Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine
Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Juni 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ({0}). - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; das Haus ist einverstanden.
Ebenfalls nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Fünfte Subventionsbericht der Bundesregierung - Drucksache 7/4203 - nach § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß - federführend - und dem Finanzausschuß sowie dem Ausschuß für Wirtschaft - jeweils mitberatend - überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 27. November 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung ({1}) des Rates über die Regelung für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und Verarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in den Staaten Afrikas, der Karibischen See und des Pazifischen Ozeans ({2}) ({3})
Verordnung ({4}) des Rates über Sondermaßnahmen für
Sojabohnen im Wirtschaftsjahr 1975/1976 ({5})
Verordnung ({6}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 3209/73 über die Beihilfe für Olivenöl ({8})
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({9}) des Rates zur Änderung der Verordnungen Nr. 120/67/EWG, ({10}) Nr. 950/68 und ({11}) Nr. 1052/68 bezüglich der Zolltarifnomenklatur einiger Erzeugnisse der Sektoren Getreide und Zucker ({12})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({13}) des Rates zur Festsetzung der Auslösungspreise für Tafelwein für die Zeit vom 16. Dezember 1975 bis 15. Dezember 1976 ({14})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr. 69/74/ EWG über Zollager, der Richtlinie Nr. 69/75/EWG über Freizone und der Richtlinie Nr. 71/235/EWG über die üblichen Behandlungen, die in Zollagern und Freizonen vorgenommen werden können ({15})
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({16}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({17}) Nr. 3174/74 hinsichtlich der Aufteilung der eröffneten Kontingentsmenge auf die drei Rohmagnesiumqualitäten ({18})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Weiterführung der Senkung der Einfuhrbelastung für Rindfleischerzeugnisse mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean ({19})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({20}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({21}) Nr. 1411/71 hinsichtlich des Fettgehalts von Vollmilch ({22})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({23}) des Rates über die Einfuhrregelung für gewisse Textilerzeugnisse mit Ursprung in Hongkong
Verordnung des Rates betreffend Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Hongkong über den Handel mit Textilerzeugnissen ({24})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung über die Marktordnung für den Binnengüterverkehr innerhalb der Gemeinschaft ({25}) ({26})
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht - Fernunterrichtsschutzgesetz - ({27})
- Drucksache 7/4245 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({28}) Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Zur Begründung der Vorlage hat das Wort der Herr Bundesminister Rohde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf eines Fernunterrichtsgesetzes will die Bundesregierung dazu beitragen, daß ein Schlußstrich unter die Diskussion über die Seriosität im deutschen Fernunterrichtswesen gezogen werden kann. Wenn das gelingt, dann ist auch die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Fernunterricht ausgeweitet werden kann und damit Impulse für die Entwicklung der Weiterbildung gegeben werden können.
Wer heute einen Fernunterrichtsvertrag abschließt, kauft oft die Katze im Sack. Er weiß oft wenig oder nichts über die Anforderungen, die an ihn gestellt werden; er weiß kaum etwas darüber, ob die geforderten eigenen großen Anstrengungen sinnvoll sind, ob nämlich der angebotene Kurs wirklich geeignet ist, die gewünschten Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Er hat vielfach unzureichende Kündigungsmöglichkeiten und fühlt sich häufig auch von Vertretern überrumpelt. Es geht also um Fragen des Vertragsrechtes, um Qualitätsprüfungen der Kurse und um Regelungen des Vertretereinsatzes und der Werbung.
Seit zehn Jahren gibt es eine Reihe von Regelungen zum Fernunterricht, z. B. steuerliche Anreize bei der Umsatz- und Gewerbesteuer sowie finanzielle Hilfen auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes und des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Ich erinnere ferner an das Berufsbildungsgesetz von 1969, nach dem das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung auf Antrag Gütesiegel für Berufsbildungskurse verleiht. Eine entsprechende Regelung für Fernlehrgänge haben die Länder durch Staatsvertrag getroffen.
Diese Maßnahmen können jedoch eine umfassende Regelung nicht ersetzen. Das zeigen die Erfahrungen von Bund und Ländern und auch die Erfahrungen der Betroffenen. Es kommt nicht von ungefähr, daß lediglich 170 Fernlehrgänge von insgesamt 1 400 Lehrgängen bisher ein Gütesiegel erhalten haben. Mit diesen 1 400 Fernlehrgängen werden heute etwa 250 000 Teilnehmer erreicht. Diese Zahl ist groß genug, um die vorgesehenen Regelungen zum Schutze jedes einzelnen als notwendig und dringlich erscheinen zu lassen. Auf der anderen Seite entspricht diese Teilnehmerzahl jedoch nur einem sehr kleinen Prozentsatz der Erwachsenen in unserem Lande. Vergleichbare Industrieländer wie z. B. die Niederlande oder Schweden weisen einen erheblich höheren Anteil der Fernunterrichtsteilnehmer an der erwachsenen Bevölkerung aus.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Zweifel an der Zuverlässigkeit und der Qualität des Angebots bei uns die Entwicklung des Marktes behindern. Als ich mein Amt vor eineinhalb Jahren antratt, fand ich auf diesem Felde eine schwierige Situation vor: Die beiden amtlichen Prüfstellen -die Stelle des Bundes und die Länder - lagen wegen der Prüfungszuständigkeit für einen Teilbereich der Fernlehrgänge miteinander im Streit, weil die Formulierungen der beiden Rechtsgrundlagen nicht genau aufeinander abgestimmt waren. Manche von Ihnen wissen, daß dieser Streit oft groteske Formen angenommen hatte. Es ist damals zu einer befristeten Lösung zwischen Bund und Ländern gekommen. Die endgültige Lösung soll nun das Fernunterrichtsschutzgesetz bringen.
Wir stehen heute vor der Notwendigkeit, das Fernunterrichtswesen überregional zu regeln, auf der anderen Seite Verbraucherschutz auch auf diesem Gebiete durchzusetzen und schließlich nicht zuletzt im Bereich von zum Teil konkurrierenden Bundes- und Länderaktivitäten einen ausgewogenen und verfassungskonformen Ausgleich zu finden. Von diesen Notwendigkeiten geht der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf aus. Ich will zusammenfassend wenigstens die wichtigsten Regelungen darstellen.
Der Abschnitt über den Fernunterrichtsvertrag enthält Regelungen, die ein angemessenes Verhältnis von Leistung des Veranstalters und Gegenleistung des Fernunterrichtsteilnehmers sichern. Bestimmungen über die Vollständigkeit und Deutlichkeit des Vertragsinhalts, eine zumutbare Zahlungsverpflichtung des Teilnehmers, das Widerrufsrecht und teilnehmerfreundliche Kündigungsbestimmungen stehen im Mittelpunkt. Jeder soll also in Zukunft erkennen können, worauf er sich mit einem Fernlehrkurs einläßt, was er an Geld, Mühe und auch Zeit aufzuwenden hat, zu welchen Zielen der Kurs führt und wie er, ohne in Schwierigkeiten zu geraten, im Ernstfall wieder aussteigen kann.
Ein zweiter Punkt kommt hinzu. Während Gütesiegel bisher nur auf Antrag vergeben wurden, enthält der Abschnitt über die Veranstaltung von Fernunterricht eine Zulassungspflicht für alle entgeltlichen Fernlehrgänge, soweit sie nicht ausschließlich der Freizeitgestaltung oder der Unterhaltung dienen. Es geht dabei nicht um eine staatliche Gängelei hinsichtlich der Unterrichtsziele, sondern darum, festzustellen, ob das Angebot überhaupt geeignet ist, das Ziel zu erreichen, das der Kurs angibt und auf das der Teilnehmer sich nach der Information des Veranstalters ausrichtet. Es geht also, wenn man es technisch und fachlich ausdrücken will, um eine Ziel-Mittel-Kontrolle. Darüber hinaus geht es um verbindliche Vorschriften für das Informationsmaterial und um die Rolle der Vertreter. Zum anderen soll der Bürger in Zukunft nicht mit mehreren Behörden konfrontiert werden, deren Zuständigkeiten er im einzelnen gar nicht überblickt.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Länder wiederum eine gemeinsame Zentralstelle errichten werden. Diese Zentralstelle der Länder soll die einheitliche Anlaufstelle werden und die Entgegennahme der Anträge, die Prüfung sowie die Zulassung übernehmen. Die Sachkunde des Bundesinstituts für Berufsbildungsforschung soll dabei auch in Zukunft genutzt werden. Ich sehe hierin eine wichtige Verbesserung für die Betroffenen. Für Teilnehmer und Institute wird durch diesen Gesetzentwurf eine Adresse in Sachen Fernunterricht geschaffen.
Bevor ich mich mit einigen Einwänden gegen den Gesetzentwurf auseinandersetze, möchte ich zuBundesminister Rohde
nächst für das Engagement von Mitgliedern aller Fraktionen dieses Hauses bei der Regelung des Fernunterrichts danken. Dies hat uns bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs geholfen, und ich hoffe, daß dadurch auch der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erleichtert wird.
Die Einwände, die vorgetragen werden, gehen in drei Richtungen. Ich zitiere. Erstens: Der Gesetzentwurf regele nicht umfassend alle im Zusammenhang mit dem Fernunterricht bildungspolitisch zu stellenden Fragen. Zweitens: Der Gesetzentwurf enthalte Regelungen, die über den Kompetenzbereich des Bundes hinausgehen. Drittens: Der Gesetzentwurf sei einerseits zu perfektionistisch; andererseits solle der Schutz der Teilnehmer umfassender sein.
Wie so häufig in der Bildungspolitik, meine Damen und Herren, könnte man mit dem einen Einwand dem anderen begegnen und sich somit auf die Position zurückziehen, die Argumente höben sich eigentlich wechselseitig auf. Ich will dennoch versuchen, zu den Einwinden im einzelnen kurz Stellung zu nehmen.
Zunächst haben wir hinsichtlich der bildungspolitischen Reichweite des Gesetzentwurfs Kompetenzgrenzen im Bildungsbereich in Rechnung zu stellen. Wer über Unvollständigkeit in diesem Zusammenhang klagt, muß den Verfassungsgeber sehen und darauf auch verwiesen werden. Im Entwurf zum Fernunterrichtsschutzgesetz bringt der Bund seine Kompetenzen im bürgerlichen Recht, im Recht der Wirtschaft und in der beruflichen Bildung voll ein und schafft damit einen gesamtstaatlichen Rahmen. Weite Teile der inhaltlichen Festlegungen der Materie werden die Länder für ihren Bereich vornehmen müssen, und ich vertraue darauf, daß sie dies im Sinne des Gesetzes tun werden, weil es über das Ziel - das haben auch die Diskussionen der letzten Wochen gezeigt - weithin Einigkeit gibt.
Daß der Entwurf über das verfassungsrechtlich Mögliche hinausgehe, ist verschiedentlich in den Beratungen des Bundesrates vorgetragen worden. In der Ihnen vorliegenden Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hat die Bundesregierung ihre Auffassungen dazu im einzelnen dargelegt. Lassen Sie mich zu dieser Auseinandersetzung an dieser Stelle noch einige Anmerkungen machen.
Der Gesetzentwurf geht von einem Verbundsystem aus, in das Bund und Länder ihre Verantwortlichkeiten und Kapazitäten einbringen. Der Entwurf enthält ein faires und großzügiges Angebot an die Länder. Er legt, was den Bund betrifft, die Zuständigkeiten nicht im Sinne einer „Erbhofideologie" bis zum äußersten aus. Es hätte immerhin nahegelegen, im Gesetzentwurf für die zentrale Aufgabe der Prüfung aller Fernlehrgänge eine verfassungsmäßig zulässige Bundesoberbehörde vorzusehen. Statt dessen hat die Bundesregierung vorgeschlagen, die Prüfung aller Lehrgänge, also auch der bisher im freiwilligen Verfahren vom Bund geprüften berufsbildenden Lehrgänge, den Ländern zu überlassen. Dabei war davon auszugehen, daß die Länder wiederum eine gemeinsame Stelle mit dieser Aufgabe betrauen wurden. Die Bundesstelle soll lediglich intern bei allen berufsbildenden Lehrgängen beteiligt werden.
Kooperativer Föderalismus ist - darin liegt der Sinn des Begriffes - eine Sache der Zusammenarbeit, nicht der Abgrenzung. Von diesem Gesichtspunkt haben wir uns auch in der Formulierung der Regelungen über das Zusammenwirken von Bund und Ländern leiten lassen. Die Öffentlichkeit will - das hat die Reaktion auf den Entwurf gezeigt - eine bessere Regelung des Fernunterrichts, und sie würden nach meiner Auffassung kein Verständnis dafür haben, wenn sie im Zuständigkeitsgerangel unterginge.
Der weitere Vorwurf, die Bestimmungen des Entwurfs seien zu bürokratisch, zu perfektionistisch, läßt den Verdacht aufkommen, die Kritiker hätten z. B. noch keinen Blick in das wesentlich verwikkeltere Abzahlungsgesetz geworfen. Je konsequenter der Gesetzgeber Umgehungsmöglichkeiten ausschließen möchte, um so detailliertere Regelungen muß er treffen. Die Regelungen richten sich im übrigen nicht an den schutzbedürftigen und -benötigenden Teilnehmer, sondern an die mit rechtskundigem Rat durchaus versehenen Fernunterrichtsveranstalter, so daß ich für die Praxis keine Schwierigkeiten sehe.
Gewichtig erscheint zunächst das Argument, durch die Zulassungspflicht würden Überarbeitungen und Weiterentwicklungen von Kursen behindert. Hierzu ist auf die Bestimmungen über Möglichkeiten der vorläufigen Zulassung hinzuweisen. Im Ausschuß wird Gelegenheit sein, darüber zu sprechen, ob diese Bestimmungen noch verbessert werden können.
Zweifellos sind mit jeder Verbraucherschutzregelung Pflichten für die Anbieter verbunden. Der vorliegende Gesetzentwurf richtet sich aber keineswegs gegen die Veranstalter von Fernunterricht. Es kann vielmehr erwartet und auch auf Grund der Erfahrungen in anderen Industrieländern erhofft werden, daß die stagnierenden Teilnehmerzahlen in die Höhe gehen, wenn das Vertrauen in den Fernunterrichtsmarkt für die Zukunft wächst. Einwände gegen den Umfang der Schutzfunktion der vorgeschlagenen Regelungen schließlich werden im wesentlichen darauf gestützt, daß Angebote, die ausschließlich der Unterhaltung oder der Freizeitgestaltung dienen, also sogenannte Hobby-Kurse sind, von der Zulassungspflicht ausgenommen sind. Wir haben uns hier, meine Damen und Herren, von dem Gedanken leiten lassen, daß die staatliche Regelungsbreite auf diesem Gebiet geringer sein kann als in den anderen Bereichen. Jedoch auch für diese Kurse gelten die Schutzbestimmungen zur Vertragsgestaltung sowie zum Einsatz von Werbung und Vertretern.
Der von der Bundesregierung heute vorgelegte Gesetzentwurf ist mit nur 25 Paragraphen erfreulich kurz. Dennoch ist er ein wichtiger Bestandteil der eingeleiteten Kurskorrektur zugunsten der beruflichen Bildung und Weiterbildung. Ich freue mich feststellen zu können, daß im Deutschen Bundestag
hiermit ein Gesetz eingebracht wird, dessen Zielsetzungen alle drei Fraktionen grundsätzlich zustimmen. Ich verbinde damit die Hoffnung, daß dadurch die Beratungen in den Ausschüssen wesentlich erleichtert werden.
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist die Regierungsvorlage begründet.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Walz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die technischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte haben zu ständig wachsenden Bildungsanforderungen an uns alle und damit auch zu einem gesteigerten Bildungsbedürfnis für viele geführt. Die Chancen des einzelnen und nicht zuletzt das Wohl der Allgemeinheit hängen zunehmend von der beruflichen und sozialen Mobilität des einzelnen, seiner Bereitschaft und der Möglichkeit zu lebenslangem Lernen, zu kontinuierlicher Fort- und Weiterbildung ab. Diese Veränderungen haben weltweit - im Ausland wesentlich stärker als in der Bundesrepublik - dazu geführt, daß es heute eigentlich nur noch sehr wenig Fachtheorie gibt, die man nicht im Fernunterricht erlernen könnte.
Es war die CDU/CSU, die bereits sehr früh und in den vergangenen Jahren immer häufiger auf die bildungspolitische Bedeutung des Fernunterrichts aufmerksam gemacht hat; so im Deutschen Bundestag durch den Antrag betr. Fernschulgesetz - Bundestagsdrucksache 7/1337 vom 4. Dezember 1973 -, der den Bund aufforderte, mit den Ländern in Verhandlungen einzutreten, gleichlautende Vorschriften für ein Fernschulgesetz zu erlassen. Zugegeben, ein verfassungspolitisches Novum, aber dazu geeignet, einen kooperativen Föderalismus auf einem Bund und Länder umgreifenden Sektor zu praktizieren.
Im Rahmen des institutionalisierten Bildungswesens der Bundesrepublik Deutschland hat der Fernunterricht inzwischen eine wichtige Ergänzungsfunktion. Die Notwendigkeit permanenter Fort- und Weiterbildung, vor allem im beruflichen Bereich, zur Sicherung der persönlichen Qualifikation wird die Bedeutung dieses Bildungsangebots in Zukunft noch steigern. Schließlich wird dem Fernlehrwesen bei vielfach bereits erschöpften Kapazitäten und bei nicht mehr vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten für den Ausbau der staatlichen Bildungsinfrastruktur in naher Zukunft sicher nicht mehr nur eine Ergänzungsfunktion als Prognose gestellt werden dürfen. Die Entwicklung des Fernunterrichts im Ausland zeigt sehr deutlich, daß das Fernlehrwesen nicht nur die Chance, sondern auch alle Voraussetzungen hat, integrierter Bestandteil unseres Bildungswesens zu werden, und zwar mit eigenen und originären Bildungsaufgaben. Es war bildungspolitisch nur konsequent, daß meine Fraktion als erste in Erkenntnis dieser Entwicklung die Integration des Bildungsangebots Fernunterricht in das Bildungssystem unseres Landes gefordert hat.
Doch hatte der durch die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung ausgelöste Boom privater Fernlehrinstitute auch eine Reihe von Mißständen zur Folge. Das begann mit den Methoden unseriösen Werbung. Sie erweckte und erweckt zum Teil noch beim Interessenten den Eindruck, er könne mit Hilfe eines bestimmten Fernlehrkurses ohne große Anstrengung und in relativ kurzer Zeit eine bessere Arbeit und damit ein höheres Einkommen erzielen. Das endete und endet bei den sogenannten Studienberatern, die - auf Provisionsbasis arbeitend - interessierte Bildungswillige zu ungeeigneten und unkündbaren Kursen überredeten und überreden. Alle bisher unternommenen Versuche und Bemühungen, diese Mißstände zu beseitigen, haben - trotz mancher Teilerfolge - bis heute keine durchgreifenden Verbesserungen gebracht. Das gilt für die Bemühungen der Rechtsprechung, der Selbstkontrolle der Fernlehrinstitute, der Kontrolle durch Verbraucherverbände und auch der staatlichen Kontrolle.
Unter Berücksichtigung dieser historischen wie bildungspolitischen Voraussetzungen, die hier nur kurz angedeutet werden konnten, ist der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht - kurz: Fernunterrichtsschutzgesetz genannt -, den das BMBW vorgelegt und den heute der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in erster Lesung erläutert hat, eine längst überfällige Pflichtübung der Bundesregierung.
({0})
Dabei darf man sicher von dem kläglich gescheiterten Versuch seines Vorgängers im Amt absehen, den gesamten Bereich des Fernunterrichts in wenigen Paragraphen des Berufsbildungsgesetzes unterzubringen. Diesem Entwurf der Bundesregierung, der auf Wunsch aller im Bundestag vertretenen Fraktionen vorgelegt und der - wie Sie richtig sagten - in den Vorgesprächen von den Vertretern aller Parteien begrüßt wurde, diesem Gesetzentwurf also, der so ausgesprochen gute Startchancen und -bedingungen hat, hätte man eigentlich im Interesse der Sache mehr Substanz und vor allen Dingen auch ein bißchen mehr Ehrlichkeit gewünscht.
Im Zusammenhang mit der Vorlage des Referentenentwurfs dieses Gesetzes hat meine Fraktion in einer Kleinen Anfrage - Bundestagsdrucksache 7/3851 vom Juli 1975 - bereits auf einige Probleme hingewiesen. Auf diese Weise konnte vorab eine so gewichtige Frage wie die ursprünglich geforderte Einführung einer generellen Erlaubnispflicht für den Betrieb eines Fernlehrinstituts, die nach unserer Meinung als Eingriff in die Gewerbefreiheit auf verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen wäre, ausgeklammert werden. Auch in einigen anderen Sachfragen ist die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Vorschläge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingegangen.
Über die Schwierigkeiten, die ein Gesetz dieser Art, das einen bildungspolitischen Anspruch erhebt
und das Bund und Länder gleichermaßen in ihrer Kompetenz anspricht, grundsätzlich bereitet, besteht - so glaube ich - hier in diesem Hause Einigkeit. Die erste Lesung des Regierungsentwurfs am 17. Oktober 1975 in der 424. Sitzung des Bundesrates und die zahlreichen Änderungsvorschläge der Bundesländer jeder parteipolitischen Couleur haben sehr eindringlich die gesamte Problematik deutlich gemacht.
Doch bleibt der vorgelegte und heute hier erläuterte Entwurf der Bundesregierung, was die Substanz betrifft, weitgehend hinter der nunmehr fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor erfolgten Gesetzesinitiative meiner Fraktion zurück. Zwar hat die Fraktion der CDU/CSU nicht anders als die Bundesländer den im ersten Teil des Regierungsentwurfs sichtbar werdenden „Verbraucherschutzcharakter" begrüßt - eine Tatsache übrigens, Herr Kollege Glotz, die ich durchaus nicht so gering geschätzt habe, wie Sie gemeint haben. Doch bleibt im Regierungsentwurf die Bildungsreform, d. h. die Integration in die Weiterbildung, weitgehend ausgeklammert. Denn vorgesehen sind nicht wie in unserem Vorschlag und in der Entschließung des Europäischen Parlaments die Prüfung aller Kurse von Amts wegen und die Zuerkennung des staatlichen Gütesiegels, die entsprechende Ausbildung und Eignung des pädagogischen Personals - denn der Entwurf hat nur eine Sollbestimmung - und das Vertreterverbot, das etwa in Frankreich und in den Niederlanden schon längst Gesetz ist. Diese bildungspolitischen Forderungen, die der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion alle enthielt, sind leider weggefallen.
Bei der ersten Beratung unseres Antrags in der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Januar 1974 erhob die Frau Kollegin Schuchardt den Vorwurf, die Vorlage der CDU/CSU sei kein bildungspolitisches, sondern nur ein verbraucherpolitisches Gesetz. Sie tat das wahrscheinlich deshalb, weil sie den Entwurf damals überhaupt nicht gelesen hatte. Man darf gespannt sein, wie unter diesen Voraussetzungen der Regierungsentwurf heute von der FDP beurteilt wird, da er nun ja - allem Bildungsreformgerede zum Trotz und anders als die Oppositionsvorlage - reinen Verbraucherschutzcharakter hat.
Allerdings wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung selbst unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes noch nicht einmal der von mir erarbeiteten und am 15. Januar 1975 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Entschließung zu einer Gemeinschaftsregelung für das Fernlehrwesen - Bundestagsdrucksache 7/3346 -, die ebenfalls alle oben genannten Forderungen enthält, gerecht. So bleibt denn von dem Anspruch, ein bildungspolitisches Reformgesetz vorgelegt zu haben, noch nicht einmal ein „Reförmchen" übrig.
Die noch schwerer wiegende Hypothek, die Ihnen sicherlich noch zu schaffen machen dürfte und die Sie in die parlamentarischen Beratungen dieses Gesetzentwurfs mitnehmen, besteht eigentlich darin, daß Sie in der Öffentlichkeit den - was die vorliegende Fassung betrifft sicherlich falschen Eindruck erweckt haben, als handle es sich bei Ihrer Vorlage um ein bildungspolitisches Reformgesetz erster Klasse. Doch beschränkt sich die Bundesregierung in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf so ausdrücklich auf die aus Artikel 74 Nrn. 1 und 11 GG abgeleitete Kompetenz aus dem Recht der Wirtschaft, daß man sich wundern muß, warum diese Vorlage überhaupt beim Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ressortiert, obwohl sie doch laut Ihrem eigenem Vorbringen in das Wirtschaftsministerium gehören müßte.
Die Bundesregierung ist hier erneut - zum wievielten Male eigentlich? - in jenen Fehler verfallen, der ihre gesamte Bildungspolitik seit 1969 begleitet hat. Sie erweckt zunächst zu große Erwartungen
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und ist enttäuscht, wenn diese sich nicht erfüllen, und macht dann anderen dafür die Vorwürfe.
({2})
Den Hinweis auf die CDU/CSU-regierten Länder kann sie sich dieses Mal jedoch getrost ersparen. Die Stellungnahme des Bundesrates dürfte hinreichend deutlich gemacht haben, daß sich diesmal die Bundesländer insgesamt angesprochen fühlen.
Zu den sachlichen Problemen, über die wir uns im Detail noch während der folgenden Ausschußsitzungen ausführlich unterhalten müssen, erlauben Sie mir noch einige wenige Anmerkungen. So ist in § 1 des Entwurfs der Anwendungsbereich des Gesetzes auf den privatwirtschaftlich angebotenen Fernunterricht beschränkt. Hieraus könnte unter Umständen leicht eine Diskriminierung des privaten Fernschulwesens entstehen, das bis heute entscheidend die Entwicklung dieses Bildungsbereichs getragen und bestimmt hat, zumal wenn man berücksichtigt, daß z. B. das bisher noch völlig ungeordnete Bildungsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die hier und da bereits dabei sind, sich ein Bildungsmonopol zu verschaffen, im Regierungsentwurf überhaupt nicht angesprochen wird. Hier scheinen der Bundesregierung angesichts der zu lösenden Problematik der Mut, das Engagement und vielleicht auch der Sachverstand abhanden gekommen zu sein.
Sehr sorgfältig werden wir uns auch über die endgültige Fassung der §§ 10 und 17 der Vorlage, die die Zulassung und den Inhalt von Fernlehrgängen regeln, unterhalten müssen. Warum wundert sich die Bundesregierung eigentlich über den geschlossenen Widerstand der Bundesländer gegen die Formulierungen in der vorliegenden Fassung, die unser Entwurf sorgfältig umschifft hatte, wenn sie hier den versteckten Versuch unternimmt, sozusagen durch die Hintertür und so ganz nebenbei für den Bund auch die Kompetenz über den Fernunterricht des schulischen Bereichs der beruflichen Bildung zu bekommen, obwohl dieser ganz eindeutig in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt? Über den in der Regierungsvorlage deutlich werdenden Hang zum Rechtsperfektionismus habe ich mich schon an anderer Stelle geäußert, und, Herr Bundes14268
minister, auch wenn das Abzahlungsgesetz noch komplizierter wäre, wäre das keine Entschuldigung für diesen Entwurf.
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- Herr Wehner, leutselig ist immerhin besser als unverschämt!
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß der Regierungsentwurf eines Fernunterrichtsgesetzes, für den, sachlich völlig unberechtigt und wieder einmal zu früh, der Anspruch einer Bildungsreform erhoben wurde, in der vorliegenden Fassung nichts anderes ist als der kleinste gemeinsame Nenner. Es wäre den sich anschließenden parlamentarischen Beratungen zu wünschen, daß es uns gelingen möge, die Vorlage der Regierung mit zusätzlicher Substanz anzureichern. Nur so können wir schließlich das bildungspolitische Ziel erreichen - das eigentlich unsere gemeinsame Maxime sein sollte -, mit Hilfe des Bildungszweigs Fernunterricht viele bereits vorhandene individuelle Bedürfnisse der Fort- und Weiterbildung zu befriedigen und in Zukunft auf uns zukommende bildungspolitische Probleme besser lösen zu können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lattmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den Wunsch nach bildungspolitischer Gemeinsamkeit, Frau Kollegin Walz, wird die SPD-Fraktion in der Ausschußberatung mit Sicherheit zurückkommen.
Es ist rund ein Jahr her, daß der Deutsche Bundestag aus Anlaß des Gesetzantrages der CDU/CSU- Fraktion das Fernlehrwesen diskutiert hat. Die vorhandenen Mißstände, in deren Beurteilung interfraktionell keine wesentlichen Meinungsunterschiede bestehen, blieben jedoch ungelöst.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erscheint uns Sozialdemokraten für die Beratung und Realisierung wesentlich aussichtsreicher als der nicht mehrheitsfähige Antrag der CDU/CSU, zumal ich Ihrer Interpretation, Frau Kollegin Walz, nicht zu folgen vermag, dies sei ein positives verfassungstechnisches Novum gewesen. Uns will es sich eher als ein Unikum darstellen, das insofern einen erstaunlichen Optimismus enthält, als darauf abgehoben wird, der Bund möge ein Gesetz machen, das ihn selber verpflichtet, mit elf Ländern mit positivem Ergebnis so zu verhandeln, daß alle elf gemeinsam dasselbe Gesetz machen.
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Wenn dies ginge, wären wir sehr viel mehr in der Position bildungspolitischer Einigkeit.
Aber die Schwierigkeiten - wenn wir offen und geradeaus miteinander umgehen wollen - liegen nicht so sehr im Inhalt des Gesetzentwurfs und in den Fragen, die nach gemeinsamer Erkenntnis einer Regelung bedürfen, sondern sie liegen in der Tatsache, daß es zwischen Bund und Ländern, Bundestag und Bundesrat schon über einen allzu langen
Zeitraum so etwas wie ein System wechselseitiger Blockierung gibt, das die Bevölkerung in elf Bundesländern, wenn sie genau Bescheid wüßte, sicher weder zu akzeptieren noch auf die Dauer für vernünftig zu halten in der Lage wäre.
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In diesem Zusammenhang erscheint uns denn auch die CDU ständig in einer doppelgesichtigen Gestalt, die wir nicht unbedingt als Dioskuren anzusprechen vermögen. Jedenfalls gibt es die Union, die im Bundesrat ständig behauptet, der Bund wolle bildungspolitisch zuviel regeln, wohingegen es im Bundestag die CDU gibt, die sagt: „Die machen nicht genug!" Die Gefahr besteht darin, daß wir uns als Bildungspolitiker hier als eine Art „Ruinenbaumeister" betätigen. Der Romantitel von Herbert Rosendorfer mag hierfür die Überschrift abgeben.
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Der Titel ist sehr kurz, Herr Gölter; er heißt: „Der Ruinenbaumeister" ; aber der Roman selbst ist sehr lang. Ich hoffe jedoch, daß wir davon abkommen, gar so viele zertrümmerte Backsteine für gemeinsame Ruinen zu liefern.
Wenn Sie, Frau Kollegin Walz, in positivem Sinne von Frankreich gesprochen haben, dann ist Ihnen offenbar vorübergehend entfallen, daß es dort keinen bildungspolitischen Föderalismus gibt. Jedenfalls ist die Schwierigkeit, die hier beschrieben wird, eben nicht schuld der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition. Sie kann nur dem Optimismus des Grundgesetzes zugeschrieben werden, daß es die Bereitschaft der Länder überschätzt, sich im Sinne des Gemeinwohls zwischen München und Hamburg, West-Berlin und Mainz zu einigen. Unser kultur- und bildungspolitischer Provinzialismus ist ebenso schwer veränderbar wie tiefer Unzufriedenheit wert. Möge uns die europäische Union eines Tages davon herunterhelfen!
Zunächst und hier aber geht es um Regelungen für rund 300 000 Teilnehmer an Fernlehrgängen und in Zukunft voraussichtlich eine wachsende Zahl; denn für Aus- und Weiterbildung, auch im Zusammenhang mit der angestrebten Berufsbildungsreform, wächst die Bedeutung des Fernunterrichts beinahe jeder Art.
Ich möchte hier auch kurz darauf hinweisen, daß der Fernunterricht hoffentlich und fast mit Sicherheit erheblich gesteigerte Bedeutung im Bereich des Strafvollzugs und der Rehabilitation haben wird. Leider gibt es erst ein Bundesland, das auf diesem Gebiet eine intensive Förderung beginnt. Es ist zu hoffen, daß dies mehrere Länder tun und daß auch der Bund im Rahmen seiner Möglichkeit dieses Gewicht sieht.
Mit dem vorliegenden Entwurf will der Bundesgesetzgeber - um auch für unsere Fraktion kurz die Intention des Gesetzes zu beschreiben - alle gewerblich angebotenen Fernlehrgänge mit Ausnahme des Hobbybereichs einer Prüfungs- und Zulassungspflicht unterstellen. Mißstände bei der Werbung und beim Vertretereinsatz für Fernunterricht sollen unterbunden werden. - Im Gegensatz dazu hebt der Entwurf der CDU/CSU auf vollständiges
Vertreterverbot ab, was auf der einen Seite konsequent erscheint, auf der anderen Seite aber auch Härtefälle für qualifizierte Studienberater mit sich bringen könnte. - Teilnehmer an Fernkursen sollen das Recht erhalten, noch bis zu zwei Wochen nach Erhalt des Lehrmaterials den Unterrichtsvertrag zu widerrufen und zum Ende des ersten Halbjahrs sowie weiterhin jeweils mit vierteljährlicher Frist den Vertrag zu kündigen, ohne daß ihnen Nachteile entstehen. Vorauszahlungen und Vertragsstrafen sollen für die Kursteilnehmer ausgeschlossen werden. Das bedeutet in der Tat gesteigerten Verbraucherschutz.
Sie, Frau Kollegin Walz, wollen mit Ihrer Fraktion den Hobbybereich einbeziehen. Aber Sie wissen doch auch, daß dies in der Verwirklichungsabsicht eine ganze Fülle von Schwierigkeiten - unter anderem auch rechtlicher Art - bietet. Um noch einmal auf Ihren Vorwurf abzuheben, wir hätten unser Fernunterrichtsschutzgesetz nicht etwa in eine Gesamtkonzeption der Bildungspolitik eingebaut, möchte ich hier doch energisch sagen, daß die Abschnitte „Weiterbildung" und „Fernunterricht" im Berufsbildungsgesetz, das wir mit so viel Fleiß, aber auch Mühe im Ausschuß gemeinsam beraten, genau diese von Ihnen geforderte Verzahnung beweisen.
Im übrigen kommt der Bund den Ländern, wenn das Gesetz verwirklicht wird, ein erhebliches Stück in der Weise entgegen, daß alle Zulassungsanträge von einer Länderstelle, praktisch der Kölner Zentralstelle für Fernunterricht ({3}), die nach Staatsvertrag arbeitet, angenommen und entschieden werden sollen. Im Bereich der berufsbildenden Fernlehrgänge muß die ZFU jedoch vor ihrer Entscheidung ein Gutachten des Bundesinstituts für Berufsbildungsforschung ({4}) in Berlin einholen.
Ich glaube, der Sachverhalt liegt nicht so, daß die Länder befürchten, der Bund wolle mehr, sondern die Länder nehmen es nur zu gern entgegen, wenn ihnen der Bund zusätzliche Rechte im Bereich der beruflichen Bildung und des Berufes gibt. Aber sie verteidigen aus verständlichen Gründen den schulischen Bereich.
Trotz dieses gegenüber derzeitigen Regelungen entschiedenen Schritts, den der Bund weiterhin auf eine umfassendere Länderkompetenz hin macht, hat der Bundesrat auf seiner Sitzung am 17. Oktober dieses Jahres überraschenderweise schwerwiegende Bedenken gegen den Regierungsentwurf angemeldet. Auf Antrag des Landes Rheinland-Pfalz wurde mit den Stimmen der sogenannten B-Länder der § 10 abgelehnt, weil sich diese Länder auf den Standpunkt stellten, die Zulassung von Fernlehrgängen sei generell Ländersache. Die A-Länder haben für den umstrittenen Abs. 2 dieses Paragraphen Kompromißvorschläge formuliert - Hessen zusätzlich einen eigenen -, die im Wortlaut vorliegen und Gegenstand sorgfältiger Beratung im federführenden Ausschuß des Bundestages sein werden. Darüber, als wie hilfreich diese Änderungsvorschläge angesehen werden, gibt es sicher sehr unterschiedliche Meinungen; aber es gibt ganz gewiß auch kein einziges Thema auf diesem Gebiet, wo wir nicht offen und intensiv miteinander reden könnten. Die
Frage ist nur, mit welchem Ergebnis eigentlich, wenn man sich die kurze Frist, die der Gesetzgeber der 7. Legislaturperiode noch hat, nüchtern vor Augen hält.
Den Mitgliedern des Bundesrats ist deutlich zu machen, daß sie Anlaß haben, darüber nachzudenken, daß ihr weitgehend negativer Beschluß vom 17. Oktober in der Praxis einiger Fernlehrinstitute nach Auskunft von beteiligten Fachleuten inzwischen, also seit dem 17. Oktober, zu erneut sorgloserem Umgang mit Mißbräuchen geführt hat.
({5})
Man richtet sich mancherorts offensichtlich darauf ein, daß der Gesetzgeber im Kompetenzdiskurs zwischen Bund und Ländern Tatenlosigkeit als einziges Resultat würde vorweisen können. Ein nicht zu unterschätzender Prozentsatz von unseriösen Angeboten, Vertretermethoden mit Überrumpelungstendenz und einseitig die Fernlehrunternehmen begünstigenden Vertragsformulierungen feiert Urständ und steht verschärft in Kontrast zu verantwortlich und korrekt arbeitenden Instituten, die unbegründet mit unter Mißbrauchsverdacht geraten. Mißtrauen zwischen Teilnehmern an Fernlehrkursen und Lehrinstituten ist die Folge. Die Szene erscheint nicht nur umdüstert, sie ist teilweise ein grauer Markt, auf dem sich Freistilhändler ziemlich rücksichtslos mit Tricks und Finessen am Unwissen potentieller Kursteilnehmer und oft auch an deren schwieriger psychologischer Situation zu bereichern bemühen. Es gibt tatsächlich im Gebiet zwischen Flensburg und Sonthofen mehr, als manche Schulmeisterweisheit sich träumen läßt.
Es gibt insbesondere neuerdings einige verschlungene Wege, auf denen sich Fernlehrinstitute das Adressenmaterial für ihre Werbekampagnen besorgen. Die ergiebigen Fragen nach Schulbildung, Neigungen und Zielvorstellungen in einem Massenprospekt für Computer-Partnertests z. B. wie überhaupt das vielschichtige Gebiet umworbener Eheanbahnungen mögen sehr wohl in einer Art indirekter Fusion der ökonomischen Interessen Monate oder Jahre später zu Anbahnungen von Fernlehrgängen führen.
({6})
Der Erfindungskraft der Manager und Werbeleute darf in dieser Zone zwischen allgemeinen Vorschriften und Gesetzeslücken Gehöriges und Ungehöriges zuzutrauen sein. Beispiele zu diskutieren ist weniger das Plenum als vielmehr der Ausschuß der richtige Ort. Zweifellos aber gibt es hier auch ein ergiebiges Thema für die Sicherung des Datenschutzes.
Fazit: Das Fernunterrichtsschutzgesetz wird für die Praxis überall in der Bundesrepublik ohne Rücksicht auf Ländergrenzen dringend gebraucht. Die politische Verwirklichung ist somit eine Notwendigkeit, der wir uns stellen müssen. Das läuft auf eine Probe auf das Exempel des Föderalismus hinaus. Seien wir nicht so sicher, daß dieses angeblich beste aller bildungspolitischen Systeme zu der positiven Entscheidung in Bundestag und Bundesrat
führt. Das setzt zumindest eine energische Anstrengung aller Bildungspolitiker auf beiden Ebenen und im übrigen auch etwas so Schwieriges wie eine sachliche Gemeinsamkeit - hinweg über die Konfrontation der Fraktionen - voraus.
Ich kann nur hoffen, meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, daß es für diese Solidarität der Bildungspolitiker in naher Zeit eine Mehrheit gibt.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, derjenige, der den Eindruck erwecken wollte, daß bei der derzeitigen Kompetenzverteilung ein Fernschulgesetz zu einer großen Reform werden könnte, hat sich sicherlich geirrt. Ich meine, Frau Dr. Walz, Sie haben für Ihre Rede vorher aufgeschrieben, daß Sie dies vom Minister erwarten. Tatsächlich hat er dem nicht entsprochen. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage gewesen, diese Worte kurzfristig noch zu streichen.
({0})
Ich meine aber, Frau Dr. Walz, daß Sie mit Ihrem Antrag von vor einem Jahr eindeutig Erwartungen geweckt haben, die nicht erfüllt werden konnten. Es war ein Gesetzentwurf, der auch bildungspolitische Teile enthielt, aber eindeutig über den Rahmen der verfassungsmäßigen Möglichkeiten dieses Hauses hinausging. Ich möchte die Rede nicht wiederholen, die ich vor einem Jahr hier gehalten habe, aber doch noch soviel zu dem Thema sagen: Frau Dr. Walz, Sie haben es ein Novum genannt, daß Sie hier einen Antrag mit folgendem Inhalt einbringen:
Der Bundestag möge beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Ländern in Verhandlungen einzutreten, ein Bleichlautendes Gesetz gleichzeitig zu verabschieden.
Ich weiß nicht, ob Sie je im Landtag waren. Ich war im Landtag, und ich würde mir die Bevormundung durch den Deutschen Bundestag dort nicht gefallen lassen. Man kann bei dieser Gelegenheit auch einmal fragen, ob es eigentlich ein CDU- oder CSU- geführtes Bundesland gibt, das diesen von Ihnen hier vor zwei Jahren als Antrag eingebrachten Gesetzentwurf tatsächlich umgesetzt hat.
({1})
Ich warte immer noch auf die Antwort. Sie haben auch keinen Hinweis darauf gegeben, daß dies irgendwo in Vorbereitung wäre. Dies ist eine Politik im Stil der Mannheimer Erklärung: Deklaration ohne Vollzug.
({2})
Meine Damen und Herren, Fernkurse werden überall in der Bundesrepublik angeboten, und sie werden überall in der Bundesrepublik wahrgenommen. Hier bietet sich in der Tat natürlich eine bundesgesetzliche Lösung an. Ich habe damals, Frau Dr. Walz, bereits darauf hingewiesen, daß wir, um einigermaßen konkret werden zu können, die Bundesregierung auffordern sollten, wenigstens von ihren verfassungsmäßigen Rechten, die sie hat, Gebrauch zu machen und den Entwurf eines Verbraucherschutzgesetzes, für das ohne Frage der Bundestag zuständig wäre, vorzulegen und darin auch, soweit es eben möglich ist, Regelungen für die Bildungsbereiche zu treffen, für die derartige Angebote gemacht werden, etwa den Bereich der beruflichen Bildung. Ich gestehe Ihnen ohne weiteres zu, daß es etwas lange gedauert hat, bis dem entsprochen worden ist, aber wir reden heute darüber.
Man sollte an dieser Stelle sagen, daß ein solches Gesetz nicht notwendig wäre, wenn nicht eine Reihe von Fernschulunternehmern mit geradezu unglaublichen Methoden gearbeitet und in einer ungeheuerlichen Weise das Unwissen der Verbraucher ausgenutzt hätte. Ich möchte nicht alles wiederholen, aber hier werden Fragen des Widerrufsrechts, des Kündigungsrechts, des Verbots des unangemeldeten Vertreterbesuchs geregelt, ferner Fragen der Zulassung von Fernlehrgängen und letztendlich etwas, was eigentlich für jedes Unternehmen selbstverständlich sein sollte, nämlich daß das Informationsmaterial umfassend und zutreffend sein muß. Man kann diesem Teil der Wirtschaft wohl sagen, daß durch fahrlässiges Verhalten ein Verbraucherschutzgesetz unbedingt notwendig wurde. Mit Sicherheit werden die gleichen Leute, die dieses wirtschaftliche Verhalten an den Tag gelegt haben, irgendwann von Reglementierung sprechen. Sie bekämen sie nicht, würden sie sich verantwortungsbewußt verhalten. Der Fernunterricht - und darin stimmen wir im Bundestag, glaube ich, alle überein - hat Zukunft. Es sollte auch zu schaffen sein, daß die Einrichtungen des Fernunterrichts mit anderen Bildungseinrichtungen koordiniert werden und mit ihnen kooperieren. Hierzu wäre es wünschenswert, wenn wir auch in diesem Bundestag ein Bildungsgesetz dieser Art verabschieden könnten; allein uns fehlen dazu die Kompetenzen. Ich meine, im Grunde haben wir alle das gleiche Ziel, in dem Gesetz soviel wie möglich auch bildungspolitisch zu regeln, und ich hoffe, daß wir im Ausschuß dieses Gesetz im Zusammenhang mit dem Berufsbildungsgesetz so überarbeiten, daß wir damit letztlich alle zufrieden sein können.
({3})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte vor, mich zuerst dem zuzuwenden, was Frau Schuchardt gesagt hat. Es wäre aber auch sehr reizvoll, mit Herrn Lattmann und seiner „Eheanbahnung" zu beginnen. Vielleicht wäre es gar keine schlechte Sache,
Schmidt ({0})
wenn man lernen würde, wie man Ehen anbahnt, möglicherweise auch - bei den komplizierten Dingen, die Sie vorhaben -, wie man Ehen auflöst und wie man dann zu seinem Geld kommt; es wäre nicht schlecht, das in Fernkursen zu unterrichten!
({1})
Es ist sehr erfreulich festzustellen, daß sich jetzt das ergeben hat, was vorhin bezweifelt wurde, nämlich daß Frau Schuchardt nunmehr genau weiß, was in diesem Gesetzentwurf steht. Denn im Januar hat sie bedauert, daß der Antrag der CDU/CSU bildungspolitisch viel zu mager sei.
({2})
Der Hering ist inzwischen zwar zwei Jahre gefüttert worden, fetter ist er aber durch das Futter der Regierung nicht geworden.
({3})
Tatsächlich handelt es sich bei dem Regierungsentwurf eben ausschließlich um ein Verbraucherschutzgesetz. Das ist sehr gut; jedoch dann darf man vorher nicht sagen, hier gehe es um eine Bildungsreform. Der Gesetzestext zum anderen hält auch nicht das, was die Begründung verspricht. Wieder einmal wurde eine Hoffnung, die erweckt wurde - nicht von uns! -, enttäuscht.
Nun die Frage: Warum kommt der Entwurf erst jetzt? Es sind immerhin zwei Jahre ins Land gegangen, und in diesen zwei Jahren haben recht viele Leute ihre Erfahrungen mit unlauterer, unzutreffender Werbung gemacht und haben dabei viel Geld verloren. Man hätte das vor zwei Jahren haben können, was heute allzu spät, vielleicht zu spät für eine Regelung in dieser Legislaturperiode, auf den Tisch kommt.
Wenn man damals eingewandt hat - und es auch heute wieder sagt -, eine Verzahnung mit dem Berufsbildungsgesetz sei gegeben, oder man müsse diese Dinge verzögern, weil das noch nicht voraussehbar gewesen sei -- nun, es sind schon Gesetze nach kürzerer Zeit als nach zwei Jahren novelliert worden!
Wenn ich heute hier noch das Wort ergriffen habe, dann nicht deshalb, weil wir grundsätzlich eine andere Meinung zu dem verträten, was die Regierung vorgelegt hat, sondern weil uns daran liegt, daß eine Sache wie dieser Fernunterricht, die ihrer Bedeutung nach großen Umfang hat, einen größeren, als man vielleicht vermutet, und einen größeren, als dieser Gesetzentwurf es ausweisen kann, zufriedenstellend geregelt wird. Nicht alle Dinge, die wirklich bedeutsam sind, schlagen sich auch in bedeutenden Gesetzen nieder.
Lassen Sie mich auf ein anderes Thema kommen. Wir müßten einmal fragen, ob der Zweck dieses Gesetzes denn überhaupt erfüllt wird. In dem jedenfalls, was vorgelegt wird, scheint uns der Schutz der Teilnehmer, der ja ein ganz wesentlicher Aspekt für die Verbreiterung der Basis des Fernunterrichts ist, nicht optimal gewährleistet zu sein. Mit der DAG und dem DGB - und ich glaube, dies ist keine schlechte Gesellschaft, auch in bildungspolitischen Fragen - stimmen wir damit überein, daß es besser wäre, den Vertreterbesuch generell zu verhindern. Damit soll eine unqualifizierte Beeinflussung des Teilnehmers ausgeschlossen werden. Bildung ist keine Handelsware. Das ist also eine wichtige Sache, wenn man den Verbraucher wirklich schützen will.
Im übrigen scheint es uns fast so, daß in diesem Gesetz wieder einmal eine Überfrachtung mit Detailregelungen vorliegt. Von daher begründet sich unsere Befürchtung - die wir übrigens auch mit einigen anderen Kritikern teilen -, daß hier, entgegen der Absichtserklärung, einerseits der Schutz des Schülers nicht effektiv gewährleistet ist und daß andererseits bei diesem Hang zum bürokratischen Perfektionismus eher eine Behinderung des privaten Unterrichtswesens als eine Förderung herauskommt.
Es ist doch nicht so, Herr Minister, daß etwas kompliziert sein müßte, damit es wirksam ist. Ich glaube, die Wirksamkeit der Zehn Gebote, die sehr einfach textiert sind, ist heute immer noch größer als alles, was Ihre Regierung vorgelegt hat.
({4})
Ich möchte nun noch auf einige Dinge, die in der Begründung stehen, eingehen. Die Begründung ist - wie so oft - besser als das Gesetz selber. Es findet sich darin die bemerkenswerte Erkenntnis - Herr Glotz hat das in einer Rede auch noch einmal besonders betont -, daß eine stärkere Verbindung von Arbeitsmarkt und Bildungssystem durch das Fernunterrichtswesen hergestellt werden könne.
Dieser bemerkenswerten Erkenntnis sollte man weiter nachgehen. Hier ist für die Gesamtkonzeption eines Bildungswesens in einem so kurzen Satz wahrscheinlich mehr gesagt, als derjenige, der es ausgesprochen hat, ahnt, und es gibt hier wirklich einen Weg zu einer Gesamtkonzeption des Bildungswesens. Hier sollte man weiter nachdenken, die Probleme weiter verfolgen. Die Erkenntnis ist noch unterentwickelt, aber der Weg des Nachdenkens scheint richtig zu sein.
Wie gesagt: Wir werden als CDU/CSU-Fraktion sehr sorgfältig darauf achten, daß die beiden Problembereiche, die Probleme der Bildung und die Probleme des Verbraucherschutzes, in diesem Gesetz in dem Rahmen, der uns gegeben ist, sorgfältig geregelt werden. Wir sind für eine Fortentwicklung des Fernunterrichtswesens, die durch Bürokratie behindert werden könnte. Wir sind für einen Schutz der Teilnehmer am Fernunterrichtswesen, der eine unter diesem Aspekt saubere Regelung erfordert. Wir sind für die Integration dieses weithin privaten Sektors in ein Gesamtbildungskonzept. Aber wir sind sehr vorsichtig, wenn es darum geht, daß hier auf dem öffentlich-rechtlichen Sektor Angebote aufgebaut werden, die möglicherweise diesen privaten Sektor einengen und beeinträchtigen könnten.
Deswegen sollte man fragen, ob nicht auch das, was die Rundfunk- und Fernsehanstalten tun, was
Schmidt ({5})
auf diesem Sektor geschieht, in die Güteprüfung mit einbezogen werden sollte. Vielleicht sollten sogar - wenn ich das sagen darf, Herr Minister die Tätigkeiten der Bundeszentrale für politische Bildung mit einbezogen werden. Es könnte sich dabei allerdings herausstellen, daß manches, was in letzter Zeit von dort gekommen ist, Makulatur geworden wäre, wenn die Güteprüfung an der Stelle durchgeführt worden wäre.
({6})
Meine Damen und Herren, über Güte läßt sich natürlich meditieren.
({0})
Wir sind am Ende der Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Vorlage an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend -, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überweisen. -
Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes
- Drucksache 7/4194 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/4397 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Dübber, Abgeordneter Hoppe
b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({2})
- Drucksache 7/4376 Berichterstatter: Abgeordneter Wohlrabe ({3})
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung der vorgelegten Berichte gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort wird in der zweiten Beratung nicht gewünscht? - Ich rufe Art. 1, 2, 2 a, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Huber.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Von der ersten Legislaturperiode an haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages die Notwendigkeit und die Bedeutung der Berlinförderung erkannt und dementsprechend direkte und indirekte Hilfen gesetzlich verankert. Zur Absicherung der Gleichstellung mit anderen Ländern und zur Finanzierung von Infrastruktureinrichtungen, Sozialleistungen und Entschädigungsleistungen sind aus dem Bundeshaushalt seit 1951 insgesamt 44,8 Milliarden DM an Zuschüssen geleistet worden. 1976 sieht der Haushalt hier 3,9 Milliarden DM vor. An sonstigen Leistungen, für den Reiseverkehr und die damit verbundenen Visa- und anderen Kosten, für kulturelle Zwecke sowie für die Förderung der Arbeitsaufnahme in Berlin wurden und werden ebenfalls jährlich steigende Beträge gezahlt, und zwar zur Zeit etwa eine halbe Milliarde DM pro Jahr.
Den Hauptanteil der direkten Unterstützung stellt die Bundeshilfe an den Berliner Landeshaushalt. Hier handelt es sich um einen Globalzuschuß, der 1951 noch 500 Millionen DM betrug, jetzt aber auf das Zwölffache angestiegen ist. Im nächsten Jahr beträgt er 6,3 Milliarden DM.
Für das nächste Jahr ist eine Steigerung von 8 % vorgesehen, während der Bundeshaushalt insgesamt nur um etwa die Hälfte wachsen kann, nämlich um 4,1 N. Das ist sicherlich als ein beredtes Zeugnis dafür anzusehen, daß wir eine ungebrochen herzliche Verbundenheit zu Berlin haben und damit auch dokumentieren, daß wir an den Sorgen dieser Stadt teilnehmen, die durch die besonderen Umstände härter sind als anderswo.
({0})
1975 ist insofern vielleicht ein besonderes Jahr, als die 100-Milliarden-Grenze bei den direkten Zuschüssen nunmehr überschritten worden ist. Sie werden im nächsten Jahr um weitere 10,6 Milliarden DM in den drei Bereichen steigen, die ich soeben genannt habe.
Dieses Geld war und ist, finden wir, gut angelegt, hilft es doch Berlin und seiner Wirtschaft zwar nicht zu einer problemfreien Zukunftsbewältigung, aber immerhin zu einer etwa vergleichbaren wirtschaftlichen Problemlast.
Die vorliegende Novelle zum Berlinförderungsgesetz bezieht sich nun auf die als Ergänzung zu den direkten Hilfen anzusehenden indirekten Hilfen, und zwar auf Steuererleichterungen und hier insbesondere auf die Umsatzsteuer. Die Steuererleichterungen verursachen jetzt jährlich Mindereinnahmen von ungefähr zweieinhalb Milliarden DM.
Nach dem geltenden Berlinförderungsrecht wird bei einer Reihe von Waren die Umsatzsteuer bei Lieferern und Abnehmern um einen bestimmten Prozentsatz des Entgelts gekürzt. Das hat einen beträchtlichen Anreiz bei Industrie und Handel zur Folge gehabt, hier und da aber auch zu Auswüchsen und ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen geführt. Schon im vergangenen Jahr wollte der Bundestag daher bestimmte Präferenzen kürzen und bei Abnehmern auch streichen. Aus Zeitgründen
war es nicht möglich, alles eingehend zu erörtern, und so wurde damals das Berlinförderungsgesetz mit seinen auslaufenden Bestimmungen noch einmal um ein Jahr verlängert.
Nunmehr liegt nach gründlicher Beratung mit dem Berliner Senat und den Beteiligten die Novelle auf dem Tisch. Sie bringt Einschränkungen der Präferenzen für Fleisch, Kupfer, Röstkaffee und einen stufenweisen Abbau der Begünstigung von Schrott sowie - mit zweijähriger Verzögerung - die Herausnahme der Kaffee- und Tabaksteuer aus der Präferenzierung. Bei Fleisch fällt die Abnehmerpräferenz ganz fort. Bei den Lieferern werden die Entgelte als Berechnungsgrundlage für die Steuerminderung um 30%, beim Innenumsatz um 65 % gekürzt. Hier fällt allerdings die Wertschöpfungsklausel weg, die im übrigen nunmehr verbindlich wird und bedeutet, daß mindestens 10 % des Wertes in Berlin erarbeitet sein müssen, wenn eine Begünstigung erfolgen soll. Bei Kupfer ist auf Grund des hohen Materialwerts ebenfalls eine Ausnahme von der Wertschöpfungsklausel gemacht worden. Betriebe, die die notwendige Verarbeitungstiefe nicht erreichen, müssen jetzt eine 30 %ige Kürzung hinnehmen. Der Finanzausschuß hat jedoch im übrigen - abweichend von der Regierungsvorlage -eine Kürzung um 20 % beschlossen.
Am meisten diskutiert wurde die Konkurrenzsituation auf dem Gebiete des Röstkaffees. Hier gilt es, den Zuzug der Kaffeebranche nach Berlin zu stoppen, ohne die Berliner Wirtschaft dadurch zu gefährden. Der Finanzausschuß bewertete die vorgetragenen unterschiedlichen Argumente so, daß er mit einer von der Regierungsvorlage abweichenden Stufenregelung - ab 1. Januar 1976 Minderung um 50%, ab 1. Januar 1978 Minderung um 60 % -einen guten Kompromiß gefunden zu haben glaubt, der die richtige Signalwirkung hat.
Die hier vorliegende Novelle zum Berlinförderungsgesetz bringt jedoch keineswegs nur den Abbau dieser überhöhten Präferenzen. In zwei Punkten, nämlich auf dem überregionalen Dienstleistungssektor und im Energiebereich, treten bedeutende Verbesserungen für die Berliner Wirtschaft ein. Die Dienstleistungspräferenz wird nächstes Jahr von 6 auf 10% erhöht und soll der Stadt Auftrieb auf diesem entwicklungsträchtigen Gebiete geben. Den Löwenanteil der hier betroffenen Umsätze hält die Anlagenberatung, bei der auch das Auslandsgeschäft künftig begünstigt wird. Unter diese Präferenz fallen aber auch Werbeagenturen, Film- und Fernsehateliers, Datenverarbeitungs- und Druckereibetriebe. Die Vorschrift kann als einzige allerdings erst zum 1. April 1976 in Kraft treten, weil noch ein Genehmigungsverfahren bei der Europäischen Gemeinschaft anhängig ist.
Im Energiebereich geht es einerseits um erhöhte Absetzungen und andererseits um erhöhte Investitionszulagen. In die erhöhten Absetzungen bis zu 75% werden nunmehr auch Gebäude einbezogen, die zu mehr als 80 % der Energie- und Wärmeerzeugung dienen. Die erhöhte Investitionszulage von 25 % wird künftig für Investitionen für Energieerzeugung - eingeschlossen die Fernheizwerke - gewährt. Hiermit wird der besonders schwierigen Situation der Berliner Energiewirtschaft Rechnung getragen.
Im Blick darauf, daß der Abbau der hier aufgeführten Präferenzen im Grunde gar nicht und der Höhe nach nicht sehr umstritten war, sondern als ein Akt fälliger Gerechtigkeit empfunden werden muß, ist die hier vorgelegte Novelle im ganzen als eindeutige Verbesserung der Berlinförderung anzusehen. Ein paar unterschiedlich gestützte Anträge aus den Reihen der Opposition hatten eine weitere Ausdehnung der Präferenzierung in einigen Punkten - z. B. bei Einkommens- und Umsatzgrenzen - zum Ziel. Mangels dringlicher Gründe konnte diesen Anträgen von der Mehrheit nicht entsprochen werden. Mit Rücksicht darauf, daß die hohen Berlin-Abschreibungen mit den hohen Investitionszulagen kombiniert werden können, konnte gerechterweise auch die vom Senat übrigens nicht verlangte - Aufhebung des Kumulationsverbots von der Mehrheit nicht befürwortet, also nicht beschlossen werden.
Trotz der dargelegten Kürzungen einiger ungerechtfertigter Präferenzen, mit denen Steuervorteile abgebaut werden sollen, wird die Berlinförderung in Mark und Pfennig nicht geschmälert; denn die Steuereinsparungen machen zwar etliche Millionen DM aus, aber insgesamt steigen die Milliardenbeträge für die Förderung der Stadt Berlin jedes Jahr beträchtlich.
Sinn der Novelle ist es allein, die Berlinförderung gerechter zu gestalten und sie zu verbessern, nicht an ihr zu sparen. Wir sind sicher, daß die Berliner das Gesetz als ein Zeichen unserer allzeit verläßlichen Zusammenarbeit mit dieser Stadt betrachten und ihm genauso zustimmen wie wir.
({1})
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlaß zur Novellierung des Berlinförderungsgesetzes und zu der Eile, mit der der Entwurf durch die parlamentarischen Beratungen gebracht wurde, ist das Inkrafttreten der sogenannten Mindestwertschöpfungsklausel am 1. Januar 1976. Danach sollen von diesem Zeitpunkt an generell nur noch solche Produktionen Präferenzen erhalten, bei denen in Berlin eine mindestens 10 %ige Wertschöpfung erzielt wird. Durch diese Neuregelung wären für einige Bereiche der Berliner Wirtschaft unzumutbare Härten entstanden, die in vielen Fällen auch zur Gefährdung von Arbeitsplätzen in Berlin geführt hätten. Sinn der Novelle war es somit, diese Härten zu beseitigen, gleichzeitig Ungereimtheiten und unerwünschte Folgen zu bereinigen. Es sollte aber auch eine Reihe von Verbesserungen geschaffen werden.
Leitgedanke bei der Novellierung war für die CDU/CSU, daß das Berlinförderungsgesetz für die Berliner Wirtschaft und die Berliner Arbeitnehmer gemacht worden ist. Es soll den Standortnachteil
der alten deutschen Hauptstadt ausgleichen. Trotz Viermächteabkommen bestehen unbestritten weiterhin erhebliche strukturelle Nachteile in Berlin.
({0})
Wir gingen davon aus, daß diese Novelle aufkommensneutral sein sollte, d. h. die Korrekturen auf der einen Seite sollten durch notwendige und wünschenswerte Verbesserungen auf der anderen Seite ausgeglichen werden.
Nun kann man, vor allem dann, wenn man den Diskussionsbeitrag von Frau Kollegin Huber berücksichtigt, natürlich mit unterschiedlichem Maß messen. Man kann, sehr verehrte Frau Kollegin Huber, alle Zahlungen, die je an Berlin gegangen sind, hier nennen. Das haben Sie heute getan. Wir wissen auch, daß Berlin darauf nach dem Dritten Überleitungsgesetz von 1952 einen Rechtsanspruch hat. Ich will das nicht tun. Ich will einmal das Gesetz als solches betrachten.
Wenn ich das tue und nunmehr das Deckblatt des Gesetzentwurfs betrachte, dann stelle ich fest, daß es zu einer Novelle, wie wir sie gewünscht haben, nämlich einer Novelle der Aufkommensneutralität, nicht gekommen ist.
({1})
Die Berlin-Novelle ist - und das ist nachlesbar - eine Minusnovelle für die Berliner geworden. In den nächsten drei Jahren wird Berlin rund 80 Millionen DM - nach Aussagen des SPD-Presseinformationsdienstes, der gestern veröffentlicht worden ist, sogar noch einige Millionen mehr - verlieren. Diese Summe wird in die Kassen des Bundes und des Landes Berlin gehen. Sie sind - ich habe sie mir hier einmal aufgeschrieben - im Informationsdienst der Sozialdemokratischen Partei selbst dargestellt worden. Sie haben eine nicht ganz unerhebliche Höhe.
Wir bedauern, daß in der gegenwärtigen Situation somit der große Sprung nach vorn, der große Wurf, ausbleiben mußte, zu dem bei der Novellierung 1970 alle drei Fraktionen - und 1970 haben wir letztmalig hier über dieses Gesetz gesprochen - angesetzt hatten. Ich denke dabei z. B. - ich will nur einen für Berlin sehr essentiellen Punkt nennen - an die Erhöhung der Arbeitnehmerpräferenz von 8 auf 10 %. Das hätte 400 Millionen DM gekostet. Dies war damals im Gespräch. Es konnte heute nicht realisiert werden, und das Minus von mehr als 80 Millionen DM hat in Berlin enttäuscht.
Dies ist eine Novelle, wenn man sie in den größeren Rahmen der Finanz- und Wirtschaftspolitik stellt, des Diktats der leeren Bundeskasse. Berlin ist insofern Opfer der desolaten Finanzpolitik der Bundesregierung geworden.
({2})
Äußerst bedauerlich ist es - und dies ist meines Erachtens bezeichnend für die wahre Einstellung der Koalition zu den Problemen des Mittelstandes -, daß sich die CDU/CSU mit ihren Anträgen zur gezielten Förderung der kleineren und mittleren Betriebe und des Mittelstandes nicht durchsetzen konnte. Sie haben sie selbst aufgenommen. Lassen Sie mich kurz ein Wort dazu sagen. Ich meine damit die Erhöhung der Einkommensgrenze für in Westdeutschland erzielte Nebenverdienste von 3 000 auf 5 000 DM. Ich meine damit vor allem jedoch die Erhöhung der Umsatzgrenze für Berliner Kleinunternehmer von 200 000 auf 300 000 DM. Die unter diese Grenze fallenden Berliner Unternehmer erhalten eine Umsatzsteuersubvention von jährlich 720 bzw. 1 200 DM. Diese beiden Maßnahmen hätten nach Aussage des Bundesfinanzministers rund 15 Millionen DM gekostet. Sie wären also, wenn man von der Aufkommensneutralität ausgeht, durchaus möglich gewesen. Dem Mittelstand in Berlin wäre eine, wie meine, nicht unerhebliche Hilfe zuteil geworden.
Ich bedaure das auch deshalb, Frau Huber, weil der neugewählte SPD-Vorstand - ich beziehe mich auf eine Meldung von gestern in der „Süddeutschen Zeitung" - die Absicht hat, sich verstärkt um die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmen zu kümmern. Er will - ich zitiere - „ein Grundsatzpapier zur Selbständigenpolitik verabschieden. Darin werden steuerliche Entlastung für mittelständische Unternehmen sowie die Bildung einer behördlichen Kontakt- und Anlaufstelle für Selbständigenfragen gefordert." Meine Damen und Herren, Wirklichkeit und Wahrheit sehen ein bißchen anders aus. Hier hätten Sie die Möglichkeit gehabt, das zu praktizieren.
({3})
Dies lassen Sie mich doch, weil es dazu gehört, auch sagen.
({4})
- Sie irren sich. Wenn Sie aufgepaßt haben, Herr Kollege, müßten Sie wissen: Bei diesem Antrag - ich war auch dabei - hat die CDU/CSU dafür gestimmt. Das steht auch im Protokoll. Ich habe mich noch einmal vergewissert.
Ich komme jetzt aber zu einem Antrag, bei dem ich allein stehen. Als Berliner Abgeordneter trage ich ihn hier vor.
Bedauerlich für die Berliner Wirtschaft ist, daß sich der Finanzausschuß nicht zu einer Aufhebung des in § 7 a des Einkommensteuergesetzes statuierten Kumulationsverbotes im Verhältnis zur Sonderabschreibung des § 14 des Berlinförderungsgesetzes durchringen konnte. Durch dieses Kumulationsverbot wird ausgeschlossen, daß für ein und dieselbe Investition mehrere Sonderabschreibungen gleichzeitig in Anspruch genommen werden können. Dies wäre insbesondere für Investitionen im Umweltschutzbereich hilfreich gewesen. Die Berliner Stellen hatten alle gemeinsam diesen Vorschlag gemacht. Gegen eine solche Ausnahmeregelung sind im Ausschuß von allen Mitgliedern quer durch die Fraktionen steuersystematische Gründe geltend gemacht worden. Im Interesse - lassen Sie mich dies persönlich anfügen - der LebensfähigWohlrabe
keit Berlins haben wir in der Vergangenheit vieles getan, was mit Steuersystematik nicht unter einen Hut zu bringen war. Ich persönlich hätte mir gewünscht, daß wir auch in diesem Fall darüber hätten hinwegsehen können, meine Damen und Herren.
({5})
Erfreulich ist - es gibt ja doch eine Reihe von Punkten in dem Gesetz, die für Berlin sehr positiv sind -, daß es während der interfraktionellen Vorbesprechung gelungen ist, mit der Anhebung der Präferenz für Dienstleistungen von 6 auf 10% ein überaus wichtiges Anliegen der Berliner durchzubringen. Auch die Ausweitung des Dienstleistungskatalogs zielt in die gleiche Richtung. Berlin wird durch diese Neuregelungen zu einem interessanten Standort für eine breite Palette hochqualifizierter Dienstleistungsunternehmen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß dieser sehr wichtige Punkt für Berlin, der einen ganz erheblichen Erfolg für Berlin bedeutet, in dieses Gesetz aufgenommen werden konnte.
In diesem Zusammenhang aber auch ein kurzes Wort zum Verfahren, auch für die Zukunft. Schon Anmerkungen zu Protokoll haben deutlich gemacht, daß wir uns sicher irgendwann einmal wieder mit dieser Frage hier beschäftigen müssen.
Wer einmal die Geschichte der aus Berlin kommenden Vorlage betrachtet - im Juni legte der Wirtschaftssenator seine ersten Änderungsvorschläge vor; diese mußten im Juli revidiert werden; am 2. September wurde dann schließlich vom Senat eine Vorlage bei uns eingereicht -, der muß sagen, daß dieser Gesetzentwurf damals mit recht heißer Nadel gemacht worden ist.
({6})
Ich hätte den Wunsch, daß die Vorstellungen langfristiger und gründlicher konzipiert werden.
({7})
Das hilft allen, meine Damen und Herren. Das soll ein Vorschlag zum Verfahren sein. Ich glaube, alle Gründe, die zur Entlastung vorgetragen worden sind, verfangen nicht voll. Wir müssen feststellen - dies war bei den interfraktionellen Beratungen doch deutlich geworden; ich glaube, das deshalb auch hier für alle sagen zu können, und es ist ja auch einhellige Auffassung im Ausschuß gewesen -, daß die Vorbereitung der Novelle durch den Berliner Senat nicht sorgfältig genug war,
({8})
eine Tatsache, die für Berlin wünschenswerte, positive Lösungen nicht gerade begünstigt hat.
Alles in allem, meine Damen und Herren, liegt eine Novelle vor, die ein notwendiges Ergebnis für Berlin bringt, das die CDU/CSU selbstverständlich trägt, weil es für Berlin erforderlich ist, das aber - dies lassen Sie mich in unterschiedlicher Betrachtung, sehr verehrte Frau Kollegin Huber, zu Ihnen sagen - den großen Sprung nach vorn, den wir uns vor einigen Jahren einmal vorgenommen hatten, nicht gebracht hat.
Es ist ein guter Brauch - und ich habe das Protokoll von 1970, als Klaus Dieter Arndt damals noch die einleitende Rede zum Berlinförderungsgesetz für die Bundesregierung gehalten hat, noch einmal nachgelesen -, einige kurze Bemerkungen zur allgemeinen Situation dieses Gesetzes und damit der Berliner Situation zu sagen.
Das Berlinförderungsgesetz ist neben der Bundeshilfe, meine Damen und Herren, die entscheidende materielle Basis für die Berliner Arbeitnehmer und die Berliner Wirtschaft. Das künftige Wachstum der Stadt hängt ganz entscheidend von diesem Gesetz ab; von ihm hängt insbesondere auch die Sicherheit der Arbeitsplätze in Berlin ab. Wer die Geschichte des Berlinhilfegesetzes und des nunmehrigen Berlinförderungsgesetzes kennt, der weiß, daß diese Gesetzgebung für Berlin politisch wie auch psychologisch von ganz großer Bedeutung ist. Und so lassen Sie mich sagen: In den letzten Jahren war vor allem von sozialdemokratischer Seite der Eindruck erweckt worden, Berlin sei durch die neue Ostpolitik eine „normale" Stadt geworden. Wenn ich Sie heute recht verstanden habe, ist dies heute anders gesagt worden; dafür bin ich sehr dankbar. Denn meine Fraktion, meine Damen und Herren, ist der Auffassung, daß die neue Ostpolitik die Probleme Berlins nicht weggezaubert hat; sie sind voll und ganz bestehengeblieben. Das wissen wir heute auf Grund der vielen Punkte, die nicht eingelöst werden können, alle.
({9})
Es gibt leider eher Anzeichen dafür, daß sich der Ostwind um Berlin verstärkt hat, daß er rauher geworden ist.
({10})
Jeder, der Berlin als „normale" Stadt behandelt, wird der politischen und wirtschaftlichen Insellage Berlins einfach nicht gerecht. Berlin trägt stellvertretend für Deutschland Lasten. Wer diese Lasten durch Kosten-Nutzen-Analysen - dies möchte ich als Berliner allen Mitgliedern des Hauses sehr eindringlich sagen - auf Heller und Pfennig aufrechnen will, wird der Leistung Berlins und den Bedürfnissen, die in dieser Stadt mit ihrer Insellage zu befriedigen sind, nicht gerecht.
({11})
Meine Aussage, daß Berlin Gefahr läuft, eine vergessene Stadt zu werden, wenn die Bundesregierung die Belange Berlins nicht noch nachdrücklicher
14276 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Wohlrabe
vertritt, findet ihre Bestätigung in folgenden Worten des Bürgermeisters Oxfort,
({12})
die in der „Welt" und in der „Berliner Morgenpost" neulich zu lesen waren. Er sagte, gemeinsame Anstrengungen aller politischen Kräfte müßten gefordert werden, damit Berlin nicht an den Rand des Weltinteresses gedrängt werde.
({13})
Er führte weiter aus - ich zitiere, wenn Sie gestatten, Herr Präsident, wörtlich -:
Die Politik der Entspannung, der Abschluß des Viermächteabkommens kann durchaus auch nachteilige Aspekte haben. Wir alle, die wir in Berlin Verantwortung tragen, Senat und Opposition, haben gemeinsam darauf zu achten, daß diese Nachteile nicht eintreten. Solange Berlin im unmittelbaren Brennpunkt der Ost-WestAuseinandersetzung stand, war es eine Stelle, an der sich jedermann in der freien Welt engagierte.
In Berlin, meine Damen und Herren, wird diese Gefahr wohl eher gesehen von allen demokratischen Kräften. Deshalb möchte ich die Bundesregierung bitten, diese Warnungen nicht leichtfertig in den Wind zu schlagen. Die Bundesregierung könnte noch viele Berliner Chancen wahrnehmen, um damit Berlin das Leben etwas zu erleichtern. Die Bundesregierung kann und muß ein starker Anwalt der Rechte in Berlin sein.
({14})
Ein Wunsch aller in Berlin ist es, daß Berlin attraktiver gemacht wird. Dazu dient das Berlinförderungsgesetz in ganz erheblichem Maße. Berlin muß über ein verstärktes wirtschaftliches Engagement hinaus neue Funktionen und Aufgaben zugewiesen bekommen, die ein Äquivalent für die verlorengegangene Hauptstadtfunktion darstellen können. Dies sollte langfristig geplant werden. Die CDU/CSU macht sich deshalb den Vorschlag des Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, Peter Lorenz, zu eigen und fordert die Einrichtung eines Berlin-Planungsstabes im Bundeskanzleramt, nicht etwa um kurzfristige Erfolge zu erzielen, sondern weil wir der Meinung sind, daß es darauf ankommt, eine Koordinationsstelle zu haben, in der wir die Planungen Berlins gemeinsam langfristig durchführen können.
({15})
Gelegentliche Wirtschaftskonferenzen reichen dazu nicht aus.
Wir würden es begrüßen, meine Damen und Herren, wenn Berlin wieder in den Mittelpunkt der politischen Arbeit der Bundesregierung rückt und wenn darüber hinaus das Berlinförderungsgesetz heute und auch in Zukunft dazu eine erhebliche motorische Kraft bietet. Deshalb stimmen wir dieser Novelle zu.
({16})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Steuervergünstigungen, Abschreibungserleichterungen und Finanzzuweisungen sind klassische Mittel der staatlichen Politik, auch der Wirtschaftspolitik, und dies nicht erst seit den Zeiten des Merkantilismus. Sie sollen anreizen, fördern, bremsen, regulieren, um bestimmte politische Zielsetzungen zu erreichen oder wenigstens anzusteuern. Sie sind aber auch, meine Damen und Herren, ein verführerisches Mittel, insbesondere Steuervergünstigungen, weil sie erstens billiger erscheinen, als sie tatsächlich sind, zweitens in ihren Auswirkungen nicht immer kalkulierbar sind, weil die Wirkung ja davon abhängt, wie die Förderungen genutzt werden, und weil sie drittens - und wer wüßte das besser als gerade wir Finanzpolitiker? - nur zu leicht von denen genutzt werden, die nicht oder jedenfalls nicht vordergründig damit gemeint sind. Es ist daher die Aufgabe des Politikers, ständig die jeweiligen Entwicklungen zu beobachten und sich immer wieder am eigentlichen Zweck solcher Mittel zu orientieren, gerade um diesen eigentlichen Zweck auch zu sichern. Daher hat die FDP mitunter Steuer- und andere Subventionen in Frage gestellt, so bei der Steuerreform und auch beim derzeitigen Sparprogramm. Aber - dies möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - die Förderung Berlins hat sie stets als eine besondere und unabdingbare Verpflichtung in ihrer Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik angesehen. Die Berliner Wirtschaft hat eben entscheidende wirtschaftliche Standortnachteile. Berlin hat eine besonders auf Dienstleistungen ausgerichtete Bevölkerungsstruktur, Berlin hat als Abnehmer und Lieferant einen räumlich isolierten Platz, seine Bevölkerung hat eine eigene Altersstruktur, und die Transportwege sind weit. Unsere Auffassung ist, daß Berlin bei all diesen Erschwernissen den absoluten Anspruch auf kontinuierlich gleiches wirtschaftliches Wachstum wie die übrigen Gebiete der Bundesrepublik hat und haben muß.
({0})
Eine Förderung, die die unvergleichbare Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation Berlins und seinen Anspruch auf Konkurrenzfähigkeit berücksichtigt, ist daher nach unserer Auffassung unverzichtbar.
Zugleich aber muß bei allen Maßnahmen insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Auge behalten werden. Dadurch wird auch der noch so gute Wille zur Hilfe und Förderung, Herr Kollege Wohlrabe, aus rechtsstaatlichen Gründen begrenzt. Die FDP begrüßt es daher, daß im Zusammenwirken von Berliner Senat, Deutschem Bundestag und Berliner Wirtschaft die Berlin-Förderung in regelmäßigen Abständen überprüft wird. Es geht uns darum, eine unerwünschte Ausnutzung gegebener Möglichkeiten auf das vertretbare Maß zurückzuführen, andererseits aber - und das ist sicherlich noch wichFrau Funcke
tiger - dort neue Möglichkeiten zu eröffnen, wo die
bestehenden Förderungen nicht ausreichend greifen.
So hat die FDP gern einer Ausweitung der Förderung auf dem Gebiet der Dienstleistungen im konstruktiven und reproduktiven Sektor zugestimmt - denn gerade hier liegen in Berlin besonders gute Möglichkeiten und Voraussetzungen -, zugleich auch den Verbesserungen in der langfristigen Wärme- und Energieversorgung.
Bezüglich der Beschäftigungslage wissen wir, daß globale Zahlen kein ausreichend zutreffendes Bild geben. Wir haben gerade in diesen Tagen erneut bestätigt erhalten, daß die Arbeitslosenquote in Berlin mit 3,6 % geringer ist als im Bundesgebiet. Auch war der saisonale Zuwachs der Arbeitslosenquote im November kleiner als im Bundesgebiet. Doch ist damit über die längerfristige Sicherung der Arbeitsplätze einerseits und über die Lage der Berliner Wirtschaft andererseits keineswegs alles gesagt. Hier muß die Investitionsquote gleichermaßen berücksichtigt werden, und die weist einen rückläufigen Trend auf.
Dennoch stimmt die FDP bestimmten Einschränkungen bei der Berlin-Förderung zu, nämlich dort, wo sprunghafte Entwicklungen eine unorganische Ausweitung der Kapazitäten ohne nachhaltigen Beschäftigungseffekt anzeigen. Hier muß um des gesunden Wettbewerbs willen die Förderung überprüft werden. Dabei gerät der Politiker ständig in den Konflikt zwischen der Kontinuität auf der einen Seite, auf die sich der wirtschaftende Bürger verlassen möchte, und der Notwendigkeit zur Korrektur auf der anderen Seite. Wir haben im Ausschuß in diesem Konflikt z. B. beim Kaffee einen stufenweisen Abbau der Vergünstigung vorgesehen, wodurch der längerfristige Anreiz begrenzt, für bestehende Anlagen aber eine Übergangsphase zur Anpassung geschaffen wird.
Herr Kollege Wohlrabe, Sie haben bedauert, daß die Koalitionsparteien einige Ihrer Anträge abgelehnt haben. Nun waren das keineswegs immer nur die Koalitionsparteien; Sie haben das eben auch freimütig gesagt.
({1})
Aber wie dem auch sein mag, im nachhinein wird man wohl feststellen, daß nicht jede vordergründig günstig erscheinende Regelung auf die Dauer auch wirklich günstig ist, zumal dann nicht, wenn sie eines Tages wieder zurückgenommen werden muß. Die FDP glaubt daher, daß mit den jetzigen Beschlüssen die Gratwanderung zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig ausbalanciert bewältigt worden ist.
Zudem, Herr Kollege Wohlrabe, bedauern Sie, wenn ich Ihre Stellungnahme im heutigen „Handelsblatt" richtig lese, daß „Berlin in Bonn allzu sehr unter steuersystematischen Aspekten subsumiert werde". Was immer Sie damit gemeint haben mögen - vielleicht war es das, was Sie eben dazu erläutert haben und was mich zu einer besonderen Bemerkung veranlaßt -: Es ist allmählich eine Frage geworden, ob der Weg über Steuervergünstigungen immer der richtige ist. Wenn Steuervergünstigungen nur als ein Vehikel zu etwas benutzt werden, was im Grunde genommen eine Subventionierung ist, dann allerdings wird der Steuersystematiker sehr bedenklich werden müssen; denn hier löst sich das, was wir unter Steuergerechtigkeit verstehen, völlig auf. Ich habe dies in diesen Tagen aus gegebenem Anlaß auch einem nördlichen Ministerpräsidenten in anderer Frage schreiben müssen.
({2})
- Sie dürfen dreimal raten, wer das war und welcher Anlaß dazu gegeben war.
Wir sollten aber, um dies zu ergänzen, auch darauf hinweisen - und das hat auch Herr Kollege Wohlrabe schon getan -, daß das Berlinförderungsgesetz zwar ein sehr wesentlicher, aber nicht der einzige Faktor im Bereich der Berlinförderung ist und daß noch andere gezielte Einzelhilfen - Haushaltszuweisungen und anderes - im Zusammenhang mit dem Berlinförderungsgesetz gesehen werden müssen.
Was nun dieses Berlinförderungsgesetz angeht, so hoffen wir, daß sich die Berliner Wirtschaft den neuen Bedingungen nicht nur ohne Schaden, sondern mit sehr viel Erfolg anpassen wird. Sollten sich wider Erwarten Wirkungen einstellen, die Senat und Bundestag nicht gewollt haben, so darf ich namens meiner Partei gern zusagen, daß wir freimütig zu neuen Regelungen bereit sein werden. Uns ist es Anliegen und Verpflichtung, West-Berlin mit seiner Leistung, seiner Leistungsfähigkeit und seinem Leistungswillen, gesund und im wirtschaftlichen Bereich konkurrenzfähig zu erhalten. Die FDP stimmt daher dem Ausschußbericht gern zu.
({3})
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Offergeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht derselben Versuchung unterliegen wie Herr Wohlrabe, hier anläßlich der Debatte über das Berlinförderungsgesetz noch einmal über die Ostpolitik zu debattieren.
({0})
- Ich habe sehr genau zugehört, Herr Wohlrabe; Sie müssen Ihre Rede noch einmal nachlesen. - Wir sollten dieser Versuchung nicht erliegen, zumal diese Debatte über das Berlinförderungsgesetz der schlechteste Aufhänger ist.
Im Berlinförderungsgesetz wird deutlich, wie wichtig uns - den Regierungsparteien und der Bundesregierung - Berlin ist und wie massiv nach wie vor die Unterstützung Berlins durch uns ist.
({1})
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Novellierung des Berlinförderungsgesetzes beruht auf einer gemeinsamen Initiative aller Fraktionen, und ich darf - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wohlrabe - in diesem Zusammenhang nochmals nachdrücklich unterstreichen, daß die Vorbereitungen des Senats zu diesem Gesetzentwurf sehr intensiv und sehr sorgfältig waren. Die Tatsache, daß wir in einigen Punkten von den Vorschlägen des Senats abgewichen sind, besagt überhaupt nichts über die Güte der Vorbereitung. Sie zeigt nur, daß wir uns nicht nur als Notar verstehen.
Wichtigster Anlaß für den Entwurf sind gewisse Fehlentwicklungen, denen auch nach Ansicht des Berliner Senats unverzüglich entgegenzuwirken war. Die Umsatzsteuerpräferenzen haben in einigen Wirtschaftsbereichen zu struktur- und wettbewerbspolitischen Verzerrungen geführt. Einige Unternehmenszweige haben die gegebenen Vergünstigungen zwar legal, jedoch in einem volkswirtschaftlich unerwünschten Maße in Anspruch genommen, ohne daß damit ein wesentlicher Nutzen für die Berliner Wirtschaft verbunden gewesen wäre.
Bei bestimmten Warengruppen wurden die Förderungsmaßnahmen so genutzt, daß sich dies auf die Berliner Wirtschaftsstruktur abträglich ausgewirkt und darüber hinaus die gesamte Berlinförderung in der Öffentlichkeit in Frage gestellt hat. Andererseits - so lauten jedenfalls die Vorschläge des Senats, und wir sind ihnen gefolgt - bedurften die Dienstleistungsbetriebe mit überregionalem Wirkungsbereich einer noch intensiveren Förderung als bisher. Dem dienen die geplanten Verbesserungen der Präferenzen für den Dienstleistungssektor. Schließlich müssen angesichts der Bedeutung dieser Betriebe für die Berliner Wirtschaft die energiewirtschaftlichen Unternehmen stärker als bisher gefördert werden.
Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, noch einige allgemeine Sätze über die finanziellen Leistungen des Bundes für Berlin sagen.
Erstens. Nach dem dritten Überleitungsgesetz von 1952, durch das Berlin auf finanziellem Gebiet in seinen Beziehungen zum Bund die gleiche Stellung wie die übrigen Bundesländer erhalten hat, trägt der Bund seit 1951 in Berlin die gleichen Lasten und erhält aus Berlin die gleichen Steueranteile wie aus den übrigen Bundesländern. Wenn wir die Lasten des Bundes und die Steuern, die der Bund in diesem Zeitraum von Berlin erhalten hat, gegenrechnen, so kommen wir von 1951 bis 1975 auf eine effektive Belastung des Bundeshaushalts von knapp 7 Milliarden DM.
Zweitens. Der besondere Status Berlins gestattet es nicht, daß es am Finanzausgleich der Bundesländer untereinander teilnimmt. Berlin hat statt dessen Anspruch auf Bundeshilfe zum Ausgleich seines Landeshaushalts nach § 16 des dritten Überleitungsgesetzes. Von 1951 bis 1975 belaufen sich die Bundeshilfen aus diesem Rechtsgrund auf rund 53 Milliarden DM. Allein für 1976 sind 6 Milliarden DM vorgesehen.
Drittens. Wegen der Sonderlage Berlins gewährt der Bund besondere Finanzhilfen im Verkehrsbereich, z. B. die Transitpauschale.
({2})
- Das sind doch alles Zahlen und Beträge, Herr Wohlrabe, die zur Stützung Berlins ausgegeben werden.
Solche Finanzhilfen werden weiterhin zur Förderung besonderer kultureller Zwecke, z. B. preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek, und der Arbeitsaufnahme in Berlin gewährt. Hier ergibt sich von 1951 bis 1975 eine Summe von rund 3,4 Milliarden DM.
Viertens. Läßt man die Leistungen aus dem ERP- Sondervermögen und die Zuwendungen im Rahmen des Bauinvestitionsprogramms vom August 1975 außer Ansatz, so ist festzustellen, daß die bisher aufgezählten Belastungen des Bundeshaushalts von 1951 bis 1975 immerhin die beträchtliche Summe von rund 63 Milliarden DM netto erreichen.
Zu diesen finanziellen Hilfen des Bundes an Berlin sind seit den 50er Jahren in wachsendem Maße Steuermindereinnahmen aus Steuerbegünstigungen für Berlin hinzugekommen. Die Mindereinnahmen allein aus dem Berlinförderungsgesetz belaufen sich 1974 für Bund und Länder auf 4,6 Milliarden DM. Davon trägt der Bund rund die Hälfte. 1975 belaufen sich diese Mindereinnahmen ebenfalls auf 4,6 Milliarden DM, allerdings mit steigender Tendenz für den Bund.
Nicht nur am Ausmaß der Haushaltsbelastungen des Bundes ist zu erkennen, welch hohen Stellenwert die wirtschaftliche Entwicklung Berlins für die Bundesregierung einnimmt. Die Milliarden, die in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftliche Existenz Berlins abzusichern halfen, werden durch eine große Zahl ideeller Förderungsmaßnahmen ergänzt.
Herr
Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe?
Herr Staatssekretär, meinen Sie, daß Sie durch Nennung der Gesamtförderungssumme seit 1951 davon ablenken können, daß durch diese Novelle in den nächsten drei Jahren ein Minus von gut 80 Millionen DM - so die Aussage der sozialdemokratischen Vorausschau in dieser Woche - entstehen wird?
Von einem Ablenken kann überhaupt keine Rede sein, Herr Wohlrabe. Zu diesem Punkt, nach dem Sie fragen, werde ich gleich ein paar Sätze sagen; wenn Sie sich so lange gedulden wollen.
Es kommt zu diesen finanziellen Unterstützungen auch eine große Zahl ideeller Förderungsmaßnahmen hinzu. Zu ihnen zählen die beiden Wirtschaftskonferenzen, auf denen der Bundeskanzler im Dezember 1974 und im Juni 1975 bei seinen GespräParl. Staatssekretär Offergeld
chen mit führenden Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Parteien Anstöße zu privatwirtschaftlichen Initiativen für Berlin gegeben hat. Dort ist es gelungen, bedeutende Unternehmen der deutschen Wirtschaft zu langfristig angelegten Programmen anzuregen, mit denen das wirtschaftliche Fundament Berlins verstärkt wird.
So haben fast 40 deutsche Unternehmen von Rang und Namen sowie erheblichem Umsatz Vorstandsmitglieder als Berlin-Beauftragte benannt, deren Aufgabe es ist, Berlin in die geschäftlichen Dispositionen der Unternehmen möglichst intensiv einzubeziehen. Damit sind in diesem Bereich die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Berlin bei der Auftragsvergabe dieser Großunternehmen einen bevorzugten Rang einnimmt.
Angeregt wurde auch die Gründung eines Zentrums für Ost-West-Kooperation der deutschen Wirtschaft in Berlin. Dieses allein unter kommerziellen Gesichtspunkten geplante Institut soll abseits der zwischen West und Ost leider immer noch strittigen Berlin-Fragen Erleichterungen für das schwierige Geschäft mit den Staatshandelsländern schaffen.
Die Initiativen des Herrn Bundeskanzlers haben schließlich zur Bildung verschiedener Arbeitsgruppen geführt, deren Aufgabe es ist, Möglichkeiten für den weiteren Ausbau von Forschung und Entwicklung in Berlin zu untersuchen oder auch die Grundlagen für die Errichtung einer technisch-wirtschaftlichen Kooperationszentrale in Berlin zu erarbeiten.
Zusammenfassend stelle ich fest, daß dank der umfassenden und vielfältigen Förderungsmaßnahmen durch den Bund die Wirtschaft Berlins gut strukturiert ist und daß sie sich bisher trotz der bekannten Standortnachteile mindestens ebenso gut entwickelt hat wie die Wirtschaft im übrigen Bundesgebiet. Die gegenwärtigen konjunkturellen Schwierigkeiten sind in Berlin nicht größer als in den übrigen Bundesländern, eher etwas weniger gravierend. Ich darf an die Zahlen zur Arbeitslosigkeit erinnern, die Frau Funcke eben genannt hat.
Bedenklich - auch das will ich hier nicht verschweigen - erscheint aber die Verringerung der Beschäftigtenzahl in den letzten 12 Monaten um rund 47 000 auf 836 000 Arbeitskräfte und der Rückgang der Zuwanderung der Arbeitskräfte aus Westdeutschland.
Das Berlinförderungsgesetz hat sich damit als eine äußerst wirksame Hilfe für die Berliner Wirtschaft erwiesen. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß die steuerlichen Vergünstigungen weiter gewährt werden müssen. Dies schließt aber - das ist nun der zentrale Punkt dieser Novelle - notwendige Anpassungen an die Entwicklung der Verhältnisse nicht aus. Dieser Anpassung an wirtschaftliche Notwendigkeiten dient die Änderung der Umsatzsteuerpräferenzen. Hier sind Verbesserungen, aber auch gewisse Einschränkungen vorgesehen, die Fehlentwicklungen künftig verhindern sollen.
Die Verbesserungen erstrecken sich - ich sagte es schon zu Beginn - auf den Dienstleistungsbereich, dessen Ausbau im Interesse einer weiteren Strukturverbesserung der Berliner Wirtschaft notwendig ist. Ich erspare es mir, hier nochmals auf die Einzelheiten einzugehen. Die Präferenzeinschränkungen betreffen nur wenige Produktionsbereiche.
Daß die bisherige Regelung zu Auswüchsen geführt hat, ergibt sich aus drei Beispielen: Fleischlieferungen aus Berlin sind von 1968 bis 1974 von 23 Millionen DM auf 177 Millionen DM angewachsen; die Umsätze für Röstkaffee sind im gleichen Zeitraum von 50 Millionen DM auf 550 Millionen DM angestiegen; ähnliche Entwicklungen sind bei der Kupferproduktion zu beobachten. Diese wirtschaftlich wenig sinnvollen Entwicklungen sollen durch die Novelle für die Zukunft verhindert werden.
Die haushaltsmäßigen Auswirkungen - damit komme ich auch zur Frage von Herrn Wohlrabe - sehen wie folgt aus: 1976 Mehreinnahmen von 6 Millionen DM, 1977 Mehreinnahmen von 46 Millionen DM und 1978 von 53 Millionen DM. Diese Mehreinnahmen - Herr Wohlrabe, das ist die Antwort auf Ihre Frage - sind minimal im Vergleich zum Umfang der Steuerbegünstigungen, die das Berlinförderungsgesetz weiterhin gewährt. 1976 werden sich diese Steuerbegünstigungen auf insgesamt 4,9 Milliarden DM belaufen; die Kürzung beträgt 6 Millionen DM. Es handelt sich hier, wie gesagt, um Wildwuchs, der nach Auffassung aller Fraktionen zu beschneiden war. Die Kürzung in Höhe von 6 Millionen DM macht also gerade 0,12 % aus. Diese Zahl macht nicht nur deutlich, daß die Beschneidung von Wildwuchs seriöserweise nicht als Einschränkung der Berlinförderung bezeichnet werden kann. Sie zeigt auch, daß der Wildwuchs auf enge Bereiche beschränkt war und daß die Berlinförderung nach wie vor einen sinnvollen und wirksamen Beitrag zur Strukturentwicklung Berlins liefert.
({0})
Mit der vorliegenden Novelle wird das Instrumentarium der steuerlichen Förderungsvorschriften verbessert. Sie führt längerfristig zur besseren Nutzung der Produktionsfaktoren und zum weiteren Ausbau der Dienstleistungs- und Forschungskapazitäten in Berlin. Auch die Bundesregierung begrüßt die Verabschiedung dieser Novelle.
({1})
Meine Damen und Herren, für Berlin erteile ich das Wort Herrn Senator Lüder.
Senator Lüder ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst den aufrichtigen Dank Berlins an die drei Fraktionen und die Bundesregierung abzustatten, den Dank für Hilfe, für Unterstützung und für Solidarität bei der Aufgabe, notwendige Anpassungen des Berlinförderungsgesetzes vorzunehmen und die Leistungsfähigkeit dieses Gesetzes zu verbessern. Änderungen des Berlinförderungsgesetzes haben für
Senator Lüder
uns zentrale wirtschaftspolitische Bedeutung. Sie sind zugleich Anlaß, erneut Rechenschaft über die Funktion dieses wichtigsten Instruments der Wirtschaftsförderung Berlins abzulegen.
Lassen Sie mich gerade im Zusammenhang mit dem, was Herr Abgeordneter Wohlrabe gesagt hat, einiges feststellen und klarstellen:
Bei allen praktischen Erleichterungen, die das Viermächteabkommen der Stadt gebracht hat, bleiben erhebliche Standortnachteile bestehen. Diesen Standortnachteilen muß auch künftig durch den Fortbestand einer besonderen und wirksamen Berlinförderung begegnet werden. Es hieße aber, den Senat oder den Bürgermeister Oxfort mißverständlich in Anspruch nehmen, wenn hier davon gesprochen wird - so haben Sie es getan, Herr Abgeordneter Wohlrabe -, die Probleme Berlins seien voll und ganz bestehengeblieben.
({1})
Gerade dieses ist nicht der Fall. Gerade wenn wir die Vorteile des Viermächteabkommens sehen -und der Berliner Senat sieht und akzeptiert sie -, kommt es darauf an - und das ist die Kann-Formulierung des Herrn Bürgermeisters Oxfort -, daß wir aufmerksam bleiben, aber die Vorteile hier nicht auf einen Dreh wegdiskutieren.
({2})
- Ich habe sie erstens gelesen und Ihnen zweitens aufmerksam zugehört.
({3})
Eine stabile wirtschaftliche Entwicklung der Stadt kann langfristig nur gesichert werden, wenn die Berlinförderung nach Substanz und Umfang erhalten bleibt. Hier ist darüber diskutiert worden, ob sie dem Umfang nach erhalten bleibt. Herr Staatssekretär Offergeld hat dazu eben ein Wort gesagt. Ich darf dem ein weiteres hinzufügen. Wenn wir mit Zahlen operieren, sollten wir realistische Vergleiche anstellen. Dann müssen wir auch sehen, daß nur der Abbau der von allen drei Fraktionen übereinstimmend gesehenen unerwünschten Inanspruchnahme Berlin mehr gekostet hätte und dem Bund Mehreinnahmen gebracht hätte. Das Gute ist gerade, daß wir uns trotz der finanziell schwierigen Situation auf einem Mittelweg getroffen haben. Ein Teil der Verbesserungen wird aus den Mitteln bestritten, die wir durch die Vermeidung unerwünschter Inanspruchnahme freigesetzt haben.
({4})
Deswegen sage ich, daß die Berlinförderung auch nach diesem Gesetz nach Umfang und Substanz kontinuierlich erhalten bleibt.
Die Berlinförderung ist Hilfe zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigenkräfte Berlins. Das Ziel ist, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Stadt aus eigener Kraft schrittweise zu verbessern. Diesen Notwendigkeiten und Aufgaben tragen die anstehenden Änderungen des Berlinförderungsgesetzes Rechnung. Präferenzverbesserungen und Präferenzverminderungen bilden ein ausgewogenes und ausbalanciertes Ganzes. Die Effizienz der Berlinfärderung wird erhöht. Gesamtwirtschaftlich unerwünschte, ineffiziente Inanspruchnahmen der Vergünstigungen werden reduziert, struktur- und regionalpolitisch dringend erforderliche Verbesserungen ermöglicht. Ich meine, es war ein richtiger Schritt, daß der Berliner Senat - wenn Sie so wollen, als der Mitbegünstigte - von sich aus die Finger auf die Punkte gelegt hat, wo die unerwünschte Inanspruchnahme reduziert werden konnte und sollte, ein Schritt aus der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung heraus, der dann ja auch - quer durch alle Fraktionen - aufgenommen worden ist.
Hier wurde einiges über die Präferenzverbesserungen gesagt. Ich brauche dabei nicht mehr auf die Schwierigkeiten der Energieversorgung im Insel-Betrieb hinzuweisen und brauche wohl auch nicht besonders zu betonen, wie wichtig es ist, den Bereich der überregionalen privaten Dienstleistungen durch diesen sehr großen Sprung der Präferenzverbesserung zu stärken.
Ein strukturpolitisches Wort möchte ich mir nach dem erlauben, was Herr Abgeordneter Wohlrabe gesagt hat: diese Änderung sei nicht mittelstandsfreundlich. Gerade wenn wir uns die Struktur bei den überregionalen Dienstleistungen in Berlin ansehen, gerade wenn wir uns anschauen, wo hier die Verbesserungen vorgenommen werden, dann müssen wir feststellen, daß dies auch ein sehr wesentlicher Beitrag mittelstandspolitischer Strukturförderung für die Berliner Wirtschaft ist.
({5})
- Dieses ist auf dem Gebiet ein großer Sprung nach vorn.
({6})
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Durch die Änderungsvorschläge soll die BerlinFörderung effizienter und besser werden.
({7})
- Herr Wohlrabe, wir haben manche Wünsche, Hoffnungen, Anregungen für finanziell bessere Zeiten, aber wir sind realistisch genug, zu sehen, daß man nicht alles zu jeder Zeit tun kann.
({8})
- Nicht deswegen, weil wir die Kasse mit leer gemacht hätten! Ich bin als Vertreter des Berliner Senats nicht dazu da,
({9})
in die parteipolitische Polemik des Bundestages einzutreten. Nicht jeder Bundesratsvertreter muß die
Senator Lüder
gleiche parteipolitische Auffassung zu Sachbeiträgen im Deutschen Bundestag haben.
({10})
Ich habe hier den Standpunkt des Berliner Senats zu vertreten, und diesen Standpunkt fasse ich wie folgt zusammen:
Wir sind dankbar dafür, daß die Berlinförderung nach Umfang und Substanz kontinuierlich erhalten bleibt. Wir sind bereit, „Wildwuchs" - wie es hier genannt worden ist , unerwünschte Inanspruchnahme, sofern sie wider Erwarten jetzt noch vorliegen sollte, aufgeschlossen zu prüfen; diese Prüfung soll beim nächsten Mal auch längerfristig sein. Wir meinen, es ist richtig, dieses Gesetz so zu verabschieden, wie es hier vorgesehen ist. - Ich danke für das Verständnis für die Position Berlins.
({11})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Gesetz in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Meine Damen und Herren, das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen worden.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank
- Drucksache 7'3469 -Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache 7'4286 -Berichterstatter:
Abgeordneter von Alten-Nordheim
({1})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter von AltenNordheim; ich erteile ihm das Wort.
von Alten-Nordheim ({2}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank - Drucksache 7/3469 - muß ich leider noch kurz das Wort nehmen, obwohl dieser Gesetzentwurf von allen drei Fraktionen des Hohen Hauses einvernehmlich eingebracht und auch beraten worden ist, um auf ein Redaktionsversehen hinzuweisen und um dessen Korrektur zu bitten.
In Art. 2 muß die einleitende Zeile lauten:
§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank ...
und nicht: „§ 2 des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank . . ." Ich bitte, das zu berichtigen.
Wenn Sie, Herr Präsident, damit einverstanden sind, möchte ich gleich anschließend aus Gründen der Einfachheit den ebenfalls interfraktionellen Antrag -- Drucksache 7/4395 - zu diesem Gesetz begründen, mit dem der § 18 gestrichen werden soll. Dieser § 18 des Gesetzes, der die Abwicklung des Vermögens der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse betrifft, ist inzwischen dadurch überholt, daß durch § 8 Abs. 1 des Gesetzes zum Abschluß der Währungsumstellung die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse aufgelöst wird. Abs. 3 dieses § 8 bestimmt, wie die Abwicklung des Vermögens erfolgen soll. Dieses Umstellungsschlußgesetz ist inzwischen vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet worden. Es liegt dem Herrn Bundespräsidenten zur Unterschrift vor. Somit ist der § 18 des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank obsolet.
Da dieser Antrag mit allen drei Fraktionen abgestimmt ist, bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1, §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf der Drucksache 7/4395, der soeben von dem Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim begründet worden ist, den § 18 der Vorlage zu streichen, auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe §§ 19 und 20 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich weise noch einmal darauf hin, daß der Herr Berichterstatter eine Änderung des Art. 2 vorgeschlagen hat, so daß jetzt die geänderte Fassung zur Abstimmung steht. Ich rufe Art. 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir treten damit in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schachtschabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Verständnis der anstehenden Vorlage darf ich darauf verweisen, daß sich im kreditgenossenschaftlichen Sektor eine strukturelle Verbundorganisation als dreistufiges System ausgebildet hat. Im örtlichen Bereich bestehen die einzelnen Kreditgenossenschaften als Primärgenossenschaften meistens unter den Bezeichnungen Volksbanken, Spar- und Darlehenskassen, Raiffeisenkassen. Als regionale Bankinstitute fungieren Zentralkassen. Nationales Spitzeninstitut ist die Deutsche Genossenschaftskasse, die DGK.
Ich will davon absehen, zu dieser traditionell gegebenen organisatorischen Dreistufigkeit Stellung zu nehmen, die in der wissenschaftlichen wie praktischen Beurteilung gelegentlich auch als betriebswirtschaftlicher Luxus charakterisiert worden ist, wobei im wesentlichen für ein zweistufiges System plädiert wird. Vielmehr geht es allein darum, im Rahmen der gegebenen Struktur der kreditgenossenschaftlichen Verbundorganisation die zeiterforderlichen Veränderungen der Aufgaben des Spitzeninstituts zu verdeutlichen.
Gerade weil dieser kreditgenossenschaftlichen Zentralbank als finanziellem Ausgleichsinstitut die Aufgabe obliegt, die Förderung des gesamten Genossenschaftswesens wahrzunehmen und bei der Förderung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft mitzuwirken, ist ihre Anpassung an grundlegend veränderte wirtschaftliche Verhältnisse unumgänglich.
Abgesehen davon, daß nach rund 26 Jahren die gesetzlichen Grundlagen des kreditgenossenschaftlichen Spitzeninstituts den heutigen Anforderungen entsprechen müssen, stellt die Umwandlung der DGK in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bei gleichzeitiger Änderung ihrer Bezeichnung in „Deutsche Genossenschaftsbank" einen ersten Schritt - ich betone: einen ersten Schritt - der Neuordnung des genossenschaftlichen Kreditwesens dar, speziell bezüglich des Zusammenwirkens zwischen dem Spitzeninstitut und den regionalen Zentralkassen.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die ursprünglich für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Umwandlung der „Deutschen Genossenschaftsbank" in eine Aktiengesellschaft mit anschließender Fusion mit den regionalen Zentralbanken zurückgestellt worden ist. Das ist zu bedauern; denn dadurch hätte in einer geeigneten Rechtsform nicht nur ein durchaus wünschenswertes zweistufiges System verwirklicht, sondern vor allem der mittelständisch ausgerichtete Förderungsauftrag noch wirkungsvoller als bisher wahrgenommen werden können.
Unabhängig von diesen Erwägungen ist es aber von ausschlaggebender Bedeutung, daß mit der Novellierung des DGK-Gesetzes die Deutsche Genossenschaftsbank als Universalbank arbeiten kann, wobei durch Wegfall der bisherigen Geschäftsbeschränkungen eine Ertragsverbesserung ermöglicht wird. Der Übergang zur Universalbank ist im wesentlichen dadurch gerechtfertigt, daß bereits eine
Zusammenfassung der gewerblichen und ländlichen I Genossenschaftsorganisationen erfolgt ist und bisherige Steuerbefreiungen weggefallen sind. Die ausschlaggebende Begründung ist aber darin zu sehen, daß anstehende mittelständische Strukturprobleme nur auf Grund von neu- und durchorganisierten kreditgenossenschaftlichen Verhältnissen gelöst werden können. Insofern liefert die Novellierung des DGK-Gesetzes zweifellos eine entscheidende Grundlage für eine optimale Durchführung der Förderung des Genossenschaftswesens, speziell auch eingedenk der Tatsache, daß damit den veränderten Wettbewerbsbedingungen sowie dem Kapitalbedarf der mittelständischen Wirtschaft entsprochen werden kann.
Im Bericht des Finanzausschusses vom 6. November 1975 ist bereits zum Ausdruck gebracht worden, daß durch die Arbeiten und Beschlüsse dieses federführenden Ausschusses wie auch der mitberatenden Ausschüsse verschiedene Änderungen vorgenommen worden sind, die insbesondere der Klarstellung, der Abgrenzung oder der Ergänzung dienen. Alle diese Anträge sind einstimmig angenommen worden und bedürfen im einzelnen keiner näheren Begründung.
Doch erscheint es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, daß für die Deutsche Genossenschaftskasse die Umlaufgrenze für gedeckte und ungedeckte Schuldverschreibungen auf das Fünfzehnfache des eingezahlten Grundkapitals und der ausgewiesenen Rücklagen begrenzt und die Aufhebung oder Verringerung einer Kapitalbeteiligung von der Zustimmung des Kommissars abhängig gemacht worden ist; ganz zu schweigen von einigen anderen Regelungen, auf die ich nicht weiter eingehen will.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Gesetzentwurf, der durch eine gemeinsame Initiative der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen eingebracht worden ist, nicht nur begrüßt, vielmehr sieht sie in diesem Entwurf, an dem auch seitens der sozialdemokratischen Kollegen intensiv mitgearbeitet worden ist, einen wesentlichen Beitrag zur Lösung mittelstandspolitischer Probleme. Gerade in der SPD-Bundestagsfraktion sind die ersten Anregungen für die Novellierung des DGK-Gesetzes sofort aufgegriffen und eingehend beraten worden. Alle Teilfragen dieses Entwurfes sind verantwortungsbewußt überprüft worden, um eine möglichst zweckmäßige Fassung mit klaren Bestimmungen und Abgrenzungen zu finden. Das ist auch so weit wie möglich gelungen, obwohl es starke Neigungen gegeben hat, die ursprüngliche Ausrichtung auf eine Umwandlung in eine AG mit anschließender Fusionierung der regionalen Zentralbanken aus Verantwortung für die Genossenschaften und die ihnen verbundenen mittelständischen Unternehmen zu bejahen.
({0})
Doch glauben wir, daß auch mit dem als jetzige Vorlage ausformulierten Entwurf eine ebenso genossenschafts- wie mittelstandspolitisch bedeutsame Maßnahme geschaffen worden ist, die gerade den
genossenschaftlich organisierten kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen wird.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird dieser Vorlage ihre Zustimmung geben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete von Alten-Nordheim.
von Alten-Nordheim ({0}) : Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der reichhaltigen Tagesordnung lassen Sie mich die Dinge sehr kurz darstellen. Die CDU/CSU- Fraktion begrüßt, daß die Deutsche Genossenschaftskasse in Anpassung an die tatsächlichen Gegebenheiten von einer Anstalt in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt wird. Hierdurch werden unter anderem die Ausdehnung des Geschäftskreises auf Bankgeschäfte aller Art und die Erweiterung des Emissionsvolumens erreicht, womit die Deutsche Genossenschaftskasse auch in die Lage versetzt wird, ihr geschäftspolitisches Handeln künftig den aktuellen strukturellen Änderungen im genossenschaftlichen Kreditsektor anzupassen. Die CDU/CSU unterstützt daher voll diesen Gesetzentwurf.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus
({0})
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank ist ein Beweis für die Durchsetzungskraft von mittelständischen Selbsthilfevereinigungen. Dieses Gesetz ist vor allem deswegen notwendig geworden, weil die als Selbsthilfeorganisationen gegründeten Kredit- und Warengenossenschaften eine so starke Expansion erfahren haben - Volksbanken und Raiffeisenkassen haben das ausgedehnteste Zweigstellennetz der drei großen Kreditunternehmensbereiche -, daß das bisherige Betätigungsfeld für die Deutsche Genossenschaftsbank nicht mehr ausreicht.
Die Ausdehnung des Betätigungsfeldes der Deutschen Genossenschaftsbank wird jedoch nicht dazu führen, daß der bisherige mittelständische Kundenkreis der Volksbanken und Raiffeisenbanken schlechter betreut wird. Im Gegenteil, durch die Umbildung der Deutschen Genossenschaftsbank zu einer echten Universalbank werden dem finanziellen Kreislauf der Genossenschaftsbanken neue finanzielle Mittel und neue Möglichkeiten zugeführt. Durch den Verwaltungsrat wird außerdem sichergestellt, daß die Deutsche Genossenschaftsbank in ihrer subsidiären Stellung gegenüber den Zentralkassen und mittelbar gegenüber den vielen Tausenden der einzelnen genossenschaftlichen Institute und Raiffeisenkassen eingebunden bleibt.
Während z. B. einem privatwirtschaftlichen Kreditinstitut ähnlicher Größenordnung die einzelnen Filialen doch immer nur dem wirtschaftlichen Interesse der Zentrale zu dienen haben, ist bei der Deutschen Genossenschaftsbank der Verwaltungsrat eine Gewähr dafür, daß die in Zukunft von Einschränkungen befreite Geschäftstätigkeit letzten Endes doch dem gesamten Genossenschaftswesen zu dienen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es dürfte kein Zweifel bestehen, daß diese Selbsthilfeorganisationen in vielen Fällen gerade für das Handwerk und andere selbständige Gewerbetreibende, insbesondere auch für die Landwirtschaft, in der Vergangenheit oft die einzige greifbare Möglichkeit boten, die notwendige Finanzierung zu sichern. Gerade diese mittelständischen Existenzen aber machen die Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und einen großen Teil der Leistungsfähigkeit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung aus. Sie sind gleichzeitig der Weg für viele Mitbürger, mehr Selbstverantwortung und Gestaltungswillen in einer freien Tätigkeit ausüben zu können.
So gesehen, ist der Beitrag des Genossenschaftswesens zu einer freien und liberalen Gesellschaft unverzichtbar. Die FDP sieht in ihm auch weiterhin eine tragende Stütze unserer Gesellschaftsordnung.
Die in diesem Sinne logische Fortentwicklung des Zentralinstituts der Genossenschaften durch dieses Gesetz wird die Effizienz dieser Selbsthilfevereinigungen noch wesentlich verbessern. Die Ausgabe von ungedeckten Schuldverschreibungen, die Einbeziehung der Darlehensforderungen gegenüber angeschlossenen genossenschaftlichen Kreditinstituten in den Deckungsstock sowie die Ausgabe von mündelsicheren Papieren verbessern ihre Konkurrenzfähigkeit und stärken die Position auch der verbundenen Institute.
Der Erweiterung und Verbesserung der Geschäftstätigkeit steht nun aber auf der anderen Seite die steuerliche Erfassung - dies ist auch im Zusammenhang mit dem Haushaltsstrukturgesetz zu sehen - durch die Körperschaftsteuer gegenüber. Daß diese steuerliche Erfassung im Einvernehmen mit den Betroffenen - sozusagen als Preis für die Umwandlung in eine Universalbank - vorgenommen werden kann, beweist, wieviel sich die Betroffenen selber von der Ausweitung der Geschäftstätigkeit versprechen.
Die FDP-Fraktion teilt die mit diesem Gesetz verbundenen Hoffnungen und wünscht der Deutschen Genossenschaftsbank im Rahmen ihres neuen gesetzlichen Kleides guten Erfolg. Die Freien Demokraten stimmen dem Gesetz zu.
({0})
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer dem. Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe nun Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung
- Drucksache 7/2685 Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0})
- Drucksache 7/4330 Berichterstatter: Abgeordneter Urbaniak ({1})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? -- Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes
- Drucksache 7/2793 Bericht und Antrag des Innenausschusses ({2})
Drucksache 7/4379 - Berichterstatter:
Abgeordneter Freiherr von Fircks Abgeordneter Hofmann
({3})
Hierzu gehören noch folgende zwei Vorlagen, die zur zweiten Beratung anstehen; sie sind nicht auf der gedruckten Tagesordnung enthalten, wohl aber auf der Ergänzung zu Punkt 8 der Tagesordnung. - Sie sind mit der Aufsetzung der Vorlagen einverstanden:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Josten, Dr. Kliesing, Geisenhofer, Maucher, Röhner, Müller ({4}), Burger, Frau WillFeld, Damm, von Bockelberg, Erhard ({5}), Wissebach, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Jahn ({6}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes - Drucksache 7/636 -a) Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 7/4403 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl
({8}) b) Bericht und Antrag des Innenausschusses ({9})
Drucksache 7/4379 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr
von Fircks
Abgeordneter Hofmann
({10})
Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes
- Drucksache 7/2884 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({11}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/4403Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl
({12})
b) Bericht und Antrag des Innenausschusses ({13})
- Drucksache 7/4379Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr
von Fircks
Abgeordneter Hofmann
({14})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Das Wort zur Beratung hat Herr Abgeordneter Josten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die hier zur Diskussion und Beschlußfassung anstehenden drei Gesetzesvorlagen eingehe, möchte ich kurz etwas zu der Entwicklung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes in den letzten Jahren sagen.
Die CDU/CSU bedauert außerordentlich, daß wir nicht bei den Ausschußberatungen zu einer gemeinsam vertretbaren Vorlage gekommen sind. Das war früher anders. Ich nenne aus der 5. Wahlperiode 1965 die 151. Sitzung vom 26. Januar 1968. Damals sprach für die SPD der Kollege Büttner, für die FDP sprach der Kollege Schmidt ({0}), ich sprach für die CDU/CSU-Fraktion und sagte u. a. wörtlich: „Wir sind ein Rechtsstaat und müssen dazu beitragen, daß unsere junge Demokratie glaubhaft bleibt." Ich sagte dies damals im Hinblick auf unsere Versprechungen, die hier von diesem Hause und den drei demokratischen Parteien im Lande immer wieder gemacht wurden. Darum gilt das auch heute noch und sollte unsere Entscheidungen mit bestimmen.
Aus der 6. Wahlperiode 1969 gibt es ein gutes Beispiel; ich nenne hier die 87. Sitzung am 16. Dezember 1970, also vor zirka fünf Jahren. Es ging damals um die Beratung eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes. Ziel dieser interfraktionellen Gesetzesvorlage war u. a., die Benachteiligung von Witwen verstorbener Kriegsgefangener im KriegsJosten
gefangenenentschädigungsgesetz zu beseitigen.
Nach der Beratung im Innenausschuß erfolgte eine gemeinsame Annahme im Plenum.
Meine Damen und Herren, dieser gemeinsame Weg wurde nun in der 7. Wahlperiode verlassen. In der 39. Sitzung am 7. Juni 1973, also vor zweieinhalb Jahren - das geht auch aus dem Protokoll des Innenausschusses hervor -, wurde bei der Beratung unseres Gruppenantrags auf Drucksache 7/636 zwar der Wunsch ausgesprochen, uns in den Ausschüssen zu einigen, doch leider ohne Erfolg. Zuvor waren unsere Bemühungen, zu einem interfraktionellen Entwurf zu kommen, auch bereits gescheitert. Das ist sehr zu bedauern. Ich sage das besonders deshalb, weil ich ein Vertreter der Kriegsgeneration bin, der den Dreck des Krieges miterlebt hat, der aber auch die Diskussionen in den Gefangenenlagern kennt und weiß, wie wir uns damals gegenseitig versprochen haben: Wer nach Hause kommt, wird das nicht vergessen; er wird besonders diejenigen nicht vergessen, die nicht das Glück haben, nach Hause zu kommen.
Die Fraktion der CDU/CSU wird nun dem Antrag des Innenausschusses auf Annahme des geänderten Gesetzentwurfs der SPD und FDP - Drucksache 7/2793 - zustimmen, da er den Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 7/2884 - zum Teil beinhaltet. Ich bedauere, daß sich die Mehrheit des Innenausschusses nicht in der Lage sah, wenigstens unserem Vorschlag zu folgen, den durch die Vorziehung der zeitlich festgelegten Mittel aus der Heimkehrerstiftung in Höhe von 18 Millionen DM entstehenden Zinsverlust in Höhe von 5,7 Millionen DM auszugleichen. So wichtig und durchaus auch richtig die Vorziehung der 18 Millionen DM ist - was wir nachdrücklich auch in unserem eigenen Antrag unterstützt haben -, so bedauerlich bleibt die damit verbundene Kapitalminderung der Heimkehrerstiftung in Höhe der bereits genannten 5,7 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, durch Presseverlautbarungen ist der Eindruck erweckt worden, als hätte die Koalition der Heimkehrerstiftung 18 Millionen DM mehr gegeben. Dieses Spiel der Irreführung der Heimkehrer - anders kann ich es nicht nennen - ist verwerflich, und ich lege deshalb Wert auf eine Richtigstellung vor diesem Hohen Hause.
Ein weiteres: Für die Fraktion der CDU/CSU und auch für viele Kollegen aus der CDU/CSU draußen im Lande ist die Sache damit noch nicht abgeschlossen. Der Innenausschuß hat mit den Stimmen der Koalition den Gruppenantrag der CDU/CSU, also unsere Drucksache 7/636 vom 25. Mai 1973, abgelehnt. Wäre der Antrag 1973 behandelt worden, wären die finanziellen Voraussetzungen besser gewesen. Zweieinhalb Jahre später sieht es durch die Verschuldung der Regierung anders aus. Damals müssen es also andere Gründe gewesen sein, die die SPD und die FDP bewogen haben, diesen Antrag zweieinhalb Jahre liegen zu lassen. Durch diesen Antrag sollte den ehemaligen Kriegsgefangenen Gerechtigkeit gewährt werden durch Angleichung an die durch die 5. Novelle zum Häftlingshilfegesetz eingeführten
Leistungsverbesserungen für ehemalige politische Häftlinge.
Meine Damen und Herren, wir haben die Anliegen der aus Haftanstalten der DDR in die Bundesrepublik Deutschland entlassenen ehemaligen politischen Häftlinge seitens der CDU/CSU stets tatkräftig unterstützt, aber es ist nach dem laufenden Freikauf
- anders kann man es ja nicht nennen - immer neuer politischer Häftlinge, der die Bundesrepublik inzwischen mehr als eine halbe Milliarde DM gekostet hat, an der Zeit, auf die geradezu skandalöse Zurückstellung der Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft hinzuweisen.
({1})
- Jawohl, ein großer Teil ist schon gestorben, und es gibt vielleicht Kollegen, die glauben, je länger wir warten, desto geringer wird die Diskussion im Lande. Ich glaube, die jüngere Generation wird sagen, daß der Krieg doch nun schon 30 Jahre zurückliege und auch nach der Erklärung der Bundesregierung die Kriegsfolgengesetzgebung abgeschlossen sei. Hier liegt wahrscheinlich die Hauptbegründung und auch die Schwierigkeit für die Kollegen bei der SPD und der FDP, mit uns in einer Linie noch weiter mitzumachen.
Darum wäre dazu festzustellen:
1. Der letzte Großtransport deutscher Kriegsgefangener kehrte erst im Jahre 1956 aus der Sowjetunion zurück.
2. Die Anträge der CDU/CSU-Fraktion zu Teilen des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes setzen nicht neues Recht, sondern sind Bausteine zu dem überfälligen Schlußgesetz, von dem wir auch immer gesprochen haben.
3. Die Erklärung der Bundesregierung, die Kriegsfolgegesetzgebung sei abgeschlossen, kann doch nicht heißen, daß geltendes Recht nicht entwickelt werden darf, nachdem auch das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz auf eine 20jährige Erfahrung zurückblicken kann.
Meine Damen und Herren, die Menschen, die aus dem Krieg und der Gefangenschaft, aus Flucht und Vertreibung kamen, leben doch noch. So hat auch der ebenfalls seitens der SPD und der FDP zur Ablehnung empfohlene Antrag der CDU/CSU-Fraktion - Drucksache 7/2884 - zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes lediglich eine Vereinfachung des Gesetzes vorgeschlagen, und zwar ohne zusätzliche Haushaltsmittel - was auch im Protokoll der Berichterstatter steht -, sondern nur durch sinnvolle Lenkung der Darlehensrückflüsse aus dem gegenwärtigen Abschnitt 2 dieses Gesetzes in den Abschnitt der Heimkehrerstiftung des gleichen Gesetzes.
Meine Damen und Herren, in dem Bericht und Antrag des Innenausschusses - Seite 5 -, der uns heute hier im Plenum vorliegt, heißt es unter Punkt 4:
Der Innenausschuß hat den Gesetzentwürfen
- Drucksachen 7/636, 7/2884 - insbesondere
deshalb nicht zugestimmt, weil sie nicht mit der Erklärung der Bundesregierung über den Abschluß der Kriegsfolgengesetzgebung in Einklang stehen.
Daß das so ist, dem kann ich nur zustimmen, muß aber hierzu sagen: Die Fraktion der CDU/CSU, besonders eine Gruppe von uns, wird sich damit nicht abfinden. Sie wird zur gegebenen Zeit die leider offengebliebenen Ungerechtigkeiten und Unzweckmäßigkeiten im Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz wieder aufgreifen. Meine Damen und Herren, dazu brauchen wir aber eine neue Regierung. Denn die Festlegung durch die Regierungserklärung wird uns hierzu keine Möglichkeit bieten.
({2})
- Ich glaube, mit Ihrer Bemerkung, darauf könnten wir lange warten, sollten Sie vorsichtiger sein. Hochmut kommt oft vor den Fall!
({3})
Meine Damen und Herren, ich möchte für viele Kollegen unseren ehemaligen Kameraden in den Gefangenenlagern versichern, daß auch 30 Jahre nach dem Kriege gilt: Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist!
({4})
- In den ersten 20 Jahren haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Hier sitzt der Kollege Windelen, der damals als zuständiger Minister dafür gesorgt hat, daß die Heimkehrerstiftung geschaffen wurde. Sie zu verbessern wäre eine Möglichkeit gewesen. Es bleibt unsere Absicht, dies zukünftig nachzuholen.
({5})
Meine Damen und Herren, wir stimmen heute dem Antrag des Innenausschusses zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Hofmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf, der der SPD/FDP - Drucksache 7/2793 -, zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes wurde dringend notwendig, da Tausende von Darlehensanträgen auf Beschluß des Stiftungsrates der Heimkehrerstiftung mit dem Hinweis zurückgesandt wurden, daß die Mittel dazu fehlten.
({0})
Auch der Heimkehrerverband stellte am 30. August 1974 in einer Erklärung fest: „Darlehensmittel für 1974 erschöpft!" Ich darf in dem Zusammenhang mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren:
Die Darlehensmittel für 1974 sind inzwischen
voll aufgebraucht, so daß alle Überhanganträge
auf Veranlassung der ständigen Kommission des Stiftungsrates an die Antragsteller zurückgegeben werden müssen.
Im Jahreshaushalt 1975 sind für Darlehen 6 Millionen DM eingeplant. Diese Summe kann nicht überschritten werden. Eine Aufarbeitung der genannten Überhanganträge aus 1974 würde also bedeuten, daß der Jahreshaushalt 1975 bereits jetzt, im August/September 1974, blockiert wäre und für 1975 keine Darlehensanträge mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden könnten, sondern bei Eingang umgehend wegen fehlender Mittel zurückgegeben werden müßten.
Das ist die Stellungnahme des Heimkehrerverbandes, der bereits am 1. Mai 1974 einen ähnlichen Aufruf erlassen hat, in dem gefordert wird, daß es der Wille des Verbandes sei, die Darlehen allmählich zugunsten der Unterstützung abzubauen.
Meine Damen und Herren, aus unzähligen Eingaben ehemaliger Kriegsgefangener mußten wir nun wieder feststellen, daß bei allem guten Willen der Heimkehrerstiftung eben nicht geholfen werden konnte, weil einfach nicht genügend Mittel aus der Stiftung zur Verfügung standen. Zu dieser Erkenntnis kam auch der Geschäftsführende Präsident des VdH, als er am 23. Juli 1974 eine Initiative des Verbandes zu einer Gesetzesänderung ankündigte, da die Aufnahme von zusätzlichen Millionen D-Mark aus dem Stammvermögen der Stiftung eine Gesetzesänderung voraussetze. Bei dieser Ankündigung ist es geblieben.
Am 13. November 1974 legten die Fraktionen der SPD/FDP den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vor mit dem Ziel, die Mittel für Darlehen und Unterstützungen aus der Heimkehrerstiftung für die Zeit von 1975 bis 1979 befristet zu erhöhen.
Im einzelnen ist vorgesehen: Es können neben den jährlichen Erträgnissen aus dem Stammvermögen der Stiftung für die Jahre 1975 und 1976 je 8 Millionen DM, für das Jahr 1977 7 Millionen, für das Jahr 1978 6 Millionen und für das Jahr 1979 4 Millionen DM verwendet werden. Durch diese Änderung wird ersichtlich, daß wir voll und ganz dem gerecht werden, was der Kollege Burger, CDU, am 13. Juni 1969 von dieser Stelle aus sagte - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin -:
Der Ausschuß war der Auffassung, daß die flexible Form der Stiftung für eine gezielte Hilfe für ehemalige Kriegsgefangene günstig sei, und begrüßt darin die Abkehr vom bisherigen Gießkannenprinzip.
Herr Kollege Josten, ich muß ergänzend hinzufügen, daß wir zu dem stehen, was im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden - Drucksache V/4312 vom 9. Juni 1969 - vom Kollegen Burger, CDU, und dem Vorsitzenden des Ausschusses, dem Kollegen Mick, CDU, unterschrieben worden ist.
({1})
- Natürlich! Aber hören Sie doch erst einmal zu, was darin steht.
({2})
- Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß dies die Zeit der Großen Koalition war und daß 90 °/o der Abgeordneten dieser Großen Koalition zugehörten. Dazu gibt es doch keinen Gegenspruch.
Ich darf zitieren:
Nach der Erklärung der Bundesregierung vom 13. Dezember 1966 sollten bei der Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen neue Zahlungen für die Vergangenheit nur noch geleistet werden, wenn die wirtschaftliche Lage des Empfängers eine Hilfe erfordert. Da der überwiegende Teil der ehemaligen Kriegsgefangenen aber bereits wieder in das Wirtschaftsleben eingegliedert ist, erscheint es nicht vertretbar, die Entschädigungssätze des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1964 linear anzuheben.
Meine Damen und Herren, das war die Meinung von 90 % der Abgeordneten zu dieser Zeit. Wenn dann gesagt wird, wir brauchten eine neue Regierung, die das wieder ändert, dann muß ich sagen, daß Sie 20 Jahre lang diese Regierung hatten, die das hätte ändern können, wenn sie es gewollt hätte.
({3})
Die Große Koalition von damals - einschließlich der heutigen Opposition war der Meinung, daß nicht mehr linear angehoben, sondern daß die flexiblere Stiftung geschaffen werden sollte.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Josten?
Herr Kollege Hofmann, meine Bemerkung, wir brauchten eine neue Regierung, bezog sich - das haben Sie doch sicher auch so verstanden - auf die Äußerung, die vom Bundeskanzler im Rahmen seiner Regierungserklärung gemacht wurde, in der er für seine Regierung erklärte, daß sie die Kriegsfolgengesetzgebung als abgeschlossen betrachte. Sie bezog sich nicht irgendwie auf das Gießkannenprinzip; denn darüber kann man sicher anderer Meinung sein. Und klüger werden galt ja hier im Hause auch immer als ein Vorteil.
Herr Kollege Josten, die Erklärung des Kanzlers, die Kriegsfolgengesetzgebung sei abgeschlossen, steht doch nicht im Widerspruch zu dem, was damals 90 % der Abgeordneten gesagt haben, nämlich daß nicht mehr linear angehoben wird. Da die Flexibilität der Stiftung besteht, gibt es Gott sei Dank die Möglichkeit, daß wir flexibel helfen. Ich sehe keinen Widerspruch, wenn 90 % dieses Hauses erklären, wir brauchten keine lineare Anhebung mehr, und der Kanzler dann danach sagt, die Kriegsfolgengesetzgebung sei abgeschlossen.
({0})
Die Stiftungsmittel werden allerdings bis zum Ende der Laufzeit gegeben. Auch da gibt es keinen Widerspruch.
Ich möchte ein Wort zur Größenordnung der Heimkehrerstiftung hinzufügen. Das Stammvermögen beträgt 60 Millionen DM plus der durch die Initiative des Kollegen Wehner dazugekommenen 22 Millionen DM Kriegsgefangenenzertifikatsmittel, die 20 Jahre bei den Landeszentralbanken unverzinslich hinterlegt waren. Das war die Zeit, meine Damen und Herren, in der die heutige Opposition regierte. Hätte man dieses Vermögen damals bereits zinsgünstig angelegt und an in Not befindliche Kameraden der Heimkehrer ausgezahlt, hätte eine weitaus größere Summe als 22 Millionen DM schon lange gute Dienste leisten können.
Ich komme nun zum Vermögensstand der Stiftung. Es bestanden 82 Millionen DM Stammvermögen plus Zertifikatsmittel plus rund 13 Millionen DM Zinsen von 1970 bis 1974. Das beträgt zusammen 95 Millionen DM. Davon wurden etwa 20 Millionen DM für Unterstützungen ausgezahlt, so daß zum 1. Dezember 1975 ein Bestand von rund 75 Millionen DM vorhanden war. An Darlehen wurden rund 38 Millionen DM gewährt, die wieder in die Stiftung zurückfließen. Obwohl also etwa 58 Millionen DM in Form von Darlehen und Unterstützungen an Heimkehrer zur Verfügung gestellt wurden, sind vom Stammvermögen erst ganze 7 Millionen DM aufgebraucht worden. Anders ausgedrückt: Obwohl ein Viertel der Laufzeit der Stiftung verstrichen ist, wurden nur 8,5% des Vermögens verteilt.
Ich möchte nun noch ein kritisches Wort zum Beschluß des Stiftungsrats sagen. Der Stiftungsrat hat in seiner Sitzung vom 23. Juli 1974 - gewiß aus Mangel an Mitteln - bedauerlicherweise folgenden Beschluß gefaßt. Wohnungsbaudarlehen werden nicht mehr gewährt, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung das 55. Lebensjahr - in besonderen sozialen Härtefällen das 60. Lebensjahr - vollendet hat. Auf die Praxis bezogen, heißt das, meine sehr verehrten Damen und Herren: All die ehemaligen Kriegsgefangenen, die zu Beginn des Krieges 19 Jahre und älter waren, erhalten kein Wohnungsbaudarlehen mehr, weil sie in diesem Jahre 55 Jahre alt wurden oder bereits älter sind. Mit anderen Worten, wer den ganzen Krieg durchgestanden und die Kriegsgefangenschaft überstanden hat, wird von dem Stiftungsrat abgewiesen. Damit wird der überwiegende Teil der Heimkehrer von der Darlehensgewährung für den Wohnungsbau ausgeschlossen. Das war und ist nicht der Wille des Gesetzgebers. Bereits im Jahre 1977 kann der zu Kriegsende 23jährige ehemalige Kriegsgefangene keinen Antrag auf Wohnungsbaudarlehen stellen, weil er in diesem Jahre das 55. Lebensjahr überschritten haben wird. Damit wird vom Stiftungsrat § 46 Abs. 1 der Heimkehrerstiftung unterlaufen und der Wille des Gesetzgebers übergangen. Jeder kann sich ausrechnen, daß in den nächsten Jahren überhaupt kein Heimkehrer mehr einen Antrag auf Darlehensgewährung für den Wohnungsbau einreichen kann.
Wenn wir dennoch in unserem Gesetzentwurf auf eine Festlegung verzichtet haben, wonach die bereitgestellten Mittel je zur Hälfte für Darlehen und Unterstützung zu verwenden sind, dann geschah es, damit die Stiftung ihre Flexibilität behält, und im Vertrauen darauf, daß die Darlehen für den Wohnungsbau entsprechend der Stiftung vergeben werden.
Nun gestatten Sie ein Wort zu den 5 Millionen DM Zinsen. Herr Kollege Josten, ich bedaure, daß auch Sie das aufgegriffen haben; denn trotz der Notwendigkeiten, die ich angeführt habe, und unseres guten Willens gibt es leider böse Zungen, die behaupten, wir wollten durch die Vorziehung von Stammvermögen die Heimkehrer um 5,7 Millionen DM bringen. Ich darf dazu ausführen: Zur Vorfinanzierung erhöhter Stiftungsleistungen werden vom zweiten Halbjahr 1975 bis zum ersten Halbjahr 1979 Fremdmittel in einer Größenordnung von 17,1 Millionen DM - nicht, wie wiederholt behauptet wurde, 18 Millionen DM - aufgenommen. Dieser Betrag entspricht einer bis zum 2. Mai 1979 laufenden Festgeldanlage bei einem Zinssatz von 7,5 % aus Mitteln des Stiftungsvermögens. Die Einnahmen hieraus belaufen sich vom 1. Juli 1975 bis 2. Mai 1979 auf 5,13 Millionen DM, die sich jedoch um die Kosten der Vorfinanzierung verringern, allerdings nicht - wie irreführend dargestellt wird - um 5,7 Millionen DM. Bei den Kosten der Vorfinanzierung werden erhebliche Einsparungen erreicht. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die am 26. August 1975 in Höhe von 2 Millionen DM aufgenommene erste Tranche mit einem Zinssatz von 4,6 % ausgestattet ist. Konkret sieht es also so aus, daß den erwähnten Zinseinnahmen von 5 130 000 DM bei einem Zinssatz von 6 % ein Zinsaufwand von rund 2 382 000 DM gegenübersteht, so daß noch rund 2 748 000 DM Zinseinnahmen verbleiben.
Meine Damen und Herren! Die Zahlen und Argumente lassen nicht nur uns im Parlament, sondern auch die Heimkehrer erkennen, wie dringend notwendig unser Gesetzentwurf ist. Aus den noch vorhandenen 75 Millionen DM der Stiftung wird für jeden ersichtlich, daß der im Jahre 1969 festgelegte Schlüssel zur jährlichen Entnahme von 3 Millionen DM des Stammvermögens zu gering war und der Heimkehrer recht hatte, der uns schrieb: „Wir wollen jetzt Hilfe und nicht erst 1985, 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges!" Wenn man berücksichtigt, daß in der fünfjährigen Tätigkeit der Stiftung lediglich 10 500 Unterstützungen und 1 843 Darlehen bewilligt werden konnten, wird man einsehen, daß durch Vorziehung des Stammvermögens in den nächsten Jahren den ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen weit mehr als bisher geholfen und für diesen großen Personenkreis mehr soziale Gerechtigkeit verwirklicht werden kann. Wir möchten ausdrücklich betonen, daß wir den Menschen jetzt helfen wollen, die in oft jahrelanger Gefangenschaft bitteres Leid erlebt haben, und die Stiftung nicht um jeden Preis 20 Jahre in der jetzigen Form zu erhalten versuchen. Unterstützungen sind auch nach der Änderung in den achtziger Jahren immer noch möglich. Es wird der Heimkehrerstiftung und dem Verband der Heimkehrer obliegen, jetzt gezielt und mehr Menschen zu helfen. Sinn der Vorziehung ist es aber nicht, jetzt höhere Unterstützungen zu gewähren, damit das Geld auf jeden Fall und unbedingt ausgegeben wird.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß im Interesse der Heimkehrer die von uns vorgesehene Regelung durch die bereits veranlaßten und noch vorgesehenen Maßnahmen durchaus kostensparend durchgeführt wird. Die Stiftung wird bei weitem nicht in dem Maße belastet, wie das in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Das Substanzvermögen der Heimkehrerstiftung wird überhaupt nicht angegriffen.
Aus alledem mögen Sie hier, meine Damen und Herren, und die Heimkehrer draußen erkennen, daß mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen echt geholfen werden soll. Wir werden aufmerksam verfolgen, ob dem Wollen der Mehrheit des Deutschen Bundestages durch die Heimkehrerstiftung Rechnung getragen wird. Deshalb sagen wir ja zur Hilfe für die ehemaligen Kriegsgefangenen und deren Hinterbliebene.
Nun sei mir gestattet, noch ein Wort zu den Anträgen der CDU/CSU zu sagen. Das betrifft den Antrag auf Drucksache 7/636. Es ist ein Gruppenantrag, der von 148 Kolleginnen und Kollegen der Opposition unterschrieben wurde. Der Gruppenantrag kann nicht genau darstellen, wie hoch die Kosten sein werden. Man schätzt sie auf 300 bis 600 Millionen DM. Ich bedauere, daß der Antrag nicht zurückgezogen wurde; denn er stellt den Beschluß der CDU/ CSU-Fraktion in Frage, keine ausgabenwirksamen Gesetze mehr vorzulegen.
({1})
- Herr Kollege Josten, ich weiß schon, Sie wollen jetzt die Frage stellen, ob ich nicht erkannt habe, daß dies vor dem Beschluß eingebracht wurde. Aber man hätte ihn doch zurückziehen können. Der federführende Innenausschuß hat diesen Antrag behandelt. Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: 148 haben unterschrieben. Nun schauen Sie sich einmal hier um, keine 10 % davon sind hier.
({2})
- Nein, nein, das ist keine billige Masche, sondern das zeigt, wie wenig ernst es Ihnen um die Durchsetzung dieses Antrages ist, mit dem Sie draußen vor den Leuten der Verbände Propaganda machen. Wie groß ist dann das Interesse hier im Hause?! Das muß einmal gesagt werden!
({3})
- Beruhigen Sie sich, es kommt noch eine Tatsache. Im Innenausschuß hat die CDU/CSU 12 Kollegen. Davon waren ganze 6 da. Jetzt kommt das Entscheidende. Im Innenausschuß haben die Kollegen der CDU/CSU zu diesem Gruppenantrag nicht ja und nicht nein gesagt, sondern sich der Stimme enthalten.
({4})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Josten?
Bitte schön.
Herr Kollege Hofmann, geben Sie zu, daß wir im Innenausschuß eine Zurückstellung dieses Antrages gefordert haben, und zwar in der Hoffnung, daß im Frühjahr bessere wirtschaftliche Verhältnisse bestehen, und daß dieser Antrag pro Jahr 30 Millionen DM ausmacht? Sie wissen selbst, daß beispielsweise die Erhöhung beim Presse- und Informationsamt 40 Millionen DM im Jahr ausgemacht hat.
Herr Kollege Josten, ich will jetzt nicht auf persönliche Unterredungen zwischen Ihnen und mir eingehen. Wir waren uns damals ja alle einig. Es wäre gut gewesen, wenn Sie die Frage nicht gestellt hätten. Aber ich will trotzdem nicht unfair sein und sagen, was wir damals vereinbart haben. Ich freue mich allerdings außerordentlich, daß hier einmal im Deutschen Bundestag bestätigt wird, daß wir bessere Aussichten haben und wahrscheinlich unmittelbar vor dem Aufschwung stehen. Recht vielen Dank dafür!
Wenn Sie die neue Regierung stellen, von der Sie heute gesprochen haben, bin ich gespannt, welche der Anträge, die Sie hier in dieser Zeit gestellt haben, Sie dann verwirklichen wollen.
({0})
Ich komme zum letzten Antrag. Frau Präsidentin, ich möchte bitten, den Antrag auf Drucksache 7/2884 noch schnell mit besprechen zu dürfen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag kam nach unserem Antrag, und er beinhaltet im zweiten Teil deckungsgleich den Antrag der SPD und der FDP. Im ersten Teil wird die Streichung des Abschnittes II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes gefordert.
Wir haben in unseren Beratungen darum gerungen. Wir haben den Antrag auch zurückgestellt und die Ministerien gebeten, darüber zu berichten. Dabei stellte sich heraus, daß dieser Antrag nicht nur das Innenministerium betraf. Er ging auch an das Finanzministerium, an das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und an die Länder. 20% der Mittel, die hier angesprochen werden, stehen den Ländern zu, 80 % dem Bund. Wir haben auch in der letzten Sitzung des Innenausschusses - wie die Kollegen der CDU - keine Klarheit darüber finden können, wie das verwirklicht werden sell. Deshalb wollen Sie sich wohl auch der Stimme enthalten und den eigenen Antrag nicht befürworten.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, die beiden Anträge der Opposition abzulehnen und den Antrag der Koalitionsfraktionen anzunehmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Wendig.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei möchte ich in aller Kürze, ohne den Sachverhalt noch einmal zu wiederholen, folgendes erklären.
Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes auf Drucksache 7/2793 enthält einen Gegenstand, der wohl von allen Gruppen in diesem Hohen Hause als vordringlich regelungsbedürftig anerkannt wird. Die Vorlagen der CDU/CSU zielen zwar in einigen Bereichen weiter, aber in der hier aktuellen Frage dieses Entwurfs stimmen sie, wie sich auch in der Beratung ergeben hat, mit den Vorschlägen des Entwurfs der Koalitionsparteien überein.
Es geht schlicht darum, größere Teile des Stammvermögens der Heimkehrerstiftung für ehemalige Kriegsgefangene zur wirtschaftlichen und sozialen Förderung verfügbar zu machen. Die Aufstockung der Mittel aus dem Stammvermögen, die eine reale Verbesserung ist, soll sich für die Jahre 1975 bis 1979 nach dem Entwurf auf etwa 18 Millionen DM belaufen. Man kann dem nur zustimmen. Da wir wissen, daß die Alterszusammensetzung in den nächsten Jahren erhebliche Leistungen erforderlich machen wird - hiervon war schon ausführlich die Rede -, ist die Regelung im Entwurf der Koalitionsparteien nur folgerichtig und konsequent. Wir erwarten und hoffen, daß es gelingen wird, mit dieser Aufstockung diejenigen Mittel zur Verfügung zu haben, die dann auch zur wirksamen Hilfe im rechten Zeitpunkt notwendig und sachlich geboten sind.
Mit dem Innenausschuß sind wir weiter der Meinung, daß Satz 2 in Art. 1 gestrichen werden sollte, um eine größere Flexibilität zwischen der Gewährung von Darlehen und Unterstützungen sicherzustellen. Insoweit besteht, wie ich sehe, Einigkeit.
Die weitergehenden Vorstellungen der CDU/CSU in den beiden Anträgen auf den Drucksachen 7/636 und 7/2878, zu denen Herr Kollege Hofmann eben ausführlich Stellung genommen hat, glauben auch wir nicht mit unterstützen zu können, auch weil sie mit dem erklärten Willen der Bundesregierung und der Koalition nicht in Einklang stehen, die Kriegsfolgengesetzgebung zum Abschluß zu bringen.
Auch wenn wir hier mit Ihnen nicht übereinstimmen, Herr Kollege Josten, muß man ohne jede Emotion in aller Sachlichkeit feststellen dürfen, daß das Grundanliegen und die Grundforderung, die jedem Abgeordneten aufgegeben ist, für die Kriegsgeschädigten und für die Heimkehrer zu sorgen, von den Koalitionsparteien in keiner Weise in Zweifel gezogen werden. Dies wird auch in Zukunft nicht der Fall sein, wenn wir in diesem Rahmen noch über andere Dinge werden sprechen müssen. Dieses muß man sagen, weil es nicht richtig erscheint, hier mit einer gewissen Emotion, einer gewissen Polemik Meinungsverschiedenheiten, die in der Sache bestehen, nach draußen zu tragen.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei empfiehlt Ihnen die Annahme der Vorlage auf
Dr. Wendig
Drucksache 7/2793 in der vom Innenausschuß vorgeschlagenen Fassung. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß mit dieser Vorlage ein wesentlicher Schritt für die notwendige Hilfe getan ist.
({0})
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen in zweiter Beratung zur Abstimmung über den Entwurf unter Punkt 8 a der Tagesordnung. Ich rufe die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Beratung zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zum Antrag des Ausschusses unter Nr. 2 des Antrags, die beiden anderen Entwürfe abzulehnen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir in der Form der Antragsabstimmung darüber abstimmen, oder wird eine förmliche zweite Lesung verlangt? - Das letztere ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag, die beiden anderen Entwürfe abzulehnen, zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit so beschlossen.
Wir kommen zum dritten Punkt der Anträge, die Eingaben für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Juni 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksachen 7/4229, 7/4302 -Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache 7/4377 Berichterstatter: Abgeordneter Rapp ({1})
({2})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird nicht begehrt.
Ich rufe die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 9 bis 16 der Tagesordnung auf:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes - Drucksache 7/4318 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes
- Drucksache 7/4323 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({3}) Finanzausschuß
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften
- Drucksache 7/4324 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({4}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes ({5})
- Drucksache 7/4328 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Sonderausschuß für die
Strafrechtsreform ({6})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Zusatzakte vom 10. November 1972 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen
- Drucksache 7/4303 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Auflösung der Mühlenstelle und die Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich der Mühlenwirtschaft
- Drucksache 7/4327 Uberweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7})
Haushaltsausschuß mitberatend und
gemäß § 96 GO
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes - Drucksache 7/4285 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({8})
Innenausschuß
16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Vizepräsident Frau Funcke
Änderung des Gesetzes über das Fahrpersonal im Straßenverkehr
- Drucksache 7/4336 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({9})
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Die Überweisungsvorschläge ersehen Sie aus der Tagesordnung. Dabei bitte ich zu berücksichtigen, daß die Federführung bei der Beratung der unter Punkt 11 aufgeführten Vorlage beim Rechtsausschuß liegen und der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mitberatend tätig werden soll.
Wer mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen
- Druckasche 7/4281 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Zur Begründung hat Frau Bundesminister Focke das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen stehen drei gesundheitspolitische Gesichtspunkte im Vordergrund, die eng miteinander verzahnt sind:
Der erste Gesichtspunkt: Die Arzneimittelversorgung der Krankenhäuser ohne eigene Krankenhausapotheke soll verbessert werden. Eine solche Änderung ist erforderlich, weil nach den bisher geltenden Vorschriften eine Krankenhausapotheke nur die Krankenhäuser ihres Trägers, die innerhalb eines bestimmten regionalen Bereichs liegen, mit Arzneimitteln versorgen darf. Die übrigen Krankenhäuser ohne eigene Krankenhausapotheke sind auf den Bezug von Arzneimitteln aus den öffentlichen Apotheken angewiesen. Dieses Bezugsverfahren kann vor allem dann zu Verzögerungen in der Arzneimittelversorgung führen, wenn diese Arzneimittel von den sogenannten Versandapotheken bezogen werden, da sie in der Regel weiter entfernt sind als benachbarte Apotheken. Fälle, in denen Krankenhäuser ihren Arzneimittelbedarf bei Versandapotheken bestellen, die Ware dann aber direkt vom Hersteller dem Krankenhaus geliefert wird - wobei die Tätigkeit der Versandapotheke darin besteht, die Apothekenspanne zu kassieren -, sollen der Vergangenheit angehören. Nunmehr sollen Krankenhausapotheken auch Krankenhäuser anderer Träger mit Arzneimitteln versorgen dürfen. Allerdings wird diese Möglichkeit auf einen bestimmten regionalen Bereich beschränkt, um eine schnelle Zustellung der
Arzneimittel zu ermöglichen, notwendige Aufsichtsfunktionen des abgebenden Apothekers sicherstellen zu können und die zuständigen Behörden der Länder in die Lage zu versetzen, den Überblick über den Versorgungsbereich einer Krankenhausapotheke zu behalten.
Der zweite wichtige gesundheitspolitische Gesichtspunkt ist der folgende: Die Verbesserung der Arzneimittelversorgung im Bereich der Krankenhäuser stellt eine flankierende Maßnahme zum Eckwertbeschluß der Bundesregierung zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes dar, und zwar in folgender Weise: Krankenhäuser ohne Krankenhausapotheke sind, wenn der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf Gesetz wird, nicht mehr auf die Belieferung durch öffentliche Apotheken angewiesen. Sie können ihre Arzneimittel von einer Krankenhausapotheke beziehen. Dies hat erstens den Vorteil des preisgünstigeren Hersteller- und Großhandelsbezuges bei Anstaltspackungen, zweitens können durch Eigenherstellung erhebliche Einsparungen erzielt werden, und schließlich sind Krankenhausapotheken nicht an die Apothekenspannen gebunden, sondern brauchen nur ihre Unkosten auf die Gestehungspreise abzuwälzen. Aus diesen Gründen können sie die Arzneimittel billiger an die Krankenhäuser abgeben als eine öffentliche Apotheke.
Damit diese Kostenminderung für Arzneimittel einer möglichst großen Zahl von Krankenhäusern zugute kommt, sollen den Krankenhäusern im strengen Sinne des Krankenhausfinanzierungsgesetzes Kur- und Spezialeinrichtungen gleichgestellt werden, die der Gesundheitsvorsorge oder der Rehabilitation dienen, sofern sie Behandlung, Unterkunft und Verpflegung gewähren und unter ständiger ärztlicher Kontrolle stehen.
Der Verbesserung des Wettbewerbs auf dem Arzneimittelmarkt dient auch der Wegfall gewisser Abgabebeschränkungen für Krankenhausapotheken. Durften bisher von ihnen unter anderem nur an stationär behandelte Patienten Arzneimittel abgegeben werden, so soll zukünftig auch für die im Krankenhaus ambulant behandelten Patienten die Möglichkeit eröffnet werden, daß sie die benötigten Arzneimittel aus der Krankenhausapotheke erhalten können.
Kurzum, meine Damen und Herren: Die Krankenhäuser und ihre Patienten sollen nach diesem Gesetzentwurf preiswerter Arzneimittel beziehen können als bisher.
Der dritte Punkt ist, daß - ein weiteres gesundheitspolitisches Ziel der Novelle - die Arzneimittelsicherheit im Sinne der Reform des Arzneimittelrechts auch im Bereich der Apotheken und Krankenhausapotheken erhöht werden soll. Durch die Verpflichtung der Apotheken zur unmittelbaren Belieferung der einzelnen Stationen oder Teilbereiche von Krankenhäusern wie z. B. von Ambulanzen oder Laboratorien wird die Arzneimittel-Vorratshaltung in einem zentralen Lager des Krankenhauses ohne fachliche Betreuung vermieden; darüber hinaus werden die Gefahren einer unsachgemäßen Lagerung, einer zu großen Bevorratung
oder einer Verwechslung bei der Zwischenlagerung nach Möglichkeit ausgeschlossen.
Aus diesem Grunde sollen auch die bisher nach Landesrecht noch zulässigen „Dispensieranstalten" - das sind Arzneimittelvorratsstellen in Krankenhäusern, mit einem schönen, altmodischen Begriff so genannt -, die nicht unter der Aufsicht eines Apothekers stehen, geschlossen werden.
Schließlich soll im Interesse der Arzneimittelsicherheit das Apothekengesetz grundsätzlich auch auf die Bundeswehr Anwendung finden. Zu diesem Zweck werden die Bundeswehrapotheken den Krankenhausapotheken gleichgestellt. Die Angehörigen der Bundeswehr werden durch dieses Gesetz hinsichtlich der durch Apotheken zu gewährleistenden Arzneimittelsicherheit nicht mehr anders behandelt als Zivilpersonen.
Ich darf mit zwei Sätzen noch auf die Frage der Arzneimittelsicherheit bei der Herstellung von Arzneimitteln in Krankenhausapotheken eingehen. Das ist deshalb wichtig, weil möglicherweise auf Grund dieses Gesetzes die Herstellung von Arzneimitteln in Krankenhausapotheken zunehmen wird und andererseits im Arzneimittelrechts-Reformgesetz diesbezüglich strenge Maßstäbe angelegt werden sollen.
Meine Damen und Herren, der Bundesregierung ist klar, daß hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden darf. Die Sicherheit bei der Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken muß den Maßstäben bei der Industrie entsprechen, wenn wir nicht unglaubwürdig werden wollen. Diesem Ziel dient vor allem der Ausbau der Ermächtigung des § 21, auf Grund dessen eine Betriebsordnung für Krankenhausapotheken erlassen wird, die die von der Weltgesundheitsorganisation aufgestellten Grundsätze für die Herstellung von Arzneimitteln auch für die Krankenhausapotheken verbindlich macht.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, es ist mir gelungen, Ihnen in wenigen Worten die notwendigen gesundheitspolitischen Vorkehrungen dieses Gesetzentwurfs, der im wesentlichen modernen Entwicklungen Rechnung tragen soll, darzustellen. Ich wäre dankbar, wenn Sie dem Gesetzentwurf nach Beratung in den Ausschüssen Ihre Zustimmung gäben.
({0})
Danke schön. - Das Wort hat der Abgeordnete Jaunich.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen nachdrücklich. Der Entwurf verfolgt vorrangig zwei Ziele: erstens eine bessere Arzneimittelversorgung für Krankenhäuser und zweitens höhere Arzneimittelsicherheit. Beide Ziele, die aus gesundheitspolitischer Sicht begrüßenswert sind, werden erreicht, ohne daß dadurch Kostensteigerungen eintreten. Im Gegenteil, die Realisierung dieses Entwurfs wird zu einer Senkung der Kosten für Arzneimittel bei den Krankenhäusern führen; das ist besonders hervorzuheben.
Während das heute gültige Apothekengesetz aus dem Jahr 1960 nur zuläßt, daß von einer Krankenhausapotheke aus andere Krankenhäuser beliefert werden dürfen, wenn sie dem gleichen Träger angehören, soll künftig diese Einschränkung wegfallen. Dadurch wird es möglich, daß unbeschadet der Trägerschaft die Belieferung mit Arzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke für alle Krankenhäuser einer Gemeinde sowie der angrenzenden Kreise und kreisfreien Städte erfolgt. Daß dies zu Kosteneinsparungen führen kann, ja führen muß, ist einleuchtend.
In diese Regelung sollen auch Kur- und Spezialeinrichtungen, die der Gesundheitsvorsorge oder der Rehabilitation dienen, einbezogen werden. Der Bundesrat fordert außerdem, eine Ausweitung auf Pflegeheime vorzunehmen. Wir werden dies im zuständigen Bundestagsausschuß gründlich prüfen.
Nachdem der Bundesrat nunmehr von sich aus eine Ausweitung des Personenkreises, der durch Krankenhausapotheken beliefert werden kann, vorschlägt, ist nicht zu verstehen, warum er sich gegen die Abgabe von Medikamenten an ambulant behandelte Patienten durch Krankenhausapotheken wehrt.
Nach diesen Ausführungen zu dem Gesichtspunkt der besseren und preisgünstigeren Arzneimittelversorgung nun noch kurz zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit: Durch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts - Drucksache 7/3060 - haben die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien deutlich gemacht, welchen Wert sie einer optimalen Arzneimittelsicherheit beimessen. Es kann für uns daher gar keine Frage sein, daß dieser Gesichtspunkt auch auf die Arzneimittelherstellung und die Verteilung durch Krankenhausapotheken zu übertragen ist.
Der Wegfall der jetzt noch bestehenden Dispensieranstalten, die Einbeziehung der Bundeswehrapotheken in den Geltungsbereich dieses Gesetzes sowie die Erweiterung der Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen - um einen ordnungsgemäßen Betrieb der Krankenhausapotheken, der Apotheken überhaupt, zu gewährleisten - zeigen, daß theoretischer Anspruch und praktisches Handeln übereinstimmen. Mit der Verabschiedung dieses Entwurfs wird es möglich sein, die von der Weltgesundheitsorganisation aufgestellten Grundsätze für die Herstellung von Arzneimitteln auch für Apotheken, speziell für Krankenhausapotheken, in die Praxis zu übernehmen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dafür sorgen, daß durch zügige Beratungen ein baldiges Inkrafttreten dieses Gesetzes im Interesse besserer und sichererer Arzneimittelversorgung bei sinkenden Kosten möglich wird.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages stimmt der Auffassung der Bundesregierung zu, daß einige Bestimmungen des Gesetzes über das Apothekenwesen geändert werden müssen. Diese Zustimmung gilt allerdings nur für den Bereich, in dem sich bei der Ausführung des seit 1960 gültigen Rechts nachweisbar Schwierigkeiten ergeben haben, zu deren Beseitigung sachgerechte, d. h. ausschließlich aus Gründen der Verbesserung der Arzneimittelversorgung und der Erhöhung der Arzneimittelsicherheit gesundheitspolitisch notwendige Regelungen vorgesehen werden müssen.
Auch wir erachten die Schließung von Dispensieranstalten, die Anwendung dieses Gesetzes auf die Bundeswehr, die Erweiterung der Ermächtigung zum Erlaß von Apothekenbetriebsordnungen zur Anwendung der GMP-Richtlinien der WHO sowie die Beseitigung der Mißstände durch die Tätigkeit sogenannter Versandapotheken für sachlich geboten. Sie sind im Sinne einer wünschenswerten Erhöhung der Arzneimittelsicherheit gesundheitspolitisch notwendig.
Andererseits stellen wir mit schwerwiegenden Bedenken fest, daß der Regierungsentwurf in dreifacher Hinsicht einen gravierenden Einbruch in den bisher nach § 1 des Apothekengesetzes gesetzlich verankerten Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Apotheken vollzieht.
Erstens behauptet der Regierungsentwurf lapidar, daß der Bezug von Arzneimitteln aus öffentlichen Apotheken für den Krankenhausbedarf in der Vergangenheit nicht selten mit Verzögerungen verbunden gewesen sei. Damit wird die Notwendigkeit einer erweiterten Befugnis der Krankenhausapotheken zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern anderer Träger begründet. Meine Damen und Herren, für diese Behauptung muß die Bundesregierung noch in den Ausschußberatungen einen Beweis erbringen.
Gänzlich ohne Begründung wird dieser Kompetenzbereich noch zugunsten der den Krankenhäusern nunmehr gleichgestellten Kur-, Alters-, Vorsorgeheime und anderen Spezialeinrichtungen, vor allem denen der Sozialversicherungsträger, ausgeweitet. Offenkundig soll hier eine Praxis legalisiert werden, die schon heute teilweise gesetzeswidrig ausgeübt wird.
Dabei vermögen wir bisher nicht zu erkennen, nach welchen festgelegten und kontrollierbaren Grundsätzen die behauptete Rationalisierung und Kostendämpfung in diesem Bereich der Arzneimittelversorgung gewährleistet werden sollen. Die negativen Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit der Wirtschaftlichkeit kommunaler und staatlicher Eigenbetriebe machen mußten, könnten den Erwartungen der Bundesregierung widersprechen. Wir erwarten von der Bundesregierung im Ausschuß hieb- und stichfeste Fakten zur Begründung der vorgeschlagenen Regelung.
Zweitens wird der Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Apotheken auch dadurch eingeschränkt, daß Krankenhausapotheken künftig generell Arzneimittel an alle Personen abgeben dürfen, die im Krankenhaus durch ärztliche oder pflegerische Hilfsleistung betreut werden. Auch diese weitreichende Neuregelung erfolgt ohne eine amtliche Begründung im Gesetzentwurf.
Die CDU/CSU-Fraktion kann hierin nur den allein politisch motivierten Versuch der Regierung erblicken, im Bereich der Arzneimittelversorgung präjudizierend und unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit die Einbeziehung der Krankenhäuser in die ambulante Versorgung faktisch zu vollziehen.
({0})
Die Bundesregierung versucht offensichtlich, durch die Hintertür das von ihr erhoffte Ergebnis der gerade eingeleiteten Modellversuche vorwegzunehmen, in denen die behauptete Verbesserung der Krankenversorgung durch Einbeziehung der Krankenhäuser in die ambulante Versorgung erst geprüft werden soll.
Es ist das Verdienst des Bundesrates, daß er durch seinen Änderungsvorschlag die Bundesregierung gezwungen hat, die hinter dem so harmlos klingenden Gesetzestext geschickt verborgene politische Absicht in ihrer Gegenäußerung offenzulegen. Die in dieser Gegenäußerung der Bundesregierung enthaltene Unterstellung, die öffentlichen Apotheken würden der ihnen auferlegten gesetzlichen Pflicht zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung am Wochenende oder an Feiertagen nicht gerecht, geht fehl. Möglicherweise vorhandene Mißstände sind nicht den Apotheken, sondern den Länderbehörden anzulasten; denn diese haben die Bereitschaftsdienstregelungen zu treffen und zu überwachen.
Ich stelle noch einmal fest: Die CDU/CSU-Fraktion verschließt sich keinem vernünftigen und erfolgversprechenden Vorschlag zur Kostensenkung im Bereich des Gesundheitswesens und hier im besonderen im Bereich des Arzneimittelwesens. Sie wendet sich allerdings entschieden gegen jede Regelung, die letztlich zur Verstaatlichung der Arzneimittelversorgung und damit zur Verteuerung der Arzneimittel und Verschlechterung der Arzneimittelversorgung zum Schaden der Bevölkerung führt. Beispiele aus dem Ausland kennen wir zur Genüge.
({1})
Drittens. Ein rechtliches Unikum, auf das ich das Hohe Haus noch aufmerksam machen möchte, findet sich mit der Lex Hamburg in diesem Gesetzentwurf. Dazu muß man wissen, daß die Hansestadt Hamburg seit Jahren contra legem die Arzneimittelversorgung der Beamten im Rahmen der freien Heilfürsorge außerhalb der gesetzlich zuständigen Apotheken betreibt. Dieser Verstoß gegen geltendes Recht soll nun nachträglich durch den Gesetzgeber sanktioniert werden; wiederum ohne gesundheitspolitisch tragende Begründung. Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf das „Anliegen der
Hansestadt Hamburg", ihren widerrechtlich erworbenen Besitzstand gewahrt zu sehen, kann nicht als schlüssig bezeichnet werden. Entweder hält man an dem Prinzip der im öffentlichen Interesse gebotenen Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Apotheken fest und gewährleistet die notwendige Existenzgrundlage oder man hat die Absicht, durch schrittweises Aushöhlen ihrer Existenzgrundlage die Verstaatlichung der Arzneimittelversorgung zu erzwingen. Will man das, so sollte man das auch öffentlich bekennen.
Wir fragen uns, welchen Wert denn eigentlich die häufig genug wiederholten Versprechungen der Bundesregierung haben, die weltweit anerkannte Qualität und Funktionsfähigkeit der deutschen Apotheke wahren zu wollen, wenn sie praktisch über Eckwertvorlage, Apothekengesetz, Arzneimittelgesetz, Bundesapothekenordnung und nicht zuletzt via Brüssel Zuständigkeitsbereiche und wirtschaftliche Grundlagen der Apotheken fortgesetzt einengt.
({2})
Wir sind gespannt, wie sich der kleinere Koalitionspartner zu den Sozialisierungsversuchen auf kaltem Wege stellen wird.
({3})
In wesentlichen Punkten dieses Gesetzentwurfes kann ich mich nicht des Eindruckes erwehren, daß auch hier ein alter Stratege der Staatskunst Pate gestanden hat, auf den mein Kollege Dr. Oscar Schneider schon in anderem Zusammenhang verwies. Niccolo Macchiavelli hat vor nunmehr 400 Jahren nachfolgenden Politikergenerationen in „Il Principe" einen Rat gegeben, der offensichtlich von der heutigen Regierung nicht nur sporadisch beherzigt wird. Ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin:
Will man einem Volk eine neue Verfassung geben, so muß man unbedingt einen Schein der alten Einrichtung wahren. Denn die Mehrzahl der Menschen läßt sich vom Schein so gut abspeisen wie von der Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren von Regierung und Koalition, wir lassen uns nicht so abspeisen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Auch die Freien Demokraten begrüßen das Anliegen des Gesetzentwurfs, die Arzneimittelversorgung und -sicherheit in Krankenhäusern ohne eigene Apotheke zu verbessern. In der Tat ist bei der Lagerung und Abgabe von Medikamenten im Krankenhaus nicht alles zum besten bestellt. Wir kennen z. B. Untersuchungen über die Arzneimittelbestände in Krankenhausabteilungen, die eine bedenkliche Überalterung der
Vorräte ergaben. Hier wird aber sicherlich auch die von der Arzneimittelreform angestrebte Angabe eines Verfalldatums für mehr Ordnung sorgen und einiges bessern.
Unabhängig davon ist es aber zu begrüßen, daß der vorliegende Gesetzentwurf die Versorgung der Krankenhäuser durch öffentliche und Krankenhausapotheken auf eine solide Grundlage zu stellen versucht. Wichtig ist vor allem, daß die beliefernde Apotheke die fachgemäße Lagerung der Arzneimittel in den Krankenhäusern regelmäßig zu überprüfen hat. Wir sollten uns aber davor hüten, über dieses notwendige Ziel des Entwurfs hinauszuschießen und die Aufgaben der Krankenhausapotheken über Gebühr auszudehnen.
({0})
Wir Freien Demokraten finden es auch richtig, daß die Bundeswehrapotheken - mit gewissen Abweichungen - in die angestrebte Regelung des Gesetzes für Krankenhausapotheken einbezogen werden sollen. Zu begrüßen ist weiterhin die Änderung des § 21, wonach das Gesundheitsministerium durch Apothekenbetriebsordnungen die von der Weltgesundheitsorganisation aufgestellten Grundsätze über die ordnungsgemäße Herstellung von Arzneimitteln für öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken verbindlich machen kann. Von der Sache her ist auch das Auslaufen der Dispensieranstalten geboten, da in ihnen keine Aufsicht eines Apothekers über die Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln besteht.
Ein wichtiger Punkt ist von keinem meiner Vorredner angesprochen worden. Ich möchte diesen Punkt noch erwähnen. Ich meine die Änderung in § 9, wodurch ein unguter Zustand im Falle von Verpachtungen oder beim Eintritt eines Todesfalles eine sinnvolle und der Praxis gemäße Regelung erfährt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Aufgabe einer ersten Lesung soll ja sein, daß man nicht nur lobt, sondern da und dort auch eventuelle Bedenken anmeldet, über die man sich im Ausschuß noch einmal unterhalten muß. Letztendlich ist nur das Parlament für das verantwortlich, was später Gesetzeskraft erlangt.
Mich berührt es sehr merkwürdig, mit welcher Begründung die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates abgelehnt hat, die Versorgung von ambulanten Patienten des Krankenhauses durch Krankenhausapotheken wieder zu streichen. In der Begründung wird nämlich der Eindruck erweckt, als könnten die öffentlichen Apotheken insbesondere am Wochenende die sofortige Versorgung mit Arzneimitteln nicht sicherstellen. In Wirklichkeit wird jedoch überall in der Bundesrepublik von den Apotheken des Ortes ein Bereitschaftsdienst rund um die Uhr angeboten.
({1})
Im Gegensatz hierzu das muß ich feststellen
war bis jetzt gerade bei den Krankenhausapotheken eine solche jederzeitige Verfügbarkeit von ArzSpitzmüller
neimitteln sowohl in der Nacht wie an Wochenenden nicht immer gegeben.
({2})
Es besteht für uns also gar kein ersichtlicher und überzeugender Grund, von der bisherigen Versorgung ambulanter Patienten über die öffentlichen Apotheken abzugehen.
({3})
Meine Damen und Herren, wir nehmen die Einwendungen des Bundesrates in diesem Punkte sehr ernst. Auch wir wollen nicht, daß der Auftrag der öffentlichen Apotheken, die Arzneimittelversorgung sicherzustellen, durch eine solche Öffnung, die sich geradezu als Schleuse erweisen könnte, ungewollt ausgehöhlt und in Frage gestellt wird. Hochverehrter Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein, das, was Sie der Bundesregierung alles unterstellt haben, ist mit Sicherheit nicht die Absicht der Bundesregierung. Ich habe Verständnis, daß Sie als Vertreter der Opposition hier ganz dick auftragen und glauben, damit unter Umständen Wähler halten oder gar neue Wähler gewinnen zu können. Aber ich muß das, was Sie hier als Möglichkeit unterstellt haben, eindeutig zurückweisen. Es besteht in der Bundesregierung keinerlei Absicht, zu einer Verstaatlichung der Apotheken zu schreiten. Ich glaube, das, was Sie dazu angeführt haben, ist nicht schlüssig.
({4})
- Auch nicht scheibchenweise! Von der Salamitaktik hat man in diesem Hause ja oft genug gesprochen.
({5})
- Ja, aber hier ist den Anfängen nicht zu wehren. Ich bin der Meinung, es handelt sich vielleicht um ein Mißverständnis, das sich im Ausschuß sicherlich aufklären wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht noch um die Belieferung von Kur- und Spezialeinrichtungen. Hier ist vorgesehen, daß eine ärztliche Leitung und Kontrolle über die Vorratshaltung und Abgabe der Arzneimittel in den betreffenden Einrichtungen Voraussetzung ist. In vielen der durch § 14 Abs. 5 gleichgestellten Kur- und Spezialeinrichtungen, z. B. in sehr kleinen Kurheimen und Behinderteneinrichtungen, scheint mir trotz der vorgeschriebenen ärztlichen Kontrolle keine Dauerpräsenz und entsprechende Überwachung durch einen Arzt, ja, nicht einmal immer durch eine speziell dafür vorgebildete Krankenschwester, gewährleistet zu sein.
Hier sollten wir im Ausschuß sorgfältig und kritisch prüfen, ob man in diesen Fällen auf die Sicherung durch die ärztliche Verschreibung und die Arzneimittelabgabe durch öffentliche Apotheken verzichten kann. Denn die der liefernden Krankenhausapotheke oder öffentlichen Apotheke auferlegten Überwachungspflichten können niemals eine wirksame Dauerkontrolle durch fachlich qualifizierte Personen in dem belieferten Haus ersetzen. Das Bedenken des Bundesrates ist daher ernst zu nehmen, daß eine Einbeziehung von Kur- und Spezialeinrichtungen nur gerechtfertigt ist, wenn sie unter ständiger ärztlicher Leitung stehen. Ich glaube, das müssen wir im Ausschuß noch einmal prüfen.
Was die räumliche Begrenzung betrifft, so hat Frau Minister Focke auch hierzu, glaube ich, ein klärendes und ein beruhigendes Wort gesagt. Trotzdem meine ich, daß wir uns hier noch einmal überlegen müssen, ob die getroffenen Regelungen tatsächlich gut sind. Wir müssen nämlich bedenken, daß nunmehr die Belieferung von Krankenhäusern anderer Träger generell eröffnet wird. Zum anderen hat eine tiefgreifende Gemeinde- und Kreisreform in fast allen Bundesländern wesentlich größere kommunale Gebiete geschaffen.
Wir sollten uns deshalb bei den Ausschußberatungen eindringlich fragen, ob die vorgesehene räumliche Umschreibung des Versorgungsgebietes - vor allem in großstädtischen Ballungsgebieten - den Krankenhausapotheken nicht gigantische Aufgaben zuweist bzw. eröffnet. Durch dieses Gesetz darf nach unserer Meinung keinesfalls erreicht werden, daß die Größenordnungen und die Wettbewerbssituation zwischen den Krankenhausapotheken und den öffentlichen Apotheken in einem Maße verzerrt werden, die wirtschaftspolitisch dann auch die Einschaltung des Wirtschaftsausschusses in die Beratungen erforderlich machen würde.
({6})
- Nein, wir müssen es nur klarstellen, Herr Kollege, vielleicht durch eine erklärende Bemerkung.
({7})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Letztes zum Inkrafttreten des Gesetzes sagen. Hier erscheint es uns wenig praktikabel, daß das Gesetz nach der Bestimmung des Regierungsentwurfs bereits am Tage nach der Verkündung in Kraft treten soll. Wie bei anderen, ähnlichen Gesetzen sollte den Betroffenen und Berechtigten eine ausreichende Karenzzeit gewährt werden, innerhalb deren sie sich auf die neuen Vorschriften einstellen können. Denn wie sie endgültig aussehen, weiß man erst, wenn der Bundesrat zugestimmt hat, da es ja ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ist. Dies gilt nicht zuletzt für die Krankenhausapotheken, die hier eine Erweiterung ihrer Befugnisse erhalten, aber auch für die Krankenhäuser ohne eigene Apotheke, die auf Grund des Gesetzes die zweckmäßigste Art der Arzneimittelversorgung - durch eine öffentliche Apotheke oder durch eine Krankenhausapotheke - erst prüfen und entscheiden müssen.
Im übrigen sind wir der Auffassung, daß durch Anhörung der Betroffenen im Ausschuß sicherlich mancher Punkt noch aufgehellt werden kann, um sicherzustellen, daß dieser Schritt in die richtige Richtung auch ein in sich ausgewogener Schritt
wird. In diesem Sinne werden wir an die Ausschußberatungen zügig herangehen und stimmen der Überweisung an den Ausschuß für Familie, Jugend und Gesundheit zu.
({8})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates lautet, wie soeben genannt: an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Punkt 18 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Rollmann, Wohlrabe, Kroll-Schlüter, Rommerskirchen, Ey, Frau Stommel, Josten, Burger, Dr. Hammans, Geisenhofer und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Jugend vor Mediengefahren ({0})
- Drucksache 7/4079 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({1}) Rechtsausschuß
Innenausschuß
Sonderausschuß für die
Strafrechtsreform
Haushaltsausschuß mitberatend und
gemäß § 96 GO
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rollmann.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Antragsteller folgendes vortragen und mich dabei auf die schriftliche Begründung stützen.
Bereits in der 6. Wahlperiode des Bundestages hat die Fraktion der CDU/CSU den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Jugend vor Mediengefahren eingebracht, der auf den bewährten Bestimmungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften aufbaute und unter Einbeziehung von Rundfunk und Fernsehen dieses Gesetz zu einem umfassenden und zeitgerechten Jugendmedienschutzgesetz fortentwickeln wollte. Infolge der vorzeitigen Auflösung des 6. Bundestages kam dieser Gesetzentwurf jedoch über die erste Lesung im Plenum und über die Ausschußüberweisung nicht mehr hinaus.
Der 7. Bundestag hat bei der Verabschiedung des Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts am 7. Juni 1973 in Art. 5 und 6 einige Bestimmungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit an die reformierten §§ 131 und 184 des Strafgesetzbuches angepaßt. Gleichzeitig hat der Bundestag in einer Entschließung vom 7. Juni 1973 die 'Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, „ob durch eine Änderung bundesrechtlicher Vorschriften der Jugendschutz wirksamer ausgestaltet werden kann".
Dieser Aufforderung ist die Bundesregierung im Bereich des gesetzlichen Schutzes der Jugend vor Mediengefahren bislang nicht gefolgt. Entgegen früheren Ankündigungen einer Reform der Jugendschutzgesetze hat sie sich bisher mit den wenigen Änderungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Vierten Strafrechtsänderungsgesetz begnügt.
Auf der anderen Seite aber haben sich die Verbreitung und der Einfluß der Massenmedien wesentlich verstärkt. In zunehmendem Maße werden die Anschauungen und Wertvorstellungen unserer Bürger vom Fernsehen, vom Rundfunk, vom Film, von der Presse und von der Literatur geprägt. Die Wirkungen dieser massenmedialen Einflüsse im positiven wie im negativen Sinne sind in der letzten Zeit Gegenstand vielfacher wissenschaftlicher Forschungen gewesen. Dabei hat sich gezeigt, daß vor allem Kinder und Jugendliche von den Massenmedien in ihrer Entwicklung geprägt werden.
Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sind von den rund 48 Millionen Fernsehzuschauern zirka 9 Millionen Kinder im Alter zwischen vier und 13 Jahren. Täglich sitzen vier bis fünf Millionen Kinder vor dem Bildschirm. Manche Kinder verbringen mit über 20 Wochenstunden mehr Zeit vor dem Fernseher als in der Schule. Etwa 80 % aller Kinder und Jugendlichen lesen Comics, fast 50 % der Jugendlichen lesen die Jugendzeitschrift „Bravo", etwa 20 bis 30% die illustrierten Wochenzeitschriften. 1973 wurden etwa 8 Millionen Kinderschallplatten verkauft. Nach Forschungsergebnissen des Audiovisuellen Zentrums der Pädagogischen Hochschule Hildesheim werden Kinder und Jugendliche heute in ihrem Sprachverhalten und in ihren Wertvorstellungen, überhaupt in allem, was sie wissen, denken, wünschen, empfinden und planen, zu 65% durch Massenmedien geprägt.
Der Schutz unserer Jugend vor Mediengefahren aber ist in eine Mehrzahl von Gesetzen, Vereinbarungen, Richtlinien und Gremien zersplittert. Bei dem wichtigsten Medienschutzgesetz, dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, haben sich in den vergangenen Jahren Lücken und Unzulänglichkeiten herausgestellt. Das Verfahren vor der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften bedarf der Vereinfachung. Der Kreis der bei der Bundesprüfstelle antragsberechtigten Stellen bedarf der Erweiterung. Sie ist von der Bundesregierung immer wieder angekündigt worden. Nach wie vor fehlen auch die vom Bundestag bereits mit der Entschließung vom 18. Januar 1961 gewünschten Einrichtungen, die die laufende und sachgerechte Beobachtung des jugendgefährdenden Schrifttums sicherstellen. Die Bundesregierung selber hat im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform erklärt, sie werde die Voraussetzungen für eine besondere Marktbeobachtung schaffen, damit der Jugendschutz nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften effektiver gestaltet werden könne.
Für den Spielfilm ist neben dem Strafgesetzbuch sowohl das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften als auch das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit zuständig. Die Jugendschutzbestimmungen in § 10 des Staatsvertrages für das Zweite Deutsche Fernsehen und in den Programmgrundsätzen der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben nicht die Verbindlichkeit eines Gesetzes.
Ob nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Rundfunk- und Fernsehsendungen unter dieses Gesetz fallen, ist gerichtlich bislang nicht geklärt. Der SPD-Kollege Reiser hat neulich im „Vorwärts" die Frage gestellt: „Haben die Jugendschutzbestimmungen im Fernsehen bisher denn etwa nicht funktioniert?". Eben nicht, Herr Kollege Reiser. Ich möchte dabei gar nicht jene Stimmen zitieren, die am deutschen Fernsehen bereits seit Jahren ein Übermaß an Gewalttätigkeits- und Brutalitätsdarstellung kritisieren und ihm die Blockade der Friedenserziehung der jungen Generation in unserem Lande vorwerfen.
Nach 1972
- so schreibt der Hildesheimer Medienpädagoge Professor Heribert Heinrichs steckten die Fernsehanstalten der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Mediengewalt auffallend zurück. Seit Mitte 1974 nimmt das Aggressionsangebot jedoch nachweisbar wieder zu.
Und das, meine Damen und Herren, offensichtlich trotz des neugeschaffenen § 131 StGB.
Nach einer Umfrage des Infas-Instituts sind 69 % der Bevölkerung der Meinung, daß die „Gewaltrate" im Fernsehen zu hoch ist. Ich möchte aber vor allen Dingen auf etwas anderes hinweisen: Aus der Statistik der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft ergibt sich, daß im Jahre 1974 im deutschen Fernsehen 729 Spielfilme gesendet wurden, von denen 312 niemals durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft geprüft worden sind. 178 Filme sind gesendet worden, obwohl sie von der FSK erst für die Vorführung vor Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren, 155 Filme, obwohl sie erst ab 16 Jahren, 33 Filme, obwohl sie erst ab 18 Jahren freigegeben worden sind.
Was nützt es also, wenn die nun wahrlich nicht kleinliche Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft durch ihre Entscheidungen Kinder und Jugendliche von dem Besuch von für sie nicht geeigneten Spielfilmen in den Lichtspieltheatern abzuhalten versucht, wenn diese gleichen Spielfilme dann ohne Rücksicht auf die Entscheidung der FSK zu Zeiten im Fernsehen gesendet werden, zu denen ein großer Teil der Zuschauer Kinder und Jugendliche sind?
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Es ist zwar richtig, daß die Prüfentscheidungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft für die Rundfunkanstalten nicht verbindlich sind. Aber es wäre doch ein Mehr und nicht ein Weniger an vernünftigem Jugendschutz in den deutschen Rundfunkanstalten gewesen, wenn sich diese bei ihrer eigenen Programmauswahl freiwillig nach den Entscheidungen der Freiwilligen Filmselbstkontrolle gerichtet hätten. Es ist zwar richtig, daß die Rundfunkanstalten nicht verpflichtet sind, ihre Eigenprodukte oder die im Ausland eingekauften Filme der FSK zur Prüfung vorzulegen, aber es wäre doch ein Mehr und nicht ein Weniger an Jugendschutz gewesen, wenn sich die deutschen Rundfunkanstalten bei ihren Eigenproduktionen und Einkäufen freiwillig von den Prüfungsgrundsätzen der FSK hätten leiten lassen. Mancher Spielfilm wäre im Fernsehen nicht oder nur zu einer anderen Zeit gesendet worden, wenn sich Rundfunk und Fernsehen in der Vergangenheit an der FSK orientiert hätten oder - wie es nun unser Gesetzentwurf vorsieht - in den gesetzlichen Jugendschutz einbezogen gewesen wären.
Unser Gesetzentwurf, der auf den bisherigen Jugendschutzgesetzen und dem CDU/CSU-Entwurf der letzten Wahlperiode aufbaut, hat folgende Hauptpunkte zum Inhalt:
Erstens. Der gesamte Jugendmedienschutz wird in einem Gesetz zusammengefaßt. § 1 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gilt in Zukunft für den gesamten Jugendmedienschutz. Diese Bestimmung lautet:
Schriften, die geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden, sind in eine Liste aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizende sowie den Krieg verherrlichende Schriften.
Zweitens. Fernsehen, Rundfunk und Spielfilm werden in dieses Gesetz mit einbezogen. Ein Privileg von Rundfunk und Fernsehen, von den gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Jugend ausgenommen zu werden, ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Medien nicht länger zu vereinbaren. Wir werden allerdings noch prüfen, ob für den Spielfilm nach dem umfänglichen Verfahren vor der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft noch ein Verfahren vor der Bundesprüfstelle und damit dann auch vor den Verwaltungsgerichten notwendig und geboten ist.
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Drittens. Darbietungen des Rundfunks und des Fernsehens, die durch die Bundesprüfstelle als jugendgefährdend indiziert worden sind, und Spielfilme, die indiziert oder von den obersten Landesbehörden für die Vorführung vor Kindern und Jugendlichen nicht freigegeben worden sind, dürfen durch Rundfunk und Fernsehen nicht vor 22 Uhr verbreitet werden, da vor 22 Uhr noch ein großer Teil der Hörer und Zuschauer Kinder und Jugendliche sind. In den USA werden jetzt vor 22 Uhr im Fernsehen keine Gewaltszenen mehr gezeigt. Das alles, meine Damen und Herren, hat mit einer Vorzensur überhaupt nichts zu tun, denn die Rundfunkanstalten entscheiden auch in Zukunft nach wie vor in eigener Verantwortung über ihr Programm.
Viertens. Die existierende Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften wird in eine Bundesprüfstelle für den Jugendmedienschutz umgewandelt. Durch die Verringerung der Zahl der Beisitzer und die verstärkte Hereinnahme von Sachverständigenbeisitzern soll die Arbeitsfähigkeit der Bundesprüfstelle verbessert werden. Eine solche Bundesprüfstelle wird genügend Sachverstand vereinen, um auch die Darbietungen von Rundfunk und Fernsehen unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes überprüfen zu können.
Fünftens. Der Kreis der bei der Bundesprüfstelle antragsberechtigten obersten Jugendbehörden der Länder und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit soll um die Landesjugendämter, die Jugendämter, die Spitzenverbände der Jugendhilfe, eine Marktbeobachtungs- und Antragsstelle, wie sie schon vom Bundestag vor 15 Jahren gewünscht worden ist, sowie um die Staatsanwaltschaften erweitert werden.
Sechstens. Um eine unnötige Arbeitsbelastung der Bundesprüfstelle mit offensichtlich unbegründeten Anträgen zu vermeiden, soll der Vorsitzende die Möglichkeit erhalten, solche Anträge zurückzuweisen. Der Vorsitzende soll auch ermächtigt werden, aus der Liste der jugendgefährdenden Schriften Publikationen zu streichen, die keinen Aktualitätswert mehr haben.
Unser Gesetzentwurf wird den Jugendschutz in unserem Lande vereinheitlichen und verbessern. Die Eltern werden durch diesen Gesetzentwurf nicht bevormundet, sondern in ihrer Erziehungsarbeit unterstützt. Der Gesetzentwurf berücksichtigt weitgehend die Reformvorstellungen, die die Wissenschaftler und Praktiker des Jugendschutzes in den vergangenen Jahren entwickelt haben.
Ich bitte um Überweisung dieses Gesetzentwurfes an die Ausschüsse des Bundestages gemäß dem Vorschlag des Ältestenrates, und ich bitte um eine zügige Beratung dieses Gesetzentwurfes in den Ausschüssen. Es ist unser Ziel, daß dieser Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages verabschiedet wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reiser.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rollmann, ich habe den Eindruck, daß Vorzensur für Sie doch ein recht schwimmender und dehnbarer Begriff sein muß. Ich könnte Ihre Jugend- und Moralaktion zunächst einmal von der mehr heitereren Seite nehmen und in Anspielung auf ein inzwischen geflügeltes Wort eines Mitbürgers aus meinem Wahlkreis, der damit im Schaugeschäft Erfolg hat, antworten: Mein Gott, Rollmann!
Erfolg und Wichtigkeit scheint Ihre eigene Fraktion indes diesem Gesetzentwurf zum Schutz der
Jugend vor Mediengefahren nicht beizumessen. Es handelt sich ja lediglich um einen Gruppenantrag, der von Ihnen, wie ich finde, mühsam angeführt wird. Das ist eine etwas magere Demonstration an Geschlossenheit.
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- Es kommt auf die Sache an.
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Sie haben ein nahezu gleiches Papier in der vergangenen Wahlperiode eingebracht. Sie haben es selber gesagt. Nun kommen Sie damit wieder, und zwar nach drei Jahren dieser Legislaturperiode und gut ein halbes Jahr vor Abschluß der parlamentarischen Arbeit.
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Was versprechen Sie sich davon? Nur etwas für den Wahlkampf, Herr Rollmann?
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Wollen Sie etwa den Bürgern weismachen, die Sozialdemokraten ließen die Jugend bißchen für bißchen moralisch verkommen?
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Ihr Entwurf übernimmt doch weitgehend die funktionierenden und bewährten Regelungen über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, wonach unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizende sowie den Krieg verherrlichende Schriften indiziert werden können. Dieses Gesetz ist dazu noch rechtzeitig in dieser Legislaturperiode im Zuge der vierten Strafrechtsreform erweitert und verbessert worden.
Einzig neu an Ihrem letzten und jetzigen Entwurf ist, daß künftig auch Rundfunk- und Fernsehprogramme sowie über den Bildschirm ausgestrahlte Spielfilme in dieses Gesetz einbezogen werden sollen. Die Zahlen, die Sie genannt haben, werden von verschiedenen durchaus wissenschaftlichen Seiten völlig unterschiedlich beurteilt. Inzwischen gibt es verschiedene neue Betrachtungsweisen. Ich würde das mit den Zahlen nicht übertreiben. Damit können Sie einiges anstellen, auch sehr negatives.
Außerdem, Herr Rollmann, können Sie doch unmöglich verdrängt haben, daß es sich in unserem Lande um öffentlich-rechtliche Sendeanstalten mit verantwortungsbewußten Aufsichts- und Beratungsgremien auf verschiedenen Ebenen wie Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Programmbeirat handelt, in denen doch auch Ihre Parteifreunde zahlreich vertreten sind, und daß in den Rundfunkgesetzen der Bundesländer Jugendschutzbestimmungen enthalten sind. Mißtrauen gegen das alles und gegen alle? Wollen Sie denn den Verdacht erwecken, daß die Programmverantwortlichen ihrer Pflicht nicht ausReiser
reichend nachgekommen sind? Ich weiß nicht, auf welche dubiosen Quellen Sie sich stützen, wenn Sie behaupten, daß in den Anstalten im Hinblick auf Gewalttätigkeit darstellende Sujets alles drunter- und drübergegangen sei. Das können Sie mir wirklich nicht weismachen. Das ZDF beispielsweise gibt die Angaben der Freiwilligen Filmselbstkontrolle in Wiesbaden bei jedem Spielfilm an, für welche Altersschicht ein Film geeignet oder nicht geeignet ist.
Ihr Entwurf verlangt, daß jugendgefährdende TV-und Funkdarbietungen nicht vor 22 Uhr verbreitet werden dürfen. Als ob das nicht bei als heikel empfundenen Programmen ohnehin so oder ähnlich geschehen ist, was immer man unter jugendgefährdend verstehen mag! Dr. Fuhr, der Justitiar des Zweiten Deutschen Fernsehens, Ihr Parteifreund, schreibt dazu:
Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung erscheint, soweit er die Rundfunkanstalten betrifft, rechtlich bedenklich, in der Begründung wenig überzeugend und praxisfern.
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Genau das unterstreichen wir in diesem Falle. Der Justitiar schreibt weiter:
Die Bundesländer waren ersichtlich der Auffassung, daß sie mit dieser Bestimmung
- dieser Jugendschutzbestimmung -eine rundfunkrechtliche Materie in medienspezifischer Weise regelten, wobei lediglich bestimmte Bewertungskriterien einem Bundesgesetz entnommen werden sollten.
Herr Rollmann, Sie drohen in Ihrem Entwurf - auf Seite 8 - denjenigen Programmzuständigen, die eine solche indizierte Sendung vor 22 Uhr verbreiten, auch noch Strafe an. Wörtlich heißt es: „Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe." Was soll das denn? Ist das die ausgewogene Lawand-order-Welle im Funk- und Fernsehstudio? Und was für ein Mißtrauen gegenüber Eltern kommt darin zum Ausdruck - obwohl Sie das in einer anderen Art und Weise dargestellt und abgeschwächt haben -, denen sie offenbar unterstellen - zum Teil wenigstens -, daß sie ihre Kinder immer und überall auf den Bildschirm starren lassen! Wie wollen Sie, abgesehen davon, verhindern, daß Jugendliche doch nach 22 Uhr solche jugendgefährdenden Sendungen ansehen? Wollen Sie ein Blockwartsystem einrichten?
Schließlich wollen Sie diesem Papier nach auch noch die existierende Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu einer gewichtigeren Bürokratie, der Bundesprüfstelle für Jugend- und Medienschutz, aufblähen, deren Beisitzer Sie um- oder austauschen wollen, obwohl der zuständige Leiter der Bundesprüfstelle ausdrücklich erklärt: „Es klappt in der Praxis hervorragend!"
Indizierungsanträge sollen nicht nur wie bisher die obersten Jugendbehörden der Länder und das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit stellen können, ihrem Entwurf nach dürfen das nun auch noch die Landesjugendämter, die Jugendämter, die Spitzenverbände der Jugendhilfe und Staatsanwaltschaften, wobei Sie im Falle der Staatsanwaltschaften zunächst einmal Einvernehmen mit den einzelnen Justizministern der Länder herstellen müßten.
Schließlich wollen Sie auch noch so eine Art Orwell-Station, eine spezielle Marktbeobachtungsund Antragstelle einrichten, die Indizierungsanträge einreichen soll, die wiederum Kosten verursacht, Steuergelder kostet. Abenteuerlich!
Die Sozialdemokratische Fraktion sieht keine aktuelle Notwendigkeit für diesen und keinen Sinn in diesem vorgelegten Gesetzentwurf. Helfen Sie uns lieber, den Jugendarbeitsschutz und die berufliche Bildung weiter zu verbessern!
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Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Reiser hat mir die Sache recht schwer gemacht. Ich habe mit Vergnügen die Ausführungen im „Vorwärts" gelesen. Sie sind heute hier trefflich und zutreffend ergänzt worden.
Ich darf eingangs mitteilen, daß die Fraktion der Freien Demokraten nach einigen Überlegungen beschlossen hat, der Ausschußüberweisung aus Gründen der puren Höflichkeit zuzustimmen, weil wir nämlich an sich meinten, es müßte irgendwann einmal damit begonnen werden, die Ausschüsse von völlig überflüssigen Arbeiten und Papierbelastungen frei zu halten.
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Aber, wie gesagt, da hat die Höflichkeit eine Rolle gespielt. Wir werden der Ausschußüberweisung zunächst einmal zustimmen.
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Ihre frohe Hoffnung auf unseren geballten Willen, das ganz zügig zu beraten, dafür wahrscheinlich alles andere liegen zu lassen, was noch so in den Ausschüssen an etwas bedeutenderen Materien vorhanden ist, werden wir wohl allerdings nicht erfüllen können. Wir glauben auch nicht, daß Sie ernsthaft an die Verabschiedung dieses Gesetzes geglaubt haben; denn sonst hätten Sie es doch schon etwas zeitiger als ein Dreivierteljahr vor Schluß der Legislaturperiode hier einbringen müssen. Das sagt ein gewisses Maß an parlamentarischer Erfahrung.
Wir werden also diesen Merk- und Erinnerungsposten wahrscheinlich wie früher in der nächsten Legislaturperiode - ich vermute gegen Ende derselben - dann wieder einmal zu sehen bekommen.
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Es zeigt sich bei diesem Gesetzentwurf, wie bedauerlich es ist, daß die Ausschüsse des Hauses
weitgehend selbständig nebeneinanderher leben, und wie schwer es ist, Kommunikation übergreifend zwischen den Mitgliedern verschiedener Fachausschüsse herzustellen.
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- Das wäre sicherlich eine Möglichkeit, Herr Wehner.
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Ich habe mit Interesse die Liste der Unterzeichner betrachtet und habe festgestellt, daß die von mir sehr geschätzten Herren aus dem Rechtsbereich hier ausnahmslos nicht vertreten sind. Darüber macht man sich dann so seine Gedanken. Mit diesen Kollegen haben wir nämlich in diesem Haus in den letzten fünf Jahren unzählige und sehr lange und ausführliche Debatten über alles, was mit Ihrem Entwurf zusammenhängt, geführt. Wir haben diese Dinge mit dem Vierten Strafrechtsreformgesetz und mit der damit zusammenhängenden Änderung des Jugendschutzes zu Ende gebracht. Wir möchten sie auch nicht alle Jahre wieder anfassen, ohne daß ein ganz wichtiger Grund vorhanden ist.
Sie verlangen da diese „Orwell-Station", wie Herr Reiser das genannt hat. Ich meine, eine solche Station muß es schon geben. Ich war fasziniert, welche Fülle von Zahlenmaterial Sie hier unterbreitet haben, welche Menschen sich die Zeit nehmen, all dies anzusehen und genau zu zählen: 178 Filme der Sorte und soundsoviel der Sorte. Diese Beobachtung funktioniert doch offenbar schon ganz schön; sonst hätten Sie uns nicht diese ungewöhnlich detaillierten Ausführungen machen können. Das ist nun aber auch wirklich alles, was man verlangen kann. Ihre Freunde und die Vertreter der Ihnen nicht völlig fernstehenden Kirchen sitzen zahlreich in zahllosen Räten. Jetzt wollen Sie hergehen und daneben wieder ein Gremium setzen, Beamte einstellen und dann beim nächstenmal hier im Plenum durch Freunde, die nun wiederum einen anderen Fachbereich - das System kommt Ihnen sehr gelegen - vertreten, bejammern lassen, was wir für unnütze Ausgaben machen, wie unsolide wir die Staatsfinanzen verwalten.
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Sie übersehen dabei, daß derartige Anträge, wie Sie sie heute hier vorlegen, natürlich gerade zu diesen Ausgaben führten, wenn wir ihnen folgten.
Ich möchte Sie heute mittag nicht länger aufhalten. Ich glaube, ich habe unsere Ansichten über den Entwurf vielleicht nicht ganz so vornehm und höflich wie der vorhin zitierte Parteifreund von Ihnen, der Syndikus des ZDF, aber jedenfalls doch einigermaßen deutlich gemacht.
Zum Schluß möchte ich § 23 vorlesen - es macht sich nicht jeder die Mühe, neben den vielen anderen Gesetzen ein solches Gesetz zu studieren -: „Eine Schrift, deren Aufnahme in die Liste angeordnet ist, ist unverzüglich in die Liste aufzunehmen."
({6}) Das ist meiner Ansicht nach ein ganz wichtiger Hinweis auf den Geist, in dem Sie an diesem Gesetz gearbeitet haben.
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Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Der Ältestenrat hat die Empfehlung ausgesprochen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend - und an den Rechtsausschuß, den Innenausschuß, den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform sowie an den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung - zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Verzicht der Mitglieder des Bundestages auf eine Anhebung ihrer Aufwandsentschädigungen für das Jahr 1976
- Drucksache 7/4147 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 49 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 7/4314 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den Anträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 21 bis 26 der Tagesordnung auf:
21. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine
Entscheidung ({2}) des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen mit dem Europarat über den Beitritt der Gemeinschaft zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport zu eröffnen
Entscheidung ({3}) des Rates über den Abschluß des Abkommens betreffend den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport und zur Änderung dieses Abkommens im Hinblick auf seine Anwendung auf den innergemeinschaftlichen Handel
- Drucksachen 7/3819, 7/4289 Berichterstatter: Abgeordneter Rainer
Vizepräsident Frau Funcke
22. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für
Richtlinien in bezug auf das Gemeinschaftsverzeichnis benachteiligter landwirtschaftlicher Gebiete im Sinne der Richtlinie über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten, angenommen vom Rat am 21. Januar 1974
eine Richtlinie zur Ergänzung der Bestimmungen des Titels V der Richtlinie über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten, angenommen vom Rat am 21. Januar 1974
- Drucksachen 7/3181, 7/4290 Berichterstatter: Abgeordneter Gallus
23. Beratung des Antrags des Innenausschusses ({5}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({6}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und, der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Geel-Mol ({7}) dienstlich verwendet werden
- Drucksachen 7/4157, 7/4348
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer ({8})
24. Beratung des Antrags des Innenausschusses ({9}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({10}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden
- Drucksachen 7/4156, 7/4349 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer ({11})
25. Beratung des Antrags des Innenausschusses ({12}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({13}) des Rates zur Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind
- Drucksachen 7/4112, 7/4350 - Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer ({14})
26. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15}) zu dem von der
Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für einen Beschluß des Rates über eine finanzielle Beihilfe der Gemeinschaft zugunsten des Instituts für Maul- und Klauenseuche in Ankara
- Drucksachen 7/3889, 7/4291 - Berichterstatter:
Abgeordneter Schröder ({16})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? -Das ist nicht der Fall.
Das Wort zur Aussprache hat der Abgeordnete Scheu.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen in der SPD-Fraktion! Meine Herren im übrigen! Zunächst muß ich Sie ehrlich um Entschuldigung dafür bitten, daß ich zu so ungelegener Stunde rede und Sie dazu noch mit einem Thema behellige, das alles andere als angenehm ist. Ich hatte die Absicht, zur Behandlung von EG-Vorlagen allgemein - nicht zu diesen Punkten heute - schon vor einigen Wochen einige Bemerkungen zu machen, als ich selbst Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses war - dahin hätte es besser gepaßt -, jedoch kam es aus technischen Gründen nicht dazu.
Heute ist es insofern eigentlich ungeschickt, als bei den EG-Vorlagen eine - unter Tagesordnungspunkt 26 - dabei ist, bei welcher der federführende Ausschuß, nämlich der Ernährungsausschuß - unsere Landwirte - ein energisches Veto gegen eine Vorlage der EG-Kommission eingelegt und auch begründet hat. Es sollte zugunsten des Instituts für Maul- und Klauenseuche in Ankara 1 Million DM in die Türkei gehen. Dagegen ist man im Ausschuß aufgetreten - ein erfreuliches Beispiel.
Sicher ist es Ihnen aufgefallen, meine Damen und Herren, daß der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Kollege Wehner, schon seit einiger Zeit bei Abstimmungen über EG-Vorlagen mit Nein stimmt.
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In den letzten Wochen haben sich ihm weitere einzelne Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion angeschlossen.
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- Nein. Dieses Verhalten hatte sicher verschiedene Gründe. Das will ich hier nicht untersuchen; es ist ja jedes einzelnen eigene Sache.
Ich bin mir gewiß, daß das Unbehagen über die Behandlung der Vorlagen der Europäischen Gemeinschaft in den Ausschüssen und im Plenum des Deutschen Bundestages für alle diejenigen Kollegen, die gelegentlich einmal über solche Dinge nachdenken, außerordentlich groß ist. Wer weiß, wie die europäischen Vorlagen zustande kommen, und dann bedenkt, daß wir hier in Bonn quasi freiwillig auf eine wirkliche Kontrolle durch das Parlament verzichten, der kann diesen Zustand auf die Dauer nicht schweigend hinnehmen.
Wenn Zahlen etwas über die Bedeutung von Vorlagen aussagen, dann müßten die EG-Vorlagen die wichtigsten aller Vorlagen überhaupt sein, denn allein in dieser Wahlperiode, also in den drei Jahren, wurden dem Wirtschaftsausschuß zur Federführung oder zur Mitberatung nur 124 Gesetzesvorlagen zugewiesen, dagegen aber - und das ist der Stand Ende September/Anfang Oktober - 259 Vorlagen der EG-Kommission, von denen der Bundestag nach dem Zustimmungsgesetz vor Beschlußfassung im Rat Kenntnis zu nehmen hat. Das sind also 7 Vorlagen pro Monat allein im Wirtschaftsausschuß. Dabei habe ich die Monate der Parlamentsferien mit einkalkuliert. Insgesamt - dies möchte ich besonders hervorheben - hat der Bundestag in dieser Legislaturperiode bisher rund 763 EG-Vorlagen zu bearbeiten gehabt.
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- In gewissem Sinne ja. Ich würde nur ein bißchen einschränken, Herr Kollege Wehner: nicht ganz, denn bei ein paar Dingen hat man ja etwas getan. Z. B. wird heute, wenn das bei der Abstimmung anschließend so durchgeht, eindeutig gegen die Ausgabe von einer Million D-Mark Stellung genommen.
Wenn die europäischen Vorlagen dem Plenum meist zu einer Stunde wie der heutigen vorgelegt werden, in der ohnedies kaum noch jemand ernsthaft zuhört.
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- vielen Dank -, dann verzichten normalerweise auch die Berichterstatter einfach aus Höflichkeit gegenüber dem Plenum auf ein Wort der Erklärung. Zwar haben wir in den Ausschüssen ein Verfahren entwickelt, das es, von Ausnahmen abgesehen, zuläßt, daß das Unterrichtungsverfahren noch vor der Beschlußfassung im Rat durchgeführt wird. Trotzdem muß resignierend festgestellt werden, daß schon allein die Vielzahl der Vorlagen bei der den Ausschüssen zur Verfügung stehenden Zeit diesen wenig Möglichkeit läßt, sich über die weitreichenden Konsequenzen der vorgeschlagenen Regelungen Rechenschaft zu geben.
Nun kann man natürlich alles nach der Wichtigkeit gliedern. Die Kommission legt verschiedentlich Programme vor, die noch gar keine Maßnahme zur Folge haben, aber immerhin Orientierungen über zukünftige Politiken darstellen können. An der Erörterung dieser Programme wird der Bundestag in der Regel erst beteiligt, wenn sie schon ihren Niederschlag in konkreten Vorschlägen der Kommission gefunden haben. Die Bundesregierung ist jedoch zunehmend darauf bedacht, auch diese Programme dem Bundestag zur Kenntnisnahme zuzuleiten. In diesem ersten Stadium dürfte die vertiefte Diskussion vorgelegter Orientierungen für einzelne Bereiche - wie in letzter Zeit z. B. der Bauwirtschaft oder der Papierindustrie - wenig zweckmäßig sein. Hier kommt es wesentlich darauf an, daß das jeweils zuständige Ministerium bereit ist, über die Beratungen in Brüssel zu berichten. Über mangelnde
Bereitschaft zu umfassender Information hat der Wirtschaftsausschuß jedenfalls, zu dessen Arbeit ich hier am meisten sagen kann, zu keinem Zeitpunkt zu klagen gehabt.
Es werden dann andere Vorlagen geringerer Bedeutung übermittelt, die nach nationalem Recht in den weiten Bereich der Rechtsverordnungen oder gar der Regierungserlasse fallen und die, handelte es sich um eine nationale Gesetzgebung, den Bundestag kaum beschäftigen würden.
Schließlich bleibt der wichtige Rest, bei dem eine stärkere politische Beteiligung bei der Beschlußfassung, aber auch bei der Kontrolle der ausgeübten Ermächtigungen notwendig wäre - und notwendig ist: Man macht ja auch zum Teil davon Gebrauch, etwa hier bei Punkt 26 - finanzielle Beihilfe zugunsten eines Instituts für Maul- und Klauenseuche in der Türkei -; das ist ein vorbildlicher Fall, wie ich meine.
Was ich bisher sagte, gilt sowohl für den ordnungspolitischen als auch den finanzpolitischen Be- reich. Ich frage mich nun ernsthaft, ob wir Abgeordnete uns nicht den Vorwurf machen müssen, uns nicht eingehend genug mit diesen Vorlagen zu beschäftigen. Für den Wirtschaftsausschuß kann ich erklären, daß das Wirtschaftsministerium jede Gelegenheit wahrnimmt, den Ausschuß vorab zu unterrichten und, wenn möglich, auch seine Meinung zu den anstehenden Entscheidungen einzuholen. So geschah es vor der Beschlußfassung über die Entschließung zur ersten und zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion - der bekannte Werner-Plan -, zum Regionalfonds und zum Korrekturmechanismus.
Mir liegt daran, dies noch einmal deutlich werden zu lassen: Der Unmut über die Selbstausschaltung des Parlaments, seine mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit bei der Beschlußfassung und der Verzicht auf seine Kontrollrechte liegen im Vertrag selbst begründet.
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- Natürlich! Das ist mir völlig klar. - Hinzu kommt der Mißerfolg, daß es bisher nicht gelungen ist, das im Vertrag vorgegebene Ziel der parlamentarischen Mitwirkung beim Rechtsetzungsverfahren auf europäischer Ebene zu verwirklichen.
Aber machen wir uns nicht alle mitschuldig daran, daß das europäische Bewußtsein in unserem Volke eher abnimmt und daß die Masse der Bürger von der Wirksamkeit der Europäischen Gemeinschaft kaum mehr zur Kenntnis nimmt, als daß uns dieses Europa einen Haufen Geld kostet und Butterhalden sowie Rindfleischberge produziert?
Nach meinen Informationen sind die Briten und die Dänen, obwohl sie die gleichen Schwierigkeiten haben, schon etwas weiter als wir. Bei uns gibt es kein Bundestagsgremium, das sich ausschließlich oder vorwiegend mit diesen europäischen Vorlagen beschäftigen würde. Dagegen haben die Engländer und die Dänen in ihren Parlamenten besondere EG-Ausschüsse gebildet, und auch im Plenum
dieser beiden Parlamente werden sehr viel häufiger konkrete EG-Probleme behandelt als bei uns.
Zum Schluß möchte ich anmerken, daß ich zu meinem Bedauern keine Patentlösung anbieten kann. Die Fraktion der SPD will sich dieser Frage annehmen; sie hat eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Prof. Dr. Alex Möller gebildet. Diese Arbeitsgruppe will sich der Aufgabe unterziehen, die Materie zu überprüfen, und gegebenenfalls Vorschläge zur Behandlung solcher Vorlagen machen. Vielleicht können wir uns alle, soweit uns diese Grundsituation bedrückt, an diesen Überlegungen beteiligen.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie meinen Dank für Ihre Geduld entgegen! Das Zuhören ist zu diesem Zeitpunkt und bei einer solch makabren und peinlichen Materie schon eine Zumutung; das räume ich ein.
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Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Können wir über die Vorlagen gemeinsam gemäß den Berichten abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Wer den Ergebnissen der Berichte bei den Tagesordnungspunkten 21 bis 26 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine. Gegen zwei Stimmen so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 10. Dezember 1975, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.