler brauchen. All dies wollen wir, und deswegen meinen wir, Sie haben genau so lange Zeit gehabt wie wir, Graf Lambsdorff, da gebe ich Ihnen völlig recht; nur sind Sie hier am Drücker, Sie hätten den Rahmen längst herumlegen können, ({5}) und dann hätten wir mit Ihnen verhandelt. Wir meinen: Verhandeln Sie doch mit uns; dann sehen wir, wer für den Mittelstand eintritt. Der goldene Rahmen für Handwerk und Mittelstand kommt von uns. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und an den Finanzausschuß sowie den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes - Drucksache 7/4368 Das Wort wird weder zur Begründung noch zur Aussprache gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend -, an den Innenausschuß - mitberatend - und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: Beratung der Ubersicht 16 des Rechtsausschusses ({0}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 7/4383 Der Rechtsausschuß schlägt vor, von einer Äußerung und einem Verfahrensbeitritt zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen; ich verweise auf die Drucksache. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Vorschlag des Rechtsausschusses zustimmt, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe die Punkte 21 bis 23 der Tagesordnung auf: 21. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie ({1}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für einen Entwurf eines Beschlusses des Rates, mit dem die Kommission im Hinblick auf einen Beitrag der Gemeinschaft zur Finanzierung von Kernkraft-werken zur Aufnahme von Euratom-Anleihen ermächtigt wird - Drucksachen 7/3333, 7/4385 - Berichterstatter: Abgeordneter Kern Abgeordneter Pfeffermann 22. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({3}) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Bedingungen für die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft - Drucksachen 7/4011, 7/4362 - Berichterstatter: Abgeordneter Vit 23. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({4}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie ({5}) des Rates zur Anpassung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Taxameter Verordnung ({6}) des Rates über den Abschluß eines Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 3 des Protokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europafischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik Verordnung ({7}) des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, die zur Verwendung beim Bau, bei der Instandhaltung oder der Instandsetzung von Luftfahrzeugen bestimmt sind Verordnung ({8}) des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter, aus den neuen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse, die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung beim Bau, bei der Instandhaltung oder der Instandsetzung bestimmter Luftfahrzeuge verwendet werden sollen Verordnung ({9}) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta ({10}) Verordnung ({11}) des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG Nr. 1059/69, ({12}) Nr. 1060/69, ({13}) Nr. 2682/72, ({14}) Nr. 120/67, ({15}) Nr. 3330/74, ({16}) Nr. 765/68 und ({17}) Nr. 950/68 bezüglich der Einreihung bestimmter Sorbitsorten in den Gemeinsamen Zolltarif Verordnung ({18}) des Rates über die Aussetzung der Anwendung der Bedingung, der die Einfuhr frischer Zitronen mit Ursprung in Zypern, Spanien, Israel, Marokko, der Arabischen Republik Ägypten, Tunesien und der Türkei in die Gemeinschaft auf Grund der Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und jedem dieser Länder unterliegt - Drucksachen 7/3935, 7/4198, 7/4133, 7/4216, 7/4135, 7/4137. 7/4217, 7/4363 -Berichterstatter: Abgeordneter Reuschenbach Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache begehrt wird. - Auch das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen vor, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/4385, 7/4362 und 7/4363. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich weise darauf hin, daß Punkt 24 der Tagesordnung - Beratung des Antrags der Abgeordneten Pieroth, Dr. Burgbacher und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Förderung der betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer - auf interfraktionelle Vereinbarung hin abgesetzt worden ist. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs - insbesondere des Omnibusverkehrs - Drucksache 7/4320 Eine Begründung erfolgt nicht. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Auf Vorschlag des Ältestenrates soll die Vorlage dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend - und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der für heute vorgesehenen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 11. Dezember 1975, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.