Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres
- Drucksachen 7/4002, 7/4240
Ich höre keinen Widerspruch. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen folgende Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden:
Betr.: Bericht der Bundesregierung über den Tourismus in der Bundesrepublik Deutschland - Grundlagen und Ziele -- Drucksache 7/3840 zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Betr.: Upl. Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 652 06 im Haushaltsjahr 1975
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
- Drucksache 7/4222 -zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({0}) des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter, aus den neuen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse, die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung beim Bau, bei der Instandhaltung oder Instandsetzung bestimmter Luftfahrzeuge verwendet werden sollen ({1})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({2}) des Rates über die Aussetzung der Anwendung der Bedingung, der die Einfuhr frischer Zitronen mit Ursprung in Zypern, Spanien, Israel, Marokko, der Arabischen Republik Ägypten, Tunesien und der Türkei in die Gemeinschaft auf Grund der Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und jedem dieser Länder unterliegt ({3})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung 1m Rat
Verordnung des Rates über die Gewährung einer Umstellungsprämie im Weinbau ({4})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entscheidung des Rates über die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds an rezessionsbedingten Maßnahmen für die berufliche Anpassung ({5})
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({6}), Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, Ausschuß für Wirtschaft und Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung geltende Zollbehandlung bei der Einfuhr bestimmter Waren aus den neuen Mitgliedstaaten ({7})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Gründung eines Instituts der Europäischen Gemeinschaften für Wirtschaftsanalysen und Wirtschaftsforschung ({8})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({9}), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates über die Beteiligung des Europäischen Sozialfonds an Maßnahmen zugunsten von auf dem Textil- und dem Bekleidungssektor beschäftigten Personen ({10})
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({11}), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({12}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({13}) Nr. 3209/73 über die Beihilfe für Olivenöl ({14})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Jahresbericht über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft ({15})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({16}), Finanzausschuß, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({17}) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern über die Regelung für die Einfuhr von sogenanntem „Cyprus Sherry" mit Ursprung in und Herkunft aus Zypern in die Gemeinschaft ({18})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({19}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren ({20})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinien des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Schiffsattesten für Binnenschiffe ({21})
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({22}) des Rates über die Aufteilung der
Mittel des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds
Vizepräsident Dr. Jaeger
für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1975 und über die Verlängerung bestimmter Fristen für 1975 und 1976 ({23})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({24}) Nr. 2638/75 des Rates vom 16. Oktober 1975 zur Änderung der Verordnung ({25}) Nr. 475/75 hinsichtlich der in der Landwirtschaft für das irische und englische Pfund anzuwendenden Umrechnungskurse
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Es ist vereinbart, mit Punkt 6 der Tagesordnung zu beginnen, dann den Zusatzpunkt aufzurufen und daraufhin die noch übriggebliebenen Punkte der Tagesordnung zu beraten.
Wir kommen damit zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Geestzes zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes ({26})
- Drucksache 7/3794 Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({27})
- Drucksache 7/4220 Ich danke der Berichterstatterin, der Abgeordneten Frau Eilers ({28}), für ihren Bericht und rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Das Wort wird nicht gewünscht? - Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Ich sehe keine Gegenstimmen und auch keine Enthaltungen; einstimmig so beschlossen.
Wir kommen dann zum Zusatzpunkt:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres
- Drucksache 7/4002 -Bericht und Antrag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({29})
- Drucksache 7/4240 Ich danke der Berichterstatterin, der Abgeordneten Frau Schroeder ({30}), für ihren Bericht und rufe in zweiter Lesung Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Ich darf diejenigen, die dem Gesetz zustimmen wollen, bitten, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich sehe keine Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? - Auch keine Stimmenthaltungen; einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes
- Drucksache 7/4128 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Sonderausschuß für die
Strafrechtsreform ({31})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts
- Drucksache 7/4211 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Sonderausschuß für die
Strafrechtsreform ({32})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Zur Begründung des Entwurfs eines Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes hat Frau Abgeordnete Dr. Timm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, hat das Bundesverfassungsgericht am 25. Februar 1975 das Fünfte Strafrechtsreformgesetz für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, das Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten, d. h. die sogenannte Fristenregelung vorsah. Es war am 18. Juni 1974 vom Deutschen Bundestag mit 260 gegen 218 Stimmen verabschiedet worden. Die CDU/CSU-regierten Länder und 193 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag haben daraufhin Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde im I. Senat mit einer Mehrheit von 5 gegen 3 Stimmen gefällt. Es steht außer Zweifel, daß der Deutsche Bundestag diese Entscheidung respektiert und ihr entsprechend seine Gesetzgebung gestalten muß. Dennoch ist es nicht verwunderlich, wenn unter den Menschen in unserem Lande angesichts der tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten sowohl innerhalb des Parlaments als auch unter den Verfassungsrichtern erhebliche Beunruhigung entstanden ist. Schlagartig deutlich wird dies an den knappen Mehrheitsbeschlüssen sowohl im Bundestag als auch, freilich inhaltlich entgegengesetzt, des Bundesverfassungsgerichts. Bei einer so tiefgreifenden, alle Menschen in unserer Gesellschaft unmittelbar betreffenden Frage liegt das in der Natur der Sache. Aber wir müssen nun endlich zu Klärungen kommen.
Die Fraktionen der SPD und der FDP haben sich nach Verkündung des Urteils sofort an die Arbeit
gemacht. Sie sind der Bevölkerung gegenüber im Wort, eine Strafrechtsregelung zu finden, die beiden Anforderungen gerecht wird, nämlich das werdende Leben besser zu schützen als bisher und Frauen und Familien in schweren Lebensentscheidungen Hilfen zu bieten.
Die normative Grundüberzeugung, daß Schwangerschaftsabbruch nur ein letzter Ausweg aus einer schwerwiegenden Konfliktsituation sein kann, oder, wie das Bundesverfassungsgericht es sagt, „die grundgesetzlich gebotene rechtliche Mißbilligung" liegt nach wie vor unseren Reformbestrebungen zugrunde.
Mit der Erfahrung und der Erkenntnis, daß Strafandrohung allein, wie streng auch immer, den Schutz des werdenden Lebens nicht gewährleistet, sondern im Gegenteil darüber hinaus Frauen in Illegalität, Isolation und Gesundheitsgefährdung drängt, ist inzwischen die Reformbedürftigkeit des § 218 weitgehend übereinstimmende Meinung geworden. Insbesondere hat sich die Auffassung durchgesetzt, die von Anfang an die Reformbestrebungen der SPD-Fraktion geprägt hat, daß nämlich Schwangerschaftsabbruch nicht allein ein Problem des Strafrechts ist, sondern ein gesamtgesellschaftspolitisches Problem darstellt.
Ich muß Sie sicherlich nicht daran erinnern, daß wir unseren Gesetzentwurf zur Strafrechtsreform ursprünglich gleichzeitig und zusammen mit den sogenannten sozial begleitenden, das Strafrecht ergänzenden Maßnahmen hier im Parlament eingebracht haben. Dem Bündel aller Maßnahmen liegt eine gemeinsame Konzeption zugrunde. Es kam und kommt uns darin darauf an, alle Hilfen zu bieten, um, wie Marie Schlei es ausgedrückt hat, gewünschte Schwangerschaften zu ermöglichen und ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Dieser wichtigste Teil der Gesamtreform, nämlich das Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz, hat nach mühsamem Hürdenlauf über den zunächst ablehnenden Bundesrat, den Vermittlungsausschuß usw. endlich im Juli 1975 auch den Bundesrat passiert und wird am 1. Dezember 1975 in Kraft treten und damit bessere Möglichkeiten der Verhütung ungewollter Schwangerschaften schaffen. Auf die ärztliche Beratung über die Empfängnisregelung, die ärztliche Beratung über Erhaltung oder Abbruch der Schwangerschaft, die ärztliche Behandlung und Übernahme der Kosten für Arzneimittel und Krankenhauspflege bei legalem Schwangerschaftsabbruch oder freiwilliger Sterilisation, auf all dies hat nunmehr jeder Versicherte einen Anspruch. Nach diesem Gesetz können Schwangerschaftsabbrüche in Krankenhäusern auch ambulant vorgenommen werden. Sozialhilfeempfänger haben Anspruch auf kostenfreie empfängnisregelnde Mittel, wenn sie ärztlich verordnet sind.
Ich führe diese einzelnen Punkte hier noch einmal detailliert auf, weil es mir darauf ankommt, deutlich zu machen: Wir reden nicht nur von Reformen, wir fordern nicht etwa mit perfektionistischer Sucht den sofort vollkommenen Sozialstaat, sondern wir haben gehandelt und Reformen Schritt für Schritt durchgeführt. Natürlich bleibt auf diesem Felde noch viel zu tun übrig; denn die sozialliberale Koalition hat 1969 mit der Übernahme der Regierungsverantwortung das Thema Schwangerschaftsabbruch überhaupt erst hier im Parlament aufgebracht und angepackt und damit aus dem Orkus der gesellschaftlichen Bewußtseinsverdrängung ans Tageslicht gehoben. Sie hat das Problem damit auch den gesellschaftspolitischen und strafrechtlichen Reformbemühungen zugänglich gemacht.
Es ist zu begrüßen, daß das Bundesverfassungsgericht in seinen Leitsätzen zu dem Urteil diese unsere gesamtgesellschaftspolitische Konzeption bestätigt. So sagt es etwa im Leitsatz 4 - ich zitiere -:
Der Gesetzgeber kann die grundgesetzlich gebotene rechtliche Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen als mit dem Mittel der Strafandrohung. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der dem Schutz des ungeborenen Lebens dienenden Maßnahmen einen der Bedeutung des zu sichernden Rechtsguts entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährleistet. Im äußersten Falle, wenn der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht werden kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Sicherung des sich entwickelnden Lebens das Mittel des Strafrechts einzusetzen.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist also der tatsächliche Schutz. Darauf kommt es auch uns an. Wir, d. h. die Koalitionsfraktionen von SPD und FDP, haben uns mit unserem Entwurf redlich bemüht, alle Möglichkeiten, die das Bundesverfassungsgerichtsurteil dem Gesetzgeber beläßt, in diesem Sinne voll auszuschöpfen. Wir sind davon überzeugt, daß die von uns vorgeschlagenen Regelungen mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Übereinstimmung stehen und somit auch grundgesetzkonform sind.
Gerade im ursächlichen und im praktischen Zusammenhang mit den sozial ergänzenden Maßnahmen haben wir versucht, nun auch auf dem Wege einer strafrechtlichen Indikationenregelung, die uns das Bundesverfassungsgerichtsurteil ja grundsätzlich vorschreibt, den betroffenen Frauen und Familien den Zugang zur Beratung tatsächlich zu ermöglichen - den Zugang zur sozialen Beratung über Möglichkeiten und Hilfen zur Austragung der Schwangerschaft sowie auch zur ärztlichen Beratung über die gesundheitlichen Probleme eines Abbruchs.
Der Aspekt der Beratung ist zentral. Er hat uns geleitet, sowohl bei der Formulierung der Indikationen, d. h. bei der Beschreibung der Bedingungen, unter denen ein Schwangerschaftsabbruch legal vorgenommen werden kann, als auch bei der Ausgestaltung des Verfahrens, wer die Feststellung treffen soll, ob eine Indikation vorliegt, und vor allem wer die Beratung vornehmen soll.
Wir haben dabei den Arzt als beteiligten Partner in diesen verantwortungsvollen Prozeß stark einbezogen. Große Teile der Ärzteschaft sind offenbar bereit, die Aufgabe anzunehmen. Wir sind erfreut über die zustimmende Kenntnisnahme unseres Ge13878
Setzentwurfes z. B. durch den Hartmannbund, und wir sind daher zuversichtlich, daß die deutsche Ärzteschaft im Rahmen der von uns vorgeschlagenen strafrechtlichen Bestimmungen ihren Teil zur Verwirklichung der gemeinsamen Zielsetzungen beitragen wird. Wir gehen dabei von der Erfahrung und von der Annahme aus, daß sich eine Frau, die meint, eine Schwangerschaft nicht austragen zu können, zunächst an den Arzt ihres Vertrauens wendet - und wir möchten auch, daß sie dies tut. Denn ein Vertrauensverhältnis zwischen der Frau, die sich in einer so schweren Konfliktsituation befindet, und dem Menschen, der ihr dabei helfen und Rat geben soll, ist die entscheidende Voraussetzung dafür, daß diese Frau unter Umständen auch die positiven Hilfsangebote annehmen kann.
Meine Damen und Herren, es sei mir an dieser Stelle erlaubt, eine kritische Bemerkung zum CDU/ CSU-Entwurf zu machen. Nach Ihrem § 218 d Abs. 1 Nr. 1 darf die Schwangerschaft erst abgebrochen werden, nachdem - ich zitiere - „die Schwangere ... durch eine behördlich ermächtigte Beratungsstelle über die zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder unterrichtet, auf die grundsätzliche Pflicht zur Achtung des Lebensrechts des Kindes vor der Geburt hingewiesen und darüber belehrt worden ist, welche Gründe in ihrem Fall für die Fortsetzung der Schwangerschaft sprechen".
({0})
Meine Herren, das kann doch wohl nur von Herren ausgedacht und aufgeschrieben worden sein.
({1})
Meinen Sie ernsthaft, daß die Aussicht, belehrt zu werden, die Frauen ermutigen könnte, überhaupt diese behördlich genehmigte Beratungsstelle aufzusuchen?
({2})
„Beratungsstelle" nennen Sie sie euphemistisch; Sie sollten sie dann auch wirklich „Belehrungsstelle" nennen.
({3})
Meinen Sie wirklich, so könnte ein Vertrauensverhältnis entstehen? Sie werden Ihre Gründe für diese Ausgestaltung - ich würde sagen: für diese Verunstaltung der Beratungsstelle haben.
({4})
Ich bin sehr gespannt darauf - und ich glaube, viele Frauen im Lande mit mir -, zu hören, wie Ihre Ansichten über die hiermit gegebenen Aussichten auf tatsächlichen Schutz und Hilfe zu begründen sind.
Meine Damen und Herren, ich habe diesen kleinen Abstecher gemacht, um zu zeigen - und die Reaktion hier zeigt es ja auch -, wie unterschiedlich offensichtlich gerade in diesem zentralen Punkt der Beratung die Konzeptionen der Koalitionsfraktionen einerseits und der CDU/CSU andererseits sind und wie unterschiedlich auch von den Parteien die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtsurteils an den Gesetzgeber, durch die Gesamtheit der Maßnahmen den tatsächlichen Schutz des sich entwickelnden Lebens zu gewährleisten, aufgefaßt und umgesetzt wird. Denn, wissen Sie, an der Grunderfahrung und der Grunderkenntnis, daß die schwangere Frau und das werdende Leben in ihr eine einzigartige Einheit bilden und daher auch nur durch diese Frau das werdende Leben tatsächlich geschützt werden kann, weil sie eben fähig und bereit sein muß, die Schwangerschaft auszutragen, sollte doch nach all den vielen grundsätzlichen Diskussionen, die auch wir miteinander gehabt haben, keiner mehr einfach vorbeigehen können.
({5})
Die Beratung ist zentral und ist von uns auch mit einem breiten Angebot für die Frauen und die Familien vorgesehen, beispielsweise durch anerkannte Beratungsstellen oder durch einen Arzt in einer solchen Beratungsstelle oder durch einen Arzt, der als Berater anerkannt ist, oder durch einen Arzt, der sich über die im Einzelfall zur Verfügung stehenden Hilfen sachkundig gemacht hat. Wir wissen, daß die Regierung in der Zwischenzeit große Anstrengungen unternommen hat, das Netz der Beratungsstellen zu erweitern, die Aus- und Weiterbildung von Ärzten in ihrer Funktion als Berater zu fördern und Modelleinrichtungen in vielen Bundesländern zu unterstützen. Doch es ist uns auch klar, daß trotzdem noch zu wenige Angebote solcher Art bestehen. Daher müssen nach unserer Auffassung, gerade weil wir der Beratung diese zentrale Funktion beimessen, für Frauen und Familien möglichst viele Stellen und Personen als vertrauenswürdige Anlaufstellen vorhanden sein.
Ich sagte vorhin, auch die Ausgestaltung der Indikationen selber hätten wir unter dem Gesichtspunkt des tatsächlichen Schutzes von Leben und werdendem Leben angelegt. Wir haben eine übergreifende Gesundheitsindikation, nach der - ich zitiere - der „mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftabbruch ... nicht nach § 218 strafbar" ist, „wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann".
Wir sagen weiter, daß eine solche „Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes" auch vorliegt,
wenn nach ärztlicher Erkenntnis
1. dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren, schwerwiegenden
Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde,
2 an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 begangen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht,
3. der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann.
Das heißt: wenn die sogenannte kindliche, die Vergewaltigungs- oder die Notlagenindikation im Rahmen der gesamtgesundheitlichen Indikationen nach ärztlicher Erkenntnis vorliegt.
Bei so aufgefaßten und formulierten Bedingungen für den straffreien Schwangerschaftsabbruch kann es nur der Arzt sein, der die Indikation feststellt. Wir können doch gewiß davon ausgehen, daß der Arzt die körperliche oder seelische Beeinträchtigung, die die Schwangere durch Fortführung der Schwangerschaft erleiden würde, am besten von allen ausdenkbaren Instanzen festzustellen in der Lage ist.
Der Entwurf sieht außerdem entsprechend dem Verfassungsgerichtsurteil vor, daß der Arzt, der die Indikation feststellt, nicht auch der den Abbruch ausführende Arzt sein kann.
Wir haben insgesamt einen praktikablen und damit den tatsächlichen Schutz gewährleistenden Verfahrensweg vorgeschlagen. Dazu gehört auch, daß die Schwangere selbst straffrei bleibt, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach der obligatorisch vorgeschriebenen Beratung von einem Arzt vorgenommen worden ist - natürlich auf Grund einer Indikation - und seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind.
Nebenbei bemerkt: Daß der Richterbund gerade hiermit seine Vermutung einer verkappten Fristenregelung begründet, ist mir unverständlich und kann auch nach den Unterlagen wohl nur auf Irrtum beruhen.
({6})
- Entschuldigung, Herr Spranger! - Denn in der Begründung des Richterbundes wird dazu z. B. die vorgeschriebene Beratung als Bedingung für die Straffreiheit überhaupt nicht erwähnt. Man wird darüber sprechen müssen.
({7})
Wir sind davon überzeugt, daß Frauen den legalen Weg zur Beratung und zum Arzt möglichst frühzeitig gehen werden, wenn sie wissen, daß sie auf diesem Wege von Strafandrohung frei sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist nunmehr das sechste oder das siebte Mal, daß wir uns hier im Plenum des Deutschen Bundestages mit Gesetzentwürfen zur Reform des § 218 beschäftigen.
Es ist der Leidensweg einer Reform, der offensichtlich daher rührt, daß eben die Problematik des Wie, der Ausgestaltung, so sehr umstritten ist.
({8})
Wir hatten verschiedene Gesetzentwürfe aus den Fraktionen gleichzeitig, wir hatten außerdem zahlreiche fertige Gesetzentwürfe von interessierten und engagierten Gruppen außerhalb des Parlaments. Ich erinnere an den Entwurf der Alternativprofessoren, an die Ärzteschaft, an Gewerkschaften und Kirchen, bis jetzt hin zu dem Vorschlag des Richterbundes.
Wir waren von jeher hier einig, daß die Abgeordneten in dieser umstrittenen und schwierigen Frage ihrer Gewissensentscheidung ausgesetzt sind. Sie wissen, daß auch in meiner Fraktion eine Gruppe von Abgeordneten eine weitgefaßte Indikationenregelung, den sogenannten Müller-Emmert-Entwurf, erarbeitet, vertreten und im Bundestag vorgelegt hat.
({9})
Bei der Erarbeitung des jetzt vorliegenden Entwurfs der Fraktionen der SPD und der FDP ist auf diese und andere für eine Indikationenregelung wertvollen Vorarbeiten zurückgegriffen worden. Toleranz gegenüber unterschiedlichen Meinungen und Zusammenarbeit waren und sind erforderlich, wenn es gelingen soll, alle Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Schwangerschaftsabbrüche und damit zum tatsächlichen Schutz des werdenden Lebens tragfähig und praktikabel zu machen.
Ich denke, daß die parlamentarischen Beratungen - nunmehr im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform - ebenso gründlich wie aber auch zügig vorgenommen werden können. Die Fraktionen der SPD und der FDP haben in nur wenigen Monaten entsprechend ihrer Ankündigung vom Juni dieses Jahres diesen Gesetzentwurf formuliert und eingebracht. Jetzt liegt es an uns als Gesetzgeber, den berechtigten Erwartungen aller beteiligten Gruppen - der Richter, der Anwälte, der Ärzte und insbesondere der betroffenen Frauen und Familien - endlich zu entsprechen und nunmehr auch über die strafrechtliche Regelung des Problems Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden.
({10})
Es ist wirklich an der Zeit, daß wir die entstandene Rechtsunsicherheit beseitigen und vor allem die gebotenen Hilfen erbringen.
({11})
Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Buchstabe b) hat der Abgeordnete Dr. Eyrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist so, wie Frau Timm es zu Beginn ihrer Rede ausgeführt hat, nämlich daß uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch einmal zwingt und uns die Möglichkeit gibt, miteinander zu reden und miteinander zu diskutieren, welche gemeinsame Plattform möglicher13880
weise dieses Haus finden kann. Es ist ein Urteil, das in der Öffentlichkeit eine sehr große Beachtung gefunden hat.
Aber eines, Frau Kollegin Timm, muß man, glaube ich, an den Anfang setzen: Wenn Sie hier davon berichten, mit welcher Mehrheit und mit welchem Abstimmungsergebnis ein Urteil zustande gekommen ist, dann ist das ein seltsames Verständnis nicht nur eines Verfassungsgerichts.
({0})
Es geht hier nicht darum, meine Damen und Herren, mit welcher Mehrheit ein Gericht entschieden hat, es geht auch nicht nur um die Frage nach der Autorität eines Gerichts, sondern es geht schlicht und einfach um die Frage nach der Autorität des Rechts.
({1})
Die Autorität des Rechts in unserem Lande wird aber dadurch nicht gefördert, daß ich Mehrheiten in Gerichten zitiere und dafür anführe, daß ich möglicherweise doch recht haben könnte.
Es ist ein Urteil, dessen entscheidender und tragender Satz eindeutig klarstellt, daß der von der SPD /FDP-Koalition damals vorgelegte Entwurf der Fristenlösung deshalb mit unserer Verfassung und der darin zum Ausdruck kommenden Wertordnung nicht vereinbar ist, weil er den Schutz des ungeborenen Lebens nicht genügend berücksichtigt. Es enthält nicht nur den Vorwurf, daß nicht genügend und nicht sorgfältig genug überdacht wurde, welchen Stellenwert das ungeborene Leben in unserem Verfassungsgefüge hat, sondern ebenso eine beredte Absage etwa an die Theorie des Bundesinnenministers, Prof. Dr. Maihofer, daß das Selbstbestimmungsrecht der Frau im Ergebnis einen höheren Rang habe als der Schutz des noch nicht geborenen Kindes. Er hat in der Tat in der zweiten und dritten Lesung in diesem Hause zum Ausdruck gebracht, daß dem aus der Menschenwürde fließenden Selbstbestimmungsrecht der Frau gegenüber dem Lebensrecht des Kindes der Vorrang gebühre. Genau das aber bezeichnet das Urteil als den entscheidenden Irrtum derer, die diese Fristenlösung vorgelegt haben.
Das Urteil enthält aber in noch viel größerem Maße eine Absage an alle diejenigen, die vom Wandel der Wertüberzeugungen gesprochen haben und die diesem angeblichen oder auch vermeintlichen Wandel - ich möchte hinzufügen: nicht immer sind diejenigen in der Mehrzahl, die ihre Meinung am lautesten kundtun - mit der Fristenlösung gerecht werden wollten. Ersparen Sie mir die Darlegung, wohin wir gerieten, wenn wir jedem angeblichen Wandel der Wertüberzeugungen nachgehen und unsere Gesetze ihm entsprechend formen müßten. Wir haben in diesem Volke Zeiten hinter uns - das hat Herr Kollege Mikat in der damaligen Sitzung doch sehr eindringlich zum Ausdruck gebracht -, in denen einem angeblich gewandelten Wertbewußtsein nur allzu gern nachgegeben wurde. Ich sage das deshalb, weil ich auch in diesem Zusammenhang davor warne, Thesen aufzustellen, die einer Nachprüfung gerade in kritischen Phasen der Geschichte eines Volkes nicht standhalten.
Lassen Sie mich am Rande noch eines sagen: Ich spreche denen, die vom Wandel der Wertüberzeugung sprechen, überhaupt das Recht ab, das so zu tun und die Folgerungen daraus herzuleiten, die sie daraus hergeleitet haben. Denn ich kann nicht von einem Wandel der Wertüberzeugungen sprechen angesichts derer in diesem Lande, die sich ganz energisch gegen Ihre Fristenlösung gewandt haben.
({2})
Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um nachträglich sagen zu können, wir hätten das ja alles vorausgesehen und auch zu Protokoll gegeben. Ich sage das, weil ich glaube, daß ohne eine gründliche Besinnung auf die Gründe des Urteils eine sachgemäße Beratung dieser Entwürfe hier und im Ausschuß nicht möglich ist.
Ich sage es aber auch noch aus einem anderen Grunde: Ich hätte mir gewünscht, daß uns manche Stellungnahme Ihrer Seite zu diesem Urteil erspart geblieben wäre.
({3})
- Herr Kollege Krockert, Sie haben später noch Gelegenheit, sich hier zu äußern. - Ich muß Ihnen entgegenhalten: Was soll es denn bedeuten, wenn z. B. die Frau Vizepräsidentin dieses Hohen Hauses erklärt hat, sie und die Frauen könnten ein solches Urteil nicht akzeptieren und nicht respektieren.
({4})
Es ist doch notwendig, zu sagen, daß hier das Vertrauen in die Gültigkeit des Rechts und die Gültigkeit des Urteils von einer Stelle in Frage gestellt wurde,
({5})
von der man am letzten erwartet, daß sie so etwas tut.
({6})
Die Erklärungen, die Herr Kollege Mischnick für seine Fraktion anläßlich der Übergabe des Koalitionsentwurfs an die Öffentlichkeit vorgetragen hat, deuten leider auch nicht darauf hin, daß wenigstens die entscheidenden Sätze über den Rang des ungeborenen Lebens gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Frau von ihm akzeptiert werden. Wie anders denn könnte er nicht nur den Eindruck erwekken, sondern auch den Vorwurf statuieren, da habe eine Opposition wieder einmal den Weg nach Karlsruhe beschritten, um den Frauen das Selbstbestimmungsrecht vorzuenthalten! Meine Damen und Herren, so kann man es nicht sagen. Man kann jemandem nicht den Vorwurf machen, daß er von dem ihm verfassungsgemäß eingeräumten Recht Gebrauch macht, etwas überprüfen zu lassen, was wir als bedenklich angesehen haben.
({7})
Das alles war beileibe nicht dazu angetan, die durch die vergangenen Beratungen aufgerissenen Gräben wieder zuzuschütten, und man ist versucht, in gleichem Maße zu antworten. Ich unterliege dieDr. Eyrich
ser Versuchung ganz gewiß nicht, aber ich bedauere feststellen zu müssen, daß das eigentlich alles ist, was geblieben ist von all den Erklärungen kurz nach dem Urteil, als es geheißen hat, man müsse doch eine gemeinsame Plattform in diesem Hohen Hause finden, um eine tragfähige Lösung zu erarbeiten.
({8})
Daß gerade - meine Damen und Herren, das ist das Entscheidende 1 - eine von der Mehrheit dieses Hauses getragene Entscheidung am besten den auch erst kürzlich vom Deutschen Richterbund geforderten Rechtsfrieden garantieren würde, brauche ich doch nicht zu betonen. Das ist es doch, was die Bürger in unserem Lande von uns verlangen: daß sie Vertrauen zu unseren Entscheidungen haben und von deren Bestand auch ausgehen können.
Trotz allem möchte ich anläßlich dieser ersten Lesung und vor allem der Beratungen im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform noch einmal betonen, daß unsere Bereitschaft zur sachlichen Auseinandersetzung nach wie vor bestehenbleibt.
Dazu gibt uns dieses Urteil auch eine Chance, und diese Chance, die uns hier geboten wird, eine tragfähige Lösung zu finden, der eine breite Mehrheit zuzustimmen vermag, ist unvergleichlich größer als diejenige, die wir zu Beginn des vorhergegangenen Gesetzesvorhabens hatten. Diese Chance gilt es zu erkennen und zu ergreifen. Natürlich weiß ich - und wer wüßte es nicht -, daß es auf beiden Seiten dieses Hauses viel Skepsis und viele Vorbehalte gegen eine solche Meinung gibt, und trotzdem möchte auch ich noch einmal den Versuch machen, zu einer Gemeinsamkeit in einer so wichtigen Frage aufzurufen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat uns die Spannweite vorgegeben, in der wir uns bewegen können. Es sagt klar, daß auf der einen Seite die Fristenlösung verfassungswidrig und andererseits der § 218, wie er vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestanden hat, wegen seiner undifferenzierten Strafandrohung nicht mit der Verfassung vereinbar ist.
Womit wir uns aber vor allem auseinanderzusetzen haben - Frau Kollegin Timm, Sie haben das auch diesmal für meine Begriffe nicht ausreichend getan -, ist doch das Folgende: Wir müssen das Spannungsverhältnis, wie es das Bundesverfassungsgericht ausdrückt, „zwischen der Achtung vor dem ungeborenen Leben und dem Recht der Frau, nicht über das zumutbare Maß hinaus zur Aufopferung eigener Lebenswerte im Interesse der Respektierung dieses Rechtsgutes gezwungen zu werden", ausloten. Das ist der entscheidende Punkt und die entscheidende Aufgabe, die wir übertragen erhalten haben, und das ist für unsere Begriffe auch der entscheidende Punkt des Urteils.
Diesen Zielkonflikt, Frau Kollegin Timm, so zu lösen, daß sowohl der Schutz des ungeborenen Lebens gewährleistet ist, aber auch die Erkenntnis gilt, daß es Lebenssituationen einer Frau geben kann, in denen der Frau ein mit Mitteln des Strafrechts zu erzwingendes anderes Verhalten nicht zuzumuten ist, genau das ist die Frage, die wir an uns selbst zu stellen haben. Es ist auch, wenn ich der späteren Ausführung zu diesem Punkte vorgreifen darf, die Maxime des Entwurfs der CDU/CSU. Diese Lösung schließt ebenso aus, daß willkürlich gewählte Gründe den Abbruch der Schwangerschaft zu rechtfertigen vermögen, wie auch, daß von einer Frau die Erfüllung ihrer Pflicht, das ungeborene Kind auszutragen, erwartet werden kann, selbst dann, wenn man es von ihr billigerweise nicht mehr erwarten kann, weil sie in zu schwere innere Konflikte gerät.
Frau Kollegin Timm, Sie haben vorhin noch etwas über das Mittel des Strafrechts und die Bedeutung des Strafrechts in diesem Zusammenhang gesagt. Es ist nicht die Frage der sittlichen Billigung, sondern es ist die Frage danach, ob wir mit Mitteln des Strafrechts in Konfliktsituationen der Frau hineinleuchten sollen. Sie haben recht, wenn Sie den Satz des Bundesverfassungsgerichts zitieren, daß man mit allen anderen Mitteln versuchen müsse, das Mittel des Strafrechts soweit wie möglich entbehrlich zu machen. Aber wir kommen doch auch an der entscheidenden Tatsache nicht vorbei, daß dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, daß wir eine solche Situation nicht haben, daß wir noch - aus verschiedenerlei Gründen, die ich jetzt nicht erörtern möchte - dazu gezwungen sind, dieses Strafrecht als ein Mittel zur Verhinderung der Schwangerschaftsabbrüche einzusetzen. Frau Kollegin Timm, es war doch nie strittig - Sie haben ein bißchen den Eindruck zu erwecken versucht - und alle Parteien in diesem Hause sind immer davon ausgegangen, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um zu verhindern, daß eine Frau überhaupt in diese Konfliktsituation gerät.
Ich will es jetzt sagen, und ich werde nachher noch einmal die Gelegenheit haben, es zu sagen: Es gilt nach wie vor der Satz, den ich damals in der zweiten und dritten Lesung gesagt habe:
Wenn dieser Staat nicht die Möglichkeit hat, die finanzielle Notlagesituation einer Frau zu verbessern, dann hat dieser Staat das Recht verwirkt, sich Sozialstaat zu nennen.
({9})
Davon müssen wir ausgehen. Ich glaube, das gilt nach wie vor.
Lassen Sie mich nach diesen Maßstäben den von Ihnen eingebrachten Entwurf einer kritischen Würdigung unterziehen, und lassen Sie mich auch unseren Entwurf ebenso freimütig darlegen.
Sie legen einen Entwurf vor, in dem unter anderem der Tatbestand der sozialen Indikation enthalten ist. Meine Damen und Herren, wenn ich mich recht erinnere, haben Sie bei der Vorstellung Ihres Entwurfs zum Ausdruck gebracht, daß es sich dabei um eine sogenannte sozial-medizinische Indikation handele. Darf ich Ihnen einmal sagen, daß ich das, wenn ich nicht wüßte, wer an diesem Entwurf mitgearbeitet hat, als einen Irrtum bezeichnen würde. So aber muß ich Ihnen sagen - entschuldigen Sie, ich kann Ihnen das nicht ersparen -, daß Sie offenbar nur den Eindruck eines solchen sozial-medizi13882
nischen Tatbestandes zu erwecken versuchen, obwohl Sie ganz genau wissen, daß das nicht der Fall ist.
({10})
- Herr Kollege von Schoeler, muß ich Ihnen das sagen, daß Sie mit dem Wort „auch" in der Regelung Ihrer Indikation einen eigenen Tatbestand geschaffen haben? Wir können aber nicht hier im Plenum die Fachberatungen in allen Einzelheiten durchführen. Sie wissen das genauso gut wie ich.
Die andere Problematik ist die: Sie berufen sich darauf, daß der Hartmannbund Ihren Entwurf begrüßt habe. Meine Damen und Herren, der Hartmannbund hat Ihren Entwurf genau deswegen begrüßt, weil er dem Irrtum unterlegen ist, daß es sich hier um eine sozial-medizinische Indikation handele. Aus gar keinem anderen Grund ist das geschehen; denn er schreibt doch - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus den „Hartmannbund-Informationen" vom 30. September 1975 -:
Hartmannbund und Ärztetag hatten die Fristenlösung abgelehnt
- und nun kommt es und ein Indikationsmodell vertreten, das einen Schwangerschaftsabbruch dann zuläßt, wenn für die Schwangere nach ,den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes besteht. Unter dieser grundsätzlichen Bedingung ist der neue Entwurf für den Hartmannbund annehmbar.
Genau diese Bedingung ist nicht gegeben, wie Sie selbst ganz genau wissen!
({11})
Meine Damen und Herren, angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bräuchten Sie doch darauf gar nicht zu verweisen, denn das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen doch die Möglichkeit gegeben zu sagen: Jawohl, das ist eine soziale Indikation. Sie bewegen sich doch auf dem Boden dieses Verfassungsgerichtsurteils. Ich möchte jetzt in diesem Bereich nicht länger danach forschen,
({12})
aber - Herr Kollege von Schoeler, passen Sie gut auf, ich habe mir sehr genau überlegt, was ich hierzu sage - zwei Dinge müssen Sie sich entgegenhalten lassen: Dadurch, daß Sie behaupten, die soziale Indikation sei auch in Ihrem Entwurf ein Unterfall der medizinischen Indikation, wollen Sie sich der Notwendigkeit entziehen, dieser Indikation jene Einschränkung zu geben, die das Bundesverfassungsgericht fordert.
({13})
Und darüber hinaus - das folgt doch zwingend daraus -: Gerade die Sorge, daß auch unbedeutende Belastungen zum Anlaß genommen werden, unter dem Etikett der sozialen Indikation einen Schwangerschaftsabbruch zu rechtfertigen, hat das
Bundesverfassungsgericht bewogen, zu fordern, daß die Belastung der Schwangeren derjenigen adäquat sein müsse, die in den Fällen der eugenischen und kriminologischen Indikation besteht. Der Deutsche Richterbund - wir werden in den Fachberatungen ja noch des öfteren miteinander darüber zu reden haben - hat mit seinem Diskussionsentwurf nicht umsonst gerade darauf hingewiesen.
Ich habe schon immer, auch in den früheren Debatten, gesagt, daß auch wir die Konfliktsituation sehen, in die eine Frau kommen kann. In Anlehnung an die Stellungnahme des Deutschen Ärztetages haben wir deshalb vorgesehen, daß im Falle einer sozialen Notlage, die mit anderen Mitteln nicht behebbar ist - es gibt nicht nur finanziell bedingte Notlagen - und die eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der Frau herbeiführt, der Schwangerschaftsabbruch nicht mit den Mitteln des Strafrechts soll verhindert werden können.
Meine Damen und Herren, damit wir es klar sehen und auch zum Ausdruck bringen: Sie alle sind im Lande umhergezogen und haben versucht, uns dieser Haltung wegen zu unterstellen, wir hätten eine unsoziale Haltung gegenüber den Frauen eingenommen. Sie wissen doch ganz genau, daß das nicht der Fall ist. Glauben Sie ja nicht, daß wir nicht die innere Not vieler Frauen sehen, die durch keine noch so gut gemeinte Hilfe jemals gemildert werden könnte! Glauben Sie nicht, daß wir damit, daß wir sagen, wir müssen die Situation dieser Frau jetzt und für die Zukunft erwägen, nicht dem Gedanken Rechnung getragen haben, daß hier Belastungen auf jemanden zukommen, die man mit Mitteln des Strafrechts der Frau zumutbar nicht aufbürden kann! Darum geht es doch! Aber wir haben ebenso ein Anrecht, Ihnen zu sagen und mit Ihnen über die Frage zu diskutieren, daß man hier auch Schranken aufstellen muß, weil sonst der Sinn dieser Bestimmung ins Gegenteil verkehrt wird.
({14})
Im übrigen nehme ich noch einmal Bezug darauf: Dieser Staat wird diese finanziellen Notlagen ganz sicherlich verhindern müssen.
Die andere Frage, mit der wir uns auseinandersetzen - Sie haben diesem Passus eine lange Zeit Ihrer Rede gewidmet, Frau Kollegin Timm -, ist die in Ihrem Entwurf festgelegte Straffreiheit der Frau. Ich habe durchaus gespürt, daß Sie in der Darlegung dieser Frage nicht so ganz sicher sind, wie Sie es hier zum Ausdruck bringen wollten.
({15})
Ich kann das eigentlich nicht anders verstehen, als daß Sie hier versuchen, eine korrigierte Entscheidung nachträglich wenigstens noch zum Teil zu retten. Wer sich einmal für eine Lösung entschieden hat, die mit der Verfassung nicht in Einklang steht, wird nach Auswegen suchen, dieser Lösung möglichst nahezukommen. Dafür kann man politisches Verständnis haben, aber man kann kein Verständnis des Rechts dafür in Anspruch nehmen.
({16})
Daß hier der Gedanke der Selbstbestimmung der Frau eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt, ist auch in Ihren Ausführungen ganz klar zum Ausdruck gekommen.
({17})
- Wir wollen jetzt nicht darüber streiten, wer was gesagt hat. Ich habe gut zugehört, weil ich mich ja darauf vorbereiten mußte, Frau Kollegin Timm in einigen Punkten zu widersprechen oder mich mit ihr auseinanderzusetzen.
Ich darf Ihnen drei Fragen stellen, meine Damen und Herren. Die erste ist - wir müssen das miteinander genau überlegen -: Glauben Sie, daß diese Lösung, die Sie mit der Straffreiheit der Frau gefunden zu haben glauben, auch dem Satz des Urteils standhält, wo es wörtlich heißt, „daß die Verpflichtung des Staates, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, auch gegenüber der Mutter besteht" ? Zweitens darf ich Sie fragen, ob die Stellungnahme des Richterbundes, die Stellungnahme eines Gremiums, das in dieser Frage wohl sehr kompetent ist, Sie nicht dazu veranlassen könnte, Ihren Entwurf noch einmal zu überdenken. Sie, Frau Kollegin Timm, haben das während eines Interviews mit dem Saarländischen Rundfunk zugesagt, wie ich weiß. Aber ich möchte Ihnen doch einmal zu bedenken geben, ob Sie sich nicht das zu Herzen nehmen sollten, was der Deutsche Richterbund hierzu ausgeführt hat. Lassen Sie mich das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal zitieren und in die Diskussion hier einführen:
Die von der SPD /FDP beabsichtigte Einfügung einer Vorschrift in § 218 Abs. 3 Satz 2, wonach die Schwangere straffrei bleibt, wenn der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind, enthält eine verkappte Fristenlösung und ist daher unzulässig.
({18})
Während der Begründung können keine Zwischenfragen zugelassen werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte einmal die Frage aufwerfen - sie ist überdenkenswert -, ob das tatsächlich Bestand haben kann. Ich komme noch einmal darauf zurück. Das hat - der Herr Kollege Mischnick kann nicht hier sein - nichts mit einem Gang nach Karlsruhe zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, daß, wenn die deutschen Gerichte nach einem Gesetz dieses Hauses zu richten haben, wir sie nicht fahrlässig in den Stand versetzen sollten, daß sie bei der ersten Entscheidung, die sie in dieser Frage zu treffen haben, Zweifel hegen, ob sie sich nicht an das
Verfassungsgericht wenden und diese Entscheidung dort vorlegen müssen. Darum geht es doch.
({0})
Es geht nicht um die Frage, ob wir nach Karlsruhe gehen oder nicht, sondern es geht darum, ob die Gerichte die Möglichkeit haben werden, nach einem Gesetz zu richten, von dem sie selber zweifelsfrei der Meinung sein können, daß es mit der Verfassung vereinbar ist.
({1})
- Ihnen ist wie uns, Frau Kollegin Lepsius, eine Auswertung des Bundesjustizministeriums vom 9. April 1975 zugänglich gemacht worden, die sich mit dem Urteil befaßt,
({2})
- und dort steht etwas zur Straffreiheit.
In der letzten Zeit häufen sich bedauerlicherweise die Fälle, in denen die Koalition nicht mehr bereit ist, auf ihr Fachministerium allzu großen Wert zu legen. Das bedaure ich. Das ist nicht nur in Fragen der Verteidigerüberwachung der Fall, sondern auch ein bißchen in anderen Fragen. Hier besteht eine gewisse Kluft, die man möglichst überdecken sollte. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie werden auch in diesem Punkt nicht an der Stellungnahme in dieser Auswertung vorbeikommen.
Lassen Sie mich schließlich auf den letzten Punkt eingehen, zu dem wir Kritik anmelden müssen; es ist die in Ihrem Entwurf getroffene Regelung des Verfahrens der Beratung und der Begutachtung. Ich weiß, daß diese Frage schon in den früheren Debatten Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen uns war. Wir haben dort wiederholt darauf hingewiesen, daß wir der Meinung sind - ich bleibe dabei und werde es nachher noch einmal zum Ausdruck bringen -, daß die Frauen nicht vor eine Art Tribunal gestellt werden sollten, weil das zu unerwünschten zeitlichen und psychologischen Folgen führen könnte. Auf der anderen Seite müssen wir aber erkennen, daß jede Bemühung im Bereich der Indikationen durch eine entsprechende Verfahrensregelung zunichte gemacht werden kann. Es besteht die Möglichkeit, sich auch mit einem kritischen Blick auf das Urteil noch einmal damit zu befassen. Ich will es mir und Ihnen im einzelnen ersparen. Aber eine Folgerung muß erlaubt sein: Wir können uns nicht damit begnügen, irgendeinen Arzt mit der Begutachtung und der Feststellung zu betrauen. Wenn uns schon die Aufgabe übertragen und dem Staat die Aufgabe aufgebürdet worden ist, hier die Feststellungen und die Voraussetzungen zu prüfen, dann können wir das nicht irgendeinem Arzt überlassen.
({3})
Ich brauche doch nicht darauf hinzuweisen, daß gerade in diesem Punkt andere Länder nicht gerade gute Erfahrungen gemacht haben.
Frau Kollegin Timm, Sie haben sich auch damit beschäftigt und haben gesagt: Wir haben eine Be13884
ratung vorangestellt. Sie haben eine Beratung vorangestellt; aber Sie wissen ebensogut wie ich, welchen Sinn und Zweck eine derartige Beratung angesichts einer solchen Verfahrensregelung überhaupt noch hat. Es gibt ja überhaupt keine Hemmschwelle mehr - ich muß Sie halt fragen, ob Sie das wollen oder ob Sie es nicht wollen -, wenn Sie das Verfahren so ausgestalten, wie Sie es wollen.
({4})
- Ich weiß, meine Damen und Herren, das hören Sie nicht gern. Denn, Frau Kollegin Lepsius, Sie wissen genausogut wie ich, daß das der springende Punkt in Ihrem Entwurf ist.
({5}) Genau das ist es.
Dann möchte ich noch etwas anderes sagen. Gerade in der Zeit, in der Sie diese Regelung vorschlagen, die doch sicherlich an die englische Lösung, wenn ich es einmal vorsichtig ausdrücke, Frau Kollegin Timm, mindestens erinnert, dann sollten wir uns doch auch daran erinnern, daß genau dort Bestrebungen im Gange sind, die Bestimmungen zu ändern und zu verschärfen, die dort zu einer Flut von Abtreibungen geführt haben. Das müssen wir doch auch sehen. Ich sage das nicht deswegen, weil ich Ihnen etwa den Vorwurf machen wollte, daß Sie diese Lösung nun nicht verändern wollten, sondern ganz einfach auch deswegen, weil wir nicht heute ein Gesetz machen sollten, bei dem wir Erfahrungen nicht verwerten, die genau das Gegenteil von dem sagen, was wir in unser Gesetz hineinbringen. Darum geht es doch schlicht und einfach.
({6})
Was hindert uns denn eigentlich, die Erkenntnisse aus diesen Ländern zu verwerten? Die Forderung gilt: wir sollten hier nicht ein Gesetz für ein paar Jahre machen, das wir dann wieder zu ändern gezwungen sind, weil es sich als unzulänglich erwiesen hat. Ich habe es schon einmal gesagt und sage es noch einmal: Der Rechtsfrieden und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts sind unverzichtbar.
({7})
Es ist unerträglich, wenn oft Gesetze verändert werden müssen, weil man nicht bereit ist, die bei anderen gemachten Erfahrungen zu verwerten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten die Frage stellen, warum Sie sich auch in diesem Punkt der Beratung nicht unserer Alternative anschließen.
({8})
- Das ist natürlich das beliebte Argument, Frau Kollegin Lepsius, daß unsere Alternativen deswegen keine sind, weil sie von uns kommen.
({9})
Das ist eine außerordentlich einfache Entgegnung.
({10})
- Wenn ich mir das so ansehe, Herr Kollege von Schoeler, dann muß ich sagen: die von Ihnen gebotenen Lösungen sind deswegen keine Lösungen, weil sie von Ihnen kommen.
({11})
Das wäre genauso töricht, wie wenn Sie uns immer wieder sagen: Was wollt ihr eigentlich mit euren Alternativen; ihr habt ja überhaupt keine Alternativen. Aber lassen wir das; das gehört nicht so sehr in diesen Raum hinein, obwohl es gut wäre, Sie würden sich mit dieser Alternative auseinandersetzen.
({12})
- Sie sollten genauso gut wie wir wissen, daß es sich hier nicht um die Frage des Staatskommissars handelt, sondern daß es sich einfach darum handelt, eine Lösung zu finden, die dem Rang und dem Wert des Gutes, das wir zu schützen haben, gerecht wird.
({13})
Alles andere ist ein Darumherumreden und ein Vertuschenwollen dessen, was Sie im Grunde genommen eigentlich wollen.
({14})
Ich gestehe gerne zu, Herr Kollege von Schoeler, im Gegensatz zu manchen von Ihnen, daß wir natürlich, wenn wir es Ihnen sagen, auch an uns selbst die Frage richten müssen, was der Richterbund uns denn gesagt hat. Natürlich tun wir das. Wir setzen uns damit auseinander. Nur müssen wir dem Richterbund in dieser Frage sagen, er möge unser Bemühen erkennen - ich habe es auf Ihren Zwischenruf, Frau Lepsius, schon einmal gesagt -, dem Rang des Rechtsgutes entsprechend Sicherungen einzufügen, die wir erwarten können. Frau Kollegin Timm, Sie können nicht sagen: wenn es sich hier um eine behördliche Stelle handelt, die belehrt - wie Sie so schön sagen -,
({15})
dann kommt eine Frau nicht dorthin. Glauben Sie ja nicht, daß sich eine Frau, die sich in einer echten Konfliktsituation befindet, aus der sie herausfinden möchte, dorthin nicht begibt. Sie wird den Rat suchen, wenn sie es ernst meint, und wenn sie glaubt ihn dort bekommen zu können. Darauf und auf nichts anderes haben wir es abgestellt.
({16})
Dabei muß man noch berücksichtigen, welche Erfahrungen wir gemacht haben.
Lassen Sie mich mit der Bitte an alle Kollegen der Koalition schließen, auch in diesen Beratungen noch einmal zu versuchen, eine für die Mehrheit tragbare Entscheidung zu finden. Die Gespräche, die wir geführt haben - Sie wissen das -, sind gescheitert. Der Grund dafür waren unüberbrückbare Gegensätze. Aber es ist doch auch zum Ausdruck geDr. Eyrich
kommen, daß wir diese Dinge in den Beratungen im Ausschuß noch einmal überdenken sollten.
Es muß doch möglich sein, eine dem Rechtsgut entsprechende, der schweren Konfliktsituation der Frau angemessene und das Vertrauen in unsere Gesetzgebung und Rechtsprechung stärkende Entscheidung zu treffen. Dazu sind wir bereit.
({17})
Meine Damen und Herren, die beiden Gesetzentwürfe sind begründet.
Wir treten in die verbundene Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete von Schoeler.
von Schoeler ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar dieses Jahres steht fest, daß das, was in Ländern wie Frankreich, Österreich und Amerika politisch durchgesetzt und verfassungsrechtlich möglich ist, bei uns auf Dauer ausgeschlossen bleibt.
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind in unserer Rechtsordnung verbindlich. Wir Liberalen, die die rechtsstaatlichen Garantien unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung erkämpft haben, wissen, welch große Bedeutung eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit für den Bestand des Rechtsstaates hat. Wir wissen auch: Ohne eine solche Verfassungsgerichtsbarkeit gibt es keinen Rechtsstaat, und einen Rechtsstaat gibt es auch nicht ohne die Kontrolle parlamentarischer Entscheidungen durch ein Verfassungsgericht. Darüber besteht zwischen uns, Herr Kollege Eyrich, überhaupt gar kein Streit.
Nur, wenn Sie vorhin die Bemerkung des Vorsitzenden meiner Fraktion angesprochen haben, dann müssen Sie doch sehen, welche Problematik entsteht, wenn das Verfassungsgericht die Tendenz hat, seinen Entscheidungsspielraum zum Nachteil des eigentlich dem Parlament eingeräumten Entscheidungsspielraums auszuweiten.
({1})
Wenn sich in der Bevölkerung die Meinung breitmachen sollte, daß da irgendwo ein Ersatzparlament ist, wäre das verhängnisvoll. Wir alle, die darauf achten, daß das Verfassungsgericht Achtung und Respekt bei den Bürgern genießt, sollten gemeinsam dafür sorgen, daß eine solche Entwicklung nicht eintritt.
Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sagen wir: Die Fristenregelung bei der Reform des § 218 wäre die bessere, die gerechtere und die sozialere Lösung gewesen. Deshalb hat das Urteil bei uns wie bei vielen Bürgern dieses Landes Enttäuschung und tiefe Betroffenheit ausgelöst. Enttäuschung, weil wir uns jahrelang aus Achtung vor der Würde der Frau für eine Regelung eingesetzt haben, die Beratung und soziale Hilfe einsetzen sollte, wo bisher die Angst vor der Strafverfolgung Frauen in verzweifelten Situationen in die Isolation getrieben und als Kriminelle abgestempelt hatte. Enttäuschung aber auch, weil der § 218 in seiner über hundertjährigen Geschichte keine Frau und kein Kind geschützt hat, sondern nur die Gesellschaft davor bewahrte, sich ernsthaft mit den Konflikten vieler Frauen und deren Ursachen auseinanderzusetzen und zu helfen.
({2})
Meine Damen und Herren, der Ausdruck Blödsinn ist nicht parlamentarisch.
von Schoeler ({0}) : Ich weiß nicht, Herr Kollege Spranger, was ich von Ihrem, vom Präsidenten als unparlamentarisch bezeichneten und deshalb von mir nicht zu wiederholenden Ausdruck halten soll, wenn vorher der Kollege Eyrich gesagt hat, Sie wollten den Konfliktsituationen der Frauen gerecht werden. Welches Verständnis haben Sie denn eigentlich für diese Konfliktsituationen, wenn Sie, wenn davon die Rede ist, so ein Wort dazwischenrufen?
({1})
Meine Damen und Herren, dieses Urteil des Verfassungsgerichts droht einen Zustand festzuschreiben, in dem über die Frauen in ihrem ureigensten Bereich wie seit Jahrhunderten und Jahrtausenden immer wieder nur andere - seien es nun Richter, Staatsanwälte oder Ärzte - entscheiden.
Wir haben nach dem Urteil die Frage zu beantworten, ob nach diesem Urteil Spielraum für eine gesetzliche Regelung da ist. Die Entscheidung dieser Frage muß zugunsten eines neuen Anlaufs zur Reform des § 218 fallen. Die Diskussion hat doch nichts an dem Tatbestand geändert, daß dieser Paragraph heute wie vor hundert Jahren eine Atmosphäre der Angst, Heimlichkeit und Heuchelei schafft. Heute wie vor hundert Jahren treibt er Frauen in einer Situation in die Isolation, wo sie notwendiger als irgendwann sonst mitmenschlichen Rat und Hilfe brauchen. Die Verantwortung für diese Frauen zwingt uns, nun endlich eine Regelung zu finden, die mit den unmenschlichen und unsozialen heutigen Zuständen Schluß macht.
Meine Damen und Herren, von diesem Ausgangspunkt her legen Ihnen die Koalitionsfraktionen heute einen Gesetzentwurf vor, dessen Ziel es ist, eine Reform des § 218 durchzuführen, die sich in dem vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Rahmen hält, diesen Rahmen im Interesse der betroffenen Frauen aber auch voll ausschöpft.
({2})
Zu drei besonders bedeutsamen Bereichen dieses
Entwurfs will ich hier kurz einige Bemerkungen
von Schoeler
machen, zunächst zur Frage der Indikationenformulierung.
({3})
- Ich komme darauf noch, keine Angst.
Wir haben die soziale Indikation als Bestandteil einer umfassenden medizinischen Indikation ausgestaltet. Wir haben dies getan, weil darin zum Ausdruck kommt - und das beantwortet Ihre Frage zur verfassungsrechtlichen Seite dieses Problems; im Augenblick hören Sie allerdings nicht mehr zu -, daß die soziale Indikation nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eben nur dann eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs begründen kann, wenn sie nur Tatbestände von der gleichen Gewichtigkeit wie die anderen Indikationen straffrei stellt. Dies kommt in unserer Indikationenformulierung zum Ausdruck.
({4})
Wir haben diese Formulierung der Indikation auch gewählt, weil sie einen deutlichen Appell an die Bereitschaft der Ärzte enthält, an diesem Gesetzentwurf mitzuarbeiten. Wir haben in unseren Gesprächen mit den Organisationen der Ärzte den Eindruck gewonnen, daß sie zur Mitarbeit an diesem Entwurf bereit sind. Wir begrüßen das.
({5})
Nun hat der Kollege Eyrich zu unserer Indikationenformulierung gesagt, das sei eine Täuschung bzw. er hat ähnlich harte Worte gefunden.
({6})
Er hat gesagt, wir hätten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine soziale Indikation in den Gesetzentwurf aufnehmen können. Eine Täuschung soll angeblich darin liegen, daß wir dies nicht tun, sondern diese soziale in die medizinische Indikation einbeziehen. Nun, ich habe Ihnen die Gründe für unsere Entscheidung eben dargelegt. Lassen Sie mich aber im Zusammenhang mit Ihrer Kritik an unserer Indikationenformulierung auf folgendes hinweisen. Die hier wichtige Passage sagt aus, daß die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren auch vorliegt und damit ein Schwangerschaftsabbruch straffrei gestellt ist, wenn - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wollen Sie denn, daß in den Fällen, in denen die Konfliktsituation der Frau so schwer ist, wie das bei dieser Indikation, wie wir sie formuliert haben, der Fall ist, wirklich noch, daß da jemand ist, der der Frau auch sagen kann: Nein, du darfst die Abtreibung nicht vornehmen. Wollen Sie die Frau auch
in einer solch schweren Notlage, die die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht zumutbar macht, mit dem Strafrecht zwingen, das Kind auszutragen? Das können Sie doch ernsthaft nicht wollen.
Nun gibt es einen zweiten Punkt, der von uns in diesem Gesetzentwurf zu regeln war: das Verfahren. Die Frau soll sich an eine Person ihres Vertrauens wenden, und zwar an einen Arzt ihres Vertrauens. Wie anders könnten wir denn erreichen, daß die Frauen diese Beratung annehmen und sich an eine Person wenden, wenn diese Person nicht der Arzt ihres Vertrauens ist? Wen kann es denn sonst geben, zu dem eine Frau in einer solchen Situation wie der, in der sie sich befindet, mit ihren Konflikten hingeht und über diese Konflikte zu sprechen bereit ist? Ich glaube, so gesehen, gibt es keine andere Lösung als den Weg der Frau zum Arzt ihres Vertrauens.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in dieser Diskussion von Ihnen auch keine Belehrungen über die besondere Rolle der Bedeutung der Beratung. Gerade die Befürworter der Fristenregelung haben in dieser Diskussion doch immer wieder die zentrale Bedeutung der Beratung herausgestellt. Unser Anliegen war es doch gerade, den Weg zur Beratung zu eröffnen.
({7})
Wenn die Frau sich bei dem Arzt ihres Vertrauens hat beraten lassen - ({8})
- Ich verstehe Ihre Zwischenrufe leider nicht. Deswegen kann ich nicht darauf antworten.
({9})
- Ich habe auf das geantwortet, was von den Vertretern Ihrer Fraktion hier vorgetragen worden ist.
({10})
- Dies ist doch nun wirklich nicht die Sachlichkeit, mit der wir über dieses Problem hier diskutieren sollten. Ich habe dargestellt, warum die Frau zu einer Person ihres Vertrauens gehen muß, Herr Dr. Stark. Nun sagen Sie, daß das eine miserable Lösung sei. Ich weiß nicht, was ich mit einem solchen Zwischenruf anfangen soll.
({11})
Herr Abgeordneter von Schoeler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spranger? - Bitte sehr!
Herr von Schoeler, Sie haben sich auf die Wirksamkeit der Beratungsregelung der Vertreter der Fristenlösung berufen. Ist Ihnen bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht
ausgerechnet diese Form von Beratung als nicht verfassungsgemäß angesehen hat?
({0})
von Schoeler ({1}) : Herr Kollege Spranger, ich spreche im Augenblick über die Drucksache 7/4128, über den Entwurf der Koalitionsfraktionen. Sie wissen genau, daß wir die Beratungsregelung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert haben. Wir haben jetzt eine Regelung gefunden, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung trägt. Insofern weiß ich nicht, wieso Sie hier eine solche Zwischenfrage stellen können.
({2})
Herr Abgeordneter von Schoeler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel ({0})?
von Schoeler ({1}) : Ja.
Herr Kollege von Schoeler, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, daß diese Beratung bei Ihnen von Anfang an der entscheidende Ansatz gewesen sei, d. h. also schon vor dem Urteil, und räumen Sie ein, daß die Beratungsregelung, die in dem früheren Fristenregelungsentwurf enthalten war, in dem Urteil im Ergebnis eben als eine Scheinberatungsregelung und gerade deshalb als mit der Verfassung nicht im Einklang stehend bezeichnet worden ist?
({0})
von Schoeler ({1}) : Herr Kollege Vogel, ich habe gesagt, daß wir die Beratung schon immer in den Mittelpunkt all unserer Überlegungen gestellt haben
({2})
und daß wir deshalb von Ihnen keine Belehrungen darüber brauchen, wie wichtig die Beratung ist. Die Beratung war schließlich der Ansatzpunkt all unserer Überlegungen. Die konkrete Beratungsregelung haben wir nun in einen Gesetzentwurf gefaßt, der den Ansprüchen und Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts voll Rechnung trägt,
({3})
der allerdings auch nicht - das gebe ich gerne zu, Herr Kollege Vogel - einen Hürden- und Hindernislauf für die Frau vorsieht, wie Sie es fordern.
({4})
Wir haben - dies ist der dritte Punkt, zu dem ich etwas sagen will - in unserem Gesetzentwurf eine Regelung vorgesehen, daß die Frau, die nach Beratung innerhalb der ersten 22 Wochen der Schwangerschaft einen Abbruch vornehmen läßt, straffrei gestellt ist. Sie haben diese Vorschrift von der Sache und von der verfassungsrechtlichen Seite her kritisiert.
Zunächst ein Wort zur verfassungsrechtlichen Seite. Herr Kollege Eyrich hat hier in der Debatte vorhin auf das Gutachten des Bundesjustizministeriums hingewiesen. Sie wissen so gut wie ich, Herr Kollege Eyrich, daß in diesem Gutachten des Bundesjustizministeriums sehr ausführlich und gründlich und, wie wir meinen, auch sehr zutreffend ausgeführt worden ist, daß diese Straffreiheitsregelung den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Sie haben dieses Gutachten des Bundesjustizministeriums bisher immer begrüßt, aber jetzt sagen Sie plötzlich: das stimmt alles nicht mehr. Ich weiß nicht, wie Sie diesen Widerspruch in Ihrer eigenen Argumentation erklären wollen.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie haben diese Straffreiheitsregelung außerdem von der Sache her kritisiert. Wir haben diese Straffreiheit im Gesetzentwurf vorgesehen, weil wir damit zunächst der besonderen Konfliktsituation der Frau, die einmal den für sie ja doch schweren Entschluß gefaßt hat, sich in einer schwierigen Situation einem anderen Menschen zu offenbaren, gerecht werden wollten. Dies entspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben diese Straffreiheitsklausel auch deshalb vorgesehen, weil wir der Frau den Weg zur Beratung vorzeigen möchten.
({6})
Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf ist keine Fristenregelung; er kann nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine sein. Er ist auch keine verkappte Fristenregelung, sondern ein Gesetzentwurf, der sich im Rahmen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hält, diesen Rahmen aber ausschöpft.
({7})
Nun haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Situation gestanden, daß das Gericht wesentlich über den Rahmen hinaus gegangen ist, den Sie noch in der dritten Lesung mit Ihren Gesetzentwürfen gezogen hatten. Der Tatbestand ist doch folgender: Karlsruhe hat Ihnen ja keineswegs recht gegeben; Karlsruhe hat gesagt: Auch die soziale Indikation ist möglich.
({8})
Sie hatten uns doch hier damals einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem in 99 von 100 Fällen alles beim Alten geblieben wäre. Sie hatten die medizinische Indikation anerkennen wollen, die schon heute anerkannt ist. Sie hatten darüber hinaus die eugenische und die ethische Indikation anerkennen wollen, die von den Voraussetzungen her überhaupt nur in einigen wenigen Fällen pro Jahr gegeben ist.
({9})
Sie hatten sich aber nicht dazu entschließen können,
darüber hinaus den Konfliktsituationen der Frauen
auch in Fällen schwerer Notlagen gerecht zu werden.
von Schoeler
Nun hat Karlsruhe gesagt: Auch die soziale Indikation ist zulässig. Danach hatten wir allerdings gedacht, daß Sie Ihre Position vielleicht noch einmal überdenken. Offensichtlich aber hat dieser Prozeß des Überdenkens nicht stattgefunden. Wir sind von Ihrem Entwurf enttäuscht, weil er eben das, was in Karlsruhe als möglich erklärt worden ist, nicht einmal annähernd ausschöpft.
({10})
- Jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Punkt, Herr Kollege Vogel; ich bin Ihnen für diesen Zwischenruf sehr dankbar. Herr Kollege Eyrich hat vorhin verschiedentlich an uns appelliert, doch nun zu einer gemeinsamen Plattform zu kommen. Davor muß doch aber die Frage stehen, ob es eine gemeinsame politische Zielsetzung gibt. Und da sage ich Ihnen: Unsere politische Zielsetzung ist, den Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht gezogen hat, auszuschöpfen.
({11})
Ihre politische Zielsetzung ist offensichtlich eine andere, und darauf weist Ihr Zwischenruf hin. Sie wollen nach wie vor eine restriktive Regelung.
({12})
Sie können sich vom Geist der Bevormundung nicht lösen.
({13})
Herr Abgeordneter von Schoeler, es liegen mehrere Zwischenfragen vor, zuerst die des Abgeordneten Spranger, dann die des Abgeordneten Vogel ({0}). Bitte!
Herr Kollege von Schoeler, können Sie mir erklären, wie sich die soziale Indikation in Ihrem Entwurf mit Ihren Ausführungen in der Bundestagsdebatte vom April 1974 in Einklang bringen läßt? Damals sagten Sie:
Ich gestehe offen, daß ich auch nach einem Jahr Diskussion im Strafrechtssonderausschuß immer noch nicht weiß, was eine Notlage ist, daß ich mir immer noch nicht vorstellen kann, welche Fälle dann straffrei gestellt werden sollen und welche Fälle nicht.
von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Spranger, vielleicht erinnern Sie sich daran, daß diese Äußerung zu dem Entwurf des Kollegen Dr. Müller-Emmert abgegeben worden ist. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran, daß wir jetzt über den Entwurf der Koalitionsfraktionen diskutieren. Die Formulierungen beider Entwürfe sind, wie Sie wissen, unterschiedlich.
Allerdings gebe ich Ihnen eines zu: Ich war immer ein Befürworter einer Fristenregelung, und ich weiß, daß jede Indikationenregelung demgegenüber einen entscheidenden Nachteil hat. Sie muß nämlich - auch Ihr Entwurf tut das - mit einer Generalklausel arbeiten, bei der man eben nicht von vornherein sagen kann: in dem Falle ist ein Schwangerschaftsabbruch straffrei, in dem anderen Falle nicht. Es ist ja gerade der entscheidende Nachteil der Indikationenlösung, daß der Gesetzgeber ein Stück Verantwortung auf Richter, Staatsanwälte und Ärzte überträgt, die dieses Gesetz anwenden und dann mit der Generalklausel arbeiten müssen. Ich glaube, schon heute merken viele, die damals für eine Indikationenregelung waren, vor welche Schwierigkeiten diejenigen gestellt sind, die ein solches Gesetz anwenden müssen. Das ist nicht leicht. Es ist nicht leicht, über eine Frau in einer Konfliktsituation zu entscheiden und dann zu sagen: Das ist eine Notlage - das ist keine Notlage. Wir wissen doch, wie schwierig die Grenzziehungen in jedem einzelnen Fall sind.
Meine Damen und Herren, ich will noch einige Bemerkungen zu Ihrem Gesetzentwurf machen, Herr Kollege Eyrich. Zunächst einmal zu der Formulierung der Indikationen. Sie haben eine, wie es in der Begründung Ihres Entwurfs heißt, „umfassende medizinische Indikation", keine sozialmedizinische, wie hier vorhin einmal gesagt worden ist.
({1})
- Ich verstehe es schon. Ich will jetzt gern einmal den Meinungsbildungsprozeß in Ihrer Fraktion darstellen. Da war es doch so, daß einige bei Ihnen gerne eine sozialmedizinische Indikation in diesen Entwurf hineingenommen hätten, daß aber bei der letzten entscheidenden Fraktionssitzung das Wort „sozialmedizinische" durch „umfassende medizinische" ersetzt worden ist.
({2})
- Sie wissen es genauso gut wie ich, Herr Kollege Vogel. - Sie konnten sich doch nicht dazu entschließen, das Wort „sozialmedizinische" hineinzunehmen.
({3})
- Nachher, Herr Vogel!
Ich möchte in diesem Zusammenhang gern auf etwas eingehen, was Herr Kollege Eyrich vorhin gesagt hat. Er hat davon gesprochen - und er hat wiederholt, was er in der ersten Lesung gesagt hat -, daß der Sozialstaat das Recht verloren habe, sich Sozialstaat zu nennen, wenn er einer Frau in einer Notlage nicht Geld und Hilfe anbieten könne. Das haben Sie gesagt. Das müßte dann doch allerdings zu der Konsequenz führen, daß man soziale Gesichtspunkte bei der Formulierung der Indikationen nicht berücksichtigt, weil man meint, sie mit Geld und Hilfe ausräumen zu können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Eyrich?
Herr Kollege von Schoeler, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß genau das der Punkt ist, bei dem Sie mich nicht mehr verstehen wollen, weil Sie ganz genau wissen, daß es
Konfliktsituationen gibt, die man mit Geld nicht beheben kann und die wir berücksichtigt haben wollen?
({0})
von Schoeler ({1}) : Das ist ein recht böses Wort, das Sie in dieser Debatte eigentlich nicht sagen sollten.
Herr Kollege Eyrich hat hier eben eine Interpretation Ihrer Indikationen gegeben, die dafür spricht, daß Sie soziale Gesichtspunkte einbeziehen wollen. Sie haben sich allerdings nicht dazu entschließen können, die Formulierung des Ärztetages von der sozialmedizinischen Indikation, auf die Sie sich immer wieder berufen, einzubeziehen.
({2}) : Wir haben sie doch
einbezogen!)
- Sie haben sich nicht dazu entschließen können, Ihre Indikation als sozialmedizinische Indikation zu bezeichnen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?
Herr Kollege von Schoeler, nachdem Sie das jetzt der Wahrheit zuwider - so muß ich sagen, weil ich die ganzen Vorgänge sehr genau kenne - erneut behauptet haben, darf ich Sie einmal bitten, zu sagen, wo in dem Ihnen vorliegenden Gesetzestext eine Änderung vorgenommen worden ist, die das rechtfertigt, was Sie hier behaupten.
von Schoeler ({0}) : Ich habe es schon zweimal gesagt, Herr Kollege Vogel. Sie haben auf dem Deckblatt ihres Entwurfs den Begriff „umfassende medizinische Indikation" an die Stelle gesetzt, wo früher „sozialmedizinische Indikation" stand. Aber vielleicht - ({1})
- Das führt uns ja nicht weiter. Wir können die Frage jetzt wahrscheinlich nicht zu Ihrer Zufriedenheit klären. Wir sollten sie in den Ausschußberatungen weiter diskutieren.
Herr Kollege Vogel, ich will zu einem weiteren Punkt Ihres Entwurfs -
Herr Abgeordneter von Schoeler, nehmen Sie die Zwischenfrage an oder nicht?
von Schoeler ({0}) : Entschuldigung, ich möchte jetzt etwas zu dem weiteren Punkt Ihres Entwurfs sagen.
({1})
Herr Abgeordneter Vogel ({0}), nach der Geschäftsordnung liegt es in der Hand des Redners, ob er eine Zwischenfrage annimmt oder nicht.
von Schoeler ({1}) : Entschuldigung, Herr Kollege Vogel, es ist, glaube ich, nicht billig, sondern es ist auch eine Frage der Zeit.
({2})
Ich will etwas zum zweiten Punkt Ihres Entwurfs sagen, zur Verfahrensregelung. Sie schreiben vor, daß die Frau zur Beratungsstelle gehen muß, daß sie dann zu zwei ermächtigten Ärzten gehen muß. Sie schreiben außerdem vor, daß dann ein anderer Arzt den Eingriff vornehmen muß.
Meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie denn nicht selbst den Eindruck, daß Sie durch diesen Beratungsgang, zu dem Sie die Frau zwingen wollen, den Weg zum vertrauensvollen Gespräch und zur offenen Beratung nachgerade versperren? Haben Sie denn nicht selbst den Eindruck, daß die Kompliziertheit des Verfahrens, das Sie den Frauen vorschreiben und das, wie ich meine, von einem unbegründeten Mißtrauen gegenüber den Frauen gekennzeichnet ist, genau den gegenteiligen als den erstrebten Effekt hat, nämlich daß die Frauen weiter in die Illegalität oder ins Ausland gehen?
({3})
Das sind die Befürchtungen, die wir gegenüber Ihrem Entwurf haben.
Sie wissen doch, wie wenig Beratungsstellen wir heute leider haben. Sie wissen doch auch, wenn sich alle Frauen an die Beratungsstellen, die wir heute haben, wendeten
({4})
- alle Frauen, die von diesem Problem betroffen sind und heute in die Illegalität getrieben werden; Sie kennen doch die Zahlen, die es darüber gibt, ob es nun 80 000 oder 100 000 sind -, daß dann dort Wartezeiten von mehreren Wochen oder Monaten entstünden.
({5})
Damit schreibt doch Ihr Entwurf eine Regelung fest, die so wohl kaum durchführbar ist.
({6})
Sie sagen: Zwei ermächtigte Ärzte sollen eingeschaltet werden. Meine Damen und Herren, nach welchen Kriterien eigentlich ermächtigt? Sie sagen, von wem ermächtigt. Aber warum, wozu und nach welchen Kriterien ermächtigt? Kommt hier nicht nur der Wille zu einer restriktiven, zu einer einengenden Regelung zum Ausdruck, zu einer Regelung, die vom Mißtrauen nicht nur gegenüber den Frauen, sondern auch gegenüber den Ärzten ausgeht?
({7})
Herr Abgeordneter von Schoeler, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel?
Herr Kollege von Schoeler, wenn Sie schon nicht bereit sind, auf das einzugehen, was wir in diesem Zusammenhang zur Begründung unseres Entwurfs sagen: Wären Sie denn bereit, sich ernsthaft mit dem auseinanderzusetzen, was der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland insoweit zum Entwurf der Koalition gesagt hat? Ich darf das bitte zitieren:
Der neue Entwurf sieht zwar die Notwendigkeit einer Beratung der Schwangeren vor und enthält hierfür einzelne begrüßenswerte Ansätze. Er gibt jedoch die Möglichkeit, daß ein einzelner Arzt alle Funktionen der Beratung und der Feststellung des Grundes für den Schwangerschaftsabbruch ausüben kann, ohne dafür einer Zulassung oder Anerkennung durch eine staatliche oder ärztliche Stelle zu bedürfen. Es ist zu fragen, ob nicht auf diese Weise der verfassungskonforme Ansatz einer Indikationenregelung durch ein mangelhaftes Verfahren wieder zurückgenommen wird.
von Schoeler ({0}) : Herr Kollege Vogel, zunächst einmal wäre ich Ihnen sehr dankbar gewesen, wenn Sie auch die Passage, die vor dem steht, was Sie vorgelesen haben, vorgetragen hätten
({1})
- ich sehe, Sie kennen es, aber Sie haben es nicht vorgelesen -, in der uns nämlich Herr Class bescheinigt, daß die Formulierung der Indikation in unserem Entwurf den Vorstellungen der Evangelischen Kirche sehr nahekommt. Das haben Sie hier offensichtlich weggelassen.
({2})
Nun zu dem, was Sie vorgelesen haben. Wir nehmen das sehr ernst.
({3})
Meine Damen und Herren, ich würde dem Redner jetzt doch Gelegenheit geben, auf die Zwischenfrage zu antworten.
von Schoeler ({0}) : Vielen Dank, Herr Präsident.
Wir nehmen das sehr ernst, und wir haben uns natürlich auch damit auseinandergesetzt, daß mit der Schwangerschaftsunterbrechung
({1})
kein Geschäft gemacht werden darf. Das will jeder hier verhindern. Da sind wir uns alle völlig einig. Wir wollen nicht das Zusammenwirken von zwei Ärzten um der Geschäftemacherei willen. Das ist
doch nach unserem Entwurf auch ausgeschlossen. Ich will Ihnen dazu nur zwei Punkte nennen.
Erstens. Der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt und der nicht auf die feststellende Bescheinigung des ersten Arztes vertrauen darf, weil er eben mit diesem so zusammenwirkt, ist nach unserem Gesetzentwurf strafbar. Das ist der Unterschied zu England, das Sie immer wieder als Beispiel zitieren.
Zweitens. Der Arzt, der ein falsches Gesundheitszeugnis ausstellt, ist nach unserem Strafrecht strafbar.
Es gibt hier also Riegel dagegen, daß eine Kumpanei um des Geschäftes willen entsteht. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aber diese Kumpanei um des Geschäftes willen vermeiden wollen, müssen Sie dafür sorgen, daß in den von Ihrer Partei beherrschten Kreistagen die Beschlüsse verschwinden, die in den Krankenhäusern jener Kreise die Durchführung von legalen Schwangerschaftsabbrüchen verhindern. Sie wissen doch so gut wie ich, daß dies zu Abtreibungskliniken führt.
({2})
Herr Abgeordneter von Schoeler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Eyrich?
von Schoeler ({0}) : Können wir uns vielleicht darauf verständigen, daß das im Hinblick auf meine Zeit die letzte ist, Herr Kollege Eyrich?
({1})
Meine Damen und Herren, es gibt einige Probleme, auf die wir, wie ich meine, anläßlich dieser Debatte hinweisen sollten.
Zunächst das Problem, daß die Beratung in unserem Lande immer noch einen erschreckenden Rückstand gegenüber dem von uns allen Gewünschten aufweist. Lassen Sie mich dafür vielleicht einmal ein Beispiel herausgreifen. Dieses Beispiel entnehme ich der Berichterstattung eines Journalisten im Hessischen Rundfunk. Dort ist über eine Beratungsstelle berichtet worden, die sich in einer mittelgroßen Stadt in diesem Lande befindet. Die Voraussetzungen dort sind eigentlich ideal. Nebenan hat sich eine psychologische Beratungstelle niedergelassen. In der Beratungsstelle selbst arbeitet eine Psychologin und eine Sozialarbeiterin. Ein Frauenarzt kann jederzeit herbeigerufen werden. Also ideale Voraussetzungen! Diese Beratungsstelle arbeitet seit dem 1. Juni 1975. Seit dieser Zeit waren nach Auskunft dieser Beratungsstelle drei Ratsuchende da - trotz einer Vielzahl von Veröffentlichungen. Nur drei Ratsuchende waren es natürlich auch deshalb, weil wir heute eine restriktive gesetzliche Regelung haben. Aber auch deshalb, weil die Barrieren, die Schwellen, die eine Frau in schwerer innerer Not davon abhalten, sich einem anderen Menschen zu offenbaren, hoch sind. Wir alle gemeinsam müssen uns das Ziel setzen, diese Schwellen niedriger zu setzen, vor allem bei denen, die sozial benachteiligt sind. Gerade die Mittelschichten werden zuerst von
von Schoeler
dem Beratungsangebot Gebrauch machen. Aber wir wollen ja alle betroffenen Frauen da haben, unabhängig von ihrer sozialen Stellung. Wir sollten uns deshalb gemeinsam anstrengen, damit hier etwas geschieht.
Allerdings müssen wir dann auch eine Beratungsregelung schaffen, die in voller Anerkennung der Anforderungen, die das Verfassungsgericht in Karlsruhe aufgestellt hat, ihre Aufgabe nicht in unzumutbaren Moralpredigten sieht, in einem erhobenen Zeigefinger, in - wie Sie es sagen - der Belehrung der Frau. Denn so werden Sie, meine Damen und Herren, nicht erreichen, daß die Frau auf Grund eines vertrauensvollen Gespräches zur Annahme ihres Kindes motiviert wird. Mit der unzumutbaren Moralpredigt werden Sie die Frauen von der Beratungsstelle abhalten. Eine solche Beratung durchzuführen, ist eine schwierige Aufgabe. Wir sollten die Beratungsstellen nicht mit zu vielen Vorschriften, mit zu vielen Belehrungspflichten, mit zu vielen Moralpredigten belasten, damit sie ihre Aufgaben wirklich in dem Sinne erfüllen können, den wir alle wollen, nämlich im Sinne der Hilfe und der Motivation der Frau, ihr Kind anzunehmen.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Problem ist und bleibt die Verfolgungspraxis in unserem Lande. Jeder 100., vielleicht auch nur jeder 500. Fall wird von den Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen. Die Strafzumessung sieht so aus, daß Strafen unter 100 DM ausgesprochen werden; das alles unter dem hohen Titel des Schutzes des werdenden Lebens. Ich habe oft an dieser Stelle hier gesagt, daß es grotesk ist, wenn dieser Paragraph mit so hohen Worten für so niedrige Strafen aufrechterhalten wird.
Aber diese Verfolgungspraxis hat für diejenigen Frauen, gegen die heute ermittelt wird, auch eine andere Seite. Muß es ihnen nicht wie Willkür erscheinen, daß gerade sie herausgegriffen werden? Muß ihnen das nicht auch deshalb wie Heuchelei erscheinen, weil alle wissen, daß beispielsweise jährlich mehrere zehntausend Frauen nach Holland oder nach England fahren und Abtreibungen vornehmen? Nur dann, wenn sich einmal - wie beispielsweise in Frankfurt das Frauenzentrum - jemand dazu bekennt, geht in der Öffentlichkeit die Entrüstung darüber los. Das ist der Geist der Heuchelei, der um diesen Paragraphen heute liegt.
Meine Damen und Herren, diese ganze Diskussion sollten wir mehr führen mit dem Ziel, diese Heuchelei zu beseitigen. Wir sollten mit mehr Ehrlichkeit an die Sache herangehen,
({2})
und wir sollten mehr herangehen in dem echten Willen, den Frauen zu helfen und uns den Problemen zu stellen, die Frauen heute dazu bewegen, ihr Kind nicht anzunehmen. Wie wenig wissen wir denn darüber, warum das heute der Fall ist? Wie wenig haben wir uns darum bemüht, die Ursachen zu beseitigen? Wie sehr haben wir uns auf einen Paragraphen verlassen, wo Hilfe und Rat notwendig gewesen wären, und wie bequem hat doch dieser
Paragraph uns das Leben bisher gemacht! Deswegen, meine Damen und Herren, sollte diese heutige Diskussion wieder ein Appell an uns alle sein, diese Bequemlichkeit abzulegen und die Probleme der Frauen ernst zu nehmen und zu ihrer Lösung beizutragen.
({3})
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heck.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Im April vorigen Jahres hat sich die Gruppe meiner Fraktion, die sich mit einem eigenen Entwurf zu Wort gemeldet hatte, schließlich bei der dritten Lesung dem Mehrheitsentwurf der Fraktion angeschlossen, um eventuell doch noch eine Mehrheit gegen die Fristenregelung mit zu bewirken.
Heute liegen zwei Indikationsentwürfe zur ersten Lesung vor. Meine Fraktion ist den Vorstellungen der Koalitionsparteien noch einmal vorweg ein Stück entgegengekommen, um eine gemeinsame Grundlage für die Neufassung des § 218 mit zu schaffen. Ich sehe jedoch - gerade nach den Ausführungen des Herrn von Schoeler - nicht, wie es zu einem Kompromiß kommen soll, dem ich zustimmen könnte. Da ich gegenüber beiden Entwürfen Bedenken und Sorgen habe, mußte ich mich bei dieser ersten Lesung zu Wort melden.
Meine Damen und Herren, ich komme nicht darüber hinweg, daß in beiden Entwürfen die Grenze, die uns die Verantwortung für den Schutz des ungeborenen Lebens zieht, überschritten worden ist. Ich verstehe die Motive sehr wohl, meine aber, daß dieses einseitige Helfenwollen nicht möglich ist. Ich sehe schon, daß Besseres bewirkt werden soll gegen bestimmte Nöte schwangerer Frauen, die sich in schwerwiegenden Konflikten befinden. Ich sehe schon, daß sie von dem zusätzlichen Konflikt mit dem Strafrecht befreit werden sollen. Ich glaube schon, daß damit auch die Überzeugung verbunden ist, auf diese Weise nach einer Seite hin zu einem besseren Schutz des ungeborenen Lebens zu kommen. Ich fürchte jedoch, ja, ich bin davon überzeugt, daß insgesamt gesehen diese Bemühungen in ihrer praktischen Auswirkung den Schutz des ungeborenen Lebens in entscheidenden Punkten preisgeben, zunächst im Rechtsbewußtsein und dann in der moralischen Verantwortung.
({0})
Mir scheint, daß die Not der in Konflikt geratenen schwangeren Frauen allgemein das Bewußtsein allein beherrscht, daß darüber die absolut hilflose Not des Lebens der Ungeborenen und die Verantwortung für ihr Recht auf ihre Geburt aus dem Blickfeld geraten sind.
({1})
Ein Zweites: Seit der Debatte im April vorigen Jahres hat sich in dem für die Beurteilung des Problems entscheidenden Begriff eine Verschiebung vollzogen,
13892 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 201. Sitzung. Bonn. Freitag. den 7. November 1975
die kaum mehr erkennen läßt, was rechtspolitisch gewollt wird und verantwortet werden soll und muß; denn das, was aus rechtspolitischen Gründen bewirkt werden soll, wird einfach als medizinisch begründet ausgegeben.
Im übrigen habe ich mich auch zu Wort gemeldet, weil ich aus dem Kreis derer darum gebeten wurde, die meine Bedenken und Sorgen teilen.
Meine Damen und Herren, mir scheint, daß die entscheidende Frage nicht richtig gesehen und nicht richtig beantwortet worden ist. Diese entscheidende Frage ist, ob das zwar gezeugte, aber noch nicht geborene menschliche Leben das Leben eines Menschen ist, das grundsätzlich und deswegen auch konkret in jedem Fall das gleiche Recht darauf hat, daß es durch Gesetz und menschliche Solidarität geschützt wird, d. h. hier das Recht auf seine Geburt wie das geborene menschliche Leben auf seine Erhaltung, Entwicklung und Entfaltung.
({2})
Es handelt sich eben nicht um werdendes Leben und auch nicht darum - wie so oft gesagt wird -, daß werdendes Leben lediglich unterbrochen werden soll - wie man offensichtlich meint -, bevor es menschliches Leben geworden ist.
Das konnte man in längst vergangenen Zeiten noch annehmen, wo auch die Gelehrten meinten, daß es sich bei dem gezeugten Leben, bei dem Embryo, zunächst nur um einen Teil des Mutterleibes handele, aus dem erst im Verlauf der Schwangerschaft mehr und mehr ein in seinem eigenen Selbst stehendes Menschenleben werde. Nur vor dem Hintergrund solcher Vorstellungen kann das Lebensrecht der Ungeborenen so relativiert werden, wie dies Professor Maihofer in der April-Debatte vorigen Jahres getan hat. Nur so kann man dieses Recht als ein im Verlauf der Schwangerschaft in verschiedenen Stufen erst entstehendes Recht gelten lassen.
Wir wissen heute, daß es sich auch beim Embryo vom ersten Augenblick seines Lebens an um individuelles, in seiner Einmaligkeit unwiederholbares menschliches Leben handelt. Bei jeder Abtreibung handelt es sich um das Töten dieses Lebens.
({3})
An dem Recht der Ungeborenen aber auf ihre Geburt muß jedes Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau seine Grenze finden. Das Selbstbestimmungsrecht der Mutter kann dort, wo es nicht gleichzeitig um ihr Recht auf ihr Leben - und zwar in vergleichbar elementarem Sinne - geht, das Lebensrecht des gezeugten Kindes nicht auslöschen. Kein Selbstbestimmungsrecht gilt uneingeschränkt. Es stößt immer dort auf seine Grenze, wo es auf das Recht eines anderen stößt. Selbstbestimmungsrecht darf nicht zum Fremdbestimmungsrecht werden. Kein Selbstbestimmungsrecht kann das Töten rechtfertigen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich rede hier nicht zuletzt deswegen so nachdrücklich für das Recht der Ungeborenen auf ihre Geburt, weil das ungeborene menschliche Leben das hilfloseste und das wehrloseste Leben ist, das es gibt. Es kann sich nicht zu Wort melden, ja, es kann sich nicht einmal bemerkbar machen. Es ist zwar vollkommen geborgen im Mutterschoß, aber ebenso völlig verborgen vor unseren Sinnen.
({5})
Es übersteigt auch das allgemeine Vorstellungsvermögen, daß schon im Embryo von der ersten Stunde seiner Existenz an alle Potenzen seiner Begabungen und Veranlagungen gegeben sind, die im Laufe seines ganzen Menschenlebens zur Entfaltung kommen können. Dies sollte aber gerade aus dem Bewußtsein bei uns nicht verdrängt werden, da wir - und gerade wir - auch in unserer Rechtsordnung jenes Minimum an moralischer und sozialer Verantwortung signalisieren müssen, ohne daß der Mensch nicht Mensch zu sein vermag und ohne daß keine menschliche Gemeinschaft, keine Gesellschaft und kein Staat Bestand hat. Der Rechtsstaat steht und fällt mit der Unantastbarkeit der fundamentalen Rechtsgüter.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Arndt?
Nein, danke schön! - Meine Damen und Herren, es gibt kein fundamentaleres Rechtsgut als das menschliche Leben.
({0})
Nun hat Herr de With in der Aprildebatte des vorigen Jahres zu unserem Gruppenantrag gemeint, er kodifiziere lediglich den derzeit geltenden Rechtszustand. Er vermißte das diesen Rechtszustand überschreitende, offensichtlich das Fortschrittliche. Dieses Fortschrittliche wurde und wird auch heute noch in dem Mehr an Selbstbestimmungsrecht der Frau gegenüber dem Lebensrecht der Ungeborenen gesehen und in der Erwartung, daß mehr Beratung und damit mehr Hilfe für schwangere Frauen in schweren Konfliktslagen möglich seien und daß damit der Zuflucht zum Kurpfuscher entgegengewirkt werde.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sollten nicht davon ausgehen, daß wir diese Probleme nicht sehen und nicht ernst nehmen. Es gibt immer wieder tragische Fälle, wo Mütter aus ihrer Bedrängnis keinen Weg sehen und das empfangene menschliche Leben töten lassen und dabei fürs erste ihre moralische Pflicht aus ihrem Gewissen verbannen, Fälle, bei denen wir uns sträuben, diese Frauen als Kriminelle zu verurteilen. Es gibt auch die Frage an den Staat, was getan werden kann, um schwangere Frauen davon abzuhalten, sich in Bedrängnis oder auch leichtfertig dem Dschungel verbrecherischer Pfuscherei anzuvertrauen. Doch die erste Pflicht des Staates, das Leben des Menschen - hier: des ungeborenen Menschen - zu schützen, das Recht auf seine Geburt, läßt eben keine strafrechtliche
Regelung zu, die das Schicksal der Frauen aufheben könnte, deren Leben als Mütter unter bestimmten Voraussetzungen und in gegebenen Verhältnissen vorübergehend erheblich beeinträchtigt, bedrängt, bedrückt oder entgegen ihren Erwartungen in eine andere Richtung gedrängt wird.
({1})
Vielleicht meinen manche oder viele von Ihnen, daß wir es uns mit dem Schicksal der betroffenen Frauen zu leicht machen.
({2})
Ich müßte Ihnen dann sagen, daß Sie darüber das Schicksal der ungeborenen Kinder nicht aus dem Auge verlieren sollten.
Doch nun zu der Verschiebung des einen zentralen Begriffes, zu der Verschiebung seines Inhalts, die, was bewirkt werden soll bzw. bewirkt wird, verschleiert. Meine Damen und Herren, in beiden Entwürfen ist der § 218 a Nr. 1 so gefaßt, daß man den Eindruck gewinnen kann, daß beiden Entwürfen der gemeinsame Wille zugrunde liege, die Reform des § 218 insgesamt auf die medizinische Indikation zu stellen. Doch beim Weiterlesen ergibt sich bei der Nummer 2, daß die medizinische Indikation, das, was mi dieser Bezeichnung umschrieben werden soll, eine Interpretation, eine Ausweitung erfahren hat, die in beiden Entwürfen die eugenische und die kriminologische Indikation und im Koalitionsentwurf dazu auch die soziale Indikation uneingeschränkt und grundsätzlich unter die medizinische Indikation subsumiert. Für alle drei Fälle wird nur festgestellt, daß bei ihnen die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren vorliege. Die Ablehnung also des empfangenen Lebens aus den drei genannten Gründen wird mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren gleichgesetzt.
Wer so bei der eugenischen und bei der kriminologischen Indikation verfährt, erscheint nahezu als inkonsequent, wenn er die Ablehnung aus sozialen Gründen nicht auch als medizinische Indikation gelten läßt. Der Koalitionsentwurf gibt sich gar keine Mühe, die soziale Indikation als medizinische zu begründen, auch nicht sie so einzugrenzen, daß sie nicht als De-facto-Fristenregelung interpretiert werden konnte. Aber das ist meine Frage: warum dann ihre grundsätzliche Einordnung über die Nr. 1 des § 218 a in die medizinische Indikation? Etwa um den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts Genüge zu tun oder um die rechtspolitische Entscheidung für das Selbstbestimmungsrecht der Frau oder für die soziale Gerechtigkeit - auch so wurde im April vor einem Jahr argumentiert - vor dem Recht der Ungeborenen auf ihre Geburt, auf ihr Leben mit einer allgemeinen medizinischen Begründung abzusichern?
Daß die Bezeichnung „medizinische Indikation" inzwischen für verschiedene Sachverhalte benutzt wird, geht auch aus dem Entwurf meiner Fraktion hervor. Dort gilt für die Straffreiheit nach der medizinischen Indikation gemäß § 218 a Nr. 1 die 12Wochen-Frist, wenn es sich nämlich um eine unzumutbare Belastung, die eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen oder psychischen Gesundheitszustandes erwarten läßt, handelt. Daneben behandelt dieser Entwurf die eigentliche medizinische Indikation noch gesondert, nämlich die, bei der die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung besteht, Für diese medizinische Indikation gelten auch einige andere Bestimmungen. Die Frage nach dem Unterschied läßt sich wohl nur so beantworten: Unter Gesundheitsschädigung ist der eindeutig medizinisch feststellbare Sachverhalt einer Dauerschädigung der Gesundheit zu verstehen, unter einer erheblichen Beeinträchtigung des körperlichen und psychischen Gesundheitszustands lediglich erhebliche Mehrbelastungen, die vorübergehende gesundheitliche Folgen befürchten lassen, aber offensichtlich keine gesundheitliche Dauerschädigung.
Was unter Gesundheitszustand und dessen Beeinträchtigung medizinisch alles verstanden werden kann, ergibt sich aus der Interpretation der Weltgesundheitsorganisation,
({3})
die als Gesundheitszustand das „psychische und soziale Wohlbefinden" bezeichnet hat. Dieses psychische und soziale Wohlbefinden wird allerdings durch die sozialen Lebensverhältnisse kräftig mitbestimmt, deren Qualität neuerdings zur Qualität des Lebens schlechthin erhoben worden ist.
Meine Damen und Herren, ein solcher Vorranganspruch der Schwangeren vor dem Recht der Ungeborenen auf ihre Geburt, auf ihr Menschenleben erscheint lediglich als eine medizinische Verbrämung des nahezu absoluten Selbstbestimmungsrechts der Schwangeren. Darüber kommt man auch mit den noch so barocken Formulierungen des § 218 Nr. 1 nicht hinweg. Im Sinne der Weltgesundheitsorganisation kann man in der Tat auch künftig zu erwartende Lebensverhältnisse und ihre Wirkung auf einen künftig zu erwartenden Gesundheitszustand in die Begründung mit einbeziehen, die es rechtfertigt, für die Zukunft eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu prognostizieren. Nur hat das mit einer wirklichen Gefahr einer Gesundheitsschädigung wenig zu tun. Allein die Gefahr einer Schädigung kann im Rahmen der medizinischen Indikation das Recht auf das eigene Leben in vergleichbar elementarer Weise dem Recht der Ungeborenen auf ihre Geburt gegenüberstellen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Fassung des § 218 a auch durch den Fraktionsentwurf der CDU/CSU unter der Überschrift der medizinischen Indikation zunächst dem Wortlaut des Gesetzes nach das Tor der medizinischen Indikation lediglich für die schwereren Fälle der sozialen Indikation öffnet, daß aber danach in der Praxis durch dieses Tor hindurch die soziale Indikation überhaupt praktiziert wird. Das ist der Grund dafür, warum wir uns außerstande sahen, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Penner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zum erstenmal hat Herr Kollege Heck seine achtenswerte Überzeugung zu dieser Frage dargelegt. Ein wesentliches Kennzeichen aller Auseinandersetzungen um die Reform des § 218 ist wohl die Herausforderung zur prinzipiellen Stellungnahme. Herr Kollege Heck hat schon am 17. Mai 1973, als im Deutschen Bundestag vier Entwürfe zur Reform des § 218 zur ersten Lesung anstanden, in rigoros ethischer Form zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht um ein Problem handle, welches durch pragmatisches Vorgehen oder durch die Suche nach dem zweckmäßigsten Weg zu lösen sei.
Aber der Rückzug auf das, was er und mit ihm einige andere als grundsätzliche und darum allein ausschlaggebende Position ansehen, ist in Wirklichkeit die Beschränkung auf nur eine für die politische Entscheidung mögliche Haltung von Belang. Richtig ist, daß persönliche Kompromisse schwerfallen, wo um Entscheidungen mit weitreichenden Bezügen zur sittlichen Grundanschauung und zu individuell gefundenen Haltungen gerungen wird. Aber ein Politiker hat nicht nur seine persönlichen Überzeugungen zu achten, auch wenn diese ihn mit vielen anderen verbinden mögen. Eine große Zahl anderer jedoch wird ihr Recht auf eine davon unterschiedliche Grundanschauung beanspruchen. Dies verpflichtet jeden Parlamentarier zu dem Bemühen, in sein politisches Handeln auch andere als seine ganz persönlichen Überzeugungen einfließen zu lassen. Aus gutem Grund wird die Hoffnung unserer Zeit, die Haltung des anderen zu respektieren, die Pluralität unserer Gesellschaft anzuerkennen, auch bei der Reform des § 218 auf die Probe gestellt.
({0})
Denn in gleich starkem Maß sind drei Grundpfeiler politischen Handelns überhaupt angesprochen: Erstens die ethische Grundposition des einzelnen; zweitens die Aufgabe des Politikers, sich auf der Grundlage seiner Erkenntnisse über Ursachen und Entwicklungen sozialen Lebens um die Gestaltung gesellschaftlicher Bedingungen zu bemühen, das Interesse und die Belange jedes einzelnen abwägend; und schließlich drittens die Verfassung, die den rechtlichen Rahmen für sein Handeln bildet.
Die sittliche Grundposition, das gemeinsame Bemühen, ungeborenes Leben in möglichst wirksamer Weise auch durch gesetzgeberische Maßnahmen schützen zu helfen, ist nicht strittig.. Gerade darum heißt das gemeinsam zu bewältigende Problem, den geeignetsten Weg im Rahmen unserer Verfassung zu suchen.
Welche Anweisungen und Anforderungen die Verfassung an unser Handeln stellt, ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 zunächst in einer Richtung entschieden worden, die Respekt erfordert. Den verfassungsrechtlichen Rahmen bei der nun endgültigen Reform des § 218 auszuschöpfen war für uns Sozialdemokraten selbstverständlich.
Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, daß die Analyse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts erschwert und überlagert wurde durch ein anderes Problem, das nicht direkt mit der Frage zu tun hat, welche Reform des § 218 sich im Rahmen des Grundgesetzes hält. Es handelt sich dabei um eine Tendenz der letzten Jahre, Verschiebungen feststellen zu müssen zwischen dem, was die Verfassung als Grenze der Verfassungsgerichtsbarkeit darstellt, und der Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers.
({1})
In der verfassungsrechtlichen Literatur wird in immer stärkerem Maße die Ansicht vertreten, daß das Bundesverfassungsgericht seit einiger Zeit in Gefahr ist, seine Kompetenz zu Lasten des Gesetzgebers auszuweiten.
({2})
Im Sondervotum zu dem hier angesprochenen Urteil heißt es dazu von zwei Verfassungsrichtern - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:
Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers zu annulieren, erfordert einen sparsamen Gebrauch, wenn eine Verschiebung der Gewichte zwischen den Verfassungsorganen vermieden werden soll.
Der bekannte ehemalige Verfassungsrichter und Staatsrechtler Professor Leibholz hat das Gebot der richterlichen Selbtbeschränkung als das „Lebenselixier" der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet.
({3})
Nach Auffassung der beiden Verfassungsrichter, die das Sondervotum tragen, verläßt das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil zur Reform des § 218 den Boden der klassischen verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Sie sprechen davon, das Verfassungsgericht dürfe nicht der Versuchung erliegen, selbst Funktionen des eigentlich zu kontrollierenden Organs zu übernehmen. Anderenfalls werde auf lange Sicht die Stellung des Gerichts selbst gefährdet werden.
({4})
Unabänderlicher Bestandteil unseres Grundgesetzes ist die Trennung und Abgrenzung von Gesetzgebung einerseits und Verfassungsgerichtsbarkeit andererseits. Nur so wird Übermacht einer politischen Kraft verhindert. Die normative Bindung des Verfassungsgerichts ergibt sich also aus der Funktionszuweisung des Grundgesetzes selbst. Art. 93 des Grundgesetzes bestimmt die Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit derart, daß ihr gegenüber dem Gesetzgeber eine rechtliche Kontrollfunktion zukommt. Menger, ein anerkannter Lehrer des öffentlichen Rechts, spricht davon, daß „die Grenze der Gerichtsbarkeit dort erreicht ist, wo nicht mehr durch juristisch rationale Methoden der Inhalt der Norm festgestellt wird, sondern wo nach außerhalb der Verfassung liegenden Kriterien bloßer ZweckmäßigDr. Penner
keit und politisch-sozialer Wünschbarkeit die Entscheidung getroffen wird".
Menger schließt seinen Beitrag über das verfassungsgerichtliche Urteil zu § 218 mit dem Wunsch, daß „diese Kompetenzanmaßung bei zukünftigen Entscheidungen unterbleibt und das Verfassungsgericht seine Verpflichtung, das gesetzgeberische Ermessen zu beachten, nicht nur seinen Ausführungen als bloße Formel voranstellt, sondern daß es sich daran hält".
({5})
- In der Tat!
Die Funktionskraft des Verfassungsgerichts beruht neben anderen Faktoren auf der Beachtung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben. Eine in letzter Zeit zu beachtende Neigung, sichtbar geworden am Hochschulurteil, am Grundvertragsurteil und auch an der Entscheidung zu § 218, diesen Rahmen gleichsam durch eigene, nicht legitimierte Machtvollkommenheit zu erweitern, muß zu Konflikten führen.
({6})
Diese können weder dem Verfassungsorgan noch der Struktur unseres Staatswesens insgesamt von Nutzen sein.
({7})
Ich wiederhole, dieses Urteil zur Reform des § 218 ist für uns verbindlich und wird ohne alle Abstriche respektiert. Unser Ziel, ungeborenes Leben besser als bisher zu schützen, wurde darum im Rahmen der veränderten Verfassungsrechtslage weiterverfolgt.
Der Gesetzentwurf der sozialliberalen Koalition gründet sich im wesentlichen auf drei Punkte. Er mißbilligt, auch strafrechtlich, den nicht gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruch; er gewährt einen wirksamen strafrechtlichen Schutz. Er ist so gesehen eine schon für sich genommen wirksame Bestrafungsregelung. Darüber hinaus sind wir Sozialdemokraten überzeugt, daß eine wirksame, lebenschützende Beratung ungeborenes Leben erhalten kann; denn häufig schätzen schwangere Frauen nur aus Unkenntnis der zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Hilfsangebote ihre Situation falsch ein. In Wirklichkeit gibt es auch heute schon vielfältige Angebote. Beratung kann helfen.
Die Annahme der Angebote sozialstaatlichen Schutzes für das sich entwickelnde Leben durch konkrete einzelfallbezogene Beratung für die Schwangere erfolgt nach unserer Überzeugung eher, wenn Straffreiheit vorgesehen ist. Beratung ist im übrigen für den straflosen Schwangerschaftsabbruch verbindlich vorgeschrieben. Das Bundesverfassungsgericht macht von der Qualität bestehender Möglichkeiten, das sich entwickelnde Leben zu schützen, abhängig, inwieweit der Gesetzgeber verpflichtet ist, mit den Mitteln des Strafrechts einzugreifen. Es anerkennt also die Abhängigkeit strafrechtlicher Regelung von der Gestaltung anderer außerstrafrechtlicher Möglichkeiten, ungebores Leben wirksam zu schützen.
Dieser Schutz wird im übrigen wirkungsvoll durch zwei sich teilweise bedingende Maßnahmen gesichert. Zum einen anerkennt der Entwurf, daß nicht jeder beliebige Grund, der eine Frau zum Schwangerschaftsabbruch veranlassen mag, vor dem Gesetz Bestand haben kann. Er beschreibt die Gründe, die einen Abbruch rechtfertigen. Die BeStimmung des § 218 a enthält keine soziale Indikation im üblichen Sinne, sondern diese Art der Indikation kann eher mit dem Begriff sozialmedizinische Indikation umschrieben werden. Dieser Tatbestand stellt unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und der zukünftigen Lebensverhältnisse der Frau auf die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren ab, benennt jedoch nicht abschließend all e denkbaren Fälle einer solchen Gefahr. Bei den in § 218 a umschriebenen Konfliktlagen handelt es sich insgesamt um derart belastende Umstände, daß die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat, bezogen auf eine Indikation der allgemeinen Notlage, ausgeführt, daß die Schwere des hier vorauszusetzenden sozialen Konflikts deutlich erkennbar wird und, unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit betrachtet, die Kongruenz dieser Indikation mit den anderen Indikationsfällen gewahrt bleibt. Dieser Anforderung wird die sozialmedizinische Indikation mit allen ihren drei gesetzlich umschriebenen Unterfällen gerecht.
Ein Letztes: Der Entwurf der Koalitionsfraktionen beachtet peinlich genau, daß die Voraussetzungen einer Indikationenlage nur von einem Arzt festgestellt werden dürfen, der den Eingriff nicht vornimmt. Demzufolge macht sich der operierende Arzt nach der Neuregelung auch strafbar, wenn eine Indikationenlage besteht, er aber den vorgeschriebenen Verfahrensweg nicht beachtet hat. Diese Bestimmung steht auch im Zusammenhang mit einer Vorschrift der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Strafrechtsreformergänzungsgesetzes vom 28. August 1975. Danach gehören die ärztliche Untersuchung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für einen legalen Schwangerschaftsabbruch zu den kassenärztlichen Arztleistungen, deren Ausübung einem Arzt nur dann untersagt werden kann, wenn er die ihm obliegenden Pflichten zur gewissenhaften Prüfung der Indikation verletzt hat. Die hier vorgesehene Regelung stellt sicher, daß jede Schwangere sich an den Arzt ihres Vertrauens wenden, also den legalen Weg gehen kann. Das ist außerordentlich wichtig; so wird wirksam verhindert, daß wir mit dem ungerechten und inhumanen Zustand weiterleben müssen, daß Verurteilungen nach § 218 als Zufallsbestrafungen angesehen werden und immer nur die ohnehin sozial Benachteiligten treffen.
Die Bedenken, die gegen die angestrebte Form der Beratung geltend gemacht wurden, erscheinen nicht durchschlagend. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zum 5. Strafrechtsreformgesetz angeordnet, daß die dort vorgesehene Sozialberatung durch einen Arzt vorgenommen werden kann. Es ist
kaum anzunehmen, daß das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Regelung anordnet, die es selbst für verfassungswidrig hält.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen verbinden mit ihrem Entwurf die Überzeugung, daß er den Gründen des Bundesverfassungsgerichtsurteils gerecht wird. Sie sind darüber hinaus sicher, daß der Entwurf den Schutz des werdenden Lebens verbessern, illegale Schwangerschaftsabbrüche verringern und lebenserhaltende Beratung annehmen helfen kann. Die besonders Betroffenen, nämlich die Frauen und die Ärzte, werden die gesetzliche Regelung akzeptieren. Wir sind sicher, daß so ein wesentliches Reformziel erreicht wird.
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Das Wort hat Herz Bundesminister Vogel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen soll die Reform des Rechts der Schwangerschaftsunterbrechung
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zum Abschluß gebracht werden. Dabei geht es um Fragen, die sich weit aus dem Bereich der legislativen Routine entfernen und die - das sage ich gerade auch im Hinblick auf Ihren Beitrag, Herr Kollege Heck - eigentlich im Kern nur aus dem Gewissen, dem in der Verantwortung gebundenen Gewissen des einzelnen, beantwortet werden können. Der bisherige Gang der Beratungen hat diesem Umstand stets Rechnung getragen. Im Einklang damit hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode davon abgesehen, eigene Vorlagen einzubringen.
Die Bundesregierung sieht sich durch diese ihre grundsätzliche Haltung jedoch nicht daran gehindert, zu den vorliegenden Entwürfen Stellung zu nehmen, und zwar gerade auch zu den Punkten, in denen diese Entwürfe nicht übereinstimmen. Übereinstimmung - dies wird bei den Beratungen allzuleicht verdrängt - hat sich in wesentlichen Fragen bereits in der Bundestagsdebatte vom 24. und 25. April 1974 ergeben, nämlich darüber, daß die Existenz des menschlichen Lebewesens bereits vor der Geburt beginnt, daß auch dieses ungeborene Leben des Schutzes bedarf, daß die ursprüngliche Fassung des § 218 StGB diesen Schutz nicht in wirksamer Weise leistet und daß sie darüber hinaus alljährlich eine große Anzahl von Frauen in seelische und körperliche Not geraten ließ. Von diesen Wertungen gehen beide Entwürfe aus. Beide wollen auch die Beratung, das Gespräch und die Hilfeleistung in den Mittelpunkt der Schutzmaßnahmen rücken und das Mittel der Strafdrohung nur als ultima ratio einsetzen. Beide Entwürfe - ich sehe es als einen Fortschritt an, daß dies gegenseitig nicht bestritten wird - bewegen sich außerdem in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 25. Februar 1975 verbindlich gezogen hat.
So weit die Übereinstimmungen. Wo Unterschiede vorliegen, verdient nach Auffassung der Bundesregierung der Entwurf der Koalitionsfraktionen den Vorzug. Das gilt für die Ausgestaltung der Notlagen-Indikation, die sich im Ergebnis auch im Oppositionsentwurf findet Herr Kollege Heck hat das völlig zu Recht ausgeführt -, dort aber so formuliert ist, daß ihre Auslegung fast zwangsläufig zu Unklarheiten und Schwierigkeiten führen muß. Das gilt weiter für die vom Koalitionsentwurf vorgeschlagene obligatorische Straffreiheit für die Frau, die nach Beratung einen Arzt aufgesucht hat. Gerade damit wird der Weg zum Kurpfuscher erschwert und der Gang zur Beratung erleichtert. Die Aufnahme des Beratungsgesprächs bedeutet aber nach allen praktischen Erfahrungen, daß die Chance, das werdende Leben zu erhalten und den Abbruch zu verhindern, deutlich steigt. Wer den Weg zur Beratung ebnet, handelt gerade lebensbewahrend und lebenserhaltend.
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Der vom Bundesverfassungsgericht geforderte strafrechtliche Schutz bleibt auch in diesem Falle erhalten, weil sich der Arzt, der den Eingriff vornimmt, ohne daß eine Indikation vorliegt, nicht nur standesrechtlich, sondern auch strafrechtlich zu verantworten hat. Auch bedeutet die Straffreiheit der Frau keineswegs eine Rechtfertigung ihres Tuns im Sinne der allgemeinen Strafrechtsnorm, sondern eben nur einen Verzicht auf die Festsetzung einer Strafe, den übrigens das Strafgesetzbuch auch an anderer Stelle kennt.
Im Einklang mit der vom Kollegen Eyrich zitierten Auswertung, die in meinem Hause gefertigt worden ist, darf ich auch hier noch einmal feststellen, daß diese Regelung durchaus mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil übereinstimmt. Ich darf mit Erlaubnis der Frau Präsidentin die entscheidenden Sätze aus der Auswertung zitieren. Sie lauten:
Eine unbeschränkte Straffreiheit der Schwangeren dürfte das Urteil wohl nicht zulassen. Die Gründe gehen erkennbar von der grundsätzlichen Strafbarkeit der Frau aus. Möglich erscheint jedoch eine Lösung, die in differenzierterer Form Voraussetzungen für ein Absehen von Strafe festlegt. In diesem Zusammenhang wird zu untersuchen sein, ob sich außerhalb des gesetzlichen Indikationenkatalogs Merkmale formulieren lassen, an die das Absehen von Strafe anknüpfen kann. Weiter wird zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls nach welchen Gesichtspunkten zwischen obligatorischer und fakultativer Straffreiheit unterschieden werden kann.
Diese hier angekündigten und für möglich erklärten Prüfungen haben stattgefunden und haben zu dem jetzt vorliegenden Ergebnis geführt. Ein Widerspruch, ein Mangel an Übereinstimmung besteht also nicht.
Der Entwurf der Koalitionsfraktionen ist auch in seinen Verfahrensbestimmungen eine gute Beratungsgrundlage. Kern der Meinungsverschiedenheit ist hier die Frage, ob die Feststellung der Indikation
nur bestimmten Ärzten übertragen werden oder zu dieser Feststellung jeder approbierte Arzt zugelassen sein soll. Der Entwurf der Opposition befürwortet die erste Alternative, überläßt es aber den Landesregierungen, die Voraussetzungen der Ermächtigung zu regeln. Das kann zu ganz unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern führen. Demgegenüber trifft der Koalitionsentwurf selbst eine abschließende Entscheidung, die grundsätzlich von der Gesetzestreue und dem Verantwortungsbewußtsein des Arztes ausgeht und den im Falle des Mißbrauchs drohenden Verlust der Approbation als hinreichende Sanktion ansieht. Ich meine, in jedem Fall muß der Bundesgesetzgeber dieses Problem selbst lösen. Eine Vielfalt unterschiedlicher Landesregelungen von Nord nach Süd und von West nach Ost wäre gerade auf diesem Gebiet schwer erträglich.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die lang anhaltende Diskussion über die Reform des § 218 hat - das stelle ich für die Bundesregierung mit Genugtuung fest - schon jetzt Früchte getragen. Sie hat die Spannungen nicht vertieft, sondern abgebaut. Sie hat die dicke Schicht von Heuchelei, die sich in Jahrzehnten über das Problem des Schwangerschaftsabbruchs gelegt hatte, abgetragen. Sie hat unsere Gesellschaft an ihre Verantwortung erinnert und die selbstgerechte Illusion zerstört, das Problem sei gelöst, weil es ja einen Strafparagraphen gebe. Und die Diskussion hat vor allem deutlich gemacht, daß eine Gemeinschaft, die ihre eigene Verfassung ernst nimmt, das, was sie an Hilfe, an mitmenschlicher Solidarität versäumt, nicht durch Strafdrohung und Strafe ersetzen kann.
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Ich bin sicher, meine Damen und Herren, daß am Ende dieser großen, unser ganzes Volk erfassenden Diskussion eine Reform steht, die den Rechtsfrieden auf einem wichtigen Gebiet unseres Gemeinschaftslebens wiederherstellt und sichert. Es wird eine Reform sein, die es vielen unserer Mitbürgerinnen ermöglicht, sich künftig leichter aus Bedrängnis und Not zu lösen und sich für das Leben ihres Kindes zu entscheiden, wo sie bisher aus Furcht vor Strafe, Schande oder gesellschaftlicher Ächtung keinen anderen Ausweg als den Gang zum Kurpfuscher fanden.
Mit diesem Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die Bundesregierung ihren Beitrag zur baldigen Verabschiedung des 15. Strafrechtsänderungsgesetzes leisten.
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Das Wort hat Frau Bundesminister Dr. Focke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in der Begründung zu seiner Entscheidung zu den im geltenden § 218 c StGB enthaltenen Beratungsvorschriften wichtige Hinweise gegeben, die in dem zur Beratung anstehenden neuen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen Berücksichtigung gefunden haben.
Der neue § 218 b sieht unverändert - abgesehen von der medizinischen Indikation - nur dann Straffreiheit vor, wenn die schwangere Frau vor der Unterbrechung über öffentliche und private Hilfen für Schwangere, Mütter und Kinder beraten worden ist.
Beratung darf selbstverständlich nicht auf eine Pflichtübung reduziert werden. Der Gesetzentwurf schiebt einer solchen Handhabung auch einen Riegel dadurch vor, daß er der Beratung über Hilfen, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern, Vorrang einräumt und eine sehr detaillierte Regelung darüber trifft, wer als Berater im Sinne des Gesetzes tätig werden kann. Er schafft so die Voraussetzungen für eine möglichst optimale, auf Lebensschutz gerichtete Beratung, die der Schwangeren bei der Bewältigung ihres Konflikts die entscheidenden Hilfen geben soll. Andererseits berücksichtigt das Beratungsmodell des Koalitionsentwurfs aber auch voll die psychologische Ausnahmesituation der Schwangeren und verzichtet bewußt darauf, den Zugang zur Beratung durch vermeidbare Barrieren zu erschweren.
Wir haben uns ohnehin die Frage zu stellen: Ist das Beratungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland so reichhaltig, daß die schwangere Frau, die einen Abbruch erwägt, in zumutbarer Entfernung eine Stelle findet, die kostenlosen Rat erteilt und Hilfen vermittelt? Dabei ist zu berücksichtigen, daß Schwangerschaftskonfliktberatung nicht isoliert geleistet werden kann. Denn in engem Zusammenhang mit der Konfliktsituation stehen häufig ungelöste Fragen der Familienplanung, Schwierigkeiten im Bereich der Sexualität und andere, auch soziale Probleme.
Eine Bestandsaufnahme vor Einleitung der Reform des § 218 hatte gezeigt, daß es zu jenem Zeitpunkt keineswegs genügend Beratungsstellen gab und daß in den vorhandenen Beratungsstellen für Ehe, Familie und Erziehung die Beratung über Empfängnisregelung, im Schwangerschaftskonflikt und bei Sexualproblemen noch unterentwickelt waren. Erschwerend kam hinzu, daß die vorhandenen Beratungsstellen auf Stadt und Land sehr ungleichgewichtig verteilt waren. In aller Regel jedenfalls waren die ländlichen Gebiete in besonderem Maße unterversorgt.
Inzwischen, meine Damen und Herren, hat sich die Situation ein gutes Stück verbessert. Dazu hat die Bundesregierung beigetragen, und zwar in erster Linie durch ein von ihr in Zusammenarbeit mit den Ländern entwickeltes, vom Bund weitgehend finanziertes und im Wege wissenschaftlicher Begleitung gesteuertes Modellprogramm. Die als Modell anerkannten 53 Beratungsstellen, verteilt auf alle Länder der Bundesrepublik und im wesentlichen getragen von Verbänden in pluraler Auswahl, werden nicht nur neue Erkenntnisse über das Beratungsbedürfnis, geeignete Formen des Beratungsangebots und nicht zuletzt Antworten auf die Frage, wie das
Angebot an diejenigen, die des Rates bedürfen, am besten herangetragen wird, vermitteln; sie haben zugleich die Funktion, die Bedeutung der Beratungseinrichtungen im Rahmen der Reform zum § 218 und darüber hinaus innerhalb unseres sozialen Leistungssystems in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken und auch auf diese Weise bessere Voraussetzungen für ein flächendeckendes Netz qualifizierter Beratungsstellen zu schaffen.
Der Modellversuch hat sich jetzt schon dahin gehend ausgewirkt, daß die Beratung - sei es durch Behörden, sei es durch Ärzte oder Beratungsstellen - einen höheren Stellenwert bekommen hat. Die Anzahl der Beratungsstellen hat sich vergrößert, auch über die 53 im Modellprogramm der Bundesregierung vorgesehenen Stellen hinaus. Zur Zeit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland etwa 2 000 Beratungsstellen, welche für die Beratung im Rahmen der Reform zum Schwangerschaftsabbruch von Bedeutung sind.
Allerdings: Herr von Schoeler hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diesem gewachsenen Beratungsangebot zur Zeit noch sehr erhebliche Barrieren auf der Grundlage unserer gegebenen gesetzlichen Situation im Wege stehen und daß hier auch ganz erhebliche psychologische Probleme noch bewältigt werden müssen.
Dennoch: Eine erste Leistungsbilanz der Modellberatungsstellen im Gebiet eines Bundeslandes liefert den Beweis, daß die Beratung im Verhältnis zur Strafandrohung ein wirksameres Mittel zur Erhaltung des ungeborenen Lebens ist. Einzelne Beratungsstellen sind darüber orientiert, daß die Schwangerschaft in einer großen Zahl der Beratungsfälle ausgetragen wird, wenn eine Beratung stattgefunden hat und geeignete Hilfen gegeben wurden. Dies deckt sich mit den Untersuchungen eines größeren Wohlfahrtsverbandes, der in vielen Beratungsstellen in der gesamten Bundesrepublik Frauen in Konfliktsituationen berät.
Ende dieses Jahres wird eine Broschüre durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verteilt, die einen bis ins einzelne gehenden Überblick über alle Beratungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland gibt, die Frauen in Schwangerschaftskonflikten beraten können. In der Vielfalt dieses Beratungsangebots in dieser Broschüre werden auch Aufgabenbereiche und Ziele der Träger vorgestellt - liegt für jeden Ratsuchenden die Chance, diejenige Beratungsstelle herauszufinden, die seinen Bedürfnissen und Einstellungen am meisten entspricht.
Meine Damen und Herren, die erzielten Fortschritte dürfen andererseits nicht zu dem Trugschluß verführen, daß Beratungsstellen jetzt schon oder gar in der nächsten Zukunft, wenn wir eine neue gesetzliche Grundlage haben, in ausreichendem Umfang und mit der notwendigen Qualifikation zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde, aber auch aus prinzipiellen Erwägungen wäre es nicht vertretbar, den Arzt außerhalb einer Beratungsstelle von der Beratung nach § 218 b des Gesetzentwurfs der SPD /FDP-Fraktion auszuschließen.
Es ist auch nicht richtig, dem Arzt die Qualifikation als Berater bei Schwangerschaftskonflikten abzusprechen. Gerade der Arzt des Vertrauens, der in vielen Fällen die einzelnen Familienmitglieder behandelt, Hausbesuche macht, die Entwicklung der Kinder in der Familie kennt, ist oft eher in der Lage, Notsituationen zu beurteilen, als eine möglicherweise entfernte Beratungsstelle, die den Ratsuchenden in der Notsituation zum erstenmal kennenlernt. Der Arzt hat darüber hinaus in seiner Praxis ständige Kontakte mit Einrichtungen des Gesundheitswesens. Diese reichen von Kontakten zu den Krankenkassen als den Trägern vielfältiger Hilfen über die Kooperation mit den Gesundheitsämtern bis hin zur Zusammenarbeit mit vielen Stellen, die sozialmedizinisch orientierte Hilfen gewähren oder vermitteln.
Es darf schließlich nicht übersehen werden, daß eine Reihe von Ärzten in den letzten Jahren in der Sexual-, Familienplanungs- und Schwangerschaftskonfliktberatung zunehmend tätig sind und infolgedessen über besondere Erfahrungsberatungen verfügen.
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist dennoch davon ausgegangen, daß der Arzt für die Beratung über soziale Hilfen unterrichtungsbedürftig ist, und hat ihm dementsprechende Unterrichtungspflichten auferlegt.
Um die Ärzte besser in die Lage zu versetzen, in Schwangerschaftskonflikten über Empfängnisreglung und soziale Hilfen sowie in Fragen eines etwaigen Schwangerschaftsabbruchs zu beraten, haben wir Informationsschriften speziell für Ärzte entwickelt und an diese verteilen lassen. Einer ersten Schrift mit dem Titel „Empfängnisregelung ist besser als Abtreibung" folgte eine weitere Schrift über „Hilfen für die Schwangeren, die Mutter und das Kind". Daneben ist in der Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit eine Untersuchung zum Thema „Demographische und sozialmedizinische Auswirkungen der Reform des § 218" erschienen, die u. a. auf die Funktion und Wirkung der Beratung bei Schwangerschaftskonflikten eingeht. Zur Ärzteinformation ist zur Zeit eine weitere Broschüre „Methoden und Risiken des Schwangerschaftsabbruchs" in Druck. Sie wird im Dezember dieses Jahres verteilt. Und schließlich wird eine Informationsschrift über „Probleme aus der ärztlichen Beratungssituation" erarbeitet und Anfang nächsten Jahres vorliegen. Die Bundesärztekammer hat in der Vergangenheit auf solche Veröffentlichungen hingewiesen und wird im Deutschen Ärzteblatt auch auf diese weiteren Informationsschriften wieder hinweisen.
Ich habe in einem weiteren Schritt mit der Bundesärztekammer und den ärztlichen Standesorganisationen die Fortbildung der Ärzte im Hinblick auf die ärztliche Beratung im Zusammenhang mit der Reform des § 218 erörtert. Die ärztlichen Verbände erklärten sich bereit, ihr Angebot an Fortbildung durch entsprechende Veranstaltungen zu ergänzen. Diese Fortbildung der Ärzte muß sich auch auf die Vermittlung von Kenntnissen in psychologischer Gesprächsführung erstrecken und dabei die Einsicht
vermitteln, daß Beratungserfolge oft deshalb ausbleiben, weil sich der Arzt einer der ratsuchenden Frau nicht verständlichen Sprache bedient.
Ein Wort noch zu den Kosten, die durch die ärztliche Beratung entstehen. Wir sollten bei dieser ersten Lesung ruhig daran erinnern, wie notwendig und dringend es war, das Strafrechtsreformergänzungsgesetz, das nun trotz aller Widerstände am 1. Dezember dieses Jahres in Kraft treten wird, vor der abschließenden Regelung zum Schwangerschaftsabbruch zu verabschieden.
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Das Gesetz, das den gegen Krankheit Versicherten einen Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung, Beratung über die Erhaltung oder den Abbruch der Schwangerschaft einräumt, gehört mit zu dem Maßnahmenbündel, das die Reform des § 218 auf einer besseren Grundlage ermöglicht. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, daß die im Strafrechtsreformergänzungsgesetz festgelegten Leistungen in den Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über die Gewähr für ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Maßnahmen so schnell wie möglich so transformiert werden, daß eine einheitliche, versichertenfreundliche Handhabung in der Bundesrepublik rechtzeitig gesichert ist.
Insgesamt erweist sich die Beratungsregelung des von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurfs nach Abwägung der wesentlichen Gesichtspunkte als die optimale Regelung. Beratungsstellen und Ärzte können nur gemeinsam die wichtige Aufgabe der Beratung erfüllen. Die Regelung sichert eine qualifizierte Beratung, die einerseits der Erhaltung ungeborenen Lebens dient, andererseits gleichzeitig der schwangeren Frau den Weg zu einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch nicht unnötig erschwert. Eine Regelung, die der Interessenlage der Frau nicht ausreichend Rechnung trüge, würde dazu führen, daß sich der Schwangerschaftsabbruch wie bisher in der Illegalität mit all ihren Gefahren für Leben und Gesundheit vollzieht.
Wir werden die Auswirkungen der gesamten Reform sehr eingehend und gründlich zu überprüfen haben. Dazu habe ich in Übereinstimmung mit dem Beschluß dieses Hauses vom 21. März 1974 eine Kommission berufen, der 16 Sachverständige aus den in Betracht kommenden Fachbereichen angehören. Die konstituierende Sitzung wird am Ende dieses Monats stattfinden. Es ist vorgesehen, einen Bericht über die Auswirkungen der neuen gesetzlichen Regelung dem Deutschen Bundestag Anfang 1979 vorzulegen. Ich hoffe, daß diesem Bericht dann ein etwa dreijähriger Berichtszeitraum zugrunde liegen kann. Das heißt, meine Damen und Herren, ich hoffe, daß der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf möglichst schnell beraten und verabschiedet wird. Ich bin davon überzeugt, daß ein Bericht über die Auswirkungen der Reform auf seiner Grundlage und den begleitenden Maßnahmen besser ausfallen wird, als er nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf jeder anderen gesetzlichen Grundlage ausfallen könnte. Denn die Koalitionsfraktionen haben im Rahmen der vom Verfassungsgericht gezogenen Grenzen den Problemen und Konflikten von Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft, der Verantwortung und Beratungsfähigkeit der Ärzte, den Bedingungen, unter denen Familien der Erziehung der Kinder gewachsen sind, so gut wie irgend möglich Rechnung getragen.
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Meine Damen und Herren, das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung hat jetzt die Abgeordnete Frau Funcke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege E y r i c h hat es heute morgen für richtig gehalten, eine Bemerkung von mir zum Verfassungsgerichtsurteil zu zitieren, allerdings falsch zu zitieren. Er sagte:
Was soll es denn bedeuten, wenn z. B. die Frau Vizepräsidentin dieses Hohen Hauses erklärt hat, s i e und die Frauen könnten ein solches Urteil nicht akzeptieren und nicht respektieren.
Richtig ist folgendes: Ich habe in der Erklärung, auf die er sich bezieht, gesagt:
Bei einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es keine Revision. Die Politiker und Parlamente müssen sich dem Spruch ... beugen.
Hierzu darf ich darauf hinweisen, daß ich mich als solcher Politiker fühle. Dann weiter:
Die b e t r o f f e n e n Frauen aber werden einen solchen Spruch nicht akzeptieren und nicht respektieren.
Meine Damen und Herren, daß die betroffenen Frauen diesen Spruch nicht akzeptieren und respektieren, ist nicht eine Meinung oder Aufforderung von mir, sondern eine Tatsachenfeststellung.
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Das wird durch die Praxis hunderttausendfach bestätigt. Ich bedauere daher wirklich, daß in einer so sachlichen Debatte heute, bei der wir alle empfunden haben, wie sehr der einzelne engagiert ist, Anlaß für eine solche nicht unbeabsichtigt falsche Zitierung gesucht und genommen wurde.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir haben die unter Tagesordnungspunkt 7 a und b vorgelegten Entwürfe zu überweisen. Den ausgedruckten Überweisungsvorschlägen des Ältestenrats ist noch im Einvernehmen der Fraktionen hinzuzufügen: „Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO". Wer den Überweisungsvorschlägen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Punkte 8 bis 15 der Tagesordnung auf:
Präsident Frau Renger
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1975 zur Änderung des Artikels 12 Absatz 1 des am 30. Mai 1958 in Den Haag zustande gekommenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Einrichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutsch-niederländischen Grenze
- Drucksache 7/4174 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. Mai 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland über die gegenseitige Unterstützung in Zollangelegenheiten
- Drucksache 7/4175 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 9. August 1973 über den vorläufigen Beitritt der Philippinen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
- Drucksache 7/4176 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren
- Drucksache 7/4177 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sozialgesetzbuchs ({0}) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
- Drucksache 7/4122 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren
- Drucksache 7/4178 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({2}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes
- Drucksache 7/4179 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({3})
Ausschuß für Forschung und Technologie
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen
- Drucksache 7/4170 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. - Ist das Haus mit der Überweisung einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({4}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Bericht über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr für das Jahr 1973 und Vollzugsplan zum Programm der Bundesregierung vom 23. November 1973 zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr „Mehr Sicherheit auf unseren Straßen" ({5}) sowie Fortschreibung des Verkehrssicherheitsprogramms - Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 1973 -- Drucksachen 7/3685, 7/4164 - Berichterstatter: Abgeordneter Straßmeir
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Das Haus hat entsprechend dem Antrag des Ausschusses von dem Bericht Kenntnis genommen.
Ich rufe die Punkte 17 bis 21 der Tagesordnung auf:
17. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({6}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament betr. Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vertragsentwurf des Rates zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften ({7})
- Drucksachen 7/3947, 7/4189 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({8})
18. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament betr. EntPräsident Frau Renger
schließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vertragsentwurf des Rates zur Änderung bestimmter Finanzvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften ({10})
- Drucksachen 7/3946, 7/4190 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({11})
19. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({12}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für eine
Richtlinie des Rates zur 11. Änderung der Richtlinie Nr. 64 /54 /EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
Richtlinie des Rates zur zweiten Änderung der Richtlinie des Rates Nr. 65 /66 /EWG zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen
- Drucksachen 7/3828, 7/3833, 7/4188 - Berichterstatter: Abgeordneter Geisenhofer
20. Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Vorschlag einer Verordnung ({14}) zur Schaffung eines Finanzmechanismus
- Drucksachen 7/3978, 7/4191 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({15}) Beratung des Antrags des Haushaltsausschusses ({16}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Vorschlag einer Verordnung ({17}) zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1975 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksachen 7/4003, 7/4192 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({18})
Es handelt sich um Anträge der Ausschüsse zu Vorlagen des Europäischen Parlaments und zu Vorschlägen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort dazu? - Das ist nicht der Fall.
Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir gemeinsam abstimmen. - Auch das ist der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußantrage auf den Drucksachen 7/4189, 7/4190, 7/4188, 7/4191 und 7/4192. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({19})
Wir wiederholen die Abstimmung. Wer für die Annahme der Anträge ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anträge sind bei 4 Gegenstimmen angenommen.
Damit sind wir am Ende der Beratungen zur heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 26. November 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.