Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/27/1975

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden - Drucksache 7/3852 -. Außerdem soll Punkt 11 der Tagesordnung, betreffend Schutz der Jugend vor Mediengefahren, abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Zur Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Memmel das Wort.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Ich bitte um Absetzung des Tagesordnungspunkts 9 und Verlegung auf eine der Plenarsitzungen der nächsten Woche. Ich beziehe mich dabei auf § 80 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Der Ausschußbericht ist erst in der letzten Stunde, und zwar um 12 Uhr, verteilt worden. Das ist ein rein formeller Grund. Aber ich möchte auch noch einen etwas anderen, tiefer liegenden Grund sagen. Bei der Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes ist dieses Hohe Haus nach Meinung mancher Fachleute etwas rasch vorgegangen. Ich möchte wirklich nicht haben, daß wir bei dem jetzigen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes nicht einmal die Frist einhalten; denn mit diesem Gesetzentwurf soll ja das ausgebügelt werden, was in der Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes unterblieben ist. Einen Kompromißvorschlag, wonach man diesen Punkt etwa morgen als letzten Punkt der Tagesordnung behandeln könnte, bitte ich nicht zu machen, weil ich morgen beim besten Willen nicht hier sein kann. Daher bitte ich um Verlegung auf die nächste Woche.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wird das Wort dazu gewünscht? - Herr Abgeordneter Lenders!

Helmut Lenders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag kommt, wie ich sagen muß, sehr überraschend. Ich kann mich natürlich nicht gegen eine Fristeinrede wenden. Aber die Begründung, den Punkt etwa auch morgen nicht zu behandeln, weil Herr Memmel dann nicht anwesend ist, überrascht wohl das ganze Haus. Ich bitte darum, diesen Antrag zurückzuweisen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Bevor wir abstimmen, weise ich auf folgendes hin. Es geht hier um die Tagesordnung der ganzen Woche. Für morgen kann die Fristeinrede nicht mehr geltend gemacht werden. Deshalb geht es um eine Absetzung von der gesamten und nicht nur von der heutigen Tagesordnung. Wir stimmen ab. Wer dieser Absetzung von der Gesamttagesordnung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite war die Mehrheit; damit ist der Antrag abgelehnt. Wenn die Fristeinrede aufrechterhalten wird, setzen wir den Punkt heute ab und rufen ihn morgen auf. Wird diese Fristeinrede aufrechterhalten? - Dann wird der Punkt eben morgen aufgerufen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde - Drucksache 7/4322 Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Schlei zur Verfügung. Ich rufe die Frage 94 des Abgeordneten Spranger auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, die den Schluß zulassen, daß eine politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland ein Sicherheitsrisiko für unser Land darstellt, und um welche Partei handelt es sich bejahendenfalls?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege Spranger, Ihre Frage bezieht sich ganz offensichtlich auf die Feststellung des Vorsitzenden der SPD beim Mannheimer Parteitag der SPD am 11. und 15. November. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß solche Äußerungen politische Aussagen sind, die im Meinungskampf der Parteien diskutiert werden sollten. Dafür empfiehlt es sich natürlich, auch die Texte in ihrem vollen Wortlaut und in ihrer Differenziertheit zur Kenntnis zu nehmen. Trotz der vorliegenden Erläuterungen und trotz der Begründung dafür, daß das Wort „Sicherheitsrisiko" eindeutig in einem politischen Sinn gebraucht worden ist, klingt sowohl in der gestellten Frage als auch in den öffentlichen Äußerungen Ihrer Union der Versuch an, die Feststellung des SPD-Vorsitzenden falsch zu verstehen. Indem Sie den Begriff „Sicherheitsrisiko" in einem engen technischen, nachrichtendienstlichen Sinn verwenden, wird dieser Begriff, wird dieses Zitat verfälscht und damit der politischen Diskussion über Inhalte ausgewichen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, teilt die Bundesregierung die Auffassung von Golo Mann, demzufolge die Behauptung, die CDU/CSU sei ein Sicherheitsrisiko, der Methode entspreche, den Leuten etwas Bestimmtes einzuhämmern und das so lange zu praktizieren, bis etwas von den Vorwürfen hängenbleibe, wie sie Goebbels bewußt angewandt habe?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das ist eine Ansicht, die man keineswegs teilen kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nach Auffassung der Bundesregierung für die Beurteilung einer Partei als Sicherheitsrisiko bedeutsam, ob ein von ihr gestellter Bundeskanzler und Parteivorsitzender jahrelang vertrauten Umgang mit einem kommunistischen Spion hatte und ihm entgegen seinen Erklärungen vor dem Deutschen Bundestag als seinem persönlichen Referenten zumindest fahrlässig den Zugang zu geheimsten Akten eröffnete?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich kann Ihnen darauf ganz kurz antworten. Die Bundesregierung hält Willy Brandt auch weiterhin für ein aktives Plus für unsere Politik. ({0}) Vipzepräsident Frau Funcke: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, daß die Fragesteller offensichtlich eine sehr eindeutige Formulierung Willy Brandts vorgezogen hätten, die etwa hätte lauten können: Die Regierungsübernahme durch die CDU/CSU bedeutet den Untergang Deutschlands?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Abgeordneter, wir würden diesen Ausdruck nie verwenden, und Willy Brandt hat es von sich aus ebenfalls abgelehnt, diesen Ausdruck zu verwenden. Der wäre eindeutig gewesen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wären Sie in der Lage, zuzugeben, daß sich die CDU/ CSU in der Frage der Definition des Begriffes „Sicherheitsrisiko" entsprechend der Definition verhält, die die Bundesregierung einmal zum Begriff „Sicherheitsrisiko" gegeben hat und die ich Ihnen mit Genehmigung der Frau Präsidentin zur Kenntnis bringe: Sicherheitsrisiko ist erstens Verbindung zu gegnerischen Nachrichtendiensten. Zweitens. Politische Sicherheitsrisiken sind alle Umstände im Verhalten einer Person, die bezweifeln lassen, daß sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und bereit ist, jederzeit für ihre Erhaltung einzutreten.?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, Ihnen ist sicherlich bekannt - das machen Ihre Ausführungen auch deutlich -, daß die förmliche Feststellung eines Sicherheitsrisikos nur auf Grund der Erkenntnisse einer Sicherheitsüberprüfung von Personen - also keineswegs von politischen Parteien - erfolgen kann. Demzufolge kann ich auch weiterhin nicht auf den engen Begriff eingehen, den Sie verwenden wollen. Wir bleiben bei dem politischen Sprachgebrauch dieses Begriffs. Darüber könnte man dann puntuell diskutieren.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie soeben sagten, „wir bleiben bei dem politischen Sprachgebrauch", muß ich daraus dann entnehmen, daß sich die Bundesregierung diesen Sprachgebrauch in bezug auf die parlamentarische Opposition in diesem Hause zu eigen macht?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Dieser Begriff ist nunmehr als politischer Begriff in die Diskussion eingeführt und bereits von Herrn Professor Carstens, Ihrem Fraktionsvorsitzenden, selbst übernommen und personalisiert worden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Frage des Abgeordneten Spranger auch geprüft, ob etwa gar nicht nach der CDU gefragt worden ist, sondern vielleicht nach der Partei, mit deren Hilfe die CDU 1969 ihren Kandidaten zum Staatsoberhaupt wählen lassen wollte?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Wir haben keine Überprüfung vorgenommen, sondern übernehmen die politische Begriffsverwendung. Wir sind auch nicht bereit, eine Partei zu überprüfen, weil es bei der Definition gar nicht um eine Partei, sondern jeweils um das politische Einzelverhalten der Union zu einer politischen Entscheidung geht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage der Abgeordneten Frau von Bothmer. Frau von Bothmer (SPD: Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es auch sonst in der Sprache möglich, ja, sogar allgemein gängig ist, daß derselbe Ausdruck verschiedene Bedeutungen hat und auf verschiedenen Gebieten angewandt auch etwas anderes meint? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Frau Abgeordnete, das macht unseren Schulkindern oft Schwierigkeiten und, wie sich zeigt, jetzt wohl auch Politikern. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Spranger auf: Nach welchen sachlichen Erwägungen beurteilt die Bundesregierung, ob eine politische Partei oder Gruppierung in außen- und innenpolitischer Hinsicht ein „Sicherheitsrisiko" darstellt?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, die Bundesregierung geht davon aus, daß es Ziel aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ist, einen bestmöglichen Grad an außen- und innenpolitischer Sicherheit zu erreichen. Sind Anzeichen dafür vorhanden, daß auf Grund des Verhaltens politischer Gruppierungen die praktische Verwirklichung der Friedens- und Versöhnungspolitik nach außen oder der Politik der sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität nach innen hinter den der deutschen Politik gegebenen Möglichkeiten zurückzubleiben droht, so entsteht die Gefahr eines künftigen Sicherheitsdefizits.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nach Auffassung der Bundesregierung für die Bewertung einer Partei als Sicherheitsrisiko von Bedeutung, wenn Teile der SPD zusammen mit Kommunisten an Demonstrationen teilnehmen und in Bürgerinitiativen zusammenarbeiten und wenn es von SPD und FDP getragene Landesregierungen Kommunisten ermöglichen, als Lehrer und Beamte im Staatsdienst tätig zu sein?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen wissen sehr wohl, wie sie sich in Einzelfällen zu entscheiden haben. Ihre Entscheidungen haben bis jetzt nie zu einem Sicherheitsdefizit geführt. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nach Auffassung der Bundesregierung für die Bewertung einer Partei als Sicherheitsrisiko von Bedeutung, daß der Fraktionsvorsitzende Herr Wehner als früher prominenter Kommunist unmittelbar nach der Enttarnung des Spions Guillaume zu einem Geheimtreffen mit Herrn Honecker nach OstBerlin gefahren ist und im Herbst 1973 mit Herrn Ponomarjew in Moskau gesprochen hat, ohne daß der Öffentlichkeit bis heute auch nur das geringste über den Inhalt dieser Gespräche übermittelt wurde?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Der Herr Bundestagsabgeordnete Wehner ist in seinem politischen Handeln für die Regierung von großer Bedeutung. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie gebrauchen jetzt das Wort „Sicherheitsdefizit". Können Sie einmal definieren, welches der Unterschied zwischen „Sicherheitsrisiko" und „Sicherheitsdefizit" ist?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das Risiko tritt auf, wenn das Defizit erkennbar wird. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger, bitte!

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie nunmehr den Begriff in eine politische Generalbeurteilung des jeweiligen politischen Kontrahenten verwandelt haben, möchte ich Sie fragen, ob es die Bundesregierung im Hinblick auf den Stil der politischen Auseinandersetzung zwischen politischen Parteien in diesem Hause und in der Öffentlichkeit für dienlich hält, daß dieser Begriff in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner überhaupt gebraucht wird.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, ihren Parteivorsitzenden Willy Brandt zu zensieren. ({0}) - Ja, die SPD führt diese Regierung an. ({1}) Darüber können Sie zwar lachen, aber Sie ändern nichts damit. Die Bundesregierung lehnt es ab, hier zu interpretieren oder zu zensieren. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, dem Herrn Fragesteller zu erläutern, daß es ein Unterschied ist, ob eine Partei bzw. eine Person ein Sicherheitsrisiko im sicherheitsmäßigen Begriffsbereich oder ob eine bestimmte Politik ein Sicherheitsrisiko für dieses Land darstellt?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Abgeordneter, das habe ich eingangs, wenn auch, wie es scheint, nicht mit Erfolg, getan.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie soeben den Unterschied zwischen Sicherheitsrisiko und Sicherheitsdefizit in so erheiternder Weise vorgetragen haben, möchte ich Sie fragen: Wann trit dann nach Ihrer Meinung ein Sicherheitsdefizit auf?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Wenn zu erkennen ist, daß zwischen der optimalen Möglichkeit, die unsere Regierungspolitik für die Bürger schaffen könnte, und dem, was die andere politische Gruppierung nur erreichen will oder sogar vermeiden möchte, ein Unterschied besteht. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie ist die soeben von Ihnen verwendete Vokabel „anführen" hinsichtlich des Verhältnisses der SPD zu ihrer Regierung zu verstehen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Die SPD stellt mit ihren Mitgliedern den größeren Teil der Regierungsmannschaft und den Kanzler, wie Ihnen bekannt sein dürfte. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 96 des Abgeordneten Rollmann auf: Welche in der Bundesrepublik Deutschland politischen Parteien stellen nach Erkenntnissen der Bundesregierung ein Sicherheitsrisiko für unser Land dar?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Rollmann, Sie haben eine vollkommen inhaltsgleiche Frage gestellt. Deshalb muß ich Sie bei dem Inhalt meiner bisherigen Antworten auf Ihr gütiges Nachlesen der Antworten verweisen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Aber Sie können eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Rollmann. - Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, muß ich nach Ihrer Definition von „Risiko" und „Defizit" davon ausgehen, daß der Haushalt 1975 ein Haushaltsrisiko darstellt?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das ist eine amüsante Frage. Die können Sie natürlich so beurteilen und beantworten, wie Sie es für richtig halten. Wir halten diese Haushaltsgestaltung für absolut notwendig und erforderlich. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, in welcher Weise muß sich nach Ihrer Auffassung eine Opposition in der Demokratie verhalten, damit sie in Ihren Augen nicht damit belastet wird, ein Sicherheitsrisiko zu sein?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie muß für die Fraktionen hier und für die Bevölkerung erfahrbar Alternativen aufzeigen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, bei der Arbeitsgruppe Semantik der CDU/CSU nachzufragen, wie man auf all-gemeinverständliche Form den Unterschied zwischen „Sicherheitsdefizit" und „Schwund an Bruttonationalvertrauen" verdeutlichen kann?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich überlasse es jedem, sich zu orientieren, wo er die für sich selbst am besten zu bewertenden Antworten erhält.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Dohnanyi.

Dr. Klaus Dohnanyi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretär, geht die Bundesregierung davon aus, daß die für unsere Sicherheitspolitik notwendige Entspannungspolitik von der Opposition in diesem Hause in ausreichendem Umfang unterstützt wird?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Diese Frage werde ich beantworten, obwohl ich sie nicht für fragwürdig halte. ({0}) - Entschuldigen Sie, es ist keine Zensur. Aber die Opposition hat uns bis jetzt in der schwierigen Entspannungspolitik keine Hilfe geleistet. Dies ist keine Behauptung, die in der Opposition kritisch aufgenommen werden kann. Wir haben dazu in verschiedenen Äußerungen unserer Regierungsmitglieder aufgezeigt, wie problematisch es für alle Bürger in unserem Lande ist, zu beobachten, daß eine KSZE-Politik abgelehnt wird. Wir haben gestern in trauriger Weise erfahren müssen, daß auch die spezielle Entspannungspolitik zu unserem Nachbarn Polen nicht unterstützt worden ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es mit der demokratischen Würde einer parlamentarisch gewählten Regierung für vereinbar, daß diese Regierung darüber entscheidet, wann Alternativen oder Nichtalternativen einer Oppositionspolitik zu einem Sicherheitsdefizit und im Zweifelsfall nach Sichtbarwerden dieses Defizits dann zu einem Sicherheitsrisiko werden?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie hat auf jeden Fall die Möglichkeit, den Unterschied darzustellen. Sie kann sich in ihrer Beurteilung auch auf die Beurteilungen stützen, die andere Völker und Regierungen Europas sowie andere Regierungen der Welt in diesem Zusammenhang getroffen haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hauser.

Dr. Hugo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000834, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretär, Sie meinten soeben, die Regierung habe keine Hilfe an der Opposition. Hat es nicht erst unlängst geheißen, man brauche die Opposition überhaupt nicht?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das hindert die Opposition hoffentlich nicht daran, trotzdem das Optimale an Politik für die Bürger in unserem Lande zu gestalten. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretär, da Sie sich ständig mit der Rolle der Opposition befassen, möchte ich Sie fragen, ob nach Ihrem Verfassungsverständnis das Parlament einschließlich der Opposition die Regierung kontrolliert oder die Regierung das Parlament.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das letzte steht gar nicht in Frage, Herr Kollege Czaja. Und daß ich mich mit der Rolle der Opposition befasse, ist nicht mein persönlicher Wunsch, sondern der Wunsch Ihrer Fraktion, die sicherlich wünschte, hier noch einmal einen Schluckauf der gestrigen Sitzung vorzuführen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretär, könnten Sie, nachdem Sie vorhin von der Opposition Alternativen gefordert haben, etwa Beispiele aus der mehr als anderthalb Jahrzehnte langen Oppositionszeit der jetzt die Regierung tragenden Partei anführen, die zeigen, daß uns ständig solche tragfähigen Alternativen gegeben wurden?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Das ist sicherlich möglich. Aber das ist nicht der Inhalt dieser Fragestunde.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf: Besitzt die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Unionsparteien für die Bundesrepublik Deutschland ein Sicherheitsrisiko darstellen?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege Breidbach, niemand hat doch behauptet, die Unionsparteien an sich stellten ein Sicherheitsrisiko dar. Von allen Politikern, die sich mit der Anführung dieses politisch gemeinten Begriffs befaßt haben, ist damit die Konsequenz eines auf einzelne politische Entscheidungen bezogenen Verhaltens bezeichnet worden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, selbst nach diesem Versuch, meine Frage so zu beantworten, wie es der Regierung paßt, möchte ich Sie fragen, ob Sie es für angemessen halten, daß Mitglieder Ihrer Regierung auf dem SPD-Parteitag einem aus Sicherheitsgründen gestürzten Bundeskanzler Beifall zollten, als er die Christlich-Demokratische Union in die Ecke des Sicherheitsrisikos rückte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, dies ist nun wirklich keine Frage, die nach den Richtlinien für die Fragestunde gestellt werden kann. Denn eine Beurteilung von Parteitagsvorkommnissen durch die Bundesregierung ist eine Bewertung, die nach den Richtlinien für die Fragestunde ausgeschlossen bleiben muß.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ohne Ihnen widersprechen zu wollen: Ich hatte nach der Bewertung der Haltung einiger Regierungsmitglie14018 der, namentlich - so könnte ich hier sagen - des Herrn Apel, gefragt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Aber Sie fragen nach einer Bewertung. Bewertungen aber dürfen nicht Inhalt der Fragen oder der Antworten in der Fragestunde sein. Die Frage wird nicht zugelassen. Sie haben aber eine zweite Zusatzfrage.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wären Sie denn bereit, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mitzuteilen, daß selbst bei der Vielzahl von Definitionsmöglichkeiten, die Sie hier zum Thema Sicherheitsrisiko und Sicherheitsdefizit angeboten haben, die Christlich-Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union kein Sicherheitsrisiko im Sinne der amtlichen Definition des Sicherheitsrisikos darstellen, wie ich sie Ihnen vorhin in einer der ersten Fragen vorgelesen habe?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, dieser Hinweis an die SPD ist nicht notwendig, weil niemand eine solche Formulierung, wie Sie sie gebraucht haben, von sich gegeben hat. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sagten vorhin, die CDU/CSU sollte doch die Ostpolitik unterstützen. Muß ich dieser Aussage entnehmen, daß Sie sich damit in Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Fraktionsvorsitzenden Wehner stellen, der ja eindeutig erklärt hat: Wir brauchen die Opposition nicht?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie haben Herrn Wehners Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen, und ich halte es nicht für nötig, auf diese Frage hier in der Weise zu antworten, wie Sie das gern hätten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ist die Bundesregierung bereit, den Damen und Herren der Opposition bei künftigen Antworten auf entsprechende Fragen den Rat zu geben, einen einzigen Nachweis aus den Bundestagsprotokollen seit 1949 zu erbringen, daß der Abgeordnete Wehner einen derartigen Satz gesagt haben sollte? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege Wehner, ich habe keine solche Äußerung von Ihnen hier im Plenum hören können. Ich bin auch auf den Zwischenruf hin nicht bereit, mich mit irgendwelchen Äußerungen in Zeitungen auseinanderzusetzen, um dann hier darüber Bewertungen abzugeben, die mir auch nicht zustehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, könnte nicht in mangelnder politischer Alternative auch ein Faktor politischer Unsicherheit gesehen werden, vor allen Dingen dann, wenn man über den fahrlässigen Umgang mit Anführungszeichen wie in der Frage 95 vom Kollegen Spranger hinaus nun auch noch beginnt, in Anführungszeichen zu denken?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Herr Kollege, der Begriff, der hier zur Diskussion steht, ist ja aus Sorge in die politische Diskussion eingebracht worden. ({0}) Wir sollten es bei der Diskussion um diese Sorgen und um politische Ziele belassen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, habe ich Sie vorhin in Ihrer Antwort an meinen Kollegen Breidbach richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, die CDU/CSU sei kein Sicherheitsrisiko an sich? Würden Sie bitte einmal unterscheiden, was ein „Sicherheitsrisiko an sich" und was ein „Sicherheitsrisiko" ist?

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Ich habe damit sagen wollen, daß der Gebrauch des Wortes „Sicherheitsrisiko" niemals - auch nicht in der ersten Äußerung von Willy Brandt - auf die Union als solche abgestellt wurde und daß es deshalb dabei belassen werden muß, daß die Diskussion um diesen Begriff eine politische Diskussion um politische Ziele und um die Durchsetzung der Politik sein muß.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da die deutsche Öffentlichkeit mit Sicherheit den vielfältigen feinen Unterscheidungen, die Sie zwischen den verschiedenen Begriffen von Sicherheitsrisiko hier machen, schwerlich zu folgen in der Lage sein wird, möchte ich Sie fragen, wie die Bundesregierung, nachdem sie nun in einer etwas anderen Version den Begriff übernimmt, der Gefahr entgehen will, daß mit dem Gebrauch dieses Begriffs die Opposition im Deutschen Bundestag in der Öffentlichkeit diffamiert wird.

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Die Diffamierung unterstellen Sie. Diffamierung war nicht beabsichtigt. Beim Nachlesen der Texte wird es jedem deutlich werden, daß es hier um eine Politikbewertung und um nichts anderes geht. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie dem Hohen Hause vielleicht darlegen, was überhaupt vom Herrn Vorsitzenden Brandt beabsichtigt war? ({0})

Marie Schlei (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001979

Sie sollten den Ihnen von Herrn Börner zugesandten Text, den Willy Brandt an zwei Tagen dieses Parteitages gesprochen hat, deutlich lesen. Ich glaube, Sie werden dann verstehen, was er gemeint hat. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzsatzfrage. Die Fragen 98 und 99 werden auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin Schlei. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Wischnewski zur Verfügung. Die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Gierenstein wird schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Roser auf: Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 11. November 1975 zu, Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien hätten eine Beendigung ihrer Diskriminierung verlangt und im einzelnen gefordert, ihnen den Gebrauch der Muttersprache in Schule und Verwaltung zu gewähren, ihnen Schulautonomie von der Elementar- bis zur Hochschule zuzugestehen, ihnen auf politischem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet Gleichberechtigung einzuräumen, das enteignete Kulturgut zurückzuerstatten, sie eine verfassungmäßige Vertretung frei wählen zu lassen und zur Sicherung ihrer Rechte bei den Vereinten Nationen eine Kommission einzurichten, und wird die Bundesregierung - bejahendenfalls - diese Forderung unterstützen?

Not found (Gast)

Ich möchte die Frage, Herr Kollege Roser, wie folgt beantworten: Erstens. Der Bundesregierung ist von einem solchen Appell, wie Sie ihn in Ihrer Frage ansprechen, nichts bekannt. Sie hält es für unwahrscheinlich, daß Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien die in der Meldung erwähnten Forderungen an die rumänische Regierung gerichtet haben. Zweitens. Unabhängig von der Verneinung der Frage ist zu sagen, daß die Angehörigen der deutschen Minderheit rumänische Staatsangehörige sind. Würden andere Staaten oder internationale Einrichtungen eventuelle Forderungen fremdsprachiger Minderheiten unterstützen, würde das von der rumänischen Regierung als unzulässige Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten angesehen werden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Lage der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien besser als in anderen vergleichbaren Staaten ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in welcher Form hat sich die Bundesregierung Gewißheit darüber verschafft, daß keine derartigen Wünsche seitens der Betroffenen innerhalb Rumäniens in der hier in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichteten Form geäußert wurden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Roser, Sie wissen, daß die Bundesregierung in Bukarest eine Botschaft hat, die auch zu diesen Bevölkerungsgruppen gute Kontakte unterhält. Diese Kontakte haben nicht ergeben, daß derartige Appelle seitens der deutschsprachigen Bevölkerung in Rumänien vorliegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich aus dem zweiten Teil Ihrer ersten Antwort schließen, daß Sie in der Tat in einem Eintreten für freie kulturelle Kontakte mit dem Ausland, wie in dem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen" behauptet wird, eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieses hier in Rede stehenden Partners sähen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Roser, wenn Sie meinen Text genau verfolgen, werden Sie feststellen können, daß ich nicht von der Meinung der Bundesregierung gesprochen habe. Die Bundesregierung ist selbstverständlich daran interessiert, zu allen Gruppen der Bevölkerung Kontakte zu haben, insbesondere auch zu solchen, die unsere Sprache sprechen. Ich bin ausgegangen von der Meinung, die es in der Regierung dieses Landes zu diesen Fragen gibt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß das Eintreten für den menschenrechtlichen Mindeststandard keine Einmischung in die Souveränität eines anderen Staates bedeutet?

Not found (Gast)

Ich betrachte das Eintreten für den menschenrechtlichen Mindeststandard nicht als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Ich teile Ihre Auffassung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Niegel auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die sowjetische Anlage im britischen Sektor von Berlin, die die Sowjets für den rechtswidrigen Auftritt von Angehörigen der sogenannten Nationalen Volksarmee Honeckers mißbraucht haben, beseitigt werden sollte, zumal für die gefallenen sowjetischen Soldaten ohnehin im sowjetischen Sektor ein Denkmal existiert, und wird die Vizepräsident Frau Funcke Bundesregierung die britische Schutzmacht zu den entsprechenden Schritten auffordern?

Not found (Gast)

Herr Kollege Niegel, das sowjetische Ehrendenkmal im britischen Sektor von Berlin unterliegt der Zuständigkeit des britischen Stadtkommandanten als dem Inhaber der obersten Gewalt in diesem Sektor. Es findet seine rechtliche Grundlage in den Viermächterechten und -verantwortlichkeiten sowie den entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüssen der Vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Eine Beseitigung des Denkmals würde somit Fragen aufwerfen, die das Verhältnis der Vier Mächte zueinander betrifft. Die Bundesregierung hat daher keinen Anlaß, Schritte zu unternehmen. Im übrigen haben die Drei Mächte wegen der Teilnahme von NVA-Fahrzeugen und deren Fahrern an der Fahrt einer sowjetischen Delegation zum sowjetischen Ehrenmal bei der sowjetischen Botschaft in Berlin ({0}) Vorstellungen erhoben. Ergebnis war die Feststellung, daß es sich um einen bedauerlichen Irrtum handelte, dessen Wiederholung ausgeschlossen wurde. Die Reaktion der Drei Mächte hat gezeigt, daß sie ihre Rechte sehr wohl zu wahren wissen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist es nach Ansicht der Bundesregierung heute, 30 Jahre nach Ende des Krieges, und nach Veranstaltung der KSZE in Helsinki überhaupt noch angebracht, daß so etwas wie ein demütigendes Siegerdenkmal im freien Teil der Stadt Berlin stehenbleibt?

Not found (Gast)

Ich habe bereits gesagt, dieses ist ein Problem der Vier Mächte untereinander. Es ist keine Frage, die die Bundesregierung direkt betrifft. Deshalb möchte ich es auch bei der gegebenen Antwort belassen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wäre es nicht trotzdem möglich, daß die Bundesregierung, wenn auch in dezenter Weise ({0}) an die britische Schutzmacht oder auch an den britischen Stadtkommandanten von Berlin herantritt und ihn auffordert ({1}) oder bittet, daß entsprechend der - ({2})

Not found (Gast)

Die von Ihnen hier - Niegel ({0}) : Moment, ich bin noch nicht fertig.

Not found (Gast)

Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Herr Kollege Wehner hat sich noch dazu geäußert. Wäre es also möglich, daß die Bundesregierung darauf hinweist, daß so ein Denkmal gerade vor dem Brandenburger Tor, vor dem dem deutschen Volke gewidmeten Reichstag an der Straße des 17. Juni nicht mehr nötig ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich könnte der Bundesregierung nicht empfehlen, im Sinne des von Ihnen hier so dezent gegebenen Hinweises zu handeln.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Berger.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie dem Hause berichten, wie die Stellungnahme des Senats von Berlin zu dem Vorfall gelautet hat, und stimmen Sie mir darin zu, daß diese Stellungnahme des Senats von Berlin von der Auffassung, die Sie vortragen, insoweit abweicht, als der Senat von Berlin in der Sache Stellung bezogen hat?

Not found (Gast)

Verehrte Frau Kollegin, ich bin nicht nach der Stellungnahme des Senats gefragt worden. ({0}) Ich habe mich bemüht, die rechtliche Situation aufzuzeigen. Ich habe darauf hingewiesen, daß die drei westlichen Alliierten Vorstellungen erhoben haben, und ich habe hier mitgeteilt, zu welchem Ergebnis dies geführt hat. ({1}) - Ich kann nicht für den Berliner Senat antworten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf: Geben die jüngsten Provokationen der Sowjets und Ost-Berlins im freien Teil Berlins der Bundesregierung jetzt zu Besorgnissen über die Anwendung des jüngsten Vertrags zwischen der Sowjetunion und Ost-Berlin Anlaß?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, ich bitte darum, die Fragen 103 und 104 im Zusammenhang beantworten zu dürfen, weil sie in einem engen Zusammenhang stehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf: Wie beurteilt die Bundesregierung nunmehr die Auswirkungen des gesamten Vertrags und insbesondere seines Artikels 7 auf die kommunistische Politik gegen das freie Berlin?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich nehme an, Anlaß Ihrer beiden Fragen ist die unberechtigte Teilnahme von zwei NVA-Fahrzeugen mit den dazugehörigen Fahrern an der Fahrt einer sowjetischen Militärdelegation zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten. Wie Ihnen bekannt ist, sind die für Status- und Sicherheitsfragen in Berlin zuständigen drei Westmächte in der Angelegenheit unmittelbar nach Kenntnis des Vorfalls bei der vierten Statusmacht, d. h. der sowjetischen Seite vorstellig geworden. Ergebnis dieser Vorstellungen war, wie ich bereits gesagt habe, die Feststellung, daß es sich bei dem Vorfall um einen bedauerlichen Irrtum handelt, der sich nicht wiederholen wird. Die Bundesregierung hat die klare und entschlossene Reaktion der Drei Mächte zur Wahrung ihrer Rechte ausdrücklich begrüßt. Nachdem die Drei Mächte auf Grund der erwähnten Feststellung inzwischen öffentlich erklärt haben, daß die Angelegenheit als erledigt zu betrachten sei, sehe ich keinen Anlaß, in diesem Zusammenhang die in der Fragestunde vom 16. Oktober 1975 ausführlich dargelegte Bewertung des Freundschaftsvertrages zwischen der Sowjetunion und der DDR einschließlich des Berlin betreffenden Artikels 7 dieses Vertrages zu ergänzen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie, wie Sie gesagt haben, wirklich der Meinung, daß es sich bei diesem Vorfall um einen bürokratischen Irrtum handelt? Liegt hier nicht vielmehr der Versuch vor, den Viermächtestatus der Stadt Berlin auszuhöhlen?

Not found (Gast)

Da die Bemerkung, daß es sich uni einen bedauerlichen Irrtum handelt, mit der konkreten Aussage „der sich nicht wiederholen wird" verbunden war, bin ich nicht der Auffassung, daß es sich um einen solchen Versuch handelt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sieht die Bundesregierung in diesen Provokationen der Sowjets und Ost-Berlins im freien Teil Berlins nicht auch eine dem Sinn diametral entgegengesetzte Interpretation des Viermächteabkommens über Berlin durch die Sowjetunion?

Not found (Gast)

Ich sage noch einmal: Ich teile die Auffassung der drei westlichen Alliierten, daß hier ein bedauerlicher Irrtum vorliegt, der sich - das ist das Entscheidende - nicht wiederholen wird. Deshalb teile ich Ihre Auffassung in dieser Frage nicht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen, um erneute Spannungen in Berlin durch gegensätzliche Auffassungen zwischen Ost und West zu verhindern?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung steht in allen Fragen in ständigem Kontakt mit den drei Westmächten, die für Status- und Sicherheitsfragen in Berlin zuständig sind. Das Erfreuliche ist dabei, daß es in allen wesentlichen Fragen, die Berlin betreffen, zwischen den drei Westmächten und der Bundesregierung volle Übereinstimmung gibt. Dies halte ich für eine ganz entscheidende Position.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die letzte Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die Bedenken über die Zukunft Berlins, die vor wenigen Tagen der frühere amerikanische Verteidigungsminister Schlesinger in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehen öffentlich ausgesprochen hat?

Not found (Gast)

Ich kenne dieses Interview nicht und kann mir kein Urteil darüber erlauben. Aber ich möchte sagen, wenn generell Bedenken in bezug auf die Sicherheit und die Zukunft Berlins ausgesprochen würden - aber ich sage noch einmal, ich kenne den Text nicht -, könnte ich der Meinung des früheren Verteidigungsministers nicht zustimmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, in Anbetracht dessen, daß ein technisches Versehen oder ein technischer Irrtum des zuständigen sowjetischen Offiziers ausgeschlossen erscheint - denn der kann ja mit Sicherheit die Fahrzeuge der NVA und seiner eigenen Truppe noch voneinander unterscheiden; die sind auch gar nicht so wenig voneinander unterschieden -, da es sich also wohl nur um ein nachträglich diplomatisch firmiertes Versehen handelt, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, darüber nachzudenken, ob hier nicht die Sowjetunion einen Test auf den zwischen ihr und der DDR geschlossenen Pakt unternehmen wollte, in dem ja ein besonderer Passus enthalten ist, der künftig auch die Möglichkeit der Einwirkung der DDR auf das westliche Berlin vorsieht.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung, Herr Kollege, sieht ihre vornehmste Aufgabe darin, über alle Fragen nachzudenken, die nachdenkenswert sind. Um eine solche handelt es sich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Freiherr vor Fircks kann nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde nicht beantwortet werden, weil Vizepräsident Frau Funcke sie mit einem in dieser Woche behandelten Tagesordnungspunkt zusammenhängt. Die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Werner soll schriftlich beantwortet werden; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 108 der Abgeordneten Frau Berger ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die ZionismusResolution der UN gegen die UN-Charta verstößt, die ausdrücklich den Schutz der Minderheiten vorsieht?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Berger, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung hält die Verabschiedung der Zionismus-Resolution durch die VN-Generalversammlung für unvereinbar mit den in der VN- Charta niedergelegten Zielen, freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten für alle ohne Diskriminierung, u. a. aus Gründen der Rasse oder der Religion, zu fördern und zu festigen. Die von einer Mehrheit der VN-Generalversammlung beschlossene Gleichsetzung des Zionismus mit Rassismus und Rassendiskriminierung entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Die Verabschiedung der Resolution belastet die künftige Arbeit der Weltorganisation und bedeutet einen ernsten Rückschlag für die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts, für die sich die Bundesregierung nachdrücklich einsetzt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß zusätzlich zu dem, was Sie hier dankenswerterweise ausgeführt haben, die Zusammenarbeit mit den Staaten belastet werden könnte, die für das Zustandekommen der Zionismus-Resolution verantwortlich sind?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung ist klar. Ich glaube, die Bundesregierung sollte alle bilateralen und multilateralen Partner, die Initiatoren waren oder zumindest zugestimmt haben, davon überzeugen, daß dies ein Weg ist, der nicht im Interesse der Vereinten Nationen liegt. Sie können sicher sein, daß die Bundesregierung über ihre Vertretungen bilateral, aber auch multilateral in New York jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen wird.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß sich in der letzten Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Luxemburg alle Fraktionen - mit einer einzigen Ausnahme - im gleichen Sinne geäußert haben, wie Sie es soeben getan haben, und welche Fraktion war es, die sich dagegen gestellt hat?

Not found (Gast)

Ich bin darüber nicht ganz genau orientiert, welche es ist, aber ich kann es mir vorstellen. Ich möchte jedoch keine Aussagen zu Dingen machen, die ich mir nur vorstellen kann. Aber es ist für die Bundesregierung eine ganz besondere Freude, in dieser Frage offensichtlich mit der großen Mehrheit des Europäischen Parlaments in Übereinstimmung zu sein. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? Ich rufe dann die Frage 109 der Frau Abgeordneten Berger auf: Ist die Bundesregierung bereit, die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen anzuweisen, eine Zurücknahme der Entschließung zu fordern?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Berger, nach den geltenden Verfahrensregelungen kann ein bereits angenommener Vorschlag während der gleichen Tagung nur dann erneut behandelt werden, wenn die Generalversammlung dies mit Zweidrittelmehrheit beschließt. Die Bundesregierung sieht schon auf Grund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse gegenwärtig keine Möglichkeit, eine Zurücknahme der Zionismus-Resolution durch die VN-Generalversammlung zu erreichen. Die Bundesregierung wird jedoch weiterhin in enger Abstimmung mit den westlichen Partnern nach Wegen suchen, die von der VN-Generalversammlung verabschiedete Zionismus-Resolution zu revidieren oder in ihren Auswirkungen zu begrenzen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin!

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft es zu, daß die Bundesrepublik Deutschland mit einem jährlichen Beitrag von mehr als 44 Millionen DM zu den zehn beitragsstärksten Mitgliedern der Vereinten Nationen gehört, während rund 70 % der Mitgliedstaaten nur den Mindestsatz von 0,02 %, das sind knapp 125 000 DM, zu zahlen haben?

Not found (Gast)

Verehrte Frau Kollegin, ich bin im Augenblick überfragt, ob es genau 44 Millionen DM sind. Es gibt einen festen Schlüssel, bei dem die Bevölkerungszahl, aber auch die wirtschaftliche Stärke des Mitgliedstaates eine Rolle spielt. Die Bundesregierung zahlt diesen Beitrag. Wir sind gerne bereit, Ihnen die konkreten Unterlagen dafür zur Verfügung zu stellen. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich im Augenblick nicht genau weiß, ob der von Ihnen genannte Betrag unserem Beitrag entspricht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage?

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, als fühlbare Reaktion auf die Zionismus-Resolution so lange ihren Beitrag um 10 % zu kürzen, bis die Resolution zurückgenommen ist?

Not found (Gast)

Verehrte Frau Kollegin, ich würde dies nicht für eine geeignete Methode halten. ({0}) Ich habe davon gesprochen, welche Methode ich für die geeignete halte, nämlich alle bilateralen und multilateralen Möglichkeiten zu nutzen - was wir tun -, um die Mitglieder innerhalb der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die eine solche Haltung eingenommen haben, davon zu überzeugen, daß ihre Haltung nicht im Interesse der Vereinten Nationen ist. Ich möchte nicht, daß Wege gegangen werden, die vielleicht dazu führen könnten, genau das Gegenteil zu erreichen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, haben Sie bei diesem löblichen Vorhaben der bilateralen oder multilateralen Gespräche wegen dieser Entschließung schon irgendeinen Erfolg zu registrieren?

Not found (Gast)

Wir haben jedenfalls eine Reihe von Regierungen angetroffen, die zu unseren Argumenten eine sehr nachdenkliche Haltung eingenommen haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 110 der Frau Abgeordneten von Bothmer auf: Wird die Bundesregierung die Genehmigung zur Ausfuhr von Kernkraftwerken in die Republik Südafrika davon abhängig machen, daß die Republik Südafrika den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, und könnte die Lieferung von Material für den Bau von Kernreaktoren nicht allein durch die Unterzeichnung des Vertrags zur Nichtverbreitung von Atomwaffen durch die Bundesregierung erschwert sein?

Not found (Gast)

Frau Kollegin von Bothmer, die Ausfuhr eines Kernkraftwerkes ist nach dem Außenwirtschaftsgesetz genehmigungsbedürftig. Der Bundesregierung liegt zur Zeit kein Antrag auf Genehmigung der Ausfuhr eines Kernkraftwerkes nach Südafrika vor. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung der mündlichen Frage des Herrn Abgeordneten Schmidhuber durch den Parlamentarischen Staatssekretär Grüner am 16. Oktober 1975 - 7. Wahlperiode, 193. Sitzung - verweisen. Wie Sie wissen, hat die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen am 2. Mai 1975 ratifiziert. Zu den Verpflichtungen aus dem Vertrag gehört es nicht, die Lieferung nuklearer Ausrüstungen und Materialien davon abhängig zu machen, daß das Empfängerland den Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert hat. Eine andere Frage ist es, daß wir als Partei des Nichtverbreitungsvertrags verpflichtet sind - und zwar nach Art. III -, nukleare Ausrüstungen und Materialien einem Nichtkernwaffenstaat für friedliche Zwecke nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn das Ausgangsmaterial oder besonders spaltbare Material z. B. in einem Kernkraftwerk Sicherungsmaßnahmen der IAEO unterliegt. Die Bundesregierung hält sich strikt an diese Verpflichtung. Sie erschwert damit nicht die Lieferung von Material für den Bau von Kernkraftwerken. Im Gegenteil, durch die Einführung von Sicherungsmaßnahmen wird erst unter Wahrung der aus dem NV- Vertrag übernommenen Verpflichtung zur Durchführung einer wirksamen Nichtverbreitungspolitik die Voraussetzung für den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstung und Material zur friedlichen Nutzung der Kernenergie geschaffen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage, bitte!

Lenelotte Bothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000237, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann ich dann davon ausgehen, Herr Staatsminister, daß, wenn diese Auslieferung einmal aktuell sein sollte - wir wissen ja alle, daß darüber verhandelt wird; es kann also durchaus sein -, dies nicht ohne ein sogenanntes Überwachungsabkommen der IAEO in Wien geschehen wird?

Not found (Gast)

Verehrte Frau Kollegin, wir haben ja schon andere Vereinbarungen getroffen. Ich darf daran erinnern, daß wir mit einem Land in Lateinamerika eine Vereinbarung getroffen haben. Die Sicherheitsmaßnahmen, welche die Bundesrepublik in diesem Fall bilateral vereinbart hat, gehen über das, was das Nichtverbreitungsabkommen und die Kontrolle der IAEO vorsehen, hinaus. In einem solchen Fall würde die Bundesregierung mit Sicherheit die gleichen Maßstäbe anlegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 111 und 112 des Herrn Abgeordneten Gerlach werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. ({0}) Ich rufe nunmehr die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Jäger auf: Fallen nach Auffassung der Bundesregierung die Verpflichtungen der DDR aus dem sogenannten Korb III, den Vereinbarungen über „Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen", der Schlußakte von Helsinki unter die Verpflichtungen zur unilateralen Durchführung dieser Bestimmungen nach Nummer 1 a oder unter die bilateral durch Verhandlungen zu verwirklichenden Bestimmungen nach Nummer 1 h der Vereinbarungen über die Folgen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus ihrer Rechtsauffassung gezogen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Ergebnisse des sogenannten Korbes 3 der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sind zum Teil durch autonome innerstaatliche Akte der Teilnehmerstaaten, zum Teil durch bilaterale Abkommen, Vereinbarungen oder Absprachen auf staatlicher Ebene oder zwischen nichtstaatlichen Organisationen, zum Teil auch multilateral zu verwirklichen. Was hiervon im einzelnen zutrifft, ergibt sich jeweils aus dem Text der Schlußakte. Im übrigen verweise ich darauf, daß einige Aspekte von Fragen, die in Korb 3 behandelt werden, auch Gegenstand von Briefwechseln im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag mit der DDR waren. Für andere Fragen sollen nach Art. 7 des Grundlagenvertrags und nach dem Zusatzprotokoll noch bilaterale Vereinbarungen getroffen werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Ihnen ja bekannt ist, daß die Selbstverpflichtungen der Teilnehmerstaaten an der Konferenz von Helsinki, also auch der DDR, weit über das hinausgehen, was in den Zusatzprotokollen zum Grundlagenvertrag oder zum Verkehrsvertrag vereinbart ist, möchte ich Sie fragen: Gehört z. B. der Abschnitt d im Korb 3, in dem das Reisen aus persönlichen oder beruflichen Gründen in erweiterter Form vorgesehen ist, zu den Bestimmungen, die unilateral - das heißt ohne besondere Verhandlungen - von der DDR künftig selbst zu erlassen sind, oder ist hier erst noch eine bilaterale Vereinbarung vonnöten?

Not found (Gast)

Ich müßte diesen besonderen Fall erst sehr genau prüfen, um Ihnen eine korrekte Auskunft geben zu können. Ich sehe Möglichkeiten, daß hier bilaterale Vereinbarungen getroffen werden. Aber es gibt genauso die Möglichkeit, daß auch autonome Entscheidungen gefällt werden. Rein juristisch müßte das erst geprüft werden. Wenn das für Sie von besonderem Interesse ist, Herr Jäger, bin ich gerne bereit, zu veranlassen, daß eine solche Prüfung vorgenommen wird und Sie von den Ergebnissen in Kenntnis gesetzt werden. ({0}) - Weil ich von Ihnen gefragt werde.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die zweite Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich dann über Ihre Zusage hinausgehend die Frage stellen, ob Sie bereit sind, mir darüber Aufschluß zu geben, in welchen der verschiedenen Fälle, die in Korb 3 unter Ziffer 1, „Menschliche Kontakte", genannt sind, die Bundesregierung davon ausgeht, daß erst noch bilaterale Verhandlungen mit der DDR geführt werden, und mir außerdem mitzuteilen, in welchen dieser Fälle die Bundesregierung bereits Schritte ergriffen hat, um diese Verhandlungen einzuleiten?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, ich bin gern bereit, dafür Sorge zu tragen, daß die Institutionen der Bundesregierung, die sich mit diesen Fragen beschäftigen - weil Sie die DDR ansprachen -, Ihnen die entsprechenden Antworten darauf geben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, obwohl es erstaunlich ist, daß Sie diese Frage beantworten müssen und nicht ein Vertreter des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen, stelle ich die Frage an die Bundesregierung, welche Beobachtungen sie bis jetzt gemacht hat, ob es irgendwelche autonomen Akte der DDR bezüglich der Realisierung des Korbes 3 gibt.

Not found (Gast)

Herr Kollege Dr. Hupka, ich gehe von der Voraussetzung aus, daß das Inkrafttreten der Abschlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erst so kurze Zeit hinter uns liegt - das sind erst wenige Monate -, daß ich glaube, daß zu diesem Zeitpunkt noch kein Überblick gegeben ist. Ich bin aber darüber informiert, daß in vielen Ländern, insbesondere in solchen, in denen wir in ganz besonderem Maße daran interessiert sind, überlegt wird, was getan werden kann und muß, damit man im Jahre 1977, wenn eine erneute Zusammenkunft stattfindet und eine Bestandsaufnahme vorgenommen wird, in der Lage sein wird, günstige Ergebnisse im Sinne der KSZE-Vereinbarungen vorzulegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, bedeutet Ihre Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Hupka, daß die Bundesregierung etwa davon ausgeht, daß durch die KSZE-Schlußakte nicht mehr nur innerdeutsche Beziehungen zur DDR bestehen?

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„Nicht mehr nur innerdeutsche Beziehungen"? ({0}) - Weil sie hier ressortiert? ({1}) Das Problem, warum diese Frage dem Auswärtigen Amt zugeteilt wurde, hat nichts damit zu tun, daß es Veränderungen in der Beurteilung der poliStaatsminister Wischnewski tischen Situation auf seiten der Bundesregierung gegeben hätte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Hat die Bundesregierung anläßlich der soeben in Moskau geführten Gespräche von der Regierung der Sowjetunion Aufklärung darüber erhalten, warum die Zahl der Aussiedler aus der Sowjetunion von Januar bis Oktober 1975 um 1 025 geringer war als von Januar bis Oktober 1974, und in welchem Zeitraum mit der Ausreise der noch etwa 30 000 Antragsteller im Zuge der Familienzusammenführung gerechnet werden kann?

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Herr Kollege Dr. Hupka, Gegenstand der Gespräche, ,die in Moskau beim Staatsbesuch geführt worden sind, waren auch humanitäre Fragen. Es ging dabei vor allen Dingen darum, das Problem der Familienzusammenführung in seiner Gesamtheit aufzugreifen und erneut unsere Wünsche hinsichtlich einer kontinuierlichen Fortsetzung der Ausreisen darzulegen. Dem Charakter des Besuches entsprechend hat sich vor allen Dingen der Herr Bundespräsident für die noch wartenden Ausreisewilligen eingesetzt. Die sowjetische Seite versicherte, auch in Zukunft zu einer günstigen Entwicklung beizutragen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie erklärt sich dann aber die Bundesregierung, Herr Staatsminister, daß die Zahl der Aussiedlungen aus der Sowjetunion in den ersten zehn Monaten dieses Jahres derart rückläufig gewesen ist?

Not found (Gast)

Die von Ihnen aufgezeigte Entwicklung war mit ein Beweggrund, das Thema der Familienzusammenführung, das, wie Sie wissen, bereits bei früheren deutsch-sowjetischen Begegnungen eine große Rolle spielte, erneut aufzugreifen. Ich habe den Eindruck, daß unsere sowjetischen Gesprächspartner unsere Wünsche sehr gut verstanden haben. Ich möchte noch folgende Bemerkung hinzufügen. Die mir vorliegenden Zahlen des Deutschen Roten Kreuzes, die ich in dieser Frage als maßgebend ansehe, weichen in dieser Hinsicht übrigens nicht unwesentlich von Ihren Angaben ab. Wir sind gern bereit, mit Ihnen darüber ein Gespräch zu führen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, zur Ergänzung darf ich sagen: Mir liegen die Angaben vom Bundesinnenministerium vor. Daher kommt meine Berechnung. Nun meine Frage: Sind während des Besuchs des Herrn Bundespräsidenten auch einmal die Zahlen in das Gespräch eingeführt worden? Ist also darauf hingewiesen worden, daß etwa 30 000 Menschen, die die unmittelbar am schwersten Betroffenen sind, weil sie Familienangehörige hier haben, von denen sie getrennt sind, immer noch warten und daß es darüber hinaus noch einmal 250 000 nach unserer Auffassung deutsche Staatsangehörige gibt, die hier keine Verbindung zu Familienangehörigen haben?

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Herr Kollege Dr. Hupka, ich glaube, ich selber habe am 2. Oktober die Möglichkeit gehabt, Ihnen auf eine Frage eine Antwort zu geben, in der ich gesagt habe: Die Bundesregierung geht von der Erwartung aus, daß die zweite Jahreshälfte 1975 noch einen Ausgleich bringen wird. Die Bundesregierung hält bis jetzt immer noch an dieser Auffassung fest, daß sich hier noch etwas verändern wird. ({0}) - Ich weiß, daß es sehr spät ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da die Bundesregierung, wie Sie sagten, dankenswerterweise interveniert, möchte ich fragen: Auf welche Grundlage nimmt man dabei Bezug? Auf das deutsch-sowjetische Repatriierungsabkommen von 1958, nach dem doch wesentlich höhere Zahlen als 1975 zu erwarten waren, oder auf den Korb 3 der KSZE oder auf Absprachen mit Herrn Breschnew? Oder worauf beruft man sich dabei?

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Die Bundesregierung wird alle Möglichkeiten nutzen, die geeignet sind, das von mir angesprochene Ziel zu erreichen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat sich die Bundesregierung mit der sowjetischen Regierung analog zur polnischen Regierung auf einen Zeitplan geeinigt, in welchem Zeitraum die 30 000 Menschen aussiedeln dürfen?

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Es gibt keinen konkreten Zeitplan.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 115 und 116 des Abgeordneten Dr. Czaja stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Punkten der Tagesordnung und können nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde deswegen in dieser Woche nicht beantwortet werden. Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Sauer auf: Kann die Bundesregierung die Richtigkeit ausländischer Pressemeldungen bestätigen, daß die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Einberufenen der Alliierten Streitkräfte von links gerichteten Agitatoren, zum größten Teil deutschen und holländischen Ursprungs, aktiv bearbeitet werden, ein dichter und sehr wirksamer Subversionsapparat besteht und daß die Verteilung subversiver oder sogar aufrührerischer Schriften vor den Ka14026 Vizepräsident Frau Funcke semen ständig zunimmt, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die alliierten Streitkräfte in der Abwehr der gegen sie gerichteten subversiven Propaganda wirksam zu unterstützen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Sauer, ich darf Ihre Frage wie, folgt beantworten. Der Bundesregierung ist bekanntgeworden, daß in der Zeit von Anfang Mai bis Anfang Juni 1975 von deutschen Gruppen Flugblätter an französische Soldaten verteilt wurden. Um zu prüfen, ob in der Flugblätteraktion ein Verstoß gegen § 89 StGB - Zersetzung - oder § 109 d StGB - Störpropaganda - gesehen werden muß, hat die Staatsanwaltschaft Zweibrücken mehrere Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Verfahren wurden jedoch eingestellt, da nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Verstoß gegen die erwähnten Bestimmungen des Strafgesetzbuches, die auch für die im Bundesgebiet stationierten verbündeten Streitkräfte anwendbar sind, nicht nachgewiesen werden konnte. Die Bundesregierung nimmt Versuche dieser Art, auf die Soldaten der hier stationierten ausländischen Streitkräfte einzuwirken, ernst und stellt über den Sachverhalt und die rechtlichen Möglichkeiten der Abwehr zur Zeit Untersuchungen an.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich daraus entnehmen, Herr Staatsminister, daß die Bundesregierung, da derzeit eine gesetzliche Handhabe nicht vorhanden ist, plant, diesbezüglich dem deutschen Parlament eine Gesetzesinitiative vorzulegen?

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Ich habe gesagt, die Bundesregierung befindet sich in der Überprüfung dieser Situation. Wenn sich das als notwendig erweisen sollte, wird die Bundesregierung das tun.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000048, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß es - im Gegensatz zu der Annahme des Fragestellers, die soeben in seiner Zusatzfrage zum Ausdruck kam - vertragliche Abmachungen in Form des Truppenvertrages und seiner teils öffentlichen, teils geheimen Zusatzabkommen zum Schutz der alliierten Streitkräfte gibt und daß die deutschen amtlichen Stellen diese Vereinbarungen sehr ernst nehmen und ständig praktizieren?

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Dem ist so, Herr Kollege.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Die Frage 118 des Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) wird auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatsminister Wischnewski. Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haehser zur Verfügung. Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Wolfgramm ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Reddemann werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Trifft es zu, daß in der Bundesrepublik Deutschland stationierte Soldaten der niederländischen Luftwaffe seit Mitte der 60er Jahre auf Grund ihrer in dem Truppenvertrag der Pariser Verträge von 1954 festgelegten Steuervorrechte deutsche Waren ohne Zahlung von Einfuhrzöllen und Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer illegal in die Niederlande eingeführt und dort weiterverkauft haben?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Hansen, der von Ihnen dargelegte Sachverhalt trifft im wesentlichen zu. Es handelt sich um einen Fall, den die Finanzbehörden der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der niederländischen Militärpolizei aufgedeckt haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß große Mengen der illegal erworbenen Waren mit militärischen Land- und Luftfahrzeugen in die Niederlande verbracht worden sind?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich kann Ihnen bestätigen, daß Teile dieser Waren den Weg gegangen sind, den Sie beschrieben haben, Herr Kollege Hansen. Über die Mengen kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Da müßten Nachforschungen angestellt werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß auch deutsche Geschäftsleute große Mengen solcher nach dem Truppenvertrag steuerfreien Waren in den Handel gebracht und damit auch Steuerhinterziehung begangen haben und daß es im Zusammenhang damit, was die Ausstellung von Mehrwertsteuerabwicklungsscheinen angeht, zu Urkundenfälschungen gekommen ist?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Wenn ich auch hier die Einschränkung machen darf, daß ich mich hinsichtlich der Menge nicht äußern kann, Herr Kollege Hansen, so kann ich Ihnen doch sagen, daß die von Ihnen geschilderten Tatbestände offensichtlich weitgehend zutreffen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um Steuerbetrug dieser Art in Zukunft zu verhindern, und auf welche Weise sollen die 2,2 Millionen DM Mehrwertsteuer, die laut eines Steuerfahndungsprotokolls vom 26. Januar 1973 durch solche mißbräuchliche Praxis des Truppenvertrags der Bundesrepublik Deutschland entgangen sind, eingetrieben werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Bei Unternehmern, die Umsätze an die Stationierungstruppen ausführen, werden turnusmäßig Betriebsprüfungen und zusätzlich Umsatzsteuersonderprüfungen durchgeführt. Ich betone ausdrücklich: zusätzlich. Das Bundesfinanzministerium hat hierzu im Benehmen mit den obersten Finanzbehörden der zuständigen Länder eingehende Verwaltungsvorschriften erlassen. Die Aufdeckung des von Ihnen angesprochenen Falles zeigt, daß die Verwaltungsvorschriften, so wie sie jetzt gelten, geeignet sind, Tatbestände aufzudecken, wie Sie sie in Ihrer Frage darstellen. Es handelt sich um ein Zusammenspiel zwischen einem Unternehmen und einzelnen niederländischen Soldaten, bei dem Aufzeichnungen und Belege gefälscht wurden. Die Aufdeckung derartiger Täuschungen hängt allerdings wesentlich von der Leistungsfähigkeit und dem persönlichen Einsatz der zuständigen Prüfungsbeamten ab. Die hinterzogene Umsatzsteuer wird mit den gesetzlich vorgeschriebenen Beitreibungsmaßnahmen eingezogen. Der Erfolg hängt von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens ab. Nähere Auskünfte kann ich Ihnen, Herr Kollege Hansen, im Hinblick auf das Steuergeheimnis nicht geben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie, ohne das Steuergeheimnis zu verletzen, die Höhe der hinterzogenen Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer, die in meiner Frage angegeben ist, bestätigen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich kann das, Herr Kollege Hansen, im Hinblick auf das Steuergeheimnis nicht ausdrücklich bestätigen. Aber ich nehme an, Sie haben sich bei der Zahl 2,2 Millionen DM, die Sie in Ihrer Frage genannt haben, etwas gedacht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, bestehen Kontakte mit der niederländischen Regierung, um die durch die Teilstreitkräfte der niederländischen Armee ausgeübten Mißbräuche der Privilegien des Truppenvertrages in Zukunft zu unterbinden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Solche Kontakte bestehen, Herr Kollege Hansen. Uns ist bekanntgeworden, daß gegen die niederländischen Soldaten auch in den Niederlanden - vermutlich wegen Verletzung niederländischer Strafgesetze - Verfahren eingeleitet worden sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser auf: Weshalb hat es die Bundesregierung bis heute unterlassen, auf das Schreiben der Europäischen Kommission vom 31. Juli 1975 - No. 75/028435 - zu antworten und diese über die schwerwiegenden Folgen zu unterrichten, die der deutschen Brennereiwirtschaft drohen, wenn die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Dezember 1974 - Rechtssache 48/74 - nicht nur die in jenem Verfahren angesprochene französische Bananenmarktordnung betreffen würde, sondern ganz allgemein auf Monopole - also auch auf das deutsche Branntweinmonopol -Anwendung finden sollte?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Die Unterrichtung der Kommission darüber, Herr Kollege Hauser, wie sich der Wegfall der Einfuhrschutzmaßnahme auf das deutsche Branntweinmonopol und unsere Brennereien auswirkt, war nicht erforderlich, weil dies der Kommission aus zahlreichen früheren Beratungen mit Vertretern der Bundesregierung bekannt ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Hugo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000834, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat die Bundesregierung angesichts der großen Schwierigkeiten, die nun auf Grund des genannten Schreibens der gesamten Brennereiwirtschaft drohen, schon neue Vorschläge zu einer europäischen Alkoholmarktordnung ausgearbeitet und sie auch in Brüssel vorgelegt?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Zunächst darf ich mich auf alle Auskünfte beziehen, die ich in der gleichen, auch eine europäische Marktordnung betreffenden Frage in einer der letzten Fragestunden gegeben habe. Darüber hinaus aber möchte ich sagen, daß das deutsche Branntweinmonopol zur Zeit so existiert, wie es existiert. Ein Urteil wird zwar in diesem Jahr erwartet; aber ich weiß nicht, wie es aussehen wird. Ich bitte Sie, mit der Bundesregierung die Geduld aufzubringen, dieses Urteil abzuwarten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hugo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000834, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mußte nicht angesichts dessen, daß Sie auf das Schreiben von Lardinois nicht geantwortet haben, Herr Staatssekretär, drüben in Brüssel der falsche Eindruck entstehen, als ob die völlig veränderte Haltung der Kommission überhaupt keine existenzbedrohenden Probleme für die deutsche Brennereiwirtschaft mit sich bringen würde?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich hatte Ihnen soeben bereits auf Ihre Anfrage geantwortet, daß die Deutschen in Europa auf die Bedeutung unseres Branntweinmonopols und auf die Bedeutung unserer Brennereien häufig und ausreichend hingewiesen hatten. Insofern wußten also die Herren in Brüssel und anderswo, wie sehr uns daran liegt, daß unser Branntweinmonopol den Schutz behält, den es bisher hatte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem die Verhandlungen oder die Briefe, ,die gewechselt worden sind, hier bei uns einige Unruhe auch im Hinblick auf die Gewährung eines vollen oder nur 50%igen Brennrechts ausgelöst haben, können Sie mir bestätigen, ob auch andere Mitgliedsländer in der Art reagiert haben, daß sie sofort ihre Brenner verunsichert haben, und wie würde sich - das ist noch eine in diesem Zusammenhang sehr wichtige Anmerkung; leider war ich nicht hier, als Sie über Marktordnungen gesprochen haben - die Bundesregierung, wenn möglichst bald eine Agrarmarkt-Alkoholordnung vorgelegt würde, im Hinblick auf dadurch entstehende finanzielle Konsequenzen verhalten?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, zum ersten Teil Ihrer Frage, die sehr lang war und deswegen meine besondere Aufmerksamkeit erforderte, sage ich Ihnen, daß andere Länder nicht vor der gleichen Situation wie wir wegen unseres besonderen Branntweinmonopols stehen. Zum zweiten Teil verweise ich in der Tat noch einmal auf die Fragestunde in der 196. Sitzung. Sie waren zwar - sicherlich aus guten Gründen - nicht hier; aber immerhin steht Ihnen das Protokoll über die 196. Sitzung zur Verfügung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie uns gesagt haben, daß eine besondere Stellungnahme der Bundesregierung deswegen nicht erforderlich gewesen sei, weil die Probleme des deutschen Branntweinmonopols der Kommission durchaus -bekannt gewesen seien, möchte ich Sie fragen: Zeigt nicht gerade die Haltung der Kommission, die in diesem Schreiben sichtbar geworden ist, daß das Bekanntsein dieser Dinge dort offenbar keinen Eindruck gemacht hat und daß deswegen trotz allem eine Initiative der Bundesregierung notwendig gewesen wäre?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich weiß nicht, Herr Kollege Jäger, erstens, ob ich das sagen darf, was ich sagen will, und zweitens, ob es richtig ist, was ich sagen will. ({0}) Ich weiß nicht, Herr Kollege Jäger, ob Sie genau wissen, um welche Problematik es hier geht. Hier geht es weniger um die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der Kommission, als mehr darum, daß ein Urteil ins Haus steht. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, zu sagen, daß die Unruhe, die in der Tat bei einigen Brennern zu verspüren war, auf der Annahme fußte, daß wir die Brennrechte um die Hälfte kürzen würden. Das Bundeskabinett hat beschlossen, eine solche Kürzung nicht vorzunehmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Abgeordneten Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dann ist also nach Ihrer Auffassung die Sorge der Brenner völlig unberechtigt und die Vermutung, die ja zwangsläufig durch die Haltung der Bundesregierung bedingt ist, völlig unberechtigt, daß es der Bundesregierung gar nicht ungelegen käme, wenn die Bestimmungen der Alkoholmarktordnung in Zukunft von Brüssel festgelegt würden.

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich möchte dazu sagen, die Hauptsorge der Brenner - ich wiederhole mich da - war, daß die Brennrechte in diesem Jahr um die Hälfte reduziert werden würden. Diese Hauptsorge ist durch das Bundeskabinett beseitigt, es bleibt bei den Brennrechten. Nun warten wir das Urteil ab. Ich bitte Sie, da das das zweite Mal ist, daß die Problematik in der Fragestunde angesprochen wird, mir zu gestatten, darauf hinzuweisen, daß wir überhaupt keinen Anlaß sehen, vor Verkündung des Urteils Maßnahmen einzuleiten. Ich sage Ihnen allerdings gerne zu Ihrer Information hinzu, daß wir für alle Eventualitäten, wie das Urteil auch aussehen könnte, zur Zeit schon Gespräche mit dem zuständigen Ressort führen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, Sie haben nicht das Wort. - Keine Zusatzfrage. Die Frage 61 soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf: Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß Spareinlagen mit längerer als der normalen Kündigungsfrist jeweils sechs Monate länger als vereinbart angelegt werden müssen, weil so lang die vorgeschriebene Wartezeit bis zur möglichen Kündigung ist, und wie gedenkt die Bundesregierung hier Abhilfe zu schaffen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Horstmeier, in dem Zusammenhang, in dem Sie Ihre Frage gestellt haben, ist die Unterscheidung von Festgeldern und Spareinlagen von Bedeutung. Stellt ein Sparer seine Ersparnisse einem Kreditinstitut für eine bestimmte Zeit zur Verfügung, so handelt es sich um Festgelder. In diesem Falle ist eine Kündigung gegenüber dem Kreditinstitut nicht erforderlich. Spareinlagen werden Kreditinstituten dagegen vom Sparer für eine unbestimmte Zeit zur VerfüParl. Staatssekretär Haehser gung gestellt. Sie müssen in der Regel gekündigt werden, wenn sie zurückgezahlt werden sollen. Wenn nichts Besonderes vereinbart ist, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten. Bei längeren Kündigungsfristen ist die Kündigung nach § 22 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen frühestens sechs Monate nach der Einzahlung der Spareinlage zulässig. Wegen dieser Vorschrift können Spargelder mit einer Kündigungsfrist von beispielsweise einem Jahr nicht sofort bei der Einzahlung gekündigt werden. Spareinlagen werden gegenüber den Festgeldern in der Regel höher verzinst. Die Ursache hierfür liegt darin, daß Spareinlagen dem Kreditinstitut meistens länger zur Verfügung stehen als Festgelder und deshalb auch gegen höhere Kreditzinsen längerfristiger ausgeliehen werden können. Diese Ausleihemöglichkeit würde bei Zulassung einer sofortigen Kündigung für längerfristig angelegte Spareinlagen entfallen. Eine Aufhebung der Unterschiede zwischen Spareinlagen und Festgeldern würde zu einem wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Ergebnis führen. Deswegen ist die Aufhebung nicht beabsichtigt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Martin Horstmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn schon keine Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen beabsichtigt ist, ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, wenigstens dahin gehend zu wirken, daß bei der Werbung der Kreditinstitute den Sparern klarer Wein eingeschenkt wird, indem klargemacht wird, daß bei einer einjährigen Kündigungsfrist das Geld anderthalb Jahre festgehalten wird und eine vorzeitige Zurückzahlung Soll-Zinsen nach sich zieht?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Horstmeier, ich bin sehr dankbar, daß Sie mir Gelegenheit geben, gewissermaßen vor der Öffentlichkeit zwei Dinge zu sagen. Erstens: Der Sparer sollte, bevor er sein Geld anlegt, sich bei seiner Bank oder Sparkasse genau nach den Konditionen erkundigen. Zweitens: Die Sparkassen sollten die Anleger als Kunden behandeln, d. h. gut beraten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Fragen mehr. Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser. Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner anwesend. Die Fragen 63 und 64 sollen auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß sich nach der Bildung von OPEC und CIPEC auch die Länder, die Bauxit und Uran produzieren, zusammengeschlossen haben, und daß jetzt mit einer Vereinigung eisenexportierender Länder zu rechnen ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Frau Präsidentin, ich bitte, beide Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gut. Ich rufe dann noch die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf: Besteht das Risiko, daß immer mehr dem Ölkartell vergleichbare Kartelle auf dem Rohstoffsektor sich bilden, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um gefährliche Auswirkungen für die Weltwirtschaft und den freien Welthandel möglichst zu verhindern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung verfolgt die Zusammenschlüsse der rohstoffexportierenden Länder mit großer Aufmerksamkeit. Die bestehenden Zusammenschlüsse der Exporteure von Kupfer, Bauxit, Eisenerz und Uran haben allerdings bisher nicht zu Verknappungen auf dem Weltmarkt geführt und auch die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet. In einigen Fällen, z. B. bei Bauxit, konnten die Anbieter durch ihr Zusammenwirken drastische Preiserhöhungen durchsetzen. Das Uranium Institute hat in seiner Satzung die Einflußnahme auf den Wettbewerb, auf Mengen und Preise ausgeschlossen. Die Vereinigung der Eisenerz exportierenden Länder strebt nach ihren eigenen Bekundungen eine enge Zusammenarbeit mit den Verbraucherländern an. Auf Grund der stark divergierenden Interessenlage ihrer Mitgliedsländer wäre sie wohl auch nicht in der Lage, eine abgestimmte Mengen- und Preispolitik durchzusetzen und durchzuhalten. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß sich auch Exportländer bestimmter anderer Rohstoffe zusammenschließen werden. Entsprechende Tendenzen sind erkennbar bei Wolfram, Antimon und Quecksilber. Die wesentlich stärkere regionale Streuung der Rohstoffvorkommen, die größeren Unterschiede in der wirtschaftlichen und politischen Struktur der Förderländer, die stärkere Abhängigkeit von den Exporterlösen sowie schließlich die größere Nachfrageelastizität sprechen jedoch dagegen, daß Produzentenvereinigungen bei anderen Rohstoffen eine dem OPEC-Kartell entsprechende Marktposition erreichen werden. Die Bundesregierung hat Verständnis für das Bestreben der rohstoffexportierenden Länder, insbesondere der Entwicklungsländer, ihre Exporterlöse zu stabilisieren. Sie hält allerdings Kartellbildungen für kein geeignetes Instrument zur Erreichung dieses Ziels. Im Rahmen des multilateralen Dialogs bemüht sie sich um Lösungen, die den Interessen der rohstoffexportierenden Länder Rechnung tragen, zugleich aber den freien Welthandel mit Rohstoffen nicht beeinträchtigen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist die Bundesregierung überzeugt, daß die deutsche Wirtschaft selber genügend Vorsorge betreibt, um negativen Auswirkungen derartiger Kartelle zu begegnen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine solche Frage läßt sich nicht allgemein beantworten. Generell gehen wir davon aus, daß die deutsche Wirtschaft wegen ihrer Abhängigkeit von den Rohstoffen das im Rahmen ihrer Möglichkeiten Liegende unternimmt, um den Nachschub in diesem Bereich zu sichern.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung gerade auch im Blick auf Ihre jetzige Antwort eine Notwendigkeit, staatlicherseits eine koordinierte Rohstoffpolitik zu betreiben und verstärkt heimische Rohstoffe und Rohstoffquellen zu erschließen, wie das in einer Erklärung eines Vertreters Ihres Hauses dieser Tage in der Öffentlichkeit zu hören war?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, angesichts der geschilderten Zusammenschlußbestrebungen ist es selbstverständlich, daß das Handeln auf unserer Seite nicht ausschließlich den einzelnen Unternehmen überlassen bleiben kann, sondern daß im Rahmen des Dialogs mit der Wirtschaft auch die staatliche Rolle mit einbezogen und erörtert werden muß.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Dritte Frage.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es adäquat zu den Bemühungen der Internationalen Energie-Agentur und der Internationalen Energiekonferenz Bemühungen der Verbraucherländer, eine gemeinsame Position gegenüber solchen Kartellen zu beziehen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Diese Bemühungen gibt es. Sie sind sehr unterschiedlich und richten sich auch danach, wie die Exportkartelle aussehen. Generell gilt, daß es unser Ziel ist, in Gesprächen mit den Rohstoffländern Lösungen zu erreichen, die Konfrontationen vermeiden und dazu dienen, in erster Linie bilaterale Abklärungen der gegenseitigen Interessenlage vorzunehmen und keinesfalls von vornherein etwa Verbraucherkartelle zu bilden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, negativen Auswirkungen vor allem auf die Länder der dritten Welt, soweit sie solchen Kartellen nicht angehören, zu begegnen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es ist unser Ziel, die Rohstoffpolitik in der Weise zu handhaben, daß Verbesserungen und Stabilisierungen der Erlöse in erster Linie denjenigen Ländern zugute kommen, die auf diese Rohstofferlöse für ihr Überleben angewiesen sind. Es ist unser Ziel, dafür zu sorgen, daß Tendenzen zur Verteuerung der Rohstoffe nicht zu einer zusätzlichen Bereicherung derjenigen Länder führen, die durch ihre Industrialisierung auf solche zusätzlichen Einnahmen nicht angewiesen sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe dann die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Grimming auf: Welche Produktionsunternehmen der Bundesrepublik Deutschland hat die DDR ({0}) seit dem 1. Januar 1973 direkt oder anteilmäßig durch den Erwerb von Beteiligungen oder Aktien gekauft?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Der rechtsgeschäftliche Erwerb von Produktionsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland durch Personen in der DDR bedarf nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 53 vom 19. September 1949 einer Genehmigung durch die Deutsche Bundesbank. Die Bundesbank hat weder früher noch nach dem von Ihnen genannten Zeitpunkt derartige Genehmigungen erteilt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Jürgen Grimming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000729, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte fragen, wie dann der Erwerb aus dem Kaiser-Konkurs, das ein Uhrenunternehmen im Schwarzwald war, zu bewerten ist, über den die Tageszeitung „Die Welt" berichtet.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Bei diesem Erwerb handelt es sich um den Kauf von Maschinen aus dem Unternehmen und nicht um eine Beteiligung an einem in der Bundesrepublik tätigen Produktionsunternehmen. Der Sachverhalt ist also anders.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Stienen auf: Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, daß für die Bestellung von Sachverständigen und für den Erlaß von Sachverständigenordnungen wesentlich verschiedene Institutionen ({0}) zuständig sind, wenn ja, ist gesetzlich sichergestellt, daß die Bestellung von Sachverständigen und die Ausübung ihrer Tätigkeit nach gleichen Voraussetzungen bzw. Richtlinien erfolgt, oder besteht auf dem Gebiet des Sachverständigenwesens eine Rechtszersplitterung mit der Folge uneinheitlicher Bestellungsvoraussetzungen und unterschiedlicher Tätigkeitsausübung, die die Bundesregierung durch eine entsprechende Initiative ändern kann?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es trifft zu, daß die Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen Aufgabe verschiedener Institutionen ist, und zwar insbesondere der Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft. Diese haben in Sachverständigenordnungen die Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung und Vereidigung der Sachverständigen sowie deren Aufgaben und Pflichten geregelt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat eine Mustersachverständigenordnung erlassen und diese im Jahre 1973 in Zusammenarbeit mit den Kammern und unter Beteiligung der Sachverständigenorganisationen der Entwicklung der Praxis und der neueren Rechtsprechung angepaßt. Auch im Bereich des Handwerks stimmen die Sachverständigenordnungen der einzelnen Kammern, die der Genehmigung der obersten Landesbehörden bedürfen, nach meinen Informationen bereits weitgehend überein. Die Bundesregierung hat großes Interesse daran, daß die Qualität und die Unabhängigkeit der öfParl. Staatssekretär Grüner fentlich bestellten Sachverständigen gewährleistet bleiben. Die Bundesregierung unterstützt daher die Bemühungen der Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft und wird in den Gesprächen mit den Kammern, den Sachverständigenorganisationen und den Ländern auf eine möglichst gleichförmige Bestellungspraxis und Tätigkeitsausübung der Sachverständigen hinwirken.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Stienen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß Unternehmen, z. B. Versicherungsunternehmen, sogenannte Gutachterstellen einrichten, deren Mitarbeiter auch in Streitfällen zwischen ihren jeweiligen Unternehmen und Dritten tätig werden, wobei den Dritten, zumeist anspruchstellenden Bürgern, nicht offengelegt wird, in wessen Trägerschaft die jeweilige Gutachterstelle steht?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich bin auf diese Frage nicht vorbereitet und kann deshalb dazu keine Auskunft geben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}) auf: Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zur Tatsache der jüngsten enormen Benzinpreiserhöhung, und was hat sie unternommen, um diese erneute Belastung der Lebenshaltungskosten zu verhindern, die die Menschen in den marktfernen Räumen mit ihren weiten Entfernungen im besonderen Maß trifft?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Mineralölgesellschaften haben in den letzten Monaten verschiedentlich die Benzinpreise erhöht, wobei jedoch die Erhöhungen jeweils nur teilweise im Markt durchgesetzt werden konnten. Insgesamt hat sich das durchschnittliche Benzinpreisniveau in der Bundesrepublik seit Frühjahr um ca. 3 bis 4 Pfennige je Liter erhöht. Auch nach diesen Preiserhöhungen ist die Mineralölindustrie jedoch, wie ihre monatlichen Meldungen an das Bundeswirtschaftsministerium über Kosten, Erlöse und Preise zeigen, noch nicht aus der Verlustzone heraus. Im europäischen Vergleich liegen die Benzinpreise in der Bundesrepublik sowohl für Normalbenzin als auch für Superbenzin - die unterschiedlichen Steuersätze nicht berücksichtigt - am unteren Ende der Skala. Die Benzinpreise in der Bundesrepublik bilden sich anders als in einigen Nachbarländern ohne staalliche Einflußnahme frei im Wettbewerb. Ein Eingriff staatlicher Stellen ist nur bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorgesehen. Dazu bestand angesichts des funktionierenden Wettbewerbs auf dem Benzinmarkt bisher kein Anlaß. Es trifft zu, daß die Benzinpreise in weniger besiedelten Randgebieten höher sind als in den Ballungszentren. Dies war jedoch auch schon vor der jüngsten Benzinpreiserhöhung der Fall und ist ebenfalls Ausdruck einer im Wettbewerb gebildeten Preisgestaltung. Zur regional unterschiedlichen Preisgestaltung der Mineralölgesellschaften möchte ich im übrigen auf meine Antwort auf eine Frage des Kollegen Dr. Kreutzmann vom 15. Juli 1975 verweisen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, steht die Bundesregierung noch immer zu ihrer häufig vertretenen Auffassung, vergleichbare Lebensverhältnisse insbesondere auch im Zonenrandgebiet zu schaffen, das hier von der großen Differenz, die zum Teil 8 bis 10 Pfennige pro Liter beträgt, besonders betroffen ist, indem sie z. B. für diese Räume erhöhte Kilometerpauschalen zuläßt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, die Bundesregierung steht zu dieser Aussage, und sie hat dabei marktwirtschaftliche Instrumente der Globalsteuerung im Auge. Sie hat aber nicht dirigistische Einzelmaßnahmen im Auge, auch nicht eine unterschiedliche Gestaltung der Kilometerpauschale, weil damit kein gerechter Ausgleich zu erzielen wäre.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Differenz der Benzinpreise ist keineswegs in den Kosten und in der marktwirtschaftlichen Situation begründet. Ist die Bundesregierung deshalb bereit, nachdem die höheren Benzinkosten individuell auf die Verbraucher durchschlagen, auch diese individuelle Berücksichtigung zu ermöglichen und nicht die Globalsteuerung ins Auge zu fassen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung ist bereit, jedem Wettbewerbsverstoß nachzugehen. Das würde bedeuten, daß das Kartellamt, wenn hier Preise gebildet werden, die nicht den Marktregeln entsprechen, mit einer entsprechenden Begründung einzuschalten wäre.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfragen. - Ich rufe Frage 70 des Herrn Abgeordneten Ey auf: Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die Zahl der Kooperationsverträge zwischen Firmen der Bundesrepublik Deutschland und den Staatshandelsländern des Ostblocks ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Frau Präsident, ich würde gerne beide Fragen zusammen beantworten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Der Fragesteller ist einverstanden; ich rufe dann auch Frage 71 des Herrn Abgeordneten Ey auf: Welche Erfahrungen und Besonderheiten sind der Bundesregierung bekannt über die Handhabung und Abwicklung von Kooperationsverträgen zwischen Firmen der Bundesrepublik Deutschland und den Staatshandelsländern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung hat keine vollständige Kenntnis aller zwischen Firmen der Bundesrepublik Deutschland und Organisationen der Staatshandelsländer abgeschlossenen Kooperationsverträge. Es wird geschätzt, daß es sich inzwischen um insgesamt etwa 350 Kooperationsverträge handelt. Grundsätzlich werden Kooperationsverträge mit Organisationen der Staatshandelsländer verfahrensmäßig nicht anders abgewickelt als mit privatrechtlich organisierten Unternehmen in Marktwirtschaftsländern. Besonderheiten bestehen insoweit, als die spezielle Form einer Kooperation durch kapitalmäßige Beteiligung in den Staatshandelsländern mit Ausnahme von Rumänien und Ungarn ausgeschlossen wird. Erste Erfahrungen mit derartigen Kooperationsverträgen lassen die Beurteilung zu, daß sie für deutsche Unternehmen bisher vor allem als ein Instrument zur Erschließung östlicher Märkte interessant sind. Kooperationsverträge können daneben auch in der Rohstoffversorgung eine größere Rolle spielen. In diesem Sinne sind z. B. die Verhandlungen mit Polen über ein Kupferprojekt oder - unter Anlegung eines breiteren Kooperationsbegriffes - die Verträge über langfristigen Erdgasbezug und Röhrenlieferungen mit der UdSSR zu erwähnen. In diesen Fragen steht die Bundesregierung in einem engeren Kontakt mit dem Ostausschuß der deutschen Wirtschaft und mit den an den verschiedenen Kooperationsausschüssen direkt beteiligten Vertretern der Wirtschaft.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Fälle bekannt, wonach in jüngerer Zeit ohne Angabe von Gründen zunächst in Aussicht gestellte Aufträge häufiger nicht erteilt werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Solche Fälle sind durchaus bekannt. Hier spielt aber auch die Intensität der Inaussichtstellung solcher Verträge eine Rolle.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Auftragserteilungen deutlich von politischen Auflagen abhängig gemacht worden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ein solcher Fall ist nicht bekannt, wobei ich allerdings zu definieren bitte, was unter politischen Auflagen zu verstehen ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung die prozentuale Branchenaufteilung der Kooperationsverträge bekannt, und ist in jüngerer Zeit vermehrt festzustellen, daß vollständige Fabrikationsanlagen sowie modernstes Know-how bei deutschen Firmen in Auftrag gegeben wird?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es ist erkennbar, daß ein solches Interesse bei den Staatshandelsländern besteht. Eine Grundlage der Kooperationsverträge liegt aus der Sicht der Staatshandelsländer darin, fertige Anlagen zu beziehen und über die Lieferung auch die Gewähr für die Produktionsfähigkeit dieser Anlagen zu haben. Eine Aufgliederung nach einzelnen Branchen ist mir im Augenblick nicht möglich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung, wenn auch vertraulich, Kenntnis über die Höhe der bundesdeutschen Firmenkredite bei Kooperationsverträgen mit Staatshandelsländern des Ostblocks?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wir haben einen generellen Überblick über die Staatshandelsländern gewährten Kredite, die ja aus dem deutschen Bankensystem finanziert werden, und wir haben natürlich genaue Unterlagen über Bürgschaftsverpflichtungen und andere Gewährleistungen, die wir als Regierung in diesem Zusammenhang eingegangen sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Frage 107 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}), schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner! Die Fragen 74, 76, 77 und 93 sind zurückgezogen worden. Die Frage 81 ist nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig. Die übrigen Fragen, die noch offen sind, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir stehen damit am Ende der Fragestunde. Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs einer Abgabenordnung ({1}) - Drucksache 7/79 Bericht und Antrag des Finanzausschusses ({2}) - Drucksache 7/4292 Berichterstatter: Abgeordneter von Bockelberg Abgeordneter Meinike ({3}) ({4}) Das Wort hat der Berichterstatter, Herr von Bokkelberg. von Bockelberg ({5}) : Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute liegt dem Hohen Hause zur Verabschiedung in zweiter und dritter Beratung der ursprünglich als erstes Steuerreformgesetz bezeichnete Entwurf einer Abgabenordnung vor. An dieser Stelle ist der Berichterstatter wohl gehalten, mit einigen Passavon Bockelberg gen auf die Bedeutung dieses Steuergesetzes einzugehen. Schon die Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 war das Grundgesetz des deutschen Steuerrechts. In diesem Grundgesetz sind diejenigen Vorschriften gesammelt, die entweder für alle oder doch für einen größeren Kreis von Steuern gelten. Es ist so, daß, wenn die Einzelsteuergesetze keine Spezialvorschriften enthalten, grundsätzlich die Abgabenordnung gilt. Die Abgabenordnung erfreut sich bei weitem nicht der Bekanntheit der anderen Steuergesetze, welche präzise Vorschriften über die Ermittlung und die Abführung einzelner Steuern enthalten. Der Bürger ist also nicht unmittelbar - sozusagen mit seinem Portemonnaie - an der Abgabenordnung interessiert. Dennoch enthält sie als Grundgesetz des Steuerrechts für den steuerzahlenden Bürger wichtige und einschneidende Bestimmungen. Der dem Hohen Hause vorliegende Entwurf in der Fassung des Antrags des Finanzausschusses enthält in seinen einleitenden Vorschriften außer den wichtigen Begriffs- und Zuständigkeitsbestimmungen auch die wichtigen Vorschriften über das Steuergeheimnis. Der zweite Teil enthält das Steuerschuldrecht mit allen seinen Einzelvorschriften einschließlich der Bestimmungen über die steuerbegünstigten Zwecke und der Haftungsbestimmungen. Die Bestimmungen über die steuerbegünstigten Zwecke treten dabei an die Stelle der bisherigen Gemeinnützigkeitsverordnung. Der dritte bis sechste Teil regeln das Besteuerungsverfahren vom Erhebungsverfahren bis zur Vollstreckung. Der siebente Teil enthält die Vorschriften über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. Der achte Teil schließlich enthält die Straf- und Bußgeldvorschriften und regelt das Straf- und Bußgeldverfahren. Neben der zur Zeit noch gültigen Abgabenordnung ist im Laufe der Jahre eine Reihe von ergänzenden Gesetzen in Kraft getreten, von welchen die meisten in die neue Abgabenordnung eingebettet worden sind. Somit wird die Arbeit mit der neuen Abgabenordnung einfacher als die Arbeit mit der Reichsabgabenordnung einschließlich der Nebengesetze. Gestatten Sie mir an dieser Stelle einige Worte der Würdigung und Anerkennung für den eigentlichen Schöpfer der Reichsabgabenordnung, Enno Becker, zu finden. Er begann seine Arbeit ohne jegliche Vorlage - wie er selber schreibt: mit einem weißen Blatt Papier - Mitte November 1918 und bewältigte die ihm gestellte Aufgabe in der kaum faßbaren Zeit von einem halben Jahr. Sein Werk hat zu der seitdem gültigen und auch im Ausland nachgeahmten gesetzgeberischen Leistung der Weimarer Republik geführt und eine rechtsstaatliche Entwicklung des Steuerrechts eingeleitet, welche der dem Hohen Hause vorliegende Entwurf der Abgabenordnung fortbilden will. Ich darf feststellen, daß wesentliche Teile der neuen Abgabenordnung noch auf dem Gedankengut von Enno Becker basieren. Für alle diejenigen, welche unmittelbar am Steuerrecht arbeiten oder sich beruflich mit dem Steuerrecht befassen, gehört Enno Becker zu den Großen der deutschen Steuergeschichte. Der vorliegende Entwurf einer Abgabenordnung geht auf einen Beschluß des Bundestages vom 13. März 1963 zurück, in welchem die Bundesregierung ersucht wird, eine Reform des allgemeinen Abgabenrechts vorzubereiten. Als Ziel dieser Reform wurde in der Entschließung angegeben - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin -, die Abgabenordnung wieder zu einem Mantelgesetz für das allgemeine Abgabenrecht zu machen, d. h. auch Nebengesetze zur Reichsabgabenordnung wie z. B. das Steuersäumnisgesetz und das Steueranpassungsgesetz in die Abgabenordnung einzubeziehen. Bei der Reform des allgemeinen Abgabenrechts wird die Systematik der Reichsabgabenordnung zu verbessern und ein gerechter Ausgleich zwischen den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu finden sein. Reformbedürftig sind insbesondere die Vorschriften über das Besteuerungsverfahren, bei denen die Rechte der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung vor allem auch bei Betriebsprüfungen mehr abzugrenzen sind. Das gleiche gilt für die Vorschriften über die Änderung von Steuerbescheiden. Der heutige Tag bedeutet also den Abschluß einer über 12jähriger Arbeit an diesem Steuergesetz. Grundlegend bei diesen Arbeiten hat der zur Vorbereitung einer Reform der Abgabenordnung beim Bundesministerium der Finanzen gebildete Arbeitskreis gewirkt, der sich aus Vertretern der Wissenschaft, der Rechtsprechung, der steuerberatenden Berufe, der gewerblichen Wirtschaft, der Organisationen der Steuerzahler und der Steuerbeamten und der Finanzverwaltung zusammensetzte. In mehr als fünfjähriger Arbeit hat dieser Arbeitskreis einen Entwurf einer neuen Abgabenordnung mit Begründung fertiggestellt. Die vom Ausschuß herausgestellten wesentlichen Ziele der Reform waren die folgenden: eine rasche Steuerfestsetzung, ein weiterer Ausbau des Vertrauensschutzes und eine verbesserte Stellung des Steuerpflichtigen. Die Arbeit der Regierung, insbesondere der Herren des Bundesministeriums der Finanzen, an diesem 415 Paragraphen umfassenden Gesetzeswerk ist besonders hervorzuheben. Hier war es nicht nur der Regierungsentwurf der 6. Legislaturperiode, der zur Beschleunigung zu Anfang der 7. Legislaturperiode als Initiativantrag der Koalitionsfraktionen ohne Änderungen erneut eingebracht wurde, sondern vielmehr auch die Teilnahme an den zahlreichen Sitzungen der Unterkommission der 6. Legislaturperiode und des Unterausschusses der 7. Legislaturperiode mit den vielen Überlegungen, Begründungen und Formulierungshilfen, welche wesentlich zu der Gestaltung des dem Hohen Hause vorliegenden Werkes beigetragen haben. von Bockelberg Nicht zuletzt gilt der Dank des Berichterstatters dem Sekretariat des Finanzausschusses, ({6}) welches dazu beigetragen hat oder eigentlich entscheidend dafür war, daß dem Hohen Hause heute dieser umfassende Bericht vorgelegt werden konnte. Dem ausführlichen Bericht, der Ihnen vorliegt, ist nur weniges hinzuzufügen. Der Gesetzentwurf enthielt ursprünglich für die Festsetzungsverjährung eine Frist von drei Jahren. Dies bedeutete bei den Hauptsteuerarten eine Abkürzung der Frist um zwei Jahre. Auf Intervention des Bundesrates, welcher glaubte, in dieser Zeit die nunmehr als Außenprüfung bezeichnete Betriebsprüfung nicht durchführen zu können, schlägt der Finanzausschuß dem Hohen Hause eine Frist von vier Jahren vor. Er spricht dabei allerdings die Erwartung aus, daß die Verwaltung davon absieht, durch verfahrensmäßige Kniffe, deren sie sich zur Zeit stellenweise bedient, diese Frist auszuweiten. Im Interesse des steuerzahlenden Bürgers ist die wesentliche Bestimmung des alten § 222 der zur Zeit gültigen Reichsabgabenordnung, welche unter bestimmten Voraussetzungen die Aufrollung des gesamten Steuerfalles vorsah, gefallen. Hier ist festzustellen, daß die Rechtssicherheit für den steuerzahlenden Bürger einen wesentlichen Fortschritt erzielt hat. §§ 204 ff. des Entwurfs führen das gesetzliche Institut der verbindlichen Zusage im Anschluß an eine Außenprüfung ein. Zu betonen ist, daß die Einführung dieses Instituts die Fortführung der bisherigen Übung, über den gesetzlich geregelten Bereich hinaus nach pflichtgemäßem Ermessen verbindliche Auskünfte zu erteilen, nicht ausschließt. Wir haben also nunmehr zwei Arten einer verbindlichen Zusage: eine, die auf Gesetz, eine andere, die auf dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung beruht. Der ursprünglich bei der Wirtschaft auf starken Widerstand gestoßene § 117, der die zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen regelt, hat in den Beratungen der letzten Woche eine erhebliche Entschärfung erfahren, indem er es allein in die Entscheidung der Finanzbehörden der Bundesrepublik Deutschland, stellenweise im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden, legt, ob die Erledigung eines Auskunftsersuchens eines ausländischen Staates abgelehnt werden soll, weil dadurch den inländischen Beteiligten ein mit dem Zweck der Rechts- und Amtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden dadurch entsteht, daß ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren, das auf Grund des Ersuchens offenbart werden soll, preisgegeben wird. Dies ist ein erheblicher Fortschritt. Zum Schluß noch die Bemerkung, daß der dem Hohen Hause vorliegende Gesetzentwurf der weiteren technischen Vervollkommnung des Besteuerungsverfahrens das Tor aufgestoßen hat. Hier wird nicht nur die Grundlage für die Selbstberechnung der Steuer gelegt, sondern es werden auch die Bedingungen festgelegt, unter welchen Steueranmeldungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenfernübertragung übermittelt werden können. Auch mögliche Organisationsänderungen innerhalb der Finanzämter werden durch die Abgabenordnung nicht blockiert. Ich darf auf den auf Seite 49 der Drucksache 7/4292 gestellten Antrag des Ausschusses verweisen und das Hohe Haus bitten, diesem Antrage zu entsprechen. ({7})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Die generelle Aussprache soll in der dritten Lesung erfolgen. Es liegen zur zweiten Lesung zwei Änderungsanträge vor, einer zu § 68 und einer zu § 141. Ich rufe in Einzelberatung zur zweiten Lesung die §§ 1 bis 67 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe nun den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4344 auf. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Schäuble das Wort.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu § 68 Nr. 7 des Entwurfs der Abgabenordnung in der Ausschußfassung zielt darauf ab, Mittel, die Sportvereine für ihre gemeinnützigen Zwecke durch Nebenleistungen im Rahmen von sportlichen Maßnahmen und sportlichen Veranstaltungen aufbringen, in die Vergünstigungen bei der Besteuerung steuerbegünstigter Zwecke mit einzubeziehen. Die Grundfrage, um die es dabei geht, ist, ob es sinnvoll und richtig sein kann, daß der Staat auf der einen Seite den Sport, und zwar den Breiten- wie den Leistungssport, und damit die 41 000 gemeinnützigen Turn- und Sportvereine durch direkte Zuwendungen aus Steuergeldern fördert und auf der anderen Seite eben diese Vereine mit vollen Ertragsteuern belastet, wenn sie durch eigene Anstrengung, durch ehrenamtliches Engagement ihrer Mitglieder für ihre gemeinnützige Arbeit selbst Mittel aufbringen. Es ist eine paradoxe Situation, daß der Staat den Sportvereinen mit der einen Hand gibt, was er ihnen mit der anderen Hand wieder nimmt. Dabei kommt ja hinzu, daß derartige Überschüsse von Sportvereinen in aller Regel nur deswegen erzielt werden können, weil unzählige Vereinsmitglieder ihre Arbeitskraft unentgeltlich für die gemeinnützigen Zwecke zur Verfügung stellen. ({0}) Dem Sport kommt in der heutigen Zeit - und dazu haben sich in diesem Hohen Hause alle Fraktionen im Grundsatz bekannt - eine hervorragende gesundheits-, bildungs- und sozialpolitische BedeuDr. Schäuble tung zu. Die Beschlußfassung über die Reform der Abgabenordnung ist gewiß nicht der geeignete Zeitpunkt, um darüber im einzelnen ausführlich zu sprechen. Aber nachdem wir bei anderem Anlaß in dieser grundsätzlichen Aufgabenstellung des Sports zwischen allen Fraktionen Einigkeit erzielt haben, sollten wir dem heute auch Rechnung tragen. ({1}) Träger des Sports in der Bundesrepublik Deutschland sind vor allem die im Deutschen Sportbund organisierten Vereine und Verbände, denen damit eine gar nicht zu überschätzende gesellschaftspolitische Aufgabe übertragen ist. ({2}) Sie beweisen Tag für Tag, daß freie Kräfte in einer freien Gesellschaft sehr wohl in der Lage sind, durch Freiwilligkeit und Eigeninitiative, durch Bereitschaft zum persönlichen Engagement und durch Liebe zur Sache mehr zu erreichen und mehr zu bewegen als staatliche Stellen jedweder Art in Ost oder West. ({3}) Gäbe es diese Bürgerinitiative Sport nicht oder ließe man sie verkümmern, müßten zur Bewältigung dieser gestellten Aufgaben neue Institutionen und Organisationen geschaffen werden, die ein Vielfaches an öffentlichen Mitteln kosteten und dennoch nicht in der Lage wären, vergleichbare Erfolge zu erzielen. Es kann ja gar kein Zweifel daran bestehen, daß staatliche Bürokratie überhaupt nicht in der Lage wäre, die Aufgaben zu bewältigen, die in freiwilliger Arbeit durch die Mitglieder und Vereine der deutschen Sportorganisationen geleistet werden. Die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme lehren ja wohl jeden von uns, daß es ein falscher Weg gewesen ist, immer mehr Aufgaben im gesellschaftlichen Bereich staatlicher Organisation zu übertragen. ({4}) Wir wollen aber nicht nur aus ökonomischen Gründen die Freiheit in der Organisation des Sports, sondern auch vor allem deshalb, weil wir glauben, daß auf diesem Weg ein wichtiger Beitrag zur Sicherung von Freiheit und Freiräumen für jeden einzelnen Bürger in unserem Land geleistet werden kann. Wir wollen eben nicht, daß die Sportvereine und Sportverbände durch öffentliche Zuschüsse mehr und mehr in die Abhängigkeit von staatlicher Administration geraten. Wir wissen, daß der goldene Zügel von Regierungszuschüssen allzu leicht zum Gängelband werden kann. Dafür haben wir in der Sportförderungspraxis dieser Bundesregierung leider beredte Beispiele. Wir wollen statt dessen die Möglichkeiten zur Eigenfinanzierung für die Sportvereine stärken. Dies, meine Damen und Herren, ist das Ziel unseres Antrags. ({5}) Dieser Antrag hat eine lange Geschichte. Er geht zurück auf einen Beschluß der Dritten Vollversammlung der Deutschen Sportkonferenz vom 18. Juni 1971, dem alle Mitglieder der Deutschen Sportkonferenz, also insbesondere auch die Vertreter der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, damals zugestimmt haben. Wir meinen noch immer, daß man in der Deutschen Sportkonferenz nicht sportfreundlichen Entschließungen zustimmen sollte, wenn man hinterher hier in diesem Hohen Hause nicht bereit ist, diese Empfehlungen auch in die Tat umzusetzen. ({6}) Gegen die Empfehlung der Deutschen Sportkonferenz ist in den Beratungen im Finanzausschuß, aber auch in der Öffentlichkeit immer wieder eingewendet worden, diese Steuervergünstigungen für die gemeinnützigen Sportvereine würden zu schwer erträglichen Wettbewerbsverzerrungen im gastronomischen Gewerbe führen. Wir haben durch die Ihnen jetzt vorliegende Fassung unseres Antrags diesen Bedenken Rechnung getragen. Wenn heute noch immer von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen behauptet wird, wir würden mit unserem Antrag reguläre Gaststätten, die von Sportvereinen betrieben werden, von der Besteuerung befreien wollen, dann werden solche Behauptungen wider besseres Wissen erhoben. ({7}) Die Ihnen auf der Drucksache 7/4344 vorliegende Formulierung des Antrags ergibt, daß alle ständig betriebenen Gaststätten, die ihr Leistungsangebot an die Öffentlichkeit richten, auch dann voll steuerpflichtig bleiben, wenn sie von Sportvereinen betrieben werden. Konkurrenzprobleme innerhalb des gastronomischen Gewerbes werden deshalb durch die Annahme unseres Antrags nicht aufgeworfen. Unser Antrag will Nebenleistungen, die im Rahmen von Sportveranstaltungen und sportlichen Maßnahmen angeboten werden, von der Besteuerung ausnehmen, also z. B. den Verkauf von Getränken, Würstchen oder Eis an die Besucher einer Sportveranstaltung oder das Leistungsangebot an die Vereinsmitglieder im Rahmen des Trainingsbetriebs eines Sportvereins. Wir wollen mit unserem Antrag die Vereine auch besser als bisher in die Lage versetzen, sich noch stärker für Nichtmitglieder zu öffnen. Zur Zeit wird diese Öffnung der Vereine für Nichtmitglieder, die wir alle wünschen, durch die bestehende und auch die in der Ausschußfassung vorgesehene steuerliche Regelung nahezu unmöglich gemacht; denn z. B. Angebote an Sportkursen für Nichtmitglieder sollen nach der Ausschußfassung weiterhin der Besteuerung unterliegen. Das wollen wir mit der von uns vorgeschlagenen Formulierung ausschließen. Schließlich will unser Antrag verhindern, daß in Zukunft ein Sportverein, der eine Lizenzspielerabteilung nach dem Bundesligastatut des Deutschen Fußballbundes unterhält, entgegen der bisherigen Besteuerungspraxis durch den Unterhalt dieser Lizenzspielerabteilung insgesamt die Gemeinnützigkeit verliert. ({8}) Es offenbart eine erschreckende Unkenntnis der Wirklichkeit in unseren Sportvereinen, wenn man einen Sportverein mit unzähligen Abteilungen insgesamt aus der Gemeinnützigkeit herausfallen läßt, nur weil seine erste Fußballmannschaft den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft hat. Mit der von uns vorgeschlagenen Formulierung wird erreicht, daß auch weiterhin nur diese Lizenzspielerabteilung aus dem Bereich der gemeinnützigen Tätigkeit ausgesondert wird und daß alle anderen Abteilungen dieses Sportvereins gemeinnützig bleiben können, was sie in der Sache auch unzweifelhaft sind. ({9}) Die Entscheidung über den von uns vorgelegten Antrag, meine Damen und Herren, ist ein Punkt, an dem zu beweisen ist, ob wir alle bereit sind, aus unseren so sportfreundlichen Grundsatzerklärungen auch Konsequenzen für die praktische Wirklichkeit zu ziehen. Ausflüchte sind nicht erlaubt. ({10}) Der Präsident des Deutschen Sportbundes und vormalige Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Willi Weyer, hat bei einem Gespräch des Präsidiums des Deutschen Sportbundes mit dem Präsidium der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands am 23. Oktober dieses Jahres erklärt, daß es eine Politik mit doppeltem Boden sei, den Verein als einzigartig in der Welt hochzuloben, ihm aber in der Steuer- und Erwachsenenbildungsgesetzgebung sein Instrumentarium wieder zu nehmen, ihn mit der einen Hand zu fördern, aber wichtige Mittel mit der anderen Hand als Steuer wieder einzuziehen. - Dies ist der Punkt, meine Damen und Herren, um den es geht! Die von der Ausschußmehrheit beschlossene Fassung des § 68 Nr. 7 der Abgabenordnung stärkt die Arbeit in den freien Organisationen des Sports nicht ausreichend. Sie führt im Gegenteil in wichtigen Punkten sogar zu einer erheblichen Verschlechterung gegenüber der bisherigen Besteuerungspraxis. ({11}) Mit der Annahme unseres Antrags kann der Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der freien Sportvereine leisten, und er hilft damit, die überragend wichtigen Aufgaben im Bereich des Sports auch in Zukunft ohne ein Übermaß an Inanspruchnahme von Steuergeldern zu erfüllen. ({12})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Huonker.

Gunter Huonker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000981, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die neue Abgabenordnung bringt für Sportvereine wie auch für andere gemeinnützige Vereine wichtige Verbesserungen in der steuerlichen Behandlung. Die steuerliche Begünstigung des Zweckbetriebs, also der sportlichen, geselligen und auch der für die Sportvereine nicht so wichtigen kulturellen Veranstaltungen, wird künftig dadurch verbessert, daß die Steuerpflicht erst dann eintritt, wenn der Einnahmeüberschuß aus solchen Veranstaltungen im Jahr insgesamt 12 000 DM überschreitet. Dies bedeutet eine Erhöhung gegenüber dem heutigen Freibetrag von 5 000 DM um 140 °/o. Die Einschränkung des Einnahmeüberschusses auf 50 % der Einnahmen entfällt. Zur Ermittlung des Einnahmeüberschusses von 12 000 DM wird ein Dreijahreszeitraum eingeführt. Mit dieser Regelung wird ein altes Ärgernis beseitigt, daß nämlich Vereine plötzlich steuerpflichtig werden, wenn sie z. B. wegen eines Vereinsjubiläums in einem Jahr einmalige, besonders hohe Einnahmen haben. Einnahmen aus sportlichen und geselligen Veranstaltungen von Amateursportvereinen werden also in aller Regel steuerfrei sein. Werden weiter der von der sozialliberalen Koalition eingeführte steuerliche Freibetrag von 1200 DM für nebenamtliche Übungsleiter und Trainer sowie die geplante Einführung eines Freibetrags von 5 000 DM im Entwurf des Körperschaftsteuergesetzes in Rechnung gestellt, so läßt sich mit Fug und Recht feststellen: Die SPD und die sozialliberale Koalition tun alles finanzwirtschaftlich und rechtlich Mögliche, um die Sportvereine auch durch das Steuerrecht finanziell zu unterstützen. ({0}) - Weswegen das nicht möglich ist, Herr Kollege Jäger, werde ich anschließend begründen. Die SPD anerkennt auch die mühsame und fleißige Arbeit unzähliger ehrenamtlicher Mitarbeiter von Sportvereinen. Wir wissen auch, daß ohne deren Arbeit die Sportvereine nicht existieren können. Desungeachtet - dies werde ich begründen - lehnen wir den von der Opposition eingebrachten Antrag ab. Durch die beantragte Ausdehnung der Steuerbegünstigung der gemeinnützigen Sportvereine auf „sportliche Maßnahmen" und „Nebenleistungen, die im Rahmen von sportlichen Maßnahmen und sportlichen Veranstaltungen dem Besucher- und Teilnehmerkreis angeboten werden", wie es in dem Antrag heißt, würden, ganz abgesehen von der Dehnbarkeit und Schwammigkeit der Begriffe „sportliche Maßnahmen" und „Nebenleistungen", Wettbewerbsverzerrungen geschaffen, die in eindeutigem Widerspruch zur Wettbewerbswirtschaft, zur Marktwirtschaft stehen. Darüber kann auch der müde Entschuldigungsversuch von Herrn Schäuble nicht hinwegtäuschen. ({1}) Wie ernst es die Opposition mit dem fairen Wettbewerb nimmt, wo es um Popularitätshascherei bei den Sportvereinen geht, wird daraus deutlich, daß die Opposition im Verlauf der Ausschußberatungen zunächst sogar zu § 65 der Abgabenordnung beantragt hat, alle - ich wiederhole: alle - wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe gemeinnütziger Vereine von der Steuerpflicht freizustellen, sofern nur der Gewinn aus diesen Geschäftsbetrieben uneingeschränkt den gemeinnützigen Zwecken des Vereins zugeführt werde. Erst unter dem Druck der nicht widerlegbaren Argumente der Koalition wurde dieser Antrag dann von Ihnen persönlich, Herr Kollege Schäuble, zurückgenommen. Und der Antrag, der jetzt zur Entscheidung ansteht, ist doch nichts anderes als ein verdünnter Aufguß jener Bemühungen. Dieser Antrag bezweckt nämlich, daß Einnahmen der Sportvereine - Sie haben das ja selber auch gesagt - aus Vereinsgaststätten, aus Bandenwerbung, aus Anzeigen in Stadionzeitungen und anderem mehr - der Phantasie sind hier ja bekanntlich keine Grenzen gesetzt, Herr Schäuble - im Rahmen der neuen Freigrenzen von der Besteuerung freigestellt werden, sofern der Einnahmeüberschuß für den gemeinnützigen Zweck des Vereins verwendet wird. Es liegt doch unbestreitbar auf der Hand: Auch eine solche Ausweitung des steuerlich unschädlichen Geschäftsbetriebs, so hilfreich dieser für viele Amateursportvereine sein mag - das will ich ja nicht bestreiten -, führt zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber dem Gaststättengewerbe, gegenüber der Werbewirtschaft und auch gegenüber der Anzeigenwirtschaft von Lokalzeitungen. Auf diese Gefahr der Wettbewerbsverzerrungen - dies haben wir ja nicht erfunden - haben auch der Deutsche Industrie- und Handelstag und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband eindeutig hingewiesen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger ({0})?

Gunter Huonker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000981, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Huonker sind Sie mit mir der Auffassung, daß die von Ihnen soeben dargelegten Ausführungen zeigen, daß Sie von den Verhältnissen unserer Sportvereine im ländlichen Raum wenig Ahnung haben? Denn dort sind die meisten Gastwirte selber Mitglieder des örtlichen Sportvereins und arbeiten dort mit, d. h. sie stellen ihre Leistungen oft unentgeltlich in den Dienst der Vereine. ({0})

Gunter Huonker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000981, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß ja nicht, Herr Jäger, wie häufig Sie auf Sportplätzen sind. Ich bin jedenfalls sehr oft auf Sportplätzen, auch im ländlichen Raum. Ich kann Ihnen nur sagen: Heute gibt es Vereinsgaststätten, die, begründet auf freiwilliger Mitarbeit und weil sie deshalb billiger sind, am Wochenende renommierten Speisegaststätten zum Teil schon erheblich Konkurrenz machen. Und wir können doch nicht sehenden Auges durch das Steuerrecht eine Wettbewerbsverzerrung einführen. Das ist doch völlig unmöglich! ({0}) Sie können nicht von Wettbewerbsrecht und Chancengleichheit reden und immer dann, wenn es zum Schwur kommt, derjenigen Gruppe, der Sie etwas Gutes tun wollen, ein Bonbon ans Hemd kleben. ({1}) -- Ich möchte jetzt fortfahren. ({2}) - Ich habe den Antrag sehr sorgfältig gelesen. Er ist ja so neu auch nicht. Wir haben darüber im Finanzausschuß wiederholt geredet. Im übrigen will ich betonen - das richtet sich gerade an Ihre Adresse, Herr Jäger -, daß der Antrag der CDU/CSU natürlich die großen Sportvereine besonders begünstigt, weil z. B. die Bandenwerbung bei ihnen für denjenigen, der wirbt, wesentlich attraktiver ist als bei den kleinen Fußball- oder Turnvereinen auf dem flachen Land, von denen Sie vorhin gesprochen haben. Hinweisen möchte ich noch, da mein Vorredner und der Initiator des Antrags der Opposition aus Baden-Württemberg stammt, darauf, daß der CDU- Finanzminister dieses Landes in einer Stellungnahme zu einem Antrag im Landtag von Baden-Württemberg vom 23. April 1975, Landtagsdrucksache 6/7484, festgestellt hat - ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren -: Sportvereine, die sich mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, z. B. Vereinsgaststätten, Trikot- und Bandenwerbung, Inseratengeschäften usw. am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligen, treten in Wettbewerb zu den voll steuerpflichtigen Betrieben der gewerblichen Wirtschaft. Würden diese Tätigkeitsbereiche gemeinnütziger Vereine von einer Besteuerung gänzlich freigestellt, wäre eine erhebliche Ausweitung der gewerblichen Betätigung nicht auszuschließen. Dem, was der Finanzminister der CDU in Baden-Württemberg gesagt hat, habe ich nichts hinzuzufügen. ({3}) Der Antrag ist deshalb aus Gründen der Wettbewerbsverzerrung abzulehnen. Die von der Opposition angestrebte Regelung hätte auch unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gleichbehandlung keinen rechtlichen Bestand. ({4}) Vor diesem Hintergrund - ich will das ganz offen sagen, Herr Schäuble - drängt sich mir der Eindruck auf, daß dieser Antrag im Bundesrat auch von den CDU/CSU-regierten Ländern keine Zustimmung erhält - zumindest nicht von Baden-Württemberg, wenn Herr Gleichauf bei seiner fachmännischen Auffassung bleibt und diese Auffassung nicht wegen der bevorstehenden Wahlkämpfe ändert - und daß er wahrscheinlich hier im Bundestag nur gestellt wird, weil er den Sportvereinen als angeblich populär verkauft werden kann, daß aber die Opposition über die Annahme gar nicht so glücklich wäre, weil sie sich sonst noch weniger glaubwürdig als bisher als d e r Anwalt des Mittelstands, besonders - wie es auch bei uns in Baden-Württemberg geschieht - als Anwalt des Gaststättengewerbes, aufspielen könnte. ({5}) Um das mit dem Antrag der Opposition angegangene Problem in die richtige Größenordnung zu rücken, möchte ich noch kurz auf eine allerdings nicht repräsentative Umfrage der Bundesregierung eingehen. Die Bundesregierung hat eine Umfrage bei fünf Finanzämtern in verschiedenen Bundesländern vorgenommen. Diese Umfrage hat ergeben, daß von 1 363 Vereinen nur 20 - das sind 1,5 % - zur Körperschaftsteuer, nur 25, also knapp 2 %, zur Gewerbesteuer und nur 184 Vereine - das sind 13,5 % - zur Umsatsteuer herangezogen werden. ({6}) Meine Damen und Herren, aus all diesen Gründen beantrage ich namens der SPD-Fraktion, den Antrag der Opposition abzulehnen. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vohrer. ({0})

Dr. Manfred Vohrer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002385, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich war es erstaunlich, daß der Abgeordnete Schäuble von dem Antrag zu § 68 Nr. 7 der Abgabenordnung die grundsätzliche Haltung der Parteien zum Sport ableiten wollte. Die FDP ist völlig unverdächtig bei der Frage: staatliche oder private Initiativen beim Sport. Die FDP wünscht keine staatliche Abhängigkeit. Das ist überhaupt keine Frage für uns. Aber wenn der Staat Subventionen gibt, also Mittel für den Sport bereitstellt, dann wollen wir das nicht mit der Gießkanne auf dem Wege steuerlicher Subventionen tun, sondern dann wollen wir dies gezielt tun und auch politisch verantworten, wohin diese Gelder gehen. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns noch in den Beratungen dazu entschlossen, jene steuerliche Freigrenze von 5 000 DM, die dann von dem Unterausschuß auf 10 000 DM angehoben wurde, auf 12 000 DM heraufzusetzen. Wir sehen darin eine gezielte Förderung für die Sportvereine. Die FDP hat sich in den Beratungen auch dafür eingesetzt, daß viele alte und überkommene Begriffe aus dem Sport eliminiert werden. Wir haben den Sport zeitgemäß abgegrenzt und den Motorsport mit einbezogen. Wir haben deshalb, wenn wir hier den Antrag der Opposition, den Sie, Herr Schäuble, begründet haben, ablehnen, keineswegs das Gefühl, daß wir uns damit sportfeindlich verhalten, sondern wir werden auch in der Diskussion draußen zeigen, daß wir mit dieser Maßnahme den Vereinen nützen, daß wir die Sportvereine steuerlich entlastet haben. Aber wir wollen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, auch daran erinnern, daß Sie mit diesem Antrag einmal mehr gegen Ihren Grundsatz verstoßen haben, in diesem Hohen Hause bei der jetzigen Haushaltslage keine Anträge mehr zu stellen, die dazu führen, daß die Einnahmen vermindert oder die Ausgaben erhöht werden. Der Antrag, den Sie hier vorbringen, würde dazu führen, daß Einnahmeausfälle in der Größenordnung von mindestens 50 Millionen DM entstünden. ({1}) Dabei ist überhaupt noch nicht sicher, wie viele sich noch zusätzlich in dieses steuerliche Schlupfloch hineinschmuggeln würden, was Sie sicherlich genausowenig wollen wie wir. Wir haben den Eindruck, daß Sie angesichts der faszinierenden Zahl von 41 000 Vereinen und der eindrucksvollen Zahl der Mitglieder dieser Vereine das Gefühl hatten, einen populären Antrag stellen zu müssen. Wir haben ferner den Eindruck, daß Sie in Ihren mittelständischen Kreisen keineswegs ungeteilte Zustimmung zu diesem Antrag finden. ({2}) - Ja, wir warten auf die Abstimmung. Wir sind wirklich daran interessiert zu erfahren, ob Sie geschlossen für den Antrag stimmen. Wenn Sie geschlossen dafür stimmen, dann wird das für uns ein wichtiges Zeichen dafür sein, wie Sie zu der Ordnungspolitik nicht mehr stehen, als deren Erfinder Sie sich hier immer aufspielen. ({3}) Sie spielen sich doch hier in der Debatte immer wieder als die Hüter der Marktwirtschaft auf, und andererseits stellen Sie Anträge, die geeignet sind, Wettbewerbsverzerrungen herbeizuführen und die Prinzipien der Marktwirtschaft zu unterlaufen. Wir können solche Anträge nicht mittragen. Wir wollen keine Duty-Free-Shops auf jedem Sportplatz. Wir wollen, daß den kleinen Vereinen geholfen wird. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Wende.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil Herr Dr. Schäuble mit vielen schönen Worten von der Bedeutung der Sportvereine und ihrer Mitarbeiter gesprochen hat, möchte ich doch einiges richtigstellen. Es ist keineswegs so, daß wir als Vertreter der Sozialdemokratie in der Sitzung der Deutschen Sportkonferenz am 18. Oktober 1974 nicht unsere unterschiedlichen Auffassungen klar dargelegt und deutlich gemacht haWende ben, daß wir eben nicht pauschal diese Maximalforderungen mittragen und miterfüllen können. Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, stellt man fest, daß man nachdrücklich vor Bestrebungen warnen muß, den Amateursportvereinen steuerrechtlich Lasten aufzubürden, die vor allem gerade den Mitarbeitern und hier den ehrenamtlichen Mitarbeitern mehr Schwierigkeiten als Erleichterungen bringen. So ist auch hier der von der CDU/CSU gestellte Änderungsantrag dazu geeignet, den Amateursport - auf diesen kommt es uns ja an - weiter in den Problemkreis der zunehmenden Kommerzialisierung hineinzuziehen und ihn außerdem in Konkurrenzsituationen - es ist schon darauf hingewiesen worden - mit der gewerblichen Wirtschaft zu bringen, so z. B. gegenüber dem Gaststättengewerbe. Unsere Sportpolitik ist von dem Bestreben bestimmt, auch im Steuerrecht Vergünstigungen sicherzustellen - das liegt in diesem Gesetzentwurf nunmehr vor -, aber Vergünstigungen, die im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des Sportes gerechtfertigt und vor allem praxisbezogen sind. Der bisherige Verlauf der mehrjährigen Beratungen zur Reform der Abgabenordnung hat uns allerdings die Gewißheit gegeben, daß die CDU/CSU mit den tatsächlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten des Vereinssports auch in ländlichen Gebieten, in kleineren und mittleren Vereinen offenbar nur mäßig vertraut ist. Diesen Eindruck mußte man teilweise auch von sogenannten Interessenvertretern gewinnen. Wenn ich mir vorstelle, in welche Rolle man z. B. einen ehrenamtlichen Vereinskassierer durch die sichtbar gewordene Perfektionierung der steuerlichen Bestimmungen für den Sport bringt, so bleibt doch nur die Schlußfolgerung, daß vor allem die Länder und Gemeinden neben den Zuschüssen zur Übungsleiterhonorierung, die sie jetzt schon erbringen müssen, eines Tages ähnliche Finanzhilfen für die Beschäftigung von Steuerberatern für die Amateursportvereine gewähren müssen. Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch einmal auf eine Entwicklung im Sport aufmerksam machen, die wir seit vielen Jahren mit einiger Sorge betrachten - Ihr Antrag würde ein Schritt in diese Richtung sein -, nämlich die sportlichen Zielsetzungen und die wirtschaftlichen Interessen des Amateur- und Berufssports, die sich in Ihrer Vorstellung miteinander verquicken müßten, die sich aber nach unserer Einschätzung bereits so weit auseinanderentwickelt haben, daß wir eine klare juristische und steuerrechtliche Trennung für sehr überlegenswert halten. Damit wird keine Bewertung des einen oder des anderen Sportbereichs vorgenommen. Vielmehr sollten wir vor den wirklichen Gegebenheiten und den vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen des Sports nicht die Augen verschließen. Wir stimmen sicherlich darin überein, daß wir die Amateursportvereine nicht zu Dauerkunden der Finanzämter machen wollen. So wie beispielsweise eindeutige Differenzierungen zwischen dem Amateurfußball und dem Berufsfußball vorgenommen werden müssen, so ist es nicht vermessen, wenn man bereits die Tendenz zu ähnlichen Entwicklungen in anderen Sportarten, z. B. im Eishockey, voraussagt. Die in den letzten Tagen auch in der Presse deutlich gewordenen Diskussionen um Ablösesummen und um Gemeinnützigkeit im Eishockeysport bestätigen die Richtigkeit unserer Einschätzung. Weil wir die Amateursportvereine bei ihrer wirklichen Aufgabenerfüllung unterstützen und fördern wollen, damit sie im Interesse der Gesamtbevölkerung vielfältige sportliche Angebote entwickeln können, sehen wir in den Bestrebungen der CDU/CSU einen Weg in die falsche Richtung. Aber dies, Herr Kollege Schäuble, muß man wahrscheinlich im Gesamtzusammenhang mit der Sportpolitik der Oppositionsparteien überhaupt sehen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, aber die mangelnde Qualität der gegen unseren Antrag vorgetragenen Argumente nötigt mich doch, ({0}) einige Verdrehungen und Entstellungen, die Sie erneut vorgebracht haben, richtigzustellen. Zunächst einmal, Herr Kollege Wende, bin ich besonders betroffen darüber, daß Sie, der Sie ja ein Mitglied der Deutschen Sportkonferenz sind, hier persönlich gegen einen Antrag gesprochen haben, der eine Entwicklung aus dem ist, was einstimmig in der Deutschen Sportkonferenz beschlossen worden ist. ({1}) Sie stehen ja in der Schwierigkeit, außerhalb dieses Hohen Hauses ganz andere Dinge vertreten zu haben und zu vertreten als in diesem Hohen Hause. Wenn Sie das aber so machen, meine Damen und Herren von der Koalition, sollten Sie unseren Antrag nicht danach beurteilen, bei welchen Gruppen der Bevölkerung er vielleicht mehr und bei welchen Gruppen er weniger Zustimmung finden könnte. Dies ist nicht unser Anliegen. Unser Anliegen war es und ist es weiterhin, in der Sache eine richtige Entscheidung zu treffen. Daß dieser Antrag, Herr Kollege Wende, ein Beitrag zu einer weiteren Kommerzialisierung im Bereich des Sports sei, ist ja nun wirklich das allerletzte, was gegen diesen Antrag vorgetragen werden kann. Sie müßten das ein bißchen genauer wissen. Die Sportvereine sind doch, wenn sie nicht mit genügend eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet sind, in der Gefahr, in Abhängigkeit vom Staat oder von kommerziellen Betrieben zu geraten. ({2}) Jeder, der einen Beitrag dazu leistet, die Eigenfinanzierung der Sportvereine zu stärken, bekämpft die Kommerzialisierung im Sport. ({3}) Verehrter Herr Kollege Vohrer, bezüglich unserer ordnungspolitischen Grundsatztreue brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich kann Ihnen nur in aller Einfachheit noch einmal klarmachen, daß es doch unserem Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft, unseren Vorstellungen vom Subsidiaritätsprinzip entspricht, gesellschaftspolitische Aufgaben nicht durch den Staat und staatliche Bürokratie, sondern durch freie Gruppierungen dieser Gesellschaft erfüllen zu lassen. ({4}) Meine verehrten Damen und Herren von der Koalition, gibt es denn einen Bereich in unserem gesellschaftlichen Leben, in dem mehr als im Sport eminent wichtige sozial-, bildungs- und gesundheitspolitische Aufgaben unserer Gesellschaft nicht durch den Staat, sondern durch unzählige freiwillige, engagierte Helfer erfüllt werden? Diese wollen wir stützen und stärken, aber nicht schwächen, wie Sie das vorhaben. ({5}) Herr Kollege Vohrer, Sie haben davon gesprochen, daß ja die Besteuerungsfreigrenzen für die Vereine nach der Ausschußfassung einigermaßen, nämlich auf 12 000 DM, angehoben werden. Sie müssen dann aber der Ehrlichkeit halber doch auch zugeben, daß diese Anhebung von 8 000 über 10 000 auf 12 000 DM im Finanzausschuß des Bundestages ja nur möglich geworden ist, weil wir Sie mit unserem Antrag bedrängt haben und weil Sie wenigstens ein Stück weit unseren Vorstellungen entgegenkommen wollten. ({6}) - Herr Kollege Meinike, wenn Sie dies bestreiten wollen, müßten Sie mir einmal erklären, warum Sie von den 8 000 DM, die wir zuerst im Unterausschuß und im Finanzausschuß beschlossen hatten, ({7}) auf 10 000 DM gegangen sind; und am Schluß sind Sie unter dem Eindruck meiner Argumente im Finanzausschuß sogar auf 12 000 DM gegangen. ({8}) - Herr Kollege Huonker, ich glaube, Sie waren sogar dabei; Sie müßten es wissen. Es war schließlich die Ausschußvorsitzende, die unter dem Eindruck unserer Argumente die Streichung der 50 %-Grenze bei den Beratungen vorgeschlagen hat. Herr Kollege Huonker, Sie haben ja von der nun wirklich fast lachhaften Statistik des Bundesfinanzministeriums gesprochen, für die man bei fünf der unzähligen Finanzämter im Bundesgebiet eine Umfrage gemacht hat. Fünf sind da ja wirklich eine statistische Basis!! Da kann ich Ihnen nur sagen - ({9}) - Sie haben es doch erwähnt. Wenn Sie es selber für dummes Zeug halten, dann erwähnen Sie es doch besser nicht in diesem Hohen Hause. Aber ein Punkt unseres Antrags ist ja gerade auch, daß wir dafür sorgen wollen, daß die Sportvereine es in Zukunft ein bißchen leichter mit dem Problem der Steuerehrlichkeit haben. Denn, meine Damen und Herren, wir können doch nicht die Augen davor verschließen, daß heute in unzähligen Vereinen alle möglichen Winkelzüge und Anstrengungen unternommen werden müssen, um das Minimum zur Aufrechterhaltung des Amateursportbetriebs sicherzustellen. Herr Kollege Vohrer, den Steuerberater brauchen sie doch heute, aber gerade dann nicht mehr, wenn unser Antrag so verwirklicht werden sollte. ({10}) Im übrigen, Herr Kollege Huonker, haben Sie wieder einmal meinen verehrten Parteifreund, den Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Gleichauf, zitiert. Ich finde es sehr verdienstvoll, wenn Sie ihn hier möglichst oft zitieren. Nur haben Sie ihn in einer sehr unfairen Weise zitiert. Sie haben ihn mit der Antwort auf eine Anfrage zitiert, die sich überhaupt nicht auf diesen Antrag bezogen hat. Er hat zu jenen Formulierungen Stellung genommen, die von der Deutschen Sportkonferenz mit Ihrer Zustimmung beschlossen worden sind. Über diese Empfehlungen haben wir ja im Finanzausschuß des Bundestages lange beraten. Es ist richtig, daß Sie uns Ihre Gegenargumente vorgetragen haben. Es ist auch richtig, Herr Kollege Meinike, daß wir auf Grund Ihrer Gegenargumente eine Neuformulierung vorgeschlagen haben, daß wir statt der Ergänzung in § 65 Abs. 2 diese Neuformulierung zu § 68 Nr. 7 vorgeschlagen haben. Nur, Herr Kollege Huonker, was ich nun überhaupt nicht verstehe, ist folgendes: Wenn wir schon Ihren Bedenken, soweit sie in der Sache ein Stück weit begründet sind, durch eine Neuformulierung Rechnung getragen haben, warum halten Sie uns gerade dies nun in dieser Debatte vor? Dies finde ich ausgesprochen töricht. Sie sagen, wir hätten zwar Ihren Bedenken Rechnung getragen, aber in der Sache sei unser Antrag noch immer das alte Anliegen. Das ist völlig richtig. Aber Sie sagen doch auch, in der Sache würden Sie uns zustimmen. Wenn Sie in der Sache den Sportvereinen helfen wollen, selbst durch Eigeninitiative Mittel für ihre Arbeit aufzubringen - Sie behaupten ja, Sie wollten dies - und wenn wir durch die Neuformulierung Ihren Bedenken Rechnung getragen haben, dann müssen Sie mir einmal erklären, warum Sie noch immer diesem Antrag nicht zustimmen wollen. ({11}) Sie haben, solange Sie gesprochen haben, kein vernünftiges Argument, das auf Wettbewerbsverzerrungen schließen lassen würde, vorgetragen. Sie haben ein einziges genannt. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Huonker, hätten Sie aber, wenn Sie es vorher nicht wußten, wenigstens etwas lernen können, nachdem ich hier zur Begründung unseres Antrags gesprochen hatte. Es ist eben einfach nicht wahr, daß wir reguläre Gaststätten, die von Sportvereinen betrieben werden, durch diesen AnDr. Schäuble trag von der Besteuerung ausnehmen. Lesen Sie doch einmal den Antrag auf der Drucksache 7/4344! Dann werden Sie doch mit einem Funken von Verstand in steuerrechtlichen Dingen nicht behaupten wollen, daß eine reguläre Gaststätte eines Sportvereins, die während der ganzen Woche der Öffentlichkeit offensteht, eine Nebenleistung sein könne, die im Rahmen einer sportlichen Maßnahme oder sportlichen Veranstaltung angeboten wird. ({12}) Wenn Sie dies weiterhin behaupten, dann sprechen Sie wider besseres Wissen. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Es gibt keinen vernünftigen Grund zu der Besorgnis, daß die Annahme dieses Antrags zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Es gibt lediglich den Grund zu der Besorgnis, daß die Ablehnung dieses Antrags die Eigenständigkeit der Vereine und die Möglichkeiten, ihre gemeinnützigen Zwecke und ihre Arbeit zu erfüllen, weiter schwächen wird. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. ({13})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es besteht ja bei keinem von uns ein Zweifel daran, daß wir dem Sport gerne helfen möchten. Es besteht in diesem Hause, so glaube ich, auch kein Zweifel daran, daß man der privaten Initiative auf allen Gebieten, in denen Gemeinnützigkeit geübt wird, auch weiter helfen soll. Aber darum, Herr Kollege Schäuble, habe ich die Frage, warum Sie einen allgemeinen Grundsatz aufstellen, aber mit Ihrem Antrag lediglich den Sport fördern wollen. Es gibt doch eine große Fülle von anderen gemeinnützigen Aktivitäten in unserem Lande. Die Träger dieser Aktivitäten werden sich natürlich mit einiger Sorge an Sie wenden und fragen, warum denn eigentlich nur gewerbliche Tätigkeiten des Sports und nicht etwa solche im Sozialbereich steuerlich begünstigt werden sollen, während andere gemeinnützige Einrichtungen - und jeder kann sich eine Reihe vorstellen - diese Vergünstigung nicht bekommen sollen. Damit beschwören sie eine echte Ungleichbehandlung herauf, die zweifelsohne zu Berufungen und zu Fragen führen wird, denen wir uns dann stellen müssen. Möglicherweise müssen wir die Schleuse dann völlig öffnen. Aus guter Kenntnis kann ich Ihnen versichern, daß sich da allerhand arrangieren läßt, schließlich wird sich das ganze Wirtschaftsleben über gemeinnützige Vereine abwickeln. Da müssen Sie uns schon sagen, wie Sie die Abgrenzung des einen als gemeinnützig gegen die anderen bei sonst bestehendem Wettbewerb rechtfertigen wollen. Wenn Sie sagen, Herr Schäuble, darin lägen keine Wettbewerbsverzerrungen, so muß ich dem entgegenhalten: Verkauf ist Verkauf. Der Wettbewerb ist nicht eine Frage der Rechtsform, sondern ergibt sich dort, wo der die gleiche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt wie der andere, nur daß der eine es unter steuerlicher Belastung, der andere hingegen ohne steuerliche Belastung tut und der Letztere dadurch einen Wettbewerbsvorteil hat. ({0}) Bei allem Verständnis für die gute Motivation können wir daher Ihren Antrag aus den genannten Gründen nicht annehmen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu diesem Antrag liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/4344 der Fraktion der CDU/CSU. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? ({0}) - Meine Damen und Herren, wir wiederholen die Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. Ich kann das dann besser übersehen. - Gegenprobe! - Danke. Enthaltungen? - Das Präsidium ist sich einig: Das Zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. ({1}) Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung über § 68 in der Ausschußfassung. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr die §§ 69 bis 140 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe § 141 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/4345 vor. Hierzu gibt es die Wortmeldung des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim. - Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter. von Alten-Nordheim ({2}) : Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/ CSU-Fraktion beantragt auf Umdruck 7/4345 zu § 141 der AO-Reform, die Buchführungspflichtgrenze anstatt auf 15 000 DM, wie im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, auf 18 000 DM anzuheben. Wie bereits im mitberatenden Agrarausschuß und im federführenden Finanzausschuß zum Ausdruck gebracht, ist die CDU/CSU-Fraktion der Meinung, daß eine Anhebung der Buchführungspflichtgrenze um nur 3 000 DM von bisher 12 000 DM auf jetzt 15 000 DM ab 1. Juli 1974 keinesfalls ausreicht, um den Status quo zu erhalten, wie es die Ansicht der Regierungsparteien ist. Gerade um den Besitzstand zu wahren, müßte zumindest eine Anhebung auf 18 000 DM erfolgen. Dies ist erforderlich, um den geänderten Bestimmungen zur Durchschnittssatzge14042 von Alten-Nordheim winnermittlung im Rahmen des § 13 a des Einkommensteuergesetzes Rechnung zu tragen. Diese neue Ermittlung führt zu einer nicht unerheblichen Anhebung der Gewinne der nach den Durchschnittssätzen besteuerten Landwirte, weil der Grundbetrag und der Wert der Arbeitsleistung erhöht wurden, der Ansatz des Wertes für die Leitung des Betriebes verändert und der Nutzungswert der Wohnung mit 1/18 des Wohnungswertes einbezogen wurde. Um so unverständlicher ist es, daß dieser Entwicklung von seiten der Regierungsparteien nur in so ungenügender Form Rechnung getragen wird. Wenn die AO-Reform auch sicher nicht das Generationenwerk wird, als das sie so zukunftsträchtig angekündigt wurde, so darf doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Reform der AO ihrem Wesen nach für einen längeren Zeitraum Gültigkeit haben muß. Die Abgabenordnung kann nicht - wie die Ertragsteuergesetze - einer laufenden Abänderung im Rahmen der Jahressteuergesetze unterliegen. Sie darf also nicht, wie leider viele der jüngsten Steuergesetze, die häufig auf Termine fixiert, hektisch und wenig seriös verabschiedet wurden und schon bald danach wieder novelliert werden mußten, in ihren Daten nur auf kurze Frist ausgerichtet sein. ({3}) Gerade aus diesem Grunde sollte man auch hier in § 141 eine Buchführungspflichtgrenze ansetzen, die für einen längeren Zeitraum Bestand hat ({4}) und nicht bei der Verabschiedung des Gesetzes in Wirklichkeit schon überholt ist. Wenn die Regierungsparteien bisher trotzdem nicht bereit waren, dieser Notwendigkeit zu folgen, so muß sich zwangsläufig die Frage stellen, ob nicht mit der AO-Reform hintenherum der Versuch unternommen werden soll, an der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für Land- und Forstwirte etwas zu ändern, was eigentlich nur im Rahmen einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen, also des § 13 a des Einkommensteuergesetzes geschehen kann. Meine Damen und Herren, hierzu sollte die AO-Reform keinesfalls mißbraucht werden. Die CDU/CSU-Fraktion wird dazu ihre Hand nicht reichen. In diesem Zusammenhang wäre es, um den bisherigen Besitzstand zu wahren, auch erforderlich gewesen, die Vermögensgrenze von bisher 100 000 DM auf 130 000 DM anzuheben, wozu sich bedauerlicherweise niemand in der Koalition bereit finden wollte. Die teilweise enormen Erhöhungen der Einheitswerte gerade bei Kleinbetrieben, bedingt durch den sich in diesen Betrieben überproportional auswirkenden erhöhten Wohnungswert, führen zum Teil schon bei Betrieben von 18 ha zur Überschreitung der Vermögensgrenze und machen den Betrieb damit buchführungspflichtig. An dieser Stelle scheint es mir notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, daß die CDU/CSU-Fraktion während der Beratungen zum dritten Steuerreformgesetz von der Regierung verlangt hat, sie solle jährlich einen Finanzbericht vorlegen, um rechtzeitig notwendige Fortschreibungen und Anpassungen vornehmen zu können, und daß diesem Verlangen im Vermittlungsausschuß Rechnung getragen wurde. Angesichts der schon heute überholten Ansätze in § 141 fordert die CDU/CSU-Fraktion hinsichtlich der in der AO festgelegten Grenzen, die AO in den Finanzbericht mit einzubeziehen. ({5}) Im übrigen wurde bereits in den Beratungen des Finanzausschusses von der CDU/CSU-Fraktion mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die neue Buchführungspflichtgrenze rückwirkend mit dem Inkrafttreten des § 13 a des Einkommensteuergesetzes, d. h. ab 1. Juli 1974, wirksam werden muß. Dies soll und muß im Einführungsgesetz zur AO verankert werden. Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß die betroffenen GDL-Landwirte kein Verständnis dafür aufbringen werden, daß man mit Hilfe der AO-Reform versucht, in der Steuergesetzgebung Korrekturen anzubringen, die ausschließlich Angelegenheiten der Steuergesetzgebung selbst sind. Gerade die vielen kleinen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe müssen enttäuscht feststellen, daß die Bundesregierung im Rahmen des einzelbetrieblichen Förderungsprogrammes die Förderschwelle mehrfach - mittlerweile auf 26 000 DM Gewinn angehoben hat, was in den meisten Regionen dazu geführt hat, daß kaum noch 10 % der betroffenen Betriebe diese Förderschwelle erreichen, ({6}) um in den Genuß von Förderungen zu kommen, die gleiche Bundesregierung aber mit zweierlei Maß mißt, wenn sie die Buchführungspflichtigen nur auf 15 000 DM Gewinn abstellt, was zukünftig zu einer erheblichen finanziellen Belastung besonders der kleineren Landwirte führen wird. Hier kann man in Wahrheit nicht von der vielzitierten Ausgewogenheit sprechen. Die CDU/CSU-Fraktion hält es daher für dringend notwendig, die Buchführungspflichtgrenze für Land- und Forstwirte auf 18 000 DM anzuheben. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schreiber.

Heinz Schreiber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! wenn wir dem Antrag der CDU/CSU so, wie es gewünscht worden ist, folgen und die Grenze auf 18 000 DM festlegen, fallen ca. 20 000 landwirtschaftliche Betriebe aus der Buchführungspflicht heraus, und der Steuerausfall beträgt 35 Millionen DM. Weder unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit noch gemessen an der allgemeinen agrarpolitischen Zielsetzung ist ein solches Ergebnis zu rechtfertigen. Die Erhöhung der Pflichtgrenze auf 15 000 DM, wie sie von der Koalition beschlossen worden ist und wie sie auch im Ernährungsauschuß befürSchreiber wortet wurde, gewährleistet nach unserer Ansicht, daß die Zahl der buchführungspflichtigen Landwirte konstant bleibt. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit, nämlich im Sinne der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen, hätte die im Regierungsentwurf vorgesehene Grenze von 12 000 DM eigentlich beibehalten werden müssen. ({0}) Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich aber aus agrarpolitischen Rücksichten und aus Gründen der Zumutbarkeit dazu entschlossen, einer Erhöhung auf 15 000 DM und damit der Erhaltung des Status quo zuzustimmen. Der Hinweis ides Bauernverbandes auf die höhere Gewinngrenze von 24 000 DM bei Gewerbetreibenden ist für uns nicht durchschlagend. Die Gewinnermittlung erfolgt unterschiedlich, und die Landwirtschaft ist im Vergleich begünstigt. ({1}) Die Subventionswirkung liegt in der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen und beträgt mehr als 50%., die so ermittelten Gewinne erreichen in der Regel kaum 40% der tatsächlichen Gewinne. Die Bundesregierung schätzt die Subventionswirkung laut 5. Subventionsbericht für das Jahr 1976 auf 750 Millionen DM. Wenn wir von 50 % ausgehen, entspricht mithin ein nach Durchschnittssätzen ermittelter Gewinn von 15 000 DM einem tatsächlichen Gewinn von rund 30 000 DM. Erst von diesem Gewinnbetrag an ist die Landwirtschaft zur Buchführung verpflichtet. Für den Gewerbetreibenden beginnt die Buchführungspflicht aber schon bei einem Gewinn von 24 000 DM. Der Antrag der CDU/CSU führt somit dazu, daß sich die Gefahr einer Ungleichbehandlung ,der Steuerpflichtigen stark vergrößert. Den aus einer solchen steuerlichen Ungleichbehandlung entstehenden Unmut will die sozialdemokratische Fraktion nicht provozieren. Wir meinen vielmehr, daß es dem Ansehen der Landwirtschaft schadet, wenn sie in den Verdacht gerät, durch steuerliche Sonderbehandlung Vorteile gegenüber anderen zu ergattern. Wir bitten Sie daher, den Antrag auf Drucksache 7/4345 abzulehnen. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vohrer.

Dr. Manfred Vohrer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002385, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Aussagen des Kollegen von Alten-Nordheim waren einige Tendenzen enthalten, die hier richtiggestellt werden sollten. Der Grundbetrag ist nur zum Teil höher, zum Teil niedriger und beträgt ein Zwölftel der Einheitswerte. Die Arbeitsleistungen pro Arbeitskraft, die dem GDL zugrunde liegen, liegen zwischen 4 400 DM und 4 800 DM, wohingegen im Agrarbericht die tatsächliche Arbeitsleistungen mit der Größenordnung zwischen 12 000 DM und 15 000 DM angesetzt werden, so daß hier deutlich wird, welcher Subventionscharakter in dem GDL-Schlüssel steckt. Darüber hinaus ist es so, daß die Wohnungswerte und die Einheitswerte, die hier zum Ansatz kommen, weit unter den durchschnittlichen Sätzen in den anderen Bereichen liegen. Ich möchte hier nur zwei Zahlen nennen: Baden-Württemberg hat in der Landwirtschaft einen durchschnittlichen Einheitswert von 6 700 DM und Bayern von 5 700 DM.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Dr. Manfred Vohrer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002385, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Niegel!

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Vohrer, wollen Sie mit dem Hinweis auf die Subventionen die Drohung verbinden, die kürzlich schon an die Landwirtschaft gerichtet wurde: Wenn Ihr nicht ... , können wir ja GDL erhöhen?

Dr. Manfred Vohrer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002385, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Niegel, Sie sollten hier doch sehen, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir wollen nämlich ganz deutlich sagen, daß wir mit der jetzigen Abgabenordnung keine Agrarpolitik machen wollen - weder in der Richtung, daß wir, wie Sie es wollen, die Steuerungerechtigkeit zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben - die Problematik der inneren Disparität haben Sie noch gar nicht erkannt - vergrößern wollen, noch in der Richtung, daß wir mit unserem Antrag die Landwirte vom unternehmerischen Verhalten wegführen. ({0}) Aus diesem Grunde machten wir mit der Erhöhung von 12 000 DM auf 15 000 DM einen Vorschlag, mit dem wir die Zahl der GDL-Landwirte konstant lassen, und dies war auch unser politisches Ziel und, Herr Niegel, wir wollten hier nicht eine Gruppe belasten oder ein Damoklesschwert über sie hängen, und wir wollten auch nicht via AO Agrarpolitik machen. Eines aber sollten Sie im Zusammenhang mit Ihrem Antrag bedenken: Wenn wir hier einer Gruppe ein steuerliches Privileg gewähren, das durch Ihren Antrag wesentlich vergrößert wird, d. h. es werden Einkommen, die bislang mit 15 000 DM besteuert wurden, real aber rund 30 000 DM betragen, zukünftig auf 18 000 DM angehoben werden, was real 36 000 DM ausmacht, dann führen Sie anderen gesellschaftlichen Gruppen gegenüber eine steuerliche Ungerechtigkeit ein, die den gesellschaftlichen Druck gegen den GDL anwachsen läßt, einen Druck, den Sie im Moment gar nicht abschätzen können. ({1}) Deshalb sollten Sie, wenn Sie der Landwirtschaft helfen wollen - das unterstelle ich Ihnen, Herr von Alten-Nordheim -, hier nicht einen Tatbestand schaffen, der die Begehrlichkeit anderer Gruppen vergrößert, die Kritik an der steuerlichen Gerech14044 tigkeit hervorruft und zu sozialen Spannungen führt, wie sie Herr Niegel angeschnitten hat, wodurch letztlich der GDL-Schlüssel tatsächlich ins Wanken kommt. Ich wollte deshalb darauf hinweisen, daß Ihr Beispiel mit den 18 Hektar konstruiert ist. Wir gehen davon aus, daß die Größenordnung von 25 Hektar weit realistischer ist, daß also Betriebe bis zu 25 Hektar noch in den GDL-Schlüssel fallen. Wer das Protokoll des Finanzausschusses aufmerksam durchliest, wird feststellen, daß ich für meine Fraktion den Antrag gestellt habe, daß wir die Landwirte nicht auf Grund der zeitlichen Verschiebung zwischen der neuen AO und dem § 13 a des Einkommensteuergesetzes für kurze Zeit aus der Gruppe der GDL-Landwirte ausklammern, mit der Folge, daß sie nachher nicht mehr in den GDL- Schlüssel zurückkommen. Aus diesem Grunde wollen wir die beiden Gesetze zeitlich synchron schalten und über ein Einführungsgesetz verhindern, daß solche, politisch ungewollten Tatbestände hier zum Tragen kommen. Alles in allem kann man hier sagen, daß wir den Landwirten über die jetzige Regelung, die wir hier politisch vertreten, eine gerechte Behandlung zukommen lassen wollen, daß wir aber auch andererseits dem haushaltspolitischen Kriterium gerecht werden wollen und nicht neue Quasi-Subventionen schaffen wollen. Mein Kollege Schreiber hat es erwähnt: Es geht immerhin um 35 Millionen DM Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen des Staates. Sie sollten, wenn Sie unsere Haushaltspolitik immer wieder kritisieren, auch beachten, daß Sie nicht laufend Anträge stellen, die das Haushaltsdefizit vergrößern. Aus diesem Grunde lehnt die Fraktion der FDP den Antrag der Opposition ab. Wir sagen hier in aller Deutlichkeit, daß wir damit eine agrarfreundliche Lösung vorlegen und aufgrund Ihrer Anträge nicht in die falsche Richtung marschieren. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/4345. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 141 in der Ausschußfassung. Wer der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltung? - Einstimmig angenommen. Ich rufe die §§ 142 bis 415 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. In der dritten Beratung hat das Wort der Herr Abgeordnete Meinike.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich nach dieser Debatte über die beiden vom Herrn Kollegen Alten-Nordheim begründeten Anträge der Opposition nunmehr den Versuch mache, die Bedeutung des Gesetzes zur Reform der Abgabenordnung noch einmal recht deutlich zu unterstreichen. Es ist, wie ich meine, nicht nur die langjährige und gründliche Beratung dieses Gesetzentwurfs, für die vielen Mitstreitern auch außerhalb des parlamentarischen Bereichs zu danken ist, die diese öffentliche Herausstellung verdient. Dieses Gesetz ist für Millionen Bürger in unserem Lande von Bedeutung. Es ist eigentlich bedeutsam für uns alle; denn es bestimmt entscheidend mit, von welcher Rechtsposition aus und in welcher Atmosphäre sich Steuerzahler und Finanzbehörden gegenübertreten. Sicher, es geht hier heute nicht um konkrete Steuersätze, um Freibeträge, um Bemessungskriterien. Aber auch dieses Steuergesetz, das nicht zu Unrecht die Bezeichnung „steuerliches Grundgesetz" trägt, entscheidet darüber, ob wir dem Ziel eines sozialen und modernen Steuerrechts näherkommen. Es ist deshalb die Frage gestellt, ob die neue Abgabenordnung diesen von mir genannten Anspruch erfüllt. Bevor ich diese Frage beantworte, gestatten Sie mir persönlich dazu noch aus einem ganz besonderen Anlaß heraus, einige wenige historische Betrachtungen anzustellen, auf die der Herr Kollege von Bockelberg schon eingegangen ist. Heute genau auf den Tag vor sechs Jahren wurde in einem Festakt in Berlin des 50. Geburtstages der Abgabenordnung gedacht. Just zu diesem 50. Geburtstag hat der Arbeitskreis für die Steuerreform damals seinen Abschlußbericht vorgelegt. Er hat damit, wie ich meine, auch in Würdigung der Bedeutung und der Dauerhaftigkeit des Gesetzes die Möglichkeiten geschaffen, das Abgabenrecht von den Sünden bestimmter Zeitabschnitte voll zu befreien und den gesellschaftlichen und politischen Wandlungen des modernen Industriestaates Rechnung zu tragen. Auf den Tag genau sechs Jahre später, am 27. November des Jahres 1975, berät und, wie ich hoffe, beschließt der Deutsche Bundestag die neue Abgabenordnung. ({0}) Diese intensiven langjährigen Beratungen lassen für uns - ich nehme an: vor allen Dingen für die Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschusses - die Erwartung zu, daß für ein Steuergesetz diesmal sofort die positive Zustimmung zu erhalten ist, die, wie ich meine, auch andere Steuergesetze der letzten Vergangenheit schon sofort nach ihrer Verabschiedung verdient gehabt hätten. Die von mir beanspruchte positive Beurteilung des Gesetzes möchte ich an einigen Grundfragen darlegen: Das erste Anliegen: Die Abgabenordnung soll wieder ein Mantelgesetz werden. Meinike ({1}) Wie mir scheint, ist dieses Anliegen durch die Aufnahme fast aller bisherigen Nebengesetze in die Abgabenordnung erfüllt. Das zweite Anliegen: Verbesserung der Systematik und die weitgehende Übereinstimmung mit dem allgemeinen Verwaltungsrecht. Die Erfüllung dieses Anliegens ist durch eine überschaubare Gliederung und eine weitgehende Angleichung der Abgabenordnungsvorschriften an die Bestimmungen des Entwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes gewährleistet. Das dritte Anliegen: Herstellung eines gerechten Ausgleichs zwischen den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das ist einmal durch die Verkürzung der Verjährungsfrist bei den Besitz- und Verkehrssteuern von fünf auf vier Jahre erfüllt - ich stimme dem Kollegen von Bockelberg zu, daß die weitere Verkürzung auf drei Jahre im Hinblick auf eine weitere Korrektur in diesem Punkte durchaus vorgemerkt ist -, zum anderen erwarten wir insbesondere von der Neufassung der Bestimmungen über die Form und den Inhalt der Steuererklärungen, die vor allen Dingen der technischen Entwicklung Rechnung trägt und die Voraussetzungen für eine Selbstveranlagung schafft, einen gerechten Interessenausgleich. Nicht zuletzt soll die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung eine möglichst rasche Festsetzung der Steuern und damit eine gleichmäßige Fälligkeit von Erstattungen und Nachzahlungen ermöglichen. ({2}) Sie dient damit in besonderem Maße der materiellen Steuergerechtigkeit. Das vierte Anliegen: Bessere Abgrenzung der Rechte der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltungen und Ausbau des Vertrauensschutzes. Diesem Anliegen entspricht der Entwurf ebenfalls, und zwar durch die gesetzliche Regelung der Aufgaben und Befugnisse der Steuer- und der Zollfahndung, durch ausführliche gesetzliche Regelung der Außenprüfung und durch die Aufnahme einer Bestimmung hinsichtlich bestimmter verbindlicher Zusagen im Anschluß an eine Außenprüfung. Meine Damen und Herren, diese Liste könnte ich noch ein wenig fortsetzen. Ich will darauf verzichten, weil es mir notwendig erscheint, noch auf einige Schwerpunkte dieses Gesetzes einzugehen. In dem vorliegenden schriftlichen Bericht wird bereits darauf hingewiesen, daß die Fragen der Gemeinnützigkeit zu den Schwerpunkten der Beratungen gehörten. Das ist zweifelsohne richtig. Um diese Problematik etwas deutlicher zu machen, möchte ich anmerken, daß für uns zum Bereich der Gemeinnützigkeit nicht nur die Probleme des Sports gehören; denn die Förderung sportlicher Betätigung mit Hilfe von Steuervergünstigung - darum ging es bei der Debatte eben doch wohl nur - ist nur ein Teilbereich des Gemeinnützigkeitsrechts. Ebenso gründlich und intensiv haben wir den Komplex der Wohlfahrtspflege erörtert. Dabei war vor allen Dingen zu prüfen, wieweit der Rahmen für den zu fördernden Personenkreis abgesteckt werden sollte. Das war nicht ganz einfach und auch nicht ganz unproblematisch; denn Regelleistungen der Sozialhilfe liegen heute - ich will das nur unterstützen - nicht mehr an der Schwelle des Dahinvegetierens. Sie ermöglichen etwas mehr, als nur zwischen Leben und Sterben zu stehen. Wenn dann, wie wir es vorgesehen haben, für die Abgrenzung des mildtätigen Zweckes z. B. der drei- oder vierfache Regelsatz als Bemessungsmaßstab angehalten wird, dann sollten - und darum möchte ich dringlich bitten - auch die Verbände der Wohlfahrtspflege einmal einen Vergleich zur allgemeinen Einkommensentwicklung anstellen. ({3}) Ich meine, für eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft mit der damit verbundenen vielfältigen Steuerbefreiung sollten auch in Zukunft Grenzen gezogen werden, die diesen Bereich immer noch als eine Ausnahme gegenüber den allgemeinen Steuerpflichten des Staatsbürgers erscheinen lassen. Ich glaube, die vorgesehene Lösung trägt diesen Gesichtspunkten voll Rechnung. Wer über die Reform des Abgabenrechtes spricht, wird zwangsläufig auch die Problematik des Steuergeheimnisses einbeziehen müssen. Dieses brisante Thema hat auch den Fachausschuß stark beschäftigt. Dabei hat, wie ich betonen möchte, keine Seite dieses Hauses auch nur andeutungsweise für die Beseitigung dieses Rechts plädiert. Meinungsverschiedenheiten von Gewicht entstanden allerdings, als eine Abwägung des Steuergeheimnisses gegenüber anderen Rechtsgütern, anderen bestimmten öffentlichen Interessen vorgenommen werden mußte. Das Steuergeheimnis soll bekanntlich den Steuerpflichtigen davor schützen, daß seine im Besteuerungserverfahren bekanntgewordenen Verhältnisse an andere Personen, Körperschaften oder Behörden weitergegeben werden. Es stellt gewissermaßen eine Art Gegenleistung zu den umfassenden Mitwirkungspflichten dar. Durch das Steuergeheimnis soll dem Steuerpflichtigen Gewißheit gegeben werden, daß seine Angaben nur zu steuerlichen Zwecken verwendet werden. Die weitestgehende Offenlegung der für die Besteuerung maßgebenden Tatsachen ist für unsere ordnungsgemäße Besteuerung notwendig. Daher wird erwartet, daß dieser Schutz den Steuerpflichtigen auch veranlaßt, seine Angaben gegenüber den Finanzämtern vollständig zu machen. Immer mehr gerät das Steuergeheimnis jedoch auch in Widerspruch zu anderen öffentlichen Interessen, vor allen Dingen zu den Interessen der Strafverfolgungsbehörden an Kenntnissen über nichtsteuerliche Tatsachen, die die Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren erlangt haben. Da glauben wir Sozialdemokraten, daß durch die vorgesehene AusMeinike ({4}) schußfassung klargestellt worden ist, daß das Steuergeheimnis in ganz konkreten Einzelfällen eingeschränkt werden kann. Dabei ging es insbesondere um die Überlegung, diese Einschränkungen zugunsten einer wirkungsvollen Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vorzunehmen. Diese gesetzliche Regelung bedeutet nach unserer Auffassung ein abgewogenes Verhältnis zwischen dem Steuergeheimnis auf der einen Seite und den Notwendigkeiten einer wirkungsvollen Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität auf der anderen Seite. Auch der Juristentag hat im Jahre 1972 im Hinblick auf die von mir vorgetragenen Notwendigkeiten eine Einschränkung des Steuergeheimnisses gefordert. In diesem Zusammenhang muß ich allerdings sehr deutlich eine gestrige Pressemitteilung zurückweisen, die unterstellt, daß mit dieser Durchbrechungsmöglichkeit - im Gesetz heißt es: bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses-zukünftig leichtfertig umgegangen werden würde. Das Gesetz hat den Rahmen des zwingenden öffentlichen Interesses deutlich abgesteckt. Ich frage dieses Haus, ich frage Sie alle: Sind wir nicht geradezu aufgerufen, endlich denen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die sich im Schutz des Steuergeheimnisses z. B. als Wirtschaftsstraftäter einer wirksamen Strafverfolgung entziehen? ({5}) Es wäre mehr als fahrlässig, wenn wir nicht gerade auch im Interesse der Steuergerechtigkeit diese Mißbrauchsmöglichkeiten ausgeräumt hätten. Ich darf anmerken, daß die Mehrheit des Finanzausschusses gleichwohl sehr behutsam mit diesem Einschnitt vorgegangen ist. Das beweist auch die Tatsache, daß der Vorschlag des Rechtsausschusses, ein zwingendes öffentliches Interesse dann zu unterstellen, wenn die Voraussetzungen des § 74 c des Gerichtsverfassungsgesetzes vorliegen, nicht aufgegriffen wurde. Meine Damen und Herren, müssen wir nicht doch verstärkt aufhorchen und darüber nachdenken, wenn in sicherlich etwas überspitzter, aber doch berechtigter Form, wie ich meine, kritisch gesagt wird: Das Steuergeheimnis ist in der Bundesrepublik Deutschland das bestgehütete Geheimnis; jedenfalls viel strenger gehütet als die durch das Grundgesetz verbürgten Geheimnisse. Darin steckt doch eine Fragestellung, die es, glaube ich, wert und notwendig macht, dieses Problem demnächst verstärkt zu beachten. Ich meine auch durchaus, eine in verkürzter Form wiedergegebene Presseaussage zitieren zu dürfen, die ich gefunden habe und die das Gesetz meiner Auffassung nach richtig beurteilt. Diese Formulierung lautet: „Das Steuergeheimnis soll künftig eingeschränkt werden- kein bedingungsloser Schutz für Kriminelle." Eine Überschrift, die sicherlich das Problem nur verkürzt wiedergibt. Vielleicht konnte das nicht anders als in dieser überspitzten Form gebracht werden. Aber darin steckt doch, glaube ich, ein wenig das Problem. ({6}) Lassen Sie mich auch einige wenige Bemerkungen zu dem anderen Komplex machen, der mit den Steuern im Zusammenhang steht, der vorgesehenen Regelung der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe. Nach nochmaliger Beratung, die insbesondere auf einen Wunsch der Länder zurückging, ist diese beabsichtigte Regelung einer erneuten Korrektur unterzogen worden. Das gilt vor allen Dingen für die Auskunftsersuchen von Staaten, mit denen keine völkerrechtlichen Vereinbarungen bestehen. Es war allerdings nicht möglich, das Anliegen in der engen Form zu übernehmen, daß Auskunftsersuchen nur dann beantwortet werden können, wenn in den ersuchenden Staaten das gleiche Steuerrecht, das gleiche Besteuerungsverfahren wie bei uns Anwendung findet. Last not least ist das Problem der Vollverzinsung und der Stundungszinsen sicherlich von ebenso großer Bedeutung. Deshalb ein paar Aussagen zu dieser Problematik. Während unserer langjährigen Beratungen ist die Frage der Vollverzinsung immer wieder geprüft worden. Nicht zuletzt das geltende Recht selbst, das eben nur eine Festsetzung von Prozeßzinsen, Hinterziehungszinsen und - mit erheblichen Einschränkungen - von Stundungszinsen zuläßt, hat dieses Anliegen immer wieder aktualisiert und damit auch zu einer Lösung gedrängt. Nun, wir haben, wenngleich mit großem Zögern, bei der heute zur Verabschiedung stehenden Abgabenordnung auf die Einführung einer gesetzlichen Vollverzinsung verzichten müssen, weil die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für diese in der Sache notwendige Entscheidung nachweisbar nicht gegeben sind. Ich möchte für die SPD allerdings keinen Zweifel daran lassen, daß die Vollverzinsung nach wie vor unser erklärtes Ziel in der Steuergesetzgebung ist; ({7}) denn die Einführung einer uneingeschränkten Vollverzinsung aller Steuer- und Steuererstattungsansprüche dient einer gerechteren Behandlung der Steuerpflichtigen. ({8}) Unter Beachtung dieser Grundprämisse halten wir die vorgetragenen verschiedenen Argumente nicht für so bedeutsam und für so gewichtig, daß sie uns zur grundsätzlichen Aufgabe unseres Anliegens veranlassen könnten. Wir sind allerdings nach wie vor bereit, Vorschläge und Anregungen über die gesetzliche Ausgestaltung einer derartigen Regelung entgegenzunehmen. ({9}) Ich möchte diese Bereitschaft nicht nur Ihnen gegenüber, Herr Dr. Kreile, deutlich machen, sondern gerade auch gegenüber den Verbänden, die bislang eine eindeutig ablehnende Position bezogen haben. Gestatten Sie mir den kritischen Hinweis an diese Verbände: Vielleicht ist es sogar sinnvoller, zu dieMeinike ({10}) sem Problem Vorschläge zu erarbeiten, als in fragwürdigen Dokumenten allzu laut über öffentliche Verschwendung zu reden oder gar neue Straftatbestände für angebliche Steuerverschwender zu entwickeln. ({11}) Ich nehme an, wir verstehen uns, wer damit gemeint sein soll. Es scheint mir sogar ein wenig, als ob die Genannten die „Haltet-den-Dieb-Methode auf diesem Sektor anwenden wollten. ({12}) Nur, sie werden uns in dieser Frage weder erschrecken noch von diesem Konzept abbringen. Ich möchte aber gleichwohl auch einen besonderen Wunsch an die Länder richten dürfen, den Wunsch nämlich, in aller Dringlichkeit die Bemühungen um die Ausstattung - hier geht es um die maschinelle und technische Ausstattung; das andere Problem, das personelle Problem, ist sicherlich ebenso bedeutsam; das sei hier angemerkt - der Finanzämter und der Finanzkassen intensiv fortzusetzen, um die Voraussetzungen für die Vollverzinsung zu dem angestrebten Zeitpunkt 1. Januar 1980 zu schaffen. ({13}) Nicht länger vertretbar erscheint uns allerdings die bisherige Regelung bei den Stundungszinsen. Ich darf darauf hinweisen, daß auch der Bundesrat den Vorschlag unterstützt, die Bestimmungen des bisherigen § 127 a der Abgabenordnung, wonach Stundungszinsen z. B. bei der Einkommensteuer, bei der Körperschaftsteuer und sogar bei der Umsatzsteuer grundsätzlich nicht erhoben werden, zu ändern. Sicherlich haben auch die angestiegenen Steuerrückstände der letzten Jahre hier ein wenig mitgedrückt, daß das Problem nunmehr sozusagen positiv vom Tisch gekommen ist. Es ist gefragt worden, ob darin nicht der Vorwurf enthalten sei, daß mit dem Stundungsverhalten der Finanzbehörden etwas nicht in Ordnung sei. Ich will das hiermit nicht gesagt haben. Im Gegenteil; ich glaube, daß der Beschluß des Bundesfinanzhofs, daß man hierfür auch Kredite aufnehmen müsse, von der Praxis doch ziemlich weit entfernt ist. Gestatten Sie mir - es leuchtet die bekannte Lampe auf -, abschließend zusammenzufassen. Erstens. Die Reform der Abgabenordnung erfüllt die gestellten Erwartungen. Zweitens. Durch die Übernahme zahlreicher Änderungs- und Ergänzungsvorschläge des Bundesrates dürften auch die Voraussetzungen für die Zustimmung des Bundesrates gegeben sein. Drittens. Im Gegensatz zu bereits geäußerten Befürchtungen wäre damit bis zum Inkrafttreten der Abgabenordnung am 1. Januar 1977 eine ausreichende Vorbereitungszeit für alle Betroffenen gegeben. Das heißt - kurz und knapp abschließend formuliert -: Die neue Abgabenordnung kann und sollte nunmehr zum 1. Januar 1977 in Kraft treten. Die SPD unterstützt dieses Vorhaben. Ich darf Sie alle bitten, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben. ({14})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Bockelberg. von Bockelberg ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Mein Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein persönliches Wort. Eine lange Zeit der gemeinsamen Arbeit an der Abgabenordnung hat den Unterausschuß „Abgabenordnung" zu etwas wie einem Geheimbund werden lassen. Deswegen möchte ich nicht glauben, Kollege Meinike, daß Sie hier drei Pappkameraden aufbauen wollten. Punkt 1: das Steuergeheimnis. Ich glaube, es ist nie streitig gewesen, daß in einem Steuerstrafverfahren oder in einem Bußgeldverfahren festgestellte sonstige strafbare Handlungen zu offenbaren sind. Wogegen wir uns gewendet haben, ist etwas ganz anderes. Wir haben uns dagegen gewendet, daß ein zwingendes öffentliches Interesse zur Offenbarung dann vorliegen soll, wenn unwahre Aussagen veröffentlicht werden, die geeignet sind, das Vertrauen zur Verwaltung herabzusetzen. Darauf wird nachher noch einzugehen sein. Das war unser Dissens hinsichtlich des Steuergeheimnisses. Ich möchte ihn damit eingegrenzt haben. Zweitens. Es könnte vielleicht der Eindruck entstehen, daß die umfangreichen Gemeinnützigkeitsbestimmungen im Schatten des Sportes von uns nur mit halbem Herzen getragen würden. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß hier eine volle Einmütigkeit vorhanden ist und daß vielleicht der eine oder andere Verband von uns etwas anders gesehen wird. Und das Dritte. Es war nicht nur das Anliegen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, daß die Vollverzinsung eingeführt wird. Wir haben uns in unserem Ausschuß alle dazu bekannt. Wir haben eben gesehen, wie Sie auch richtig sagten, daß sie zur Zeit verfahrensmäßig nicht durchführbar ist, daß sie erst dann durchführbar ist, wenn die integrierte Datenverarbeitung in sämtlichen Bundesländern durchgeführt ist. Das ist in dem Antrag des Ausschusses enthalten. Nun darf ich für die Fraktion der CDU/CSU eine Erklärung abgeben. Die dritte Beratung der Abgabenordnung 1977 setzt den Schlußstein in ein Gesetzeswerk, welches ohne Zeitdruck und ohne Hektik systematisch und mit Genauigkeit beraten wurde. Es ist zu hoffen, daß sich diese Genauigkeit auf die Qualität des Gesetzes ausgewirkt hat. Wenn auch die Einarbeitung für diejenigen, welche die Abgabenordnung anzuwenden haben, eine gewisse Anlaufzeit voraussetzt, so bedeutet der Fortfall der nun in der Abgabenordnung enthaltenen Nebengesetze, z. B. des Steueranpassungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Gemeinnützigkeitsverordnung und der Betriebsprüfungsordnung ({1}), eine wesentliche Vereinfachung. Ohne auf alle Einzelheiten des neuen Ge14048 von Bockelberg setzes eingehen zu können, soll zu einigen Schwerpunkten Stellung bezogen werden. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Erhöhung der Steuergerechtigkeit, welche durch die Einführung der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung möglich wird. Hiermit verbunden ist auch eine raschere Verwirklichung des Steueranspruchs, so daß das Auseinanderkiaffen von Entstehung der Steuerschuld und Fälligkeit der Steuerschuld vermindert wird. Das Instrument der Festsetzungsverjährung mit der Festsetzungsfrist von zur Zeit vier Jahren bietet die Gewähr gegen eine Ausuferung des Vorbehalts der Nachprüfung. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Erhöhung der Rechtssicherheit für den steuerzahlenden Bürger. Sie sieht diese Erhöhung der Rechtssicherheit insbesondere darin, daß die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen und Beweismittel nicht mehr zur Aufrollung des gesamten Steuerfalls führt. Sie sieht die erhöhte Rechtssicherheit weiterhin in dem garantierten Vertrauensschutz, der darin besteht, daß bei Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht, die Vermutung der Verfassungswidrigkeit einer Norm durch einen obersten Gerichtshof des Bundes, die Änderung der Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes sowie die Feststellung eines obersten Gerichtshofes, daß eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Bundes- oder Landesbehörde nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht, berücksichtigt werden darf. Auch die Regelung des Rechts der Außenprüfung in seinen wesentlichen Teilen innerhalb der Abgabenordnung und die Einführung des Instruments der verbindlichen Zusage auf Grund einer Außenprüfung erhöhen die Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen. Auch sieht die CDU/ CSU-Fraktion eine Erhöhung der Rechtssicherheit durch die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs im Einspuchsverfahren, falls eine sogenannte verbösernde Entscheidung getroffen werden soll. Die CDU/CSU nimmt hin, daß das Steuergeheimnis durch die Zulässigkeit der Offenbarung sonstiger strafbarer Tatbestände, soweit sie in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit zur Kenntnis gelangt sind, geöffnet wird. Sie sieht aber die Schwierigkeit, eine klare Grenze festzulegen, von welcher ab in bestimmten Fällen eine Offenbarung Platz greifen kann. Es muß festgestellt werden, daß eine solche Grenze für die Mehrzahl der steuerzahlenden Bürger ohne steuerrechtliche Beratung kaum erkennbar ist. Der Bürger ist einfach überfordert. Er wird von sich aus kaum erkennen können, von welchem Punkt an er von seinem Recht der Auskunftsverweigerung Gebrauch machen kann oder sollte. Auch führt die Zulässigkeit der Offenbarung dazu, daß die Mithilfe ides Steuerpflichtigen nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens bei der Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts ausbleibt und die Arbeit der Ermittlungsbehörden erschwert wird. Bekanntermaßen war bisher in solchen Fällen zu beobachten, daß der Steuerpflichtige auch im Strafverfahren bereitwillig Auskunft gab in der Erwartung, dadurch ein für ihn günstigeres Strafmaß zu erreichen. Nachdem er befürchten muß, daß nunmehr auch andere Dinge weitergegeben werden, fällt diese Mithilfe zwangsläufig fort. Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß der Ausschuß hierfür keine griffigere Lösung hat finden können. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt es nach wie vor ab, daß das Steuergeheimnis zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, idas Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern, geöffnet werden darf. Die bekanntgewordenen Fälle sind nicht so zahlreich, daß hierin ein zwingendes öffentliches Interesse gesehen werden kann. Außerdem sind durchaus Fälle denkbar, in welchen durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen das Steuergeheimnis eines Dritten durchlöchert werden kann. Auch die SollVorschrift der Anhörung stellt keine Garantie für den Steuerpflichtigen dar, weil die Behörde in der Entscheidung selbst frei ist. Die CDU/CSU-Fraktion hat kein Verständnis dafür, daß ihre in zweiter Beratung gestellten Anträge auf Erweiterung der Steuerbegünstigung für Sportvereine und Erhöhung der Buchführungsgrenze für Land- und Forstwirte auf einen Gewinn von 18 000 DM der Ablehnung verfallen sind, obwohl sie wohlbegründet waren. So ist z. B. vorauszusehen, daß nun sämtliche Veranstaltungen von Sportvereinen mit allen ihren Amateurabteilungen Zweckbetriebe oder schädliche wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, je nachdem, ob sie in die Zweite Bundesliga aufsteigen oder aus der Zweiten Bundesliga absteigen. Dieser Wechsel ist auch zu wiederholten Malen denkbar. Dies steht aber nun im Gesetz. Die CDU/CSU-Fraktion hält es für grob unbillig - jedenfalls solange die Vollverzinsung nicht eingeführt ist -, Zinsen für gestundete Steuerforderungen zu erheben. Die Stundung selbst setzt voraus, daß die Einziehung der Steuerforderung eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so darf eben nicht gestundet werden. Aber ausgerechnet derjenige Schuldner, welcher sich auch nicht mehr im Kreditwege das Geld für die Steuerzahlung beschaffen kann, also der ganz arme Teufel, wird nun durch den neu eingeführten Zinsanspruch zusätzlich belastet. Obwohl die CDU/CSU-Fraktion der Meinung ist, daß die aufgezeigten Mängel erheblich sind, wird sie wegen der unbestreitbaren Fortentwicklung der Rechtsstaatlichkeit der Abgabenordnung 1977 in dritter Lesung zustimmen. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ehrwürdige Reichsabgabenordnung, die es heute zu reformieren gilt, ist zwar kein Jahrhundertgesetz, aber doch immerhin ein gutes „Halbjahrhundertgesetz" geworden. Dieses „steuerpolitische Grundgesetz", wie es auch genannt wird, wurde einstmals in nur wenigen Wochen konzentrierter Arbeit von Enno Becker konzipiert - dies macht, wie ich meine, beispielhaft deutlich, daß schnelle Arbeit nicht auch zwangsläufig schlechte Arbeit sein muß - und danach im Jahre 1919 von Finanzminister Erzberger politisch durchgesetzt. Dennoch mußte nach dieser sehr langen und respektablen Lebensdauer die Reichsabgabenordnung in den letzten Jahren einer gründlichen Generalinspektion unterzogen werden. Die Beratungen haben sich über mehrere Jahre erstreckt, so daß nunmehr zu hoffen bleibt, daß jetzt auch das, was lange währt, endlich gut wird, wie es der Volksmund ausdrückt. Die große Einmütigkeit hier im Parlament wie auch die weite Zustimmung außerhalb des Parlaments lassen darauf schließen, daß hier ein solide erarbeitetes Reformgesetz zur Verabschiedung vorgelegt worden ist. Nachdem im Verlaufe der langen Geschichte die Reichsabgabenordnung durch eine ständig wachsende Zahl von Gesetzen ergänzt worden ist, soll mit der Vorlage nun die Gesamtmaterie wieder in einem Gesetz einheitlich und gut strukturiert zusammengefaßt werden. Steuerzahler, Steuerberater, Wirtschaft und Finanzverwaltung erhalten damit eine übersichtliche und modernen Verhältnissen angepaßte Grundlage für die sich aus den einzelnen Steuergesetzen ergebenden Rechtsbeziehungen. Außerdem sind die Grundbegriffe des steuerlichen Verfahrensrechts der im Verwaltungsrecht üblichen Terminologie angepaßt worden. Die Buchführungsvorschriften - grundlegend für jede Steuererhebung - entsprechen jetzt den Anforderungen einer modernen Datentechnik. Damit gewinnt auch die Finanzverwaltung eine solide Grundlage für die bereits in Angriff genommene und, wie ich meine, höchst dringliche Neuorganisation der Finanzämter. Für die Zukunft legen wir als FDP Wert darauf, daß dieses steuerpolitische Grundgesetz, das unter dem Kürzel „AO”, d. h. Abgabenordnung, bislang eigentlich recht anonym gelebt hat, der großen Zahl der Steuerbürger und der von der Abgabenordnung beruflich Betroffenen in diesem Land sorgfältig bekanntgemacht wird, damit das Inkrafttreten zum 1. Januar 1977 gut vorbereitet und dann entsprechend reibungslos vollzogen werden kann. ({0}) Ist es wesentliches Ziel von Verfassungen allgemein, das Verhältnis von Bürger und Staat zu regeln, so ist es Absicht und Ziel der Abgabenordnung, Rechte und Pflichten des Staates im Verhältnis zum Steuerbürger festzulegen. Die FDP hat dabei sorgsam darauf geachtet, daß dabei dem Steuerbürger eine faire Chance, eine faire Position garantiert wird. Diese Abgabenordnung stellt wirklich sicher, daß die Position des Steuerbürgers nicht zu der eines „Untertanen" abgleitet und der Staat und seine Bürokratie sich andererseits nicht zum „übermächtigen Koloß" entwickeln kann. Des weiteren ist es eine wesentliche Zielsetzung, daß ein schnelles und dennoch sicheres und rationelles Besteuerungsverfahren durch die Vorschriften der Abgabenordnung ermöglicht wird. Dies spiegelt sich in der Vorlage in vielen Einzelregelungen wider, wie z. B. der Öffnung der Möglichkeit zur Selbstveranlagung mit dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Einnahmesicherheit für den Staat wird andererseits durch die Möglichkeit der Betriebsprüfung wie auch durch die Möglichkeiten zwischenstaatlicher Amtshilfe auf Gegenseitigkeit in ausreichender Weise gewährleistet. Die Sicherheit aus der Sicht des Bürgers wird durch die für die FDP wesentliche Regelung erhöht, daß die Finanzverwaltung zu verbindlichen Auskünften nach Betriebsprüfungen verpflichtet ist. Die Rechte des Bürgers werden zum anderen aber auch durch die Vorschriften zum Steuergeheimnis und die Regelungen zur beruflichen Steuerhilfeleistung weiter gefestigt. Diese wesentlichen Inhalte und Absichten machen bereits hinlänglich deutlich, daß die neue Abgabenordnung ein Eckpfeiler der steuerpolitischen Arbeit dieser Legislaturperiode ist. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß das steuerpolitische Programm dieses 7. Deutschen Bundestages mit der Verabschiedung der Abgabenordnung, der bereits erfolgten Verabschiedung der Grundsteuer, der Erbschaftsteuer, der Vermögensteuer, der Einkommensteuer inklusive der Kindergeldregelung bis auf die Körperschaftsteuer, die es noch zu beraten gilt, planmäßig erfüllt worden ist. Betonen möchte ich noch für die FDP, daß wir mit dem gesetzgeberischen Stapellauf der Abgabenordnung den Arbeitsplatz nicht zu verlassen gedenken. Wir werden vielmehr den weiteren Weg der Abgabenordnung in der praktischen Anwendung sehr aufmerksam verfolgen. Wir hoffen, daß die Absichten der Abgabenordnung in eine bürgerfreundliche Verwaltungspraxis umgesetzt werden können. Das möge nicht zuletzt seinen Ausdruck darin finden, daß auf dem langen, offensichtlich unabdingbaren Schicksalsweg - wie es der Volksmund formuliert: Formulare von der Wiege bis zur Bahre - zumindest die steuerlichen Vordrucke in Zukunft einfacher und übersichtlich gestaltet werden können. ({1}) Lassen Sie mich noch ergänzend zu den Ausführungen meiner Vorredner zu einigen besonderen Bereichen und Regelungen aus liberaler Sicht einige kurze Anmerkungen machen. Im Rahmen der Gemeinnützigkeitsverordnung hat sich die FDP für eine großzügige Förderung des Sportes eingesetzt. Der einengende Begriff der körperlichen Ertüchtigung als Voraussetzung für eine anerkannte Gemeinnützigkeit wurde fallengelassen, zum anderen wurden die Möglichkeiten zur Erzielung von Einkünften durch Zweckbetriebe, die im Sportbetrieb, wie jedermann weiß, eine große Rolle spielen, genauso großzügig, aber eben nicht unbegrenzt ausgeweitet. Dies würde den Kriterien eines sportlich fairen Wettbe14050 werbs mit anderen am Wirtschaftsleben beteiligten Unternehmen, wie wir meinen, nicht entsprechen. In gleicher Weise möchte ich zusammenfassend betonen, daß die berechtigten Interessen der Landwirtschaft wohlwollend und angemessen berücksichtigt worden sind. Die Erhöhung der Gewinngrenze auf 15 000 DM, die eine Buchführungspflicht auslöst und bis zu der nach günstigen Durchschnittssätzen mit einem Quasisubventionsanteil land- und forstwirtschaftliche Einkommen besteuert werden, ist nach unserer Auffassung ein guter Kompromiß zwischen der Politik der Bundesregierung zur Stärkung und Unterstützung der Landwirtschaft auf der einen Seite und der Steuergerechtigkeit auf der anderen Seite. Mit dieser Einkommensgrenze wird zugleich die Zahl der buchführungspflichtigen Betriebe in etwa konstant gehalten. Dies halten wir für die sachgerechte Lösung im Rahmen der Abgabenordnung. Die Absicht, durch Einführung der Verzinsung von Steuerschulden und Steuerguthaben mehr Steuergerechtigkeit zu verwirklichen, konnte leider, wie ich meine, aus technischen Gründen der unzureichenden Ausstattung allzu vieler Finanzämter noch nicht durchgeführt werden. Ich habe wirklich den Eindruck, daß in den Finanzämtern zahlreiche nostalgische Einrichtungen, die einen flotten Betriebsablauf stören, bisher noch nicht abgebaut worden sind, aber dringend abgebaut werden müßten. An der Absicht, zu verzinsen, wird allerdings festgehalten, desgleichen an der Absicht, die Verzinsung zum frühestmöglichen Termin zu realisieren. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, zum 1. Januar 1978 über die Möglichkeiten der Einführung der Verzinsung von Steuerschulden wie von Steuerguthaben zu berichten. Als ein erster Schritt in diese richtige Richtung wurde bereits die Verzinsung von gestundeten Steuern in die Abgabenordnung aufgenommen. Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zur zwischenstaatlichen Amtshilfe machen. Zwischenstaatliche Amtshilfe ist grundsätzlich möglich. Dies entspricht auch seit langer Zeit der Absicht der Bundesregierung. Das bedeutet aber auf der anderen Seite nicht - das möchte ich mit Nachdruck unterstreichen -, daß nunmehr der Steuerschnüffelei Tür und Tor geöffnet wird. Denn Voraussetzung für zwischenstaatliche Amtshilfe ist immer, daß die betreffenden Staaten den anerkannten Grundsätzen des internationalen Steuerrechts folgen. Dies gilt vor allem für die Staaten, mit denen keine gesonderten bilateralen Vereinbarungen getroffen wurden. Jeder Staat muß sich dafür verbürgen, daß die Auskünfte, die er hier einholt, ausschließlich für Zwecke seines Besteuerungsverfahrens verwendet und nicht an unbeteiligte Dritte weitergegeben werden. Zudem darf durch die zwischenstaatliche Amtshilfe bei den Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen keine Doppelbesteuerung auftreten. Der Entwurf ist also kein Ansatzpunkt für internationale Industriespionage, wie mancher aus Unkenntnis vielleicht befürchten könnte. Nimmt eine deutsche Finanzbehörde die zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, so ist klargestellt, daß dies nach deutschem Recht geschieht. In engem Zusammenhang mit der Amtshilfe steht auch die Kontenwahrheit, d. h. das Verbot von sogenannten Nummernkonten. Dadurch wird sichergestellt, daß steuerliche und strafrechtliche Ermittlungen nicht erschwert oder gar - wie für uns in bestimmten Ländern - gänzlich unmöglich gemacht werden. Die FDP gibt in diesem Fragenkomplex dem öffentlichen Interesse an der Ermittlung von Steuertatbeständen vor möglichen anderen Erwägungen eindeutig den Vorrang. Meine Damen und Herren, die generelle Absicht der Vorlage und die wichtigsten Einzelaspekte sind mittlerweile hinlänglich dargelegt worden. Auch in den Ausschüssen ist lange und gründlich beraten worden. Ich möchte abschließend im Namen der FDP zunächst einmal der Verwaltung für ihre unermüdliche Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Gesetzes Dank aussprechen. Ich möchte als ein Neuling in dieser Arbeit insbesondere auch den Vorsitzenden des Unterausschusses „Abgabenordnung", Herrn Offergeld und, ihm folgend, Herrn Meinike, unseren Dank für die unermüdliche Arbeit aussprechen. ({2}) Unser Dank gilt in gleicher Weise auch Herrn von Bockelberg als dem steten Stellvertreter während der langandauernden und sehr diffizilen Ausschußarbeit. ({3}) Wir empfehlen die Annahme des Gesetzes. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Offergeld.

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir namens der Bundesregierung einige abschließende Bemerkungen. Mit der Verabschiedung der Abgabenordnung bringen wir ein weiteres Gesetz im Rahmen der Steuerreform über die Bühne. Wir haben 1972 zunächst das Außensteuergesetz verabschiedet, das die Steuerflucht wesentlich eingedämmt hat. Wir haben dann die einheitswertabhängigen Gesetze verabschiedet: Grundsteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Gewerbesteuer. Im vergangenen Jahr haben wir dann schließlich die Einkommensteuer- und Kindergeldreform verabschiedet. Die Abgabenordnung stand sicherlich nicht in gleichem Maße im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Sie ist gleichwohl für alle, die mit Steuern zu tun haben, außerordentlich wichtig. Sie wird zu Recht das steuerliche Grundgesetz genannt. Ich erinnere an all die Stichworte, die hier in der Debatte gefallen sind. Beim Steuergeheimnis ging es darum, gegensätzliche Interessen auszugleichen. Ich denke, es ist uns eine gute Lösung gelungen. Ich erinnere an das Stichwort „verbindliche Zusage". Wir haben zumindest in einem Teilbereich jetzt eine gesetzgeberische Lösung gefunden. Ich gehe davon aus, daß die Finanzämter in allen andeParl. Staatssekretär Offergeld ren Fällen, die jetzt nicht von dieser Gesetzesregelung erfaßt werden, bei Vorliegen entsprechender Gründe auch weiterhin entsprechende Auskünfte erteilen. Ich erinnere an den Sachbereich des Gemeinnützigkeitsrechts, dessen Bedeutung sehr viel weiter geht, als das Wort zunächst ahnen läßt. Es geht ja nicht nur um den Sport, um den hier heute Auseinandersetzungen stattgefunden haben, sondern es geht auch um die mildtätigen Zwecke, um Wohltätigkeitsorganisationen. Dies ist ein sehr weiter Wirkungsbereich, und es geht darum, die Gesetzeslage der heutigen Entwicklung anzupassen. Wir haben in diesem Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Finanzverwaltung sich der technischen Entwicklung anpaßt und die Besteuerungsverfahren beschleunigt werden. Das scheint mir außerordentlich wichtig zu sein. Daß eine Zinsregelung nicht zustande gekommen ist, bedaure auch ich außerordentlich. Das Entsprechende wurde dazu gesagt. Gestatten Sie mir nur noch diese Anmerkung. Ich glaube, daß das Problem der Verzinsung von Steuerschulden durch dieses Gesetz in einigen Bereichen gemildert wird, und zwar insofern, als es uns wohl gelingen wird, die Besteuerungsverfahren schneller durchzuführen. Der bisher lange Zeitraum bis zur Entrichtung der sogenannten Abschlußzahlung wird in Zukunft kürzer. Damit werden auch die Ungerechtigkeiten - sie sind angesichts der Verwaltungsschwierigkeiten sicherlich nicht auszuräumen - geringer. Meine Damen und Herren, ich darf abschließend allen, die am Zustandekommen dieses Gesetzeswerks beteiligt waren, recht herzlich danken. Ich schließe in meinen Dank ausdrücklich die Mitglieder des Arbeitskreises ein, der die ersten Vorarbeiten für diese Abgabenordnung geleistet hat. Ich danke den Mitgliedern der Ausschüsse dieses Hauses, die zum Teil sehr viel Arbeit in dieses Gesetz - in viele, viele hundert Paragraphen und in viele schwierige Einzelregelungen - investiert haben. Ich danke besonders den beiden Berichterstattern, Herrn von Bockelberg und Herrn Meinike ({0}), der im übrigen heute mit der zweiten und dritten Lesung der Abgabenordnung seinen Geburtstag feiert, zu dem ich ihm herzlich gratulieren darf. ({1}) - Sicherlich haben die Geschäftsführer darauf Bedacht gehabt, daß er heute Geburtstag hat. - Ich danke schließlich auch den Mitarbeitern der Ausschüsse. Ich hoffe, daß die Abgabenordnung bald verabschiedet werden kann, damit - und das ist meine letzte Bemerkung - den Praktikern draußen im Lande, die damit zu tun haben werden, genügend Zeit bleibt, sich auf diese Abgabenordnung umzustellen. Wir muten sicherlich in der letzten Zeit den Steuerpraktikern, also den Steuerzahlern, den Steuerbeamten und den steuerberatenden Berufen, im Rahmen der Reformen und auch im Rahmen konjunkturell notwendiger steuerlicher Maßnahmen einiges zu. Dazu kommt jetzt die Abgabenordnung. Aus diesem Grunde halte ich es für sehr gut, daß der Ausschuß einen langen Zeitraum bis zum Inkrafttreten vorgesehen hat, nämlich über ein Jahr, und ich hoffe, daß die verbesserte Systematik die- ses Gesetzentwurfes mit dazu beiträgt, das Einarbeiten in die neue Rechtslage doch zu erleichtern. Wir werden mit dieser Abgabenordnung einer Entschließung des Bundestages schon aus dem Jahre 1963 gerecht. Der Bundestag hat damals gefordert, das allgemeine Steuerrecht, also die Abgabenordnung neu zu kodifizieren, sie zu einem Mantelgesetz des Steuerrechts zu machen, die Systematik des Gesetzes zu verbessern und schließlich - das ist der dritte Gesichtspunkt - einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu finden. Ich denke, das ist uns mit diesem Gesetz gelungen. Die alte Abgabenordnung - das Werk Enno Beckers, auf den in dieser Debatte zu Recht hingewiesen worden ist - hat fast 60 Jahre lang - trotz vieler neuer Einzelregelungen im Gesetz oder neben dem Gesetz - in seiner Substanz Bestand gehabt, vielleicht sogar noch länger, weil wir ja auf dieser alten Abgabenordnung aufbauen. In dieser schnellebigen Zeit kann man nicht die Hoffnung ausdrücken, daß die neue Abgabenordnung auch 60 Jahre hält. Ich denke, wenn sie für 30 Jahre Bestand hat, haben wir schon sehr gute Arbeit geleistet. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Wir haben nun noch über die Ausschußanträge 2 und 3 auf Seite 49 der Drucksache 7/4292 abzustimmen. Wer dem dort formulierten Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Wer dem Antrag, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen - Drucksache 7/3913 Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0}) - Drucksache 7/4238 Berichterstatter: Abgeordneter Mahne ({1}) Präsident Frau Renger Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache und rufe die Art. 1 bis 3 in der Fassung des Ausschußantrages, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr - Drucksache 7/1875 Bericht und Antrag des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2}) - Drucksache 7/4239 Berichterstatter: Abgeordneter Lemmrich ({3}) Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Rechtsgrundlage schaffen, die den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen für den spurgeführten Verkehr ermöglicht. Es handelt sich hier um ein allgemeines Planungsgesetz. Dieser Gesetzentwurf muß vor dem Hintergrund der konkreten Absichten der Bundesregierung gesehen werden, eine Versuchsanlage für Verkehrstechniken zu realisieren. Es kann sich allerdings nicht nur darum handeln, der Bundesregierung bei der Durchführung der von ihr geplanten Maßnahmen zu helfen. Der Bundestag als Gesetzgeber und Kontrollorgan hat gleichzeitig die Überlegungen und die Ziele der Bundesregierung zu überprüfen, bevor er ihr ein derartiges Instrument in die Hand gibt. Als Abgeordnete haben wir darüber hinaus besonders an die Menschen zu denken, die die Last zu tragen haben, die unvermeidbar mit Anlagen dieser und ähnlicher Art verbunden ist. Hier sehe ich eine Schlüsselfrage, die uns mehr und mehr beschäftigen muß, wenn wir bei unseren Bürgern überhaupt noch Verständnis für große Projekte erwarten wollen, die jeweils einem verhältnismäßig kleinen Kreis der betroffenen Bevölkerung Opfer abverlangen, um der Gesamtheit unseres Volkes Wachstum und Wohlstand zu sichern. Als Stichworte seien hier nur genannt: Atomkraftwerke, Flughäfen, Autobahnen und Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. Wir alle kennen die große Zahl der Fragen, die aus dem ständigen Widerstreit von privatem und öffentlichen Interesse täglich an uns herangetragen werden. Es war also ganz besondere Sorgfalt geboten, als dieser Gesetzentwurf im Ausschuß für Verkehr zur Beratung anstand. Eine Versuchsanlage dient der Forschung. Die erste grundsätzliche Frage galt deshalb den Entwicklungszielen. Die Bundesregierung fördert mit erheblichen Haushaltsmitteln und mit finanzieller Beteiligung der Industrie zwei Forschungsprogramme mit folgender Zielrichtung. Erstens: Die technisch-ökonomischen Reserven der herkömmlichen Rad-Schiene-Technik sollen erforscht werden. Ein solches Forschungsprogramm geht deutlich über den gesetzlichen Auftrag der Deutschen Bundesbahn hinaus, ihre Anlagen und Fahrzeuge nach dem jeweiligen Stand der Technik zu erneuern und weiterzuentwickeln. Zweitens: Es sollen neue, verschleißarme und umweltfreundliche Schwebetechniken für den spurgeführten Verkehr entwickelt werden, wobei wesentlich höhere Fahrgeschwindigkeiten erreicht werden können, als es jetzt bei der RadSchiene-Technik möglich ist. Diese Absichten der Bundesregierung, die langfristig angelegt sind, kann man voll unterstützen. Eine Vernachlässigung der Forschung auf diesem Gebiete würde die ohnehin schwierige Lage der Eisenbahnen durch sinkende Wettbewerbschancen verschärfen. Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Eisenbahnen und der neuen, spurgeführten Verkehrstechniken, bekannt auch unter dem Begriff „Magnet-Schwebe-Technik", geben den deutschen Unternehmen die Möglichkeit, sich auf den internationalen Märkten verstärkt zu behaupten und durchzusetzen. Dies ist eine Komponente, die die Arbeitsplätze einer beträchtlichen Anzahl vor Bürgern unmittelbar berührt. Der Aufwand für die Forschung im Bereich des spurgeführten Verkehrs steht allerdings immer noch in einem bescheidenen Verhältnis zu den zweifellos ebenso wichtigen Arbeiten für die Luftfahrt und für den Straßenverkehr. Energiekrise und Rohstofflage sollten jedoch Anlaß genug sein, um dem vielzitierten Rückgrat des deutschen Verkehrssystems die technologischen Voraussetzungen für die Zukunft zu sichern. Zur Durchführung dieser Forschungsprogramme kann auf die praktische Erprobung der Fahrzeuge, der Fahrbahnen und der übrigen Betriebseinrichtungen nicht verzichtet werden. Die technischen Anlagen für den Fernverkehr und die Fahrgeschwindigkeit führen zu einer Größenordnung der Erprobungsanlagen, welche die Möglichkeiten der Industrie und der vorhandenen staatlichen Einrichtungen übersteigt. Wir haben deshalb im Ausschuß ausführlich die Frage erörtert, ob es Ersatzlösungen für den Bau einer Versuchsanlage in der Bundesrepublik gibt. Bei einem Blick über die Grenzen stellt man fest, daß alle bedeutenden Industriestaaten ähnlich intenLemmrich siv auf dem gleichen Gebiet Forschung betreiben. Frankreich, England, Japan, die USA und auch die Sowjetunion stehen mit uns im Wettbewerb. Die USA haben bereits ein Testzentrum mitten in der Wüste bei Pueblo im Staate Colorado errichtet. Eine Delegation des Ausschusses hat diese Versuchsanlage besichtigt, um die Möglichkeit einer Mitbenutzung durch die Deutsche Bundesbahn und die deutsche Industrie zu klären. Wir waren beeindruckt von der Entschlossenheit, mit der die Amerikaner diese Fragen angehen. Aber bei genauer Betrachtung fehlen doch die praktischen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit. Die zwar nicht grundsätzlich, aber doch in den entscheidenden Fragen anders gelagerten Interessen der Amerikaner machen die dortigen Einrichtungen ungeeignet für das deutsche Forschungsprogramm. Der Ausschuß hat seine Meinungsbildung abgerundet durch eine Anhörung der Deutschen Bundesbahn und der einschlägigen Industrie. Auch danach muß festgestellt werden, daß es keine zufriedenstellende Alternative zu einer Versuchsanlage in der Bundesrepublik gibt. Es muß deshalb ausdrücklich gesagt werden, daß nach Überprüfung der Absichten der Bundesregierung den von ihr verfolgten Zielen eine grundsätzliche Unterstützung nicht versagt werden kann. Dies beeinträchtigt nicht die Verantwortung der Bundesregierung für ihre Entscheidungen über die Standortfrage sowie über den Bauumfang und den sinnvollen Einsatz von Haushaltsmitteln. Der Ausschuß geht davon aus, daß über die Wünsche und Vorstellungen der Deutschen Bundesbahn und der Industrie nach strengen wirtschaftlichen Maßstäben entschieden wird. Der Ausschuß hat zur Kenntnis genommen, daß eine schrittweise Realisierung der Versuchsanlage nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel vorgesehen ist und daß über die Standortfrage ein objektiv durchgeführtes Raumordnungsverfahren entscheidet. Sollte jedoch die Bundesregierung in ihrer bisherigen Absicht schwankend werden, müßte ich dem Herrn Bundesminister für Verkehr den Rat geben: Fangen Sie lieber gar nicht erst an! Nach Abwägung der grundsätzlichen Fragen hat sich der Ausschuß der Einzelberatung des Gesetzentwurfs zugewandt. Der Gesetzentwurf regelt insbesondere das Planfeststellungsverfahren - Kreuzung mit anderen Verkehrswegen, die Verhängung einer Veränderungsperre im Baugebiet - und die Rechtsgrundlage für den Erwerb des erforderlichen Grund und Bodens für Zwecke der Versuchsanlage. Die für den Bau erforderlichen Vorarbeiten müssen von den Grundstückseigentümern gegen Entschädigung geduldet werden. Nach dem Gesetzentwurf wird die Versuchsanlage vom Bund verwaltet und betrieben. Dies alles sind sehr weitgehende, einschneidende Rechte für den Bund, die der gängigen Gesetzeslage im Verkehrswegebau entsprechen. Hier galt es jedoch die Besonderheiten einer Versuchsanlage, die der betroffenen Region keine unmittelbaren Vorteile für den öffentlichen Verkehr bringt, zur Geltung zu bringen. Der Ausschuß hat deshalb auf Vorschlag des Berichterstatters einstimmig - wofür ich allen beteiligten Kollegen sehr herzlich danke - mehrere Anregungen des Bundesrates übernommen, um die rechtliche Position des Bürgers und der Kommunen zu verbessern. Im wesentlichen geht es dabei um folgende Änderungen: Erstens. Zum Schutz der Grundstücksanlieger können auch nach der Planfeststellung entsprechende Anlagen verlangt werden. Zweitens. Die Kosten für die Errichtung von Über- bzw. Unterführungen öffentlicher Straßen gehen auch nach Fertigstellung der Versuchsanlage voll zu Lasten des Bundes. Damit wird von der Regelung nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz abgewichen, das grundsätzlich dem neu hinzukommenden Verkehrsträger die Kosten der Kreuzungsanlage auferlegt. Bei einer Versuchsanlage, von der keine Erschließungswirkungen wie bei einer öffentlichen Eisenbahn ausgehen, sollten die Kommunen jedoch von den Kosten eventuell hinzukommender neuer Kreuzungen freigestellt werden. Drittens. Die Bekanntmachungsfristen für das Betreten der Grundstücke für Vorarbeiten zum Bau der Anlage werden verlängert. Viertens. Die Grundsteuerpflicht für die durch den Bund zu erwerbenden Grundstücke bleibt bestehen. Finanzielle Nachteile für die betroffenen Gemeinden werden somit vermieden. Fünftens. Entfällt der Erprobungszweck der Versuchsanlage oder ist die Anlage für öffentliche Zwecke nicht sinnvoll zu nutzen, so hat sie der Betreiber auf eigene Kosten zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Meine Damen und Herren, diesen Gesetzentwurf hat der Ausschuß in der Schlußabstimmung einmütig gebilligt. Er hat beantragt, der Bundestag wolle beschließen, die vorliegende Fassung anzunehmen. Danach - vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates - ist die Bundesregierung wieder am Zuge. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 17, die Einleitung und die Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. In der allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht gewünscht. Jedoch wünscht nach § 59 der Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Wernitz das Wort.

Dr. Axel Wernitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr möchte ich nach § 59 der Geschäftsordnung eine Erklärung abgeben, aus der hervorgeht, weshalb ich diesem Gesetzentwurf zugestimmt habe bzw. zustimmen werde. Meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf die noch sehr umfangreiche Tagesordnung gehe ich allerdings - Ihr Einverständnis vorausgesetzt -davon aus, daß diese Erklärung auch schriftlich abgegeben werden kann. *) ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es gibt weder Gegenstimmen noch Enthaltungen; dann ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Eichgesetzes - Drucksache 7/4016 Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) - Drucksache 7/4282 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens ({1}) Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Jens, für seinen Bericht. Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -- Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Wir haben dann noch über den Antrag des Ausschusses zu befinden, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. ') Vgl. Anlage 2 - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes - Drucksache 7/3020 Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) - Drucksache 7/4169 Berichterstatter: Abgeordneter Sauter ({3}) ({4}) Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Sauter ({5}), für seinen Schriftlichen Bericht. Ich rufe Art. 1 bis 6 sowie Einleitung und Überschrift auf und erteile das Wort dem Abgeordneten Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Erlaß des Flurbereinigungsgesetzes im Jahre 1953 hat sich, bedingt durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft, die Situation im ländlichen Raum gewandelt. Gesetzgeberisches Motiv für das Flurbereinigungsgesetz waren zu Beginn der 50er Jahre in erster Linie die Steigerung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Minderung der Importabhängigkeit in diesem Bereich und damit die Einsparung von Devisen. Heute dient der ländliche Raum in steigendem Maße Interessen, die über die Land- und Forstwirtschaft hinausgehen. Das gilt insbesondere für die stadtnahen Gebiete, wo in zunehmendem Maße die natur- und landschaftsgebundene Freizeitgestaltung und Erholung im Vordergrund stehen. Es liegt auf der Hand, daß in diesem vielfältigen Interessenbündel Verflechtungen und auch Nutzungskonflikte auftreten, für deren Auflösung an sich das Instrument der Flurbereinigung besonders geeignet wäre, das Flurbereinigungsgesetz aus dem Jahre 1953 jedoch wegen seiner anderen Zielrichtung geeignete Ordnungsmaßnahmen aber nicht vorsieht. Ziel des Entwurfs ist es daher, die Aufgabenstellung der Flurbereinigung dem heutigen Struktur- und Funktionswandel im ländlichen Raum anzupassen. Gleichzeitig soll die Verfahrensdurchführung vereinfacht und in Teilen auch verbilligt werden. Besonderes Anliegen des federführenden Ausschusses war aber eine Beschleunigung des Verfahrens. Gerade in der Flurbereinigung bedeutet Zeit für die Betroffenen und den Steuerzahler Geld. Als Mittel der Verfahrensbeschleunigung sieht der Ausschuß den freiwilligen Landtausch an, der durch den Entwurf in die Flurbereinigungsgesetzgebung eingebunden worden ist. Stärker als im 1953er Gesetz soll künftig auch den Erfordernissen des Naturschutzes und der Landschaftspflege unter Berücksichtigung Sauter ({0}) der Erholungsfunktion und der ökologischen Ausgleichsfunktion des ländlichen Raums Rechnung getragen werden. Wegen der Einzelheiten darf ich auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht verweisen. In der Zusammenstellung der Ausschußbeschlüsse, meine Damen und Herren, ist jedoch in Art. 1 Nr. 52 Buchst. a ein Redaktionsversehen eingeflossen. Ich verweise hierzu auf Drucksache 7/4169, Seite 25 oben. Der Ausschuß hat hier beschlossen, der Stellungnahme des Bundesrats, der die Bundesregierung zugestimmt hatte, zu folgen. Danach sollen in § 88 Nr. 3 Satz 3 zweiter Halbsatz in der Fassung des Regierungsentwurfs die Worte „mit Zustimmung der Beteiligten" gestrichen werden. Diese Streichung ist in dem Schriftlichen Bericht versehentlich unterblieben. Insoweit bitte ich um eine Berichtigung in der zweiten Lesung. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Dann kann ich über die aufgerufenen Bestimmungen im Sinne des Herrn Berichterstatters abstimmen lassen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich komme zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat als erster der Abgeordnete Büchler.

Hans Büchler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000294, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die von der Bundesregierung mit der Novelle zum Flurbereinigungsgesetz ergriffene Initiative zur Fortentwicklung des ländlichen Bodenrechtes. Der Gesetzentwurf in der jetzt vom federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beschlossenen Fassung schafft die Voraussetzungen für eine Flurbereinigung, die geeignet ist, den struktur- und bodenpolitisch notwendigen Interessenausgleich zwischen den land-und forstwirtschaftlichen Belangen und den außerlandwirtschaftlichen Ansprüchen an den ländlichen Raum herbeizuführen. Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel einer Anpassung des nunmehr seit 22 Jahren geltenden Flurbereinigungsgesetzes an die allgemeine Rechtsentwicklung ist im wesentlichen nur formaler Natur. Dennoch kann das Flurbereinigungsgesetz die seither eingetretenen Rechtsentwicklungen nicht unberücksichtigt lassen. Das Raumordnungsrecht, die Landesplanungsgesetze, das städtische Bodenrecht - Städtebauförderungsgesetz -, das Straßenrecht, das Wasserrecht und nicht zuletzt das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht - um nur die wesentlichen Rechtsmaterien zu nennen - haben vielerlei Berührungspunkte mit der Flurbereinigung. Mit dieser Novelle zum Flurbereinigungsgesetz soll und wird eine rechtssystematische Anpassung des Flurbereinigungsrechts an die neuere Rechtsentwicklung erreicht werden. Das mit der Novelle verfolgte materielle Ziel einer Anpassung der Flurbereinigung an den Struktur- und Funktionswandel im ländlichen Raum findet Ausdruck zunächst in der neuen Definition des Begriffes Flurbereinigung. Neben die Bodenordnung zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft treten die Bodenordnung zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und die zur Förderung der Landentwicklung. Mit dieser erweiterten Aufgabenstellung hat sich der federführende Ausschuß sehr eingehend befaßt, nachdem von seiten der landwirtschaftlichen Berufsvertretung wegen eines noch weitergehenden Vorschlages des Bundesrates Befürchtungen geäußert worden waren, daß diese erweiterte Aufgabenstellung zu Lasten der Landwirtschaft gehen könnte. Der federführende Ausschuß hat mit den Stimmen aller drei Fraktionen - wir waren uns in allen wichtigen Fragen ziemlich einig, wenn es auch manchmal Mühe gekostet hat, die Opposition auf neue gesellschaftliche Wege zu bringen; aber dennoch: wir waren uns einig - die Neufassung dieser Definition in der Fasung der Regierungsvorlage beschlossen. Dem lag die Überlegung zugrunde, daß zum einen die Erhaltung und Verbesserung der Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsfunktion des ländlichen Raumes und damit die dauerhafte Verbesserung der Lebensverhältnisse außerhalb der städtischen Gebiete, kurzum all das, was unter dem Begriff Landentwicklung zusammengefaßt wird, bei den Maßnahmen der Flurbereinigung nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Zum anderen wird mit der Wortwahl „Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung" im Gegensatz zur „Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft" zum Ausdruck gebracht, daß die Flurbereinigung aus ihrer Verantwortung für den ländlichen Raum durch ihre planende, koordinierende und bodenordnende Tätigkeit die Maßnahmen anderer Planungsträger zu unterstützen hat, ohne etwa diese zu ersetzen. Die Belange der Land- und Forstwirtschaft bleiben dabei ebenso wie die der Eigentümer ländlichen Grundbesitzes in vollem Umfange gewahrt. Insbesondere bleibt der verfassungsmäßig garantierte Anspruch auf wertgleiche Abfindung uneingeschränkt erhalten. Mit einer zusätzlich vom federführenden Ausschuß beschlossenen Bestimmung wird klargestellt, daß dic Teilnehmer nur insoweit mit Kosten belastet werden können, als die grundlegenden Aufwendungen dem Interesse der Teilnehmer dienen. Dies war, so meine ich, eine notwendige Klarstellung, die wir hier vollzogen haben. Eine Anpassung des Flurbereingungsgesetzes an den Funktionswandel .im ländlichen Raum hat der Ausschuß auch in der Weise vorgenommen, daß den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege mit einer Reihe von Vorschriften verstärkt Rechnung getragen werden soll. Das findet seinen Ausdruck zum einen darin, daß bestimmte Ver14056 Büchler ({0}) fahrensarten, wie das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren, das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren und der freiwillige Landtausch - auf den letztgenannten möchte ich noch einmal zurückkommen -, den ausdrücklichen Auftrag erhalten, die Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu fördern. Auch hier hat der federführende Ausschuß zur Verdeutlichung gegenüber dem Regierungsentwurf beschlossen, daß die Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege innerhalb der genannten Bodenordnungsverfahren nicht zu Lasten der Land- und Forstwirtschaft ermöglicht werden dürfen. Zum anderen sollen bei den Maßnahmen der Flurbereingung die landschaftsgestaltenten Anlagen, z. B. Baumgruppen oder Hecken in der Landschaft, in einem besonderen landschaftspflegerischen Begleitplan dargestellt werden. Dieser ist zusammen mit dem Wege- und Gewässerplan festzustellen und somit für verbindlich zu erklären. Nachdem bereits die Flurbereinigungsverwaltungen der Länder in den letzten Jahren im Rahmen des Möglichen den Anliegen von Naturschutz und Landschaftspflege Beachtung geschenkt haben, sollen jetzt die rechtlichen Grundlagen für eine verstärkte Berücksichtigung der Erholungsfunktion und ,der ökologischen Ausgleichsfunktion des ländlichen Raumes verbessert werden. Der im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung der Regelungen über die Planfeststellung in der Flurbereigung, mit der eine Anpassung an das allgemeine Planfeststellungsrecht erreicht werden werden sollte, konnte sich der federführende Ausschuß nicht anschließen. Dieser geht zwar mit der Bundesregierung von der Auffassung aus, daß die Feststellung des Wege- und Gewässerplanes schon nach geltendem Recht einer echten Planfeststellung entspricht. Er ist jedoch der Meinung, daß die Regierungsvorlage zu einer mit der Flurbereinigung nicht zu vereinbarenden unnötigen Erschwerung, zu einer zeitlichen Verzögerung und zu einer zusätzlichen Verteuerung des Verfahrens führen würde. Mit der jetzt vom Ausschuß beschlossenen, dem Parlament vorgelegten Fassung wird einerseits dem Rechtschutzinteresse der Betroffenen und andererseits den Besonderheiten des Flurbereinigungsverfahrens Rechnung getragen. Lassen Sie mich noch ein Wort zum freiwilligen Landtausch sagen. Die Flurbereigung muß sich gelegentlich den Vorwurf entgegenhalten lassen, sie sei zu schwerfällig, zu kostspielig und erstrecke sich über einen zu langen Zeitraum. Es sollte nicht verwundern, daß die Flurbereinigungsverfahren angesichts der vielfältigen Interessen und Ansprüche an Grund und Boden stets komplexer und damit in der Durchführung schwieriger werden. Der Regierungsentwurf versucht gleichwohl, mit der Einfügung eines neuen sechsten und siebten Teils hier Abhilfe zu schaffen. Der federführende Ausschuß hat den Regierungsentwurf insoweit nahezu unverändert beschlossen, weil hiermit eine Beschleunigung und Verbilligung der Bodenordnung im Interesse einer Verbesserung der Agrarstruktur erreicht werden kann. Dies gilt sowohl für den freiwilligen Landtausch als auch für die Verbindung von Flurbereinigungsverfahren, beschleunigten Zusammenlegungen und freiwilligen Landtausch. Der freiwillige Landtausch, der bisher nur im Wege privatrechtlicher Vereinbarungen durch Erklärung zur notariellen Urkunde durchgeführt werden konnte, soll künftig nach den für den Grundstückstausch einfacheren Verfahrensvorschriften des Flurbereinigungsgesetzes durchgeführt werden können. Das bedeutet, wenn alles ganz glatt geht, daß der gesamte Tauschvorgang einschließlich der Eigentumsübertragung in einem einzigen Termin vonstatten gehen kann. Die Möglichkeit, abgrenzbare Teile von Flurbereinigungsgebieten oder ganze Teile vorab zu bereinigen, indem in diesen Teilen oder im gesamten Verfahrensgebiet an Stelle der Flurbereinigung eine beschleunigte Zusammenlegung oder ein freiwilliger Landtausch durchgeführt wird, rundet die Palette der Möglichkeiten zur schnellen und vereinfachten Herbeiführung eines agrarstrukturellen Erfolges ab. Die Möglichkeiten für die Zusammenschlüsse von Teilnehmergemeinschaften zu Verbänden haben wir in Bayern schon länger. Da ich leider immer gezwungen bin, die bayerische Agrarpolitik zu kritisieren, weil sie nach unserer Auffassung nicht gut ist, und weil hier Gelegenheit ist, auch einmal etwas Positives über die bayerische Agrarpolitik zu sagen, tue ich das gern. Die Möglichkeit, künftig landwirtschaftliche Flächen in Flurbereinigungsgebieten mit Bauflächen in Umlegungsgebieten auszutauschen, möchte ich also abschließend erwähnen, aber nicht weiter erläutern. Hier hat der federführende Ausschuß die Vorschläge der Bundesregierung im Ergebnis übernommen. Meine Damen und Herren, ich glaube, damit die Regelungen des Gesetzentwurfs, die man als dessen Schwerpunkt bezeichnen könnte, angeführt zu haben. Der federführende Ausschuß war sich bei der Beratung des Gesetzentwurfs der Schwierigkeiten, die sich aus der strukturpolitischen Situation des ländlichen Raumes und der damit verbundenen Interessenverflechtungen und Nutzungskonflikte für die Land- und Fortswirtschaft ergeben, voll bewußt. Er erkennt die Leistungen, die die Flurbereinigung bei der Lösung dieser Konflikte in den zurückliegenden Jahren erbracht hat, an. Er glaubt jedoch, daß die Rechtsgrundlagen nicht mehr ausreichen, um die vielfältigen raumbedeutsamen gemeinschaftlichen und öffentlichen Belange in Abwägung mit den privaten Interessen im ländlichen Raum frei von rechtlichen Bedenken zur Geltung zu bringen. Ich bin der Meinung, daß der Gesetzentwurf in der Ihnen jetzt vorliegenden Fassung einen ausgewogenen Ausgleich all dieser Interessen ermöglicht. Die vorliegende Fassung ist ein echtes Reformvorhaben; denn die Flurbereinigung wird in Zukunft verstärkt ein Instrument zur Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum sein. Der ländliche Raum muß in steigendem Maße, neBüchler ({1}) ben dem landwirtschaftlichen Interesse, dem allgemeinen Struktur- und Funktionswandel in der Gesellschaft dienen. Das gilt auch für die Nutzungsverhältnisse in den städtischen Randzonen. Das Flurbereinigungsgesetz, wie es jetzt vorliegt, erfüllt, meine ich, diesen Auftrag. Im Namen meiner Fraktion bitte ich um Zustimmung. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Büchler, Sie haben kritisiert, daß man die CDU/CSU-Fraktion erst auf den Weg der Reformen habe bringen müssen und daß es etwas lange gedauert habe. Es kommt nicht darauf an, daß man möglichst viele Reformen macht, sondern darauf, daß man solide Reformen macht. ({0}) Und da lassen wir uns von niemandem übertreffen. Das Interesse, das ein Gesetz draußen im Lande oder auch hier im Parlament findet, muß nicht unbedingt ein Maßstab für dessen Bedeutung sein. Zu Beginn der Beratungen über diese Drucksache sagte der Vorsitzende unseres Ausschusses, Herr Dr. Schmidt - der übrigens vor 22 Jahren Berichterstatter für dieses Gesetz gewesen ist -, zu Recht, daß es sich hier um eine sehr bedeutsame Vorlage handelt. In der Tat, wer immer sich mit den Problemen der Agrarpolitik und denen des ländlichen Raumes beschäftigt, wird bestätigen, daß die Flurbereinigung auch in den kommenden Jahren das beste Instrument zur Gestaltung des ländlichen Raumes bilden wird. Dies sollte auch beachtet werden, wenn über Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz diskutiert wird. ({1}) Wenn die gesamten oder ein großer Teil der Flurbereinigungskosten auf die Teilnehmergemeinschaft umgelegt wird, bedeutet dies in den meisten Fällen das Ende der Agrarstrukturpolitik, weil die Kosten für die einzelnen nicht finanzierbar sind. ({2}) Das bis heute gültige Flurbereinigungsgesetz aus dem Jahre 1953, das jenen, die es geschaffen haben, zur Ehre gereicht, ist - und darüber gibt es weder unter den Fachleuten noch im Bundestag Meinungsverschiedenheiten - änderungsbedürftig. Alle schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen zu dieser Materie haben sich darin gefunden, daß sie erklärten, eine Novellierung des Flurbereinigungsgesetzes sei notwendig. Wenn ich zu Beginn feststelle, daß sich das Interesse für dieses Gesetz draußen im Lande in Grenzen hielt, so muß andererseits gesagt werden, daß die mittelbar und unmittelbar betroffenen Verbände eine sehr engagierte und intensive Diskussion geführt haben. Die erweiterte Aufgabenstellung der Flurbereinigung ist bedingt durch den Strukturwandel - ich kann das unterstreichen, was Herr Kollege Büchler gesagt hat - in der Landwirtschaft und durch den Funktionswandel des ländlichen Raumes. Die Menschen im ländlichen Raum erheben zu Recht Anspruch auf gleichwertige Lebenschancen. Das Leben auf dem Lande muß genauso lebenswert sein wie das in der Stadt. Die Bürger in unserem Lande haben andererseits einen berechtigten Anspruch auf Erholung und Naturgenuß. Naturschutz und Landschaftspflege gewinnen an Bedeutung. Dies ist eine Erkenntnis, die heute von niemandem mehr in Frage gestellt wird. Auch die andere Erkenntnis ist unstrittig, daß wir unsere Lebensgrundlage langfristig in Frage stellen, wenn wir den wachsenden Umweltbelastungen tatenlos gegenüberstehen. Der ländliche Raum hat hier die wichtigste Ausgleichsfunktion. Vielleicht darf am Rande erwähnt werden - um die andere Funktion des ländlichen Raumes auch deutlich werden zu lassen -, daß die landwirtschaftlich nicht mehr genutzten Flächen in den letzten Monaten und Jahren ständig zugenommen haben. Allein für den Straßenbau wurden 1974 im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren 2 300 ha zur Verfügung gestellt, und täglich werden in der Bundesrepublik Deutschland 70 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche für landwirtschaftsfremde Zwecke abgegeben. ({3}) - Konflikte, Herr Kollege Gallus, sind dadurch weitgehend vorprogrammiert. Bei voller Würdigung der genannten Aufgabe -- und darüber darf es hier keinen Streit geben und gab es keine Auseinandersetzung im Ausschuß muß auch künftig die wichtigste Aufgabe der Flurbereinigung die Verbesserung der Arbeits- und Produktionsvoraussetzungen für die Landwirtschaft sein. Es ist unbestritten, daß eine rationelle und erfolgreiche Landbewirtschaftung in der Regel nur in arrondierten oder bereinigten Gebieten möglich ist. Die Frage der sogenannten Sozialbrache kann durch die Flurbereinigung weitgehend gelöst werden. Die in der Flurbereinigung Tätigen und die jeweils betroffenen Teilnehmer haben diese neuen Aufgaben und erweiterten Zielvorstellungen meistens rechtzeitig erkannt und entsprechend gehandelt. Dabei wurde natürlich immer klarer erkennbar, daß der Rahmen des geltenden Rechts für die neuen Aufgaben zu eng ist, ja daß man in wachsendem Maße die gesetzlich gerade noch zulässigen Grenzen erreicht, vielleicht sogar schon überschritten hat. Mit der nun vorliegenden Novelle, die heute verabschiedet werden soll, hoffen wir, dieser erweiterten und teilweise veränderten Aufgabenstellung gerecht zu werden. Wir stehen nicht an festzustellen, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf eine solide Grundlage für die Beratungen bildete. ({4}) Sauter ({5}) - Natürlich hat er, und zwar, Herr Kollege Gallus, in vertrauensvoller Zusammenarbeit aller Fraktionen, im federführenden Ausschuß mancherlei Änderungen und, wie ich hoffe, auch Verbesserungen erfahren. ({6}) Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, in der gebotenen Kürze auf die wichtigsten Aspekte einzugehen. In § 1, der die Ziele der Flurbereinigung definiert, wird die im geltenden Gesetz angegebene Zielsetzung, nämlich Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung, zugunsten der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft geändert. Hier ist der Hinweis angebracht, daß im Jahre 1953 Agrarpolitik auf nationaler Ebene betrieben wurde, die Frage der Eigenversorgung Priorität hatte und die Einsparung von Devisen ein gewichtiges Argument war. Damit ja kein Mißverständnis entsteht, meine Damen und Herren, sei darauf verwiesen, daß für uns ein Mindestmaß an Eigenversorgung eine selbstverständliche Aufgabe der Agrarpolitik ist und bleiben wird. ({7}) Unterstrichen werden muß in diesem Zusammenhang, daß bei allem Gewicht der erweiterten Aufgabenstellung des Flurbereinigungsgesetzes die agrarstrukturelle Zielsetzung Priorität hat. Darüber gab es Einvernehmen im Ausschuß über die Fraktionen hinweg. In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, daß die Formulierung des § 1 des Flurbereinigungsgesetzes ihre Parallele im Gemeinschaftsaufgabengesetz findet. Daneben findet sich in diesem programmatischen Paragraphen der Hinweis auf die Förderung der Landeskultur und der Landentwicklung. Die hier verwendeten Begriffe „Landeskultur" und „Landentwicklung" bereiten auch der Wissenschaft heute noch gelegentlich Schwierigkeiten, wenn man genau wissen will, was darunter zu verstehen ist. ({8}) - Das steht noch nicht im Lexikon, Herr Kollege Gallus. In Baden-Württemberg dagegen hier sollten Sie aufmerksam zuhören haben wir im Jahre 1972 ein Landeskultur- und Landwirtschaftsgesetz geschaffen. ({9}) - Vielen Dank für die Blumen, Herr Kollege. ({10}) Die Förderung der Landeskultur als Aufgabe der Flurbereinigung beinhaltet die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit. Neben diesen landwirtschaftlichen Aspekten ist die ökologische Funktion der Landwirtschaft und der Landschaft in der Flurbereinigung zu berücksichtigen. Umfassende Bedeutung hat schließlich der in § 1 verwandte Begriff der Landentwicklung. Landentwicklung bedeutet in der Flurbereinigung die Zusammenfassung aller Maßnahmen der Erhaltung und Verbesserung der Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsfunktion des ländlichen Raums. Das Ziel ist klar, nämlich die Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen auf dem Lande. Damit wird die Flurbereinigung ihrer verstärkten Bedeutung für den ländlichen Raum angepaßt. Während in § 1 die Aufgaben definiert sind, sind in § 37 die Konsequenzen aus dieser erweiterten Zielsetzung gezogen. Er ist Handlungsnorm und Handlungsrahmen für die betroffene Behörde. Neben der Neuordnung der Feldmark wird hier die umfassende Funktion definiert. Naturschutz- und Landschaftspflege sind ebenso zu berücksichtigen wie die Gesichtspunkte der Raumordnung, der Landesplanung und der Erholung. Dorferneuerung soll, wo immer möglich, in die Flurbereinigung einbezogen werden. Die Erfordernisse der Wasserwirtschaft und des Verkehrs sind ebenso in die Planung einzubeziehen wie jene der städtebaulichen Entwicklungen. Mancher, der dies liest und hört, mag glauben, daß es sich hier um einen Wunschkatalog handelt, der mehr theoretischen Charakter hat. Die Praxis in der Flurbereinigung, meine Damen und Herren, hat jedoch erwiesen, daß es in vielen Verfahren schon seither möglich war, diesen Erfordernissen nachzukommen. Zu den wichtigsten Zielen möchte ich mich in der gebotenen Kürze äußern. Bevor ich mich dem zuwende, ist der nochmalige Hinweis am Platz, daß die Interessen der betroffenen Teilnehmer an erster Stelle genannt werden und damit Priorität haben. ({11}) Die Aspekte der städtebaulichen Entwicklung sowie die Gestaltung des Ortsbildes, der Landesplanung und der Raumordnung sind in besonderer Weise zu beachten. Der Ausschuß für Raumordnung und Städtebau hat sich mit dem ihn betreffenden Teil des Gesetzes beschäftigt und ihm zugestimmt. Die Verbindung von Flurbereinigung und Städtebau ist sowohl im Bundesbaugesetz als auch im 4. Teil des Städtebauförderungsgesetzes hergestellt. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, ist der Hinweis angebracht, daß bei der Beratung der Novelle zum Bundesbaugesetz vor allem der enge Zusammenhang zwischen Agrarstruktur und städtebaulichen Maßnahmen in angemessener Weise berücksichtigt wurde. Bei allen planerischen Maßnahmen, die sich auf orts- und stadtnahe Gebiete oder auf die Freiräume zwischen Ballungsgebieten beziehen, ist es geboten, die reichen Erfahrungen der Flurbereinigungsbehörden im ländlichen Raum zu nutzen. Die bislang vorliegenden Erfahrungen aus der Flurbereinigung haben ja überzeugend gezeigt, daß diese Behörden auch unter städtebaulichen und landesplanerischen Sauter ({12}) Aspekten zukunftsorientierte Konzeptionen entwickeln können. Schließlich ist in der Novelle die Möglichkeit eröffnet, in einem Gebiet, in dem Flurbereinigung und Umlegung nach dem Bundesbaugesetz durchgeführt werden, bei der Landabfindung Grundstücke von Flurbereinigungs- und Umlegungsgebieten gegenseitig zu vertauschen. Die Probleme des Naturschutzes und der Landschaftspflege haben im federführenden Ausschuß umfassende Diskussionen ausgelöst. Aktiver Naturschutz und Landschaftspflege sind in der Regel ohne Bodenordnung schwierig zu vollziehen. Wir haben die berechtigten Anliegen von Naturschutz und Landschaftspflege im Gesetz in angemessener Weise berücksichtigt und damit deren Bedeutung unterstrichen. Sowohl bei freiwilligem Landtausch, bei vereinfachtem Verfahren, bei der beschleunigten Zusammenlegung sind Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege geplant. Bei der Feststellung des Wege- und Gewässerplans ist ein landschaftspflegerischer Begleitplan vorzulegen, in dem alle Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeführt werden. Die Beratungen des Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes werden dadurch erleichtert, daß wir alle im Zusammenhang mit der Flurbereinigung relevanten Probleme in dieser Novelle verankert haben. Die Beratungen dieses Problems - ich sage dies vor allem, weil es im Bundestag und besonders in den Länderparlamenten Auseinandersetzungen gegeben hat - waren getragen von der gemeinsamen Überzeugung, daß Naturschutz- und Landschaftspflege nicht ohne oder gar gegen die Landwirtschaft, sondern nur in fairer Partnerschaft mit der Landwirtschaft erfolgreich betrieben werden können. ({13}) Wenn im neuen Flurbereinigungsgesetz der Aufgaben- und Maßnahmenkatalog kräftig ausgeweitet wurde, so stellt sich zwangsläufig die Frage aus der Sicht der Betroffenen, ob nicht die Teilnehmer zu den Kosten für diese erweiterten Aufgaben herangezogen werden können. Ich bin dem Ausschuß dankbar, daß er dem Antrag unserer Fraktion gefolgt ist. Im Gesetz ist nämlich klar formuliert, daß „Teilnehmer nur zu Beiträgen herangezogen werden können, soweit die Aufwendungen deren Interessen dienen". Lange und heftige Debatten bei den Fachleuten und den Juristen löste die Frage der Planfeststellung in der Flurbereinigung aus. Die Hinzuziehung eines umfassenden Gutachtens hat schließlich doch zur Klärung und damit letztlich zur Beschleunigung der Beratungen beigetragen. In diesem Fall hat sich ein Gutachten gelohnt. Der Streit um die Kollisionsklausel ist ausgestanden, weil der entsprechende Passus im neuen Gesetz gestrichen ist, da die Planfeststellung für Wege und Gewässer anderweitig geregelt ist. Ich will mir hier die Diskussion um die Frage, ob die vorläufige Feststellung des Wege- und Gewässerplans eine echte Planfeststellung ist oder nicht, ersparen. Richtig ist sicher, daß im Gesetz von vorläufiger Feststellung nicht die Rede ist. Das umstrittenste Problem in jeder Flurbereinigung ist naturgemäß die wertgleiche Abfindung. Hier ist die Frage des Bemessungszeitpunktes von erheblichem Gewicht. Der Ausschuß ist der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts beigetreten, wonach nicht die Anordnung, sondern die Ausführung der Flurbereinigung als Bemessungszeitpunkt zu wählen ist. Er glaubt damit einen Beitrag zur Wertgleichheit von Einlage und Abfindung geleistet zu haben, wohlwissend, ,daß diese Frage immer Anlaß zur Kritik sein wird. Der freiwillige Landtausch - Herr Kollege Büchler hat bereits darauf hingewiesen -, ein Verfahren von sehr unterschiedlicher Bedeutung in den einzelnen Bundesländern, ist jetzt gesetzlich geregelt. Ich meine, daß diese Verfahrensmöglichkeit künftig stärker genutzt werden sollte. Schließlich verdient die neu geschaffene Möglichkeit der Bildung von Verbänden der Teilnehmergemeinschaft Erwähnung. Die gute Erfahrung in Bayern einerseits und die Hinweise des Bundesrechnungshofes, mit diesem Instrument Kosten einzusparen, haben Veranlassung gegeben, das Gesetz entsprechend zu ändern. Immer stärker treten die sogenannten Verbundverfahren in den Vordergrund, während die rein landwirtschaftlichen Flurbereinigungen abnehmen. Die entsprechenden Regelungen sind in § 86 niedergelegt. Es steht außer Frage, daß Maßnahmen des Autobahnbaues, des Straßen-, des Eisenbahnbaues, der Wasserwirtschaft und des Städtebaues und der Infrastruktur nur sinnvoll im Zusammenhang mit einer Flurbereinigung möglich sind, ja, diese Maßnahmen wären praktisch undenkbar, wollte man nicht den einfachen Weg der Enteignung beschreiten. Nur durch die Flurbereinigung ist es in solchen Fällen möglich, einen gerechten Lastenausgleich und eine vernünftige Neuordnung der Feldmark zu ermöglichen. Es ist nicht möglich, im Rahmen von kurzen Debattenbeiträgen die Einzelheiten des Gesetzes noch näher zu erörtern. Ich habe versucht, einige wichtige Schwerpunkte anzudeuten. Wer in seinem Leben je mit der Flurbereinigung direkt oder indirekt befaßt war oder selber als Betroffener an solchen Verfahren beteiligt war, kann ein Lied davon singen, wie sehr eine solche Maßnahme die Gemüter erhitzt. Da ist von Enteignung, von Behördenwillkür und von Ungerechtigkeiten die Rede. Oftmals werden persönliche Feindschaften begründet. Hierzu muß festgestellt werden, daß die Rechte des einzelnen durch diese Novelle überhaupt nicht geschmälert werden. Andererseits kann im allgemeinen schon nach kurzer Zeit festgestellt werden, welchen Nutzen Flurbereinigungsverfahren für die Beteiligten und für die Entwicklung des betroffenen Raumes bringen. Die im Gesetz vorgesehene Erweiterung des Aufgabenbereiches der Flurbereinigung erfordert ein noch größeres Maß an Verantwortung von den zuständigen Ämtern. Indem ich diesen für die so mühselige und strapaziöse Arbeit in der Vergangenheit Sauter ({14}) Dank sage, möchte ich sie zugleich auffordern, diese erhöhte Verantwortung in Zukunft wahrzunehmen. Ich möchte gleichzeitig an alle künftigen Teilnehmer an Flurbereinigungen den eindringlichen Appell richten, in die Vorstände von Teilnehmergemeinschaften die Besten und Fähigsten zu berufen, weil auch davon in entscheidender Weise der Erfolg eines Verfahrens abhängig ist. ({15}) Darüber hinaus möchte ich nochmals betonen, daß Maßnahmen der Flurbereinigung in der Regel nur dann erfolgversprechend sind, wenn die vitalen Interessen der Landwirtschaft berücksichtigt werden. Die Flurbereinigung wird zu Recht auf andere Bereiche ausgeweitet. Dennoch muß klar sein, daß alle jene sich Illusionen hingeben, die da glauben, Strukturpolitik im ländlichen Raum sowie Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einleiten, die Landschaft für die Erholungsuchenden erschließen zu können, wenn sie nicht gleichzeitig respektieren, daß bei allen diesen Bemühungen die Landwirtschaft eine zentrale Funktion hat. Hier hilft nur Partnerschaft, nicht aber Konfrontation. Die Flurbereinigung nach diesem Gesetz ist - ich habe es bereits zu Beginn gesagt - das wichtigste Instrument für eine aktive Entwicklung des ländlichen Raums. Wer die Probleme dieses Raumes kennt, weiß, daß die Menschen in diesem Gebiet von Sorgen umgetrieben werden, weil sie feststellen, daß die Städte und Zentren in unserem Land eine magische Anziehungskraft besonders auf die junge Generation ausüben. Wenn dem entgegengehalten wird, daß unsere großen Städte allmählich ausbluten, so ist zu sagen, daß dies nur die halbe Wahrheit ist, weil die Bewohner nicht auf das Land, sondern allenfalls an den Stadtrand zurückkehren. Da Agrarpolitik nach Minister Ertl - in dieser Hinsicht sind wir mit ihm einig - Politik für den ländlichen Raum ist, werden wir dieses Thema in der Debatte über den Agrarbericht 1975 sicher noch erörtern. Meine Damen und Herren, wer jedoch die Probleme dieses Raumes verniedlichen oder gar lächerlich machen zu können glaubt, der stößt auf den entschiedenen und geschlossenen Widerstand meiner Fraktion. ({16}) Wenn dieses Thema so abgehandelt wird, wie das laut Pressebericht vom 17. Oktober 1975 durch Herrn Ehmke geschehen ist, der da sagt: Der Mensch steht im Mittelpunkt des ländlichen Raumes; so viel Sonne, wie nötig, so viel Regen, wie möglich!, kann ich nur entgegnen, daß diese Aussage ein hohes Maß an Zynismus diesem ernsten Problem gegenüber verrät. ({17}) Dagegen verwahren wir uns mit aller Entschiedenheit und mit aller Schärfe. In der öffentlichen Diskussion taucht immer wieder die Frage auf, ob die Flurbereinigung in unserem Land nicht in absehbarer Zeit abgeschlossen werden könnte. Es wäre eine Illusion, dies anzunehmen. Trotz großer Erfolge in den letzten Jahren bleibt noch viel zu tun. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß wir durch Verkehrsmaßnahmen eine starke Inanspruchnahme der Flurbereinigungsbehörden registrieren müssen. Um die Effektivität der Flurbereinigungsbehörden zu stärken, wird das Instrument der beschleunigten Zusammenlegung immer stärker angewendet. Dieser Weg führt mit geringerem Aufwand schneller zum Ziel. Besonders zu erwähnen ist die Rebflurbereinigung. Sie ist ebenso kostenaufwendig wie erfolgversprechend. Wenn in manchen Gebieten unseres Landes die Probleme des Weinbaus nicht so drükkend sind, ist dies auch der Flurbereinigung zu verdanken. Der Erfolg eines Verfahrens, das in aller Regel mit hohen staatlichen Zuschüssen und erheblichen Eigenleistungen der Teilnehmer verbunden ist, darf nicht durch eine erneute Zerstückelung in Frage gestellt werden. Wer die Entwicklung des ländlichen Raumes will und der passiven Sanierung entgegenarbeitet, braucht in Zukunft erst recht das Instrument der Flurbereinigung. ({18}) Mit dem vorliegenden Gesetz wollen wir nicht nur der Landwirtschaft helfen, sondern insgesamt der Entwicklung des ländlichen Raumes dienen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. ({19})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP begrüße ich den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes, wie er in der Ihnen vorliegenden Berichtsdrucksache seinen Ausdruck findet. Lassen Sie mich gleich auf die Ausführungen meines Vorredners in bezug auf den Herrn Kollegen Ehmke eingehen. ({0}) Ich kann nur sagen: Sonne und Regen braucht die Landwirtschaft dringender als Flurbereinigung, und ich bin der Auffassung, daß der Herr Kollege Ehmke das sicher im richtigen Zusammenhang gesagt hat. Ichglaube nicht, daß das hier der richtige Platz ist, um diese Dinge in einen falschen Zusammenhang zu bringen. ({1}) - Nein, bestimmt nicht, aber ich kann euch nur sagen, meine Herren Kollegen von der CDU/CSU: ihr habt auf eurem Parteitag - wenn wir schon bei diesen Dingen sind - die Landwirtschaft ganz verGallus gessen; ihr habt nicht einmal an Sonne und Regen gedacht! ({2}) Ich bin aber mit der Bundesregierung der Auffassung - -({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, jetzt bitte ich um Ruhe. Es können Zwischenfragen gestellt werden; wir haben ja sowieso eine baden-württembergische Debatte. Herr Abgeordneter Gallus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark ({0})? - Bitte!

Dr. Anton Stark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002217, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gallus, können Sie mir eine Äußerung nennen, in der die CDU/CSU-Fraktion gegen Sonne und Regen war? ({0})

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, darum geht es nicht! ({0}) Mir geht es nur darum, daß man hier nicht einen Kollegen fälschlicherweise mit einer Sache, die sicherlich aus dem Zusammenhang gerissen ist, verdächtigt. ({1}) - Entschuldigen Sie, wenn Sie wollen, stellen Sie doch eine Zwischenfrage. ({2}) - Herr Kollege, ich glaube, daß dieses Problem, mit dem wir es heute zu tun haben, für die Landwirtschaft von so großer Bedeutung ist, daß es eigentlich gut gewesen wäre, wenn der Herr Kollege diesen Ausspruch von Herrn Ehmke nicht am Rande zitiert hätte, denn das ist völlig außerhalb der Sachlichkeit, um die es hier in diesem Gesetz geht. ({3}) Ich bin mit der Bundesregierung der Meinung, daß strukturpolitische Maßnahmen immer wieder aktualisiert und modernisiert werden müssen. Dies gilt auch für die Flurbereinigung, die sich in ihrer 250jährigen Rechtsgeschichte als die zentrale strukturpolitische Maßnahme den jeweiligen äußeren Bedingungen schon ständig anzupassen hatte. Meine Damen und Herren, an welche Vorläufer der Flurbereinigung wir auch immer denken, ob an die Gemeinheitsteilung, an die Konsolidation, an Waldbereinigungen und Güterzusammenlegungen, an Separationen oder Zusammenlegungen, wie die verschiedenen Maßnahmen in früheren Jahrzehnten geheißen haben: Jetzt geht es darum, die Rechtsgrundlagen der Flurbereinigung an den bereits von meinen Herren Vorrednern aufgezeigten Strukturwandel im ländlichen Raum anzupassen. Diese Anpassung ist unter den bereits aufgezeigten formellen und materiellen Gesichtspunkten anzustreben. Mit der formellen Anpassung, die zweifelsohne notwendig ist, möchte ich mich hier nicht näher auseinandersetzen. Lassen Sie mich aber zu der materiellen Zielsetzung einige Ausführungen machen. Agrarpolitik ist heute - da bin ich mit der Bundesregierung und insbesondere mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl einer Meinung ({4}) Politik für den im ländlichen Raum wohnenden, arbeitenden und erholungsuchenden Menschen, ({5}) kurzum, sie ist die Politik für die Menschen im ländlichen Raum. Aus dieser Sicht heraus muß die Flurbereinigung als strukturpolitisches Instrument eine doppelte Zielsetzung verfolgen: Zum einen ist die landwirtschaftliche Struktur durch die Maßnahmen der Bodenordnung nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verbessern. Dabei ist möglichst vielen Landwirten eine Chance zum Verbleib in der Landwirtschaft als Haupt-, Zu- oder Nebenerwerbsbetriebsinhaber zu eröffnen. Schon in diesem Zusammenhang darf ich betonen, daß ich die vorgesehene Regelung der Verbindlichkeit der agrarstrukturellen Vorplanung im Flurbereinigungsgesetz begrüße. Neben der notwendigen gründlichen Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen bietet die agrarstrukturelle Vorplanung auch die Gewähr dafür, daß die sozial-ökonomischen Strukturen in den Verfahrensgebieten eingehend untersucht werden und das Ergebnis dieser Untersuchungen der Neuordnung der rechtlichen Verhältnisse zugrunde gelegt wird. Das heißt: die von den jeweiligen Betriebsinhabern beabsichtigte Entwicklung zum Haupt-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb wird bei der Neugestaltung der Verfahrensgebiete im möglichen Umfang ihre Berücksichtigung finden müssen. Die Flurbereinigung hat - wie die gesamte ländliche Strukturpolitik - ein zweites Ziel. Sie hat in ihrem Rahmen dazu beizutragen, daß der Flächenbedarf für die Schaffung attraktiver Wohn-, Arbeits- und Freizeitbedingungen im ländlichen Raum gedeckt wird, wenn der ländliche Raum nicht in Zukunft durch eine Ungleichheit der Chancen und der Lebensverhältnisse seiner Bewohner im Vergleich zu den Bewohnern der städtischen Gebiete gekennzeichnet sein soll. Die Schaffung attraktiver Wohn-, Arbeits- und Freizeitwerte bedingt bekanntlich einen hohen Flächenbedarf. Eine unter Umständen erforderliche Enteignung für diese Zwecke würde schwerwiegende Einzeleingriffe zur Folge haben. Demgegenüber ist ein Bodenordnungsverfahren besonders geeignet, mit geringstmöglichem Eingriff die vielschichtigen, flächenbezogenen Interessen und Ansprüche an Grund und Boden auszugleichen. Die Flurbereinigung ist ein quasi-behördliches Verfahren. Nach der Novelle zum Flurbereinigungsgesetz soll sich dieses Verfahren künftig in verstärktem Maße der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landesentwicklung widmen. Wenn ich dies sage, bin ich mir bewußt, daß der ländliche Grundbesitz erhöhten Ansprüchen ausgesetzt ist. Gleichwohl werden die Rechte der Grundeigentümer nach der Novelle in vollem Umfang gewahrt. Auch ich kann mit Zufriedenheit feststellen, daß hieraus den Flurbereinigungsteilnehmern keine zusätzlichen Beitragslasten auferlegt werden. Von wesentlicher Bedeutung erscheint mir hier die in der Novelle vorgesehene Möglichkeit des Flächenaustausches zwischen Flurbereinigungsgebieten und Umlegungsgebieten, d. h. von landwirtschaftlichen Flächen gegen Bauland. Darin, meine Damen und Herren, liegt eine konsequente Fortsetzung des mit den Vorschriften über städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur nach dem Vierten Teil des Städtebauförderungsgesetzes eingeschlagenen Weges. Diese neue Regelung führt zur Lösung von Problemen, die sich aus dem Strukturwandel in der Landwirtschaft ergeben. Die Aufstockung oder Abstockung von Betrieben - je nach dem, ob und in welcher Form ein Betrieb weitergeführt werden soll - wird auf diese Weise wesentlich erleichtert. Daß wir so eine breite Eigentumsstreuung erhalten, sei nur am Rande erwähnt. Bei aller Notwendigkeit des Flächenaustausches darf wegen der möglichen grundlegenden Veränderungen in der Nutzungsart und der Bodenwerte ein solcher Austausch nur mit Zustimung der jeweiligen Grundstückseigentümer vorgenommen werden. Besonders begrüße ich die gesetzliche Regelung des freiwilligen Landtausches durch die Novelle zum Flurbereinigungsgesetz. Dieser Tausch von Grundstücken kann bisher nur im Wege privatrechtlicher Vereinbarungen durch Erklärung zu notarieller Urkunde durchgeführt werden. Die Bereitschaft von Landwirten zu einem Tausch von landwirtschaftlichen Grundstücken auf freiwilliger Basis möchte ich besonders unterstützen. Das tue ich um so lieber, als der freiwillige Landtausch künftig gleichzeitig auch die kostengünstigere Durchführung des Grundstückstausches sein kann. ({6}) Auch mit der Bildung von Verbänden der Teilnehmergemeinschaften dürfte eine wesentliche Verbilligung der Verfahren zu erreichen sein. Die Verbände sollen zwar als Körperschaften des öffentlichen Rechts entstehen. Ein Liberaler horcht auf, wenn sich eine Machtkonzentration im öffentlichen Bereich abzeichnet. Bei den Verbänden der Teilnehmergemeinschaften handelt es sich aber um ein Instrument der Selbstverwaltung, und über deren Entstehung entscheiden die Beteiligten selbst. Diesen Weg möchte ich daher voll unterstützen. Ich darf abschließend sagen, daß mit der Ihn en jetzt vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfs eine Lösung gefunden worden ist, die ein sinnvolles und gerechtes Ergebnis bei der Entwicklung des ländlichen Raumes ermöglicht. Dies gilt für das Interesse des einzelnen wie für das Interesse der Allgemeinheit in gleichem Maße. Ich wünsche mir, daß die Eigentümer ländlichen Grundbesitzes auch künftig der Flurbereinigung in ihrer erweiterten Aufgabenstellung dieselbe Aufgeschlossenheit entgegenbringen wie bisher. Ich bin sicher, daß die Flurbereinigungsbehörden diese Aufgeschlossenheit würdigen, indem sie auch künftig ihrer treuhänderischen Funktion im Interesse der Landwirtschaft und im Interesse des ländlichen Raumes gerecht werden. Meine Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause am 23. Dezember 1974 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes mit der Bitte um Beschlußfassung zugeleitet. Jetzt liegt das Ergebnis der Ausschußberatungen vor. Ich möchte mich bei allen Ausschüssen sehr herzlich bedanken; ganz besonders danke ich den Berichterstattern für ihre Arbeit. Für mich ist es deshalb besonders erfreulich, weil ich feststellen kann, daß alle Fraktionen diesem Gesetzgebungswerk ihre Zustimmung geben können. Insoweit wird ein bedeutendes Reformvorhaben von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses getragen. ({0}) - Erstens tut Ihnen ein bißchen Reform ganz gut; das macht Sie gesünder. Ich spreche jetzt vom Reformhaus. Das ist für Sie ganz gesund. ({1}) Wenn Sie mehr vom Reformhaus haben, ist das allumfassend biologisch gesund. Das zweite ist etwas, was Ihre Vertreter doch auch bekundet haben. Es tut dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sehr gut, wenn gesagt wird: Der hat nicht immer soviel über Reformen geredet, aber er hat konkrete Reformen durchgeführt mit Hilfe des Hohen Hauses. ({2}) - Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, was ich tue. Wissen Sie, Herr Reddemann, so schnell bringen Sie mich nicht durcheinander. ({3}) - Ich hoffe es. Die Bundesregierung hat dabei eine umfassende Novelle aus folgenden Gründen vorgelegt: Erstens war es höchste Zeit, daß das Flurbereinigungsrecht aus 1953 der allgemeinen Rechtsentwicklung angepaßt wurde. Zweitens war es notwendig, die inzwischen neu geschaffenen rechtlichen Tatbestände im Flurbereinigungsgesetz zu verarbeiten. Ich kann mich hier auf das beziehen, was meine Vorredner schon im Hinblick auf das Raumordnungsgesetz bis hin zum Naturschutz und zur Landschaftspflege gesagt haben. Am Schluß dieser Debatte möchte ich vor der Abstimmung noch einmal darauf hinweisen, daß es uns nicht nur um eine formelle Rechtsanpassung ging, sondern daß wir an dieser Novelle auch ein sehr großes materielles Interesse hatten und auch ein materielles Ziel verfolgten. Das möchte ich nun noch einmal in diesem Hohen Hause ein wenig erläutern. Die Bundesregierung hat für diese Legislaturperiode die Reform des Bodenrechts zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte erklärt. Bei der allgemeinen Diskussion um diese Reform stelle ich immer wieder fest, daß sie sich weitgehend auf den Bereich des Baubodenrechts beschränkt. Ausgangs- und Bezugspunkt sind also die städtischen Gebiete und ganz besonders die Verdichtungsräume mit nicht zu leugnenden Fehlentwicklungen auf dem Bodenmarkt. Die Ursachen dafür sind allen bekannt. Ihnen .wird mit der Novellierung des Bundesbaugesetzes begegnet. Wir würden aber, wenn wir uns nur um die Städte kümmerten, der umfassenden gesellschaftspolitischen Bedeutung der Bodenrechtsproblematik nicht gerecht. Wir würden zum einen die Notwendigkeit der Sanierung in den ländlichen Gemeinden verkennen und zum anderen übersehen, daß auch der ländliche Raum einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der bodenpolitischen Probleme leisten kann und sogar leisten muß. Dabei müssen wir uns vor allem der grundlegend veränderten Bedingungen, mit denen wir es heute im ländlichen Raum wegen des Struktur- und Funktionswandels zu tun haben, bewußt werden. Die Bevölkerungsstruktur in den ländlichen Gemeinden hat sich mehr und mehr den städtischen Verhältnissen genähert. Die Ansprüche an die gemeindliche Infrastruktur werden dadurch in der Regel nur noch zum 'feil von der Land- und Forstwirtschaft bestimmt. Die ländlichen Fluren übernehmen in steigendem Maße eine ökologische Ausgleichsfunktion und dienen zudem der natur- und landschaftsgebundenen Freizeitgestaltung und Erholung. Die land- und forstwirtschaftliche Produktion, auf deren Steigerung das Flurbereinigungsgesetz noch entscheidend abstellt, hat dabei im ländlichen Raum eine Teilfunktion. Auf Grund des Struktur- und Funktionswandels im ländlichen Raum haben wir es mit dem Problem zu tun, daß eine Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe - in den letzten Jahren waren es rund 30 000 jährlich - ihre Produktion einstellen. Dadurch werden gleichzeitig in wachsendem Umfang Flächen für andere Zwecke freigesetzt. So wie man das beobachten kann, wird sich dieser Prozeß - wenn auch verlangsamt - weiter fortsetzen. Dem steht - und darauf wurde schon hingewiesen - die zunehmende Beanspruchung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen für Verkehr, Ver- und Entsorgung, Sport, Landschaftsgestaltung, Städtebau, Verteidigung und ähnliche Zwecke gegenüber. Ansätze für einen bodenpolitischen Lösungsversuch liegen mithin in der Flächenmobilität der sich wandelnden Landwirtschaft, einer Flächenmobilität, die bei einer entsprechenden Ausrichtung des gesetzlichen Instrumentariums der Flurbereinigung nicht nur für landwirtschaftliche, sondern auch für allgemeine Zwecke genutzt werden kann. Die Bundesregierung geht insoweit von der Erkenntnis aus, daß ein Bodenordnungsverfahren - um das es sich bei der Flurbereinigung handelt - die am besten geeignete Maßnahme dafür ist, die mobilisierten und mobilisierbaren Flächen aufzufangen und zu verwenden. Tatsächlich geht von ihr die geringste Betroffenheit für die Grundeigentümer aus, weil die wertgleiche Abfindung aller Teilnehmer am Verfahren nach wie vor oberster Grundsatz der Flurbereinigung bleibt. Meine Damen und Herren, das von der Bundesregierung mit der Gesetzesnovelle verfolgte Anliegen besteht ferner darin, die Flurbereinigung der veränderten strukturpolitischen Zielsetzung anzupassen. Der von der Flurbereinigung anzusprechende Personenkreis besteht nicht nur aus den Landwirten als Produzenten, sondern grundsätzlich aus allen, die auf dem Land wohnen, arbeiten oder auch nur Erholung suchen. Die Flurbereinigung als tragendes Instrument der Agrarstrukturpolitik soll deshalb der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft dienen und zugleich die landschaftsgebundenen Erholungs- und Freizeitansprüche der Bevölkerung berücksichtigen. Außerdem sollen durch sie Flächen für infrastrukturelle und andere öffentliche Zwecke bereitgestellt werden. Auf einen Nenner gebracht, heißt das, daß die Flurbereinigung künftig verstärkt zur Verbesserung der gesamten Lebensbedingungen im ländlichen Raum beitragen soll. Sie soll also, wie es der Gesetzentwurf ausdrückt, die Landentwicklung, insbesondere die Dorfentwicklung fördern. Ich habe gern zur Kenntnis genommen, daß der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die angestrebte Harmonisierung städtebaulicher und agrarischer Bodenordnung und Bodennutzung ausdrücklich begrüßt. Bei der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen veränderten Zweckbestimmung der Flurbereinigung bleiben die Belange der Land- und Forstwirtschaft - das möchte ich hier mit Nachdruck betonen - ebenso wie die des Eigentümers an ländlichem Grundbesitz in vollem Umfang gewahrt. Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der an der Flur14064 bereinigung beteiligten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind also nach wie vor das Ziel der Bodenordnung durch Flurbereinigung. Daneben tritt die Bodenordnung zur Förderung der Landeskultur und der Landesentwicklung. Dadurch erfährt der Flurbereinigungsbegriff fraglos eine erhebliche inhaltliche Ausweitung, und zwar, wie ich meine, in durchaus zulässiger Weise. Einige von Ihnen mögen mir entgegenhalten - Vorredner haben es bereits getan -, daß die Flurbereinigung bisher schon beträchtliche Aufwendungen erfordert hat und die erweiterte Aufgabenstellung eine Kostensteigerung nach sich ziehen muß. Dem möchte ich widersprechen. Ich verweise auf das, was Vorredner gesagt haben, nämlich auf die Möglichkeit, die diese Novelle eröffnet, in der Form der Gründung von Verbänden der Teilnehmergemeinschaften. Auch ich habe keinen Grund, nicht zu sagen, daß das bisher mit großem Erfolg im Land Bayern praktiziert wurde. Diese Verbände führen insbesondere durch zentrale Kassenführung, kostengünstigere Herstellung und Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen sowie einen frühzeitigen Landerwerb sicherlich zu einer Verbilligung der Flurbereinigungsverfahren. Die Novelle schafft darüber hinaus verbesserte Voraussetzungen für die Koordinierung aller raumbedeutsamen Maßnahmen des jeweiligen Flurbereinigungsgebiets in der Planungsstufe wie auch in der Durchführung der Flurbereinigung. So ist ein effizienter Mitteleinsatz gewährleistet. Dabei erscheint es mir besonders wichtig, daß auf diese Weise in verstärktem Maße eine Bündelung der verschiedenen landwirtschaftlichen und sonstigen Förderungsmittel erreicht wird. Von besonderem Nutzen ist in diesem Zusammenhang die agrarstrukturelle Vorplanung, deren Aufstellung und Berücksichtigung das Flurbereinigungsgesetz künftig vorschreibt. Mit der agrarstrukturellen Vorplanung sind unter Berücksichtigung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung, der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Infrastruktur sowie der Landschaftsstruktur Zielvorstellungen für den Planungsraum und daraus Vorschläge für Art und Weise der Verbesserung der land- und forstwirtschaftlichen Produktionsbedingungen und Betriebsstrukturen zu entwickeln. Für mögliche Maßnahmen der Dorferneuerung ist die gemeindliche Bauleitplanung zugrunde zu legen. Die Regelung der agrarstrukturellen Vorplanung führt überdies zu einer differenzierten Betrachtung der Strukturverhältnisse des untersuchten Gebiets. Die Vorplanung erleichtert und sichert die Entscheidung darüber, ob und wo gegebenenfalls welche Maßnahme durchgeführt werden soll. Ich bin mir bewußt, daß die verschiedenen Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz nicht alternativ zueinander verstanden werden dürfen. Je nach den strukturellen Gegebenheiten und Erfordernissen kommt entweder nur das eine oder nur das andere Verfahren, also z. B. nur das umfassende Flurbereinigungsverfahren oder nur das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren in Betracht. Mir geht es darum, auf die Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen aufmerksam zu machen. Ich könnte mir vorstellen, daß zumindest in Teilen von Gemarkungen oftmals die Unterstützung der eigendynamischen Entwicklung durch ein freiwilliges Landtauschverfahren ausreicht. Ich darf Sie auf die nunmehr vorgesehene gesetzliche Regelung des freiwilligen Landtausches und seine Durchführbarkeit innerhalb von Flurbereinigungs- und Zusammenlegungsgebieten hinweisen. Hierdurch soll unter dafür geeigneten Bedingungen eine einfachere, schnellere und jedenfalls billigere Durchführung der Bodenordnung im ländlichen Raum ermöglicht werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch hinzufügen: Die deutsche Flurbereinigung und ihre Rechtsgrundlagen genießen im Ausland einen guten Ruf. Eine Reihe von Staaten ändert gegenwärtig ebenfalls ihr Flurbereinigungsrecht und orientiert sich dabei an unseren Erkenntnissen. Um so mehr freue ich mich, daß wir mit diesem Gesetz einen bedeutenden Schritt nach vorne tun, um die ländliche Bodenordnung zu verbessern und auch einen Beitrag für die Chancengleichheit des ländlichen Raumes im Verhältnis zu ,den städtischen Bereichen zu leisten. Ich glaube, ,das ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen von uns allen, um auch für die Zukunft sicherzustellen, daß wir nicht eine heterogene, sondern eine homogene gesellschaftliche Entwicklung in dem Sinne haben, daß die Orientierung und die Entwicklung in Zukunft in Stadt und Land gleichermaßen vor sich gehen. Dazu ist es notwendig, daß der ländliche Raum auch in der Zukunft für alle Menschen attraktiv bleibt. Dazu soll dieses Gesetz beitragen. Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zu Ihrer Frage machen, Herr Kollege Sauter, wie es mit der nationalen Position im Zusammenhang mit der EG aussehen wird. Ich möchte dazu folgendes sagen. Selbstverständlich wird, wenn die politische Integration entsprechend den Vorstellungen voranschreitet - was, wie ich glaube, jeder verantwortungsvolle Politiker in diesem Hohen Hause will -, der Zeitpunkt kommen, zu dem dieser Minister eine ähnliche Position einnimmt wie im Augenblick ein Landesminister zum Bundesminister. Das heißt, wenn wir einmal die direkte Wahl haben werden - das soll ja 1978 so weit sein - und zu einem voll funktionsfähigen Europäischen Parlament kommen - ({4}) - Ich weiß, daß Sie immer sehr weit vorausschauen. Ihre Weisheit ist fast noch größer als ihr Mund. Ich weiß das sehr zu schätzen, Herr Reddemann. ({5}) - Ich weiß, das bedeutet bei der Schnelligkeit Ihres Mundes sehr viel. Sie täuschen sich wie so oft, Herr Reddemann, wie z. B. mit den Reformen. Ich weiß, daß Sie heute nicht mehr Reformpartei sein wollen. ({6}) - Ich verfolge ja auch immer die Diskussionen der Jungen Union. Da müssen Sie auch einmal hingehen. Aber darum geht es hier ja gar nicht. Aber das ist schon mein Problem, weil ich der Meinung bin, daß ich die Pflicht habe, auf mögliche Entwicklungen hinzuweisen, insbesondere auf solche, die möglicherweise zur Verbesserung des allgemeinen Bildungswesens beitragen könnten. Soweit man die politische Harmonisierung will, soweit man sie in Form von direkten Wahlen will, aus denen eines Tages möglicherweise eine kompetentere Kommission oder Regierung hervorgeht, stellt sich in der Tat die Frage, inwieweit es dann noch eine nationale Agrarpolitik gibt. Die ist dann wohl endgültig beendet. Darauf wollte ich nur hinweisen. Soweit ich informiert bin, Herr Reddemann, sollen die ersten direkten Wahlen zum Europäischen Parlament bereits 1978 stattfinden. Unter Berücksichtigung dieses Datums geht es hier nicht um ein Problem von morgen, sondern es handelt sich um ein sehr gegenwärtiges Problem. Ich glaube daher, daß es richtig ist, sich im Zusammenhang mit dieser Frage darauf einzustellen, daß sich eines Tages veränderte politische Kompetenzen ergeben. ({7}) - Das ist Ihr Wunschtraum, Herr Reddemann. Strengen Sie sich erst einmal an. Dann werden wir sehen, ob Sie das überhaupt fertigbringen. ({8}) - Bis jetzt sind Sie diesem Ziel noch nicht näher gekommen. Das glauben ja noch nicht einmal Ihre Matadore. ({9}) Sie müssen sich doch sehr anstrengen. Aber das ist ja nicht mein Bier und interessiert mich auch nicht. ({10})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wir unterhalten uns über Agrarpolitik. ({0})

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident, Bier gehört natürlich zur Agrarpolitik. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich kann das nicht bestreiten.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Und damit Sie es genau wissen und die CDU/CSU eine bessere Seelenverfassung bekommt, sage ich: Starkbier brauen wir immer noch in schwarzer Form. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, nach dieser humorvollen Einlage kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich sehe keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltung. Einstimmig angenommen. Wir kommen damit zu Punkt 8 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1975 bis 1978 - Drucksachen 7/3563, 7/4153 - Berichterstatter: Abgeordneter Susset Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Susset, für seinen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Nach einer Entscheidung der Frau Bundestagspräsidentin zu Beginn dieser Sitzung wird Punkt 9 der Tagesordnung erst morgen aufgerufen. Wir kommen damit zu Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Juni 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Drucksachen 7/4229, 7/4302 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, an Stelle des ursprünglich vorgesehenen Aufrufs von Punkt 11 der Tagesordnung wird auf Beschluß dieses Hauses nunmehr aufgerufen: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hammans, Prinz zu Sayn-Wittgenstein14066 Vizepräsident Dr. Jaeger Hohenstein, Burger, Braun, Frau Dr. Neumeister, Frau Schleicher, Frau Benedix, Gerster ({1}) und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden - Drucksache 7/3852 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({2}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Hammans das Wort.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gesundheitspolitischen Debatte am 5. Juni dieses Jahres habe ich den hier vorliegenden Gesetzentwurf über den Beruf des Logopäden bereits angekündigt. Frau Bundesminister Focke hat einen solchen Gesetzentwurf als notwendig bezeichnet und häufiger angekündigt, schließlich aber die Auffassung vertreten, es sei in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich, ihn vorzulegen. Ich finde, es ist beschämend für die Bundesregierung, wenn wir als Opposition ohne den hilfreichen Apparat des Bundesministeriums diesen Entwurf hier vorlegen können. Wie die Bundesregierung in einem den Logopäden ähnlichen Fall verfährt, mögen Sie aus folgendem Beispiel ersehen. Ein Verband drängt und bitte immer wieder um eine Ausbildungsordnung. Nach mehr als acht Vorlagen, die hin und her gingen, und unter Einschaltung von Abgeordneten ist die letzte Antwort nach zwei Jahren, die gegeben wurde: „Wann eine Anhörung durchgeführt werden kann, ist zur Zeit noch nicht abzusehen." Nun liegt also der Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Berufsbild des Logopäden vor. Ohne hier von diesem Platz aus dozieren zu wollen, möchte ich doch den Namen kurz interpretieren. Ich tue dies erst recht nach Diskussionen über den Namen in meiner Fraktion und an manch anderer Stelle. Übrigens ist der Name „Logopäde" keine Erfindung der Opposition und auch kein Vorschlag der Opposition. Das Wort ist eine Zusammenfassung der beiden griechischen Wörter „logos" und „paideuein", die „Wort" und „erziehen" beten. Ganz streng müßte man es also mit „Worterzieher" oder „Sprecherzieher" übersetzen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es gegenwärtig etwa 1,2 Millionen sprach- und stimmgestörte Patienten. Diese Personen sind als körperlich kranke Menschen anzusehen, und die ungenügende medizinische Betreuung dieser behinderten Menschen führt zu einer beängstigenden Unterversorgung. Die Folge ist eine ungenügende geistige, soziale und berufliche Entwicklung zahlreicher Kinder, Jugendlicher, aber auch Erwachsener. Der von meiner Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf über den Beruf des Logopäden hat die Zielsetzung, die Zulassung zum Beruf des Logopäden bundeseinheitlich zu regeln. Der Logopäde ist ein dem medizinischen Bereich zugehöriger, nichtärztlicher Heilberuf. Seine Tätigkeit umfaßt in erster Linie die Erkennung und Behandlung von Hör-, Stimm- und Sprachkrankheiten. Die Arbeit des Logopäden geschieht auf der Grundlage einer naturwissenschaftlich-medizinischen Betrachtung der von ihm behandelten Krankheiten und Behinderungen unter Hinzunahme von Kenntnissen über die psychologischen und pädagogischen Zusammenhänge der Störungskomplexe. Die logopädische Therapie basiert auf einer ärztlichen Diagnose, kann sich aber in geeigneten Fällen auf eigene Erhebungen stützen. Der Logopäde ist befähigt, einen Behandlungsplan selbständig zu gestalten, hat aber ärztlichen Anweisungen Folge zu leisten. Die Zusammenarbeit mit Pädagogen, Psychologen und anderen in der Rehabilitation tätigen Berufen ist erforderlich. Die Bedeutung dieses Berufes ergibt sich aus der schon genannten Zahl hör-, stimm- und sprachgestörter Patienten. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Ausgabe vom 28. Oktober 1975, hat Knut Barrey einen hervorragenden Artikel mit der Überschrift „Mehr Logopäden könnten viel mehr Kindern helfen" geschrieben. Ich möchte Ihnen diesen Artikel zur Lektüre empfehlen und will hier nur noch ein paar Bemerkungen über die Aufgaben des Logopäden machen. Wie sinnvoll die Tätigkeit des Logopäden ist, läßt sich an Hand von Zahlen nachweisen. So schätzt allein der Mainzer Professor Biesalski, Direktor der einzigen Universitätsklinik für Kommunikationsstörungen in der Bundesrepublik, die Zahl der Kinder im Alter von drei bis neun Jahren, die einer logopädischen Fachbehandlung bedürfen, gegenwärtig auf etwa 300 000. Unter Anwendung einer frühzeitigen Fachbehandlung dürfte es immerhin möglich sein, bei drei von vier Kindern aufgetretene Störungen zurückzudrängen oder gar vollständig zu beseitigen. Selbst wenn bei etwa einem Viertel der gehör- und stimmgeschädigten Kinder nicht geholfen werden kann, so läßt sich zumindest eine Besserung in der Weise erzielen, daß sie in den späteren Erwerbsprozeß eingegliedert werden können. Was das für die Einzelpersönlichkeit bedeutet, brauche ich nicht näher zu erklären. Hinsichtlich der logopädischen Behandlung von Erwachsenen ist festzuhalten, daß nach Schätzung von Biesalski jährlich etwa 15 000 Erwachsene infolge Erkrankung oder Verletzung des Gehirns oder zentraler Sprachstörungen behandlungsbedürftig sind. Diesem Kreis sind weiterhin hinzuzurechnen diejenigen erwachsenen Patienten, deren Kommunikationsstörungen auch andere Ursachen haben, z. B. die erwachsenen Stotterer. Über diese Zahl hinaus gibt es eine Vielzahl stimmgestörter Erwachsener aus Berufen, die sehr stark durch ihre sprachliche Tätigkeit beansprucht sind, wie etwa Lehrer, Pfarrer, Politiker und andere Personen. Erfreulicherweise können einfache Stimmstörungen in den meisten Fällen zu etwa 90 % geheilt oder doch wesentlich gebessert werden. Bei dem zweifellos vorhandenen Bedürfnis nach fachmännischer Betreuung ist festzustellen, daß der großen Zahl von Kranken gegenwärtig in der Bundesrepublik nur etwa 250 bis 300 Logopäden gegenüberstehen. Nach Biesalski fehlen mehr als 2 500 ausgebildete Fachkräfte. Jährlich gibt es bisher allerdings nur 50 Ausbildungsplätze. Diesem Angebot an Ausbildungsplätzen stehen pro Jahr 2 000 Bewerber gegenüber. Wie besorgniserregend die Situation auf diesem Gebiet ist, zeigt sich auch daran, daß noch nicht einmal im Bereich der Universitätskliniken die dringlichsten Fälle versorgt werden können. Die Zahl der behinderten Kinder nimmt ständig zu. Es ist kein Geheimnis, daß diese häufiger aus nichtfunktionierenden Ehen stammen. Ebenso nimmt auch die Zahl der Unfallgeschädigten zu. Mit der rasanten medizinischen Forschung haben sich auch die Diagnose- und Therapieverfahren gerade bei der Behandlung von gehör- und stimmgeschädigten Personen ständig verbessert. Es ist schlimm, wenn zwischen möglicher medizinischer Versorgung und der entsprechenden Notwendigkeit einer qualitativen Behandlung eine derartige Diskrepanz besteht, weil es nicht in genügendem Umfang fachlich ausgebildete Kräfte gibt. Es besteht für den Beruf des Logopäden ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung, weil die Entwicklung des Berufsbildes und die Ausbildungsanforderungen im Bundesgebiet im Interesse einer gleichmäßigen Versorgung der Krankenhäuser, Rehabilitationszentren und ähnlicher Einrichtungen mit einem entsprechend ausgebildeten Personal zwingend notwendig ist. Im übrigen folgt der Entwurf in seinem Aufbau den schon jetzt vorhandenen bundeseinheitlichen Regelungen für nichtärztliche Heilberufe, wonach der Zugang zum Beruf durch Erteilung einer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung geregelt wird. Die Voraussetzungen dazu werden im einzelnen festgelegt. Für unverzichtbar wird es von uns gehalten, eine dreijährige Lehrgangsausbildung zu fordern, um den umfangreichen Anforderungen dieses Berufsbildes gerade im Hinblick auf die zukünftige Bedeutung des Aufgabenbereichs des Logopäden gerecht zu werden. Zur Zeit haben wir nur in zwei Bundesländern eine Regelung für die Ausbildung des Logopäden, in Nordrhein-Westfalen eine dreijährige und in Rheinland-Pfalz eine zweijährige Ausbildung. Allerdings stellt das Land Rheinland-Pfalz auch auf eine dreijährige Ausbildungszeit um. Auf die Festlegung eines Mindestalters wurde verzichtet, weil davon auszugehen ist, daß durch das Erfordernis eines Abschlusses einer Realschulausbildung und einer pädagogischen Ausbildung nach dem Ausbildungsgang eine Altersgrenze von 17 .Jahren überschritten sein dürfte. Ebenfalls wurde zunächst von einer gemeinsamen beruflichen Grundausbildung im ersten Jahr der Ausbildung für mehrere verwandte nichtärztliche Heilberufe abgesehen, um nicht durch eine solche Festlegung eine gemeinsame Basis zu behindern. Die Fachleute wissen - ich brauche das nicht hinzuzufügen -, wie sehr mir dies auch persönlich am Herzen liegt. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen scheint es mir langfristig sinnvoller, durch vorbeugende Maßnahmen Patienten so früh wie möglich durch fachlich qualifizierte Kräfte behandeln zu lassen, als zu einem späteren Zeitpunkt auf Jahre hinaus Sonderschulen und Rehabilitationszentren einrichten und unterhalten zu müssen. Meine Fraktion würde es begrüßen, wenn sich die Koalition mit uns dahin gehend einigte, im Interesse einer verbesserten Versorgung von stimm- und hörgeschädigten Personen die nun folgende Beratung im Ausschuß zügig vorzunehmen, damit noch in dieser Legislaturperiode die Voraussetzung für ein einheitliches Berufsbild des Logopäden geschaffen werden können. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Beruf, dessen bundeseinheitliche Zulassung durch den vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU geregelt werden soll, ist ein wichtiger nichtärztlicher Heilberuf, für den zur Zeit viel zuwenig Fachkräfte zur Verfügung stehen. Wenn wir uns vor Augen führen, daß - Sie haben darauf hingewiesen - rund 1,2 Millionen Sprach-, Stimm- und Hörgeschädigten - Sie haben allerdings in Ihrer Begründung die Hörbehinderten nicht erwähnt - rund 300 ausgebildete Logopäden gegenüberstehen, wird deutlich, wo das eigentliche Problem liegt. Ob nun der tatsächliche Bedarf bei 3 000, wie der Zentralverband für Logopädie ausführt, oder noch darüber liegt, muß an dieser Stelle nicht untersucht werden; mir kommt es nur darauf an, darauf hinzuweisen, daß demgegenüber die vorhandene Ausbildungskapazität mit jährlich rund 50 Plätzen viel zu niedrig ist. Wenn wir von den 300 vorhandenen Logopäden ausgehen und die 50, die jährlich fertig werden, dazurechnen - wobei wir dann ja auch noch die natürlichen Abgänge berücksichtigen müssen -, stellen wir sehr schnell fest, daß das Ziel, wenn es bei 3 000 liegen sollte, ohne drastische Kapazitätsausweitungen in absehbarer Zeit nicht erreichbar ist. Das eigentliche Problem liegt darin, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Dies ist allerdings eine Aufgabe, die wir als Bundesgesetzgeber nicht lösen können. Hier muß an die Verantwortung der Bundesländer erinnert werden. Mit der Wichtigkeit des hier angesprochenen Berufes kann sich daher der vorgelegte Gesetzentwurf der Unionsfraktion nicht messen, obwohl es natürlich wünschenswert ist, die Zulassung zum Beruf des Logopäden bundeseinheitlich zu regeln. So muß allerdings bei der Beratung dieser Frage berücksichtigt werden, daß die angestrebte dreijährige Ausbildung, zu der wir uns voll bekennen, im Ergebnis zu einer weiteren Minderung der Ausbildungskapazitäten führt, ja führen muß, wenn nicht von seiten der Länder die zur Zeit vorhandenen Logopädenlehranstalten personell und sachlich in den Stand versetzt werden, unter Berücksichtigung dieser dreijährigen Ausbildung - das bedeutet für die meisten Anstalten eine Ausweitung um sechs oder zwölf Monate - die bisherige Ausbildungskapazität aufrechtzuerhalten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Jaunich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jaunich, wenn wir bisher nur in Nordrhein-Westfalen bereits eine dreijährige Ausbildung haben und Rheinland-Pfalz dabei ist umzustellen, andere Ausbildungsstätten es aber nicht gibt, dann trifft Ihre Behauptung nicht zu.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Hammans, Sie irren. Sie haben z. B. das Land Niedersachsen vergessen zu erwähnen, für das es ebenfalls eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung gibt. Ich kann sie Ihnen vorlegen. Wollen Sie sich bitte aus der Akte bedienen. Das können wir nachher machen. Sie irren also in Ihren Annahmen, und daher müssen auch Ihre Schlüsse irrig sein. Wenn wir die Ausbildungskapazität nicht erweitern, wird durch die dreijährige Ausbildung - wir bekennen uns dazu - die Zahl der Logopäden nicht größer, sondern sie verringert sich. Damit wäre dem berechtigten Anliegen, daß mehr Logopäden zur Verfügung stehen, ein schlechter Dienst erwiesen. Das ist die entscheidende Frage, die bei der Beratung zu berücksichtigen sein wird. ({0}) Aber zu dieser Frage äußern Sie sich in Ihrem Gesetzentwurf nicht. Auch im Vorblatt unter „Kosten" haben Sie recht lapidar angeführt, daß den Ländern Mehrkosten entstehen würden, die zur Zeit Lehranstalten mit einer kürzeren Ausbildungszeit als drei Jahre unterhalten. Da wird Ihr Einwand doch schon an dieser Stelle ad absurdum geführt. Sie gehen ja selbst davon aus, daß den Ländern, wo bisher eine zweijährige Ausbildung vorhanden ist, Mehrkosten entstehen. Nun können diese Mehrkosten unter Umständen recht erheblich sein, denn es ist nicht nur ein umfangreicher personeller, sondern auch ein umfangreicher sachlicher Aufwand bei der Ausbildung der Logopäden erforderlich. Ich fühle mich verpflichtet, darauf hinzuweisen. Nun komme ich zu dem Entwurf im einzelnen. Die Opposition wird nicht für sich in Anspruch nehmen wollen, daß die Erstellung dieses Entwurfes eine große intellektuelle Leistung war. Sie haben ja selbst eben darauf hingewiesen, daß Sie sich an das bewährte System gehalten haben, das wir in diesen Fragen entwickelt haben. Nur muß ich Sie dann darauf verweisen, daß es die Frau Abgeordnete Hürland war - die ich sehr schätze -, die bei der Beratung des Gesetzentwurfes über Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten gerade an dieser Systematik so viel Kritik geäußert hat und daß sie damals Dinge vermißt hat, die in dem dortigen Entwurf nicht geregelt waren. Sie hat z. B. bemängelt, daß kassenrechtliche Vorschriften fehlen. Sie schreiben in der Begründung zu § 1 Ihres Entwurfes, daß nach einer dreijährigen Angestelltentätigkeit der Logopäde sich auch selbständig machen kann, obwohl es dafür im Wortlaut des § 1 keine Stütze gibt. Das werden wir wohl im Ausschuß sehr sorgfältig durcharbeiten müssen. Aber hier stellte sich dann doch die Frage, ob da nicht kassenrechtliche Vorschriften tangiert sind und folglich in diesem Entwurf geregelt werden müssen. Frau Hürland hat dann - nicht als eigene persönliche Meinung, sondern als Meinung der CDU/ CSU-Fraktion - moniert, daß bei der Einbringung dieses Entwurfs durch die Regierung die Ausbildungsordnung und die Prüfungsordnung nicht wenigstens in Umrissen deutlich geworden sind. Nun muß ich Sie fragen, wo Sie zu dieser Materie Ihrerseits eine Regelung vorgesehen haben. Sie halten sich also an das bewährte System. Ich habe bei der Debatte am 20. Februar ja davon gesprochen, daß wir von einem bewährten System ausgehen. Die Kritik, die Frau Hürland damals im Auftrag Ihrer Fraktion geübt hat, wird spätestens seit dem Zeitpunkt, an dem Sie Ihren Gesetzentwurf vorgelegt haben, der in weiten Passagen eine Wortidentität mit dem Gesetzentwurf zum Beruf des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten aufweist, ad absurdum geführt. Ich will das hier an dieser Stelle ausdrücklich feststellen. Ich fasse zusammen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt der Überweisung des Gesetzentwurfs an die vorgeschlagenen Ausschüsse zu. Dabei wird die Kostenfrage und zugleich die Frage der Aufrechterhaltung und möglichen Ausweitung der Ausbildungskapazitäten sorgfältig zu untersuchen sein. Die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages angestrebte einjährige Grundbildung im Rahmen der Ausbildung für nichtärztliche Heilberufe sollte auch in diesem Gesetz realisiert werden. Weiterhin wird zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls wie die als Atem-, Sprech- und Stimmlehrer Tätigen in dieses Gesetz einbezogen werden können. Die Bundesanstalt für Arbeit hat in den Blättern zur Berufskunde zwischenzeitlich ein Berufsbild für diesen Personenkreis veröffentlicht. Es gibt meines Wissens auch eine spezielle Schule hierfür in Eldingen, deren Wirken von vielen als segensreich empfunden wird. Spätestens bei den Ausschußberatungen sollte auch überlegt werden, welche Schritte erforderlich sind, damit das Statistische Bundesamt in der Statistik für die Berufe des Gesundheitswesens den Logopäden gesondert ausweist, und wir künftig für diesen Bereich von exakten Zahlen ausgehen können. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Hammans, Sie haben eben die Politiker als stimmgefährdete Gruppe bezeichnet. Daß Sie damit recht haben, beweist meine Stimmstörung am heutigen Tage. Als wir uns am 20. Februar dieses Jahres hier im Plenum mit dem Gesetzentwurf über den Beruf eines Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten befaßt haben, war ich es, die am Schluß gefordert hat, daß der von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Gesetzentwurf über den Beruf des Logopäden bald vorgelegt wird. Ich habe die Reden aus der damaligen Debatte noch einmal sehr sorgfältig überprüft und bei den anderen Fraktionen keine derartigen Forderungen gefunden. Daß nun heute die Opposition diesen Entwurf vorlegt, obwohl sie mir damals keinen Beifall zollte, ist nicht verwunderlich. Sie hat einfach meine Forderungen in die Tat umgesetzt. Vielen Dank! ({0}) Der Zentralverband für Logopädie hat zu Beginn des Jahres bekanntgegeben, daß es in der Bundesrepublik Deutschland sechs staatlich anerkannte und drei nichtanerkannte Lehranstalten für Logopädie gibt. Diese neun Institutionen stellen aber nur insgesamt 64 Ausbildungsplätze - unsere Zahlen stimmen nicht überein, bei mir sind es 64, bei Ihnen waren es 70 und ein anderer hatte noch eine andere Zahl, aber das soll jetzt nicht so wichtig sein -, denen auch nach meinen Unterlagen 5 670 Bewerber gegenüberstehen. Sieht man sich nun auf der anderen Seite den Bedarf an Therapeuten für sprach- und stimmgestörte Kinder und Erwachsene an, so teilt der Zentralverband mit, daß 3 000 Logopäden in der Bundesrepublik fehlen. In meinem Heimatland Hessen fehlen nach vorsichtigen Schätzungen über 100 ausgebildete Kräfte. Im öffentlichen Gesundheitsdienst ist in Hessen zur Zeit nur ein einziger Logopäde beschäftigt. Es besteht ein Bedarf von mindestens 25. Von den 20 genehmigten Planstellen im Landeswohlfahrtsverband konnten mangels Angebots nur 6 Stellen besetzt werden. Dies ist eine traurige Bilanz, wenn man bedenkt, daß nach den Untersuchungen wissenschaftlicher Institute nahezu 10 % aller Kinder an Sprach- und Stimmstörungen leiden. Ähnliche Zahlen liegen aus Amerika und England vor. Vergleicht man nun den Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Beruf des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten mit dem von der Opposition vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden, so ist bei einem flüchtigen Vergleich Übereinstimmung festzustellen. Der Entwurf der Bundesregierung wurde fast abgeschrieben; nur die Berufsbezeichnung wurde ausgewechselt. Die Opposition hatte es nicht schwer, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich frage mich, warum das Ministerium - trotz Ankündigung - bisher einen Entwurf nicht hat vorlegen können. ({1}) Durch die Gleichheit der beiden Gesetzentwürfe wird wieder einmal deutlich, daß die Forderungen der FDP nach gruppenspezifischen Grundbildungsjahren für die nichtärztlichen Heilberufe - ich habe diese Forderungen hier im Plenum und in den Ausschußberatungen immer wieder vertreten - gerechtfertigt sind. Wir bitten das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, nunmehr diesbezügliche Vorschläge zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen. Wenn man die beiden Gesetzentwürfe jedoch sehr sorgfältig vergleicht, stellt man bei der Zulassung zur Ausbildung den Unterschied fest, daß für Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten der Real-schulabschluß oder ein vergleichbarer Abschluß vorgeschrieben wird, während im CDU/CSU-Entwurf für den Logopäden ein solcher Abschluß zwar auch gefordert wird, zusätzlich aber noch die sozialpädagogische Ausbildung als Voraussetzung für die Zulassung zu den anerkannten Schulen für Logopäden gefordert wird. Meine Damen und Herren von der Opposition, darin liegt meines Erachtens ein großer Widerspruch. Ab 1976 ist für die Ausbildung von Sozialpädagogen das Abitur Voraussetzung. Sie fordern aber Realschulabschluß plus sozialpädagogische Ausbildung. Was fordern Sie denn nun? Außerdem dauert das Studium der Sozialpädagogik sechs Semester; das sind drei Jahre. Die Ausbildung zum Logopäden soll dann noch einmal drei Jahre dauern?! Das sind dann insgesamt zwölf Semester bzw. sechs Jahre. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich möchte Sie einmal fragen, wie Sie die Logopäden dann tariflich einstufen wollen. Bedenken Sie die Ausbildungskosten für die öffentliche Hand und auch die Personalkosten für die Träger der Rehabilitationseinrichtungen, zumal wenn man sich auf der anderen Seite den enormen Bedarf an Logopäden vor Augen führt. Darüber sollten wir uns im Ausschuß ernstlich Gedanken machen. Jedenfalls können wir Freien Demokraten dieser langen Berufsausbildung keinesfalls zustimmen. Wir sind hingegen für die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Der Gesetzentwurf soll auf Vorschlag des Ältestenrates dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend - und dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zur Mitberatung überwiesen werden. - Widerspruch erhebt sich nicht. Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU! CSU betr. Mindestmotorleistung für LKW - Drucksache 7/4205 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post und Fernmeldewesen Zur Begründung hat der Abgeordnete Dreyer das Wort.

Nicolaus Dreyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000421, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Drucksache 7/4205 liegt Ihnen der Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Mindestmotorleistung für LKW vor. Na14070 mens der Fraktion begründe ich den Antrag wie folgt: Vertreter der Bundesregierung wie auch der Koalitionsfraktionen haben in den letzten Jahren immer wieder die Notwendigkeit des Abbaus der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr betont. In der verkehrspolitischen Presse konnte man fast Woche für Woche Überschriften wie diese lesen: Gscheidle setzt sich ein, Bundesregierung hofft, Ollesch kündigt an, Wrede macht sich stark, Mahne erwägt. Sie alle tun also zumindest so, als ob sie mit dem Abbau dieser Wettbewerbsverzerrungen Ernst machen wollten. Sogar im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages forderten Sie alle - auch wir - die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag vom 9. April dieses Jahres auf. hier endlich aktiv zu werden. Die Opposition, deren Aufgabe darin besteht, die Regierungskoalition zu kontrollieren und an ihren Erfolgen zu messen, muß feststellen, daß der bisherige Fortschritt in der Frage des Abbaus der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr trotz aller großen Worte gleich Null ist. ({0}) Dies ist zugleich ein Grund dafür, daß wir den vorliegenden Antrag eingebracht haben. Die CDU/ CSU fragt sich, ob die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen nicht fähig sind, Maßnahmen zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr zu ergreifen, oder ob sie trotz ihrer Versprechen Verbesserungen für die deutschen Güterkraftverkehrsunternehmer und die in diesem Bereich beschäftigten Kraftfahrer im Grunde genommen gar nicht wollen. Die Situation ist doch exakt die: Wenn wir uns die fiskalischen Leistungen, die sozialpolitischen und technischen Auflagen und deren Überwachung sowie die Bußgeldvorschriften im EG-Vergleich anschauen, so kommen wir ganz eindeutig zu dem Ergebnis, daß alle Nachteile bei uns liegen ({1}) und alle Vorteile bei unseren acht EG-Partnern. Es steht also bei den Wettbewerbsverzerrungen 8: 1 gegen uns. ({2}) In diese Situation ist der deutsche grenzüberschreitende Güterkraftverkehr natürlich nicht zufällig, sondern unter wesentlicher Mithilfe der amtierenden Bundesregierung gekommen, und aus dieser Situation kommt der deutsche Straßengüterverkehr mit Sicherheit nicht dadurch heraus, daß unsere acht EG-Partner ohne nachdrückliches Handeln der Bundesregierung aus purer Nächstenliebe diese Vorteile aufgeben. Nun gibt es Maßnahmen zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen, die sich nur im Einvernehmen mit unseren EG-Partnern durchsetzen lassen. Es gibt aber auch Maßnahmen, bei denen der Bundesregierung ein völlig autonomer Handlungsspielraum zur Verfügung steht. Wie sollen dann, wenn die Bundesregierung bei diesen Maßnahmen das Gesetz des Handelns nicht ergreift, unsere EG-Partner davon überzeugt werden, daß die Bundesregierung einen Abbau der völlig einseitigen Wettbewerbsverzerrungen zu unseren Gunsten überhaupt ernsthaft will? Beim sogenannten Vorschaltgesetz zur Reform der Kfz-Steuer hatten die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen einen völlig autonomen Handlungsspielraum; sie haben ihn ungenutzt gelassen. Der Ihnen jetzt vorliegende CDU/CSU-Antrag behandelt die Frage der Mindestmotorleistung für LKW und damit ebenfalls einen Problembereich, bei dem die Bundesregierung gegenüber ihren EG- Partnern einen völlig autonomen Handlungsspielraum hat. Sie mögen versuchen, das Problem ,der Mindestmotorleistung im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Wettbewerbsverzerrungen zu bagatellisieren und damit die Bedeutung unseres Antrages abzuwerten. Wir haben uns in unserem vorliegenden Antrag ganz bewußt auf diesen einen Punkt konzentriert, weil hier eben der Handlungsspielraum für die Bundesregierung voll gegeben ist und weil es hier kein Alibi und keine Ausrede geben kann, weil man auch hier - in diesem gegenüber anderen Wettbewerbsnachteilen relativ bescheidenen Punkt - den EG-Partnern dokumentieren muß, 'daß nunmehr ein konsequenter Abbau der Wettbewerbsverzerrungen unausweichlich notwendig wird. ({3}) Der verkehrspolitische Effekt, den Sie mit 8 PS pro Tonne erreichen wollen, kann ohnehin nicht eintreten, solange sich ein Heer ausländischer LKW mit 6 PS und weniger auf unseren Straßen tummelt. Noch ein weiterer für die CDU/CSU sehr wesentlicher Punkt muß im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag gesehen werden. Wie sollen eigentlich unsere EG-Partner davon überzeugt werden, daß es die Regierung beim Abbau 'der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr ernst meint und 'daß langfristig das völlig einseitige Gefälle bei den Wettbewerbs-vor- und -nachteilen unhaltbar ist, wenn sich unsere Bundesregierung jetzt daranmacht, die einseitigen Nachteile für den deutschen grenzüberschreitenden Güterverkehr im Grunde genommen noch zu erhöhen? Unsere EG-Partner müssen dabei ja allmählich den Eindruck gewinnen, daß sie unserer Bundesregierung einen Gefallen erweisen, wenn sie ihre Vorteile kompromiß- und bedingungslos verteidigen. ({4}) Ich spreche hier vom Fahrpersonalgesetz und der Fahrpersonalverordnung. Zu Beginn der Legislaturperiode waren wir uns in diesem Hause alle einig, daß mit der zweiten Stufe der sogenannten EG- Sozialvorschriften erst begonnen werden könne, wenn die erste Stufe in allen EG-Ländern einheitlich Anwendung findet. ({5}) Das ist bisher ganz und gar nicht der Fall. ({6}) Nun dienen das geplante Fahrpersonalgesetz und die geplante Fahrpersonalverordnung der Bundesregierung aber offenbar sogar als Vehikel, um Teilbereiche der zweiten Stufe bei uns zu realisieren, während unsere EG-Partner gar nicht daran denken, hier mitzuziehen. Dies hat unweigerlich den Effekt, daß der Wettbewerb nur noch stärker verzerrt wird. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben ihren Willen zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr bisher lediglich verbal bekundet. Bedeutenden Schritten, z. B. dem Vorschaltgesetz zur Kfz-Steuerreform, haben sie die Zustimmung versagt. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU soll auch ein Test sein, ob die Bundesregierung überhaupt handeln will. Der Antrag, falls er von allen Fraktionen dieses Hauses gestützt würde, ist geeignet, dem Herrn Bundesverkehrsminister bei den bevorstehenden EG-Verhandlungen im Ministerrat den Rücken zu stärken. Wir sind der Ansicht, daß der Verkehrsminister dies wahrlich gut gebrauchen kann. Denn, wie schon gesagt: Es steht 8 : 1 gegen uns. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Mahne.

Erhard Mahne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001409, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als 1968 die Straßenverkehrszulassungsordnung dahin geändert wurde, daß nach einer Übergangszeit ab 1. Januar 1972 LKW-Motoren mit einer Mindestleistung von 8 PS je Tonne Nutzlast ausgestattet sein müssen, wurde diese Maßnahme mit der Verbesserung des Verkehrsflusses durch eine höhere Beschleunigung der LKWs, mit möglichen höheren Geschwindigkeiten an Steigungen und der damit verbundenen verbesserten Leistungsfähigkeit der Straßen begründet. Durch die Mindestmotorleistung entstehen dem Gewerbe nach Angaben des Gewerbes Mehrkosten von 10 000 bis 15 000 DM je LKW und je Jahr. Inwieweit diese Angaben auch die verbesserten Erträge, wie höhere Durchschnittsgeschwindigkeit und längere Lebensdauer der Motore, berücksichtigen, ist nicht bekannt. Dieses ist aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, daß die nationale Regelung der Mindestmotorleistung die Position des deutschen Gewerbes im internationalen Wettbewerb verschlechtert. Hier, Herr Kollege Dreyer, stimmen wir überein. Ich glaube, das ist in allen Entschließungsanträgen, die wir gefaßt haben, und in allen Bekundungen nach außen deutlich geworden. Kumulierend hinzu kommt für die Verschlechterung der Wettbewerbssituation außerdem die in anderen EG-Ländern nicht durchgeführte Überwachung der Einhaltung der EG-Sozialvorschriften. Deshalb haben wir dem Entschließungsantrag im Mai zugestimmt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, darauf hinzuwirken, daß die Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Verkehr schnellstens abgebaut werden. Dieser Entschließungsantrag zeigt sehr deutlich, daß dem Deutschen Bundestag die Sorgen des Güterkraftverkehrsgewerbes im grenzüberschreitenden Verkehr bekannt sind und der Bundestag bereit ist, das Gewerbe in seinem Bemühen um den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Verkehr zu unterstützen. In den letzten Wochen hat das Güterkraftverkehrsgewerbe durch Protestkundgebungen in der Bundesrepublik auf die existentielle Bedrohung des Gewerbes im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs immer wieder hingewiesen, und heute haben wir ähnliche Argumente auch vom Kollegen Dreyer gehört. Immer wieder wird herausgestellt, daß durch national - wie es heißt - verfehlte Maßnahmen das deutsche Straßenverkehrsgewerbe in diese existenzbedrohende Situation gekommen ist. Zur Untermauerung dieser Argumente wird der 25%ige Rückgang der Marktanteile der deutschen Unternehmen am grenzüberschreitenden Verkehr angeführt. Meines Erachtens ist diese Argumentation zu einseitig. Die Zahlen müssen relativiert werden. Der prozentuale Verlust an Marktanteilen sagt nichts oder ganz wenig über die enorme Steigerung des Frachtaufkommens insgesamt aus. So betrug das Frachtaufkommen im Straßengüterverkehr 1955 insgesamt nur 4,2 Millionen t. Hieran waren die deutschen Unternehmen mit 2,5 Millionen t beförderter Fracht oder insgesamt mit 59,2 % beteiligt. 1965 betrug das Frachtaufkommen ({0}) nein, ich muß bei 1955 beginnen - insgesamt über 24 Millionen t. Der Anteil der deutschen Unternehmer belief sich auf insgesamt 9,5 Millionen t. Der prozentuale Rückgang belief sich in diesen zehn Jahren von 1955 bis 1965 - Herr Dreyer, während der Zeit, in der Sozialdemokraten nicht in der Regierungsverantwortung standen - aber insgesamt auf 22 %. Wenn Sie also der amtierenden Bundesregierung Vorwürfe machen, daß sie zum Abbau dieser Wettbewerbsverzerrungen nichts getan habe, müßten Sie natürlich fragen: Was ist denn damals eigentlich geschehen? ({1}) - Herr Kollege Dreyer, ich habe hier die Zahlen des grenzüberschreitenden Verkehrs. 1973 war das Frachtaufkommen im grenzüberschreitenden Verkehr auf insgesamt 64 Millionen t gestiegen. Der deutsche Anteil betrug 23,5 Millionen Tonnen oder 33,8 %. Die hohen prozentualen Verluste sind also eindeutig in den Jahren von 1955 bis 1965 eingetreten, als der deutsche Anteil von 59,2 auf 37,2 % zurückging. Dieses geschah, obwohl sich das Frachtaufkommen bei den deutschen Unternehmen in diesem Zeitraum um 7 Millionen t erhöht hat. Von 1965 bis 1973 belief sich der Rückgang nur auf 3,5 %. Gleichzeitig konnte aber das Frachtaufkommen um 14,5 Millionen t erhöht werden. In diese Betrachtung müssen wir doch sicherlich auch mit einbeziehen die zu gleicher Zeit überaus positive Entwicklung des Werkverkehrs, die sich natürlich nachteilig für den gewerblichen Güterkraftverkehr auswirken muß. Ich möchte, meine Damen und Herren, die heutige Aussprache auch zu der Frage benutzen, ob nicht in der Bundesrepublik - nicht, wie Sie es gesagt haben, Herr Dreyer, daß es 8 : 1 gegen unser Gewerbe steht - das Güterkraftverkehrsgewerbe auch erhebliche Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten in der EG hat. Zum Beispiel hat doch die Kapazitäts- und Tarifpolitik in der Bundesrepublik dazu geführt, daß Konzessionen äußerst sparsam vergeben wurden und sich auf dem Binnenmarkt für das Gewerbe durchaus attraktive Frachttarife erzielen ließen. Haben sich nicht auch deshalb viele deutsche Güterkraftverkehrsunternehmen bei zunehmendem Frachtaufkommen für den Markt entschieden, auf dem eben die höheren Tarife zu erzielen waren, nämlich auf dem deutschen Markt? Wie es auch immer sei: Wir sind uns einig, daß die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen eine Belastung für das Gewerbe sind. Wir werden deshalb alle Bemühungen, den Abbau dieser Wettbewerbsverzerrungen zu erreichen, nachdrücklich unterstützen. Priorität muß aber doch haben, daß wir in Europa dafür sorgen, daß die Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Verkehr durch eine gemeinsame europäische Verkehrspolitik tatsächlich abgebaut werden. Diese nützt im Endeffekt dem Gewerbe mehr als Erleichterungen und Entlastungen in Teilbereichen auf nationaler Ebene, da so nie eine Harmonisierung in der europäischen Verkehrspolitik erreicht werden kann, letztlich aber die Harmonisierung Voraussetzung für eine ökonomische Verkehrspolitik ist. ({2}) Deshalb begrüßen wir, daß der Verkehrsminister bereits bei der Verkehrsministertagung in Luxemburg initiativ geworden ist, um u. a. die Mindestmotorleistung von 7 PS je Tonne auf europäischer Ebene zu erreichen. Diese Harmonisierungsbestrebungen finden unsere volle Unterstützung, da die nachteiligen Folgen der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen in der EG für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe nicht mit dem Abbau der bestehenden EG-Vorschriften, sondern nach unserer Auffassung durch eine einheitliche Anwendung und Überwachung in allen EG-Ländern erreicht werden sollte. ({3}) Hierbei wird von uns eine flexiblere Handhabung und auch die Streichung unzweckmäßiger Vorschriften nicht ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund der von mir dargelegten Beschlüsse des Bundestages und der Initiativen des Bundesverkehrsministers bei der EG-Ministertagung wäre eigentlich der heutige CDU/CSU-Antrag überflüssig gewesen. Herr Dreyer, Sie wollten ihn als einen Test gewertet wissen, was die Regierung tun kann. Dazu muß ich sagen: Diesen Test hat die Regierung schon bestanden, wenn man weiß, daß der CDU/CSU-Antrag am 20. Oktober gestellt wurde, fünf Tage nachdem sich der deutsche Verkehrsminister auf der EG-Verkehrsministertagung im Sinne des Entschließungsantrags vom Mai 1975 eingesetzt hat, und vier Tage, nachdem der Verkehrsminister dem Präsidenten ,der Zentralarbeitsgemeinschaft des Straßenverkehrsgewerbes, Herrn Herzig, seine Initiativen erläutert und ihm zugesichert hat, eine schnelle Entscheidung über die notwendigen Schlußfolgerungen für die Bundesrepublik auch in dem Falle zu treffen, daß es bei der Ministerratstagung im Dezember, wider Erwarten, nicht zu einer europäischen Übereinstimmung kommen wird. ({4}) Wir sehen in Ihrem Antrag eine Unterstützung der intensiven Bemühungen des Bundesverkehrsministers. Sicher wird ihm bei der nächsten Ministerratstagung die einheitliche Auffassung des Bundestages für die Durchsetzung der Beseitigung der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen hilfreich sein. Die SPD-Fraktion stimmt deshalb der Überweisung an den Verkehrsausschuß zu. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Mahne nun ausführlich begründet hat, warum eine Zustimmung der SPD-Fraktion erfolgt, kann ich mir die Details, die dazu geführt haben, daß auch die Opposition den Antrag gestellt hat, ersparen. ({0}) Aber ich möchte dem Kollegen Dreyer doch noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, daß wir Freie Demokraten es gewesen sind, die als erste in der Offentlichkeit und auch im Plenum des Deutschen Bundestages auf die negativen Auswirkungen dieser einseitigen Maßnahmen innerhalb der EG für die deutschen Unternehmen hingewiesen haben, negative Auswirkungen hinsichtlich höherer Betriebskosten und hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem ausländischen Konkurrenten auf dem Verkehrsmarkt. Diese sogenannte 8-PS/t-Vorschrift wurde 1969 vom damaligen Verkehrsminister in der Großen Koalition unter der Richtlinienkompetenz des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger erstellt. Meine Damen und Herren, ich bitte also nicht zu vergessen, daß diese 8-PS/t-Vorschrift unter der damaligen Bundesregierung der Großen Koalition installiert worden ist! ({1}) - Verkehrsminister war Herr Leber; aber Sie wissen, die Richtlinienkompetenzen liegen beim BunGeldner deskanzler, und Sie haben das in der Großen Koalition mit zugelassen. Das muß man mal wieder ins Gedächtnis zurückrufen, Herr Dreyer. ({2}) - Herr Kollege Lemmrich, Sie sollten jetzt nicht so tun - der Herr Kollege Dreyer hat auch versucht, es so darzustellen -, als ob die derzeitige Bundesregierung dafür verantwortlich wäre. Es war im Jahre 1969, als diese Verordnung erstellt worden ist. Darüber sind wir uns doch im klaren. ({3}) Man hat vielleicht den Glauben gehegt, daß sich damit eine schnellere europäische Einigung herbeiführen ließe. Es ist leider nicht so; denn schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß die anderen EG- Länder nicht bereit waren, dem Schritt der Bundesrepublik in diesem Punkt zu folgen. Verschiedene Länder, insbesondere Frankreich, erklärten ausdrücklich, daß sie vor 1980 eine Anhebung der Mindestmotorleistung nicht vornehmen würden, und wenn, dann auf maximal 7 PS/t. Damit standen wir vor der Situation, daß die deutschen Unternehmen neben vielen anderen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gegenüber ihren europäischen Partnern weitere Belastungen erfahren würden. Ich denke dabei daran, daß eine Anhebung der Mindestmotorleistung nicht nur höhere Anschaffungskosten, sondern insgesamt auch höhere Betriebskosten bedeutet. Das Argument des wirtschaftlichen Vorteils durch Erzielung höherer Fahrgeschwindigkeiten, meine Damen und Herren, und damit schnellerer Umläufe kann ich nur bedingt gelten lassen. Denn solange Ausländer in großer Zahl mit Motorleistungen von 5 bis 6 PS/t auf unseren Straßen fahren, gilt immer noch die alte These, daß der Langsamste das Tempo des Geleitzuges bestimmt, so wie ich es bereits in meiner Rede zur Verkehrspolitik hier im Deutschen Bundestag am 17. Januar 1974 ausgeführt habe. Wir, dürfen nicht vergessen, meine Damen und Herren, daß auf den entscheidenden Strecken unserer Autobahnen - das kommt hinzu -, auf denen sich eine stärkere Motorleistung positiv auswirken würde, nämlich auf Steigungsstrecken, zum großen Teil noch Überholverbote für Lkw bestehen. Lassen Sie mich auch noch darauf hinweisen, daß wir innerhalb der EG-Sozialvorschriften eine Begrenzung der Kilometerzahl auf 450 km pro Fahrer haben. Was nützt es, wenn der Fahrer bei einer höheren PS-Leistung schneller fahren kann, aber nach 450 km sein Fahrzeug stehenlassen muß? Auch hier haben wir Freien Demokraten - Herr Dreyer, das können Sie wohl nicht aus der Welt zu schaffen versuchen - seit langem für die Abschaffung des 450-km-Limits gefochten. ({4}) - Herr Kollege, Sie sollten einmal meine Ausführungen vom 17. Januar 1974 nachlesen. Schon da haben wir die Forderung an den damaligen Verkehrsminister gerichtet. Für viele Unternehmen ist die Abschaffung der Vorschrift bezüglich der 450 km noch wichtiger als die Änderung der Mindestmotorleistung. ({5}) Zum Abschluß möchte ich Sie, Herr Minister, wie ich es schon in meiner Rede vor anderthalb Jahren getan habe, dringend bitten, auf eine europäische Einigung über die Mindestmotorleistung hinzuwirken. Sie haben es bereits in Luxemburg getan, und die vor Ihnen liegende Zusammenkunft im Dezember wird ja zeigen, wieweit die anderen europäischen Partner bereit sind, ihr europäisches Denken hier voranzustellen und den Versuch zu machen, eine Harmonisierung herbeizuführen. Diese europäische Einigung über die Motorleistung könnte für das deutsche Verkehrsgewerbe endlich die gleichen Startbedingungen schaffen, wie sie bei den Konkurrenten auf diesem Sektor schon bestehen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten wir es den Unternehmen freistellen, ob sie die stärkere Motorleistung in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Ich glaube, wenn wir so verfahren könnten, würde hier ein erheblicher Wettbewerbsnachteil beseitigt sein. Deshalb werden wir Freien Demokraten der Überweisung des Antrags Drucksache 7/4205 an den Ausschuß zustimmen. Ich glaube, daß wir mit dieser Entscheidung, wie schon gesagt worden ist, auch dem Verkehrsminister für die Verhandlungen im Dezember den Rücken stärken können. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vor. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 13 auf: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Deutsche Bundesbahn - Drucksache 7/3986 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Jobst das Wort.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung hat einen Tiefstand erreicht. In dieser Situation wird die Offentlichkeit mit Schlußverkaufszahlen über die Deutsche Bundesbahn geschockt. Die Ankündigungen über die drastischen Streckenstillegungen, zu denen der Bundeskanzler 1974 mit seiner Forderung, die Bahn müsse 10 000 km an Strecken reduzieren, das Signal gegeben hat, haben große Verunsicherungen geschaffen. Die Bevölkerung in den ländlichen Räu14074 men ist arg betroffen, die Wirtschaft ist verunsichert, die Eisenbahner sind enttäuscht. Die CDU/CSU will mit dem vorliegenden Antrag erreichen, daß dieser Verwirrung und vor allem diesem verhängnisvollen Zickzackkurs in der Bundesrepublik ein Ende bereitet wird. ({0}) Herr Brandt hat 1965 in einem Brief an die Eisenbahner mit der Anrede „Liebe Eisenbahner" folgendes geschrieben: Wir sind der Meinung, daß wir es beim Defizit der Bahn nicht mit einem Naturereignis zu tun haben. Die derzeitige Bundesregierung und die sie tragenden Parteien haben die Bahn und ihre Beschäftigten im Stich gelassen, obwohl sie die Folgen kennen mußten. Diese traurige Bilanz belastet 500 000 Eisenbahner und einige Hunderttausende Pensionäre und Rentner. Bei einer viel harmloseren Situation - damals betrugen die Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt für die Bahn rund 2 Milliarden DM - hat sich Herr Brandt bemüßigt gefühlt, wahlpolitische Kassandrarufe ertönen zu lassen. Man muß doch fragen: Wie sieht es denn heute bei der Deutschen Bundesbahn aus? Die Bahn ist mit atemberaubender Geschwindigkeit in die roten Zahlen gefahren. Der Verlust wird in diesem Jahr von der Bundesregierung selbst mit 4,3 Milliarden DM veranschlagt. Die Zuleistungen aus dem Haushalt werden über 10 Milliarden DM betragen, und der Verschuldungsstand der Bahn wird einen Rekord von 25 Milliarden DM in diesem Jahr ergeben. Mitte der 60er Jahre konnte die Bahn noch 30 % ihrer Aufwendungen investieren. Damit konnte ein beachtliches Elektrifizierungs- und Rationalisierungsprogramm durchgezogen werden. Heute kann sie nur mehr 14 % investieren. Die Bahn ist zu einem Haushaltsrisiko geworden. Dieses niederschmetternde Ergebnis ist uns unter der Veranwortung von SPD-Verkehrsministern bêschert worden. ({1}) - Ich verstehe Ihre Unruhe auf der linken Seite nicht. Warum schreiben denn Sie, warum schreiben Herr Brandt und Herr Schmidt heute nicht den „lieben Eisenbahnern" bei diesen miesen Verhältnissen, die sie heute bekommen haben? ({2}) Von großspurigen Plänen dieser Bundesregierung, die eine Wende in der Verkehrspolitik herbeiführen sollten, haben die Eisenbahner mehrfach gehört. ({3}) Alle diese großen Ankündigungen haben sich doch als Seifenblasen erwiesen. Ich darf nur ganz kurz erinnern: 1973 wurde uns von dieser Bundesregierung auf Grund der Regierungserklärung ein Expansionsmodell für die Bahn präsentiert. Heute wird uns ein totales Schrumpfungskonzept angekündigt. Das ist nicht gerade ein Musterbeispiel an Solidität. Die CDU/CSU hat den vorliegenden Antrag deshalb eingebracht, weil wir der Meinung sind, daß der Bahn schwerer Schaden zugefügt wird, wenn das Drehbuch über die Bundesbahnpolitik so abläuft, wie es offenbar zwischen dem Bundesbahnvorstand und der Bundesregierung abgesprochen ist. Die Bundesregierung hat ja überhaupt das Kunststück fertiggebracht, sich Jahre hindurch vor Entscheidungen bezüglich der Bahn zu drücken. Fünf Jahre ist überhaupt nichts geschehen. ({4}) Und jetzt hören wir auch nur von Modellen. Die Bahn soll im nächsten Jahr ein betriebswirtschaftliches Schrumpfungsmodell vorlegen. Dem soll ein volkswirtschaftliches Schrumpfungsmodell folgen. ({5}) Ich glaube, es ist offensichtlich, daß die Bundesregierung damit über die Bundestagswahl 1976 kommen und daß sie dieses Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bundesbahnvorstand und Bundesregierung, das in dieser Legislaturperiode laufend Höhepunkte erreicht hat, fortsetzen will. ({6}) Ich will hier sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weshalb wir dies im Hinblick auf die Bahn für ein echtes Drama halten: Die Kunden der Bahn werden das betriebswirtschaftliche Netz - man spricht jetzt von 15 000 km - in Händen haben. Wie wird aber der Kunde reagieren, der bisher auf die andere Hälfte des Streckennetzes angewiesen ist? Er wird doch der Bahn den Rücken kehren. Es ist eine Kundenvertreibungspolitik, die hier betrieben wird. Die Öffentlichkeit interessiert nicht das Modell des betriebswirtschaftlichen Netzes; sie interessiert: Wie sieht das Netz der Bahn in Zukunft aus? Ist es nicht eine tolle Akrobatennummer, wenn der Vorstand ein Netzmodell vorlegt, von dem er weiß, daß er es nicht zu verwirklichen braucht? Wir haben gestern, Herr Bundesverkehrsminister, im Rundfunk hören und heute in den Zeitungen lesen können, daß das Bundeskabinett gestern eine wichtige Vorlage zur Bundesbahnpolitik beraten hat. Die Beratung hat zwar nicht stattgefunden; die Opposition bedankt sich aber trotzdem dafür, daß sie dadurch eine Woche früher über Ihre Vorlage breit und ausführlich unterrichtet werden konnte. ({7}) Die CDU/CSU hat den Antrag ferner eingebracht, um deutlich zu machen, daß wir nicht bereit sind, ohne weiteres das Schrumpfungskonzept für die Bahn mitzumachen. Es werden sicherlich nicht alle Nebenstrecken für alle Zukunft erhalten bleiben können. Der Personenverkehr kann in manchen Bereichen zu bestimmten Zeiten, an bestimmten Tagen und vielleicht im ganzen besser durch Omnibusse bedient werden. Die Bundesregierung hat aber auch die gesetzliche Verpflichtung, gleichwertige Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 203. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 27. November 1975 14075 Lebensbedingungen für die Menschen in allen Regionen unseres Landes anzustreben. Dazu gehören auch die Qualität der Verkehrsbedienung und der Preis, der dafür bezahlt werden muß. Wir fordern in unserem Antrag, daß Stillegungspläne für die Bahn nur im Zusammenhang mit Auffangkonzepten für die betroffene Region zur Diskussion gestellt werden. Bevor eine Entscheidung über Streckenstillegungen getroffen wird, muß feststehen, daß die Alternative - hier also das Auffangkonzept - für die Menschen und für die Wirtschaft in der betroffenen Region vorteilhafter ist als die Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebs. Ich möchte darauf hinweisen, daß die ländlichen Räume, die schon jetzt benachteiligt sind, nicht weiter benachteiligt werden dürfen. Es darf nicht so sein, daß dort in Zukunft volle Transportpreise und kostendeckende Fahrpreise erhoben werden, während in und zwischen den Ballungsräumen, also dort, wo die Eisenbahn nach den Vorstellungen der Bundesregierung weiterhin betrieben werden soll, auch künftig subventionierte Preise angeboten werden. Wir wollen von der Bundesregierung eine klare Aussage haben, welche gemeinwirtschaftlichen Aufgaben die Bahn künftig erfüllen soll. An schönen Worten seitens der Bundesregierung hinsichtlich des engen Zusammenhangs von Verkehrspolitik, Regional-, Raumordnungs- und Strukturpolitik fehlt es nicht und hat es nicht gefehlt. Allein uns fehlt der Glaube, weil wir keine Taten sehen. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Was ist z. B. davon zu halten, daß die Bundesregierung in ihrem sogenannten Haushaltsstrukturgesetz die Mittel für den kommunalen Straßenbau, soweit er aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert wird, um jährlich 350 Millionen DM kürzt, um die täglich wachsenden Finanzlöcher im öffentlichen Personennahverkehr zu stopfen? Wenn die Bundesregierung dabei ist, die Bahn aus der Fläche zurückzuziehen, dann kann sie doch nicht auch noch die Förderung des kommunalen Straßenbaus in diesen Regionen drosseln und zudem noch allen Ernstes behaupten, sie habe ein ausgewogenes Raumordnungskonzept. ({8}) Ein weiteres Indiz: Die unsolide Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrspolitik der Bundesregierung hat sich längst der Straßenbaumittel des Bundes bemächtigt; denn diese schmelzen zusammen wie Schnee in der Frühjahrssonne. Uns soll doch niemand weismachen, daß die Bundesregierung nicht auch hier eine Politik betreiben will, die letztlich zu Lasten der ohnehin schwächer strukturierten Regionen geht. Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU erscheint zwingend notwendig, weil bisher weder der Vorstand der Bundesbahn noch die Bundesregierung überzeugend darlegen konnten, wieweit Streckenstillegungen bei der Bahn eigentlich mit Kosteneinsparung, insbesondere mit Personaleinsparung gleichzusetzen sind. Dieses Problem wird offensichtlich behutsam umgangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Anlaß genug, davon auszugehen, daß hier keinerlei Automatik besteht. Denn der ausschlaggebende Faktor in der Rechnung der Bahn ist nun einmal die Personalintensität. Nach unserer Meinung ist es nicht so, daß mit einer Stillegung von soundso viel Kilometern bei der Bahn eine adäquate Minderung des Defizits bei der Bahn herbeigeführt würde. Wir möchten eine Antwort auf die Frage bekommen, auf welchen Prozentsatz der jetzt erreichte Personalkostenanteil von 72% sinkt, wenn das Streckennetz der Bahn nach den Vorstellungen der Bundesregierung um soundso viel verkürzt werden soll. Antworten seitens der Bahn und Bundesregierung auf diese Frage wären in dieser Sache hilfreicher als globale Aussagen über ein betriebswirtschaftliches Streckennetz, von dem die Bahn weiß, daß sie es nicht erfüllen muß, und von dem der Vorstand der Bahn weiß, daß er zu einem solchen Netz nie verdonnert wird. Es ist ein Trugschluß, anzunehmen, daß die Personalintensität in den peripheren Strecken anzutreffen sei. Der Kern liegt doch in den Hauptstrekken, in den Magistralen. Hier müßte doch in erster Linie angesetzt werden, wenn man auf diesem Gebiet etwas erreichen will. Wir müssen deshalb vor einer leichtfertigen Zertrümmerung der Eisenbahn und vor einem verkehrspolitischen Abenteuer warnen. Wenn es möglich sein soll, daß bis 1979 bei der Bahn 60 000 Dienstkräfte eingespart werden - nach dem, was wir aus der Zeitung vernommen haben -, müssen wir doch fragen, warum man bisher nicht auf diesem Wege die Personalintensität gesenkt hat, warum man nicht an dieses Problem herangegangen ist. Warum ist dies jetzt plötzlich möglich? Wir sind der Meinung, daß es ohne Investitionen mit erhöhter Ertragskraft nicht möglich ist, dem Problem Bahn beizukommen. Wie aber die Finanzmittel aufgebracht werden sollen, darüber schweigt sich die Regierung aus. Es fehlt ein Sanierungsprogramm, es fehlt ein Gesamtkonzept für diese Fragen. Hinsichtlich klarer Verantwortlichkeit enthält unser Antrag konkrete Forderungen, die wir erfüllt sehen wollen. Wir wollen die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Bahn in die Verantwortungsbereiche der unmittelbar zuständigen Bundesressorts verlagern. Nur so lassen sich die Begehrlichkeiten in diesem Bereich unter Kontrolle halten. Der Verkehrsminister soll sich nach unseren Vorstellungen darum kümmern, daß sich die Bahn unter gleichen Wettbewerbsbedingungen mit der Konkurrenz messen kann und daß der Bahn der notwendige Investitionsspielraum zur Verfügung steht. Wir sind der Meinung, daß dem Vorstand der Bahn eine klare unternehmerische Verantwortung übertragen werden muß. Damit wäre allen Chancen für eine weitere Fortsetzung des unheilvollen Schwarzen-PeterSpiels bei der Bahn ein Ende gesetzt. Wie notwendig unverzügliche Entscheidungen bei der Bahn sind, machen die Aussagen deutlich, die in dem soeben veröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofes enthalten sind. Hier wird darauf hingewiesen, daß trotz der Investitionszuschüsse, die die Bundesregierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen hat, beträchtliche Fremdmittel zur Finanzierung des Mindestinvestitionsprogramms, das die Bahn aufgestellt hat, aufgenommen werden müssen. Es heißt dort: „Insgesamt lassen die Pläne des Vorstandes, wenn sie verwirklicht werden, eine Zunahme der Verschuldung der Bahn bis Ende 1979 um rund 23,3 Milliarden DM erwarten." 1975 bereits ein Rekord an Verschuldung von 25 Milliarden DM, in den nächsten vier Jahren noch einmal 23 Milliarden DM. Dies ist ein Alarmzeichen. ({9}) Angesichts der mittelfristigen Perspektiven bei der Bahn bleibt mir abschließend nur eines zu sagen: 1967 hielt es der erste SPD-Verkehrsminister für notwendig, der Öffentlichkeit mitzuteilen, er habe von einem CDU-Verkehrsminister ein Pleite-unternehmen Bahn übernommen, er werde aber die Wende herbeiführen. Seitdem sind immer wieder neue große und kleine Wenden in der Bahnpolitik eingeleitet worden. ({10}) Den zweifelhaften Erfolg habe ich - Sie sagen es richtig, Herr Kollege Müller-Hermann - in Zahlen zum Ausdruck gebracht. Wir, meine Damen und Herren, haben weitgehend das Vertrauen verloren, daß es dieser Bundesregierung gelingen könnte, eine Wende zum Besseren bei der Bahn und im verkehrspolitischen Bereich überhaupt herbeizuführen. ({11})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Bundesminister Gscheidle.

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich zunächst in meiner Antwort auf das beziehen, was die CDU/CSU in Form eines Antrages und der dazu gegebenen schriftlichen Begründung vorgelegt hat. Zunächst zu dem Punkt 1: Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn ist aufgefordert, dem Bundesverkehrsminister ein betriebswirtschaftlich optimales Netz zu errechnen. Dieses Rechenergebnis wird der Vorstand Anfang nächsten Jahres in Form einer betriebswirtschaftlichen Netz-, Produktions- und Absatzkonzeption vorlegen. Daraufhin wird die Bundesregierung - vorher kann sie es gar nicht, Herr Dr. Jobst - zu entscheiden haben, welches zukünftige Schienennetz anzustreben ist. Sie wird dabei gesamt- und verkehrswirtschaftlichen Gesichtspunkten einschließlich der Raum- und Wirtschaftsstruktur Rechnung tragen. ({0}) - Wenn Sie Ihren Wissensdurst etwas zügeln könnten; zu diesem Punkt komme ich auf Grund Ihrer Fragestellung zwangsläufig. Ohne einer Kabinettsvorlage im einzelnen vorzugreifen - Herr Dr. Jobst, Ihnen ist ja nicht entgangen, daß die Nichtberatung im Kabinett gestern darauf zurückzuführen ist, daß die Zeitdispositionen des Bundestages über den Haufen geworfen wurden -, ({1}) will ich darauf hinweisen, daß die Absicht besteht, die seit Anfang des Jahres auf Staatssekretärsebene bereits tätige interministerielle Arbeitsgruppe Verkehrs- und Regionalpolitik zu beauftragen, die gesamt- und verkehrswirtschaftlichen Probleme zu analysieren, die sich aus der Umstrukturierung des Transportnetzes bei der Deutschen Bundesbahn ergeben. Zur Vorbereitung der Entscheidung der Bundesregierung wird sie Vorschläge, insbesondere für ein gesamt- und verkehrswirtschaftlich notwendiges Schienennetz, erarbeiten. Dabei werden auch die Auswirkungen auf die Verkehrspolitik, die Raum- und Wirtschaftsstruktur sowie die Entwicklung im Zonenrandgebiet berücksichtigt. Der Bericht soll weitere Vorschläge über flankierende Maßnahmen für die Bereiche der Verkehrs-, Regional- und Strukturpolitik enthalten und ferner die Fragen der Verlagerung des unwirtschaftlichen Bundesbahn-Personennahverkehrs in der Fläche auf die Straße ansprechen. Im übrigen ist auch beabsichtigt, für die Tätigkeit der Arbeitsgruppe externe Berater hinzuzuziehen. Zu der zweiten Frage und Ihrer Zwischenfrage: Wenn Sie von Ihren eigenen Forderungen ausgehend und in Kenntnis der Forderungen der Länder und der Regionalplanungsgemeinschaften sich selber die Frage vorzulegen hätten, wie lange es wohl dauert, bis eine solche Entscheidung vorliegt, hätten Sie die für notwendig gehaltene Zeit aus sachlichen Gründen zweifellos nicht in einen Zusammenhang mit der Bundestagswahl bringen können. Für den Aufbau des optimalen Netzes der Deutschen Bundesbahn einschließlich Neu- und Ausbau von Strecken sind beträchtliche Bundesmittel - im Gegensatz zu Ihrer Annahme - in den Haushalt 1975 und die folgenden Haushalte eingesetzt: 1975 Investitionszuschüsse für den Streckenbau 60 Millionen DM, 1976 550 Millionen DM, 1977 650 Millionen DM, 1978 850 Millionen DM und 1979 1100 Millionen DM. Ich denke, Herr Dr. Jobst, dies zeigt, daß ein optimales Schienennetz als Voraussetzung für eine Stabilisierung der Deutschen Bundesbahn, zumindest nach Auffassung der Bundesregierung, nicht primär durch Stillegung von Strekken zu erreichen ist. Auch der Herr Bundeskanzler, auf den Sie bezüglich eines Artikels hingewiesen haben, den er als Bundesfinanzminister geschrieben hat, hat mit seiner Aussage „Massive Investitionen sind kein Allheilmittel" vollkommen zutreffend dargelegt, daß durch Investitionen allein die Lage der Deutschen Bundesbahn nicht entscheidend und nachhaltig gebessert werden kann, wenn nicht gleichzeitig eine umfassende Rationalisierung und ein Verzicht auf ungenügend genutzte Strecken erfolgen. ({2}) - Wissen Sie, Herr Lemmrich, ich habe hin und wieder den Eindruck, Sie hätten gern das Streckennetz in seiner jetzigen Größe aufrechterhalten, würden aber gern das Personal wegrationalisieren. Das war zumindest die logische Folge dessen, was heute hier aufgetragen wurde. ({3}) - Das würde mich sehr freuen, denn dies ist ja unlogisch. ({4}) - Sie werden doch wohl zugeben, daß man zunächst die Vorlage eines Unternehmens braucht, um auf Grund dieser Vorlage die Schlußfolgerungen zu ziehen. Im Augenblick weiß auch ich nur aus der Presse, was dort überlegt wird. Ich selbst habe die Vorlage nicht. Auf Rückfrage beim Bundesbahnvorstand wurde mir gesagt, ich bekäme sie Anfang des nächsten Jahres. ({5}) Zu Punkt 2. In den unternehmenspolitischen Zielvorgaben der Deutschen Bundesbahn heißt es unter Punkt 1.2: Die Kosten für die Verkehrsleistungen müssen grundsätzlich durch eigene Erträge gedeckt werden. Leistungen, deren Kosten nicht durch eigene Erträge gedeckt werden und wegen politischer Auflagen erbracht werden müssen, sind durch entsprechende Leistungen des Veranlassers zu decken. In den Zielvorgaben wird also ganz eindeutig auf das Veranlasserprinzip abgestellt. Derjenige, der von der Bundesbahn die Erbringung oder Aufrechterhaltung einer nicht kostendeckenden Leistung verlangt - dies braucht keinesfalls auf die Bundesregierung beschränkt zu bleiben -, muß der Bundesbahn die entsprechenden wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. Dabei sind im wesentlichen drei Fälle denkbar: 1. Die Bundesbahn beantragt die Einstellung einer nicht kostendeckenden Leistung beziehungsweise die Anhebung von Tarifen auf ein kostendeckendes Niveau und der Bundesverkehrsminister würde dies ablehnen, und zwar aus nicht verkehrspolitisch begründeten Motiven. 2. Der Bundesminister für Verkehr verlangt aus gleichem Grund Änderungen der Verkehrstarife. Oder 3. Durch ein Gesetz wird der Bundesbahn aus den gleichen Motiven eine nicht kostendeckende gemeinwirtschaftliche Leistung auferlegt, z. B. durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Schwerbeschädigten im Nahverkehr. Überwiegend werden die Ausgleichszahlungen an die Deutsche Bundesbahn derzeit zwar im Rahmen des Verkehrsetats bereitgestellt. Für den größten Anteil, nämlich für den Schienenpersonennahverkehr, steht der verkehrspolitische Aspekt so stark im Vordergrund, daß es auch bei Orientierung am Veranlasserprinzip dabei bleiben wird. Einige Leistungen auf Grund von Auflagen werden der Deutschen Bundesbahn aber schon jetzt aus den Haushalten anderer Ressorts abgegolten. Zu Punkt 3. Die genannte Arbeitsgruppe Verkehrs- und Regionalpolitik wird die wesentlichen volkswirtschaftlichen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Konzentrationsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn in einem hierfür zu entwikkelnden Bewertungsverfahren für Einzelmaßnahmen untersuchen. Dabei wird auch der gegenwärtige Zustand der Verkehrsbedienung auf der Schiene einer alternativen Bedienung auf der Straße gegenüberzustellen sein. Beim Personenverkehr in der Fläche gehe ich davon aus, daß eine Umstellung von der Schiene auf den Bus ohne wesentliche Schwierigkeit unter den genannten Bedingungen möglich sein wird, zumal der Verkehrsanteil der Schiene in diesem Bereich bei knapp 4 % liegt. Im Güterverkehr kann die Konzentration des Schienennetzes zu Problemen in der Verkehrsbedienung strukturschwacher Gebiete führen. Dem kann insbesondere durch investitions- und ordnungspolitische Maßnahmen entgegengewirkt werden. - Ich sollte, glaube ich, an dieser Stelle auf Ihre Bemerkung hin auch darauf hinweisen, daß wir im Investitionsbereich künftig stärker als bisher die Gesichtspunkte der Struktur- und Regionalpolitik beim Bundesfernstraßenbau berücksichtigen. Sie haben bei der Beurteilung des Bedarfsplans Gelegenheit, sich vorzeigen zu lassen, wie dies bereits konkret geschehen ist. - Ferner wird zu prüfen sein, inwieweit in diesen Regionen das Schienennetz vor allem im Hinblick auf die Nutzung von Industriestammgleisen auf niedrigerem Standard aufrechterhalten werden kann, um den Güterzulaufverkehr auf der Schiene so zu organisieren, daß er wirtschaftlich betreibbar ist. Zu Punkt 4. Die Anregung der Opposition ist bereits seit vielen Jahren, wie die Herren sicherlich wissen, Gegenstand von Überlegungen im Bundesverkehrsministerium. Sie haben jedoch nicht zu dem von der Opposition genannten Ergebnis geführt. Die mittelfristige Vorschau des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn auf die aus dessen Sicht zu erwartenden Mittelanforderungen ist eine, und zwar für den Bund nicht verbindliche, Arbeitsunterlage für seine mittelfristige Finanzplanung. Die amtliche Veröffentlichung einer solchen DB-Prognose könnte das vom Gesetzgeber gewollte Rollenverständnis der Deutschen Bundesbahn, das Sie vorhin verlangt haben, auf der einen Seite und der Regierung auf der anderen Seite stören, da eine vorzeitige Diskussion in der Offentlichkeit die Entscheidungen des Kabinetts über die aus seiner Sicht erforderlichen Haushaltsansätze für die DB sicherlich nicht fördert. Und ein Hinweis, den Sie ganz bestimmt verstehen: Schließlich hätte eine Veröffentlichung der Arbeitsunterlage des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn naturgemäß auch eine Signalwirkung hinsichtlich der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Nach all dem sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, von dem bisherigen Verfahren abzugehen. Zu Punkt 5. Als schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Deutschen Bundesbahn sind ganz zweifellos die unzureichende Wegekostendeckung bei der konkurrierenden Binnenschiffahrt und die Umsatzsteuerbefreiung im grenzüberschreitenden Luftpersonenverkehr zu nennen. Nach dem Wegekostenbericht einer Arbeitsgruppe im Bundesverkehrsministerium betrug im Jahre 1966 der Wegekostendeckungsgrad bei der Binnenschiffahrt 9,4 %, beim Wagenladungsverkehr dagegen 79,5 %. Neuere Zahlen über die Wegekostendeckungsgrade liegen nicht vor. Wir konnten deshalb nur hochrechnen. Für 1973 wurde errechnet, daß die Gesamtausgaben für sämtliche Binnenwasserstraßen nur zu 9,2 % durch Einnahmen aus Schiffahrtsabgaben gedeckt sind. Im übrigen wird durch die Inbetriebnahme weiterer Wasserstraßen, die dieses Hohe Haus beschlossen hat, die Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Schiene noch vergrößert, weil auch hier die Schiffahrtsabgaben weit unter den Kosten liegen werden. Eine Anhebung der Schiffahrtsabgaben für Kanäle und kanalisierte Flüsse auf ein beträchtlich höheres Niveau ist im übrigen nur möglich, wenn der, wie Sie wissen, gegenwärtig abgabenfreie Rhein in ein Abgabensystem einbezogen wird. Die Einbeziehung des Rheins in ein Wasserstraßenabgabensystem ist allerdings, wie Sie mir zugeben werden, nur im Rahmen einer europäischen Lösung möglich. Wir unterstützen daher nachdrücklich die Absicht der EG-Kommission, ein gemeinschafliches Wegekostenabgeltungssystem einzuführen. In der Luxemburger Wegekostenerklärung habe ich deshalb 1974 die Notwendigkeit baldiger Fortschritte in diesem Bereich sehr nachdrücklich hervorgehoben. Wegen der zurückhaltenden Einstellung der anderen Mitgliedstaaten ist allerdings nicht damit zu rechnen, daß eine gemeinsame Wegekostenregelung in Kürze zustande kommt. Der internationale Schienenpersonenverkehr ist zumindest für den deutschen Streckenanteil umsatzsteuerpflichtig, während der entsprechende Luftverkehr von der Umsatzsteuer befreit ist. 1973 betrug die Steuer, die auf die Einnahmen für deutsche Teilstrecken im internationalen Schienenpersonenverkehr entfielen, rund 67 Millionen DM. Wie wir wissen, ist der tatsächliche Wettbewerbsnachteil in diesem Bereich allerdings etwas geringer. Zu Punkt 6. Neben den der Deutschen Bundesbahn nach dem Bundesbahngesetz insbesondere in den §§ 4 und 28 obliegenden generellen Verpflichtungen hat die Bundesbahn folgende gemeinwirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen: Bedienung des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene mit einem dem Bedarf angepaßten Angebot, Beibehaltung gewisser Tarifermäßigungen im Personenfernverkehr auf der Schiene, insbesondere für Kinder aus kinderreichen Familien, für Auszubildende und für Besucher von Kriegsgräbern, Förderung strukturschwacher Gebiete durch Aufrechterhaltung gewisser Nebenstrecken, durch Gewährung von Unterstützungstarifen für das Saarland und durch Begünstigung von Transporten von und nach dem Zonenrandgebiet. Meine verehrten Kollegen von der Opposition, ich könnte mir vorstellen, daß Sie nach Beantwortung Ihrer Fragen nun sagen: Etwas Neues war nicht dabei. Ich würde Ihnen sogar recht geben. Dies alles habe ich im Verkehrsausschuß schon vorgetragen. Sie haben sich nun diese Kulisse hier gewählt, um Geräusch zu machen. Ich bitte Sie aber, sich einmal umzusehen: Ihre Kulisse ist nicht größer geworden als die, die Sie hätten, wenn wir dies im Verkehrsausschuß in der bisherigen Form weiter beraten hätten. ({6}) Herr Dr. Jobst, wenn Sie - verständlicherweise - aus dem Verständnis des Rollenkonflikts zwischen Regierung und Opposition heraus die Begründung Ihres Antrages mit dem Hinweis einleiten, bei den Eisenbahnern in diesem Lande sei Verwirrung, Verunsicherung und Enttäuschung entstanden, hätte ich an sich erwartet, daß Sie in Ihrer Begründung sagen: Wir stellen den Antrag mit diesen Fragen, damit eben dies beseitigt wird. Auf Grund der Art, wie Sie den Antrag begründet haben, und der Art, wie im Augenblick im Lande gegenüber der Öffentlichkeit mit dem Blick auf die Eisenbahn argumentiert wird, bezweifle ich, ob es Ihnen wirklich darum geht, die tatsächlich vorhandene Verunsicherung auf das Maß zurückzuführen, das durch die Absichten dieser Regierung begründet wäre. ({7}) In der Tat kann ich nicht umhin, Ihnen zu sagen: Es erfüllt uns - mit Ihnen zusammen - mit großer Sorge, daß es bei den Eisenbahnern große Unruhe gibt. Ich frage Sie aber ernsthaft - freilich ohne zu erwarten, daß Sie die Frage hier beantworten -: Sind die von uns konkret beabsichtigten Maßnahmen zur Gesundung der Bahn die Ursache für diese Unruhe? Entsteht die Unruhe nicht vielmehr auf Grund der von vielen unterstellten Absichten? Wenn Sie in der Begründung Ihres Antrages sagen: Es ist eine große Gefahr für die Bundesbahn, wenn in der Wirtschaft, die sich der Bundesbahn bedient, Unsicherheit darüber entsteht, welche Bereiche in der Zukunft von der Bundesbahn überhaupt noch bedient werden, so kann ich nur entgegnen: Die Bundesregierung und auch der Bundesbahnvorstand selbst haben - wenn wir von der Abwicklung der derzeit noch laufenden Streckenstillegungen absehen - noch keine Maßnahmen angekündigt, die diese Unruhe rechtfertigen. Es gibt aber ganz offenkundig eine Menge Leute, die diese Unruhe unter Hinweis auf das, was alles geschehen könnte, was man sich noch überlegen könnte, ständig schüren und die an dieser Unruhe interessiert sind. ({8}) Ich halte dafür, daß die Eisenbahner, fast 400 000 Beschäftigte, wirklich ihre Pflicht tun und daß es unsere Aufgabe ist, diesen Menschen eine Exspektanz zu schaffen, die sie glauben läßt, in einem Unternehmen tätig zu sein, das ihnen sichere Arbeitsplätze bietet. Sie können doch aber nicht einerseits in der Begründung Ihres Antrages vollkommen zu Recht in vielen Punkten die Alarmsignale wiederholen, die uns alle im Augenblick bewegen, darüber nachzudenken, was wir tun können, damit es wieder eine gesunde Bahn gibt, andererseits aber aus anderen Überlegungen heraus so tun, als ob man nicht einen Vorlauf brauchte, um gedanklich zu überlegen und Abstimmungsprozesse einzuleiten, was notwendigerweise zu tun ist. Es ist doch nicht möglich, das Ziel, das Sie bei Ihrer Begründung ganz offenkundig im Auge haben, zu erreichen, indem man sozusagen nichts tut. Man muß vielmehr ganz zweifellos in vielen Fällen und auch unter Ergreifung harter Maßnahmen Schnitte machen, um eine Anpassung an die Verkehrsentwicklung vorzunehmen. Herr Dr. Jobst, ich möchte Sie - dies ist ganz kollegial gemeint auch davor warnen, bei der Beurteilung der Bundesbahn im Jahre 1969 eine Zäsur zu suchen. ({9}) - 1966 oder wann immer Sie die Zäsur machen wollen. Es ist ja naheliegend, welche Gedanken Sie dabei haben. ({10}) Sie haben die Möglichkeit, entweder den Marktanteil der Bundesbahn von 1948 bis heute - das ist ein Indikator - zu betrachten oder sich - bezogen auf die einzelnen Leistungen der Bundesbahn: Güterverkehr, Personenverkehr, Stückgutverkehr, Wagenladungsverkehr, Nahverkehr - die Aufwendungen und die Erträge vor Augen führen zu lassen, wobei bei den Erträgen noch die Zuschüsse zu berücksichtigen sind, die aus dem Haushalt zu gewähren sind. Ich sage Ihnen eines: Angesichts der atypischen Kurven in dem Zeitraum von 1950 bis heute wird es Ihnen dann gar nicht schwerfallen, sich jeweils die Frage zu stellen: Was war wohl Anlaß für diese atypische Entwicklung? Sie werden dabei unendlich viele Eingriffe auf Grund allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklungen und durch politische Entscheidungen finden, aber Sie werden keine Unterstützung für die verhältnismäßig billige Argumentation finden, das hätte jeweils etwas damit zu tun, welcher Couleur der Verkehrsminister war. Ich kann nur sagen, einen Unterschied gibt es allerdings: Seit 1969 wird wenigstens versucht, in der Gesamtsicht der Beziehungen aller Verkehrsträger zueinander in einer integrierten Verkehrspolitik zu erreichen, daß man das, was durch frühere Entscheidungen aus dem Ruder gelaufen ist, wieder etwas zurücksteuert. Denn es kann doch wohl nicht den Entscheidungen nach 1966 angelastet werden, daß Marktanteile von teilweise 70 % bis zu 14 % zurückgelaufen sind. Sie können doch nicht annehmen, daß es irgendeinem Unternehmen gelingt, bei einer Bestandsaufnahme mit 14 %, der die früheren 70%, gegenübergestellt werden, diesen Marktanteil sozusagen durch eine Kraftanstrengung unter Beachtung des freien Wettbewerbs zurückzuholen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Wenn ich mit dem Gedanken fertig bin. - Sie müssen vielmehr zunächst zu einer Konsolidierung des Unternehmens kommen, Sie müssen es wettbewerbsfähig machen, Sie müssen allen überflüssigen Ballast abgeben, um in eine neue Situation zu kommen. - Bitte schön!

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, sind Sie bereit zuzugeben, daß sich die Probleme der Bahn Ende der 60er Jahre explosionsartig verschärft haben, und zwar dadurch, daß die Personalintensität gewaltig gestiegen ist, dadurch, daß die Personalkosten gestiegen sind und die Probleme der DB damit verschärft worden sind, weil eben durch die Preis- und Kosteninflation in unserem Lande besonders personalintensive Betriebe wie Bahn und Post betroffen worden sind?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Dr. Jobst, wahrscheinlich sind Sie jetzt überrascht, wenn ich als einfache Antwort sage: ja. Nur dies allein ist nicht befriedigend. Sie müssen sich ja wenigstens der Mühe unterziehen zu untersuchen, warum das so war. In diesem Hause gab es 1966/67 eine übereinstimmende Auffassung sämtlicher Beamtenrechtler, daß im öffentlichen Dienst ein Nachholbedarf von 14 bis 17 % besteht; ich bitte, in den Protokollen nachzulesen. Es gab nie einen Zweifel daran, daß der öffentliche Dienst mit seinen Einkommen an die normalen Einkommensbewegungen in der Wirtschaft anzupassen ist. Dieses Haus hat - und die verehrten Kollegen der Opposition haben dies ja auch nach außen mit als ihren Erfolg vertreten - ohne Gegenstimmen beschlossen, daß die Arbeitszeit 1969 von 44 auf 43 Stunden, 1971 von 43 auf 42 Stunden und am 1. Oktober 1974 von 42 auf 40 Stunden reduziert wurde. Dies bringt nun allerdings für jeden, der sich um die Dinge bemüht, die Notwendigkeit, mehr Kräfte einzustellen. Bei der ersten Operation waren das 6 500, dann noch einmal 6 500, und bei der letzten Arbeitszeitverkürzung waren es schließlich 10 900. Dieses Haus hat mit der Unterstützung - ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken - aller Eisenbahner in den einzelnen Fraktionen die Vorschriften über die Dienstdauer, die sogenannten Dienstdauervorschriften, mit dem Ergebnis einer notwendigen Vermehrung um 4 000 Posten verbessert. Die Urlaubsverbesserungen in den Jahren 1971 bis 1973 wurden - ich habe mich vorhin noch an Hand der Protokolle vergewissert - wiederum mit Zustimmung des ganzen Hauses durchgeführt; Folgewirkung für die Bundesbahn: 3 200 Stellen mehr. Und nun, Herr Dr. Jobst, können Sie bei der Darstellung der Kostenexplosion bei der Bundesbahn doch wirklich nicht im Ernst sagen, hier hätte die Bundesregierung etwas gemacht, was unverantwort14080 lieh wäre. In der Bahn ist vielmehr das geschehen, was in einem Dienstleistungsunternehmen generell geschieht, wobei - das ist eine Erfahrungstatsache, die uns alle bedrängt - festzuhalten ist: Je größer ein Unternehmen ist, um so weniger flexibel ist es bei der Anpassung in der Rezession. In der Tat stellt sich angesichts der von Ihnen genannten Zahlen das Problem - das wir sehen -, daß die Bundesbahn offenbar nicht in der Lage ist, ihren Personalbestand möglichst flexibel an den Verkehr anzupassen. Das gelingt in der Konjunkturaufschwungphase, aber offenkundig nicht in der Rezession. Das ist eine Überlegung, die dazu geführt hat, daß wir den Bundesbahnvorstand gebeten haben, seine personalwirtschaftlichen Vorschriften auf diesem Gebiet zu überarbeiten und zu modernisieren. ({0}) - Es tut mir leid, ich bin fertig. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Überweisung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sowie an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung vor. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Lampersbach, Pohlmann, Frau Schleicher und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch - Drucksachen 7/671, 7/4168 Berichterstatter: Abgeordneter Tietjen Wird das Wort vom Berichterstatter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Rollmann.

Dietrich Wilhelm Rollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001878, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht und der Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu unserem Antrag „Rauschmittel- und Drogenmißbrauch" geben uns zum erstenmal seit langer Zeit die Gelegenheit, die Situation in der Rauschmittel- und Drogenszene im Deutschen Bundestag etwas ausführlicher zu debattieren. Wie sieht diese Situation heute aus? ({0}) Die Zahl der bekanntgewordenen Rauschmittel- und Drogendelikte steigt nach wie vor. 1972 wurden 25 679 Fälle, 1973 28 278 Fälle und 1974 29 209 Fälle von Verstößen gegen das Rauschmittelgesetz registriert - bei einer hohen Dunkelziffer. 1972 wurde beinahe 2 400mal, 1973 rund 1 500mal und im Jahre 1974 rund 1 600mal in Apotheken, pharmazeutische Großhandlungen und Arztpraxen eingebrochen, um sich mit „Stoff" zu versorgen. Der Anteil der jungen Täter zwischen 14 und 21 Jahren sank nach den Angaben des Bundeskriminalamtes zwar von 61 % 1972 über 59 % 1973 auf 54 % im Jahre 1974, ist aber damit immer noch gefährlich hoch. 30 % bis 40 % aller jungen Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren haben bereits Rauschmittel- und Drogenerfahrung. Was aber noch schlimmer ist: In diesen vergangenen Jahren hat sich die Rauschmittel- und Drogenszene völlig verändert. Nicht mehr der Gebrauch von weichen Drogen wie Haschisch, sondern die Injektion von harten Drogen ist nach dem Motto „Heroin hält, was Hasch verspricht" in den Vordergrund gerückt. Die Zahl der Rauschmittel- und Drogenabhängigen wird von der Bundesregierung selbst bereits auf 40 000, die Zahl der Schießer, der Fixer auf 10 000 geschätzt. Man nimmt an, daß bereits 50 000 meist junge Menschen infolge Rauschmittel- und Drogenmißbrauch arbeitsunfähig geworden sind. So wie am Ende der 60er Jahre Haschisch, so überschwemmt heute Heroin unser Land und hinterläßt weit tiefere Spuren als die vergleichsweise harmlose Droge von damals. 1971 wurden noch 2,9 Kilogramm, 1972 3,7 Kilogramm, 1974 aber bereits 33 Kilogramm Heroin durch Zoll und Polizei beschlagnahmt. Die Zahl der polizeilich registrierten Rauschgifttoten ist von 67 im Jahre 1971 über 104 im Jahre 1972 auf 139 im Jahre 1974 gestiegen. ({1}) Die wirkliche Zahl der Rauschgifttoten wird auf das Doppelte geschätzt. In meiner Heimatstadt Hamburg gibt es heute bereits 1 000 Rauschmittel- und Drogensüchtige, und Jahr für Jahr kommen 150 Rauschmittel- und Drogensüchtige hinzu. Wo ist denn nun eigentlich, so frage ich angesichts dieser Fakten die Bundesregierung, der Erfolg ihres mit soviel Begleitmusik gestarteten Aktionsprogramms zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln? Was haben Sie erreicht? Sie haben sich - und das noch nicht einmal in allen Bereichen - Mühe gegeben, bewirkt haben Sie nichts. Viel schlimmer noch: In dem Bestreben, die deutsche Öffentlichkeit glauben zu machen, die sozialliberale Bundesregierung habe nun auch das Rauschmittel- und Drogenproblem in den Griff bekommen, haben Sie doch viel zu früh Entwarnung gegeben und damit das Interesse der Offentlichkeit und viele Initiativen im Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch erlahmen lassen. Nichts ist aus der ganzen Drogenwelle so wirkungsvoll in der Öffentlichkeit gehört worden wie jene verantwortungslose Meldung, der Höhepunkt der Drogenwelle sei überschritten, alles also gar nicht mehr so schlimm. Diese Meldung hat vielen den Rest an Mitinteresse genommen. „Immer wieder wird dieser angebliche Erfolg der Drogenbekämpfung als Alibi für die eigene Ignoranz gegenüber dem Drogenproblem angeführt." So schrieb ein Mann, der Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, nähersteht als uns, Dr. Paul Schulz, im vorigen Jahr in der „Zeit". Wenn heute in der Rauschmittel- und Drogenszene noch weniger Einrichtungen der Beratung und Therapie vorhanden sind, wenn noch mehr Mitarbeiter fehlen, wenn noch mehr Gefährdete und Kranke ohne Hilfe bleiben, dann haben Sie mit Ihrem unverantwortlichen „Es-ist-geschafft!"-Gerede dafür eine wesentliche Ursache gesetzt, dann tragen Sie dafür die Verantwortung. ({2}) Haben Sie den Leserbrief gelesen, den der Leiter der Kölner Drogenberatung, Herr Breuer, in dieser Woche im „Spiegel" geschrieben hat? Ich habe bei der letzten großen Rauschmittel- und Drogendebatte vor zweieinhalb Jahren hier in diesem Hause gesagt: Die Bundesregierung weiß nichts Genaues über den Bestand und Fehlbestand an Einrichtungen der Beratung und Behandlung, über den Bestand und Fehlbestand an Mitarbeitern. So gibt es hier eine Drogenberatungsstelle und hier keine. So bestehen hier Möglichkeiten der ambulanten und stationären Behandlung und dort nicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist im Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch eine Fleckenkarte. An der einen Stelle passiert etwas, wird Menschen geholfen, die sich in Not befinden, und an der anderen Stelle, wo es genauso wichtig ist, passiert nichts, werden gefährdete und kranke Menschen sich selbst überlassen. Insgesamt fehlt es in der Bundesrepublik Deutschland an Einrichtungen der Beratung und der Behandlung, an sozialtherapeutischen Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, an hauet- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Drogenszene. Aus diesem Grunde haben wir damals mit der Drucksache 7/671 diesen Antrag gestellt, um den es hier heute endlich geht, nachdem seine Beratung im Ausschuß und die Berichterstattung an das Plenum zweieinhalb Jahre verschleppt worden sind, ({3}) nämlich die Bundesregierung zu ersuchen, gemeinsam mit den Bundesländern und den Gemeinden sowie den freien Trägern des Kampfes gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch den Bestand und den Fehlbestand an Einrichtungen der Aufklärung, Beratung und Behandlung von Rauschgift- und Drogengefährdeten sowie den Bestand und Fehlbestand an Mitarbeitern in der Rauschmittel- und Drogenszene festzustellen und dann ein finanziell abgesichertes Mehrjahresprogramm für die Beseitigung des Fehlbestands an Einrichtungen und Mitarbeitern aufzustellen und zu verwirklichen. Sie haben aus Gründen, die wir nicht akzeptieren und verstehen, diesen Antrag im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit abgelehnt, ohne eine Alternative aufzuzeigen. Wir wissen, meine Damen und Herren, die Drogenszene verändert sich sehr schnell, aber sie ist nicht kleiner geworden, und die Probleme sind dieselben geblieben. Insbesondere junge Menschen sind gefährdet, sind krank, bedürfen der Beratung, der Therapie, der Rehabilitation, finden nicht die Beratung, die Therapie, die Rehabilitation, die sie brauchen. Auf der anderen Seite aber werden heute noch Drogenberatungsstellen geschlossen, werden Therapieeinrichtungen dichtgemacht. Und dann leugnen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, daß es sinnvoll ist, den Ist-Bestand und den notwendigen Soll-Bestand an Einrichtungen und Mitarbeitern zu ermitteln und unter dem Zeichen des kooperativen Föderalismus ein Mehrjahresprogramm zur Beseitigung dieses Fehlbestandes aufzustellen und zu verwirklichen? Nach den langjährigen Erfahrungen, die wir nunmehr mit der Rauschmittel- und Drogenszene in unserem Lande haben, läßt sich sehr wohl ermitteln, auf wie viele Einwohner eine Drogenberatungsstelle, eine Therapieeinrichtung, ein Rehabilitationscenter notwendig ist und wie diese Einrichtungen personell besetzt sein müssen. Sie wollen das nur nicht. Ich möchte Sie im Namen der CDU/CSU-Fraktion bitten, den Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit abzulehnen und unseren ursprünglichen Antrag damit anzunehmen. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tietjen.

Günther Tietjen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es köstlich, Herr Kollege Rollmann, daß Sie in den Anfangsworten Ihres wichtigen Debattenbeitrags fragten: Wie ist die Situation heute? Ich frage mich nämlich: Wie ist die Situation hier bei ihnen? Sie stellten einen Antrag. Der wurde im zuständigen Fachausschuß beraten. Und nun bringen Sie hier nicht mehr - ich weiß im Augenblick nicht, ob das stimmt, aber ich sehe zumindest nicht mehr - als fünf, allerhöchstens sechs Personen zusammen. ({0}) Ich meine, das ist enttäuschend. Hier muß der deutschen Öffentlichkeit auch einmal klargemacht werden, welches Spiel Sie spielen. Sie machen den Versuch, in die Offentlichkeit etwas hineinzubringen, versuchen aber nicht, Ihre Meinung, die Sie zu Recht haben, mit entsprechender Anwesenheit der Kollegen Ihrer Fraktion zu belegen und zu beweisen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Günther Tietjen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Hermann Kroll-Schlüter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich aus dem Fehlen von Frau Minister Focke auch das ableiten, was Sie im Hinblick auf unsere Fraktion abgeleitet haben, nämlich daß sie diesem Thema überhaupt kein Interesse beimißt? ({0})

Günther Tietjen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich weiß nicht, was diese Bemerkung soll. Ich habe nur festzustellen, daß Sie im Deutschen Bundestag einen Antrag eingereicht haben, daß dieser Antrag, wie es sich gehört, im Fachausschuß ordentlich beraten worden ist, dort zur Ablehnung empfohlen worden ist, Sie hier dann diesen Antrag erneut einbringen und mit fünf Persönchen - entschuldigen Sie, ich will das Gewicht Ihrer politischen Bedeutung nicht so weit herunterschieben -, ({0}) mit fünf stimmberechtigten Mitgliedern Ihrer sonst so starken - nach außen so starken - CDU/CSU-Fraktion vertreten sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Koalitionsfraktionen der SPD und der FDP nach ihren Debattenbeiträgen den Antrag der Opposition ablehnen werden, dann geschieht das nicht mit der Begründung, daß damit festgestellt sein soll, das Problem des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs gebe es in der Bundesrepublik nicht mehr. Diesen Stempel der Leichtfertigkeit lassen wir uns von Ihnen, Herr Kollege Rollmann nicht aufdrücken. ({1}) Wir verkennen nicht, ,daß die Drogenszene zwar einem erheblichen Wandel unterworfen ist, uns gemeinsam aber dennoch die Sorge um viele junge Menschen, die sich in den tödlichen Klauen des Alkohols, der Drogen und der Rauschmittel befinden, tagaus tagein bewegt und uns gemeinsam veranlassen muß, auch weiterhin ein Optimum an Hilfe zu leisten. Mit Ihrem Antrag, Herr Kollege Rollmann, erreichen Sie dieses notwendige Ziel nicht und wollen es auch nicht, weil Ihnen viel zu sehr am Schauspiel der Öffentlichkeit gelegen ist. ({2}) Dazu aber, Herr Kollege Rollmann, lassen wir Sozialdemokraten, läßt sich diese sozialliberale Koalition nicht mißbrauchen, weil uns dafür die Sache zu schade ist. ({3}) Wir haben das nicht nötig, weil wir Leistungen auf diesem Gebiet vorzuweisen haben, die Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen. ({4}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jedoch zunächst zum eigentlichen Problem einige Ausführungen machen! Ich stelle ausdrücklich fest - und das ist belegbar -, daß die Zahl der jungen Menschen, die in der Drogenszene als Probierer bezeichnet werden, deutlich zurückgegangen ist. Das ist nicht zuletzt der großzügigen Aufklärungsarbeit der Bundesregierung, aber auch der Landesregierungen sowie selbstverständlich den vielen auf diesem Gebiet tätigen Organisationen und Verbände zuzuschreiben. Unabhängig davon muß gesagt werden, daß das Problem des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs alle Verantwortlichen in unserer Gesellschaft zu Recht weiterhin beschäftigt und beunruhigt. Verantwortungslos handelt, meine Damen und Herren, wer das Problem bewußt zu verniedlichen versucht, ebenso wie der, der es zu einer Art nationalen Notstandes hochzustilisieren versucht. ({5}) Große Sorgen bereitet uns weiterhin der harte Kern derjenigen Menschen, die bereits abhängig sind oder wegen Mißbrauchs als schwer Suchtgefährdete bezeichnet werden müssen. Während ich sagen konnte, daß die Zahl ,der Probierer deutlich rückläufig ist, muß bei dem sogenannten Dauerkonsumenten leider von einer Zunahme ausgegangen werden. Nun ist natürlich der deutliche Rückgang der öffentlichen Diskussion um die Probleme des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs nicht allein darauf zurückzuführen, daß das In-Sein, Rauschmittel genommen zu haben, aufgehört hat. Zurückzuführen ist der Rückgang der Probierer auf die schon erwähnte Aufklärungsarbeit der Bundesregierung und auch auf die Mahnungen und Warnungen der Lehrer, Eltern, Ärzte und dann und wann auch der Politiker. Auch wenn wir davon ausgehen, daß das Phänomen Rauschmittel in der ehemals gehabten Form nicht mehr existent ist, bleibt für den Bund, die Länder und die Gemeinden ein erhebliches Stück Arbeitsleistung zurück, um der Lage auch weiterhin Herr bleiben zu können. Dafür sind die Weichen seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland durch die Bundesregierung der sozialliberalen Koalition gestellt. Es läßt sich feststellen, daß die Bemühungen der Bundesregierung zur Verwirklichung des von ihr im November 1970 beschlossenen Aktionsprogramms zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs nachweisbare Erfolge gezeigt hat. ({6}) - Herr Rollmann, ich finde es niedlich, daß Sie diesen Einwand machen. Ich kann das, was ich gesagt habe, belegen; aber ich komme noch dazu. ({7}) Auch ist eine langfristige und dauerhafte Lösung des Problems wegen seiner Verwurzelung in besonderen gesellschaftlichen Veränderungen noch nicht erreicht worden. Das scheint mir nur durch eine konsequente, verbesserte Gesellschaftspolitik lösbar zu sein. Zur Lösung dieses ganzen Problems, zur Abrundung des Programms tragen die ständigen Zusammenkünfte der Drogenbeauftragten des Bundes und der Länder bei. Wir alle in diesem Hause wissen, daß sich die Kompetenz des Bundes auf diesem Gebiet weitgehend auf legislative Aktivitäten beschränken muß. Ich will dabei u. a. an die Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes, an die Änderung der Strafprozeßordnung und der Apothekenbetriebsordnung erinnern. Dies sollen nur drei Beispiele aus einem langen Katalog gesetzgeberischer Maßnahmen sein, die durchaus geeignet sind, dem immer wieder erhobenen Vorwurf entgegenzutreten, Herr Kollege Rollmann, die Bundesregierung habe es unterlassen, das 1970er Aktionsprogramm entsprechend auszufüllen. Das gilt auch für einen langen Katalog im Bereich der Aufklärung der Bevölkerung, ebenso wie für eine von der Bundesregierung maßgeblich beeinflußte, erheblich verbesserte internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs. ({8}) Ich will es Ihnen, meine Damen und Herren, ersparen, die Leistungskataloge insgesamt vorzutragen. Sie sind in den verschiedensten Drucksachen dieses Deutschen Bundestages nachlesbar, auch für Sie, Herr Kollege Rollmann. Erlauben Sie mir aber bitte - und das gilt wiederum besonders für Sie, Herr Kollege Rollmann -, Sie auf die Bundestagsdrucksache 7/620 hinzuweisen und Ihnen die Lektüre der dort niedergeschriebenen Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage des Herrn Rollmann und seiner Genossen zu empfehlen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, scheinen nicht lesen zu wollen. Von Ihnen sind in der Vergangenheit eine Vielzahl Kleiner und Großer Anfragen sowie Fragen zur Fragestunde an die Bundesregierung über Drogen- und Rauschmittelmißbrauch gerichtet worden. Ich will Ihnen keineswegs das parlamentarische Recht dazu streitig machen, darf aber feststellen, daß Ihnen die sozialliberale Bundesregierung ausführliche und umfassende Antworten nie schuldig geblieben ist. ({9}) Diese umfassen nach unserer Meinung auch den Komplex, den Sie mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Antrag abgedeckt wissen wollen. Allumfassende Unterlagen - Herr Kollege Rollmann, die haben Sie wegen Ihrer starken Beanspruchung wahrscheinlich noch nicht durchsehen können - sind uns gestern mit dem Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland zugeleitet worden. Ich habe ihn, soweit man es konnte, gelesen. Der Bericht und die dazugehörigen Unterlagen machen Ihren Antrag, meine Damen und Herren von der Opposition, zur Zeit ebenfalls gegenstandslos. Wir werden den Teil des Berichts, der sich mit dem Rauschmittel- und Drogenmißbrauch befaßt -das sind recht viele Seiten, wie Sie nachlesen können - und die im Anhang festgehaltenen Erhebungen und Untersuchungen in nächster Zeit sorgfältig durcharbeiten müssen, um dann vielleicht notwendig werdende Konsequenzen gemeinsam - gemeinsam! - mit den Ländern, Gemeinden, Verbänden und Organisationen einzuleiten. Das soll nicht so verstanden werden, als sei bis zum Zeitpunkt X alles auf Eis gelegt. Nein, wir werden wie bisher weitermachen. Dabei muß ich, ohne damit die Pflicht zum Handeln verringern zu wollen, noch einmal an die überwiegend gesetzgeberischen Kompetenzen des Bundes erinnern. Wenn dennoch der Bund in den Jahren 1972 bis 1975 insgesamt rund 30 Millionen Deutsche Mark für Maßnahmen gegen Suchtgefahren in seinen Haushalten zur Verfügung gestellt hat, ist das auch finanziell eine nicht wegzudiskutierende große Leistung. Mit diesen Mitteln sind in den Ländern Zuschüsse zur Errichtung von Modelleinrichtungen zur Drogenberatung zur Verfügung gestellt und weitere Leistungen finanziert worden. Ich darf in diesem Zusammenhang auch an die Möglichkeit der Finanzierung auf Grund des Krankenhausfinanzierungsgesetzes erinnern. Bei den finanziellen Aufwendungen des Bundes sind hinzuzurechnen - das wird sehr gerne vergessen - die Leistungen für das Bundeskriminalamt, den Zoll und den Bundesgrenzschutz. Eine erhebliche Personalverstärkung, eine ungemein verbesserte Ausbildung und der Einsatz neuer Techniken und Methoden im Bereich der Drogen- und Rauschmittelkriminalität verursachen Kosten, auf die hinzuweisen ist. Ich kenne das aus eigener Praxis, Herr Kollege Rollmann. Sie sollten sich da einmal umsehen. Das Ergebnis dieser Kosten ist u. a. den Kriminalstatistiken der vergangenen Jahre zu entnehmen. Es schlägt sich z. B. bei den Festnahmen niederträchtiger Geschäftemacher, denen die Gesundheit und das Leben meist junger Menschen gleich ist, ebenso nieder wie bei der Sicherstellung und Beschlagnahme von Drogen und Rauschmitteln sowohl im Inland als auch im Ausland. Jetzt noch ein Wort zu den Zahlen, die Sie genannt haben im Zusammenhang mit der Sicherstellung von Heroin. Ich habe das schon im Ausschuß gesagt, Herr Kollege Rollmann: Die verstärkte Zahl von Sicherstellungen, die verstärkte Zahl von Ermittlungen gegen Rauschgifttäter, gegen Dealer, ist doch nicht darauf zurückzuführen, daß der Anteil dieses Bereichs steigt. Nein, sie ist darauf zurückzuführen, daß sich diejenigen, die diese Straftaten in diesem Lande zu verfolgen haben, in der Ausbildung verbessert haben, daß ihre Materialien, die sie zur Verfügung haben, verbessert worden sind. Das ist die Konsequenz daraus. Es werden mehr Straftaten aufgeklärt. ({10}) Zieht man unter dem Strich alles zusammen, wird deutlich, daß der direkte und indirekte Vorwurf gegen die sozialliberale Bundesregierung, sie habe dem Problem des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs zu geringe Beachtung geschenkt, unhaltbar ist. Lesen Sie, sehr geehrter Herr Kollege Rollmann und meine Damen und Herren von der Opposition, die vielen Drucksachen des Bundestages und - ich habe das schon gesagt - verschiedener Landtage. Die haben nämlich auch hervorragende Ausarbeitungen zu diesem Problem gemacht. Lesen Sie - nein, studieren Sie aber auch den schon genannten Bericht zur Lage der Psychiatrie. Dieser Mühe müssen Sie sich schon unterziehen, wenn Sie Ihre parlamentarischen Schritte glaubwürdig vertreten wollen. Sie werden dann feststellen, daß Ihr Antrag längst seine Erledigung gefunden hat. Der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sind die Damen und Herren, die vor Ort hervorragende Arbeit zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs leisten, zu wertvoll, als daß wir sie zu Berichte- und Statistikenschreibern zu degradieren gedenken. ({11}) Wenn ich zum Abschluß meiner Ausführungen komme, fühle ich mich verpflichtet, im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion all denen Dank zu sagen, die an vorderster Front gegen den Drogen- und Rauschmittelmißbrauch gekämpft haben und kämpfen. Dazu zählen die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Drogenberatungsstellen, ambulanten und stationären Behandlungsstätten genauso wie die vielen zumeist unbekannt bleibenden ehrenamtlichen Helfer kirchlicher und weltlicher Verbände und Organisationen. Auch meinen Kollegen von der Polizei, vom Zoll und vom Bundesgrenzschutz darf ich auf diesem Wege den aufrichtigen Dank der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ({12}) für ihren oft unter Gefahr für das eigene Leben geleisteten Dienst übermitteln. Wir bitten sie alle draußen im Lande, im Kampf um den Drogen- und Rauschmittelmißbrauch sowie in der Beratung und Behandlung Abhängiger weiterzumachen. Der Hilfe und Unterstützung der Sozialdemokratie in diesem Lande können sie gewiß sein. Die Koalitionsfraktionen - das darf ich vielleicht schon vorwegnehmen - werden Ihren Antrag ablehnen. ({13})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher.

Ursula Schleicher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001980, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tatsächlich sind mehr als zwei Jahre vergangen, bis unser Antrag hier - wieder einmal zum Abschluß einer Debatte - behandelt wird. Er wurde vergessen oder verzögert. Was könnte es sonst für einen Grund gegeben haben? ({0}) - Warum hat es denn zwei Jahre gedauert?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hauck?

Rudolf Hauck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Schleicher, stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, daß jedem Wunsch, einen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, vom Ausschußvorsitzenden und von den Obleuten jederzeit entsprochen worden ist und daß die Nichtbehandlung praktisch einem stillen Einvernehmen entsprach, weil dieser Antrag durch eine Große Anfrage, eine Kleine Anfrage und durch viele Fragestunden für uns als erledigt zu betrachten war? ({0})

Ursula Schleicher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001980, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es hat sich herausgestellt, daß die Koalition unserem Antrag ablehnend gegenübersteht - aber das war vorher nicht klar -, und zwar mit der Begründung - lesen Sie den Ausschußbericht -, die uns auch im Ausschuß gegeben worden ist, dem Anliegen des Antrags stünden unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Das steht im Ausschußprotokoll. ({0}) Worum ging es eigentlich in unserem Antrag? Zum einen haben wir um eine Bestandsaufnahme der Einrichtungen für Drogen- und Rauschgiftgefährdete gebeten, zum zweiten um eine Bestandsaufnahme der hierfür notwendigen Mitarbeiter. Zum dritten haben wir darum gebeten, daß - sich daraus ergebend - der Versuch gemacht werden sollte, ein Mehrjahresprogramm zum Kampf gegen Rauschmittel- und Drogenmißbrauch aufzustellen. Das sind doch wirklich keine immensen Forderungen, sondern das ist eigentlich eine selbstverständliche Voraussetzung, um überhaupt in diesem Bereich tätig werden zu können. Da die Bundesrepierung aber mehr als zwei Jahre prüfen konnte, ist mir die Begründung für die Schwierigkeiten um so unverständlicher. In der Begründung ist gesagt worden, daß der ständige Wandel der Drogenszene Schwierigkeiten bereite und deshalb unserem Antrag nicht habe Rechnung getragen werden können. Ist nicht gerade dies ein Anlaß, wenigstens eine Bestandsaufnahme zu machen, um dann, wenn sich die Drogenszene verändert hat, flexibler reagieren zu können? Auch sonst gibt es viele Bereiche in der Politik, wo sich ständig und täglich die Szene wandelt. Hier würde niemand auf die Idee kommen, zur Antwort zu geFrau Schleicher ben, weil wegen des ständigen Wandels Schwierigkeiten bestünden, könne man nicht aktiv werden. Die Ausgaben des Bundes in diesem Bereich, nämlich für die Bekämpfung von Drogen- und Rauschgiftsucht, wurden uns als sehr umfangreich beschrieben. Das gelte auch für empirische Untersuchungen. Wie effektiv sind aber diese Aussagen, wenn nicht einmal ein Überblick im Rahmen einer Bestandsaufnahme der bestehenden Einrichtungen über die Beratungstätigkeit gegeben ist, von den dort tätigen Mitarbeitern ganz zu schweigen? Es ist dann allerdings auch verständlich, daß mangels dieser Voraussetzungen ein Mehrjahresprogramm weder aufgestellt noch verwirklicht werden kann. Die Bundesregierung scheint in diesem Bereich der Aufgabe der Bekämpfung des Mißbrauchs von Drogen, aber auch des Angebots an brauchbaren Hilfen nicht gewachsen zu sein. Wir wurden auf die Ergebnisse des Berichts über die Lage der Psychiatrie vertröstet. Gestern kam dieser Bericht auf unseren Tisch. Es sind 1618 Seiten bedruckten Papiers. Auch zu dem Bereich Drogen und Rauschgift wird dort ein Trend festgestellt, der jedoch nur auf Befragung beruht. Es heißt dort, Rauschmittelkonsumenten gebe es zu viel, der Konsum harter Drogen steige an, der Übergang zu weiteren Süchten, insbesondere Alkoholmißbrauch, liege nahe. So aus dem Bericht über die Lage der Psychiatrie. Im großen und ganzen will ich nicht bestreiten, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit bezüglich der Aufklärung einige Anstrengungen unternommen hat. Aber dies reicht eben bei weitem nicht aus. Ich verstehe deshalb die ablehnende Haltung zu unserem Antrag nicht. Denn das, was wir dort verlangen, ist wirklich nichts Unüberwindliches. Schließlich hat die Bundesregierung gerade vor kurzem sich inhaltlich genau zu dem verpflichtet, was in unserem Antrag abgelehnt wurde. Die Bundesregierung hat nämlich der Änderung des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe zugestimmt. Hier wird eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem Suchtstoffamt der Vereinten Nationen garantiert. Dies geschah Ende 1974. Unter anderem heißt es dort in dem neuen Artikel 15, daß es nicht nur um die Behandlung Süchtiger geht, sondern um die Gesamtheit der Maßnahmen gegen den Drogenmißbrauch, nämlich Verhütung, Früherkennung, Aufklärung, Ausbildung des Behandlungspersonals und Unterstützung von Personen, Programmen und Aufklärungskampagnen im Kampf gegen den Drogenmißbrauch. Wenn Sie die Ablehnung unseres Antrages außerdem damit begründen, daß es dein Bund an Kompetenzen hierzu mangele, dann möchte ich wissen, wie Sie dem internationalen Abkommen gerecht werden wollen, für dessen Einhaltung Sie sich verbürgt haben. Oder ist das etwa die neue Linie, internationale Abkommen abzuschließen, um sie nicht einzuhalten? ({1}) - Ja, und die verlangen genau die Bestandsaufnahme. Die möchten nämlich darüber informiert werden. Aber wenn Sie bei uns die Bestandsaufnahme ablehnen und sagen, sie sei nicht möglich, dann verstehe ich nicht, wie Sie dorthin einen Bericht geben wollen. ({2}) Nun zu unseren Überlegungen, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Wir sorgen uns darum, was geschieht. Jugendliche geraten sehr früh in Abhängigkeit von diesen Drogen. Ihre Zukunft ist nicht nur verbaut, sondern ihr Leben ist ernsthaft bedroht. Innerhalb der Problematik hat sich tatsächlich etwas geändert, nicht aber erst gestern. Der Trend zeigt sich schon seit zwei Jahren. Die „große Welle" ist wohl überwunden. Aber der Umstieg auf harte Drogen hat die Sache komplizierter gemacht. Dazu kommt, daß der zahlenmäßige Rückgang der Betroffenen die Öffentlichkeit dazu verleitet hat zu glauben, das Problem sei gelöst. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Bei den tödlich verlaufenen Fällen von Drogensucht handelt es sich fast ausschließlich um Jugendliche und Heranwachsende. Waren es früher die 16- bis 25jährigen, die zu den starken Drogenkonsumenten zählten, so sind es zunehmend die 12- bis 14jährigen, die bereits drogenabhängig sind. Dazu kommt ein Alkoholabusus, der die Lage dieser Menschen noch verschlimmert. Eine Entwarnung des Drogenalarms wird von Fachleuten als unverantwortlich bezeichnet, da die harten Drogen auf dem Vormarsch sind und somit die daraus erwachsenden Schäden noch unüberschaubar sind. Es wird schon 1974 festgestellt, daß bereits 30 000 bis 50 000 Jugendliche so geschädigt seien, daß sie arbeitsunfähig und in stärkster Form hilfebedürftig sind, daß mit einem weiteren Anstieg dieser Gruppe eines sogenannten harten Kerns um 4 000 bis 10 000 pro Jahr zu rechnen ist. Deshalb ist es uns nicht erklärlich, warum gerade diesem Antrag nicht Rechnung getragen wurde. Ich hoffe dennoch, daß man sich in der Zukunft alle erdenkliche Mühe gibt, diese Problematik nicht im Verwaltungsbereich liegen zu lassen, sondern neue Wege nicht zu scheuen. Gehen Sie wirklich davon aus, daß unser Bemühen um der Sache willen geschieht. Ich darf hier vielleicht noch kurz folgendes erwähnen. Der Zustand der Unzumutbarkeit für eine solide Arbeit der Abgeordneten in diesem Hause greift immer mehr um sich. Ich sehe mich in diesem Zusammenhang verpflichtet, dies hier auch einmal zu sagen. Die heutige Auseinandersetzung z. B. beruht auf zwei Ausschußsitzungen. Ich wollte die Protokolle noch einmal nachlesen. Aber es war nicht möglich, das Protokoll der Sitzung vom 18. September zu bekommen, weil es noch nicht geschrieben ist. Ich bitte die Präsidentin des Hohen Hauses, sich einmal dieser Angelegenheit anzunehmen und Sorge dafür zu tragen, daß die technischen Voraussetzungen für eine solide Arbeit in dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gegeben werden. Um wieder auf den Kern der Aussprache zurückzukommen: Es ist wirklich unbegreiflich, daß, wie im Bericht niedergeschrieben, der tatsächliche Bedarf an Einrichtungen nicht festgestellt werden kann. Dazu kommt - so wird im Bericht gesagt - die Unsicherheit über die Therapieformen. Außerdem wird gesagt, es sei unmöglich, die Zahl der Süchtigen festzustellen. Gerade hier aber ist es doch ein Vorteil, daß die Länder zuständig sind. Soweit es sich nämlich um schulpflichtige Jugendliche handelt, muß doch eine Erfassung der wegen Drogenmißbrauchs wirklich Kranken möglich sein. Dazu kommt die Erfahrung der in den Einrichtungen Tätigen. Wir müssen diesen Leuten helfen, wieder Mut zu fassen. Sie sind dort allmählich fast verzweifelt, weil sie nicht mehr wissen, wie sie ihrer Arbeit überhaupt Herr werden können. Wie die Bundesregierung außerdem feststellt, steht sie wegen dieses Themas in ständigem Kontakt mit den Ländern. Angesichts dieser Kontakte bestehen doch Möglichkeiten, einen Überblick zu erhalten, um zumindest auf dem laufenden zu sein. Die Gefahr ist nicht gerade geringer geworden. Im Gegenteil! Ich habe hier Zahlen der Großstadt Köln. Die Polizei dort stellt im ersten Halbjahr 1975 eine Steigerung der Zahl der Tatverdächtigen um 25,8 % fest. Aus Köln wird außerdem berichtet: Die Kriminalität der Drogenszene steigt weiter an; die Zahl der kriminell werdenden Drogenabhängigen nimmt weiterhin zu, und die Anzahl der in Justizvollzugsanstalten sitzenden Drogenabhängigen steigt rapide an. Uns geht es darum, zu verhindern, daß Zeit nutzlos verstreicht, und zu erreichen, daß die Probleme nicht nur erkannt werden, vielmehr alles geschieht, um zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.

Barbara Lüdemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001389, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Schleicher hat soeben Kritik an der Arbeit des Ausschusses geübt. Ich möchte dazu doch sagen: Von 12 Ausschußmitgliedern der CDU/CSU sind hier nur drei anwesend. Ich meine, das wäre auch einer Kritik wert. Wenn der Fachausschuß einen Antrag einbringt, und Sie sitzen hier mit fünf Personen, entsteht der Eindruck, daß Sie selber überhaupt nicht daran interessiert sind, den Antrag durchzubringen. ({0}) Wenn Ihre Spitzenpolitiker hier sprechen, bringen Sie es fertig, daß das Haus voll ist, damit Leute zum Beifallklatschen da sind. Jetzt aber, wo es um sachliche Arbeit geht, sind Ihre Leute nicht da! ({1}) Wir haben soeben gehört, daß an sich der Bund für die Durchführung von Maßnahmen gegen Drogenmißbrauch gar keine Kompetenz hat, sondern die Länder zuständig sind. Es scheint mir außerordentlich wichtig, daß wir gerade gestern von der Bundesregierung die Psychiatrie-Enquete vorgelegt bekommen haben. Dieser Enquete sollten wir alle besondere Aufmerksamkeit schenken, zumal sich in ihr auch ein Kapitel befindet, das sich mit den Suchtproblemen befaßt und wertvolles Material hierzu liefert. Ich meine, wir sollten uns gar nicht so viel mit den Statistiken beschäftigen. Denn was nützen sie uns? Die Zahl wird sich ständig wandeln. Bis die Statistik uns hier im Hause vorliegt, stimmen die Zahlen doch gar nicht mehr! Früher hatten wir uns mehr mit dem Drogenmißbrauch zu befassen, aber heute sollten wir uns, meine ich, mehr mit dem Alkoholmißbrauch beschäftigen, der sich besonders bei Jugendlichen, aber auch bei den Frauen so sehr gesteigert hat. Die durch die Drogenabhängigen entstehenden Kosten sind enorm hoch. Man muß bedenken, daß die Pflegekosten heute bis zu 200 DM pro Tag betragen. Das sind 6 000 DM im Monat. Das Gehalt eines Sozialarbeiters liegt weit niedriger, etwa bei der Hälfte. Die Behandlung in der psychiatrischen Klinik wird jedoch von der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten bezahlt, die Sozialarbeiter dagegen sind aus allgemeinen Steuergeldern der Kommunen zu bezahlen. Ist da nicht etwas ungesund in unserem Kostendenken? Meine Damen und Herren von der Opposition, das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen sollten, und nicht nur mit Statistiken und Erhebungen, die eine Arbeitsbeschaffung darstellen! Meiner Ansicht nach stellen die statistischen Arbeiten für die Menschen, die in der Arbeit stehen, ein Arbeitsbeschaffungsprogramm dar, das sie hindert, sich der Drogensüchtigen wirklich widmen und ihnen helfen zu können. Die FDP setzt sich dafür ein - ich habe das an anderer Stelle hier in diesem Hause schon gesagt -, die zuständigen Beratungsstellen mit entsprechend ausgebildeten Suchttherapeuten zu besetzen. Wir haben uns vorhin mit dem Berufsbild des Logopäden befaßt. Genau da hinein gehörte eben auch das Berufsbild des Suchttherapeuten, das eben noch nicht existiert. Nur mit qualifiziert ausgebildeten Beratern können wir der Zunahme des Drogen- und Alkoholmißbrauchs in der Bundesrepublik, auf Dauer gesehen, Herr werden. Ich komme nun zu Ihrer Frage, Herr Rollmann: Gibt es überhaupt besondere Gruppen, die speziell drogenanfällig sind? Wie sind sie erreichbar? - Nein, Herr Kollege Rollmann, es sind nicht nur die unteren sozialen Schichten, die - ({2}) - Es steht aber darin. Ich zeige es Ihnen nachher. ({3}) - Das haben Sie im Ausschuß gesagt. ({4}) Es sind nicht nur die unteren sozialen Schichten, auf die sich nach Ihrer Ansicht die Gefährdung verlagert. Es sind Menschen aus allen sozialen Schichten in unserer Gesellschaft, und zwar Menschen, die mit den Problemen ihrer Umwelt im privaten wie im beruflichen Bereich nicht fertig werden. Sie sind aber auch in der Vorphase sehr schwer erreichbar, weil sie eben nicht gruppenspezifisch zu definieren sind. Unsere Gesellschaft müßte wieder menschlicher werden. Wie viele einsame Menschen gibt es! Derer sollte man sich wieder mehr annehmen. Allerdings dürften die Abteilungen der Familienfürsorge in Sozial- und Jugendämtern sowie die Drogenberatungsstellen bei einer guten personellen Ausstattung in der Lage sein, gerade in sozialen Unterschichten vorsorglich Hilfsmaßnahmen anzubieten. Aber wie sind diese Stellen personell besetzt? Das ist nicht eine Frage der Statistik, sondern in vielen Regionen - so auch in meinem Heimatkreis - ist die hierfür erforderliche Vorfeldarbeit von den Bediensteten einfach nicht zu verkraften. Was nützt in Ihrem Antrag die Frage nach dem Bedarf an Beratungsstellen, wenn diese mit Statistiken beschäftigt werden! ({5}) - Sie müssen doch aber geschrieben werden, wenn Ihre Erhebungen erstellt werden sollen. Das ist doch klar. Dafür werden doch die Menschen dann benötigt. Ich selbst habe in meinem Leben sehr, sehr viele Schulstatistiken anfertigen müssen. Ich weiß, welche Belastung auf den Menschen zukommt, wenn er ständig damit beschäftigt wird, Statistiken zu erstellen, statt, wie früher in meinem Fall, z. B. Unterricht zu halten. ({6}) Bei der Behandlung drogensüchtiger und alkoholkranker Menschen bietet es sich an, daß die Überkapazität an Krankenhausbetten, die es heute in mehreren Gebieten der Bundesrepublik schon gibt, für psychiatrische Abteilungen an den Krankenhäusern umfunktioniert wird. Die FDP ist schon lange der Ansicht, daß zumindest an Schwerpunktkrankenhäusern psychiatrische Abteilungen eingerichtet werden sollen. Gerade die Koordination mit den anderen medizinischen Disziplinen auf der einen Seite und der Psychiatrie auf der anderen Seite scheint uns Freien Demokraten sehr sinnvoll, zumal auch mancher Patient der inneren Stationen in den Krankenhäusern einer psychiatrischen Behandlung bedarf und umgekehrt psychisch Kranke häufig andere körperliche Leiden haben. Die Gettos der Groß-Krankenanstalten der Psychiatrie könnten dadurch vermindert werden, und eine psychische Krankheit wird dadurch im Bewußtsein der Bürger als eine ganz normale Krankheit angesehen, was heute noch keineswegs überall der Fall ist. Was wir für die Drogenabhängigen und Rauschmittelsüchtigen, die ja psychisch krank sind, brauchen, sind offene und halboffene Einrichtungen, wie sie z. B. in Großbritannien in vorbildlicher Form existieren. Der Übergang muß für den Patienten fließender werden. Deshalb trifft Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Opposition, absolut ins Leere. ({7}) Ihr Antrag ist eben, wie schon gesagt, eine Arbeitsbeschaffung! Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf ein Ereignis zu sprechen kommen, das in den letzten Wochen Bestürzung bei allen Beteiligten ausgelöst hat. Ich meine die Razzia in der Drogenberatungsstelle der Caritas in Aachen. Was auch immer die Staatsanwaltschaft und die Polizei an strafrechtlichen Tatbeständen vorgefunden haben mögen, es kann einfach nicht angehen, daß der Staat in Bereiche eingreift, die er an anderer Stelle ausdrücklich als schutzbedürftig anerkennt. Arzt und Pfarrer unterliegen der Schweigepflicht. Für Sozialarbeiter, Psychologen, Therapeuten an einer Beratungsstelle besteht ein Verbot der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 des Strafgesetzbuches. Beide haben es mit Menschen zu tun, die physisch und psychisch in Not geraten sind und sich in eben dieser Not an sie wenden. Gerade weil die Suchtproblematik, insbesondere was die Drogen anbetrifft, so eng mit der Illegalität und Kriminalität verbunden ist, bedarf es hier dringend eindeutiger gesetzlicher Regelungen, die einerseits dem Ratsuchenden Vertraulichkeit garantieren, andererseits dem Staat die Ermittlung gegen die Rauschgifthändler nicht erschweren. Aber der Rechtsausschuß befaßt sich ja derzeit mit dieser Frage, und nach Auskunft der zuständigen Kollegen kann sich ein derartiger Fall nach der Novellierung der entsprechenden Paragraphen nicht wiederholen, und das darf auch nicht geschehen. Noch ein Wort zum Alkohol- und Tabakmißbrauch. Auch das Nikotin- und Alkoholproblem ist nicht auf spezifische Altersgruppen oder soziale Schichten beschränkt. Im Gegensatz zum Drogenmißbrauch liegt jedoch die Gefährlichkeit des Alkoholismus darin, daß er im Gegensatz zum Rauschmittelmißbrauch gesellschaftlich salonfähig ist. Ja, es geht sogar so weit, daß Menschen, die in der Gesellschaft keinen Alkohol trinken, schief angesehen werden. Die FDP begrüßt an dieser Stelle ausdrücklich, daß die Minister und Senatoren der Länder sowie der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit beschlossen haben, ein Aktionsprogramm zur Verhütung und Eindämmung des Alkoholmißbrauchs durchzuführen. Gerade die erschreckende Zunahme des Alkoholismus bei Frauen und Jugendlichen macht diese Maßnahme wesentlich dringlicher als Statistiken und Erhebungen. Wir Freien Demokraten werden uns bemühen, für die psychisch Kranken, zu denen die Drogenabhängigen gehören, weitere Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Statistiken helfen wenig. Konkrete Vorschläge sind nach unserer Auffassung wesentlich besser. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab, sind aber in unserem zuständigen Bundesfachausschuß dabei, Verbesserungsvorschläge für den gesamten psychiatrischen Bereich zu erarbeiten, ({8}) um sie im kommenden Jahr der Öffentlichkeit vorzustellen. ({9})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Blick auf die Uhr und der Respekt vor den Mitgliedern des Hauses, die zu dieser Stunde noch anwesend sind, ({0}) erlauben es mir nicht, einigen Fragen weiter nachzugehen. ({1}) - Herr Kollege Wehner, Ihre Zwischenrufe sind in der Tat die besten. Ich freue mich darauf, auch diesen morgen wieder nachlesen zu können. ({2}) Meine Damen und Herren, einige Fragen, die sich nach der Debatte aufdrängen, kann man hier leider nicht mehr erörtern, unter anderem die Frage, ob die Drogen- und Rauschmittelszene inzwischen um den Tatbestand des Abgeordneten des Deutschen Bundestages ergänzt werden muß, der sich daran berauscht, der Bundesregierung immer wieder die gleichen Fragen zu stellen und die gleichen Antworten entgegenzunehmen. ({3}) Dies möchte ich nicht erörtern, sondern zu einigen Behauptungen, die hier aufgestellt worden sind und die der Widerlegung bedürfen, etwas sagen. Es ist unzutreffend - der Abgeordnete Tietjen hat das im einzelnen dargelegt -, daß in dieser Legislaturperiode des Bundestages zu wenig Gelegenheit bestanden habe, dieses Thema zu behandeln. Wir haben über dieses Thema debattiert, und es hat Große und Kleine Anfragen sowie eine Fülle von Mündlichen Anfragen in der Fragestunde hierzu gegeben. Die Behauptung ist unzutreffend, daß keine Erfolge in der Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs zu verzeichnen seien. Der Bericht des Bundeskriminalamtes stellt hierzu ausdrücklich fest - mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich zitieren -: Die Zahlen zeigen, daß weiterhin ein Anstieg der erfaßten Rauschgiftdelikte und -täter vorhanden ist. Dennoch hält eine gewisse kontinuierliche Stabilisierung der Drogenszene an. Es heißt in dem Bericht weiter: Das allgemeine Interesse an Rauschmitteln weist im Jahre 1974 eine stagnierende Tendenz auf, da sich der Anteil der Ersttäter nur unwesentlich erhöht hat. Frau Kollegin Schleicher, nach den Feststellungen dieses Berichts ist der Anteil der jungen Menschen unter 21 Jahren an der Rauschgiftkriminalität 1974 auf den Stand des Jahres 1969 zurückgedrängt worden. Das Problem ist vorhanden; die Bundesregierung sieht das Problem. Angesichts der Tatsachen, die in dem zitierten Bericht dargelegt werden, ist die Dramatik, mit der Sie, Herr Kollege Rollmann, das Problem hier dargestellt haben, unangebracht. ({4}) Die Bundesregierung ist in ständigem Kontakt mit den Drogenbeauftragten der Bundesländer. Die in der Bundesrepublik am besten qualifizierten Fachleute stellen übereinstimmend und einstimmig fest: Es gibt eine Stagnation in der gesamten Entwicklung. Es gibt einen Rückgang bei ,den weniger gefährdeten Randgruppen der Probierer und der milden Konsumenten. Es gibt allerdings eine Verschärfung innerhalb des harten Kerns, und zwar durch den übermäßigen Zustrom von Heroin. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß mit Hilfe des Zolls und mit Hilfe der Polizei - der Kollege Tietjen hat hier dankenswerterweise schon den Dank zum Ausdruck gebracht, der angebracht ist - eine wesentliche Verbesserung der Situation eingetreten ist. Die Bundesregierung hat dies im übrigen wiederholt dargelegt. Sie hat keine Möglichkeit, Ist- und Soll-Werte zu ermitteln und daran den Fehlbestand nachzuweisen. Sie ist in dieser Frage in jeder Hinsicht kooperativ. Sie hat auch die Broschüre „Drogenberatung - wo?" inzwischen wieder neu aufgelegt. Es gibt keinen Mangel an Information über dieses Thema. Es gibt aber Besonderheiten, die es nicht sinnvoll erscheinen lassen, hier mit starren Mehrjahresplänen zu operieren. Es erscheint vielmehr angebracht, dem problematischen Feld mit flexiblen Mitteln, mit den Mitteln zu folgen, die der Zeit und dem jeweiligen Problem angemessen sind. ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge des Ausschusses, über die wir, glaube ich, getrennt abstimmen müssen. Unter Ziffer 1 wird beantragt, den Antrag - Drucksache 7/671 - abzulehnen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dann ist es so beschlossen. Der Antrag unter Ziffer 2 lautet, die Berichte zur Kenntnis zu nehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Vizepräsident Frau Funcke Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Böblingen an die Firma Daimler-Benz AG - Drucksachen 7/4071, 7/4271 - Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird nicht das Wort gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 bis 18 auf: 16. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen ({1}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie ({2}) des Rates zur Erfassung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs im Rahmen einer Regionalstatistik - Drucksachen 7/3931, 7/4221 - Berichterstatter: Abgeordneter Sick 17. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Festsetzung des Höchstgehaltes an Eruca-Säure in Speisefetten, -ölen und -margarine, die in Lebensmitteln verwendet werden Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 657/75 hinsichtlich der Standardqualität von Raps- und Rübsensamen - Drucksachen 7/3922, 7/4213 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({6}) Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({7}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif - Drucksachen 7/4032, 7/4214 Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram ({9}) Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/4221, 7/4213 und 7/4214. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({10}) zu der von der Bundesregierung erlassenen Verordnung zur Anderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({11}) - Drucksachen 7/4030, 7/4215 -Berichterstatter: Abgeordneter Haase ({12}) Es handelt sich hier um einen Bericht, von dem das Haus nur Kenntnis zu nehmen braucht, wenn nicht Anträge aus der Mitte des Hauses vorliegen. Solche Anträge liegen nicht vor; das Haus nimmt somit Kenntnis. Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf morgen, Freitag, den 28. November 1975, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.