Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, heute feiert der Abgeordnete Seibert seinen 60. Geburtstag. Obwohl er nicht im Saal ist, herzliche Glückwünsche dazu!
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Als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Berkhan ist mit Wirkung vom 19. März 1975 der Abgeordnete Röhlig in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße den Kollegen herzlich und wünsche ihm alles Gute in diesem Hause.
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Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 14. März 1975 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bardens, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Spitzmüller und Genossen betr. Problem der Rheuma-Erkrankungen - Drucksache 7/2822 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3370 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 14. März 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß und Genossen betr. Veröffentlichung von diplomatischen Fernschreiben - Drucksache 7/3261 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3395 verteilt.
Wir fahren in der Beratung von Punkt V der Tagesordnung fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1975 ({2})
- Drucksachen 7/2440, 7/2525, 7/2830 Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses ({3})
Ich rufe als nächstes den Einzelplan 08 auf:
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen
- Drucksache 7/3148 Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
in Verbindung mit dem Einzelplan 32: Bundesschuld
- Drucksache 7/3163 - Berichterstatter: Abgeordneter Blank
und dem Einzelplan 60:
Allgemeine Finanzverwaltung - Drucksache 7/3167 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bülow Abgeordneter Dr. Dübber Abgeordneter Hoppe Abgeordneter Löffler
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ablauf der Haushaltsberatungen 1975 hat der deutschen Öffentlichkeit wieder dokumentiert, daß wir es mit einer lange schwelenden Finanzkrise im Bund zu tun haben. Während die Bundesregierung bei der Einbringung des Etats noch behauptet hatte, daß diesem eine Steigerungsrate von 8,7 % zugrunde liege, muß sie heute selbst zugeben, daß er mit dem Konjunkturprogramm eine Steigerungsrate von 14,3 % und ohne dieses Programm von 12,6% zu verzeichnen hat. Wenn man die Frisierkünste mit einbezieht, dann ist die Steigerungsrate natürlich wesentlich höher.
Zum zweiten hat sich ergeben, daß im Verlauf der Haushaltsberatungen sehr wesentliche Umschichtungen vorgenommen werden mußten. Es mußte zunächst einmal eine Reduzierung der Steuereinnahmen allein beim Bund in Höhe von 6,6 Milliarden DM aufgefangen werden, die sich aus der Steuerschätzung vom November 1974 ergeben hat. Auf der Ausgabenseite mußten ebenfalls sehr wesentliche Änderungen abgedeckt werden. So mußte zunächst der Arbeitslosenversicherung bereits ein Betrag von 532 Millionen DM zugewiesen werden. Das Energieprogramm kostete zusätzlich 274 Millionen DM. Ebenfalls mußte im Haushalt 1975 eine zusätzliche Zinsbelastung in Höhe von 715 Millionen DM aufgefangen werden.
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Dies alles war notwendig, und es gelang durch Einsparungen an anderer Stelle.
Geradezu dramatisch, meine sehr verehrten Damen und Herren, war aber die Entwicklung bei der Neuverschuldung des Bundes. Die Finanzplanung für 1974 enthielt noch für 1975 eine Nettoneuver11092
schuldung von 6,9 Milliarden DM. Schon im Entwurf des Haushalts 1975 mußte diese Summe von 6,9 Milliarden DM auf 15,6 Milliarden DM erhöht werden. Jetzt, nach Abschluß der Beratungen, liegt die Nettoneuverschuldung des Jahres 1975 allein beim Bund bei 22,8 Milliarden DM.
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Das ist also seit der letzten Prognose von 1974 mehr als eine Verdreifachung in diesem einzigen Jahr 1975.
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Auch nach dem Abschluß der Haushaltsberatungen entwickelte sich die Finanzlage des Bundes dramatisch weiter. Noch in der letzten Sitzungswoche wurde uns im Haushaltsausschuß auf Fragen erklärt, daß die Lage der Bundesanstalt für Arbeit keineswegs besorgniserregend sei.
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Insbesondere würden also über den im Haushalt eingesetzten Betrag hinaus keine Zuschüsse notwendig. Bereits eine Woche später mußte die Bundesregierung eine Vorlage über 3,2 Milliarden DM allein als Liquiditätshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit dem Parlament vorlegen. Wir müssen diese Vorlage heute und morgen in den Haushalt einarbeiten.
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Unsere Arbeitnehmer fragen sich natürlich mit Recht, wo die Beiträge geblieben sind, die sie in 20 Jahren der Vollbeschäftigung in den Zeiten der CDU/CSU-Regierungen eingezahlt haben.
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Die CDU/CSU hat in den letzten Wochen immer wieder die Forderung erhoben, die Steuerschätzung auf den aktuellen Stand zu bringen. Das wurde von der Bundesregierung bis Ende Januar kategorisch abgelehnt, zuletzt in der Fragestunde am 29. Januar durch Staatssekretär Haehser.
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Jetzt endlich, am 12. März, wurde uns diese aktualisierte Steuerschätzung vorgelegt. Sie ergibt über die 6,6 Milliarden DM der Novemberschätzung hinaus einen weiteren Rückgang von 3,2 Milliarden DM. Davon entfallen auf den Bund 1,3 Milliarden DM, auf die Gemeinden 600 Millionen DM und auf die Länder 1,2 Milliarden DM.
Die Koalition ist also gezwungen, jetzt zusätzlich einen Betrag von rund 4 Milliarden DM in den Bundeshaushalt 1975 einzuarbeiten.
Ich möchte jetzt einige Bemerkungen zu dem machen, was die CDU/CSU-Fraktion in diesen Wochen und Monaten der Haushaltsberatungen getan hat. Wir haben bereits zu Beginn der Beratungen angekündigt, daß wir Einsparungsvorschläge in Höhe von 3,2 Milliarden DM machen würden. Wir haben im Verlauf der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß 109 Einzelanträge gestellt. Davon wurden 25 von der Koalition angenommen; 84 Anträge wurden abgelehnt.
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Die Gesamtsumme der von uns in diesen 109 Anträgen vorgeschlagenen Einsparungen hätte 3,4 Milliarden DM betragen.
Hauptstreitpunkt war -und ist sicherlich auch heute und morgen wieder - das Problem der Einsetzung einer sogenannten Minderausgabe in den Bundeshaushalt 1975. Schon die Reaktion der Koalition im Verlauf der Haushaltsberatungen war interessant. Zunächst wurde mit Entschiedenheit abgelehnt, überhaupt eine Minderausgabe in den Bundeshaushalt 1975 einzusetzen. Die Argumente und Gründe haben wir in den letzten Jahren gehört. Wir werden sie sicherlich heute und morgen wieder hören. Als dann plötzlich eine Nachforderung für die Bundesanstalt für Arbeit kam - und zwar eine Woche nach der kategorischen Ablehnung unserer Minderausgabenanträge -, siehe da!, da verlangte plötzlich die Koalition selbst, eine Minderausgabe in Höhe von 720 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen.
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Wir sind der Auffassung, daß bei einem Gesamtetat von 155 Milliarden DM unser Antrag, eine Gesamtminderausgabe von 2,5 Milliarden DM einzusetzen, durchaus realistisch ist. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, daß die Koalition diese unsere Einsparungsanträge immer abgelehnt hat und am Jahresende gerade die Summen übriggeblieben sind, die wir zur Einsparung vorgeschlagen hatten.
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Der krasseste Fall in dieser Richtung ereignete sich bei der letztjährigen zweiten Lesung, als Minister Apel in der Haushaltsdebatte kategorisch erklärte, eine solche Minderausgabe sei unrealistisch, sie sei überhaupt nicht einzusetzen. Nach einer Schamfrist von nur einer Woche erklärte derselbe Minister, nicht 2 Milliarden DM Minderausgaben werde er einsparen, aber 1,9 Milliarden DM.
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Ich glaube, das zeigt die Taktik: zuerst einmal die Anträge der Opposition abzulehnen, nachdem man vorher sagt, es gebe gar keine Alternative, um dann hinterher dasselbe zu tun, was diese CDU/CSU- Fraktion vorher vorgeschlagen hatte.
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Ich möchte Ihnen nur ein einziges konkretes Beispiel zur Illustration vorführen. Unter den genau gezielten Einsparungsvorschlägen fand sich auch der Posten: Reduzierung der sogenannten Personal-verstärkungsmittel um 500 Millionen DM. Auch dort wieder im Ausschuß die Erklärung der Koalition, das sei absolut unmöglich. Nach dem Abschluß der Beratungen, eine Woche später, beantragte dieselbe Koalition, die eine Woche vorher erklärt hatte, auf diesem Gebiet sei überhaupt nichts zu machen - das steht jetzt in Ihrem Antrag, der dem Plenum vorliegt, zu lesen -, nunmehr 780 Millionen DM an
diesen Personalverstärkungsmitteln einzusparen. Ich glaube, die deutsche Öffentlichkeit wird sich selbst ihr Bild machen können, wie die konstruktiven, die Alternativvorschläge der CDU/CSU in diesem Bereich von der Koalition behandelt worden sind.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirst?
Ja, bitte schön.
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Verehrter Herr Kollege Althammer, würden Sie dem Hohen Hause dabei bitte nicht die Tatsache vorenthalten, daß die Abschlußberatungen des Haushalts vor dem Abschluß der Tarifverhandlungen stattgefunden haben, diese Kürzungen aber nach dem Abschluß der Tarifverhandlungen erfolgt sind?
Herr Kollege Kirst, diese Frage habe ich erwartet. Aber ich warne Neugierige. Ich glaube, die Koalition sollte wenig Interesse daran haben, daß in der Öffentlichkeit die Frage erörtert wird, wieviel Millionen DM sie im Etat für Tariferhöhungen eingeplant und vorgesehen hatte.
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Das könnte eine ganz, ganz unangenehme Diskussion mit den Gewerkschaften geben.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirst?
Bitte schön.
Herr Althammer, würden Sie dem Hohen Hause nach dieser Bemerkung bitte in Erinnerung zurückrufen, daß dieser Ansatz auf einer Beratung im Juli 1974 beruhte?
Ja, sehr verehrter Herr Kollege, wir haben unseren Streichungsantrag aber eben in der letzten Sitzungswoche im Januar 1975 gestellt.
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Nun, ich habe eingangs erklärt, daß der Bundeshaushalt 1975 eine lange schwelende Finanzkrise offenbart. Wenn wir den Bundeshaushalt 1975 analysieren, müssen wir leider feststellen, daß er zu keinem der brennenden Probleme, die die deutsche Innenpolitik heute beschäftigen, einen positiven Beitrag, geschweige denn eine Lösung aufweist.
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Der Bundeshaushalt 1975 ist nicht stabilitätsgerecht.
Er bringt eine Steigerungsrate von weit über 14 %,
während sich die Arbeitnehmer bei den Tarifabschlüssen mit 6 bis 7 % zufriedengeben mußten.
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Der Bundeshaushalt 1975 leistet keinen Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und zur Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums. Er ist falsch programmiert, was ich nachher noch im einzelnen nachweisen kann, und wirkt deshalb den Bestrebungen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und die Wirtschaft zu beleben, genau entgegen.
Zum dritten: Er zeigt aber insbesondere keinen Ausweg aus der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte. Im Gegenteil, er verschärft und verschleppt dieses Finanzchaos.
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Das hervorragendste Kennzeichen des Bundeshaushalts 1975 ist die astronomische Neuverschuldung mit einer Bruttokreditaufnahme in einem einzigen Jahr beim Bund von 29,25 Milliarden DM, einem Finanzierungsdefizit von 27,73 Milliarden DM. Es zeigt sich hier, daß die SPD /FDP-geführte Bundesregierung in einem einzigen Jahr mehr Schulden aufgenommen hat, als in 20 Jahren der CDU/CSU-Regierungen an Zuwachs der Staatsverschuldung zu verzeichnen war.
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Die Berechnungen haben ergeben, daß die bereinigte Darstellung dieses Zuwachses in 20 Jahren der CDU/CSU-Regierungen nur 14,3 Milliarden DM ausmacht. SPD /FDP: in einem Jahr 22,8 Milliarden DM Neuverschuldung!
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Hier zeigt sich eben der klare Unterschied zwischen den 20 Jahren Regierungen der CDU/CSU, und dem, was sich im Verlauf von nur fünf Jahren Regierung von SPD und FDP abgezeichnet hat.
Ich möchte das nur mit einem einzigen Zitat kennzeichnen, das der engste Mitarbeiter des Herrn Bundeskanzlers, nämlich der Staatssekretär Dr. Schüler, laut „Spiegel" vom 6. Mai 1974 so ausgedrückt hat: „Wir machen ein paar Milliarden Schulden mehr. Was soll das schon?"
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Wenn man das auf die Neuverschuldung der gesamten öffentlichen Hand umrechnet - Sie kennen die Zahlen -, dann ist diese Marke heute für ein einziges Jahr bei rund 60 Milliarden DM. Die Fortrechnungen der Wirtschaftsinstitute für die nächsten Jahre haben ergeben, daß wir in den nächsten Jahren, wenn das so weitergeht, mit einer Nettoneuverschuldung der gesamten öffentlichen Hand pro Jahr von rund 90 Milliarden DM werden rechnen müssen.
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Ich möchte mich nun kurz mit den Entschuldigungen und Ausreden beschäftigen, die seitens der Bundesregierung für diese Nettoneuverschuldung vorgetragen werden. Da sagt der Finanzminister Apel, diese Neuverschuldung sei konjunkturgerecht. Man wolle nicht den gleichen Fehler machen, der in den dreißiger Jahren während der Weltwirtschaftskrise vorn Kabinett Brüning begangen worden sei. Es wird dann darauf verwiesen, daß es auch Stimmen in der Öffentlichkeit - einschließlich der Bundesbank - gebe, die diese Nettoneuverschuldung rechtfertigten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß hier auf zwei entscheidende Aspekte aufmerksam machen. Über diese Argumentation wäre meines Erachtens dann zu reden, wenn diese Nettoneuverschuldung zwei Voraussetzungen erfüllte: erstens wenn sie ein einmaliger Vorgang, gezielt auf die Rezessionssituation des Winters 1974/75, gewesen wäre,
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zweitens wenn sich diese Nettoneuverschuldung in gleich oder annähernd hohen investiven Ausgaben niederschlüge, die zur Überwindung dieser Rezession beitragen würden.
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Beides ist leider nicht der Fall.
Zum ersten. Es handelt sich nicht um einen einmaligen Vorgang in dieser einen Jahreshälfte 1974/ 75 zur Überwindung der Rezession. Das zeigt ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung. Wenn das so wäre, hätten die Herren der Finanzplanung eine hellseherische Fähigkeit haben müssen, weil sie schon im Frühjahr und im Sommer 1974 prognostiziert und geplant hatten: für 1975 15,6 Milliarden Neuverschuldung, für die Jahre 1976/77/78 jeweils 20 Milliarden Neuverschuldung allein beim Bund. Diese Planung, die auch in den nächsten Jahren sogar noch wesentlich höhere Nettoneuverschuldungen, als in der mittelfristigen Finanzplanung für 1975 vorgesehen, zeigen klar und eindeutig, daß das mit einer Überwindung der Rezessionsphase überhaupt nichts zu tun hat,
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sondern diese Neuverschuldung wurde ausweislich der mittelfristigen Finanzplanung deshalb gemacht, weil man das Davonlaufen der Ausgabenentwicklung auf andere Weise nicht auffangen konnte.
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Zum zweiten. Dieser exorbitanten Neuverschuldung möchte ich die Prozentzahlen der Entwicklung der investiven Ausgaben gegenüberstellen. Während des Zeitraums der CDU/CSU-Regierung in den Jahren 1961 bis 1966 - ich greife jetzt nur diesen Zeitraum heraus - betrug die durchschnittliche investive Ausgaberate des Bundeshaushalts 26,2 %. Und nun die Zahlen für den Zeitraum dieser Bundesregierung. 1975: 16,2 %. Ich möchte für 1975 dazu sagen, daß dies die letzte Zahl ist, die in der mittelfristigen Finanzplanung steht. Herr Minister, es kann durchaus sein, daß sich hierdurch die neueste Entwicklung etwas geändert hat, vor allem deshalb - das muß ich gleich vorwegnehmen -, weil die Zuweisung, das Darlehen an die Bundesanstalt für Arbeit, die in der Sache ja gar keine Investition ist,
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haushaltsrechtlich dennoch als investive Ausgabe ausgewiesen wird.
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Ich komme also auf die Entwicklung der investiven Ausgaben nach der mittelfristigen Finanzplanung zurück. 1975: 16,2 %; 1976 - die Prognose für die künftigen Jahre -: 15,9 %; 1977: 15,6 %. Sie sehen also, die Treppe geht nach unten,
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und gleichzeitig wird jedes Jahr eine riesige Neuverschuldung aufgenommen.
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Wir haben nun bei der Haushaltsrechtsreform in das Grundgesetz - Art. 115 - eine Klausel über die Obergrenze der Neuverschuldung eingefügt. Wenn ich mich heute daran erinnere, daß im ursprünglichen Regierungsentwurf zu Art. 115 des Grundgesetzes stand, daß die Neuverschuldung pro Jahr nur die Hälfte, Herr Minister - die Hälfte! -, der investiven Ausgaben betragen dürfe, und daß man dann wegen der Rezessionsüberwindung 1966/ 1967 gesagt hat: wollen wir einmal großzügig sein, schreiben wir nicht die Hälfte, sondern die Jahressumme hinein, dann hatte damals niemand im Traum daran gedacht, daß diese Grenze nach Art. 115 des Grundgesetzes in wenigen Jahren erreicht sein werde.
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Und, Herr Minister, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, die Darlehenszuweisung an die Bundesanstalt für Arbeit, die ganz klar konsumtiv ist, weil sie als Arbeitslosenbeträge ausbezahlt wird, als investiv zu deklarieren, dann hätten Sie heute bereits die Grenze überschritten, die die Verfassung der Neuverschuldung setzt.
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Daraus ergibt sich unsere dringende Forderung, den Bundeshaushalt so schnell wie möglich so umzuschichten, daß die investiven Ausgaben vergrößert und verstärkt werden und daß andere Ausgaben demgegenüber zurücktreten müssen.
Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier auch noch ein kurzes kritisches Wort an die Adresse der Deutschen Bundesbank richten. Die Deutsche Bundesbank hat im Sommer 1974 vor dieser exorbitanten Neuverschuldung gewarnt.
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Im Augenblick hören wir, daß der Kapitalmarkt das im Augenblick hergebe und daß das in der gegenwärtigen Situation vertretbar sei. Ich möchte sehr herzlich bitten, daß die Deutsche Bundesbank, so wie sie das früher immer getan hat, das Gesamtproblem unter allen Aspekten sieht, auch unter dem der Mittelfristigkeit, wie das weitergehen soll. Ich glaube, diese genauere Untersuchung ist die Deutsche Bundesbank ihrem öffentlichen Ansehen und ihrer parteipolitischen Neutralität schuldig.
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Wir haben in diesem Zusammenhang eine ganz konkrete Frage an den Herrn Bundesfinanzminister zu richten. Herr Bundesfinanzminister, angesichts der Finanzierungslücken der nächsten Jahre - ich darf sie Ihnen noch einmal vor Augen führen: 1974: Nettoneuverschuldung des Bundes 10 Milliarden DM; 1975 bereits 23 Milliarden DM - frage ich Sie: Wie soll diese Finanzierungslücke auf Dauer geschlossen werden? Erste Frage, Herr Bundesfinanzminister: Schließen Sie Steuererhöhungen bis zum Jahre 1977 aus? Ich glaube, die deutsche Öffentlichkeit kann sich nicht damit zufriedengeben, daß der Abgeordnete X der Koalition sagt: jawohl, wir schließen das aus; und dann sagt wieder ein Minister: ja, wenn aber irgend etwas Besonderes eintritt, dann müssen wir uns doch überlegen, ob nicht neue Steuererhöhungen kommen. - Diese Frage ist hier vor der deutschen Öffentlichkeit klar und eindeutig zu beantworten.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Frau Präsidentin, bitte nachher, denn ich möchte das erst zu Ende führen.
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Herr Minister, zweite Frage an Sie: Lehnen Sie eine Korrektur auch der rechtlich gebundenen Ausgaben bis zum Jahre 1977 ab?
Und die dritte Frage: Wollen Sie dann, wenn Sie beide Möglichkeiten ablehnen, die immer weiter auseinanderklaffende Finanzierungslücke dadurch schließen, daß Sie auch in den nächsten Jahren allein durch eine Nettoneuverschuldung aus der Finanzklemme herauszukommen versuchen? Wenn Sie diesen Ausweg wählen sollten, Herr Minister, müssen Sie bitte diese Frage beantworten: Wenn Sie heute sagen, Neuverschuldung deshalb, weil wir in einer Rezession sind, wie wollen Sie dann eine Nettoneuverschuldung von 20 Milliarden DM nach der mittelfristigen Finanzplanung im nächsten Jahr begründen, wenn Sie gleichzeitig sagen, wir erwarten aber zum Sommer oder Herbst einen Konjunkturaufschwung?
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Wie soll das überhaupt gehen? Wollen Sie die Notenpresse in Bewegung setzen? Wollen Sie eine
neue inflatorische Entwicklung einleiten? Oder wie wollen Sie bei einem Konjunkturaufschwung solche riesigen Neuverschuldungen überhaupt rechtfertigen?
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Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Althammer, wollten Sie mit Ihrer Aufforderung an die Deutsche Bundesbank hier allen Ernstes behaupten, diese sei bisher weder ihrem öffentlichen Ansehen noch ihrer parteipolitischen Neutralität gerecht geworden?
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Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich habe ausdrücklich betont, daß die Deutsche Bundesbank diese Dinge bisher immer sehr genau und gründlich geprüft hat. Ich habe auf die Äußerung vom Juni 1974 abgehoben, und ich habe den Wunsch ausgesprochen, daß wir so schnell wie möglich eine neue, aktuelle Grundsatzanalyse zu diesem Komplex von der Bundesbank bekommen. Das war meine Absicht!
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte eine Anmerkung zu der Ausgabenlawine machen, die in den letzten Jahren von dieser Regierung ausgelöst worden ist. Ich darf daran erinnern, daß der erste zurückgetretene Finanzminister dieser Koalition, Alex Möller, in einem „Spiegel"-Interview ganz offen und ehrlich gesagt hat, dieser Riesenkatalog, den man 1969 versprochen hatte, sei nicht durchfinanziert gewesen. Heute sehen die Dinge natürlich noch wesentlich schlimmer aus als damals. Ich möchte hier nur einen Punkt kurz ansprechen, weil die Zeit es nicht erlaubt, all diese großen Fragen aufzugreifen. Es ist das Problem der Personalkostenlawine.
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Die CDU/CSU-Fraktion hat als einen ihrer 109 Anträge auch den Antrag gestellt, einen Einstellungsstopp für das Haushaltsjahr 1975 durchzuführen. Wir haben bei den Stellenbewilligungen - von zwei Ausnahmen, nämlich den Sicherheitsorganen und den Pflegeberufen, abgesehen - auch jede Stellenmehrung abgelehnt. Wir sind uns, meine Damen und Herren, völlig klar darüber, daß das natürlich kein Patentrezept auf Dauer sein kann. Aber wir wollten die Verwaltung zwingen, im eigenen Bereich flexibler zu sein und, wenn sie irgendwo neue Stellen braucht, in erster Linie dafür zu sorgen, daß sie diese anderswo aus dem eigenen Bestand abzieht, daß man aber nicht sofort zum Parlament kommt und sagt, wir müssen deswegen eine Stellenmehrung haben.
Ein zweites. Ich glaube nicht, daß es wirklich möglich ist - wie es z. B. auch Graf Lambsdorff vorgeschlagen hat -, eine Privatisierung wesentlicher Verwaltungszweige zu erreichen.
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Aber eines sollten wir uns, glaube ich, wirklich sehr schnell überlegen, ob nämlich die Erfahrungen der Privatwirtschaft in Fragen der Rationalisierung und in Fragen der Verbesserung der Personalstruktur nicht so schnell wie möglich auch für den öffentlichen Dienst fruchtbar gemacht werden sollten.
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Das ist ein dringendes Anliegen. Ich wage schon gar nicht mehr, das als Verwaltungsreform zu bezeichnen, weil das Wort „Reform" leider sehr abgewertet worden ist.
Aber wir sollten uns hier als Gesetzgeber auch zunächst einmal selbst kritisch befragen. Wenn es wahr ist, was Ministerpräsident Stoltenberg am vergangenen Freitag vor dem Bundesrat gesagt hat, daß Bund, Länder und EWG zur Zeit pro Jahr etwa 4 000 neue Gesetze und Verordnungen produzieren, dann darf man unseren Bediensteten keinen Vorwurf machen, wenn sie mit dieser Flut einfach nicht mehr mitkommen.
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Ein Letztes zu dem Komplex Personalprobleme. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man so viel von Leistung und Leistungsansporn im öffentlichen Dienst spricht, dann ist es unzulässig, die öffentliche Verwaltung und das Personal parteipolitisch durchdringen zu wollen.
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Wir haben auf diesem Gebiet Mißstände erlebt, die zum Himmel schreien. Ich möchte hier nur zwei Fälle anschneiden. Wenn man bei der Einstellung Berufsqualifikationen und nicht das Parteibuch beachtet hätte, dann gäbe es keinen Spionagefall Guillaume.
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Wenn dieses Bundeskabinett die Qualifikationsmerkmale beachtet hätte, dann gäbe es keinen Fall Machens, von dem wir neuerdings hören, daß er jetzt auf Kosten des Steuerzahlers an ein internationales Organ abgeschoben werden soll und wir auch noch ein Sachprogramm finanzieren sollen, nur um diesen Herrn loszuwerden.
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Diese Entscheidung wurde von dieser Bundesregierung, von diesem Kabinett, getroffen.
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Lassen Sie mich noch eine letzte Anmerkung dazu machen. Es ist merkwürdig, daß dieselben Leute, die immer so viel von Mitbestimmung reden, dann, wenn eine Personalvertretung von diesem Mitbestimmungsrecht Gebrauch macht und gegen eine parteipolitische Personalentscheidung Einspruch einlegt, diese Dinge vom Tisch fegen. Siehe jetzt die Vorgänge in Hamburg mit der Richterstellenbesetzung - Amtsgerichtspräsident -, siehe die Vorgänge im Fall Guillaume.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Althammer, darf ich auf eine soeben von Ihnen gemachte Bemerkung im Hinblick auf eine Reprivatisierung zurückkommen, eine Forderung, die ich übrigens nicht in diesem Umfang erhoben und geteilt habe, und Sie auf eine Meldung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute hinweisen, die sicher auch den Kollegen Stücklen sehr interessieren wird, wonach Staatsminister Heubl im Bayerischen Landtag die Reprivatisierung von Bahn und Post gefordert hat?
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe ausdrücklich gesagt, man muß sich diese Dinge sehr genau überlegen.
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Graf Lambsdorff, auch wenn Sie meinen bayerischen Landesminister Heubl zitieren, ändert das nichts an meiner Auffassung zu dieser Frage.
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Ich möchte noch einige Bemerkungen zu den Haushaltsrisiken 1975 machen. Es ist Gott sei Dank möglich gewesen, die Steuerschätzungen zu aktualisieren. Aber, sehr verehrter Herr Finanzminister, leider deuten alle Anzeichen darauf hin, daß auch die jetzt zweimal zurückgesetzten Einnahmeerwartungen im Jahre 1975 nicht erreicht werden. Wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß im Laufe dieses Jahres auf der Einnahmenseite noch einmal ein entscheidendes Loch entsteht, und es ist natürlich die Frage, was getan werden soll, wenn man nicht unserer Empfehlung folgt und die Ausgabenblöcke sofort beweglicher macht.
Wir haben einen Antrag vorgelegt, nach dem die mittelfristige Finanzplanung aktualisiert werden soll. Es ist eine Zumutung für dieses Parlament und die deutsche Öffentlichkeit, mit einer mittelfristigen
Finanzplanung von August 1974 zu arbeiten, an der kein einziges Datum mehr stimmt.
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Darum fordern wir, daß die Bestimmung des § 10 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung beachtet und uns eine aktualisierte, fortgeschriebene Finanzplanung vorgelegt wird.
Ich habe vorher erwähnt, daß wir bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg 3,2 Milliarden DM zulegen mußten. Leider war es nicht die Bundesregierung, sondern der Bundesrechnungshof, der uns mitgeteilt hat, daß noch in diesem Jahr leider weitere Zuschüsse bis zur Summe von 5 Milliarden DM notwendig werden würden und daß wir im kommenden Jahr, 1976, mit weiteren mindestens 4 Milliarden DM Bundeszuschüssen an diese Anstalt zu rechnen haben. Ich höre, daß die Bundesanstalt für Arbeit jetzt einen Nachtragshaushalt vorlegen will, in dem diese Dinge nun angegangen werden. - Bitte schön!
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Herr Abgeordneter Schröder zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Althammer, damit in der Öffentlichkeit kein sinnverfälschender Eindruck über die Auslassungen unseres Kollegen Heubl entsteht, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist bzw. ob Sie auf diesem Wege dem Hause und der Öffentlichkeit bekanntgeben wollen, daß unser Freund Heubl lediglich geäußert hat, daß Bahn und Post Beispiele für gewinnträchtige Unternehmen seien, die sich in Defizitbetriebe verwandelt hätten, weil die Gewinnmaximierungs- und die Verteilungsmaxime unvereinbar seien, und daß er keineswegs etwa die Privatisierung dieser beiden Unternehmen gefordert hat?
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Herr Kollege Schröder, ich bedanke mich für diesen Hinweis.
Ich darf auf die finanzpolitische Situation der Bundesanstalt für Arbeit zurückkommen. Wir haben die große Sorge - darüber wird heute noch zu reden sein -, daß durch die katastrophale Finanzentwicklung, die wir zu verzeichnen haben, die soziale Leistungsfähigkeit unseres Staates entscheidend beeinträchtigt werden wird. Das ist die große Sorge, die uns hier beschäftigt: daß das, was in einer Zeit der Vollbeschäftigung und des realen Wachstums in unserer Wirtschaft an Sozialleistungen von der CDU/CSU aufgebaut worden ist, jetzt von der finanziellen Seite her akut gefährdet wird. Wir fordern diese Bundesregierung auf, dieses Problem nicht vor sich herzuschieben, sondern rechtzeitig in dieser Frage etwas zu unternehmen, damit wir nicht in eine ähnliche Zwangslage kommen, wie sie sich bei der
Bundesanstalt für Arbeit bereits jetzt dokumentiert hat.
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Zu den Haushaltsrisiken 1975 darf ich nur noch den Hinweis geben, daß die Finanzlage der Bundesbahn alles andere als befriedigend ist und daß das, was hier im Bundeshaushalt an Zuschüssen drinsteht, natürlich auf gar keinen Fall zur Finanzierung der Deutschen Bundesbahn ausreichen wird. Es wird nur die Frage sein, wann der Bundesfinanzminister gezwungen sein wird, wiederum mit einer Milliardenvorlage zu kommen. Ich möchte aber hier, Herr Minister, die dringende Bitte anschließen, daß das dann in der ordentlichen Form eines Nachtragshaushalts geschieht und daß wir nicht wieder mit über- und außerplanmäßigen Ausgaben am Parlament vorbei mit dieser Frage beschäftigt werden.
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Ein letzter Punkt, den ich bezüglich der Haushaltsrisiken ansprechen möchte, ist der Streit zwischen Bund und Ländern über die Neuverteilung der Umsatzsteuer. Der Bund verlangt 5,5 Milliarden DM von den Ländern. Die Finanzsituation der Länder ist natürlich nicht so, daß sie aus der Westentasche 5,5 Milliarden DM an den Bund abführen könnten.
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Diese Situation hat zu einer sehr bemerkenswerten Initiative der CDU/CSU-Bundesländer im Bundesrat geführt. Auf Initiative des Landes Baden-Württemberg ist vom Bundesrat ein Entschließungsantrag angenommen worden, der die Bundesregierung auffordert, einen Rahmenplan für den öffentlichen Gesamthaushalt vorzulegen. In diesem Dokument ist im einzelnen dargestellt, wie in der Zukunft die Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemeinden und anderen Vermögensträgern als ein Ganzes gesehen und behandelt werden muß, wie man sich bemühen muß, diese Dinge in Übereinstimmung zu bringen, nicht auf jeder Seite getrennt zu arbeiten und damit die Finanzschwierigkeiten noch zu vergrößern. Ich würde Ihnen allen empfehlen, sich diese sehr bemerkenswerte Initiative der CDU/CSU einmal anzusehen.
Was mich aber am Freitag besonders gewundert hat, war, daß sich der Minister Apel zu dieser Sache sehr zurückhaltend eingelassen hat. Herr Minister, eigentlich sollte die Bundesregierung mit Freude zugreifen, wenn die Länder ein solches Angebot machen. Ich richte an Sie heute die weitere Frage: Wie stellt sich die Bundesregierung zu dieser bahnbrechenden Initiative in der Frage der öffentlichen Gesamthaushalte? Können wir damit rechnen, daß Sie bereit sind, auf diesem Weg mitzugehen? Werden Sie auf diesem Gebiet vorangehen?
Lassen Sie mich zusammenfassen, was nach meiner Auffassung in dieser Finanzkrise ein Programm zum Handeln sein müßte. Die Bundesregierung müßte sofort in folgenden Bereichen tätig werden.
Erstens. Notwendig ist eine nüchterne Offenlegung der wirklichen Situation, ihrer Gefahren und
des verkleinerten Erwartungshorizonts in finanzieller Hinsicht.
Unserem Volk muß in diesen Fragen reiner Wein eingeschenkt werden. Denn unsere Bevölkerung hat immer bewiesen, daß sie, wenn man ihr die Dinge klar und nüchtern vorträgt, auch bereit ist, zur Überwindung solcher krisenhafter Erscheinungen beizutragen.
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Zweitens. Die Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise und der Wirtschaft muß aufhören.
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Ideologische und irreale Programme und Gesetzesvorhaben müssen vom Tisch.
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Diese Bundesregierung muß Klarheit darüber schaffen, welche Gesetze sie noch verabschieden will und wie diese auszusehen haben. Sie kann nicht von Woche zu Woche die entscheidenden Daten und Gesetzesvorhaben anders darstellen und verändern.
Drittens. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um das reale Wirtschaftswachstum zu verbessern, ebenso das Investitionsklima.
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- Ja, natürlich, wir müssen das reale Wachstum verbessern. Denn seien wir uns doch bitte über eines klar: Wenn wir keinen realen Zuwachs haben, können wir auch die sozialen Leistungen nicht mehr halten, die wir seit 1949 zwanzig Jahre lang in diesem Lande durchgeführt haben.
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Viertens. Es müssen unverzüglich wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durchgeführt werden. Ich verweise hier auf das Programm der CDU/CSU zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit.
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Auch dieses Programm, Herr Ehrenberg, wird uns heute noch beschäftigen, und Sie werden dann auf diese Frage Antwort bekommen.
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Fünftens. Die Stabilitätspolitik muß auch im finanziellen Bereich einen höheren Stellenwert erhalten. Für uns ist Stabilität kein „Modewort". Ich kann auch der Auffassung des Kollegen Kirst nicht beipflichten, der gestern hier gemeint hat, die Finanzpolitik eigne sich nicht als konjunkturpolitisches Instrument. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß zwar beides natürlich voneinander abhängig ist -, daß aber auch die Finanzpolitik der gesamten öffentlichen Hand ein sehr maßgebliches Instrument der Konjunktur- und der Stabilitätspolitik ist.
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Sechstens. Die staatliche Reglementierung muß auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Wir müssen von der Gesetzesflut wegkommen. Ich erhebe deshalb die Forderung, daß das Gestrüpp und die Vielzahl von Rechtsvorschriften endlich einmal einem Bereinigungsvorgang unterzogen werden.
({11})
Ich könnte hier den derzeitigen Bundesjustizminister, Herrn Vogel, als ausgezeichneten Kenner der Materie, der in Bayern als junger Beamter einmal etwas Ähnliches gemacht hat, empfehlen, um eine solche Bereinigung, eine solche Verbesserung der Gesetzgebungssituation bei uns herbeizuführen. Bei dieser Art von Gesetzes- und Verwaltungsreform ist der Freiheitsraum des Bürgers so weit wie möglich zu fassen. Der Staat muß sich auf seine wesentlichen Aufgaben beschränken. Diese wesentlichen Aufgaben muß er aber wirksam und tatkräftig erfüllen.
Siebtens. Die mittelfristigen Prognosen und die mittelfristige Finanzplanung sind zu revidieren und auf einen neuen aktuellen Stand zu bringen.
Achtens. Auch die Erfahrungen dieser Rezessionsphase des Winters 1974/75 haben gezeigt, daß wir leider entgegen den Zusagen der Bundesregierung keine aktuell schnell zu realisierenden Investitionsprogramme zur Hand hatten. Deshalb müssen wir in diesem Bereich Vorsorge treffen. Es muß möglich sein, solche Investitionsprogramme für die Schublade zu erarbeiten und sie dann ohne bürokratische Hemmnisse so schnell wie möglich zu realisieren, wenn das notwendig ist.
({12})
Neuntens. Der öffentliche Dienst ist nach den Erkenntnissen der Privatwirtschaft zu modernisieren und zu rationalisieren, um die weitere Personalvermehrung zu bremsen.
Zehntens. Es ist sofort eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Rahmenplanes für den öffentlichen Gesamthaushalt einzusetzen. Diese Arbeitsgruppe hat Lösungsvorschläge für die Beseitigung des öffentlichen Finanzdefizits zu erarbeiten, und zwar alternative Lösungsvorschläge unter den Gesichtspunkten, die ich vorher angesprochen habe: Einnahmeseite, Ausgabeseite und Verschuldungsfragen.
Elftens. Dieses Programm, das ich vorgetragen habe, sollte uns bis zum 1. Juni 1975 zur Kenntnis gebracht werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man nicht sofort diese Dinge in Angriff nimmt, wird es nicht möglich sein, aus der Krise herauszukommen. Wir haben gesehen, daß die Finanzsituation des Frühjahrs 1975 mit keiner Situation all der Jahre vorher vergleichbar ist. Zwei SPD-Bundesfinanzminister sind gescheitert und sind zurückgetreten. Ein dritter hat sich in seinem Amt verändert, weil ein Bundeskanzler gescheitert und zurückgetreten ist. Finanzminister Apel hat Probleme zu lösen, die kein anderer vor ihm zu lösen hatte. Wir haben gesehen, daß er wie sein Kanzler starke Worte machen und daß er auch scharf polemisieren kann.
Aber mit Worten und Polemik ist hier nichts getan, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({13})
Herr Bundesfinanzminister, sorgen Sie dafür, daß schnell gehandelt wird, um aus dieser Finanzkrise herauszukommen!
({14})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Apel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Rede des Herrn Kollegen Althammer anguckt
({0})
- und in einer Haushaltsdebatte kommt es ja darauf an, Alternativen vorzulegen; es ist die Stunde nüchterner Betrachtung und die Stunde der Abwägung von Alternativen der Opposition und Maßnahmen der Regierung , muß man feststellen, daß außer Gemeinplätzen und einem sehr vorsichtig formulierten Bekenntnis zu einer Privatisierung öffentlicher Aufgaben sehr wenig dabei herausgekommen ist.
({1})
Nun wollen wir doch den Herrn Heubl auch ganz zu Ehren kommen lassen, wenigstens soweit es auf Grund der heutigen Morgenpresse möglich ist. Ich werde auf Herrn Heubi noch zu einem anderen Zeitpunkt zurückkommen.
({2})
- Ja, hier stehen Anführungsstriche. - Heubl hat gefordert, „daß vom Staat übernommene wirtschaftliche Funktionen wieder in die Hand der Privatwirtschaft übergehen". Wirtschaftliche Funktionen übt der Bund im wesentlichen - und das sagt Herr Heubi dann auch am Beispiel von Bahn und Post - bei Bahn und Post aus.
Ich erkläre hier für die Bundesregierung: wir denken nicht daran, dadurch Unruhe bei Bahn und Post zu erzeugen, daß wir eine völlig unnötige Debatte über Privatisierung dieser Bundesunternehmen beginnen.
({3})
Diesen Schuh mögen Sie sich anziehen, wir machen ihn uns nicht zu eigen. Wir haben sehr großen Respekt vor der Leistung der Bahn- und der Postbeamten in schwierigen Zeiten, auch in schwierigen Haushaltszeiten. Wir erkennen ausdrücklich ihre Leistung an, ausdrücklich auch die vernünftigen Tarifabschlüsse. Sie dagegen bringen einen Zug in die Debatte hinein, der gefährlich ist und der neue Unsicherheit bei Bahn und Post bringen wird und bringen soll. Wir lehnen diese Art der Betrachtung ab.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Ja, bitte!
Herr Bundesminister, ist es nicht so, daß Unruhe in die Reihen unserer Bahn- und Postbeamten und -angestellten in den letzten Monaten vor allem dadurch hineingetragen worden ist, daß durch die Pläne zum Abbau von Stückgutbahnhöfen und durch andere Maßnahmen ein massiver Personalumschichtungsprozeß eingeleitet wird, der unsere Bahn- und Postbeamten irritiert hat?
({0})
Herr Jäger ({0}), Tatsache ist, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn das tut, was jeder Unternehmensvorstand tun muß, nämlich, über eigene Rationalisierung nachzudenken. Daß dabei natürlich der soziale Standard der Beamten unangetastet bleibt, das weiß jeder bei Bahn und Post. Sie wollen ihnen augenscheinlich etwas anderes einreden.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Ja; aber dann möchte ich auch einmal anfangen zu reden. Bitte schön!
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß ich ausdrücklich solche generellen Privatisierungspläne abgelehnt habe?
Aber dann begreife ich nicht, weswegen Sie hier Themen einführen in die Debatte,
({0})
Ihr Landeskollege Heubl das expressis verbis sagt und Sie dann in einer Zwischenfrage, als ich Sie darauf kritisiere, einen Rückzieher machen. So kann man hier wohl nicht Politik machen. - Frau Präsidentin, jetzt möchte ich wirklich mit meiner Rede anfangen.
Keine weiteren Zwischenfragen.
Meine Damen und Herren, beginnen wir mit den Beratungen im Haushaltsausschuß und dem Ergebnis; Herr Kollege Althammer hat dazu einige Bemerkungen gemacht. Ich möchte vorweg folgendes erklären: Wir haben nicht unter dem Druck der Opposition eine neue Steuerschätzung veranlaßt, sondern einfach durch Zeitablauf.
({0})
- Natürlich. Hätten wir die Haushaltsberatungen zu dem Zeitpunkt geführt, zu dem sie angesetzt waren - dann kam die Erkrankung des Herrn Bundeskanzlers dazwischen -, dann wäre es überflüssig gewesen, eine neue Steuerschätzung zu machen. Im übrigen liegt die neue Steuerschätzung mit ihren Ergebnissen im Rahmen der Schätzmarge. Es gab für uns überhaupt keine Notwendigkeit, hier nervös zu werden. Wir haben dennoch gesagt: Machen wir eine neue Steuerschätzung, sehen wir, woran wir sind. Diese 1,3 Milliarden DM, die wir jetzt beim Bund zurückschrauben müssen, liegen, wie gesagt, im Rahmen der Schätzmarge. Im übrigen: Wenn Sie, Herr Dr. Althammer, die Frage stellen, ob wir weitere Steuerausfälle zu erwarten haben, dann möchte ich Sie fragen: Was soll diese Frage? Liegt sie auf der Ebene von Sonthofen? Liegen hier weitere Hoffnungen und Spekulationen bei Ihnen auf der Ebene von Sonthofen? Oder ist es echte Sorge? Sollten Sie echte Sorge haben, dann sollten wir miteinander dafür sorgen, daß die Schwarzmalerei bei der Opposition aufhört, damit sich endlich auch psychologisch der beginnende Konjunkturaufschwung durchsetzen kann.
({1})
Keine Zwischenfragen!
Meine Damen und Herren, in jedem Falle möchte ich jenseits jeder Polemik als Bundesfinanzminister dem Haushaltsausschuß, insbesondere seinem Vorsitzenden, sehr herzlich danken für die sachliche Arbeit.
({0})
Ich glaube, wir alle hier im Hause schulden den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für Ihre Leistungen großen Dank.
Wenn man sich diese Beratungen im Haushaltsausschuß ansieht, dann stellt man plötzlich auch fest, daß sich die ganze Debatte, die hier so leidenschaftlich angefangen hat, auf ganz wenige Streitpunkte reduziert; denn 99,6 0/o aller Ansätze im vorliegenden Etat - 99,6 0/o! wurden einvernehmlich zwischen Opposition und Koalition verabschiedet.
({1})
Unterschiedliche Auffassungen - allerdings von finanziellem Gewicht, das will ich hinzufügen gab es nur nur bei einigen Schätzansätzen. Dies sollten wir hier in der Debatte einmal zur Kenntnis nehmen, um uns das Gewicht und die Eindringtiefe oppositioneller Haushaltspolitik anzusehen.
So haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt, den Ansatz für das Kindergeld um 1 Milliarde DM zu reduzieren. Ich kann - ganz offen - diese Forderung auch heute noch nicht begreifen. Wir haben doch hier ein Gesetz gemacht. Wir wollen doch hoffentlich wohl alle, daß alle Kinder, die in unserem Land leben, von diesem Gesetz Gebrauch machen und das Kindergeld erhalten. Wenn wir alle wollen, daß die Bürger die Anträge bei den Arbeitsämtern stellen und daß das Kindergeld ausgezahlt wird, hat es doch überhaupt keinen Zweck, ausgerechnet diesen Ansatz zu kürzen. Was soll denn das? Das hat doch keinen Sinn, es sei denn, dies wäre ein reiner Propagandaantrag, der sich am Ende des Jahres als das entlarvt, was er ist, nämlich als ein Antrag, der die Regierung am Ende des Jahres dadurch in Schwierigkeiten bringen soll, daß sie mit ihren eigenen Haushaltsansätzen nicht über die Runden gekommen ist. Es kann auch sein, Sie haben die Hoffnung, daß Sie beim Kindergeld etwas sparen können, weil nicht alle die Anträge stellen. Entweder - oder. Wenn Sie beides verneinen, bitte ich darum, daß Sie unseren Ansatz akzeptieren, weil er logisch ist und auf den Ansprüchen, die wir zu erwarten haben, berechnet ist.
({2})
- Wir werden auf das letzte Jahr zurückkommen, Herr Althammer.
({3})
Oder nehmen wir einen anderen Kürzungsantrag, den Sie uns im Haushaltsausschuß serviert haben und vielleicht hier erneut servieren werden. Ich meine den Ansatz für die Europäischen Gemeinschaften. Sie wissen doch genau wie ich, daß das, was vielleicht an Reserven in dem Ansatz für die Europäischen Gemeinschaften enthalten war, durch die Entwicklung in Brüssel inzwischen - und wir haben erst Mitte März! - verbraucht ist, durch den Beschluß zum Regionalfonds, den alle Fraktionen hier begrüßt haben, durch die letzte Agrarpreisanhebung und durch andere Brüsseler Beschlüsse.
({4})
Ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: Für mich als Finanzminister ist es ein sehr unangenehmes Gefühl, Mitte März zu wissen, daß meine Ansätze für Brüssel erschöpft sind, um so mehr, da ich weiß, daß Brüssel noch einige Überraschungen in petto haben könnte. Insofern bitte ich wirklich darum, hier nicht erneut einen fiktiven Kürzungsantrag zu stellen, der für die Insider im Haushaltsausschuß auch gar nicht vertretbar ist, da der Ansatz für Brüssel und die Reserven, die wir für Brüssel vielleicht hatten, längst ausgeschöpft sind.
Herr Finanzminister Apel, können Sie in diesem Zusammenhang die Aussage eines Ihrer Mitarbeiter im Wirtschaftsausschuß des Bundestages bestätigen, daß die Bundesregierung nicht vorhätte, die Rückflußmittel des europäischen Regionalfonds für Zwecke der regionalen Strukturpolitik einzusetzen, sondern beabsichtige, sie in den allgemeinen Haushalt einzustellen und damit allgemein zu verbuttern?
({0})
Ich kann dieses nicht bestätigen. Ich kann Ihnen dazu folgendes sagen.
({0})
- Herr Schröder, Sie hören ja, daß Mitglieder des Wirtschaftsausschusses diese Aussage bestreiten. Herr Ehrenberg, lassen Sie mich dazu kühl und gelassen doch folgendes erklären. Wir haben einige Schwierigkeiten mit den Briten hinsichtlich der Durchführungsregelungen beim Regionalfonds gehabt. Wir haben darauf bestehen müssen, daß es ein Mindestmaß an Erfolgskontrolle gibt, daß also hier nicht einfach ein horizontaler Finanzausgleich stattfindet, daß nicht einfach alle Mitgliedsländer das Geld in ihre Taschen stecken - und damit Ende der Durchsage. Wir haben vielmehr gesagt: Wir wollen sehen, was ihr mit dem Geld macht. Dies haben wir nach langen Mühen beschlossen. Nun wird in Brüssel gemeinsam darüber zu reden sein, wie das Geld eingesetzt wird. Wir werden ein zusätzliches Problem zu besprechen haben, nämlich wie in einem föderalen Staat eine eventuelle Mitfinanzierung der Länder möglich wird. Hier sind also, um es konkret zu sagen, eine ganze Reihe von Fragen offen, die es nicht möglich machen, Ihre Frage mit Ja oder Nein zu beantworten. Wenn sie einer mit Ja oder Nein beantwortet haben sollte, hat er das ohne die Autorisierung durch den Finanzminister getan.
Ohne jetzt weiter in die Einzelheiten gehen zu wollen, möchte ich sagen, daß sich Kürzungsanträge der Opposition im Haushaltsausschuß auf eine Reihe von Ansätzen dieser Art bezogen: Kindergeld, EG-Beitrag, Sparförderung. Ich bin froh darüber, daß die Koalition diese Kürzungsanträge abgelehnt hat, weil sie unsolide sind, weil sie in der Tat an den finanziellen Realitäten vorbeigehen.
({1})
Wenn man das zusammenfaßt, stellt man fest: Ihre Alternativen - Herr Althammer, Sie haben das eben durch Ihre Rede sehr deutlich gemacht - bestehen aus zweierlei. Zum einen denken Sie an Kürzungen bei Schätzgrößen wie Kindergeld, Wohnungsbauprämien, Sparprämien, EG-Anteil, ohne daß das irgendwelchen Einfluß auf die tatsächlichen Ausgaben des Bundes hat. Dies ist Fiktion - noch nicht einmal Science-fiction, sondern nur Fiktion. Zum anderen wollen Sie uns eine globale Minderausgabe von 2,5 Milliarden DM präsentieren, die nicht erwirtschaftet werden kann.
({2})
- Augenblick! Nun konfrontieren Sie mich in diesem Zusammenhang natürlich mit der globalen Minderausgabe von 720 Millionen DM, die die Koalition eingesetzt hat.
Ich füge im übrigen hinzu, besonders glücklich über diese Minderausgabe von 720 Millionen DM ist der Finanzminister nicht. Dieses will ich ohne weiteres zugeben. Nur, meine Damen und Herren, 720 Millionen DM kann ich vielleicht im Jahre des
Heils 1975 einsparen. Eine Einsparung von 2,5 Milliarden DM ist aber angesichts der Tatsache, daß der Haushaltsausschuß rigoros durch den Haushalt durchgegangen ist, eine Vielzahl von konsumtiven Ansätzen gekürzt hat, eine Vielzahl von Umschichtungen vorgenommen hat, nicht realistisch. Ich sage deswegen: was Sie uns hier als Alternative zur Haushaltsführung des Bundes vorschlagen, ist nicht realistisch.
({3})
Sie, Herr Kollege Althammer, haben in bewegten Worten die Haushaltsituation des Bundes im Jahre 1975 geschildert. Sie haben uns aufgefordert, zu sparen. Ich bitte die Opposition darum, daß sie es nicht bei diesen generellen Appellen beläßt, ich bitte darum, daß wir konkrete Anträge bekommen, bei welchen Haushaltstiteln echte Einsparungen möglich sind, und zwar nicht Kleckerbeträge, sondern in Höhe der 2,5 Milliarden DM, die Sie als globale Minderausgabe abgezogen wissen wollen.
({4})
Ich bin gegen Pseudoanträge, weil sie niemandem nützen, sondern nur das übliche Scharmützel darstellen, zu dem sich die Opposition augenscheinlich verpflichtet fühlt, ohne allerdings Alternativen anbieten zu können.
({5})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem weiteren Problem kommen, das der Herr Kollege Althammer hier angesprochen hat, das auch gestern in der Debatte eine Rolle gespielt hat: Haushalt 1975 und Konjunkturlandschaft. Ich begreife Ihre Argumentation auch in diesem Punkte überhaupt nicht. Ich denke, Sie selber begreifen sie auch nicht.
Was wollen wir denn eigentlich 1975? Um was geht es denn in diesem Haushaltsjahr 1975? Es geht doch wohl darum, den Beitrag zur Belebung der Wirtschaft zu leisten, den wir als Bundesgesetzgeber über Konjunkturprogramme, über Mobilitätszulagen bei den Arbeitnehmern, über den Anreiz der Investitionen der Privatwirtschaft, aber auch über den Bundeshaushalt leisten können. Ich bitte sehr darum, den Haushalt und das Haushaltsdefizit 1975 als einen aktiven Teil der Belebung der Konjunktur anzusehen.
({6})
Ich war am Dienstag im Finanzministerrat der EG. Meine Kollegen waren in den letzten Wochen in den Gremien der OECD. Was hören wir dort? Dort hören wir folgendes: Ihr Bundesdeutschen habt zusammen mit den USA und Japan eine ganz besondere Verantwortung dafür, daß die Weltkonjunktur wieder flott wird. Ich glaube, diese Verantwortung kann von niemandem in diesem Hause geleugnet werden, weil wir das erste oder zweite Welthandelsland sind, je nachdem wie wir rechnen. Sie fordern uns auf, eine noch expansivere Politik zu machen. Und wenn wir sie fragen, worin diese Politik bestehen soll, nachdem die Bundesbank die Zinsen gesenkt hat und nachdem die Tarifabschlüsse
der Arbeitnehmer in bewundernswerter Weise draußen als verantwortungsbewußt anerkannt werden, sagen sie uns: Ihr müßt euch noch stärker verschulden, ihr müßt eine noch stärkere expansive Haushaltspolitik führen und fahren. So die OECD, so die EG-Finanzminister.
({7})
Ich habe dieses abgelehnt. Ich habe ihnen gesagt, unsere Expansionsmaßnahmen, die wir ergriffen haben, reichen. Wir werden keine zusätzlichen Konjunktuprogramme ins Auge fassen. Allerdings werden wir die Haushaltsverschuldung von 22,76 Milliarden DM bewußt hinnehmen und eben nicht Kürzungen à la Brüning vornehmen. Sie schwanken immer zwischen Brüning und Keynes, Herr Althammer.
({8})
Sie müssen sich entscheiden. Man kann die Argumente nicht beliebig austauschen. In dieser rezessiven Phase gibt es eine Argumentationslinie und die muß durchgehalten werden. Wir liegen auf der Argumentationslinie Keynes, weil wir wissen, was Brüning uns eingebrockt hat. Wenn das also so ist, dann bitte ich sehr darum, daß wir nicht versuchen, mit dem Haushaltsdefizit 1975 in eine falsche Schlachtordnung einzurücken.
Und nun wollen wir uns einmal dieses Haushaltsdefizit 1975 ansehen. Wie setzen sich denn diese 22,76 Milliarden DM zusammen? Erster entscheidender Posten sind die weit über 8 Milliarden DM Steuerausfälle auf Grund der Rezession. Ich frage die Opposition - und die Opposition muß darauf eine Antwort geben, weil sie meint, eine Alternative zu unserer Haushaltspolitik zu haben -, ob diese 8,1 Milliarden DM Steuerausfälle wegen der flauen Konjunktur vielleicht durch Ausgabenkürzungen -wenn ja, wo? - oder über Steuererhöhungen ausgeglichen werden sollen.
({9})
- Sie weichen schon wieder aus, Herr Schröder. Sie wollen keine Antwort geben, weil Sie keine Antwort geben können. Das ist doch das Problem.
({10})
Wir sagen: diese konjunkturbedingten Steuerausfälle nehmen wir bewußt hin. Wir betreiben bewußt durch die öffentliche Nettokreditaufnahme antizyklische Politik, das heißt eine Politik der Stabilisierung und der Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung.
({11})
Ein zweiter Posten im Rahmen dieser 23 Milliarden DM, meine Damen und Herren von der Opposition, sind die Ausfälle beim Bund auf Grund der Steuerreform in Höhe von 7,4 Milliarden DM. Nun können Sie sagen - und ich komme darauf noch kurz zurück -, dies sei nicht Ihre Steuerreform gewesen. Nur eines sage ich Ihnen: Die vielfältigen, sich oft widersprechenden Anträge der Opposition, die teilweise unter dem Motto „Inflationsentlastungsgesetze" liefen, wären für die öffentliche Hand mindestens ebenso teuer gewesen wie die Steuerreform.
({12})
Insofern können Sie sich aus diesem Defizit auch nicht herausmogeln. Dies haben Sie gewollt - mit dem Unterschied, daß Sie die Gieskanne verwenden wollten, und zwar nach dem Motto: „Für die Reichen viel Steuerersparnis, für die Ärmeren weniger!"
({13})
Dann bleibt ein letzter Posten. Wir haben Ende 1973 dem Drängen der Bundesländer nachgegeben und eine Umsatzsteuerneuverteilung für drei Jahre beschlossen, insbesondere um die finanzschwachen Länder besserzustellen. Auch sie kostet 1975 2,5 Milliarden DM. Dagegen werden Sie nichts einzuwenden haben.
Wenn wir dies alles zusammenzählen, bleiben Defizite auf Grund vorher beschlossener Gesetze, gesetzlicher Verpflichtungen oder internationaler Verpflichtungen in Höhe von 4,8 Milliarden DM. Man kann darüber debattieren, ob das zu hoch ist oder nicht. Ich halte es für nicht zu hoch, sondern für angemessen.
In jedem Falle bricht nach dieser Darstellung Ihre Argumentation, das Defizit des Bundeshaushalts 1975 sei die Konsequenz von Reformplänen, die nicht realistisch gewesen wären, völlig in sich zusammen. Das Defizit 1975 ist dagegen die Konsequenz von Steuereform und Rezession, Steuerumverteilung zugunsten der finanzschwachen Länder und zu einem bescheidenen Teil Konsequenz früher beschlossener Gesetze. Nur darüber können Sie reden. Alles andere haben Sie mitbeschlossen, mitverantwortlich gewollt, und deshalb können Sie sich nicht darüber aufregen.
({14})
Meine Damen und Herren, Ihre Argumentation ist doppelzüngig.
({15})
Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann hätten wir seit 1970 - seit Beginn der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition - 27 Milliarden DM mehr ausgegeben. Dies entspricht Ihren Anträgen, die nicht draußen irgendwo gestellt wurden, sondern hier im Parlament lagen, und wir haben uns oft unpopulär und unbeliebt machen müssen - auch bei unseren Wählerschichten -, indem wir Ihre Propagandaanträge im Interesse der finanziellen Solidität abgelehnt haben.
({16})
Nun sagte Herr Kollege Strauß gestern, man solle - und das habe die CDU/CSU auch beschlossen - doch in Zukunft von seiten der Opposition alle ausgabenwirksamen Anträge einstellen. Ich finde das sehr gut. Nur richten Sie dann bitte diese AufDeutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 159. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 20. März 1975 11103
forderung auch an die Bundesländer. Wie ist denn das vor sich gegangen? Am 6. November letzten Jahres haben Sie augenscheinlich diesen Beschluß gefaßt, von seiten der Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag keine neuen ausgabewirksamen Anträge zu stellen.
({17})
- Lieber Herr Kollege Stücklen, wie wollen Sie mir denn erklären, daß Bayern - Sie kommen ja aus diesem Lande - den sogenannten Verlustrücktrag zur Einkommen- und Gewerbesteuer beantragt hat, der 500 Millionen DM kosten würde? Wissen Sie eigentlich, daß Bayern die Investitionszulage von 7,5 auf 10 % anheben will - ebenfalls ein Gesetzentwurf -; kostet 700 Millionen DM!
({18})
Wo liegt denn hier eigentlich die Solidität? Sie reden doch mit zwei Zungen. Hier sagen Sie: Keine neuen Anträge. Über Ihre bayerische Landesregierung lassen Sie im Bundesrat alles weiterlaufen wie bisher. Ganz zu schweigen davon: Sie gehen doch draußen im Lande weiterhin schwanger mit teueren Gesetzentwürfen. Wie ist das denn mit erhöhten Abschreibungen für Investitionen für Forschung und Entwicklung, die Herr Strauß gefordert hat? Die Verbesserung der Sonderausgaben - Herr Häfele hat das gefordert - wird nach unseren Rechnungen 2,5 Milliarden DM kosten. Herr Strauß: Senkung der Vermögensteuer, eine Milliarde DM. Bei der Gewerbesteuer Verzicht auf die Hinzurechnung von Dauerschulden: 2,6 Milliarden DM. Ich sage Ihnen: So können Sie Finanzpolitik nicht betreiben.
({19})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stücklen?
Ja natürlich. Bitte.
Herr Minister Apel, ist Ihnen bewußt, daß diese Vorschläge, die wir erarbeitet haben, nur dann realisiert werden können, wenn wir wieder geordnete finanzielle Verhältnisse
({0})
und ein entsprechendes Wirtschaftswachstum haben?
({1})
Bei dieser Politik, die Sie zu verantworten haben, sind diese Vorschläge nicht zu realisieren.
({2})
Herr Kollege Stücklen, darauf sage ich Ihnen folgendes. Dann müßte Herr Strauß bei jeder Gelegenheit sagen: Ich habe hier ein Alternativprogramm; das kommt demnächst zur Geltung. Aber er verkauft diese Forderung hier und draußen als das Alternativprogramm zu unserem Konjunkturprogramm.
({0})
Aber, Herr Kollege Stücklen, Sie haben mir ein gutes Stichwort gegeben.
({1})
- Lassen Sie mich auch einmal einen Augenblick zu Wort kommen. - Ich möchte jetzt mit Ihnen darüber reden, wie es denn mit der Staatsverschuldung in unserem Lande ist, ob es stimmt, was Sie landauf, landab, auch hier im Bundestag, von der Schuldenlawine sagen.
({2})
- Ja, nehmen wir uns doch einmal die Zahlen nüchtern vor, Herr Haase. Ich weiß nicht, ob Ihnen das möglich ist; aber lassen Sie uns das versuchen.
Wie sehen die Zahlen aus? Staatsverschuldung Ende 1973 - ich gebe zu, das ist ein Jahr her, aber internationale Vergleichsmaßstäbe neuerer Art haben wir nicht; das hat sich in der Tendenz aber nicht geändert -: USA 8 307 DM
({3})
- ja, Sie mögen die alten Platten nicht hören, weil sie immer noch gut sind, Herr Wohlrabe; das liegt an Ihnen, ich kann nichts dafür -,
({4})
Großbritannien 6 162 DM, Schweiz 4 057 DM, Italien 2 800 DM, und dann kommt erst die Bundesrepublik.
({5})
- Ich bitte Sie: Ende 1973 ist von Ihrer Politik nicht mehr die Rede gewesen, Herr Kollege Stücklen. Sie träumen von Ihrer eigenen Jugend.
({6})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leicht?
Nein.
({0})
Lassen Sie uns jetzt über die Bundesschulden sprechen. Hier wird ja auch die Lawine an die Wand gemalt.
({1})
- Dann wollen wir uns die Zahlen angucken, wenn Sie sagen: das stimmt. Dann werden Sie sich ein Urteil bilden bzw. Sie werden es revidieren müssen.
Nettokreditaufnahme des Bundes 1970 1,1 Milliarden DM; 1971 1,4 Milliarden DM; 1972 4,0 Milliarden DM; 1973 2,.7 Milliarden DM. In demselben Zeitraum Stillegung von Steuermitteln zur Beruhigung der Konjunktur in Höhe von 3,6 Milliarden DM, Auflage einer Stabilitätsanleihe in Höhe von 2,5 Milliarden DM, die ebenfalls stillgelegt wird.
({2})
Das heißt mit anderen Worten: vier Jahre lang solide Haushaltsfinanzierung.
Unsere Probleme beginnen 1974 mit der Rezession - 1974 Steuerausfall 5,6 Milliarden DM wegen der Rezession - und setzen sich 1975 fort. Über die Zusammensetzung der Staatsverschuldung 1975 habe ich gesprochen.
Nun sage ich: Das, was das letzte Mal von Herrn Strauß als Quatsch bezeichnet wurde in einem Zwischenruf, stimmt weiterhin. Es stimmt, daß wir Ende 1975, bezogen auf das Volumen des Bundeshaushalts 1975, eine geringere Verschuldungslast beim Bund haben werden als Ende 1968 im Ausgang der letzten Rezession zu Zeiten des Finanzministers FranzJosef Strauß. Dieses stimmt.
({3})
- Natürlich ist das vergleichbar. Inzwischen haben sich das Bruttosozialprodukt um 100 % und der Bundeshaushalt um 105 % erhöht. Man muß natürlich die richtigen Vergleichsmaßstäbe wählen. Nicht die Sie wollen, à la Sonthofen, sondern die, die ökonomisch richtig sind.
({4})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maucher?
Nein! - Wenn ich mir im übrigen in diesem Zusammenhang das ansehe, was mein amerikanischer Finanzministerkollege Simon als bewußtes Haushaltsdefizit 1975 hinnehmen muß, nämlich 120 Milliarden DM - und jede fachmännische Meinung sagt mir, daß das sehr viel höher sein wird -, dann ist Ihr Gerede vom Staatsbankrott nicht nur dumm und falsch, sondern höchst provinziell; denn es kommt nun wirklich darauf an, weltweit durch antizyklische Politik die Rezession zu überwinden.
({0})
- Ich sage nur eins, wir haben weltweit Rezession. Wenn Sie in diesem Lande Brüning betreiben wollen oder sich nicht einig sind, was Sie wollen, dann kann ich nur sagen: Wir wissen es.
({1})
Wir wollen die Rezession bekämpfen, und wir wollen die Voll-, die hohe Beschäftigung wieder herstellen.
({2})
Ich kann im übrigen Ihre Aufregung nicht verstehen. Ich habe am 20. Februar hier eine Rede des finanzpolitischen Sprechers der CDU/CSU, Herrn Strauß, vom 25. April 1969 vor dem Deutschen Sparkassentag zitiert, in der immer wieder deutlich gemacht wird, daß es zur antizyklischen Haushaltspolitik damals wie heute in rezessiven Phasen keinerlei Alternative gibt. Wir befinden uns hier in Übereinstimmung mit der Deutschen Bundesbank, mit den wissenschaftlichen Instituten, mit dem Konjunkturrat und mit den Sachverständigen. Ich bin also dafür, daß Sie endlich klarmachen, daß Sie entweder dieser Argumentation auch zustimmen oder aber Ihre Brüningsche Alternative sichtbar machen. Dazwischen hin- und herschwanken lasse ich nicht zu.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie haben in diesem Zusammenhang davon gesprochen, daß die Grenze des Art. 115 erreicht ist. Herr Kollege Althammer, Sie wissen genau, daß das nicht stimmt. Wir sind mit 22,76 Milliarden DM Neuverschuldung weit von dieser Grenze entfernt.
({4})
- Ja, weit von dieser Grenze entfernt! - Im übrigen wissen Sie hoffentlich, falls Sie einmal in das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz geschaut haben, daß es in einer rezessiven Phase, absichtlich so von der Großen Koalition formuliert, zusätzliche Neuverschuldungsmöglichkeiten geben muß, damit man der Rezession zu Leibe rücken kann.
Wir haben jetzt 21/2 Monate Haushaltsfinanzierung hinter uns. Wir stellen fest, daß wir für die Finanzierung des Bundeshaushalts 1975 überhaupt keine Probleme haben. Ich werde hier nicht die Zahlen ausbreiten können. Ich kann Ihnen nur sagen, wir liegen in einer hervorragenden Finanzierung. Das liegt daran, daß die Ersparnisse der privaten Haushalte weiter zunehmen. Das ist ein unübersehbarer Vertrauensbeweis in die Stabilität unserer Währung und in die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation in unserem Land. Da die anderen Kreditnehmer sich zurückhalten, sage ich Ihnen, wir werden den Bundeshaushalt 1975 ordentlich finanzieren. Wir werden ihn finanzieren, ohne den Kapitalmarkt zu strapazieren. Wir werden ihn finanzieren, ohne die Zinssätze erneut nach oben zu treiben.
({5})
- Falls Sie dies bestreiten, hochverehrter Herr Haase, bitte ich darum, daß Sie Ihre Alternativen hier sichtbar machen. Die könnten dann ja wohl nur darin bestehen, daß Sie Steuern erhöhen oder daß Sie die Investitionen kappen wollen; denn was den konsumtiven Bereich anlangt, so sind Sie uns bisher jede Antwort schuldig geblieben, wo Sie zusätzlich kürzen wollen.
({6})
- Mein Tisch besteht darin, daß ich in diesem Jahr einen antizyklischen Haushalt führen und nirgends mehr kürzen werde, sondern endlich die Konjunktur stabilisieren will. Sie wollen mich augenscheinlich daran hindern. Nur werden Sie da keinen Erfolg haben.
({7})
Wir - oder genau: ich - sind gestern zweimal auf die Steuerreform angesprochen worden. Lassen Sie mich dazu nur einige wenige Bemerkungen machen. Ich habe inzwischen festgestellt, daß genau das eingetreten ist, was ich am 20. Februar hier prognostiziert habe. Am 20. Februar habe ich gesagt: die Opposition distanziert sich jetzt von der Steuerreform, sie hat nichts mehr damit zu tun; wenn sie allerdings merkt, daß die Steuerreform draußen anerkannt wird, dann wird sie wieder auf den Reformzug als Reformtrittbrettfahrer aufspringen. Genau das ist der Fall. Herr Kollege Gaddum - er ist ja da , mit Freuden habe ich Ihren Brief gelesen, den Sie wenige Tage vor Ihrer Landtagswahl an die Bürger des Landes Rheinland-Pfalz verschickt haben. Ich zitiere wörtlich:
In diesem Jahre - so Herr Gaddum werden für viele Lohn- und Einkommensteuerzahler steuerliche Erleichterungen eintreten. Zudem ist der Zeitpunkt auch wirtschaftspolitisch günstig, weil es wichtig ist, die Konjunktur durch die private Nachfrage zu stützen.
({8})
Herr Kollege Gaddum, ich kann Ihnen - wie oft - auch in dieser Frage zustimmen. Zweckmäßig wäre es nur, daß Sie Herrn Carstens das erzählen, daß das so ist, und auch Herrn von Weizsäcker; der hat es noch nicht begriffen.
({9})
Im übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie hier gesprochen haben und die Steuerreform immer noch kritisieren: Wie wär's denn, wenn Sie den Parteivorsitzenden Kohl nun endlich dazu brächten, seine Ankündigung wahrzumachen, nämlich die, eine unabhängige Kommission von Sachverständigen einzusetzen, um die nach Ihrer Meinung fehlerhafte Steuerreform zu untersuchen! Dies haben Sie doch Ende Januar angekündigt. Wo bleiben denn nun Ihre Schritte? Wo bleiben, Herr Häfele, Ihre Gesetzentwürfe, um die Steuerreform - auch dieses haben Sie angekündigt - besser zu machen?
({10})
Sie können sich doch nun nicht so davonstehlen und im nordrhein-westfälischen Wahlkampf wieder sagen, dies sei Ihre Steuerreform. Bitte, etwas mehr Konsequenz!
({11})
Und damit bin ich bei einer der Kehrseiten der Steuerreform, nämlich bei den bereits von Ihnen,
Herr Kollege Althammer, angesprochenen Verhandlungen mit den Bundesländern über den Ausgleich der Konsequenzen der Steuerreform.
Lassen Sie mich dazu eine Vorbemerkung machen. Sie haben mir hier empfohlen, den Gesamtplan zur Abstimmung von Ausgaben und Einnahmen zwischen Bundesländern und Bundesregierung doch ernst zu nehmen. Ich sage Ihnen ganz offen: ich nehme das sehr ernst. Heute ist ja der Tag der Presseverlesungen. Und hier komme ich noch einmal auf Herrn Heubl zurück, über den wir schon gesprochen haben. Der hat da also eine andere Meinung. Er sagte - und dies steht wieder in Anführungszeichen Rechtsstaatlich klar geregelte Zuständigkeiten, Zuordnungen und Verantwortlichkeiten werden verwischt und beginnen, sich aufzulösen.
({12})
- Aber natürlich, ich bitt' Sie! Darüber müssen Sie sich doch im klaren sein: Sie können doch nicht auf der einen Seite die Verantwortung für die Ausgaben und Einnahmen auch bei den Ländern dem Bund zuschieben und auf der anderen Seite gleichzeitig sagen: Wir bleiben aber vornehm unabhängig. Das kann ich Ihnen sagen: Der Innenausschuß des Bundesrates hat die Problematik sehr genau erkannt. Wenn wir diesen Weg gehen, führt er zu einem teilweisen Verlassen des Weges des kooperativen Föderalismus, es sei denn, Sie wollten ein Schattenboxen veranstalten. Hier muß man nun ganz klar sagen: Herr Heubl hat die Problematik erkannt.
Aber ich möchte das Ganze in einen anderen Zusammenhang stellen. Ich bin sehr dafür, daß wir zu einer derartigen Absprache kommen, aber doch nur, wenn die Bundesländer nun endlich bereit sind, auch ihren Anteil der Lasten an der Steuerreform zu übernehmen.
({13})
Ich hoffe sehr, daß auch die Damen und Herren von der Opposition hier zusammen mit mir die Bundesposition vertreten, und die Bundesposition heißt auf Grund aller Rechnungen, die wir aufgestellt haben, unwidersprochen: 5,3 Milliarden DM hat der Bund von den Ländern zu bekommen; dies sind 9,7 Umsatzsteuerpunkte. Es müßte auch Ihr Interesse sein, diese Forderung der Bundesregierung, die natürlich die Forderung dieses Parlaments sein muß, weil Sie der Souverän sind und Sie das Budget aufstellen, zu unterstützen. Ein klares Wort dazu habe ich von Ihnen, Herr Althammer, leider vermißt.
({14})
Im übrigen ist es ja peinlich, wenn man sieht, daß ein Bundesland wie Schleswig-Holstein zur Zeit in verschiedener Hinsicht operiert. Herr Stoltenberg setzt in seinem Landesetat Null DM, also nichts, zum Ausgleich der Konsequenzen der Steuerreform ein.
({15})
- Dies ist nicht unerhört, dies ist so im Haushalt; so ist das! Herr Stoltenberg vertröstet uns auf eine fernere Zukunft. Herr Stoltenberg will mit seinem Haushalt nur über seinen Wahltermin kommen. So ist das, hochverehrter Herr Althammer.
({16})
- Sie können mich nicht daran hindern, weiterhin festzustellen, daß es nur ein Land in der Bundesrepublik gibt, das überhaupt keinen Ansatz für den Ausgleich der Konsequenzen der Steuerreform hat. Das ist das Land Schleswig-Holstein, das Land, das jede sechste Mark nur deswegen ausgeben kann, weil sie ihm aus dem Bundeshaushalt zufließt.
({17})
Und im übrigen - das sage ich Ihnen ganz offen - berührt es mich im höchsten Grade unangenehm, wenn ich feststellen muß, daß ausgerechnet auch in Schleswig-Holstein in diesen Tagen eine unpassende Empfehlung der Tarifgemeinschaft der Länder vom 13. Januar sehr intensiv befolgt wird. Ich habe hier einen Brief des Kreisausschusses des Kreises Sege-berg - der natürlich mehrheitlich von der CDU beherrscht wird ({18})
vor mir liegen, und da steht, daß es nach dem Kindergeldgesetz dann, wenn ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und der Ehepartner entweder Hausfrau oder nicht beschäftigt oder in der Privatwirtschaft ist, möglich ist, daß ab 1. Juli dadurch, daß der Partner, der nicht im öffentlichen Dienst ist, das Kindergeld beantragt, die Gemeinde, der Kreis, das Land sich von diesem Kindergeld befreit. Und da schreibt dieser Kreis Segeberg - und augenscheinlich tut der Herr Ministerpräsident Stoltenberg nichts dagegen -:
({19})
Sie werden Verständnis dafür haben, wenn wir Sie darum bitten, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und Ihren Ehegatten zu veranlassen, den beigefügten Antrag, der in einigen Punkten
- man ist dort sehr generös bereits von uns vorbereitet wurde, auszufüllen und umgehend bei dem zuständigen Arbeitsamt einzureichen.
({20})
Die Arbeitsämter zahlen das Kindergeld alle zwei Monate aus. Sie können sich vorstellen, daß durch diese Regelung der Haushalt des Kreises stark entlastet wird und die freiwerdenden Mittel für dringend erforderliche Maßnahmen verwendet werden können. Sollten Sie bei der Ausfüllung der Anträge Schwierigkeiten haben, so stehen Ihnen die Mitarbeiter der Personalabteilung jederzeit helfend zur Seite.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Skandal. Es ist ein Skandal.
({21})
Die Bundesländer treten mit uns bisher nicht in seriöse Verhandlungen über die Revisionsklausel ein, sie machen ungenügende Angebote, und obendrein lassen sie es wenigstens in diesem einen Fall zu - ein anderer Fall ist mir bisher nicht auf den Tisch gekommen -, daß gegen die Absprache gehandelt und erneut versucht wird, den Bund zu belasten. Wir alle zusammen werden uns zu überlegen haben, ob wir hier nicht gesetzlich einen Riegel vorschieben!
({22})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Konjunkturprogrammen machen. Herr Althammer hat darüber gesprochen. Ich kann Ihnen heute sagen, daß die Mittel für das erste Konjunkturprogramm vom Februar 1974 abgeflossen sind und daß das zweite Konjunkturprogramm vom September letzten Jahres in Abwicklung ist und seine Wirkungen zeigt. Insgesamt können wir feststellen, daß wir mit dem, was wir zusätzlich beschlossen haben, öffentliche Investitionen von 4,5 Milliarden DM bewegt und angeregt haben. Ich meine, Herr Kollege Althammer, dies ist in der Tat ein Beitrag der öffentlichen Hände zur Stabilisierung der Konjunktur, den auch Sie anerkennen sollten. Es ist falsch, wenn Sie sagen, wir hätten keine Schubladenprogramme. Wir sind durchaus in der Lage, weitere Investitionen vorzunehmen. Wir sagen nur eines: Es gibt keinen Grund, diese Debatte zur Zeit zu führen. Darüber werden wir uns sicherlich einig sein.
Ich möchte im Zusammenhang mit der Konjunkturbetrachtung allerdings erneut eine kritische Anmerkung machen. Wir - ich und mit mir die Bundesregierung - lehnen es ab, daß der Bundesrat - und zwar wiederum die christdemokratisch regierte Mehrheit - gesagt hat, daß sie bei der Investitionszulage von 7,5 %, die natürlich auch die Länder und die Gemeinden tragen müssen, es ablehnt, ihren Anteil zu tragen, und versuchen wird, ihren Anteil bei den Revisionsverhandlungen auf den Bund abzuwälzen. Ich finde dies wiederum sehr merkwürdig.
({23})
Auf der einen Seite partizipiert man und nimmt für sich - leider meistens nur zur Haushaltsfinanzierung - die Investitionssteuer und auch den Stabilitätszuschlag in Anspruch. Bei der Finanzierung des Wirtschaftsaufschwungs will man sich dagegen drücken, obwohl es auch im Interesse der Länder ist - auch der Christdemokraten, so hoffe ich -, daß wir die Konjunktur sehr bald wieder flottkriegen. Dieses ist nicht nur wichtig für unser Land, sondern ist auch die Voraussetzung dafür, daß die Steuerquellen kräftig sprudeln. Ich wenigstens
werde mit aller Kraft diesen Versuchen der CDU- regierten Länder widersprechen.
Im übrigen frage ich Sie, meine Herren vom Bundesrat und auch von der Opposition, wo nun eigentlich Ihre eigene Logik liegt.
({24})
Sie lehnen eine Mitfinanzierung durch die Bundesländer bei der Investitionszulage ab, bescheren uns aber dann am 21. Februar eine weitere steuerliche Entlastung, den Verlustrücktrag. Wie soll denn der finanziert werden? Soll der auch allein vom Bund getragen werden, und wenn nein, wo ist hier Ihre eigene fiskalische und ökonomische Logik?
({25})
Meine Damen und Herren, nur einige Sätze zu den Bemerkungen, die gestern hier über die Sparer in unserem Lande, über die Situation unserer Sparer, gemacht wurden. Wenn man im internationalen Geschäft tätig ist, stellt man eines fest: Es gibt so gut wie kein Land in der westlichen Welt, in dem die Sparer positive reale Zinssätze haben. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Einer meiner Kollegen im EG-Ministerrat hat mir dargestellt, wie das bei ihm aussieht: Zinssatz für den normalen Kredit und damit auch im Endeffekt für den Sparer 18 °/o; Preissteigerungsrate in diesem Land, das wir natürlich nicht nennen wollen, 25 %. So sieht es in fast allen Ländern und für die Sparer in diesen Ländern aus: sie bekommen einen hohen Zinssatz; aber die Inflation liegt weit darüber.
Bei uns ist es genau umgekehrt. Bei uns sinken zwar zur Zeit die Zinsen und dieses ist auch konjunkturpolitisch notwendig; Preisstabilität gewinnen wir aber noch schneller zurück. Deswegen lohnt es sich bei uns zu sparen, und deswegen wird bei uns auch so hoch gespart. Wir sind eines der wenigen Länder mit einem positiven realen Zinssatz. Nun bitte ich, dieses endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, Herr Kollege Schröder, und hier nicht ununterbrochen mit falschen Zahlen und gezinkten Karten zu arbeiten.
({26})
Anders wäre es ja wohl auch nicht zu erklären, wenn nicht bei uns diese hohe Preisstabilität herrschte, daß sich der Außenwert der D-Mark seit 1970 in rasanter Weise erhöht hat. Allein gegenüber dem Dollar hat sich der Außenwert der D-Mark um 52,2% erhöht, gegenüber der Lira um 57 %, gegenüber dem Pfund Sterling um 55 % und gegenüber dem französischen Franc um 22 %, und das bei weiterhin steigender Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auf dem Weltmarkt und bei wachsenden Devisenreserven.
Sowohl wir als auch unsere Partner können auch international das Bild, das Sie von unserer Republik zeichnen wollen, nicht nachzeichnen. Das gibt es auch nicht. Es ist eine Wunschvorstellung von Ihnen, die in Ihr politisches Kalkül paßt. Deswegen wird auch draußen immer weniger verstanden, was die Opposition eigentlich redet und von welchem Land sie redet; in jedem Fall nicht von der Bundesrepublik.
({27})
Herr Kollege Althammer hat über Haushaltsrisiken gesprochen. Ein Haushaltsrisiko, Herr Kollege Althammer, habe ich bereits angesprochen; es ist das Haushaltsrisiko Steuermindereinnahmen. Ich habe Ihnen gesagt: diese Steuermindereinnahmen nehmen wir bewußt hin; wir gleichen sie über Nettokreditaufnahme aus.
Sie haben über ein zweites Haushaltsrisiko - Deutsche Bundesbahn - gesprochen. Der Vorstand der Bundesbahn hat uns erklärt, daß er 1975 keine zusätzlichen Mittel vom Bund braucht. Ich nehme das zur Kenntnis. Im übrigen wird bei der Verkehrsdebatte zu diesem Thema mit Sicherheit Weiteres zu sagen sein.
Ich möchte mit Ihnen jetzt über das Haushaltsrisiko, wie Sie es nennen, wie ich es nicht nenne, Bundesanstalt für Arbeit sprechen. Sie zitieren in diesem Zusammenhang einen Brief des Bundesrechnungshofes. Man muß hinzufügen: einen Brief von Bediensteten des Bundesrechnungshofes. Das ist ein Unterschied. Dann muß man aber folgenden Satz hinzufügen:
Eigene Vorausschätzungen über die Höhe der Arbeitslosenquote,
- so heißt es in diesem Brief des Bundesrechnungshofes den Anteil der Kurzarbeit und andere für die finanzielle Belastung der Bundesanstalt für Arbeit maßgebende Faktoren stehen dem Bundesrechnungshof mangels eines eigenen prognostischen Instrumentariums nicht zur Verfügung.
({28})
Das heißt also, hier wird ein Brief geschrieben, hier wird über Zahlen gesprochen, und gleichzeitig sagen die Autoren dieses Briefes: Wir können aber überhaupt nicht beurteilen, ob die Grundlage unserer Zahlen stimmt, denn wir haben keine eigenen prognostischen Instrumente; die haben wir nicht zur Verfügung, und insofern wissen wir auch gar nicht, wie sich die Arbeitslosenquote entwickelt, wie sich die Kurzarbeit entwickelt. Ich will mir dazu jede Bemerkung ersparen. Aber wie dieser Brief zu bewerten ist, wozu er geschrieben worden ist, wird ja wohl nach diesem Zitat ziemlich deutlich, meine Damen und Herren.
({29})
Worin besteht nun das Problem bei der Bundesanstalt? Es besteht doch im wesentlichen, Herr Kollege Althammer - das wissen Sie genausogut wie ich - in zweierlei, einmal darin, daß in der Tat die Bundesanstalt für Arbeit durch das Arbeitsförderungsgesetz, das wir zusammen in der Großen Koalition beschlossen haben, zusätzliche Lasten zu tragen hat, und es besteht zweitens darin, und das ist doch das zentrale Problem, daß die Bundesanstalt ihre Reserven so stillgelegt hat, daß sie sie zur Zeit
nicht liquidieren kann. Also geben wir eine Liquiditätshilfe. Und nun lassen Sie uns doch nicht ununterbrochen die Themen verschieben.
Im übrigen, warum wollen Sie eigentlich unbedingt hier im Plenum erneut Zweifel daran anmelden, daß die Arbeitslosigkeit in diesem Jahre wesentlich reduziert wird? Was sollen denn diese Bemerkungen? Wollen Sie erneut auf der psychologischen Welle der Schwarzmalerei reiten, oder ist es nicht vernünftig, endlich mal die Dinge so zu nehmen, wie sie sind, und die Projektion im Jahreswirtschaftsbericht auch als Basis der Haushaltsberatungen zu nehmen?
({30})
Ich füge hinzu, daß ich durchaus zuversichtlich bin, was die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit anlangt. In jedem Falle füge ich zweierlei hinzu. Jeder Arbeitslose, jeder Kurzarbeiter, wie sich auch die Zahlen 1975 entwickeln werden, erhält seine Leistungen. Die sozialliberale Koalition hat erst zum Ende dieses Jahres die Leistungen verbessert und das Kurzarbeitergeld verlängert. Es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, daß jederzeit alles gezahlt wird. Wir werden das Netz sozialer Sicherheit nicht demontieren. Im Gegenteil.
({31})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Herr Minister, nachdem Sie eben Gründe für die Schwierigkeiten der Bundesanstalt dargelegt haben: sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Hauptgrund für die Schwierigkeiten der Bundesanstalt darin liegt, daß wir 1,2 Millionen Arbeitslose und über 900 000 Kurzarbeiter haben?
Ja, natürlich, das ist doch selbstverständlich. Die Frage ist doch nur: wie schnell kommen wir aus dem Konjunkturtal heraus? Hier müssen Sie uns Ihre Alternativen anbieten. Diese Frage ist doch ein Selbstgänger; das wissen Sie doch auch. Ich schicke doch das Geld dem Herrn Stingl nicht, damit er es anlegt, sondern damit er es weiterleitet an die Arbeitslosen und die Kurzarbeiter. Insofern kann ich Ihre Frage nicht begreifen.
({0})
Ich möchte zu den von Herrn Althammer angesprochenen öffentlichen Investitionen kommen und ihm insofern zustimmen, daß es in der Tat darauf ankommt, die öffentlichen Investitionen beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden hochzuhalten. Allerdings, Herr Kollege Althammer, wir sollten auch aufhören, eine etwas willkürliche Einteilung der öffentlichen Ausgaben in konsumtive und investive nun fortlaufend vorzutragen. Wer die Schule baut - das ist eine investive Ausgabe -, der wird ja wohl anschließend auch den Lehrer einstellen müssen; der ist eine konsumtive Ausgabe. Insofern bitte ich doch sehr darum, daß wir die Debatte relativieren. Relativieren auch deshalb, weil wir eine Einteilung in investive und konsumtive Ausgaben beim Bund haben - und die hat nicht diese sozialliberale Koalition erfunden -, die wiederum Fragen aufwirft. Kasernenbau ist konsumtive Ausgabe, während Darlehen, die der Bund schlechthin gibt, wo auch immer, investive Ausgaben sind. Insofern gibt es hier sicherlich auch Probleme der Logik, Sachlogik. Wir sollten bei Gelegenheit - nicht heute und jetzt - überlegen, ob wir nicht zu neuen Einteilungsformen kommen müssen. Nur: ich kann mich nur im Rahmen dieser Sachlogik bewegen, und da kann ich feststellen, daß es falsch ist, Herr Kollege Althammer, wenn Sie sagen, daß die Investitionsquote des Jahres 1975 so schlecht sei. Sie ist auf Grund der Konjunkturprogramme des Bundes wesentlich über dem Durchschnitt der Jahre 1965 bis 1970. Hier leisten wir - das weiß insbesondere mein Kollege Ravens - einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung, insbesondere der Beschäftigung im Hoch- und im Tiefbau.
Nur muß man hier auch eines hinzufügen. Wir können nicht nur dann von unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung schwärmen, wenn alles gut läuft. Wir müssen auch in der Rezession wissen, daß der Konjunkturaufschwung von der Wirtschaft selbst getragen werden muß. Die Politik der Bundesregierung hat dazu alle Vorraussetzungen geschaffen.
({1})
Sie erwarten von mir zu Recht einige Bemerkungen über die Haushaltsperspektiven der kommenden Jahre. Es ist durchaus angebracht, an dieser Stelle allen Finanzministern, allen Kabinetten, allen Stadtkämmerern, allen politischen Verantwortlichen im Lande zu sagen, daß die Finanzprobleme dieses Landes ernst sind und daß wir alle zusammen für die nächsten Jahre unter das massive Gebot der Sparsamkeit gestellt sind.
Eines aber, Herr Kollege Althammer, ist unrichtig - und ich denke, Sie wissen es auch besser -: zu sagen, wir könnten oder wollten vielleicht Haushaltsdefizite in den nächsten Jahren mit Hilfe der Notenpresse der Deutschen Bundesbank lösen. Sie wissen doch genausogut wie ich, daß das Bundesbankgesetz das überhaupt nicht hergibt. Es denkt niemand daran, es kann niemand machen; was soll diese Art von Verdächtigungen in dieser Debatte?
({2})
- Darüber will ich jetzt mit Ihnen sprechen.
Es gibt im Endeffekt hier eine sehr deutliche Iogische Abfolge, die wir bitte in der Debatte der nächsten Wochen und Monate zu beachten haben.
Erstens. Die Entwicklung der Steuereinnahmen hängt doch vorrangig davon ab, wie sich die Konjunktur entwickelt. Wir haben darüber gesprochen, daß allein der Bund mehr als 8 Milliarden DM dadurch verliert, daß wir in der Rezession sind. Punkt
Nr. 1 ist also die Wiedergewinnung einer hohen Beschäftigung. Dann sprudeln die Steuerquellen wieder kräftig. Damit Sie die Probleme deutlich haben, muß ich hinzufügen, das es stark davon abhängt, welche Art von Wiederaufschwung es sein wird. Wird es vor allem ein Exportboom sein, haben wir nicht nur zusätzliche Probleme mit unseren Nachbarn, die sich dann beschweren werden, daß sie weiter Devisenreserven an uns verlieren, sondern wir verlieren auch Steuereinnahmen dadurch, daß wir die Mehrwertsteuer beim Export zurückerstatten müssen. Mir wäre also eine binnenländisch beherrschte Wirtschaftskonjunktur auch fiskalisch sehr viel lieber, aber auch aus meiner Verantwortung für die Währungspolitik in unserem Lande. - Das ist also Punkt Nr. 1. Dies müssen wir alle wollen und mit aller Kraft dafür arbeiten, weil dann die Steuerquellen wieder kräftig sprudeln.
Dann kommt Punkt Nr. 2: Es kommt darauf an, nun möglichst bald eine faire Regelung der fiskalischen Konsequenzen der Steuerreform mit den Bundesländern zu erreichen. Wir müssen uns alle einig sein, daß wir hier nicht ohne Not und vielleicht von der Opposition getrieben Kompromisse akzeptieren, die nicht akzeptabel sind.
({3})
Und schließlich Punkt Nr. 3. Dies richtet sich wieder an uns alle: Wir alle haben diese Steuerausfälle gewollt, und wer A sagt, muß ja wohl auch B sagen, d. h. er muß sich bekennen zum Prinzip der Sparsamkeit bei der Aufstellung der Haushalte der öffentlichen Hände. Deswegen ist es auch falsch, wenn nicht sogar demagogisch, heute bereits über das Defizit des Bundeshaushalts 1976 in den bekannten Größenordnungen zu reden. Solange die oben genannten Fragen Konjunktur, Revisionsverhandlungen, Ausgaben der Haushalte der Länder, der Gemeinden und des Bundes nicht beantwortet werden können, fehlt doch jedes Datum für eine hinreichende exakte Beschreibung der Bedingungen, unter denen wir den Bundeshaushalt 1976 zu beschließen haben werden. Meine Pflichten sind mir klar: sparsamer Haushalt, die Bundesländer dazu bringen, daß sie das geben, was des Bundes ist, und so schnell wie möglich mithelfen, daß der konjunkturelle Aufschwung gelingt. Wer heute zu große Defizite an die Wand malt oder gar über Steuererhöhungen spekuliert, verkennt die logischen und sachlichen Abläufe, die wir uns vorgenommen haben. Er verkennt insbesondere, meine Damen und Herren, die Verpflichtung, die wir dem Steuerzahler gegenüber eingehen müssen. Diejenigen, die heute über Steuererhöhungen reden, wollen nur eines: die positiven Ansätze, die positiven Erkenntnisse der Steuerreform, soweit es geht, verdunkeln und vernebeln.
({4})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Herr Minister, warum haben Sie dann in die mittelfristige Finanzplanung für 1976 eine Nettoneuverschuldung von 20 Milliarden DM eingesetzt?
Hochverehrter Herr Althammer, wir werden, wenn wir den Bundeshaushalt 1976 aufgestellt haben, die mittelfristige Finanzplanung fortschreiben. Dies war ja auch eine Ihrer Fragen. Bei der Gelegenheit werden wir deutlich machen, wie sich die mittelfristige Verschuldung entwickelt.
Über eines sind wir uns doch beide heute hoffentlich im klaren, nämlich daß die mittelfristige Finanzplanung, die wir anläßlich des Bundeshaushalts 1975 aufgestellt haben, nicht mehr den Aussagewert hat, und zwar wegen der veränderten Konjunkturdaten, den sie haben sollte. Genau dieses gilt auch für die Finanzplanung der Jahre 1977 und folgende. Sie kann erst - mit Fug und Recht, mit Einsicht und Übersicht - aufgestellt werden, wenn die von mir angesprochenen Fragen offen geklärt sind.
Lassen Sie mich abschließen. Wir haben uns gestern und heute sehr genau die Vorschläge der Opposition angehört. Ich sage Ihnen ganz offen: Ihnen ist zur Haushaltspolitik des Bundes keine Alternative eingefallen. Sie haben die üblichen Schwarzmalereien entweder demagogisch oder mehr als oppositionelle Pflichtübung - so wie heute morgen - vorgetragen.
({0})
Dieser Bundeshaushalt 1975 paßt erstens in die konjunkturelle Landschaft. Er ist zweitens auch mit der Nettokreditaufnahme notwendig für den Wiederaufschwung. Er ist solide zu finanzieren. Die Konsequenzen aus der Steuerreform werden wir alle zu ziehen haben - Bund, Länder und Gemeinden -, wenn wir an die Aufstellung der Haushalte 1976 gehen. Dann werden wir auch wissen, wie es mit der Konjunktur geht. Heute kann allerdings auf diese Fragen keine hinreichende Antwort gegeben werden.
Ich bitte Sie deswegen darum, meine Damen und Herren, den Entwurf, so wie er aus dem Haushaltsausschuß gekommen ist - er muß noch durch Anträge verändert werden, um ihn an die neueste Entwicklung anzupassen -, am Ende zu akzeptieren. Es gibt dazu keine Alternative.
({1})
Das Wort hat der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Gaddum.
Staatsminister Gaddum ({0}) : Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Lassen Sie mich hier zu einigen Fragen Stellung nehmen, bei denen die Länder in besonderer Weise angesprochen worden sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede heute morgen verschiedentlich - und ich würde sagen: im Zusammenhang sicher richtig - die Länder mit angesprochen,
Staatsminister Gaddum
insbesondere auch im Zusammenhang mit Stellungnahmen der Opposition hier im Hause.
Sie meinten, Herr Kollege Apel, daß die Argumente der CDU/CSU zur finanzpolitischen Situation in der Bundesrepublik immer weniger von der Bevölkerung verstanden würden. Ich komme aus einem Land, das vor 14 Tagen eine Landtagswahl absolviert hat. Ich habe den Eindruck, die Wähler verstehen die Argumente von uns sehr gut.
({1})
Ich habe also von daher hinsichtlich der Möglichkeit, uns verständlich zu machen, die allerwenigsten Sorgen.
Lassen Sie mich vorweg zu einem Punkt der Debatte etwas sagen, von dem ich der Meinung bin, daß eine Korrektur erforderlich ist. In einer Rede des Herrn Bundeskanzlers ist gestern davon gesprochen worden, daß die Arbeitslosigkeit etwa im Lande Rheinland-Pfalz, für das ich die Ehre habe heute hier zu sprechen und das ist sicherlich eines der großen Probleme, mit denen wir uns gemeinsam auseinanderzusetzen haben , mit dadurch verschuldet sei, daß sich dieses Land und überhaupt die Länder nicht frühzeitig bereitgefunden hätten, die Fragen der wirtschaftlichen Strukturentwicklung in einer Gemeinschaftsaufgabe zusammenzufassen. Meine Damen und Herren, dies ist schlicht und einfach falsch. Diese Arbeit ist als Gemeinschaftsaufgabe - auch hinsichtlich der gemeinsamen Finanzierung - schon vonstatten gegangen, bevor überhaupt dieses hier gesetzlich kodifiziert worden ist.
({2})
Diese regionalen Strukturprogramme sind nach einem Modell aufgestellt worden, das im Lande Rheinland-Pfalz entwickelt und dort zum erstenmal in der Bundesrepublik ausprobiert worden ist. Alle anderen Länder der Bundesrepublik haben dieses Modell übernommen. Also auch von daher ist diese Behauptung falsch.
Auch hier kann ich mich auf die Wahlen beziehen. Der Herr Bundeskanzler hat bei der Eröffnung des sozialdemokratischen Parteitages vor der Landtagswahl in Kaiserslautern geglaubt, die Probleme der Arbeitslosigkeit im Lande Rheinland-Pfalz in besonderer Weise darstellen zu müssen und der Landesregierung anlasten zu können. Die Wähler haben gerade im Bereich der Westpfalz und gerade in Kaiserslautern hierzu eine ganz deutliche Antwort gegeben und wissen, wo die Schuldigen sind.
({3})
Aber hier zu diesem Haushalt: Wir haben sicherlich einen Haushalt, der in sehr vielen Punkten ein Haushalt von Zwangsläufigkeiten ist. Daraus ergibt sich natürlich, daß die Änderungsmöglichkeiten und die Eingriffsmöglichkeiten jetzt hier in dieser Haushaltsberatung begrenzt sind. Aber so, wie dies für den Bundesfinanzminister erst einmal gilt und er dies selbstverständlich mehr oder weniger für sich in Anspruch nimmt, so muß er dies natürlich auch allen Kritikern zubilligen. Denn dies ist natürlich von vornherein eine Begrenzung, daß wir uns auszurichten haben an der Erfüllung von eingegangenen Verpflichtungen oder, wenn Sie so wollen, an der Einlösung früher gezogener Wechsel. Insofern, Herr Kollege Apel - ich habe Ihnen das früher schon einmal gesagt - sind Sie natürlich in der nicht beneidenswerten Situation, im wesentlichen heute bei den Haushaltsberatungen Dinge verteidigen zu müssen, für die Sie vom Ressort her sicherlich nicht verantwortlich waren, sondern die sehr viel mehr eigentlich zu tun haben mit der Politik Ihres Amtsvorgängers; denn damals sind diese Ansätze und diese Reformvorhaben in die Welt gesetzt worden, die heute bezahlt werden müssen.
Wir müssen uns aber in der Frage jetzt auch der Haushaltsgröße und des Haushaltsdefizits darüber verständigen, meine ich, daß es dann, wenn die Opposition oder wenn die CDU/CSU im Bundesrat vom Sparen redet und von der Notwendigkeit von Kürzungen, um die Defizite niedrig zu halten, nicht heißt, diese CDU schwankt - wie Sie es Herrn Althammer vorgeworfen haben - zwischen Brüning und Keynes hin und her. Wenn die Regierung spart, dann ist das eine Tugend erster Güte, dann ist das etwas ganz Braves und Hausväterliches, und wenn die CDU/CSU etwas Ähnliches tut, dann ist das Brüningsche Politik. Ich meine, Sie sollten sich darüber verständigen, daß Sie natürlich bei dem ganzen Haushaltsplan zwischen diesen beiden hin und her schwanken. Dieser Haushalt ist natürlich ein Spiegelbild der Notwendigkeit, auf der einen Seite eine bestimmte Ausgabenpolitik durchhalten zu müssen und auf der anderen Seite sparen zu müssen. Dies ist doch das ganze Dilemma dieses Haushaltes, Ihres Haushaltes auch.
({4})
Ich mache Ihnen aus dieser Tatsache gar nicht einmal einen Vorwurf, nur bin ich der Meinung, Sie sollten diesen Haushalt nicht darstellen - dies wäre eine völlig falsche Darstellung - als einen Haushalt, der sozusagen das Ergebnis einer hervorragenden Finanzpolitik widerspiegelt, sondern das ist ein Haushalt, der zwangsnotwendig - und wie gesagt, Ihre Einflußmöglichkeiten sind hier sehr begrenzt - die Dinge widerspiegelt, die Sie vorgefunden haben und die Sie zusammenzuschreiben haben. Deshalb konzentrieren sich die Diskussionspunkte natürlich um einige wenige Fragen. Dies ist ganz normal und selbstverständlich.
({5})
Nun haben Sie das Defizit des Jahres 1975 von 22,8 Milliarden sozusagen heruntergerechnet, indem Sie es auf einige Dinge reduziert haben und sagen: Für die anderen sind wir ja eigentlich nicht verantwortlich. Ich bin der Meinung, daß es so nicht geht. Lassen Sie mich das jetzt hier in einem Punkt darstellen. Sie haben in diesem Zusammenhang die Abtretung von Umsatzsteueranteilen an die Länder im Zusammenhang mit der Einigung über die Umsatzsteueraufteilung von 1974, 1975, 1976 erwähnt. Ich muß in aller Deutlichkeit hier noch einmal wiederholen - das scheint notwendig zu sein -: Auf die Umsatzsteuer haben Bund und Länder entsprechend ihrer Haushaltslage gleichen Anspruch. Es ist keine besondere Güte des Bundes, wenn er sozuDeutscher Bundestag - 7 Wahlperiode Staatsminister Gaddum
sagen uns hier Teile abtritt, sondern es ist im Grunde genommen eine Frage, wie wir uns hier unter Berücksichtigung der gesamthaushaltswirtschaftlichen Situation beim Bund und bei den Ländern einigen. Dies ist nicht sozusagen ein Benefiz, das einer dem anderen vorrechnen sollte.
Wenn Sie dies hier jetzt als von vornherein entschuldbar, als für den Bundeshaushalt unabweisbar darstellen, dann muß ich auf folgendes hinweisen. Unsere Hauptbetrachtung muß hier die gesamtwirtschaftliche Betrachtung sein, das heißt, wir müssen die Situation des Bundes, der Länder und der Gemeinden sehen. Was ist das für eine Politik, für eine Finanzpolitik, die im Grunde genommen sagt: Der Bund darf sich sozusagen hier höher verschulden, darf hier ein höheres Defizit haben, weil er Umsatzsteueranteile abgetreten hat, und bei der man gleichzeitig weiß, daß natürlich diese Umsatzsteueranteile bei den Ländern zu entsprechenden Mehrausgaben führen werden. Dies heißt doch im Ergebnis, daß Sie ja sagen zu einem doppelten Ausgeben des Geldes, das nur einmal da ist. Dies ist natürlich nicht möglich. Wenn Sie der Meinung sind, daß diese Umsatzsteueranteile den Ländern abgetreten werden mußten bzw. daß hier eine Umverteilung notwendig war und der Meinung sind Sie ja doch offensichtlich -, dann war die normale Konsequenz ein Zurückführen von Leistungen des Bundes in der Alternative. Denn man kann nicht beides und kann nicht die gleiche Mark zweimal ausgeben und dann noch behaupten, dies sei selbstverständlich und sei vertretbar und sei in Ordnung.
Meine Damen und Herren, Sie haben mich im Zusammenhang mit der Steuerreform zitiert. Ich muß Ihnen sagen, hier sind Sie insofern einem Irrtum aufgesessen, als der berühmte Brief, den Sie hier zitieren, nicht kurz vor der Wahl verteilt worden ist; er ist Ende des vergangenen Jahres verfaßt worden.
({6})
- Es mag sein, daß Sie ihn vor der Wahl bekommen haben. Er ist Ende des vergangenen Jahres verfaßt worden und wird seit dieser Zeit verteilt. Es mag sein, daß der eine oder andere ihn erst relativ spät bekommen hat. Das, was in diesem Brief steht, ist völlig in Ordnung und wird von mir auch bei anderen Gelegenheiten immer wieder gesagt.
({7})
Meine Damen und Herren, warum hätten wir denn diesem Kompromiß zustimmen sollen, wenn wir nicht der Meinung gewesen wären, daß sich auf Grund dieses Steueränderungsgesetzes - ein Steuerreformgesetz war es ja eigentlich nicht -Steuerentlastungen ergeben? Weshalb hätten wir denn sonst zugestimmt? Dies war doch der Grund.
({8})
Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Apel - ich
will es jetzt nicht so persönlich sagen; das wäre
falsch -, im Gegensatz zur Bundesregierung pflegen
wir solche Verbesserungen - wir sind objektiv genug, dies zu tun -, die wir als positiv bewerten, nicht etwa in besonderer Weise der Landesregierung zuzurechnen. Wir stellen sie als positive Entwicklung dar, im Gegensatz zu vergleichbaren Lektüren der Bundesregierung, die sich darauf beschränken, alles Positive, was geschieht, lediglich der Bundesregierung zuzumessen. Hier sind wir vom Ansatz her halt ein bißchen fairer.
Lassen Sie mich zur Frage der Steuerreform eines doch noch einmal sehr deutlich sagen. Wir haben dieser Steuerreform in einem Kompromiß zugestimmt, weil diese Steuerreform in ganz wesentlichen Punkten natürlich Entlastungen gebracht hat. Sonst würde sie ja nicht das Geld kosten. Dies ist unbestreitbar und ist von uns überhaupt nie bestritten worden. Wir haben gleichzeitig - und zwar vom ersten Moment an - immer darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz noch eine ganze Reihe von Fehlern enthält, die wir nicht billigen, die wir nicht mit tragen.
({9})
Ich brauche in diesem Zusammenhang nur das zu zitieren, was der Kollege Häfele am 25. Juni hier in diesem Hause gesagt hat. Er sagte, daß die CDU/CSU diesen Vermittlungsvorschlag mit trägt, damit wenigstens der überfällige Abbau von heimlichen, inflationsbedingten Steuererhöhungen und die Verbesserung des Kindergeldes zustande kommen. Er hat sich gleichzeitig ganz deutlich von allen Einzelheiten dieses Gesetzes gelöst und hat nicht gesagt: Dies ist unser Gesetz.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Funcke?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Selbstverständlich!
Herr Minister, gehört zu den Dingen, die Sie auch für falsch halten, etwa auch die Neueinteilung der Steuerklassen IV und V?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Sehr verehrte gnädige Frau, die CDU/CSU hat in den Beratungen des Finanzausschusses durch den Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz auf die Problematik der Steuerklassen IV und V hingewiesen. In einer früheren Stellungnahme auf Referentenebene ich weiß, worauf Sie hier anspielen - hat einer meiner Mitarbeiter, den ich selbstverständlich decke, sich zu dieser Steuerklasseneinteilung ausgesprochen positiv geäußert. Allerdings ist in dem Brief gleichzeitig ein ausdrückliches Votum für den durchgehend progressiven Tarif abgegeben worden. Dies wird hier aber nicht zitiert.
({1})
Im übrigen war diese Frage der Steuerklasseneinteilung weder im Bundestag - ich wüßte es jedenfalls
nicht - und auch nicht im Rahmen der Bundesrats11112
Staatsminister Gaddum
auseinandersetzungen oder im Vermittlungsausschuß ein besonderer Diskussionspunkt. Es ist also nicht so, daß die Regierungsparteien erklärt hätten, daß sie diese Einteilung für ein Unglück hielten. Sie haben in diesem Punkt voll und ganz hinter der Regierungsvorlage gestanden.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Minister, würden Sie die ausdrückliche Befürwortung des Bundesrates für diese Neugestaltung der Steuerklassen IV und V nicht als ein positives Votum aller dort beteiligten Minister ansehen, und wie bewerten Sie dann die Äußerung des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden, Herrn Carstens, in einer Wahlrede in Pinneberg, in der er sagte: Die Frauen mögen sich bei Frau Funcke bedanken, wenn sie jetzt unzufrieden sind?
({0})
Staatsminister Gaddum ({1}) : Ich möchte hier auf den ersten Teil Ihrer Frage betreffend die Stellungnahme des Bundesrates antworten, denn hier bin ich als Landesvertreter angesprochen. Ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, daß auch in der Stellungnahme des Bundesrates der Tarif kritisiert worden ist und in der gleichen Stellungnahme der durchgehend progressive Tarif gefordert worden ist. Warum verschweigen Sie immer das eine und nennen nur das andere? Sie müssen beides nennen; dann sieht es etwas anders aus.
({2})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Ja, bitte!
Bitte, Frau Funcke!
Herr Minister, ich möchte Sie, damit wir in der Historie miteinander übereinstimmen, noch fragen: Ist es nicht richtig, daß uns der Bundesrat - nachdem ich rückgefragt habe, wie die Meinung des Bundesrates zum Tarifverlauf ist - einmütig erklärt hat, er wolle vorläufig noch den Tarif mit der Proportionalzone, so wie wir ihn jetzt gestaltet haben?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Aber sehr verehrte gnädige Frau, Sie wissen aus dieser Diskussion ganz genau, daß es einer der Hauptverhandlungspunkte bei dieser Gesetzgebungsmaterie war, daß wir - ich spreche jetzt gerade die CDU/CSU-regierten Länder an - auf die Einführung des durchgehend progressiven Tarifs gedrängt haben. Sie wissen dies ganz genau, und ich möchte Sie bitten, in diesem Zusammenhang einmal in das Gesetz hineinzuschauen. In diesem Gesetz steht - was auch geflissentlich verschwiegen wird -, daß der Tarif dieses Gesetzes praktisch nur bis zum 31. Dezember 1977 Geltung haben soll und daß die Bundesregierung aufgefordert wird, einen neuen Vorschlag für einen durchgehend progressiven Tarif vorzulegen. Dies hat doch die Zielrichtung, daß dieses Gesetz im Grunde genommen überhaupt nur drei Jahre leben soll. Dieses Jahrhundertwerk ist von vornherein ein Reformgesetz auf Abbruch, nämlich auf drei Jahre.
({1})
Dem haben Sie zugestimmt, sehr verehrte gnädige Frau. Wie können Sie dann erklären, das sei alles hervorragend, das sei alles wunderbar? Sie haben dem doch selbst zugestimmt, daß dieses Gesetz nur kurze Zeit leben wird.
({2})
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Ja, noch eine Zwischenfrage, dann möchte ich fortfahren. - Bitte schön!
Herr Minister Gaddum, haben Sie sich jemals mit der Frage befaßt, ob die Problematik der Beidverdiener, die angesprochen worden ist, bei einem durchgehend progressiven Tarif nicht viel größer wird, als sie jetzt ist?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Nein, gnädige Frau, hier erliegen Sie einem Irrtum, denn mit der Einführung des progressiven Tarifs würde sich das gesamte Veranlagungsverfahren der Finanzverwaltung ändern müssen. Gerade aus der Problematik des Veranlagungsverfahrens ergibt sich diese Problematik der Steuerklasseneinteilung, die uns heute so viel Kummer macht.
({1})
Ich darf zum Haushalt zurückkommen und hoffe, daß die Problematik der Steuerreform damit von mir aus erledigt ist. Ich bin gerne bereit, auch zu diesem Thema noch länger zu diskutieren, nur, muß ich Ihnen gestehen, halte ich dies in der Sache nicht weiter für sehr ergiebig.
Lassen Sie mich aber zur Frage der Umsatzsteuerverteilung auch von mir aus noch einiges anmerken. Herr Kollege Apel, Sie haben hierbei zu den Forderungen des Bundes angedeutet, sie seien praktisch ganz eindeutig und praktisch kaum bezweifelbar. Diese Darstellung ist eine, wie ich meine, einseitige Stellungnahme eines der Partner in diesen Verhandlungen, und als solche sollte man sie wohl auch verstehen. Wenn hier erklärt wird, daß diese Position eigentlich völlig unangreifbar sei - so stellen Sie es dar -, so muß ich doch einmal den Wortlaut der vereinbarten Revisionsklausel zitieren. Ich gebe zu, diese Revisionsklausel ist zu einem Zeitpunkt vereinbart worden, als die Bundesregierung noch erwartete, daß sie zu bezahlen haben würde, und sie hat unter diesem Gesichtspunkt besonders vorsichStaatsminister Gaddum
tig formuliert. Heute sieht sich das etwas anders an. In dieser Revisionsklausel heißt es doch: „Sobald die Auswirkungen der Steuerreform im einzelnen übersehbar sind, sollen die Umsatzsteueranteile .. . rückwirkend neu festgesetzt werden." Sehen Sie, hier ist ganz genau darauf abgestellt worden, daß man im einzelnen konkret weiß, wie sich dies auswirkt. Sie wissen ganz genau, daß dies zur Zeit noch nicht gegeben ist. Heute drängen Sie auf diese Neuverteilung. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir uns zu dieser Notwendigkeit einer neuen Steuerverteilung bekennen, und zwar nach wie vor, nun wollen wir - und wir nehmen damit die ursprünglich von seiten des Bundes gebrauchte Formel heute auf - exakte Zahlen haben, ehe wir uns über diese Dinge unterhalten; denn dies ist keine Entscheidung für ein oder zwei Jahre. Dies ist wohl verständlich.
Ich darf an etwas anderes erinnern. Sie haben Herrn Kollegen Althammer in anderem Zusammenhang - ich brauche darauf nicht einzugehen - vorgeworfen, die CDU habe sich im Grunde genommen nur mit der Frage der Kindergeldschätzung beschäftigt, und da stecke doch gar nichts drin. Muß ich Ihnen sagen, daß die Schätzung der Kindergeldausgaben des Bundes ganz erhebliche Auswirkungen genau auf diese Verhandlungen haben wird?
({2})
Denn darin steckt doch für Sie das Argument, daß Sie uns sagen: Uns kostet die Steuerreform einschließlich der Kindergeldregelung soundsoviel. Deshalb ist dies natürlich ein ganz wichtiger Punkt, der von der Opposition in diesem Hause mit angesprochen worden ist.
Muß ich Sie daran erinnern, daß wir vor einigen Wochen in diesem Hause eine Diskussion - ich hatte auch Gelegenheit, darin zu sprechen - zur Situation der Gemeinden hatten? Sie wissen, daß einer der Streitpunkte in diesem Umsatzsteuerstreit, wenn Sie so wollen, die Frage der Grundsteuermehreinnahmen der Gemeinden ist, die Sie den Gemeinden praktisch voll in Anrechnung bringen wollen, entgegen den früher gegebenen Zusagen. Hier vertreten die Länder die Position der Gemeinden. Sie sprechen hier, als sei dies überhaupt kein Streitpunkt, als brauche man darüber überhaupt nicht zu verhandeln, als seien die Forderungen des Bundes gerechtfertigt und das müsse dann einfach so laufen. Hier gibt es eine ganze Reihe Punkte, über die verhandelt werden muß, und zwar im Interesse z. B. auch unserer Gemeinden.
({3})
Sie haben in sehr pointierter Weise, Herr Kollege Apel, die Länder kritisiert, weil sie auch noch gefordert hätten, daß die Steuerausfälle im Zusammenhang mit der Investitionszulage in die Verhandlungen um die Umsatzsteuer einbezogen werden sollten. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß dies für Sie doch eigentlich überhaupt kein Thema zu sein brauchte; denn nach der Vorlage der Bundesregierung kostet diese Investitionszulage überhaupt nichts. In der Vorlage steht: Kosten null. Wenn Sie diese Lasten übernähmen, wäre das für Sie also überhaupt keine Belastung. Ich kann gar nicht verstehen, daß es so unfair sein soll, Ihnen Lasten von Null aufzubürden.
({4})
Ich möchte in Frage stellen, ob es sonderlich fair ist, daß Sie Herrn Kollegen Stoltenberg und das Land Schleswig-Holstein angesprochen und geglaubt haben, daraus Schlüsse ziehen zu können, daß Schleswig-Holstein die Änderung der Umsatzsteueranteile in seinem Haushalt bisher überhaupt noch nicht veranschlagt hat. Meine Damen und Herren, wie oft haben wir uns in diesem Hause über Umsatzsteueranteile unterhalten, ohne daß die Bundesregierung sich auf solche Dinge haushaltsmäßig eingerichtet hat - einfach, um die eigene Verhandlungsposition zu wahren!
({5})
Viel wichtiger ist, daß der Ministerpräsident und der Finanzminister von Schleswig-Holstein sehr deutlich auf die Konsequenzen einer solchen Entwicklung - und zwar auch einige Wochen vor der Wahl in diesem Lande - aufmerksam gemacht und klargemacht haben, wie schwierig die Situation ist. Ich habe den Eindruck, es täte uns in manchem besser, wenn auch einige Wochen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen - ich werde darauf noch einmal zu sprechen kommen - über die Gesamtentwicklung der öffentlichen Haushalte nach 1976 mehr im Klartext geredet würde.
({6})
Herr Stoltenberg redet in seinem Lande zu diesem Punkt Klartext, und Sie wissen genau, daß gerade dieses Land mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik von einer sehr schwierigen Ausgangsbasis aus in den letzten Jahren eine Entwicklung durchgemacht hat, auf die man sicherlich stolz sein kann und die auch in diesem Lande nicht bestritten wird. Daß man glaubt, aus solchen Punkten Anwürfe herauskristallisieren zu können, halte ich schlicht und einfach für nicht fair, zumal Sie wissen, daß Herr Stoltenberg nicht hier ist.
({7})
Einen weiteren Punkt lassen Sie mich zitieren. Sie haben mit ganz harten Worten kritisiert, daß ein Landkreis in Schleswig-Holstein - nicht die Landesregierung - seine Bediensteten sozusagen aufgefordert habe, Doppelverdiener, von denen einer bei der öffentlichen Hand, der andere in der Privatwirtschaft tätig ist, sollten die Kindergeldanträge beim Arbeitsamt und nicht bei der öffentlichen Hand stellen, weil dies eine stillschweigende Umverteilung zu Lasten des Bundes bedeuten würde. Sie lasten dies der Landesregierung an.
({8})
- Doch doch, Sie haben ausdrücklich auf das Land Schleswig-Holstein Bezug genommen. Sie lasten dies der Landesregierung an.
Entschuldigen Sie bitte einen Augenblick, Herr Staatsminister!
Es ist nicht zulässig, daß von der Regierungsbank Zurufe gemacht werden.
({0})
Staatsminister Gaddum ({1}) : Darf ich auf eine parlamentarische Initiative hinweisen, die Ihnen offensichtlich entgangen ist. Am 19. Dezember 1974 hat der Abgeordnete Zebisch ({2}) folgende Anfrage gestellt ich bitte um die Genehmigung, zitieren zu dürfen -:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele Gemeinden auf Grund der Verteilung der Kindergeldlasten nach dem neuen Bundeskindergeldgesetz erwägen, Teilzeitbeschäftigungen abzubauen, um Kindergeld einzusparen, und kann durch eine andere Lastenverteilung - vor allem zugunsten kleinerer Kommunen - ereicht werden, daß Auswirkungen der Kindergeldregelung, die im Gegensatz zu den Empfehlungen des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst stehen, vermieden werden?
Soweit die Anfrage. Die Antwort der Bundesregierung lautet schlicht und einfach - ich kann sie in einem Satz zusammenfassen : Dies ist eine legale Lösungsmöglichkeit.
({3})
Eine solche Antwort hat also eine Instanz der Bundesregierung gegeben.
({4})
Dann hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder diese Antwort auf die Frage, die im Zusammenhang mit der Teilzeitbeschäftigung gestellt worden ist, veröffentlicht, und sie ist dort bekanntgeworden. Von dieser Möglichkeit haben bisher einige Gebrauch gemacht. Die ersten, die in meinem Lande davon Gebrauch gemacht haben, waren die Städte Ludwigshafen, Mainz und Kaiserslautern, alle SPD- regiert.
({5})
Da stand in der „Allgemeinen Zeitung" in Mainz am 14. März dieses Jahres zu lesen, daß diese Gemeinden auf diese Art und Weise 8 Millionen DM einsparen würden.
({6})
Doch, ich mache das gerne. Aber ich möchte nur noch gerne diesen Gedanken zu Ende führen, Herr Kollege Apel.
Ich bin der Meinung, daß es nicht zulässig und nicht fair ist, daß Sie, wenn eine kommunale Körperschaft so oder so handelt, das dann der jeweiligen Landesregierung anlasten - und das haben Sie getan -, zumal wenn sie nicht hier vertreten ist und sich nicht wehren kann. Das ist schlicht und einfach unfair.
({7})
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Apel?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Selbstverständlich.
({1})
Herr Minister Gaddum, sind wir uns wenigstens insofern einig, daß von der gesetzlichen Möglichkeit nur dann Gebrauch gemacht werden sollte, wenn es dafür zwingende Gründe gibt, daß es aber nicht zulässig ist, daß, wie im Landkreis Segeberg geschehen, alle Bediensteten - alle Bediensteten! -, unabhängig davon, ob sie teilzeitbeschäftigt sind, wie auch immer sie dort eingruppiert sind, einen Brief bekommen, in dem drinsteht: Da gibt es eine gesetzliche Umgehungsmöglichkeit; bitte nutzt die aus, damit wir Geld sparen? Sind wir uns einig darüber, daß das auch dem Sinne des Gesetzes widerspricht - darum geht es -, ja oder nein?
Ich bin froh, daß das Fragezeichen zum Schluß noch gekommen ist.
Staatsminister Gaddum ({0}) : Zunächst bin ich der Meinung, daß nach der Stellungnahme der Bundesregierung, die sie abgegeben hat - ich gebe zu, nicht Ihr Ressort, sondern diese Antwort ist vom Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Zander gegeben worden -, das Wort „Umgehungsmöglichkeit" falsch ist; denn es ist gesagt worden, das sei eine legale Möglichkeit. Übrigens ist dies, was Sie sagten, nämlich daß alle Bediensteten zu diesem Schritt aufgefordert wurden, nicht einige wenige, auch in den von mir zitierten Städten geschehen.
({1})
Zum zweiten stimme ich Ihnen in dem einen zu: daß bei der ursprünglichen Regelung hieran nicht gedacht worden ist. Das gebe ich auch zu. Nur, wogegen ich mich wehre - das ist der entscheidende Punkt -: daß Sie, wenn das ein Landkreis irgendwo in Schleswig-Holstein tut, das dann benutzen - nicht nur, weil das ja sowieso mit der CDU zusammenhängt, sondern auch, weil das gerade in SchleswigHolstein ist -, auf das Land und auf die ganze CDU
Staatsminister Gaddum
draufzuhauen. Ich meine, in diesen Dingen sehen Sie halt etwas unvollständig oder mit nicht ganz objektiver Brille.
({2})
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zusatzfrage des Abgeordneten Apel?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Aber ja.
Herr Kollege Gaddum, ohne Sie in Ihrer politischen Entscheidung präjudizieren zu wollen: Kann ich davon ausgehen, daß Sie, falls die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vorlegt, die diese Art von Mißbräuchen ausschalten soll, das dann positiv betrachten im Interesse der fairen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden?
({0})
Staatsminister Gaddum ({1}) : Zur fairen Zusammenarbeit, Herr Kollege Apel, bin ich jederzeit bereit. Die Stellungnahme zu Bundesgesetzen behalte ich mir nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, bis zu dem Zeitpunkt vor, wo ich sie vollständig vorliegen habe. Vorher sage ich dazu nichts.
({2})
Dann lassen Sie mich, Herr Kollege Apel, noch auf eine Bemerkung eingehen. Sie haben bei anderer Gelegenheit, im Bundesrat - ich war dort nicht zugegen , das Wort der „sozialen Demontage" im Zusammenhang mit der Arbeitsverwaltung, wenn ich das recht mitgehört habe - es war sehr leise; im Bundesrat haben Sie das etwas deutlicher gebracht --, im Zusammenhang mit den Überlegungen, wo und an welcher Ecke dieser Staat etwas sparen kann, gebraucht. Sehen Sie, auf der einen Seite machen Sie Vorwürfe: Diese CDU bringt überhaupt keine konkreten Einsparungsvorschläge, die sagt nicht, wo; und wenn dann irgend etwas kommt, dann heißt es von vornherein: „soziale Demontage". Das ist doch genau die Widersprüchlichkeit!
({3})
Aber lassen Sie mich zu dem Punkt der „sozialen Demontage" noch eine kurze Bemerkung machen, die ich mir nicht verkneifen kann. Wir beraten ja auf der Basis eines Finanzplans, der zwar - das ist schon gesagt worden - hoffnungslos veraltet und überholt ist, aber der etwas über die Intentionen der - ich zitiere jetzt - sozialen Demontage deutlich macht. In diesem Hause - und auch im Bundesrat - ist heftig über den Kinderlastenausgleich diskutiert worden. Die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß gerade diese Neuregelung des Bundeskindergeldes ein großer sozialer Fortschritt sei. Es ist interessant, sich hierzu einmal den Finanzplan des Bundes 1974 bis 1978 vom Sommer dieses Jahres vorzunehmen. Da stellt man folgendes fest. In der Quellenangabe - man bezieht sich auf die Projektion zur mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - geht man aus von einer jahresdurchschnittlichen Zuwachsrate des Preisniveaus von 5 1/2 bis 6 % im Planungszeitraum. Wenn Sie sich den Ansatzpunkt für das Kindergeld ansehen, dann finden Sie im gleichen Zeitraum das Kindergeld in der gleichen absoluten Höhe festgeschrieben. Das heißt, die Bundesregierung ist bei Ihrer Finanzplanung im Sommer vergangenen Jahres davon ausgegangen, daß stillschweigend eine Minderung des Kinderlastenausgleichs im Laufe der nächsten vier Jahre um 20 % in Kauf zu nehmen ist.
({4})
Das ist etwas, das Sie, wenn Sie das so umschreiben wollen, so nennen sollten; ich möchte das Wort nicht verwenden.
({5})
Wenn man solchermaßen im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen.
({6})
Dann habe ich mit einem gewissen Vergnügen gehört, daß Sie den bösen Ländern vorgeworfen haben, sie diskutierten im Bundesrat einen Vorschlag - der eine Mehrheit gefunden habe -, der sich mit Änderungen des Einkommensteuerrechts beschäftigte. Nun müssen Sie im Klartext sagen, was Sie meinen. Sie meinen damit die Fragen des Carry back. Sie meinen also, es sei ganz schrecklich, daß im Bundesrat über das Carry back diskutiert würde und dort eine Initiative ergriffen worden sei. Sie haben offensichtlich nicht gelesen, was im „Handelsblatt" vom 18. März zu lesen war. Es ist noch ganz warm; ich darf aus einer anderen Zeitung hier zitieren. Dort ist ein Gespräch wiedergegeben, das Graf Lambsdorff mit dem „Handelsblatt" hatte. Dort ist deutlich zu lesen:
Auch hinsichtlich der Einführung eines Verlustrücktrages in das deutsche Steuerrecht ist Lambsdorff optimistisch. Dieser Verlustrücktrag würde zwar zunächst hinsichtlich der zurückzutragenden Verlustsumme sowie der Einkommensart noch begrenzt sein. „Wir sind schon froh, wenn wir angesichts der schwierigen Haushaltslage dennoch hierfür die Zustimmung des Bundesfinanzministers erhalten werden." Wenn aber dieses steuerrechtliche Prinzip einmal anerkannt sei, könne man auch über seine Ausdehnung auf andere Einkommensarten diskutieren.
Hier ist also eine Perspektive, über die man durchaus reden kann; ich sage das ausdrücklich. Nur würde ich Sie bitten, sich dann doch einmal innerhalb der Koalition darüber zu unterhalten, was Sie in dieser Frage eigentlich wollen.
({7})
Es gehört nicht allzuviel Scharfsinn dazu, um sich
daran zu erinnern, daß innerhalb der Regierungskoalition über die Frage des Carry back gewisse
Staatsminister Gaddum
Meinungsunterschiede bestanden haben oder bestehen. Nur, wenn solche Meinungsunterschiede bestehen - und daraus mache ich Ihnen keinen Vorwurf; das ist Ihr Problem -, Herr Kollege Apel, dann sollten Sie es nicht gerade der Opposition oder etwa der CDU/CSU im Bundesrat vorwerfen, wenn sie sich dieses Problems annimmt. Sie nimmt sich doch nur eines Problems an, das offensichtlich Sie selbst in der Koalition bewegt. Nur, wenn wir dies tun, ist das von schrecklichem Übel, und wenn Sie das tun, ist das gut!
({8})
Aber lassen Sie mich abschließend - und dies ist für mich der Hauptpunkt - darauf kommen, daß Sie eigentlich über das Jahr 1976 für mich erstaunlich wenig gesagt haben.
({9})
Sie haben zwar gesagt, daß das Jahr 1975 aus diesen oder jenen Gründen nicht anders finanzierbar sei. Es ist heute morgen schon darauf hingewiesen worden, daß es natürlich eine ganze Reihe von Überlegungen gibt, die zweifellos dafür sprechen, unter Umständen in einem Jahr auch mal eine relativ hohe Verschuldung in Kauf zu nehmen; das ist hier gesagt worden. Nur über das, was uns Sorge macht, schweigen Sie sich aus; zumindest vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen:
({10})
Was wird mit 1976? Da werden wir nicht aufhören, Sie immer wieder zu fragen: Was wird 1976 und in den Folgejahren? Da kann man sich nicht einfach damit herausreden, indem das etwas freundlich dargestellt wird: Dann ist das Problem mit der Arbeitsverwaltung nicht mehr, und die Steuerquellen sprudeln wieder. Sie wissen ganz genau, daß das mit dem Sprudeln noch lange Zeit haben wird, zumindest im ersten Jahr überhaupt nicht kommt und das Problem des Jahres 1976 mit Sicherheit nicht lösen wird. Das heißt also, wir stehen 1976 vor einem erheblichen Problem in der Finanzierung. Wie Sie das lösen wollen, weiß ich nicht. Auf der einen Seite sagen Sie: „Abstriche machen wir nicht." Das haben Sie erklärt. Ob Sie Steuererhöhungen vornehmen wollen, weiß ich nicht. Von Ihnen gibt es bisher nur die Äußerungen: für jetzt, für heute, zur Zeit, im Augenblick. Sie haben sich hier so ganz präzise nicht festgelegt. Aber ich habe auch hier gelesen, daß Graf Lambsdorff ganz klar gesagt hat, daß es politisch völlig unmöglich sei, im Jahre 1976, also noch in dieser Legislaturperiode, Steuererhöhungen durchzuführen. Das heißt also, Ihr Koalitionspartner geht offensichtlich davon aus, daß Steuererhöhungen auch für das Jahr 1976 nicht in Betracht kommen. Ich würde zumindest für unsere Dispositionen - wir haben hier ja eine Führungsrolle des Bundes zur Kenntnis zu nehmen - gerne einmal hören, was der Bundesfinanzminister hierzu sagt. Gilt seine Zusage auch für das Jahr 1976? Denn Sie haben sie bisher immer nur mit einem nicht so ganz fixierten Datum gegeben und das so etwas offengelassen. Ich hätte gerne einmal für das Jahr 1976 gehört, ob Sie also auch der Meinung des Grafen Lambsdorff sind, daß dies überhaupt nicht in Frage komme.
Dann allerdings muß ich Sie fragen: Wie stellen Sie sich die Entwicklung vor? Abstriche werden nicht gemacht, die Kreditaufnahme muß zurückgehen und Steuererhöhungen kommen auch nicht in Frage. Da stellt sich natürlich die Frage: Was geschieht denn überhaupt? Sollen wir die Dinge einfach so treiben lassen mit der Einstellung: Seht einmal zu, wie das irgendwie in Ordnung kommt. Ich bin der Meinung, daß genau dies der Stil der Politik nicht sein kann, der geeignet ist, in der Wirtschaft wieder das Vertrauen zu erzeugen, von dem Sie glauben, daß die Bundesregierung alles getan habe.
({11})
Denn genau mit dieser Ihrer Politik, die im Grunde genommen die Fragen von morgen offenläßt, schaffen Sie doch und unterstützen Sie die Atmosphäre der Ungewißheit, die gerade die Investitionsbereitschaft und Investitionsfreude hemmt und erschwert. Hier liegen eben Versäumnisse der Politik vor, insbesondere auch Versäumnisse des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung: daß sie sich, ähnlich wie wir das vor fünf Jahren vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auch erlebt haben, vor der Landtagswahl nicht über unangenehme Dinge äußert, sondern dies erst nach der Landtagswahl tun will.
({12})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß tatsächlich dies das eigentliche Thema dieser Debatte sein müßte.
({13})
Ich bin etwas betrübt, bis jetzt nichts darüber gehört zu haben,
({14})
wie die Entwicklung 1976 weitergehen soll. Es befriedigt mich wenig, wenn uns hier soeben vorgetragen wurde, die Bundesregierung werde dann nachher im Sommer - quasi wie das Gesetz es befiehlt - eine neue Finanzplanung vorlegen. Nein, meine Damen und Herren, wenn die Finanzplanung so überholt ist, wie das hier jetzt der Fall ist, dann darf man, meine ich, keinen Haushalt vorlegen, der auf der einen Seite über das Jahr 1976 nichts sagt, auf der anderen Seite aber gleichzeitig mit 30 Milliarden DM Verpflichtungsermächtigungen dieses Jahres den Haushalt 1976 schon im voraus belastet.
({15})
Sie haben hier versucht, Herr Kollege Apel, so etwas die heile Welt des Hans Apel zu beschreiben.
({16})
Ich habe durchaus gewisse Sympathien für farbenfreudige, naive Malerei, aber ich meine, so einfach dürfen wir es uns nicht machen.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Gaddum konnte aus der besonnten Wahlvergangenheit seines Landes sprechen. Das wird ihm niemand verübeln. Für unsere heutige Etatdebatte hat das allerdings nicht allzu viel hergegeben.
({0})
Der Appell an Minister Apel, zu sparen und zur Sparsamkeit aufzufordern, darf natürlich auch aus deutschen Landen frisch auf den Bonner Tisch. Denn, meine Damen und Herren, Sparsamkeit ist in der Tat eine echte Gemeinschaftsaufgabe und sollte es auch bleiben. Wer aber meint, er könnte immer nur beim andern sparen, wird mit dieser Methode kein Gramm Honig zusammentragen. Es wäre deshalb bedauerlich, wenn mit dieser Rede der Konflikt über die Steuerneuverteilung vorprogrammiert werden sollte. Ich möchte meinerseits hier immer noch an, die Gesamtverantwortung in Bund und Ländern glauben und hoffen, daß sich auch weiterhin alle - Bund und Länder - bei der Anwendung der Revisionsklausel dem Interesse des Ganzen verpflichtet fühlen.
Meine Damen und Herren, Etatberatungen sind nun einmal Anlaß zur politischen Bestandsaufnahme. Kein Wunder also, daß die Opposition in die Vollen geht und nicht nur die Finanzpolitik dieser Regierung attackiert. So redet sie denn von „Doppelstrategie" und verweist auf die Reden des Bundeskanzlers und des Vorsitzenden der SPD in der Sicherheitsdebatte.
Mit dem Auftritt der Kollegen Strauß und von Weizsäcker hat sie nun gestern ein, wie mir scheint, seltsames Kontrastprogramm dazu geliefert. Über die Rollenverteilung sollte insbesondere der verehrte Herr Kollege von Weizsäcker noch einmal sehr sorgfältig nachdenken. Mit dieser Besetzung wird die Opposition dieses Stück kaum en suite spielen können.
Der Kollege Strauß hat die Bundesregierung in seiner auffallend schaumgebremsten Rede mit dem Vorwurf bedacht, ihre Finanzpolitik sei kurzatmig. Bei nüchterner Betrachtung kann ich Anzeichen von Kurzatmigkeit bei der Bundesregierung nun aber beim besten Willen nicht erkennen. Dagegen ist nicht zu übersehen, daß die Opposition seit Jahren ihren großkalibrigen Formulierungen hinterherhechelt. Jahr um Jahr wird die Krise und der Staatsbankrott beschworen. Man muß den Eindruck gewinnen, die Opposition möchte uns Krise und Staatsbankrott an den Hals reden.
({1})
Aber für dieses Unterfangen ist die Opposition zu kurzatmig. Deshalb wird sie mit dieser Methode auf der Strecke bleiben.
Worum geht es bei dieser Etatdebatte wirklich? Die Probleme unseres Haushalts sind - darüber sollte Einigkeit bestehen - nicht isoliert nur aus nationaler Perspektive zu betrachten. Im internationalen Maßstab gilt die Bundesrepublik als Land, das, wegen seiner Wirtschaftskraft und seines sozialen Friedens von allen beneidet, immer nachhaltiger aufgefordert wird, die Finanzbeiträge für internationale Hilfefonds kräftig zu erhöhen. Regional und überregional, bilateral und multilateral werden uns mit dem Hinweis auf unsere Wirtschafts- und Finanzkraft ständig höhere finanzielle Leistungen abverlangt.
Ich habe dennoch nicht die Absicht, mich mit dem Hinweis auf diese schöne Außenansicht zu begnügen, denn dem einzelnen Bürger in unserem Land ist sein Hemd nun einmal näher als der Rock Europas oder der Mantel der Vereinten Nationen. Es muß jedoch die Vermutung erlaubt sein, daß die Regierung dieses Landes so unfähig nun auch wieder nicht sein kann. Ihre Politik zeugt weiß Gott nicht von Dilettantismus, wenn es ihr in einer Zeit internationaler Wirtschaftskrisen gelungen ist, diese stabile Wirtschaftsregion zu schaffen oder sie doch in ihrer Wirtschaftskraft zu bewahren.
Der internationale Vergleich sollte daher dem nüchternen Betrachter die Überzeugung vermitteln können, daß die von dieser Regierung betriebene Wirtschafts- und Finanzpolitik im Grunde absolut richtig ist. Diese Erkenntnis schafft dann auch eine gute Ausgangslage für die innenpolitischen Auseinandersetzungen. Der Meinungsstreit über den Zustand unserer Staatsfinanzen wird gleichwohl allein mit innenpolitisch relevanten Gründen ausgefochten werden müssen. Wir leben nun einmal mit den beiden Seiten ein und derselben Medaille.
In der innenpolitischen Auseinandersetzung spielt nun der Vorwurf zu hoher Staatsverschuldung die zentrale Rolle. Niemand wird leichtfertig eine Defizitpolitik um jeden Preis propagieren oder die Staatsverschuldung ohne Rücksicht auf Verluste als Allheilmittel einer klugen Fiskalpolitik anpreisen wollen. Ein solches finanzpolitisches Dogma wäre in der Tat gefährlich. Die Grenzen der Leistungskraft der öffentlichen Haushalte müssen stets sorgfältig beachtet werden, wenn der Handlungsspielraum für finanzpolitische Entscheidungen nicht verlorengehen soll. Außerdem kann ein zur Unzeit am Kapitalmarkt mit Emittenten konkurrierender Staat inflatorische Tendenzen beleben.
Zu häufig ist in den vergangenen Jahren der leichte Ausweg in die Verschuldung gesucht worden, allerdings nicht von der Bundesregierung. Erstaunlich bleibt es dennoch, was auf diesem Wege alles finanziert worden ist. Es waren aber die Länder, die über alle Parteigrenzen hinweg die herkömmlichen Formen der Finanzierung gesprengt haben. Schlechte Beispiele haben hier die guten Sitten verdorben. Wenn dann auch noch Kommunalbauten von beträchtlichem Finanzvolumen im Leasing-Verfahren, dafür aber ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle, errichtet werden, sind die Grenzen des Vertretbaren tatsächlich überschritten.
({2})
Auch der entschuldigende Hinweis auf den bildungspolitischen Notstand kann da keine Rechtfertigung liefern.
Meine Damen und Herren, wo Deckungsmittel in so leichtfertiger Weise durch Verschuldung aufgebracht werden, ist dem in der Tat mit Nachdruck zu begegnen. Hier ist die Kritik der Opposition berechtigt. Ein solches Fehlverhalten kann der Bundesregierung nun aber ganz bestimmt nicht vorgeworfen werden. Weil eine so beschrieben expansive Kreditpolitik für den öffentlichen Haushalt gefährlich werden kann, muß sie aber keinesfalls immer und zu jeder Zeit verwerflich sein. Zwar hat die Kreditmarke im Haushalt 1975 eine kritische Grenze erreicht, denn die Neuverschuldung stößt allmählich an die Decke der Verfassung. Von einer krisenhaften Entwicklung kann aber nun wirklich nicht geredet werden, und wir sollten das auch tunlichst lassen. Bei der maßvollen Verschuldungspolitik der vergangenen Jahre hält sich die auf dem Bundeshaushalt ruhende Schuldenlast immer noch in vertretbaren Grenzen. Die Kreditaufnahme wird denn auch zu diesem Zeitpunkt und in dem vorgesehenen Umfang von der Bundesbank für durchaus vertretbar gehalten, und das auch dann, wenn es der Opposition nicht passen sollte.
Die durch die Erkrankung des Bundeskanzlers herbeigeführte Verschiebung der Etatberatung hat neben der Genesung des Kanzlers als weiteren erfreulichen Aspekt die Aktualisierung des Haushalts mit sich gebracht. Dem Verlangen der Opposition nach einer neuen Steuerschätzung konnte entsprochen werden. Für den Bundeshaushalt brachte das für 1975 ermittelte Steueraufkommen eine weitere Minderung der Einnahmen von 1,3 Milliarden DM. Dieses Ergebnis ist gewiß nicht angenehm, aber keineswegs sensationell. Die neuen Daten zwingen nicht zu einer völligen Neuorientierung. Die notwendigen Anpassungen auf der Einnahme- und der Ausgabeseite gehen völlig undramatisch vonstatten.
Die Opposition war aber mit ihren KassandraRufen wieder schnell bei der Hand. Nach Bekanntwerden der neuen Steuerschätzung legte sie flugs die alte Platte von dem unsolide finanzierten Haushalt auf.
({3})
Kein Wunder, daß diese abgenutzte Platte nur noch Kratzgeräusche erzeugt!
({4})
Aus all ihren Argumenten hört man immer nur zu deutlich die Regieanweisungen des Kollegen Strauß heraus. Aber der Erfinder der Horrordemokratie hat ganz eindeutig überdreht; der Schreckensteiner aus Bayern ist ins Abseits geraten.
({5})
Jetzt muß der Kollege Strauß viel Mühe aufwenden, um sich ständig selbst zu dementieren.
({6})
Es wäre sicher besser gewesen, wenn diese Biertischstrategie für oppositionelles Verhalten erst gar nicht entwickelt worden wäre.
({7})
Herr Kollege Strauß würde sich ohne diese grandiose Fehlleistung auch nicht unter einem Kohl-Blatt im Regen wiedergefunden haben.
({8})
Wir sollten uns dadurch nicht irritieren lassen, sondern die Haushaltsberatungen in sachlicher Weise fortführen. Es gilt nämlich, nach den bestmöglichen Lösungen für unsere gewiß schwierige, aber keineswegs ausweglose Haushaltslage zu suchen. Wenn die neu ermittelten Einnahmeausfälle in der Weise ausgeglichen werden, daß - und so wird es Ihnen ja hier im Änderungsantrag zur Beschlußfassung vorgeschlagen - 800 Millionen DM auf der Ausgabenseite gekürzt und lediglich für die verbleibenden 500 Millionen die Kapitalmarktmittel erhöht werden, so scheint mir das eine angemessene Lösung zu sein. Die maßvollen Tarifabschlüsse haben diese Einsparung möglich gemacht. Es ist deshalb besonders anerkennenswert, daß die Zustimmung der Tarifpartner zu dieser den Haushalt schonenden Vereinbarung herbeigeführt werden konnte.
({9})
r Mit der Kürzung der Personalausgaben wird zugleich ein widerspruchsvoller Teil der konfusen Haushaltskritik der Opposition gegenstandslos. Schließlich hatte die Opposition in ihr Sündenregister, das der Regierung vorgehalten wurde, folgende Vorwürfe aufgenommen. Erstens. Die für die Einkommensanhebung im öffentlichen Dienst eingeplanten Mittel reichen nicht aus, um die tatsächlich entstehenden Kosten zu decken. Zweitens. Ein Antrag auf Kürzung der Personalausgaben in Höhe von 300 Millionen DM wurde abgelehnt. - Die Unvereinbarkeit dieser beiden Positionen war der Opposition entweder in der Eile gar nicht aufgefallen, oder, was allerdings wahrscheinlicher ist, es kam ihr nur auf Kritik um jeden Preis San, selbst dort wo die Argumente sich gegenseitig ausschlossen.
Damit konnten die im Entwurf des Haushaltsplans steckenden Risiken an einer entscheidenden Stelle - und die Personalkosten sind zu einem Dreh- und Angelpunkt des Haushalts geworden - beseitigt werden. Die aber von der Opposition beantragte Kürzung der Ausgaben in der drastischen Höhe von 3 Milliarden DM ist sachlich abwegig. Sie würde darüber hinaus die konjunkturelle Lage völlig außer acht lassen. Es wäre doch ein Widerspruch in sich, auf der einen Seite zusätzliche Milliardenprogramme zur Ankurbelung der Wirtschaft zu beschließen - und das mit den Stimmen der Opposition - und dann im selben Augenblick in vergleichbarer Höhe Ausgaben zu kürzen. Wir haben vielmehr die Möglichkeit, den Haushalt diesmal rechtzeitig einer
veränderten konjunkturellen Lage anzupassen. Wenn der Etat überhaupt einmal zu einem Mittel antizyklischer Fiskalpolitik werden kann, dann in diesem Augenblick. Es ist fast ein Glücksfall haushaltspolitischer Handlungsfähigkeit. Seien wir uns dessen bewußt! Nutzen wir diese Chance!
({10})
Nun kann sich die Opposition natürlich nicht den Hinweis verkneifen, daß die Koalition jetzt den Weg der veranschlagten Minderausgabe beschreitet, den zu gehen sie in den Ausschußberatungen noch nicht bereit war. Ich bin damit bei dem Betrag von 700 Millionen DM, mit denen jener Teil des Mehrbedarfs der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden muß, der durch die Entnahmen aus der Stabilitätsanleihe nicht gedeckt werden kann. Soweit hier widerspruchsvolles Verhalten gerügt wird, soll die Antwort nicht mit Spruchweisheiten gegeben werden. „Quod licet Jovi, non licet bovi", würde den Sachverhalt auch gar nicht treffen. Im vorliegenden Fall haben wir nämlich nicht dasselbe getan, was uns die Opposition empfahl. Nein, meine Damen und Herren, sowohl nach der Höhe wie nach der Zweckbestimmung sind die Unterschiede der getroffenen Maßnahmen ganz augenfällig. Im Gegensatz zur Opposition hat die Koalition mit einer Minderausgabe von 700 Millionen DM die Kirche im Dorf gelassen. Bei einem Haushalt von rund 156 Milliarden DM wird dieser Betrag am Ende des Jahres erfahrungsgemäß als Haushaltsrest in der Kasse bleiben. Das beweist im übrigen auch der Jahresabschluß 1974.
({11})
Weitergehende Kürzungen sind aus konjunkturellen Gründen nicht zu verantworten und mußten deshalb abgelehnt werden.
Zu den verbleibenden Haushaltsrisiken gehört der Streit über die Anwendung der Revisionsklausel zwischen dem Bund und den Ländern. Der Bund hat seine Rechtsposition mit dem Einnahmeansatz von 5,3 Milliarden DM ziffernmäßig ausgedrückt. Leider kann kaum damit gerechnet werden, daß während des Beratungsganges eine Einigung zustande kommt. Die Bundesländer werden den Ansatz zwar der Höhe nach bestreiten, zur Entscheidung dieser Streitfrage aber kaum den Weg über den Vermittlungsausschuß gehen, sondern uns das Zahlenwerk mit einer Entschließung zurückreichen. Die notwendige Einigung wird - und hier braucht man ganz gewiß kein Hellseher zu sein mit Sicherheit bis nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen verschleppt. Mit der Behauptung von den unsolide finanzierten Staatsausgaben läßt sich in den Wahlkämpfen nun einmal besser Stimmung machen.
Das dem Bundeshaushalt hier aufgebürdete Risiko ist letztlich mitbestimmend dafür gewesen, pauschale Ausgabenkürzungen konsequent abzuwehren. Dem Pokerspiel der Opposition mit der Verteilung der gemeinsamen Steuern galt es entgegenzutreten. Es wäre die Aufgabe des ganzen Bundestages, der Bundesregierung die notwendige Unterstützung für ihre Verhandlungen mit den Ländern zu verschaffen. Extratouren der Opposition sollte es dabei nicht geben. Die CDU/CSU muß ihr Doppelspiel aufgeben. Hier heißt es, Farbe bekennen und dem Bunde zu geben, was des Bundes ist.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion würde das zulässige Maß an parteipolitischem Egoismus weit überschreiten, wenn sie sich auf die Seite der Länder schlagen und unberechtigte Forderungen deshalb unterstützen sollte, um den Bundeshaushalt bewußt notleidend werden zu lassen. Es könnte der Opposition zwar in das Konzept passen, die Bundesregierung durch Verweigerung der Deckungsmittel in eine Lage zu bringen, in der sie die notwendigen Staasausgaben nur durch Steuererhöhungen zu finanzieren vermöchte. Die Opposition darf aber sicher sein, daß diese Rechnung nicht aufgeht. Steuererhöhungen wird es nicht geben. Der Kanzler ist hier fest im Wort, und er wird sich auch durch eine noch so boshaft taktierende Opposition nicht zum Wortbruch treiben lassen.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU sollte endlich aufhören, diesen von den Wahlkampfstrategen ausgetüftelten Weg Arm in Arm mit der Bundesratsmehrheit weiterzugehen. Sie kann sich im Bundestag nicht länger gegen die Interessen des Bundes stellen; ja, sie müßte eigentlich jene Vaterlandsliebe zeigen, die ihr Fraktionsvorsitzender hier jüngst so eindringlich beschworen hat.
Meine Damen und Herren, die Finanz- und Wirtschaftsprobleme unseres Landes sind wahrlich groß genug. Es wäre einfach unverantwortlich, sie noch durch engstirniges und kleinkariertes Handeln zu vergrößern. Der Reiz, der von dem Gedanken an die Macht ausgehen kann, darf die Verpflichtung gegenüber dem Staat auch bei der parlamentarischen Opposition nicht außer Kraft setzen.
Der Finanzminister hat mit dem vorliegenden Entwurf unter Berücksichtigung der abändernden Beschlüsse des Haushaltsausschusses und des vorliegenden Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen - die finanzpolitische Antwort auf die anstehenden Fragen des Jahres 1975 gegeben. Nach Meinung der FDP-Fraktion werden mit diesem Haushalt die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen, die ökonomischen Probleme im Inland zu überwinden, der wachsenden Arbeitslosigkeit zu begegnen, die Investitionskraft zu beleben, die Produktion ansteigen zu lassen und so den sozialen Frieden in unserem Lande zu erhalten. Deshalb wird die FDP-Fraktion dem Haushalt ihre Zustimmung geben.
({12})
Meine Damen und Herren, aus der Mitte des Hauses wurde ich auf einen Zwischenruf aufmerksam gemacht, der sich gestern während der Rede des Abgeordneten Dr. Carstens ereignet hat und den ich hier nicht gehört habe. Das Stenographische Protokoll weist aus, daß der Abgeordnete Gansel dem Redner zugerufen hat: „Sie Lügner und Fälscher!" Diese persönliche Be11120
Vizepräsident Dr. Jaeger
leidigung verstößt gegen die Ordnung des Hauses. Ich rufe den Abgeordneten Gansel zur Ordnung.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Carstens ({1}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nun auf einige Fragen eingehen, und zwar auf insgesamt drei, die den Bereich der Europäischen Gemeinschaften betreffen. Herr Apel, Sie sind darauf ja bereits zu Beginn Ihrer Rede vorsorglich eingegangen, aber wie ich meine, nicht in überzeugender Form.
Erstens. Der Bundesminister der Finanzen, Herr Apel, hat am 6. Juli 1974 im Bayerischen Rundfunk in der Sendung „Aus erster Hand" zum Haushaltsgebaren in Brüssel geäußert, daß das, was in Brüssel passiere, ein Skandal sei. Er sagte weiterhin wörtlich ich zitiere -:
Wie dort Geld ausgegeben wird, das passiert nicht einmal dem kleinsten Gemeinderat in Bayern. Da wird nämlich gerechnet, was kostet's, und dann wird beschlossen. In Brüssel werden Milliarden über den Tisch gehandelt, ohne daß es Papiere gibt. Das muß aufhören. Und in Brüssel kennt man mich ja, meine sehr charmante Art. Ich werde dafür sorgen, daß das da besser wird.
Das ist mir eine nette charmante Art! Ich hätte mich gar nicht gewundert, Herr Apel, wenn Sie auch noch gesagt hätten: Es wird die höchste Zeit, daß die Herren in Brüssel eins auf die Mütze bekommen.
Was Herrn Apel so in Harnisch brachte, meine Damen und Herren, war der Umstand, daß im Haushaltsvorentwurf der EG-Kommission bereits die Kosten bestimmter Politiken aufgenommen waren, obwohl der Ministerrat diese noch nicht beschlossen hatte. Sie waren also noch nicht etatreif. Es handelte sich hier, wie Sie zu Recht gesagt haben, z. B. um den Europäischen Regionalfonds, um den Cheysson-Fonds, um die Agrarpreisbeschlüsse und andere Beschlüsse. Von der Brüsseler Kommission haben Sie demonstrativ erwartet, Herr Apel, daß sie diese Politiken umgehend aus dem Haushaltsentwurf herausnahm und statt dessen Nachtragshaushalte ausbrachte. Nach pflichtgemäßer Ausführung der Kürzungen durch die EG-Kommission ermäßigt sich unser Anteil um 739 Millionen DM. Dieser Betrag wurde dann durch die Beratungen des Europäischen Parlaments etwas gekürzt, und zwar auf 631 Millionen DM.
Gegen diese Regelung ist an sich nichts zu sagen. Aber, Herr Apel, wie verhält es sich dann eigentlich bei Ihnen zu Hause, wie sieht es aus in Ihrem eigenen Hause? Haben Sie überhaupt Anlaß, so starke Töne in Richtung Brüssel zu sprechen? Nach kurzer Überprüfung stellt man erstaunlicherweise fest, daß die Bundesregierung im Haushalt 1975, allerdings nicht ordnungsgemäß im Bundeshaushalt ausgewiesen, sondern in der Anlage, den gesamten von der Bundesregierung laut EG-Haushaltsvorentwurf zu erbringenden Finanzbeitrag veranschlagt hat, der, wie sich dann bereits bei den Haushaltsberatungen herausstellte, um über 600 Millionen DM zu hoch war. Sie waren aber nicht bereit, aus der Kürzung des EG-Etats auch die notwendige Konsequenz zu ziehen, nämlich Ihre zu hohe Veranschlagung wieder zurückzunehmen, was eigentlich hätte selbstverständlich sein sollen.
Zur Begründung berief sich Herr Apel interessanterweise darauf, daß von seiten der Europäischen Gemeinschaften noch einige Nachtragshaushalte zu erwarten seien. Das sind nämlich genau die, die ich eben genannt habe, z. B. der Cheysson-Fonds und der Europäische Regionalfonds, bei denen Sie dafür gesorgt haben, daß sie aus dem EG-Haushalt heraus-geboxt wurden. Sie haben also von der Kommission verlangt, daß sie den Etat kürzt und jeweils Nachtragshaushalte einbringt; aber Sie selbst sind zu dieser Regelung nicht bereit. In meinen Augen ist das dann ebenso unseriös, Herr Apel.
({0})
Ich verstehe überhaupt nicht die Handlungsweise der Bundesregierung. Es sollte doch außer Zweifel sein, daß sie nur den Finanzbeitrag in den Haushalt einsetzt, der nach dem beschlossenen EG-Haushalt unsererseits zu bezahlen ist. Wenn Sie die EG-Kommission gezwungen haben, Nachtragshaushalte einzubringen, müßten auch Sie, wenn diese Nachtragshaushalte kommen, hier im Plenum Nachtragshaushalte einbringen. Alles andere wäre unseriös.
({1})
Im übrigen möchte ich hier die Frage aufwerfen, was das Budgetrecht des Parlaments eigentlich beinhaltet. Herr Löffler, da möchte ich auch gerade Sie ansprechen.
({2})
Wenn nämlich so verfahren wird wie in diesem Jahr, daß von Anfang an sämtliche aus dem EG-Bereich zu erwartenden Risiken in den Bundeshaushalt eingestellt werden, wenn also erst einmal der volle Betrag von uns bewilligt wird, dann kann die Bundesregierung in EG-Sachen mehr oder weniger am Parlament vorbeiregieren. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, daß wir - das macht Herr Apel ja geltend - auch für den Regionalfonds sind. Nein: Wir wollen verhindern, daß die Regierung in Sachen EG am Parlament vorbeiregiert.
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Punkt 2! Ich möchte nun auf das Problem der eigenen Einnahmen der EG und darauf eingehen, daß unser gesamter EG-Finanzbeitrag - bis auf einen Bilanzrestposten von 25 Millionen DM - nicht ordnungsgemäß im Bundeshaushalt ausgewiesen ist.
({4})
Ihr Haus versucht in der Ausschußdrucksache 976 des Haushaltsausschusses, auf diese Frage einzugehen, und es versucht krampfhaft, den Nachweis zu liefern, daß unser diesjähriger Finanzbeitrag an
Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Carstens ({5})
die EG erstmals unter eigene Mittel fällt und als solcher zu behandeln ist.
Worum geht es hier eigentlich, meine Damen und Herren? Nach einem Beschluß der EG von 1970 sollte ab Januar 1975 der Haushalt der Gemeinschaften vollständig aus eigenen Mitteln der Gemeinschaften finanziert werden. Hierzu waren neben den der EG schon als eigene Einnahmen zustehenden Zöllen und Agrarabschöpfungen Mehrwertsteuereinnahmen bis zu maximal 1 % vorgesehen. Mangels Einigung über die Bemessungsgrundlage kann diese Methode 1975 nun noch in keinem der Mitgliedstaaten angewendet werden. Für diesen Fall sieht der Beschluß vor, daß - abweichend von dieser Methode - der Finanzbeitrag jedes Mitgliedstaates zum Haushalt der Gemeinschaften nach einem Bruttosozialproduktschlüssel festgelegt wird.
Herr Löffler, nun muß sich dem neutralen Beobachter doch die Frage aufdrängen, was eigentlich geschehen ist, um die Bundesregierung zu veranlassen, den gesamten EG-Finanzbeitrag 1975 nicht - wie noch im Vorjahr - ordnungsgemäß im Etat auszuweisen, sondern ganz verschämt in einer Anlage zum Haushalt unterzubringen.
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Daß sie dies tut, ist allerdings erklärlich, senkt sie doch hierdurch das Haushaltsvolumen um 2 bis 3 Milliarden DM oder annähernd 2 %. Richtigkeit und Rechtmäßigkeit ihres Handelns müssen aber auf das Heftigste bezweifelt werden. Diese Meinung, Herr Löffler - Sie haben sich ja eben mit einem Zwischenruf gemeldet -, teilen die Finanzreferenten sämtlicher Bundesländer, auch die der SPD-geführten Länder, bei nur einer Enthaltung. Das Ganze kam auf Grund eines Antrages des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zustande. Das sollte doch auch Ihnen zu denken geben. Die Finanzreferenten sind der Auffassung, daß es sich bei den die Mehrwertsteuer ersetzenden Mitteln um Finanzbeiträge handelt, die aus Haushaltsmitteln zu leisten sind. Deshalb seien diese Mittel unter Anwendung des Bruttoprinzips - dieses Prinzip ist bei uns ja wohl üblich - als Ausgaben und die Mehrwertsteuer ungekürzt als Einnahmen zu veranschlagen.
Meine Nachforschungen haben ferner ergeben, daß sich dieser Meinung auch die meisten EG-Länder angeschlossen haben. Herr Apel, Sie berufen sich sonst doch immer so gerne auf das, was unsere Nachbarländer machen. In diesem Falle sind nur Frankreich und Belgien Ihrer Meinung gefolgt.
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Holland, Dänemark, Italien, Luxemburg und Irland haben sich Ihrer Meinung nicht angeschlossen. Sie sagen im Finanzbericht 1975 selbst aus, daß es sich um einen Finanzbeitrag handelt, den wir abzuführen haben. Wenn es sich um einen Finanzbeitrag handelt, den wir an andere Institutionen abführen müssen, ist es doch wohl selbstverständlich, daß ein solcher Beitrag auch im Haushalt auszuweisen ist.
Herr Minister Apel, wie läßt sich Ihr Verhalten eigentlich mit den Grundsätzen ordnungsgemäßen und soliden Haushaltsgebarens in Einklang bringen?
({8})
Ich weiß, daß Sie sich nun an eine Entschließung des Europäischen Parlaments vom November 1970 wie an einen Strohhalm klammern. Aber meinen Sie nicht, daß dieser Strohhalm ziemlich dünn und rissig ist? Sie nehmen eine EG-Absichtserklärung, eine Entschließung von vor fünf Jahren, die bis heute nicht verwirklicht wurde und hinsichtlich derer man bis heute überhaupt nicht vorhersagen kann, wann sie einmal verwirklicht wird, zum Anlaß, den Bundesetat um 2 bis 3 Milliarden DM zu kürzen. Ich bin gespannt, was der Bundesrechnungshof wohl dazu sagen wird. Daß Sie unter diesen Umständen noch den Mut haben, zu behaupten, die Steigerungsrate des Bundeshaushalts 1975 betrage lediglich 8,7 % bzw. 12 % oder, wenn wir die Konjunkturmaßnahmen einbeziehen, 14,3 %, halte ich in höchstem Maße für unredlich und auch für falsch.
({9})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem letzten Punkt, den ich hier ansprechen möchte, geht es darum, daß bei uns im Parlament, in den Ausschüssen und in den Arbeitskreisen, größte Unzufriedenheit - diese möchte ich hier zum Ausdruck bringen - über die unzulängliche Behandlung von EG-Vorlagen durch die Bundesregierung herrscht. Nicht selten kommt es vor, daß uns Vorlagen der EG vorgelegt werden, die politisch längst entschieden sind. Ich möchte hier als Beispiel nur die Vorlage nehmen, die man uns vorgelegt hat, als es um die Verhandlungen mit England wegen des Verbleibens in der EG ging. Die Regierung teilte uns in einem Anschreiben mit, sie habe größtes Interesse daran, daß sich das Parlament und seine Ausschüsse mit dieser Vorlage ausführlich beschäftigten.
({10})
Diese Vorlage erreichte uns aber erst in der letzten Sitzungswoche vor den Verhandlungen in Dublin. Das Wichtigste war längst ohne uns in Brüssel passiert, und darüber hinaus waren wir aus zeitlichen Gründen überhaupt nicht in der Lage, zu dieser Vorlage in angemessener Weise Stellung zu nehmen.
({11})
Ich möchte Ihnen, Herr Apel, ein positives Beispiel nennen, das Sie als Vorbild für die zukünftige Behandlung derartiger Vorlagen nehmen sollten. Es geht hier um die Überlegungen für eine europäische Haushaltskontrolle und die Einführung eines europäischen Rechnungshofes. Wir haben im Haushaltsausschuß und in den Arbeitskreisen Gelegenheit genommen, uns damit ausführlich zu beschäftigen, und konnten unsere Stellungnahme dazu abgeben. Wir konnten dann sehen, daß man unseren Intentionen gefolgt ist, und ich meine, es ist etwas Gutes dabei herausgekommen.
Ansonsten haben wir allgemein den Eindruck, daß wir im Parlament nicht rechtzeitig eingeschaltet
Carstens ({12})
werden und daß Sie uns nur dann bemühen und uns nur dann brauchen, wenn es darum geht, Ihnen eine lästige Entscheidung abzunehmen und die Verantwortung mitzutragen. Andererseits haben wir den Eindruck, daß Sie EG-Vorlagen immer dann an uns vorbeilaufen lassen, wenn Sie meinen, daß es zu einer unangenehmen Einflußnahme des Parlaments kommen könnte.
({13})
Ganz zum Abschluß, Herr Minister Apel, möchte ich Sie auffordern, EG-Vorlagen unverzüglich nach deren Beratung im Staatssekretärsausschuß dem Parlament vorzulegen. Ich möchte Sie auch bitten, noch einmal ernsthaft über die Etatisierung unseres EG-Finanzanteils nachzudenken und dies zu prüfen. Tun Sie dies im Interesse einer redlichen Zusammenarbeit im Parlament!
Abschließend möchte ich Ihnen noch diesen einen Satz sagen: Bringen Sie nicht nur woanders, sondern zuallererst Ihren eigenen Laden in Ordnung!
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte um den Bundeshaushalt 1975 wird verständlicherweise von der hohen Kreditaufnahme überschattet, die nicht nur den Bund, sondern auch die Länder und Gemeinden betrifft. Deswegen möchte ich zu diesem wichtigen Thema zunächst einige Anmerkungen machen. Diese Zahlen der öffentlichen Verschuldung sind nämlich für jeden, der finanzpolitische Verantwortung trägt, Anlaß zu berechtigter Besorgnis und sorgfältiger Überprüfung; sie sind aber nicht zu unangemessener Polemik geeignet, da es über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Kreditmaßnahmen im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Meinungsverschiedenheiten geben sollte. Hierzu drei Feststellungen:
Erstens. Die Kreditaufnahme des Staates ist eines seiner wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrumente. Wir müssen dieses Instrument und seine ökonomischen Wirkungen in derselben Weise rational und unvoreingenommen beurteilen wie andere wirtschaftspolitische Instrumente des Staates auch.
Zweitens. Die gegenwärtige konjunkturelle Lage rechtfertigt den vollen Einsatz dieses Instruments, um dazu beizutragen, daß wir die Arbeitslosigkeit überwinden, private Investitionen belebt werden und ein angemessenes Niveau öffentlicher Infrastrukturinvestitionen abgesichert werden kann.
({0})
Drittens. Die Notwendigkeit höherer Staatsverschuldung zwingt uns, um einen effizienten Einsatz der zusätzlich mobilisierten öffentlichen Mittel besorgt zu sein und zu vermeiden, daß aus den aktuellen konjunkturpolitischen Erfordernissen Dauerbelastungen entstehen, von denen sich die öffentlichen Haushalte später nicht mehr freimachen können.
Das hohe Ausmaß, in dem die öffentliche Hand 1 im Jahre 1975 auf dem Kapitalmarkt zur Verfügung stehende Mittel in Anspruch nehmen wird, ist nicht das Resultat einer unkontrollierten Entwicklung, sondern das Ergebnis einer der jetzigen Konjunkturlage Rechnung tragenden Finanzpolitik.
Deshalb sei zu den drei Hauptursachen der gegenwärtig erforderlichen zusätzlichen Kreditfinanzierung folgendes gesagt:
Als erste wird auch von mir die Steuerreform genannt. Die Entlastung der Steuerzahler um rund 14 Milliarden DM ergibt eine Deckungslücke, die sich nicht durch Verminderung öffentlicher Leistungen oder Kürzung von Investitionen schließen läßt. Streichungsvorschläge in dieser Höhe liegen nicht vor. Sie wären auch ausgesprochen konjunkturwidrig. Mit Recht bezeichnet es der Sachverständigenrat als einen „glücklichen Umstand", daß dauerhafte Steuersenkungen gerade Anfang 1975 in Kraft treten, nachzulesen im Jahresgutachten unter Textziffer 330. Auch die Deutsche Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht Februar nochmals ausdrücklich die „durchaus antizyklische" Wirkung der Steuerreform hervorgehoben.
In diesem Haus bestehen über den Gesamtbetrag der notwendigen Steuerentlastungen keine grundsätzlich abweichenden Meinungen. Der Steuerreformkompromiß mit den Unionsparteien hat aber - das wissen Sie alle erst diese Höhe der Steuerkorrekturen ergeben. Auch die neuesten Korrekturvorschläge der Union zu dem einmütig verabschiedeten Steuerreformwerk würden keineswegs eine Entlastung der Haushalte, sondern eine weitere Verschuldung bedeuten.
Die zweite Ursache entsteht durch einen Vorgang, den die Konjunkturtheorie die automatischen Stabilisatoren nennt. Es geht um die Steuerausfälle, die eintreten, wenn sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, die Umsätze geringer steigen und die zu versteuernden Gewinne schrumpfen. Bedeutsam sind weiter die unmittelbar von der Konjunkturlage abhängigen Ausgaben wie das Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld, die bei Überschreitung der Voranschläge der Bundesanstalt für Arbeit automatisch finanzielle Rückwirkungen auf den Bundeshaushalt ausüben. Diese unmittelbar konjunkturbedingten Haushaltsbelastungen lassen sich daher auch nicht - etwa in Zielrichtung einer Brüningschen Politik - durch sogenannte Einsparungen ausgleichen, die eine wirtschaftliche Wiederbelebung geradezu verhindern würden. Wenn wir konjunkturbedingte Steuerausfälle und konjunkturbedingte zusätzliche Ausgaben zum Anlaß nehmen, die öffentliche Investitionstätigkeit einzuschränken, dann bewegen wir uns zweifellos auf dem Boden einer prozyklischen Politik. Die konjunkturbedingten Haushaltsbelastungen müssen also durch zusätzliche Kreditfinanzierung ausgeglichen werden.
Lassen Sie mich noch einmal zu Brüning zurückkehren. Nicht ein Kollege der Koalitionsfraktionen, sondern der vor mir sitzende Kollege Professor Zeitel von der Opposition hat in einem Artikel in der „Welt" am 10. Februar dieses Jahres folgendes geäußert:
Ebenso kann nicht übersehen werden, daß die politische Entwicklung in unserem Lande vermutlich anders verlaufen wäre, wenn das Bemühen, den Staatshaushalt in den Jahren seit 1930 bei sinkenden Steuereinnahmen auszugleichen, nicht primär auf Steuererhöhungen, sondern auch auf eine stärkere Staatsverschuldung gerichtet gewesen wäre. Sicher hat die orthodoxe Brüningsche Haushaltspolitik dazu beigetragen, die damalige Wirtschaftskrise zu verschärfen.
Sind das nicht Sätze, über die jeder hier im Hause aus aktuellem Anlaß nachdenken sollte,
({1})
auch die Sprecher der CDU/CSU, die bisher in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1975 zu Wort gekommen sind?
Die dritte Ursache, die die Höhe des Kreditbedarfs beeinflußt, bilden die konjunkturfördernden Maßnahmen, die Bund und Länder durchführen werden. Zusätzliche öffentliche Investitionen, die Förderung privater Investitionen, die Hilfen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erleichterungen zur Herbeiführung der Mobilität - das alles sind Maßnahmen, deren Erfolg in Frage gestellt wäre, wenn ihre Finanzierung anders als durch die Inanspruchnahme zusätzlicher Mittel, sei es durch Kredite, sei es durch Rücklagen, bewirkt würde.
Die zusätzliche Kreditfinanzierung durch die öffentliche Hand muß auch von der Situation des Kapitalmarkts her gesehen werden. Was wir heute beobachten und was die durch die Bundesbankpolitik bestätigte Zinsentwicklung verdeutlicht, ist nach wie vor eine geringe private Inanspruchnahme des Kapitalmarkts bei gleichzeitig hoher Geldkapitalbildung. Die Spareinlagen steigen kräftig an. Es gehört mit zur konjunkturpolitischen Aufgabenstellung, in der gegenwärtigen Situation ein Brachliegen von Investitionsmitteln und dadurch bewirkte Wachstumsverluste zu verhindern.
Wenn nun behauptet wird, daß die Staatsverschuldung des Jahres 1967 deswegen anders zu beurteilen sei, weil damals ein größerer Anteil der zusätzlichen Maßnahmen auf den Bereich der investiven Bundesausgaben entfiel, dann wird dabei die entscheidende Tatsache übersehen, daß die konjunkturpolitischen Impulse im Jahre 1975 vor allem von der Einnahmeseite des Bundeshaushalts ausgehen werden, z. B. von der Investitionszulage, deren Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit nicht deswegen geringer sind, weil sie sich nicht in einer sogenannten Investitionsquote ausdrücken können.
Es wäre noch ein Wort über die Größenordnungen, um die es geht, hinzuzufügen. Müssen wir Angst haben vor der, wie Herr Strauß sagt, „ungeheuerlichen Ausweitung der Nettofinanzierungsdefizite der öffentlichen Hand im Jahre 1975"? „Wir stehen" - nach den Worten des Herrn Strauß im „Handelsblatt" vom 11. Dezember 1974 - „vor einem gigantischen Anwachsen der öffentlichen Verschuldung in den Jahren 1974 und 1975".
Ich darf zum Vergleich das Jahr 1967 heranziehen, als wir ebenfalls die Auswirkungen einer aktiven antizyklischen Finanzpolitik im Anwachsen dei öffentlichen Verschuldung festzustellen hatten. Von 1966 zu 1967 stiegen die Schulden des Bundes - ich nehme nun nicht wie der Herr Bundesfinanzminister als Vergleich das Volumen des Bundeshaushalts, sondern den Anteil am Sozialprodukt - von 7,4 % auf 9 °/o an. Von Ende 1973 bis Ende 1975 werden sie als Anteil am Sozialprodukt von 6,4 % auf 8,5 % anwachsen. Es handelt sich also um ähnliche Größenordnungen wie damals.
Das gilt auch, wenn man die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden einbezieht. Die Gesamtverschuldung der Gebietskörperschaften stieg von 1966 zu 1967 von 19,1 % auf 21,9 % des Sozialproduktes. Sie wird von 1973 bis 1975, jeweils Ende Dezember, von 18,2 % auf 22 % des Sozialproduktes ansteigen. Auch hier haben wir wieder etwa gleiche Größenordnungen.
Auch wenn wir einen internationalen Vergleich heranziehen, besteht kein Anlaß, die öffentliche Verschuldung in der Bundesrepublik als „gefährlich" oder „gigantisch" einzustufen. In der Staatsverschuldung liegt die Bundesrepublik - worauf Sie Herr Bundesfinanzminister Apel heute vormittag schon aufmerksam gemacht hat - weit hinter anderen vergleichbaren Ländern.
Meine Damen und Herren, ich bin der letzte, der Probleme einer zunehmenden Verschuldung verniedlichen möchte. Der Anstieg der Verschuldung der öffentlichen Hand im Jahre 1975 ist ernst zu nehmen. Aber man muß hinzufügen, daß dieser Anstieg der Verschuldung konjunkturpolitisch notwendig bleibt und daß er nach allen finanzpolitischen Erfahrungen das vertretbare Maß keineswegs überschreitet. Wenn Herr Kollege Strauß immer wieder von der „ungeheuerlichen" und „gigantischen" Verschuldung spricht, dann produziert er die „üblichen Kassandra-Rufe von der großen Krise, die auch einen Gesunden halbkrank machen können", so Franz Josef Strauß, dargestellt in seinem Buch „Finanzpolitik - Theorie und Wirklichkeit". Ich gebe allerdings zu, daß Herr Strauß dieses Buch nach seiner Sonthofener Rede umschreiben muß.
Dennoch bitte ich Herrn Kollegen Zeitel, den Vorsitzenden der CSU mit Erkenntnissen seiner beiden Artikel in der „Welt" vertraut zu machen. Ich zitiere aus dem Artikel vom 11. Februar 1975 den folgenden Absatz. Herr Zeitel schreibt:
Die direkte und indirekte Geldschöpfung, die mit einer Staatsverschuldung häufig verbunden ist, kann freilich dann erwünscht, ja in diesem Umfang geradezu geboten sein, wie es in einer Volkswirtschaft an einer Nachfrage fehlt, die wirtschaftlichen Kapazitäten auszulasten. Ersetzt eine Kreditaufnahme durch den Staat fehlende private Nachfrage, so wirkt sie nicht als Treibsatz einer inflationären Entwicklung, sondern als Stabilisierungselement gegenüber einer drohenden Unterbeschäftigung.
So Herr Professor Zeitel.
Solche und ähnliche Überlegungen dienen der Sache; denn ausschweifende Polemik kann niemals hilfreich sein. Polemik löst keine Probleme, und die finanzielle Entwicklung der öffentlichen Haushalte bringt zur Zeit schwerwiegende Probleme mit sich. Zum Beispiel wird die Höhe der Verschuldung im Jahre 1975 dazu führen, daß in den öffentlichen Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden ein Anstieg der Zinsbelastung um rund 1 % des Haushaltsvolumens aufgefangen werden muß. Bei dem geringen Spielraum, den die öffentlichen Haushalte haben, bedeutet diese beachtliche Größenordnung den Preis, der für eine Politik aktiver Konjunkturbeeinflussung zu zahlen ist. Diese Tatsache muß jeder beachten.
Die Schließung der durch konjunkturpolitische Maßnahmen entstandenen Deckungslücken wird in den vor uns liegenden Haushaltsjahren erhebliche Anstrengungen erfordern. Ich weise jedoch auf einige Aspekte hin, die positiv zu beurteilen sind.
Keineswegs darf man davon ausgehen, daß Finanzierungsdefizite in der jetzt erforderlichen Höhe auch in aller Zukunft entstehen werden. Die Steuerausfälle, die sich aus dem gedämpften Wirtschaftsablauf ergeben, lassen sich mit dem einsetzenden Aufschwung wieder ausgleichen. Dabei treten allerdings zeitliche Verzögerungen auf, die insbesondere noch das Jahr 1976 belasten. Auch die zusätzlichen Aufwendungen für Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld sinken im Zuge einer wiedereinsetzenden Belebung. Die befristeten Konjunkturmaßnahmen, ins-
) besondere die Investitionszulage, stellen zwar vor allem 1976 noch eine Belastung für den Haushalt dar. Der Abbau dieser Haushaltsbelastungen ist aber unschwer absehbar. Bei dem, was Bund und Länder an zusätzlichen öffentlichen Investitionsausgaben erbringen, darf nicht übersehen werden, daß damit eine Infrastrukturverbesserung stattfindet, die sonst von der öffentlichen Hand in einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen wäre.
In Zukunft wird es also darauf ankommen, trotz der zur Zeit expansiven Haushaltspolitik und der Ausweitung öffentlicher Ausgaben die möglichen Dauerbelastungen des Haushaltes gering zu halten.
Die konjunkturpolitischen Notwendigkeiten, zu denen in ihrer gesamtwirtschaftlichen Auswirkung - ich wiederhole diese Tatsache - die Steuerreform zu rechnen ist, haben zu einer starken Belastung der öffentlichen Haushalte geführt. Mit einsetzendem konjunkturellen Aufschwung reduzieren sich verschiedene Belastungen, was niemand bestreiten wird. Wann und wie schnell dies geschehen kann, hängt davon ab, wann und wie schnell der Aufschwung in Stabilität beginnt. Wenn die Bundesregierung ihren neuen Finanzplan vorlegt, läßt sich besser als heute abschätzen, mit welchem Zeitprofil eine Normalisierung der Haushalte eintreten wird. Daß die Haushaltspolitik in diesem Zeitabschnitt des Abschwungs in beachtlichem Umfang konjunkturstüzend eingreifen kann, ist vor allem auf den Einsatz des wirtschaftspolitischen Instruments der Staatsverschuldung zurückzuführen. Dieses Instrument darf nicht durch eine emotionale Polemik verteufelt werden.
({2})
Meine Damen und Herren, gestern ist von Herrn Carstens in seiner Rede etwas behauptet worden, was er auch schon in schriftlichen Bekundungen dargestellt hat. Er sagte gestern: „Als die CDU/CSU Ende 1969 die Regierungsgeschäfte an SPD und FDP übergab" usw. Ich würde den Herrn Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion bitten, keine neue Zeitrechnung einzuführen;
({3})
denn im Jahre 1969 hat nicht die CDU/CSU die Regierungsgeschäfte an die jetzige sozialliberale Koalition übergeben, sondern die damalige Große Koalition hatte ihren Existenzzweck erfüllt, und die Wählerinnen und Wähler hatten entschieden, daß bei den seinerzeit geschaffenen Mehrheitsverhältnissen eine sozialliberale Koalition politisch ermöglicht werden sollte.
({4})
Sie müssen, wenn Sie eine Bilanz der Vergangenheit aufmachen, beim Jahre 1966 beginnen.
({5})
Da waren Sie nämlich am Ende Ihres Lateins.
({6})
Ich wundere mich über den Mut, den verschiedene Ihrer Redner gestern aufbrachten und heute aufbringen, diesen Zeitabschnitt einfach zu vergessen, untergehen zu lassen, nicht darauf zurückzukommen, obwohl er doch in Ihrer Geschichte, in der Geschichte der CDU/CSU, ein besonders bemerkenswerter Abschnitt gewesen ist.
Sie haben damals das Ende Ihrer politischen Vorherrschaft in der Bundesrepublik Deutschland erleben müssen. Und wenn Sie jetzt darauf zurückkommen und - das hat insbesondere Herr Strauß getan - Zitate aus den Auseinandersetzungen des Jahres 1965 bringen, als wir auf die folgenschwere finanzwirtschaftliche Entwicklung hinwiesen, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, dürfen Sie nicht vergessen, daß wir nicht Opposition in Ihrem heutigen Sinne gemacht haben, sondern wir haben damals konstruktive Vorschläge eingebracht, um den Versuch zu unternehmen, in der Bundesrepublik Deutschland wieder eine Normalisierung der finanzwirtschaftlichen Verhältnisse zu erreichen.
({7})
Diese Tatsache hat im Wahlkampf 1965 eine bedeutsame Rolle gespielt. Bei den Auseinandersetzungen hat der damalige Bundeskanzler Erhard nach einer dpa-Meldung am 13. August 1965 erklärt:
Wenn die SPD von einer Finanzkatastrophe spricht, so nehmen Sie es nicht ernst, nehmen Sie es heiter!
Meine Damen und Herren, das Ende dieses Heiter-Nehmens war dann das Haushaltssicherungsgesetz
({8})
im Dezember 1965, nach erfolgter Neuwahl. Das Ende des Heiter-Seins begann, als Sie in Ihrer eigenen Koalition keinen ausreichenden politische Halt mehr fanden,
({9})
die FDP sich von Ihnen trennte, nunmehr eine Minderheitsregierung Erhard vorhanden war, Sie einen neuen Bundeskanzler suchen mußten und ihn in der Person des Herrn Kiesinger fanden. Sie haben damals, meine Damen und Herren, unseren Vorschlag, das beste politische Mittel anzuwenden, das in einer solchen Krise anwendbar ist, abgelehnt, nämlich die Vertrauensfrage zu stellen und so das Volk zu befragen und ihm Gelegenheit zu geben,
({10})
einen neuen Bundestag zu wählen.
({11})
Das, so meine ich allerdings, läßt sich nicht vertuschen, denn wenn Sie sich an die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Kiesinger vom 13. Dezember 1966 erinnern wollen, werden Sie sich, meine Damen und Herren von der Opposition, zu anderen Feststellungen veranlaßt sehen, wenn Sie es mit der politischen Wahrheit genau nehmen.
Es ist auch nicht so, wie Herr Strauß in einem Fernsehinterview am Montag erklärt hat. Er sagte, er sei zum Amt des Finanzministers in dieser Großen Koalition gedrängt worden. Im Gegenteil! Herr Strauß wird sich daran erinnern, daß die SPD erhebliche Bedenken angemeldet hatte, mit ihm in einem Kabinett zu sitzen.
({12})
Daß diese Bedenken angesichts der damaligen Vergangenheit des Herrn Strauß ihre Berechtigung hatten, kann niemand bestreiten. Man könnte nur noch hinzufügen: Diese Bedenken haben sich in der Gegenwart als noch zutreffender erwiesen.
({13})
Herr Kiesinger hat damals in seiner Regierungserklärung gesagt - und das können Sie nicht bestreiten -:
Der Bildung dieser Bundesregierung,
- also der Großen Koalition mit der SPD, meine Herren von der CDU/CSU in deren Namen ich die Ehre habe zu Ihnen zu sprechen, ist eine lange, schwelende Krise vorausgegangen, deren Ursachen sich auf Jahre zurückverfolgen lassen.
({14})
Ein offenes Wort! Bewahren Sie es in Ihrem Herzen!
Herr Kiesinger erklärt dann an einer anderen Stelle, nach der Regierungsbildung durch Ludwig
Erhard wären in der Folge innenpolitische Schwierigkeiten eingetreten, innerparteiliche Auseinandersetzungen - womit er nur die CDU/CSU gemeint hat - und außenpolitische Sorgen, „bis schließlich die Uneinigkeit über den Ausgleich des Bundeshaushalts 1967 und über die auf lange Sicht notwendigen finanzpolitischen Maßnahmen zum Auseinanderbrechen der bisherigen Koalition und zu einem Minderheitskabinett" führte. Nun kommt eine beachtliche Passage in dieser Regierungserklärung, die wie folgt lautet:
Die Hoffnungen richten sich darauf, daß es der Großen Koalition ... gelingen werde, die ihr gestellten schweren Aufgaben zu lösen, darunter vor allem die Ordnung der öffentlichen Haushalte, eine ökonomische, sparsame Verwaltung, die Sorge für das Wachstum unserer Wirtschaft und die Stabilität der Währung.
Das ist es, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU-Fraktion, was Sie uns damals überlassen haben. Hier, Herr Kollege Carstens, müssen Sie mit Ihrer Zeitrechnung beginnen
({15})
und nicht mit der Beendigung der Großen Koalition, als es mit Hilfe der gesamten politischen Kraft einer unverbrauchten Partei, wie es die SPD war
({16}) - war und ist -,
({17})
gelingen konnte, wieder zu den Grundsätzen der Solidität zurückzukehren.
({18})
In dieser Zeit der Großen Koalition ist es der SPD sogar gelungen, dafür zu sorgen, daß sich Herr Strauß manierlich benahm.
({19})
Herr Abgeordneter Dr. Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sauer?
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Nein. - Ich verweise auf einen Artikel von Franz Josef Strauß vom 31. Juli 1967 in der „Bonner Rundschau"
({0})
mit der beachtlichen Überschrift: „Ich stelle mich der Kritik". Möge er in den nächsten Tagen begnadet sein und einen ähnlich aufschlußreichen Artikel unter der Überschrift „Ich stelle mich der Kritik" schreiben!
({1})
In diesem Artikel von Franz Josef Strauß - er wird sich sicherlich nicht gern daran erinnern lassen - heißt es:
Erst die Große Koalition
- meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vergessen Sie nicht: zu dieser Großen Koalition gehörte entscheidend die SPD;
({2})
sonst wären Sie 1967 überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen zu regieren ({3})
erwies sich als stark genug, die Lösung zu bringen, die uns von den drückenden Sorgen um unsere Zukunft erlösen sollte.
({4})
An diese „Erlösung", Herr Strauß, sollten Sie sich auch im Hinblick auf Ihre Sonthofener Rede erinnern.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu noch einige Bemerkungen machen, zumal mich Herr Strauß in der Plenardebatte am 13. März 1975 zitiert hat. Nach dem Protokoll erklärte Herr Strauß in dem Brief an die Frau Bundestagspräsidentin, den er verlesen hat:
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, daß der damalige Bundesminister der Finanzen Alex Möller in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 23. September 1970, auf die CDU/CSU deutend, sagte: „Diejenigen, die diese Weltkriege und die darauffolgenden Inflationen zu verantworten haben, stehen Ihnen" - gemeint waren CDU und CSU - „geistig näher als der SPD".
({5})
Das Protokoll vermerkt: „Lebhafter Beifall bei der SPD".
Nun sagt Herr Strauß:
Meine Äußerungen gingen nicht annähernd so weit gegenüber SPD und FDP, wobei ich nicht von „Fraktion" gesprochen habe - nebenbei erwähnt -, wie damals das Pauschalurteil eines führenden SPD-Ministers. Auch Herr Möller erklärte damals, daß er selbstverständlich niemanden aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder aus den beiden Parteien CDU und CSU in die Nähe des Nationalsozialismus habe rücken wollen. Ein solcher Eindruck, der von ihm nicht beabsichtigt war, könne auch aus dem Protokoll nicht hergeleitet werden.
Herr Strauß fährt fort:
Nebenbei bemerkt: Die Fraktion der CDU/CSU hat sich mit dieser der philologischen Deutung sicher nicht ganz entsprechenden Erklärung, Herr Kollege Möller, seinerzeit zufriedengegeben.
Meine Damen und Herren, das stimmt nun leider nicht und zeigt, wie fern der Wahrheit sich Herr Strauß bei solchen politischen Darstellungen der Wahrheit befindet. Denn in dieser Darstellung wurde von ihm unterschlagen, wie es überhaupt zu
einer solchen Äußerung im Deutschen Bundestag am 23. September 1970 gekommen ist.
({6})
Ich muß an dieser Stelle an die Rede von Herrn Kollegen Kirst von gestern erinnern, in der er sehr treffend die von der CDU/CSU ausgehende Inflationsschuldlüge behandelt hat.
Was hat sich am 23. September 1970 im Deutschen Bundestag abgespielt? Ich zitiere aus dem Protokoll. Ich habe den Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion gesagt:
Erinnern Sie sich an die beiden Inflationen, die wir wirklich durchgemacht haben .. .
({7})
Das hat Herr Kollege Wehner gestern schon sehr deutlich und plastisch hervorgehoben. Und was erfolgte dann? - Ein Zwischenruf des Herrn Kollegen Haase ({8}), an den er sich wohl nur mit Scham erinnert, nämlich der Zwischenruf: „Und Sie" - gemeint war ich - „machen die dritte!", d. h. die dritte Inflation. Meine Damen und Herren, das sollten wir einstecken und hinnehmen?
({9})
Ich finde, wenn man auf eine solche infame Anschuldigung das antwortet, was ich erklärt habe: „Die, die diese Weltkriege und die darauffolgenden Inflationen zu verantworten haben, stehen Ihnen" - der CDU/CSU - „geistig näher als der SPD", dann ist das eine sehr höfliche, allerdings auch sehr klare Aussage,
({10})
aber in einer Form produziert, wie wir das heute von seiten der CDU/CSU leider nach wie vor vermissen müssen.
({11})
Es ist auch unwahr, daß sich die Fraktion der CDU/CSU mit meiner Erklärung begnügt hätte. Herrn Kollegen Strauß ist leider in Vergessenheit geraten,
({12})
daß die CDU/CSU einen Antrag auf Mißbilligung dieser meiner Äußerung einbrachte. Darüber wurde im Deutschen Bundestag am 8. Oktober abgestimmt. Der Mißbilligungsantrag wurde abgelehnt - ein Vorgang, an den man sich heute nicht erinnert, den man aber auch in keiner Weise mit verschiedenen Passagen der Sonthofener Rede des Herrn Strauß in Verbindung bringen kann.
({13})
Nun sagt Herr Strauß - und es ist schwer, dem einen oder anderen Wahrheitsgehalt nachzugehen -, das sei von ihm alles nicht so gesagt worden, und die Auszüge seien ohne seine Zustimmung und ohne seine Anerkennung veröffentlicht worden.
({14})
Gut und schön. Wenden wir uns also nicht mehr
diesen Auszügen zu; denn am Montag, dem 17. März,
fand die Fernsehsendung „Report" statt. Der Interviewer, Herr Alt, dem ich meinen Respekt vor der sachlichen Führung dieses Interviews ausdrücke, hat die verschiedenen Tatbestände dieser Rede bei Herrn Strauß abgefragt, und Herr Strauß hat sich in dieser Sendung geäußert. Diese Äußerungen des Herrn Strauß in der Sendung „Report" am 17. März dieses Jahres muß man doch wohl als authentisch hinnehmen,
({15})
muß man doch wohl als Äußerungen von Herrn Strauß anerkennen. Ich habe Herrn Strauß gesehen und wahrgenommen, daß diese Worte tatsächlich aus seinem Munde kamen.
({16})
Herr Alt kam zu folgender Frage an Herrn Strauß.
({17})
Vorher hatte er festgestellt, was gegenüber den Zuschauern sicher wichtig war, daß er einer Bedingung des Herrn Strauß entsprochen hatte, alle Stellen, zu denen er Herrn Strauß befragen wollte, vorher mit ihm abzustimmen. Das war geschehen. Herr Strauß ist durch keine Frage überrumpelt worden. Das festzuhalten erscheint mir notwendig; sonst gerät dieser Vorgang auch noch in Vergessenheit.
Herr Alt zitiert Herrn Strauß: „Ich möchte wissen, wieviel Sympathisanten der Baader-MeinhofVerbrecher in der SPD- und FDP-Fraktion in Bonn drinsitzen." - „Es ist ein ganzer Haufen", und fragte ihn dann: „In einem Brief an die Bundestagspräsidentin haben Sie, Herr Strauß, geschrieben, Sie meinten nicht bestimmte Mitglieder der SPD- und FDP-Fraktion. Wen dann?" - Antwort: „Ich habe mich hier genauso verhalten wie seinerzeit der Bundesfinanzminister Alex Möller, der immerhin als amtierender Minister gesagt hatte, diejenigen, die die beiden Kriege ..." usw.; ich will das nicht wiederholen. „Von uns daraufhin zur Rede gestellt, hat er ebenfalls öffentlich erklärt, wie ich es getan habe, er habe damit nicht einzelne Mitglieder der Partei oder einzelne Abgeordnete der CDU/CSU in die Nähe des Nationalsozialismus rücken wollen." - Frage durch Herrn Alt: „Das beweist nicht, was ich gefragt habe". - Das ist die schlichte Feststellung eines Fenrsehjournalisten gegenüber einer Darstellung des Herrn Strauß, zu der mehr als Phantasie gehört, wenn er behauptet, daß dieser Teil seiner Rede in Sonthofen mit dem Vorgang vergleichbar sei, der mit mir zu tun hat.
Herr Abgeordneter Dr. Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Berger?
Bitte sehr!
Herr Kollege Möller, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir uns hier im Plenarsaal zur Beratung des Haushalts 08, Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, versammelt haben, und wären Sie in der Lage, die Debatte auf die Beratung dieses Punktes zurückzuführen?
({0})
Verehrte Frau Kollegin Berger, die Sonthofener Rede des Herrn Strauß spielt hier in unserer Etatdebatte eine erhebliche Rolle,
({0})
und er selbst hat seine Etatrede mit diesem Vorgang angereichert.
({1})
Sie können doch nicht erwarten, daß man derartige Unterstellungen in einer solchen Debatte einfach hinnimmt. Wenn es sich schon um eine grundsätzliche politische Aussprache handelt und nicht nur um die Beratung von Etattiteln, müssen Sie erlauben, daß wir uns mit der neuen, destruktiven politischen Strategie der CDU/CSU unter Führung und Anleitung des CSU-Vorsitzenden beschäftigen.
({2})
Frau Kollegin Berger, Sie haben Ihre Frage deswegen zum richtigen Zeitpunkt gestellt, weil ich gerade dabei war, die Bemerkung von Herrn Alt: „Das beweist nicht, was ich gefragt habe" zu ergänzen mit der Reaktion von Herrn Strauß, der dann erklärte: „Das ist richtig." Auch das muß man in der Gesamtwertung berücksichtigen.
Herr Strauß ist anschließend eingegangen auf die Anwesenheit der Kollegen Hansen, Gansel und Wichert in München bei dem Kongreß der Jungsozialisten.
({3})
- Ja sicher kann er darauf eingehen. Aber wenn es der Wahrheitsfindung dienen soll und nicht der politischen Diffamierung, dann müssen Sie mir schon gestatten, festzustellen, daß Herr Strauß hier eine Anklage erhebt, die in keiner Weise mit den politischen Realitäten in Übereinstimmung gebracht werden kann. Auf einem Bundeskongreß einer Organisation der SPD sind drei Gäste erschienen. Wohin soll es führen, wenn wir uns dazu entschließen, die von Strauß geübte Praxis allgemein anzuerkennen und einzuführen, Gäste allein wegen ihrer physischen Anwesenheit auf einem politischen Kongreß für das, was sich auf diesem Kongreß vollzieht, politisch verantwortlich zu machen? Gegen diese Unterstellung muß sich die SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages entschieden verwahren.
({4})
Herr Abgeordneter Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgegeordneten Schröder ({0}) ?
Bitte sehr!
Herr Kollege Möller, wie wäre Ihr Kommentar, wenn drei Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion als Gäste an einem NPD-Parteitag teilnähmen?
({0})
- Das ist doch die Wirklichkeit.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe.
Meine Damen und Herren, mit dieser Unterstellung kann ich mich deswegen nicht beschäftigen, weil ich der Meinung bin, daß verantwortliche Mitglieder der CDU/CSU an einem Kongreß der NPD nicht teilnehmen.
({0})
In dem Interview mit Herrn Alt in „Report" hat Herr Strauß noch folgendes erklärt. Ich darf zitieren:
Wenn ich zur Macht kommen wollte, dann würde ich mich ganz anders verhalten, dann würde ich versuchen, mich einschmeichelnder Redensarten zu bedienen, dann würde ich versuchen, die Öffentlichkeit durch gefällige Worte für mich zu gewinnen. Dafür bin ich nicht bekannt. Das ist nicht mein Stil.
Das ist die einzige Erklärung, meine Damen und
Herren, die ich Herrn Strauß für seine Sonthofener
Destruktivstrategie-Versuche als richtige abnehme.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Möller ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben gerade ein trauriges Beispiel dafür erlebt, sehr geehrter Herr Namensvetter, wie man eine Debatte über ein eigentlich sachliches Thema wie den Haushalt mit Polemik führen kann. Gerade Sie aber haben zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt, daß Sie keine Polemik in dieser Debatte haben wollten.
({0})
Herr Dr. Möller, Sie haben von dem sogenannten Sympathiekreis und erneut von der Sonthofener Rede des CSU-Vorsitzenden Strauß hier gesprochen. Zum einen spricht es für die Argumentationsarmut der SPD-Fraktion, daß sich jeder Ihrer Redner nunmehr schon seit zwei Tagen mit dieser Rede beschäftigt.
({1})
Zum anderen, Herr Dr. Möller, wäre es angebracht gewesen - wenn Sie es überhaupt für richtig gehalten haben, dieses Thema des Sympathiekreises noch einmal anzuschneiden -, selbst darauf einzugehen, ob es stimmt, daß einige der Anarchisten wie Ensslin oder Pohle Sympathisanten der SPD-Wahlgemeinschaften oder sogar SPD-Mitglieder waren.
({2})
Es wäre ebenfalls angebracht gewesen, hier eine klare Stellungnahme dazu abzugeben, ob es nicht stimmt, daß es Berichte der Regierung über eine gemeinsame Arbeit der Aktionsgemeinschaft gegen die Isolationshaft und SPD-Mitglieder gibt.
({3})
Aber, Herr Dr. Möller, ich habe das Gefühl - ({4})
- Ach, Herr Wehner, Ihre für den deutschen Parlamentarismus beschämenden Ausbrüche kennt die deutsche Offentlichkeit leider. Darüber können wir ruhig sein.
({5})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese SPD und diese Regierung - wie überall in Europa, wo Sozialisten in der Regierung sitzen - über das Jahr 2000 reden,
({6})
in der Gegenwart versagen und sich für die Vergangenheit entschuldigen wollen.
({7})
Meine Damen und Herren, zur Begründung der Ablehnung des Einzelplans 60 - Allgemeine Finanzverwaltung - und zur Begründung des Antrags der CDU/CSU auf Einbringung einer globalen Minderausgabe von 2,5 Milliarden DM lassen Sie mich einige Gesichtspunkte der gestrigen und heutigen Debatte konkretisieren. Ich darf vielleicht mit einem Zitat meines Namensvetters und des Finanzfachmanns der SPD-Fraktion beginnen. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich zitieren:
Die Finanz- und Haushaltspolitik hat ein Stadium an Unvermögen erreicht, das wirklich nicht mehr zu überbieten ist und bei dem Staat und Wirtschaft ernsthaft Schaden nehmen.
Dieser Satz, meine Damen und Herren, gilt auch heute für den von der SPD und der FDP vorgelegten Haushaltsentwurf.
({8})
Möller ({9})
Um die heutige Finanzsituation der deutschen Öffentlichkeit deutlich vor Augen zu führen, darf ich auf ein Vergleichsbeispiel zurückkommen, das Kollege Strauß gestern hier anführte, und zwar zu dem Bereich des Verschuldungsgrades und der absoluten Verschuldung des Staatshaushalts heute. Sie von der SPD kritisieren Herrn Strauß ja immer fälschlicherweise als Schwarzmaler. Herr Strauß hat gestern darauf hingewiesen, daß die Neuverschuldung des Bundes in den Jahren 1974 und 1975 mit zirka 32 Milliarden DM - also in zwei Jahren - bereits so hoch ist wie in 20 Jahren CDU/CSU-Regierungspolitik.
({10})
Hier hat Herr Strauß nicht schwarzgemalt, sondern
er ist mit Ihnen sogar noch glimpflich umgegangen.
({11})
Die tatsächlichen reinen Neuverschuldungsraten in der Zeit von 1949 bis 1969 - in der Phase zwanzigjähriger CDU/CSU-Politik - betrugen 14,3 Milliarden DM. Demgegenüber müssen Sie in zwei Jahren - 1974 und 1975 - 33,3 Milliarden DM Neuschulden aufnehmen, um Ihre Politik zu finanzieren.
({12})
Dies ist eine traurige Ergebnis-Politik dieser SPD- Finanzwirtschaft. Gerade deshalb, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, bedeutet dieser globale Kürzungsantrag der Opposition für Sie die Nagelprobe, ob Sie es mit der Konsolidierung unserer Staatsfinanzen heute und morgen tatsächlich ernst meinen, ob Sie bereit sind, mit den hart und sauer verdienten Steuergeldern der deutschen Arbeitnehmer mit der Sorgfalt eines hanseatischen Kaufmanns umzugehen.
Die CDU/CSU will mit dieser globalen Minderausgabe in Höhe von 2,5 Milliarden DM - ich beziehe mich hier auf den alten Regierungsentwurf, nicht auf den jetzt hier neu nachgeschobenen Antrag - der Regierung jetzt die Möglichkeit geben, einerseits die Ausgabenseite den verminderten Steuereinnahmen anzupassen und gleichzeitig die Nettokreditaufnahme um 1,2 Milliarden DM zu senken. Beide Maßnahmen würden bewirken, daß eine Reduzierung des Gesamthaushalts durchgesetzt werden könnte und die Finanzpolitik somit den wirklichen Gegebenheiten zumindest etwas angenähert wird. Vor allem würde eine Reduzierung der Nettokreditaufnahme den Gesamtrahmen der Verschuldung nach altem Regierungsentwurf auf 21,1 Milliarden DM entsprechend senken. Angesichts der enormen jetzigen und zukünftigen Verschuldung in unseren Augen eine wahrlich vernünftige Alternative von uns.
Die Regierung hält uns, wie auch in den vergangenen Jahren, vor, daß in ihrem eigenen Haushaltsentwurf alle Zahlen so exakt, so genau berechnet sind, daß die Regierung keinerlei Kürzungen in Form von Minderausgaben verantworten könnte. Dieses Argument entspricht aber weder den Tatsachen noch den Wahrheiten, ganz besonders nicht den Wahrheiten der vergangenen Jahre. Beispielsweise auch in den Jahren 1973 und 1974 hat es Minderausgaben in Höhe von jeweils 4 Milliarden DM gegeben; das ist hier bereits ausgeführt worden. Unsere Annahme, daß dieser Haushalt der Regierung wiederum einen nicht vom Parlament zu kontrollierenden Spielraum geben soll, wird unter anderem von dieser Regierung selbst bestätigt. Noch in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 30. Januar 1975 erklärte der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Haehser - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren :
Zur Einsparung von globalen Minderausgaben ist im Haushalt keine entsprechende Luft.
Wenige Wochen später nur jedoch legt dieser Staatssekretär einen Regierungsantrag vor, in dem er eben ganz global einmal bummelige 720 Millionen plötzlich dennoch einsparen kann,
({13})
außerdem eine Kürzung des Personaltitels; diese Diskussion ist entsprechend schon geführt.
({14})
- Eben. Das ist ein Beispiel für die solide Arbeit und Vorbereitung dieser SPD /FDP-Regierung auf dem Gebiet der Finanz- und Haushaltspolitik. So sieht auch die politische Wahrheit und Argumentationskraft der politischen Führung des Finanzministeriums aus.
Die CDU/CSU will ganz bewußt mit Ihrem Kürzungsantrag einmal den kritischen finanziellen Bedingungen dieser Zeit entsprechen, andererseits aber auch der Bundesregierung ein maßgeschneidertes Korsett anlegen, um auch das Haushaltsrecht des Parlaments entsprechend zu wahren. Die Einzelbereiche, wie Personalverstärkungsmittel, allgemeiner Personalhaushalt, EG-Haushalt sowie der Bereich der Bürgschaften bieten allein finanziellen Spielraum genug, um neben der allgemein notwendigen sparsamen Haushaltsführung diese 2,5 Milliarden DM einzusparen. Gerade in diesem Bereich kann und muß die Bundesregierung der Alternative der Opposition folgen um damit auch deutlich ein Zeichen gegen die öffentliche Verschwendung zu setzen. Wenn sich die Bundesregierung um wählerwirksame Maßnahmen bemüht, dann sollte sie hier der Opposition folgen. Der Steuerzahler und der deutsche Arbeitnehmer verlangen es gerade von dieser SPD und erwarten es, Herr Wehner.
({15})
Meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, wenn Sie dem Antrag auf Einsetzung einer globalen Minderausgabe in Höhe von 2,5 Milliarden DM zustimmen, dann zeigen Sie der deutschen Öffentlichkeit, daß Sie es mit einer soliden Finanzierungspolitik ernst meinen. Lehnen Sie diesen Antrag jedoch aus vordergründigen Argumenten ab, so erklären Sie gleichzeitig, daß Sie im Grunde genommen weitermachen wollen auf dem Weg und auf dem Pfad der totalen Verschuldung dieses Staa11130
Möller ({16})
tes, und nicht nur dieses Staates, sondern auch der heutigen und vor allen Dingen der morgigen Generation, die auch noch in diesem Staat mit den Mitteln dieses Staates leben wollen und ein Recht darauf haben, sozial vernünftig abgesichert leben zu können.
({17})
Da Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, diesen Antrag ablehnen wollen - Sie haben diese Absicht ja bereits erklärt -,
({18})
muß ich meine Ausführungen mit einem weiteren Zitat meines Namensvetters Dr. Möller von der SPD abschließen.
({19})
Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:
Selbst wenn wir nicht wachsam und aufmerksam wären, das, was in Ihrem Lager vorgeht, veranlaßt uns, den Finger auf die Wunde zu legen
({20})
und zum Ausdruck zu bringen: Ihre ganzen Manipulationen nützen nichts. Wir brauchen eine neue Regierung, wir brauchen einen neuen Bundeskanzler,
({21})
und wir brauchen Minister, die nicht reden, sondern handeln.
Es ist amüsant zu hören, wie sich die SPD-Fraktion über die Äußerungen ihres eigenen früheren Ministers lächerlich macht.
({22})
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bedeutet dieser Kürzungsantrag, der auf eine Minderausgabe in Höhe von 2,5 Milliarden DM abzielt, für Sie die Nagelprobe. Sie haben die Mehrheit. Wir haben Ihnen einen Weg aufgezeigt, der sicherstellt, daß diese Bundesregierung durch eine Reduzierung ihrer Ausgaben 1976 keine Steuererhöhungen vorzunehmen braucht.
({23})
Sie kann ihre Versprechungen wirklich halten, wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen.
({24})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die verbundene Aussprache zu den Einzelplänen 08, 32 und 60.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 7/3389 vor. Dieser Antrag ist bereits begründet worden. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Ich lasse nun über den Einzelplan 08 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit Mehrheit angenommen!
Wir kommen zum Einzelplan 32. Hierzu liegt auf Drucksache 7/3395 unter Buchstabe c und Ziffer III ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erstere ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir stimmen nun über den Einzelplan 32 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen!
Wir kommen zum Einzelplan 60. Hierzu liegt auf Drucksache 7/3394 unter Buchstabe d und den Ziffern IV und V ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/3392. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt!
Ich lasse nunmehr über den Einzelplan 60 in der Ausschußfassung mit der Änderung, wie sie eben durch die Annahme des Änderungsantrages Drucksache 7/3394 beschlossen wurde, abstimmen. Wer dem Einzelplan 60 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Der Zuruf des Abgeordneten Wehner „Waschen Sie sich erst einmal!", an den letzten Redner gerichtet, ist unparlamentarisch. Ich rüge ihn.
({1})
Ich unterbreche die Sitzung bis 14.00 Uhr. Dann findet die Fragestunde statt. Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Dem Hause ist bekannt, daß wir mit der Fragestunde beginnen, sie aber nur auf 60 Minuten Dauer angesetzt haben. Etwa um 15 Uhr fahren wir in der allgemeinen Tagesordnung fort.
Vizepräsident von Hassel
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 7/3365 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Die Frage 100 stellt der Abgeordnete Dr. Marx:
Unter welchen Umständen fand die Auslieferung von vier portugiesischen Offizieren statt, die im Zusammenhang mit einem versuchten Putsch in der deutschen Botschaft Lissabon Zuflucht gesucht und Asyl erbeten hatten?
Zur Beantwortung, Herr Staatsminister Moersch.
Herr Abgeordneter, die vier portugiesischen Offiziere, die im Anschluß an den fehlgeschlagenen Putsch vom 11. März 1975 in der deutschen Botschaft Zuflucht gesucht hatten, wurden nicht ausgeliefert. Sie haben sich nach Verhandlungen mit dem Chef des Militärkabinetts freiwillig den portugiesischen Behörden gestellt. Ihre Abholung durch gepanzerte Fahrzeuge geschah zu ihrem Schutz vor der drohenden Haltung, die einige hundert Demonstranten vor dem Botschaftsgebäude gegen die Offiziere eingenommen hatten.
Die deutsche Botschaft war aus humanitären Erwägungen als Vermittler bei den Verhandlungen zwischen den vier Offizieren und den portugiesischen Behörden eingeschaltet. Der Botschafter hat sich dabei auch bemüht, den vier Offizieren die Ausreise ins Ausland zu ermöglichen. Die portugiesische Seite hat sich jedoch geweigert, dieses Thema auch nur zu erörtern. General Damiao, der ranghöchste der vier Offiziere, hat in der Zwischenzeit einem Angehörigen unserer Botschaft seinen Dank für die hilfreiche Vermittlungstätigkeit ausgesprochen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatsminister, Sie sprachen von der drohenden Haltung, die eingenommen worden sei. Hat diese drohende Haltung in direkter oder in indirekter Weise die Entscheidungen unserer Botschaft in Lissabon beeinflußt?
Nein, Herr Abgeordneter. Ich werde nachher noch bei den anderen Fragen Gelegenheit haben, die Rechtslage in diesem Falle darzustellen. Unsere Botschaft hat allerdings diese Demonstration und auch die Drohungen, die von Sprechchören dort ausgestoßen wurden, zum Anlaß genommen, die portugiesische Seite nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß die Vertretung eines anderen Staates Schutz vor solchen Drohungen erwarten kann.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatsminister, da Sie sagten, dies sei das Ergebnis von Verhandlungen, es habe sich nicht um eine Auslieferung gedreht:
Ist das Problem der Asylsuche mit den gegenwärtig herrschenden portugiesischen Behörden in diesem Zusammenhang überhaupt erörtert worden?
Herr Abgeordneter, wir haben uns bemüht - ich habe das eben in meiner Antwort schon gesagt -, die Frage des freien Geleits mit der portugiesischen Seite zu erörtern. Das hat die portugiesische Seite strikt abgelehnt. Von portugiesischer Seit ist dabei auch öffentlich auf die Rechtslage hingewiesen worden.
Ich habe die Absicht, die Rechtslage in solchen Fällen, die in unserem Lande weithin unbekannt ist, in der Antwort auf die Frage 101 im einzelnen darzustellen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter van Delden.
van Delden ({0}) : Herr Staatsminister, können Sie mir sagen, ob sichergestellt war, daß die portugiesischen Offiziere frei von irgendwelchem Druck ihre Meinung bekunden konnten, ob sie das Asyl beibehalten oder ausgeliefert werden wollten?
Herr Abgeordneter, ich habe in der Antwort dargestellt, daß es die Entscheidung der portugiesischen Offiziere war, sich zu stellen, nachdem Zusicherungen gegeben worden sind, die ich im 'einzelnen in Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Kliesing noch darzulegen habe.
Ich muß Sie aber darauf hinweisen, daß es ein Asylrecht in der Wiener Konvention und auch im europäischen Bereich nicht gibt, sondern daß es lediglich Vereinbarungen lateinamerikanischer Staaten über gegenseitige Asylgewährung in ihren Botschaften gibt. Hierüber bestehen weitverbreitete Irrtümer, auch über den völkerrechtlichen Status einer Botschaft. Ich muß das hier einmal in der Öffentlichkeit darlegen, weil sonst irrtümliche Meinungen über die Möglichkeit entstehen könnten, in einem solchen Fall einzugreifen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 101 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Hat die Bundesregierung keine Möglichkeiten gesehen, die in die deutsche Botschaft geflüchteten portugiesischen Offiziere ebenso zu behandeln wie chilenische Flüchtlinge, welche die deutsche Botschaft in Santiago de Chile mit der Bitte um Asylgewährung oder andere diplomatische Hilfen aufgesucht haben?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatsminister!
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wendet in allen Fällen, in denen Gefährdete in deutschen diplomatischen Vertretungen Zuflucht suchen, grundsätzlich den gleichen Maßstab an. Im Gegensatz zu bestimmten Ländern Lateinamerikas - ich habe das soeben schon erwähnt -, die für ihre Beziehungen zueinander gegenseitige Verpflichtungen eingegangen sind, und zwar in drei Stufen, beginnend 1928, kennt die europäische Rechtspraxis kein diploma11132
tisches Asyl. Gewährt wird dagegen aus humanitären Gesichtspunkten eine zeitweilige Zuflucht zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben. Nach diesen Grundsätzen wurde sowohl im Falle der vier Offiziere in Lissabon als auch im Fall der chilenischen Flüchtlinge in Santiago de Chile verfahren.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatsminister, kann auf Grund des letzten Teils Ihrer Antwort davon ausgegangen werden, daß eine solche unmittelbare Gefahr für Leib und Leben abgewendet werden konnte?
Die Gefahr für Leib und Leben bestand, wie Sie selbst in Ihrer Frage formuliert haben, durch den Auflauf der Menge und die Drohungen, die dort ausgestoßen wurden; es wurde nach Lynchjustiz und ähnlichem gerufen. Die Verhandlungen mit dem Chef des Militärkabinetts des portugiesischen Staatspräsidenten haben entsprechende Zusicherungen ergeben - Herr Kollege Kliesing hat danach gefragt , die den vier Offizieren die Möglichkeit gaben, sich einem Gericht zu stellen.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatsminister, kann in diesem Augenblick schon von einem Gericht die Rede sein, oder handelt es sich um gewisse Vorformen der Voruntersuchung oder der Untersuchung gegen diese Offiziere?
Herr Abgeordneter, ich wollte mit dieser verkürzten Fassung zum Ausdruck bringen, daß selbstverständlich ein Gerichtsverfahren mit all den in den Gesetzen vorgesehenen Prozeduren zu erwarten ist. Aber das ist eben ein Unterschied zu dem, was man Gefahr für Leib und Leben bei einem spontanen Menschenauflauf nennt.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, wäre es denkbar gewesen, daß die portugiesischen Offiziere noch eine Nacht länger in der deutschen Botschaft hätten bleiben können, wenn sie darum gebeten hätten?
Herr Abgeordneter, von unserer Seite aus müßte ich die Frage mit Ja beantworten; aber ich kann auf eine hypothetische Frage keine konkrete Antwort geben. Ich bitte um Verständnis dafür. Die Frage hat sich nicht gestellt, und die Frage einer Gefahr für
Leib und Leben kann man immer erst im akuten Augenblick beantworten.
Ich selbst hatte Gelegenheit, an diesem Tag - allerdings ehe dieses Ereignis eintrat - am Ort der Handlung zu sein, und ich kann deshalb wohl abschätzen, wie verwirrend eine solche Situation sein kann. Ich will z. B. ganz offen bekennen, daß mir dort nicht ganz klar war, bei welcher Seite wir um Erlaubnis zum Zutritt zum Flughafen bitten mußten. Das wurde erst 24 Stunden später deutlich. Auch Angehörigen der deutschen Botschaft konnte das übrigens nicht erkenntlich sein. Nun können Sie sich vorstellen, wie schwierig es ist, hinterher eine hypothetische Frage zu beantworten, wenn man nicht einmal am Ort der Handlung eine präzise Information hatte.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing auf:
Ist es dem deutschen Botschafter in Portugal gelungen, vor der Überstellung von in die Botschaft geflüchteten Offizieren an die gegenwärtig dort Macht ausübenden Behörden von diesen Zusicherungen über die physische Unversehrtheit der Ober-stellten zu erhalten?
Die Antwort lautet: ja. Durch den Chef des Militärkabinetts wurden dem deutschen Botschafter gegenüber den vier Offizieren folgende Zusagen des Staatspräsidenten gemacht: 1. ehrenvolle Behandlung der Offiziere bei ihrer Übergabe, 2. persönliche Sicherheit und korrektes Verfahren gemäß den geltenden Gesetzen - das betrifft den Hinweis, den ich vorhin in der Zusatzantwort gegeben habe -, 3. Garantien für die Sicherheit der Familienangehörigen und 4. die Zusicherung, ihre Dienstränge nicht abzuerkennen. Ein Angehöriger der deutschen Botschaft hat am 13. März 1975 General Damiao im Militärgefängnis von Trafaria besucht und sich vergewissert, daß die Gefangenen korrekt behandelt werden. Einige der Familienangehörigen sind inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland angekommen.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Herr Staatsminister, bestehen über den von Ihnen bereits geschilderten Fall hinaus konkrete Möglichkeiten für die Botschaft, fortlaufend zu kontrollieren, ob die portugiesische Regierung ihre Zusagen gegenüber diesen vier Gefangenen einhält?
Herr Abgeordneter, wir haben uns selbstverständlich bemüht - Sie haben es an dem Besuchstermin, den ich genannt habe, gesehen -, uns zu vergewissern, daß das, was vereinbart worden ist, eingehalten wird, und ich habe im Augenblick keinen Grund, etwas anderes anzunehmen, als daß die Vereinbarungen von denen, die uns ihr Ehrenwort gegeben haben, auch eingehalten werden. Ich glaube, eine weitere hypothetische Erörterung der Frage würde der Sache selbst nicht dienlich sein.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Ist die Geltungsdauer dieser vier Zusicherungen irgendwie zeitlich limitiert, oder gelten sie unbeschränkt?
Ich kenne nur die genannten Zusicherungen, und ich habe keinen Anlaß, zu glauben, daß hier etwa andere Absichten im Spiele seien. Ich habe Grund, dem uns durch den Chef des Militärkabinetts gegebenen Wort, übermittelt als Wort des Staatspräsidenten, zu vertrauen.
Vizepräsident von Hassel: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? Bitte sehr!
Herr Staatsminister, kann man auf Grund Ihrer Kenntnis sagen, daß bei den Verhandlungen mit dem zuständigen portugiesischen Offizier auch Gedanken und Überlegungen der NATO, also das, was man Waffenbrüderschaft nennt, eine Rolle gespielt haben, oder war es ausschließlich eine bilaterale Vereinbarung?
Herr Abgeordneter, derartige Gespräche in einer solchen extremen Situation werden immer auf dem Hintergrund des Gesamtzusammenhangs der Beziehungen geführt. Soweit mir Unterlagen über die Gespräche vorliegen, kann ich jetzt dazu keine besonderen Einzelheiten nennen. Aber Sie werden mir zugeben, daß auf dem Hintergrund der völkerrechtlichen Lage das Gespräch an sich und die Möglichkeit, sich als Vermittler einzuschalten, nicht selbstverständlich gewesen sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatsminister, wurden Zusicherungen verlangt bzw. gegeben, daß die Todesstrafe gegen die fraglichen Offiziere weder verhängt noch vollstreckt wird?
Soweit mir bekannt ist, ist bei den Gesprächen allen Beteiligten gegenwärtig gewesen, daß es auch in diesem Falle nach den Gesetzen keine Todesstrafe gibt.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 103 des Abgeordneten Dr. Kliesing auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß der deutsche Botschafter in Lissabon feindseligen Angriffen ausgesetzt war, als er die deutsche Botschaft verließ, um den portugiesischen Präsidenten aufzusuchen?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatsminister.
Die Antwort lautet: Ja. Der Botschafter wurde am Nachmittag des 12. März 1975 beim Verlassen der
Botschaftskanzlei angehalten, von Demonstranten bedroht und sein Wagen durchsucht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kliesing.
Welche Schritte hat die Bundesregierung gegenüber der portugiesischen Regierung in diesem Zusammenhang unternommen?
Das habe ich eben schon in der Antwort auf eine Zusatzfrage dargelegt. Wir haben die portugiesische Regierung dringend ersucht, dafür zu sorgen, daß sie mit vollem Einsatz der Staatsgewalt unsere Botschaftsangehörigen und den Botschafter schützt und das Botschaftsgebäude selber von solcher Demonstrationen freihält.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kliesing.
Welche Garantien hat die portugiesische Regierung auf diesen Schritt der Bundesregierung hin für die Zukunft gegeben?
Herr Abgeordneter, ich habe nicht den Eindruck, daß die portugiesische Seite etwa nicht willens wäre, künftig dafür zu sorgen, daß sich diese Vorfälle nicht wiederholen. Nur muß ich Ihnen sagen: Es war sicher auch der Wille der portugiesischen Regierung, etwa dafür zu sorgen, daß die KLM-Maschine, mit der ich am 11. März 1975 um 12 Uhr mittags in Lissabon gelandet bin, planmäßig weiterfliegt. Trotzdem konnte sie damals diesen Willen nicht in die Tat umsetzen, weil andere Kräfte dagegen gewesen sind. Das soll ja in der Weltgeschichte gelegentlich unprogrammgemäß vorkommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, war dieses Verhalten gegenüber unserem Botschafter singulär, oder gibt es parallele Ereignisse an diesem Tage gegenüber anderen Botschaftern anderer Länder?
Mir ist lediglich dieses Ereignis bekannt. Das müßte ich nachprüfen. Aber bei der Offenheit der Nachrichtenmedien hätten Sie sicherlich eine präzisere Frage stellen können, wenn es dazu Anlaß gegeben hätte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatsminister, da wir mit unseren Fragen ja den Versuch machen, die Sache möglichst genau zu erfassen und manchen Gerüchten, die man hat lesen müssen, entgegenzu11134
wirken, möchte ich gerne fragen: Was bedeutet die Formulierung, daß das Auto angehalten und durchsucht worden ist? Was ist durchsucht worden? Hat man Dinge entfernt und - wenn ja -welche?
Ich muß das im einzelnen nachprüfen. Die Durchsuchung war vielleicht auf möglicherweise mitgeführte Waffen gerichtet gewesen. Das Interesse galt vermutlich dem Kofferraum. Genaueres ist darüber nicht bekannt. Jedenfalls wurde nicht der Botschafter durchsucht, um es einmal so herum zu formulieren.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sauer.
Steht zur Zeit portugiesisches Militär vor unserem Botschaftsgebäude, das z. B. verhindern würde, daß Leute die Botschaft aufsuchen?
Nein, Herr Abgeordeter, eine Behinderung des Zugangs zur Botschaft ist mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt. Es gäbe ja auch andere Möglichkeiten, das zu verhindern, außer durch Militär.
Es stehen wohl Sicherheitsbeamte der portugiesischen Regierung - wie übrigens auch bei uns - vor fremden Botschaften, um die Botschaften zu schützen. Aber ich selbst hatte ja wenige Minuten, bevor die vier Offiziere in die Botschaft kamen, dieses Gebäude verlassen. Es kann sich tatsächlich nur um wenige Minuten Differenz gehandelt haben. Ich hatte überhaupt nicht den Eindruck, daß jemand beim Zugang zur Botschaft behindert worden sei.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, welche Maßnahmen die portugiesische Regierung bzw. die portugiesischen Behörden gegen die Täter ergriffen haben, die den Wagen des Botschafters durchsucht haben, bzw. ist die Bundesregierung bereit, dagegen Strafanzeige oder so etwas ähnliches zu erstatten?
Die erste Frage beantworte ich mit Nein, im Augenblick jedenfalls; das müßte im einzelnen geprüft werden. Was das zweite betrifft, so haben wir gegenüber der portugiesischen Seite unsere Meinung dazu vorgebracht. Ich nehme an, es handelt sich um ein Offizialdelikt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatsminister, muß ich aus Ihrer Antwort von vorhin entnehmen, daß Sie einen Unterschied machen zwischen der Durchsuchung des Botschafters und der! Durchsuchung von dessen Wagen, und ist Ihnen nicht klar, daß nach der Wiener Konvention auch der Kraftwagen den Schutz vor Durchsuchung genießt, genau wie die Person des Botschafters?
Sie können selbstverständlich unterstellen, daß mir das klar ist. Aber ich wurde hier von einem Kollegen gefragt, und ich habe auf eine Frage, nämlich was durchsucht worden ist, eine Antwort gegeben. Da habe ich gesagt: Ich kann nur sagen, was nicht durchsucht worden ist.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten van Delden.
van Delden ({1}) : Herr Staatsminister, sind Sie bereit, später dem Hause oder hilfsweise dem Auswärtigen Ausschuß mitzuteilen, was im einzelnen durchsucht worden ist und ob alles wieder zurückgegeben wurde?
Fehlbestände sind mir jedenfalls nicht gemeldet. Ich bin aber bereit, auf eine ensprechende Frage hier präzise zu antworten, wie es üblich ist. Nur war die Frage ursprünglich nicht gestellt, und ich müßte erst in Lissabon anfragen.
({0})
- Einverstanden.
Vizepräsident von Hassel: Die Frage 104 des Abgeordneten Gewandt wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 105 des Abgeordneten Bühling auf:
Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den anonymen Drohbriefen gegen die Sendungen der Deutschen Welle in Äthiopien und den Angriffen des regierungsnahen Ethiopian Herald gegen die Deutsche Welle?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatsminister.
Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Zeitungsartikel und die Drohbriefe von gleichen Kreisen ausgingen. General Teferi Benti, der Vorsitzende des Militärausschusses, hat gegenüber dem deutschen Botschafter die Drohbriefe aufs schärfste verurteilt.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 106 des Abgeordneten Bühling auf:
Hat die Bundesregierung die Möglichkeit ins Auge gefaßt, Erpressungen gegen die Deutsche Welle dadurch zu begegnen, daß sie das Personal der deutschen Botschaft und des GoetheInstituts in Addis Abeba zu seiner Sicherheit abziehen anstatt die Sendungen der Deutschen Welle in amharischer Sprache einzustellen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatsminister!
Die Bundesregierung hat die von Ihnen, Herr Abgeordneter, angesprochene Möglichkeit nicht erwogen. Die Bundesrepublik Deutschland muß in Äthiopien, dessen Hauptstadt zugleich Sitz der Organisation für Afrikanische Einheit ist, politisch präsent bleiben. Des weiteren hat die Botschaft in Äthiopien etwa 700 deutsche Staatsangehörige zu betreuen.
Im übrigen wurden die Sendungen der Deutschen Welle in amharischer Sprache nicht eingestellt. Es wird lediglich bis auf weiteres auf die Ausstrahlung von Nachrichtensendungen über die innere Lage in Äthiopien verzichtet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bühling.
Herr Staatsminister, würde die Bundesregierung in einem Wiederholungsfalle wenigstens die angedeutete Möglichkeit erwägen?
Welche Möglichkeit?
Die Möglichkeit, daß man den Erpressungen dadurch begegnet, daß man das Personal abzieht.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird nichts erwägen, was ihren eigenen Interessen nicht dienlich wäre. Es ist doch in unserem Interesse notwendig, daß wir dort vertreten sind. Sonst könnte irgend jemand dafür sorgen, daß die diplomatischen Beziehungen zu einem Land abgebrochen werden, indem er der deutschen Botschaft Drohbriefe schickt. Dieses vereinfachte Verfahren wollen wir nicht eingeführt wissen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, wird jetzt angesichts der gespannten Lage in Addis Abeba und auf Grund der Erpressungsbriefe der Botschaft und dem Goethe-Institut ein gegenüber dem früheren Zeitpunkt erhöhter Schutz gewährt?
Ja. Von Anfang an haben wir dafür Sorge getragen. Wir haben - wie Sie wissen - auch versucht, die deutschen Staatsangehörigen, soweit sie dort nicht notwendig sind, aus der Gefahrenzone herauszubringen. Wir haben - das ist auch geschehen - um entsprechenden Schutz gegenüber solchen Drohungen gebeten und auch vorsorglichen Schutz erhalten.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 107 des Abgerodneten Dr. Jahn ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht anwesend; die Frage wird ebenso wie die Frage 108 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 109 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt sich die Bundesregierung die Weigerung der rumänischen Regierung, in das deutsch-rumänische Forschungsabkommen Berlin miteinzubeziehen, und ist abzusehen, wann dieses Abkommen unter Einbeziehung Berlins abgeschlossen werden kann?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatsminister.
Herr Abgeordneter, Die Frage bezieht sich auf das Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tribologie - das heißt auf Deutsch Reib- und Abnutzungslehre, wie ich mir habe aufschreiben lassen -, das während des jüngst stattgefundenen Besuchs von Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Hauff in Bukarest unterzeichnet werden sollte. Der mit der rumänischen Seite ausgehandelte Abkommenstext enthält - wie übrigens jede mit Rumänien geschlossene völkerrechtliche Vereinbarung - eine Berlin-Klausel, die sicherstellt, daß Berlin ({0}) in die Zusammenarbeit auf diesem speziellen Gebiet einbezogen wird. Offen ist noch die Formulierung eines Briefwechsels über die von beiden Seiten zu beteiligenden Institute; von deutscher Seite unter anderem die Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin. Beide Seiten sind sich einig, daß diese noch offene Frage auf diplomatischem Wege zu klären ist, um dadurch die Voraussetzungen für eine Unterzeichnung des Abkommens zu schaffen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Warum aber hat es, Herr Staatsminister, plötzlich diese Voraussetzung nicht gegeben, dieses Abkommen zu unterzeichnen, so daß unser Staatssekretär wieder abgereist ist?
Weil sich unsere ursprüngliche Erwartung, die nach unserer Meinung auch durch eine Bemerkung der rumänischen Seite voll gedeckt war, daß über diesen Briefwechsel Einigkeit herrsche, eben noch nicht als erfüllt erwiesen hat.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Kann man die rumänische Einstellung dazu auch daran ablesen, daß eine Deutsch-Rumänische Vereinigung, die soeben gegründet werden sollte, nicht gegründet werden kann, weil die Rumänen wegen des Zusatzes „deutsch" Einspruch erhoben haben?
Ich habe nicht den Eindruck, daß es sich hier um parallele Fälle handelt. Ich müßte das, wenn Sie mir
nähere Angaben dazu machen, im einzelnen nachprüfen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({1}).
Herr Staatsminister, gibt es Anhaltspunkte dafür, daß das Verhalten der rumänischen Regierung von anderen Ostblockstaaten, vor allen Dingen von der Sowjetunion oder der DDR, beeinflußt ist?
Herr Abgeordneter, dafür habe ich keine Anhaltspunkte und keine Unterlagen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatsminister, ist es denkbar, daß die rumänische Regierung geglaubt hat, hier in der Frage Berlin hart sein zu können, weil die Bundesregierung in früheren Fällen einmal auf die Berlin-Klausel verzichtet hat?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Sie die Frage stellen. Aber hinter Ihnen sitzt ein Kollege, der auf diesem Gebiet vielleicht ganz gut Bescheid weiß.
Herr Präsident, ich glaube, daß die Frage sehr deutlich war.
({0})
Die Bundesregierung hat hier keine anderen Erwartungen gehegt, als sie sie in bezug auf alle solche Abkommen hat. Aber in der Tat, Sie haben recht: Es ist einmal ein Abkommen unterzeichnet worden, das diesen Mangel hatte; den haben wir später zu beheben versucht, was auch gelungen ist.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann auf:
Was gedenkt die Bundesregierung im Hinblick auf den deutsch-tschechoslowakischen Vertrag vom 13. Dezember 1973 zu unternehmen, um in Zukunft sicherzustellen, daß Deutsche bei der Einreise und dem Aufenthalt in der Tschechoslowakei durch dortige untergeordnete Behörden nicht deshalb diskriminierend behandelt werden, weil sie aus dem Gebiet der jetzigen Tschechoslowakei stammen und sich in der Vergangenheit fur die Rechte der Deutschen eingesetzt haben?
Generelle Diskriminierungen tschechoslowakischer Behörden gegen deutsche Staatsangehörige im Sinne Ihrer Anfrage sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Im Gegenteil hält sich jedes Jahr eine große Zahl deutscher Touristen und Geschäftsreisender ohne jede Behelligung in der CSSR auf. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes haben tschechoslowakische Behörden bisher nur in zwei Einzelfällen deutschen Staatsangehörigen den Aufenthalt in der CSSR versagt und gegen sie wegen früherer Tätigkeit die Ausweisung bzw. ein Einreiseverbot angeordnet.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß es keinen internationalen Vertrag und keine völkerrechtliche Regel gibt, die das Recht eines Staates beeinträchtigt, im Einzelfalle zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er einem Ausländer die Einreise und den Aufenthalt in seinem Staatsgebiet gestatten will. Derartige Entscheidungen werden nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen als innerstaatliche Angelegenheit betrachtet, auf die eine Einflußnahme dritter Staaten in der Regel verwehrt ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Abgesehen davon, Herr Staatsminister, daß ich nicht nach den allgemein bekannten Grundsätzen gefragt habe, möchte ich doch die Frage stellen, ob nach Ihrer Meinung nicht die Tatsache, daß man gerade jetzt nach Abschluß des deutsch-tschechoslowakischen Vertrages, angesichts des Briefwechsels über humanitäre Fragen und entgegen dem Geist des Briefs zur Strafverfolgung damit beginnt, Ausweisungen vorzunehmen, gegen den Geist dieser drei Instrumente verstößt?
Herr Abgeordneter, ich nehme an, daß Ihnen die beiden Fälle bekannt sind, von denen ich gesprochen habe. Denn sie sind in einem Briefwechsel des Bundesaußenministers mit Ihrem Landesgruppenführer, Herrn Stücklen, im einzelnen dargelegt worden.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Ich wurde durch den Führer irritiert, entschuldigen Sie: Vorsitzenden.
({0})
- Herr Kollege Wittmann, wir reden hier nicht über Gewohnheitsrecht. - Die Tatsache, daß es hier zu einer vorzeitigen Abreise von zwei deutschen Staatsbürgern gekommen ist, hat die Bundesregierung in der Weise zur Sprache gebracht, die dafür vorgesehen ist. Nur muß ich Sie darauf hinweisen, daß Sie möglicherweise die Kausalität falsch sehen. Denn in manchen Jahren vor den Abmachungen mit der Tschechoslowakei war es doch wohl vielen oft nicht möglich, zunächst einmal die Einreise bewilligt zu bekommen.
({1})
Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, bitte, Sie können jetzt Ihre zweite Zusatzfrage stellen.
Herr Staatsminister, der Briefwechsel mit Herrn Abgeordneten Stücklen ist mir nicht bekannt; die Fälle, auf die ich mich beziehe, sind mir persönlich vorgetragen worden.
Würde der Herr Bundesaußenminister bei seinem Besuch am Montag eventuell die Gelegenheit wahrnehmen, bei seinem tschechoslowakischen Kollegen darauf hinzuweisen, daß eine derartige Praxis, wenn sie fortgeführt würde, nicht unbedingt der Verbesserung der Beziehungen dienen würde?
Herr Abgeordneter, bei solchen Gesprächen wird sicherlich alles behandelt, was der Verbesserung der Beziehungen entgegensteht. Ich hatte vermutet - aber entschuldigen Sie, daß das falsch war -, daß Sie die Darstellung in dem Brief, der am 30. November an Herrn Stücklen geschrieben worden ist, kennen, so daß Sie auch die Ursachen, die in diesen beiden Fällen von der anderen Seite angegeben worden sind, kennen. Vielleicht wäre es gut, wenn wir das im einzelnen erörtern, daß Sie jedenfalls wissen, wie sich die andere Seite eingelassen hat.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, war es nicht eine irrtümliche Auskunft, als Sie eben sagten, daß Deutsche erst auf Grund des Prager Vertrages in die Tschechoslowakei haben einreisen können? Diese Möglichkeit besteht ja schon seit langem.
Das habe ich nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, es habe seitdem mehr Möglichkeiten gegeben. Ich habe nicht sagen wollen, daß es vorher keine gab.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Wie stellt die Bundesregierung sicher, daß durch die gegenwärtige Handhabung des kulturellen und wissenschaftlichen Austausches mit der Sowjetunion die zukünftige vertragliche Einbeziehung des Landes Berlin in diesen Austausch nicht negativ präjudiziert wird?
Zur Beantwortung Herr Staatsminister, bitte!
Die Bundesregierung hat mit der Sowjetunion bereits ein Abkommen über die kulturelle Zusammenarbeit abgeschlossen, das den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch unter Einbeziehung Berlins regelt. Soweit weitere vertragliche Vereinbarungen noch nicht zustande gekommen sind, kommt es in der Tat darauf an, keine negativen Präjudizierungen zu schaffen.
Hierbei kann es allerdings nicht darum gehen, den seit Jahren bestehenden Austausch bis zum Abschluß der Vereinbarungen völlig stagnieren zu lassen. Wie in allen Verhandlungen kommt es vielmehr darauf an, das Interesse des Verhandlungspartners am Abschluß von entsprechenden Vereinbarungen aufrechtzuerhalten. Dies erfordert eine genaue Übersicht über alle Austauschmaßnahmen und eine enge Kooperation mit den zuständigen Landesministerien, insbesondere mit dem Senator für Kunst und Wissenschaft in Berlin. Durch diese Kooperation wird den Interessen Berlins auch im Hinblick auf noch abzuschließende Vereinbarungen Rechnung getragen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg.
Das bedeutet also, Herr Staatsminister, wenn ich Sie richtig verstehe, daß derzeit für Studenten und Wissenschaftler aus Berlin keine Möglichkeit besteht, in diesen Austausch einbezogen zu werden?
Nein, Herr Abgeordneter, das müßte man im einzelnen präzisieren. Ich habe hier von dem Abkommen gesprochen, und ich habe eben dargelegt, daß es unabhängig davon auch andere Möglichkeiten gibt. In den Abkommen, die wir schließen, muß jedenfalls diese Sicherheit gegeben sein.
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Graf Stauffenberg.
Herr Staatsminister, nach dem Abkommen zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und, soweit ich informiert bin, dem sowjetischen Ministerium für Wissenschaft ist in der Tat, wenn ich es richtig sehe, die Einbeziehung von Studenten und Wissenschaftlern aus Berlin in den Austausch nicht möglich.
Herr Abgeordneter, das müßte ich im einzelnen nachprüfen. Ich habe Ihnen ausdrücklich erklärt: Es gibt auf der deutschen Seite keine Abmachungen, die negative Präjudizierungen enthalten, und das gilt sicherlich auch dafür.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Wenn dieses Abkommen der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit der sowjetischen Akademie der Wissenschaften tatsächlich keine Berlin-Klausel enthält, darf ich Sie im Anschluß an Graf Stauffenberg in bezug auf das Abkommen, das Sie hier gerade nannten, Herr Staatsminister, fragen: Trifft es zu, daß die Durchführung dieses Abkommens - die Zweijahresvereinbarungen, die da vorgesehen sind - gefährdet ist, weil die sowjetische Seite keine Berlin-Zugeständisse machen will?
Eine Abmachung ist noch nicht erreicht worden, weil die von uns für notwendig gehaltenen Einzelheiten noch nicht geregelt worden sind. Aber ich betone noch einmal, Herr Abgeordneter: Wir haben ja, wie Sie wissen, ein generelles Kulturabkommen geschlossen, und was das andere betrifft, habe ich hier ausdrücklich festgestellt, daß negative Präjudizierungen nicht gegeben sind. Das ist etwas anderes. Darauf kommt es ja im Augenblick an. Ich habe die Frage beantwortet, die ursprünglich gestellt worden war, und ich bitte, das dabei zu beachten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, würden Sie nicht beachten, daß ja die Frage gestellt ist, ob die derzeitige tatsächliche Lage des Austauschs nicht die zukünftige Einbeziehung des Landes Berlin in die vertraglichen Regelungen präjudiziert?
Das ist unser Wille, Herr Abgeordneter.
({0})
- Das hängt doch von unserem Willen ab. Wir haben doch klargemacht, daß wir keine Abmachungen treffen, die diese Schlußfolgerung zulassen könnten.
({1})
Ich habe noch nie gehört, daß die Lage vom Himmel gefallen sei und deswegen selbsttätig wirke.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben mehrfach den Ausdruck „negative Präjudizierung" gebraucht. Können Sie vielleicht interpretieren, was Sie darunter verstehen?
Nein, das ist, glaube ich, sehr eindeutig. Wenn keine Ausschlußklausel drinsteht, haben wir auf Grund der allgemein geltenden Regeln keinen Grund, nicht davon auszugehen, daß es so ist, wie wir es uns vorstellen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Fragen 112 und 113 des Abgeordneten Dr. Abelein auf. Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Staatsminister, für die Beantwortung danken.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Die Frage 73 des Abgeordneten Vahlberg wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Rapp ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen des Mittelstandsprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder anderer Kredithilfeprogramme des Bundes die Schaffung und Modernisierung von Ausbildungsplätzen der gewerblichen Wirtschaft zu fördern?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner.
Die Schaffung und Modernisierung von betrieblichen Ausbildungsplätzen konnte schon bisher sowohl aus dem ERP-Regionalprogramm als auch aus den Mittelstandskreditprogrammen der Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert werden, soweit von den Unternehmen für diese Zwecke neue Investitionen vorgenommen werden. Das gilt auch für die Gewährung von Investitionszuschüssen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Es ist vorgesehen, im 4, Rahmenplan ausdrücklich klarzustellen, daß die Förderung von gewerblichen Produktionsbetrieben auch deren Ausbildungsstätten umfaßt.
Darüber hinaus überlegt die Bundesregierung, ob im Rahmen des ERP-Plans 1976 ein spezielles Kreditprogramm für die Förderung betrieblicher Ausbildungsstätten geschaffen werden kann. Durch ein solches Programm würde erreicht, daß Investitionen im Zusammenhang mit Ausbildungsplätzen ohne regionale Begrenzung aus ERP-Mitteln finanziell gefördert werden könnten. Der Entwurf des ERP-Plans 1976 wird in Kürze mit den zuständigen Ressorts beraten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Rapp.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär! Werden sich alle diese Angebote auch auf die Einrichtung überbetrieblicher Ausbilgungsplätze beziehen?
Für die Einrichtung überbetrieblicher Ausbildungsplätze gibt es zusätzliche Förderungsmittel aus dem Bundeshaushalt, so daß im Rahmen der regionalen Förderungspolitik Mittel aus dem Bundeshaushalt und Mittel aus den regionalen Förderungsprogrammen zur Verfügung stehen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Mahne auf:
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß unter Berücksichtigung des angestrebten Ziels, des „stabilitätsgerechten Aufschwungs", die zu erwartenden Beschlüsse des Planungsausschusses des „Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" möglichst schnell in den ausgewiesenen Fördergebieten erfolgreich umgesetzt werden?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner!
Nach § 9 Abs. 1 des Gemeinschaftsaufgabengesetzes ist die Durchführung des Rahmenplans Aufgabe der Länder. Die erfolgreiche Umsetzung der Beschlüsse des Planungsausschusses hängt damit entscheidend von den Landesverwaltungen ab. Die Bundesregierung ist überzeugt davon, daß die Länder selbst an einer erfolgreichen und raschen Umsetzung interessiert sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage?
({0})
- Ich rufe also die Frage 76 des Abgeordneten Mahne auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Investitionen im Fremdenverkehrsgewerbe nur bis zum Beginn der Saison möglich sind, und wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß in den ausgewiesenen Fördergebieten des „Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Investitionen im Fremdenverkehrsbereich bis zum Beginn der Sommersaison ermöglicht werden?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Der Bundesregierung ist dies bekannt. Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe ist, wie schon gesagt, Sache der Länder. Nach den Regelungen der Gemeinschaftsaufgabe kann ein Investitionsvorhaben nach Antragstellung begonnen werden. Somit hängt der Termin für den Beginn eines Vorhabens vom Antragsteller ab. Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe übertragbar sind, so daß daran die Durchführung von Investitionen im Bereich des Fremdenverkehrs nicht zu scheitern braucht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Mahne.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung auch die sehr oft vorhandene Unkenntnis gerade kleiner und mittlerer Unternehmen über die Förderungsmöglichkeiten vor allem in den Gebieten, die jetzt neu in das Programm aufgenommen worden sind, bekannt, und welche Maßnahmen gedenkt sie in Zusammenarbeit mit den Ländern zu ergreifen, um eine bessere Information gerade dieser Unternehmen sicherzustellen?
Es ist uns bekannt, daß häufig Unklarheit über die Förderungsmöglichkeit besteht. Diese Unklarheit steht allerdings in einem großen Gegensatz zur Fülle der Informationen, die zum einen von den Kommunen selbst, die daran interessiert sind, zum anderen aber auch von den Banken und selbstverständlich von den Schriften, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen, ausgehen. Wir werden alles daran setzen, diese Informationsmöglichkeiten zu nutzen. Allerdings sehen wir keine Möglichkeit, über das, was an Intensität der Aufklärung schon geleistet wird, hinauszugehen. Aber ich halte es eigentlich für unwahrscheinlich, daß gerade in Gebieten, die neu aufgenommen werden, nicht allein schon durch die Darstellung in der lokalen Presse - das ist schließlich ein Ereignis - alle, die daran interessiert sind, auf diese Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage Nr. 77 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen auf. Der Fragesteller erbittet schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage Nr. 78 des Abgeordneten Dr. Schäuble auf:
Welches ist der genaue Inhalt der Vereinbarung zwischen den Regierungen der Schweiz, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland zur Bildung einer dreiseitigen Regierungskommission für Strukturprobleme der Grenzgebiete am Oberrhein, und mit welchen Zielvorstellungen gehen die Vertreter der Bundesregierung in die Beratungen dieser „Commission Tripartite"?
Ich kann Ihnen zur Zeit nur den wesentlichen Inhalt einer geplanten Vereinbarung zwischen den Regierungen der Schweiz, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland wiedergeben, wie er am 5. März anläßlich eines dreiseitigen Gesprächs in Bonn vorbehaltlich der Zustimmung der Regierungen ausgehandelt worden ist. Die Kommission soll danach die Aufgabe haben, die Untersuchung und Lösung von Nachbarschaftsproblemen im Grenzgebiet zu erleichtern und zu diesem Zweck Empfehlungen an die jeweils zuständigen Stellen und nötigenfalls Entwürfe für Regierungsvereinbarungen ausarbeiten. Es ist vorgesehen, daß die Regierungskommission einmal im Jahr zusammentritt und daß sie sich bei der Erledigug der laufenden Geschäfte auf die Vorbereitung von Arbeitsgruppen sowie von zwei Regionalausschüssen stützt.
Diese Vereinbarung soll in Kürze durch einen Briefwechsel der Vertragsstaaten in Kraft gesetzt werden. Auf deutscher Seite werden sich Regierungsvertreter der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an den Arbeiten der Regierungskommission beteiligen.
Es ist beabsichtigt, die seit 1973 regelmäßig stattfindenden deutsch-französisch-schweizerischen Referentengespräche über Fragen der regionalen Wirtschaftspolitik in Form einer Arbeitsgruppe der dreiseitigen Regierungskommission fortzusetzen. Diese Gespräche verfolgen vor allem das Ziel, Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung im Grenzraum miteinander vereinbar zu machen. Ferner ist die Einsetzung einer Arbeitsgruppe für Umweltschutzfragen vorgesehen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir den Wortlaut der Vereinbarung zuzuleiten, sobald die Vereinbarung in Kraft gesetzt sein wird?
Das werde ich gerne tun.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, können Sie zu der Aufteilung der Raumordnungskommission in zwei Regionalkommissionen, von der Sie gesprochen haben, nähere Angaben machen?
Nein, ich bin leider jetzt nicht in der Lage und würde Sie bitten, zuzuwarten, bis die Vereinbarung im Rahmen des vorgesehenen Briefwechsels fixiert ist. Ich glaube, daß dann detailliertere Auskünfte möglich sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, gehören zur Zuständigkeit dieser Regierungskommission auch Fragen der Verkehrsplanung in dem Raum, die an den Grenzen zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz anfallen?
Ganz sicher, soweit es sich um Auswirkungen auf die regionale Wirtschaftsstruktur handelt, und diese Fragen lassen sich ja nicht trennen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage Nr. 79 des Abgeordneten Dr. Schäuble auf:
Werden an der Arbeit dieser Regierungskommission von der Bevölkerung der Oberrheinregion gewählte Vertreter verantwortlich beteiligt, und in welcher Weise wird diese Beteiligung gegebenenfalls sichergestellt?
Nach dem Vereinbarungsentwurf kann jede nationale Delegation Sachverständige beiziehen. Damit besteht die Möglichkeit, auch gewählte Vertreter, die mit den Problemen besonders vertraut sind, einzuschalten. Eine ständige Beteiligung von gewählten Vertretern in einer Regierungskommission entspricht dagegen nicht den internationalen Gepflogenheiten. Die Bundesregierung würde eine solche Form der Beteiligung auch nicht für sachgerecht ansehen; sie ließe sich im Rahmen des Vereinbarungsentwurfs nicht verwirklichen, der die Gesamtzahl der Mitglieder einer Delegation im Interesse der Arbeitsfähigkeit der Kommission beschränkt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bei dem so geplanten Abkommen im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Delegation regional gewählte Vertreter als Sachverständige beteiligen?
Ich nehme an, daß das eher Sache der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sein wird. Aber wir werden es von uns aus vom Verhandlungsstand abhängig machen, welche Sachverständigen wir hinzubitten. Ich kann mir nur im Augenblick nicht vorstellen, daß wir etwa auf gewählte Vertreter zurückgreifen, weil diese gewählten Vertreter ja vor allem wohl in Kreistagen und in Landtagen sitzen und nicht im Bundestag.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schäuble.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß für die Zusammenarbeit in diesem Grenzraum selbst eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit von gewählten Vertretern der Region erforderlich und nützlich ist?
Ich kann mir das durchaus vorstellen, bin aber der Meinung, daß eine solche Initiative dann außerhalb der hier eben gerade angesprochenen Vereinbarungen stattfinden müßte. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß eine erfolgreiche Arbeit einer solchen Regierungskommission auch eine Zusammenarbeit auf der Ebene gewählter Vertreter fördert und unter Umständen auch die Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit deutlicher macht, als es vielleicht bisher den Beteiligten deutlich ist.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Jens auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Deutschen Brauereibundes, daß anstelle der Nacheichung der Brauereifässer durch die Eichbehörden die Brauereibetriebe selbst ermächtigt werden, diese vorzunehmen, und ist die Bundesregierung bereit, entsprechend den wettbewerbspolitischen Gedanken des Sachverständigenrats gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, daß Brauereien in Zukunft ihre Fässer selbst eichen können, um so das Monopol der Eichbehörden auf diesem Gebiet aufzulockern?
Zur Beantwortung bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hält den Vorschlag des Deutschen Brauerbundes, in Zukunft die Eichung oder Nacheichung von Bierfässern den Brauereibetrieben zu übertragen, für sachlich nicht gerechtfertigt und für rechtspolitisch nicht vertretbar. Die Durchführung von Gesetzen auf dem Gebiete des Meß- und Eichwesens obliegt den Ländern. Die Eichung und Nacheichung von Meßgeräten, wozu die Bierfässer gehören, ist eine Hoheitsaufgabe und erfolgt durch Verwaltungsakt. Die Eichung von Bierfässern dient nicht nur dem Schutz der Abnehmer, sie hat zudem noch Bedeutung für die Ermittlung der Biersteuer bei Faßbier. Diese Aufgabe kann jedoch nicht dem Interessenten übertragen werden.
Eine wesentliche Entlastung des Staates würde durch Übertragung der Eichung oder Nacheichung auf Brauereibetriebe nicht eintreten. Das notwendige Personal wird schon nach geltendem Recht von den Brauereien gestellt. Die Bundesregierung prüft zur
Zeit im Einvernehmen mit den Ländern, ob die durch Eichung und Nacheichung von Bierfässern festzustellende Belastung von Brauereibetrieben dadurch verringert werden kann, daß bei Metallfässern die Nacheichfristen verlängert werden oder auf eine Nacheichung verzichtet werden kann. Der Deutsche Brauerbund hat zu erkennen gegeben, daß ihm eine solche Maßnahme zur Lösung der anstehenden Probleme als ausreichend erscheinen würde.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, es geht mir bei dieser Frage auch ein bißchen um den Grundsatz. Was sieht Ihr Haus als wichtiger an: mehr Wettbewerb und damit unter Umständen Senkung der Kosten unter Inkaufnahme einer höheren Gefahr des Mißbrauchs oder eben staatliche Reglementierung und damit eine geringere Gefahr des Mißbrauchs?
Herr Kollege, eine solche Frage läßt sich leider nicht global beantworten. Im Falle dieser Bierfässer haben wir uns ja entschieden, und ich habe Ihnen die Auskunft gegeben. Sie entnehmen meiner Antwort aber bitte auch, daß wir gleichzeitig einen Weg suchen, der Rationalisierung in diesem Bereich die Bahn zu ebnen. Wir haben den Eindruck, daß durch Verzicht auf Nacheichung bei Metallfässern ein solcher Weg gefunden worden ist, der die beiden von Ihnen angesprochenen Grundsätze in diesem Fall in eine sehr glückliche Symbiose bringt.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 81 des Abgeordneten Schröder ({0}) auf. Die Frage wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Höcherl auf:
Wieviel Kernkraftwerke sind seit dem Ölschock tatsächlich bestellt worden?
Herr Staatssekretär, bitte zur Beantwortung!
Seit dem Oktober 1973 sind für die deutsche Elektrizitätsversorgung vier Kernkraftwerke bestellt worden. Es sind dies die Kernkraftwerke Gundremmingen B und C mit je 1 247 MW, das Kraftwerk Grohnde mit 1 294 MW und das Kraftwerk Grafenrheinfeld mit 1 290 MW.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Staatssekretär, wie viele sollen nach Ihrem Energieprogramm demnächst zusätzlich in Auftrag gegeben werden?
Herr Kollege Höcherl, ich habe hier eine umfangreiche Darstellung, die ich Ihnen gern schriftlich übergeben würde, weil die Beantwortung Ihrer Frage mit einer Aufteilung in verschiedene Zeitabschnitte den Rahmen dieser Fragestunde sprengen würde.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Bundesregierung manche Verzögerungen beim Bau von Kernkraftwerken dadurch mitverursacht hat, daß es an einer örtlichen Planung beispielsweise hinsichtlich der Standorte fehlt?
Vizepräsident von Hassel: Einen Augenblick, Herr Kollege! Diese Frage kann ich nicht zulassen. Sie hat mit der ursprünglichen Frage nichts zu tun. Es ist gefragt worden, wie viele Kraftwerke gebaut worden sind. Ihre Frage geht darüber völlig hinaus. Das ist etwas anderes. Ich bitte, das zu verstehen.
({0})
Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Niegel auf:
Aus welchen Gründen war es möglich, daß vom Bundeswirtschaftsministerium bzw. vom Statistischen Bundesamt falsche Zahlen über die Auftragseingänge bekanntgegeben wurden, wie kam Staatssekretär Schlecht laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung zu der Aussage, „es komme immer wieder vor, daß das Statistische Bundesamt in Wiesbaden seine Zahlen korrigieren müsse und man darauf verzichte zu kommentieren, da man sonst in ein totales Verwirrspiel hineinkomme"?
Die Frage geht von der Annahme aus, daß vom Bundesministerium für Wirtschaft oder vom Statistischen Bundesamt falsche Zahlen über die Entwicklung der Auftragseingänge in der Industrie bekanntgegeben worden seien. Das trifft nicht zu.
Bei den monatlich veröffentlichten und kommentierten Zahlen über den Auftragseingang handelt es sich bei dem jeweils neuesten Monatsergebnis immer um vorläufige Angaben, die, falls erforderlich, einen Monat später auf Grund von Nachmeldungen korrigiert werden. Die Berechnung der vorläufigen Indexwerte basiert auf den bis zum festgesetzten Zeitpunkt eingegangenen statistischen Meldungen der Unternehmen. Die vom Statistischen Bundesamt durchgeführte Hochschätzung auf Grund dieser Angaben birgt unvermeidbare Risiken. Daher muß auch künftig damit gerechnet werden, daß zumal bei außergewöhnlichen Situationen diese Schätzung zu unbefriedigenden vorläufigen Ergebnissen führt. In der laufenden monatlichen Veröffentlichung der Ergebnisse der Auftragseingangsstatistik durch das Bundesministerium für Wirtschaft sind neben den vorläufigen Ergebnissen des Berichtsmonats auch die korrigierten Ergebnisse des Vormonats ständig enthalten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, als die „Schätzzahlen" veröffentlicht wurden, hat man daraus die Konsequenzen gezogen und gesagt: Es geht ja schon wieder aufwärts. Man hat da von der bewußten Schwalbe und von dem Silberstreifen am Horizont usw. gesprochen.
Warum hat man da nicht gesagt, es handele sich um eine unvollkommene Schätzung, man könne davon überhaupt nicht ausgehen, man müsse erst warten, bis die absoluten Zahlen kämen? Nach einer bestimmten Zeit mußte man ja zugeben, daß es sich um eine unvollkommene Schätzung handelte; man mußte zudem noch sagen, daß es immer wieder vorkommt, daß das Statistische Bundesamt in Wiesbaden seine zuerst genannten Zahlen oder Schätzungen korrigieren müsse. Man mußte sagen, daß, wenn man die Zahlen kommentieren wolle, ein totales Verwirrspiel herauskomme.
Herr Kollege, es trifft durchaus zu, daß in der breiten Offentlichkeit nicht registriert worden ist, daß es sich hier immer um vorläufige Zahlen handelt, um Zahlen, die hochgeschätzt werden. Es ist auch angegeben worden - das wird immer angegeben -, daß es sich hier um vorläufige Zahlen handelt. Aber in der Öffentlichkeit ist das so nicht gesehen worden. Nachdem die tatsächlichen Zahlen exakt vorlagen, ist der Eindruck entstanden, daß die Korrektur wegen falscher Zahlen notwendig war.
Wir werden jedenfalls in Zukunft in unseren Pressemitteilungen, um solchen Mißverständnissen vorzubeugen, noch deutlicher als bisher auf den Charakter der vorläufigen Ergebnisse hinweisen. Nur können wir nicht darauf verzichten, auch solche vorläufigen Zahlen zu veröffentlichen, weil sie für die Konjunkturindikation eine außerordentlich große Rolle spielen. Wenn man solche Irrtümer ganz vermeiden wollte, müßte man auf die Bekanntgabe solcher Zahlen völlig verzichten, und das ist unter keinem Gesichtspunkt vertretbar.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage noch, Herr Abgeordneter Niegel.
Kann man davon ausgehen, Herr Staatssekretär - es ist zwar nicht mehr Ihr Ressort, weil an und für sich das Innenministerium für das Statistische Bundesamt zuständig wäre; aber ich nehme an, daß Sie das mit dem Innenministerium abgesprochen haben -, daß die Zahlen, die das Statistische Bundesamt liefert, absolut korrekt und sicher sind, so daß man nicht Gefahr läuft, daß die Zahlen später korrigiert werden?
Man kann davon ausgehen, daß die Zahlen absolut korrekt und sicher sind. Aber wenn es sich etwa um Hochrechnungen handelt und ungewöhnliche Entwicklungen in einer bestimmten Phase eingetreten sind - und wir wissen ja von Hochrechnungen im Zusammenhang mit Wahlergebnissen, daß es das gibt -, dann kann die anschließende Korrektur überraschende Ergebnisse bringen. Das ist das Risiko jeder Hochrechnung. Deshalb wird es darauf ankommen, vor allem bei künftigen Veröffentlichungen dieser vorläufigen Zahlen den vorläufigen Charakter solcher Zahlen noch deutlicher zu unterstreichen. Das schließt nicht aus, daß die endgültigen Zahlen in der einen oder anderen Phase dann auch eine Korrektur beinhalten, die den Konjunkturbeobachter überrascht. Dieses Risiko, wie gesagt, muß man eingehen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 84 des Abgeordneten Niegel auf:
Wie kann dafür gesorgt werden, daß die Zahlen des Statistischen Bundesamts nicht korrigiert werden müssen?
Bitte, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!
Da die statistischen Meldungen der Unternehmen zum Teil verspätet eingehen, könnte das zur Zeit in der Auftragseingangsstatistik angewendete Verfahren nur zu Lasten der Aktualität der Ergebnisse geändert werden. Eine möglichst frühzeitige Vorlage von Ergebnissen ist aber im Interesse der laufenden Konjunkturbeobachtung erforderlich, wobei in Kauf genommen wird, daß vorläufige Ergebnisse Ungenauigkeiten beinhalten. Ein solches Vorgehen entspricht statistischen Gepflogenheiten und ist dem fachkundigen Benutzer geläufig.
Von dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe wird unter anderem auch eine Verbesserung der Auftragseingangsstatistik erwartet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, wie gesagt, ich bedauere es, daß ich meine Zusatzfragen jetzt Ihnen stellen muß. Aber „es ergibt sich ja die Frage: Wie kann dafür gesorgt werden, daß Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht korrigiert werden? Ich habe nicht gesagt: diese Zahlen, sondern ich habe gesagt: die Zahlen.
Ist Ihnen bekannt, daß z. B. dieses Heft „Im Blickpunkt der Mensch" zwei Ausgaben hatte, weil mehr als zwei Zahlen zunächst falsch waren und nachträglich korrigiert werden mußten? Ist Ihnen bekannt, daß z. B. „Zahlen, die zählen" nachträglich korrigiert werden mußte, daß Innenminister Genscher dem Kollegen Baier auf Grund falscher Angaben des Statistischen Bundesamtes falsche Zahlen in diesem Hause gegeben hat?
Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter, es muß in Form einer Frage gekleidet sein. Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Wir können nur betonen, daß die Arbeit des Statistischen Bundesamtes als einer außergewöhnlich sachkundigen und völlig unabhängigen Behörde zu Beanstandungen in keinem
Bereich bisher Anlaß gegeben hat. Wenn es falsche Zahlen gegeben haben sollte, dann wäre ich sehr dankbar, wenn man die Frage im einzelnen auf solche Vorgänge konzentrieren würde. Dann würde ich sicher auch eine Antwort geben können. Im übrigen wenden Sie sich, soweit es statistische Zahlen der volkswirtschaftlichen Rechnung sind, schon bei mir an die richtige Adresse, auch wenn das Statistische Bundesamt dem Innenministerium unterstellt ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, würden Sie den Innenminister wissen lassen, daß er hier doch die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes bitten sollte, auf Grund dieser Vorgänge, die ich aufgezeigt habe, einmal in ihrem Hause nach dem Rechten schauen zu lassen? Ich habe Beispiele.
Sehr gerne, Herr Kollege Niegel. Wenn Sie mir diese Beispiele übermitteln, so daß auf Grund konkreter Fragen eine Nachprüfung stattfinden kann, werde ich gern das Statistische Bundesamt zu einer Stellungnahme veranlassen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß diese von Herrn Niegel angesprochenen Schwierigkeiten auch für die Statistischen Landesämter gelten? Müßte man nicht dieselben Forderungen dann an die Landesinnenminister stellen?
Man kann natürlich unsere Statistik überhaupt nur verstehen, wenn man den Gesamtorganismus sieht, und der ist ohne Statistische Landesämter natürlich nicht denkbar. Ich würde sehr gerne auf konkrete Fragen auch eine Antwort geben. Irrtum ist selbstverständlich auch bei der besten Behörde immer eingeschlossen. Wir scheuen uns nicht, solche Irrtümer dann auch hier einzugestehen.
Vizepräsident von Hassel: Ich danke Ihnen Herr Staatssekretär, für die Beantwortungen der Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf.
Die Frage 85 des Herrn Abg. Dr. Schneider wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet, ebenfalls seine Frage 86. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Baier:
Trifft es zu, daß die Finanzierung von Einliegerwohnungen in Familienheimen dann nicht erfolgt, wenn im näheren Bereich
Mietwohnungen in Wohnblocks unvermietet sind und leerstehen?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack das Wort.
Herr Kollege Baier, aus den Bundesländern, denen bekanntlich die Durchführung des Wohnungsbaues obliegt, liegen uns solche Informationen bisher nicht vor. Ich werde aber die Länder um Beantwortung Ihrer Frage bitten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Darf ich Ihnen dieses Bemühen erleichtern, indem ich Sie darauf hinweise, daß beispielsweise in Baden-Württemberg eine solche Anordnung erlassen wurde. Ich verbinde damit die Bitte, daß sorgfältig geprüft wird, ob man so verfahren soll, weil nach meiner Meinung die im Rahmen der Förderungssätze des sozialen Wohnungsbaus liegenden Bauherrn von Familienheimen in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen die Einliegerwohnung bauen und es eine zusätzliche Härte wäre, wenn diese nicht gefördert würde.
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Baier, wenn Sie mir die Informationen, die Ihnen bisher vorliegen, geben würden. Das würde unsere Nachforschungen und unseren Kontakt mit den Ländern dann erleichtern.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, zu dem grundsätzlichen Thema darf ich noch die Frage stellen, ob Ihr Haus und die Länder in Zukunft dafür Sorge tragen werden, daß Mieterwohnblocks nur dann im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert werden, wenn ein echter Bedarf nachgewiesen wird, um zu verhindern, daß die mit staatlichen Förderungen versehenen Wohnungsbau-Großunternehmen eine sogenannte Vermögensbildung betreiben, die dann anderen, d. h. den Eigenheimbauern, abgehen würde.
Das ist eine Frage, Herr Kollege Baier, die von den Ländern in ihrer Zuständigkeit zu entscheiden ist. Aber ich nehme gern Ihre Anregung auf.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, daß auf Grund eines von dem Lande
Bayern eingebrachten Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht es dem Bund in Zukunft noch schwieriger gemacht werden wird, auf diese Dinge im Bereich der Länder Einfluß zu nehmen?
Ich kann das leider nicht abstreiten.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage stellt der Herr Abgeordnete Stahl.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß der Einfluß des Bundes auf die Vergaberichtlinien der Länder sehr stark beschränkt ist, und wäre es nicht richtig gewesen, wenn der Kollege Baier diese Frage an den zuständigen Minister seines Landes gerichtet hätte?
Es ist uns als Bundestagsabgeordneten leider nicht möglich, Fragen in den Landtagen zu stellen - im Gegensatz zu der Praxis, die umgekehrt hier im Bundestag besteht. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir uns in diesen Monaten zusammen mit den Ländern in einer Arbeitsgruppe Gedanken über eine Neukonzeption des sozialen Wohnungsbaus machen. Dabei spielt auch die Frage eine Rolle, wie wir zu einer einheitlichen Förderung kommen und wie von daher der Bundeseinfluß doch etwas verstärkt werden kann.
Vizepräsident von Hassel: Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Ich rufe die Frage 88 der Abgeordneten Frau Meermann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Studenten auch dann bis zu sechs Monaten auf ihre Ausbildungsförderung warten müssen, wenn sie ihre Antragsunterlagen von vornherein vollständig eingereicht haben und der Antrag positiv beschieden werden kann?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz, bitte!
Frau Kollegin, das Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG
- enthält Regelungen, die sowohl bei Erst- als auch bei Weiterbewilligungsanträgen eine zügige Entscheidung sicherstellen sollen. Nach § 51; Abs. 2 des BAföG wird Ausbildungsförderung beispielsweise für vier Monate bis zur Höhe von 420 DM monatlich
- unter dem Vorbehalt der Rückforderung allerdings - gezahlt, wenn bei der erstmaligen Antragstellung in einem Ausbildungsabschnitt oder aber nach einer Unterbrechung der Ausbildung die zur Entscheidung über den Antrag erforderlichen Feststellungen nicht binnen sechs Kalenderwochen getroffen oder Zahlungen nicht binnen zehn Kalenderwochen geleistet werden.
Ein anderes Beispiel für Weiterbewilligungsfälle: Durch § 50 Abs. 4 des BAföG ist sichergestellt, daß innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts Ausbildungsförderung in der zuvor bewilligten Höhe über den Bewilligungszeitraum hinaus geleistet wird, solange ein neuer Bescheid nicht ergangen ist.
Den Auszubildenden bekannte, von ihnen aber häufig nicht erfüllte Voraussetzung ist nun aber, daß der neue Antrag zwei Kalendermonate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt wurde. Ich möchte hier z. B. darauf hinweisen, daß allein an der Universität Bonn im Dezember 1974 die Förderung in 1 178 Fällen deshalb eingestellt werden mußte, weil die Immatrikulationsbescheinigungen trotz mehrfacher Aufforderung nicht beigebracht wurden.
Das BAföG wird im übrigen im Auftrag des Bundes von den Ländern ausgeführt. Die Bundesregierung hat gegenüber den Ämtern für Ausbildungsförderung kein unmittelbares Weisungsrecht. Sie ist aber überzeugt, daß die zuständigen obersten Landesbehörden in Ausübung ihrer Fachaufsicht darauf achten, daß Verzögerungen des in Ihrer Frage, Frau Kollegin, dargestellten Umfanges nicht eintreten. Soweit der Bundesregierung in konkreten Fällen eine unzumutbare Bearbeitungsverzögerung bekanntgeworden ist, hat sie über die zuständige oberste Landesbehörde nachdrücklich auf eine unverzügliche Leistung hingewirkt. Sie wird dies auch künftig tun. Im Wege der Fachaufsicht allein lassen sich unzumutbare Verzögerungen in Einzelfällen aber nicht ganz vermeiden. Vielmehr müssen auch die Auszubildenden aktiv für ihre Rechte eintreten. Die Praxis hat gezeigt, daß der Bundesgesetzgeber für einen zügigen Rechtsschutz gesorgt hat.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Meermann.
Herr Staatssekretär, Verzögerungen können also nicht dadurch eintreten, daß die erforderlichen Mittel von Bund und Ländern nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden?
Frau Kollegin, die Förderungsleistungen nach dem BAföG sind zu 65 % vom Bund und zu 35 % von den Ländern aufzubringen. Da die Länder als Verwaltungsträger die Auszahlung vornehmen, müssen auch die Bundesmittel zunächst ihnen, nämlich den Ländern, zufließen. Dies geschieht durch Haushalts- und monatliche Betriebsmittelzuweisungen. Die Höhe der Zuweisungen richtet sich dann jeweils nach den Anforderungen der Länder. Bisher ist den Ländern jede angeforderte Summe gegen Ende des Vormonats zur Verfügung gestellt worden. Die Bundesmittel haben danach rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung gestanden.
Vizepräsident von Hassel: Die Fragen 89 und 90 sollen auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Dr. Klein ({0}), schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Vizepräsident von Hassel
Ich rufe die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Peter auf:
An welchen Standorten im Saarland wurden seit 1969 unter finanzieller Beteiligung des Bundes für wie viele Schüler Berufsbildungszentren errichtet bzw. sind zur Zeit im Bau, und wie verteilt sich die Finanzierung jedes einzelnen Projekts, in absoluten Zahlen ausgedrückt, auf Bund, Land, Kreise bzw. Gemeinden?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz, bitte!
Herr Kollege, die Errichtung von Berufsbildungszentren ist Aufgabe der Länder. Im Rahmen der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern nach Art. 91 b des Grundgesetzes werden jedoch auch Mittel für Modellversuche im Bereich der beruflichen Bildung bereitgestellt. Dabei wurden eine Reihe von Modellversuchen gefördert. Ich will Ihnen die Liste dessen, was gefördert ist, im Hinblick auf die Zeit gern schriftlich geben, wenn Sie erlauben.
Ich darf nur stichwortartig sagen:
1. Ein Berufsgrundbildungsjahr in Kooperation mit Haupt- und Realschule im Schulzentrum Türkismühle.
2. Die Entwicklung und Erprobung von unterrichtstechnologischen Hilfsmitteln in der beruflichen Grundbildung, und zwar in den Berufsschulen Saarbrücken, Homburg, Dillingen, St. Wendel und Merzig.
3. Aus Bundesmitteln für die Gewerbeförderung im Handwerk wird vom Bundeswirtschaftsminister der Bau einer Gewerbeförderungsanstalt für das Handwerk in Saarbrücken bezuschußt. Sie soll 1975 in Betrieb genommen werden. Mit über 3 Millionen DM, die seit 1973 kontinuierlich abfließen, trägt der Bund rund 30 °/o der Gesamtkosten. Die restlichen Mittel werden durch Eigenmittel der Handwerkskammer und durch die Bundesanstalt für Arbeit aufgebracht.
4. Ergänzend möchte ich darauf hinweisen, Herr Kollege, daß aus dem Saarland neue Anträge auf finanzielle Förderung von Modellversuchen im Bereich der beruflichen Bildung vorliegen, die gegenwärtig geprüft werden, wozu ich Ihnen auch gerne eine Liste schriftlich zukommen lassen würde.
Im übrigen hat die Bundesregierung neben den Mitteln aus dem Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für das Saarland im Bereich der Berufsbildung in den beiden Konjunktursonderprogrammen 1974 insgesamt 12,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Vizepräsident von Hassel: Damit scheint mir auch die Frage 92 des Abgeordneten Peter beantwortet zu sein:
Liegt aus dem Saarland ein Antrag auf Bezuschussung überbetrieblicher Ausbildungsstätten vor, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ein derartiges Projekt durch erhebliche Zuschüsse zu fördern?
Wir sind am Ende unserer Fragestunde angelangt. Ich darf Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich danken, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Die Fragestunde ist geschlossen.
Die in dieser Woche hier nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind. Die Antworten werden als Anlagen im Stenographischen Bericht abgedruckt.
Wir fahren in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe
Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über den Ehe- und Familiennamen
- Drucksache 7/3358 - Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Ich darf dem Herrn Berichterstatter danken und ihn fragen, ob er als Berichterstatter das Wort wünscht. - Bitte, als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dürr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat am 21. Februar 1975 zu dem vom Bundestag am 31. Januar beschlossenen Gesetz über den Ehe- und Familiennamen den Vermittlungsausschuß angerufen, um die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages und damit die Verbindung mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts sowie fünf Änderungen zu erreichen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 12. März mit dem Vermittlungsbegehren befaßt. Er ist dem Hauptantrag nicht gefolgt. Bei den Änderungsanträgen ist in drei Punkten ein Kompromiß erreicht worden.
Das Begehren des Bundesrates zur Aufhebung des Gesetzesbeschlusses ist abgelehnt worden, weil es verfassungsrechtlich nicht geboten und sachlich nicht gerechtfertigt sei, mit der Änderung des Namensrechtes bis zur endgültigen Verabschiedung des Eherechtsreformgesetzes zu warten. Hierbei hat auch eine Rolle gespielt, daß beim Bundesverfassungsgericht Verfahren zur Überprüfung des geltenden Namensrechtes anhängig sind und die Entscheidung dort im Hinblick auf das neue Namensrecht ausgesetzt worden ist.
Der Bundestag hatte beschlossen, daß die Verlobten vor dem Standesbeamten zu erklären haben, welcher Name Ehename werden solle. Im Vermittlungsbegehren wurde demgegenüber vorgeschlagen, daß die Verlobten zwar die Möglichkeit zu einer solchen Erklärung haben sollten, sie sollten aber nicht verpflichtet sein, eine solche Erklärung abzugeben. Wenn keine Erklärung abgegeben würde, sollte der Name des Mannes Ehename werden. Der Bundesrat hatte die vom Bundestag vorgesehene Erklärungspflicht als Zwang gegenüber mündigen Bürgern und als Einschränkung der Entscheidungsfreiheit beider Ehegatten angesehen. Diesem Begehren ist der Vermittlungsausschuß nicht gefolgt. Nach seiner Auffassung ist die obligatorische Erklärung der Ehegatten über den künftigen Ehenamen nicht Zwang, sondern eine Pflicht, die aus der Entschei11146
dung des Gesetzgebers folgt, daß der Ehename nicht mehr kraft Gesetzes, sondern durch freie Entscheidung der mündigen Bürger bestimmt wird.
Der Bundesrat hat ferner die vom Bundestag beschlossene Möglichkeit, den bisher geführten Namen dem Ehenamen voranzustellen, kritisiert und unter anderem geltend gemacht, es werde der Eindruck einer Ehe mit schwächeren Rechtswirkungen erweckt und es entstünde Verwirrung wegen der bisherigen Doppelnamen. Der Vermittlungsausschuß ist dieser Auffassung nicht gefolgt, sondern hat die Bedeutung hervorgehoben, die diese Regelung in der Praxis insbesondere für die Frauen hat. Werde nur die Möglichkeit geschaffen, den bisherigen Namen anzufügen, so bestätige das letztlich den Vorrang des Mannesnamens. Der Vermittlungsausschuß ist dem Begehren des Bundesrates hier nicht gefolgt.
Aufgenommen wurde das Begehren des Bundesrates, einzelne Folgeregelungen zu ergänzen bzw. einzuschränken, wenn Eltern ihren Namen ändern, und zwar:
1. Die Namensänderung der Eltern soll sich auf den Geburtsnamen der Kinder allgemein erstrecken, damit nicht unverheiratete und verheiratete Geschwister verschiedene Geburtsnamen angeben müssen.
2. Die Namensänderung der Eltern soll sich auf den Ehenamen des verheirateten Kindes erstrecken können, wenn der Ehegatte des Kindes zustimmt. Durch gemeinsame Erklärung wird der Ehename geändert.
3. Die Änderung eines Geburtsnamens, der nicht zum Ehenamen geworden ist, soll nicht Anlaß sein, den Ehenamen neu zu bestimmen.
4. Die Erstreckung der Namensänderung soll nicht nur Kinder, sondern Abkömmlinge allgemein betreffen.
5. Die Anschlußerklärung der Kinder von im Ausland lebenden Eltern wird von 18 Monaten auf ein Jahr verkürzt.
Der Vermittlungsausschuß unterbreitet ferner einen Kompromißvorschlag, was die Wahlmöglichkeit für bereits Verheiratete angeht. Der Bundestag wollte ohne zeitliche Begrenzung hinsichtlich des Datums der Eheschließung die Möglichkeit eröffnen, den Namen der Frau zum Ehenamen zu wählen. Der Bundesrat dagegen lehnt jegliche Übergangsregelung ab. Der Vermittlungsausschuß hat berücksichtigt, daß beim Bundesverfassungsgericht Verfahren anhängig sind, der Gesetzgeber also unter Umständen vom Bundesverfassungsgericht zu einer Übergangsregelung verpflichtet werden könnte. Der Vermittlungsausschuß hat aber die Wahlmöglichkeit zeitlich unter Berücksichtigung des Art. 117 GG begrenzt. Nur die nach dem 1. April 1953 geschlossenen Ehen sollen jetzt noch erfaßt werden.
Der Vermittlungsausschuß hat sich ferner dem Begehren des Bundesrates angeschlossen, das Namensrecht nicht am 1. Juli 1975, sondern am 1. Januar 1976 in Kraft zu setzen. Den Standesbeamten wird so Zeit für die Umstellung gegeben.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß vom Bundestag über die Änderungsvorschläge gemeinsam abzustimmen sei.
Ich bitte, dem Votum des Vermittlungsausschusses zu folgen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Zur Abgabe einer Erklärung hat das Wort Frau Abgeordnete Schimschok.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben. Am 31. Januar dieses Jahres wurde in diesem Hause dem Gesetz über den Ehe- und Familiennamen mehrheitlich zugestimmt, so daß ich mir eine nochmalige gründliche Erläuterung dieses Gesetzes ersparen kann. Ich werde im wesentlichen auf die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Änderungen eingehen.
Nach dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz über den Ehe- und Familiennamen sollte sich eine Änderung des Familiennamens der Mutter eines nichtehelichen Kindes laut § 1617 BGB bzw. der Eltern nach § 1720 BGB nur auf Kinder erstrecken können, welche noch keine Ehe eingegangen sind. Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, diese Möglichkeit auch dem verheirateten Kinde zu geben, wenn die Ehegatten eine dementsprechende Erklärung abgeben. So soll es auch nach § 1758 BGB zu einer Namensänderung bei Adoption Verheirateter kommen, wenn sie mit dem Ehegatten des Adoptivkindes im Annahmevertrag vereinbart ist. Verheiratete, deren Eltern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes die Ehe geschlossen haben, sollen sich einer Namensänderung der Eltern anschließen können, wenn beide Ehegatten die Erklärung gemeinsam spätestens vor Ablauf eines Jahres nach Abgabe der Erklärung der Eltern abgeben. Ehegatten, die nach dem 1. April 1953 und vor Inkrafttreten dieses Gesetzes die Ehe geschlossen haben, sollen vor Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erklären können, daß sie den Geburtsnamen der Frau als gemeinsamen Familiennamen führen wollen.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten akzeptieren den Vorschlag des Vermittlungsausschusses. Er ist betreff des zeitlichen Limits und der Ausdehnung der Möglichkeit der Namensänderung auf verheiratete Kinder ein Kompromiß, dem wir im Bundestag und, ich hoffe, auch im Bundesrat zustimmen können.
Viele Frauen warten auf die Änderung des Namenrechtes, zumal erhebliche Zweifel bestehen, ob das jetzt geltende Namensrecht dem Gleichberechtigungsgrundsatz entspricht. Nach dem Auftrag der Verfassung sollten alle Gesetze, die nicht mit Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in Einklang stehen, bis zum 1. April 1953 geändert werden. Wenn wir 1975, also 22 Jahre später, eine Privilegierung des Mannes bei der Bestimmung des Ehe- und Familiennamens abbauen, dann kommen wir der GleichberechFrau Schimschok
tigung von Mann und Frau ein weiteres Stück näher. Damit beweisen wir den Frauen, daß wir es ernst meinen mit der Realisierung des Postulats des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes und wir es nicht nur zu Lippenbekenntnissen kommen lassen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, wie auch den Bundesrat, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen liegen nicht vor.
Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses, der soeben durch den Berichterstatter noch einmal erläutert worden ist, auf der Drucksache 7/3358. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe Punkt IV der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes
- Drucksache 7/3359 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer ({2})
Ich danke dem Berichterstatter. Sie wünschen das Wort? - Der Berichterstatter, Herr Professor Dr. Schäfer ({3}), hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner 416. Sitzung zu dem vom Deutschen Bundestag am 31. Januar 1975 verabschiedeten Gesetz verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 12. März 1975 mit den Fragen, die mit dem Anrufungsbegehren zur Debatte gestellt wurden, befaßt.
({0})
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses liegt Ihnen auf Drucksache 7/3359 vor.
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, die Aufmerksamkeit dem Herrn Berichterstatter zuzuwenden.
Das Vermittlungsbegehren bezieht sich auf zwei Punkte. Erstens. Das Gesetz sieht vor, daß der Inhaber einer kerntechnischen Anlage mit einer Milliarde Deutsche Mark haftet. 500 Millionen DM sind davon durch Haftpflichtversicherung zu decken. Für die weiteren 500 Millionen DM sieht das Gesetz vor, daß der Bund und das Land, in dem sich die kerntechnische Anlage befindet, den Inhaber der Anlage von der
Haftung freistellen. In dem Gesetz ist vorgesehen, daß der Bund mit 65 % und das jeweilige Sitzland mit 35 % an der Risikotragung beteiligt sind. Der Bundesrat hat angeregt, daß die Länder aus der Risikotragung ganz ausgenommen werden. Nach eingehender Erörterung der Problematik schlägt der Vermittlungsausschuß vor, das Verhältnis in 75 zu 25 % zu ändern. Die Ziffern in dem Antrag beziehen sich auf die einzelnen dadurch zu ändernden Vorschriften.
Der zweite Punkt bezieht sich auf die Einführung der Standort- und der Errichtungsgenehmigungspflicht für Brennelementfabriken nach § 7 des Atomgesetzes und die damit verbundene Übergangsregelung für bestehende Brennelementfabriken. Der Vermittlungsausschuß schlägt dahin gehend vor, daß unbefristet erteilte Genehmigungen am 31. Dezember 1977 erlöschen sollen. Bei befristeten Genehmigungen soll es bei der vorgesehenen Regelung verbleiben. Sie gelten bis zur endgültigen Entscheidung weiter, wenn der Inhaber der Genehmigung innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 des Atomgesetzes stellt. Der Vermittlungsausschuß hat ausdrücklich klargelegt, daß bei rechtzeitiger Stellung dieses Antrags die bisherige Tätigkeit bis zur rechtskräftigen - das ist das Neue dabei - Entscheidung über den Antrag fortgeführt werden darf.
Namens des Vermittlungsausschuß bitte ich, der Vorlage zuzustimmen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen liegen nicht vor.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses, der Ihnen eben noch einmal durch den Herrn Berichterstatter erläutert worden ist. Wer diesem Antrag des Vermittlungsausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und keinen Enthaltungen ist der Antrag so angenommen.
Meine Damen und Herren, wir fahren fort in der Aussprache über den Haushalt. Der Ältestenrat hat dazu vorgeschlagen, daß wir beginnen mit dem Einzelplan 11 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung -, fortfahren mit Einzelplan 15 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit - und um 18 Uhr den Einzelplan 09 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - aufrufen.
({1})
Ich rufe daher auf: Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksache 7/3151 - Berichterstatter: Abgeordneter Krampe
Vizepräsident von Hassel
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünschen Sie als Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache zum Einzelplan 11. - Das Wort hat der Abgeordnete Krampe.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vorjahr betrugen die Ausgaben - -({0})
Vizepräsident von Hassel: Darf ich bitten, etwas mehr Ruhe zu wahren?
Im Vorjahr betrugen die Ausgaben im Einzelplan 11 rund 27,8 Milliarden DM. Für 1975 waren im Regierungsentwurf 28,8 Milliarden DM vorgesehen; das entspricht einer Steigerungsrate von 5,7 °/o. Die Erhöhungen dieser Ausgabenansätze ergaben sich zwangsläufig im Bereich der Sozialversicherung, hier besonders im Bereich der Bundesknappschaft, der Kriegsopferversorgung wegen der Vorziehung des Anpassungstermins auf den 1. Juli 1975, in der Arbeitslosenhilfe wie beim zivilen Ersatzdienst.
Das Ergebnis der Beratungen der Berichterstatter und der des Haushaltsausschusses im Dezember 1974 veränderte das Ausgabenvolumen dieses Einzelplanes auf rund 29 Milliarden DM. Bemerkenswert für diese Veränderung war, daß erstmalig im Bundeshaushalt eine Liquiditätshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 500 Millionen DM eingestellt werden mußte.
Die Einnahmen wurden ebenfalls, trotz mancher Bedenken der CDU/CSU-Haushaltsgruppe, während der Beratungen auf rund 499 Millionen DM festgesetzt. Den bemerkenswerten Posten bei dieser Erhöhung der Ansätze stellte die Rückzahlungsquote der Bundesanstalt für Arbeit für das zu gewährende Darlehen in Höhe von 350 Millionen DM dar.
Inzwischen ist nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß eine wesentliche Änderung des Einzelplanes und damit des Gesamthaushalts vorgesehen und notwendig geworden. Die Unterlagen dafür befinden sich auf Ihren Plätzen. Auf Vorschlag des Finanzministers stellte der Haushaltsausschuß Ende Januar 1975 weitere 2,7 Milliarden DM der Bundesanstalt zur Verfügung, und auf der Einnahmenseite mußte die Rückzahlung von 350 Millionen DM gestrichen werden, da es der Bundesanstalt für Arbeit unmöglich ist, in 1975 Rückzahlungen zu leisten.
Die Ausgabenseite dieses Einzelplans weist nun die stolze Zahl von rund 32 Milliarden DM aus, was einer Steigerung gegenüber 1974 von zirka 4,7 Milliarden DM oder rund 17 % entspricht. Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, das ist eine stolze Bilanz, die Sie eigentlich aufweisen könnten, aber Fassade, wenn einmal genauer hingeschaut wird. Die einzige Verbesserung von sozialen Leistungen, an welcher sich der Bund mit wesentlichen Kosten beteiligt, liegt im Bereich der Kriegsopferversorgung. Hier muß mit aller Deutlichkeit festgestellt werden: Die Anpassung der Kriegsopfer-renten ist die logische Folgerung der vorgezogenen Rentenanpassung in der Sozialversicherung, die von der CDU/CSU hier in diesem Hause 1972 durchgesetzt wurde. Dennoch werden Sie, Herr Bundesminister, nicht aufhören, von Ihrem vorzüglichen Haushalt zu sprechen, ihn von seiner Größenordnung her als Erfolg Ihrer Politik zu verkaufen.
Ja, ich möchte sagen, Sie könnten noch besser, noch stärker und noch dicker auftragen, wenn die wieder einmal gestundeten Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung - zur Finanzierung des Haushalts notwendig - in Höhe von 2,5 Milliarden DM im Jahre 1975 der Ausgabenseite zugeschlagen würden. Hier muß aber gesagt werden, daß diese gestundeten 2,5 Milliarden DM - und diesmal werden sie im Gegensatz zu 1973 tatsächlich verzinst - den bereits gestundeten Zuschüssen von 7 Milliarden DM hinzugerechnet werden müssen und damit die kommenden Haushalte mit rund 12 Milliarden DM - einschließlich Tilgung und Verzinsung - belastet werden.
In diesem Zusammenhang darf ich auf Bemerkungen des Sozialbeirats in seinem Gutachten zur Anpassung der Bestandsrenten hinweisen und - mit Genehmigung des Präsidenten - zitieren:
Die Mehrheit des Beirats betrachtet die Inanspruchnahme von Mitteln der Rentenversicherung zur Finanzierung des Bundeshaushalts, unabhängig von der haushaltsmäßigen Behandlung, mit großer Sorge, wobei sie auch darauf verweist, daß die inzwischen schon zum Regelfall gewordene Kürzung der bar geleisteten Zuschüsse das Urteil über die künftige Entwicklung der Rentenversicherung mit einem erheblichen Unsicherheitsmoment belastet.
Diesem Zitat des Sozialbeirats ist unsererseits wenig hinzuzufügen. Aber die Sorge des Sozialbeirats ist auch unsere Sorge, weil wir nicht, wie bei der Bundesanstalt für Arbeit, plötzlich Risiken sehen wollen, die zu allergrößter Besorgnis Anlaß geben. Sie sehen also, Herr Minister vom Sozialbeirat mit begründet -, einige Risse in der Fassade des Gebäudes der sozialen Sicherheit aufkommen. Das wird natürlich durch Propaganda überdeckt und überspielt, wofür Sie in diesem Haushalt wieder einmal mehr als 4,5 Millionen DM zur Verfügung haben, einen Betrag, den Sie mit der Mehrheit des Haushaltsausschusses durchgesetzt haben.
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Propaganda ist aber eine Sache für sich, bessere, solidere Propaganda aber ist die Darstellung der Tatsachen, die Einsicht in Fakten, wozu dieser Haushalt genügend Anlaß gibt.
Dem kritischen Betrachter des Haushalts bleibt nicht verborgen, daß erstmalig 3,2 Milliarden DM als Darlehen und Zuschüsse, Herr Bundesfinanzminister, der Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung gestellt werden mußten. Wir von der Haushaltsgruppe der CDU/CSU-Fraktion haben uns dieser Notwendigkeit im Haushaltsausschuß nicht verKrampe
schlossen, und zwar der hunderttausend Arbeitnehmer und ihrer Familien wegen, und haben dem Antrag des Finanzministers zugestimmt. Dennoch zeigt sich hier die ganze Misere der von der sozialdemokratischen und freidemokratischen Koalition und Regierung zu verantwortenden Finanz- und Haushaltspolitik.
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Ich darf darauf hinweisen, daß heute rund 1,18 Millionen Arbeitnehmer Arbeitslosengeld erhalten. Arbeitslosenhilfe - und der damit verbundene Gang zur Sozialhilfe - steht für viele Arbeitsfähige und Arbeitswillige bei länger anhaltender Arbeitslosigkeit an. Von den Städten und Gemeinden werden wir dann hören; diese haben nämlich dann einen Teil der Unterhaltsleistungen für die Arbeitslosenhilfeempfänger zu tragen. Hinzu kommen in der heutigen Situation Hunderttausende von Kurzarbeitern.
Das bedeutet, da von den Arbeitslosen keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden, daß die Einnahmen der Rentenversicherungen sinken. Die Leistungsgewährung der Rentenversicherung steht aber nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren in voller Höhe an. 250 000 Arbeitslose bedeuten - so die Faustregel - für die Rentenversicherung einen Einnahmeausfall von 1 Milliarde DM im Jahr. Nach dem Jahreswirtschaftsbericht wird mit einer Zahl von 730 000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 1975 zu rechnen sein; andere Institute sprechen von einer höheren Zahl von Arbeitslosen. Das heißt, daß der Beitragseinnahmeausfall also eher 3 Milliarden DM als weniger betragen wird; das heißt aber auch für die Bundesregierung, daß die Berechnungen im Bericht der Bundesregierung, der die Grundlage der immer noch optimistischen Schätzungen ist, nicht mehr stimmen. Diese Modellrechnung ist mit deutlich sichtbaren Risiken behaftet, und es ist an der Zeit, daß die Bundesregierung dem Parlament mit neuen, aktualisierten Zahlen dient. Das erwarten auch unsere Bürger, bei denen sich die Sorge um das Wie der künftigen Finanzierung der Rentenleistungen deutlich bemerkbar macht.
Wir als Parlament müssen, Herr Bundesminister, da wir hier die politische Verantwortung mittragen, wissen, wie sich der Beitragseinnahmeausfall aus den Jahren 1974, 1975 und auch 1976 in der Rentenversicherung langfristig auswirkt. Wir müssen wissen, wie sich die veränderten Arbeitslosenzahlen auswirken und wie sich auch der Rückgang der Mehrbeschäftigung auf die Beitragseinnahme-situation der Rentenversicherung auswirkt. Wir alle haben - gleich, ob Koalition oder Opposition, besonders aber die Bundesregierung - die Pflicht und die Aufgabe, langfristig Sorge dafür zu tragen, daß der heutige Beitragszahler dann, wenn er Leistungen der Rentenversicherung in Anspruch nehmen muß, analoge Leistungen erhält wie derjenige, für den er heute Beiträge entrichtet, Beiträge, die gewiß steigend sind. Das aber zu sichern ist nur durch eine realistische Darstellung der Tatsachen, Entwicklungen, Tendenzen, Fakten und Zahlen mit den sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen möglich. Sonst wird die Solidaritätshaftung der Generationen in Gefahr kommen.
Nur ein kurzes Wort zu den Darlehen und Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit: Bei den Berichterstatterbesprechungen im Dezember 1974 mußten zunächst 500 Millionen DM als Liquiditätshilfe in den Haushalt eingesetzt werden. 350 Millionen sollten Ende 1975 zurückgezahlt werden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mußte aber während der Berichterstatterbesprechungen in der zweiten Hälfte des Dezember 1964 wissen, wie hoch die Durchschnittszahl der Arbeitslosen 1974 bereits war, und er mußte danach die Liquidität der Bundesanstalt berechnen können. Die Hinweise des Bundesrechnungshofes wurden damals nicht beachtet.
Ende Januar 1975 kam dann eine Finanzvorlage in den Haushaltsausschuß, die insgesamt 3,2 Milliarden DM als Liquiditätshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit forderte. Damit korrigierte die Bundesregierung ihre in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 15. Januar 1975 genannten Zahlen.
Nun steht aber angesichts der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auch für den Haushalt und damit für die Finanzpolitik die Frage an, ob mit diesen 3,2 Milliarden DM auszukommen ist oder ob nicht weitere Hunderte von Millionen als Zuschüsse nach Nürnberg fließen müssen, die dann Auswirkungen im Bereich der Kreditaufnahme, der weiteren Verschuldung des Bundes haben werden. Vielleicht kann uns die Bundesregierung sagen, wieviel von den Haushaltsansätzen der Bundesanstalt für 1975 bereits bis Ende Februar - oder, aktualisiert und damit besser, bis 15. März - ausgegeben wurden. Dem Parlament sollten diese Zahlen genannt werden, damit es klar sehen kann, mit welchen Ausgaben und mit welchen Unsicherheitsfaktoren der Haushalt 1975 belastet ist. Von einer bei der Bundesanstalt zu bildenden Rücklage oder bei der Gewährung der Liquiditätshilfe versprochenen Verzinsung der Darlehen ist ganz zu schweigen, hört man nichts mehr.
Die Frage aber, die dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu stellen ist, ist die: Hätte nicht durch eine bessere Beitragspolitik, bereits im Jahre 1973 beginnend, die finanzielle Lage der Bundesanstalt und damit die des Bundeshaushalts wesentlich verbessert werden müssen? Darauf erwarten wir eine Antwort vom Bundesarbeitsminister, der auch für die Beitragsgestaltung nach dem Arbeitsförderungsgesetz die volle Verantwortung trägt.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun steht im Haushalt in Kap. 11 01 eine Position von 100 000 DM: Kosten für die Sachverständigenkommission für die Weiterentwicklung der Krankenversicherung. Von 1970 bis 1974 sind dafür rund 369 000 DM ausgegeben worden. Diese Sachverständigenkommission hat die Aufgabe, auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme Lösungsmöglichkeiten für eine zeitgerechte Weiterentwicklung der sozia11150
len Krankenversicherung zu erarbeiten. Die voraussichtlichen Gesamtkosten dieser Kommission können nicht angegeben werden, wenn auch für die Jahre 1976 bis 1978 weitere 300 000 DM dafür vorgesehen werden.
Nun beschäftigen sich Organisationen, Institutionen und Gewerkschaften mit dieser Frage. Die „Korrespondenz" der Deutschen Angestelltengewerkschaft von Januar 1975 schreibt unter der Überschrift „Galopp der Beiträge bis 1988" nicht nur, daß der Rentenanpassungsbericht 1975 wegen seiner langfristigen Vorausschätzung umstritten ist, sondern sie bringt auch konkrete Zahlen über die Anhebung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung. Ein ähnliches Bild wird von der Krankenversicherung gezeichnet, wobei man ab 1978 von einem Beitragssatz von 14 % ausgeht, um deutlich zu machen, welche Sozialversicherungsbeiträge den Versicherten in Zukunft erwarten. Zur Begründung wird gesagt, daß die Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung eine Folge der explosionsartig gestiegenen und weiter steigenden Kosten ist und ihre Ursache nicht zuletzt in der Krankenversicherung der Rentner hat. Die Beitragserhöhungswelle des Jahres 1974 und Anfang des Jahres 1975 läßt trotz gestiegener Beitragsbemessungsgrenze ahnen, daß die Beiträge in der Krankenversicherung weiter steigen werden.
Es stellt sich die Frage, und sie ist an die Bundesregierung zu richten, wie sie es mit der Finanzierung der Rentnerkrankenversicherung hält und wie sie die Kostenexplosion bei der Entwicklung der Krankenhauskosten, bei der Entwicklung der Medikamentenkosten, bei der Entwicklung der Arzthonorare, die alle über dem allgemeinen Preisanstieg liegen, langfristig und auf Dauer in den Griff bekommen will. Die Sachverständigenkommission ist zeitlich auf 1978 festgelegt. 1975 und 1976 werden aber bestimmt die Ausgaben der Krankenversicherung steigen, und weiter steigen dann die Beiträge, die heute im Ruhrgebiet bei einzelnen Krankenkassen schon bei 12 bis 13 % und mehr angekommen sind.
Eine der Ursachen dieses Kostendrucks ist gewiß die Krankenversicherung der Rentner. Aber auch die Tatsache, daß der Krankenversicherung immer mehr Leistungen aufgebürdet werden, die eigentlich als sachfremd zu bezeichnen sind, bedeutet Beitragserhöhung.
({3})
Je ein Beispiel aus der älteren und der jüngeren Zeit mögen das deutlich machen. Die Mutterschaftshilfe steht nach wie vor im Haushalt des Bundes. 1971 war der Ansatz dafür noch 168 Millionen DM. 1975 ist der Ansatz auf 138 Millionen DM abgesunken.
({4})
Je Mutterschaftsfall werden nach wie vor 400 DM der Krankenversicherung erstattet. Die Kosten je Mutterschaftsfall belaufen sich inzwischen aber auf bis zu 3 000 DM. Ein anderes Beispiel sind die im Haushalt angesetzten nur 55 Millionen DM als Erstattung des Bundes zu den Hilfen für sonstige Aufwendungen nach der Reichsversicherungsordnung, sprich in Sachen § 218, Fristenlösung, die abermals den Krankenversicherungen unwahrscheinlich hohe Kosten verursachen.
Hier ist doch etwas nicht in Ordnung. Hier kann etwas nicht in Ordnung sein. Hier muß etwas in Ordnung kommen. Sonst wird auf der einen Seite wohl der Beitrag zur Rentenversicherung auf 18% festgehalten, und der Beitrag zur Krankenversicherung wird weiter steigen. Nur ein kleiner Unterschied ist vorhanden: der Beitragssatz zur Rentenversicherung wird vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung festzusetzen sein bzw. die Festsetzung ist ihm zugeordnet; die Beitragserhöhung in der Krankenversicherung allerdings überläßt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den Vertreterversammlungen und entzieht sich damit seiner politischen Verantwortung.
({5})
Was geschieht von ihm selbst dazu? Der Bund will sich von der Gewährleistungspflicht, von seiner Verantwortung für die soziale Krankenversicherung entlasten, und das rückwirkend ab 1950. Der Bundesverband der Ortskrankenkassen spricht von einer deprimierenden Situation, von einem Alleingelassenwerden der Krankenversicherung.
Im Einzelplan 11 sind nicht nur die Bereiche der Rentenversicherung, der Bundesanstalt für Arbeit und der Krankenversicherung angesprochen, sondern unter anderem auch die Betreuungsmaßnahmen für ausländische Arbeitnehmer, die gerade heute bei der besonders hohen Zahl arbeitsloser ausländischer Arbeitnehmer eine wichtige Aufgabe darstellen. Den Betreuungsorganisationen sei von uns aus hier einmal mehr in aller Offentlichkeit für ihren Einsatz gedankt.
Bemerkenswert im Kapitel Kriegsopferversorgung ist die Erhöhung des Ansatzes für die Durchführung von Versehrtenleibesübungen in Flöhe von 1,6 Millionen DM, eine gesetzlich verankerte Aufgabe.
Besondere Aufmerksamkeit aber soll im Einzelplan 11 die Bundesregierung der Entwicklung des Bundesamtes für Zivildienst zuwenden. Der Stellenplan dieses Bundesamtes sieht für 1975 212 Beamtenstellen, 131 Angestelltenstellen, zusammen 343 Bedienstete vor - bei vorgesehenen 16 000 Zivildienstleistenden, wie im Haushalt niedergeschrieben. Dem Hörensagen nach soll hier noch ein starker Personaleinsatz folgen. Unser Ansprechen heute soll der Bundesregierung als Hinweis dienen, eine Verwaltung auf- und auszubauen, die mit dem geringsten Aufwand den optimalen Erfolg bringt. Die Voraussetzungen dafür - beim Neubeginn, beim Auf- und Ausbau - liegen vor.
Ähnliches sollte für die Organisation der in Dortmund beheimateten Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung gelten. In diesen Tagen noch soll der Grundstein zum Neubau gelegt werden. Wir begrüßen den Ausbau und wünschen der Einrichtung für ihre Arbeit nachhaltigen Erfolg und damit verbesserten Arbeitsschutz und mehr Sicherheit für die Arbeitnehmer.
Aus dem Haushalt ist auch zu entnehmen, daß der Ansatz „Förderung der Einrichtungen für berufliche Rehabilitation" mit dazu beigetragen hat, ein Netz von Einrichtungen zu schaffen, welches ermöglicht, dem Umschulungswilligen sehr bald nach der Bewilligung der Maßnahme einen entsprechenden Berufsförderungsplatz anzubieten. Ich erinnere hier an meine Ausführungen zu früheren Haushalten.
Einzelplan 11 weist mit seinen Ansätzen für die Bereiche der sozialen Sicherheit, besonders aber die Zuschüsse zur Rentenversicherung - Arbeiterrentenversicherung 8,4 Milliarden, Bundesanstalt für Angestelltenversicherung 2,4 Milliarden, knappschaftliche Rentenversicherung 5,8 Milliarden - einiges an Zahlen mehr aus. Dazu kommt der weitere große Ausgabenblock von 3,2 Milliarden Mark an die Bundesanstalt für Arbeit. Wenn ich mir diese Ausgabenblöcke anschauen, weiß ich, daß infolge der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung hier Unsicherheitsfaktoren, Risiken heutiger und kommender Haushalte vorhanden sind. Sie als Bundesregierung und als Koalition werden gewiß sagen, daß im Bereich der sozialen Sicherheit alles in Ordnung ist, und wenn Sie es nicht überzeugend sagen können, werden Sie einschränkend sagen, daß eintretende Schwierigkeiten von Ihnen überwunden werden. Festzustellen ist aber an Hand der vorliegenden Zahlen, daß trotz der Erhöhung der finanziellen Ansätze im Haushalt die Leistungsfähigkeit des Systems der sozialen Sicherheit in den Hauptsäulen - bei Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit - nicht verbessert wurde. Festzustellen bleibt, daß die Unsicherheitsfaktoren wachsen, offensichtlicher werden und zu großer Sorge Anlaß geben.
Notwendig ist auch, daß sich die Bundesregierung einmal mehr auf die Zusammenhänge zwischen Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik besinnt und danach handelt. Warum sage ich das? - Unter den Glückwünschen, die dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu seinem 50. Geburtstag zugingen, befand sich folgende Aussage - ich darf zitieren -:
Als Walter Arendt im Jahre 1969 das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung übernahm, bestand noch die Gefahr, daß die Sozialpolitik in den Fesseln der Wirtschafts- und Finanzpolitik erstickte. Walter Arendt kommt ein entscheidender Anteil daran zu, daß es möglich war, sie aus diesen Bindungen zu lösen.
({6})
Wir haben den Eindruck - und er wird durch die Entwicklung bestätigt -, daß das Auseinanderbinden, das Lösen, das vereinzelnde Betrachten der Sozialpolitik unabhängig von der Finanz- und Wirtschaftspolitik eben zu den von mir auch für den Haushalt aufgezeigten Schwierigkeiten geführt hat - Entwicklungen, die wir alle nicht wollen.
({7})
Die Folgen werden sein und sind schon: Unsolidität in der Finanzierung, Unsicherheiten im System unserer sozialen Sicherheit. Und die Folge ist, daß unsere soziale Leistungstähigkeit gefährdet, wenn nicht
ruiniert wird. Aus diesem Grunde lehnen wir den Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ab.
({8})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Krampe, den Einzelplan 11 in dieser kleinkarierten Art und Weise zu bemäkeln, ist natürlich kein Ersatz für Politik.
({0})
Sie müssen wissen - was die Bürger schon wissen, Sie aber offensichtlich nicht -, daß die sozialliberale Koalition ein Netz von sozialer Sicherung geknüpft hat, das unter dem Drahtseil, auf dem sich die Konjunkturpolitik bewegt, gespannt ist. Dieses Netz ist so engmaschig, daß sich jeder darin wiederfindet, der Opfer von wirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen wird.
({1})
Diese soziale Sicherung spiegelt sich in dem zur Debatte stehenden Sozialetat wider. In diesem Haushaltsjahr ist dieser Etat der größten Einzelposten neben dem der Verteidigung. Daraus kann man ohne Zweifel schließen, daß uns die soziale Sicherung mindestens genauso viel wert ist wie die äußere Sicherung.
({2})
Dabei sind im Einzelplan 11 nicht einmal alle Posten, die zur sozialen Sicherung unserer Bürger gehören, enthalten. Wenn wir die Beiträge und Beträge für Wohngeld, die Ausgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und andere Vorsorgemaßnahmen zusammenrechnen, hat der Sozialetat ein Volumen von 53 Milliarden DM; der Einzelplan 11 weist allein ein Volumen von 30 Milliarden DM auf, von denen der überwiegende Teil für die Sozialversicherung und die Kriegsopferversorgung aufgebracht werden muß. In beiden Bereichen sind auch im vergangenen Jahr Verbesserungen erreicht worden, die sich sehen lassen können. Einschließlich der Steigerung ab 1. Juli dieses Jahres werden die Einkommensverbesserungen für die Rentner, gemessen am Jahr 1969, bei 80 %, bei den Kriegsopferrenten bei 100 % liegen. Der Erfolgsbilanz dieser Koalition ist hinzuzurechnen, daß als wertvolle Ergänzung der Sozialversicherung die Betriebsrenten jetzt wirkungsvoller und sicherer gestaltet worden sind.
Was allein an Verbesserungen für die Rentner in den letzten Jahren erreicht worden ist, ist eindrucksvoll und paßt nicht in das Bild des Herrn Strauß, der hier verkündet, die Zeit des Offenbarungseids sei nun gekommen. Die Reformen auf dem Gebiet der Sozialpolitik mögen in der Wunschvorstellung des Herrn Strauß ein sozialistischer Irrgarten sein,
in dem sich keiner mehr zurechtfindet und von dem er meint, daß die meisten Bürger Angst haben. Ich bin der Auffassung, die Bürger in unserem Lande sehen diese Erfolge anders und haben sie auch honoriert.
({3})
Der Haushalt stellt sicher, Herr Franke, daß das Aktionsprogramm dieser Regierung für die Behinderten mit unverminderter Energie fortgeführt werden kann. Durch das Schwerbehindertengesetz und das Rehabilitationsangleichungsgesetz haben wir auch für diese Gruppe der Bürger die soziale Sicherheit verbessert. Wir müssen verhindern, daß ein Mensch wegen seiner Behinderung an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Insgesamt 50 Millionen DM stehen 1975 für die Förderung von Rehabilitationseinrichtungen zur Verfügung.
Vergleichsweise wenig sind dagegen die 20 Millionen DM, die im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit auf alle Länder entfallen würden, um das Vorhaben durchzusetzen, daß die Schwerbehinderten im öffentlichen Personennahverkehr unentgeltlich befördert werden können. Der Bundesrat hat auf Antrag des Landes Schleswig-Holstein den Gesetzentwurf der Bundesregierung abgelehnt. Ich erlaube mir die Frage, ob das zum Programm der Unionsparteien gehört, die hier durch Herrn Strauß in der Debatte um den Jahreswirtschaftsbericht vor 14 Tagen die Unausweichlichkeit drastischer Einschränkungen der öffentlichen Leistungen - so wörtlich - verkündeten. Herr Stoltenberg war da noch präziser, als er von dieser Stelle aus während der Debatte um den Jahreswirtschaftsbericht sagte, im Ausbau der sozialen Gesetzgebung insgesamt lägen die tieferen Gründe für die Rezession und Arbeitslosigkeit in diesem Lande.
Meine Damen und Herren, das Grundgesetz bestimmt, daß unser Land ein sozialer Rechtsstaat ist, also nicht nur ein Rechtsstaat, sondern auch ein Sozialstaat. Bei der Rente kommt die Umverteilungsfunktion des Sozialhaushalts besonders zur Geltung. Wesentlich für den Sozialhaushalt ist, daß Einkommen und Leistungen zugunsten der älteren Mitbürger, der Kriegsopfer und der Behinderten umverteilt werden, mit dem Ziel einer stetig wachsenden sozialen Gerechtigkeit.
Im Haushalt finden sich auch die verstärkten Bemühungen um die Humanisierung des Arbeitsplatzes wieder. Von jetzt an werden Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit dazu beitragen, daß die Gefahren und die Belastungen der technisierten Umwelt für die Arbeitnehmer vermindert werden. Das alles, meine Damen und Herren, dient dem Ziel einer humanen Umwelt auch am Arbeitsplatz.
Zusätzliche Hilfen wird hier die Verordnung der Bundesregierung über die Mindestanforderungen an Arbeitsstätten bringen. Damit soll erreicht werden, daß die Arbeitsplätze nicht nur sicherer, sondern auch menschengerechter und menschenwürdiger werden.
Der Sozialhaushalt ist auch Ausdruck dafür, daß die mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verbundenen Risiken durch unser Eingreifen im richtigen Augenblick abgefangen werden. Im Bundeshaushalt stehen deshalb drei Milliarden DM als Liquiditätshilfe für die Bundesanstalt für Arbeit bereit. Diese Mittelbereitstellung, meine Damen und Heren, ist eine gesetzliche Verpflichtung des Bundes. Wenn Sie, Herr Krampe, etwas anderes wollen und dafür von der CDU/CSU die Genehmigung bekommen, dann müssen Sie hier Vorschläge machen, z. B. ob Sie das Arbeitsförderungsgesetz ändern wollen. Wir jedenfalls lassen die Arbeitslosen nicht durchhängen. Wenn Sie andere Vorschläge haben, dann sagen Sie es hier.
Ich muß mich auch wundern, Herr Krampe, daß Sie das Thema der Rentenversicherung trotz einer eindeutigen Abfuhr im Haushaltsausschuß hier noch einmal zum Gegenstand einer Diskussion machen. Der Rentenanpassungsbericht 1975 ist eine Modellrechnung, keine 15jährige Vorausberechnung. Kurzfristige Ausschläge der Beschäftigungsraten, der Lohnentwicklung können deshalb auch nur bedingt berücksichtigt werden. Die tatsächlichen Daten der Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen der Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 1974 zeigen deutlich einen rund 1,4 Milliarden DM höheren Überschuß als in den alten Vorausberechnungen geschätzt. Die Aktualisierung der langfristigen Vorausberechnungen auf Grund der im Jahreswirtschaftsbericht festgelegten Veränderung führt dazu, daß die gemeinsame Rücklage der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung bis 1988 statt bisher 3,2 Monatsausgaben - wie im Rentenanpassungsbericht von 1975 ausgewiesen - jetzt 3,3 Monatsausgaben beträgt. Damit hat sich die finanzielle Lage der Rentenversicherung auch in den langfristigen Berechnungen verbessert. Unser Rentenversicherungssystem funktioniert also doch; alle Risiken sind abgedeckt. Wir wehren uns dagegen, wenn Sie versuchen, auf diese Weise Panikstimmung zu verbreiten.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, daß unsere Sozialpolitik nicht eine Sozialpolitik ist, die Gruppenegoismen berücksichtigt und kleine Pflästerchen klebt, um Notfälle zu verhindern. Unsere Sozialpolitik ist vielmehr geschlossen und überspannt als Netz das Ganze. Wir wollen, daß diese Politik fortgesetzt wird, die den Bürgern der Bundesrepublik soviel soziale Sicherheit gebracht hat wie noch nie in diesem Lande, die den Arbeitnehmern ein Arbeitsleben brachte, das menschlicher geworden ist, die die Position der Arbeitnehmer durch das Konkursausfallgesetz, durch das Betriebsverfassungsgesetz, durch die betriebliche Altersversorgung, durch das Schwerbehindertengesetz weiter gestärkt hat. Diese Politik muß fortgesetzt werden, damit es in Zukunft mehr Mitbestimmung, noch mehr Humanisierung des Arbeitslebens und noch mehr soziale Sicherheit geben und es den Behinderten leichter gemacht wird bei der Rehabilitation. Wir jedenfalls sind der Auffassung, daß dieser Haushalt spitz durchgerechnet ist, und wir werden ihn verabschieden.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den bisherigen Ausführungen der Redner der Opposition gefolgt ist, der wird zu dem Ergebnis kommen: Von der Opposition nichts Neues.
({0})
Das einzige, das allenfalls als neu gekennzeichnet werden könnte, ist, daß die Redner der CDU sich sehr bemühen, die Gebrauchsanweisung aus Sonthofen ganz genau zu befolgen.
({1})
- Ich will Ihnen das einmal vorlesen:
... wo man viel Sachkunde braucht, viel Detailkunde braucht, unendliches Maß an Fleiß aufwenden muß und trotzdem keine rauschenden Feste damit feiern kann, all das macht nicht die Wahlergebnisse für morgen aus, sondern die Emotionalisierung der Bevölkerung, und zwar die Furcht, die Angst und das düstere Zukunftsbild sowohl innenpolitischer als außenpolitischer Art.
({2})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage.
Herr Präsident, ich möchte ausnahmsweise keine Zwischenfragen beantworten, sondern meine Ausführungen im Zusammenhang machen.
({0})
- Sie werden sich auch wieder abregen, meine Damen und Herren.
Alle Redner, ob das der Herr Carstens war oder der Herr Weizsäcker oder der Herr Althammer oder auch der Herr Krampe, haben sich getreulich bemüht, dieser Gebrauchsanweisung gerecht zu werden. Herr Krampe, wir haben nie gesagt, daß auf dem Felde der Sozial- und der Gesellschaftspolitik alles in Ordnung ist. Die Tatsache aber bleibt bestehen - und das ist die Wahrheit -: Es hat in unserer Geschichte, in der Geschichte Deutschlands, noch keine Zeit gegeben, wo für die breiten Schichten unseres Volkes so viel geschehen ist, wie von 1969 bis heute.
(Beifall bei SPD und FDP - Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Kümmern Sie sich mal um die Arbeitslosen! - Krampe [CDU/CSU] : Wer hat die Rentenversicherung neu geregelt? Wer hat die Eigentumsfrage angepackt? Wer hat den sozialen Wohnungsbau installiert? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU]
- Ich komme jetzt auf den Bereich der Arbeitslosen.
({1})
- Und bei Ihrem Parteifreund, wenn ich das einmal sagen darf.
Die sozialliberale Koalition verniedlicht und bagatellisiert die Frage der Beschäftigungslage überhaupt nicht. Wir wissen, daß sich hinter den Zahlen - aber nicht hinter allen Zahlen - menschliche Schicksale verbergen. Und weil wir das wissen, haben wir mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres das Arbeitslosengeld auf 68 % des Nettobetrags erhöht. Wir haben im Rahmen des Familienlastenausgleichs für den Kindergeld-Anspruchsberechtigten das volle Kindergeld dazugelegt. Wir haben die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf 24 Monate verlängert. Wer diese Veränderungen zum Wohle und im Sinne der Arbeitslosen, der kurzzeitig Arbeitslosen sieht, der wird zu dem Ergebnis kommen, daß diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen alles getan haben, um die materielle Existenz der Arbeitslosen zu sichern. Wer den Eindruck erwecken oder Assoziationen auslösen will, daß die kurzzeitige Arbeitslosigkeit des Jahres 1975 mit der Arbeitslosigkeit vor 1933 vergleichbar sei, stellt die Fakten auf den Kopf.
({2})
Ich sage nicht, daß Sie das tun. Ich will Ihnen aber einmal ein interessantes Beispiel nennen:
({3})
Am 4. Februar dieses Jahres gab es im Zweiten Deutschen Fernsehen eine Sendung, die sich „Blickpunkt" nannte. In dieser Sendung wurden die Bereiche Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe behandelt. Der Tenor dieser Sendung war: große Unruhe, Aufregung, es bestehe die Gefahr, daß die Renten und das Arbeitslosengeld nicht gezahlt werden könnten usw. Genauso verfahren Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ja auch. In dieser Sendung wurde unter anderem ein 40jähriger Arbeitsloser aus Gießen interviewt. Er hatte vier Kinder, die auch zu sehen waren. Es wurde eine so richtig zu Herzen gehende Schilderung, wie schlecht alles sei, gegeben. Dieser Mann sollte angeblich Bautechniker gewesen sein und 2 500 DM netto verdient haben. Dieser Summe wurde das entgegengestellt, was er an Arbeitslosengeld bekommt.
Ich bin dieser Sache einmal nachgegangen. Wissen Sie, was sich herausgestellt hat? Dieser 40jährige
Arbeitslose - er ist seit dem Jahre 1973 arbeitslos - war nie Bautechniker und hat auch nie 2 500 DM netto verdient. Er war vielmehr Fahrer bei einer Baustoffirma und hat kurzzeitig seinen Führerschein verloren.
({4})
- Diejenigen, die jetzt lachen, wissen was kurzzeitiger Führerscheinentzug bedeutet. Für einen Fahrer ist die Tatsache, daß er einen Führerschein hat, natürlich ein ganz entscheidendes Element seiner Tätigkeit.
({5})
Sehen wir uns die Dinge einmal genauer an. Dieser Mann hat für die Zeit von 1961 bis 1964 keinen Nachweis über eine Tätigkeit. Er war Fahrer bei einer Baustoffirma und hat kurzzeitig seinen Führerschein verloren. Er hat verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, die er dann auf eigenen Wunsch beendet hat. Stellen wir dem nun einmal das entgegen, was er als Arbeitsloser bekommt. Er bekommt 840 DM Arbeitslosengeld, 360 DM Kindergeld, 120 DM Wohngeld. Er bekommt des weiteren, was in dieser Sendung auch nicht gesagt wurde, für zwei seiner Kinder 320 DM Berufsausbildungsbeihilfe, und er bekommt 40 DM Sozialhilfe. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen: Ich verstehe jetzt, nachdem ich mir das angesehen habe, warum dieser Arbeitslose es bisher geschickt verstanden hat, den Angeboten des Arbeitsamtes auszuweichen.
({6})
- Das wollen Sie nicht gerne hören, aber das ist so.
({7})
- Herr Haase, Sie übertreiben natürlich, so wie Sie immer übertreiben.
({8})
Was die Arbeitsmarktlage angeht, so haben wir zu beobachten gehabt, daß in den schlechtesten Monaten des Jahres - das sind zweifellos der Januar und der Februar - die Zahl der offenen Stellen auf 246 000 gegenüber 190 000 im Dezember angestiegen ist. 246 000 Stellen sind nicht besetzt. Wir haben zu beobachten, daß sich die Zahl der als arbeitslos Gemeldeten nur ganz geringfügig erhöht hat. Sie werden sehen - wir brauchen gar nicht bis Philippi zu warten; wir werden uns vorher wiedersprechen -, diese Maßnahmen der Bundesregierung, um einen stabilitätsgerechten Aufschwung herbeizuführen, werden auch auf dem Arbeitsmarkt ihre Aus-1 wirkungen zeigen.
({9})
Wir haben 500 Millionen DM für Lohnbeihilfen zur Verfügung gestellt. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie, anstatt schwarzzumalen, ein bißchen dazu beitrügen, daß diese von der Regierung beschlossenen Maßnahmen auch ergriffen werden, sähe die Lage schon wesentlich anders aus.
({10})
Wir haben 100 Millionen DM für Mobilitätszulagen zur Verfügung gestellt. Es macht sich ja schon bemerkbar, daß diese Maßnahmen greifen. Ich sage noch einmal, wir werden in Kürze feststellen können, daß sich uns die Lage ganz anders darbietet, positiver.
Nun kommt der Herr Althammer daher und verweist auf die Finanzierung. Die Versicherten, so sagt er, fragen: Wo sind unsere Gelder geblieben, die wir in den langen Jahren eingezahlt haben? Da haben Sie völlig recht, Herr Althammer. Als Versicherter würde auch ich langsam einmal fragen, wo denn diese Gelder geblieben und wie sie angelegt worden sind. Jetzt muß ich Ihnen ganz offen sagen: Wenn man Sie fragt, was Sie gemacht haben, so können Sie doch aus Ihrer 17jährigen Regierungstätigkeit nur drei Gesetze als Renommierstücke vorweisen. Das eine ist die dynamische Rentenanpassung aus dem Jahre 1957,
({11})
das zweite ist das Berufsbildungsgesetz, und das dritte ist das Arbeitsförderungsgesetz.
({12})
- Herr Katzer, ich würde an Ihrer Stelle nicht von der Mitbestimmung reden. Sonst zitiere ich Ihnen einmal, was der Herr Strauß über Sie und die Mitbestimmung gesagt hat.
({13})
- Nein, Herr Mikat, es tut mir leid, ich bitte um Entschuldigung.
({14}) : Kein Mut, Herr
Minister!)
Das Arbeitsförderungsgesetz ist ja ein Renommiergesetz von Ihnen, obwohl es in der Großen Koalition beschlossen wurde. Aber wahr ist - und Ihr Nachbar hat mit dazu beigetragen, nicht nur er allein, aber er mit, in Verbindung mit dem „Geldstromstaatssekretär"; Sie wissen, wen ich meine -, daß in dieses Gesetz Anlagebestimmungen mit hineingekommen sind,
({15})
die dazu geführt haben, daß die Bundesanstalt zu Beginn dieses Jahres 2,7 Milliarden DM als Rücklage angelegt hat, und zwar so langfristig, daß man sie jetzt nicht liquidieren kann.
({16})
- Ich bin doch nicht im Verwaltungsrat. Da ist Ihr
Nachbar drin.
({17})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, es ist doch nicht redlich,
({18})
wenn Sie den Eindruck erwecken, als sei die Bundesanstalt für Arbeit pleite, als müßte der Arbeitslose auf sein Arbeitslosengeld warten. Zugleich wissen wir aber, daß die Rücklagen so langfristig angelegt sind, daß sie jetzt nicht flüssig gemacht werden können.
({19})
Ich will Ihnen das auch noch sagen, Herr Krampe. Ich habe mir die Mühe gemacht und mir einmal angesehen, wer dieses Geld eigentlich bekommen hat, diese Darlehen.
({20})
Sehen Sie, Herr Althammer, die Arbeitnehmer, die im Grunde genommen die Beiträge zur Bundesanstalt zahlen, das sind die Geringsten, die die Darlehen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch genommen haben. Die Darlehen haben andere in Anspruch genommen. Und wenn ich Ihnen die Konditionen vortragen würde, die von der Bundesanstalt für langfristige Darlehen verlangt werden, würden Sie die Hände und die Füße über dem Kopf zusammenschlagen, meine Damen und Herren.
({21})
Nein, wir werden das ändern, meine Damen und Herren, wir werden in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, damit die Anlagepolitik der Bundesanstalt für Arbeit nach anderen Richtlinien vorgenommen wird.
({22})
Aber den Eindruck zu erwecken, die Bundesanstalt für Arbeit sei pleite und die Arbeitslosen bekämen kein Geld, das ist unredlich, und das ist genau das, was Herr Strauß Ihnen in Sonthofen vorgeschrieben hat, meine Damen und Herren.
({23})
So wie Sie es bei der Bundesanstalt für Arbeit machen - Sie haben ja im Grunde nur drei Komplexe -,
({24})
so machen Sie es auch bei der Rentenversicherung.
({25})
Da kommt der Herr von Weizsäcker des Weges und sagt - natürlich auch mit der staatsmännischen Attitüde -: Da ist ja auch die Rentenzahlung in Gefahr. Wie sieht das denn aus? Ich habe es Ihnen schon bei der Debatte über das Sozialbudget gesagt. Entgegen unseren Schätzungen - die waren vorsichtig - ist im Jahre 1974 der Einnahmeüberschuß bei den Rentenversicherungen um 1,4 Milliarden DM höher, als wir geschätzt haben.
({26})
- Das wissen die schon. Herr Abgeordneter Ehrenberg, die Damen und Herren von der Opposition könnten es besser wissen, wenn der Herr Katzer auf mein Anerbieten aus dem Jahre 1972 eingegangen wäre und, wie ich es ihm vorgeschlagen hatte, einen Experten aus der Planungsgruppe der CDU/CSU in den Schätzer- und Abstimmungskreis geschickt hätte. Dann hätten sie nämlich die Zahlen an der Quelle studieren können. Aber das hat er nicht getan. So ist es natürlich zu verstehen, daß manche in der Opposition nicht wissen, wie es sich wirklich verhält.
Ich sage noch einmal: Herr Krampe, wir schätzen, daß im Jahre 1975 der Einnahmeüberschuß bei den Rentenversicherungsträgern bei einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 3 % 4 Milliarden DM betragen wird. Wenn Sie die Fünfzehn-Jahres-Rechnung sehen, dann bedeutet die Aktualisierung im Jahre 1974, daß sich die gesetzlich vorgeschriebenen 3 Monatsausgaben, die jetzt 3,2 Monatsausgaben betragen, auf 3,3 Monatsausgaben erhöhen. Das ist der Sinn der Rücklagen. Wenn sie sich von jetzt 8 Monatsausgaben zurückentwickeln, dann ist das mit dem Sinn der Rücklagen vereinbar. Da können Sie nicht lamentieren, daß jetzt die Rentenzahlungen in Gefahr gerieten. Nein, das können Sie nicht, das ist unredlich.
({27})
- Wissen Sie, das ist doch genauso eine Irreführung! Können Sie mir einmal sagen, worin das Interesse für einen Versicherten besteht, wenn Sie ihm Zahlen in der Größenordnung von Milliarden D-Mark bis zum Jahre 1990 vortragen?
({28})
Der Rentner ist daran interessiert, daß er seine Rente bekommt, und der Rentner bekommt seine Rente, und niemand braucht sich ins Bockshorn jagen zu lassen.
({29})
11156 Deutscher Bundestag --- 7. Wahlperiode Bundesminister Arendt
So, wie Sie es bei der Rentenversicherung machen, machen Sie es auch bei der Krankenversicherung.
({30}) Ich frage Sie jetzt einmal - nur rethorisch -:
({31})
Was ist denn für den Versicherten der Indikator? Doch nicht die Steigerung der Krankenhauspflegesätze! Der Versicherte zahlt seine Beiträge zur Krankenversicherung. Und was ist da gewesen? Ich könnte Ihnen jetzt die Liste vorlesen. Bis 1969 war der Krankenkassenbeitrag der Versicherten auf über 10 % angestiegen. Dann kam die Lohnfortzahlung, und er wurde auf 8 % abgesenkt. Inzwischen ist er wieder auf durchschnittlich 10 % angestiegen.
({32})
- Nein, ich sagte: durchschnittlich. Es gibt auch andere Krankenkassen, die einen Beitragssatz von 4,7% haben.
({33})
Ich rede hier vom Durchschnitt. Im Durchschnitt ist der Krankenkassenbeitrag in den Jahren von 1970 bis 1974 um 2 % gestiegen. Das bedeutet, daß der einzelne Versicherte um 1 % belastet wurde; denn die andere Hälfte zahlt ja der Arbeitgeber.
Ein Prozent Steigerung ist sicherlich nicht schön, und es gibt auch Tendenzen, daß sich diese Steigerung fortsetzt. Weil wir diese Tendenzen sehen, haben wir uns bemüht, mit den Selbstverwaltungseinrichtungen, mit den Trägern der Krankenversicherung und mit den Ärzten Gespräche zu führen, um eine Dämpfung des Kostenanstiegs zu erreichen.
Aber Ihre Logik, Herr Krampe, verstehe ich überhaupt nicht. Sie sagen: Da hat der Arbeitsminister auf der einen Seite den Rentenbeitrag festgesetzt, während er es bei den Krankenkassenbeiträgen den Krankenkassen überläßt. Wenn wir hier das sage ich an die Adresse meiner Kolleginnen und Kollegen - eine Vorlage machten und das, was Sie mir vorschlagen, zur Grundlage eines Gesetzentwurfs nähmen, dann wären Sie der erste, Herr Krampe, der Krakeel machen und sagen würde, das sei ein Eingriff in die Selbstverwaltung.
({34}) Das ist Ihre Logik.
({35})
- Nein. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben uns bemüht. Meine Kollegin Focke könnte mit Beispielen dienen, wie sie sich bemüht hat.
({36})
Sie reden von Kostenexplosion und Kostenlawine. Aber ich habe Ihnen gerade gesagt, was in vier Jahren effektiv an Steigerung eingetreten ist. Ich habe noch gar nicht davon gesprochen - das tue
ich nachher -, was für Gegenleistungen wir für diesen Beitrag geliefert haben.
Aber meine Kollegin Focke könnte Ihnen mehr als eine Strophe des Liedes singen,
({37})
wie sie sich bemüht hat, bei den Krankenhauskosten, bei den Pflegesätzen, wo die Zuständigkeit der Länder gegeben ist, zu einem Akkord zu kommen. Wissen Sie, was passiert ist? Die Vertrete der CDU/CSU aus den Ländern sind zu dieser Sitzung gar nicht gekommen. Das ist Ihre Bereitschaft zur Kooperation, nein, das ist das, was der Herr Strauß gesagt hat: Konfrontation.
({38})
Ich sage es noch einmal: Wir werden uns nicht, auch nicht von Ihrem Gerede, beeinflussen lassen. Wir werden uns bemühen, in Gesprächen mit den Krankenkassen, mit den Krankenhausträgern, mit den Ländern, mit den Ärzten, mit den Pharmazeuten dafür zu sorgen, daß das, was auf diesem Felde zu beobachten ist, im Rahmen bleibt und den Versicherten nicht zusätzlich belastet.
({39})
- Ach, Herr Krampe! Herr Krampe!
({40})
Ich muß noch ein Wort zu den Kostenentwicklungen sagen.
({41})
Wir haben früher vergeblich gefordert, das, was die
Fachleute damals herzlos „Aussteuerung" nannten
- bei einem lange dauernden Krankenhausaufenthalt zahlte nämlich keine Krankenkasse mehr die Krankenhauskosten -, abzuschaffen. Sie haben gar nicht daran gedacht - genauso wie Sie an andere Dinge nicht gedacht haben -: seit dem 1. Januar 1974 gibt es keine Aussteuerung mehr.
({42})
Es gibt die Haushaltshilfe, es gibt Verbesserungen, die den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes zugute kommen und die sie einbinden in das Netz der sozialen Sicherung. Ich glaube, daß die Bürgerinnen und Bürger das zu schätzen wissen.
({43})
- Herr Lampersbach, Sie wollen ja, wenn ich das noch recht im Ohr habe, das Betriebsverfassungsgesetz, wenn Sie die Mehrheit haben, zum Schaden der Arbeitnehmer ändern.
({44})
Das wollen Sie doch. Das haben Sie doch gesagt.
Bundesminister Arendt Ich sage: Wir haben seit 1969, mit. Beginn dieser sozialliberalen Koalition
({45})
- nein, da wurde die Welt nicht erschaffen -,
({46})
bisher vernachlässigte Gruppen in dieses System einbezogen.
({47})
Wir haben es ausgebaut, und wir haben mehr soziale Gerechtigkeit und mehr soziale Sicherheit für unsere Bürger Wirklichkeit werden lassen.
({48})
Das fängt an bei der Krankenversicherung
({49})
und setzt sich fort über die Rentenversicherung, über die flexible Altersgrenze.
Sehen Sie, da denke ich an Herrn Carstens, an Ihren Vorsitzenden. Der hat ja gesagt, um eine Rechtfertigung zu bringen und zu zeigen, daß keine Konfrontation betrieben wurde: Wir haben doch diesen Gesetzen zugestimmt.
Wie war denn das mit dem Betriebsverfassungsgesetz? 21 haben zugestimmt. Was hätten denn die 21 ausgerichtet, wenn Sie die Regierungsverantwortung gehabt hätten? Dann wäre es geblieben, wie es war.
({50})
In 21 Jahren - in 21 Jahren; ich habe das eben noch einmal nachgesehen - haben Sie - Sie! - das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sicher aus guten Gründen, mehr als dreißigmal geändert. Das Grundgesetz für 22 Millionen Arbeitnehmer, die ein Drittel des Tages im Betrieb verbringen, haben Sie in den 21 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung nicht ein einziges Mal geändert. Doch, einmal haben Sie es geändert: Sie haben die Amtszeit der Betriebsräte um ein Jahr verlängert. Das war Ihre Gesellschaftspolitik.
({51})
Ich bringe ein anderes Beispiel: Rentenreform. Was haben Sie gemacht?
({52})
- Gar nichts haben Sie gemacht! Sie haben Schaden
angerichtet. Das ist es. Sie haben das Babyjahr rausgestimmt, Sie haben die Sockelrente niedergestimmt.
({53})
Statt dessen haben Sie das halbe Jahr vorgezogen,
und heute beklagen Sie den Zustand, daß die Rentner Rentenerhöhungen in Höhe von 11% bekommen, während die im aktiven Arbeitsleben Stehenden andere Tarifverträge abschließen müssen. Das ist Ihre Doppelbödigkeit.
({54})
Wir haben die Schülerunfallversicherung, wir haben ein neues Schwerbehindertengesetz geschaffen. Wir haben das Rehabilitationsangleichungsgesetz verabschiedet. Wir haben die Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte eingeführt,
({55})
um das Arbeitsleben humaner zu gestalten:
({56}) Wir haben ein neues Heimarbeitsgesetz.
({57})
- Da lachen Sie! Sie sollten lieber Heimarbeit machen, dann wüßten Sie, was das ist.
({58})
Über Mitbestimmung würde ich an Ihrer Stelle auch nicht reden. Tun Sie nicht so vorwurfsvoll, daß die Beratungen noch nicht begonnen haben!
({59})
Der Bundeskanzler hat sich dazu geäußert.
({60})
Da muß ich den Strauß zitieren. Herr Strauß hat sich in Sonthofen geirrt. Er hat nämlich zum Thema Mitbestimmung ausgeführt:
Dann sprach Barzel weiter. Er sprach, das Unternehmen müsse ein Sozialverband werden. Was ist das für eine geistige Epidemie? Ein Unternehmen kann doch kein Sozialverband werden.
Das hat Herr Strauß in Sonhofen gesagt. Ich wollte nur zur Ehrenrettung von Herrn Barzel sagen: Herr Barzel hat das nicht gesagt, sondern das hat Herr Filbinger gesagt. Im Bundesrat, beim ersten Durchgang dieses Gesetzes, hat er ganz pathetisch ausgerufen: „Wir von der CDU/CSU sind für das freie Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in einem Sozialverband."
({61})
- Nein, Herr Franke, bemühen Sie sich nicht!
({62})
Herr Kollege Franke, der Herr Minister hat zu Be11158 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
pinn seiner Ausführungen erklärt, daß er keine Zwischenfragen zulasse. Aber ich habe hier die Rednerliste vorliegen und stelle fest, daß Sie der nächste Redner sind.
Meine Damen und Herren, wir haben einen eindrucksvollen Katalog von Maßnahmen,
({0})
die einer großen, breiten Schicht unseres Volkes zugute gekommen sind.
({1})
Ich komme mindestens so wie Sie durchs Land, und ich kann das immer wieder feststellen. Wir haben auch in diesem Hause oft genug darüber debattiert, und eigentlich müßten Sie es wissen. Auch wer dieser Regierung nicht wohlwollend gegenübersteht, müßte fairerweise zugeben, daß auf diesem Felde wirklich Arbeit geleistet worden ist. Zumindest die Angehörigen der Sozialausschüsse der CDU - von der CSU will ich jetzt nicht reden - müßten sich darüber freuen, daß hier Versäumnisse aus früherer Zeit aufgearbeitet worden sind.
({2})
Das tun Sie nicht. Ich bin davon überzeugt, Sie werden wie in der Vergangenheit weitermachen. Sie werden schwarzmalen. Sie werden
({3})
Horrorgebilde an die Wand werfen. Sie werden verunsichern. Sie wollen Angst, Furcht und Schrekken erzeugen. Sie werden sich nicht belehren lassen. Von mir aus machen Sie weiter. Ich sage Ihnen aber eins: Wir machen auch weiter.
({4})
Wir werden weitermachen,
({5})
um für die Menschen in diesem Lande mehr soziale Sicherheit und mehr soziale Gerechtigkeit herbeizuführen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Franke ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Minister Arendt hat eben eine Rede gehalten, die mir so erschien wie die Selbstverteidigung eines Mannes, der gemerkt hat, daß er in der letzten Runde in einem Boxkampf steht und sieht, daß er den Boxkampf nicht mehr gewinnen kann.
({0})
Sehr verehrter Herr Minister, Sie haben eben vom Babyjahr gesprochen. Der Herr Wehner wollte gestern hier über die Rampe springen und hat gesagt: „Das werde ich Ihnen nie vergessen mit dem Babyjahr und dem Grundbetrag in der Rentenversicherung von 1972!" Es ist doch gut, daß alles schwarz auf weiß niedergeschrieben worden ist. Sie, Herr Minister, haben sich eben auch noch mal mit dem Grundbetrag aus der zweiten Rentenreform von 1972 beschäftigt, die die CDU/CSU zu einem Teil gegen Ihre Stimmen durchgesetzt hat. Wir haben 1972 die richtige Konzeption von 1957 fortgesetzt, z. B. das Voranziehen der Rentenanpassung um ein halbes Jahr gegen Ihr namentliches Votum hier in diesem Hause.
({1})
Die Frage des Grundbetrages ist seinerzeit von Herrn Professor Schellenberg - ich glaube, in Abstimmung mit einem Kollegen der FDP - in einer Presseerklärung in die Offentlichkeit eingeführt worden. Die Frage des Grundbetrages oder des Sockelbetrages in der Rentenversicherung hat dann auch seine Behandlung in einer Ausschußsitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung gefunden, auf der auch der Herr Minister Arendt anwesend war.
({2})
Der Kollege Ruf aus meiner Fraktion - er war mein Vorgänger im Amt - hat damals gesagt: Man kann nie wissen, wofür es gut ist, wenn man einmal ein Wortprotokoll anfertigen läßt. Aus diesem Wortprotokoll darf ich vielleicht, sehr verehrter Herr Präsident, einige Sätze zitieren und Ihnen, meine Damen und Herren, zu Gemüte führen. Da sagte Herr Minister Arendt:
Im Prinzip halte ich diesen Vorschlag des Sockelbetrags für nachdenkenswert.
- Kein Beifall? ({3}) Wenn man einige andere Dinge bereinigte - ich könnte mir vorstellen, daß man das in der nächsten Legislaturperiode tun kann -, wäre dieser Sockelbetrag des Nachdenkens wert. Ich glaube, man sollte sich jetzt mit den Realitäten beschäftigen.
({4})
Jetzt können wir die Vorklärungen nicht vornehmen;
- Soeben behauptete er, wir hätten das hier niedergestimmt. Er sagt im Ausschuß selber: Das kann man jetzt nicht machen.
({5})
Herr Wehner, Sie haben sich gestern falsch unterrichten lassen: Ihr Minister Arendt hat den Grundbetrag aus dem Verkehr gezogen. Ich darf wiederFranke ({6})
holen und mit dem fortfahren, was Arendt damals sagte:
Jetzt können wir die Vorklärungen nicht vornehmen;
({7})
das ist bei der zur Verfügung stehenden Zeit einleuchtend. Es ist mein Anliegen, zu erreichen, daß man sich hier in diesem Ausschuß darauf verständigt, eine Einigung in der Weise zu erzielen, daß die Elemente, die in dem Rentenreformprogramm der Bundesregierung enthalten sind, berücksichtigt werden. Ich wiederhole diese Elemente noch einmal: Öffnung der Rentenversicherung für andere Gruppen,
- das findet das Einverständnis des ganzen Hauses -Einführung einer Rente nach Mindesteinkommen, Einführung der flexiblen Altersgrenze, Einführung eines Babyjahres und kein Sockelbetrag, . . .
Sie haben hier soeben noch einmal behauptet, wir hätten das niedergestimmt. Richtig ist: Sie haben das selbst zurückgezogen.
({8})
Wenn Sie sich, Herr Wehner, hier gestern erhoben, über die Rampe springen wollten und sagten: „Das werden wir Ihnen" - ich kann das gar nicht so nachmachen ({9})
„nie vergessen", dann wenden Sie sich an den Mann; der hat das aus dem politischen Verkehr gezogen, Herr Wehner.
({10})
Jetzt muß ich fragen: Hat der Herr Minister das nicht gewußt,
({11})
nicht mehr in Erinnerung gehabt, oder hat er hier bewußt etwas Falsches ausgesagt,
({12})
um die Opposition zu diffamieren.
({13})
Das wird bei Ihnen langsam zur Methode.
({14})
Aber Gott sei Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir haben den Ablauf der sozialen Gesetzgebung noch in unserer Erinnerung, und wir haben viele soziale Gesetze - auch in der letzten Legislaturperiode - hier mit auf die Beine gestellt. Das entscheidende Gesetz der letzten Legislaturperiode, das Zweite Rentenreformgesetz, haben zu
einem großen Teil wir gegen Ihr Votum hier in diesem Hause durchgesetzt.
({15})
Herr Wehner, das Babyjahr! Ich habe Ihnen schon einmal zugerufen - hier quer über den Tisch, damit es nicht ins Protokoll kommt -: Sie sollten sich nicht auf einem Gebiet mit Zwischenrufen bewegen, von dem Sie nichts verstehen. Von der Sozialpolitik verstehen Sie nun einmal wirklich nichts. Sie polemisieren hier, Sie schreien hier herum, aber zur sachlichen Arbeit sind Sie auf diesem Feld nicht in der Lage und nicht bereit.
({16})
Jetzt darf ich Ihnen einmal die grundsätzlichen Positionen des von Ihnen damals einzuführenden Babyjahres, so wie Sie das genannt haben oder genannt haben wollen, darlegen. Das ist übrigens ein ganz falscher Ausdruck für etwas, was dann diesem Anliegen überhaupt nicht gerecht wird. Dieser Eindruck, den Sie damit erwecken wollten, ist falsch. Denn Tatsache ist erstens, daß es sich bei dem Babyjahr nicht um einen Ausgleich für die Kindererziehung handelt, sondern daß nur auf die Geburt eines Kindes abgestellt wird, zweitens, daß die wenigsten Frauen in den Genuß des Babyjahres kommen und drittens, daß Frauen mit einem niedrigen Einkommen vom Babyjahr viel weniger Vorteile haben als Frauen mit einem höheren Einkommen. Das nennen Sie dann soziale Gerechtigkeit!
({17})
Und nicht die Gemeinschaft der Steuerzahler, sondern die Solidargemeinschaft der Sozialversicherten sollte dann die Kosten dieses Babyjahres tragen.
Das Babyjahr erhalten weiterhin nicht: alle Frauen, die bereits eine Rente beziehen, also alle Frauen über 65 oder über 60 Jahre,
({18})
und alle Frauen, die berufs- oder erwerbsunfähig sind; das sind, meine Damen und Herren, mehr als 2,5 Millionen Frauen.
Und das Babyjahr erhalten nicht: alle Frauen, die keine eigenen Rentenversicherungsansprüche haben, und das sind insbesondere Hausfrauen und Mütter mit vielen Kindern, die wegen der Belastung im Haushalt nicht die notwendige Anzahl von Versicherungsjahren erreichen konnten, es sind praktisch alle selbständigen Frauen usw., und es sind alle Frauen, die ein Kind adoptiert haben.
({19})
- Vielen Dank für diese Zwischenfrage! Das kommt jetzt.
Nach regierungsamtlichen Angaben von September 1972 erhalten von 19,37 Millionen Frauen mit Kindern in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1973 nur 0,3 Millionen Frauen das Babyjahr, das Sie so hoch gefeiert haben. Das sind genau 1,6 % der Frauen mit Kindern. Dieser Anteil wird allerdings bis 1986 auf 11 % anwachsen.
Franke ({20})
Aber - und das ist die entscheidende Frage - welche finanziellen Leistungen ergeben sich denn aus dem Babyjahr? Lassen Sie mich das einmal untersuchen. Ich habe vorhin die Behauptung aufgestellt, Frauen mit höherem Einkommen bekommen also, wenn sie anspruchsberechtigt sind, ein höheres Entgelt aus dem Babyjahr Ihrer Vorstellungen. Die Rentensteigerung auf Grund des Babyjahres für ein Kind beträgt für eine Frau mit niedrigstem der Rentenversicherungspflicht unterliegenden Einkommen rund 1,20 DM pro Monat. Sie haben sich nicht verhört, meine Damen und Herren: 1,20 DM pro Monat!
({21})
Und für eine Frau mit dem höchsten Einkommen, das der Rentenversicherungspflicht unterliegt, sind es rund 23 DM pro Monat. Sie können sich vorstellen, meine Damen und Herren, daß wir damals
({22})
diese Schaumschlägerei - vielen Dank für diese Worthilfe -, diese im Grunde genommen auch nicht den sozialen Kern der Bevölkerung treffende Schaumschlägerei nicht mitgemacht haben. Das hätte z. B. - allerdings sehr finanzwirksam - in den Jahren bis 1986 18 Milliarden DM gekostet, ohne daß es eine Hilfe für die betroffenen Frauen, die Kinder erzogen haben, draußen in der Familie bedeutet hätte.
({23})
Aber diese Bundesregierung und deren regierungsamtlicher Schönfärber, Herr Arendt, - ({24})
- Ach, Herr Wehner, hören Sie doch auf, „Unerhört!" zu schreien.
({25})
- Hören Sie doch auf, „Unerhört!" zu schreien.
({26})
Herr Abgeordneter Franke, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, ich habe bisher nicht eingegriffen, weil wir insgesamt ruhig verhandelt haben. Ich bitte Sie doch allseits - sowohl was Zwischenrufe angeht als auch was den Redner betrifft -, zu versuchen, daß wir das Klima des Nachmittags weiter halten können.
({0})
Bitte!
Herr Präsident, ich habe hier nur Tatsachen genannt, ich habe die Sozialdemokraten widerlegt, und ich habe mich dabei auch heftig entrüstet - und das werde ich auch weiterhin tun -, weil ich über Sozialdemokraten, die einen falschen Eindruck erwecken wollen, eben entrüstet bin. Das tue ich auch weiterhin, meine Damen und Herren!
({0})
Herr Kollege Franke, auch Ihre Entrüstung müssen Sie natürlich in der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Wortwahl zeigen.
({0})
- Herr Abgeordneter Althammer, ich bitte Sie dringend, sich parlamentarisch so zu benehmen, daß ich Sie nicht zur Ordnung rufen muß!
({1})
Herr Präsident, ich bin ein alter Parlamentarier; ich bin in diesem Jahr 20 Jahre Mitglied eines Parlaments. Man darf mit Präsidenten nicht streiten. Wenn Sie mir nachweisen, daß ich hier ein unparlamentarisches Wort gebraucht habe, dann müssen Sie das rügen. Ich stelle fest, Sie haben mich bis zu diesem Augenblick nicht gerügt,
({0})
Diese Bundesregierung verniedlicht die Probleme, die sich aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten z. B. auch für die Sozialleistungsempfänger ergeben. Die Bundesregierung verniedlicht weiterhin die Arbeitslosenzahl, und der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Haehser, sagt, die hohe Arbeitslosenzahl sei ein Ergebnis der hohen Arbeitslosenversicherung. Herr Arendt sagte soeben genau dasselbe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese zynische Aussage stellt die Arbeitslosen praktisch als Drückeberger dar,
({1})
obwohl die SPD /FDP-Regierung diese Arbeitslosenzahl durch Unterlassung der Anwendung des Stabilitätsgesetzes regelrecht produziert hat.
({2})
Der Bundesarbeitsminister spricht von „Panikmache" und „Horrormeldungen", wenn man nur die Lage der Arbeitslosen schildert.
({3})
Was für Maßstäbe gegenüber 1965/66,
({4})
als auch Herr Arendt zu den Scharfmachern gehörte und die damalige Arbeitslosigkeit gemessen an der heutigen wirklich überdramatisiert darstellte!
Herr Abgeordneter Franke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram?
Nein.
Aber beurteilen wir das doch einmal nach den Maßstäben, die die Koalition bzw. der dritte Redner der SPD gestern -- er sitzt zeitweise hier auf der
Franke ({0})
Regierungsbank, aber meistens hat er dort gesessen -, nämlich Helmut Schmidt, selbst aufgestellt hat. Mein Kollege Müller ({1}) wird das z. B. für den Bereich der Arbeitslosigkeit besorgen. Ich will das hier einmal an sechs von acht Prüfsteinen messen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund im Jahre 1972 allen Parteien an die Hand gegeben hat, und will einmal abhaken, was Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, davon erfüllt und was Sie davon nicht erfüllt haben.
({2})
Mitbestimmung! Herr Arendt, man kann im Grunde genommen doch nur hell auflachen, wenn Sie sagen, Sie sprächen von der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer.
({3})
Dabei haben gerade Sie persönlich es durchgesetzt, daß hier ein Manipulationsinstrument zur Entmündigung der Arbeitnehmer eingesetzt werden soll, nämlich das Wahlmännergremium.
({4})
Alle politisch und gesellschaftspolitisch interessanten und bedeutenden Gruppen haben bei den Sachverständigenanhörungen an vier Tagen im Dezember des letzten Jahres diesen Entwurf verworfen, die Gewerkschaften aus einem ganz eindeutigen Grund, nämlich weil er ihnen nicht weit genug ging - das muß man hier registrieren -, die Arbeitgeber aus dem Grunde, weil er ihnen zu weit ging. Aber entscheidend war die Stellungnahme der Betriebsräte, die wir als Sachverständige aus den Betrieben dazugeholt haben. Sie haben im Grunde genommen gesagt: So geht es nicht, diesen Entwurf kann man nicht anwenden, er ist schlecht; insbesondere dient er auch nicht der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer, ist also nicht im Sinne der Entwicklung hin zum mündigen Arbeitnehmer anwendbar.
({5})
Aber, meine Damen und Herren, das Entscheidende passierte eigentlich am letzten Anhörungstag.
Herr Abgeordneter Wolfram, ich tadle Sie wegen des Zurufs: „Er lügt!"
({0})
Herr Wolfram, Sie haben mich mit dem Zwischenruf nicht getroffen. Ich empfehle Ihnen, Ihren Fahrer, wenn einmal wieder Ölknappheit herrscht, für Sie Eis holen zu lassen. Dann kommen Sie wieder gut von der Parade.
({0})
Ich wiederhole, meine Damen und Herren: Das Entscheidende passierte jedoch am letzten Tag, als
Verfassungsrechtler zur Sachverständigenanhörung bestellt waren. Anwesend waren u. a. auch die vom damaligen Bundesjustizminister Jahn mit der Begutachtung dieses Mitbestimmungsentwurfs beauftragten Sachverständigen Scholz und Reiser. Diese Sachverständigen haben genauso wie die Sachverständigen, die von der CDU, aber auch wie diejenigen, die von der FDP vorgeschlagen worden waren, diesen Entwurf eindeutig als nicht verfassungsgerecht und nicht verfassungsgemäß bezeichnet. Meine Damen und Herren von der Regierung, dann können Sie doch nicht aufs Land hinaus gehen und sagen, Sie würden dieses Mitbestimmungsgesetz durchsetzen! Sie werden es nicht durchsetzen, weil es nicht verfassungsgemäß ist und weil die Koalition nicht in der Lage ist, sich hier auf einen Entwurf zu einigen.
({1})
Lassen Sie mich zur zweiten Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes kommen: gerechte Verteilung des Produktivvermögens. Hier ist doch nichts in Sicht. Bundeskanzler Schmidt hat am 17. Mai des vergangenen Jahres hier erklärt, daß es in dieser Legislaturperiode eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen nicht geben werde. Ich kann nur feststellen, daß es in dieser Legislaturperiode eine Beteiligung am Produktivkapital - ein für die abhängig beschäftigten Menschen in dieser Republik sehr wichtiges Anliegen - nicht geben wird. Unseren Vorschlag aus dem Jahre 1970 haben Sie damals niedergestimmt. 1970 haben wir einen Entwurf auf den Tisch gelegt. Sie hätten ihn ja dann verbessern können, Herr Ehrenberg, wenn er Ihnen nicht genug Bedeutung für die Arbeitnehmer gehabt hätte oder wenn er aus Ihrer Sicht technisch nicht durchführbar gewesen wäre.
({2})
Oder die Bildungspolitik! Probleme der Zulassungsbeschränkungen an den Universitäten, Probleme der Abiturienten, Probleme der akademischen Jugend sprechen für sich -
Herr Abgeordneter Franke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff?
Nein. - Probleme der anders Auszubildenden! 120 000 junge Menschen arbeitslos! Unsere Kollegen werden nachher bei der Beratung des Bildungsetats auf diese Fragen noch zurückkommen.
Oder die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes - ein weiterer Prüfstein -: größere soziale Sicherheit! Arbeitslosigkeit und Inflation bringen keine größere soziale Sicherheit.
({0})
Wegen der Unterlassung der Stabilitätspolitik dieser Regierung wird unser soziales Sicherungssystem aus den Angeln gehoben.
({1})
Franke ({2})
Unser Sicherungssystem ist auf Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum aufgebaut. Fällt einer dieser Säulen, dann bricht das ganze Gewölbe, welches unser soziales Sicherungssystem trägt, in sich zusammen.
Lassen Sie mich das ganz kurz beweisen Sachverständige haben ausgerechnet, daß Arbeitslosigkeit und Einkommensminderung langfristig - und „langfristig" heißt hier immer: 15 Jahre - erhebliche Einnahmenminderungen bei den Rentenversicherungsträgern zur Folge haben. Sie schätzen ersten, daß bei einer Verringerung des Einkommenszuwachses um 1 Prozentpunkt die Rücklage bei den Rentenversicherungsträgern um ca. zwei Drittel abschmilzt, also, wenn Sie es in Zahlen hören wollen: von etwa 100 auf 30 Milliarden DM. Sie schätzen zweitens, daß ein Einnahmeausfall bei einer von 2 auf 3 % erhöhten Arbeitslosigkeit die Rücklage „nur" um ca. ein Drittel abschmelzen läßt; so sagen die Verfasser. Das heißt, die vom DGB erwartete Arbeitslosigkeit von 830 000 das entspricht einer Arbeitslosenquote von 3,8 °/o für das Jahr 1975 - und eine etwas längere Arbeitslosigkeit über dieses Jahr hinaus ist verbunden mit Einnahmeausfällen aller Sozialversicherungsträger und bringt unsere Sozialversicherung und damit unsere soziale Sicherheit in Gefahr.
Ich bin immer noch bei den Prüfsteinen des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Herr Minister Arendt, Sie haben hier die finanzielle Solidität der Rentenversicherungsträger besonders gelobt. Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen die Meldung von dpa heute noch nicht an die Hand gekommen ist. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Sätze zitieren:
Frankfurt, 20. März
Überschrift:
Milliardendefizit bei den Arbeiterrenten
Der Konjunktureinbruch wird in diesem Jahr zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe bei den Rentenversicherungen in der Bundesrepublik führen.
({3})
Allein die Arbeiterrentenversicherungen müssen mit einem Defizit von etwa 9 Milliarden DM rechnen.
({4})
Wie der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, Dr. Rudolf Kolb, in einem Gespräch mit den Sozialpolitischen Nachrichten der dpa in Frankfurt erklärte,
({5})
- das hat der Arbeitsminister entweder nicht gelesen, oder er hat gehofft, daß wir es nicht gelesen haben; aber er hat uns unterschätzt ({6})
wird dieser Fehlbetrag, der das bisher vom Bundesarbeitsministerium angenommene Defizit von 3,5 Milliarden DM um das Zweieinhalbfache übertrifft, über den Finanzausgleich von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an die 18 Rentenversicherungen der Arbeiter ausgeglichen.
({7})
- Vielen Dank! Ich habe doch auf einen solchen Zwischenruf gewartet. Ich habe hier die „Angestelltenversicherung" - Herr Kollege Sund, einen Moment, bitte! -, das ist die Zeitschrift der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, und ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten daraus zitieren: Es heißt dort zur Beitragshöhe:
Der Beitragssatz, der die Höhe der Beiträge maßgeblich beeinflußt, ist als Datum anzusehen. Seit 1973 beträgt er 18 % und soll nach dem Rentenanpassungsbericht bis 1988, also bis zum Ende der 15jährigen Vorausschau, auch nicht mehr geändert werden. Ob der Beitragssatz so lange konstant gehalten werden kann, ist fraglich; denn das Gesetz sieht eine Erhöhung vor, wenn die Rücklagen der Rentenversicherung insgesamt einen bestimmten Schwellenwert unterschreiten. Diese Situation kann allerdings durchaus vor 1988 eintreten. Die Frage ist eigentlich nur, wann.
Das sagte Herr Klaus Hoffmann, Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin.
Meine Damen und Herren, alle Leistungsverbesserungen, die wir uns vielleicht vorgestellt haben - denken Sie an das Problem der Witwenrente von 60 °/o, oder denken Sie an strukturelle Verbesserungen, die in dem Härtebericht der Bundesregierung aufgeführt worden sind -, können nicht vorgenommen werden; nach den Äußerungen dieser sachverständigen Herren der Rentenversicherungsträger muß man sogar befürchten, daß es eben nicht bei den 18 % bleibt, die Sie hier festgeschrieben haben. - Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Franke, sind Sie bereit, dem Hause bekanntzugeben, daß die dpa-Meldung noch etwas ausführlicher ist und daß es darin heißt:
Zahlungsprobleme angesichts dieser anhaltenden Verschlechterung ihrer Finanzlage sieht Kolb für die Rentenversicherung allerdings nicht.
({0})
Das Rücklagenvermögen von fast 45 Milliarden DM reiche aus, daß „wir bis in die 80er Jahre klar auskommen - es sei denn, der Gesetzgeber macht irgendwelche blödsinnigen Wahlgeschenke". So habe die vorgezogene Rentendynamisierung 1972 - als „Wahlgeschenk" - die Rentenversicherungen allein 6 Milliarden DM gekostet.
({1})
Herr Kollege Sund, es ist völlig richtig: das steht auch darin.
({0})
- Nein, das ist nicht wahr, lieber Herr von Bülow. Mir ging es um den Kernsatz, ob das bis 1988, wie Arendt hier gesagt hat, gehalten werden kann. - Nein, das kann nicht gehalten werden.
({1})
- „Mein Kollege Arendt", wenn Sie so wollen, Herr Buschfort. Ich gebe Ihnen recht, ich hätte selbstverständlich „Herr Minister Arendt" sagen sollen. Verzeihen Sie mir diese etwas saloppe Anrede! Aber er hat hier bei mir den Eindruck erweckt, als könnte ich das „Herr" weglassen.
Bei den zu erwartenden Belastungen, -- sagt die „Angestelltenversicherung" die nur durch ein Abschmelzen der Rücklagen
finanziert werden können, ist es nicht unrealistisch, davon auszugehen, daß dieser Zeitpunkt
- der vorzeitigen Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge am Ende dieses Jahrzehnts erreicht ist.
Das sagt Herr Präsident Klaus Hoffmann unter Berücksichtigung der vollen Wahrheit - auch des Abschmelzens der 45 Milliarden DM. Die Sachverständigen der Rentenversicherungsträger befürchten also, daß wir am Ende dieses Jahrzehnts zu einer Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge kommen werden, und das alles nur, weil Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, eine unsolide Wirtschaftspolitik betrieben - und nach Meinung der Sachverständigen sind davon 50 % hausgemacht -, also Arbeitslose produziert haben.
Die Träger der Krankenversicherung müssen das, was Sie z. B. im Bereich der Rentenversicherung unterlassen, dann nachher bezahlen. Sie haben hier die Selbstverwaltung so in den Himmel gehoben, Herr Minister Arendt. Eines ist richtig: vom Prinzip der Selbstverwaltung gehen wir sicherlich alle aus. Aber Sie wälzen hier Kosten ab auf die Selbstverwaltungsorgane. Ich habe Sie im Verdacht, daß Sie sie deswegen abwälzen, weil Sie hier keine gesetzlichen Handlungen vollziehen müssen, sondern die Selbstverwaltungsorgane dann die Beiträge erhöhen müssen. Die Beiträge werden nach Meinung des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen im Jahre 1978 etwa 14,5 bis 16,5 % der Bruttoeinkommen ausmachen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir alle können es nicht verantworten, daß das so ungestüm weitergeht. Aber fragen Sie doch einmal den Arbeitnehmer draußen! Für den ist es doch völlig egal, wo ihm Gebühren abgebucht werden, ob für die Rentenversicherung oder für die Krankenversicherung. Für den Arbeitnehmer draußen ist das entscheidende Datum das, was netto für ihn auf dem Gehaltsstreifen steht. Er stellt fest: Einschließlich Steuer werden ihm 35 bis 40 % auf dem Gehaltsstreifen abgezogen. Er ist böse darüber, meine Damen und Herren. Lassen Sie mich hier aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 18. März zitieren:
Monatsverdienst 1 744 DM, 11,4 % mehr gegenüber 1973. Mit 1 744 DM brutto im Monat haben die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr 11,4 % mehr verdient als ein Jahr zuvor. Im gleichen Zeitraum stiegen die Abzüge allerdings noch stärker, um 15,6 % auf 481 DM.
Oder lassen Sie mich einmal an Hand eines männlichen Industriearbeiters mit fünf Kindern darlegen, in welcher Relation sein verfügbares Einkommen z. B. zum Einkommen eines vergleichbaren Sozialhilfeempfängers steht. In diesem Beispiel ist unterstellt, daß zwei Kinder zwischen 12 und 15 Jahren alt sind, zwei Kinder zwischen 8 und 11, ein Kind unter 7. Ferner wird ein Mietaufwand von 495 DNI unterstellt, und zwar für eine Wohnung von 110 qm bei einem Quadratmeterpreis von 4,50 DM, also einem Satz, der unter den Höchstsätzen des sozialen Wohnungsbaues liegt. Durchschnittlicher Stundenlohn eines Industriearbeiters von 10 DM ist angesetzt. Auch das liegt höher als die normalen Durchschnittseinkommen.
Das Bruttoarbeitseinkommen je Monat beträgt für diesen Industriearbeiter 1 733 DM. Unter Berücksichtigung der Abzüge - Krankenversicherung, Beitragssatz 11,2 %, Rentenversicherung, Bundesanstalt für Arbeit, Lohnsteuer - verbleibt ein Nettolohn von 1 281,15 DM. Zuzüglich Kindergeld und Wohngeld ergibt sich ein verfügbares Nettoeinkommen in Höhe von 1 964,15 DM.
Ein entsprechender Sozialhilfeanspruch würde bei einem Eckregelsatz von 255 DM folgendes ergeben: 255 DM Regelsatz des Haushaltsvorstandes, 204 DM Regelsatz der Ehefrau, 382 DM Regelsatz für zwei Kinder, 332 DM Regelsatz für zwei Kinder, 115 DM Regelsatz für ein Kind. Das ergibt einen Betrag von 1 288 DM. Zuzüglich 15 °'o anteilige Beihilfen und zuzüglich Miete ergibt das einen Gesamtanspruch von 1 976,20 DM.
Schon aus dieser Zahlengegenüberstellung ergibt sich, daß das verfügbare Einkommen eines durchschnittlich verdienenden Arbeiters mit fünf Kindern niedriger liegen kann als die Ansprüche eines Sozialhilfeempfängers, der voll von der Sozialhilfe lebt. Hierbei sind viele Dinge nicht berücksichtigt.
({2})
- Sie haben nicht zugehört, Herr Simpfendörfer. Selbstverständlich habe ich das Kindergeld dazugerechnet. Es gibt andere Beispiele. Ich will aus Gründen der Zeitökonomie darauf verzichten, sie anzuführen.
Ich darf wiederholen: Die Beiträge in der Krankenversicherung steigen auf Grund des Unterlassens politischer und sozialpolitischer Handlungen. Ich wiederhole noch einmal: Der Bundesverband der Ortskrankenkassen befürchtet, daß die Beiträge von 14,5 % auf 16,5% im Jahre 1978 steigen werden. Noch ist kein Ende abzusehen, weil Sie - diese Regierung - nicht handeln.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kratz?
Bitte.
Kollege Franke, sollte Ihnen wirklich nicht bewußt sein - Sie haben einen Krankenkassenbeitrag von 11,2 % angesetzt -, daß der Versicherte davon nur die Hälfte bezahlt? Das gleiche gilt für die anderen Beträge.
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Aber selbstverständlich! Lieber Herr Kollege Kratz, Sie müssen mir doch unterstellen, daß ich hier die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrages in Höhe von 97,05 DM hier angerechnet habe. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel. Ich habe die Summe nicht genannt. Selbstverständlich habe ich nur den Anteil des Arbeitnehmers berücksichtigt.
Zur Frage der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung: Hier beziehe ich mich auf das, was Herr Kollege Buschfort in seiner Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär in der Sitzung des Haushaltsausschusses vor einigen Wochen gesagt hat. Ich habe ihn gefragt: Was passiert, wenn diese Arbeitslosenquote über die im Jahreswirtschaftsbericht genannte Zahl von 730 000 hinausgeht? Wenn Sie aus dem Bundeshaushalt keine weiteren Zuschüsse geben können, schließen Sie dann eine Beitragserhöhung in der Arbeitslosenversicherung aus? Sie haben - ich wiederhole - eindeutig gesagt, daß Sie im Moment eine Beitragserhöhung ausschließen. Ich darf Sie hier fragen - und vielleicht ist es möglich, dazu noch Stellung zu nehmen -: Wenn Sie sagen, daß Sie im Moment eine Beitragserhöhung ausschließen, heißt das, daß wir alle nach dem 4. Mai hier noch einmal zur Kasse gebeten werden? Wenn ich mich hier irre, bin ich bereit, das zuzugeben. Ich will aber von Ihnen hier hören, daß Sie nicht daran denken, nach dem 4. Mai eine Erhöhung der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung vorzunehmen. Sie müssen uns allerdings hier aber auch sagen, was Sie dann tun wollen, ob Sie weiterhin Darlehen oder Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt geben werden.
Wirtschaftspolitik für das Volk! Das ist die fünfte Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ich darf hier auf eine Qualifizierung des Deutschen Gewerkschaftsbundes verweisen. Im Pressedienst vom 1. Februar 1974 qualifiziert der Deutsche Gewerkschaftsbund Ihre Wirtschaftspolitik, die Sie im Augenblick betreiben:
Zwar kann die Beschäftigung infolge struktureller Einbrüche in einzelnen Branchen und bei einzelnen Unternehmen rückläufig werden; generell ist aber kaum mit einem Anwachsen der Arbeitslosenzahl um mehr als 50 000 bis 75 000 über den Stand des vorjährigen Hochkonjunkturjahres hinaus zu rechnen,
- da wollte Ihnen der DGB wahrscheinlich noch helfen; aber jetzt kommt's -:
wenn keine ernsten wirtschaftspolitischen Fehler gemacht werden.
Ich stelle fest: Das Anwachsen ist weit über 75 000 pro Monat in den letzten Jahren hinausgegangen. Der Umkehrschluß hieraus also: Sie haben hier ernsthafte Fehler gemacht, und diese ernsthaften Fehler werden auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen.
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Lassen Sie mich zusammenfassen: Die unsolide Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung schlägt durch auf das soziale Sicherungssystem, und die betroffenen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland - und das sind immerhin 80 % unserer Bevölkerung, die abhängig beschäftigt sind - werden unter dieser Ihrer unsoliden Politik zu leiden haben. Wir bieten Ihnen die Hand, zu versuchen, die Dinge zu verbessern. Wir bieten Ihnen die Hand auch zu unpopulären Maßnahmen. Ich wiederhole noch einmal: Das kann aber nicht so weit gehen, daß Sie uns die unangenehmen Aufgaben zuschieben und Sie machen dann die Wahlgeschenke. Hier ist die Regierung am Zuge. Die Regierung und die Koalitionfraktionen müssen uns aufzeigen, wohin der Weg weiterhin geht. Dann sind wir bereit zu helfen, zugunsten der betroffenen Menschen draußen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Franke, ich wollte an sich Strauß nicht mehr zitieren, aber ich muß feststellen: Strauß ist jetzt auch in die Reihen der Sozialpolitiker eingebrochen, denn Ihre Rede war eine Katastrophenrede.
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Ich will nicht Zitate wiederholen, nur war eins, was auch der Arbeitsminister brachte, eben wie aus dem Protokoll entnommen: nur anklagen und warnen, aber keine konkreten Rezepte nennen, übrigens auch nicht in der Mitbestimmung, wo Sie ja Konzepte haben,
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wo ja die Sozialausschüsse ihre Beschlüsse gefaßt haben und wo es auch einen Hamburger Parteitagsbeschluß zur Mitbestimmung gibt.
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Auch hier legen Sie ja keine Konzepte, keine Gesetzentwürfe vor, und wir wissen inzwischen ja auch, warum das so ist: weil nämlich die Sozialausschüsse einen Mitbestimmungsentwurf nicht einbringen dürfen. Da aber auch die Gesamtfraktion der Opposition keinen einbringt, ist das Fazit für
Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 159. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 20. März 1975 11165
uns: Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, dürfen uns dann in den nächsten Wochen zuschauen, wie wir wieder alles allein machen dürfen, um beim „Dürfen" zu bleiben.
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Ich bedaure eigentlich sehr, daß dem sehr ehrenwerten und vor allen Dingen auch sehr qualifizierten Kollegen Franke offensichtlich seit der Debatte über das Sozialbudget - denn einiges, was er sagte, ist ja nun hier nicht neu - nichts mehr eingefallen ist und er mal wieder die Konzeptionslosigkeit der Opposition verschleiern will durch Jammern und Wehklagen und, ich muß sagen, durch grundlose Beschuldigungen und - das zeichnete einen Teil seiner Rede im Negativen aus - durch eine Konfrontation um jeden Preis.
Der Herr Arbeitsminister hat schon recht, wenn er darauf hinweist, daß ja auch Herr Strauß eben erkannt hatte, daß man mit einer Sachpolitik vielleicht doch nicht mehr Wählerstimmen bekommt, sondern daß die Emotionalisierung der Bevölkerung, die Furcht, die Angst und das düstere Zukunftsbild von Wichtigkeit sind. Ich stelle fest: Der Sprecher der Opposition hat sich wohl ziemlich streng an diese gefährliche Strategie gehalten. Und im Ernst, ich frage Sie: Was bedeutet für unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung, für unser System der sozialen Sicherung eigentlich die größere Gefahr: die unbestreitbar vorhandenen starken finanziellen Belastungen im Bereich der sozialen Sicherung, mit denen wir fertig werden müssen und mit denen wir auch fertig werden, oder aber die von Teilen der Opposition betriebene Verunsicherung der Menschen draußen?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Professor Mikat?
Bitte schön!
Herr Kollege, können Sie mir vielleicht die Frage beantworten, ob hier in diesem Hause eine begründete Aussicht darauf besteht, daß Ihnen jemals noch etwas anderes als die Rede unseres Kollegen Strauß einfallen wird?
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Herr Kollege Professor Mikat, wir werden uns dann nicht mehr mit Herrn Strauß befassen, wenn Sie sich erstens von diesen Ausführungen deutlich distanziert haben
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und zweitens eigene Konzepte vorlegen.
Meine Damen und Herren, nach dem, was wir bis jetzt in der Debatte von der Opposition gehört haben, aber auch nach den Reden, die draußen in den Landtagswahlkämpfen zur Zeit gerade gehalten werden, muß in der Öffentlichkeit bei den nicht so Eingeweihten hier und da der Eindruck entstehen - ich weiß nicht, ob Sie bezwecken, diesen Eindruck hervorzurufen --, als ob die Arbeitslosen in Zukunft kein Arbeitslosengeld, die Kurzarbeiter kein Kurzarbeitergeld mehr bekämen, als ob die Kranken keinen Krankenversicherungsschutz, die Rentner keine ausreichenden Renten mehr erhielten und vieles andere Schreckliche mehr. Natürlich wissen wir alle, daß keine einzige Mark Arbeitslosengeld weniger gezahlt wird, daß kein Rentner damit rechnen muß, daß sein Altersruhegeld in Zukunft etwa nicht mehr den Einkommenssteigerungen der Erwerbsbevölkerung angepaßt wird. Ich muß das hier in aller Offentlichkeit - auch wenn das für uns banal ist - doch noch einmal deutlich feststellen, denn eine Katastrophenpolitik - und heute wird hier wieder der Anschein erweckt, als wenn wir in einer katastrophalen Situation wären - schadet dem sozialen Frieden. Sozialer Frieden ist die wichtigste Voraussetzung, um mit den konjunkturellen und strukturellen Schwierigkeiten fertig zu werden. Wer etwa behauptet, im sozialen Bereich sei in den letzten Jahren zuviel des Guten getan worden, verkennt einfach, daß unser an Leistung und Wachstum orientiertes Wirtschaftssystem ohne einen sozialen, gesellschaftlichen Ausgleich gar nicht funktionieren kann. Natürlich kostet das viel Geld. Es kostet das Geld der Steuerzahler, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Die finanziellen Anforderungen sind in einem Zeitraum notwendiger struktureller und konjunktureller Anpassungen naturgemäß aber auch besonders hoch, weil Sozialpolitik eben zum großen Teil auch Strukturpolitik ist. Wir dürfen unser System der sozialen Sicherung daher trotz aller Finanzierungsprobleme, die sicher vorhanden sind, gar nicht erst in Frage stellen, weil wir sonst letzten Endes auch die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft in Gefahr brächten. Ein Blick in benachbarte Länder zeigt ja genug abschreckende Beispiele.
Machen wir doch gedanklich einmal den Versuch, uns in eine politische Landschaft zu versetzen, in der wir z. B. keinen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, keine ausreichende ArbeitslosengeldRegelung, keine ausreichende Kurzarbeitergeld-Regelung, keine umfassende Kriegsopferversorgung, keine ständige Anpassung der Renten an die gestiegenen Einkommen und vieles andere nicht hätten. Ich bin sicher, unser Land wäre dann wohl nicht das Land mit der geringsten Zahl von Streiktagen. Unser Land wäre dann auch nicht das Land, in dem Extremisten - so hoffe ich - letzten Endes doch keine Chance haben.
Meine Damen und Herren, Sozialpolitik wird sicher nicht erst seit 1969 gemacht. Es gibt aber wohl kaum einen Zeitraum, in dem so viel für den Ausbau der sozialen Sicherung getan wurde wie in der Zeit der sozialliberalen Koalition. Ich wiederhole noch einmal: Wer der Meinung ist, es sei zu viel getan worden, sollte konkret sagen, wo. Ich kann es der Opposition nicht ersparen - ich glaube, dies gehört zu einer haushaltspolitischen Debatte, in der nicht nur Erbsen gezählt werden sollten -, auch noch einmal auf eine sozialpolitische Zwischenbilanz, die Bilanz der letzten Haushaltsperiode hinzuweisen.
Auch 1974/75 haben wir den Ausbau des freiheitlichen Sozialstaats konsequent fortgesetzt. Wir haben nicht nur vom sozialen Frieden geredet, sondern haben etwas getan für die soziale und materielle Sicherung der Arbeitnehmer.
Wir haben z. B. das Konkursausfallgeld eingeführt. Danach ist dem Arbeitnehmer eines in Konkurs geratenen Unternehmens der Nettolohn der letzten drei Monate sicher. Wir haben hier also eine empfindliche Lücke geschlossen. Somit wird verhindert, daß ein Arbeitnehmer außer dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch noch rückständigen Arbeitslohn einbüßt. Mit diesem Gesetz werden bekanntlich die Steuerzahler nicht belastet.
Wir haben dafür gesorgt, daß die Betriebsrenten nach einem bestimmten Zeitraum der Zusage und Betriebszugehörigkeit nicht mehr verfallen können. Wir haben dabei eine Insolvenzsicherung geschaffen, die auch im Falle des Konkurses die Leistungen sicherstellt. Auch das kostet den Steuerzahler keinen Pfennig, weil wir eine privatwirtschaftliche Lösung für die Insolvenzsicherung durchgesetzt haben.
Wir haben das Arbeitslosengeld durchgehend auf 68 °/o des Nettoverdienstes erhöht. Hinzu kommt jeweils das volle Kindergeld. Wir haben den Bezug des Kurzarbeitergeldes von 12 auf 24 Monate verlängert. Wir haben sehr weitreichende Beschäftigungshilfen im Rahmen des Konjunkturprogramms verabschiedet. Danach erhalten Arbeitgeber Lohnkostenzuschüsse für ein halbes Jahr in Höhe von 60 %, wenn sie zusätzlich einen Arbeitslosen einstellen, und wir haben in dem Zusammenhang eine Mobilitätszulage geschaffen, wonach jedem Arbeitslosen bis zu 600 DM zustehen, wenn er außerhalb seines Wohnorts eine neue Tätigkeit aufnimmt.
Wir haben das Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Rehabilitation Behinderter weitgehend verwirklicht, das Schwerbeschädigtengesetz in diesem Zusammenhang verabschiedet, um allen Behinderten unabhängig von der Ursache ihrer Behinderung einen Arbeitsplatz sicherzustellen. Wir haben - Sie erinnern sich das Rehabilitationsangleichungsgesetz verabschiedet, um auch hier unabhängig von Ursachen und Behinderung und Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers einheitliche Leistungen zu garantieren.
Wir haben für die Landwirte etwas getan; wir haben Altersgeld und Landabgaberente so dynamisiert, daß sie in Zukunft den gleichen Steigerungssätzen wie die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung unterworfen sind.
Wir haben - ein sehr weites Feld - in der
Kriegsopferversorgung die stufenweise Vorziehung des Rentenanpassungstermins auf den 1. Juli jeweils vollendet. Nicht zuletzt - und das ist nicht zu vergessen werden auch die Renten zum 1. Juli 1975 wieder um 11,1 % erhöht.
Meine Damen und Herren, das ist nur ein unvollständiger Ausschnitt aus der sozialpolitischen Bilanz der letzten Monate. Ich denke, das ist die richtige Politik im Interesse sozialer Stabilität.
Ich möchte aber selbstverständlich auch einige Anmerkungen zur Finanzierung, zur Belastung, die durch die sozialen Leistungen entsteht, machen.
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Von der Opposition haben wir keine konkreten Vorschläge bekommen, auch in der Debatte nicht. Ich dart das noch einmal wiederholen. Im wesentlichen waren es die gleichen Ausführungen, die wir schon anläßlich der Debatte zum Sozialbudget gehört haben. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie machen es sich ein bißchen zu einfach. Analysieren können wir selbst, und wir können auch selbst bedenklich mit dem Kopf schütteln; und die von Ihnen genannten Zahlen besitzen wir alle. Vielleicht ist aber der Unterschied zwischen Ihnen und uns der, daß wir uns ernsthaft um eine Lösung bemühen, während Ihre Leistung im wesentlichen darin besteht, mit dem erhobenen Zeigefinger mehr schulmeisterhaft herumzulaufen.
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Ich denke jedenfalls, eine Verunsicherung der Rentner ist, wenn sie bewußt betrieben wird, nicht nur verantwortungslos, sondern sie ist völlig unbegründet. Die Finanzierung der Renten ist gesichert. Inzwischen wurde der Rentenbericht aktualisiert, und wir können feststellen, daß wir im Jahre 1974 sogar einen um 1,4 Milliarden DM höheren Überschuß haben, als in den Vorausberechnungen geschätzt wurde. Das führt dann dazu, daß die Rücklagen bei den Rentenversicherungsträgern Ende 1988 nicht 3,2, sondern 3,3 Monatsausgaben nach den Modellrechnungen betragen, also ein gutes Stück über dein gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagerahmen liegen. Zur Panikmache ist und war also kein Anlaß.
Uns bedrückt natürlich die Kostenwicklung in der Krankenversicherung. Vielleicht versprechen sich gläubige Menschen vom Gesundbeten etwas; vom Gesundklagen der Opposition hat mit Sicherheit niemand etwas. Wir kennen einen Teil der Ursachen für die Kostenexplosion. Wir kennen die Entwicklung der Arzneimittelpreise, der Arzthonorare, der Krankenhauskosten. Wir wissen auch, wie groß die Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Rentner ist. Übrigens war es die Große Koalition - auch daran sollten Sie sich erinnern -, die die Krankenversicherungen gezwungen hat, die Rentner aufzunehmen, ohne daß unserer Meinung nach genügend berücksichtigt wurde, welche finanziellen Belastungen die Krankenversicherungen dadurch erleiden würden.
Inzwischen haben wir wenigstens eine Übergangslösung gefunden, die die Probleme sicher nicht grundsätzlich löst, die aber wenigstens eine Teilentlastung der Krankenkassen mit sich bringt. Wir werden uns konstruktiv an den Bemühungen beteiligen, endgültig die Finanzierungsanteile der Renten- und der Krankenversicherung festzulegen, und
Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Hölscher
wir hoffen eigentlich auch auf die Beteiligung der Opposition.
Aber die Finanzierungsprobleme gerade bei der gesetzlichen Krankenversicherung lassen sich durch den Gesetzgeber allein ohnehin nicht lösen. Hier liegt natürlich manches in der Eigenverantwortung der Selbstverwaltungsorgane und auch der Organisationen. Wir hoffen z. B., daß sich die Kassen und die Ärzte ihrer Verantwortung bei der Kostenentwicklung bewußt sind und einen entscheidenden Beitrag zur Eindämmung der Kostenlawine leisten werden. Auf der Einnahmeseite ist der Spielraum in der Tat begrenzt; denn die Beitragsbelastung der Arbeitnehmer hat auch in der Krankenversicherung ihre Grenzen. In erster Linie müssen wir etwas auf der Kostenseite tun.
Meine Damen und Herren, ein Wort zur Haushaltslage der Bundesanstalt für Arbeit. Niemand wird doch wohl bestreiten, daß es richtig ist, im Einzelplan des Sozialministers insgesamt 3,2 Milliarden DM Finanzierungshilfe für die Zahlung des Arbeitslosengeldes anzusetzen, einen Betrag, der nur zum Teil - mit 768 Millionen DM - als Zuschuß zum Ansatz gekommen ist und mit 2,4 Milliarden DM als Darlehen, als Ausgleich für die eben nicht zu realisierenden Eigenmittel, weil dort langfristige Festlegungen erfolgt sind. Ich finde es eigentlich auch etwas müßig, sich hier darüber zu zerstreiten, warum die im Haushalt der Bundesanstalt genannten Arbeitslosenzahlen nicht mit denen des Jahreswirtschaftsberichts und diese wiederum nicht mit der tatsächlich entstandenen Zahl der Arbeitslosen übereinstimmen.
Sozialpolitisch entscheidend ist doch, daß die Zahlung des Arbeitslosengeldes auf jeden Fall gesichert ist. Das und nichts anderes interessiert den Arbeitslosen draußen. Niemand braucht zu fürchten, daß sein Rechtsanpruch auf Arbeitslosengeld nicht realisiert werden kann. Ich hätte eigentlich erwartet, daß auch ein Sprecher der Opposition hierauf einmal eingegangen wäre und die Feststellung getroffen hätte, daß weder die Renten noch das Arbeitslosengeld für die Betroffenen gefährdet sind. Ich frage mich: Warum wird diese Feststellung von den Sprechern der Opposition immer wieder unterschlagen?
Wir erhoffen uns vor allem von den Wirkungen des Konjunkturprogramms die Milderung der sozialpolitischen Finanzierungsprobleme. Die ersten Anzeichen einer Konjunkturbelebung sind Gott sei Dank da. Verstärkte Investitionen der Wirtschaft werden entscheidend mit dazu beitragen, daß die Arbeitslosenzahlen sinken, und damit werden nicht nur die Einnahmen des Bundes wieder steigen, auch die Einnahmen der Versicherungsträger werden sich verbessern, und auch die Belastung der Kostenseite - z. B. bei der Bundesanstalt für Arbeit - wird zurückgehen. Insofern werden also die zu erwartenden Erfolge dieser Wirtschaftspolitik auch die Probleme im Sozialbereich lösen helfen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einem besonderen Titel des Einzelplanes 11 kommen, dem ich besonderes Gewicht beimessen möchte. Ich meine die sozial flankierenden Maßnahmen zu § 218.
Ich darf vielleicht einmal folgendes einschieben. Als Herr von Weizsäcker gestern sprach, beklagte er, daß die Aufgabe einer Pflege im menschlichen Sinne immer schlechter gelöst werde. Er sagte wörtlich: Wir brauchen personale und soziale Dienste, die die materiellen Leistungen ergänzen. Genau um solche Dienste und Leistungen handelt es sich bei den flankierenden sozialpolitischen Maßnahmen zu § 218. Wir begrüßen, daß im Haushalt hierfür in diesem Jahr 55 Millionen DM vorgesehen sind.
Der Gesetzentwurf wurde aber bekanntlich von den Parteifreunden des Kollegen Weizsäcker im Bundesrat, nämlich von der dort leider vorhandenen CDU/CSU-Mehrheit, blockiert, und zwar mit dem Argument, zunächst müsse die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsklage gegen die Änderung des § 218 abgewartet werden.
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Ich denke, heute kann die Opposition mit diesem Argument doch wohl nicht mehr kommen.
Für die FDP-Fraktion hatte ich bei der Verabschiedung des Ergänzungsgesetzes zur sozialpolitischen Absicherung der Strafrechtsreform am 21. März vorigen Jahres herausgestellt, daß die flankierenden Maßnahmen für jede Reform des § 218 Anwendung finden können, die von uns befürwortete Fristenregelung also in keiner Weise präjudizieren. Das hat die Mehrheit des Bundestages bekräftigt. Das steht wörtlich im Bericht des Ausschusses. Das gilt heute so gut wie vor einem Jahr.
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Bekanntlich hatten wir - ich darf es noch einmal nennen, damit es deutlich wird - folgende Erweiterungen der Pflichtleistungen in der Krankenversicherung und in der Sozialhilfe vorgeschlagen: die ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung, die ärztliche Beratung über die Erhaltung der Schwangerschaft und den straffreien Schwangerschaftsabbruch, die Übernahme der Kosten für eine erlaubte Sterilisation und einen straffreien Schwangerschaftsabbruch; in der Sozialhilfe die Übernahme der Kosten empfängnisregelnder Mittel.
Meine Damen und Herren, dieser Katalog macht deutlich - deshalb habe ich ihn noch einmal wiedergeben -: Es geht uns gerade im Interesse der wirtschaftlich schlechtergestellten Bevölkerungsgruppen darum, ungewollte Schwangerschaften von vornherein auszuschließen, Schwangerschaftsabbrüche durch verstärkte Beratung und Hilfe zu verhindern, und keineswegs, wie immer bösartig behauptet wird, um eine Förderung der Abtreibung.
Wir Freien Demokraten halten dieses Hilfsprogramm unverändert für dringlich und vorrangig, unabhängig von einer Fristenregelung, einem Indikationsmodell oder der Modifizierung des bisher geltenden § 218 im Rahmen der Anordnung des Verfassungsgerichts.
Meine Damen und Herren, die Opposition muß sich jetzt entscheiden, ob sie die Beratung und Hilfe für unsere Frauen aus parteipolitischen Gründen weiter verschleppen will. Wir Freien Demo11168
kraten können es jedenfalls nicht verantworten, die Verabschiedung dieses Gesetzes um ein weiteres Jahr zu verzögern, bis der Gesetzgeber etwa einen neuen § 218 verabschiedet hat.
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Wir werden jedenfalls darauf drängen, daß der Vermittlungsausschuß dem Bundestag den Katalog der flankierenden Maßnahmen erneut vorlegt.
Lassen Sie mich abschließend noch folgendes sagen. Ich denke, wir können froh sein, daß wir ein so gutes, ein so festes Netz der sozialen Sicherung haben. Das hilft uns, insbesondere mit den durch den weltweiten Umverteilungskampf verursachten strukturellen und konjunkturellen wirtschaftlichen Anpassungszwängen besser fertig zu werden. Nur schaffen wir es mit Programmen und Gesetzen allein nicht. Wir brauchen in der Bevölkerung und auch in der Wirtschaft vor allem ein Klima des Vertrauens. Angst macht eine vernünftigte Politik unmöglich und nutzt letztlich nur den Feinden unserer freiheitlichen Ordnung.
Ich bin überzeugt, die Menschen draußen können uns vertrauen. Wir wollen ja keine Konfrontation um jeden Preis. Wir wollen mit einer redlichen, einer soliden Politik, wir wollen auch gemeinsam mit der Opposition die Probleme meistern. Vielleicht - auch das darf ich noch sagen - ist aber gerade eine sozialliberale Koalition im Augenblick wohl am ehesten in der Lage, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, weil gerade dieses Bündnis nicht nur die Garantie für den sozialen Frieden, sondern auch die Garantie für die Anbindung der Mehrheit unseres Volkes an einen sozialen und liberalen Rechtsstaat darstellt, mit dem sich - so denke ich - unsere Bürger wohl identifizieren können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sund.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eigentlich wollte ich mich im Rahmen dieser Haushaltsdebatte darauf beschränken, einen Beitrag zur Frage der Grenzen der Belastbarkeit zu leisten. Ich bin aber durch die Weise, wie Herr Kollege Franke hier aufgetreten ist, doch dazu veranlaßt worden, ein wenig anders in das einzusteigen, was hier miteinander zu besprechen ist.
Herr Kollege Franke, ich hätte mich nicht gewundert, wenn Sie hier als Fachmann im Gewande der Angstmacher aufgetreten wären; das wäre nichts gewesen, was aus dem Rahmen gefallen wäre. Aber die Art und Weise, wie Sie hier den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei angegriffen haben,
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veranlaßt mich, in aller Schärfe diese Art und Weise, die Sie hier praktizieren, zurückzuweisen.
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Herr Kollege Franke, ich habe es als peinlich empfunden, daß Sie einem Mann, der sich ein Leben lang in seinem sozialen Engagement für andere ausgezeichnet hat, die Qualifikation absprechen, Sozialpolitiker zu sein.
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Für uns hat Sozialpolitik immer noch mehr bedeutet als nur Zusammenfegen von Paragraphen aus der Reichsversicherungsordnung.
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Sie haben den Komplex Rentenversicherung angesprochen. Bringen wir das doch mal auf die wirkliche Formel. Worum ging es? Es hat einen Streit gegeben, der auf unterschiedlichen Schauplätzen ausgetragen worden ist, wie das so üblich ist: im Ausschuß und im Plenum. Es hat unterschiedliche Positionen gegeben; auf der einen Seite unsere Vorstellung: Babyjahr, Sockelbetrag, auf der anderen Seite die Vorstellung: vorgezogene Zahlung. Daneben hat es die Diskussion um die flexible Altersgrenze gegeben, die wir gewollt haben und wo Sie dann eine sehr merkwürdige Lösung aufgezwungen haben, die wir zu korrigieren hatten. Das hat mein Kollege Adolf Schmidt hier gestern schon einmal darstellen können. Wie diese Auseinandersetzung ausgegangen ist in dem Ringen darum, zu einem Ergebnis zu kommen, ist bekannt. Darüber kann nicht mehr gestritten werden.
Herr Abgeordneter Sund, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Aber bitte!
Herr Kollege Sund, sind Sie bereit, mir die Unterschiede zwischen Ihren Vorstellungen 1972 über die flexible Altersgrenze und den Vorstellungen der Sozialdemokratischen Partei hier einmal zu erläutern?
Das habe ich soeben getan. Sie, Herr Kollege Franke sind dafür bekannt, daß Ihnen die Fragen, die Sie stellen, ohnehin wichtiger sind als die Antworten, die Sie darauf bekommen.
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Sie haben dem Herrn Bundesarbeitsminister vorgeworfen, daß er Arbeitslose als Drückeberger hingestellt habe.
({1})
Hier ist es darum gegangen, daß der Herr Bundesarbeitsminister eine Richtigstellung einer unverantwortlichen Darstellung im Fernsehen vorgenommen
und sich mit Recht darüber an dieser Stelle entrüstet hat. Darum ging es.
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Wer Walter Arendt vorwirft, daß er Arbeitslose als Drückeberger ansehe,
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der muß schon einigermaßen zynisch sein, wenn er auf der gleichen politischen Bank sitzt wie jemand, der sich in einer hier vielzitierten Rede gerade zu diesem Komplex des Arbeitsförderungsgesetzes ausgelassen hat.
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Auf die wiederholten Turnübungen der Opposition zu dem Komplex Mitbestimmung will ich im Augenblick nicht eingehen.
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Dies ist eine perfekte Ergänzung des Konzepts der CDU/CSU, die darauf verzichtet, eine eigene Vorstellung vorzulegen, und hier herumspringt und meint, sie könnte uns in eine Position bringen, wo wir nun endlich überkommen müßten.
Nun, die Operationsrichtung der Opposition auf dem Feld der sozialen Sicherheit ist bekannt; die Stoßrichtung ist klar; das ist heute noch einmal bewiesen worden. Das System der sozialen Sicherung, das unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und unter Bundesarbeitsminister Walter Arendt Schritt für Schritt ausgebaut worden ist, soll in Mißkredit gebracht werden. In die sozialpolitische Diskussion soll systematisch Verunsicherung hineingetragen werden. Die Strategie ist klar; Raum bleibt eigentlich nur für taktische Varianten.
So hat der Kollege von Weizsäcker in einem Beitrag in der Wochenzeitung „Die Zeit" von den Parteien verlangt, über den nächsten Wahltermin erkennbar hinauszudenken und hinaus zu handeln. Diese Aufforderung kann sich nur an die Adresse von CDU und CSU richten, nicht an die der deutschen Sozialdemokratie. Denn die SPD ist es, die durch die Vorlage ihres Entwurfs eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens für die Jahre 1975 bis 1985 als einzige Partei in unserem Lande den Versuch unternimmt, gerade in Zeiten weltwirtschaftlichen Umbruchs längerfristige Perspektiven und Wege für die Lösung der Fragen aufzuzeigen, vor die sich die Bundesrepublik gestellt sieht.
({6})
Die Oppositionsparteien dagegen sind weder in der Lage noch, wie es scheint, willens, auch nur in Ansätzen eine längerfristige Konzeption zu entwikkeln.
Hinzu kommt die ja erst in allerletzter Zeit etwas nachlassende Neigung von Oppositionspolitikern, mit dem Blick auf den nächsten Wahltermin milliardenträchtige Anträge zu stellen, die einfach nicht finanzierbar sind und deren Annahme zu einer Zerrüttung des Systems der sozialen Sicherung führen würde. Erinnert sei hierbei an die Oppositionsanträge zu einer beschleunigten Vorziehung des Anpassungstermins in der Kriegsopferversorgung, zu einer Verbesserung der Alterssicherung der Landwirte, Anträge, die sämtlich darauf abzielten, die Vorlagen der Bundesregieung zu übertrumpfen.
Sie haben sich, meine Damen und Herren von der Opposition, darin geübt, Vulgärpragmatismus zu kultivieren.
({7})
Sie bieten allenfalls Leerformeln.
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Biedenkopfscher Provenienz oder von Weizsäckersche Vorhöfe von Theorien, die dort enden, wo sie für die Praxis interessant werden müßten.
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Sie sollen vom Kern der Politik ablenken, die von Strauß determiniert wird. Es ist die Opposition, die sich durchwurstelt und politisch gewissermaßen von der Hand in den Mund lebt. Allein die unterschiedlichen Ziele der Interessenvertreter, die die Politik der Opposition mitbestimmen wollen, verdammen sie zur Alternativlosigkeit, zur Flucht in Leerformeln, die auf Grund ihres weiten Interpretationsspielraums die Gegensätze übertünchen sollen. Die Alternativlosigkeit der Opposition ist in Wahrheit ihre Not, die der Vorsitzende in seiner Offenbarung von Ofterschwang in eine Tugend ummünzen wollte.
Kollege von Weizsäcker hat gestern davon gesprochen, daß immer mehr Menschen zur „Umorientierung auf Selbsthilfe" fähig und bereit seien. Nur hat er es versäumt, konkret darzutun, wo die Opposition diese Selbsthilfe ansiedeln will. Er hat die Frage aufgeworfen, ob man nicht gerade dadurch neue Ungerechtigkeiten entstehen lasse, daß man einfach alle einmal eingeführten sozialen Besitzstände tabuisiere, anstatt sie einer laufenden Kontrolle zu unterwerfen. Nun, Bert Brecht sagt: „Die Wahrheit ist immer konkret." Sie sind danach zu fragen, welche sozialen Besitzstände Sie konkret nicht mehr gewahrt wissen möchten. Ihre Redner sind auf diese Frage nie eingegangen. Will die Opposition etwa die von der sozialliberalen Koalition abgeschaffte Aussteuerung bei Krankenhausaufenthalt in der Krankenversicherung wieder einführen?
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Will sie die von der SPD und der FDP durchgesetzte Dynamisierung der Kriegsopferrenten und der Altersrenten für Landwirte wieder beseitigen?
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Will sie die von der Koalition geschaffenen verbesserten Rehabilitationsmöglichkeiten für Behinderte wieder zurückdrehen? Hier geht es um die konkrete Politik dieser Koalition und nicht um die Verlagerung auf ein hohes, allgemeines Abstraktionsniveau, wie es Herr von Weizsäcker getan hat, um unverbindlich bleiben zu können.
Zugleich ist in den Ausführungen des Kollegen von Weizsäcker, wie ich meine, eine Haltung deutlich geworden, die für einen Teil der Union charakteristisch ist. Von einer materiell gesicherten Position aus, den Sockel einer ausreichenden materiellen Existenz weit unter sich, wird über eine Ausweitung der Selbsthilfe philosophiert. Dann wird Selbstverantwortung zur Selbstbeteiligung. Der Bezug zur sozialen Realität derer, die es schwerhaben, bleibt rein abstrakt.
Auf ein gut funktionierendes und leistungsfähiges System der sozialen Sicherung kann nur derjenige verzichten, der auf Grund von Vermögen den wachsenden Risiken selbst begegnen kann und daher des Schutzes durch die Solidargemeinschaft nicht bedarf, und diese Gruppe der Vermögenden prägt das politische Zentrum von CDU und CSU, für deren Generalsekretär es heute keine grundsätzlichen Aspekte der sozialen Frage mehr gibt, die nicht beantwortet sind oder „deren Antwort" - ich zitiere - „uns nicht bekannt ist", ausschließlich des Ziels, die Gewerkschaften durch ein Gewerkschaftsrecht zu disziplinieren!
Die Menschen in unserem Lande wollen soziale Sicherheit. Sie sehen sich wechselnden Risiken gegenüber, und dagegen wollen sie geschützt sein. Ein solcher Schutz kostet seinen Preis. Vorsorgende und vorbeugende Maßnahmen verursachen zwar Kosten, mindern aber auch die Risiken. Sie sind humaner, und sie sind auf lange Sicht sogar billiger.
Die CDU/CSU redet heute von einer „Anspruchsinflation der Bevölkerung" und beklagt die finanziellen Auswirkungen von Leistungsverbesserungen, die sie selbst mit beschlossen hat.
({12})
Springers „Welt" schrieb am 24. Februar 1975:
Es ist keine sozialpolitische Initiative, sei sie aus der Regierung oder von den Parteien des Bundestages gekommen, in Erinnerung, der die Unionsparteien, als es jeweils zur Entscheidung kam, widersprochen hätten. Aber viele Anträge der Opposition kann der Historiker heute schon verzeichnen, die der Ablehnung verfielen, weil sie finanziell nicht solide genug abgesichert waren.
Wir Sozialdemokraten stehen zu den Leistungsverbesserungen, weil wir sie uneingeschränkt für notwendig halten und auch ihre finanziellen Auswirkungen in jedem einzelnen Fall genau durchgerechnet haben. Wegen fehlender Konzeption haben Sie sich in Anträgen erschöpft, die unverantwortliche Mehrausgaben in Milliardenhöhe zur Folge gehabt hätten.
Man muß fragen, was man sozialpolitisch will, Wer nach dem Muster der Opposition nur opportunistische Sozialpolitik betreibt, dem wird sie eben auch rasch zur „Last der Wohltaten". Und der würde die Leistungen bei Bedarf auch wieder einsammeln.
In die oppositionelle Verunsicherungsstrategie fügt es sich ein, daß der Planungsstab der CDU/CSU- Bundestagsfraktion den Unionsabgeordneten ein Papier an die Hand gegeben hat, in dem die Sozialleistungen schlicht als „Wohltaten" abgetan werden Offensichtlich ist den christdemokratischen Planern verborgen geblieben, daß wohl kaum von „Wohltaten" gesprochen werden kann
({13})
- aber sicher, sonst würde ich nicht darüber reden -,
({14})
wenn die Betroffenen - abgesehen von Umschichtungen im Lebenslauf - einen wesentlichen Teil dei Sozialleistungen durch ihre Beiträge finanzieren.
({15})
Das gilt auch für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und für die Leistungen, die im Rahmen betrieblicher Sozialpolitik erbracht werden Denn niemand wird leugnen können, daß es sich hierbei um Lohnbestandteile handelt, die für Zwekke sozialer Sicherung verwendet werden.
„Die Last der Wohltaten" - so der Titel de Unionspapiers - macht einmal mehr deutlich, da: es schwerfällt, seine eigentliche Gesinnung zu verbergen.
({16})
Die Sozialdemokratie hat sich stets dafür eingesetzt solche Leistungen zu schaffen, die im Interesse de] Menschen erforderlich sind. Die Leistungen wurder mit einem Rechtsanspruch ausgestattet. Und damit wird zugleich markiert, daß es sich um alles andere als „Wohltaten" handelt.
Weil wir Sozialdemokraten wissen, daß das Institut der Rente als Antwort auf eine Notsituation we der in jedem Falle die humanste noch die wirtschaftlieh sinnvollste Lösung ist, betonen wir immer stärker die Vorsorge und die Hilfe zur Wiedereingliederung in Arbeit und Gesellschaft.
Übergreifenden Risiken kann in der sozialer Sicherung nur gemeinschaftlich begegnet werden Daher gilt der Grundsatz der Solidarität, der der Willen zur Umverteilung einschließt. Es ist klar, dal es dabei auch zum Mißbrauch durch einzelne kommen kann. Das muß verhindert werden, so gut e!
nur geht. Aber das kann nicht zur Preisgabe sozialpolitischer Grundsätze führen.
Selbstverständlich hat der Sozialpolitiker die Grenze der Belastbarkeit der Beitragszahler zu beachten. Bundesarbeitsminister Walter Arendt hat mehrfach deutlich darauf hingewiesen. Diese Hinweise sind die Quintessenz aus den sorgfältigen Rechnungen, die bei jeder Leistungsverbesserung aufgestellt worden sind.
Die Sozialpolitik der sozialliberalen Koalition ist sich des Zusammenhangs zwischen der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Volkswirtschaft sowie der sozialpolitischen Möglichkeiten stets bewußt. Langfristige Rechnungen, die über Jahresperioden hinausgehen, dienen dazu, künftige Belastungen sichtbar und berechenbar zu machen. Das System der sozialen Sicherung trägt zur Festigung des sozialen Friedens bei und ist damit zugleich Voraussetzung für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft.
({17})
- Die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung ist gesichert. Das ist wiederholt vorgetragen worden. Sie antworten auf die hier vorgelegten Zahlen unentwegt mit allgemeinen Mutmaßungen und attackieren sie. Die ersten vorläufigen Rechnungsergebnisse der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten für 1974 zeigen, daß trotz veränderter Wirtschaftslage die im voraus berechneten Überschüsse um insgesamt 1,4 Milliarden DM übertroffen worden sind.
({18})
- Herr Kollege Franke, ich weiß, daß das mit der Offnung der Rentenversicherung im Zusammenhang steht.
({19})
- Das hat nichts mit Täuschung zu tun, ({20})
sondern das ist die Konsequenz eines Gesetzes, das hier ordnungsgemäß beschlossen worden ist.
({21})
Die Solidität der Rentenversicherung
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- warten Sie noch eine Sekunde; vielleicht verzichten Sie dann auf Ihre Frage wird nämlich auch von den Sozialausschüssen der CDU nicht angezweifelt. So schrieb das „Handelsblatt" am 6. März 1975
- ich darf zitieren -:
Die Rentenversicherung steht nach Meinung der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft langfristig auf solidem finanziellen Fundament. Dies stellte der Bundesvorstand der Sozialausschüsse in einer Erklärung fest.
Herr Abgeordneter Sund, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Sund, ist Ihnen auch klar, daß die Überschüsse, die wir jetzt infolge der Öffnung der Rentenversicherung erzielt haben, in zehn bis zwölf Jahren - laut Schätzung des Verbandes der Rentenversicherungsträger - zu höheren Leistungen und daher auch zu einem verstärkten Abschmelzen der Rücklagen führen werden?
Dieser Zusammenhang und die Berechnungsmethoden aus dem Rentenanpassungsbericht sind mir wie jedem anderen, der sich mit dieser Sache befaßt, durchaus geläufig.
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- Entschuldigen Sie, ich habe hier doch nicht die Systematik des Rentenanpassungsberichts zu interpretieren!
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- Das können Sie jederzeit nachlesen. Die Bundestagsdrucksachennummer will ich Ihnen anschließend gern noch einmal mitteilen.
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Die Tatsache, daß auch Sie die langfristig gesicherte Finanzierung der Rentenversicherung dort, wo es Ihnen zweckmäßig erscheint, betonen, dürfte wohl deutlich machen, daß es Ihnen bei Ihren Interventionen hier lediglich darum geht, Unsicherheit und Angst zu schüren. Aber das ist nicht neu.
Im übrigen, Herr Kollege Franke, mutet es doch sehr eigentümlich an, daß Sie noch am 29. August 1974 laut Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" vor Journalisten Überlegungen darüber angestellt haben, wie die Überschüsse der Rentenversicherung sozialpolitisch zweckmäßig verwendet werden könnten.
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Dabei dachten Sie u. a. daran, die Witwenrenten von 60 auf 65 °/o der Rente des verstorbenen Ehemannes anzuheben.
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Sie müssen sich doch irgendwo einmal einen Reim auf diese Dinge machen, die Sie hier aus immer wieder wechselnden Richtungen, die Ihnen gerade zweckmäßig erscheinen, vortragen.
Kosten- und Beitragssatzerhöhungen in der Krankenversicherung bereiten Sorgen. Wir werden Gelegenheit haben, in wenigen Wochen anläßlich der
Debatte über die Große Anfrage der Opposition zur Situation des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland und der ersten Beratung des Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetzes die Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich und die Möglichkeiten ihrer Dämpfung ausführlich zu diskutieren. Schon jetzt sind wir gespannt darauf, wie CDU und CSU die konträren Vorstellungen der Herren Geissler, Pirkl und Beske dabei unter einen Hut bringen wollen.
Einige Anmerkungen noch zu einer Problematik, die von Ihnen in der Diskussion mißbräuchlich immer wieder eingeführt wird, nämlich zur Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung. Aus der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen ergeben sich nämlich im Prinzip keine Mehrbelastungen. Infolge der gesetzlich geregelten Dynamisierung sind die Beitragsbemessungsgrenzen ein Reflex der wachsenden Einkommen. Dabei treten zwar gewisse zeitliche Verschiebungen auf, die sich jedoch auf mittlere Sicht ausgleichen. Die Dynamisierung der Beitragsbemessungsgrenzen bewirkt doch, daß im Durchschnitt die beitragspflichtige Entgelt-summe nicht geringer steigt als die gesamte Bruttolohn- und Gehaltssumme der Versicherten. Ein Einfrieren der Beitragsbemessungsgrenzen würde darüber hinaus dazu führen, daß der Anteil der Gehälter, die über dieser Grenze liegen, ansteigt und somit auch der der Einkommensbestandteile, die nicht durch die dynamische Rentenversicherung gesichert sind. Das ist alles, nicht mehr und nicht weniger.
Wer heute überhaupt von einer Sozialpolitik der Opposition spricht, setzt sich dem Vorwurf der Irreführung aus. Darüber kann auch der von Biedenkopf entfachte Kongreßaktivismus nicht hinwegtäuschen.
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Die Richtlinien bestimmt nun einmal der Kollege Strauß; die sozialpolitischen Stoppzeichen, die er in Sonthofen gesetzt hat, sind nicht zu übersehen.
Die Umschulungsmaßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes, die Mitbestimmung, die Vermögensbeteiligung, das Erziehungsgeld, die Partnerrente, das alles fällt unter die Strategie der totalen Negation des CSU-Vorsitzenden. Zur Krankenhausfinanzierung, zur Berufsausbildung, zur Situation der Krankenkassen verpflichtet er die Union auf eine Aussageverweigerung. Die Arbeitnehmer haben die Signale von Sonthofen längst empfangen. Wir Sozialdemokraten werden dafür sorgen, daß die Union keine Gelegenheit erhält, ihr Sonthofener Programm zu verwirklichen, damit sich die Arbeitnehmer zu Hause fühlen in diesem Land, damit sie sagen: dieser Staat ist auch unser Staat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Strauß zu Arendt, würde ich sagen. Der Herr Minister Arendt hat nämlich es so darzustellen versucht, ob tatsächlich 1969 die sozialpolitische Erschaffung der Welt gewesen wäre. Nun, jeder Sozialpolitiker weiß, daß Sozialpolitik etwas Kontinuierliches ist. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, Sie leben doch heute von CDU-Arbeitsministern, von Anton Storch, von Theo Blank und Hans Katzer und ihren Gesetzen.
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Aber, Herr Minister Arendt, wie Sie angesichts von 1,2 Millionen Arbeitslosen heute so billig daherreden können, ist für mich eigentlich die größte Enttäuschung des heutigen Tages.
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Wer hat eigentlich Angst verbreitet? Wer hat ein düsteres Zukunftsbild gezeichnet? Wer hat in Katastrophenpolitik gemacht? Die SPD hat es getan mit ihrem Flugblatt von 1972. Das hat sie zur Bundestagswahl 1972 herausgebracht. Es wurde in hoher Auflage vor den Betrieben verteilt. Ich muß dieses Flugblatt zitieren, um mit Ihrer Argumentation von 1972 den Vergleich zur heutigen Situation zu ziehen.
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Dieses Flugblatt hatte die Balkenüberschrift „Deutschland hat sichere Arbeitsplätze - Darauf sind wir alle stolz". Dann heißt es weiter: „Das muß so bleiben! Wir haben die sichersten Arbeitsplätze - Vollbeschäftigung, seit Sozialdemokraten regieren". Man behauptete in diesem Flugblatt unverantwortlicherweise weiter, nachdem man die Zahl der Arbeitslosigkeit von 1966/1967 nannte, die CDU/CSU hätte die Rezession, wie Sie es bezeichneten, gewollt, und sie wolle Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Arbeitnehmer machen. Die CDU wäre bereit gewesen, eine Arbeitslosenquote von 2 % in Kauf zu nehmen, und jeder Deutsche solle wissen, was es bedeuten würde, eine halbe Million Arbeitslose: Existenzangst, Radikalismus - dazu dürfe es nicht kommen.
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Dann kam der Aufruf, man müsse dafür sorgen, daß Sozialdemokraten weiterregieren, weil dann die Arbeitsplätze sicher bleiben.
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- Das ist fein, daß Sie jetzt klatschen, meine Damen und Herren; das ist nämlich eine recht eigenartige Auslegung der Sicherheit der Arbeitsplätze.
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Nehmen wir einmal Ihre damalige Aussage als Grundlage für diese Sicherheit und vergleichen wir sie mit den heutigen Zahlen. Wie sind denn die Zahlen? - Damals - 1966/67 - 673 572 Arbeitslose heute 1 183 501; damals 343 000 Kurzarbeiter, heute 956 514. Wenn im Jahre 1972 auf Grund
Müller ({6})
der Zahlen von 1966/67 mit diesem sozialdemokratischen Flugblatt unter den Arbeitnehmern die Angst vor der Arbeitslosigkeit geschürt wurde, wie würde denn eigentlich heute ein sozialdemokratisches Flugblatt aussehen bei einer Arbeitslosenquote von 5,2 %, bei ungefähr 1,2 Millionen Arbeitslosen und fast 1 Million Kurzarbeitern?
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Und dann die Aussagen, die Herr Haehser gemacht hat und heute Herr Arendt! Die haben ja eine Antwort darauf: Die hohe soziale Absicherung der Arbeitslosen sei eine Erklärung für die Höhe der Zahl. Was ist das für eine Aussage!
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Das ist so im Sinne des kleinen Buben, der blaugefrorene Hände hat und zu seinem Spielkameraden sagt: „Das geschieht meiner Mutter ganz recht; warum kauft sie mir keine Handschuhe?" Der Arbeitslose, der von der Existenznot betroffen ist, soll also der Schuldige an der hohen Zahl der Arbeitslosen sein. Welch eigenartige Argumentation, wenn man weiß, daß diese Bundesregierung das Gesetz eingebracht hat, mit dem die Arbeitslosengelder neu festgesetzt wurden. Und dann hier die Aussage: weil das Arbeitslosengeld so hoch sei!
Herr Minister Arendt, ich kann mir nicht helfen, aber ich muß Ihnen sagen: Die Leichtfertigkeit und die Schnodderigkeit, mit der Mitglieder dieser Bundesregierung mit den Arbeitslosen umspringen, ist eine Unterstellung, daß Arbeitnehmer im Hinblick auf das zu erwartende Arbeitslosengeld ihre Arbeitsplätze im Stich lassen oder lieber in Arbeitslosigkeit verbleiben würden. Das spottet doch jeder Beschreibung!
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Meine Damen und Herren, bereits im Frühjahr 1974 stellte man fest, daß der Herbstaufschwung auf dem Arbeitsmarkt ausblieb und die Arbeitsmarkt-und Beschäftigungssituation labiler wurde. Die Arbeitslosenzahlen und -quoten stiegen kontinuierlich. Von großem Einfluß auf die schon im vergangenen Herbst festgestellte schwierige Arbeitsmarktlage war die gedämpfte Gesamtkonjunktur mit der anhaltend schwachen inländischen Investitionsneigung. Dazu kamen strukturelle Anpassungsprozesse, z. B. in der Bauwirtschaft, der Leder- und der Schuhindustrie und bei Textil und Bekleidung. Auch die Rationalisierungsmaßnahmen der Firmen und die eingeengten Erträge wirkten sich dämpfend auf den Arbeitsmarkt aus und ließen die Arbeitslosenzahlen steigen. Die inflationäre Entwicklung war ein weiterer Grund für die sich laufend verschlechternde Lage. Die Hochzinspolitik der Bundesbank tat ein übriges, vor allem in ihrer Auswirkung auf die Bauwirtschaft.
Daran, meine Damen und Herren, die Sie vorhin darüber geklatscht haben, daß die Sozialpolitik losgelöst wurde von der Wirtschafts- und Finanzpolitik, zeigt sich ganz deutlich, daß Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik - wie Hans Katzer es gezeigt hat - zusammengehören.
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Konsequenzen aus der sich im Herbst abzeichnenden Entwicklung wurden damals nicht gezogen - mit dem Ergebnis, daß wir am 30. November bereits 800 000 Arbeitslose hatten, am 31. 12. 946 000. Am 31. 1. hatten wir die Millionengrenze überschritten und im Februar schließlich den bisherigen Höchststand mit 1 183 500. Ähnlich war die Entwicklung der Kurzarbeiterzahlen. Das sozialdemokratische Flugblatt von 1972 mit dem Schüren der Angst mit den Zahlen von 1966/67 ist nunmehr zum Bumerang geworden.
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Wie bescheiden sich das heute ausnimmt, zeigen die Reaktionen der Bundesregierung anläßlich der Bekanntgabe des Arbeitsmarktberichts der Bundesanstalt für Arbeit über die Februar-Zahlen. Die weiter, wenn auch weniger stark, gestiegenen Arbeitslosenzahlen werden trotz der bisherigen Höchstzahl der Arbeitslosen von fast 1,2 Millionen als Tendenzwende auf dem Arbeitsmarkt dargestellt. Man verschweigt allerdings, daß der gleiche Arbeitsmarktbericht ausführt, daß die Zunahme der konjunkturell bedingten Arbeitslosigkeit noch nicht zum Stillstand gekommen sei.
Meine Damen und Herren, damit wir uns recht verstehen: Wir freuen uns über jede positive Nachricht über eine Aufwärtsentwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
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Wir wissen auch, was Arbeitslosigkeit bedeutet. Das gilt gerade für meine Generation und für die Gegend, aus der ich stamme. Wir wissen, was das für den betroffenen Arbeitnehmer, für seine Familie und für die Gesellschaft bedeutet. Wir schüren keine Existenzangst wie im sozialdemokratischen Flugblatt von 1972.
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Wir sind aber dafür, daß dem Volk die Wahrheit gesagt wird und daß man keine Tatsachen verschleiert.
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Die jetzige hohe Arbeitslosigkeit hat einige Gruppen der Arbeitnehmerschaft besonders hart getroffen. Über dem Gesamtdurchschnitt liegen die Arbeitslosenzahlen bei Jugendlichen und ausländischen Arbeitnehmern. Schwierigkeiten zeigen sich auch bei den berufstätigen Frauen, während die Maßnahmen, die in der Vergangenheit für die älteren Arbeitnehmer allenthalben getroffen wurden, offensichtlich erste Erfolge bringen.
Über die Jugendlichenarbeitslosigkeit hat dieses Haus bereits am vergangenen Freitag diskutiert. Ich stimme der Aussage zu, daß die Zahlen der Jugendarbeitslosen abnehmen werden, wenn es uns gelingt, die Arbeitslosigkeit insgesamt zu verringern. Die Sonderuntersuchungen der Bundesanstalt für Arbeit zeigen aber, daß es bei den jugendlichen Arbeitslosen auch einige Problemgruppen gibt. Hier ge11174
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winnt die Qualität der beruflichen Ausbildung eine besondere Bedeutung. Von daher ist es richtig und notwendig, der Problemgruppe der jugendlichen Hilfsarbeiter und der Angelernten durch berufsfördernde Maßnahmen zu helfen.
Das gleiche Problem der mangelnden fachlichen Qualität durch fehlende oder unzureichende Ausbildung ist auch mitentscheidend für den höheren Prozentsatz der Arbeitslosenzahlen ausländischer Arbeitnehmer. Ich wiederhole hier meine Forderung, die ich schon bei der ersten Lesung des Gesetzes zur Verschärfung der Strafbestimmungen bei der illegalen Ausländerbeschäftigung erhoben habe. Die Bundesregierung muß ihr Konzept vorlegen, wie sie in den kommenden Jahren den Anteil der Ausländerbeschäftigung in der Bundesrepublik sieht.
Dabei erwarten wir, daß die Stimmung gegen ausländische Arbeitnehmer nicht durch Emotionen angeheizt wird. Sie sind zwar der deutsche Arbeitsminister, Herr Kollege Arendt; es hört sich aber schlecht an, wenn Sie in Ihren Reden an diese Bemerkung - emotional aufheizend - den Satz anhängen: „Ich bin nicht der Arbeitsminister der Türken." Sicher, Sie sind nicht der türkische Arbeitsminister. Sie sind aber als deutscher Arbeitsminister auch für die Arbeitnehmer anderer Nationalitäten verantwortlich, die wir in guten Zeiten nach Deutschland geholt haben.
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Meine Damen und Herren, bei der Arbeitslosigkeit der Frauen, die regional sehr unterschiedlich ist, erscheint es mir notwendig, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den öffentlichen Dienst mehr noch als bisher auf die Möglichkeit und Notwendigkeit der Teilzeitbeschäftigung - trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten, die auch von mir gesehen werden - hinzuweisen und dafür zu werben.
Meine Damen und Herren, daß es zu diesen hohen Arbeitslosenzahlen kam, hat sicher eine Menge Gründe.
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- Ja sicher hat es eine Menge Gründe. - Diese Bundesregierung hat aber notwendige Maßnahmen zu spät ergriffen. Sie hat zu lange durch widersprechende Ansichten einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor in die Wirtschaft getragen. Während der Bundeskanzler im November /Dezember von einem Umsteuern der Konjunktur sprach, hielt der Wirtschaftsminister den Zeitpunkt noch nicht für gekommen.
Ob das Konjunkturförderungsprogramm, das der Deutsche Bundestag noch vor Weihnachten im Eiltempo beriet und verabschiedete, Erfolg haben wird, müssen die nächsten Wochen und Monate zeigen. Nach Pressemeldungen sind zumindest die Lohnkostenzuschüsse und die Mobilitätszulage bisher nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen worden. Rund 80 Millionen DM von den zur Verfügung gestellten 600 Millionen DM für Lohnkostenzuschüsse und für die Mobiliätszulage, die ja nur bis zum 30. April gewährt werden, sind bisher abgeflossen.
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Diese Hilfen können ja bekanntlich nur in den Arbeitsamtsbezirken gegeben werden, in denen die Arbeitslosenquote in den Monaten September, Oktober und November um 0,5 % über dem Bundesdurchschnitt lag. Durch diese sehr enge Begrenzung sind alle diejenigen Arbeitsämter ausgenommen, die erst in den Monaten Dezember, Januar und Februar durch den starken Konjunktureinbruch Arbeitslosenquoten aufwiesen, die weit über den Durchschnittszahlen des Bundes liegen.
Abgeordnete unserer Fraktion haben in diesem Hause in Verbindung mit dem Jahreswirtschaftsbericht einen Antrag eingebracht, diese enge Begrenzung zu lockern, um auch solche Arbeitsamtsbezirke mit jetzt hohen Arbeitslosenquoten in die Förderung einzubeziehen. Der Antrag schmort in den zuständigen Ausschüssen, obwohl es eine dringliche Sache ist. Dieses Problem auf die Tagesordnung des mitberatenden Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung zu setzen, scheiterte an der Mehrheit dieses Hauses. Und wenn der Ausschuß diesen Antrag am 9. April berät, dann kann er überhaupt nicht mehr zum Zuge kommen, weil ja die Geltungsdauer nur bis zum 30. April begrenzt ist. Wenn Sie den Verdacht ausräumen wollten, daß dieses Programm fast ausschließlich auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 4. Mai zugeschnitten sei, wenn es Ihnen echt darum ginge, in Arbeitsämtern mit hohen Arbeitslosenquoten Hilfen anzubieten, dann hätten Sie rechtzeitig handeln und die engen Bindungen lockern müssen.
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Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak?
Ich möchte jetzt nicht. Ich möchte, weil meine Zeit läuft, meine Ausführungen zu Ende bringen.
Nun zu den Finanzproblemen: Verschiedene Redner meiner Fraktion haben bereits darauf hingewiesen, daß die hohen Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen und die hohen Beträge für die gesetzlich gesicherten Lohnersatzleistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhebliche Auswirkungen auf die Finanzsituation der Arbeitsverwaltung haben. Der Haushalt 1974 der Bundesansalt für Arbeit schloß mit einem Defizit von rund 2,3 Milliarden DM ab. Die Rücklage der Bundesanstalt verringerte sich damit von Anfang 1974 bis zum Ende des Haushaltsjahres von rund 5,5 auf 3,2 Milliarden DM.
Wenn auch Ende 1973 niemand mit einem Einbruch in die Finanzsituation der Bundesanstalt in solch hohem Ausmaß gerechnet hatte, so war doch schon damals abzusehen, daß es verantwortliche Politik gewesen wäre, für das Jahr 1974 bereits den vollen gesetzlichen Beitrag von 2 % zu erheben. Der Bundesarbeitsminister wäre gut beraten geweMüller ({0})
sen, wenn er sich im vergangenen Jahr nicht den Luxus erlaubt hätte, den gekürzten Beitrag von 1,7% zu erheben. Bei vollem gesetzlichem Beitrag im Jahr Jahr 1974 wäre das Defizit der Bundesanstalt um 1,3 Milliarden DM geringer geworden.
Und nun zur Anlagepolitik, Herr Minister, nicht etwa mit dem drohenden Zeigefinger, sondern vielleicht mit dem Hinweis auf das, was tatsächlich ist. § 220 Abs. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes heißt nämlich:
Über die Anlage der Rücklage sowie über die Verwaltung des sonstigen Vermögens erläßt die Bundesanstalt Verwaltungsvorschriften, die der Bestätigung der Bundesregierung bedürfen.
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Diese Bestätigung, Herr Minister Arendt, ist dafür erteilt.
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Außerdem bedarf der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit der Genehmigung der Bundesregierung. Außerdem muß man wissen, daß diese Rücklage zum Teil in arbeitsmarktpolitisch wichtigen Aufgaben festgelegt ist. Erklären Sie doch hier einmal, wo die Rücklage dann noch ist in Ihrem Anlagevermögen bei der Bundesbahn, bei der Bundespost, in der Gewinnung von Arbeitsplätzen, als Darlehn für Fernpendler. Alles das sind doch arbeitsmarktpolitisch wichtige Aufgaben gewesen, und da hilft es nichts zu sagen, wir werden eine neues Gesetz erlassen. Dann müssen Sie sich auch einmal mit der Selbstverwaltung darüber unterhalten.
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Der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit geht von einer Durchschnittsarbeitslosenzahl im Jahre 1975 in Höhe von 500 000 aus. Beim Kurzarbeitergeld sind 150 000 Kurzarbeiter angenommen. Schon bei diesen Zahlen sollten aus der Rücklage der Bundesanstalt weitere 1,2 Milliarden DM entnommen werden.
Nun hat die Bundesregierung durch Herrn Haehser dem Haushaltsausschuß mitgeteilt - und es liegt uns hier heute vor ---, daß die Finanzhilfen des Bundes für die Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1975 3,2 Milliarden DM erreichen werden. Sie legen 730 000 Arbeitslose zugrunde, die offensichtlich aus dem Jahreswirtschaftsbericht, wo ursprünglich 700 000 angenommen wurden, hochgerechnet worden sind.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Gewerkschaften - wenn ich richtig informiert bin, wird Herr Farthmann, der einer der Mitgeschäftsführer dieses Instituts ist, nach mir sprechen - schätzt mit anderen Wirtschaftsinstituten die durchschnittliche Arbeitslosenzahl im Jahre 1975 auf 830 000 im Monatsdurchschnitt. Das wären umgerechnet nicht 3,5%, sondern 3,8 %.
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- Vielleicht sagen Sie das gleich Herrn Farthmann selbst!
In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage meiner Fraktion erklärt die Bundesregierung, daß pro 10 000 Arbeitslose 77 Millionen DM aufzuwenden sind. Die Leistungen des Bundes an Nürnberg werden bei 730 000 Arbeitslosen mit 3,2 Milliarden DM angegeben. Wenn man diese von der Bundesregierung angegebenen 77 Millionen DM für je 1p 000 Arbeitslose zugrunde legt, wäre das, wenn die Prognose des Gewerkschaftsinstituts stimmt, ein weiterer Betrag von 770 Millionen DM aus den Mitteln des Bundeshaushalts, wobei die Leistungen für Kurzarbeiter überhaupt noch nicht berücksichtigt sind.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich doch vor: Bis zum 17. März waren von der Nürnberger Bundesanstalt bereits 2,5 Milliarden DM Lohnersatzleistungen an die betroffenen Arbeitnehmer gezahlt, davon allein 1,9 Milliarden DM an Arbeitslosengeld und 4,25 Millionen DM an Kurzarbeitergeld. Hier zeigt sich doch, daß der Haushaltsplan der Bundesanstalt für Arbeit vorne und hinten nicht mehr paßt.
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Meine Damen und Herren, es gibt immer wieder Leute, bis hin in die Arbeitnehmerschaft selbst, die die Berechtigung der berufsfördernden Maßnahmen anzweifeln. Sie haben, Herr Kollege Arendt, vorhin sehr deutlich darauf hingewiesen, daß ich für dieses Arbeitsförderungsgesetz mitverantwortlich zeichne, das von meinem Freund Hans Katzer als Arbeitsminister vorgelegt wurde. Ich war damals Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit. Ich bekenne mich zu dem, was damals auch von Ihren Freunden mitgetragen wurde, in vollem Umfang.
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Hauptaufgabe des Arbeitsförderungsgesetzes sollte es damals wie heute sein, Arbeitslosigkeit möglichst durch arbeitsfördernde Maßnahmen zu verhindern. Ich bekenne mich zur notwendigen Umschulung, zu diesen Maßnahmen, weil gerade diese Zeit der Arbeitslosigkeit wieder zeigt, wie wichtig es ist, eine qualifizierte Ausbildung zu haben, wie wichtig es ist, Facharbeiter zu sein;
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denn selbst in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit konnten Facharbeiter immer noch besser vermittelt werden. Gerade in der Zeit der Arbeitslosigkeit - und das gilt auch für die Problemgruppe der jugendlichen Hilfsarbeiter - sollte die Zeit genutzt werden, berufliche Fähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder zu erlernen, um für die Wechselfälle des Arbeitslebens besser gerüstet zu sein.
Einzelne Übergriffe und unverantwortliche Ausnutzung solcher Gesetze sind nicht die Norm. Hier sollte man durch eine Überarbeitung der Förderungsbestimmungen den Mißbrauch so weit wie möglich ausschalten.
Es ist eine ganz andere Frage, ob wir auf Dauer bei diesem Finanzierungssystem bleiben können. Die
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Bundesanstalt für Arbeit erbringt Leistungen, die für die Gesamtgesellschaft von Wichtigkeit sind. Finanziert werden diese Leistungen durch Beiträge der Wirtschaft und der in ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Nun, ich sehe ein, daß in einer solchen Finanzkrise eine Umstellung der Finanzierung für die Arbeitsförderungsmaßnahmen kaum denkbar sein wird. Man sollte aber eine andere Finanzierungsmöglichkeit für diese allgemeinen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit zu gegebener Zeit überdenken.
Was den Mißbrauch der Förderungsmöglichkeiten angeht das gilt im übrigen für alle sozialen Einrichtungen -, scheint mir doch ein deutlicher Hinweis auch auf das Solidaritätsprinzip notwendig zu sein.
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Solidarität bedeutet ja nicht, koste es, was es wolle, den eigenen Beitrag unter allen Umständen wieder herauszubekommen oder sich auf Kosten anderer unberechtigte Vorteile zu verschaffen. Solidarität bedeutet in der gesamten sozialen Sicherung das Einstehen des Starken für den Schwachen, des Gesunden für den Kranken und auch die wechselseitige Solidarität der Generationen.
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Lassen Sie mich das in einigen Punkten zusammenfassen:
1. Die hohen Arbeitslosenzahlen sind für uns alle Verpflichtung, alles zu tun, um Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit abzubauen, denn Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur materielle Einbuße, sondern auch eine seelische Belastung für jeden einzelnen davon Betroffenen.
2. Nicht Dramatisierung, aber noch weniger Verharmlosung der Arbeitslosenzahlen sind dieser Situation dienlich, sondern einzig und allein eine nüchterne Darstellung und Betrachtung, weil sonst die Enttäuschung bei den Betroffenen um so schwerer wiegt.
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3. Konjunkturbelebende Maßnahmen, die sich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken können und für die erhebliche Steuermittel bereitgestellt wurden, müssen auch in den Arbeitsamtsbezirken möglich sein, die bisher davon ausgenommen sind und doch hohe Arbeitslosenquoten ausweisen.
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4. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Arbeislosigkeit der Jugend, hier vor allem der jugendlichen Hilfsarbeiter, aber auch der Frauen in der Vermehrung des Stellenangebots für Teilzeitarbeit.
5. Das Problem der Ausländerbeschäftigung muß in verantwortlicher Weise und unter Beachtung internationaler Verpflichtungen gelöst werden. Wir halten es für falsch, daß Ausländer in ihrer Gesamtheit durch offizielle oder offiziell scheinende Erklärungen verunsichert werden.
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6. Den Arbeitsämtern müssen die Mitarbeiter und die Mittel gegeben werden, diese hohe Belastung durch die vielen Unterstützungsfälle in möglichst kurzer Bearbeitungszeit zu erledigen. Ich glaube, trotz aller Kritik, die hier und da lautgeworden ist, sind wir heute den Bediensteten der Arbeitsverwaltung Worte des Dankes für den Einsatz schuldig. Sie bewältigen, wie ich aus eigener Kenntnis weiß, diese Unmenge von Arbeit mit erheblichen zusätzlichen Arbeitsstunden.
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7. Die Maßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes sind sinnvoll anzuwenden. Der Mißbrauch ist durch eine Überarbeitung der Förderungsbestimmungen soweit wie möglich auszuschalten.
8. Schließlich sollte die Bundesregierung durch eine reale Finanzschätzung auch die künftigen Aufwendungen für die Bundesanstalt für Arbeit bekanntgeben und deutlich machen, wie sie sich in den nächsten Jahren die Rückzahlung dieser Mittel vorstellt. Sie sollte gemeinsam mit der Selbstverwaltung und der Führung der Anstalt überlegen, wie die Rücklage effektiver gemacht werden kann.
Meine Damen und Herren, die vergangenen Monate haben bewiesen, wie das Wort von der Sicherheit des Arbeitsplatzes stärker in das Bewußtsein der Bevölkerung gedrungen ist. Eine inflationäre Entwicklung hat zu einem großen Prozentsatz diese Sicherheit des Arbeitsplatzes gefährdet und in diese Arbeitslosigkeit geführt. Gerade die Arbeitnehmer in unserem Lande sind an der Stabilität der Wirtschaft und der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes interessiert. In ihrem Flugblatt aus dem Jahre 1972 haben die Sozialdemokraten behauptet, die CDU/CSU habe die Rezession gewollt und wolle Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Arbeitnehmer machen. Diese ungeheuerliche Behauptung der Sozialdemokraten stelle ich in dieser Situation nicht auf, aber Unvermögen und Entscheidungsblockierung sind wesentliche Ursachen für die heutigen Arbeitslosenzahlen.
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Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geiger?
Ich bin sofort fertig.
Wenn wir das sagen, werden wir als Leute bezeichnet, die in Katastrophenstimmung machen. Wenn ich den Vergleich zwischen dem sozialdemokratischen Flugblatt und der heutigen Situation gezogen habe, dann um deutlich zu machen, wo die Leute sitzen, die das Geschäft mit der Angst betrieben haben. Sie sitzen nicht bei der CDU/CSU, sie sitzen bei der SPD.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farthmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will meinem Vorredner, dem Kollegen Müller, gern zugeben, daß ich seinen Auffassungen in vielen Punkten nicht widerspreche, sie sogar teile, insbesondere das, was er zur Arbeitsförderung gesagt hat. Herr Kollege Müller hat aber auch zur Beschäftigungssituation und zu der wirtschaftlichen Entwicklung Stellung genommen, die ihr zugrunde liegt, und diese wirtschaftliche Entwicklung und ihre Folgen sind wiederholt ins Zentrum der haushaltspolitischen Beratungen dieses Jahres gerückt worden.
Von der Opposition sind mehrfach dieselben Vorwürfe erhoben worden, und sie sind mehrfach von der Regierungskoalition entkräftet worden. Ich glaube deshalb, daß ich zu diesem Punkte nicht sehr viel Neues mehr werde beitragen können. Es gehört aber zur politischen Notwendigkeit, falsche Behauptungen, wenn sie immer wieder aufgestellt werden, auch immer erneut zu widerlegen, und deshalb muß ich noch einmal zu dieser wichtigen und zentralen Frage Stellung nehmen.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, und ihre Folgen -insbesondere bezüglich der Preissituation und auch bezüglich der Beschäftigungssituation - beklagen wir als Vertreter der sozialdemokratischen Partei genauso wie Sie. Für uns gilt der alte Grundsatz, der für uns immer gegolten hat: Jeder Arbeitslose ist für die SPD ein Arbeitsloser zuviel!
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Das, meine Damen und Herren, ist nicht das Problem. Es ist auch nicht unsere Absicht, dieses Problem zu bagatellisieren oder zu verharmlosen.
Deshalb gestatten Sie mir noch ein Wort zu dem, was der Herr Minister vorhin gesagt hat. Jeder, der sein Beispiel unvoreingenommen gehört hat, mußte erkennen, worum es ging,
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daß nämlich nicht mit einem falschen - um nicht zu sagen: mit einem gefälschten - Fall im Fernsehen Stimmung gemacht werden soll. Die Problematik der Arbeitslosen sollte doch überhaupt nicht verharmlost werden.
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Ich glaube sogar, meine Damen und Herren, daß wir als Sozialdemokraten das Problem der Arbeitslosen sehr viel echter beklagen können als Sie.
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Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören. Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen; vielleicht sagen Sie es nach dem nächsten Satz auch noch, Herr Narjes. Wir greifen immer auf Sonthofen zurück.
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Dort bietet sich ein Fundus von Argumenten, und
Sie können es mir nicht verwehren, hier darauf Bezug zu nehmen. Herr Strauß sagt in . dieser berühmten Rede, nachdem er von Inflationierung, weiterer Steigerung der Arbeitslosigkeit und weiterer Zerrüttung der Staatsfinanzen gesprochen hat, wörtlich - ich zitiere : „Wir können uns gar nicht wünschen, daß dies jetzt aufgefangen wird!"
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Da soll mir noch einer sagen, daß Herr Strauß wünscht, daß die Zahl der Arbeitslosen sinkt! Das ist doch das Problem.
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Meine Damen und Herren. Das Entscheidende ist nicht, daß wir die Folgen der wirtschaftlichen Entwicklung beklagen. Darin sind wir uns doch im Grunde genommen alle einig. Das hoffe ich jedenfalls, wenn ich von Herrn Strauß absehe. Aber wer, meine Damen und Herren, diese Probleme zum Gegenstand einer politischen Anklage macht, der muß doch zumindest behaupten können, daß er es besser machen könnte, und das glauben Sie doch selbst nicht!
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Aber, Herr Köhler, Sie wissen doch genauso wie wir, daß wir zur Zeit in einer Weltinflation leben, wie es sie bisher - hören Sie gut zu; Sie können auch noch etwas lernen, wie ich aus Ihren Zwischenbemerkungen entnehme - nur zur Zeit der beiden großen Weltkriege gegeben hat. Das ist doch keine Bagatelle, was wir zur Zeit erleben.
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Ihnen ist doch genauso wie uns bekannt, daß die OPEC-Länder jedes Jahr allein 150 Milliarden DM Mehreinnahmen haben - 60 Milliarden Dollar entsprechen ungefähr 150 Milliarden DM - und wir in der Bundesrepublik davon ca. 20 Milliarden DM bezahlen.
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Sie wissen auch genauso wie wir, daß es keinen wirtschaftspolitischen Trick gibt, um zu verhindern, daß diese Mehreinnahmen irgendwo anders weggenommen werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?
Herr Kollege Farthmann, ich gebe zu, daß die Weltwirtschaftssituation nicht gerade sehr günstig ist. Würden Sie mir aber zugestehen, daß es Zeiten gab, in denen in England oder Schweden 6 bis 7 % Preissteigerung und in der Bundesrepublik noch nicht einmal 2 % zu verzeichnen waren?
Natürlich hat es das gegeben. Ich komme gleich darauf zurück. Das zeigt, daß genauso wie jetzt die Bundesrepublik erheblich besser dasteht. Das gilt auch heute noch, Herr Kollege Müller.
Ich wollte sagen: Diese objektiven Faktoren, die zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt haben, die wir kennen und die wir genauso beklagen und nicht bagatellisieren - ich wiederhole das noch einmal -, haben ihre Auswirkungen natürlich auch in den einzelnen Staaten gehabt. Sehen Sie sich die Zahlungsbilanzen an. Die Bundesrepublik gehört von 120 Ländern zu den fünf bis sechs Ländern, die eine positive Zahlungsbilanz haben. Die Bundesrepublik hat die positivste, hat relativ und absolut die größten Gold- und Devisenvorräte der Welt.
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Das hat seine Auswirkungen gehabt auf die Realeinkommen. In vielen, um nicht zu sagen: in den meisten anderen Ländern sind die Realeinkommen in dem Jahr, das hinter uns liegt, gesunken. In der Bundesrepublik sind sie gestiegen.
Das zeigt sich natürlich auch in den Preissteigerungsraten. Natürlich wissen wir, daß 6 oder 7 % Preissteigerungsrate unerfreulich sind. Aber sehen Sie sich doch auch da an, was in der Welt los ist. Wir unterscheiden uns doch nicht um ein halbes oder um ein Prozent, sondern wir unterscheiden uns im Durchschnitt um zehn Punkte von den anderen Staaten. Die anderen Industriestaaten haben das Doppelte und das Dreifache an Preissteigerungsraten.
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Ich frage Sie, wenn Sie diesen Vorwurf gegen uns erheben mit der Behauptung - Herr Narjes, das muß ja wohl zumindest stillschweigend dahinterstecken -, es besser machen zu können: Wollen Sie denselben Vorwurf gegen die anderen Staaten, noch vervielfacht, erheben?
Dann müssen Sie sich, glaube ich, doch überlegen, daß in wirtschaftspolitischer Hinsicht ein Vergleich - ich sage das ganz offen - mit den seligen 50er und 60er Jahren nicht möglich ist, Kollege Müller, als das Weltwährungssystem in Ordnung war und als - das müssen wir ja nun auch einmal offen zugeben, die Rohstoffe dieser Welt überwiegend durch kolonialistische Methoden ausgebeutet werden konnten. Die Welt hat sich grundlegend verändert.
Bei den Faktoren, unter denen wir heute leben, ist nicht zu bezweifeln, daß in der Bundesrepublik wirtschaftspolitisch getan worden ist, was menschenmöglich war. Nach allem wir brauchen uns doch nur Ihre Vorschläge der letzten Jahre zur Wirtschaftspolitik anzusehen - ist doch offensichtlich: Wir hätten nicht ein Prozent Preissteigerung weniger, sondern wir hätten mehr, wenn wir das getan hätten, was Sie empfohlen haben, und wir hätten nicht einen Arbeitslosen weniger, sondern wir hätten mehr.
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In diesem Zusammenhang ein letztes Wort zu den ausländischen Arbeitnehmern. Kollege Müller, ich bin der Auffassung: Die ausländischen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik sind, verdienen die gleiche Solidarität wie alle deutschen Arbeitnehmer. Das kann uns aber doch nicht darin hindern zu überlegen, ob wir noch weitere Arbeitnehmer aus Sizilien und Jugoslawien herholen, wenn in der Bundesrepublik nicht alle in Arbeit sind. Das ist das Problem, und dann soll man das auch so deutlich darstellen.
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- Ich wäre ja froh, wenn wir uns einig sind. Aber so deutlich haben Sie es nicht gesagt; zumindest habe ich es nicht so verstanden.
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Nun noch ein Wort zur Gesellschaftspolitik.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege, würden Sie mir bestätigen, daß die Bundesregierung mit ihrem Aktionsprogramm zur Beschäftigung der ausländischen Arbeitnehmer bereits entsprechend gehandelt hat, während die Opposition bisher nichts Vernünftiges zustande gebracht hat?
({0})
Jawohl, das kann ich gern bestätigen. Das entspricht ganz und gar dem, was ich vorhin ausgeführt habe.
Meine Damen und Herren, gelegentlich ist auch die Gesellschaftspolitik angesprochen worden. Ich knüpfe an ein Zitat von Herrn von Weizsäcker an, der gestern gesagt hat - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin wörtlich -:
Wen soll es erstaunen, daß Sie
- damit meinte er uns oder zumindest den Herrn Bundeskanzler so wenig Echo finden,
- bezüglich der Mitbestimmung wenn Sie sich darauf konzentrieren, den Arbeitnehmer aus der Abhängigkeit vom Patron alter Art, z. B. Krupp, in die Abhängigkeit von vereinten neuen Patronen, z. B. Mommsen und Vetter, zu überführen?
({0})
Ich habe immer gedacht, es gäbe in Ihrer Partei einen Arbeitnehmerflügel.
({1})
Was sagt der Arbeitnehmerflügel denn dazu? Ist es denn nicht erkannt, daß diese Aussage von Herrn von Weizsäcker - er ist gerade nicht hier, aber ich kann ihm diese Alternative nicht ersparen - entweder eine bodenlose Ignoranz oder eine bösartige Diffamierung ist?
({2})
Jeder, der weiß, daß sich derartige Demokratisierungsbestrebungen auf Großunternehmen mit Zigtausenden von Beschäftigten erstrecken, jeder, der weiß, daß wir keine Aufsichtsräte mit Tausenden von Mitgliedern einrichten können, der weiß auch, daß es nur die Alternative gibt: entweder Anarchie oder Repräsentation. Oder man will - das vermute ich viel eher - überhaupt keine Mitbestimmung oder allenfalls eine solche Mitbestimmung, an die ich erinnert werde, wenn ich in Autos ein kleines Kind mit dem Lenkrad spielen sehe. Das Kind soll dann die Illusion haben, es könne lenken; in Wirklichkeit lenkt ein ganz anderer. Derartige Mitbestimmung wollten wir nicht. An die werde ich immer erinnert, wenn gesagt wird: Mitbestimmung für Individuen, aber nicht Mitbestimmung durch Repräsentation.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?
Herr Kollege Farthmann, habe ich Sie denn immer richtig verstanden, daß auch Sie diesen Mitbestimmungsgesetzentwurf der Bundesregierung nicht für richtig halten?
Darüber habe ich im Moment gar nicht gesprochen.
({0})
- Ich äußere mich dazu, Herr Jenninger. Gedulden Sie sich! - Ich habe hier einen ganz grundsätzlichen Gesichtspunkt aufgegriffen - so meine ich jedenfalls -, weil ich der Meinung bin, daß es auch in der parlamentarischen Demokratie ein Unterschied ist, ob mir irgendein Repräsentant vorgesetzt wird - ich erinnere an die Unternehmen, die durch die Banken hinter irgendwelchen verschlossenen Türen kontrolliert werden - oder ob sich die Arbeitnehmer einen Repräsentanten selber wählen und ihn kontrollieren können.
({1})
Wer diesen Unterschied leugnet, meine Damen und Herren - deswegen messe ich dem eine so grundsätzliche Bedeutung bei , muß auch unsere Funktion in diesem Hause leugnen, nämlich die Funktion der repräsentativen Demokratie, wie wir sie bei uns haben.
({2})
Dieser Gesichtspunkt paßt haargenau in das, was in Ihrer sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Diskussion immer wieder anklingt, nämlich die Abwertung sogenannter kollektivistischer Lösungen, wie Sie das nennen. Dazu lassen Sie mich folgendes sagen: Wir als SPD sind für so viel individuelle Freiheit wie eben möglich. Das lassen wir uns von Ihnen nicht ausreden.
({3})
Aber wir wissen spätestens seit Bismarcks Sozialreform, daß die Voraussetzung für jede individuelle Freiheit die Sicherung der vitalen Lebensbedürfnisse ist und daß man diese Sicherung der vitalen Lebensbedürfnisse für den größten Teil der Bevölkerung, der nicht über wohlbelegene Grundstücke und anständige Portefeuilles von Wertpapieren verfügt, nur durch ein kollektives System sozialer Sicherung gewährleisten kann.
({4})
Meine Damen und Herren, ich wäre sehr dankbar, wenn wir bei allen künftigen Überlegungen über den Ausbau der sozialen Sicherung und deren Fortentwicklung sowie bei sozialpolitischen Diskussionen diese Binsenweisheit nicht immer wiederholen müßten und dazu kommen könnten, daß wir diese grundsätzliche Erkenntnis bei allem berücksichtigen, was wir noch vorhaben.
Lassen Sie mich ein letztes zu den sozialen Einrichtungen sagen. Zur Bonität dieser Institutionen und zu ihrer Zahlungsfähigkeit ist von meinen Vorrednern alles Nötige gesagt worden. Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik häufig der Vorwurf einer Verunsicherungsstrategie gemacht worden. Ich sage: Wenn Sie jetzt auch noch den arbeitslosen Arbeitnehmer verunsichern wollen, ob er demnächst noch seine Arbeitslosengelder bekommt, dann halte ich das für den schlimmsten Fall der Verunsicherungsstrategie.
({5})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Teil des Änderungsantrags der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 7/3394, der sich auf Einzelplan 11 bezieht. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan unter Einschluß der soeben beschlossenen Änderung. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -({0})
Enthaltungen? Das erste war die Mehrheit; es ist
so beschlossen.
Ich gebe das Wort zu einer persönlichen Erklärung Herrn Abgeordneten Wolfram.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe folgende persönliche Bemerkung gemäß § 35 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ab.
Wolfram ({0})
Erstens. Ich entschuldige mich, daß ich Herrn I Franke während seines Debattenbeitrags zugerufen habe: „Er lügt."
Zweitens. Herr Franke hat daraufhin öffentlich mit meiner Namensnennung eine wahrheitswidrige Bemerkung wiederholt, die der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Herr Abgeordneter Seiters, bereits in der Bundestagssitzung am 2. April 1974 geäußert hat.
({1})
Ich hatte seinerzeit Herrn Seiters wiederholt schriftlich gebeten, den Wahrheitsbeweis für seine auch heute von Herrn Franke wiederholte wahrheitswidrige Behauptung anzutreten
({2})
oder sich zu entschuldigen. Das hat der CDU-Abgeordnete Seiters nicht getan.
({3})
Ich habe daraufhin den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden, Herrn Professor Carstens, schriftlich gebeten, Herrn Seiters zu veranlassen, die wahrheitswidrige Behauptung zurückzunehmen und sich zu entschuldigen.
({4})
Herr Professor Carstens konnte sich dazu nicht bereitfinden.
({5})
Die Präsidentin des Deutschen Bundestages hat mir daraufhin in der 104. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Juni 1974 Gelegenheit gegeben, in einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung die wahrheitswidrige Behauptung des CDU/CSU-Geschäftsführers Seiters zurückzuweisen.
({6})
Herr Franke hat trotzdem die seinerzeitige Unterstellung wiederholt. Seine Aussage entspricht nicht der Wahrheit. Ich weise sie deshalb mit aller Entschiedenheit zurück.
Vielen Dank!
({7})
Meine Damen und Herren, ich rufe auf:
Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit
- Drucksache 7/3155 Berichterstatter:
Abgeordneter Carstens ({0}) Abgeordneter Schröder ({1})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Wird das Nort zur Aussprache gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzellan 15 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Tugend, Familie und Gesundheit. Wer ihm die Zustimmung in zweiter Lesung geben will, den bitte ch um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Einelplan ist in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen nun zum
Einzelplan 09
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft
- Drucksachen 7/ 3149, 7/3221 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner and der
Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses ({2}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Zeyer, Frau Pack, Thürk und der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses ({3}) zum Antrag der Bundesregierung betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur ({4})
- Drucksachen 7/3009, 7/3254 - Berichterstatter: Abgeordneter Blank
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff,
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Darf ich zunächst darauf zurückkommen, daß Herr Franke vorhin freundlicherweise erklärt hat, die Nichtbeantwortung einer Zwischenfrage sei nicht gegen mich persönlich gerichtet. Ich habe das mit Dank zur Kenntnis genommen. Ich hatte es eigentlich auch nicht anders erwartet. Aber Herr Kollege Franke, dann hat es natürlich sachliche Gründe gegeben, und die Frage danach beantwortet eigentlich das heutige Kalenderblatt - vom 20. März - der Deutschen Pfandbriefanstalt mit folgendem Zitat: „Schlechte Argumente bekämpft man am besten, indem man ihre Darlegung nicht stört."
({0})
Sie wollten sich nicht stören lassen, Herr Franke.
Meine verehrten Damen und Herren, ich will hier keine Debattennachlese betreiben, möchte eigentlich nur zwei Punkte erwähnen. Der Fraktionsvorsitzende der Opposition hat gestern eine Bemerkung gemacht, die man sich, wie ich meine, auf der Zunge zergehen lassen muß. Er sprach nämlich wie folgt: „Als die CDU/CSU 1969 die Regierungsgewalt in Ihre Hände legte." Das parlamentarische Demokratieverständnis des Kollegen Carstens entspricht etwa dem eines, ich
hoffe wenigstens noch konstitutionellen und nicht eines absoluten, Monarchen.
({1})
Ein weiterer Punkt, Herr Kollege van Delden. Heute hat auf eine Zwischenfrage der Kollege Möller geantwortet, er sei der Überzeugung, ({2}) - Alex Möller, ja; Professor Dr. Alex Möller,
({3})
damit wir ganz klar sind, Herr Kollege Möller ({4}). Er hat auf eine Frage geantwortet, ganz sicherlich werde nach seiner Meinung ein verantwortungsbewußtes Mitglied der CDU/CSU-Fraktion an einem NPD-Kongreß nicht teilnehmen, und wir haben das alle mit Zustimmung und Wohlgefallen aufgenommen. In ihrer heutigen Ausgabe bringt „Die Zeit" ein Bild des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß auf einem Kongreß des „Bundes Freies Deutschland". Sehen Sie einen großen Unterschied, meine Damen und Herren?
({5})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Möller?
Selbstverständlich, Frau Präsident, bitte sehr!
Herr Graf Lambsdorff, würden Sie bestätigen, daß die meisten führenden Mitglieder des BFD altgediente, langjährige Gewerkschaftsmitglieder und Sozialdemokraten sind?
Herr Kollege Möller, erstens sind es wahrscheinlich nicht die meisten - ich kann das nicht genau abzählen -,
({0})
und zweitens - ({1})
- Ich wußte doch, wovon ich sprach, nämlich davon, daß der BFD eine Organisation ist, bei der ich mich jedenfalls und Liberale wie offensichtlich auch Sozialdemokraten sich nicht auf Veranstaltungen zeigen werden; das bleibt Ihnen vorbehalten.
({2})
Meine Damen und Herren, ich will weiter keine Nachlese betreiben, und ich habe auch, Herr Professor Mikat, nicht die Absicht, ausführlich auf Sonthofen einzugehen. Die Welt dreht sich nicht um. Sonthofen, nicht einmal um den Redner von Sonthofen.
Es ist heute morgen ein Problem erörtert worden, das ich gern an den Anfang meiner Ausführungen stellen möchte. Kurz behandeln möchte ich die Frage des Verlustrücktrages, neudeutsch „carry back" genannt. Die Frage des Verlustrücktrages hat der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz angeschnitten. In der Tat ist es so, daß meine Freunde und ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister in einer intensiven Diskussion über die Frage sind, ob ein der Höhe und der Zeit nach begrenzter Verlustrücktrag eingeführt werden kann. Und es ist auch so, daß wir Verständnis dafür haben, daß angesichts der gegebenen Haushaltslage, die Sie ja mit wortreichen und blumigen Ausdrücken beklagt haben, die Entscheidung noch etwas draufzutun, einem Finanzminister schwerfallen muß. Wir bitten nur darum, mit uns gemeinsam die Größenordnungen zu vergleichen, die zur Debatte stehen, und dann zu sehen, ob man nicht doch zu einem solchen Ergebnis kommen kann.
Ich stelle das an den Anfang, weil ich ganz klarmachen möchte, daß es selbstverständlich zwischen den Koalitionspartnern in der einen oder der anderen Frage sachliche Meinungsverschiedenheiten gibt. Wie sollte das eigentlich nicht der Fall sein? Aber wir werden diese Meinungsverschiedenheiten sachlich ausdiskutieren, und wir sind bisher in allen Fällen zu Ergebnissen gekommen. Sollten sich Meinungsverschiedenheiten einmal zu einem wirklichen Arger innerhalb der Koalition verdichten können, verfügt allerdings die sozialliberale Koalition geradezu über ein Wunderheilmittel. Meine Damen und Herren, der Kollege Franz Josef Strauß klebt, leimt und kittet alles.
({3})
Er hat uns nicht die Ehre gegeben, heute, am zweiten Tage der Debatte, hier teilzunehmen. Wir hoffen zuversichtlich, daß er sich auf seine Wahlauftritte in Nordrhein-Westfalen als ein für uns unentbehrlicher Wahlhelfer vorbereitet!
({4})
Meine Freunde und ich möchten diese Haushaltsdebatte aber dazu benutzen, um eine Bestandsaufnahme dessen zu versuchen, was in zweieinhalb Jahren dieser Legislaturperiode an sozialliberaler Wirtschaftspolitik vom Grundsätzlichen her praktiziert worden ist. Für den Sprecher der FDP, für den Sprecher der liberalen Fraktion, heißt das: Ist diese Regierung, ist dieser liberale Wirtschaftsminister seiner Verantwortung für die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Marktwirtschaft gerecht geworden?
Ich wiederhole, was ich an dieser Stelle für meine Fraktion schon einmal gesagt habe. Nach unserer Auffassung ist das System der sozialen Marktwirtschaft verfassungsrechtlich nicht garantiert und geschützt; es ist nicht durch das Grundgesetz gesichert. Auch andere Wirtschaftssysteme sind nach dem Grundgesetz möglich. Wir begrüßen das. Wir begrüßen es deshalb, weil uns das dazu aufruft, die soziale Marktwirtschaft und die entsprechende Wirtschaftspolitik täglich zu verteidigen, täglich für sie
einzutreten und sie nicht als etwas Selbstverständliches hinzunehmen.
Meine Damen und Herren, die Marktwirtschaft ist ja offensichtlich, wenn wir uns hier in der Diskussion umhören, eine Überzeugung aller drei Fraktionen. Allerdings fragt man sich - und dies gilt nicht nur hier im Parlament; ich glaube, es geht auch nach draußen , ob nicht dabei oft genug Lippenbekenntnisse abgelegt werden. Wir alle müssen uns dies fragen; ich frage hier nicht etwa nur den einen oder den anderen, ich frage auch uns selbst. Sehen wir uns doch im Lande um: Unternehmer sind für Kartelle, Gewerkschaften stimmen nur zu gerne Konzentrationsbewegungen zu, Mittelständler sind für Naturschutzparkdenken, freie Berufe treten für Berufsordnungen und Zunftdenken ein.
({5})
- Ich habe gerade gesagt, Herr Möller: ich richte diese Frage an uns alle, auch an uns selber. Es sollte doch möglich sein, auch einmal selbstkritisch eigene Positionen zu überprüfen und zu erörtern, auch wenn Ihnen dies nicht möglich ist.
({6})
Wie häufig rangiert nicht auch bei uns Politikern das Ressortdenken vor ordnungspolitischen Überlegungen und Entscheidungen? Nehmen Sie die ganze Breite der Zuständigkeiten: Gesundheit, Verkehr, Soziales, Umwelt. Selbst innerhalb der Zuständigkeiten eines Bundeswirtschaftsministeriums rangiert bei der einen oder anderen Abteilung das Ressortdenken, das Abteilungsdenken, nur allzu leicht vor dem ordnungspolitischen Denken. Ich stelle das nicht etwa als Vorwurf fest, sondern einfach als eine natürliche und gegebene Problemstellung. Eben diese Problemstellung müssen wir durch Ordnungspolitik korrigieren; ihr müssen wir gerecht werden.
Walter Eucken hat das einmal so formuliert - ich darf das mit Genehmigung der Frau Präsident zitieren :
Mit der Politik der Wettbewerbsordnung oktroyiert der Staat nicht eine Wirtschaftsordnung, sondern er bringt zur Geltung, was sonst durch andere Tendenzen zurückgedrängt würde.
In unserer Zeit ist in der Tat die Versuchung groß, vielleicht größer als je zuvor in den letzten 25 Jahren, weil die Schwierigkeiten größer geworden sind, zu falschen ordnungspolitischen Entscheidungen zu kommen. Denken Sie nur daran, welche Abwehrmaßnahmen wir uns gegen die Bedrohung aus der Weltwirtschaft - Herr Farthmann hat vorhin mit vollem Recht einiges zitiert - überlegen müssen. Alles verführt dazu, ordnungspolitisch die Pfade zu verlassen, auf denen wir eigentlich angetreten sind. Energiekrise, Rohstoffprobleme, Weltwährungsfragen: dies sind nur ein paar Stichworte. Aber sie sind, wie wir alle wissen, voller täglicher, aktueller Brisanz.
Die Energiepolitik dieser Bundesregierung, um auf dieses Thema einzugehen, wird nachher von dem Kollegen aus der SPD-Fraktion eingehend behandelt werden. Ich darf mich mit Stichworten begnügen. Dies ist die erste Bundesregierung überhaupt, die mit einem vollständigen Energieprogramm angetreten ist, und zwar vor Ausbruch der Energiekrise.
({7})
Die Fortschreibung dieses Energieprogramms ist im Gange, erfreulicherweise unter Beteiligung und bei einigermaßen leidenschaftsloser Diskussion aller Fraktionen. Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat es fertiggebracht, ohne Höchstpreise und ohne Kontingentierung durch die akute Krise im Herbst 1973 zu kommen, fast als einziges Land der Welt, mindestens als einziges Land in Europa. Mit dem Ergebnis, daß Treibstoff und auch Heizöl heute in der Bundesrepublik zu den niedrigsten Preisen in ganz Europa angeboten werden. Marktwirtschaft und Wettbewerbspolitik haben also hier ihre Bewährungsprobe voll bestanden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich anmerken: Es ist beiden Bundesregierungen, sowohl dem Kabinett Brandt /Scheel als auch der Regierung Schmidt! Genscher, in hohem Maße zu verdanken, daß sie den Versuchungen und Verlockungen, sich auf das Gebiet von Preis- und Lohnstopp zu begeben, niemals erlegen sind. In fast allen anderen Ländern der Welt ist man diesen falschen Weg gegangen. Beide Bundeskanzler haben sich dafür stark gemacht und haben dies vermieden.
({8})
Wir haben natürlich mit dieser Entscheidung unsere Energie verteuert. Aber wir bleiben bei der Überlegung: besser teurere Energie als keine Energie. Wir sind der Verpflichtung der sozialen Marktwirtschaft dadurch gerecht geworden, daß wir versucht haben, durch den Heizkostenzuschuß einen Ausgleich zu erreichen. Allerdings sollten wir auch feststellen, daß selbst die besten Absichten - ich erinnere mich, Herr Kollege Wehner, an eine Unterhaltung, die wir damals hatten -, den sozial Schwachen zu helfen, in einem so weit durchrationalisierten oder -organisierten Staat erst viel später bei denjenigen, denen wir helfen wollten, angekommen sind, als wir es uns gutwillig vorgestellt hatten. Man fragt sich manchmal, ob sie eigentlich heute beim letzten eingetroffen sind.
Selbstverständlich, meine Damen und Herren, gibt es noch offene Fragen. Natürlich haben wir auch einige Entscheidungen getroffen und, so glaube ich, treffen müssen, die man, wenn ich das einmal salopp ausdrücken darf, nur mit Bauchschmerzen treffen konnte. Für mich gehört dazu z. B. das Dritte Verstromungsgesetz. Da aber keine anderen Möglichkeiten bestanden, mußten wir diesen Weg gehen. Die Zielsetzung dieses Gesetzes wird von uns allen, insbesondere auch von meinen Freunden, voll bejaht, nämlich der Einsatz und die Sicherung der heimischen Energie.
Es gibt offene Fragen in der Ölpreispolitik, weltweite Fragen zum Floor-Preis, und es wird sicherlich nicht einfach sein, die Frage der Mineralölbevorratung so zu regeln, daß wir nicht an ordnungspolitische Grenzen stoßen.
Die Rohstoffpolitik dieser Regierung ist kritisiert worden. Wollen wir wirklich - Herr Kollege Narjes, wir haben hier mehrfach darüber diskutiert -diese Bundesrepublik zu einem großen Stapelhaus für Rohstoffe und Commodities machen? Ich glaube, es wird uns nicht gelingen, es wird nicht möglich sein. Es wird uns im Endeffekt auch nicht helfen. Es wird uns immer gerade der Rohstoff fehlen, den wir zufällig nicht aufgestapelt haben. Für mich - dies ist vielelicht eine etwas vereinfachte Schau, ich will das nicht bestreiten - gibt es eigentlich nur zwei Rohstoffe besonderer Art, auf die solche Bemühungen sich erstrecken können, nämlich Öl und Lebensmittel, und vielleicht entwickelt sich Uran in diese Richtung. Aber wir können die Bundesrepublik nicht zu einem großen Vorratslager machen. Wir können es nicht bezahlen, und letztlich hilft es auch nicht.
Helfen wird uns in dieser Situation: alles zu tun, um die freien Weltmärkte aufrechtzuerhalten, d. h. also Zurückhaltung bei Rohstoffabkommen zu üben.
Erinnern Sie sich bitte daran, daß wir hier das Kakaoabkommen verabschiedet haben. Ich betrachte es als meinen ersten Sündenfall in diesem Hause; ich war ja kaum hier eingezogen. Aber schließlich hatte der damalige Bundesaußenminister mich wissen lassen, daß nun auch der Heilige Stuhl darauf bestünde, daß wir das Kakaoabkommen beschlössen. Nun, ich habe zugestimmt. Ich will diese leidvolle Geschichte nicht vortragen. Das ganze Abkommen ist heute keine Bohne mehr wert. Beim Kaffeeabkommen ist es genau dasselbe. Die ganzen Rohstoffabkommen haben sich als sinnlos erwiesen und werden sich auch zukünftig als sinnlos erweisen. Für jemand, der Wettbewerbspolitiker ist, ist dies eine erfreuliche Tatsache. Aber, und da hat Herr Farthmann recht, wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Probleme der Produzentenländer, der Entwicklungsländer mit dieser Antwort allein nicht gelöst sind, sondern daß hier eine Aufgabe zu erfüllen ist.
Wir haben gesehen, daß auch die Rohstoffkonferenz in Algier nicht funktioniert hat. Ich gebe meiner Überzeugung auch hier Ausdruck: Kartelle halten niemals ewig. Dies gilt auch, selbst wenn das vermessen klingt, für das Ölkartell.
({9})
- Herr Kollege van Delden, wir können über die Ausnahmebereiche und deren marktwirtschaftliche Begründung - Sie können bei Röpke und Eucken darüber einiges nachlesen - gerne zu gegebener Zeit diskutieren.
In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung für die Wirtschaftspolitik dieser Regierung, daß in den GATT-Verhandlungen, die vor uns liegen - und wenn es Sie langweilt, daß ich das zu wiederholten Malen hier erwähne, ich kann es nicht ändern -, alles tun, was in unseren Kräften steht, um den freien Welthandel aufrechtzuerhalten. Hier, Herr Bundeswirtschaftsminister, noch einmal unseren ausdrücklichen Dank dafür, daß Sie in Tokio die
Weichen in dieser Richtung im letzten Jahr richtig gestellt haben.
({10})
Ein drittes Problem voller Brisanz ist das Weltwährungssystem.
Erstens: Natürlich ist die Feststellung richtig - und niemand von uns hat jemals etwas anderes behauptet , daß das alte Weltwährungssystem durch die Inflation ruiniert worden ist, nicht erst durch die Ölpreiserhöhung. Aber die Einführung des Floating im Mai 1973 hatte ja mehrere Aspekte. Ein Aspekt war zunächst einmal die politisch ganz wichtige Entscheidung, daß wir dies in Übereinstimmung mit unseren Partnern, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, getan haben und nicht, wie beim Mal davor, unter Vertragsverletzung. Die Aufhebung des Smithonian Agreement und damit die Einführung freier Wechselkurse war eine bedeutende, zunächst einmal politische Leistung.
Zweitens: Wir haben nach innen die Stabilitätspolitik damit überhaupt erst möglich gemacht. Ich will auf dieses Thema nicht wieder lange eingehen. Wir werden uns vermutlich nie darüber einigen, ich glaube, weil Sie sich darüber nicht einigen wollen. Aber es ist inzwischen ziemlich unbestritten, außer von Ihnen allerdings, daß ohne die Abschaffung der Ankaufspflicht der Bundesbank für den amerikanischen Dollar und damit Einführung der Geldmengenpolitik Stabilitätspolitik in diesem Lande nicht möglich gewesen wäre.
Nach außen: Haben wir eigentlich wirklich mit der Einführung freier Wechselkurse die vielbefürchtete Desintegration produziert, die Desintegration in den Handelsbeziehungen? Ich glaube, der Titel, Herr Bundeswirtschaftsminister, den Sie Ihrem Buch gegeben haben, ist gerade hier gerechtfertigt. Der Mut zum Markt hat immer gefehlt. Eines Tages sind wir dazu gezwungen worden, weil uns die Inflation das Weltwährungssystem überrollt hat, und plötzlich funktioniert ein solcher freier Markt. Es geht auch, der Anlagenexport geht sogar, und die Kalkulation kann auch durchgeführt werden. Es hat sich besser bewährt, als man denkt. Vielleicht ist dies eines der vielen Provisorien, das sich letztlich als eine dauerhafte Lösung erweist. Wenngleich ich noch einmal betonen möchte, daß wir es für richtig hielten, wenn die europäische Schlange - und nach letzten Informationen ist ja dort einiges im Gange - sich innerhalb Europas wieder festigen und ausweiten könnte - einfach auch deswegen, weil wir das zur Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion brauchen.
Wir, die Liberalen in diesem Hause, bleiben bei der Forderung nach freiem Kapitalverkehr. Für uns war und ist § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes ein trauriger Notbehelf. Wir begrüßen noch einmal, daß er abgeschafft und im rechten Zeitpunkt ohne Zögern zu den Akten gelegt wurde. Wir erinnern in diesem Zusammenhang aber auch daran, daß der damalige Finanzminister der Großen Koalition, unser Kollege Franz-Josef Strauß, zur Aufwertung nein, zum § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes hingegen ja gesagt und auch in diesem Fall ordnungs11184
politisches Denken hintangestellt und sich durch fehlenden Mut zum Markt ausgezeichnet hat.
Die internationale Zusammenarbeit, die diese Bundesregierung auf dem Währungsgebiet mit den Organisationen, die sich damit zu beschäftigen haben, vorgeführt hat, ist schlichtweg vorbildlich. Es gibt nichts auszusetzen und nichts zu tadeln an der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds, mit der Weltbank, mit der OECD, mit der Internationalen Energie-Agentur, soweit sie sich mit Währungsproblemen beschäftigt. Ganz sicher war es auch richtig, daß wir den Mut zu der Entscheidung gefunden haben, dem Europäischen Regionalfonds großzügig gegenüberzutreten. Die Bundesrepublik Deutschland hat in allen diesen Organisationen zu freiheitlichen Regelungen beigetragen. Sie hat überall das Ihre getan, um liberale Prinzipien aufrechtzuerhalten und die Freiheit des Welthandels zu sichern. Meine Damen und Herren, dies ist nicht ganz einfach, aber es ist der Bundesregierung nach unserer Überzeugung gelungen, die Verantwortung gegenüber unseren Partnern und unser eigenes Interesse loyal und ausgewogen miteinander zu verbinden und dann zu vertreten.
Ich darf hier noch einmal sagen: Wir begrüßen das Entgegenkommen der Bundesregierung im Falle der europäischen Regionalpolitik. Wenn wir in der europäischen Regionalpolitik nicht vorankommen, wenn wir es nicht erreichen, daß der Unterschied der Regionen einigermaßen ausgeglichen wird, werden wir niemals zu einer europäischen Konjunkturpolitik kommen. Wenn nämlich Konjunkturpolitik mit Konjunkturdämpfung in ganz unterentwickelten Gebieten blitzschnell zu 30 oder 40 % Arbeitslosigkeit führt, ist eine europäische Konjunkturpolitik nicht mehr möglich. Deswegen eben brauchen wir europäische Regionalpolitik nach dem Muster, wie sie hier viele Jahre - nicht nur unter dieser Regierung, auch unter den Vorgängern - in der Bundesrepublik im Prinzip erfolgreich durchgeführt worden ist.
Wir haben viele offene Probleme auch auf diesem Gebiet. Das Recycling ist keineswegs gelöst, die Neuordnung des Weltwährungssystems - ich erwähnte das schon - auch nicht. Die ausländischen Kapitalanlagen in der Bundesrepublik stellen uns wieder vor Fragen, die auch ordnungspolitisch durchdacht und beantwortet werden müssen.
Eine wichtige Voraussetzung für eine solche freiheitliche Wirtschafts- und Währungspolitik ist und bleibt in unseren Augen die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank. Wir begrüßen und bedanken uns für die verantwortungsvolle Haltung der Bundesbank. Die FDP kann sich mit Gedanken an die Zwei-Schlüssel-Theorie nicht befreunden. Aber ich habe heute morgen mit Interesse dem Zwischenspiel bei der Rede useres Kollegen Althammer zugehört, als er die Andeutung machte, die Bundesbank sei ihrem öffentlichen Ansehen und ihrer parteipolitischen Neutralität nicht gerecht geworden, und der Kollege Stücklen mit einem Zwischenruf auf meine Frage erklärte: Mindestens die Gefahr besteht. - Ich bitte die Opposition sehr eindringlich und sehr herzlich, nun wenigstens die Bundesbank aus den parteipolitisch motivierten Erörterungen herauszulassen.
({11})
Auf dem Gebiet der Kreditpolitik werden wir uns mit einer Novellierung des Kreditwesengesetzes - die Bundesregierung hat diesen Gesetzentwurf eingebracht; er ist gerade vom Bundesrat zurückgekommen - nach den schlechten Erfahrungen des Vorjahres befassen. Wir wollen den besseren Schutz der Einleger, wir wollen eine bessere Aufsicht, und wir glauben, daß wir auch in der Frage der Großkredite zu einer Einigung und zu einem vernünftigen und praktizierbaren Kompromiß mit dem Herrn Bundesfinanzminister finden werden.
({12})
- Herr Kollege Höcherl, ich sagte: Wir glauben, daß wir einen Weg finden werden. Die Frage ist zu prüfen. Sie wird geprüft werden, und unter verständigen Zeitgenossen ist in einer solchen Sachfrage, die ja letztlich nicht mit politischer oder gar parteipolitischer Brisanz angefüllt sein muß, doch wohl ein Kompromiß, ein gangbarer und brauchbarer Weg möglich.
Aber, meine Damen und Herren, aus Ihren Reihen hört man dann sehr schnell den Vorwurf: Es ist ja sehr schön, daß ihr in der Welt für marktwirtschaftliche Positionen sorgt; wie sieht es denn hier bei uns im Lande aus? Nun, diese Bundesregierung ist jeder Versuchung zur Einführung der Indexierung nicht nur ausgewichen; sie hat ihr widerstanden. Sie sind ihr häufig genug bedenklich nahegekommen. - Herr Müller-Hermann, ich sehe, Sie freuen sich über diese Bemerkung. Ich muß Ihnen ja nicht all das von Herrn Schäfer usw. wieder erzählen.
({13})
Ich habe schon erwähnt, daß wir in der Frage des Preis- und Lohnstopps eine feste Haltung eingenommen haben.
Dies allerdings ist für mich ein wesentlicher Punkt, gerade auch im Interesse meiner Fraktion: Wir und die Budesregierung haben die Prinzipien und die Instrumente der Globalsteuerung verteidigt. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben dem Kollegen Strauß, als er im Dezember 1974 hier gegen die 7,5 %ige Investitionszulage mit dem bekannten Argument der Gießkanne zu Felde zog, den Ehrentitel eines Senior-Juso verliehen. Meine Damen und Herren, dies ist in der Tat eine sehr entscheidende Frage. Denn wer von der Globalsteuerung abgehen will, wer solche Investitionszulagen danach ausrichten will, ob der Betrieb A sie bekommt, der Betrieb B nicht, der Betrieb C nur die Hälfte, der muß uns auch sagen, wer das eigentlich entscheidet, welcher kluge Ministerialrat in welchem Ministerium eigentlich die Entscheidungen trifft. Wir sind dann mitten in der Interventionswirtschaft. Bei diesem Abgehen von der Globalpolitik auf dem Gebiet der Konjunkturpolitik machen wir nicht mit.
({14})
- Der Vorwurf, wir würden nach dem Prinzip der Gießkanne arbeiten, Herr Höcherl, ist falsch.
Ich habe gestern einige interessante Bemerkungen in diesem Zusammenhang gehört, so z. B. von Herrn von Weizsäcker. Ich weiß nicht, ob er im Hause ist. Herr von Weizsäcker hat gestern gesagt - und er hat dabei eine Formulierung des Kollegen Blüm aufgegriffen -, mit der Investitionszulage sei die Großindustrie einseitig bevorzugt worden. Das liegt schlicht neben der Sache. Jeder, der investiert, bekommt 7,5 % Investitionszulage, ob groß oder klein, und zwar gemessen an seinem Investitionsvolumen.
({15})
Ein Weiteres kommt hinzu: Wir haben gestern von Herrn Strauß gehört - und wir unterschreiben das, wir halten das für richtig -, daß die Wiederherstellung von Rentabilität, die Verbesserung der Gewinnlage Forderung Nr. 1 an die Wirtschaftspolitik dieser Tage ist. Ja, was denn nun eigentlich? Wie herum soll es denn gehen?
({16})
- Ja, das war etwas zu einfach. Herr von Weizsäcker hat sich das etwas zu einfach gemacht.
({17})
Sie müssen das nämlich bis zum Ende durchdenken und uns dann sagen, wie dieses Problem denn wohl gelöst werden sollte.
Herr von Weizsäcker hat sich gestern darüber beklagt, daß Vermögensbildung nicht stattfinden kann. Nun muß ich doch noch einmal den Kollegen Strauß aus Sonthofen zitieren - aber ich stimme ihm da zu -: „Zur Vermögensbildung kann ich nur sagen: zur Zeit nichts, zur Zeit fehlen sämtliche Voraussetzungen für eine Vermögensbildungspolitik." Genau dies haben wir, hat die Bundesregierung hier nach dem Herbst 1973 und den damit verbundenen Ereignissen erklärt, und dies ist zur Zeit auch richtig. Das heißt nicht, daß wir diese Ziele aufgeben,
({18})
sondern es heißt, daß wir zur Zeit keine Möglichkeit sehen, eine solche Zielsetzung zu realisieren.
({19})
Auch Herr Franke hat heute das Ausbleiben der Vermögensbildung beklagt. Er hat sich nicht nur beklagt - das könnte man noch tun, nämlich sich im Laufe der Klagen über die Weltläufte auch darüber beklagen, daß so etwas nicht möglich sei -, nein, er meint, die Bundesregierung müsse heute ein aktuelles Programm zur Entscheidung vorlegen. Dies allerdings halte ich schlicht für wirtschaftlichen und vermögenspolitischen Nonsens - unter den gegebenen Umständen. Ein großer Teil von Ihnen ist hier ja meiner Meinung.
Ich komme zurück zum Grundsatz der Globalsteuerung. Wer in konjunkturpolitischen Fragen auf die Interventionswirtschaft und auf Einzelentscheidungen übergeht, der ist sehr schnell im Bereich der Investitionslenkung, im Bereich der Investitionskontrolle. Wir - meine Fraktion und die Bundesregierung - haben wiederholt erklärt: Investitionslenkung und Investitionskontrolle kommen nicht in Frage. Ebensowenig kommen für uns Verstaatlichung oder Vergesellschaftung als Mittel der Wirtschaftspolitik in Betracht. Wir bleiben bei dem Grundsatz, daß das Privateigentum an den Produktionsmitteln eine der Grundlagen dieser Wirtschaftsordnung ist - übrigens neben der Gewerbefreiheit, die in diesem Zusammenhang immer wieder vergessen wird und die eine ganz wesentliche Voraussetzung für Marktwirtschaft ist.
({20})
- Ich gucke Sie an, weil ich mich an Ihren freudigen Gesichern erheitere. Warum soll ich das nicht tun?
({21}) : Sie sollten mehr nach links gucken!)
Aber, meine Damen und Herren, wir kommen zu einer Einschränkung. Dies alles kann so alleine nicht stehenbleiben, und ich darf noch einmal mit Genehmigung der Frau
Wie also Privateigentum an Produktionsmitteln eine Voraussetzung der Wettbewerbsordnung ist, so ist die Wettbewerbsordnung eine Voraussetzung dafür, daß das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht zu wirtschaftlichen und sozialen Mißständen führt. Das Privateigentum an Produktionsmitteln bedarf der Kontrolle durch die Konkurrenz.
Dies allerdings, das Bekenntnis zum Wettbewerb, muß integraler Bestandteil der Marktwirtschaft bleiben; und dies hat diese Bundesregierung getan. Hier haben Sie kein stolzes Kapitel vorzuweisen. 13 Jahre, glaube ich, hat es gedauert, bis endlich eine Regierung der sozialliberalen Koalition die Kartellnovelle zustande gebracht hat.
({0})
Dies haben Ihre Regierungen nicht fertig gebracht. Dies war eine überfällige Verbesserung des sogenannten Grungesetzes der Marktwirtschaft, des Kartellgesetzes, und dies allerdings nehme ich für diese Koalition in Anspruch: Wir dürfen mit Fug und Recht stolz auf diese wettbewerbsrechtliche Leistung sein. Wir haben die Fusionskontrolle eingeführt, wir haben die Mißbrauchsaufsicht verbessert, wir haben die Preisbindung der zweiten Hand abgeschafft und die abgestimmten Verhaltensweisen, was dringend notwendig war, in das Gesetz eingeführt. Wir haben aber auch die Mittelstands-Empfehlung und die Kooperations-Erleichterungen im Gesetz verankert, und wir haben mit der Monopolkommission ein unabhängiges Gremium geschaffen, das in der wettbewerbsrechtlichen Diskussion der Bundesrepublik hoffentlich bald eine gleich angesehene Stellung erringen wird wie das Sachverständigengutachten in der konjunkturpolitischen Diskussion. Der erste Bericht der Monopolkommission jedenfalls - über die Mißbrauchsaufsicht - findet unsere Zustimmung. Wir sind nicht der Meinung, daß Mißbrauchsaufsicht dazu benutzt werden kann, Preiskontrolle oder gar Kostenkontrolle durchzuführen.
Für uns und auch für die Bundesregierung bleibt der Grundsatz, daß die soziale Marktwirtschaft keine Veranstaltung für die Unternehmer ist. Der Unternehmer muß in dieser Marktwirtschaft seinen Platz, und seine Rolle haben. Sie braucht ihn unbedingt. Aber die soziale Marktwirtschaft und dieses Wirtschaftssystem rechtfertigen sich durch die Leistung für den Verbraucher, nicht durch die Leistung für den Unternehmer. Für uns ist noch wichtiger als die ökonomische Effizienz, daß dieses Wirtschaftssystem im Vergleich zu allen andern, die wir kennen, den Freiheitsraum des einzelnen in einem Maße vergrößert hat, das nun wirklich den Zielen und Anforderungen liberaler Politik entspricht.
Heute vor 25 Jahren, am 20. März 1950, ist einer der geistigen Begründer, nicht der politischen, aber der geistigen und wissenschaftlichen Begründer dieser Wirtschaftsordnung gestorben: Walter Eucken. Deswegen habe ich ihn zweimal zitiert, und ich möchte zum Abschluß mit Genehmigung der Frau Präsidentin noch zwei Sätze zitieren:
Es ist nur die eine Seite der Wettbewerbsordnung, daß sie auf die Durchsetzung der ökonomischen Sachgesetzlichkeit dringt. Ihre andere Seite besteht darin, daß hier gleichzeitig ein soziales und ethisches Ordnungswollen verwirklicht werden soll, und in dieser Verbindung liegt ihre besondere Stärke.
Röpke hat das in die Worte „Jenseits von Angebot und Nachfrage" gefaßt, und ich, meine Damen und Herren, bin mit der FDP-Fraktion der Meinung: Die Wirtschaftspolitik der sozialliberalen Koalition ist diesem hohen Anspruch, diesen hohen Grundsätzen gerecht geworden.
Die Fraktion der FDP stimmt dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministers zu.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Breidbach.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Graf Lambsdorff hat seine Rede mit einem netten Kalenderzitat begonnen: Schlechte Argumente soll man in ihrem Vortrag nicht unterbrechen. Nun will ich, Kollege Graf Lambsdorff, Ihre Rede nicht an diesem Argument messen. Es würde wahrscheinlich treffend zurückschlagen auf Sie selbst. Sie sind nämlich sehr wenig unterbrochen worden. Ich möchte also das Argument auf Ihre Rede nicht anwenden. Sie haben allerdings gesagt - das war eine sehr interessante Variante der SPD- und FDP-Darstellung -, daß sich die Welt nicht um Sonthofen dreht. Mit dieser Variante, Herr Kollege Graf Lambsdorff, haben Sie sich von all Ihren Vorredner unterschieden, die in der Tat versuchen - ich werde dies gleich noch etwas näher ausführen -, Sonthofen zu einem Mittelpunkt deutscher Politik zu machen. Die Gemeindeväter dieser Stadt werden sich aus anderen Gründen darüber sicherlich sehr freuen. Herr Kollege Graf Lambsdorff, Sie werden mit Ihrer Position, daß sich die Welt nicht um Sonthofen dreht, in der aktuellen Diskussion der nächsten Wochen aber wahrscheinlich nicht landen können, denn wir wissen, daß Ihr Partner in der Koalition und viele Damen und Herren in Ihren Kreisverbänden auf der unteren Ebene - insbesondere gilt dies für den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen -schon große Investitionen getätigt haben, um eben Sonthofen und das, was sich um Sonthofen herumrankt, der Offentlichkeit etwas näher darzustellen.
Herr Kollege Graf Lambsdorff, mir steht es nicht an, zu werten, insbesondere dann nicht, wenn man hinter der Wertung etwas Böswilliges tut. Gestatten Sie mir aber, Ihnen ein Kompliment zu machen. Ihre Rede hat sich von manchen anderen Reden, die Sie hier vorher gehalten haben, wie ich glaube, sehr wohltuend unterschieden. Es war gewissermaßen der wirtschaftspolitische Schöngeist Graf Lambsdorff, der heute hier gesprochen hat. Herr Kollege Graf Lambsdorff, was Sie hier zu den Positionen Wettbewerb, Kartellrecht, Kartellnovelle, Marktwirtschaft und Gewerbefreiheit beschrieben und dargestellt haben, findet unsere volle Zustimmung, findet die Zustimmung der Bundestagsfraktion der CDU/CSU. Ich hatte nach dem, was Sie hier sagten, in der Tat den Eindruck, daß diese Passagen Ihrer Rede auf den linken Flügel Ihres Koalitionspartners und die Jungsozialisten gemünzt waren, mit denen Sie Schwierigkeiten haben, wenn Sie liberale Politik verwirklichen wollen, und nicht wir.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einige wenige Sätze über Sonthofen sagen. Sonthofen ist das neue Schlüsselerlebnis der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Psychiater hätten ihre helle Freude daran, dieses neue sozialdemokratische Aha-Erlebnis etwas näher zu analysieren. Ich hatte nach den Reden der letzten Tage in der Tat sehr oft den Eindruck, daß Sie einen Beratervertrag mit den Stadtvätern von Sonthofen unter der Überschrift „Versuchen Sie, Sonthofen zu einem Wallfahrtsort sozialdemokratischer Politik zu machen" abgeschlossen haben. Das schien mir in der Tat der Inhalt dieses Beratervertrages zu sein, denn Sonthofen übernimmt ja die Funktion des Heiligen Geistes für manche Sozialdemokraten, den ein relativ hilfloser Parteiapparat den Parteimitgliedern nun zur Verfügung stellt, um ein Aufputschmittel für müde Geister zu haben.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sonthofen ist gewissermaßen Opium für die SPD-Funktionäre auf der unteren Ebene geworden. Aber Sie können ruhig weiter über Sonthofen reden. Ich bin nämlich sicher, daß den Wählern Sonthofen bald genauso zum Halse heraushängt
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wie Begriffe wie: soziale Symmetrie, Reformpolitik, innere Reformen, Friedenspolitik und wie Namen, die sich mit dem Slogan „Wir schaffen das moderne Deutschland mit den besseren Männern" verknüpfen und verbinden.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen anderen Aspekt, der in fast jeder Rede insbesondere der sozialdemokratischen Debattenredner aufgetaucht ist, anschneiden, und zwar das Thema Gewerkschaften. Die Christlich Demokratische Union weiß um das - auch ökonomisch - richtige Verhalten der Gewerkschaften aus ihrer Regierungszeit. Für uns waren die Gewerkschaften Partner und nicht Verbündete. Wir lehnen es ab, eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu Verbündeten einer politischen Volkspartei zu machen. Wir tun dies, weil wir Sorge haben, daß die Gewerkschaften unter der Überschrift „Verbündete" ihre Unabhängigkeit verlieren, die sie in einem demokratischen Staat und als Interessenvertreter der Arbeitnehmer unbedingt benötigen.
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Ich hatte allerdings bei manchen Reden, die hier und draußen gehalten werden, den Eindruck, als wollten die Sozialdemokraten die Gewerkschaften gewissermaßen einverleiben, sie zu einem Transmissionsriemen sozialdemokratischer Politik und sozialdemokratischer Parteistruktur machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage ganz deutlich, wer einen Besitzanspruch auf die Einheitsgewerkschaft erhebt, zerstört die Einheitsgewerkschaft, gefährdet die Tarifautonomie und die Sozialpartnerschaft, um die die Gewerkschaften 20 Jahre lang gekämpft haben.
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- Entschuldigung, ich kann Ihre Unruhe verstehen.
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Sie wissen doch um die Schwierigkeiten, die die Gewerkschaften zur Zeit haben, ihren Mitgliedern darzustellen, warum ausgerechnet eine selbsternannte sozialliberale Koalition die höchsten Arbeitslosenzahlen, die höchsten Kurzarbeiterzahlen und die höchsten Preissteigerungen provoziert hat.
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Die Ausrede, das Ausland sei schuld, ist auch eine Position, die in sämtlichen Reden - man kann sagen, von Bundeskanzler Schmidt bis Graf Lambsdorff - wiederkehrt. Dabei wird der Eindruck erweckt, als hätte - so Herr Ehrenberg - „die CDU/CSU unter einer weltmarktpolitischen Idylle Wirtschaftspolitik betrieben". Ich weiß nicht, ob das Gedächtnis vieler sozialdemokratischer Redner hier und draußen so kurz ist. Wollen Sie etwa behaupten, daß zur Regierungszeit der Christlich Demokratischen Union in der Bundesrepublik, sei es auf dem Gebiet der Wirtschaft, sei es in der Gesellschaftspolitik, im Resteuropa Weltmarktidylle vorgeherrscht habe? Ist Ihnen nicht mehr klar, wie schwierig es war, Vertrauen für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland auf den Märkten in der Welt zu gewinnen, damit wir Arbeitslosigkeit, die durch den Krieg entstanden war, Flüchtlingsströme und zerstörte Fabriken in der Bundesrepublik Deutschland wieder beseitigen konnten?
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Ihnen eigentlich entgangen, daß die Einbettung der Bundesrepublik Deutschland in das freiheitliche Wirtschafts- und Ordnungssystem der westlichen Welt kein Spaziergang war? Ist Ihnen eigentlich entgangen, wir stark die Auseinandersetzungen auch mit denen waren, die heute unsere Verbündeten sind, um in diesen Fragen klarzukommen?
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Wie ist denn Ihr Weltmarktargument überhaupt zu werten?
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Sie können doch nicht bestreiten, daß wir heute eine viel höhere Arbeitslosenquote hätten, wenn die Länder um uns herum Stabilitätspolitik betrieben hätten. Wir werden doch in den nächsten Wochen und Monaten die Auswirkungen der Weltmarktsituation, insbesondere wenn härtere Stabilitätspolitik in den USA, Frankreich und in Großbritannien betrieben wird, für unseren Arbeitsmarkt erst zu spüren bekommen. Wir waren doch teilweise die Nutznießer einer Nichtstabilitätspolitik der anderen. Das können Sie nicht aus dem Auge verlieren.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß auch nicht, was die ewigen Hinweise auf die Spitzenstellung der Bundesrepublik Deutschland in der Frage der Preisstabilität sollen. Ich habe nichts dagegen. Es ist Ihr legitimes Recht, darauf hinzuweisen. Im übrigen steht es niemandem an, auch einem Oppositionsredner nicht, Fakten zu bestreiten. Aber Sie wirken doch unredlich, wenn Sie nicht gleichzeitig dazu erklären, daß wir dafür die niedrigsten Wachstumsraten und die höchsten Arbeitslosenzahlen und Kurzarbeiterzahlen fast aller OECD- Staaten haben.
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Wenn ich die Reden höre, die Sie hier halten, werde ich an Zeitungsberichte aus anderen Staaten der OECD erinnert, die die Bundesrepublik nicht nur loben. Dort sind auch Parlamentarier, die sehr genußvoll darauf hinweisen, wie gut ihre Wirtschaftspolitik war, denn sie hätten viel günstigere Wachstumsraten als die Bundesrepublik Deutschland und viel weniger Arbeitslose als die Bundesrepublik Deutschland. So sehen doch in der internationalen Diskussion die Tatsachen im einzelnen aus,
Ich muß noch auf ein Gerücht eingehen, das einen sehr intensiven Zusammenhang mit den Möglichkeiten hat, die wirtschaftspolitisch notwendig genutzt werden müssen, bzw. mit dem, was getan werden muß. Dieses Gerücht ist ausgestreut worden als eine Art propagandistische Wunderwaffe des Noch-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen,
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Heinz Kühn. Es hat die große Überschrift: Wir haben viel Arbeitslosigkeit, weil sich die Christlich Demokratische Union in einer Allianz mit den Unternehmern befindet, weil die Unternehmer der Christlich Demokratischen Union helfen wollen, über den Weg der Arbeitslosigkeit die nächsten Wahlen zu gewinnen.
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- Herr von der Leye, Sie sagen: „Sehr richtig". Das haben Sie zu früh gerufen. Ich will Ihnen jetzt einmal aufzeigen, durch welche Schwierigkeiten in welchen Unternehmungen die Arbeitslosigkeit entstanden ist. Schauen Sie sich die Automobilindustrie an. Musterbeispiel ist VW. Über 50 % der Inhaber der Aufsichtsratssitze gehören doch nicht unserer Partei an, sondern Ihrer Partei. Wenn hier Arbeitslosigkeit verschuldet worden ist, dann rufen Sie Ihre Aufsichtsräte ab!
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Denn die haben nicht aufgepaßt, wenn es zu einer unheiligen Allianz zwischen ihnen und der Christlich Demokratischen Union gekommen ist.
Schauen Sie sich die Stahlindustrie an. Die Stahlindustrie ist qualifiziert mitbestimmt. Sie können fürwahr nicht behaupten, daß die Mehrheit der Aufsichtsratssitze in der Stahlindustrie in der Person parteipolitisch etwa der Christlich Demokratischen Union zuzuordnen sei.
Wenn also diese Unternehmungen Schwierigkeiten haben, wenn dort Arbeitslosigkeit entsteht und Sie, Herr von der Leye, wirklich der Auffassung sind, daß dies Schuld der CDU sei, dann rufen Sie doch Ihre Aufsichtsräte dort ab; denn die betätigen sich nach Ihrer Logik als Partisanen der Christlich Demokratischen Union, und das kann fürwahr nicht mit dem Parteiverständnis eines SPD-Mannes in Einklang gebracht werden!
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Wir könnten die Zahl der Beispiele fortsetzen. Aber damit Sie etwas nachdenken - Ihre Stichworte heißen ja „Panikmache" und „Alternativen" -, werde ich aus unserem Zettelkasten einiges hervorholen. Unsere Zettelkästen sind in Ordnung, Herr Kollege Wolfram. Einer davon ist ziemlich dick. Darin steckt eine Broschüre mit dem Titel: „Wir schaffen das moderne Deutschland". Ich möchte die Broschüre nicht ganz vorlesen, weil sie sich wie ein Witzblatt liest; aber ich muß einmal aufzeigen, was man unter Panikmache im einzelnen versteht. Da haben Sie im Jahre 1969 geschrieben:
Im eigenen Land waren die Staatsfinanzen ruiniert; die Wirtschaft steckte in einer tiefen Krise; über eine Million Arbeitslose und Kurzarbeiter, 3 930 mittelständische Betriebe gingen in Konkurs.
Das war 1969 Ihre Tatbestandsbeschreibung, und dahinter kam Ihre Alternative, die ich Ihnen auch nicht verschweigen möchte. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin darf ich auch noch dieses Zitat zum Thema „Alternativen" anbringen. Da heißt es:
Die SPD hat die Krise überwunden. Auch das war kein Zufall. Schon im Juni 1966 erklärte Willy Brandt: „Die Bundesrepublik Deutschland kann sich einen Verfall ihrer Wirtschaft nicht leisten."
Und jetzt kommt's, fast wie der Messias:
Wir sagen: Was Menschen in Unordnung gebracht haben, können Menschen wieder in Ordnung bringen! Vom bloßen Treibenlassen werden die Dinge nicht besser!
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Es bedarf bewußten und vernünftigen Handelns! - Das galt 1966, und das gilt 1969.
Ich möchte hinzufügen: Dies gilt auch 1975, meine sehr verehrten Damen und Herren!
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Wie Sie in Anbetracht dieser Alternativen, die Sie aufgezeigt haben, noch den Versuch unternehmen können, Regierung und zugleich Opposition zu sein - denn Sie brauchen ja Alternativen, um von Ihren Fehlern abzulenken -, ist mir in der Tat äußerst schleierhaft.
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- Herr Möllemann, Sie zeichnen sich immer durch besonders intelligente Zwischenrufe aus. Ich habe diesen auch gerade zur Kenntnis genommen. Wir könnten uns einmal sehr intensiv über Schleier unterhalten. Das scheint mir insbesondere in Anbetracht Ihrer Position innerhalb der FDP eine Notwendigkeit zu sein.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Christlich Demokratische Union beurteilt die Konjunkturentwicklung, auch nachdem die Bundesbank ihren Monatsbericht vorgelegt hat, wie folgt:
Erstens. Die zarte Belebung der Auftragseingänge im Inland wird die gleichzeitige Negativentwicklung der Auftragseingänge aus dem Ausland nicht aufwiegen. Die Exportflanke, die immer deutlicher wird, gibt zur Zeit Anlaß zu einer sehr ernsten Beurteilung und Beunruhigung.
Zweitens. Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland muß damit rechnen, daß sich der Konjunkturabschwung in der Weltwirtschaft just zu dem Zeitpunkt bei uns einstellt, den die Bundesregierung als Aufschwungsphase prognostiziert hat, d. h. im Sommer diesen Jahres.
Drittens. Die Auftragseingänge im Investitionsgüterbereich signalisieren noch keine Erholung auf dem Investitionsgütermarkt. Trotz eines Riesengeschenkes in Form der Investitionshilfe gibt es noch keine deutlichen Impulse, die eine positive Investitionsneigung signalisieren.
Herr Kollege Graf Lambsdorff, weil Sie vorhin versucht haben, diese Investitionshilfe positiv darzustellen: Ich kann dies unterstreichen. Nur, das
ändert nichts an der Tatsache, daß diese Investitionshilfe, verursacht durch eine unterlassene Konjunkturpolitik, schwerwiegende verteilungspolitische Konsequenzen hat. Hier wird zusätzliches Vermögen im Bereich derer gebildet, die Vermögen haben, und damit verhindert, daß Arbeitnehmer unter Umständen mit solchen Beträgen zu Vermögen kommen, so wie die Christlich Demokratische Union das schon 1972 in diesem Hause vorgeschlagen hat.
Viertens. Die Tarifabschlüsse waren maßvoll und konjunkturgerecht. Dies wird von uns akzeptiert. Aber man muß dann auch über die Konsequenz sprechen. Die Konsequenz heißt: Alle Arbeitnehmer werden im Jahre 1975 - fast ohne Ausnahme -ein sinkendes Realeinkommen haben, und zu einer nachhaltigen Verbesserung der Ertragslage der Unternehmen wird es trotz der tarifpolitischen Vernunft der Tarifpartner nach unserer Meinung nicht kommen können.
Fünftens. Wir gehen mit niedrigem Wachstum, einem Rekord an Arbeitslosigkeit, Rekord an Kurzarbeit, ungebrochener Inflation und einem schwer angeschlagenen Exportbereich in die nächsten Monate.
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An diesen Tatsachen darf sich niemand, der in diesem Hause Verantwortung trägt, insbesondere nicht die Bundesregierung, vorbeimogeln.
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Wer diese Fakten beschönigt, will die Arbeitnehmer und die Bürger nicht nur an Inflation, sondern gleichzeitig auch an Arbeitslosigkeit gewöhnen. Und diese Gewöhnungsprozesse sind dann der Abschied von jeglicher verantwortungsbewußter Wirtschafts- und Konjunkturpolitik.
Die Christlich Demokratische Union lehnt die Zustimmung zu einer Wirtschaftspolitik und damit zum Haushalt des Wirtschaftsministers ab, weil die Wirtschaftspolitik nach unserer Meinung in fast allen Bereichen, beurteilt nach dem Stabilitätsgesetz, gescheitert ist.
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Die Begründung für diese Ablehnung hat Bundeswirtschaftsminister Friderichs selbst einmal als Bundestagsabgeordneter der FDP und als Oppositionspolitiker geliefert, eine Begründung, die auch gleichzeitig Maßstab für unsere Ablehnung ist. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren, wie Herr Friderichs am 6. September 1967 Wirtschaftspolitik in diesem Hause beurteilt hat. Da heißt es in seiner Rede in der 119. Sitzung:
Wie, glauben Sie,
- so war die Frage gestellt soll die deutsche Privatwirtschaft die dann notwendigen Investitionen finanzieren? Wo, glauben Sie, sollen die Unternehmen bei einem von Ihnen gewollten, von uns allen erstrebten Aufschwung das Kapital hernehmen, um die eigenen geplanten Bedürfnisse zu befriedigen? . . . Wir hatten erwartet, daß in diesem Augenblick
der Staat seine Schulden tilgt, damit die Wirtschaft mit dem notwendigen Kapital versorgt wird, um einen
- neuen gesunden Wirtschaftsaufschwung auf privatwirtschaftlicher Basis ohne Dirigismus sicherzustellen. Das war unsere Hoffnung.
„Beifall der FDP", verzeichnet das Protokoll an dieser Stelle.
Es geht dann weiter:
Lassen Sie mich zum Schluß die wichtigsten Punkte zusammenfassen.
1. Diese Bundesregierung hat diesem Hohen Hause zwar eine Ausgabenplanung auf schwankender Grundlage, aber keine Aufgabenplanung mit klaren Zielen vorgelegt.
2. Die Bundesregierung hat es nicht verstanden, die zukünftigen Bundeshaushalte in ihrer Struktur - das ist das Entscheidende - nachhaltig zu verändern.
3. Diese Bundesregierung überläßt jedem, der das Jahr 1972
- hieß es damals; man könnte jetzt sagen: das Jahr 1978 meistern soll, einen Stau von nicht bewältigten Ausgaben.
5. Die Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Konjunktur auf solider Grundlage bei Preisstabilität ist - darin wird der Herr Bundeswirtschaftsminister hoffentlich sogar der Opposition zustimmen -, daß die deutsche Wirtschaft endlich wieder Vertrauen in die Führung die s e r Regierung, Herr Bundeskanzler, finden kann. Das kann man nicht nur mit einigen mehr oder weniger pauschalen Reden erreichen.
Diesen Grundsätzen für die Beurteilung einer Wirtschaftspolitik hat die Opposition nichts mehr hinzuzufügen. An diesen Grundsätzen werden Sie gemessen. Und gemessen an diesen Grundsätzen, Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie und Ihre Politik für zu leicht befunden worden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kulawig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies hat ja wohl ein Beitrag zur zweiten Lesung des Einzelplans 09 des Bundeshaushalts 1975 sein sollen.
({0})
- Was interessiert Sie das denn? - Es ist wieder einmal zum Ausdruck gekommen, was man bei anderen Gelegenheiten auch schon in Erfahrung bringen konnte: „Wauwau" ist eben kein konstruktiver
Beitrag zur Lösung wirtschaftlicher Probleme in unserem Lande.
({1})
Ich habe in meinen Ausführungen, die ich zu machen vorhabe, auf das Reizwort Sonthofen nicht zurückkommen wollen. Aber ich darf doch feststellen: Dies war dann wieder mal ein Beitrag im Geiste von Sonthofen.
({2})
Wenn Sie ihn dann schließlich noch mit dem seines Vorredners Graf Lambsdorff vergleichen, dann würde ich sagen: Breidbach richtet sich selbst.
({3})
Meine Damen und Herren, ich glaube nämlich, daß die Ausgewogenheit und die wirtschaftspolitische Zielsetzung des Einzelplans 09
({4})
es angezeigt erscheinen lassen, auf die Struktur und auf die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte des Etats des Bundesministers für Wirtschaft in dieser Debatte auch einmal einzugehen. Ich wiederhole: Wie notwendig das ist, hat der Vorredner als Kontrastredner überdeutlich gemacht.
({5})
Nach den Beratungen des Einzelplans 09 im Haushaltsausschuß beträgt der Ansatz nunmehr 2 999 000 000 DM, also rund 3 Milliarden DM. Das ist gegenüber dem Ansatz der Regierung eine unbedeutende Veränderung. Die „Steigerungsrate" gegenüber dem Jahre 1974 beträgt minus 2,3 %. Der Rückgang gegenüber 1974 ist darauf zurückzuführen, daß die Abschlußsumme 1974 das nur im vergangenen Jahr im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft veranschlagte einmalige Sonderprogramm des Bundes in Höhe von 300 Millionen DM enthielt und daß für die Jahre ab 1975 die Verstromungshilfen nicht mehr im Bundeshaushalt erscheinen. Daraus ist ablesbar - bringt man das in Abzug -, daß eine Erhöhung der Etatsumme für die Maßnahmen eingetreten ist. Die Ausgaben für Investitionen betragen 1 502 000 000 DM; das sind 50,2 % Anteil an den Gesamtausgaben dieses Einzelplans. Die Personalausgaben betragen rund 203 Millionen DM; das entspricht einem Anteil von 6,8 % an den Gesamtausgaben des Einzelplans 09. Ließe man die auf Grund besonderer Maßnahmen im Jahre 1974 notwendig gewordene Stellenvermehrung außer acht - es sind 10 neue Stellen für das Bundeskartellamt und 30 neue Stellen, davon allerdings 15 qualifiziert gesperrt, weil sie aus einer aufzulösenden Behörde genommen werden sollen, für das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft -, so würde sich im Haushaltsjahr 1975 gegenüber 1974 eine Verminderung des Gesamtstellensolls ergeben.
Nach dieser kurzen Übersicht ist es nun wichtig, die wesentlichen Schwerpunkte des Einzelplans kurz zu beleuchten.
Im Vordergrund stehen die Ausgaben für die energiepolitischen Maßnahmen des Bundes, insbesondere im Bereich der Kohle, aber auch im Bereich von Ö1 und Erdgas. Die Bundesregierung hat am 26. September 1973, wie Sie wissen, ihr Energieprogramm vorgelegt. Damit wurde erstmals ein Konzept zur langfristigen Sicherung der Energieversorgung in der Bundesrepublik entwickelt. Schon seinerzeit wurde darauf hingewiesen, daß dieses Programm allerdings fortlaufend an die veränderten wirtschaftlichen Situationen angepaßt werden muß.
Durch die Ölkrise hat sich die Notwendigkeit einer derartigen Anpassung bereits kurzfristig ergeben, und das fortgeschriebene Energieprogramm wurde im Herbst 1974 veröffentlicht. Die Verwirklichung der in der Fortschreibung genannten Ziele erfordert erhebliche finanzielle Anstrengungen. Daher ist bereits bei der Aufstellung des Haushalts 1975 für neue Energiemaßnahmen ursprünglich ein Globalansatz in Höhe von 340 Millionen DM vorgesehen worden, der später bei den Beratungen des Einzelplans im Haushaltsausschuß weitgehend auf einzelne Titel aufgeteilt wurde.
Nach der im Haushaltsausschuß vorgenommenen Aufteilung des Globaltitels sind nunmehr für Kohlehilfen im Jahre 1975 824 Millionen DM vorgesehen. Dieser Betrag liegt um rund 39 % unter den Vorjahresansätzen. Die Hauptursache für diese Entwicklung liegt, wie ich schon in anderem Zusammenhang angedeutet habe, im Wegfall der Verstromungshilfen, die nach dem Dritten Verstromungsgesetz ab 1975 außerhalb der öffentlichen Haushalte zu finanzieren sind, und in dem Fehlen eines Ansatzes für die Haldenfinanzierung, die im Hinblick auf den Haldenabbau hinfällig geworden ist.
Die Kohlemaßnahmen können im wesentlichen in folgende drei große Komplexe eingeteilt werden: Erstens Maßnahmen zur Erleichterung der Stillegung unwirtschaftlicher Anlagen; zweitens Maßnahmen zur Strukturverbesserung, insbesondere zur Kostenentlastung der Bergbauunternehmen; drittens Maßnahmen zur Sicherung des Kohlenabsatzes.
Zu der ersten Gruppe können die Zuschüsse für die Stillegung von Steinkohlebergwerken, die Verpflichtungen des Bundes aus der Übernahme der Vermögens- und Kreditgewinnabgabe, die Zuschüsse zu den Schrumpfungslasten, aber auch die sozialen Hilfen zugunsten entlassener Bergarbeiter, nämlich das Abfindungsgeld und das Anpassungsgeld, gerechnet werden. Die Ansätze für diese Zweckbestimmungen lagen bereits im Regierungsentwurf 1975 erheblich unter den entsprechenden Beträgen für 1974. Sie sind zum Teil vom Haushaltsausschuß zusätzlich gekürzt worden. Hier komme die gestiegene Bedeutung des Steinkohlenbergbau für die deutsche Energieversorgung zum Ausdruck die eine Revision des ursprünglich -geplanten Still. legungsvolumens erforderlich gemacht hat.
Zur zweiten Gruppe der Kohlemaßnahmen, der Strukturhilfen, sind u. a. die Sondermaßnahmen zur Entlastung der Ruhrkohle AG, nämlich die Entlastung von den Tilgungsraten aus den Einbringungsverbindlichkeiten, die Schuldbuchforderung und die Entlastung von Teilbeträgen des Sonderpostens zurr Ausgleich von Stillegungsabschreibungen zu rech
nen. Darüber hinaus gehören hierzu jedoch auch allgemeine Maßnahmen, etwa die Investitionshilfen, die Zuschüsse zu den Altlasten und zu den Erblasten des Steinkohlenbergbaus sowie die Erstinnovation Kohle. Bei den vorgenannten Hilfsmaßnahmen, die letztlich eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Steinkohlenbergbaus zur Folge haben werden, sind zum Teil erhebliche Erhöhungen der Ansätze im Vergleich zum Vorjahre vorgenommen worden. Besonders hinzuweisen ist auf die vom Haushaltsausschuß beschlossene Aufstockung des Ansatzes für die Investitionshilfe um 25 Millionen DM. Aus dem Haushalt des Bundesministers für Forschung und Technologie sind 25 Millionen DM umgesetzt worden, die zur Verstärkung des Ansatzes für die Erstinnovation Steinkohle vorgesehen sind.
Bei der dritten Gruppe, den Absatzhilfen, ist, da die Verstromungshilfen außerhalb der öffentlichen Haushalte finanziert werden, im Jahre 1975 nur noch die Kokskohlenbeihilfe zu nennen. Durch die Erhöhung der Preise für ausländische Kohle hat sich die Wettbewerbsposition der deutschen Steinkohle allerdings erheblich verbessert. Schon im Jahre 1974 ist daher aus dem Titel Kokskohlenbeihilfe nur noch die sogenannte Absatzbeihilfe für Lieferungen in revierferne Gebiete und im innergemeinschaftlichen Austausch gewährt worden. Mit den für 1975 veranschlagten 60 Millionen DM 1974 waren es noch 276 Millionen DM - könnte die Vorjahresregelung im laufenden Jahr fortgeführt werden. Sollte sich allerdings die Gewährung von sogenannten Förderbeihilfen erneut als erforderlich erweisen, müßten die beim Globalansatz für Energiemaßnahmen verbliebenen 100 Millionen DM hierfür in Anspruch genommen werden.
Wie schon erwähnt, wird seit Beginn des Haushaltsjahres 1973 die technische Entwicklungsarbeit im Steinkohlenbergbau vom Bundesminister für Wirtschaft gefördert. Im Haushalt 1973 waren hierfür 9 Millionen DM und im Haushalt 1974 10 Millionen DM veranschlagt. Ich weise auf diese, also ab 1973 neu aufgenommene Maßnahme im Einzelplan 09 besonders gern hin, weil sich die Berichterstatter während zweier Jahre Haushaltsberatungen in der Zeit vor der Ölkrise für die Aufrechterhaltung dieses Titels stark machen mußten.
Entsprechend der Zielsetzung der Erstinnovationsförderung im Steinkohlebergbau wurden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel besonders zukunftsträchtige Entwicklungsvorhaben auf den Gebieten der Bergtechnik, der Kohleveredelung und der konventionellen Verkokung gefördert. Im Regierungsentwurf 1975 waren für diesen Zweck ursprünglich nur 3 Millionen DM vorgesehen. Dieser Betrag wurde allerdings, wie erwähnt, durch Umsetzung von 25 Millionen DM aus Kap. 30 05 auf 28 Millionen DM erhöht. Der Haushaltsausschuß ist damit einer zwischen BMFT und BMWi getroffenen Absprache gefolgt, nach der aus den im Einzelplan 30 veranschlagten Ausgaben für die nichtnukleare Energieforschung die auf den Bereich Bergtechnik und Aufbereitung entfallenden Beträge in den Einzelplan 09 übernommen werden sollen. Bereits 1974 sind auf Grund dieser Vereinbarung dem
Bundesminister für Wirtschaft 25 Millionen DM zur selbständigen haushaltsmäßigen Bewirtschaftung übertragen worden. Auch ist in der Finanzplanung vorgesehen, daß in den Jahren 1976 und 1977 weitere 26 bzw. 30 Millionen DM für den Einzelplan 09 bereitgestellt werden.
Mit diesen zusätzlichen Mitteln sollen im Steinkohlebergbau folgende vier Bereiche gefördert werden: neue Vortriebssysteme, neue Verbundausrüstungen für den Abbau, neue logistische Systeme und neue Methoden der Kohleaufbereitung.
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Dies hört sich sicherlich recht technisch an. Es ist, wenn man den Auftrag hat, eine kurze, gedrängte Übersicht über den Inhalt des Einzelplans 09 zu geben, nicht möglich, in die Einzelheiten zu gehen.
Ich möchte versuchen, für den Bereich der Erstinnovation bei der Steinkohle an einem praktischen Beispiel zu erläutern, wie sich das in der Praxis auswirken kann. Einige Kollegen der Arbeitsgruppe Haushalt der SPD haben gemeinsam mit mir vor wenigen Tagen das Saarland und dort auch eine saarländische Zeche, nämlich die Grube Ensdorf, besucht. Wir haben uns dort unter Tage davon überzeugen können, wie mit den Erstinnovationsmitteln 'des Bundes technischer Fortschritt entwickelt werden konnte. Wir haben festgestellt, daß im Bereich des Schildausbaus und der maschinellen Ausrüstung
z. B. mit einer elektrischen l000-Volt-Abbaumaschine - der Kohleabbau in diesem Bergwerk in einen Wirtschaftlichkeitsgrad vorgerückt ist, der dem unteren und mittleren Bereich des amerikanischen Untertagebergbaus entspricht. Das ist im Grunde genommen ein sensationelles Resultat, wenn man im Bewußtsein hat, daß die rettungslose Konkurrenzunfähigkeit des eigenen deutschen Bergbaus auf Grund seiner schwierigen geologischen Verhältnisse im Vergleich zu dem amerikanischen als etwas nicht zu Überwindendes angesehen worden ist.
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Ich möchte denn auch die Gelegenheit wahrnehmen, den Ingenieuren und Bergleuten von Ruhr und Saar, die in eigener Verantwortung ihren Beitrag erbracht haben und weiterhin erbringen werden, den deutschen Bergbau technisch so weiterzuentwickeln, daß er im wirtschaftlichen Wettbewerb in der Zukunft bestehen kann, meine Anerkennung auszusprechen.
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An dieser Stelle, wo ich nun im Begriff bin, 'die Kohlemaßnahmen im Einzelplan 09 zu verlassen, möchte ich auch in die Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung und die Regierungskoalition bereits Jahre vor der Ölkrise mit ihren energiepolitischen Anstrengungen dafür gesorgt haben, daß der deutsche Bergbau als Sicherheitspfeiler der einheimischen Energieversorgung erhalten bleibt.
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Ein weiterer wichtiger Punkt bei den energiepolitischen Anstrengungen ist die Rohölbevorratung. Auch hier gilt, daß bereits vor Eintritt der
Ölkrise entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden sind. Das Bundeskabinett hat nämlich am 25. Juni 1970 beschlossen, zusätzlich zu den Pflichtvorräten der Mineralölgesellschaften auf Grund des Bevorratungsgesetzes eine Bundesrohölreserve anzulegen. Die Rohölreserve soll dem Verfügungsrecht des Bundes unterliegen und in Krisenzeiten nach Maßgabe des öffentlichen Interesses verwertet werden.
Mit Vertrag vom 16. und 25. Juni 1971 hat der Bund die Industrieverwaltungsgesellschaft ({10}) mit der Exploration geeigneter Salzlagerstätten sowie der Herstellung der Salzkavernen und der erforderlichen Pipeline-Verbindungen beauftragt. Die nötigen Solebohrungen im Salzstock Etzel nahe Wilhelmshaven wurden inzwischen niedergebracht, und am 19. September 1974 wurde mit dem Sole-betrieb begonnen. Bis Ende 1974 wurden Kavernen für die Einlagerung von 120 000 t 01 fertiggestellt. Nach den neuesten Planungen der IVG soll bis 1978 Kavernenraum für rund 10 Millionen t Öl zur Verfügung stehen. Im Dezember 1974 ist eine erste Teilmenge von 235 000 t erworben worden, von der 120 000 t in Kavernen und der Rest in oberirdischen Tanks in Wilhelmshaven eingelagert wurden. Bis Ende des Haushaltsjahres 1975 werden rund 1,3 bis 1,4 Millionen t 01 eingelagert sein.
Der Haushaltsansatz 1975 ist bei den Beratungen des Haushaltsausschusses über den Einzelplan 09 durch Umschichtung aus dem Globaltitel für Energiemaßnahmen um 185 Millionen DM auf 366 Millionen DM erhöht worden. Hiervon werden 334 Millionen DM für den Kauf der für 1975 eingeplanten ca. 1,4 Millionen t Erdöl benötigt. Der Restbetrag ist für den weiteren Kavernenausbau vorgesehen.
Auch in der Finanzplanung bis 1978 sind im Hinblick auf die Fortschreibung des Energieprogramms Globalansätze für neue Energiemaßnahmen vorgesehen, und zwar für 1976 450 Millionen DM, für 1977 400 Millionen DM und für 1978 ebenfalls 400 Millionen DM. Diese zusätzlichen Mittel sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung vor allem für die weitere Aufstockung der Bundesrohölreserve eingesetzt werden, die zunächst einen Umfang von rund 4 Millionen t erhalten soll. Ferner ist eine Fortführung der Investitionshilfen an den Steinkohlenbergbau auf dem erhöhten Niveau des Jahres 1975 geplant. Weitere zusätzliche Beträge sind für Großprojekte im Öl- und Gasbereich vorgesehen. Schließlich soll in künftigen Jahren mit dem Aufbau einer Steinkohlenreserve als Puffer bei Versorgungsstörungen begonnen werden.
Eine wesentliche Industrieförderungsmaßnahme, die nun auch schon mehrere Jahre den Bundeshaushalt begleitet, ist in den Werfthilfen zu sehen. Um der Zielsetzung des Werfthilfeprogramms der Bundesregierung, nämlich einen Ausgleich für Wettbewerbsverfälschungen auf dem Weltschiffbaumarkt zu schaffen, Rechnung zu tragen, ist der Werfthilfeansatz gegenüber 98,87 Millionen DM im Jahre 1974 für die Programme V und VII a im Jahre 1975 auf 114 Millionen DM erhöht worden.
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Ebenfalls ein „Dauerbrenner" der Industrieförderungsanstrengungen des Bundes ist die Förderung der Luftfahrttechnik. Aus den Zahlen des Einzelplans ergibt sich, daß auch hier der Bund bisher beträchtliche finanzielle Anstrengungen zur Erhaltung und Förderung der deutschen Luftfahrtindustrie und der Arbeitsplätze in diesem Bereich unserer Wirtschaft unternommen hat und auch in Zukunft zu unternehmen haben wird.
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- Es ist vielleicht ganz interessant, in diesem Zusammenhang einmal zu erfahren, daß der Bund in den Jahren von 1963 bis 1975 rund 1 240 Millionen DM an die deutsche Luftfahrtindustrie gezahlt hat und daß im Haushalt 1975 weitere 274 Millionen DM vorgesehen sind, und zwar für Absatzfinanzierungshilfen, für Produktionshilfen und für die Entwicklung. Diese Mittel werden und wurden ausgegeben für die Projekte Airbus, VWF 614, Hubschrauber BO 105 und für die Entwicklung von Sportflugzeugen.
Ein Schwerpunkt des Einzelplans 09, der uns bei den diesjährigen Beratungen etwas länger beschäftigt hat, ist das Kapitel Verbraucheraufklärung. Mit den Ausgaben für die Verbraucherpolitik der Bundesregierung sind Überlegungen verbunden, die bei der Beratung des Einzelplans 09 nicht zum Abschluß gebracht werden konnten. Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, daß der im Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehene Ansatz für die Stiftung Warentest vom Haushaltsausschuß um 200 000 DM erhöht wurde und damit um 1,2 Millionen DM über dem Vorjahrsansatz liegt. Auch für die Verbraucherunterrichtung hat die Bundesregierung erhebliche Steigerungen gegenüber 1974 vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat sich allerdings eine detaillierte Erörterung dieses Fragenkomplexes noch vorbehalten und aus diesem Grunde eine qualifizierte Sperre von 1,5 Millionen DM vorgesehen. Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit sagen, daß sicherlich die Anstrengungen der Bundesregierung zur Intensivierung der Verbraucherpolitik nachdrückliche Unterstützung verdienen. Das Ziel dieser Politik muß es sein, die Stellung des Verbrauchers in der Zukunft weiter entscheidend zu verbessern.
({13})
- Sie können das nachlesen, aber ich bin nicht sicher, daß Sie das tun werden.
({14})
Herr Kollege, ich bitte aber doch, zum Abschluß zu kommen, weil Ihre Redezeit erschöpft ist.
Ich bin kurz vor dem Ende, Frau Präsidentin.
Ich wollte noch darauf hinweisen, daß im Bereich Regionalförderung die Anstrengungen der Bundesregierung, nämlich über den Planungsausschuß zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionaKulawig
len Wirtschaftsstruktur", ebenfalls zu einer Erhöhung des Mittelansatzes im Einzelplan 09 des Haushaltsjahrs 1975 geführt haben und daß für den Bereich Mittelstandsförderung, Gewerbeförderung, Förderung der Produktivität und der Forschung zugunsten mittelständischer Unternehmen der Ansatz, der im Jahre 1974 58 Millionen DM betragen hat, auf 65 Millionen DM erhöht worden ist.
Da ich, wie Sie gehört haben, am Ende meiner Redezeit angelangt bin, muß ich mich auf die Erörterung der Schwerpunkte, die ich nun hinter mich gebracht habe, beschränken, möchte allerdings abschließend - mit Genehmigung der Frau Präsidentin - doch noch dem Bundesminister für Wirtschaft für die wirtschaftspolitischen Initiativen, die der Einzelplan 09 widerspiegelt, danken.
({0})
Ich glaube feststellen zu können, daß dieser Einzelplan dem Erfordernis der Stunde, nämlich die Investitionstätigkeit der Wirtschaft zu unterstützen, in größtmöglichem Umfange Rechnung trägt. Er ist nach den Gesichtspunkten aufgebaut: Verstärkung der Investitionen, Erhöhung der Produktivität und Intensivierung der praxisnahen Forschung. Er wird der Forderung nach Sparsamkeit in der Verwaltung und nach Personaleinsparung in größtmöglichem Umfange gerecht, weshalb die SPD-Fraktion diesem Einzelplan als einem Einzelplan, der in hervorragendem Maße in die konjunkturelle Landschaft paßt, selbstverständlich zustimmen wird. Ich hoffe, Sie folgen diesem Beispiel.
({1})
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Friderichs.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Ich möchte die Gelegenheit benutzen, Herrn Abgeordneten Kulawig, dem Berichterstatter für den Einzelplan 09, sehr herzlich dafür zu danken, daß er die Grundzüge dieses Etats - über den ja eigentlich heute geredet werden sollte -,
({0})
dem Hohen Hause dargelegt hat, insbesondere aber auch - lassen Sie mich das hinzufügen - für die sachliche Form der Zusammenarbeit.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesen Dank ausdrücklich den Berichterstatter für den Einzelplan 09 aus der CDU/CSU-Fraktion, den Abgeordneten Röhner, einschließen und hinzufügen, daß ich persönlich es sehr bedauere, daß er auf Grund der Übernahme anderer Aufgaben innerhalb der Fraktion als Berichterstatter für diesen Einzelplan nicht mehr zur Verfügung steht.
({2})
Ich möchte ausdrücklich sagen, daß es wohltuend
war, an Sachfragen orientiert mit den Berichterstattern der Fraktionen den Versuch zu machen, den Haushaltsplan nicht nur konjunkturgerecht, sondern auch sachgerecht zu gestalten. Dafür herzlichen Dank!
({3})
Ich will es im übrigen kurz machen. Herr Abgeordneter Breidbach hat seine Ausführungen geschlossen mit der Feststellung, daß er mich für zu leicht befunden habe. Herr Breidbach, ich bin Ihnen für dieses Kompliment sehr dankbar, denn ich bemühe mich immer wieder darum, nicht zuzunehmen, weil ich der Meinung bin, daß dies die politischen Aktivitäten erhöht.
({4})
Ich bedanke mich sehr herzlich; jedesmal, wenn ich bestätigt bekomme, daß mir dies gelingt, freue ich mich. Ich möchte mich auch bei dem Parlamentarischen Staatssekretär Moersch dafür bedanken, daß er mich aus dem Schatz seines Wissens bereichert hat, indem er, als Sie sprachen, zu mir kam und sagte, Shakespeare habe einmal gesagt: „Witz, komm' raus, du bist umzingelt!"
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Daran dachten wir, als Sie sprachen.
Für die Zitate meiner eigenen Reden aus dem Jahre 1967 besten Dank! Was den ökonomischen Teil anbelangt, haben die Wähler jedenfalls dann zwei Jahre darauf das Ja in der Form bestätigt, daß
um mit Herrn Professor Carstens zu sprechen - die CDU die Regierungsverantwortung dann in unsere Hände gelegt hat. Das ist ja die neue, demokratische Formel.
({6})
Meine Damen und Herren, ich möchte nur zu einem einzigen Punkt etwas sagen. Herr Abgeordneter Breidbach, ich weiß nicht, ob Sie der wirtschaftlichen Lage in unserem Lande, den Arbeitnehmern und der verantwortungsbewußten Gewerkschaftsführern, die Tarifverhandlungen hinter sich haben, und denen, die sie noch vor sich haben, einen Dienst erwiesen haben mit Ihrer Behauptung - von der ich nicht weiß, ob sie von Ihrer Fraktion gedeckt wird -, die Arbeitnehmer in diesem Lande hätten in diesem Jahr ein sinkendes Realeinkommen zu erwarten. Ich streite mich nicht mit Ihnen über diese Perspektive. Wir sprechen darüber nach Ablauf dieses Jahres. Ich hoffe, Sie haben dann unrecht gehabt.
({7})
- Nein, ich bin sogar davon überzeugt, daß Sie unrecht haben. Nehmen Sie die Prognosen - nicht nur meine -, etwa die der wissenschaftlichen Forschungsinstitute über die Verbraucherpreisentwicklung und die Einkommensvereinbarungen sowie die Steuerreform in ihrem Entlastungseffekt! Es wird doch keiner in diesem Hause ernsthaft behaupten,
wir hätten am Ende dieses Jahres sinkende Realeinkommen in der Bundesrepublik Deutschland.
({8})
Ihrem wirtschafts- und finanzpolitischen Sprecher ist es vor einem Jahr gelungen, durch das Anzweifeln der von uns projektierten Preissteigerungsrate und die Behauptung, es würde eine mindestens zweistellige Rate, im tarifpolitischen Bereich Dinge mit in Bewegung zu setzen, die gesamtwirtschaftlich eher zu unserem Schaden waren. Offensichtlich gelingt Ihnen das auch diesmal.
({9})
Nun haben Sie sich mit den Sozialdemokraten auseinandergesetzt - eigentlich brauchte ich dazu gar nicht viel zu sagen - im Zusammenhang mit einem Punkt, und den will ich aufgreifen. Sie haben gesagt, Sie wünschten die Gewerkschaften nicht als Ihre Verbündeten; Sie wünschten nicht, verbündet zu sein mit einer Arbeitnehmerorganisation. Sie haben das dann begründet: um deren Freiheit aufrechtzuerhalten. Sie haben dies - ich habe sehr gut zugehört - nur auf die Arbeitnehmer bezogen, und ich fühlte mich an die Anzeigen vor der letzten Bundestagswahl erinnert: „Wir können nicht länger schweigen". Sie hätten sich am besten von diesen Verbündeten hier auch ein wenig distanziert.
({10})
Ich weiß nicht, ob „lümmeln" in dieses Haus gehört. Ich habe nur zur Kenntnis genommen, daß das Ihre persönliche Meinung ist.
({11})
Ich will hinsichtlich der ökonomischen Fragen nur noch einen Punkt anschneiden. Da stimme ich mit Fragenden aus der Opposition überein, nämlich daß wir eine Unsicherheit der weltwirtschaftlichen Entwicklung haben, weil wir insbesondere nicht wissen, ob und wie es der amerikanischen Administration gelingen wird, ihre eigene Binnenkonjunktur zu beeinflussen. Dies ist ein Unsicherheitsfaktor, vor dem wir am Beginn dieses Jahres stehen. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, ihn zuzugeben. Ich halte es aber nicht für sehr glücklich, über diese Frage in einer Form zu sprechen, wie das vorhin geschehen ist.
Ich möchte mich mit dem gestrigen Auftritt des Spitzensprechers der Opposition nicht mehr auseinandersetzen - angesichts der Tatsache, daß dies reichlich geschehen ist -, aber Ihnen nur nicht vorenthalten, was mir gestern passiert ist. Als ich nach Hause kam, waren Bekannte dort, und einer sagte, nun könne er endlich verstehen, warum ich so gern nach Österreich führe. Ich wußte gar nicht, was er meinte. Ich sagte: Was meinen Sie denn? Er antwortete: Die haben Franz Josef schon hinter sich.
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- Das stammte nicht von Moersch; das möchte ich hinzufügen.
({13})
- Es ist doch Ihre Angelegenheit, das zu beurteilen. Das Recht spreche ich Ihnen gar nicht ab. Aber je länger Sie dazwischenreden, desto länger dauert die Debatte, und einige wollen nach Hause.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Ja, allein schon wegen des netten Gedichts, das wir ausgetauscht haben.
Herr Minister, halten Sie es wirklich für richtig, von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer damit abzulenken, daß Sie nun die Opposition verantwortlich zu machen suchen? Was meinen Sie, was in diesem Hause los wäre, wenn bei dieser Arbeitslosenziffer die Regierung von der CDU/CSU geführt würde.
({0})
Herr Abgeordneter Müller-Hermann, ich habe überhaupt nicht die Absicht, die Opposition verantwortlich zu machen. Ich habe am vergangenen Freitag im Deutschen Bundesrat den Versuch gemacht, die derzeitige wirtschaftliche Lage, wie sie ist, darzustellen. Sie haben das nachlesen können. Lassen Sie mich hinzufügen: weil der Vertreter der CDU, der dort gesprochen hat, sich allerdings in einem anderen Stil zu wirtschaftlichen Problemen geäußert hat, als dies eben hier geschehen ist. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Es hat doch überhaupt keinen Zweck, auf dieser Debattenebene jetzt mit weltwirtschaftlichen Problemen, mit Konjunkturbeurteilungen zu kommen - Sie kennen diese Auffassung; sie ist auch im Protokoll des Bundesrates niedergelegt -, mit allen Chancen und Risiken. Wenn Sie sie hören wollen, will ich sie gern zusammenfassen.
Erstens. Es gibt den Jahreswirtschaftsbericht. Er liegt vor; er ist debattiert worden. Darin ist die Jahresprojektion - mit einem bescheidenen Wachstum - enthalten. Er wird eingeleitet mit der Bemerkung, daß wir diesmal vor einer Kumulation von Risiken stehen und daß wir noch nie unter so unsicheren Projektionsvoraussetzungen einen Jahreswirtschaftsbericht zu erstellen hatten wie diesen. Dies alles steht darin Ich habe dem nichts hinzuzuBundesminister Dr. Friderichs
fügen. Dort ist von einer Projektion die Rede, die ein reales Wachstum des Sozialprodukts von etwa 2 % anpeilt. Man kann darüber streiten, ob es erreicht wird, weil es offen ist, zu welchem Zeitpunkt eine konjunkturelle Wiederbelebung gelingt. Daran habe ich nie einen Zweifel gelassen. Ich habe mich auch nie an den Prognosen beteiligt, ob dies am 15. März, 15. Mai oder 15. August gelingt. Wir alle wissen ja, daß das von einer Reihe von Voraussetzungen binnenwirtschaftlicher und außenwirtschaftlicher Art abhängt. Ich habe klar gesagt, daß wir mit einem realen Wachstum des Exports von 4 0/0 in unserem Jahreswirtschaftsbericht gerechnet haben und noch rechnen. Daran werden Zweifel in der deutschen Wirtschaft - natürlich in der Opposition - laut.
Zweitens. Ich bekenne hier in aller Offenheit, daß dies unter anderem von der Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft mit abhängt. Zwar gehen nur 8 % unserer Produktion nach Amerika. Aber wegen der Sekundärwirkung anderer Industrienationen kommt der Entwicklung in den Vereinigten Staaten eine Bedeutung für unsere Konjunktur zu.
Drittens. Es wird mit davon abhängen, ob es gelingt, unseren überdimensional hohen Warenaustausch mit den OPEC-Ländern, mit den Ölförderländern, aufrechtzuerhalten, von dem ich zugebe, daß er im letzten Jahr größer war, als wir ihn eingeschätzt hatten. Wir wissen aber nicht, ob die Absorptionsfähigkeit dieser Länder, was die deutschen Waren anlangt, in diesem Jahr im selben Ausmaße standhält, angesichts der Transport- und Infrastrukturprobleme in diesen Ländern.
Viertens. Es spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß wir am Zuwachs des Welthandels in einem höheren Ausmaß teilnehmen werden als andere Länder, weil es uns gelungen ist, mit der niedrigsten Preissteigerungsrate in der westlichen Welt im Wettbewerb zu bestehen. Ich glaube, daß insbesondere Qualität und Lieferpünktlichkeit dazu einen Beitrag leisten werden.
Fünftens. Offensichtlich ist es gelungen, den Rückgang der Inlandsnachfrage zu stoppen, und offensichlich scheint es in bestimmten Bereichen zu gelingen - dies ist aber statistisch noch nicht abgesichert -, eine Belebung der Inlandsnachfrage zu dem Zeitpunkt zu haben, zu dem die Auslandsnachfrage jedenfalls schwächer wächst als im letzten Jahr, möglicherweise sogar zurückgeht.
Das sind nüchterne Tatsachen, vor denen wir stehen, und mit denen wir arbeiten müssen. Ich wollte das alles gar nicht mehr vortragen, aber wenn Sie es hören wollen, bin ich dazu gern bereit.
Es gibt noch einen weiteren Punkt. Ich mache mir ernste Sorgen, wie die Defizitländer in diesem und im nächsten Jahr auf unsere fantastischen Überschüsse reagieren werden. Diese Überschüsse, die doch schlicht und einfach darauf beruhen, daß offensichtlich unsere Volkswirtschaft leistungsfähiger ist als die unserer Mitbewerber, muß man nun einmal in ihre Konzeption übertragen, und man muß wissen, was das bedeutet.
({0})
Woher kommt denn das Defizit bei den Franzosen? Woher kommt denn das Defizit bei den Engländern? Woher kommt es denn bei den Italienern? Meinen Sie, das kommt alles, weil die Leute gigantisch leistungsfähig sind? Woher kommt denn die Tatsache, daß unsere Währung neben der Schweizer Währung zu den höchstbewerteten Währungen der westlichen Welt gehört, daß die Schweizer schon Probleme wegen der hohen Bewertung des Schweizer Franken haben und wir selber vor zwar nicht vergleichbar großen, aber tendenziell ähnlichen Problemen stehen? Das sind die Tatbestände.
Lassen Sie mich hier bewußt nach den beiden letzten Reisen dieser und der letzten Woche noch etwas hinzufügen: Wir haben mit dem Ostblock seit Verabschiedung der Moskauer Verträge eine unvorstellbare Entwicklung des Warenaustausches. Das Volumen mit der Sowjetunion hat sich seit 1970 vervierfacht und wird in diesem Jahr wahrscheinlich 10 Milliarden DM erreichen; der Warenaustausch mit Polen hat ein Volumen von 5 Milliarden DM. Oder lassen Sie mich die ganzen Milliarden weglassen: Wir werden wahrscheinlich am Ende dieses Jahres mit den Ostblockländern einen Warenaustausch haben, der genauso groß sein wird wie der Warenaustausch mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Das bedeutet etwas für unsere Volkswirtschaft. Die mitreisenden Unternehmer hatten in einem Punkt nicht unrecht, nämlich wenn sie sagten: Der Vorteil des Warenaustausches - er ist zusätzlich; er darf nie alternativ sein - mit den anderen Systemen liegt darin, daß er a) anderen konjunkturellen Abläufen unterliegt, sich daher stabilisierend auf unsere eigene Produktion auswirken kann, und daß es sich b) meistens um sehr langfristige Verträge handelt, die daher auch eine gewisse Plafondierung oder Versockelung und Verstetigung bei uns im Inland bedeuten.
Aber lassen Sie mich genauso offen sagen: Es wird eben nicht mehr auf Dauer möglich sein, mit diese Ländern Handelsbilanzüberschüsse in einem Jahr zu erzielen, die in die Milliardengrößenordnung gehen. Denjenigen, die auch hier vor mir sitzen und immer dann so laut rufen, wenn es um die Frage geht, was wir eigentlich von denen beziehen können, um unsere eigenen Exporte einigermaßen aufrechterhalten zu können, möchte ich sagen: mit diesen Ländern, die dann in einen ganz merkwürdigen Protektionismus, um nicht zu sagen: Nationalismus, verfallen, müssen wir auch eine Diskussion führen.
({1})
Es ist einfach nicht möglich, daß wir Jahr für Jahr - lassen Sie mich beim letzten Land bleiben, bei Polen - für 3,4 Milliarden DM Ware dorthin schicken, für 1,5 oder 1,6 Milliarden DM Ware von dort beziehen und sagen: Seht zu, wie ihr mit euren Defiziten fertig werdet. Wer diese Dinge nicht sieht, der provoziert Protektionismus in der Welt und provoziert damit Rückgang der deutschen Position in der Welt. Das müssen Sie wissen.
({2})
Sie kritisieren einen landauf, landab. Dann können
Sie den Etat meinetwegen hier ja ablehnen. Wenn
auch nur über die Frage eines Kontingents in dem einen oder anderen Bereich verhandelt wird, dann sind Sie an der Front mit Schutzmaßnahmen, und Sie sagen nicht einmal der Öffentlichkeit, was Sie damit selbst an Preissteigerungsraten bewirken. Das sind doch die Fakten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten van Delden?
Bitte schön!
van Delden ({0}) : Herr Bundesminister, würden Sie in Ihre Vorhaltungen hinsichtlich unserer Kritik an übertriebenen Einfuhren - und nur diese kritisieren wir - auch die Gewerkschaften einbeziehen, die ja die gleiche Kritik üben, nämlich dann, wenn durch übertriebene Einfuhren die Arbeitsplätze zusätzlich gefährdet werden?
Ich beziehe jeden mit ein, der sich so verhält, weil er im Grunde genommen langfristig unsere eigene Position gefährdet.
({0})
Hier mache ich keine Unterschiede. Ich weiß allerdings: Je mehr kommen und je mehr untergehakt sind, desto schwieriger ist die Position.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß am Ende der Debatte über den Einzelplan 09 Konjunkturlage und -aussichten von Koalition und Opposition unterschiedlich beurteilt werden. Wer von uns recht hat, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Lassen Sie mich hier aber dies hinzufügen. Bei allem Streit um die richtige Wirtschaftspolitik sollte zwischen den Fraktionen dieses Hauses Einigkeit über die ordnungspolitischen Grundhaltungen der Wirtschaft bestehen. Ich möchte, wenn das Hohe Haus mir dies erlaubt, am 20. März 1975, dem 25. Todestag von Walter Eucken, dazu eine Bemerkung machen. Ich glaube, daß wir alle - hier nehme ich keine Fraktion dieses Hauses aus - durch ihn ordnungspolitisch schärfer und genauer denken gelernt haben. Wir haben von ihm vor allem - bewußt oder unbewußt - die Verpflichtung mit übernommen, unsere Volkswirtschaft so dezentral wie möglich über freie Märkte und über freie Preise zu steuern und den Wettbewerb zu sichern. Wenn wir wirtschaftspolitische Maßnahmen danach beurteilen, ob sie marktkonform sind oder nicht, so urteilen wir in seinen Kategorien. Es gibt auf prozeßpolitischem Gebiet neben Keynes meines Erachtens keinen Sozialökonomen, der die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland seit 1948 so entscheidend bestimmt hat, wie Eucken dies getan hat. Meine Damen und Herren, dies gilt unabhängig davon, welche der in diesem Hause vertretenen Parteien den Wirtschaftsminister stellte. Es gilt unabhängig davon, welche Partei in welchem Bundesland regiert hat oder regiert. Der Erfolg der von Eucken bestimmten Konzeption, die in die praktische Wirtschaftspolitik einfloß, hat ihm in überzeugender Weise recht gegeben. Das zeigt sich nicht nur bei einem Blick über die Grenzen nach Osten, wo der Typ einer Zentralverwaltungswirtschaft als wirtschaftspolitisches Leitbild verwirklicht wurde; ich meine, der Erfolg zeigt sich auch im Vergleich mit den westlichen Wirtschaftsnationen, in denen Interventionismus an die Stelle frei funktionierender Märkte trat. Die Menschen in unserem Lande wissen, was sie letztlich dieser Ordnung - über den Parteienstreit hinweg - zu verdanken haben. Bezeichnend dafür ist, daß sie auch in einer wirtschaftspolitisch schwierigen Situation, die wir im Augenblick in der ganzen westlichen Welt - auch in unserem Lande durchlaufen, nicht nach Abschaffung dieser Ordnung rufen, wenn ich von Außenseitern am Rande des politischen Spektrums absehe. Die Ernstzunehmenden rufen jedenfalls nicht nach der Abschaffung dieser Ordnung. Sie rufen aber um so drängender danach, diese Ordnung zu verbessern und zu vervollkommnen. Dies gilt für die Erhaltung und Intensivierung des Wettbewerbs ebenso wie lassen Sie mich dies bewußt unter wirtschaftlichen Kategorien hinzufügen - für den Ausbau der Sozialpolitik in wirtschaftlich vertretbaren Grenzen. Das gilt für die möglichst gerechte Verteilung der Güter, die in einem Land erwirtschaftet werden, also auch für die Frage, welche Anteile unserer Produktion - jedenfalls mittelfristig - für das Inland und welche für den Export bestimmt sind. Es hieße Eucken falsch verstehen, wenn man sein wirtschaftspolitisches Vermächtnis als Laisser-faire-Liberalismus, als Forderung nach staatlicher Abstinenz in der Wirtschaftspolitik bezeichnete. Ich bin allerdings der Meinung, daß der Staat seine Entscheidungen danach auszurichten hat, ob sie einer gleichermaßen sozialen und freiheitlichen Ordnung dienen.
({1})
Meine Damen und Herren, wir hätten uns hier vielleicht besser darum gekümmert, wie die entscheidenden Rahmenbedingungen in der Zukunft geschaffen werden sollen. Ich glaube, daß sich hier ein großes Feld für einen echten Wettstreit zwischen den in diesem Hohen Hause vertretenen Parteien ergeben würde. Die Ergebnisse dieses Wettstreites wären meines Erachtens wahrlich fruchtbarer für unser Land als der Streit darüber, ob die Konjunktur am 5. Mai oder am 5. Juni zu laufen beginnt.
({2})
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr begehrt. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung über den Einzelplan 09. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Wir müssen noch abstimmen über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 7/3254 zu dem Entschließungsantrag der CDU/CSU zur Beratung des Berichts und des Antrags des HaushaltsausschusVizepräsident Frau Funcke
ses zum Antrag der Bundesregierung betr. zusätzliche Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, diesen Entschließungsantrag für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Einzelplan 10
Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 7/3150 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Das Wort in der Aussprache hat Herr Abgeordneter Schmitz.
({0})
'Schmitz ({1}) ({2}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Regierungsentwurf des Agraretats 1975 und die mittelfristige Finanzplanung für den Einzelplan 10 sind ein Dokument der Ratlosigkeit und der agrarpolitischen Hilfslosigkeit der sozialliberalen Koalition und vor allen Dingen von Bundesminister Ertl.
({3})
Sie zeigen das Dilemma auf, in welches die Regierung angesichts der anhaltenden Inflation auf der einen und der immer größer werdenden Haushaltsdefizite in Anbetracht der wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf der anderen Seite zu geraten droht. Dazwischen steht unsere Landwirtschaft.
Wie der Agrarbericht 1975 ausweist, ist das Einkommen der Landwirte 1973/74 real um fast 7 % gesunken. Die Landwirtschaft hat damit nicht entsprechend dem Versprechen der Regierung an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen. Wenn der Einzelplan 10 im Hinblick auf die Anforderungen an den Haushalt, nämlich ein Regierungsprogramm in Zahlen zu sein, kritisch unter die Lupe genommen wird, so ist leider festzustellen, daß der Agraretat 1975 in einem proportional umgekehrten Verhältnis zu den Versprechungen und Beruhigungspillen der Regierung steht. Schon der Regierungsentwurf wies bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 7 % nur eine Steigerungsrate von 2,2 % gegenüber einem Gesamtzuwachs des Bundeshaushalts von 8,7 % auf. Diese nach unserer Meinung unzureichende Erhöhung des Einzelplans 10 sollte von den Koalitionsfraktionen auf Antrag der Regierung nochmals um 80 Millionen DM gekürzt werden, wodurch der Agraretat nur eine kümmerliche Steigerung um noch nicht einmal 1 % aufgewiesen hätte.
({4})
Zwar konnten wir im Haushaltsausschuß eine gewisse Verbesserung gegenüber den globalen Kürzungsvorschlägen durchsetzen, dennoch bleibt der
Agraretat 1975 mit einer Steigerungsrate von knapp 2 % unbefriedigend.
({5})
- Wir gemeinsam, Herr Kollege Löffler.
({6})
Im Gegensatz dazu erhalten beispielsweise die Bauern in Frankreich von ihrer Regierung geradezu klotzige Hilfen. Allein in dem jüngsten unzureichenden Preisbeschluß des Ministerrats sollen es in Frankreich nach Pressemeldungen rund 1,5 Milliarden DM sein, von den Milliarden vorher gar nicht zu reden. Das sind Wettbewerbsverzerrungen, die unserer Landwirtschaft demnächst noch schwerer zu schaffen machen. Herr Minister Ertl, damit erweist sich der seinerzeitige Bonner Faustschlag, wie er genannt worden ist, auf den Brüsseler Verhandlungstisch zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen lediglich als ein Schlag ins Wasser.
({7})
Auch durch die neuerlichen Zugeständnisse an Großbritannien im Agrarbereich werden wieder neue Schwierigkeiten auf unsere Landwirtschaft zukommen.
({8})
- Wir werden es abwarten. - Eine solche Agrarpolitik führt eine zukunftsorientierte Politik für Europa und für unsere Landwirtschaft ad absurdum. Es geht einfach nicht, daß man den anderen Partnerländern erlaubt, über den EG-Agrarfonds finanziert, in die Vollen zu gehen, und unsere Landwirtschaft an die kurze Haushaltsleine zu legen versucht.
({9})
Herr Kollege Ronneburger von der FDP - ich sehe ihn leider nicht; ich nehme an, daß er nicht hier sein kann - ({10})
- Herr Gallus, Sie habe ich bemerkt. Das merkt man an der Lautstärke. - Herr Kollege Ronneburger von der FDP hat in der Agrardebatte am 28. Februar 1975 erklärt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -, die Haushalts- und Finanzmasse böte bei uns keine Möglichkeit zu nationalen Maßnahmen. Nun, meine Damen und Herren, wenn ich unsere Finanz- und Haushaltssituation mit der unserer Partner vergleiche, dann glaube ich, daß die Möglichkeiten bei uns nicht geringer sind als bei den anderen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wenn dem so ist, meine Damen und Herren von der FDP, dann kann es doch wohl nur bei Ihnen am guten Willen fehlen. In Zukunft wird sich vielleicht einmal herausstellen, inwieweit Sie guten Willen haben.
Dies alles zeigt, welche Priorität die Landwirtschaft in Wahrheit im Rahmen der Gesamtwirtschaft und der Gesamtpolitik bei der linksliberalen Koalition genießt. Um ein geflügeltes Wort aus dem Buche der Wahrheit, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, abzuwandeln: „An ihren Früchten, nicht an ihren Sprüchen, werdet ihr sie erkennen!"
({11})
Schmitz ({12})
Herr Minister Ertl, ich kann Ihnen den Vorwurf leider nicht ersparen, daß Sie nicht nur in Brüssel, sondern offensichtlich auch im Kabinett und in Ihren Fraktionen nicht mehr das notwendige Durchsetzungsvermögen haben, um die berechtigten Belange der Landwirtschaft und der Menschen des ländlichen Raumes im Haushalt finanziell absichern zu können.
({13})
Herr Minister Ertl und meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, es ist einfach nicht wahr, daß die deutsche Landwirtschaft einseitig von der niedrigen Inflationsrate bei uns begünstigt wird, so daß ein Kurztreten bei nationalen Förderungsmaßnahmen gerechtfertigt erscheint. So hat sich nach den Berechnungen der Kommission der Index des landwirtschaftlichen Realeinkommens je Arbeitseinheit in der Bundesrepublik von 1968 = 100 bis 1973 auf nur 108 erhöht. In Frankreich stieg er dagegen im gleichen Zeitraum - man höre und staune! - auf 152,4, in den Niederlanden auf 119, in Belgien auf 140, in Luxemburg auf 130 und in England auf 152,5.
({14})
Die Einkommen der deutschen Bauern haben damit in den letzten Jahren im EG-Vergleich relativ am geringsten zugenommen.
In Anbetracht der öffentlichen Haushaltsklemme erweist sich der Vorschlag von Wirtschaftsminister Friderichs und seinem Staatssekretär Schlecht auf Abbau des Grenzausgleichs unter Einführung von direkten Ausgleichszahlungen an bedürftige Betriebe nach meiner Überzeugung als verantwortungsloses Gerede. Damit ist der Wirtschaftsminister den berechtigten Forderungen unserer um ihre Existenz kämpfenden Landwirtschaft nach Erhaltung und lükkenlosem Ausbau des Grenzausgleichs bis zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion in den Rücken gefallen. Wie die jüngsten Vorschläge der Brüsseler Behörde zur Reform der EG-Agrarpolitik beweisen, in denen der vollständige Abbau des Grenzausgleichs verlangt wird, hat der Wirtschaftsminister der deutschen Landwirtschaft einen schlechten Dienst erwiesen und den Interessen der Konkurrenten in die Hände gespielt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann in der Kürze der mir zugestandenen Redezeit nicht auf alle Titel des mangelhaften Regierungsentwurfs für den Agraretat eingehen. Ich möchte daher nur einige Schwerpunkte herausgreifen.
Trotz der schwierigen Situation der bäuerlichen Betriebe wird im Haushalt das Schwergewicht weiter zugunsten der aus der Landwirtschaft ausscheidenden Menschen verlagert. Für die Erhaltung und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der aktiven bäuerlichen Betriebe stehen zuwenig Mittel zur Verfügung. Darauf komme ich noch nachher im weiteren Verlauf der Ausführungen zurück. Insbesondere ist die Investitionsförderung unzureichend, zumal die Landwirtschaft gerade hier unter der Kostenexplosion bei einer nicht sehr realistischen Abschreibungsmöglichkeit leidet.
Auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten des Strukturwandels und infolge der Arbeitslosigkeit erscheint mir die Gewichtung innerhalb des Haushaltes agrarpolitisch verfehlt. Bei den Bundesmitteln für die Gemeinschaftsaufgabe ist es uns im Haushaltsausschuß zwar gelungen, im Gegensatz zu den Regierungsvorschlägen eine Kürzung um 80 Millionen DM zu vermeiden und statt dessen das Kap. 10 03 um 22 Millionen DM aufzustocken. Dennoch möchte ich dazu sagen, daß das nicht zufriedenstellend ist, weil der Bund damit den möglichen guten Willen der Länder blockiert. Nach Meinung der CDU/CSU-Fraktion - ({15})
- Nein, es ist nicht die falsche Zeile. Ich wollte Ihnen nur etwas ersparen, was für Sie möglicherweise noch schlimmer geworden wäre.
Um offensichtliche Mängel bei den Haushaltsansätzen für die dringend erforderliche Investitionsförderung zu verdecken, wird von der Regierung und der Koalition auf die erhöhten Sozialausgaben hingewiesen. Auch die CDU/CSU - das möchte ich ausdrücklich betonen - begrüßt eine Verbesserung der sozialen Absicherung der Menschen in der Landwirtschaft. Allerdings müssen wir darauf hinweisen, daß vor allen Dingen im Hinblick auf die Witwen und kriegsversehrten Landwirte noch keine volle soziale Parität erreicht ist.
({16})
Entgegen früherer Zusicherung der Regierungskoalition ist die Beitragsfreiheit für diesen Personenkreis trotz der ihnen aufgezwungenen Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung noch nicht verwirklicht worden. Damit wird den Witwen und kriegsbeschädigten Landwirten ihr früherer sozialer Besitzstand weiter vorenthalten.
({17})
- Herr Gallus, ich hoffe, Sie sind im Haushaltsausschuß immer so fleißig anwesend, wie Sie es möglicherweise draußen in Bauernversammlungen sind. Dann wüßten Sie das auch. - Ich hoffe, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß auch für Sie diese Diskrepanz mit dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren ist.
Gerade im Hinblick auf die Verbesserung der sozialen Lage für die Menschen in der Landwirtschaft sehen wir auf den Haushalt und die von der Regierung beabsichtigte mittelfristige Finanzplanung des Einzelplans 10 große Schwierigkeiten zukommen. Schon heute machen die sozialen Ausgaben des Agraretats rund 50 o/o aus. Im Jahre 1974 hatten sich die außerordentlichen Kostensteigerungen im Bereiche der Krankenversicherung fortgesetzt. Erst vorläufige statistische Ergebnisse der landwirtschaftlichen Krankenkassen lassen erkennen, daß sich der Aufwand je Versicherten ohne Altenteiler von insgesamt rund 1 000 DM im Jahre 1973 auf fast 1 300 DM erhöht hat. Bei der Kostensteigerung liegen wiederum die Krankenhausbehandlungskosten mit einer Zunahme um über 30 0/o an der Spitze.
Schmitz ({18})
Selbst wenn man im landwirtschaftlichen Sozialsektor in optimistischer Weise im Durchschnitt nur eine Steigerungsrate um etwa 13 % jährlich zugrunde legt, werden sich die Zuschüsse des Bundes alleine für die Krankenversicherung bis 1979, grob überschlagen, auf fast 1 Milliarde DM erhöhen müssen. Noch vor Ende dieses Jahrzehnts wird bei einer Fortschreibung dieser Kostenlawine in der mittelfristigen Finanzplanung der Anteil der sozialen Maßnahmen im Einzelplan 10 rund zwei Drittel ausmachen. Sollte keine Änderung der Ansätze im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung erfolgen, so werden Sie, Herr Minister Ertl, oder Ihr Nachfolger, der dann hoffentlich von der CDU gestellt wird,
({19})
nur noch eine Art von landwirtschaftlicher Sozialminister sein. Das ist ein Problem, das uns alle angeht.
Ebenso notwendig sind aber auch die Maßnahmen im Investitions- und Strukturbereich, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft, vor allen Dingen der aktiven Landwirtschaft zu erreichen. Hier muß mit großer Entschiedenheit unterstrichen werden, daß die Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe mit Sozialbeiträgen nicht noch vergrößert werden kann.
({20})
- Ich sehe, Sie kennen sich aus, Herr Volksschullehrer. - Die monatlichen Sozialausgaben vieler bäuerlicher Betriebe haben dafür in einer Umwelt steigender Kosten und Löhne schon jetzt die Grenze des Tragbaren erreicht, wenn nicht gar überschritten.
Herr Minister Ertl, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, für diese insgesamt aufgezeigte Zwangslage zwischen inflationärer Kostensteigerung und fehlenden öffentlichen Finanzmitteln infolge der geringen Steuereinnahmen tragen Sie alleine die Verantwortung. Sie haben unsere rechtzeitigen Vorschläge zur Verbesserung Ihrer verfehlten Agrar- und Wirtschaftspolitik als Panikmache in den Wind geschlagen. Man kann sich leider nicht des Eindrucks erwehren, daß Sie eine Haushalts- und Agrarpolitik nach dem Motto betreiben: Nach den Wahlen 1976 die Sintflut! Angesichts der Kostenexplosion und der leeren Staatskassen ist zu befürchten, daß der Landwirtschaftsminister Ertl sogar noch vorher im Einzelplan 10 den Offenbarungseid leisten muß.
({21})
- Herr Gallus, wenn Sie sich aufregen, habe ich immer den Eindruck, daß wir recht haben.
({22})
Herr Minister Ertl, diese sich abzeichnende Zwickmühle kann Sie doch zumindest nicht unvorbereitet getroffen haben. Sie machen doch in Ihrem Hause den Modellfall einer integrierten Aufgaben- und Finanzplanung in der Bundesregierung als einziges Haus.
In diesem Zusammenhang möchte ich an Sie und vor allen Dingen auch an das Hohe Haus appellieren, mit dafür Sorge zu tragen, daß das Parlament bei der Aufgabenplanung auch in den Ministerien künftig stärker berücksichtigt wird, damit nachher nicht die Exekutive total entmachtet wird. Wenn Sie also Modellplanung machen und diese Entwicklung voraussehen, müssen Sie doch Vorschläge und Rezepte in der Schublade haben. Wir erwarten da von Ihnen, Herr Minister Ertl, daß Sie die Karten auf den Tisch legen, daß Sie uns sagen, wie diese Schwierigkeiten, diese Diskrepanz zwischen Förderung der aus der Landwirtschaft Ausscheidenden und Förderung der in der Landwirtschaft Tätigen, den Aktiven, in der mittelfristigen Finanzplanung beseitigt werden soll.
({23})
Das Parlament, die Öffentlichkeit, insbesondere aber die Bauern als Betroffene haben nach unserer Überzeugung ein Anrecht darauf, ganz zu erfahren, was auf sie zukommt. Man kann nicht auf einen Wahltermin warten, sei es auf den 4. Mai in Nordrhein-Westfalen oder auf 1976. Ich hoffe, daß Sie die Karten auf den Tisch legen.
({24})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo die Früchte und wo die Sprüche in der Agrarpolitik liegen, das kann jeder allein feststellen, wenn er sich die Mühe macht, den Einzelplan 10 durchzulesen, und wenn er sich gleichzeitig die Mühe macht, im Protokoll nachzulesen, was der Kollege Schmitz ausgeführt hat. Die Zahlen und die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache.
Sicher, die Gesamtausgaben im Einzelplan 10 steigen in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr nur um 2 % das ist weniger als die Erhöhung des Gesamtetats. Dabei wollen wir aber nicht vergessen, daß es in früheren Jahren auch schon bedeutend mehr gewesen ist, und das kann natürlich wieder so kommen.
({0})
Keine verantwortungsvolle Politik kann sich dem Automatismus gleicher Steigerungsraten in allen Einzelplänen unterwerfen und damit auf jede politisch so notwendige Prioritätensetzung verzichten. Das kann auch eine CDU/CSU-Politik nicht tun.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niegel?
Aber selbstverständlich!
Herr Kollege Löffler, Sie sagen, in einem Jahr mehr, in einem Jahr weniger. Wenn man den Durchschnitt der Steigerung des Agraretats seit 1969 gegenüber der des Gesamtetats nimmt, kann man ohne weiteres davon ausgehen, daß der Durchschnitt der Anhebung des Agraretats immer unter der des Gesamtetats geblieben ist.
Ach, wissen Sie, Herr Kollege Niegel, ich bin eigentlich nicht dazu verpflichtet, von dieser Stelle aus Rechenaufgaben für Sie zu erledigen. Machense det doch alleene, würde ich schlicht und ergreifend sagen.
({0})
Das ist nicht meine Aufgabe.
Der Einzelplan 10 schließt in diesem Jahr mit 5 477 000 000 DM ab. Davon entfallen allein 27,2 v. H. auf Investitionsausgaben. Das heißt, im Einzelplan 10 liegt der Anteil an Investitionsmitteln bedeutend höher als im Gesamtetat, Herr Kollege Schmitz. Das haben Sie offensichtlich bei Ihrer Klage über die fehlenden Investitionsmittel ganz übersehen und unberücksichtigt gelassen. Wenn ich dann noch hinzurechne, daß etwa 600 Millionen DM aus Ländermitteln hinzukommen, dann sind das zirka 2 Milliarden DM, mit denen Investitionsaufgaben im Bereich der Landwirtschaft von seiten des Staates gefördert werden. Ich glaube, diese hohe Investitionsquote macht ganz eindeutig klar, daß die Bundesregierung nach wie vor bemüht ist, durch sinnvolle Strukturverbesserungen der Landwirtschaft zu helfen, auch in Zukunft ein besseres wirtschaftliches Ergebnis zu erringen.
({1})
Wer das Gegenteil behauptet, kann entweder keine Zahlen lesen, will sie nicht lesen können oder will mit Unsachlichkeit Politik betreiben, was ja mitunter auch vorkommt.
Der größte Posten im Agraretat - darauf ist Herr Kollege Schmitz schon eingegangen sind die Sozialausgaben. Sie betragen in diesem Jahr mehr als 2,5 Milliarden DM; das sind mehr als 46 O/o der gesamten Ausgaben im Einzelplan 10. Auch hier liegt der Anteil für Sozialausgaben weit höher als im gesamten Bundeshaushalt. Nehme ich also einmal diese beiden wichtigen Posten Sozialausgaben und Investitionsausgaben - zusammen und vergleiche sie mit dem Anteil, den diese Posten am Gesamthaushalt des Bundes haben, dann kann man wohl beim besten Willen nicht zu dem Ergebnis kommen, daß dieser Etat für die Landwirtschaft nicht nützlich ist.
({2})
Ganz im Gegenteil, er beweist klar und eindeutig, daß die Regierung im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für diese Gesellschaft und für diesen Staat alles politisch und finanziell Mögliche für die Landwirtschaft getan hat. Wer der Meinung ist, daß noch ein bißchen mehr getan werden sollte: Bitte, wir
sind natürlich bereit, Anträge von Ihnen entgegenzunehmen. - Ja, Herr Kollege Ritz, Sie schütteln Ihr Haupt. - Sagen Sie, wo wir etwas zulegen sollen, und dann vor allen Dingen, wo wir etwas abstreichen sollen.
({3})
- Ich würde vorsichtig sein, Herr Ritz, jetzt schon
das Haupt zu schütteln. Herr Kollege Schmitz hat vorhin gerade darauf hingewiesen, daß es ja auch einmal wieder - und davon gehe ich auch aus - einen CDU-Agrarminister gibt.
({4})
- Wollen wir einmal sehen, ob Ihre Fraktion
immer noch klatscht, wenn ich jetzt sage, der kann ja möglicherweise Burkhard Ritz heißen. Wenn er jetzt mit dem Kopf schüttelt, dann programmiert er jetzt schon seinen Rücktritt in - was weiß ich - acht oder zehn Jahren. Vorsichtig, Herr Kollege Ritz!
({5})
Ich würde sagen: Vorsichtig, Herr Kollege Ritz! - Jeder der lesen und rechnen kann, sieht also, daß selbst unter erschwerten finanziellen Verhältnissen der ganz ernsthafte Versuch unternommen worden ist, den Bedürfnissen der Landwirtschaft voll und ganz Rechnung zu tragen.
({6})
Dabei darf auch nicht vergessen werden, daß für die europäischen Marktordnungsausgaben in der Anlage E zusätzlich rund 2,2 Milliarden DM ausgewiesen werden, die indirekt ebenfalls der deutschen Landwirtschaft zugute kommen. Ziehe ich einmal beide Posten zusammen, dann bedeutet das, daß in diesem Jahr insgesamt 7,5 Milliarden DM der deutschen Landwirtschaft zufließen. Das ist fast ein Drittel des Anteils am Bruttoinlandprodukt, den die deutsche Landwirtschaft erbringt. Mit anderen Worten: An dieser Stelle wird die große soziale Umverteilungsfunktion ganz deutlich, die dieser Haushaltsplan hat. Es ist insbesondere eine Umverteilungsfunktion zugunsten der deutschen Landwirtschaft.
({7})
Natürlich wird von der Koalition nicht verkannt, Herr Schmitz - wer will das in Abrede stellen? -, daß es im landwirtschaftlichen Bereich besondere und schwierige Probleme gibt. Das Preis-Kosten-Verhältnis ist nach wie vor - das sei unbestritten - völlig unbefriedigend.
Als nächstes wären die steigenden Kosten für die Agrarsozialpolitik zu nennen. Nur, diese Kosten belasten die Versicherten und den Bundeshaushalt gleichermaßen. Der Anteil des Bundes ist gegenüber dem Vorjahr beträchtlich gestiegen.
Natürlich wissen wir auch, daß die sozialen Lasten für die einzelnen Landwirte gestiegen sind; das gilt insbesondere bei den Aufwendungen für die
Krankenversicherung. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, daß in der Landwirtschaft gerade auf diesem Gebiet ein großer Nachholbedarf besteht. Weshalb dieser Nachholbedarf besteht, das können Sie sich allein beantworten, weil Sie über viele Jahre hin nicht daran gedacht haben, eine gesetzliche Krankenversicherung für die Landwirte einzurichten.
({8})
Im übrigen sind die Landwirte aufgefordert, durch die Wahrnehmung ihre Mitbestimmungsrechte in ihren Krankenkassen dafür zu sorgen, daß ihre Belastungen in erträglichem Rahmen bleiben und die Lasten vielleicht etwas gerechter verteilt werden, als das gegenwärtig der Fall ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein erklärtes Ziel der sozialliberalen Koalition ist es und bleibt es, das System der sozialen Sicherung für alle Menschen in diesem Lande auszubauen und zu verbessern.
({9})
Davon ist die Landwirtschaft zum erstenmal in der deutschen Sozialgeschichte nicht mehr ausgeschlossen; es gibt nicht mehr - die Zahlen beweisen es ganz eindeutig - die Zustände wie in früheren Jahrzehnten.
Im Haushaltsjahr 1970, dem ersten, das die sozialliberale Koalition zu veratworten hatte, waren für die landwirtschaftliche Sozialpolitik rund 880 Millionen DM vorgesehen. Dieser Betrag hat sich in fünf Jahren fast verdreifacht.
({10})
In dieser gewaltigen Steigerung kommt zum Ausdruck, wie stark die soziale Verpflichtung der sozialliberalen Koalition gegenüber der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist. Dabei muß auch in Rechnung gestellt werden, daß diese Beträge fast vollständig die Empfänger erreichen und nicht von irgendwelchen Organisationen und Gruppen am Rande des landwirtschaftlichen Bereichs verschlungen werden.
({11})
Ich habe hier das Wort „Almosen" gehört. Das bringt doch eigentlich nur zum Ausdruck, in welch einer Geistesverfassung sich dieser Zwischenrufer jetzt noch befindet.
({12})
Soziale Sicherung in einem modernen Staat, in einer modernen Gesellschaft ist doch kein Almosen. Aber hören Sie doch einmal!
({13})
- Aber nun hören Sie sich doch einmal das an, was gestern Herr von Weizsäcker gesagt hat! Und dann kommt hier der Zwischenruf „Almosen". Da muß man doch wieder fragen: Gibt es denn keine politische Abstimmung innerhalb der Oppositionsfraktion?
({14})
In diesem Zusammenhang aber auch noch ein Wort zum Kindergeld; darüber ist bisher von den Agrarpolitikern der CDU/CSU überhaupt noch nicht gesprochen worden. Die neue Kindergeldregelung im Rahmen der Steuerreform ist die erste sozialpolitische Maßnahme, Herr Kollege Dr. Früh, in die die Landwirte von vornherein mit eingeschlossen sind. Ein historisches Datum ist der 1. Januar für die Landwirtschaft, ein historisches Datum!
({15})
Zum erstenmal nehmen sie an einer Maßnahme, die für alle da ist, voll und ganz, ohne alle Abstriche teil.
({16})
Vizepräsident von Hassel: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Susset?
Bitte sehr!
Herr Kollege Löffler, hätten Sie sich eine Kindergeldregelung vorstellen können, in die alle Gruppen außer der Landwirtschaft eingebunden sind? Es ist doch unmöglich, daß man hier immer wieder erklärt, dies sei eine Sonderleistung für die Landwirtschaft.
({0})
Nebenbei gesagt, Herr Kollege Susset, ich gebe Ihnen völlig recht. Ich kann mir überhaupt keine soziale Maßnahme vorstellen, bei der bestimmte Gruppen außen vor bleiben. Aber Sie haben doch diese Gruppe 20 Jahre lang außen vor gelassen, Sie waren das doch, nicht wir!
({0})
Das nunmehr vom Einkommen unabhängige Kindergeld bringt gerade in landwirtschaftlichen Bereichen spürbare Einkommenszuwächse. Bei einem Reineinkommen von zirka 10 600 DM im Jahr beträgt die Verbesserung, wenn zwei Kinder vorhanden sind, durch die Steuerreform rund 1 000 DM.
({1})
Um z. B. den gleichen Betrag bei der entsprechenden Betriebsgröße über die Preisverhandlungen in Brüssel hereinzuholen, müßte das gesamte Agrarpreisniveau um 8 bis 10 °/o angehoben werden, und dann
wäre die Erhöhung des Einkommens in diesem Ausmaß immer noch nicht voll gesichert.
({2})
Wenn ich jetzt einmal bedenke, wie viele Worte des Protests von seiten der Opposition mitunter wegen eines geringfügigen Prozentsatzes, der in Brüssel nicht erreicht werden konnte, auf die Regierung, insbesondere auf Minister Ertl, niederprasseln, und wenn ich andererseits bedenke, mit welchem Stillschweigen diese Leistung von Ihnen bedacht wird, die den Landwirten durch das Kindergeld zugute kommt,
({3})
ist das doch entlarvend für die Einstellung der Opposition.
({4})
Nach Zahlen der agrarsozialen Gesellschaft werden der Landwirtschaft mit der neuen Kindergeldregelung jährlich etwa 1 032 000 000 DM zufließen. Zu diesem Zeitpunkt, Herr Dr. Althammer, bei einer Verdreifachung der Ausgaben für die agrarsozialen Leistungen der Bundesregierung, bei über einer Milliarde DM Kindergeld, sprachen Sie heute vormittag davon, daß die sozialen Leistungen in diesem Staate zwangsläufig nachlassen müssen. Lieber Herr Dr. Althammer, in welcher Welt leben Sie?
({5})
Die Fakten geben Ihnen nicht im geringsten recht.
({6})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmitz ({7}) ?
Ja! Ich bitte aber, daß das von meiner Redezeit abgezogen wird.
Vizepräsident von Hassel: Das hängen wir an. Es ist sowieso schon spät. Bitte schön, Herr Schmitz.
Herr Kollege Löffler, sind Sie zumindest bereit, anzuerkennen,
({0})
daß wir uns über die Einkommensituation der Landwirtschaft erst am Ende des Jahres 1975 bei der Gesamtberechnung der Kindergeldzahlungen unterhalten dürfen?
Selbstverständlich bin ich dazu bereit. Wissen Sie, Herr Kollege Schmitz, ich sage doch hier keine Zahl, die ich aus dem hohlen Ärmel geschüttelt habe. Da könnte ich mich um ein paar Milliönchen Mark verrechnet haben. Doch diese Zahl stimmt natürlich, vorausgesetzt die Kinderzahl in der Landwirtschaft stimmt. Man weiß, daß in anderen Ländern mal die Zahl der Kühe in der Landwirtschaft nicht stimmte. Aber ich nehme an, die Zahl der Kinder in der deutschen Landwirtschaft wird wohl stimmen.
({0})
Hier muß auch ein Wort über die Bemühungen der Bundesregierung, auf internationaler Ebene unserer Landwirtschaft zu helfen, gesagt werden. Herr Kollege Schmitz ist auch darauf eingegangen. Die letzten Ratsbeschlüsse in Brüssel sind leider zum Teil unsachlich kommentiert worden. In den Zeitungen wurden teilweise schauerliche Tatarenmeldungen über die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise verbreitet. Richtig ist, daß die Preise für Nahrungsmittel nach wie vor - und das ist unbestritten - zur Preisstabilität in unserem Lande beitragen. Die Preisbeschlüsse in Brüssel haben nicht unmittelbar etwas mit dem Preis zu tun, den die Hausfrau im Geschäft für die Nahrungsmittel bezahlen muß.
So hat zum Beispiel eine Zeitung, deren Herausgeber aber nun wirklich ganz ohne Zweifel der Opposition nähersteht als der Koalition, verkündet, ab 1. März müsse die Butter wegen der Brüsseler Preisbeschlüsse teurer werden. Aber weder die Notierungen im Großhandel noch die Verkaufspreise in den Geschäften müssen sich deshalb erhöhen. Solche Vorankündigungen können die Preise nämlich auch nach dem Gesetz der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen in die Höhe treiben.
({1})
- Aber entschuldigen Sie, Herr Kollege Ritz, ich sage doch hier vorn nicht alles nur gegen die Opposition. Was soll das? Wir haben doch hier eine sachliche Debatte.
Solche und andere Meldungen und Kommentare waren möglich, weil die Brüsseler Beschlüsse - Gott sei es geklagt - so unklar und so wenig verständlich waren, daß weder Landwirte noch Verbraucher noch Politiker die Sache voll durchschauen konnten.
({2})
Gerade wenn man etwas nicht richtig versteht, kann man natürlich all das behaupten, was einem politisch in den Kram paßt. So machte es zum Beispiel der „Bayernkurier",
({3})
in dem ein Artikel von einem Freiherrn Otto von
Feury stand, dem Hause wohlbekannt. Er schreibt:
Es war deprimierend, mit ansehen zu müssen, wie die deutsche Verhandlungsdelegation in Brüssel Stück für Stück gerade beim Grenzausgleich geopfert hat. Die Leidtragenden sind wieder einmal mehr die deutschen Bauern.
Man kann sich so richtig vorstellen, wie der Baron besorgt durch das Schlüsselloch geschielt hat, den Ratstisch in der Pupille, und festgestellt hat, daß Sie, Herr Minister Ertl, Stück für Stück nachgegeben
Löfflerhaben. Hätte er man nur durchs Schlüsselloch geschielt! Dann hätte er gesehen, daß Herr Ertl zäh gerungen hat, hart verhandelt hat und diesmal er derjenige war, der im grünen Poker in Brüssel bis zum letzten gereizt hat.
({4})
Was hat denn Herr von Feury eigentlich gesehen? Das waren doch nur seine Vorurteile, seine agrarpolitischen Vorurteile gegen die sozialliberale Koalition.
({5})
Er hat sich damit als ein gelehriger Schüler eines Propheten von Sonthofen bewiesen.
({6})
Ich warne jetzt diejenigen ({7})
- ja, Herr Dr. Früh - in der CDU-Fraktion, die von der Sache etwas verstehen, davor, auch auf diese Masche einzugehen.
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Einzelplan wird die erfolgversprechende Linie der Agrarpolitik, wie sie die sozialliberale Koalition betreibt, fortgesetzt. Wir haben zwei wichtige Markierungen, die ich Ihnen genannt habe, die Investitionsquote und die Quote für die Sozialausgaben in diesem Plan, die zur Sicherung der Landwirtschaft ganz erheblich beitragen werden.
Meine Fraktion stimmt diesem Einzelplan nicht nur zu, sondern sie ist sogar stolz auf ihn.
({9})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Ertl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Herren Zwischenrufern von der CDU möchte ich sagen: mein Kollege Gallus hat immer das Sagen.
({0})
- Ja, das ist gut so. Ich bin ein folgsamer Schüler der Exekutive von der Legislative, soweit es die Regierungskoalition betrifft.
({1}) Das macht mir gar nichts mehr aus.
Graf Stauffenberg, Sie dürfen raufkommen, mit Ihnen diskutiere ich besonders gerne. Das gibt mir den Hauch des Noblen. Das tut einem Landwirtschaftsminister gut, wenn er so ein bissel den Hauch des Noblen verspürt.
({2})
Herr Schmitz ({3}), in einem Punkt stimme ich Ihnen voll zu. Ich hoffe - allerdings, zu welchem Zeitpunkt, das wird der Wähler entscheiden
daß die Landwirtschaft wieder einmal messen kann, welche Agrarpolitik gemacht wird, wenn ein CDU-Landwirtschaftminister da ist und ein CSU- Finanzminister namens Franz Josef Strauß.
({4})
Das werden dann die Landwirte spüren. Dafür gibt es Beweise.
({5})
Im übrigen habe ich bezüglich Sonthofen nichts zu bemerken, mit Ausnahme, daß wir Sonthofen im Bergbauernprogramm besonders gerne berücksichtigen.
({6})
Das tun wir besonders gerne. Im übrigen ist es ein bedeutender Wintersportort mit einer Flugschanze, wo man sehr große Weiten erzielen kann. Das betrifft die alten Skifahrer.
({7})
Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maucher?
({8})
Ja, wenn man zu weit springt, stürzt man. Das habe ich auch schon mal verspürt. Mit Sprüngen habe ich schon meine Erfahrungen.
Nun, Herr Präsident, ich möchte das Plenum nicht allzu sehr aufhalten. Aber ich muß einige Dinge richtigstellen, Herr Schmitz ({0}). Deshalb, damit es hier überhaupt keinen Streit gibt, wenn Sie gestatten, Herr Präsident: Agrarbericht, Ubersicht 13, Seite 38! Hier werden Sie nämlich feststellen, daß diese globale Feststellung 0,3 zwar richtig ist, daß sie aber in der Realität nicht zu halten ist. Sie stellen nämlich selbst fest, daß das bei Betrieben unter 20 000 DM Standardbetriebseinkommen - und das sind noch nicht einmal Vollerwerbsbetriebe; jeder, der etwas von Landwirtschaft versteht, wird wissen, daß es sich höchstens um Zuerwerbsbetriebe handeln kann, z. B. bei Hackfruchtbaubetrieben - plus 9,7 % ergibt.
({1})
- Futterbaubetriebe? Ich gebe Ihnen gerne zu, oh, ich verschweige nichts, das kann ja jeder nachlesen, deshalb zitiere ich den Agrarbericht: minus 7,1. Aber dann, verehrter Herr Sauter, müssen Sie auch den langjährigen Durchschnitt sehen. Ich will Ihnen auch ebenso sagen: dasselbe gilt für 20 000 DM bis 50 000 DM, wo der Großteil der Vollerwerbsbetriebe
liegt. Ich will mit Ihnen nicht über die über 50 000 reden, sonst sagt man: er hat es nur mit den Großen. Das habe ich nicht. Ich habe es auch ganz gern mit den Kleinen.
({2})
- Das sind auch weniger, aber nicht unbedeutsame. Denn, Herr Kollege Susset, auch darüber läßt sich reden.
Im übrigen werden Sie mir zugeben, daß das landwirtschaftliche Einkommen für die 40 % oder 45 % Nebenerwerbsbetriebe nicht einkommensentscheidend ist, sondern hier ist das außerlandwirtschaftliche Einkommen entscheidend. Deshalb kann ich diese Pauschale - so zu sagen minus 7 % - einfach sachlich-fachlich so nicht im Raum stehen lassen. Ich hätte mich nicht gewehrt, Herr Schmitz ({3}), aber ich lege Wert darauf, daß im Protokoll dieses Bundestages die differenzierte Wahrheit verankert wird.
({4})
Zweiter Punkt. Ich habe hier eine Aufstellung - ich kann sie zu Protokoll geben - über die Entwicklung der Agrareinkommen seit 1963/64. Sie können sie auch im Agrarbericht nachlesen. Da muß ich Ihnen allerdings sagen: Seit es diese Regierung gibt, sind in einem fünfjährigen Durchschnitt 10,5 % erreicht worden. Das hat es früher nicht gegeben; und letzten Endes zählt auch für die Landwirtschaft das, was unterm Strich rauskommt. Das soll nicht heißen, daß es keine Probleme mit Disparitäten und Einkommensvergleichen gibt. Aber das wollen wir hier einmal ganz nüchtern feststellen: Für den ganzen Zeitraum - mit Plus- und Minusjahren - bleibt unterm Strich bis heute 10,5 % Plus übrig. Und nun vergleichen Sie die Zahlen in den früheren Jahren! Diesen Vergleich trete ich auch gern an.
({5})
- Ja, verehrter Kollege, auch über die Gesamtdisparität kann man sich unterhalten. Da muß ich Ihnen allerdings sagen: ich bin ein sehr leidenschaftlicher Befürworter des Landwirtschaftsgesetzes gewesen. Aber in einem Zeitpunkt, wo 40 % oder 45 °/o Nebenerwerbslandwirte und 17 % Zuerwerbslandwirte sind, ist die Landwirtschaft gut beraten, wenn sie von der Globaldisparität in dieser Form nicht ausgeht, weil sie sich nämlich sonst von der übrigen Bevölkerung und der kritischen Offentlichkeit vorhalten lassen muß, hier werde mit Zahlen operiert, die einer objektiven Beurteilung nicht standhalten. Ich halte sehr viel davon, daß man eine Agrarpolitik betreibt, die einer objektiven Beurteilung standhält.
({6})
Vizepräsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmitz ({7})?
({8})
Herr Bundesminister, sind Sie zumindest bereit, die Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen, die ich Ihnen soeben vorgelesen habe: daß auf der Grundlage der Berechnung der Kommission das landwirtschaftliche Realeinkommen - Basis 1968 = 100
in der Bundesrepublik bis 1973 nur auf 108 gestiegen ist, in den Niederlanden auf 130 ich lese
bewußt langsam vor, damit er es sich merkt -, in Frankreich auf 152,4 und in England auf 142,5?
Herr Schmitz ({0}), das kann ich deshalb weder mit Ja noch mit Nein beantworten, weil Sie mir die Zahlen noch einmal geben müßten, damit ich sie nachprüfen kann.
Zweitens will ich Ihnen sagen: Bei all diesen Einkommensvergleichen ist z. B. der Aufwertungsausgleich nicht berücksichtigt; der geht nämlich hier ganz unter, den müssen Sie aber zumindest zuaddieren. Es geht auch die 3 %ige Mehrwertsteuer unter, die bisher unverändert weiter bezahlt wurde. Das müssen Sie dann insgesamt aufaddieren.
Ich bin gern bereit, Ihre Zahlen überprüfen zu lassen; ich gebe Ihnen gern eine mündliche oder schriftliche Stellungnahme dazu, wenn Sie das wünschen.
Ich möchte Ihnen aber auch anraten, nach Frankreich zu fahren und sich nach der dortigen Einkommenssituation zu erkundigen.
({1})
Ich wäre sogar dankbar, wenn das Präsidium dies als Dienstreise anerkennen würde; denn, Herr Schmitz ({2}), für Sie wäre es sehr gut, wenn Sie einmal an Ort und Stelle Einkommensvergleiche anstellten. Und danach treten wir wieder in den Dialog. Dann werden Sie sehen, wie die Situation ausschaut. Darauf freue ich mich schon.
Sie haben z. B. auf nationale Leistungen hingewiesen. Ich will gar nicht alle Einzelheiten aufzeigen; ich will Ihnen z. B. nur sagen: die Prämien, die wir bis zum Februar bezahlt haben, hat Frankreich nicht bezahlt. Von den Interventionsmaßnahmen wollen wir gar nicht reden. Und in diesem Zusammenhang will ich sehr deutlich sagen: Der derzeitige Rinderpreis - für Bullen und Rinder - ist auf einer befriedigenden Höhe; und das ist nicht zuletzt auf unsere gesamte Markt- und die mit erheblichen Steuermitteln durchgeführte Interventionspolitik zurückzuführen. Wer das nicht glaubt, der soll sich bei den Bauern erkundigen.
Ich will einen letzten Punkt anschneiden: die Agrar-Sozialpolitik. Ich halte die Agrar-Sozialpolitik ebenso wie die Markt-, Preis- und Strukturpolitik für einen wichtigen Baustein der Politik dieser Regierung. Ich könnte hier auch Zahlen vorlegen. Ich will Ihnen mal sagen, was meine Mitarbeiter ausgerechnet haben; das ist vielleicht ganz nützlich.
Herr Schmitz ({3}), Ihre Sozialpolitiker werden Ihnen das bestätigen. Ich sage das gar nicht so gern. Aber wenn die Opposition einen Redner
stellt, muß sich die Regierung objektiv verantworten und auch den entsprechenden Beitrag leisten.
Sie wissen selbst, Herr Schmitz ({4}) : es gibt keinen Bereich der Sozialpolitik, wo der Anteil des Staates so hoch ist wie im Bereich der Landwirtschaft. Das ist in keinem Bereich so.
({5})
Sie sprachen von meinem Nachfolger, der, wie Sie meinten, aus der CDU sein wird. Ich gratuliere dann der deutschen Landwirtschaft mit Freude. Er wird sicherlich ein landwirtschaftlicher Sozialminister. Die Bauern werden dabei nicht unzufrieden sein. Das soll nicht heißen, daß für mich die Markt- und Preispolitik damit abgeschrieben ist. Das sage ich, damit ich hier nicht falsch interpretiert werde.
Ich habe ausrechnen lassen, daß die Beitragslasten der Landwirtschaft, die es natürlich auch gibt, zur Zeit bei ungefähr 253 DM monatlich liegen. Wenn ich Kindergeld, Altenteileranteil, Unfallversichelrungsanteil und Krankenversicherung umrechne, komme ich wiederum auf eine globale Überweisungssumme - immer pro Familie - von 738 DM. Wer sich ein klein wenig in ländlichen Verhältnissen auskennt, weiß, daß hier in der Tat nicht nur ein Stück soziale Sicherheit, sondern sogar ein Stück Einkommensstabilität geschaffen wurde.
({6})
Ich rede gar nicht gerne darüber. Aber ich möchte doch darum bitten, die Dinge in den richtigen Dimensionen zu sehen.
Nun zu der bekannten Behauptung: Die Franzosen haben es so gut. Ich will mir meine Verhandlungsposition für manche Auseinandersetzung in Brüssel nicht erschweren; darum bin ich wieder sehr vorsichtig, Herr Schmitz ({7}). Aber ich habe hier ein Fernschreiben der deutschen Botschaft. Ich zitiere immer die Dokumente, damit man mir nicht sagt, das reimte ich mir zusammen. In dem Schreiben der deutschen Botschaft heißt es hier:
Nach dem Index der Einkaufspreise landwirtschaftlicher Betriebsmittel stiegen in Frankreich die Preise für Energiestoffe wesentlich stärker als die Preise in der Bundesrepublik für Brenn- und Treibstoffe einschließlich Strom.
Ich betone ausdrücklich: Es ist eines der jüngsten Schreiben; es ist vom 26. Februar 1975. Danach lag die Steigerung jeweils gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum in der Bundesrepublik bei 20,5, in Frankreich bei 33,0 %. Drittes Quartal 1974: Bundesrepublik Deutschland 12,1 Frankreich 66,1 %. Daraus ersehen Sie, daß die Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung in der Tat bei den Betriebsmitteln den Landwirten mit zuteil wurde. Das ist ein ganz klarer Effekt. Darum beneiden uns übrigens auch die Landwirte in der gesamten Gemeinschaft.
({8})
Ich will jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen, sondern Ihnen nur etwas verlesen. Auch das können Sie hier einsehen. Das wurde mir auch am 27. Februar mitgeteilt, und zwar über landwirtschaftliche Darlehen in Frankreich:
Von der staatlichen Agrarkreditkasse - Crédit Agricole - habe ich fernmündlich folgende Auskunft erhalten: Die Crédit Agricole gibt verbilligte und unverbilligte Darlehen aus; verbilligte Darlehen nur für Landwirte, aber auch nur innerhalb bestimmter Volumina.
({9})
- Möglicherweise. Aber wir tauschen nur Nachrichten aus. Das macht mein Landwirtschaftsattaché. Dafür ist er da. Wir haben im übrigen ein gutes Einvernehmen. Herr Kollege Althammer, wir bekommen von den Franzosen alles, und die Franzogen bekommen alles von mir. Wir tauschen die Zahlen aus.
Ich darf die Zahlen nennen: mittelfristige Kredite 7 Zinsen, langfristige Kredite bis 150 000 Franc 4,5 %, für die 150 000 Franc übersteigende Summe 7 %. Die Zinssätze haben sich seit vier Jahren nicht geändert.
Ich glaube, dem kann ich die Konditionen des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms sehr wohl entgegenstellen. Ich möchte nicht weiter hierauf eingehen.
({10})
- Entschuldigen Sie, Herr Ritz, daß ich Sie warten lasse. Das tue ich sehr ungern. Sie wissen, wie ich Sie schätze.
Die berühmte Beihilfendiskussion mir möglicherweise auch in der Bundesrepublik Deutschland manches bittere Erwachen auslösen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Aber ich sage das an die Adresse der Opposition, damit sie weiß, wieweit sie mich reizen muß bzw. wieweit ich Gelegenheit habe, über manche Dinge nicht zu reden.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ritz?
Herr Bundesminister, meinen Sie nicht, daß es auch für Ihre Position auf dem Brüsseler Parkett richtiger ist, wenn Sie sich bei Ländervergleichen auf die Relation von Erzeuger- und Betriebsmittelpreisen stützen, statt jetzt hier gewissermaßen als Erfolgsmeldung Telegramme über einseitige Steigerung von Betriebsmittelpreisen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik bekanntzugeben?
Herr Kollege Ritz, ich glaube, wir zwei reden aneinander vorbei. Ich habe Herrn Schmitz ({0}) geantwortet, der hier in seiner Rede ausgeführt hatte, in Frankreich würden so famose nationale Maßnahmen ergriffen und sei alles so gut. Ich habe ihm nur einmal gesagt, wie es z. B. auf dem Sektor der einzelbetrieblichen Förderung aussieht, von dem er behauptet hat, daß er bei uns so schlecht konditioniert sei. Ich kann Ihnen nur
sagen: Unser Bereich ist besser konditioniert als der französische. Das werden Sie mir ja gestatten.
({1})
Da müssen Sie sich zuvor mit Ihrem Kollegen Schmitz ({2}) unterhalten, damit er nicht solche Fragen stellt. Ich meine, da müssen Sie mir ja gestatten, daß ich antworte.
Dann noch etwas zu Ihrer Frage betreffend Indexvergleich: Ich muß Ihnen sagen, ich habe gar nichts gegen Indexvergleiche, nur muß man dann auch wissen: Die Getreidepreissenkung hat diese Bundesregierung sicherlich nicht zu verantworten. Ich nehme nicht an, daß wir da noch mal anfangen.
({3})
- Ja doch; da müssen Sie uns diese 10 % noch mitgeben. Sie müssen die Rechnung erst dann beginnen, wenn Sie diese 10 % uns wieder zugute rechnen. Darauf habe ich einen legitimen Anspruch. Aber es kommt noch hinzu, Herr Ritz: Dann müssen Sie allerdings in der Tat auch mit einberechnen, was 3 % Vorsteuerpauschale seit 1969 bedeuten.
({4})
- Ja, Herr Dr. Früh, ich bin Ihnen sehr dankbar, ich höre jetzt auf. Der ist nämlich Europäer, der weiß es, warum ich darüber nicht reden soll. Aber ich würde darum bitten, daß die Arbeitsgruppe der CDU sich einmal über dieses Thema unterhält. Ich betone: Ich lege gar keinen so großen Wert darauf, das hier zu sagen.
Eines muß ich natürlich sagen: Ich weiß ja, warum Herr Schmitz ({5}) gesprochen hat. Er mußte - Nordrhein-Westfalen - einen kräftigen Riemen hier abziehen, das ist klar. Wahlkampfübung ist Pflicht. Dafür habe ich auch Verständnis. Das hätte ich auch so gemacht.
({6})
Aber wenn er einen so kräftigen Riemen abzieht, dann muß ich wenigstens das richtigstellen, was nach meiner Meinung objektiv falsch war. Das ist mein gutes Recht und auch sogar meine Pflicht.
({7})
Ansonsten hat er seine Aufgabe sehr bravourös gelöst. Es ist klar: „Die Welt geht unter, solange wir nicht dran sind, und wenn wir dran sind, dann ist die Welt heil; ein klein wenig müßt ihr halt noch warten". Im übrigen werden wir sehen, wie sich die Wähler dann langfristig entscheiden.
({8})
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Aussprache zum Einzelplan 10, dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Einzelplan. Wer der Ausschußvorlage zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir fahren fort mit dem
Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
- Drucksache 7/3152 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({9})
Ich danke dem Berichterstatter. Wünscht der Berichterstatter zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die Aussprache über den Einzelplan 12 ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Waffenschmidt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Haushalt des Verkehrsministers eine kurze Analyse der Situation und einige Vorschläge meiner Fraktion.
Die Verkehrspolitik der Bundesregierung ist durch eine Reihe von schwerwiegenden Fehlern und Unterlassungen belastet. Dies ergibt sich insbesondere aus folgenden Tatsachen; ich will ein paar davon näher ansprechen.
Erstens. Die Investitionsmöglichkeiten - das weist insbesondere der vorliegende Haushalt aus -im Verkehrsbereich gehen ständig zurück, weil die verfügbaren Haushaltsmittel mehr und mehr zum Ausgleich von Haushaltsdefiziten konsumiert werden. Man muß leider feststellen: mit immer mehr Steuergeldern kann auch im Verkehrsbereich immer weniger „modernes Deutschland" geschaffen werden. Dies geht zum Nachteil der Bürger, denn nur mit Investitionen - dies wissen wir alle - sichern wir Fortschritt und Arbeitsplätze für die Zukunft.
Zweitens. Ein gravierendes Moment ist die mangelnde Koordination zwischen Sach- und Finanzplanung im Verkehrsbereich, die wir Ihnen, Herr Verkehrsminister, in den letzten Ausschußberatungen schon mehrfach vorgehalten haben. Eindeutiger Beweis dafür ist z. B. das Defizit von über 5 Milliarden DM bei den öffentlichen Nahverkehrsbetrieben. Die Bundesregierung machte leider auch im Verkehrsbereich große Pläne und sie erweckte Erwartungen, ohne aber klar abzusichern, wie dies alles finanziert werden sollte. Die Wirkungen erleben wir nun alle miteinander - und das besonders gravierend in einer Zeit, in der immer weniger Mittel zur Verfügung stehen.
In einem muß man die Bundesregierung loben, Herr Minister Gscheidle. Sie verkauft überall, wo nur möglich, den von der CDU/CSU beantragten Bericht über die Folgekosten beim öffentlichen Personennahverkehr als eine ganz beachtliche politische Initiative und bezeichnet ihn als richtungsweisend. Es würde allerdings sehr gut aussehen, wenn die SPD-Sprecher auch einmal sagten: Dies ist eine Initiative der CDU/CSU.
({0})
Drittens sind die unzulänglichen Informationen anzusprechen, die wir bisher über die tatsächlichen
langfristigen Auswirkungen der Zielvorgaben der Bundesregierung für die Bundesbahn erhalten haben. Es ist eine schwere Belastung, wie wir feststellen, für viele Bereiche unserer Bundesrepublik, daß hier so viel Unklarheit herrscht. Wir müssen sagen: Herr Minister, es genügt nicht, hier allgemeine Sätze zu proklamieren, ohne dem Bürger deutlich zu sagen, welche konkreten Folgen alles das hat, was Sie in diesen Zielvorgaben ausgeführt haben. Wir rufen Sie auch heute hier dazu auf, dies endlich zu tun, damit im verkehrspolitischen Bereich mehr Klarheit herrscht.
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Lassen Sie mich auf einen vierten Punkt zu sprechen kommen. Besonders schädlich ist der Mangel an verkehrspolitischen Auffangkonzepten in den Bereichen, in denen sich die Bundesbahn jetzt mit ihrem Verkehrsangebot zurückziehen will. Es besteht die große Gefahr, daß diese Verkehrspolitik der Bundesregierung in vielen Bereichen Raumordnung und Strukturpolitik zunichte macht und daß Investitionsentscheidungen gelähmt werden. Man kann sich vorstellen, wie es aussieht, wenn Betriebe angesiedelt werden sollen, Betriebe ausgeweitet werden sollen, neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen und es plötzlich heißt, die Verkehrsangebote würden zurückgenommen, und man nicht weiß, was an ihre Stelle tritt. Dies ist eine gravierende Belastung jeder Strukturpolitik. Wir fordern Sie auf, in diesem Bereich - dies muß auch ein Schwerpunkt der heutigen Einlassung hier sein - endlich mehr Klarheit darüber zu schaffen, wie Sie Raumordnungspolitik und Verkehrspolitik miteinander koordinieren wollen.
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Ich meine - dies sollte man hier auch einmal offen aussprechen -, hier läge ein ganz wichtiger Aufgabenbereich auch für den Herrn Bundeskanzler. Hier stellt sich für ihn die Aufgabe, als Regierungschef einmal zwischen den einzelnen Ressorts zu koordinieren. Es nützt gar nichts, wenn Herr Ravens eine große Raumordnungskonzeption verkündet und die Verkehrspolitik diese Raumordnungskonzeption nachher praktisch zunichte macht. Hier sollte der Regierungschef eingreifen und koordinieren.
Meine Damen und Herren, noch immer gibt es keine klaren Vorstellungen darüber, wie die vom Bundesverkehrsminister schon vielfach erwähnten regionalen Verkehrsverbände aussehen sollen. Diese neuen Verkehrsverbünde, Herr Minister Gscheidle - das habe ich Ihnen schon im Ausschuß gesagt -, sind bei Ihnen bis heute Nebelwolken geblieben. Wenn Sie nun einmal irgend jemand - neulich hat das Ihr Parteifreund Koschnick getan - auf diese Konzeption anspricht, so gibt es, wie Sie meinen, zunächst Mißverständnisse. Herr Koschnick hat das, was er dazu sagen wollte, ja sehr deutlich formuliert. Er hat Ihnen ja gesagt, das Ganze sei ein Rückfall in die Postkutschenzeit. Daraufhin haben Sie gesagt: Das ist ein Mißverständnis. Dann haben Sie sich unter Parteifreunden ausgesprochen. Dies alles ist sicherlich ein netter Vorgang, aber zur Klarheit hat das nicht beigetragen. Ich will Ihnen auch heute hier von dieser Stelle aus sagen: Sorgen Sie doch endlich einmal dafür, daß draußen alle Beteiligte wissen, was Sie mit diesen Verkehrsverbänden meinen, was Sie dort organisieren wollen. Sonst sind und bleiben das weiterhin alles Nebelwolken.
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Man muß hier also leider eine ganze Reihe von Unsicherheiten und Versäumnissen konstatieren. Jetzt ist es ja so, Herr Verkehrsminister, daß Sie und Ihre Staatssekretäre als eine Art Politseelsorger durch das Land ziehen und Enttäuschte trösten und Beruhigungspillen verteilen. Aber das ist natürlich kein Ersatz für notwendige Politik, die gemacht werden muß.
({4})
- Dies werden Sie aber sicherlich nicht durch reisende Staatssekretäre erreichen, sondern dies muß durch eine entschiedene Haltung der Bundesregierung insgesamt und durch eine klare Entscheidung der Regierung erfolgen, nicht durch Reisetätigkeit von Staatssekretären.
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- Herr Kollege Schäfer, bleiben Sie doch ganz ruhig dabei. Ich will gerade Ihrem Kollegen Gscheidle etwas Nettes sagen. Ich meine, eines muß man ihm ja zugestehen, er hat eine sehr charmante Art, manches zu verkaufen und darzustellen. Nur, durch die charmante Verpackung wird der Inhalt natürlich auch nicht besser. Wir ringen eben um eine klare langfristig orientierte Verkehrspolitik.
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Besonders mangelhafte Ergebnisse - und ich will hier zu später Stunde nur einen Fragenbereich schwerpunktmäßig herausnehmen - zeigt die Politik der Bundesregierung beim öffentlichen Nahverkehr. Meine Damen und Herren, hier erlebt der Bürger einen Zickzackkurs ohnegleichen. Erst hieß es: Heraus aus dem Auto, hinein in den öffentlichen Nahverkehr. Jetzt heißt es: Verdünnung des Fahrplans, weil der öffentliche Nahverkehr in roten Zahlen zu ertrinken droht. So manchem wird angeraten, langsam das Auto wieder aus der Garage zu holen. Meine Damen und Herren, dies ist nun alles keine Verkehrspolitik, es ist eine Art verkehrspolitischer Wechselbäder, und ich meine, man sollte im allgemeinen Interesse dem möglichst bald ein Ende setzen und an Stelle solcher Wechselbäder klare Politik setzen. Ich meine auch, gerade weil es heute hier oft angesprochen worden ist, es ist auch nicht gerade arbeitnehmerfreundlich, wenn man eine solche Zickzackpolitik im Hinblick auf den öffentlichen Nahverkehr betreibt, denn gerade die Menschen, die zur Arbeitsstelle fahren müssen, wollen ja dafür ein klares und dauerhaftes Angebot haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen weiteren Bereich im Hinblick auf den Nahverkehr ansprechen. Ein ganz gravierendes Moment ist ja gewesen, Herr Minister Gscheidle und meine
Dame, meine Herren von der Bundesregierung, daß Sie große Programme angekündigt haben, die Folgekosten aber überhaupt nicht im Griff hatten. Das hat ja auch die letzte Diskussion im Ausschuß erwiesen. Erst durch den Antrag der CDU/CSU man kann das gar nicht oft genug sagen; hier haben Sie eine von den prächtigen Alternativen und Initiativen der CDU/CSU, der Sie ja nachher sogar zugestimmt haben - ist die Bundesregierung dazu gebracht worden, daß sie jetzt einmal Bilanz machen muß. Wir hoffen, daß diese Bilanz auf Grund unseres Antrags dazu führt, daß wir endlich realistische Ausgangspositionen für eine realistische Nahverkehrspolitik bekommen, die wir uns in diesem Hause alle wünschen.
Meine Damen und Herren, ein ganz besonderes Beispiel ziemlich utopischer Planung sozialliberaler Regierungen im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs ist das Stadtbahnprojekt Rhein-Ruhr. Ich will hier einmal an einem Beispiel zeigen, wie sozialliberale Regierungen „geplant" haben. Dieses Projekt wurde Ende der 60er Jahre auf ein Investitionsvolumen von 2 Milliarden DM berechnet. Heute sagen uns Fachleute, mit denen wir noch vor wenigen Tagen vor Ort diskutiert haben, man müsse mit wenigstens 20 Milliarden DM rechnen. Herr Minister, ich muß Ihnen sagen, wenn solche Fehlkalkulationen, daß die Dinge binnen weniger Jahre zehnmal soviel kosten, von 2 auf 20 Milliarden DM steigen, Schule machen, wird natürlich der gesamte Ausbau des Nahverkehrs ein ewiges Provisorium bleiben. Deshalb ist es so wichtig, daß wir hier endlich zu einer Politik der realistischen und finanzierbaren Schritte kommen.
Meine Fraktion hat dazu ein 14-Punkte-Programm vorgelegt, und ich darf darauf noch einmal verweisen. Wir haben für die verschiedenen Bereiche, sei es der Ballungsraum, sei es die Ballungsrandzone, sei es der ländliche Raum, Konzeptionen vorgelegt, wie man die Dinge zu regeln in der Lage wäre, auch in finanzierbaren Größenordnungen und in einer Art und Weise, die den Bürgern ein Verkehrsangebot machen könnte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dann noch kurz zusammengefaßt einige Anregungen und Vorschläge formulieren, wie sie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Blick auf die Verkehrspolitik in dieser Situation für notwendig hält:
Erstens. Die Bundesregierung muß umgehend eine über die mittelfristige Finanzplanung hinausgehende Koordination von Sach- und Finanzplanung für die Verkehrspolitik betreiben; denn, meine Damen und Herren, gerade in diesem Bereich sind die Investitionen und die Folgekosten besonders langfristig zu planen. Wir müssen miteinander registrieren, meine Herren Kollegen, die Sie das im Ausschuß mit uns beraten haben, daß der Bundesverkehrswegeplan als Instrument die Erwartungen bisher leider nicht erfüllen konnte, die wir an eine solche langfristige Projektion geknüpft hatten.
Zweitens. Der Bundesverkehrsminister muß deutlich machen, wie sich die neuen Zielvorgaben für die Bundesbahn in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik wirklich auswirken werden.
Drittens. Bund und Länder müssen umgehend zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden verkehrspolitische Auffangkonzepte für die Regionen erarbeiten, die von Rationalisierungsmaßnahmen der Bundesbahn besonders betroffen sind. Meine Damen und Herren, es muß doch so sein, daß nicht eine Demontage im Verkehrsangebot stattfindet, bevor für diesen Raum ein Alternativangebot im verkehrspolitischen Bereich geschaffen worden ist.
({7})
Wir dürfen doch keine leeren Flecke auf der Landkarte lassen.
Meine Damen und Herren, ich fordere deshalb -auch gerade im Blick auf die strukturpolitischen Aufgaben - noch einmal, daß die Bundesregierung ihre Planungen stärker mit den Gesichtspunkten der Raumordnung koordiniert.
Letztlich lassen Sie mich noch zwei Dinge aussprechen. Es ist dringend notwendig, Herr Verkehrsminister, daß Sie Ihrer Idee der Verkehrsverbände ein bißchen mehr Klarheit in der Organisationsvorstellung verleihen. Es kann und darf nicht so sein, daß sich unter diesen Verkehrsverbünden jeder etwas anderes vorstellt und Städte und Gemeinden, Wirtschaft und andere Bereiche des kulturellen und sozialen Lebens weiter im unklaren bleiben. Es müssen Anschlußinvestitionen geplant werden, und ich fordere Sie nachdrücklich auf, aus dem Stadium der Versuche, der Überlegungen und der Ideenbewältigung in Planspielen Ihres Ministeriums oder beauftragter Gesellschaften herauszutreten und Konzeptionen mit den betroffenen Bereichen vor Ort zu erörtern und zu gestalten. Meine Damen und Herren, die Bürger draußen im Lande wollen wissen, ob sie künftig mit Busverkehr oder mit Schienenverkehr rechnen können oder ob sie wenigstens eine ordentliche Straße bekommen.
({8})
Ich möchte noch einmal, basierend auf dem 14-Punkte-Programm der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sie auffordern, Herr Verkehrsminister Gscheidle: Lassen Sie alle utopischen Pläne im Nahverkehr! Der Nahverkehr ist kein taugliches Objekt für irgendwelche Ideologiebewältigungen oder für irgendwelche utopischen Vorstellungen, sondern wir brauchen ein Nahverkehrskonzept, das in den jeweiligen Bereichen ein Angebot zu realistischen und finanzierbaren Bedingungen macht. Ich möchte Sie für meine Fraktion auch bei dieser Haushaltsdebatte bitten: Verfolgen Sie lieber ein Konzept der kleinen, behutsamen und realistischen Schritte, als große Ankündigungen zu machen, die nur Erwartungen wecken und nachher wie Seifenblasen vergehen!
({9})
Vizepräsident von Hassel: Darf ich Sie auf die Zeit aufmerksam machen.
Jawohl, Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluß. - Die Bürger erwarten mit gutem Recht, Herr Minister,
endlich die Klarheit, auf die sie Anspruch haben. Die Bürger dieses Landes haben sie in der Verkehrspolitik in den letzten Monaten oft vermissen müssen. Da die derzeitige Verkehrspolitik der Bundesregierung unzulänglich, unsolide und in manchen Bereichen fehlerhaft ist, lehnt meine Fraktion den Haushalt des Bundesverkehrsministers ab.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({1}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zehn Monate ist der für das Verkehrswesen der Bundesrepublik verantwortliche Bundesminister, Kurt Gscheidle, im Amt.
({0})
Die Leitsätze seiner Verkehrspolitik sind bekannt. Sie werden in einer breiten Öffentlichkeit lebhaft und mit großem Interesse diskutiert.
Aus dem Bulletin vom 4. Februar 1975 darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige wichtige Sätze zitieren. Da sagt der Minister Gscheidle:
„Das Verkehrssystem in der Bundesrepublik Deutschland ist im großen und ganzen den Anforderungen gewachsen. Es braucht den Vergleich mit anderen Industriestaaten nicht zu scheuen." Grundsatz bleibe auch in Zukunft: jeder Bürger und jeder Unternehmer muß in der Wahl seines Verkehrsmittels frei sein. Der Staat müsse aber überall dort eingreifen, wo ohne seinen Eingriff das Gemeinwohl Schaden nehme.
Und zur Interpretation des aktuellen verkehrspolitischen Kurses heißt es:
Die Ziele der Verkehrspolitik sind in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 und im Kursbuch für die Verkehrspolitik 1973 deutlich umrissen ({1})
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Deutschen Bundesbahn, Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, Erhöhung der Verkehrssicherheit, Fortführung des Straßenbaus.
({2})
Der Verkehrsminister hat dann auch in der Sitzung des Verkehrsausschusses am 15. Januar 1975 einen Bericht über die künftigen Grundsätze gegeben. Anschließend fand eine eingehende Aussprache statt. Und da darf ich jetzt auch aus dem Protokoll nur zwei Kollegen von der Opposition zitieren:
Abg. Schulte ({3}) ({4})
stellt fest, daß der Bundesverkehrsminister nunmehr offenbar einen realitätsbezogenen Kurs steuern wolle.
({5})
Und Herr Kollege Lemmrich äußert seine Befriedigung darüber, daß jetzt offenbar ein Weg der Vernunft gegangen werden solle.
({6})
Also positive Stimmen.
Dann habe ich hier, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, die „Deutsche Verkehrszeitung" vom 15. Februar 1975: „Deutscher Industrie- und Handelstag stellt sich hinter Bonner Verkehrspolitik."
({7})
Herr Dr. Waffenschmidt, ich kann dann nicht begreifen, wenn Sie zum Schluß Ihrer Rede, sagen, daß die derzeitige Verkehrspolitik unzulänglich sei, unsolide und fehlerhaft. Das kann doch nicht wahr sein.
({8})
- Heute abend nicht mehr. Gucken Sie auf die Uhr; ich möchte auch in einer Viertelstunde fertig werden.
Nun einige wenige Bemerkungen zur Deutschen Bundesbahn. Ursache der bekannten Entwicklung sind die Kostensteigerungen in den letzten Jahren, insbesondere auf dem Personalsektor. Der Anteil der Personalkosten am Gesamtaufwand beträgt jetzt rund 72 %. Trotz einer beachtlichen Verminderung des Personalbestandes in der Zeit von 1960 bis 1974 um rund 78 000 Dienstkräfte sind die Personalausgaben im selben Zeitraum um 11,7 Milliarden DM auf jetzt 16,9 Milliarden DM gestiegen. Aber die Verbesserung der Einkommen der Beschäftigten bei der Deutschen Bundesbahn haben Sie von der CDU/ CSU auch gewollt. Eine Umkehr der Entwicklung ist jetzt durch die Zielvorgabe des Bundesverkehrsministers eingeleitet. Sie haben ja für morgen einen Entschließungsantrag vorbereitet. Darüber werden wir morgen sicherlich noch mehr hören.
Das Anwachsen der Verlustvorträge der Deutschen Bundesbahn, die nicht mit Bundesmitteln gedeckt sind, verlangsamt sich. Ihre weitere Entwicklung hängt entscheidend von den Personalaufwendungen sowie von der künftigen Nachfrage nach Güterverkehrsleistungen ab.
Aus dem Bundeshaushalt 1975, und zwar nicht nur aus dem Einzelplan 12, sondern auch aus dem Einzelplan 32 und aus dem Einzelplan 60, der heute schon beraten worden ist, wird die Deutsche Bundesbahn einschließlich der Abgeltungsleistungen in diesem Jahr insgesamt 9,7 Milliarden DM, ohne Abdeckung des voraussichtlichen Verlustes erhalten. Das ist mehr als im vergangenen Jahr.
Müller ({9})
Eine Bemerkung zum öffentlichen Personennahverkehr.
({10})
- Ich will mich kurz fassen.
Sie kommen mit Polemik, meine Herren von der Opposition. Statt Polemik hat der Bundesverkehrsminister Sachgespräche in zehn Ballungsräumen mit den Landes- und Kommunalpolitikern geführt. Danach kann ein realistisches Programm aufgestellt werden, das dann alle Beteiligten tragen werden. Ihre Argumentation von den schwindenden Mitteln im öffentlichen Personennahverkehr ist unverständlich. Die Bundeszuschüsse für die Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr werden weiter steigen. 1975 betragen sie über 1,1 Milliarden DM, und sie werden bis 1979 auf etwa 1,3 Milliarden DM steigen. Zu beachten ist im Jahre 1975, daß es bei den Tiefbauarbeiten im öffentlichen Personennahverkehr nicht Preissteigerungen gibt, sondern Preissenkungen bis zu 20 %.
Ein Wort zu Ihrem Folgekostenantrag. Dieser Folgekostenantrag ist von der Bundesregierung begrüßt und vom Bundestag einstimmig angenommen worden. Der Bericht wird termingerecht zum 1. Januar 1976 vorliegen.
({11})
Nun einige Worte zum Einzelplan 12. Der vorliegende Verkehrshaushalt 1975 schließt mit einer Gesamtausgabe von rund 19 Milliarden DM ab. Dazu treten aus dem Konjunkturprogramm vom 12. Dezember 1974, das im Einzelplan 60 veranschlagt ist, weitere 600 Millionen DM. Von diesen 600 Millionen erhält die Bundesbahn für Investitionen 380 Millionen DM, der Fernstraßenbau 210 Millionen, und für den Ausbau der Bundeswasserstraßen werden 10 Millionen DM bereitgestellt.
({12})
Die Investitionsausgaben übersteigen nunmehr mit insgesamt rund 9,4 Milliarden DM die Vorjahresansätze
({13})
Auch bei den Verpflichtungsermächtigungen haben wir die Ansätze um 818 Millionen auf 4,3 Milliarden DM erhöht. Für den Straßenbau stehen davon allein 3 Milliarden DM zur Verfügung. Wir meinen, daß damit teilweise bestehende Schwierigkeiten der Vergangenheit ausgeräumt werden können. Auf diesen warmen Regen aus dem Verkehrshaushalt und aus dem Einzelplan 60 warten alle Verkehrsträger: die Landkreise, die Gemeinden und insbesondere die Verkehrsminister der Länder.
Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, und vor allem Ihre Länderverkehrsminister sonnen sich recht gern im Glanz unserer Verkehrspolitik,
({14})
wenn draußen im Lande neue Straßenbauabschnitte, neue Brücken oder neue Schiffahrtswege eröffnet werden.
({15})
Das verkaufen Sie als Ihre Leistung.
({16})
Dann ist nichts mehr unsolide.
({17})
Sehr geehrter Herr Dr. Waffenschmidt, die Arbeitsgruppe Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion war einen ganzen Tag im Oberbergischen Kreis.
({18})
Meine Kollegen und ich haben uns die neue Autobahn Köln-Olpe angesehen. Sie wird eine der schönsten in der Bundesrepublik, aber auch eine der teuersten. Wir können Sie und die Bevölkerung in der Fläche zu dieser Autobahn nur beglückwünschen.
({19})
- In Bayern gibt es genauso schöne Autobahnen.
Die Schwerpunkte des Einzelplans 12 sind: Deutsche Bundesbahn: 8,4 Milliarden DM; Bundesfernstraßen: 6,04 Milliarden DM; öffentlicher Personennahverkehr einschließlich Betriebsbeihilfe: 1,3 Milliarden DM; kommunaler Straßenbau: 1,04 Milliarden DM; Ausbau der Bundeswasserstraßen: 1,3 Milliarden DM. Für die Luftfahrt, einschließlich Flugsicherung und Luftfahrtbundesamt, werden 560 Millionen DM, für die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit wie im Vorjahr - 20 Millionen DM bereitgestellt.
Ein Rückblick auf das Jahr 1974. Unter dem 18. ' März hat der Bundesfinanzminister den vorläufigen Abschluß vorgelegt. Immer wieder wurde kritisiert, daß es beim Bundesfernstraßenbau und bei den Finanzhilfen an die Länder so viele Ausgabereste gebe. Gegenüber 1973 haben sich die Ausgabereste wesentlich vermindert. Sie betragen jetzt nur noch 760 Millionen DM. Wir haben gegenüber dem Soll 1974 für die Bundesfernstraßen im Ist 215 Millionen DM mehr ausgegeben. Die Finanzhilfen für den kommunalen Straßenbau liegen um 63 Millionen DM über dem Soll, und die Mittel für die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen liegen ebenfalls mit 70 Millionen DM über dem Soll von 1974.
({20})
Und der gesamte Verkehrshaushalt 1974, der im Soll 19 096 Millionen DM betrug, ist im Ist mit 19 081 Millionen DM erfüllt. So genau macht's kein Edelmann, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist eine gute Leistung.
({21})
Ich darf namens meiner Fraktion dem Bundesverkehrsminister mit seinen Mitarbeitern und allen,
Müller ({22})
die im Verkehr beschäftigt sind, für diese ihre großartige Leistung danken.
({23})
- Auch an Herrn Lauritzen.
({24})
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen, aber gestatten Sie mir nur noch einen kurzen Hinweis
({25})
auf eine große Aufgabe, die in der Berichterstattung, in der Diskussion und in der Öffentlichkeit bisher zu kurz gekommen ist: Das ist das Verkehrssystem Schiff /Wasserstraße, das eine bedeutende Rolle spielt. Ich denke dabei an den Ausbau der Bundeswasserstraßen im Küsten- und im Binnenbereich.
({26})
Ich will das, was ich mir hier notiert habe, nicht vortragen. Vielleicht habe ich Gelegenheit, das an einem anderen Tage zu bringen.
Aber ich möchte noch kurz auf die Investitionen eingehen, um die es ja in dieser Haushaltsdebatte immer wieder geht. Für den Ausbau aller Bundeswasserstraßen hat die Regierung 14,4 Milliarden DM vorgesehen; davon entfallen auf den Bund 9,6 Milliarden DM. Bis Ende 1974 wurden vom Bund 3,7 Milliarden DM verausgabt. Bis 1978 werden es noch rund 5,9 Milliarden DM werden. Schwerpunkte dieser Investitionsmaßnahmen liegen: im Küstengebiet: der 13,5-Meter-Ausbau der Unterelbe; der 9-Meter-Ausbau der Unterweser;
({27})
die Fortführung der Sicherungsmaßnahmen am Nord-Ostsee-Kanal. Die Schwerpunkte im Binnenbereich sind: Weiterbau des Elbe-Seiten-Kanals; Fortsetzung des Ausbaus der nordwestdeutschen Kanäle, insbesondere des Mittelland-Kanals, des Weser-Datteln-Kanals und des Rhein-Herne-Kanals; Fortsetzung des deutsch-französischen Oberrhein ausbaus und der Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse auf dem Mittelrhein; Weiterbau des MainDonau-Kanals, Kanalisierung der Donau
({28}) und - nicht zuletzt --- Ausbau der Saar.
({29})
Derartig umfangreiche Investitionen für den Ausbau, den Betrieb und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen hat es in der Bundesrepublik bislang nicht gegeben; erst die sozialliberale Koalition hat sie zustande gebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie liegen im Interesse einer gesunden Volkswirtschaft, tragen zu Stabilität und Wachstum bei und sichern Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Handel und Schiffahrt sowie in den wassergebundenen und wasserverbundenen Industrien.
({30})
Meine Fraktion stimmt dem Einzelplan 12 zu.
({31})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers für Verkehr ist kein Haushalt, der ein utopisches Konzept beinhaltet. Es stehen auch nicht hinter den nüchternen Zahlen große Worte und keine Leistungen, wie der Oppositionssprecher meinte der Koalition vorwerfen zu müssen. Der Haushalt bewegt sich im Rahmen der für diese Aufgaben zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Und wenn in der Vergangenheit darüber geklagt wurde, der Haushalt sei in den letzten Jahren über Gebühr aufgebläht worden, so entfällt dieser Vorwurf, da er sich im Rahmen des Vorjahres bewegt.
({0})
Ich hätte von dem Oppositionssprecher erwartet, daß er hier grobes Geschütz auffährt,
({1}) und dies vor allem nach den Auslassungen,
({2})
die wir außerhalb des Hauses zur Kenntnis nehmen konnten.
({3})
Aber die Vorwürfe, die Sie, Herr Kollege Waffenschmidt, erhoben haben,
({4})
können absolut keine Begründung für die Ablehnung dieses Etats sein. Denn im Grunde genommen haben Sie schwerwiegende Kritik am Bundesminister für Verkehr und an den Koalitionsfraktionen nicht üben können, eine Reihe Ihrer Vorwürfe geht ja an diesem Hause vorbei, zielt ja auf andere Instanzen mit den diesen Instanzen zustehenden Kompetenzen.
({5})
Zu Ihren Auslassungen über die Deutsche Bundesbahn, Herr Kollege Waffenschmidt: Wir alle sind uns darüber im klaren - und auch Ihre Fraktion hat in allen Beratungen Zustimmung erteilt -, daß alles getan werden muß, die in den letzten Jahren besonders gewachsene Zuschußlast des Bundes an die Deutsche Bundesbahn auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Ich brauche die Gründe für den rasanten Anstieg in den letzten drei Jahren sicherlich nicht näher zu erläutern; das hat schon mein Vorredner getan.
({6})
Wir stellen sie fest. Aber, meine Damen und Herren, es geht darum, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und sie durchzuführen.
({7})
Und der Bundesminister für Verkehr hat ja in seinen Zielvorgaben für den Vorstand der Deutschen Bundesbahn Richtlinien für die weitere Führung dieses Bundesunternehmens gegeben.
({8})
Und wenn Sie nach konkreten Einsparungsmaßnahmen fragen, kann ich Ihnen nur sagen, daß die Rationalisierungsmaßnahmen - langsamer und geordneter Rückzug aus der Fläche, Einschränkung des Leistungsangebots - konkrete Maßnahmen zur Einsparung sein werden. Sie müßten sich nur, statt Kritik zu üben, einmal dazu aufraffen, zu diesen Maßnahmen entweder ja oder nein zu sagen.
({9})
Sie dürfen sich beispielsweise nicht über das Stückgutmodell 400 erregen und andererseits das Defizit in diesem Bereich von 1,2 Milliarden DM, das nämlich auch zu der hohen Zuschußleistung beiträgt, kritisieren.
({10})
Sie müssen auch einmal ja dazu sagen, daß Strecken, die nicht frequentiert sind, aus Kostengründen stillgelegt werden müssen, wenn wir das Ziel erreichen wollen, die Zuschüsse in erträglicher Höhe zu halten.
({11})
- Nein, ich veranstalte hier kein Schattenboxen, Herr Lemmrich. Das tun Sie.
({12})
-- Sie sind doch hier im Hause als der größte Schattenboxer bekannt, und sie werden dieses Schattenboxen sicherlich nach mir vorführen.
Was nun die Auffangkonzepte betrifft, Herr Kollege Waffenschmidt, so ist es ja nicht so, daß bei einer Einschränkung dieser Verkehre Beschränkung beim Stückgutverkehr auf 400 Annahmestellen und Stillegung von wenig benutzten Strecken - die Raumordnungsprobleme plötzlich unüberwindbar würden; denn auf den Strecken, die stillgelegt werden, werden in der Regel pro Tag 15 bis 30 t Güter und 200 bis 500 Personen befördert. Diese Personen können meistens besser als über die Schiene, die ja einmal nach ganz anderen Gesichtspunkten trassiert worden ist, mit Omnibussen - wir führen überall Omnibusersatzverkehre ein -,
({13})
in die Ortskerne gefahren werden. Dabei entfällt noch das beschwerliche Laufen vom Bahnhof in den Ort oder die Ausgabe für eine Taxe. Es gibt keine Strecke, für die nicht ein ausreichender Ersatzverkehr geschaffen wurde.
Nun kommen Sie doch nicht an und sagen Sie nicht: Erst einmal müssen neue Straßen gebaut werden. Diese 200 Personen, von denen ich sprach, werden durch vier oder fünf Omnibusfahrten transportiert. Fünf zusätzliche Omnibusse pro Tag auf eine Straße verlegt erfordern keine Straßenerweiterungsoder -erneuerungsarbeiten. Aber Sie müssen, wenn Sie ständig kritisieren, auch einmal ja zu den Vorschlägen sagen, die hier gemacht werden.
Ich komme nun zu den Verkehrsverbänden in den Zielvorgaben. Herr Waffenschmidt, glauben Sie nicht, daß man einmal darüber nachdenken muß, ob die Bundesbahn noch Nahverkehr betreiben muß? Ich sage: nachdenken, da es inzwischen überall öffentliche Personennahverkehrsbetriebe gibt und wir auch mehr und mehr Stadtbahnen bauen. Hier muß doch einmal die Frage erlaubt sein, ob die Bundesbahn, die vor 100 Jahren neben dem Pferdefuhrwerk der einzige Verkehrsträger war und diese Aufgabe wahrnehmen mußte, dies heute noch im gleichen Umfang tun muß. Damit ist doch kein endgültiges Urteil gesprochen. Damit ist nicht gesagt, daß wir, daß die Bundesregierung oder die Fraktionen, die diese Regierung tragen, die Bundesbahn vom Nahverkehr auf der Schiene oder von ihren Bussen auf der Straße lösen müssen. Aber man muß sich einmal überlegen, ob nicht andere Konstruktionen als das Nebeneinander von Verkehrsträgern 'denkbar sind. Es gibt Verkehrsverbände, die funktionieren. Der Verkehrs- und Tarifverbund Hamburg beispielsweise funktioniert.
Was nun den Nahverkehr betrifft, Herr Waffenschmidt, so sind wir alle der Meinung, daß der öffentliche Personennahverkehr in Ballungsräumen - dagegen hat es Widerspruch von den Fraktionen nie gegeben - Vorrang vor dem Individualverkehr haben soll. Das ist unumstritten, und der Bund gibt zur Regelung von Nahverkehrsproblemen erhebliche Mittel aus, die wir über die Kraftfahrzeugsteuer einnehmen. Wir haben diese Kosten den Kraftfahrern damals zusätzlich auferlegt. Es besteht nicht die Gefahr, daß die für Investitionsaufgaben im Nahverkehr vorgesehenen Mittel irgendwann einmal für Betriebskosten in diesem Bereich verwendet werden. Es ist unser ausdrücklicher Wille, daß die Investitionsmittel nach dem Gemeindeverkehrs- und -finanzierungsgesetz nur für Investitionen verwendet werden, und sie sinken nicht, sondern sie steigen.
Die Stadtbahn Rhein-Ruhr, die Sie kritisieren, ist ja kein Unternehmen des Bundes, sondern ein Unternehmen des Landes Nordrhein-Westfalen und der beteiligten Gemeinden. Wenn da angeblich Überkapazitäten geplant werden, dann können Sie doch diesen Vorwurf nicht an den Bund richten.
({14})
Dann müssen Sie mal mit den Verantwortlichen in den Ländern reden.
({15})
- Ja, Fehlschätzungen. Wir haben ja nicht geschätzt,
sondern die Länder haben geschätzt mit ihren Gemeinden.
({16})
Herr Waffenschmidt, die Projekte, die jetzt in Bau sind - im Umfange von rund 3,7 Milliarden -, werden vom Bunde bezuschußt in Höhe von 2,2 Milliarden. Nun mag sein - Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Waffenschmidt?
Ja, aber ich möchte diesen Satz zu Ende führen.
Es mag sein, daß etwas zu großzügig geplant ist, Herr Kollege Dr. Waffenschmidt. Aber das Land Nordrhein-Westfalen ist ja auch in anderer Weise vorbildlich für die Regelung der Probleme im öffentlichen Personennahverkehr. Es gibt 90 Millionen jährlich für die Anschaffung rollenden Materials aus, und es hat in seinem Bereich den Ausgleich für Schülerfahrten geregelt, ersetzt also hier den Unternehmen, die gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringen, die daraus entstehenden Lasten. Das gibt es bisher nicht in anderen Ländern der Bundesrepublik oder nur in unzureichendem Maße. - Bitte schön!
Herr Kollege Ollesch, Ihnen ist bekannt, daß der Bund sich an solchen Projekten mit 60 °/o beteiligt. Würden Sie mir zustimmen, daß es dann auch Pflicht des Bundes ist, sich die Planung anzusehen, wenn in diesem Umfang öffentliche Mittel eingesetzt werden, oder spielt der Bund hier nur Zahlmeister? Ich glaube, dies muß gefragt werden.
Ich darf eine Frage anschließen: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß gerade dies Projekt, über das wir beide jetzt zusammen sprechen, auf Planungsvorstellungen der von den gleichen Parteien geführten Landesregierungen zurückgeht und daß das eben unsolide geplant war? Das wollte ich nur aussprechen.
({0})
Zunächst einmal, Herr Waffenschmidt, möchte ich den Vorwurf zurückweisen, daß unsolide geplant worden sei. Das tue ich für meine Kollegen im Lande Nordrhein-Westfalen.
({0})
Zum anderen: Sicherlich sind wir mit 60 % beteiligt, und die Planungen werden mit den Ländern besprochen, werden einvernehmlich mit den Ländern festgesetzt. Aber der Bund tritt nicht in die sachliche Prüfung der Kriterien ein. Das ist das Entscheidende. Vielmehr prüfen wir die Pläne, und wenn sie als zuschußwürdig angesehen werden, wird im Einvernehmen mit den Ländern der Plan genehmigt, ohne daß der Bundesverkehrsminister im einzelnen den Plan auf die Notwendigkeit hin prüft. Das kann er gar nicht, weil er nämlich fern von den Gebieten ist, für die die Planungen durchgeführt werden.
({1})
Aber, Herr Waffenschmidt, ich gebe Ihnen recht: Ich persönlich führe ja eine Auseinandersetzung in meiner Heimatstadt wegen einer nach meiner Meinung, wenn ich den Bedarf sehe, überflüssigen Stadtbahn. Ich persönlich! Meine Kollegen im Rat der Stadt Recklinghausen sind anderer Meinung. Warum soll das nicht sein bei einer sachlichen Frage? Ich habe da eben eine andere Auffassung.
Ihren Antrag bezüglich der Folgekosten haben wir begrüßt. Aber der Antrag war nicht deshalb notwendig, weil die Bundesregierung oder die Koalitionsfraktionen etwas versäumt hätten, sondern deswegen, weil hier die Betreiber und die für die Planung Zuständigen - vielleicht in der Auffassung „das wird ja zum großen Teil vom Bunde her finanziert, da kann man etwas großzügiger sein" - über den notwendigen Bedarf hinaus planen. Das ist eine Waffe nicht gegenüber dem Bund - der hat hier kein Versäumnis zu beklagen -, sondern gegen diejenigen, die etwas übers Ziel hinausschießen, und die sitzen außerhalb dieses Hauses.
Ich sagte, der Haushalt beinhaltet kein utopisches Konzept. Er ist kein Haushalt großer Worte, sondern vernünftiger Leistungen, abgewogen für die vier wichtigsten Verkehrsträger, die wir haben: für die Eisenbahn, die Straßen, die Binnenschiffahrt und die Luftfahrt. Er ist in seinem Umfang auch mit Rücksicht auf die Finanzierbarkeit gestaltet. Ich glaube, daß wir heute mehr als in der Vergangenheit bei all unseren Vorstellungen und Wünschen zunächst einmal daran denken sollten, ob alles das, was man sich wünscht, so sein muß, und ob es in einen vernünftigen Finanzrahmen hineinpaßt, ohne eine der drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden finanziell zu überfordern. Dieser Haushalt läßt auf eine solche Überforderung, soweit es unsere Verantwortlichkeit anbelangt, nicht schließen. Von da her werden wir diesem Haushalt zustimmen.
({2})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundesminister Gscheidle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Waffenschmidt hat seinen Beitrag damit eingeleitet, daß sich die Verkehrspolitik des Bundes dadurch auszeichne, daß sie voller Fehler und Unterlassungen sei, und er hat seine Ausführungen mit den Worten beendet, daß wegen der Unzulänglichkeit, der Unsolidität und der Fehlerhaftigkeit die Fraktion der CDU/CSU diesem Haushalt nicht zustimmen wird. Bei der Zurückhaltung, mit der Sie Ihre Kritik hier vorgetragen haken, will ich auch sehr zurückhaltend formulieren, Herr Dr. Waffenschmidt. Aber ich glaube, daß für
die Schlußfolgerung Ihrer Nichtzustimmung die Beweisführung nicht ganz schlüssig war.
({0})
-- Wenn das eine Ankündigung ist, nehme ich das zur Kenntnis. Ich würde mich auch gern - nicht unter dem Zeitdruck des heutigen Abends -- mit Ihnen über die Denkansätze unterhalten, die Sie durch Ihre Anträge und Beiträge hier geliefert haben. Da gibt es eine ganze Reihe von Übereinstimmungen; das ist gar nicht zu überhören.
In einem Punkt beispielsweise, in bezug auf Ihre Aufforderung hinsichtlich der Folgekosten, sagen Sie, daß wir sozusagen mit Ihrer Idee im Lande zeigen, wie gut wir auf diesem Gebiet sind. In dieser Beziehung darf ich Sie nur auf die Tatsachen zurückführen: Die zweite Arbeitstagung in meinem Ministerium war mit fast gleichen Ergebnissen fertig. Ich will nicht der Frage nachgehen, warum da so viel Identität ist. Aber es ist an Hand der Unterlagen beweisbar, daß dies als Notwendigkeit erarbeitet wurde.
({1})
- Ja, aber was Sie da vorgetragen haben, war ja im Grundsatz auch nicht die Weisheit einer Fraktion, sondern wer Verkehrspolitik betreibt, wird fast mit der Nase auf die Probleme gestoßen, die Inhalt dieser Anregungen sind.
In dieser Antragstellung war trotzdem etwas, was wir begrüßt haben. Denn so, wie einmal die Zuständigkeitsverteilung und die Planungskapazitäten sowie die Organisationsformen auf dem Gebiete des Verkehrs sind, kann Ihnen der Bundesverkehrsminister die richtig gestellten Fragen gar nicht beantworten. Vielmehr müssen wir über die Länder und die Länder wiederum teilweise über andere Gebietskörperschaften diese Zahlen erfassen. Wir meinten, daß Ihre Antragstellung hilfreich ist, um von einigen Ländern das Material schneller geliefert zu bekommen. Bislang ist diese Hoffnung nicht erfüllt worden. Aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Auf jeden Fall ist der Zeitpunkt, zu dem Ihre Fragen, die auch unsere Fragen sind, beantwortet werden können, davon abhängig, wie die Zuarbeit zum Ministerium ist.
Herr Dr. Waffenschmidt, ich will vom Grundsätzlichen her einmal versuchen, darzulegen, wo ich vermute, daß das Mißverständnis, das heute - nicht gerade konträr in einer Frontstellung, aber doch in einigen Akzenten - deutlich wurde, liegen könnte. Wenn wir Verkehrspolitik von den heutigen Fakten aus betreiben, müssen wir uns einiges in Erinnerung rufen. Im Personenverkehr hatten wir, die Zahlen für 1950 gleich 100 gesetzt, folgende Verteilung: öffentlicher Verkehr zusammen 67, Eisenbahnen 38, Straßen-Personenverkehr 29, Luftverkehr damals 0, Individualverkehr 33. Jetzt kommt etwas, was man im Ohr behalten muß, um die Schlußfolgerungen sozusagen in ihrer zwingenden Logik zu sehen. Der öffentliche Verkehr insgesamt ist bis 1974 von 67 auf 21 % abgesunken. Der Verkehrsanteil der Eisenbahnen am Gesamtverkehr ist von 38 auf 7 °/o abgesunken, der des öffentlichen Personennahverkehrs einschließlich der Taxen von 29 auf 12 %. Der Anteil des Individualverkehrs ist von 33 auf 79 % gewachsen.
Was den Güterverkehr anbetrifft, so betrug der Eisenbahnverkehr 60, der Straßenfernverkehr 8, der Straßennahverkehr 5, die Binnenschiffahrt 18 und der Werkverkehr 9 %. Auch diese Zahlen haben sich geändert. Die Änderungen betrugen in der vierundzwanzigjährigen Betrachtung: bei den Eisenbahnen ein Absinken von 60 auf 33%, beim Straßenfernverkehr eine Steigerung von 8 auf 17 %, beim Straßennahverkehr von 5 auf 9 %; die Binnenschifffahrt ist gleichgeblieben; der Werkverkehr ist von 9 auf 15 % gestiegen.
Wenn Sie Verkehrspolitik machen und Ihre eigenen Möglichkeiten, die Sie in der staatlichen Verkehrspolitik in allen Gebietskörperschaften haben, nicht überschätzen, dann werden Sie doch nicht vermuten, daß Sie diesen Trend umdrehen können, wenn nicht die Freiwilligkeit auf Grund geänderter Marktbedingungen erfolgt.
Damit will ich zu dem Problem der Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn, das Sie angeschnitten haben, überleiten. Die Ursachen für die Entwicklung der Lage der Bundesbahn -- darüber sind wir einig
- sind einmal der hohe Personalkostenanteil mit seinem schnellen Wachstum, die auf Grund der Marktsituation veränderte Nachfrage. Darüber hinaus wurden gewisse Investitionsmöglichkeiten, die im Rahmen der Strukturpolitik in den Jahren nach 1950 einige Male gegeben waren, nicht wahrgenommen, und zwar aus Gründen, die hier zu untersuchen im Moment nicht weiterführen würde.
Im Hinblick auf die einzelnen Kostendeckungsgrade bei der Bundesbahn als Unternehmen will ich einmal ganz unpolemisch sagen: Wer 1950 die Bundesbahn in die Verantwortung übernommen hat, hat eine Kostenüberdeckung im Wagenladungsverkehr von 130 und im Personenverkehr von 146 % vorgefunden. Im Stückgutverkehr gab es schon immer eine Unterdeckung: sie betrug damals nur etwa 30 %. Auch im Personennahverkehr hatten wir schon immer eine Unterdeckung von rund 50 %.
Jetzt kommt etwas, was wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen. Ich verbinde das aus Zeitgründen nicht mit einer Wertung. Aber Sie werden ja irgendwann zu der Polemik zurückkehren, und dann wird dies zeitlich auch möglich sein.
({2})
Wenn Sie sich Ihre Frage, die Sie hier gestellt haben, ins Gedächtnis zurückrufen, dann kommen Sie nicht umhin, festzustellen, daß derjenige, der die Fahrkarte kauft oder sich entscheidet, wo er das Stückgut aufgibt, an und für sich die Vorentscheidung trifft, ob der Staat noch auf eine Vorhaltung von Leistungen bedacht sein soll, die nicht in Anspruch genommen werden. Dann kommen Sie zu
dem Problem, sich mit dem Bürger auseinandersetzen zu müssen, der im Augenblick - ich nehme Durchschnittszahlen - an die Bundesbahn pro Jahr 400 DM zahlt und für jede Tonne Stückgut, die durch die Bundesbahn befördert wird, wegen dieser Entwicklung über 200 DM Zuschuß leistet.
Wenn die Verkehrspolitik daraus Folgerungen zieht, dem Bundesbahnvorstand Vorgaben macht, damit er weiß, in welchem politisch abgesicherten Rahmen er sich in seiner Unternehmungsentscheidung zu bewegen hat, dann hat der Vorstand im Hinblick auf die Streckenstillegung zu prüfen, ob Ersatzverkehr da ist bzw. ob aus raumordnerischen oder Wirtschaftsstruktur-Gesichtspunkten die Aufrechterhaltung geboten ist. Wenn die Frage in der Prüfung bejaht wird oder wenn sich jemand findet, der einen Ausgleich zahlt, dann bleibt es beim Schienenverkehr. Wenn nicht, haben Sie die Einstellung. Das ist das Problem.
Es taucht für den Verkehrsminister, der sich in der Tat hin und wieder als „Seelsorger" betrachten muß, das Phänomen auf, daß sich bei dieser Entwicklung der Bundesbahn, nämlich bei einem steigenden Zuschuß für den Stückgutverkehr aus dem Bundeshaushalt von jährlich fast 1,5 Milliarden DM, alle Leute zunächst einig sind: wenn man den Trend nicht stoppt, muß man sparen. Nun beginnt die Bundesbahn zu sparen. Jetzt beginnt auch die Diskussion. Die ist manchmal für jemanden schwierig, der hier versucht, objektiv urteilend auch andere politische Gruppierungen zu begleiten. Daß plötzlich in der Argumentation aus Ihren Reihen die Gemeinwirtschaftlichkeit des Rumpfes - nämlich die des Stückgutverkehrs - trotz seines geringen Marktanteils wieder herbeigeführt werden soll, ist unverständlich. Hierzu muß ich Ihnen sagen: den Staat müssen Sie sich erst ausdenken, der so viel Geld hat, in einer solchen Situation mit den sozusagen geschaffenen Marktanteilen eine Vorhaltung zu finanzieren, die auf irgendeinen Eventualfall hin eine hundertprozentige Aufnahme vom Markt wieder gestatten wird. Sehen Sie, das ist „Bahnphilosophie" ; von der müssen wir wegkommen.
({3})
Es gibt so eine Bahnphilosophie, die besagt: die Bundesbahn ist gehalten, zu jeder Zeit an jedem Ort so viel an Vorhaltungen aufrechtzuerhalten, daß jede denkbare Verkehrsnachfrage bedient werden kann. Inzwischen wissen wir auf Grund einiger Anstöße, die wir gegeben haben, daß in vielen solchen Bereichen durchaus volkswirtschaftlich vernünftig und wesentlich billiger gefahren werden kann. Es gehört nur der Mut dazu, eine richtig erkannte Sache durchzustehen. - Herr Dr. Müller-Hermann, Sie haben völlig zu Recht die Frage gestellt: Wem erzählen Sie das? Sehen Sie, im Augenblick ist mein Problem, das den Leuten klarzumachen, die zunächst - für mich verständlich - ganz vordergründig reagieren, weil sie Angst haben, hier werde etwas genommen, das nicht ersetzbar ist. Der Ablauf ist umgekehrt: erst wenn man sicher ist, daß ersetzt werden kann, wird eingestellt. Daß es manchmal Pannen gibt, will ich nicht in Abrede stellen. Wir werden uns bemühen, auftretende Pannen zu bugeben.
({4})
- Ja. Aber vielleicht haben Sie es deshalb vor 10 Jahren unterlassen. Das weiß ist nicht. Politik, insbesondere Verkehrspolitik, ist nicht etwas, was man nur zu betreiben braucht, und schon kriegt man Lorbeeren gewunden. Sie ist ein hartes Geschäft.
Ihre zweite Frage betraf den öffentlichen Personennahverkehr: hier sei mehr Nebel als Klarheit. Das ist eine Frage der Quelle, Herr Dr. Waffenschmidt, aus der man seine Informationen bezieht. Auch ich habe, wenn ich Darlegungen von Zeitungen über Verkehrspolitik lese, manchmal den Eindruck, daß da mehr Nebel als Klarheit ist. Aber daraus, daß dem manchmal so ist, dürfen Sie nicht schließen, daß das unsere Verkehrspolitik in jedem Fall sei. Es gibt auch sehr objektive, informative und klare Berichterstattung über unser Wollen.
Sie kommen, denke ich, etwas in Schwierigkeiten, wenn Sie sagen, wir müßten klare Konzepte vorlegen, und andererseits kritisieren, daß wir Planungsstäbe gebildet und Aufträge an Wissenschaftler erteilt haben, solche Konzepte vorzulegen. Wenn Sie ini übrigen einen Rückstand bei den Sozialdemokraten oder bei den Freien Demokraten hinsichtlich einer fundierten Verkehrspolitik beklagen, dann darf ich antworten: Mit den Wertungen der uns fast täglich besuchenden ausländischen Verkehrfachleute, die gerade den von Ihnen gescholtenen Bundesverkehrswegeplan und beispielsweise auch den Plan meines Vorgängers, Herrn Leber, sehr hoch rühmen, sind wir sehr zufrieden; dieser Plan ist in mehrere Sprachen übersetzt worden.
({5})
- Ich vermute, ich kann Sie überhaupt mit keinem Argument überzeugen.
Vizepräsident von Hassel: Verehrter Herr Bundesminister, wir sind in einer außerordentlichen Zeitnot. Wir haben noch eine riesige Tagesordnung abzuwickeln. Darf ich bitten, daß die Dialoge, so interessant sie sind, auf ein Minimum begrenzt werden können.
({6})
Ich glaube, wir fördern damit die Gesamtberatungen unseres Hauses.
Ich will mich an die Mahnung des Herrn Präsidenten halten und versuchen, das Wesentliche noch kürzer herauszustellen.
Beim öffentlichen Personennahverkehr handelt es sich in der Tat um die Aufgabenstellung, mit folgenden drei Punkten fertig zu werden:
Erstens. Alle Anmeldungen zum Investitionsprogramm für den öffentlichen Personennahverkehr bis Ende 1974 ergaben in ihrem finanziellen Volumen 11216
Kostenstand 1974 und das zur Verfügung stehende Finanzvolumen hochgerechnet - mehr als das, was wir bis 1985 finanzieren können. Nun bitte ich Sie, sich einmal vorzustellen, was es bedeutet, hier nicht zu versuchen, die Dinge zu ändern. Wenn Sie dies als „Politseelsorge" betrachten, so kann ich Ihnen nur sagen: Wir hatten zumindest das Ergebnis zu verzeichnen, daß in den Ballungsgebieten des Bundesgebietes - ohne Zwang, durch Überzeugung in der Sache, - die Anforderungen so zurückgedreht wurden, daß wir wieder Bewegungsfreiheit haben werden,
({0})
und zwar weil es gelungen ist, die Leute davon zu überzeugen, daß man das gleiche an Verkehrswert durchaus billiger schaffen kann.
({1})
Zweitens. Was die Frage nach den richtigen Organisationsformen angeht, so kann ich nur sagen, daß wir uns im Verkehrsministerium bemühen werden - bezogen auf typische Verkehrsstrukturen in einem konkreten Verkehrsraum -, die uns optimal erscheinende Verkehrsfiguration vorzugeben, d. h. wir werden versuchen, den optimalen Zusammenschluß der einzelnen Verkehrsmittel von Schiene und Straße zu erreichen.
Was dieses Bemühen um effektivere Organisationsformen angeht, so ist zu sagen - dies ist der dritte Punkt , daß von niemandem daran gedacht ist, den Bund durch die Verschiebung von Aufgaben einseitig finanziell zu entlasten. Wir werden Aufgaben und Finanzierung immer im Zusammenhang sehen.
Es wurde darauf hingewiesen, was bislang schon alles im finanziellen Bereich geleistet wird. An die Ausführungen von Herrn Ollesch möchte ich hier nur folgendes anfügen: Wenn wir die heutigen Betriebskostenzuschüsse von Bund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 5 Milliarden DM bis 1985 hochrechnen und unterstellen, daß es keine Trendwende gibt, erreichen wir einen Zuschußbedarf, der als vom Staat nicht finanzierbar angesehen werden kann. Auch hier ist es also notwendig, daß eine Reihe unserer Vorstellungen, wie das zu regeln ist, von den Ländern und Kommunen aufgenommen wird. Ziel muß es sein, jede Mark noch effektiver auszugeben!
Auf die Erfolge im Straßenbau können wohl alle stolz sein, die an der Sache beteiligt sind - und das ist nicht nur der Bund. 1970 hat man einen Fünfjahresplan geschaffen. Die Vorgabe für den Finanzrahmen wurde voll eingehalten. Vorgabe hinsichtlich der Bauziele war ein Soll von 1 900 km neuer Autobahnstrecken. Wir können heute schon sagen, daß bei Ablauf dieses Fünfjahresplanes am Ende dieses Jahres das Bauziel - trotz der enormen Schwierigkeiten in den letzten fünf Jahren - zu 95 % erreicht sein wird.
({2})
Dies gibt uns, wie Sie verstehen werden, auch das
Recht, hier zu sagen: Wir werden auch die Probleme,
von denen Sie einige angesprochen haben - wir
stimmen mit Ihnen voll darin überein, daß dies die Probleme sind, die gemeinsam zu bewältigen sind -, lösen.
({3})
- Wir sind im Augenblick zusammen mit den Ländern dabei, diesen Plan für die nächsten fünf Jahre fortzuschreiben. Wenn Sie das Angebot zur Kooperation, das Sie hier gemacht haben, ernst meinen, bitte ich Sie, dort, wo Sie die Möglichkeit dazu haben, darauf Einfluß zu nehmen, daß die Wunschvorstellungen - was die Erwartungshorizonte der Bürger angeht - nicht eine solche Schubkraft erlangen, daß wir die Projekte nicht finanzieren können.
({4})
Vizepräsident von Hassel: Wollen Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Waffenschmidt zulassen?
Bitte!
Herr Verkehrsminister, im Sinne nützlicher Kooperation frage ich Sie: Sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Vorbereitung und Konzeption von vielen dieser Straßen, die hier erwähnt wurden - eben wurde hier eine Autobahn sogar besonders angesprochen -, auf Zeiten zurückgehen, in denen die jetzige Opposition die Verantwortung für die Regierung trug, daß man diesen Straßenbau nicht einseitig als Leistung nur dieser Regierung hinstellen sollte, sondern daß es sich hier um eine Gemeinschaftsleistung handelt? Denn Straßen werden nicht innerhalb weniger Monate geplant und fertiggestellt und auch die Grunderwerbsprobleme lassen sich nicht so kurzfristig lösen. Sind Sie mit mir der Meinung, daß Sie vieles einweihen, was die CDU/CSU geplant hat?
({0})
Herr Dr. Waffenschmidt, im Prinzip verwende ich immer den Ausdruck „wir", wenn ich geneigt wäre, „ich" zu sagen. Ich will gar nicht leugnen, daß hier viele zusammengewirkt haben. Es ist aber etwas bedenklich, wenn Sie den Gedanken noch einmal gründlich nachvollziehen. Sie haben den Teil der Planung angesprochen, wo Wünsche angemeldet werden. In der Tat melden Kommunen und Länder Wünsche in der Auftragsverwaltung an. Wir versuchen, dies in eine Gewichtung zueinander zu bringen, um das finanzieren zu können. Wenn Sie konkret unsere planerische Verantwortung und unsere politische Verantwortung in den letzten Jahren meinen, dann hat diese Regierung voll das Recht, Herr Dr. Waffenschmidt, die Leistung, auf die ich hingewiesen habe, d. h.: Planübereinstimmung in Soll und Ist
sowie Finanzierung und Baudurchführung für sich in Anspruch zu nehmen.
({0})
({1})
Ich weiß, in einigen Landtagswahlkämpfen wird das anders dargestellt; aber hier wird doch wohl kein Wahlkampf geführt, oder er sollte zumindest nicht geführt werden. Versuche wurden ja gelegentlich gemacht, hier in den letzten Tagen Landtagswahlkämpfe vorzubereiten.
Ich darf zum Schluß kommen. Ich bin im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, daß die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung in der Lage war, sich an schwierige notwendige Umstellungsprozesse auf Grund von Einwirkungen das Datenkranzes der Verkehrspolitik anzupassen. Ich darf aber, weil die Ausführungen meines Kollegen von der SPD-Fraktion etwas Heiterkeit erregt haben - ich konnte von meinem Platz aus die Gründe nicht erkennen -, von mir aus als Verkehrsminister sagen: Die Tatsache, daß in diesem Bereich 2 Millionen Menschen beschäftigt sind, die pro Jahr einen Beitrag von 50 Milliarden DM zum Sozialprodukt leisten - das sind fast 5 % des Sozialprodukts -, sollte an sich schon Anlaß sein, diesen Menschen den Dank des ganzen Hauses auszusprechen.
({2})
Zur Begründung der Änderungsanträge auf den Drucksachen 7/3390 und 7/3394 hat der Abgeordnete Vehar das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige wenige Sätze zur Begründung unseres Antrags auf Drucksache 7/3390. Das Ziel unseres Antrags ist es, sicherzustellen, daß die knappen Mittel aus dem Haushaltstitel „Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle" auch hundertprozentig diesem Zweck zugeführt werden. Wenn wir aber die Erläuterung zu Tit. 53103, wie in der Vorlage enthalten, mitbeschließen, geben wir der Bundesregierung einen Blankoscheck, nämlich den, Teile dieser Mittel für Zwecke der Selbstdarstellung auf dem Gebiete ihrer Verkehrspolitik insgesamt zu verwenden.
Ich gebe Ihnen dazu folgendes Beispiel: Unter Nr. 9 d ist folgende Maßnahme erwähnt: Aufklärung der Bevölkerung über den Zusammenhang von Maßnahmen in allen Bereichen der Verkehrspolitik und ihre Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit".
({0})
Vor mir liegt die Drucksache 7/1242 mit einem Bericht des Bundesrechnungshofes, den ich deshalb zitiere, weil er sich in einem Teil seiner kritischen Bemerkungen exakt mit dem gleichen Problem befaßt, das in unserem Antrag angesprochen ist. Ich kann mich mit diesem Bericht nicht näher befassen. Ich will hier nur einen einzigen Gedanken anführen. Nach den Ausführungen des Bundesrechnungshofes haben sich alle Maßnahmen, die aus dem zur Debatte stehenden Haushaltstitel finanziert werden sollen, der Absicht unterzuordnen, „die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr durch geeignete Aufklärung und Erziehung zu verringern". Daß dies nicht durch eine Darstellung der Zusammenhänge von Maßnahmen in allen Bereichen der Verkehrswirtschaft, der Verkehrspolitik, also auch durch Darstellung der Bundesbahnpolitik, der Luftfahrt-, der Seeschiffahrtpolitik und der Binnenschiffahrtpolitik, geschehen kann, liegt doch klar auf der Hand. Ich finde es sehr bedauerlich, daß die Bundesregierung trotz dieser scharfen Kritik des Bundesrechnungshofes ihre Absicht wiederholt, solche Maßnahmen aus Mitteln zu finanzieren, die der Bekämpfung der Straßenverkehrsunfälle zu dienen haben. Aus diesem Grunde beantragen wir die Streichung der Buchstaben c und d unter Nr. 9.
Nun wird der Opposition bei jeder kritischen Anmerkung entgegengehalten, sie habe keine Alternative. Darum haben wir in unserem Änderungsantrag auch gleich einen Alternativvorschlag gemacht. Wir schlagen vor, die für die Werbeschriften vorgesehenen Mittel zur Durchführung einer bundesweiten Aktion zur Verbesserung der Verkehrssicherheit bei Kindern und Zweiradfahrern zu verwenden. Lassen Sie mich dazu die Bundesregierung selbst zitieren. In ihrer Antwort vom 10. März 1975 - also dieses Monats - auf die Große Anfrage von CDU/CSU-Abgeordneten betreffend die Situation der Kinder in Deutschland sagt sie auf Seite 13, daß im Jahre 1973 beinanhe 69 000 Kinder im Alter unter 15 Jahren bei Unfällen im Straßenverkehr verunglückten, davon beinahe 1 800 tödlich. Bei den im Straßenverkehr verunglückten Fußgängern und Radfahrern würden die Unfallursachen überwiegend von Kindern gesetzt.
Es ist für mich selbstverständliche Pflicht der Objektivität, hinzuzufügen, daß nach derselben Antwort der Bundesregierung die Zahl der verunglückten Kinder insgesamt 1973 gegenüber 1972 zurückgegangen ist, daß sich aber andererseits der Anteil der verunglückten Kinder an der Gesamtzahl der Verletzten und insbesondere auch der Toten leicht erhöht hat. Der Rückgang der absoluten Zahl der verunglückten Kinder ist eine erfreuliche Feststellung. Dies darf aber andererseits kein Grund sein, in unseren gemeinsamen ständigen Bemühungen um eine weitere Senkung dieser Zahl nachzulassen. Ganz im Gegenteil, die zur Zeit für diese Bemühungen besonders günstige psychologische Situation sollte uns verpflichten, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, um diese günstige Entwicklung weiter zu fördern.
Daß wir dazu, vor allen Dingen was den Anteil von Kindern an der Zahl der Verkehrsopfer angeht, nach wie vor allen Grund haben, ergibt sich aus einer weiteren Mitteilung der Bundesregierung, in der ein Vergleich mit anderen Ländern angestellt wird, der einwandfrei ergibt, daß die Zahl der verunglückten Kinder, bezogen auf 100 000 Einwohner, in Deutschland wesentlich höher liegt als in beinahe allen be11218
nachbarten europäischen Ländern und auch in den USA.
Auch wir erkennen an, daß die Bundesregierung einen Teil der zur Verfügung stehenden Mittel für Zwecke der Jugendverkehrserziehung einsetzt. Wir meinen aber, daß es angesichts der großen Aufgabe, vor der wir auf diesem Spezialsektor stehen, notwendig ist, mehr zu tun. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/3390 zuzustimmen.
({1})
Damit sind die Anträge begründet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Kann ich über beide Anträge gemeinsam abstimmen lassen?
({0})
- Ich komme also zunächst zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/3390. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen.
- Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/3394 Seite 2 unter II. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. -({1})
- Das ist der Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP zur zweiten Beratung auf Drucksache 7/3394. ({2})
Danke. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 in der hier geänderten Fassung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen?
- Mit der entsprechenden Mehrheit ist der Einzelplan 12 angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 13
Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
- Drucksache 7/3153 Berichterstatter: Abgeordneter Leicht
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Einzelplan 13 zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. -- Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Einzelplan ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung
- Drucksache 7/3154 Berichterstatter:
Abgeordneter Hauser ({3}) Abgeordneter Haase ({4})
Abgeordneter Baier
dazu
Beratung des Berichts und des Antrags des Verteidigungsausschusses ({5}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1974; hier: Einzelplan 14
- Drucksachen 7/2146, 7/3189 Berichterstatter: Abgeordneter Würtz
Ich frage zunächst, ob die Berichterstatter noch das Wort wünschen. - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase ({6}).
({7})
- Meine Damen und Herren, soviel stürmische Zustimmung von den Regierungsparteien hatte der Abgeordnete Haase ({8}) sicherlich gar nicht erwartet.
({9})
Ich gebe ihm das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf des Einzelplans 14 schreibt das Verteidigungsministerium:
Der Verteidigungshaushalt 1975 steigt vor allem in seinem investiven Teil gegenüber dem im Vorjahr erreichten hohen Stand weiter an und gewährleistet dadurch auch künftig eine moderne Ausrüstung unserer Streitkräfte. Zwischen der Steigerungsrate des Gesamthaushaltes und dem Wachstum der Verteidigungsausgaben besteht kein innerer unmittelbar zwingender Zusammenhang. Der Verteidigungshaushalt muß vielmehr auf Grund der für ihn materiell entscheidenden Gesichtspunkte festgelegt werden.
Nun, unser aller Problem - nicht nur das Problem der Bundesregierung - in diesem Zusammenhang ist, daß es kein absolutes Metermaß für die Bemessung der notwendigen Rate für die Kampfkraft gibt, die den sicherheitspolitischen Erfordernissen unseres Landes und unseres Bündnisses angemessen erscheint. Wir - unser Parlament - haben selbst den Rahmen des Verteidigungsumfanges gesetzt. Kampfauftrag, Personalaufwand und Struktur der Bundeswehr sind Größen, mit denen wir arbeiten müssen. Eine unzureichende Mittelgewährung würde die Durchführung des Auftrages geHaase ({0})
fährden und damit die Sicherheit unseres Landes beeinträchtigen.
({1})
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf einige wenige Probleme des Verteidigungsetats aus unserer Sicht hinweisen, die zu Risiken auswachsen können. Beispielsweise wird bei den Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Erprobung eine Zuwachsrate von 1,36 °/o ausgewiesen. Angesichts der ohnehin erheblichen Kostensteigerungen und einer allgemeinen Inflationsrate in diesem Bereich von bis zu 8 °/o können Leistungsverbesserungen wohl kaum noch erwartet werden. Das ist außerordentlich problematisch; denn die in drei bis fünf Jahren erforderlichen Anschluß- und Umrüstungsbeschaffungen müssen daher zwangsläufig nicht unwesentliche Verzögerungen erleiden. Das läßt sich schon heute absehen.
Bei den Kapiteln für Materialbeschaffung geht die Steigerungsrate von 11 °/o im Jahre 1974 auf 3,8 % im Jahre 1975 zurück. In diesem Bereich haben wir eine Inflationsrate von etwa 7 % zu gewährtigen, die - das bitte ich zu beachten - bei Auslandsbeschaffungen noch um ein Vielfaches höher liegen dürfte. Welche Weiterungen hier zu erwarten sind, läßt sich unschwer ermessen angesichts von Preissteigerungsraten in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich von erheblich über 10 % und einem Auslandsbeschaffungsanteil von etwa 2 Milliarden DM in den vorgenannten Ländern.
Jede Neubeschaffung von Waffensystemen oder Geräten ist erfahrungsgemäß von Kostenerhöhungen, die zwischen 10 und 30 % liegen, begleitet. Die soeben genannte Haushaltssteigerungsrate von 3,8% bedeutet somit ebenfalls eine Verminderung bisheriger Leistungen.
Im Bereich der nationalen Infrastruktur ist ein Zuwachs von 7 % vorgesehen bei einer Preissteigerungsrate in diesem Bereich, die um etliche Prozentpunkte höher liegt.
Eine Prüfung aller weiteren Posten - ich will davon absehen, Ihnen weitere hier aufzuzählen - ergibt, daß der reale Wert der Investitionsausgaben sinkt und geringer zu 'veranschlagen ist als in den Jahren zuvor. Dazu ist nun zu sagen, daß die Bundesregierung leider ihre Anstrengungen im Verteidigungsbereich nicht an dem Potential, das uns in den Warschauer-Pakt-Staaten gegenübersteht, orientiert, sondern an den Bemühungen unserer westlichen Bündnispartner.
({2})
Selbst hei diesem Vergleich fällt ins Auge, daß der Investitionsanteil am Verteidigungsetat in der Bundesrepublik Deutschland geringer ist als beispielsweise in Großbritannien, Dänemark und in den Vereinigten Staaten. Auch ein Vergleich der Verteidigungsausgaben mit dem Bruttosozialprodukt zeigt, was hier die Bundesrepublik hinter den Vereinigten Staaten, Portugal,' Großbritannien, Türkei und Griechenland liegt.
({3})
Die Unionsfraktion hat in diesem Zusammenhand jedoch deutlich gemacht - und das bitte ich zu beachten -, daß wir angesichts der wirtschaftspolitischen Situation unseres Landes gegenwärtig auf finanzwirksame Initiativen verzichten werden. Dessenungeachtet ist .die Opposition jedoch verpflichtet, die schwachen Stellen der Verteidigungspolitik und die Risiken dieses Etats immer wieder aufzuzeigen. Wer unter Leugnung dieser Risiken behauptet, die für die Streitkräfte zur Verfügung gestellten Mittel seien in jedem Fall ausreichend und angemessen, der läuft Gefahr, falsche Eindrücke von der tatsächlich vorhandenen und gestiegenen militärischen Bedrohung, die wir vom Warschauer Pakt her zu gewärtigen haben, zu vermitteln,
({4})
der verkennt das wirkliche Verhältnis von Verteidigungsbemühungen und Spannungskontrolle und verleitet andere Bündnispartner zu einem Nachlassen ihrer Anstrengungen daheim und - was für uns besonders problematisch ist - auch auf deutschem Boden. Und wir haben ja in den letzten Tagen Schlimmes von jenseits des Ärmelkanals gehört.
({5})
Es fehlen dann nur noch Aktionen gegen die in der Bundesrepublik stationierten Bundesgenossen, wie etwa die im letzten Jahr von einem Landesverband der Jungdemokraten veranstalteten Anti-NATO- Wochen,
({6})
um eine Beeinträchtigung unserer Verteidigungskraft zu bewirken.
Gleich verhängnisvoll wäre die Betrachtung des Verteidigungsetats als eine Art Reserve- oder Hilfskasse, aus der man in beliebigem Umfang kurzfristig dringlicher erscheinende Bedürfnisse anderer Ressorts befriedigen zu können glaubt. Solcherlei törichte Erwägungen werden leider mancherorts nur allzugern und allzuoft angestellt, ohne immer in der gebührenden Weise zurückgewiesen zu werden;
({7})
denn - ich glaube, das gilt für uns alle - die Sicherung der Freiheit unseres Landes ist die erste und wichtigste Voraussetzung jeglicher anderen Politik, auch der Gesellschafts- und der Sozialpolitik.
({8})
Man tut unserer Bundeswehr keinen Gefallen, wenn man die realen Verhältnisse verschönt. Eine offene Darstellung der Schwächen - auch der finanziellen - ist der Sache unserer Landesverteidigung viel mehr angemessen als jede Schönfärberei. Der unberechtigte Optimismus, der manchmal von der Hardthöhe verbreitet wird, könnte hier und da dazu verführen, im nächsten Jahr noch weniger für die Streitkräfte als ausreichend anzusehen als gegenwärtig.
({9})
Die Bundesregierung hat sich immer wieder besonders den Bündnispartnern gegenüber verpflichtet, die Leistungskraft unserer Streitkräfte nicht nur zu erhalten, sondern auch zu verbessern.
haase ({10})
Wir fordern die deutsche Regierung nachdrucklich auf, im Rahmen der hier zur Verfügung gestellten finanziellen Möglichkeiten alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um der Bundeswehr durch Straffung der Führung und ihrer Verbände, durch Standardisierung und Rationalisierung einen optimalen Einsatzrahmen zu vermitteln.
Solange beiderseitige, ausgewogene und kontrollierte Abrüstungsvereinbarungen nicht getroffen sind, müssen wir - leider! - im Rüstungswettlauf zumindest mithalten. Spannungskontrolle ist um so leichter, je ausgewogener das Kräfteverhältnis ist. Verteidigungsanstrengungen und Spannungskontrolle sind keine Gegensätze. Ohne die Bemühungen um unsere Verteidigung gibt es keine Eingrenzung von Spannungen, sondern nur eine Beeinträchtigung unseres Selbstbestimmungsrechts bis hin zur Unterwerfung unter fremden politischen Willen.
({11})
Obwohl, meine Damen und Herren, im Verteidigungsbereich manche Teilentwicklungen zu verzeichnen sind, die wir mißbilligen, hat sich die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages entschlossen, dem Verteidigungsetat wiederum zuzustimmen. Wir stimmen ihm zu, meine Damen und Herren, weil wir es für richtig halten, daß die Landesverteidigung als ein im wesentlichen unpopulärer Bereich der öffentlichen Angelegenheiten von Regierung und Opposition gemeinsam getragen wird.
({12})
Wir stimmen dem Verteidigungsetat zu, weil wir deutlich machen wollen, daß sich die Opposition auch dort nicht aus der Verantwortung stiehlt, wo sie angesichts der allfälligen Belastungen für die Allgemeinheit nicht mit Beifall und uneingeschränkter Zustimmung rechnen kann.
({13})
Wir stimmen zu, weil die Bedeutung der Landesverteidigung angesichts der gegenwärtigen Zeitverhältnisse einer besonderen Unterstreichung bedarf. Wir stimmen zu, weil wir Volk und Soldaten sichtbar machen wollen, daß sich die Streitkräfte des Landes auf eine breite parlamentarische Basis stützen können. Und wir stimmen zu, weil wir auch jenseits der Grenzen deutlich machen wollen, meine Damen und Herren, daß ein Regierungswechsel in Deutschland kein Nachlassen unserer Anstrengungen für die gemeinsamen Verteidigungsbemühungen der westlichen Welt nach sich ziehen würde.
({14})
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch einige Bemerkungen zu Personalien machen, die den Verteidigungsbereich betreffen. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat gestern beim neuerlichen Wahlgang zur Wahl des Wehrbeauftragten keinen eigenen Kandidaten benannt, um den von der SPD-Fraktion vorgeschlagenen Kollegen Berkhan zu unterstützen. Diese Entscheidung wurde von uns getroffen, obwohl die SPD-Fraktion zu keiner Zeit versucht hat, mit der Unionsfraktion in Kontakt zu treten.
({15})
Bei der Unterstützung des Kollegen Berkhan ließen wir uns von der Überlegung leiten, daß es angesichts der durch die jüngsten Vorgänge erfolgten Ansehensschädigungen des Amtes dringend geboten sei, den neuen Wehrbeauftragten mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit auszustatten.
({16})
Die Fraktionsführung der SPD aber scheint aus den Vorgängen um diese Position keine Konsequenzen ziehen zu wollen.
({17})
Sie beabsichtigt, das so beklagenswerte Spiel des Verschaukelns von Parlamentspositionen anscheinend weitertreiben zu wollen.
({18})
Meine Damen und Herren, nicht anders ist die Absicht zu deuten, den nicht einmal vom Vertrauen seiner ganzen eigenen Fraktion getragenen ersten Bewerber urn das Amt des Wehrbeauftragten nunmehr dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages als Vorsitzenden andienen zu wollen.
({19})
Wir halten es für unsere Pflicht, Sie nochmals eindringlich auf die Schäden aufmerksam zu machen, die das Ansehen des Hauses erleiden müßte, wenn Sie dieses Vorhaben realisieren würden.
({20})
Meine Damen und Herren, dem Kollegen Schmidt ({21}) wünschen wir im Amte des Parlamentarischen Staatssekretärs eine glückliche Hand. Er findet eine Fülle anstehender Probleme auf der Hardthöhe vor. Wir würden es sehr begrüßen, wenn er die Bundesregierung aus ihrer beklagenswerten Abstinenz im Zusammenhang mit der Regelung der Fragen der Wehrgerechtigkeit herauszudrängen vermöchte.
({22})
Kollege Schmidt ({23}) hat ja jüngst beachtenswerte Initiativen - die Einführung einer Ausgleichsabgabe bzw. einer Wehrsteuer - vorgelegt. Wir hoffen, er wird sein Vorhaben auch in der neuen Position zielstrebig zu realisieren trachten. Er ist dabei allerdings auf dem falschen Pfade, wenn er - wie in seinem gestrigen ddp-Interview - ausgerechnet das Parlament ermuntert, sich vor diesen Fragen nicht herumzudrücken. Wer sich gegenwärtig hier herumdrückt, ist allein die Bundesregierung.
({24})
Aber der Kollege Schmidt ({25}) wird das ja hoffentlich bald zu ändern wissen.
({26})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Würtz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Haase, nachdem ich Ihre Rede angehört habe, muß ich mit Erstaunen die Zustimmung der Opposition zu diesem Haushalt vermerken. Denn nachdem man drei Viertel der Rede richtig genossen hatte, mußte man eigentlich annehmen, Sie würden ablehnen; und dann plötzlich der Schwenker, und Sie stimmen diesem Haushalt zu.
({0})
- Ich merke dies, Herr Kollege Dr. Wörner. Ich will nur einmal sagen, wie Sie draußen argumentieren. Ich habe mir so einige Überschriften von Zeitungsartikeln aufgeschrieben. Da heißt es: „Wörner warnt vor Nachlassen in den Verteidigungsanstrengungen notfalls Einschränkungen im Lebensstandard."
({1})
„Wörner: Der Schatten Moskaus über Westeuropa wird länger;
({2})
Verteidigung und Entspannung wieder ins Gleichgewicht bringen".
({3})
- Klatschen Sie ruhig weiter, meine Damen und Herren von der Opposition!
({4})
Und dann: „Der Wehretat muß erhöht werden". ({5})
Da kommt doch bei all den Betrachtern, die dies im Lande lesen, wieder die Frage auf: Wo sind denn Ihre Anträge? Sie haben in den Ausschüssen des Parlaments, im Haushalts- wie im Verteidigungsausschuß, nicht einen Antrag gestellt.
({6})
Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, diese ständige Verunsicherung der Bürger unseres Landes in Sachen Verteidigungsleistungen, die landauf, landab von Ihnen verbreitet wird, hilft niemandem, sie schadet nach meiner Auffassung unserem nationalen Interesse.
({7})
Ich will hier auch noch einmal ganz deutlich machen, daß Sie im Grunde genommen mit dieser Argumentation Ihre Alternativlosigkeit zur Sicherheitspolitik dieser sozialliberalen Koalition und zum Bundesverteidigungsminister Georg Leber deutlich werden lassen.
({8})
-- Das werden Sie ja gleich sehen, wenn wir zur Abstimmung über diesen Haushalt kommen.
({9})
Ich möchte hier noch einmal ganz deutlich machen, daß wir die Kritik an Werner Buchstaller, wie sie von Ihnen, Herr Kolege Haase, geäußert worden ist, zurückweisen, weil es unbewiesene Behauptungen sind.
({10})
Sie wollen offensichtich die Kleiderordnung in den Ausschüssen ändern; dieses Empfinden habe ich jedenfalls. Die Koalitionsfraktionen bestimmen den Vorsitzenden im Verteidigungsausschuß.
Lassen Sie mich hinzufügen: In diesem Zusammenhang erscheint es mir gerade bei Ihnen, Herr Kollege Haase, merkwürdig, wenn Sie über Herrn Kollegen Buchstaller so sprechen, wie Sie das hier getan haben. Wenn wir über manch einen Kollegen von Ihnen in diesem Amt so redeten, würden Sie uns das muß man hier einmal mit aller Deutlichkeit sagen - vorwerfen, wir vergifteten die Atmosphäre.
({11})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner?
Gern, Herr Kollege Dr. Wörner!
Herr van Delden, ist Ihre Zwischenfrage damit erledigt?
Herr Kollege Würtz, würden Sie bitte auch im Interesse des Kolegen Buchstaller zur Kenntnis nehmen, daß sich die kritischen Bemerkungen des Kollegen Haase darauf bezogen haben, daß die Fraktionsführung der SPD die Absicht hat, einen Mann, der für das Amt des Wehrbeauftragten von seiner eigenen Fraktion und der eigenen Koalition nicht das Vertrauen erhalten hat, nun zum Vorsitzenden des Ausschusses zu machen, der zwar nicht formal, aber faktisch Weisungsbefugnisse und die Fachaufsicht über den Wehrbeauftragten hat?
({0})
Herr Kollege Dr. Wörner, ich möchte Ihnen darauf folgendes antworten, wenn Sie mir das gestatten: Sie haben einmal einen stark umstrittenen Mann zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gewählt. Ich stelle mich persönlich vor meinen Kollegen Werner Buchstaller, weil ich weiß, daß er dieses Amt, das ihm hier von den
Koalitionsfraktionen angetragen wird, auch tatsächlich ausfüllen wird.
({0})
Meine Damen und Herren, bei der Aufstellung des Verteidigungshaushalts - wenn Sie mir zu so später Stunde diese Ausführungen noch gestatten - hatten wir einen schwierigen Zielkonflikt zu bewältigen. Präsenz und Ausrüstung unserer Bundeswehr haben sich nämlich, wie es auch geschieht, Herr Kollege Haase, am Ausmaß der Bedrohung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner zu orientieren.
Herr Abgeordneter Würtz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oetting?
Sehr gern, Herr Kollege Dr. Oetting!
Herr Kollege Würtz, können Sie bestätigen, daß der Abgeordnete Buchstaller noch keinen Meineid geleistet hat?
({0})
Herr Dr. Oetting, ich tue das von diesem Platz aus überaus gern.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte nur noch einige wenige Bemerkungen machen, weil ich glaube, daß wir uns in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit nicht so sehr, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Haase, auf Zahlen berufen sollten. Sicher ist, daß in der Gesamtschau der Verteidigungshaushalt 1975 mit einem Zuwachs von 7,4 % in etwa der Steigerungsrate des Bundeshaushalts folgt. Dabei bleibt festzuhalten: mehr als 4 % entfallen auf zusätzliche Personalverstärkungsmittel in Höhe von 1,2 Milliarden DM. Der Anteil des Vorjahres an den Bundesausgaben wird gehalten. Im NATO-Vergleich zeichnet sich ab, daß die Bundesrepublik Deutschland auch 1975, gemessen an der Höhe der Verteidigungsausgaben, nach den Vereinigten Staaten den zweiten Platz im Bündnis einnimmt. Hier ist deutlich festzuhalten, daß die Bundeswehr auch 1975 eine moderne Armee bleibt. Die Schichtung des Verteidigungsetats zeigt 1975 eine positive Tendenz auch bei den Investitionen, mit denen auf weite Sicht eine moderne Ausrüstung der Streitkräfte sichergestellt wird. Ich muß hinzufügen: dies versteht sich nicht von selbst, wenn Sie sich unsere Partner im westlichen Bündnis anschauen.
Ich kann dem Verteidigungsminister nur zustimmen, der vor einiger Zeit davon gesprochen hat, daß unsere Rüstungsanstrengungen im investiven Bereich in die richtige Richtung gehen. Wir stimmen unsere Rüstungsanstrengungen mit unseren Partnern ab, und dieser einmal eingeschlagene Weg sollte beibehalten werden.
Meine Damen und Herren, über die moderne Ausrüstung der Streitkräfte sind der Soldat und der zivile Mitarbeiter nicht vergessen worden. Ein markanter Punkt ist die Entwicklung des Aufkommens an Längerdienenden. In diesem seit langem notleidenden Bereich ist 1974 eine erfreuliche Aufwärtsentwicklung eingetreten, die weiterhin anhält. Im Zuge dieser Entwicklung reicht daher die für 1974 veranschlagte Jahresdurchschnittsstärke an Längerdienenden mit 258 000 nicht mehr aus. Wir haben daher in diesem Haushalt eine Anhebung der Veranlagungsstärke um 9 000 Stellen vorgesehen.
Der Umfang des Zivilpersonals zeigt einen Zuwachs von 247 Planstellen und Stellen. 246 dieser Stellen sind für die Hochschule der Bundeswehr vorgesehen, die am 1. Oktober 1975 mit dem dritten Studienjahr beginnt. Die Hochschulen der Bundeswehr nehmen damit erstmals den Betrieb für Studenten aller drei Studienjahre auf.
Lassen Sie mich zum Schluß nur darauf hinweisen, daß insgesamt gesehen der Verteidigungshaushalt 1975 die entsprechenden Mittel aufweist, um die Sicherheit unseres Landes im Rahmen des Bündnisses zu gewährleisten, ohne das erklärte Ziel in der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu gefährden, auch im Jahr 1975 eine Preisberuhigung bei hohem Beschäftigungsstand herbeizuführen.
Die SPD-Bundstagsfraktion stimmt dem Einzelplan 14 zu.
({1})
- Herr Kollege Wohlrabe, Sie werden dies jetzt merken: ich darf hinzufügen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zu diesem Einzelplan eine namentliche Abstimmung beantragt.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt.
Wir stimmen über den Einzelplan 14 in namentlicher Abstimmung ab. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Beratung des Einzelplans 14 während der Auszählung der Stimmkarten. Wir fahren in der Zwischenzeit in der Tagesordnung fort.
Ich rufe auf:
Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 7/3156 Berichterstatter: Abgeordneter Picard
Ich frage, ob der Herr Berichterstatter eine Ergänzung seines schriftlichen Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht
begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 19 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einzelplan 19 ist einstimmig gebilligt.
Ich rufe auf:
Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksache 7/3157 Berichterstatter: Abgeordneter Blank
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zur Ergänzung seines Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die Aussprache ein. - Das Wort
wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Zwei Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Bei zwei Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
- Drucksache 7/3158 -
Berichterstatter: Abgeordneter Esters
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er eine Ergänzung seines Berichts wünscht. - Keine Ergänzung. Ich danke dem Herrn Bericherstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird
nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 23 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Einzelplan 23 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition ohne Stimmenthaltung angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 25
Geschäftsbereich des Bundesministers für
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
- Drucksache 7/3159 Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörfer
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er eine Ergänzung des schriftlichen Berichts wünscht. Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird
nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 25 in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Danke.
Stimmenthaltungen? - Dieser Einzelplan ist mit der vorhergehenden Mehrheit gebilligt.
Ich rufe auf: Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen
- Drucksache 7/3160 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Dübber Abgeordneter Hoppe
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 27 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Auch Einzelplan 27 ist mit der gleichen Mehrheit gebilligt.
Ich rufe auf: Einzelplan 30
Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie
- Drucksache 7/3161 -Berichterstatter: Abgeordneter Blank
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zur Ergänzung des schriftlichen Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 30 in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltung? - Einzelplan 30 ist mit der vorhergehenden Mehrheit gebilligt.
Wir kehren nun noch einmal zum Einzelplan 14 zurück.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 14 bekannt: Es haben sich beteiligt 371 uneingeschränkt Stimmberechtigte und 16 Berliner Abgeordnete. Es haben mit Ja gestimmt 371 Abgeordnete und 16 Berliner Abgeordnete.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 371 und 16 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 368 und 16 Berliner Abgeordnete,
ungültig: 3
Ja
SPD
Adams
Ahlers
Dr. Ahrens
Amling Anbuhl Dr. Apel Arendt ({0})
Dr. Arndt ({1})
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Augstein
Baack Barche Bahr
Dr. Bardens
Batz
Becker ({2}) Dr. Beermann Behrendt
Biermann
Blank
Dr. Böhme ({3}) Börner
Frau von Bothmer Brandt ({4}) Bredl
Brück Buchstaller
Büchler ({5}) Büchner ({6})
Dr. von Bülow Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Conradi
Coppik
Dr. Corterier
Frau Däubler-Gmelin Dürr
Eckerland
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Frau Eilers ({7}) Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Engholm
Dr. Eppler
Esters Ewen Dr. Farthmann
Fiebig
Dr. Fischer
Flämig
Frau Dr. Focke Franke ({8}) Frehsee
Friedrich
Gansel
Gerlach ({9}) Gerstl ({10}) Gertzen
Dr. Geßner
Gnädinger
Grobecker Grunenberg
Haar
Haase ({11})
Haase ({12}) Haehser
Dr. Haenschke Halfmeier
Hansen Hauck Dr. Hauff
Henke Herold Höhmann
Hofmann
Dr. Holt
Horn
Huonker
.Jahn ({13}) Jaschke Jaunich
Junghans
Junker Kaffka Kern
Koblitz Konrad Kratz
Dr. Kreutzmann
Krockert
Kulawig Lambinus
Lattmann Lautenschlager
Leber
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke Löbbert Lutz
Mahne Marquardt
Marschall
Matthöfer
Dr. Meinecke ({14}) Meinike ({15}) Metzger
Möhring
.Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller ({16})
Müller ({17})
Müller ({18}) Müller ({19})
Dr. Müller-Emmert
Nagel
Neumann
Offergeld
Frau Dr. Orth
Freiherr Ostman von der Leye
Pawelczyk
Peiter
Dr. Penner
Pensky Peter
Polkehn Porzner Rapp ({20})
Rappe ({21}) Ravens
Frau Dr. Rehlen
Reiser
Richter Röhlig Rohde Rosenthal
Sander Saxowski
Dr. Schachtschabel
Schäfer ({22})
Dr. Schäfer ({23}) Scheffler
Scheu
Schinzel Schlaga Schluckebier
Dr. Schmidt ({24}) Schmidt ({25}) Schmidt ({26})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schonhofen
Schreiber
Schulte ({27})
Schwabe
Dr. Schweitzer
Dr. Schwencke ({28}) Dr. Schwenk ({29}) Seefeld
Simon
Simpfendörfer
Dr. Sperling
Spillecke
Stahl ({30})
Frau Steinhauer
Suck
Tietjen
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak
Vahlberg
Vit
Dr. Vogel ({31}) Vogelsang
Walkhoff
Walther
Dr. Weber ({32}) Wehner
Wende Wendt
Dr. Wernitz
Wiefel Wilhelm
Wimmer
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({33}) Wolf
Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Dr. Dübber
Egert
Frau Grützmann
Heyen Löffler Mattick Frau Schlei
Schwedler
Sieglerschmidt
CDU/CSU
Baier
Dr. Becher ({34}) Benz
Bewerunge
Biechele
Biehle
von Bockelberg
Böhm ({35}) Braun
Burger
Carstens ({36})
Dr. Carstens ({37}) Dr. Czaja
Damm
van Delden
Dr. Dollinger
Eigen
Eilers ({38}) Engelsberger
Entrup
Erhard ({39}) Ernesti
Dr. Eyrich
Freiherr von Fircks
Franke ({40})
Dr. Franz Dr. Früh Dr. Fuchs Geisenhofer
Gerlach ({41})
Gerster ({42})
Gierenstein Dr. Gruhl Haase ({43})
Härzschel
Dr. Hammans
von Hassel
Hauser ({44}) Dr. Hauser ({45}) Höcherl
Hösl
Dr. Hornhues
Horstmeier Jäger ({46})
Dr. Jahn ({47})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Dr. Klein ({48})
Dr. Köhler ({49}) Krampe
Dr. Kraske
Freiherr von KühlmannStumm
Dr. Kunz ({50}) Lagershausen
Lampersbach
Leicht
Lemmrich Link
Löher
Maucher Memmel Dr. Miltner
Möller ({51})
Dr. Narjes Niegel
Orgaß
Frau Pack Pfeffermann.
Pfeifer
Picard
Pohlmann Dr. Prassler Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann
Frau Dr. Riede ({52}) Dr. Riedl ({53})
Dr. Ritgen Dr. Ritz
Röhner
Rollmann Rommerskirchen
Sauer ({54})
Sauter ({55})
Schedl
Frau Schleicher Schmidhuber
Schmidt ({56})
Schmitz ({57}) Schmöle
Frau Schroeder ({58}) Schröder ({59})
Schulte ({60}) Seiters
Sick
Solke
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Dr. Sprung
Dr. Stavenhagen
Stücklen Susset
Tillmann Frau Tübler Vehar
Frau Verhülsdonk
Volmer
Dr. Wagner ({61}) Wawrzik
Weber ({62})
Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner
Frau Will-Feld
Windelen Wissebach Dr. Wörner Frau Dr. Wolf
Dr. Wulff Dr. Zeitel Ziegler
Zink
Berliner Abgeordnete
Frau Berger ({63})
Müller ({64})
Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe
FDP
Dr. Böger Engelhard Ertl
Frau Funcke Geldner
Graaff
Dr. Hirsch Hoffie
Jung
Kleinert
Krall
Dr.-Ing. Laermann Logemann
Frau Lüdemann
Mertes ({65}) Mischnick Möllemann Moersch
Opitz
von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Wolfgramm ({66}) Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordnete Hoppe
Damit ist der Einzelplan 14 in namentlicher Abstimmung angenommen.
({67})
Wir haben noch über den Antrag des Verteidigungsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1974 abzustimmen. Der Ausschuß schlägt Ihnen Ablehnung vor. Wer dem Auschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenenthaltungen? - Damit ist dem Ausschußantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition entsprochen worden. Die Beratung des Einzelplans 14 ist damit abgeschlossen.
Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft
- Drucksachen 7/3162, 7/3253 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
Ich frage den Herrn Berichterstatter ob er eine Ergänzung des schriftlichen Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall..
Ich eröffne die Aussprache und frage; ob in der Aussprache das Wort begehrt wird. - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Änderungsantrag Drucksache 7/3391 auf und erteile dazu dem Herrn Abgeordneten Dr. Althammer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht
um den Deckungsantrag für das Programm der CDU/ CSU zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit und der Schaffung von Lehrstellen. Hierzu hat Herr Staatssekretär Buschfort am vergangenen Freitag laut Protokoll des Bundestages auf Seite 10 882 ausgeführt, daß ein Deckungsvorschlag der CDU/CSU nicht vorliege. Die CDU/CSU-Fraktion hat aber sowohl im Haushaltsausschuß einen ganz konkreten Deckungsvorschlag mit Angabe der Titel und Kapitel gemacht, und sie hat diesen Antrag auch im Plenum vortragen lassen durch den Kollegen Pfeifer. Sie hat hier diesen Antrag noch einmal vorgelegt. Wir haben durch Einsparung an anderer Stelle 14 Millionen DM zu diesem Programm zur Verfügung gestellt, und wir haben durch einen Vorschlag auf gegenseitige Deckungsfähigkeit weitere Millionen zur Vrfügung gestellt.. Ich möchte sagen: es ist ein Armutszeugnis für einen Staatssekretär, wenn er diesen konkreten Deckungsvorschlag nicht zur Kenntnis genommen hat.
({0})
Nachdem über die Dringlichkeit dieses Problems auch in diesem Hohen Hause nun wirklich einiges gesagt worden ist, möchte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auffordern, diesen unseren Deckungsvorschlag anzunehmen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht jedermanns Chance, zu einer so späten Stunde noch ein so großes Auditorium zu haben. Ich will es nicht mißbrauchen, aber der Bildungsetat verdient, daß man wenigstens ein paar Worte dazu sagt. Außerdem ist es ja notwendig, sich mit dem Änderungsantrag der Opposition auseinanderzusetzen.
Wer immer in diesen Tagen über Probleme der Bildungspolitik und deren Finanzierung spricht, der muß die berufliche Bildung, deren inhaltliche und rechtliche Reform sowie deren aktuellen Bezug des sich über Jahre erstreckenden Rückgangs im Angebot von Ausbildungsplätzen in den Vordergrund stellen. Die Bedeutung, die dieses Thema „berufliche Bildung" bekommen hat, entspricht genau dem, was die Regierung Helmut Schmidt anstrebte und wofür sie durch die Berufung von Helmut Rohde zum Bildungsminister ein Zeichen gesetzt hat. Wir wollten die Verlagerung des Schwerpunktes der Diskussion auf diesen Bereich, in dem es um die 1,4 Millionen junger Menschen in betrieblicher Ausbildung geht, einen wesentlich größeren Teil jedes Jahrgangs unserer Jugend als den in Gymnasien, an weiterführenden Schulen oder Universitäten.
Die arbeitende Jugend hat ein Anrecht darauf, daß ihre Ausbildung, ihre Ausbilder und ihre Ausbildungsstätten qualifiziert werden und daß genügend Ausbildungsplätze für sie zur Verfügung stehen. Die Arbeitslosenstatistik zeigt, daß derjenige bessere Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz hat, der eine gute Berufsausbildung vorweisen kann. Die zur
Zeit steigende Zahl der Schulabgänger aus früheren geburtenstarken Jahrgängen verlangt die Bereitstellung einer größeren Zahl von Ausbildungsplätzen, die über den augenblicklichen Bedarf der Wirtschaft hinausgeht und mit guten Gründen hinausgehen soll, ja, hinausgehen muß, weil wir auf längere Sicht eine größere Zahl qualifizierter Facharbeiter im Handel, in der Industrie und im Handwerk brauchen.
Wir haben in der vergangenen Woche hier in diesem Hause eine Diskussion über die Jugendarbeitslosigkeit und in diesem Zusammenhang über die Maßnahmen der Bundesregierung zu kurzfristiger Hilfe und der längerfristigen Überwindung des Problems diskutiert, so daß dazu hier nicht noch einmal gesprochen werden muß.
Ich will hier aber aufzeigen, wie die Hilfe des Bundes aus diesem Etat, dem Einzelplan des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, ablesbar ist. Im Kapitel „Berufliche Bildung und Berufsbildungsförderung" haben wir den Ansatz von 1974 in Höhe von 72,8 Millionen DM auf 141,6 Millionen DM im Jahre 1975 erhöht, also verdoppelt. In einem Dreijahresprogramm stehen für die Schaffung von 10 000 neuen überbetrieblichen Ausbildungsplätzen in der ersten Ausbaustufe bis 1976 180 Millionen DM zur Verfügung. Der erste Ansatz dafür betrug 1974 30 Millionen DM. Wir haben ihn 1975 auf 75 Millionen DM erhöht und außerdem zur Beschleunigung des Programms aus dem Konjunkturförderungsprogramm nochmals 75 Millionen DM daraufgelegt.
Erstmals können auch Folgekosten überbetrieblicher Ausbildungsstätten bezuschußt werden. Es ist vorgesehen, daß sich der Bund auf die Dauer von bis zu vier Jahren jeweils an den laufenden Kosten beteiligen kann, wenn eine solche Ausbildungsstätte anderenfalls nicht errichtet würde oder zur Zeit bestehende Ausbildungsstätten auf andere Weise nicht genutzt werden können. Hieran kann sich dann das Instrument der Umlagefinanzierung, das im Entwurf des Berufsbildungsgesetzes verankert ist, nach der Verabschiedung dieses Gesetzes nahtlos anschließen, um nicht nur dann mehr Lehrstellen zu schaffen, wenn das Angebot unter 12 1/2 % über der Nachfrage sinkt, sondern auch alsdann eigene Leistungen der Wirtschaft für die nicht abgedeckten Folgekosten in diesen überbetrieblichen Lehrstätten eintreten.
Herr Althammer, wir gehen also nicht den undifferenzierten Weg einer Kopfquote, wie ihn die CDU/CSU als untaugliches Instrument für die Lehrstellenbeschaffung - noch dazu haushaltsmäßig zu Lasten der Errichtung überbetrieblicher Ausbildungsstätten - empfohlen hat. Dieses Instrument würde ja doch nur dazu führen, daß clevere Unternehmer sich mit ihrem Ausbildungsplatzangebot zunächst zurückhielten, um die Zuschüsse des Bundes für die sonst selbst zu bezahlenden Plätze zu erhalten.
Meine Damen und Herren, auch der Staat selbst ist bei seinen Sondervermögen bereit, die vorhandenen Ausbildungsplätze zu vermehren und zu nutzen. Auch dann, wenn ihr Eigenbedarf überschritten wird, stellen Bundespost, Bundesbahn und auch die Bundeswehr zusätzliche neue Plätze zur Verfügung oder bieten sie anderen Trägern zur Nutzung an.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Möller ({0})?
Ja, bitte!
Herr Kollege Westphal, würden Sie diesem Hohen Hause vielleicht einmal ganz konkret erklären und erläutern, wann denn eigentlich dieses Programm der Bundesregierung zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit, das Sie hier in so schönen Farben schildern, endgültig Gesetzeskraft erlangen wird und würden Sie mir zustimmen, daß das vorgelegte Programm der CDU/ CSU zumindest die heute bestehenden akuten Probleme sofort lösen würde?
Darf ich mal hören, welches Ihre Überlegungen sind, was dazu überhaupt an Gesetzgebung notwendig ist? In diesem Bereich ist notwendig, daß die Bundespost, die Bundesbahn und auch die Bundeswehr zusätzliche Plätze zur Verfügung stellen. Das hat die Bundesregierung erklärt, dazu hat sie Zahlen geliefert, dazu ist es überhaupt nicht erforderlich, ein Gesetz zu machen.
({0})
Das ist die eine Antwort.
Jetzt kommen wir dann lieber gleich zu dem, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen. Sie haben gemeint, daß man 4 000 DM an denjenigen geben soll, der einen Lehrplatz zur Verfügung stellt. Ich habe dazu meine Auffassung bereits gesagt; die ist hier auch in der vergangenen Woche diskutiert worden. Wenn Sie das ausrechnen - und Sie sind Mitglied des Haushaltsausschusses und müßten das eigentlich können, auch ohne Taschencomputer -, dann kommen Kosten von 80 Millionen DM dafür heraus. Das ist eine sehr einfache Rechnung. Sie schlagen in Ihrem Antrag die Bereitstellung von 14 Millionen DM vor. Dies ist ein Betrag, der aus einer Kürzung stammt, die die sozialdemokratische Fraktion, Arbeitsgruppe Haushalt, an anderer Stelle des Bildungshaushalts mit Ihrer Zustimmung vorgenommen hat. Sie haben das dann aufgegriffen. Da waren 14 Millionen DM frei, und die wollen Sie hier einsetzen. Was ich damit sagen will: Sie stellen hier plötzlich an einer Stelle für ein undifferenziertes, nicht in Einzelheiten genanntes, in keiner Weise konkret formuliertes Sonderprogramm Geld zur Verfügung, ohne daß man in irgendeiner Weise in der Lage ist, dieses auch nur berechnen zu können. Unsere Antwort darauf ist: So kann man haushaltsmäßig nicht vorgehen. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Was man machen kann, ist: Die Koalitionsfraktionen von SPD und FDP können sich bereit erklären, in dem Moment, wo sich herausstellt, daß die Bereitstellung der Mittel aus den öffentlichen Kassen bei Bundesbahn und Bundespost nicht ausreichen sollte oder für diesen Zweck nicht genutzt werden könnte, und die Mittel, die im Etat des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft für solche
Zwecke enthalten sind, nicht ausreichen, um das, was bei diesem Sondervermögen gemacht wird, zu finanzieren, außerplanmäßig oder überplanmäßig dafür zu gegebener Zeit, wenn man das ausrechnen kann, wenn man weiß, was das zusätzlich kosten wird, Anträge zu stellen und das Geld zu bewilligen; jetzt so nicht.
({1})
- Diese Zusage steht, Sie können sich darauf berufen.
Meine Damen und Herren, damit ist für diesen Abend das Wesentliche gesagt. Ich hätte gerne eine Menge mehr gesagt; mein Manuskript war viel länger. Ich weiß aber, daß wir alle darauf warten, hier Schluß zu haben. Genießen Sie aber doch wenigstens noch ein bißchen von dem, was der Bund an Erfüllung seiner Verpflichtung für das, was im Bildungsbereich zu tun ist, an finanziellen Mitteln zur Verfügung stellt! Das muß man hier wenigstens noch einmal gehört haben.
Dieser Einzelplan 31 des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft hat eine überdurchschnittliche Steigerungsrate von 14,2 %. Der Vergleich zu der Steigerungsrate des Gesamthaushalts, wie sie aus dem Soll-Soll-Vergleich am Anfang entstanden ist, betrug 8,7 zu 14,2. Vergleicht man, wie das heute notwendig ist, mit dem Ist 1974, so sieht das etwas anders aus, ist aber trotzdem noch überdurchschnittlich. Das heißt, wir erfüllen auch in dieser Hinsicht unsere Aufgabe als Bund, für die Aufgaben im Bildungsbereich zur Verfügung zu stehen.
Ein weiteres. Die Weiterentwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist gesichert. Wer sich noch an die Zeit erinnert, als in diesem Hause an Bundesmitteln für das Honnefer Modell - das war noch 1970 - 80 Millionen DM zur Verfügung gestellt wurden, und weiß, daß in diesem Haushalt 2,08 Milliarden DM stehen, der kann sehen, was auf diesem Gebiet während der Zeit der Regierung der sozialliberalen Koalition tatsächlich gemacht worden ist.
({2})
Meine Damen und Herren, damit erhalten 50 % der Studenten und mehr als ein Drittel der jungen Leute, die weiterführende Schulen besuchen, ab Klasse 11 Ausbildungsförderung aus diesem Gesetz. Das sind 800 000 junge Leute. Daran kann man die Leistung ermessen.
Der Hochschulbau wird nicht verzögert. 1,4 Milliarden DM stehen dafür im Etat.
({3})
- Wenn Sie nicht zuhören wollen, können Sie ja
gehen. Das verbietet Ihnen niemand. Ich bin sofort
fertig, aber Sie können sich auch in einer solch späten Stunde zu einem so wichtigen Bereich wie dem Bildungsbereich wenigstens ein paar Fakten anhören.
({4})
Unsere Kollegen haben bei anderen Einzelplänen mit gutem Recht ebenfalls die Gelegenheit genommen zu sprechen. Wenn Sie nicht zuhören wollen - das ist Ihre freie Entscheidung -, dann können und dürfen Sie gehen. Ich brauche Sie als Zuhörer nicht.
({5})
Der Hochschulbau wird nicht verzögert. Ich habe gesagt, daß wir dafür 1,4 Milliarden DM in diesen Etat eingesetzt haben. Der 4. Rahmenplan für den Hochschulbau ist mit diesem realistischen Ansatz einstimmig beschlossen worden. Die Länder waren es, die mit ihrem 50-%-Anteil nicht mehr nachkamen. Das Ausbauziel - 800 000 Studienplätze - bleibt bestehen. Das Planungsziel 1972/73 ist in der Hauptnutzungsfläche fast vollständig erfüllt worden. Man kann nach wie vor sagen - auch dies ist vielleicht ein interessanter Gesichtspunkt -, Bund und Länder bauen jährlich zwei bis drei Hochschulen von der Größe der Bonner Universität.
Beim Studentenwohnraumbau haben wir 10 Millionen DM zugelegt. Dafür stehen nun 100 Millionen DM zur Verfügung. Dazu können noch 50 Millionen DM aus dem Hochschulbau-Titel kommen.
Zum Bereich der Bildungsplanung, wo es um Modellversuche und Bildungsforschung geht, möchte ich sagen: Es gibt zwar eine Abflachung der Steigerungsrate - auch in diesem Bereich wird die Spartendenz spürbar -, aber es stehen 145,8 Millionen DM dafür, vom Kindergartenmodell bis zur nachschulischen Weiterbildung, zur Verfügung. Das sind 20 % mehr gegenüber 1974.
({6})
- Ich nehme von Ihnen keine Frage entgegen. Sie wollten ja nicht, das ich hier rede.
Bei der Weiterbildung haben wir den Ansatz gegen die CDU/CSU im Haushaltsausschuß auf 16,2 Millionen DM erhöht.
Lassen Sie mich noch hinzufügen: Die gesetzliche Regelung der Krankenversicherung der Studenten ist finanziell abgesichert.
Entgegen den kleinlichen Streichungsanträgen der Opposition kann hier abschließend gesagt werden:
({7})
Die Koalition gibt dem Bildungsminister ihrer Regierung einen Haushalt für das Jahr 1975 mit, der diesem die Fortführung der Priorität „Bildungspolitik" ermöglicht. Sie hilft ihm bei den wichtigsten gesetzlichen Grundlagen der Bildungspolitik. Sie erfüllt ihre Verpflichtungen im Zusammenwirken mit den Ländern. Sie läßt die Jugend und deren Eltern auch in der schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht allein, wenn es um die Qualifizierung von Bildung und Ausbildung geht.
Ich danke Ihnen, auch wenn Sie so ungeduldig waren.
({8})
- Hier ging es um die Debatte des Einzelplans 31.
Nicht nur das, was Sie bestimmen, wird hier diskutiert.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 7/3391 ab. Ich kann über die beiden Ziffern gemeinsam abstimmen lassen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen?
- Meine Damen und Herren, der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 31 in der vorliegenden Fassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen?
- Keine Stimmenthaltungen. - Der Einzelplan 31 ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Opposition gebilligt.
({0})
Ich rufe auf
Einzelplan 33
Versorgung
- Drucksache 7/3164 Berichterstatter:
Abgeordneter Möller ({1})
Ich frage, ob von dem Herrn Berichterstatter eine Ergänzung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 33 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Einzelplan 35
Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte
- Drucksache 7/3165 -Berichterstatter: Abgeordneter Simon
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er den schriftlichen Bericht ergänzen will. - Er will den schriftlichen Bericht nicht ergänzen. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. - Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 35 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt noch einmal zurück zum Einzelplan 60, der heute vormittag behandelt worden ist. Dazu rufe ich auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
betr. Unterrichtung des Bundestages über erhebliche Änderungen der Haushaltsentwicklung
- Drucksache 7/3360 Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf
Haushaltsgesetz 1975
- Drucksachen 7/3168, 7/3202 - Berichterstatter: Abgeordneter Kirst ({2})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er eine Ergänzung des schriftlichen Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Ich rufe die §§ 1 und 2 auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 7/3394 unter VI vor. Ich glaube, ich kann über die beiden Anträge gemeinsam abstimmen lassen; oder bestehen dagegen Bedenken? - Keine Bedenken. Wer den beiden Änderungsanträgen zu §§ 1 und 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Die beiden Änderungsanträge sind mit den bisherigen Stimmenverhältnissen angenommen.
Ich rufe nunmehr die §§ 1 und 2 in der geänderten Fassung auf. Wer diesen Paragraphen in der geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Die §§ 1 und 2 sind angenommen.
Ich rufe die §§ 3 und 4 auf. Zu § 4 liegt ein Änderungsantrag auf Drucksache 7/3393 unter 1 vor. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer den §§ 3 und 4 in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - In der vorgelegten Fassung gebilligt.
Ich rufe die §§ 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 13 a auf. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der vorgelegten
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe § 14 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/3393 unter 2 vor. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 14. Wer diesem Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - § 14 ist angenommen.
Ich rufe § 15 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 7/3393 unter 3 vor. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 15. Wer dem § 15 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - § 15 ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Bestimmungen in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen?
- Das Gesetz ist in der zweiten Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition angenommen.
Damit stehen wir am Ende der heutigen Beratungen.
({3})
- Entschuldigen Sie, da hätten Sie sich früher melden müssen. Das tut mir sehr leid. Das müssen wir morgen machen.
Wir stehen am Ende der heutigen Aussprache. Ich schließe die Beratungen und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Freitag, den 21. März 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.