Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Abgeordneter, es trifft nicht zu, daß 80 Industrielle und Bankiers den Herrn Bundesaußenminister auf seiner Lateinamerikareise begleitet haben. Richtig ist vielmehr, daß nach Brasilien neun, nach Peru und Venezuela sechs Herren der Wirtschaft den Bundesminister des Auswärtigen begleitet haben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lampersbach.
Wären Sie in der Lage und bereit, Herr Staatsminister, die Namen der Mitreisenden bekanntzugeben und zu sagen, welche Motivation zugrunde lag?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Sie haben auch die Frage 74 eingereicht, die noch nicht aufgerufen worden ist. Ich werde sie gerne beantworten, wie Sie das gewünscht haben.
Vizepräsident von Hassel: Dann rufe ich die Frage 74 des Abgeordneten Lampersbach auf:
Welches sind die Namen dieser Persönlichkeiten, und nach welchem System werden die Begleitungen der Mitglieder der Bundesregierung bei Auslandsreisen generell bzw. nach welchen Prinzipien wurden sie für die Südamerikareise des Bundesaußenministers zusammengestellt?
Die Namen dieser Personen sind: Dr. Hanns Martin Schleyer, Vorstandsmitglied der Daimler Benz AG - er war in Brasilia und Sao Paulo -, Dr. Friedrich Wilhelm Christians, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Banken - in Brasilia, Sao Paulo, Rio de Janeiro -, Paul Broicher, Geschäftsführer des Deutschen Industrie-und Handelstages - auf der gesamten Reise anwesend -, Herbert Pavel, Präsident der gemischten deutsch-brasilianischen Wirtschaftskommission und Präsident des Wirtschaftsverbandes der Eisen, Blech und Metall verarbeitenden Industrie - auf der gesamten Reise -, Heinz Hufnagel, Mitglied des Vorstands der Mannesmann AG - auf der gesamten Reise -, Dr. Harald Peipers, Mitglied des Vorstands der Hochtief AG - auf der gesamten Reise -, Friedrich Möller, Geschäftsführer der Deutschen Eisenbahn-Consulting - auf der gesamten Reise -, Dr. Hans Jürgen Paetz, Geschäftsführer des IberoAmerika-Vereins - auf der gesamten Reise -, Diplomingenieur Alfred Selbach, Vorstandsmitglied der Brown, Boveri & Cie. AG - nur Brasilia -.
Die Begleitung von Mitgliedern der Bundesregierung bei Auslandsreisen, Herr Abgeordneter, richtet sich nach den Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Für die Lateinamerikareise des Herrn Bundesministers des Auswärtigen war bei der Auswahl der Begleiter maßgebend, daß die deutsche Wirtschaft in Lateinamerika vielfältig engagiert ist, in den besuchten Ländern eine Reihe von großen Projekten laufen oder anstehen oder, wie in Peru, die Arbeits- und Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen geprüft und besprochen wurden. In jedem der drei besuchten Länder, nämlich in Brasilien, Peru und Venezuela, fanden Wirtschaftsgespräche statt, bei denen die begleitenden Wirtschaftler mit Regierungsmitgliedern zusammentrafen, die Standpunkte dargelegt haben und Meinungen austauschen konnten.
Die Bundesregierung - das möchte ich sehr betont sagen - hält es für ihre Aufgabe, die deutsche Wirtschaft bei ihren Auslandskontakten zu unterstützen und dadurch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu festigen, was sicherlich im Interesse eines exportorientierten Landes wie der Bundesrepublik Deutschland liegen dürfte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lampersbach.
Herr Staatsminister, der letzte Teil der Antwort ist durchaus zufriedenstellend; ich darf trotzdem die ergänzende Frage stellen: Ist die Anregung zur Mitreise der von Ihnen genannten Wirtschaftler von der Wirtschaft ausgegangen oder vom Herrn Außenminister?
Ich müßte das im einzelnen nachprüfen.
Solche erweiterten Delegationen sind nicht neu. Tatsache ist, daß die Bundesregierung - und nicht nur der Bundesminister des Auswärtigen - der Meinung ist, daß eine solche Ergänzung der Regierungsdelegation gerade angesichts der großen Diskussion über weltwirtschaftliche Ordnungsfragen sinnvoll ist. Im Zweifel ergeben sich die Absprachen über eine solche Reise im gegenseitigen Gespräch, das regelmäßig - etwa auch in der Konzertierten Aktion und bei anderen Gelegenheiten - stattfindet.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatsminister, ohne auf den konkreten Inhalt der einzelnen Gespräche einzugehen: Sind hierbei auch Überlegungen angestellt worden hinsichtlich der Absicherung von Investitionen durch die Bundesrepublik Deutschland, die ja sicherlich Gegenstand der Erörterungen mit den Vertretern der Wirtschaft waren?
Herr Abgeordneter, die Absicherung von Investitionen im Ausland geschieht auf verschiedene Weise, einmal durch die Gesetzgebung der Länder selbst, eventuell auch durch völkerrechtliche Abmachungen oder Verträge, und drittens durch Bürgschaften auf unserer Seite, wofür es eine entsprechende Institution gibt, der sowohl Regierungsstellen, Bundesbank und andere als auch Vertreter der Wirtschaft selbst angehören. Ich habe schon gesagt, daß in Peru die Frage der Investitionsmöglichkeiten erkundet wurde, übrigens auch in anderen Ländern. Zu einem solchen Gespräch gehört auch die Frage der Sicherheit des deutschen Eigentums als einer Voraussetzung für private Investitionen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Verzeihung, Herr Kollege Lampersbach, Sie haben zur zweiten Frage zwei Zusatzfragen bereits konsumiert. Wenn der Präsident scharf durchgriffe, würde er sagen, daß die zweite Zusatzfrage mit der Grundfrage eigentlich nicht voll übereinstimmte. Sie haben also keine Zusatzfrage mehr.
({1})
Bitte, Herr Kroll-Schlüter!
Herr Minister, ist es richtig, daß die Begleitung der so persönlich eingeladenen Unternehmer auf Reisen der Bundesregierung auch im Interesse der Bundesregierung liegt?
Warum soll das falsch sein? Ich habe das, glaube ich, vorhin beantwortet. Die Bundesregierung nimmt die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahr. Was sollte sie sonst tun? Ich habe gesagt, es ist im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Die Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland ist nach unserer Verfassung die Bundesregierung, also ist es im Interesse der Bundesregierung und damit im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und umgekehrt.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seiters.
Herr Staatsminister, können Sie denn sagen, ob die Absicherung deutscher Investitionen im Ausland über den Rahmen der Hermes-Absicherung hinausgeht?
Ich habe gerade versucht, mitzuteilen, daß es im wesentlichen von der Gesetzgebung der Länder abhängt, in denen investiert wird, insbesondere von ihrer Verfassung selbst und von zwischenstaatlichen Abkommen. Erst bei Vorliegen solcher Voraussetzungen können die Möglichkeiten von uns genutzt werden, auf unserer Seite eine Absicherung vorzunehmen. Die Absicherung auf unserer Seite im Inland ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die im Ausland erfüllt sein müssen.
({0})
- Das ist bekannt, Herr Abgeordneter, aber die Frage war gestellt.
Vizepräsident von Hassel: Bevor ich noch eine Zusatzfrage zulasse, muß ich Sie darauf verweisen, daß in der Frage 74 gefragt worden ist nach den Namen der Persönlichkeiten und nach dem System, nach dem diese ausgewählt worden sind. Es ist nicht etwa eine Frage gestellt worden nach Absicherung von Investitionen im Ausland. Ich muß das der Ordnung halber erwähnen. Haben Sie noch zu der Frage der Persönlichkeiten und des Systems eine Zusatzfrage? Dann können Sie die bekommen, Herr von Fircks.
Ich muß danach befürchten, daß Sie meine Zusatzfrage nicht zulassen würden.
Vizepräsident von Hassel: Die Frage 75 des Abgeordneten Höcherl ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Fragen 76 und 77 des Abgeordneten Dr. Marx. - Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Hält die Bundesregierung es nicht eindeutig far vertretbar, daß in den Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkommission zur Zeitgeschichte zur Kennzeichnung des Geschehens
Vizepräsident von Hassel
nach 1945 unter dem Oberbegriff ,,Bevölkerungstransfer" im Sinne der Potsdamer Beschlüsse vier verschiedene Phasen unterschieden werden, und zwar: „Evakuierung" Deutscher aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die „Flucht", die „Zwangsumsiedlung" und schließlich die Ausreise im Rahmen der Familienzusammenführung?
Herr Abgeordneter, ich habe in diesem Hause mehrfach hervorgehoben, daß die Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkommission Ergebnisse eingehender Erörterungen zwischen Wissenschaftlern beider Länder sind, auf die die Bundesregierung keinen Einfluß hat, und daß die Bundesregierung daher zum Inhalt der einzelnen Empfehlungen auch keine Stellung nehmen wird. Das gilt auch für den von Ihnen angesprochenen Wortlaut der zweiten Empfehlung ({0}) der Wissenschaftler. Ich teile aber Ihre Auffassung, daß zeitgeschichtlich betrachtet das leidvolle Schicksal der deutschen Bevölkerung in mehreren Phasen beschrieben werden kann. Eine abgrenzende begriffliche Katalogisierung der Einzelschicksale wird jedoch schwer zu vollziehen sein.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Staatsminister, halten Sie es für möglich und nützlich, daß die Bundesregierung die tatsächlichen Texte der Empfehlungen der Schulbuchkommission, die ich in meiner Frage in Form von Substantiva zitiert habe, einmal dem Oppositionsführer und anderen Mitgliedern der Opposition gewissermaßen amtlich zustellen läßt, da ja diese Empfehlungen vom Oppositionsführer und anderen Mitgliedern der Opposition in den letzten Wochen und Monaten wiederholt falsch zitiert worden sind?
({0})
Herr Abgeordneter, der Bundestag verfügt über einen Wissenschaftlichen Dienst, in dem sicherlich die notwendigen Empfehlungen zur Verfügung stehen. Wenn der Bundestag oder eine Fraktion die Bundesregierung um Texte bittet, stellt die Bundesregierung sie gern zu. Aber es sind ja veröffentlichte Texte, wenn ich das recht weiß, so daß es eine Frage des Willens zur Einsicht ist, die hier angeschnitten wurde.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben eben auf die Abgrenzung von Begriffen abgehoben. Halten Sie es für eine richtige Wiedergabe der Vorgänge nach 1945, wenn der Begriff „Vertreibung" in diesen deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen nicht vorkommt und statt dessen gesagt wird „umfangreiche Bevölkerungsverschiebungen"?
Herr Abgeordneter, es ist in der Tat eine Ermessensfrage, welche Begriffe man verwendet. Die Bundesregierung nimmt zum Inhalt der Schulbuchempfehlungen hier keine Stellung. Sie möchte der persönlichen Meinungsbildung der Abgeordneten keinerlei Eingrenzung zuteil werden lassen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, da in dieser Frage Nr. 78 eine Fülle von Terminologien enthalten sind, über die wir hier sprechen, frage ich Sie, ob Sie mit mir einig sind, daß die Bezeichnung „Bevölkerungsverschiebung" für eines der größten internationalen Verbrechen, die Massenvertreibung von 10 Millionen Menschen, nicht angemessen ist.
Ich habe eben klarzustellen versucht, daß die Bundesregierung hierzu eine bestimmte Meinung hat, daß es hier aber um die Schulbuchempfehlungen geht und es jedem einzelnen Politiker unbenommen ist, dazu seine eigene Ansicht und seine Meinungen zu haben. wie Sie es ja eben in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatsminister, sind Sie nicht bereit, die Einstellung der Bundesregierung zur Verwendung des Begriffs „Bevölkerungsverschiebung" - ganz unabhängig von der Verwendung in den Schulbuchempfehlungen - darzulegen, weil hier doch offensichtlich auch dadurch Kategorien eingeführt werden sollen, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, dazu Stellung zu beziehen, anstatt ständig weiterhin die Auffassung der Bundesregierung im unklaren zu lassen?
Herr Abgeordneter, ich möchte den Eindruck vermeiden - ich bitte dafür um Verständnis -, daß die Bundesregierung gegenüber wissenschaftlichen Kommissionen, wer immer sie bilden mag, als Zensor auftritt. Die Auffassung der Bundesregierung ist Ihnen sicherlich wohlbekannt.
Auch die Terminologie der Bundesregierung ist bekannt; sie kann in jedem Dokument, das hier in diesem Hause zur Verfügung steht, nachgelesen werden. Das fängt mit der Regierungserklärung an und geht bis zu den Begründungen der Ratifikationsvorlage zum deutsch-polnischen Vertrag von 1970, die 1972 hier behandelt wurde. Dasselbe gilt in bezug auf die jetzigen Vorlagen. Dort hat die Bundesregierung Tatbestände mit den Worten bezeichnet, die sie für angemessen hält. Wenn andere andere Begriffe einführen, werden sie dafür ihre Begründungen haben. An den historischen Tatsachen ändert irgendeine Form der Semantik ohnedies nichts.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Friedrich.
Herr Staatsminister, ist es nicht problematisch, wenn hier die Überschrift „Bevölkerungsverschiebung" behandelt wird, während im Inhalt der Entschließung auf die historischen Tatsachen hingewiesen wird? Da heißt es: evakuiert, ausgewiesen, zwangsumgesiedelt; ferner ist die Rede von der Familienzusammenführung. Sind dies nicht die tatsächlichen Vorgänge?
Herr Abgeordneter, ich muß Ihnen die gleiche Antwort geben wie den Kollegen von der Opposition. Ich habe mich zum Inhalt der Empfehlungen überhaupt nicht geäußert; ich möchte das auch nicht tun. Wir haben in unseren Schulen Lehrer, die selber entscheiden müssen, welche Schulbücher sie verwenden.
Hier liegen Empfehlungen einer wissenschaftlichen Kommission vor. Die Bundesregierung hat wie jeder Politiker in diesem Hause ihre eigene Terminologie, die ihrerseits natürlich über ihr Denken einiges aussagt. Das will ich gern unterstreichen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß vom polnischen Sprachgebrauch her im Gegensatz zum deutschen der Terminus „Protokollnotiz", der im Hinblick auf die jüngsten humanitären Vereinbarungen verwendet wird, ganz abgesehen von der ohnehin gegebenen Bindung im völkerrechtlichen Sinne, eine noch „feierlichere" Form der Verpflichtung darstellt, als dies im Hinblick auf den bei uns gebräuchlichen Terminus „Protokoll" der Fall ist?
Ich nehme Bezug, Herr Abgeordneter, auf meine Antwort vom 6. November 1975 auf eine Frage des Kollegen Sauter. Ich habe dort erläutert, daß der im polnischen Text verwandte Begriff „Protokollniederschrift" korrekt zum Ausdruck bringt, daß es sich bei dem von den beiden Außenministern unterzeichneten Dokument um ein rechtsverbindliches Instrument handelt. Dasselbe hat im übrigen auch der Herr Bundesminister des Auswärtigen in seiner Stellungnahme zu den Bedenken des Bundesrats gegenüber den deutschpolnischen Vereinbarungen vor dem Deutschen Bundestag am 26. November dieses Jahres erklärt. Der Bundesminister hat zum Ausdruck gebracht, daß die im Protokoll niedergelegte Zusage des polnischen Außenministers in gleicher Weise verbindlich ist wie eine vertraglich eingegangene Verpflichtung.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, was mag nun die polnische Seite bewogen haben, das Wort „Protokoll" als Überschrift nicht zu benutzen, obwohl das Wort zur Verfügung stünde, sondern „Protokollnotiz"? Das muß doch wohl einen Grund haben.
Der Grund ist offensichtlich der, daß die Polen diesen Begriff für präziser halten. „Protokoll" ist sicher ein allgemeinerer Begriff. Im übrigen könnte man bei dieser Gelegenheit natürlich noch in ungeheure Sprachfeinheiten eindringen. Ich sehe hier in der Frage z. B. den Ausdruck „feierlichere" Form. Das ist also ein Komparativ. Ich bin mir nicht sicher, ob man in diesem Falle den Komparativ anwenden kann. Man kann ihn sicherlich etwa bei dem Begriff „schön" benutzen. Der Komparativ wäre dann „schöner". Aber wenn Sie sagen: „Das wäre noch schöner", ist es wieder etwas anderes.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter Dr. Czaja, Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie haben eben diese Protokollnotiz ein rechtsverbindliches Instrument genannt. Wie erklären Sie dann die Aussage des Herrn Bundesaußenministers hier vor dem Plenum des Bundestages, daß die Volksrepublik Polen sich geweigert hat, eine völkerrechtsverbindliche Vereinbarung über diese Personen aus verfassungsrechtlichen Gründen der Volksrepublik Polen zu treffen? Wie beurteilen Sie das insbesondere mit Bezug auf Art. 46 Abs. 1 und 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention, die ausdrücklich von der Bindung und Bindewirkung solche Bestimmungen ausnimmt, die nach Treu und Glauben den anderen Verhandlungspartnern während der Verhandlungen als gegen das Verfassungsrecht verstoßend dargelegt worden sind, was Herr Minister Genscher ja bestätigt hat?
({0})
Herr Abgeordneter, ich fühle mich ein bißchen überfordert wegen der Länge und des Inhaltsreichtums Ihrer Frage. Aber ich kann Ihnen versichern, daß das, was der Bundesaußenminister hier gesagt hat, voll übereinstimmt mit der Antwort, die ich gegeben habe. Es ist natürlich schwer, in einer einzigen Antwort eine Rede von 40 Minuten zu zitieren; denn Sie müssen natürlich den Gesamttext im Auge haben, wenn Sie der Sache gerecht werden wollen.
Was nun die Wiener Konvention betrifft, so ist das, was Sie eben zitiert haben, Ihre Meinung dazu. Unbeschadet dessen steht fest, daß Staaten ihre Rechtspraxis im Inland selbst bestimmen und daß sie selbst bestimmen, in welcher Form sie völkerrechtliche Abmachungen mit anderen Staaten treffen wollen. Sie werden, glaube ich, das Weltgericht noch erfinden müssen, das dafür sorgen kann, daß Staaten das tun, was Sie in Ihrer Frage vorgeschlagen haben.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Walkhoff auf:
Vizepräsident von Hassel
Welche Erwägungen haben die Bundesregierung bislang davon abgehalten, das Exequatur für den deutschen Generalkonsul in Windhoek/Namibia von den Vereinten Nationen als zuständigem Mandatsträger erteilen zu lassen?
Die Bundesregierung ist zwar der Auffassung, daß die fortgesetzte Präsenz Südafrikas in Namibia keine Grundlage im internationalen Recht hat. Sie muß aber der Tatsache Rechnung tragen, daß eine Tätigkeit des deutschen Konsuls in Windhoek nur möglich ist, wenn sie das Exequatur derjenigen Stellen einholt, die die effektive Gebietshoheit in Namibia ausüben. Eine Einholung des Exequaturs bei dem VN-Rat für Namibia kommt nicht in Betracht, weil dieser keine Gebietshoheit ausübt. Die Bundesregierung betrachtet zwar den VN-Rat für Namibia als zur Vertretung der politischen Interessen der Bevölkerung von Namibia im VN-Rahmen berechtigt. Der Rat übt jedoch keine effektive Gewalt aus und kann nicht so behandelt werden, als wäre er bereits die Regierung eines unabhängigen Namibia.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Walkhoff.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das von uns gewählte Prinzip, wonach der deutsche Generalkonsul in Windhoek zwar dem Auswärtigen Amt unterstellt wurde, aber weiterhin in Pretoria akkreditiert ist, von zahlreichen Bürgern Namibias, die um die Unabhängigkeit ihres Landes kämpfen, als indirekte Unterstützung der Regierung in Südafrika und als Verstoß gegen den UNO-Beschluß verstanden wird und daß es auch politisch so artikuliert wird?
Darüber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Die Tatsache, daß eben dieses Konsulat nicht der Botschaft in Südafrika unterstellt ist, kann natürlich genauso umgekehrt verstanden werden, nämlich als eine besondere Art der Trennung im Sinne dessen was ich hier eben ausgeführt habe.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, ist es sicherlich nicht möglich diese diffizilen Fragen in der Fragestunde im einzelnen darzulegen. Dies hat der deutsche UNO-Vertreter durch eine Note der Bundesrepublik Deutschland an den Generalsekretär der Vereinten Nationen vom 27. Mai 1974 getan, wo ausführlich gerade zu diesen Fragen Stellung genommen wird. Ich bin ganz sicher, daß unsere Art der Behandlung deutscher Interessen - es geht um die Rechtsvertretung deutscher Staatsangehöriger - keine Präjudizierung pro oder kontra der einzelnen Standpunkte war, sondern eine, wenn ich so sagen darf, wertneutrale Wahrnehmung deutscher Interessen. So jedenfalls wollen wir es verstanden wissen. Daß man möglicherweise von jeder Seite dabei Gegenteiliges unterstellt, hängt damit zusammen, daß im Konfliktfall die Neutralität nicht geschätzt wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Walkhoff.
Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. Herr Staatsminister, da Sie die Wahrnehmung der deutschen Interessen durch das Generalkonsulat ansprechen: Wäre die Akkreditierung des deutschen Generalkonsuls bei den Vereinten Nationen, die nach Ansicht der Vereinten Nationen möglich wäre, nicht auch deshalb eine gute politische Lösung, weil einerseits der von mir bereits genannte Eindruck vermieden werden könnte, wir würden die rassistische Politik Südafrikas unterstützen, andererseits aber durch die Existenz und Beibehaltung des Generalkonsulats in Windhoek gewährleistet wäre, daß die Interessen der deutschen Staatsbürger die dort leben, vertreten werden können?
Herr Abgeordneter, Sie gehen von einer Welt aus, wie sie leider nicht ist. Die Frage hat sich dadurch beantwortet, daß derjenige, der nicht von den Behörden akzeptiert wird, die Gebietshoheit ausüben, seine Tätigkeit überhaupt nicht ausüben kann. Wenn Sie also wollen, daß ein Konsul tätig sein kann, müssen Sie sich mit den Tatsachen vertraut machen, die dort bestehen, nämlich den Tatsachen der Ausübung der Gebietshoheit. Wir haben den Weg gewählt, diese Tatsachen zu respektieren, aber gleichzeitig unseren Rechtsstandpunkt, der sich mit dem der Vereinten Nationen deckt, in einer rechtswahrenden Erklärung deutlich zu machen, so daß die Respektierung, die Hinnahme von Tatsachen keine völkerrechtliche Wirksamkeit etwa in einem anderen Sinne hat. Das ist der Weg, wie man in solchen Fällen Konflikte lösen kann. Es wird Ihnen aus dem Schicksal des deutschen Volkes näher vertraut sein, daß es solche Wege und Möglichkeiten gibt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, vielleicht können Sie meinen Kollegen Walkhoff dahin gehend informieren, daß die Akkreditierung eines Diplomaten bei einer fremden Macht nicht gleichbedeutend ist mit der Identifizierung von uns mit dieser fremden Macht; denn sonst könnten wir nie einen Botschafter bei der Sowjetunion, in Warschau oder sonstwo haben.
Herr Abgeordneter, ganz so ist es natürlich nicht. Sie haben von Diplomaten gesprochen. Es handelt sich hier um einen Konsul. Das ist ein Unterschied. Die Akkreditierung eines Diplomaten setzt voraus, daß man die völkerrechtliche Eigenständigkeit eines bestimmten Staates oder einer Institution annimmt. Was Sie offensichtlich zum Ausdruck bringen wollten - ich wage es hier einmal zu interpretieren - ist, daß die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit einem Staat keine Identifikation mit seiner inneren Ordnung bedeutet, was übrigens auch umgekehrt gilt, wenn wir betroffen sind; sonst würden sich - ich
will jetzt keine Namen nennen - deswegen einige
hier blitzschnell in Demokraten verwandeln müssen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lampersbach.
Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß - zur Zeit jedenfalls - das Leben der in dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika oder Namibia, wie es offiziell heißt, lebenden ehemaligen deutschen oder noch deutschen Staatsbürger gesichert ist?
Herr Abgeordneter, das ist nicht die Frage, die hier zur Debatte steht.
Im übrigen möchte ich im Hinblick auf das Protokoll nicht eine Verwechslung in Ihrer Frage stehenlassen, nämlich die zwischen solchen, die sich als Deutsche bezeichnen, und deutschen Staatsbürgern. Es ist nicht jeder, der die deutsche Sprache benutzt, deswegen jemand, der unseren Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Diese Form der Alleinvertretung der Bundesrepublik Deutschland kennen wir nicht. Ich glaube, wir sollten auch gar nicht erst anfangen, sie einzuführen. Da wären mehrere Leute in der Welt dagegen.
({0})
- Das haben Sie gesagt.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 81 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Ist die Bereitschaft der Bundesregierung, die Kosten für die Einrichtung zusätzlicher Parallelklassen an der deutschen Schule in Paris trotz der schwierigen Haushaltslage zu tragen, als staatliche Subvention der Firma IBM zu verstehen, oder sollen die neu einzurichtenden Klassen in erster Linie den Kindern desjenigen Personenkreises zugute kommen, dem der Deutsche Schulverein Paris bisher keine Priorität zuerkannte?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatsminister!
Wenn die Bundesregierung bei dem Versuch des Schulträgers der Deutschen Schule Paris, die Kapazitätsprobleme der Schule zu lösen, durch Finanzierungszusagen helfend einspringt, geschieht dies selbstverständlich zugunsten aller derjenigen, die bei dem augenblicklich praktizierten Behelfsverfahren nicht berücksichtigt werden können.
Es darf allerdings nicht der falsche Eindruck entstehen, als könne eine Schule unbegrenzt ausgebaut werden. Dafür gibt es nicht nur finanzielle, sondern auch technische und vor allem pädagogische Grenzen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sind Sie der Gewißheit, daß die vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel auch für die Kinder des bisher nicht privilegierten Personenkreises bei der Schaffung von zusätzlichen Klassen zur Verfügung gestellt werden.
Ich muß allerdings fragen, woher Sie diese Gewißheit nehmen, nachdem Sie in der Fragestunde vom 6. November eingestanden haben, daß der deutsche Schulverein in Paris die Neigung hat, sich Einmischungen von seiten der Bundesregierung und der Botschaft zu verbitten. Sie haben damals ja auch auf das Vereinsrecht hingewiesen.
Herr Abgeordneter, dies widerspricht sich keineswegs. Daß wir vor Problemen besonderer Art stehen, wenn es sich um private Einrichtungen handelt, ist klar. Aber gerade um möglichst vielen Schülern die Möglichkeit zu bieten - wenn es auch offensichtlich nicht allen sofort ermöglicht werden kann -, dort in eine deutsche Schule zu gehen, haben wir diese Mittel gegeben. Wir versuchen natürlich mit einer solchen Mittelvergabe durch Kapazitätserweiterung Schwierigkeiten zu beheben.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.
Sie sind also sicher, Herr Staatsminister, daß diese Mittel nicht in erster Linie oder ausschließlich den IBM-Kindern zugute kommen?
Herr Abgeordneter, abgesehen davon, daß ich einen solchen Begriff gegenüber Landsleuten für etwas problematisch halte, habe ich Ihnen eben darzulegen versucht, daß durch die Erweiterung etwa einseitige Maßnahmen eines Schulvorstandes, der ja wohl nicht von einer Firma gebildet wird, wenn auch Mitglieder einer solchen Firma dem Schulvorstand heute angehören, auch anderen Kindern zugute kommen. Sie können natürlich die Empfehlung geben - das wäre die radikalste Form der Gerechtigkeit -, überhaupt nichts zu geben. Dann trifft es Gerechte wie Ungerechte gleichermaßen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat der Bundesaußenminister im Jahr 1970 bei seinen Verhandlungen zum Warschauer Vertrag vor seiner Abreise die Zahlen des Deutschen Roten Kreuzes über die Aussiedlungsbewerber und der nicht erfüllten, aber deutscherseits bereits befürworteten Aussiedlungsanträge, die beim Bundesverwaltungsamt festgestellt worden waren, in die Verhandlungen einbezogen und die Prüfung dieser Fälle und Zahlen vereinbart bzw. wenn nicht, warum?
Die Bundesregierung hat in den Verhandlungen im Jahre 1970, die zur „Information" führten, auf die beim Deutschen Roten Kreuz registrierte Zahl von etwa 270 000 Ausreisebewerbern hingewiesen. Die polnische Regierung bezog sich auf diese Hinweise, als sie in der „Information" erklärte, daß die polnischen Behörden nicht einmal annähernd über eine solche Zahl von Anträgen verfügten, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland angegeben wird. Während sie in der „Information" von einer geringeren Zahl sprach, erklärte sie sich gleichzeitig bereit, die Listen des Deutschen Roten Kreuzes entgegenzunehmen, auf denen unsere Zahlenangaben beruhten, und sie zu prüfen.
Herr Abgeordneter, ich hatte schon wiederholt Gelegenheit, auf entsprechende Fragen die hier vorgetragenen Feststellungen zu treffen. Ich verweise unter anderem auf die Protokolle der Fragestunde vom 14. und vom 21. März 1974 und vom 6. November 1975.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, kann ich also davon ausgehen, daß das amtliche Material, das der deutschen Delegation vorlag, und das Material des Deutschen Roten Kreuzes während der Verhandlungen 1970 in vollem Umfang dargelegt und vertreten wurde, oder gibt es Aussagen des Auswärtigen Amtes, die dem widersprechen?
Herr Abgeordneter, Sie können von dem ausgehen, was das Auswärtige Amt bei den Beratungen des Ratifikationsgesetzes im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages im einzelnen vorgetragen hat. Ich habe versucht, das in kurzer Form zusammenzufassen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, würden Sie überprüfen lassen, ob neuerdings davon abweichende Aussagen des Auswärtigen Amtes beispielsweise im Bundesrat oder in seinen Ausschüssen gemacht wurden?
Ich bin immer bereit, das zu überprüfen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, wäre es nicht, nachdem man damals von den Polen erfahren hatte, daß sie nicht über dieses Zahlenmaterial verfügten, eine Überlegung wert gewesen, mit dem Abschluß des Vertrages und auch der „Information" so lange zu warten, bis die Zahlen überprüft worden wären?
Herr Abgeordneter, der Verhandlungsverlauf, der Ihnen genau bekannt ist, hat keinen Ansatz zu dieser Möglichkeit gegeben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatsminister, nachdem Sie indirekt bestätigt haben, daß polnischerseits die Listen des Roten Kreuzes seinerzeit entgegengenommen worden sind, möchte ich Sie fragen: Gibt es eine offizielle Stellungnahme der Polen zu diesen Listen, die auch Stellungnahmen zu jedem Einzelfall enthält?
Herr Abgeordneter, es gibt im Einzelfall Stellungnahmen, aber es gibt keine Gesamtstellungnahme. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, daß eine solche abgegeben worden wäre.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Trifft es zu, daß deutsche Universitätsstudenten, die mit ihren Eltern aus den Oder-Neiße-Gebieten ausreisen wollen, gegenüber der Universität Breslau vor deren Zustimmung zum Ausreiseantrag sich verpflichten müssen, sehr hohe „Entschädigungssummen" an die Universität zu zahlen?
Zur Beantwortung, Herr Staatsminister, bitte!
Es trifft zu, daß polnische gesetzliche Bestimmungen, die auch für polnische Staatsangehörige gelten, unter bestimmten Voraussetzungen die Rückerstattung der Kosten eines Hochschulstudiums vorsehen. Nach dem Gesetz über die Beschäftigung von Hochschulabsolventen vom 25. Februar 1964 in Verbindung mit der Verordnung des Polnischen Ministerrats vom 13. Juni 1964 hat jeder polnische Hochschulabsolvent, der in seiner Ausbildung staatlich gefördert worden ist, die Kosten des Studiums zurückzuzahlen, wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit nach Abschluß des Studiums keine Arbeit aufnimmt oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis abbricht. Daraus ergibt sich, daß die für jedermann in Polen geltende Rückerstattungspflicht nicht als besondere Benachteiligung von umsiedlungswilligen Hochschulabsolventen angesehen werden kann, wenn diese wegen der erteilten Ausreiseerlaubnis nicht in der Lage sind, ein bestehendes Arbeitsverhältnis in Polen fortzusetzen.
Herr Abgeordneter, ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Rückerstattung von staatlichen Ausbildungsförderungen auch in westlichen Staaten nicht unbekannt ist, daß z. B. das Bundesausbildungsförderungsgesetz die Rückzahlung zumindest eines Teils der Ausbildungsförderung vorsieht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, nachdem Sie sehr klar darauf hingewiesen haben, daß es sich hier in der deutschen Bundesgesetzgebung um eine Rückzahlungseventualität von Ausbildungsförderungs-, aber nicht von Erziehungs- und Ausbildungskosten handelt, frage ich Sie, ob dies in den Verhandlungen mit der Volksrepublik Polen in den letzten Monaten in Wahrnehmung der Schutzpflicht für deutsche Staatsangehörige berücksichtigt worden ist und ob Sie die Summen kennen, die dafür gefordert werden?
Mir ist keine Summe bekannt, Herr Abgeordneter. Ich habe soeben dargelegt, daß es sich nicht um eine Lex specialis, sondern um eine allgemeine Bestimmung, um innerstaatliches Recht handelt, das übrigens, als das Studium bei uns noch gebührenpflichtig war, oder in
anderen Staaten durchaus in ähnlicher Weise hätte gehandhabt werden können.
Ich gehe davon aus, Herr Abgeordneter, daß wir doch gemeinsam der Ansicht sind, daß solche zusätzlichen persönlichen Belastungen, die Umsiedlungswilligen entstehen, dann am Ende - wenn Sie bei uns eingetroffen sind - von der Gemeinschaft unserer Steuerzahler mitgetragen werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Czaja.
Unbeschadet dessen, daß ich davon ausgehe, und unbeschadet der Meinung, daß wir hier nicht uferlos noch weitere finanzielle Zusatzleistungen an die Volksrepublik Polen erbringen können, frage ich Sie, ob Sie nicht in Wahrnehmung der Schutzpflicht für deutsche Staatsangehörige und in Wahrnehmung einer sparsamen Haushaltsführung bemüht sein werden, von ihrem Hause feststellen zu lassen, welche Summen hier gefordert und welche erstattet werden müssen.
Herr Abgeordneter, wenn Sie diese Frage nach der Summe gestellt hätten, hätte ich sie hier beantwortet. Selbstverständlich sind unsere Beamten mit all diesen Fragen beschäftigt und versuchen sie, die deutschen Interessen jeweils bestmöglich zu vertreten. Wenn Sie anderer Meinung sein sollten, gibt es dafür Klagemöglichkeiten.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Die Fragen 84 und 85 des Herrn Abgeordneten Sauer ({1}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der Aussage von Staatsminister Moersch „Eine zahlenmäßige Beschränkung der Umsiedlung ist in der ,Information' nicht vorgesehen" ({2}) und der jetzt neu auf vier Jahre begrenzten Zahl der Aussiedler auf nur „120 000 Personen bis 125 000 Personen", und wie erklärt sie diesen gegebenenfalls?
Zur Beantwortung bitte, Herr Staatsminister!
Ein derartiger Widerspruch, Herr Abgeordneter, besteht nicht. Ich möchte meine von Ihnen zitierten Ausführungen vom 14. März 1974 noch einmal bekräftigen und außerdem auf meine Antwort aus der 88. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 21. März 1974 verweisen.
Ich darf im übrigen folgendes hinzufügen: Wenn die in der „Information" genannten Zahlen tatsächlich eine obere Begrenzung der Umsiedlungsmöglichkeiten darstellten - so wie sie Ministerpräsident Kohl zum offenkundigen Nachteil der Betroffenen in seinen Ausführungen vom 26. November 1975 vor diesem Hause interpretiert hat -, hätte es überhaupt nicht die Möglichkeit gegeben, die jetzt im Ausreiseprotokoll enthaltenen Abreden zu treffen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Dr. Hupka.
Auf Ihre Antwort, Herr Staatsminister, ist die Frage zu stellen: Wieso muß die Bundesregierung in einem neuen Protokoll mit neuen Zahlen operieren, wenn Sie damals gesagt haben, diese Zahlenangabe „einige Zehntausende" in der „Information" sei keine Begrenzung der Zahlen?
Herr Abgeordneter, der ganze Hergang ist hier wiederholt behandelt worden. Die Zahlen, die hier genannt sind, sind die Zahlen der polnischen Zusagen für die nächsten vier Jahre. Ich glaube, daraus ergibt sich, daß sie auch keine Begrenzung nach oben darstellen können, sondern hier handelt es sich um eine Zahl, die im Verlaufe einer bestimmten Zeit erreicht werden soll.
Im übrigen darf ich hinzufügen, daß uns allein im letzten Monat mitgeteilt wurde, daß im November 2 800 Ausreiseanträge bewilligt worden sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, abgesehen davon, daß es auch angebracht gewesen wäre, in der Öffentlichkeit einmal mitzuteilen, daß die Zahl der Aussiedler bis zu diesem Stau, der aus politischen Gründen verursacht worden ist, ständig rückläufig war, müssen Sie doch zugeben, daß hier wiederum a) eine begrenzte Zahl von Aussiedlungswilligen und b) ein begrenzter Zeitraum festgesetzt worden sind, während Sie damals als Kommentar zur „Information" gesagt haben, es gebe keine Begrenzung. In ähnlichem Sinne hat sich auch der damalige Bundesaußenminister in einem Brief geäußert.
Es gebe keinen Zeitraum, in dem dies festgelegt worden ist. Herr Abgeordneter, warum sollten wir uns hier gegenseitig Zitate vorhalten, die jedermann bekannt sind? Im übrigen hat die Öffentlichkeit von all diesen Tatsachen Kenntnis genommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter.
Herr Staatsminister, wie oder worin äußert sich der Nachteil auf Grund der Äußerung des Herrn Dr. Kohl?
Der Nachteil äußert sich darin, daß es bei den Betroffenen natürlich einen falschen Eindruck erwecken muß, wenn sie mit einer unzutreffenden Behauptung konfrontiert werden. Ich glaube nicht, daß es zum Vorteil der Menschen
ist, wenn ihnen über ihr Schicksal etwas Falsches mitgeteilt wird.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks.
Herr Staatsminister, darf ich Ihre beiden Antworten, die Sie jetzt zu der Aussage von Herrn Kohl gemacht haben, so verstehen, daß Sie denen, die noch zurückbleiben müssen, die verbindliche Zusage machen können, daß nach vier Jahren weitere Zehntausende werden ausreisen können?
Herr Abgeordneter, was hier vereinbart worden ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Abkommens; es ist hier vom Bundesaußenminister dargelegt worden. Es ist klar, daß damit keine Begrenzung eingetreten ist, sondern daß nach diesen vier Jahren auf der Grundlage der „Information", also nicht auf der Grundlage allgemeiner Ausreisebestimmungen, von polnischer Seite die Prüfung und die Ausreise zugesagt worden sind. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ich glaube, daß es nicht Sinn der Fragestunde sein kann, eine ausführliche Debatte, die in diesem Hause geführt worden ist und bei der Sie als Abgeordneter Gelegenheit hatten, sich zu Wort zu melden, in dieser Weise hier fortzusetzen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatsminister, muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß nach der Ausreise der 120 000 bis 125 000 Deutschen aus Polen weitere Forderungen in Höhe von Milliardenbeträgen an die Bundesrepublik gestellt werden, wenn die etwa 150 000 noch in Polen verbliebenen Deutschen ausreisen wollen?
Herr Abgeordneter, auch dies hat die Bundesregierung als Problem in ihrer Denkschrift genau dargestellt. Ich darf Sie bitten, die entsprechende Bundestagsdrucksache zur Hand zu nehmen. Die Frage ist beantwortet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, können Sie Ihre Behauptung, Herr Kohl habe hier etwas Falsches gesagt, damit beweisen, daß Sie verbindlich erklären, daß mehr als diese Personenzahl kommen werden? Denn nur dann können Sie eine solche Behauptung überhaupt aufstellen.
({0})
Herr Abgeordneter, ich hatte nicht den Eindruck, daß dies eine Frage war. Herr Kohl hat hier eine Behauptung aufgestellt, daran habe ich erinnert, und ich habe gesagt, wie der wirkliche Tatbestand ist. Ich glaube, mehr braucht man in diesem Zusammenhang hier nicht festzustellen.
({0})
Das ist von der Bundesregierung damals zurückgewiesen worden. Jetzt sehe ich, daß es im Grunde sinnlos war, daß sich die Bundesregierung an dieser Stelle im Detail, nämlich in elf Antworten auf elf Fragen, geäußert hat, weil es offensichtlich nicht möglich ist, daß diese Antworten zur Kenntnis genommen werden.
({1})
Ich gebe zu, daß es Ihre Fragemöglichkeiten beschränkt hätte, wenn Sie davon Kenntnis genommen hätten.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Ist die Bundesregierung trotz der neuesten Attacke der sowjetischen Regierungszeitung „Iswestija" gegen die Rundfunkstation „Deutsche Welle", sie führe einen dem Geist der KSZE widersprechenden „psychologischen Krieg" gegen die sowjetischen Staaten und habe unter ihren 2 400 Mitarbeitern 400 ehemalige „Nazi-Propagandisten", der Meinung, daß die objektive Berichterstattung über die Verhältnisse in den kommunistischen Staaten uneingeschränkt fortgesetzt werden soll?
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, ist nicht der Adressat von Beschwerden gegenüber der „Deutschen Welle", sondern der Intendant und der Rundfunkrat des Senders. Deren Aufgabe ist es, für die Einhaltung des gesetzlichen Auftrages der „Deutschen Welle" zu sorgen. Unabhängig von der Tatsache, daß der Bundesregierung bei der Programmgestaltung von Rundfunksendern keine Zuständigkeit zufällt, wünscht sie sich selbstverständlich eine objektive Berichterstattung in allen Medien.
Zu dem von Ihnen genannten Vorgang gibt es eine Stellungnahme der „Deutschen Welle" vom 27. November 1975, die Ihnen sicherlich von dem Sender jederzeit zugänglich gemacht werden kann.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Engelsberger.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, der Forderung aus der sozialliberalen Koalition entgegenzutreten, die Sendungen der „Deutschen Welle" einzustellen oder einzuschränken, weil diese nicht in den Rahmen der Entspannungspolitik paßten?
({0})
Herr Abgeordneter, mir ist eine solche Forderung überhaupt nicht bekannt. Aber ich darf Sie als Mitgesetzgeber daran erinnern, daß hier ein Gesetz erlassen worden ist - es ist bisher nicht geändert worden -, das folgende Vorschriften enthält, die, glaube ich jedenfalls, jedermann beachten muß, der sich auf Grund eines solchen gesetzlichen Auftrags betätigt. Darin heißt es:
Die Sendungen sollen den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland vermitteln und ihnen die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern.
Im selben Gesetz heißt es über die Gestaltung der Sendungen u. a., daß sie in ihrer Gesamtheit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen müssen und daß sie einer unabhängigen Meinungsbildung dienen. Das sind die Kriterien, nach denen die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Instanzen zu arbeiten haben. Jedermann hat die Freiheit, einen Vergleich anzustellen zwischen dem, was praktiziert wird, und dem, was im Gesetz steht. Die Meinungen darüber sind unterschiedlich.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Engelsberger.
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die Meinung, daß die Bevölkerung in den kommunistischen Staaten das dringende Bedürfnis hat, durch Rundfunksender aus dem Westen informiert zu werden, da im Osten keine freie Berichterstattung möglich ist?
Der Gesetzgeber hat den Auftrag gegeben, ein umfassendes Bild über Deutschland zu vermitteln. Der Auftrag ist nicht, Sender anderer Länder zu ersetzen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben vorhin den sicherlich berechtigten Wunsch der Bundesregierung geäußert, daß unsere Sender objektiv berichten. Haben Sie etwa den Eindruck, daß die „Deutsche Welle" davon abweicht und nicht objektiv berichtet?
Herr Abgeordneter, ich habe den Fragesteller zitiert. Er hat gefragt, ob wir dafür seien, daß objektiv berichtet wird. Das ist eine Frage, die ich aus vollem Herzen bejahen kann. Herr Engelsberger hat offensichtlich Zweifel.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es eine Forderung von der Art, wie es der Herr Fragesteller hier behauptet hat, seitens der sozialliberalen Koalition nicht gegeben hat, daß es also keine Forderung dahin gibt, daß eine solche Veränderung eintritt?
Herr Abgeordneter, ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß das nicht Inhalt der Regierungspolitik ist. Ich weiß nicht, ob sich irgendwo irgend jemand einmal dazu geäußert hat. Aber eines weiß ich, daß jedenfalls von der Regierungsseite eine solche Forderung nie gestellt worden ist. Wenn es im Rundfunkrat zu Kontroversen über diese Frage gekommen ist, ausgelöst auch von einem Mitglied, das von der Bundesregierung entsandt worden ist, so deswegen, weil dieses Mitglied den Eindruck hatte, daß der gesetzliche Auftrag nicht in vollem Umfang erfüllt wird. Es ist seine gesetzliche Aufgabe, eine solche Meinung zu äußern, wenn er sie hat.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt.
Bevor ich Ihnen für die Beantwortung der Fragen danke, möchte ich nur bemerken, Herr Staatsminister, daß selbstverständlich keinerlei Einschränkungen im Fragerecht des Abgeordneten bestehen,
({1})
abgesehen von Einschränkungen der Art, daß auf Grund der Richtlinien für die Fragestunde beispielsweise örtlich interessante Fragen nicht hier im Plenum, sondern schriftlich beantwortet werden. Ansonsten gibt es keine Beschränkung des Fragerechts des Abgeordneten, gleichgültig, welcher Fraktion er angehört.
({2})
Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zunächst die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Klein ({3}) :
Welche Zahlen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele Schulabgänger es in diesem Jahr gegeben hat ({4}), wie viele sich davon um einen Ausbildungsplatz beworben haben und wie viele keinen Ausbildungsplatz bekommen haben?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz. Bitte schön!
Herr Kollege Klein, über die Zahl der Schulabgänger aus dem Schuljahr 1974/75 liegen statistische Unterlagen noch nicht vor. Auf Grund der Vorausschätzung der KMK und gestützt auf die Schülerzahlen im vorangehenden Schuljahr, wird die Zahl der Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen für 1975 auf 787 000 geschätzt. Das sind rund 30 000 Schüler weniger als im Schuljahr 1973/74 - wegen des Kurzschuljahres.
Sie haben nach der Art des Schulabschlusses gefragt. - Ohne Hauptschulabschluß sind es 85 000, mit Hauptschulabschluß 315 000, mit Realschulabschluß und entsprechenden Abschlüssen 220 000, Schulentlassungen aus Sonderschulen 47 000 und Schulabgänge mit bestandener Reifeprüfung 120 000.
Jetzt zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Gesamtzahl der Bewerber um einen betrieblichen Ausbildungsplatz ist ebenfalls nicht bekannt. In der Statistik der Berufsberatung der Bundesanstalt für Arbeit wird nur der Teil der Bewerber erfaßt, der einen Ausbildungsplatz durch Einschaltung des Arbeitsamtes sucht. Diese „Einschaltquote", also der Anteil an Schulabgängern, wird auf etwa 40 bis 50 % geschätzt. Nach einer repräsentativen Erhebung des Infas-Instituts in Bad Godesberg, die wir in Auftrag gegeben haben, haben im Juni 1975 55 % der Schulabgänger aus Haupt-, Real- und Sonderschulen und 46 % aus den beruflichen Vollzeitschulen angegeben, daß sie eine betriebliche Ausbildung beginnen wollen. Gestützt auf diese Angaben, wird die Zahl der Bewerber um einen betrieblichen Ausbildungsplatz auf etwa 410 000 für das Ausbildungsjahr 1975/ 76 geschätzt. In dieser Zahl, Herr Klein, sind natürlich diejenigen Schulabgänger nicht enthalten, die ihren ursprünglichen Ausbildungswunsch, eine betriebliche Ausbildung zu erhalten, anschließend aufgegeben haben. Nach der Infas-Erhebung waren es 9 % oder 50 000 Schulabgänger, die wegen vergeblicher Bemühungen um einen Ausbildungsplatz den Ausbildungswunsch aufgegeben haben.
Zum dritten Teil Ihrer Frage: Die Zahl der zu Beginn des Ausbildungsjahres, also September 1975, von den Arbeitsämtern nicht untergebrachten Ausbildungsplatzsuchenden war 23 500. Das sind 13 % mehr als 1974. Damals waren es 20 900. Im Gegensatz zu einer nur teilweisen Erfassung der Bewerberzahlen bei den Arbeitsämtern dürfte diese Erfassung der unversorgten Bewerber fast vollständig sein. 15 800 von den 23 500, also rund 67 %, hatten Ende September einen Vermittlungsvorschlag. Man kann also wohl davon ausgehen, daß ein Teil der unversorgten Bewerber inzwischen mit einer Ausbildung beginnen konnte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klein.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wann der Bundesregierung genauere Zahlen vorliegen werden?
Herr Kollege Klein, wir sind jetzt noch auf diese Vorausschätzungen der Kultusministerkonferenz angewiesen. Ich nehme an, daß die endgültigen Zahlen im Frühjahr des nächsten Jahres vorliegen werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Engholm.
Herr Kollege Dr. Glotz, trifft es zu, daß gesicherte und detaillierte Auskünfte über Lage und Entwicklung des Ausbildungsmarktes auf
Grund geradezu erschreckender Datendefizite für die Bundesregierung praktisch unmöglich sind, und ist dies nicht eine zusätzliche Motivation zur Reform des Berufsbildungsgesetzes?
Sie haben völlig recht, Herr Kollege Engholm. Wir wissen sehr viele statistische Einzelheiten über alle möglichen Bereiche in der Bundesrepublik, aber gerade über die Ausbildungsplatzsituation sind wir sehr schlecht unterrichtet. Aus diesem Grunde enthält das neue Berufsbildungsgesetz einen ausführlichen Teil über Planung und Statistik. Ich hoffe, daß er die Bundesregierung dann in die Lage versetzen wird, Fragen wie die von Herrn Kollegen Klein umfassender zu beantworten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht auch Verbindung mit der Bundesanstalt für Arbeit? Sie haben schon vor anderthalb Jahren gesagt, daß Sie im Blick auf den Arbeitsmarkt - darin auch die Jugendlichen inbegriffen - auf alles vorbereitet seien. Auf diesem Gebiet das geben Sie zu - waren Sie nicht vorbereitet.
Herr Kollege Maucher, die Tatsache, daß die Bundesregierung nicht über ein Instrumentarium zur Erfassung der statistischen Daten verfügt, kann man unter keinen Umständen so werten, daß die Bundesregierung nicht vorbereitet war. Die Bundesregierung hat ja einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem ein solches statistisches Instrumentarium enthalten ist. Ich hoffe, daß alle Seiten des Hauses diesem Gesetzentwurf zustimmen werden. Dann ist die Bundesregierung sehr viel besser gerüstet.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit vor dem Hintergrund der wachsenden Schulabgängerzahlen in den kommenden Jahren?
Bitte, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!
Herr Kollege Klein, die Ursache der relativ hohen Jugendarbeitslosigkeit liegt in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation begründet, zumal sich ein großer Teil der Jugendlichen in ungelernten Tätigkeiten befand. Der Einstellungsstopp in vielen Betrieben sowie die Regelungen und Maßnahmen zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei den Arbeitnehmern höherer Altersgruppen wirken sich hier aus. Besondere strukturelle Beschäftigungsprobleme dürften demgegenüber bei Jugendlichen gegenwärtig keine wesentliche Rolle spielen. Dafür spricht insbesondere die kürzere Dauer ihrer Arbeitslosigkeit. So waren im Mai 1975 80% der jugendlichen Arbeitslosen bis zu sechs Monaten ohne Beschäftigung. Angesichts dieses Tatbestandes kann erwartet werden, daß die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen in dem begin14226
nenden Wirtschaftsaufschwung in einem nennenswerten Umfang abgebaut wird.
Die Bundesregierung widmet der Unterbringung einer wachsenden Zahl von Schulabgängern besondere Aufmerksamkeit. Die Politik ist gerade darauf gerichtet, durch eine Verbesserung und eine Weiterentwicklung des Systems der beruflichen Bildung ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen im Bereich der beruflichen Bildung sicherzustellen. Dazu dient, wie Sie wissen, insbesondere das Berufsbildungsgesetz, speziell der Teil über die Finanzierung der beruflichen Bildung, der eine Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes bezweckt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klein.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung den Problemen der Jugendarbeitslosigkeit nicht nur im Blick auf die Zukunft, sondern auch in der gegenwärtigen Phase erhöhte Bedeutung beimißt, muß ich Sie fragen, warum die Bundesregierung dann das Dringlichkeitsprogramm der Unionsfraktionen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit abgelehnt hat, ohne eine Alternative vorzulegen.
Herr Kollege Klein, zunächst ist es nicht richtig, daß dies abgelehnt worden ist, ohne eine Alternative vorzulegen. Ich erinnere an eine Fülle von Maßnahmen, beispielsweise die überbetrieblichen Ausbildungsstätten und das entsprechende Förderungsprogramm der Bundesregierung oder an die Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, die der Kollege Maucher gerade angesprochen hat.
Das Programm, das die CDU/CSU vorgelegt hat, erschien der Bundesregierung in einer Reihe von Punkten als unhaltbar. Insbesondere erschien es unhaltbar, diese Probleme nun etwa mit Mitteln aus dem Staatshaushalt lösen zu wollen, weil dies mit Sicherheit zur Folge hätte, daß Jahr für Jahr immer mehr Mittel aus dem Staatshaushalt zur Lösung dieser Probleme gefordert würden. Dies kann nach Lage der Dinge im Interesse keiner einzigen der großen Fraktionen dieses Hauses sein.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reiser.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sich gerade die Bundeswehr unter dem sozialdemokratischen Verteidigungsminister in den letzten Monaten besonders bemüht, Ausbildungsplätze für Jugendliche zu schaffen?
Herr Kollege Reiser, Sie haben recht. Sie wissen, daß der Haushaltsausschuß, wenn ich richtig orientiert bin, wieder etwa 2 300 solche Plätze als Limit genehmigt hat. Es gibt Bestrebungen, diese Zahl sogar noch zu erhöhen. Die Bundeswehr bemüht sich also, zu tun, was sie tun kann. Man muß natürlich wissen, daß die öffentliche Hand vor bestimmten Problemen steht, und zwar deshalb, weil sie auf Grund des Zwangs zur Sparsamkeit nicht den Eindruck erwecken darf, daß alle, die ausgebildet werden, anschließend auch automatisch eine Beschäftigung finden. Die Bemühungen gerade der Bundeswehr kann ich Ihnen aber ausdrücklich bestätigen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Ausbildungsplätze im Bereich der Fernmeldeämter der Deutschen Bundespost in den vergangenen drei Jahren um mehr als 50 °/o reduziert worden sind?
Herr Kollege KrollSchlüter, man muß ganz einfach sehen, daß sich zwei Forderungen nicht miteinander vertragen, nämlich auf der einen Seite die Forderung, daß in einem bestimmten Ressort Stellen gespart werden müssen - dies ist eine Forderung, die gerade die Opposition mit Nachdruck erhebt -, und auf der anderen Seite die Forderung, sehr viele Leute auszubilden, von denen gerade bei der Bundespost - ich denke an die Postjungboten - viele nur im öffentlichen Dienst Beschäftigung finden könnten.
Aus diesem Grunde muß man, glaube ich, dieses Problem differenziert angehen.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte die unrichtige Aussage des Kollegen Klein insofern korrigieren, als z. B. der Wirtschaftsausschuß das zitierte Programm der CDU „Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit" nicht alternativlos abgelehnt, sondern in Übereinstimmung mit den Kollegen der CDU für erledigt erklärt hat, weil das meiste getan worden ist und der Rest noch im Zusammenhang mit den Beratungen über das Berufsausbildungsgesetz zur Debatte steht?
Herr Kollege Reuschenbach, das bestätige ich Ihnen gerne. Im übrigen ist ja auf das Abstimmungsverhalten der Kollegen der Opposition im Wirtschaftsausschuß schon eingegangen und hingewiesen. worden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Engholm.
Herr Kollege Dr. Glotz, haben Sie angesichts der vom Kollegen Klein geschilderten drängenden Probleme der Jugendarbeitslosigkeit den persönlichen Eindruck, daß die Unionskollegen im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft auf eine zügige und schnelle Beratung des Berufsbildungsgesetzes und seine schnelle Verabschiedung drängen?
Herr Kollege Engholm, es steht mir nicht zu, das Verhalten der Kollegen der Opposition in irgendeinem Fachausschuß zu beurteilen. Ich hoffe nur, daß alle Fraktionen des Hauses auf eine schnelle Verabschiedung dieses wichtigen und notwendigen Gesetzes drängen werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, in welchem Umfang hatten alle die von Ihnen vorhin zitierten Bemühungen Erfolg?
Herr Kollege Müller, diese Maßnahmen - ich denke jetzt etwa an die Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, die ich geschildert habe - hatten ganz ohne Zweifel großen Erfolg. Sie haben viele junge Leute, die keinen Ausbildungsplatz bekommen hätten, von der Straße weggebracht. Daß mit all diesen Maßnahmen nicht von heute auf morgen rosige Zustände herbeizuführen waren, darauf haben gerade die Bundesregierung und Bundesminister Rohde nachdrücklich hingewiesen.
Gerade deshalb sagen wir: Wir brauchen ein neues Berufsbildungsgesetz, mit dem auch bestimmte strukturelle Probleme bewältigt werden können.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß auf Grund des beginnenden Aufschwungs eine erhebliche Besserung zu erwarten sei. Haben Sie bereits jetzt konkrete Unterlagen über die künftige Entwicklung, die Sie dargestellt haben?
Herr Kollege Maucher, ich habe mit Aufmerksamkeit gelesen, was beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung über die Entwicklung im nächsten Jahr kürzlich gesagt hat. Meine Äußerung hat sich darauf bezogen. Ich kann mir vorstellen, daß diese Äußerungen nicht für alle angenehm sind. Aber ich halte sie für fundiert und überlegenswert.
Vizepräsident von Hassel: Die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Immer ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es ein allgemeinpolitisches Mandat der Studentenschaft an einer Universität aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geben kann?
Zur Beantwortung, bitte Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Herr Kollege Jahn, die Antwort lautet: Ja. Die Bundesregierung hat zu ihrem Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz vorgesehen, daß die Studenten einer Hochschule zur Wahrnehmung ihrer hochschulpolitischen, sozialen und kulturellen Belange sowie zur Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen eine Studentenschaft bilden. Die Bundesregierung hat hierzu in der Begründung ihres Entwurfs ausgeführt, daß ein allgemeinpolitisches Mandat der Studentenschaft ebensowenig bestehe wie ein allgemeinpolitisches Mandat der Hochschulen insgesamt, und zwar bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung dann die Tatsache, daß ihre von den Gerichten zwischenzeitlich bestätigte Rechtsauffassung vom AStA an der Universität nicht respektiert wird?
Herr Kollege Jahn, Rechtsbrüche müssen selbstverständlich strikt geahndet werden, wo sie vorliegen. Darüber kann es gar keine Diskussion geben. Daß es über das, was ein allgemeinpolitisches hochschulpolitisches Mandat ist, unterschiedliche Auffassungen geben mag und gibt und daß es bei der Interpretation Auseinandersetzungen gibt, ist allerdings verständlich. Aber die Rechtssituation ist eindeutig. An diese Rechtssituation müssen sich alle Gruppen, auch allgemeine Studentenausschüsse oder Studentengruppen, halten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung demnach die Untersagung einer Urabstimmung durch den Rektor einer Universität für gerechtfertigt, wenn es sich bei ihr um nicht hochschulbezogene, allgemeinpolitische Fragen handelt?
Herr Kollege Jahn, diese Frage habe ich nicht genau verstanden. Zu welchem Thema soll es eine Untersagung einer Veranstaltung an einer Hochschule und einer Urabstimmung gegeben haben?
Zu einem Thema, das nicht das allgemeinpolitische Mandat betrifft.
({0})
Herr Kollege Jahn, wenn es sich, wie ich vom Herrn Kollegen Engholm gehört habe, um Sparmaßnahmen im Bildungsbereich handelt, so wäre dies mit Sicherheit eine Veranstaltung, die nicht in den Bereich eines allgemeinpolitischen Mandats hineinfiele, wo aber hochschulpolitische Belange angesprochen wären,
zu der sich auch eine Studentenschaft als Zwangskörperschaft meiner Auffassung nach äußern könnte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Walkhoff.
Herr Staatssekretär, ich habe mit Interesse gehört, daß Sie die Frage der Bildungsfinanzierung als eine bei der Wahrnehmung des hochschulpolitischen Mandats relevante Frage betrachten. Ist Ihnen bekannt und wie beurteilen Sie es, daß in Gerichtsurteilen die Erörterung von Fragen der Bildungsfinanzierung als Wahrnehmung des allgemeinen politischen Mandats verurteilt und kritisiert wird?
Herr Kollege Walkhoff, mir ist dies im einzelnen nicht bekannt. Meine politische Auffassung ist, daß sich beispielsweise ein Allgemeiner Studentenausschuß selbstverständlich um die Frage kümmern muß, wie etwa das Hochschulwesen finanziert wird, und dazu auch Stellung nehmen kann. Ich glaube, ein höchstrichterliches Urteil zu dieser Angelegenheit, die Sie gerade zitiert haben, liegt bisher keineswegs vor. Deswegen glaube ich auch nicht, daß dieser politischen Auffassung irgendwelche Urteilstexte entgegenstehen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Möllemann.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, wie Sie vor dem Hintergrund der Frage, die hier zugrunde liegt und Ihrer Antwort den Sachverhalt beurteilen, daß am 2. November 1973 der Ring Christlich-Demokratischer Studenten in Münster einen Antrag im Studentenparlament eingebracht hat, der besagte, das Studentenparlament als Organ der Verfaßten Studentenschaft sollte zum Putsch in Chile Stellung nehmen.
Im Unterschied, Herr Kollege Möllemann, zur Diskussion der Bildungsfinanzierung und der Hochschulfinanzierung halte ich Stellungnahmen zu Revolutionen und politischen Vorgängen in anderen Ländern in der Tat nicht für die Wahrnehmung eines hochschulpolitischen Mandats oder eines Mandats, das mit Hochschulfragen und Hochschulpolitik direkt zu tun hat.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Engholm.
Ich möchte zur Konkretisierung fragen, ob Sie die Auffassung des vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten geführten AStA der Technischen Hochschule Karlsruhe, Ziel der Wissenschaft seien die kritische Analyse gesellschaftlicher Mißstände und die Humanisierung der Gesellschaft, für eine legitime Äußerung eines AStA halten.
Herr Kollege Engholm, ich halte dies für legitim. Es stand so ähnlich auch in einem Entwurf der Bundesregierung zum Hochschulrahmengesetz. Es ist dann allerdings von der Opposition verlangt worden, daß derartige Formulierungen gestrichen werden. Ein Hochschulrahmengesetz kann auch ein sehr gutes Gesetz sein, wenn solche Formulierungen nicht darin stehen. Aber daraus, daß es darin stand, können Sie entnehmen, daß ich das für eine vernünftige und auch durch hochschulpolitische Belange gedeckte Äußerung halte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seiters.
Herr Staatssekretär, finden Sie es nicht selbst eigenartig, daß der Staatssekretär im Bildungsministerium nicht über Genichtsurteile informiert ist, die das Verhältnis von Bildungsfinanzierung und allgemeinem politischen Mandat betreffen?
Herr Kollege Seiters, ich kann es nicht eigenartig finden, daß mir nicht sämtliche Urteilstexte von Verwaltungsgerichten zu Bildungsfragen im Wortlaut bekannt sind, wenn ich darauf angesprochen werde. Aber ich bin selbstverständlich bereit, sie sofort im einzelnen zu prüfen und alle Fragen, die Sie dazu haben, auch im einzelnen zu beantworten.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Urteile gegen das politische Mandat geeignet sind, „den Bestrebungen Vorschub zu leisten, die darauf abzielen, die Universitäten aus der in den letzten Jahren erkämpften Bindung an die Gesellschaft und die Verantwortung für die Gesellschaft wieder zu lösen", wie dies am 23. November 1975 in einem von der Juso-Hochschulgruppe Münster herausgegebenen Flugblatt zum Ausdruck gebracht worden ist?
Herr Kollege Jahn, diese Frage ist ja schon mit meiner Antwort auf Ihre vorige Frage geklärt. Urteile, die lediglich die Schranken politischer Äußerungen von öffentlichrechtlichen Körperschaften aufzeigen, schmälern nicht die gesellschaftliche Verantwortung dieser Körperschaften. Im übrigen - auch das habe ich gerade schon gesagt - ist natürlich die Grenzziehung zwischen dem allgemeinpolitischen Mandat und dem hochschulpolitischen Mandat der Verfaßten Studentenschaft im Einzelfall oft sehr schwierig.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, da Ihnen das Flugblatt vorliegt, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, die in der mit dem Flugblatt veröffentlichten Solidaritätserklärung zum Ausdruck gebracht worden ist.
Herr Kollege Jahn, es kann wirklich nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, zu Texten von Flugblättern Stellung zu nehmen. Im übrigen habe ich Sie schon darauf hingewiesen: Zwischen der Wahrnehmung allgemeiner politischer Belange und den Fragen, die wirklich mit der Hochschule zu tun haben und zu denen sich die Studentenschaft äußern muß, gibt es eine fließende Grenze. Diese fließende Grenze muß durch Interpretationen festgelegt werden. Die Gerichte sind ja auf Grund einzelner Vorgänge schon mit diesem Problem befaßt und haben bereits Interpretationen vorgenommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bei der Durchsicht dieses Flugblattes, das Sie in der Hand haben, nicht aufgefallen, daß darin das allgemeinpolitische Mandat angesprochen ist?
Herr Kollege Jahn, dieses Flugblatt mag im Text Formulierungen beinhalten, die das Mandat der Studentenschaft stärker ausweiten wollen, als das auf Grund der Interpretationen in einzelnen Gerichtsurteilen für zulässig erklärt worden ist. Ich kann Ihnen nur antworten: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß man zu hochschulpolitischen Fragen Stellung nehmen kann, aber eben beispielsweise nicht zu Revolutionen in Südamerika.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Walkhoff.
Herr Staatssekretär, können Sie die Information bestätigen, daß sich der RCDS-Bundesvorsitzende Reckers Ihnen gegenüber dahin gehend geäußert hat, daß die zu enge Auslegung des politischen Mandats durch Gerichte zu einer Aushöhlung der verfaßten Studentenschaft führe, diese aber auf jeden Fall erhalten bleiben müsse? Ein Standpunkt, der übrigens auch von mir, im Gegensatz zum münsterschen RCDS, geteilt wird.
Herr Kollege Walkhoff, das kann ich Ihnen bestätigen. Dieses Gespräch hat, glaube ich, am vorigen Dienstag im Bildungsministerium stattgefunden, und zwar mit Vertretern aller möglichen Studentenverbände, u. a. auch des RCDS. Dabei hat gerade der Vorsitzende des RCDS auf Probleme hingewiesen, die aus einer zu engen Interpretation des Mandats der Studentenschaft folgen könnten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Möllemann.
Herr Staatssekretär, Sie haben zwar gesagt, daß es nicht Ihre Aufgabe sei, die Äußerungen einzelner Politiker zu beurteilen. Aber da die Bundesregierung in der Kontinuität der Arbeit vorheriger Regierungen steht, frage ich Sie auf dem Hintergrund der Frage des Kollegen Jahn, wie Sie die seinerzeitige Aufforderung des damaligen Innenministers Gerhard Schröder vor dem Deutschlandtag des Verbandes Deutscher Studentenschaften beurteilen, die verfaßte Studentenschaft möge sich stärker als zuvor in politischen Fragen engagieren.
Herr Kollege Möllemann, in Ihrer Frage ist der Hinweis darauf enthalten, daß staatliche Instanzen Äußerungen von Studentenschaften so lange begrüßt haben, wie diese Äußerungen auf der Linie der Politik der jeweiligen Bundesregierung lagen, und daß sich das in dem Moment geändert hat, in dem andere Äußerungen der Studentenschaften zu erwarten waren. Das ist richtig. Trotzdem kann auch dieser Hinweis mich nicht dazu führen, es für richtig zu halten, daß sich die Studentenschaft einer Universität beständig zu Vorgängen äußert, die mit der konkreten Arbeit dieser Studentenschaft nichts zu tun haben; und zwar ganz einfach deshalb, weil Studentenschaften Zwangskörperschaften sind, weil jeder Student Mitglied dieser Zwangskörperschaft sein muß und es natürlich gerade zu solchen politischen Vorgängen sehr differenzierte Auffassungen gibt, die die Studentenschaft dann im Zweifelsfall nicht vertritt.
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz, für die Beantwortung der Fragen danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Frage 48 des Abgeordneten Dr. Dübber wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten KrollSchlüter auf:
Hat die Bundesregierung den Eindruck, daß Mitglieder der Bundesregierung bei ihren Reisen „im Osten" von deutschen Unternehmern wie „Aasgeier" umschwärmt werden?
Zur Beantwortung, bitte Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner.
An den Reisen von Mitgliedern der Bundesregierung in die Staatshandelsländer nehmen zwei Kategorien von Vertretern der Wirtschaft teil. Die Wirtschaft ist erstens mit ihren Verbands- und Unternehmensvertretern offiziell an den periodisch stattfindenden Tagungen der gemischten Regierungskooperationsausschüsse mit den Staatshandelsländern beteiligt, die im Falle der UdSSR und Polen auf deutscher Seite von Bundesminister Dr. Friderichs, bei den weiteren Ostländern durch andere hochrangige Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft geleitet werden. Diese Beteiligung der Wirtschaft ist in den in den Jahren 1973 bis 1975 mit den europäischen Ostländern abgeschlossenen Kooperationsabkommen ausdrücklich von beiden Seiten vereinbart und gebilligt worden.
Zum zweiten nehmen an einigen Reisen auf Adhoc-Basis auch Vertreter solcher großen, aber auch
mittleren und kleineren Unternehmen teil, die im Handel mit den besuchten Ländern stärker engagiert sind und die dort in der Regel auch in Verhandlungen über wichtige Projekte stehen. Die Teilnahme dieser Unternehmensvertreter an den Reisen ist mit der Regierung des jeweiligen Gastgeberlandes vorabgestimmt, so daß es im Rahmen und am Rande des offiziellen Programms zu besonders intensiven und fruchtbaren Gesprächen der Wirtschaft kommen kann.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das Engagement der Vertreter der deutschen Wirtschaft in den Regierungs-Kooperationsausschüssen mit den Staatshandelsländern sowie die Ad-hoc-Beteiligung einiger Unternehmensvertreter an den Reisen dem Interesse der deutschen Wirtschaft und der Entwicklung der gesamten Wirtschaftsbeziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern dient.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, halten Sie es, wenn es so ist, wie Sie sagen - und so ist es, wie ich weiß -, nicht für notwendig, die mitreisende Unternehmer disqualifizierende Äußerungen von führenden Politikern zurückweisen?
Mir sind derartige disqualifizierende Äußerungen nicht bekannt. Ich kann nur unterstreichen, daß die Bundesregierung die Beteiligung der Unternehmen an solchen Reisen so beurteilt, wie hier dargestellt.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Kroll-Schlüter.
Wenn ich Ihnen solche Äußerungen aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages mitteilte, würden Sie dann unter Umständen dazu Stellung nehmen?
Dann würde ich selbstverständlich dazu Stellung nehmen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage 50 des Abgeordneten Kroll-Schlüter.
Welche Vertreter der Wirtschaft sind vom Bundeskanzler persönlich zu seinen Auslandsreisen in den Osten eingeladen worden?
Der Herr Bundeskanzler legt aus den oben dargelegten Gründen Wert darauf, daß Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften ihn bei manchen Reisen in die Staatshandelsländer, aber auch in die Länder des Westens begleiten. So haben an der China-Reise des Bundeskanzlers vom 28. Oktober bis 2. November 1975 auf seine Einladung hin aus dem Kreise der Wirtschaft die Herren Prof. Dr. Herbert Grünewald und Hans Birnbaum teilgenommen. An der vom 28. bis 30. Oktober 1974 durchgeführten Moskau-Reise des Bundeskanzlers nahmen aus dem Kreise der Wirtschaft die Herren Dr. Ernst Wolf Mommsen und Erhart Keltsch teil.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Kroll-Schlüter.
Herr Staatssekretär, ich darf davon ausgehen, daß diese Herren persönlich eingeladen worden sind und daß ihre Mitreise auch im Interesse der Bundesregierung liegt.
So ist es.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage 51 der Abgeordneten Frau Dr. Orth. - Die Fragestellerin ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Trifft die Pressemeldung ({0}) zu, wonach die Herstellungskosten für das Präparat Librium 40 DM/kg, der Verkaufspreis dagegen 5 000 DM/kg, die Herstellungskosten für das Präparat Valium 80 DM/kg bis 90 DM/kg, der Verkaufspreis dagegen 22 000 DM/kg beträgt, und wie gedenkt die Bundesregierung gegen ein derart auffälliges Mißverhältnis zwischen Herstellungs- und Verkaufspreis von Pharmaka vorzugehen?
Der Abgeordnete ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Die hohen Verkaufspreise für Valium und Librium waren der Anlaß für die Mißbrauchsverfügung des Bundeskartellamtes vom 16. Oktober 1974, mit der der Hoffmann-La Roche AG die Senkung ihrer Abgabepreise für diese beiden Beruhigungsmittel aufgegeben worden ist. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes liegen die Preise für Valium und Librium in der Bundesrepublik erheblich über den entsprechenden Verkaufspreisen in den anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Die in der von Ihnen erwähnten Pressemeldung genannten Zahlen über das Verhältnis von Herstellungskosten zu den Abgabepreisen berücksichtigen ausschließlich einen Teil der gesamten Selbstkosten des Herstellers, nämlich allein die Kosten für die Produktion der Wirkstoffe, die für Valium und Librium erforderlich sind. Nach den Ermittlungen des Kartellamtes machen die Produktionskosten für die Wirksubstanzen sowohl bei den beiden betreffenden Beruhigungsmitteln als auch allgemein bei Arzneimitteln nur einen relativ geringen Anteil an den gesamten Kosten für diese Präparate aus. Hinzu kommen insbesondere weitere Herstellkosten für die Fertigung der Tabletten sowie die Kosten für Forschung, Vertrieb und Information und Werbung.
Die Firma Hoffmann-La Roche hat gegen die Anordnung der Preissenkung Beschwerde beim Kammergericht in Berlin eingelegt, das bisher noch nicht über das Rechtsmittel entschieden hat.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schöfberger.
Beurteilt die Bundesregierung, ungeachtet ihrer Preisbildungsüberlegungen, die Sie soeben vorgetragen haben, einen solchen Vorgang eindeutig als Mißbrauch wirtschaftlicher Macht?
Herr Kollege, die Bundesregierung wird in jedem Falle das anstehende Urteil des Kammergerichtes abwarten und nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schöfberger.
Herr Staatssekretär, reichen nach Auffassung der Bundesregierung generell die ordnungspolitischen Instrumentarien der Regierung aus, um derartigen Fällen zu begegnen?
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese Instrumentarien ausreichen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Schedl auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 54 des Abgeordneten Schedl. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Gansel auf:
Trifft es zu, daß das Bundesamt für die gewerbliche Wirtschaft im Zeitraum von 1964 bis 1968 die Ausfuhrgenehmigungen für Waffenexporte in Spannungsgebiete unter aktiver Tarnung erteilt hatte, und kann die Bundesregierung gegebenenfalls sicherstellen, daß sich ein solches Verhalten nicht mehr wiederholt?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, nach den Feststellungen des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft trifft es nicht zu, daß das Amt - offen oder „getarnt" - Ausfuhrgenehmigungen für Waffenexporte in Spannungsgebiete erteilt hat. Hiernach trifft es auch nicht zu, daß das Amt Kenntnis davon hatte, daß bestimmte Ausfuhren letzten Endes nicht für die in den Ausfuhranträgen genannten unbedenklichen Zielländer bestimmt waren.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, wäre es in Anbetracht des Wortlauts des Kriegswaffenkontrollgesetzes, daß die Genehmigung zu versagen ist, wenn die Lieferungen in Spannungsgebiete gehen sollen, rechtlich überhaupt zulässig gewesen, die Genehmigung zur Lieferung in die tatsächlichen Endempfängerländer, die sich in Spannungsgebieten befanden, zu erteilen?
Eine solche Genehmigung hätte nicht erteilt werden können.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es verfassungs- und verwaltungsrechtlich überhaupt für zulässig, daß eine Behörde Verwaltungsakte tarnt, insbesondere in der Anwendung des Kriegswaffenkontrollgesetzes, dessen Zweck darin besteht, den privaten Waffenhandel transparent und kontrollierbar zu machen?
Ich halte das nicht für zulässig.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland nur eine Räson kennt, nämlich die Verfassung, und daß es ihr gegenüber keinen übergesetzlichen Notstand oder irgendeinen anderen Rechtfertigungsgrund gibt, um Gesetz oder die Verfassung zu umgehen oder - wie es so schön heißt - sich zu „tarnen"?
Ich teile diese Auffassung.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reuschenbach.
Herr Staatssekretär, nach Ihrer ersten Antwort muß man ja davon ausgehen, daß das Bundesamt seine Genehmigung in Unkenntnis erteilt hat. Hat das Bundesamt für seine Entscheidung eine vorherige Stellungnahme der damaligen Bundesregierung eingeholt, und beruhte diese Stellungnahme ebenfalls auf Unkenntnis des tatsächlichen Sachverhalts, oder beruhte sie. auf dessen Kenntnis?
Meine Äußerungen, die ich hier zu diesem Fragenkreis abgebe, gebe ich natürlich unter dem Vorbehalt der weiteren Ermittlungen und mit dem ausdrücklichen Hinzufügen ab, daß nicht alle Fragen, die sich hier ergeben, bisher voll aufgeklärt wurden, zumal uns die schriftliche Begründung des in dieser Sache ergangenen Urteils noch nicht vorliegt.
Ich kann nach unseren bisherigen Erhebungen nur sagen, daß nach den Ermittlungen Beamte des Bundesamtes keine Kenntnis davon hatten, daß hier Tarnanträge vorgelegt wurden. Insoweit war die Genehmigungspraxis einwandfrei.
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
Vizepräsident von Hassel
Die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Rollmann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Egert auf:
Sind der Bundesregierung Presseberichte bekannt, in denen der Vorwurf erhoben wird, die Bundesregierung verstärke die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Portugals durch den Boykott der Einfuhr von Portwein?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander, bitte!
Herr Kollege Egert, der Bundesregierung sind derartige Presseberichte nicht bekannt.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Egert auf:
Bestehen oder sind Vorschriften erlassen worden, die den Import von mit synthetischem Alkohol versetztem Portwein verbieten oder erschweren, und welches waren gegebenenfalls die Gründe dafür?
Herr Kollege Egert, Portwein unterliegt als Likörwein den Vorschriften der EG-Weinmarktorganisation. Diese - wie übrigens auch die portugiesischen Bestimmungen für Portwein - schreiben vor, daß bei der Herstellung von Likörwein nur Alkohol verwendet werden darf, der aus der Weinrebe gewonnen ist. Portwein, der mit Synthesealkohol aufgespritet worden ist, verstößt also gegen das Gemeinschaftsrecht und ist daher nicht verkehrsfähig. Die für den Vollzug des Weinrechts zuständigen Behörden der Bundesländer haben daher pflichtgemäß mit Synthesealkohol verfälschten Portwein beanstandet mit der Folge, daß dieser nicht zur Einfuhr zugelassen worden ist.
Einwandfreie Erzeugnisse gelangen dagegen nach wie vor ungehindert auf den deutschen Markt. Nach den Exportzahlen des portugiesischen Portweininstituts betrug die Ausfuhr von Portwein in die Bundesrepublik Deutschland im ersten Halbjahr 1975 rund 25 000 hl und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit rund 18 000 hl um rund 6 000 hl - oder rund 33,5 % - erhöht. Sie werden mir sicherlich zustimmen, Herr Kollege Egert, daß bei dieser Sachlage von einem Boykott nicht die Rede sein kann.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frgae 60 des Abgeordneten Konrad auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Herstellung und klinische Erprobung neuer Arzneimittel an Patienten auf das therapeutisch notwendige Maß zu beschränken?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Ich würde gerne, wenn der Fragesteller gestattet, beide Fragen zusammen beantworten.
Vizepräsident von Hassel: Keine Bedenken. Die Frage 61 wird mit aufgerufen:
Gedenkt die Bundesregierung zur gesetzlichen Pflicht zu machen, daß die Erprobung neuer Arzneimittel an Patienten von einem unabhängigen Sachverständigengremium nach Kriterien der therapeutischen Notwendigkeit genehmigt werden muß, um zu verhindern, daß ständig neue Produkte, von denen ihre Hersteller nicht so sehr neue Heilerfolge als vielmehr neue Marktanteile und Profite erwarten, auf den ohnehin unübersichtlichen Arzneimittelmarkt gebracht werden?
Herr Kollege Konrad, die Vorstellungen der Bundesregierung zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen sind im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts - Bundestagsdrucksache 7/3060 - enthalten. Ich darf in diesem Zusammenhang besonders auf die Abschnitte 3, 4 und 6 des Artikels 1 hinweisen. Der Regierungsentwurf wird zur Zeit von dem Unterausschuß „Arzneimittelrecht" des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit beraten.
Was die Durchführung der klinischen Prüfung angeht, so möchte ich besonders auf die §§ 38 und 39 verweisen. Danach darf eine klinische Prüfung insbesondere nur dann durchgeführt werden, „wenn und solange die Risiken, die mit ihr für die Person verbunden sind, bei der sie durchgeführt werden soll, gemessen an der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich vertretbar sind". Verstöße gegen diese Vorschrift sollen strafrechtlich geahndet werden.
Ich halte es für richtig, diese strafrechtliche Verantwortung bei denjenigen zu belassen, die eine klinische Prüfung durchführen. Diese strafrechtliche Verantwortung sollte nicht beseitigt und durch die Entscheidung eines Sachverständigengremiums ersetzt werden. Gleichwohl dürfte es empfehlenswert sein, wenn sich die Verantwortlichen bei der Beurteilung der mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken des Rates von unabhängigen Sachverständigen bedienten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Konrad.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung bisher die Herstellung und die klinische Erprobung neuer Arzneimittel nicht als so eingeschränkt ansieht, wie es nach ihrer Meinung erforderlich wäre?
Die Bundesregierung hat in dem von mir zitierten Gesetzentwurf Vorschläge unterbreitet - auch unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung auf diesem Gebiet -, wie sie angesichts der Situation in der Bundesrepublik aus der Sicht der Bundesregierung für zweckmäßig angesehen werden.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Egert.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung nach der revidierten Erklärung von
Helsinki, die in Tokio vom Weltärztebund verabschiedet worden ist, eine Notwendigkeit, die Gesetzesvorschriften zu verändern?
Ja.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen für die Beantwortung danken.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Frage 62 des Abgeordneten Reiser:
Welche Folgerungen hat bisher die Bundesregierung aus dem Gutachten „Arbeitszeit des Lokomotivpersonals" einer Sonderkommission gezogen, die vom damaligen Bundesverkehrsminister Leber eingesetzt worden war, soweit es speziell den Punkt „Sanierung der Übernachtungsräume" betrifft?
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jung. zur Verfügung.
Herr Kollege Reiser, nach Vorlage des Berichts der Kommission „Arbeitszeit des Lokomotivpersonals" hat der Vorstand der Deutschen Bundesbahn zwei Sonderbeauftragte bestellt, die den baulichen Zustand aller Sozialräume prüfen, dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn ein Gesamtbild über ihre Beschaffenheit vermitteln und den Bundesbahndirektionen - die gehalten sind, für die ordnungsgemäße Erhaltung und Verbesserung der Sozialräume im Rahmen ihrer Zuständigkeit Sorge zu tragen - Empfehlungen zur Beseitigung von Mängeln und Unzulänglichkeiten geben sollen. Der Hauptpersonalrat bei der Deutschen Bundesbahn beteiligt sich durch ein Mitglied an dieser Überprüfung. Die Sonderbeauftragten werden bei Um- und Neubauvorhaben auch hinsichtlich der Übernachtungsräume ständig eingeschaltet, damit im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten entsprechende Prioritäten gesetzt werden.
Der Abschlußbericht der Sonderbeauftragten, Herr Kollege, liegt noch nicht vor. Sobald dieser bekannt ist, bin ich bereit, Ihnen weitere Auskunft zu geben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Reiser.
Herr Staatsekretär, da in der Fragestunde vom 1. Oktober mir Staatssekretär Haar in der gleichen Sache geantwortet hat, es seien zumutbare Übernachtungsräume, frage ich Sie, nachdem jetzt dieses Gutachten dreieinhalb Jahre zurückliegt, ob der folgende Satz aus dem Gutachten noch Gültigkeit behalten kann:
Es ist nicht einzusehen, daß für diese Schlafräume nur ausgediente Gebäude im Bereich der
Deutschen Bundesbahn in Frage kommen sollen.
Nein, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: 'Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Reiser.
Herr Staatssekretär, da diese Frage in engem Zusammenhang mit Erwägungen steht, die im Hinblick auf Unglücksmöglichkeiten bei der Bundesbahn gemacht worden sind, halte ich sie für sehr wichtig. In diesem Gutachten steht beispielsweise:
Die Situation dieser Räume hinsichtlich des Lärmschutzes ist als katastrophal zu bezeichnen. Wir haben Räume gesehen, bei denen die Fenster nicht zu schließen waren und die Scheiben nur noch durch Nägel gehalten wurden und bei jedem Windstoß klirrten. Die Räume lagen zum Teil direkt an Hauptverkehrsstraßen mit Lkw-Verkehr oder zwischen den Gleisen in auch nachts hell ausgeleuchteter Umgebung.
Kann denn in dieser Richtung nicht sehr schnell etwas geschehen?
Herr Kollege, ich habe ja in meiner ersten Antwort schon darauf hingewiesen, daß die Bundesbahndirektionen im Rahmen ihrer Zuständigkeit hier laufend tätig werden müssen. Aber wie gesagt, die eingesetzte Kommission bzw. die Sonderbeauftragten werden hier auch tätig werden, und ich nehme an, daß die Bundesbahndirektionen auf Grund dieses Berichts laufend Verbesserungen vornehmen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Luda auf. - Sie muß schriftlich beantwortet werden; der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 64 des Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Lemmrich sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Ist die Bundesregierung auf Grund der Tatsache, daß die Aufrechterhaltung des Spikes-Verbots auch für Österreicher im südostbayerischen Grenzraum schwerwiegende Auswirkungen für Wirtschaft und Fremdenverkehr haben müßte, bereit, zumindest im sogenannten Zollgrenzbezirk das Spikes-Verbot für österreichische Fahrzeuge aufzuheben, und ist die Bundesregierung wegen der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr in besonders begründeten Einzelfällen für möglich gehaltenen Ausnahmeregelungen ferner bereit, ihre in der Fragestunde am 26./27. November 1975 bekundete generelle Ablehnung nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Engelsberger, die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß das Spikes-Verbot sachlich notwendig und begründet ist. Es ist beabsichtigt, daß Verbot bundesweit nicht nur auf inländische, sondern auch auf einfahrende ausländische Fahrzeuge anzuwenden. Dies entspricht auch der übereinstim14234
menden Auffassung des Bundestagsverkehrsausschusses, das Spikes-Verbot im Bundesgebiet möglichst ausnahmslos durchzusetzen.
Soweit der Bundesregierung bisher bekanntgeworden ist, werden in Bayern durch die dortigen Landesbehörden in besonders gelagerten Fällen, regional sehr begrenzt und mit einschränkenden Auflagen versehen, Einzelausnahmegenehmigungen vom Spikes-Verbot erteilt. Desgleichen werden in grenznahen Gebieten zu Österreich ausländische Fahrzeuge mit Spikes-Reifen durch die für die Kontrolle zuständigen Stellen nicht beanstandet. Solche Maßnahmen sind rechtlich möglich und erfolgen in eigener Verantwortung der betreffenden Landesbehörde.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Engelsberger.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung bereit ist, die von der Bayerischen Staatsregierung getroffenen Maßnahmen bezüglich Ausnahmegenehmigungen zu tolerieren?
Herr Kollege, ich habe eben darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung dies sehr wohl muß, da dies in die Zuständigkeit der Landesregierungen fällt. Allerdings ist die Bundesregierung der Meinung, und dies hat sich auch der Bundestagsverkehrsausschuß zu eigen gemacht, daß das generelle Spikes-Verbot in der Bundesrepublik aufrechterhalten bleiben muß.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Engelsberger.
Herr Staatssekretär, wie sind die Verhandlungen zwischen dem österreichischen und dem deutschen Verkehrsminister verlaufen, die dieser Tage in Paris geführt worden sein sollen? Sollen für die Durchreise von Kufstein nach Salzburg Spikes zugelassen werden?
Herr Kollege, am Rande der CEMT-Tagung wurde dieses Petitum der Bundesregierung, nämlich das Spikes-Verbot im Bundesgebiet grundsätzlich aufrechtzuerhalten, zwischen den beteiligten Verkehrsministern der europäischen Länder behandelt, und es wurde eine Überprüfung auf eine gemeinsame Haltung zugesagt.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Wittmann ({0}) auf:
Gedenkt die Bundesregierung, Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - Az: 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71 - zu ziehen, worin der „Handel" mit Genehmigungen für den Güterfernverkehr gerügt und Geschäfte im Vergabeverfahren unter Mitwirkung von Behörden als grundgesetzwidrig bezeichnet werden, und wenn ja, welche?
Bitte, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!
Herr Kollege Wittmann, das Verfahren bei der Vergabe von Güterfernverkehrsgenehmigungen ist ausschließlich Sache der Länder. Die Bundesregierung wird im übrigen prüfen, ob die Maßstäbe und Kriterien für die Vergabe der Genehmigungen im Güterkraftverkehrsgesetz selbst geregelt werden sollten.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen danken.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf, zunächst die Frage 69 des Abgeordneten Müller ({0}) :
Trifft die Pressemeldung zu, wonach ein Fluchtversuch an der Demarkationslinie gegenüber dem Westberliner Ortsteil Rudow am Wochenende 22./23. November gescheitert ist und nach mehreren Feuerstößen der „DDR"-Grenzposten ein Mann leblos abtransportiert wurde?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold.
Herr Präsident! Herr Kollege Müller, Ihre Frage beantworte ich mit Ja.
Vizepräsident von Hassel: Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
({0})
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Müller ({1}) auf:
Was geschieht in diesem Fall oder in ähnlichen Fällen seitens der Bundesregierung?
Herr Kollege, bei besonderen Vorkommnissen an der Grenze zur DDR und im Raum um Berlin ({0}) unterrichten die örtlichen Behörden sofort das Lagezentrum beim Bundesministerium des Innern, und von dort aus werden die jeweils in Betracht kommenden obersten Bundesbehörden einschließlich des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen informiert. Das ist auch bei dem hier zur Debatte stehenden Vorfall vom 21. November 1975 geschehen.
Die Bundesregierung reagiert, wie Ihnen bekannt ist, nach ihrer Beurteilung der jeweils gegebenen Lage. Bei Zwischenfällen an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland zur DDR erfolgt je nach Lage des Sachverhalts eine öffentliche Erklärung des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, ein Vorstelligwerden der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR- Regierung oder ein Fernschreiben des örtlich zuständigen Bundesgrenzschutzgenerals an den örtlich zuständigen General der DDR-Grenzgruppen. Bei Zwischenfällen in Berlin obliegt eine Reaktion in erster Linie den für die Sicherheit der drei Westsektoren verantwortlichen Stadtkommandanten. Diese haben bekanntlich gegen den Zwischenfall vom 21. November 1975 protestiert.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({1}).
Herr Staatssekretär, ist dieser Fall - wie alle ähnlichen Fälle - nicht eine grobe Verletzung völkerrechtlich verbriefter Rechte wie des Rechts auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person nach Art. 3 des Grundgesetzes und des Rechts auf Freizügigkeit und des Rechts nach Art. 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, jedes beliebige Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen?
Herr Kollege Müller, diese Frage habe ich in den letzten sieben Jahren schon mehrfach in diesem Hause beantwortet. Ich erkläre nochmals: die Bundesregierung wird auch in Zukunft solche Vorfälle verurteilen.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({0}).
Dann darf ich Sie fragen: Teilt die Bundesregierung auch meine Auffassung, daß dieser Fall auch die Schlußakte der KSZE von Helsinki vom August 1975 gröblich verletzt, in der es unter VII u. a. heißt - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte und Grundfreiheiten achten. Sie werden diese Rechte und Freiheiten in ihren gegenseitigen Beziehungen stets achten und sich einzeln und gemeinsam auch in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen bemühen, die universelle und wirksame Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern.
Was hat die Bundesregierung dazu zu sagen?
Vizepräsident von Hassel: Verzeihung, Herr Kollege, es ist nach den Maßnahmen gefragt worden, die die Bundesregierung oder Berlin im Falle einer Flucht ergreifen. Das Thema Helsinki ist ein Thema, das mit dieser Frage nicht im Zusammenhang steht.
({0})
Herr Präsident, ich fragte, was die Bundesregierung mit Bezug auf diese Erklärung getan hat.
Vizepräsident von Hassel: Dann hätten Sie die Frage so formulieren müssen, verehrter Herr Kollege.
({0})
Die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Jäger ({1}) werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht anwesend ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beantwortung der Fragen dieser Fragestunde angelangt. Ich beende diesen Tagesordnungspunkt.
Ich unterbreche die Sitzung, die dann mit Punkt 2 der Tagesordnung fortgesetzt wird, bis 14.30 Uhr.
({2})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Zweiten Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({1})
- Drucksache 7/4372 Berichterstatter: Abgeordneter Höcherl Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie doch freundlichst, Platz zu nehmen, damit der Bericht des Herrn Berichterstatters im ganzen Hause verständlich ist.
Ich bitte um Ihre Nachsicht, meine Damen und Herren, daß ich einen längeren Bericht vortragen und damit Ihre Zeit in Anspruch nehmen muß, aber es handelt sich um eine sehr gewichtige Sache.
Ich hatte bereits am letzten Freitag die Ehre, dem Hohen Hause einen ersten Bericht über die Beratung des Vermittlungsausschusses in seiner Sitzung vom 27. November zu dem vom Bundestag am 6. November verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur zu erstatten. In diesem Bericht ging es um das vom Vermittlungsausschuß abgespaltene Teilgesetz, das den bisherigen Art. 20 erfaßte und - bis auf unwesentliche Ausnahmen -den Art. 25 mit einbezog, d. h. die Änderungen, die das Arbeitsförderungs- und das Bundesversorgungsgesetz betreffen. Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung vom letzten Freitag dieses Teilgesetz mit Mehrheit angenommen.
Der Ihnen heute auf der Drucksache 7/4372 vorliegende zweite Antrag des Vermittlungsausschusses hat die vom bisherigen Haushaltsstrukturgesetz nach der Abspaltung verbliebenen Regelungen zum Gegenstand. Hierzu hatte der Bundesrat in seinem Anrufungsbegehren Änderungen in insgesamt 18 Punkten - das sind die Ziffern 1 bis 6 und 10 bis 21 der Drucksache 7/4325 - verlangt. Ich darf mir erlauben, die Berichterstattung auf die Behandlung der wesentlichsten Änderungsbegehren im Vermittlungsausschuß zu beschränken.
Der Bundesrat hat im ersten Punkt seines Anrufungsbegehrens beantragt, daß die Geltung der im neugefaßten Bundesbesoldungsgesetz vorgesehenen Neuregelung der Hochschullehrerbesoldung - die sogenannte C-Besoldung - im wesentlichen ausgesetzt wird, d. h. auch dann nicht in Kraft treten soll, wenn das Hochschulrahmengesetz in Kraft getreten ist. Es gibt dazu eine verbindliche Erklärung der Bundesregierung. Maßgebend für dieses Änderungsbegehren war die Befürchtung, daß mit dem Inkrafttreten der C-Besoldung auf die Länder erhebliche finanzielle Mehrbelastungen in einer Größenordnung von etwa 70 bis 80 Millionen DM im Jahr zukommen.
Um sicherzustellen, daß die Länder insoweit nicht ihre eigenen Besoldungsregelungen in finanzpolitisch unerwünschter Weise ändern, war im Anrufungsbegehren des Bundesrates zugleich vorgesehen, daß die entsprechenden landesrechtlichen Besoldungsbestimmungen als unmittelbares Bundesrecht weitergelten. Das steht in der Ziffer 4 der Drucksache 7/4325.
Bei den Beratungen zu diesen beiden Änderungsvorschlägen wurde von seiten der Bundesregierung geltend gemacht, die in dem Bundesbesoldungsgesetz enthaltenen Regelungen hätten nicht nur Besoldungsmehrbelastungen, sondern zum Teil auch finanzielle Einsparungen zur Folge; darüber hinaus könne man daran denken, durch Änderung der status- und besoldungsrechtlichen Vorschriften für das wissenschaftliche Personal an Hochschulen Einsparungen in der hier diskutierten Größenordnung von 80 Millionen DM vorzunehmen.
Nach weiteren Erörterungen einigte sich der Vermittlungsausschuß einmütig und in Übereinstimmung mit den Vertretern der Bundesregierung auf folgende Lösung: Die Bundesregierung wird einen Vorschlag unterbreiten, nach dem die Überleitungsvorschriften und die Vorschriften über die C-Besoldung so geändert werden, daß durch das Inkrafttreten der C-Besoldung insgesamt keine Mehrbelastung für die Länder eintritt. Das ist in der gestrigen Sitzung des Vermittlungsausschusses auch beschlossen worden. Dabei wird davon ausgegangen, daß die bisherige Fassung des Hochschullehrerteils des neuen Besoldungsgesetzes für die Länder Mehrkosten in Höhe von 70 bis 80 Millionen DM jährlich gebracht hätten.
Der vom Bundesrat vorgeschlagene neue § 6 in Artikel 1 des Haushaltsstrukturgesetzes wird deshalb mit der Maßgabe übernommen, daß der Hochschullehrerteil im Bundesbesoldungsgesetz nur bis zum 31. Dezember 1977 ausgesetzt wird. Entsprechend soll die Geltung des Artikels X des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes bis zum 31. Dezember 1977 ausgesetzt werden.
In einem weiteren Anrufungsbegehren hatte der Bundesrat die Änderung von Regelungen beantragt, die die Besoldung bestimmter Beamter der Besoldungsgruppe A 9 und A 10 betreffen. In der Fassung des Gesetzesbeschlusses wird für die Fachhochschulabsolventen des nichttechnischen gehobenen Dienstes beim Eingangsamt die Einstufung nach Besoldungsgruppe A 10 ausgesetzt, während die entsprechenden Beamten des technischen Dienstes ihre Laufbahn bereits in A 10 beginnen. Der Bundesrat hält diese Ungleichbehandlung des nichttechnischen und technischen Dienstes, die z. B. die Eingangsämter von Rechtspflegern, Steuerbeamten und Sozialarbeitern betrifft, für nicht akzeptabel und hat beantragt, die Besoldung im Eingangsamt des nichttechnischen Dienstes nach A 10 nur für eine Übergangszeit, nämlich bis zum 31. Dezember 1979, auszusetzen. - Für Beamte zur Anstellung, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits nach A 10 besoldet werden, solle zudem der Besitzstand gewahrt werden. - Der Vermittlungsausschuß hat einstimmig die Abänderung des Gesetzesbeschlusses mit dem Ziel der Besitzstandswahrung der in A 10 befindlichen Beamten zur Anstellung beschlossen; hingegen fand der Antrag auf nur befristete Aussetzung der Besoldung des nichttechnischen gehobenen Dienstes nach A 10 keine Mehrheit.
Ein weiteres Anrufungsbegehren des Bundesrates betraf die in Art. 17 vorgesehene Regelung, wonach die bisher nur für den Bereich der Rentenversicherungsträger bestehende Verpflichtung zur Vorlage des Haushaltsplanes und das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde auf die RVO-Kassen und Ersatzkassen, auf ihre Verbände sowie die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ausgedehnt werden soll. Der Bundesrat hatte die Streichung der entsprechenden Bestimmung verlangt und dies u. a. damit begründet, daß anderenfalls auf die Länder ein erheblicher Verwaltungsaufwand zukomme, der zur Einstellung neuen Personals zwinge. Darüber hinaus sei die stärkere Einschaltung der Aufsichtsbehörden bei der Aufstellung der Haushaltspläne nicht geeignet, die Kosten im Gesundheitswesen nennenswert zu senken.
Nach eingehender Erörterung wurde beschlossen, daß es bei der vorgesehenen stärkeren Einschaltung der staatlichen Aufsicht in das Haushaltswesen bei der Krankenversicherung bleiben soll, jedoch der Haushaltsplan der Aufsichtsbehörde nur vorzulegen ist, wenn diese es verlangt.
Der Bundesrat hatte weiterhin beantragt, zu der in Art. 8 des Haushaltsstrukturgesetzes vorgesehenen Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes den § 2 neu zu fassen. Damit sollte für den neu vorgesehenen Härteausgleich in Höhe von 10 % des Förderungsbetrages näher klargestellt werden, auf welche verschiedenen Leistungen der Härteausgleich erbracht wird und in welcher Weise Einkommens- und Vermögensbeträge anzurechnen sind. Dieses Änderungsbegehren, das zusätzliche Einsparungen zum Ziel hat, fand im Vermittlungsausschuß aber keine Mehrheit.
Zum Bundesvertriebenengesetz hatte der Bundesrat beantragt, daß neben der für Spätberechtigte vorgesehenen Auftragsfristverlängerung auf fünf Jahre auch die bis zum 31. Dezember 1976 gestellten Anträge von Altgeschädigten zu bedienen sind. Weiterhin begehrte der Bundesrat, daß in Härtefällen Mittel nicht nur, wie vorgesehen, für die bis zum 31. Dezember 1978 gestellten Anträge, sondern bis zum 31. Dezember 1980 bereitzustellen sind. Die
Mehrheit des Vermittlungsausschusses konnte sich
diesem Begehren des Bundesrats nicht anschließen.
Zu den im Haushaltsstrukturgesetz enthaltenen Änderungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes hatte der Bundesrat in drei Punkten gewichtige Änderungen begehrt.
Nach bisherigem Recht ist nach § 22 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes der Bundesanteil an den Investitionskosten der Krankenhäuser, die nicht Neubaumaßnahmen sind, auf ein Drittel festgelegt. Der Bundestag hat beschlossen, daß der Bundesanteil an diesen Investitionskosten betragsmäßig beschränkt wird. Darüber hinaus sieht der Gesetzesbeschluß vor, daß die Zuweisung der Mittel auf der Grundlage einer zwischen Bund und Ländern abgestimmten Bedarfsermittlung erfolgen solle. Für beide Neuregelungen beantragte der Bundesrat die Streichung. Er begründete dies für den erstgenannten Punkt u. a. damit, daß andernfalls ein für die Länder ebenso ungünstiger Zustand wie vor der Verabschiedung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes eintreten würde. Die vorgesehene Abstimmung der Bedarfsermittlung wird vom Bundesrat aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Beide Änderungsanträge fanden keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß.
Schließlich hat der Bundesrat in einem weiteren Punkt ein Änderungsbegehren. Nach geltendem Recht dürfen die Kosten bei den mit den Krankenhäusern verbundenen Ausbildungsstätten nach dem 31. Dezember 1978 nicht mehr im Pflegesatz berücksichtigt werden. Der Bundesrat strebte hier für den Regelfall ein Hinausschieben des Berücksichtigungsverbots bis Ende 1985 an. Nach eingehender Erörterung entschied sich auch hier die Mehrheit des Vermittlungsausschusses dafür, es bei der Bundestagsfassung zu belassen.
Das gleiche Schicksal widerfuhr auch den vom Bundesrat begehrten Änderungen zu den Bestimmungen zum Gemeindefinanzierungsgesetz. Der Bundestag hat beschlossen, daß künftig nur noch 90 % des Mehraufkommens an Mineralölsteuer zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden zur Verfügung zu stellen sind. Zugleich wurde eine Änderung des Verteilungsschlüssels für diese Mittel zwischen kommunalem Straßenbau und öffentlichem Personennahverkehr von bisher 50 : 50 auf 45 : 55 zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs beschlossen.
Der Bundesrat ist zwar mit der Kürzung der aus dem Mineralölsteueraufkommen zur Verfügung stehenden Mittel um 10 % einverstanden, nicht jedoch mit dem neuen Verteilungsschlüssel. Er hat beantragt, es bei dem alten Schlüssel 50 : 50 zu belassen. Zudem soll, um Härten zu vermeiden, für die Länder die Möglichkeit geschaffen werden, bis zu 15 % statt, wie vorgeschlagen, nur 10 % ihrer für den kommunalen Straßenbau zugewiesenen Mittel für Vorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs zu verwenden.
Bei der Erörterung im Vermittlungsausschuß wurde aus der Sicht der Flächenstaaten geltend gemacht, die vorgesehene Benachteiligung des Straßenbaus sei u. a. deshalb nicht annehmbar, weil die Deutsche Bundesbahn, wie kürzlich bekanntgeworden sei, eine drastische Reduzierung ihres Streckennetzes plane. Auch diese Anträge des Bundesrats fanden im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit.
Ein weiteres Änderungsbegehren des Bundesrats betraf den im Haushaltsstrukturgesetz vorgesehenen stufenweisen Abbau des Aufwertungsausgleichs für die Landwirtschaft durch Änderung des Aufwertungsausgleich- und des Umsatzsteuergesetzes. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß der völlige Abbau des Aufwertungsausgleichs zu einer zu starken Belastung der Landwirtschaft führen müsse. Er hat daher beantragt, daß einmal die für die nächsten Jahre vorgesehene Kürzung der Umsatzsteuerermäßigung durch für die Landwirtschaft günstigere Sätze ersetzt und zum anderen der Aufwertungsausgleich ab 1977 in verminderter Höhe weitergewährt werden solle.
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Bei den Erörterungen im Vermittlungsausschuß wurde von seiten der Bundesregierung geltend gemacht, daß eine Verlängerung des Aufwertungsausgleichs über drei Jahre hinaus nicht akzeptabel sei. Der Vorschlag des Bundesrats fand daher keine Mehrheit.
Auch ein Antrag, daß der Abbau der Vergünstigung in zwei Stufen je 0,75 v. H. betragen solle, fand im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit.
Zum Körperschaftsteuergesetz sieht das Haushaltsstrukturgesetz u. a. in Art. 41 vor, daß der Körperschaftsteuersatz für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute mit langfristigen Geschäften von bisher 35 auf 44 v. H. erhöht wird. Demgegenüber hat der Bundesrat verlangt, daß zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen der Steuersatz lediglich auf 41 % anzuheben sei. Dies wird damit begründet, daß die hier betroffenen Institute - anders als die privaten Bausparkassen - nicht die Möglichkeit haben, ihre Körperschaftsteuerbelastung durch Inanspruchnahme des begünstigten Ausschüttungssteuersatzes abzumildern.
Der Bundestagsbeschluß sieht weiter vor, daß der Körperschaftsteuersatz für Sparkassen auf 45 °/o und der für Kreditgenossenschaften und Zentralkassen auf 42 % festgelegt wird. Der Bundesrat hat verlangt, die Steuersätze aus Gründen der Wettbewerbsneutralität im Kreditwesen einheitlich auf 41 % festzusetzen. Ferner begehrt der Bundesrat, daß die genannten Sätze nur bis zum Inkrafttreten der Körperschaftsteuerreform am 1. Januar 1977 gelten sollen. Diese Vorschläge fanden keine Mehrheit. Auch der Kompromißvorschlag, hinsichtlich der Steuersätze dem Beschluß des Bundestages zuzustimmen, diese Steuersätze aber auf das Jahr 1976 zu befristen, wurde abgelehnt. Es ist daher bei der vorn Bundestag beschlossenen Gesetzesfassung geblieben.
Weiterhin hatte der Bundesrat zu der in Art. 42 des Haushaltsstrukturgesetzes vorgesehenen Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes eine Änderung des § 28 Abs. 3 dieses Gesetzes begehrt. Damit sollte gewährleistet werden, daß die bisheri14238
gen Tätigkeiten der Wohnungsbauförderungsanstalten der Länder in vollem Umfang steuerlich begünstigt bleiben. Hier hat sich der Vermittlungsausschuß das Begehren des Bundesrates einmütig zu eigen gemacht.
Ein weiteres Anrufungsbegehren des Bundesrates betraf die vorgesehene Änderung des Bundeskindergeldgesetzes. Das bisher geltende Recht sieht vor, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes für eine Übergangszeit, nämlich bis zum 31. Dezember 1976, das Kindergeld von ihrem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber statt von der Bundesanstalt für Arbeit bekommen. Der Bundestag hat - in der Regierungsvorlage fehlte ein entsprechender Vorschlag - gegenüber dem geltenden Recht beschlossen, daß die als bloße Übergangsregelung vorgesehene Zweigleisigkeit der Zahlung des Kindergeldes als Dauerregelung beibehalten werden soll. Dies bedeutet, daß die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände den Kindergeldaufwand für ihre Bediensteten über das Jahr 1976 hinaus selbst tragen sollen.
Der Bundesrat hatte in seinem Anrufungsbegehren beantragt, die vorgesehenen Änderungen in § 45 des Bundeskindergeldgesetzes zu streichen. Die Beibehaltung des zweigleisigen Verfahrens bedeute keine wesentliche Verwaltungseinsparung, sondern vor allem eine Kostenverlagerung vom Bund auf die Länder und Gemeinden in einem Umfange von 1,5 Milliarden DM pro Jahr.
Im Vermittlungsausschuß wurde sehr eingehend darüber beraten, wie man zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung kommen könnte. Hierbei konnten die gegensätzlichen Standpunkte teilweise einander angenähert werden. Hinsichtlich des Zahlungsweges sprach sich der Ausschuß für die Beibehaltung des zweigleisigen Verwaltungsverfahrens aus. Hingegen blieben hinsichtlich der Frage, wer die Zahllast beim Kindergeld im öffentlichen Dienst letztlich tragen solle, die Standpunkte unverändert bestehen. Der Vermittlungsausschuß kam daher übereinstimmend zu folgender Auffassung:
Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, daß zur Verwaltungsvereinfachung das Kindergeld für die Kinder öffentlicher Bediensteter weiterhin von den öffentlichen Arbeitgebern gezahlt wird. Der Vermittlungsausschuß hat die Erklärung des Bundesfinanzministers entgegengenommen, nach der die Einigung über das Verwaltungsverfahren die Entscheidung über die Zahllast nicht präjudiziert und insoweit die gegensätzlichen Standpunkte aufrechterhalten bleiben. Keine der beiden Seiten wird diese Einigung als Argument in die künftigen Verhandlungen einführen.
Der zweite Antrag des Vermittlungsausschusses, wie er dem Bundestag jetzt vorliegt, enthält aber insoweit keine Änderung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages. Dieser Vorschlag ist also nicht zum Gegenstand eines formellen Antrags gemacht worden.
Hinsichtlich der Bestimmungen über das Inkrafttreten des Haushaltsstrukturgesetzes sei schließlich darauf verwiesen, daß der Bundesrat in einigen Punkten eine Vorverlegung der vorgesehenen Zeitpunkte des Inkrafttretens begehrt hatte, also eine höhere Ersparnis erreichen wollte. Nach dem Bundestagsbeschluß soll vom 1. Oktober 1976 an in Fällen, in denen Auszubildende nach dem dritten Semester das Studium abbrechen oder wechseln, die gesamte Ausbildungsförderung als Darlehen geleistet werden. Der Bundesrat war hier der Auffassung, daß diese Neuregelung schon zum Sommersemester des Jahres 1976 in Kraft treten sollte. Weiterhin soll nach der Auffassung des Bundesrates die Einführung einer Einkommensgrenze beim Kindergeld für Kinder mit Ausbildungsvergütung oder ähnlichen Bezügen schon zum 1. Juli 1976 und nicht erst am 1. Januar 1977 in Kraft treten. Diese Änderungsbegehren fanden im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit.
Abschließend darf ich bemerken, daß der Vermittlungsausschuß über die einzelnen Abänderungsvorschläge eine getrennte Abstimmung beschlossen hat.
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Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter für den Bericht des Vermittlungsausschusses und teile dem Hause mit, daß der Herr Bundesfinanzminister den Herrn Bundespräsidenten bei einer Besichtigung der Bundesfinanzakademie begleitet und sich daher für heute nachmittag entschuldigen läßt.
Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, daß der Vermittlungsausschuß darum bittet, über die einzelnen Punkte getrennt abzustimmen.
Ich frage zunächst, ob das Wort begehrt wird. - Das Wort wird nicht begehrt.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer der Nr. 1 in der vorgelegten Fassung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Ich rufe Nr. 2 auf. Wer hier zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Ich rufe Nr. 3 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Nr. 4 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Gegen zwei Stimmen angenommen.
Ich rufe Nr. 5 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Jetzt kommt Nr. 6. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Nr. 7 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe Nr. 8 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Nr. 9 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Bei zwei Stimmenthaltungen mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Meine Damen und Herren, es sind nun noch eine Reihe von redaktionellen Berichtigungen vorzunehmen, die sich aus den Änderungen ergeben. Ich gehe davon aus, daß sich das Petitum des Vermittlungsausschusses, über seine Vorschläge getrennt abzustimmen, nicht darauf erstreckt, sondern daß wir darüber geschlossen abstimmen können.
Wer den redaktionellen Berichtigungen zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wer dem Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Haus hat den Vermittlungsvorschlag in der vorliegenden Fassung einstimmig gebilligt. - Ich danke Ihnen.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 5. Dezember 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.