Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 7/3365 Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir in dieser Woche die heutige Fragestunde - abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde - mit einer Dauer von zwei Stunden durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Meine Damen und Herren, die Zeit für die Vorbereitung der Antworten durch die Bundesregierung war in dieser Woche etwas geringer als üblich. Es ist möglich, daß sich dies - soweit umfangreiche Rückfragen erforderlich waren - auf die Antworten auswirkt.
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf.
Der Herr Abgeordnete Hansen hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 1 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. - Meine Damen und Herren, ich bedaure, feststellen zu müssen, daß dieses Ressort hier nicht vertreten ist. Ich weise darauf hin, daß es zu den Pflichten der Bundesregierung gehört, zu Beginn der Fragestunde hier vertreten zu sein. Ich stelle die Behandlung dieses Geschäftsbereiches zunächst zurück und rufe Ihre Fragen, Herr Abgeordneter Arnold, auf, wenn ein Vertreter der Bundesregierung anwesend ist.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann zur Verfügung.
Die Fragen 4 und 5 sind von dem Herrn Abgeordneten Gallus eingereicht. - Der Herr Abgeordnete Gallus ist nicht im Saal.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten
Höcherl auf:
Welche Verbesserungen konnte Großbritannien in der gemein-semen Agrarpolitik erreichen?
Herr Kollege Höcherl, nach der Tagung des Europäischen Rates in Dublin sind nach britischer Auffassung die sogenannten Neuverhandlungen als abgeschlossen anzusehen. Im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik hat der Europäische Rat in Dublin grundsätzlich die Bereitschaft erklärt, das Lieferabkommen mit Neuseeland für Butter unter noch auszuhandelnden Bedingungen zu verlängern. Da eine Verlängerung des Abkommens mit Neuseeland l bereits im Beitrittsvertrag vorgesehen war, hält sich diese Entscheidung des Rates ebenso im Rahmen des Beitrittsvertrages wie die übrigen in der Zwischenzeit Großbritannien eingeräumten Sonderregelungen wie z. B. die 10 %ige Aufschiebung der Preisanpassung, die Gewährung von Verbrauchersubventionen und die Zahlung von vorübergehenden Erzeugerprämien auf dem Fleischsektor.
Selbstverständlich kann Großbritannien bei den Erörterungen über die Bestandsaufnahme der gemeinsamen Agrarpolitik ebenso wie die anderen Mitgliedstaaten Verbesserungswünsche vorbringen. Ich erinnere nur daran, daß auch die Bundesregierung Anregungen für die Fortentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik bei der EG-Kommission eingebracht hat.
Vizepiäsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, bestehen Vorstellungen über die finanziellen Auswirkungen dieser Vergünstigungen?
Darüber bestehen durchaus Vorstellungen. Allerdings kann man hier noch keine Einzelheiten nennen, Herr Kollege Höcherl, weil, wie auch in dem Beschluß von Dublin gesagt worden ist, die end10930
gültigen Realisierungsmöglichkeiten erst noch überprüft werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, soll diese unterschiedliche Behandlung ein Dauerzustand sein, oder ist dieser Zustand zeitlich befristet? Wie ist das eigentlich gedacht?
Durch den Beschluß von Dublin ist ja eine Befristung gegeben. Ich gehe davon aus, daß über weitere Verlängerungen dann erneut gesprochen werden müßte.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Aussage im Agrarbericht 1975/Nr. 448 „Mitverantwortung der Erzeuger an der Überschußverwertung" zu revidieren, nachdem sie am 13. Februar 1975 mitbeschlossen hat, daß in Frankreich Kuhprämien und in Italien Kälberprämien gewährt und Neuseeland mit dem Beschluß von Dublin über 1977 hinaus Butterlieferungen garantiert werden?
Herr Kollege Eigen, die von Ihnen angeführten Maßnahmen - a) Kuhprämien in Frankreich, b) Kälberprämien in Italien - stellen Alternativlösungen zur Erzeugerprämie für Schlachtrinder in der Bundesrepublik Deutschland und in den übrigen EG-Ländern dar, die in finanzieller Hinsicht nicht über den Rahmen der Schlachtprämie hinausgehen, d. h. keine zusätzlichen Aufwendungen aus dem EAGFL erfordern. Im übrigen sind diese Maßnahmen Bestandteil des Kompromisses für die Festsetzung der EG-Agrarpreise im Wirtschaftsjahr 1975/76, dem die Bundesregierung zugestimmt hat.
Mit dem Beschluß, Buttereinfuhren aus Neuseeland in das Vereinigte Königreich zu besonderen preislichen Bedingungen auch für die Jahre 1978 bis 1980 zuzulassen, entsprach der Europäische Rat dem Prüfungsauftrag im Art. 5 des Protokolls Nr. 18 der Beitrittsakte, auf den Großbritannien im Rahmen der Revision der Beitrittsbedingungen besonderes Gewicht legte.
Der Einführung einer Mitverantwortung der Erzeuger an der Überschußverwertung stehen nach Auffassung der Bundesregierung die von Ihnen genannten Beschlüsse grundsätzlich nicht entgegen. Auch andere Mitgliedstaaten und die Kommission suchen nach tragbaren Lösungen für eine Mitverantwortung der Erzeuger. Im übrigen ist noch offen, nach welchen Modalitäten eine Mitverantwortung der Erzeuger in der Gemeinschaft verwirklicht werden kann.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie tatsächlich im Ernst der Meinung, daß Erzeugerprämien für Kuhhaltung keine Stimulierung der Milchproduktion in Frankreich bedeuten, womit Sie praktisch die deutschen Erzeuger zu Mitverantwortlichen für etwas machen, was Sie selbst in Brüssel zugunsten der französischen Landwirte beschlossen haben?
Herr Kollege Eigen, das würde -ich nicht miteinander vergleichen. Es ist richtig, was Sie sagen: Prämien für Kuhhaltung könnten zu einer höheren Milchproduktion führen. Das braucht aber durchaus nicht der Fall zu sein, sondern man kann auch Modalitäten finden, die, wenn hier eine höhere Produktion entstehen sollte, darauf hinauslaufen, daß die Bundesrepublik nicht allein die Leidtragende ist. Sehr viel hängt auch von den verschiedenen Preisen ab, Herr Kollege Eigen. Mir ist z. B. bekannt - Minister Ertl hat das kürzlich noch einmal festgestellt -, daß der Milchauszahlungspreis der Milchviehhaltungen in Savoyen - es sind in der Regel kleinere Haltungen mit 7 bis 8 Kühen -im letzten Herbst etwa 37 Pf betrug, also ein Preis, der weit niedriger liegt als bei uns.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Darf ich noch die Zusatzfrage stellen, Herr Staatssekretär: Ist eigentlich in Brüssel - das hängt direkt mit der Frage Milchüberschüsse zusammen - festgelegt worden, daß im September eine zusätzliche Preisanhebung für Milch durchgeführt wird, oder hängt das, wie das neue Mitglied der Europäischen Kommission, Herr Dr. Brunner, ausgesagt hat, mit der Frage „Produktionsausweitung oder nicht" zusammen?
Dieser Beschluß ist, soviel ich weiß, davon unabhängig zu sehen. Wir halten uns an das Protokoll der Ministerratssitzung, und die Kommission wird dann auch entsprechend handeln.
Ich rufe Ihre nächste Frage auf, Herr Abgeordneter; Herr Staatssekretär, es handelt sich um die Frage 8:
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß sie für die deutsche Landwirtschaft wesentlich geringere Mastprämien für Rinder bereitstellt, als die niederländische und belgische Regierung an ihre Landwirtschaft zu zahlen hereit sind, obgleich sich mit den Brüsseler Beschlüssen vom 13. Februar 1975 die Wettbewerbslage für deutsches Rindfleisch zusätzlich verschlechtern könnte?
Der im Rahmen der Agrarpreisverhandlungen für das Wirtschaftsjahr 1975/76 erzielte Kompromiß über die Fortführung der Erzeugerprämie für Schlachtrinder vom 1. Mai 1975 bis zum 28. Februar 1976 stellt es den sieben betroffenen EG-Mitgliedstaaten - Frankreich und Italien beteiligen sich
bekanntlich nicht an dieser Maßnahme - frei, neben dem einheitlichen Grundbetrag von 30 Rechnungseinheiten pro Tier aus dem EAGFL noch zusätzlich nationale Mittel bis zur Höchstgrenze von 80 Rechnungseinheiten pro Tier für die Maßnahme zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hat schon im abgelaufenen Wirtschaftsjahr durch die Dauerintervention in erheblichem Maße und im größeren Umfang als in Belgien und in den Niederlanden zur Preisstabilisierung beigetragen.
Zusammen mit der Prämienregelung haben die Interventionsmaßnahmen dazu beigetragen, daß sich die Marktlage in der Bundesrepublik schneller stabilisiert hat als in anderen Mitgliedstaaten. Dies beweist die jüngste Entwicklung. Danach bewegen sich die Schlachtrinderpreise in der Bundesrepublik Deutschland seit November 1974 in einem deutlichen Aufwärtstrend und liegen Mitte März 1975 mit 330 DM pro 100 kg Lebendgewicht - durchschnittlicher Referenzpreis gerechnet - nicht nur um 10 °/o über dem Vorjahresstand, sondern haben auch bereits annähernd den bisherigen Höchststand vom Frühjahr 1973 wieder erreicht. Diese Festigungstendenzen dürften saisonüblich vorerst anhalten, zumal das inländische Angebot nach der jüngsten Rinderzählung in den kommenden Monaten im Gegensatz zu anderen Partnerländern nicht weiter steigen wird. Außerdem haben die deutschen Rindfleischerzeuger, die die Prämien nicht in Anspruch nehmen wollen, nach wie vor die Möglichkeit, ihre Rinder an die Interventionsstelle zu liefern. Eine Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft - und darum geht es ja - ist nach alledem nicht zu erwarten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie verträgt sich diese Ihre Äußerung mit der Tatsache, daß in Belgien 8,5 Rechnungseinheiten mehr für Rinder gezahlt werden - das sind 30,41 DM - und daß trotzdem die Prämie je Stück Rindvieh sehr viel höher, beinahe doppelt so hoch ist wie in der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Kollege Eigen, wenn Sie schon Belgien mit einem etwas höheren Preis nennen, sollten Sie auch auf die Niederlande hinweisen, die ja einen beträchtlich niedrigeren Preis haben als die Bundesrepublik.
Aber ich darf noch folgendes anmerken. In Brüssel ist bis heute noch nicht bekannt, ob Belgien oder Holland überhaupt eine nationale Erhöhung über die 30 Rechnungseinheiten vornehmen werden. Man geht davon aus, daß eine Erhöhung, wenn sie kommen sollte, beträchtlich unter der Möglichkeit, 80 Rechnungseinheiten zu gewähren, bleiben wird. Zweitens - das habe ich soeben ausgeführt - sind ja in der Tat bei der Misere auf den Rindfleischmärkten im Jahre 1974 die Preise in der Bundesrepublik am schnellsten wieder nach oben gegangen. Das bitte ich zu berücksichtigen.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Warum, Herr Staatssekretär, nutzt die Bundesregierung eigentlich niemals die Möglichkeiten, die die Kommission und der Ministerrat eröffnet haben, zugunsten der deutschen Landwirtschaft aus, wie es meinetwegen die belgische und die holländische Regierung tun?
Ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung im letzten Jahr bei der Misere auf den Rindermärkten nicht untätig war. Sie wissen, daß wir bei Rindern sehr viel mehr interveniert haben, als das in anderen Ländern geschehen ist. Hier ist also schon ein erheblicher Einsatz der Bundesregierung festzustellen. Im übrigen, Herr Kollege Eigen, sollten Sie mir sagen, ob Sie der Meinung sind, daß der Ernährungshaushalt beträchtlich aufgestockt werden sollte, um solche Maßnahmen zu ermöglichen, bzw. ob Sie der Auffassung sind, daß der Bundesetat insgesamt wegen solcher Maßnahmen erhöht werden sollte.
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Herr Kollege, diesen Zwischenruf können Sie noch machen; wir werden ihn hoffentlich im Protokoll wiederfinden.
Meine Damen und Herren, sonst beginnt die Fragestunde immer um 13.30 Uhr. Herr Kollege Gallus kam gerade, als ich bereits die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Höcherl aufgerufen hatte. Ich gebe ihm ausnahmsweise die Möglichkeit, daß seine beiden Fragen noch mündlich beantwortet werden. Zunächst die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Gallus:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, inwieweit Bauernhöfe, welche aus Bodenreformland gebildet wurden, heute von Großgrundbesitzern wieder aufgekauft werden, und in welchem Umfang diese dabei noch steuerliche Vorteile wahrnehmen können?
Herr Kollege Gallus, die Maßnahmen der Bodenreform sind Maßnahmen der Länder, die auf der Grundlage des Bodenreformrechts der Länder durchgeführt werden, soweit dieses Recht nicht bereits außer Kraft getreten ist. Die Bundesregierung kann deshalb ohne Rückfrage bei den Landesregierungen keine Auskunft darüber erteilen, ob und in welchem Umfang Großgrundbesitzer von ihnen abgegebenes und als Siedlungsland verwendetes Grundvermögen inzwischen zurückerworben haben.
Die steuerliche Behandlung solcher Erwerbsvorgänge richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Danach können bei dem Erwerb landwirtschaftlicher Flächen vor allen Dingen zwei Arten steuerlicher Vergünstigungen angewendet werden:
Nach §§ 6 b und 6 c Einkommensteuergesetz können unter bestimmten Voraussetzungen Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken gewinnneutral auf andere Gegenstände, also auch auf hinzuerworbenen Grund und Boden, übertragen werden. Diese Vorschrift ist sowohl im gewerblichen als auch im landwirtschaftlichen Bereich anwendbar und hängt nicht von der Größe des Betriebes ab.
Für die Aufstockung landwirtschaftlicher Betriebe kann Grunderwerbsteuerfreiheit gewährt werden. Diese ist landesrechtlich unterschiedlich geregelt. Die obere Grenze für einen aufstockenden Betrieb richtet sich teils nach der Hektargröße, teils nach dem Einheits- und Wirtschaftswert oder nach der Ackernahrung. In den meisten Ländern ist die Grenze so festgesetzt, daß die Steuerbefreiung nur durch einen Familienbetrieb in Anspruch genommen werden kann. Für Großgrundbesitzer gilt diese Regelung deshalb zumeist nicht.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Gallus auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Maßnahmen zusammen mit den Ländern zu ergreifen, die aus Bodenreformland gegründeten selbständigen Existenzen zu erhalten bzw., falls dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar erscheint, dafür Sorge zu tragen, daß dieses Land in erster Linie zur Aufstockung zu kleiner Vollerwerbsbetriebe verwendet werden muß?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das augenblickliche Instrumentarium des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms ausreichend ist, um die Flächenaufstockung und die Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Betrieben zu fördern. Unabhängig davon ist die Bundesregierung jederzeit bereit, gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eventuell auftretende Probleme zu prüfen und nach Lösungen zu suchen.
Das einzelbetriebliche Förderungsprogramm enthält Investitionshilfen für Haupt- und Nebenerwerbslandwirte, für entwicklungsfähige und nicht entwicklungsfähige Betriebe. Die verschiedenen Hilfen werden in Form von Zinsverbilligungen, Zuschüssen und öffentlichen Darlehen je nach Art und Umfang der Investitionen gewährt.
Keine weiteren Zusatzfragen. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Die Fragen 9 und 10 sowie 11 und 12 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur
Beantwortung der Fragen steht herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister auf:
Stimmen jüngste Äußerungen des Leiters der Planungsabteilung im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung anläßlich eines Wochenendseminars im Bonner DGB-Haus, wonach es durchaus möglich sei, daß im Jahr 2000 die Beiträge der Versicherten nicht mehr die Rentenzahlungen decken könnten, mit der derzeitigen Auffassung der Bundesregierung über die langfristige Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung überein?
Frau Dr. Neumeister, wenn es gestattet ist, würde ich gern die Fragen 13 und 14 im Zusammenhang beantworten. - Danke!
Ich rufe dann auch die Frage 14 der Frau Abgeordneten Dr. Neumeister auf:
Von welchen mittel- und langfristigen Zahlenentwicklungen in den Rentenfinanzen geht die Bundesregierung heute aus, wenn man eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 750 000 mindestens im Jahr 1975 unterstellt?
Die Bundesregierung beobachtet mit Sorgfalt die rückläufige Geburtenentwicklung auch unter dem Gesichtspunkt, welche möglichen finanziellen Konsequenzen sowohl entlastender als auch belastender Art sich im Bereich der Sozialpolitik ergeben könnten. Diese Gedanken hat auch ein Mitarbeiter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der nicht, wie in der Presse berichtet wurde, Leiter der Planungsabteilung ist, bei der von Ihnen erwähnten Veranstaltung zum Ausdruck gebracht.
Insgesamt ist zu diesem Thema folgendes zu bemerken. Die langfristige Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung ist angesichts der derzeitigen rückläufigen Geburtenentwicklung nicht gefährdet. Dieses Urteil kann auf Grund der im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erarbeiteten demographischen sowie versicherungstechnischen Analysen und langfristigen Vorausberechnungen getroffen werden, die auch im Rentenanpassungsbericht 1975 Eingang gefunden haben.
Mögliche finanzielle Auswirkungen für die Rentenversicherungen als Folge des Geburtenrückgangs könnten sich frühestens etwa gegen 1990 ergeben. Es ist möglich, daß sich dann das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern ungünstiger entwickelt, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß bis zu diesem Zeitpunkt der sogenannte Rentenberg überwunden sein wird.
Die finanziellen Belastungen in Folge der rückläufigen Geburtenentwicklung, die unter der Annahme sich fortsetzender niedriger Geburtenzahlen hierdurch entstehen könnten, sind aber bis zum Jahre 2000 geringer als die durch den gegenwärtigen, bis dahin aber längst überwundenen Rentenberg verursachten finanziellen Folgen.
Die in Ihrer zweiten Frage getroffene Annahme einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl für das Jahr 1975 von 750 000 bedeutet eine Arbeitslosenquote von rund 3 %, wie sie auch im letzten Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung angesetzt worden ist. Ihr Einfluß auf die langfristigen finanziellen Perspektiven der Rentenversicherung sollte indessen nicht isoliert, sondern in Verbindung mit allen anderen Änderungen gesehen werden, die im sozialpolitisch relevanten Datenkranz seit Einbringung des Rentenanpassungsberichts 1975 eingetreten sind.
Dazu gehören unter anderem auch eine nach unten revidierte Annahme über die Entwicklung des Effektivverdienstes im Jahre 1975 sowie die Kenntnis über die tatsächliche Entwicklung der Einnahmen, der Ausgaben und des Vermögens in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten, die günstiger war als vorausgeschätzt.
Unter Berücksichtigung aller gegenwärtig verfügbaren Daten läßt sich die Aussage treffen, daß die Rücklage der genannten Versicherungen am Ende des Vorausberechnungszeitraums um 0,1 Monatsausgaben höher sein wird, als im Rentenanpassungsbericht 1975 vorausgeschätzt wurde, nämlich 3,3 statt 3,2 Monatsausgaben.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß man ja auch schon bis zum Jahre 2000 vorausplanen muß, frage ich: Wie hoch schätzt die Bundesregierung angesichts der zu erwartenden Entwicklung der Rentenversicherungsfinanzen die Zuschüsse des Bundes, die doch sicher notwendig sind, ein? Wie wird sie die Summen in den Haushalten des Bundes während der nächsten Jahre unterbringen?
Frau Kollegin, die Bundeszuschüsse sind gesetzlich geregelt; da gibt es keinen Spielraum. Allerdings möchte ich auch hinzufügen, daß eine 25jährige Vorausberechnung natürlich mit gewissen Risiken verbunden ist. Ich darf hier wohl davon ausgehen, daß auch Ihnen diese Risiken bekannt sind und Ihre Fraktion deshalb sogar gesagt hat, es sei vernünftiger, eine fünfjährige Vorausberechnung vorzunehmen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, um wieviel muß der derzeitige Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung nach 1976 voraussichtlich steigen, damit die Versicherungsträger ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen können?
Nach den derzeitigen Berechnungen ist bis zum Jahre 1988 eine Beitragserhöhung nicht vorgesehen. Das setzt allerdings voraus, daß der Bundestag bei allen gesetzlichen Maßnahmen die Notwendigkeit der Rücklage mit einkalkuliert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung trotz der veränderten Situation und der veränderten Annahmen nicht damit rechnet, daß eine Beitragserhöhung notwendig ist, um die Leistungen sicherzustellen?
Nach den derzeitigen Berechnungen ist die Rentenversicherung bei einem Beitragssatz von 18 % bis zum Jahre 1988 solide finanziert.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Wie können Beitragszahlungen an die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft für eigene Kinder mit Arbeitsvertrag und für Auszubildende, die meistens nur vorübergehend rentenversicherungspflichtig sind, für eine spätere Beihilfe zur Alterssicherung mobilisiert werden?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf den
für allgemein verbindlich erklärten - Tarifvertrag über eine Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vom 20. November 1973 bezieht.
Die zweckmäßige Gestaltung der tarifvertraglichen Regelungen ist Sache der Tarifvertragsparteien. Ebenso ist das Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft keine staatliche Stelle, sondern eine gemeinsame Einrichtung von Tarifvertragsparteien. Ich kann zur Beantwortung Ihrer Frage daher nur auf die Rechtslage nach dem Tarifvertrag hinweisen, der von den Tarifvertragsparteien kürzlich geändert worden ist. Danach werden diejenigen Auszubildenden vom Geltungsbereich des Tarifvertrags ausgenommen, die in dem elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind. Für sie sind also keine Beiträge an das erwähnte Zusatzversorgungswerk zu leisten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nach wie vor ist aber mit Arbeitsverträgen eine Zahlungspflicht verbunden. Halten Sie es aus diesem Grunde nicht für sinnvoll, daß hier eine ähnliche Regelung wie im Rentenrecht geschaffen wird, wo ja eine freiwillige Weiterentrichtung von Beiträgen möglich ist, wenigstens bis zu 180 Monaten, so daß
ein Anspruch auf eine Beihilfe zur Altersversorgung erworben werden kann?
Herr Kollege Horstmeier, es ist nicht Sache der Bundesregierung, in die Meinungsfindung der Tarifvertragsparteien einzugreifen. Dennoch will ich Ihre Anmerkungen den Tarifvertragsparteien gern zur Verfügung stellen; aber eine direkte Eingriffsmöglichkeit haben wir nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Hansen hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 16 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Ist es richtig, daß die Rechtsstreitigkeiten in der Arbeitsgerichtsbarkeit infolge unzulänglicher personeller Ausstattung der Arbeitsgerichte zu einer unzumutbaren Verzögerung des Rechtsschutzes führen?
Herr Kollege, die Bundesregierung teilt die in Ihrer Frage zum Ausdruck kommende Auffassung, daß durch eine unzureichende personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte für Arbeitssachen der erforderliche Rechtsschutz der Arbeitnehmer nicht in Frage gestellt werden darf. Sie kann allerdings auf Grund der ihr für das Jahr 1974 vorliegenden Zahlen nicht bestätigen, daß sich die Dauer der arbeitsgerichtlichen Verfahren unzumutbar verlängert hat.
Zwar hat 1974 die Zahl der eingereichten Klagen, insbesondere der Kündigungsschutzklagen, erheblich zugenommen. Eine wesentliche Verlängerung der 1974 erledigten Verfahren ist aber dadurch nicht eingetreten. So sind die Prozentzahlen der innerhalb von sechs Monaten in der 1. Instanz erledigten Urteilsverfahren mit rund 85 °/o in den Jahren 1972 bis 1974 in etwa unverändert geblieben. Mögliche Verlängerungen der Verfahrensdauer der letzten Zeit kommen in diesen Durchschnittszahlen des Jahres 1974 allerdings nicht zum Ausdruck.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen möglich, die durchschnittliche Prozeßdauer vor den Arbeitsgerichten nach Instanzen aufgegliedert anzugeben?
Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihnen die tabellarischen Werte zuzustellen.
Aber die Bundesregierung wird darüber hinaus ein Zusätzliches tun. Im Haushaltsausschuß ist bereits im Dezember 1974 besprochen worden, daß mit dem Haushaltsplan 1976 ein sechster Senat beim Bundesarbeitsgericht eingerichtet werden soll. Inwieweit darüber hinaus die Länder für Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte notwendige Konsequenzen ziehen, kann ich nicht sagen. Ich gehe aber davon aus, daß auch die Länder die veränderte Lage richtig einschätzen werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Carstens ({0}) hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 19 und 20 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die nächste Frage ist von Herrn Abgeordneten Pohlmann eingebracht. - Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht im Saal, so daß seine beiden eingereichten Fragen - 21 und 22- schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich kehre nunmehr zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit zurück. Zur Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Arnold steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß es zu den i Pflichten der Bundesregierung gehört, in der Fragestunde anwesend zu sein.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Arnold auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung zur Eindämmung der ständig steigenden Krankenhauspflegekosten einleiten?
Herr Kollege Dr. Arnold, die Bundesregierung geht davon aus, daß eine leistungsfähige und zugleich wirtschaftliche Versorgung unserer Bevölkerung mit Krankenhäusern nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, insbesondere von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von Krankenhausträgern und Kostenträgern, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und Verantwortung auf die Dauer gesichert werden kann.
In diesem Rahmen sieht die Bundesregierung es als ihre Aufgabe an, gemeinsam mit den für die Krankenhausbedarfsplanung und für die Durchführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zuständigen Ländern für eine baldige und möglichst weitgehende Ausschöpfung der in diesen bundesrechtlichen Vorschriften enthaltenen Möglichkeiten zur Eindämmung der Krankenhauskosten Sorge zu tragen und insbesondere durch Rationalisierung bei den Investitions- und Benutzungskosten, durch eine größere
Transparenz der Kostenentwicklung und durch Anpassung der Bettenkapazitäten an den Bedarf die Entwicklung der Krankenhauskosten günstig zu beeinflussen. Hierauf wirkt die Bundesregierung in den nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz zuständigen Gremien und in besonderen Gesprächen mit den Beteiligten hin.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist nach der Auffassung der Bundesregierung der Spielraum der einzelnen Krankenhausträger selbst zur Eindämmung der Kosten überhaupt wesentlich, nachdem die Personalkosten in den Krankenhäusern mehr als 70 °/o der Gesamtausgaben ausmachen und nachdem auch die Preise für die Sachleistungen - von den Arzneimitteln bis hin zu den Nahrungsmitteln - erheblich gestiegen sind?
Herr Kollege, Sie haben natürlich die Möglichkeit der Zusatzfrage etwas strapaziert, indem Sie statt einem bereits zwei Komplexe angesprochen haben. Aber, bitte!
Herr Kollege Dr. Arnold, wie ich Ihnen bereits sagte, geht die Bundesregierung davon aus, daß alle Beteiligten mitwirken müssen. In diesem Rahmen spielen natürlich auch die Anstrengungen der Krankenhausträger selbst, etwa in Richtung auf Rationalisierung und rationellere Gestaltung ihrer Arbeitsabläufe, eine ganz wesentliche Rolle in diesen gemeinsamen Anstrengungen, die Kostenentwicklung zu begrenzen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, spielt innerhalb der Bundesregierung der Gedanke eine Rolle, zu einer stärkeren Entlastung der Krankenhäuser dadurch zu kommen, daß mehr Pflegeheime, mehr Nachsorgeeinrichtungen und auch Hauspflegedienste errichtet werden können, und gibt es darüber auch Kontakte mit den Ländern?
Ja.
Herr Abgeordneter Breidbach, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort im Klartext entnehmen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Zahl der Betten einzudämmen bzw. einschrumpfen zu lassen, weil sie der Auffassung ist, daß wir zur Zeit ausreichend oder zuviel Krankenhausbetten haben?
Nein, Kollege Breidbach, so können Sie meine Antwort nicht pauschal auslegen. Aber natürlich spielt die Frage der Bettenkapazität und ihre regionale Verteilung sowie auch ihre Fachverteilung eine ganz wesentliche Rolle, insbesondere bei einer Frage, die ich jetzt anschließend Herrn Kollegen Dr. Arnold zu beantworten habe, nämlich die der Verweildauer in Krankenhäusern.
Damit komme ich zu der von Herrn Abgeordneten Dr. Arnold eingereichten zweiten Frage - Frage Nr. 3 -:
Trifft es zu, daß die Verweildauer der Patienten in den Krankenhäusern der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch ist, welches sind nach Ansicht der Bundesregierung gegebenenfalls die Ursachen?
Herr Kollege Dr. Arnold, im Bereich der Allgemeinkrankenhäuser mit abgegrenzten Fachabteilungen lag die durchschnittliche Verweildauer in der Bundesrepublik Deutschland 1973 bei 17,1 Tage pro Patient. Internationale Zahlen liegen mir allerdings nur für das Jahr 1970 vor. Die Bundesrepublik liegt danach um einige Tage höher als andere Staaten. Für 1970 habe ich folgende Angaben: Bundesrepublik 18,3 Tage, Frankreich 17,8, Schweden 12,7, Dänemark 13,1, Niederlande 18,5, USA 9,0. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, aber Sie sehen, wie unterschiedlich die Verweildauer in den einzelnen Ländern ist und daß die Bundesrepublik hier in der oberen Gruppe liegt.
Eine genaue Analyse der Ursachen der unterschiedlichen Verweildauer, die auch nach dem Träger des Krankenhauses und nach der Zusammensetzung nach Fachabteilungen Differenzierungen aufweist, liegt bisher nicht vor. Eine der Ursachen für die höhere Verweildauer in der Bundesrepublik im Bereich der allgemeinen Krankenversorgung ist aber nach allgemeiner Auffassung darin zu suchen, daß im stationären Bereich auch Fälle untergebracht sind, die besser in Pflegeeinrichtungen oder durch häusliche Pflege versorgt würden. Eine weitere Ursache liegt in der für die Bundesrepublik typischen starren Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, gibt es Vorarbeiten dafür, um zu diesem Themenbereich zu einer genauen Analyse zu kommen, und liegt diese eventuell bald vor, und kann sie zur Verfügung gestellt werden?
Ja, es gibt Vorarbeiten, wie Sie es genannt haben, nur weiß ich nicht, welchen Grad von Verbindlichkeit und
Aussagekraft sie inzwischen erreicht haben. Daß die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig wird und daß sie insbesondere solche Untersuchungen über Ursache und Wirkung fördern wird, ist selbstverständlich.
Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie neueres vergleichendes Material aus anderen Ländern haben, könnte man dies bekommen?
Aber selbstverständlich.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung bisher diese Untersuchungen eigentlich noch nicht intensiv in Angriff genommen, nachdem schon seit längerer Zeit sichtbar ist, daß die Kassen durch die Pflegekosten enorm belastet werden?
Herr Kollege Härzschel, es ist zwar so, daß wir jetzt eine öffentliche Diskussion hierüber führen und die Bundesregierung in der Weise tätig ist, daß sie alle Beteiligten zu Gesprächen zusammenruft. Keineswegs können Sie aus dieser Tatsache aber schließen, es gebe noch keine Voruntersuchungen. Natürlich gibt es sie; aber es sind mit Sicherheit noch nicht alle Zusammenhänge offengelegt.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, welchen Ersatz beabsichtigt die Bundesregierung für den Fall zu schaffen, daß sie die Pflegefälle aus der stationären Behandlung herausnimmt, denn irgendwo müssen die Pflegefälle ja doch behandelt werden?
Herr Kollege Breidbach, Sie stellen die Frage so, als sei die Bundesregierung allein zuständig. Sie ist mit allen Beteiligten, darunter den Krankenhausträgern, den freien Trägern und den Ländern im Gespräch. Aus dieser Diskussion wird sich herausschälen, welche Schritte getan werden massen.
Meine Damen und Herren, damit sind die beiden eingereichten Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander, ich danke Ihnen.
Wir fahren nunmehr in der Fragestunde fort. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Jung zur Verfügung. Die Frage 23 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler eingebracht:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die von der Deutschen Bundesbahn in Ostbayern geplanten Streckenstillegungen zu genehmigen, bevor ein den Verkehrsbedürfnissen entsprechender Ausbau des Straßennetzes erfolgt ist?
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege Dr. Kempfler einverstanden ist, möchte ich seine beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
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Der Herr Kollege Dr. Kempfler ist einverstanden. Ich rufe auch noch die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß ohne einen solchen Ausbau die ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Lage Ostbayerns durch die Streckenstillegungen noch wesentlich verschlechtert würde?
Herr Kollege Kempfler, Streckenstillegungen sind, wie ja bekannt, eine Folge erheblichen Verkehrsrückgangs auf der Schiene. Die zusätzliche Straßenbelastung aus der Verlagerung des restlichen Schienenverkehrs ist deshalb relativ gering und macht nur einen Bruchteil der übrigen täglichen Verkehrsmengen auf der Straße aus. In der Regel sind deshalb die in Frage kommenden Straßen in der Lage, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Sollte im Einzelfall ein Ausbau notwendig sein, wird eine Abstimmung des Ausbau- und Stillegungstermins angestrebt. Dies gilt auch für Ostbayern.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung bei jeder Genehmigung prüfen wird, ob das Zonenrandförderungsgesetz und das Gesetz über die Raumordnung eingehalten wird, Gesetze, die ja bestimmen, daß die Verkehrsverhältnisse in diesen Zonen denen im Bundesgebiet zumindest gleichwertig sein müssen?
Herr Kollege Kempfler, es ist so, daß die Bundesregierung durch die hierfür zuständigen Ressorts eine Abstimmung herbeiführt - das Wirtschaftsministerium, das Ministerium für Raumordnung und das Verkehrsministerium -, sofern die BundesParl. Staatssekretär Jung
regierung für eine entsprechende Streckenstillegung zuständig ist. Sie wissen, daß die Bundesbahn Streckenstillegungen in eigener Zuständigkeit durchführen kann. Allerdings hat sich die Bundesregierung für das Zonenrandgebiet eine Genehmigung vorbehalten.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre nicht beiden Teilen geholfen, nämlich sowohl der betroffenen Region wie auch der Bundesbahn, wenn aus den bestehenden Programmen - und vielleicht künftigen Programmen - verstärkt Mittel in diese Gegenden geleitet würden, wobei ja zu bedenken ist, daß die Arbeitslosigkeit dort dann auch gemildert würde?
Herr Kollege Kempfler, die Frage kann so nicht beantwortet werden, weil es ja in jedem Einzelfalle auf eine Überprüfung ankommt. Dort, wo eben das Angebot der Bundesbahn nicht angenommen wird, werden auch keine Mittel helfen, um die Zugverbindungen aufrechtzuerhalten und Menschen zu befördern, wenn sich diese selbst mittlerweile dem Individualverkehr zugewendet und auf die Straße begeben haben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, war es nicht über lange Jahre üblich, Streckenstilllegungen im Zonenrandgebiet überhaupt nicht zu genehmigen?
Herr Kollege Kempfler, Streckenstillegungen im Zonenrandgebiet - das habe ich vorhin bereits gesagt - werden von der Bundesbahn sehr sorgfältig geprüft, und zwar auch vom Verkehrsministerium in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Ressorts. Die Genehmigung für eine solche Stillegung im Zonenrandgebiet wird die Bundesbahn dann jeweils bei der Bundesregierung beantragen. Diese wird die Genehmigung erst nach sorgfältiger Prüfung erteilen.
Sie haben noch eine letzte Zusatzfrage.
Wird hier auch die Stellungnahme der Landesregierungen besonders berücksichtigt?
Ja, Herr Kollege Kempfler. Wenn die Landesregierung in ihrer Stellungnahme beispielsweise zu der Auffassung kommt - das ist ja in Ihrer Frage enthalten -, daß der Ausbau von Straßen erforderlich ist, bevor eine Streckenstillegung erfolgt, dann wird das Verkehrsministerium - und hier die dafür zuständige Abteilung - natürlich die Abstimmung herbeiführen.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die auf Grund von Pressemeldungen auch in der Bundesrepublik Deutschland bekanntgewordene Kritik des Verbands der italienischen Piloten über die mangelnde flugsicherheitliche Ausrüstung der meisten italienischen Flugplätze, und sieht die Bundesregierung im Interesse der vielen deutschen Fluggäste, die auf italienischen Flugplätzen landen und starten, eine Möglichkeit, auf den italienischen Staat dahin gehend einzuwirken, daß die sicherheitliche Ausstattung der Flugplätze dem technisch möglichen und notwendigen Niveau entspricht?
Herr Kollege Wolfram, die im internationalen Luftverkehr angeflogenen italienischen Verkehrsflughäfen verfügen überwiegend über die international üblichen Sicherheitseinrichtungen. Die Anforderungen an diese Flughäfen werden auf Regionalkonferenzen der Internationalen ZivilluftfahrtOrganisation in regelmäßigen Zeitabständen festgelegt und überprüft. Die Bundesrepublik wirkt bei der Festlegung der Anforderungen an die Flughäfen mit.
Im Rahmen der Aufsicht über die deutschen Luftfahrtunternehmen werden erforderlichenfalls flugbetriebliche Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der Urlauberflüge in jedem Fall zu gewährleisten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob die italienische Regierung auf die Vorwürfe des italienischen Pilotenverbandes reagiert hat?
Nein, Herr Kollege Wolfram, das ist mir nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für zweckmäßig, auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft auf dieses Problem einmal aufmerksam zu machen?
Es wäre sicher nützlich, Herr Kollege, die Kommission darauf aufmerksam zu machen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wann ist damit zu rechnen, daß der Bundesminister für Verkehr die noch ausstehende Rechtsverordnung über die Beschränkung des Sport- und Übungsflugverkehrs nach § 32 Abs. 1 Nr. 15 des Flugverkehrsgesetzcs erläßt?
Herr Kollege Dr. Gruhl, Ihre Frage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt: Der Bundesminister für Verkehr und der Bundesminister des Innern rechnen damit, daß die von ihnen gemeinsam zu erlassende Rechtsverordnung etwa Mitte des Jahres 1975 in Kraft treten wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird diese Rechtsverordnung auch Vorschriften enthalten über die zulässige Höhe des Motorlärms bei den Sportflugzeugen?
Ja. In diesen Rechtsvorschriften geht es ja um die Begrenzung des Fluglärms. Dort sind dann auch in der Anlage die Werte festgehalten.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, dabei regional schärfere Vorschriften zu erlassen, z. B. im Zusammenhang mit Kurorten?
Das ist jetzt schon möglich, Herr Kollege Gruhl; und zwar ist das ja Angelegenheit der Länder.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ist die Bundesregierung bereit, einen Unterschied zwischen einem vorbereitenden Rostschutz für Kraftfahrzeuge durch Totalschutz der Karosserie vor der Lackierung während des Produktionsprozesses einerseits und einem nachträglichen Rostschutz durch im Handel angebotene Mittel durch die Eigentümer der Kraftfahrzeuge andererseits zu erkennen und gegebenenfalls auf Grund dieses Unterschieds die Antwort auf Frage 124 der Drucksache 7/3227 unter den gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten der Rohstoffökonomie und des Umweltschutzes zu ergänzen?
Herr Kollege Dr. Evers, wie in der Antwort auf Ihre Frage 124 auf Drucksache 7/3227 bereits ausgeführt, handelt es sich bei Rostschutzmaßnahmen nicht um die Sicherheit im Straßenverkehr betreffende Maßnahmen, sondern um wirtschaftliche Aspekte des Erhaltungszustandes eines Fahrzeuges. Der Verschleiß eines Fahrzeuges hängt jedoch nicht allein von fortschreitender Verrostung, sondern auch von Abnutzungserscheinungen anderer Art ganz wesentlich ab.
Für die Lebensdauer eines Kraftfahrzeuges spielt auftretender Rost als Beurteilungsmaßstab nur neben vielen anderen Gesichtspunkten eine Rolle. Die Bundesregierung sieht deshalb auch keinen Anlaß, mit gesetzlichen Maßnahmen ergänzend einzugreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Jung, würden Sie mir in der Vermutung zustimmen, daß die Bundesregierung nicht nur gesetzliche Maßnahmen ergreifen kann, sondern auch die Möglichkeit hätte, durch Forschungsaufträge und durch wissenschaftliche Aufträge die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit dieser Art des Schutzes von Kraftfahrzeugen darzustellen und sie werbemäßig zu vertreten, weil dies eben eine vernünftige Maßnahme sein könnte?
Dies, Herr Kollege, mag zutreffen, aber ich glaube, hier ist das Verkehrsministerium nicht der Partner, der anzusprechen ist.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Aber Herr Staatssekretär Jung, ich habe meine Frage nicht an das Verkehrsministerium, sondern an die Bundesregierung gerichtet, und Sie antworten doch für die Bundesregierung.
Das ist zwar richtig, Herr Kollege, aber ich kann nicht absehen, inwieweit das Forschungsministerium in dieser Sache Forschungsaufträge bereits vergeben hat oder vergeben kann.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Trifft es zu, daß gerade in strukturschwachen Räumen das Verkehrsangebot der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost nicht ausreicht, um die Arbeitnehmer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu unterschiedlichen Arbeitszeiten an ihre Arbeitsstätten zu bringen und daß deswegen größere Industriebetriebe unter Bereitstellung hoher Eigenmittel gezwungen sind, mit Hilfe privater Omnibusunternehmen spezielle Buslinien einzurichten?
Herr Präsident, wenn Herr Kollege Enders einverstanden ist, bitte ich, wegen des Sachzusammenhangs die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Der Herr Kollege ist einverstanden.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe also auch die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Enders auf:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß in diesen Fällen die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost für die Vergabe der Buslinien von den privaten Omnibusunternehmen einen weitaus höheren Preis pro gefahrener Kilometer verlangen, als diese beim Betrieb der Strecke in eigener Regie den Werken berechnen würden und daß somit eine ungebührliche Mehrbelastung für die Industrie in den strukturschwachen Räumen entsteht?
Herr Kollege Enders, das trifft nicht zu. Spezielle Belange einzelner Industriebetriebe lassen sich nur im Rahmen von Sonderliniendiensten nach § 43 des Personenbeförderungsgesetzes berücksichtigen, die von allen Verkehrsträgern kostendeckend gestaltet werden müssen. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Preisabsprachen Bahn und Post im Einzelfalle treffen. Sofern Ihrer Anfrage ein Einzelfall zugrunde liegt, möchte ich Sie bitten, mir nähere Angaben darüber zu machen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeit sieht dann die Bundesregierung um in strukturschwachen Räumen den Arbeitnehmern ein ausreichendes Verkehrsangebot zu machen, mit dem sie auch bei Schichtarbeit die Arbeitsplätze zeitgerecht erreichen können?
Herr Kollege Enders, ich möchte Sie nochmals bitten, den konkreten Fall anzusprechen, damit von seiten der Bundesregierung eventuell Maßnahmen ergriffen werden können, die diesen Arbeitnehmern für den Schichtdienst Möglichkeiten für eine Beförderung eröffnen.
Herr Staatssekretär, der konkrete Fall ist folgender: Da kein ausreichendes Verkehrsangebot besteht, sind die Betriebe gezwungen, private Omnibuslinien einzurichten. Die Konzession dafür erteilt die Bundesbahn oder die Bundespost, die Preise jedoch, die von diesen Institutionen verlangt werden, liegen erheblich über dem Kilometergeld, das die privaten Unternehmen berechnen würden. Würden Sie mir zustimmen, daß es ungerechtfertigt ist, von den Betrieben zu erwarten, daß sie die weitaus höher kalkulierten Preise der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost bezahlen?
Herr Kollege Dr. Enders, es ist richtig, daß die privaten Unternehmen dann, wenn sie ohne Einschaltung der Träger, in dem Fall der Bundesbahn oder der Bundespost, fahren, unter Umständen pro Fahrgast etwas billiger fahren würden. Aber dies hängt eben damit zusammen, daß der Träger über eine entsprechende Organisation, und über entsprechende Einrichtungen verfügen muß, wie dies in vielen Fällen im privaten Omnibusbetrieb nicht der Fall ist.
Herr Staatssekretär, ich darf dann, wenn ich Ihnen den Sachverhalt konkret schildere, erwarten, daß Sie sich der Sache annehmen.
Das dürfen Sie, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Härzschel auf:
Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß die Deutsche Bundespost bei der Umstellung von Ortsnetzen für die Beibehaltung der einheitlichen Notrufnummern der Polizei und Feuerwehr eine wesentlich höhere Gebühr als für einen Normalanschluß fordert, obwohl die Einführung dieser einheitlichen Notrufnummern im ganzen Bundesgebiet angestrebt wird?
Herr Kollege Härzschel, zur Durchführung eines wirkungsvollen Notrufdienstes bedarf es des Einsatzes einer besonderen Notruftechnik, die den besonderen Erfordernissen dieses Dienstes angepaßt ist und die Organisation der Polizei berücksichtigt. Die bisherige Technik der Notrufanschlüsse ist darauf abgestellt, daß in jedem Fernsprechortsnetz eine Notrufdienststelle der Polizei vorhanden ist. In diesem Fall bleiben die Amtsleitungen der Notrufanschlüsse in ihrer Länge auf die Bereiche der Fernsprechortsnetze beschränkt.
Es muß sichergestellt sein, daß mit den Kurzrufnummern 110 und 112 entweder die im eigenen Ortsnetz des Anrufers befindliche Notrufdienststelle oder die für mehrere Ortsnetze zuständige Zentralnotrufdienststelle jederzeit erreicht werden kann. Diese Notwendigkeit führt jedoch vielfach zu sehr langen Amtsleitungen, bei denen die normal gegebenen Übertragungsreichweiten nicht ausreichen, um einen störungsfreien Notruf zu gewährleisten. Hier bedarf es neben den besonderen Schaltungen in den Vermittlungsstellen des zusätzlichen Einsatzes speziell hierfür vorgesehener fernmeldetechnischer Einrichtungen, so daß den höheren Gebühren auch größere Leistungen der Deutschen Bundespost gegenüberstehen. Bei der Beurteilung der höheren Gebühr darf nicht übersehen werden, daß die Deutsche Bundespost mit Rücksicht auf die Bedeutung des Notrufs, insbesondere für die Rettung von Menschenleben, von der sonst gebräuchlichen Kalkulationsmethode abgewichen und bis zur äußersten Grenze des Vertretbaren gegangen ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß die Notrufnummern bisher in dem normalen Gebührensatz liegen und daß erst durch eine technische Umstellung ein wesentlich
höherer Satz verlangt wird, obwohl doch diese
Nummern gerade im öffentlichen Interesse liegen?
Herr Kollege Härzschel, ich habe ja soeben darauf hingewiesen, daß wegen der Umorganisation der Polizei die zentralen Notrufstellen dort angerufen werden müssen, wo vielleicht bisher eine Notrufdienststelle im Ortsnetz vorhanden war, die aber durch die Umorganisation verlegt wurde. Dadurch sind andere fernmeldetechnische Einrichtungen notwendig geworden. Deswegen werden für die neuen Anschlüsse höhere Gebühren erhoben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich darf also Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung voll damit einverstanden ist, daß die Gemeinden und die Polizei mit zusätzlichen Gebühren belastet werden.
Herr Kollege Härzschel, die Gemeinden und die Polizeien werden nicht mit zusätzlichen Gebühren belastet dann, wenn keine zusätzlichen technischen Einrichtungen erforderlich sind. Aber hier handelt es sich doch einfach darum, daß eine zusätzliche unterbrechungsfreie Stromversorgung beispielsweise, eine Notrufübertragung mit hoher Frequenzzeichengabe, eine Zusatzübertragung zur Einschränkung von Fehlanrufen, die Bereitstellung von Notrufmeldern mit Standortkennung und die Standortanzeige notwendig sind. Erst dann, wenn dies notwendig wird, werden höhere Gebühren erforderlich.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Hoffie auf. Der Herr Abgeordnete Hoffie hat zwei Fragen zu einem gleichen Fragenkomplex eingebracht. Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, ob Sie die Fragen zusammen beantworten wollen.
Ja, Herr Präsident, wenn Sie gestatten und wenn der Kollege Hoffie einverstanden ist.
Der Kollege Hoffie ist einverstanden. Dann rufe ich die beiden Fragen 31 und 32 auf:
Wie hoch ist der Werbeaufwand der Deutschen Bundespost für das Funkrufsystem Eurosignal im Jahr 1974 gewesen, und wieviel Eurosignalgeräte sind bisher verkauft oder vermietet worden?
Ist die Bundesregierung bereit, auch gebührenpolitische Konsequenzen zu ziehen, um Eurosignal zu einem gegenüber dem vollautomatischen Autotelefon konkurrenzfähigen Angebot weiterzuentwickeln?
In einer - nur einmalig durchgeführten - Anzeigenkampagne, Herr Kollege Hoffie, hat die Deutsche Bundespost in Fachzeitschriften und Magazinen I mit einem Kostenaufwand von rund 270 000 DM für das neue Dienstleistungsangebot geworben. Zusätzlich wurde im Rahmen der Fernsprechansage und Beratungsdienste geworben. Die Deutsche Bundespost verkauft und vermietet keine Eurosignalgeräte. Gewisse Rückschlüsse auf die Anzahl der inzwischen von der Fachindustrie verkauften bzw. vermieteten Empfänger lassen sich höchstens aus der Zahl der bis jetzt zugeteilten Funkrufnummern - am 17. März 1975 waren es insgesamt 394 Stück - herleiten. Um die Werbung für den neuen Dienst zu erleichtern, hat die Deutsche Bundespost bei den Herstellern der Geräte verschiedentlich angeregt, den Kaufanreiz durch eine handlichere Form und entsprechende preisliche Gestaltung zu fördern. Die Deutsche Bundespost hat den europäischen Funkrufdienst durch die Festsetzung einer gegenüber der Gebühr für das Autotelefon wesentlich niedrigeren Gebühr von vornherein zu einem konkurrenzfähigen Angebot gemacht. Sie wird auch weiterhin gebührenpolitische Konsequenzen aus der Entwicklung des neuen Dienstes ziehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung an ihrer Ausgangskonzeption für Eurosignal festhalten, nachdem sich ja herausgestellt hat, daß die Mitglieder der Konferenz der Europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen CEPT - vielleicht mit Ausnahme Frankreichs - die Eurosignal-Konzeption nicht übernehmen werden, so daß dieser Dienst trotz einer CEPT-Empfehlung zugunsten von Eurosignal kein europäischer Dienst werden wird?
Ja, Herr Kollege Hoffie, die Bundesregierung wird an ihrem Konzept festhalten, zumal - Sie haben das eben angesprochen - Frankreich in diesem Jahr diesen Dienst vermutlich ebenfalls einführen wird und man ja nicht ohne weiteres unterstellen kann, daß dieser neue Dienst künftig nicht auch in anderen europäischen Ländern angenommen wird.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung in der Anregung, die am 29. Januar dieses Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen" zu lesen stand, Eurosignal zu einem Autotelefon für jedermann zu machen, eine Möglichkeit, die Eurosignal-Konzeption weiterzuentwickeln und diesen Dienst trotz des möglichen Scheiterns einer europäischen Lösung zu einem attraktiven Angebot für den Bürger zu machen?
Herr Kollege Hoffie, ich habe eben schon deutlich
gemacht, daß die Bundesregierung an ihrer Konzeption festhält. In meiner ersten Beantwortung Ihrer Frage habe ich auch darauf hingewiesen, daß wir - natürlich im Rahmen der Marktentwicklung -diesen Dienst weiter ausbauen werden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Die von den Abgeordneten Dr. Stavenhagen und Dr. Haenschke eingereichten Fragen 33, 34 und 35 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich kann damit den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern aufrufen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude zur Verfügung. Frage 36 ist von Herrn Abgeordneten Windelen eingereicht:
Treffen Meldungen zu, daß die Sicherheitsbehörden über Erkenntnisse verfügen, wonach es zwischen 32 Mitarbeitern des Westdeutschen Rundfunks bzw. deren Familienangehörigen einerseits und Mitgliedern der kriminellen Vereinigung BaaderMeinhof bzw. ähnlichen Gruppierungen andererseits Bezugspunkte gab oder gibt?
Herr Präsident! Herr Kollege Windelen, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen wegen ihres Zusammenhangs auch gemeinsam beantworten dürfte.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden; ich rufe zusätzlich Frage 37 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Vorsitzenden des WDR-Verwaltungsrats und den Intendanten - gegebenenfalls über die zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen - über derartige Bezugspunkte zu unterrichten?
Ich nehme an, Herr Kollege, daß Ihre Fragen an einen am 4. März 1975 in der „Welt" erschienenen Artikel anknüpfen, in dem es heißt:
... die Sicherheitsbehörden ermitteln gegen 32 Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks ({0}) wegen des Verdachts, daß es sich bei diesen um Sympathisanten der Baader/MeinhofBande handelt. Das Bundeskriminalamt hat dem Bundesinnenministerium Ende Dezember eine Liste mit den Namen der Betroffenen übermittelt.
Diese Meldung trifft im wesentlichen nicht zu. Es gibt lediglich eine zwei Jahre alte Zusammenstellung von Bezugspunkten jeglicher Art zwischen Beschäftigten oder freien Mitarbeitern des WDR und anarchistischen Gruppierungen. Im Interesse einer möglichst alle Erkenntnisquellen ausschöpfenden Aufklärung sind auch zufällige Vorgänge und solche Sachverhalte als Bezugspunkte aufgegriffen worden, die offensichtlich keinen Anlaß für den Verdacht eines strafbaren Verhaltens der in der Zusammenstellung genannten Personen bieten.
Der WDR untersteht unbeschadet der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Berichterstattung der Rechtsaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen. Die zuständigen Stellen des WDR über die vorliegenden Erkenntnisse zu unterrichten, kommt demnach in erster Linie den Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen zu.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, fragen, gegen wie viele feste oder freie Mitarbeiter Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind?
Es hat sich insgesamt um sieben Ermittlungsverfahren gehandelt, die zum Teil eingestellt worden sind, zum Teil mit Bestrafungen
Geldstrafen usw. - geendet haben, zum Teil noch anhängig sind.
Noch eine Zusatzfrage.
Hat der WDR freie oder fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt, die jetzt als Mitglieder terroristischer krimineller Vereinigungen gesucht werden oder in Haft befindlich sind?
Herr Kollege Windelen, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, einerseits, weil ich auf eine derartige Frage nicht vorbereitet bin, zum anderen aber auch deshalb, weil es die Notwendigkeit einer wirksamen Ermittlung und Fahndung ausschließt, hier Details dieser Art bekanntzugeben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie weisen darauf hin, daß die Vorermittlungen noch nicht in allen Fällen abgeschlossen sind. Stimmen Sie mir zu, daß diese Auskunft angesichts der mehrjährigen Dauer etwas dürftig ist?
Ich konnte zunächst darauf verweisen, Herr Kollege Windelen, daß im Unterschied zu der Meldung, die in der „Welt" veröffentlicht war, Ermittlungen tatsächlich nur gegen sieben Personen anhängig geworden sind. Daraus können Sie entnehmen, daß die anderen Fälle schon im Vorermittlungsstadium geklärt sind.
Im übrigen ist es in der Tat so, daß Ermittlungsverfahren, deren Herrin letztlich ja die Staatsanwaltschaft ist, zum Teil sehr lange dauern. Dar10942
aus kann ich weder einen Vorwurf gegen die Bundesregierung noch - ohne genaue Kenntnis der Zusammenhänge gegen die Anklagebehörden herleiten.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, gegenüber wieviel festen und freien Mitarbeitern sich auf Grund der Vorermittlungen Bezugspunkte zu extremistischen Gruppen oder deren Mitgliedern ergeben haben?
Herr Kollege Windelen, zur Bekanntgabe einer solchen Zahl bin ich nach der vorhin dargelegten Qualität dieser Bezugspunkte nicht bereit. Ich habe darauf hingewiesen, daß als Bezugspunkte auch zufällige Vorgänge und Sachverhalte, die keinen Verdacht gegen die Bezugspersonen begründen, aufgegriffen worden sind. Ich glaube, daß es unter diesen Umständen mißverständlich wäre, eine bestimmte Zahl zu nennen und dadurch einen bestimmten Verdacht zu quantifizieren, der tatsächlich gar nicht besteht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Staatssekretär, ist es nicht auch nach Ihrer Meinung erstaunlich, daß sich der Deutsche Bundestag mit der gestellten Frage hier befassen muß, angesichts der Tatsache, daß der jetzige Ministerpräsident dieses Landes und der jetzige Innenminister dieses Landes, beide, über ein Jahrzehnt im Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks die staatspolitische Verantwortung auch für die Personalpolitik im Westdeutschen Rundfunk tragen?
({0})
Herr Kollege Dr. Mende, ich lasse diese Zusatzfrage im Hinblick auf die Richtlinien für die Fragestunde nicht zu.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob es gleiche oder ähnliche Ermittlungen gegen freie oder feste Mitarbeiter auch anderer Rundfunkanstalten gibt und gegebenenfalls welcher?
Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks, Sie kennen die Richtlinien für die Fragestunde. Ich lasse auch diese Zusatzfrage nicht zu.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breidbach.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, waren Sie der Meinung, daß Sie die Zahl derjenigen, gegen die ermittelt wird, nicht bekanntgeben möchten, könnten, weil die Bezugspunkte zu grob sind, so grob, daß sich unter Umständen kein Verdacht ergibt. Meine Frage jetzt konkret: Wenn sich kein Verdacht ergibt, dann wäre es doch eigentlich logisch, daß man auch die Zahl derjenigen bekanntgibt, gegen die wegen Verdachts ermittelt worden ist.
Herr Kollege Breidbach, ich darf zunächst darauf hinweisen, daß ich die Zahl derjenigen, gegen die Ermittlungsverfahren anhängig geworden sind, hier durchaus eindeutig genannt habe. Wie nahe die von mir befürchteten Mißverständnisse im übrigen aber liegen, mögen Sie daraus ersehen, daß Sie selber jetzt auch im Hinblick auf die übrigen Fälle von Ermittlungen sprechen, obwohl es zu solchen gar nicht gekommen ist, weil dafür kein Ansatzpunkt vorhanden war.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pfeifer.
Herr Staatssekretär, in bezug auf Ihre Antwort auf die zweite Zusatzfrage des Herrn Kollegen Windelen möchte .ich Sie fragen: Inwieweit behindert es eigentlich die Ermittlungen, wenn hier gefragt wird, ob und gegebenenfalls gegen wieviel solcher Personen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist und läuft, die früher einmal beim WDR beschäftigt gewesen sind?
Ich hatte mich in meiner zusätzlichen Antwort auf die Behinderung der Ermittlungen gegen tatsächlich Verdächtige gar nicht bezogen, aber Sie weisen mit Recht darauf hin, daß auch hier gewisse Bedenken begründet sein können.
({0})
Ich hatte vor allem darauf abgestellt, daß die Nennung einer solchen Zahl nach dem; was durch die Berichterstattung an Wirkung schon voraufgegangen ist, den Eindruck verstärken könnte, als sei hier tatsächlich irgend etwas im Hinblick auf einen Verdacht von strafbaren Handlungen in diesem Umfang gegeben. Diesem Mißverständnis wollte ich dadurch vorbeugen, daß ich solche Zahlen von vornherein nicht nenne.
Ich lasse eine letzte Zusatzfrage von dem Herrn Abgeordneten Dr. Hupka zu.
Herr Staatssekretär, können Sie mir darin zustimmen, daß es eine Pflicht der Rechtsbehörden Nordrhein-Westfalens ist, den Verwaltungsrat und Intendanten über die sogenannten Bezugspunkte zu informieren?
Nach genauer Kenntnis dieser Zusammenstellung der Bezugspunkte und dem dazu gegebenen Hinweis, daß diese Zusammenstellung auf ungesicherten Erkenntnissen aufbaut, kann ich diese in Ihrer Frage angenommene Auffassung nicht teilen. Ich meine vielmehr, daß im Regelfall eine solche Pflicht gar nicht besteht und daß es im übrigen im Ermessen der Strafverfolgungsbehörden liegt, ob sie eine Information geben oder nicht.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die erforderlichen Änderungen des Personenstandsgesetzes und der Verwaltungsvorschriften zum Gesetz über die Änderungen von Familiennamen und Vornamen vorzuschlagen, um Personen, an denen eine Geschlechtsumwandlung stattgefunden hat ({1}), die Eintragung des neuen Geschlechts in das Geburtsregister und das Tragen eines entsprechenden Vornamens zu ermöglichen?
Herr Kollege Arndt, zu Ihrer Frage verweise ich auf die ausführlichen Antworten, die in der 177. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. März 1972 von dem Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Dr. Erkel, auf Ihre damaligen mündlichen Anfragen erteilt worden sind.
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß nach Lösungen für die Konfliktsituation gesucht werden muß, die sich für die Transsexuellen im Alltag aus der Diskrepanz zwischen der äußeren Erscheinung als Frau und der Führung männlicher Vornamen in Ausweisen und Urkunden ergibt. Jede zu diesem Zweck in Betracht zu ziehende Rechtsänderung erfordert jedoch die sorgfältige Berücksichtigung der mit einer solchen Entscheidung notwendig verbundenen tiefgreifenden Folgewirkungen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Abwägungen haben bisher nicht zu einer Änderung der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung geführt, daß in einschlägigen Fällen kein grundrechtlich ableitbares Recht auf Änderung der Geschlechtsangabe im Geburtenbuch besteht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, muß nicht das Interesse des Staates an der rechtlichen Fixierung des einmal bei der Geburt nach rein äußerlichen Merkmalen festgestellten Geschlechts gegenüber den großen seelischen Leiden der Betroffenen zurücktreten, die sich ihrem Geburtsgeschlechts subjektiv nicht mehr zugehörig fühlen und ihm nach der Geschlechtsumwandlung auch objektiv eigentlich nicht mehr zugerechnet werden können?
Herr Kollege Arndt, in der Tat spricht vieles für diese von Ihnen vertretene Auffassung. Dies ist auch der Grund dafür, daß die Bundesregierung sich ernsthaft bemüht, nach Lösungen für die geschilderte Konfliktsituation zu suchen. Wie
ich aber schon sagte, sind die dabei zu beachtenden Folgewirkungen so weitgehend und tiefgreifend, daß es bisher zu einer solchen Lösung noch nicht gekommen ist.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, folgt nicht aus der Tatsache, daß das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Grundgesetz
- Art. 2 - als Grundrecht ausgestaltet ist, daß alle übrigen Erwägungen, von denen Sie eben sprachen
- etwa der Ordnungsanspruch des Staates und ähnliches -, hinter dem Individualrecht zurücktreten müssen, einen Namen zu führen, der eine erhebliche psychische Belastung - vielfach von Krankheitswert - bei dem Betroffenen zur Folge hat?
Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wenn man dieses von Ihnen jetzt geschilderte Individualrecht unmittelbar aus dem Art. 2 des Grundgesetzes ableiten würde, wäre die von Ihnen gezogene Folgerung in der Tat richtig. Die Bundesregierung vermag nicht zu sehen, daß der Art. 2 des Grundgesetzes einen so weitgehenden Rechtsanspruch gibt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke.
Herr Staatssekretär, kann es, um zu einem Entschluß und einem Beschluß zu kommen, für die Bundesregierung nützlich sein, sich folgender Erkenntnis nicht zu verschließen, nämlich daß der auf Grund von bestimmten Indikationen erfolgte operative Eingriff medizinisch erst dann erfolgreich werden kann und damit auch seine Rechtfertigung erfährt, wenn an- schließend der zweite Schritt im gesamtmedizinischen Sinne getan werden kann, also auf Grund des Eingriffs auch eine Namensänderung vorgenommen werden kann?
Herr Kollege Dr. Meinecke, auch dieser Zusammenhang wird gesehen und berücksichtigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende.
Herr Staatssekretär, sind Sie bei rund 61 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland in der Lage, die Zahl zu nennen, die hier in Frage kommt, so daß man sehen kann, ob diese Frage wirklich von allgemeinem Interesse auch schon für den Deutschen Bundestag geworden ist?
({0})
Ich bin nicht einmal in der Lage, Herr Kollege Mende, die Zahl 61 Millionen, die Sie genannt haben, als exakt zu bestätigen.
({0})
Im übrigen kann ich Ihnen mit Zahlenangaben zu den Fällen, um die es hier geht, nicht dienen.
({1})
Meine Damen und Herren, wenn eingereichte Fragen auf das Kriterium, wie viele Menschen von einer Frage betroffen werden, vom Präsidium geprüft werden müßten, könnte manche Frage nicht eingebracht werden.
({0})
Ich sage das nur der guten Ordnung halber. Die Richtlinien für die Fragestunde werden, wie Sie sicher festgestellt haben werden, bei der Einreichung ohnehin sehr extensiv gehandhabt, so daß für die Damen und Herren im Hause viele Möglichkeiten bestehen, interessierende Fragen öffentlich zur Erörterung zu stellen.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung aus Paris ({1}), dem Rhein drohe noch in diesem Jahr die Gefahr, daß streckenweise alles Leben in ihm absterbe, und welche Auswirkungen würde diese ökologische Katastrophe auf die Trinkwasserversorgung haben, die vorn Rhein abhängig ist?
Herr Kollege Geldner, bei den zitierten Presseveröffentlichungen handelt es sich nicht um eine Verlautbarung der französischen Regierung. Die Annahme, dem Rhein drohe noch in diesem Jahr die Gefahr, daß streckenweise alles Leben in ihm absterbe, erscheint angesichts der tatsächlichen Verhältnisse nicht begründet. Die Verschmutzung des Rheins ist im Vergleich mit den Vorjahren nicht mehr stärker geworden, nachdem inzwischen einige Kläranlagengroßprojekte am deutschen Rheinabschnitt in Betrieb gegangen sind, durch die in erheblichem Umfang schädliche Abwässer zurückgehalten werden. Ich erinnere dabei an die kürzliche Inbetriebnahme der Kläranlage der BASF, in der die Abwässer der Stadt Ludwigshafen mitbehandelt werden, und an die Gemeinschaftskläranlage der Bayer-Werke und des Wupper-Verbandes.
Die Gefahr einer ökologischen Katastrophe oder einer besonderen Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Gemeinden, die ihr Rohwasser dem Rhein oder ufernahen Grundwasserzonen entnehmen, droht demnach nicht.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, bedeutet dies auch, daß es nicht nötig ist, die auf den Herbst
verschobene Konferenz der Rheinanliegerstaaten, die in meiner Frage 40 angesprochen ist, zu einem früheren Zeitpunkt einzuberufen?
Herr Kollege Geldner, Sie gehen aber jetzt schon auf Ihre zweite Frage ein.
Herr Kollege Geldner, ich gestehe, daß ich im Moment - wahrscheinlich aus akustischen Gründen - den zweiten Teil Ihrer Zusatzfrage nicht verstanden habe.
Herr Kollege Geldner, ich schlage vor, daß ich, wenn Sie sonst keine Zusatzfragen haben, dann Ihre zweite Frage - die Frage 40 - aufrufe.
Welches sind die Gründe, daß die angeblich dringende Konferenz der Rheinanliegerstaaten vom Februar auf den Herbst verschoben worden ist, und ist die Bundesregierung bereit, notfalls von sich aus den Europäischen Gerichtshof anzurufen, wenn speziell mit Frankreich eine Einigung über den erforderlichen Stopp der Flußverschmutzung nicht möglich ist?
In den beiden bisherigen Konferenzen der Rheinanliegerstaaten haben die Minister die Internationale Rheinschutzkommission beauftragt, ein Übereinkommen zum Schutze des Rheins gegen die Verunreinigung durch Chloride und gegen chemische Verunreinigung auszuarbeiten sowie Vorschläge zur Verhinderung einer unzulässigen Erwärmung des Rheins für ein langfristiges Sanierungsprogramm vorzulegen. Im Laufe der Beratungen hat sich herausgestellt, daß ein Teil dieser Probleme schwieriger zu lösen ist, als zunächst angenommen wurde. Die Kommission hat daher ihre Aufträge noch nicht erfüllen können.
Bei einem Treffen der Staatssekretäre der Rheinanliegerstaaten am 6. Februar 1975 in Paris ist man deshalb im Interesse einer sorgfältigen Vorbereitung übereingekommen, daß die nächste Rheinschutz-Ministerkonferenz bis November dieses Jahres zusammentreten solle. Die Kommission wird ihre Arbeiten verstärkt fortsetzen, um geeignete Vorschläge für eine Regelung zu erarbeiten, die praktikabel ist und die Rheinanliegerstaaten nicht überfordert. Die Bundesregierung sieht unter diesen Umständen keinen Anlaß, sich an den Internationalen Gerichtshof zu wenden. Sie geht davon aus, daß die Beratungen in der Kommission und die Beschlüsse der Ministerkonferenzen geeignet sind, sachdienliche Lösungen der genannten Probleme zu erreichen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz auf. - Ich sehe den Fragesteller nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 42 ist von Herrn Abgeordneten Pfeifer eingebracht:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Trifft es zu, daß der Bundesinnenminister Burgerinitiativen Zuwendungen für ihre Arbeit gewährt, und um welche Bürgerinitiativen handelt es sich im einzelnen?
Herr Kollege Pfeifer, im Rahmen der vom Deutschen Bundestag unter Kap. 06 27 Tit. 685 17 bewilligten Mittel für Zuschüsse zu Maßnahmen von Verbänden und sonstigen Vereinigungen auf dem Umweltgebiet hat der Bundesminister des Innern in den Haushaltsjahren 1973 und 1974 auch Zuschüsse an bundesweit organisierte Dachverbände von Bürgerinitiativen gewährt. Nach den einschlägigen Richtlinien ist die Förderung von Maßnahmen einzelner, regional begrenzter Bürgerinitiativen nicht möglich und auch nicht erfolgt. Die Förderung wird für Maßnahmen solcher Organisationen gewährt, die geeignet sind, aktives Engagement von Bürgern und Gruppen in Umweltangelegenheiten anzuregen und zu unterstützen, umweltfreundliches Verhalten anzuregen und zu unterstützen, die Kenntnisse über die Umweltproblematik zu intensivieren, den Dialog und das Zusammenwirken der an Umweltangelegenheiten beteiligten gesellschaftlichen Kräfte zu fördern. In diesen Grundsätzen kommt zum Ausdruck, daß nach Auffassung von Regierung und Parlament Aktivitäten von Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen einen wertvollen und wichtigen Faktor in unserer Gesellschaft darstellen und geeignet sind, das Umweltbewußtsein in der Bevölkerung wesentlich zu fördern.
Bisher wurden aus diesem Titel sowohl wegen des Erfordernisses der bundesweiten Organisation wie auch wegen der Beschränktheit der verfügbaren Mittel nur kleinere Aufklärungsprojekte ({0}) des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen Umweltschutz, Sitz Karlsruhe, und der Deutschen Lebensschutzverbände und Bürgerinitiativen, Sitz Schlangenbad, gefördert. Mit den übrigen Mitteln aus diesem Titel wurden Projekte großer und wirksamer Mitgliederorganisationen und Aufklärungsaktionen wie der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen mit Sitz in Bonn, der Deutschen Umweltaktion mit Sitz in Krefeld und der Aktion Saubere Landschaft mit Sitz in Ingolstadt bezuschußt.
In keinem Fall wurden Maßnahmen direkt oder auch indirekt gefördert, die gegen die staatliche Ordnung oder gegen deren Entscheidungen gerichtet sein konnten. Andererseits werden solche Zuschüsse aber auch nicht vom Wohlverhalten dieser Organisationen gegenüber den Regierungen in Bund und Ländern abhängig gemacht. Die Kritikfähigkeit dieser Bürgerorganisationen und ihre Kritikbereitschaft werden von der Bundesregierung als wesentliche Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit betrachtet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pfeifer.
Herr Staatssekretär, sind vom Bundesminister des Innern auch solche bundesweite Dachorganisationen mit Zuwendungen bedacht worden, die diese Zuwendungen für Aktionen zur prinzipiellen Bekämpfung des im Energieprogramm der Bundesregierung vorgesehenen Baus von Kernkraftwerken verwendet haben?
({0})
Herr Kollege Pfeifer, ich kann Ihre Frage nicht bejahen. Das mag zum Teil daran liegen, daß die Bundesregierung davon absieht, von solchen Organisationen ein Wohlverhalten zu erwarten, und daß sie im wesentlichen darauf achtet, daß nicht Maßnahmen gefördert werden, die sich gegen die staatliche Ordnung oder gegen deren Entscheidungen richten.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung der Tätigkeit solcher Bürgerinitiativen, wie ich sie soeben genannt habe, indirekt dadurch eine finanzielle Unterstützung gewährt, daß sie einer Stiftung - es handelt sich konkret um die Theodor-Heuss-Stiftung - einen Zuschuß zu einem Seminar gegeben hat, in welchem am Beispiel Marckolsheim-Wyhl zwei Tage vor der zweiten Besetzung des Geländes in Wyhl ein Planspiel für Bürgeraktionen gegen Kernkraftwerke veranstaltet wurde?
Herr Kollege, obwohl diese Zusatzfrage nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Frage steht, lasse ich sie zu, wenn der Herr Staatssekretär sie beantworten kann, da es Ihre zweite Zusatzfrage ist.
Herr Präsident, in der Tat handelt es sich bei der genannten Stiftung auch nicht entfernt um so etwas wie eine Bürgerinitiative. Von daher kann mit der Frage, welchen Bürgerinitiativen Zuwendungen gewährt wurden, dieses Thema nicht mit angesprochen sein.
Herr Staatssekretär, bei der zweiten Zusatzfrage eines Fragestellers bin ich immer etwas großzügiger als bei weiteren Zusatzfragen, die ich jeweils sehr sorgfältig nach den Richtlinien für die Fragestunde prüfe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung in jedem Fall sichergestellt, daß die Bezuschussung von Bürgerinitiativen, wie Sie das vorhin sehr vorsichtig andeuteten, in keinem einzigen Fall in einer gegen die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gerichteten Weise verwendet werden darf?
Herr Kollege Jäger, auch hier muß ich sagen: Der
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
unmittelbare Zusammenhang mit der gestellten Frage ist nicht gegeben. Aber wenn der Herr Staatssekretär im Hinblick auf seine bisherigen Ausführungen noch etwas sagen will - bitte.
Herr Kollege Jäger, es handelt sich um die Verwendung öffentlicher Mittel. Insofern ist eine solche Kontrolle, von der Sie sprechen, in der Tat sichergestellt.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Dann rufe ich die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Pfeifer auf:
In welchem Umfang werden Vertreter von Bürgerinitiativen zu Beratungen im Bundesinnenministerium herangezogen, und welche Gutachten, Studien oder sonstige Forschungsaufträge wurden an Bürgerinitiativen oder ähnliche Organisationen bisher vergeben?
Herr Kollege Pfeifer, bei der Vorbereitung gesetzgeberischer Maßnahmen und sonstiger Aktivitäten, insbesondere zur Vertiefung des Umweltbewußtseins in der Bevölkerung, wurden Vertreter von Bürgerinitiativen gehört, so z. B. im Rahmen der Novellierung des Atomgesetzes, der Strahlenschutzverordnung, des Entwurfs eines Abwasserabgabengesetzes und eines Waschmittelgesetzes, bei der Initiierung und Koordinierung von Aktivitäten zum Tag der Umwelt und im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Abfallwirtschaftsprogramms.
An Bürgerinitiativen wurden keine Gutachten, Studien oder sonstige Forschungsaufträge vergeben. Von den übrigen zuvor genannten Organisationen führt die Deutsche Umweltaktion in Krefeld, deren Hauptbetätigungsfeld die Aufklärung über Umweltfragen an Schulen ist, unter Projektleitung von Professor Dienel ({0}) mit Bundesmitteln eine Untersuchung über die Aus- und Fortbildung im Umweltschutz durch.
Der Bundesminister des Innern beabsichtigt wegen der gemachten guten Erfahrungen mit der Beteiligung von Bürgerinitiativen, auch künftig sich deren Sachverstand in Beratungen nutzbar zu machen.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich aus dieser Antwort entnehmen, daß Sie ausschließen, daß der Bundesminister des Innern dem Vorsitzenden des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V. in Karlsruhe ein Gutachten, einen Forschungsauftrag oder sonst einen Auftrag für die Erarbeitung einer Studie erteilt hat?
Ich kann dieses mit der Maßgabe ausschließen, daß es außerhalb der hier genannten Deutschen Umweltaktion noch einen Fall der Zusammenarbeit gegeben hat, bei dem sich die Mitwirkung der Bundesregierung aber darauf beschränkt hat, gewisse Fahrtkosten zu übernehmen, bei dem sie also nicht einen Gutachtenauftrag erteilt und die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Mir ist im Moment nicht gegenwärtig, ob der von Ihnen in der Frage angeführte Fall dieser Fall ist.
Wären Sie so freundlich, mich darüber dann noch zu informieren?
Das will ich gern tun.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Flämig auf:
Was hält die Bundesregierung von der Anregung, den äußeren Schutz von Plutonium-Lagerstätten und Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungsanlagen dadurch zu verbessern, daß für das jeweilige Werkgelände die Einfriedigung mittels eines bei Dunkelheit beleuchtbaren kombinierten Elektrozauns und Stacheldrahtrollen mit Warnstreifen bindend vorgeschrieben wird, um das unbefugte Eindringen durch Gewalttäter besser zu verhindern, als dies zur Zeit geschieht?
Herr Kollege Flämig, die Bundesregierung hält eine Verbesserung der Sicherungsmaßnahmen bei den erwähnten kerntechnischen Anlagen ebenfalls für notwendig. Sie ist deshalb in Zusammenarbeit mit einer Sachverständigenkommission gegenwärtig dabei, die erforderlichen Sofortmaßnahmen zusammenzustellen, deren Verwirklichung von den zuständigen Landesbehörden den Anlagebetreibern zur Auflage gemacht werden soll. Das betrifft neben der Umzäunung auch andere Komponenten eines wirksamen Sicherungssystems. Aus Gründen, für die ich um Verständnis bitte, ist es jedoch nicht angezeigt, an dieser Stelle auf Einzelheiten der in Betracht kommenden verbesserten Sicherungsmaßnahmen einzugehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. die bedeutendste plutoniumverarbeitende Fabrik in der Bundesrepublik zur Zeit nur von einem gewöhnlichen Maschendrahtzaun umgeben wird, so daß diese Fabrik schlechter abgesichert ist als z. B. das Verhandlungsgebäude, in dem demnächst die Baader-Meinhof-Terroristen abgeurteilt werden sollen? Daher erhebt sich die Frage, ob die Bundesregierung nicht wenigstens die Sicherungen vorschreiben will, die z. B. die Force de Frappe in Frankreich um ihre Plutoniumlagerstätten angelegt hat.
Herr Kollege Flämig, ich kann nicht bestätigen, daß in dem von Ihnen genannten Fall der zitierte Maschendrahtzaun die einzige Sicherung ist. Darüber hinaus habe ich aber grundsätzlich erklärt, daß auch die Bundesregierung eine Verbesserung der Sicherungsmaßnahmen, wie sie gegenParl. Staatssekretär Dr. Schmude
wärtig praktiziert werden, für erforderlich hält. Den von Ihnen gegebenen Hinweis, Herr Kollege Flämig, werden wir dabei gern aufgreifen. Wie gesagt: Die Arbeiten sind im Gange.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie gesagt haben, daß es selbstverständlich in diesem Rahmen nicht möglich ist, alle Einzelheiten der Sicherung darzulegen, darf ich einmal ganz vorsichtig folgende Frage stellen -
Knapp, Herr Kollege, nicht: vorsichtig!
({0})
Ich meine: ohne Herrn Staatssekretär in Schwierigkeiten bringen zu wollen.
Ist denn die Bundesregierung der Auffassung, daß z. B., wie es zur Zeit geschieht, mit Pistolen bewaffnete Werkschützer oder Bedienstete von privaten Wach- und Schließgesellschaften einen ausreichenden Schutz darstellen? Wäre es nicht besser, eine Truppe aufzustellen?
Herr Kollege Flämig, das kommt sicher sehr stark auf den Einzelfall und auf die Aufgabe dieser Wachmannschaften an. Was da nun konkret zu einer Verbesserung, die die Bundesregierung grundsätzlich für erforderlich hält, geschehen müßte, das würde in den Bereich jener Einzelheiten gehören, die ich hier, bitte, nicht nennen möchte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, wäre es denn nicht richtig, daß - schon bevor eine Genehmigung zur Ansiedlung und Produktion eines derartig gefährlichen Betriebes gegeben wird - die örtlichen Behörden Auflagen machen, damit die Sicherheitsvorkehrungen von vornherein vernünftig berücksichtigt sind?
Herr Kollege Stahl, auf derartige Sicherungsmaßnahmen wird schon bisher geachtet, nur ist man eben inzwischen bei vielen beteiligten Stellen zu der Erkenntnis gekommen, daß diese Sicherungsmaßnahmen der Verbesserung bedürfen. Wie das zu geschehen hat, wird in Zusammenarbeit mit dieser von mir genannten Sachverständigenkommission erarbeitet. Sollten dann bestimmte Standards vorliegen, so bin ich ganz sicher, daß auch die von Ihnen gegebene Anregung berücksichtigt wird; dies wird dann ausgeführt werden.
Ich rufe die Frage 45 auf. - Der Herr Abgeordnete
Dr. Wittmann ({0}) ist nicht im Saal. Die von ihm eingereichte Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Härzschel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Sicherheitszustand der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland im Blick auf die vorübergehende Stillegung und Sicherheitsprüfung von 23 amerikanischen Kernkraftwerken?
Herr Kollege Härzschel, die amerikanische Nuclear Regulatory Commission hat am 30. Januar 1975 angeordnet, alle 23 amerikanischen Siedewasserreaktoren innerhalb der darauffolgenden 20 Tage für eine Überprüfung insbesondere der Leitungen des Notkühlsystems auf Risse abzuschalten. Anlaß für diese Anordnung war das Auffinden von fünf kleinen Rissen im Kernsprühsystem des Kernkraftwerks Dresden II. Die Prüfung an 21 Anlagen wurde ohne Befund durchgeführt. Die Prüfung einer Anlage wurde aus regionalen Versorgungsgründen zunächst ausgesetzt.
Die Anlage Dresden II hatte bereits im September 1974 sowie in einer zweiten Prüfserie im Dezember 1974 zur Überprüfung des Rohrleitungssystems aller in Betrieb befindlichen amerikanischen Siedewasserreaktoren geführt. Dabei wurden an insgesamt sechs Anlagen Schädigungen festgestellt.
Bei deutschen Siedewasserreaktoren - ausgenommen das Kernkraftwerk Gundremmingen - werden im allgemeinen andere Werkstoffe als in den USA verwendet, die nach hiesigen Erfahrungen weniger anfällig für Spannungskorrosionen sind, wie sie als Ursache der Schäden in amerikanischen Siedewasserreaktoren vermutet werden.
Darüber hinaus haben die durchgeführten Wiederholungsprüfungen und Besichtigungen bisher keinerlei Hinweise auf vergleichbare Schäden ergeben, so daß der Sicherheitszustand der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland insoweit als einwandfrei zu bezeichnen ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht der Meinung sind, daß eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen in der Bundesrepublik notwendig ist?
Herr Kollege Härzschel, die Erkenntnis neuer Notwendigkeiten ist insbesondere nach solchen Vorgängen, wie wir sie in den USA beobachten - ich wollte eigentlich sagen: nicht auszuschließen, aber ich muß sagen: immer wahrscheinlich. Wir verfolgen die Ermittlungen, die in den USA nach diesem Zwischenfall geführt werden. Sie sind noch nicht abgeschlossen, so daß wir bisher auf Vermutungen über die Ursache angewiesen sind. Wir werden gegebenenfalls daraus Schlußfolgerun10948
gen auf die Notwendigkeit eines verbesserten Kontrollsystems ziehen. Im Moment ist diese Notwendigkeit noch nicht erkennbar.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke hier bestätigen, sind Sie dann nicht der Meinung, daß angesichts des zunehmenden Widerstandes gegen den Bau von Atomkraftwerken die Bundesregierung verstärkt dies aufklärend der Bevölkerung mitteilen müßte?
Herr Kollege Härzschel, auf die Notwendigkeit, die Bevölkerung in vollem Umfang zu unterrichten, sie aufzuklären und mit ihr das Gespräch über neue Reaktoranlagen und deren Standort zu führen, weist die Bundesregierung bei jeder Gelegenheit hin. Deshalb hat sie unter anderem begrüßt, daß durch die Änderung der Dritten Novelle zum Atomgesetz die Standortfrage ebenfalls Gegenstand des öffentlichen Erörterungsverfahrens geworden ist, nämlich durch eine Änderung des § 7. Von dieser Notwendigkeit sind wir überzeugt, und wir tun, was wir können, um Aufklärung und Gespräch fortzuführen.
Meine Damen und Herren, ohne jemandem im Haus nahetreten zu wollen: die Teilnahme an der Plenarsitzung am Freitagvormittag hätte beispielsweise die Möglichkeit gegeben, gerade über diesen Problemkreis sich ausreichend zu informieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Staatssekretär, ist es denn nicht so, daß bei den deutschen Leichtwasserreaktoren derartige Schäden, wie sie eben von Ihnen zitiert worden sind, schon deswegen gar nicht so leicht auftreten können, weil die deutschen Leichtwasserreaktoren mit wesentlich besseren Materialien gebaut worden sind als seinerzeit die ersten Leichtwasserreaktoren in Amerika, wo sich die Schäden gezeigt haben?
Dies ist durchweg der Fall, Herr Kollege Flämig. Dies habe ich in meiner ersten Antwort - vielleicht etwas undeutlich - schon ausgesprochen. Aber ich stimme Ihnen in dieser Beurteilung zu.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß - bei aller gebotenen Wachsamkeit im Hinblick auf die amerikanischen Vorgänge - eine Dramatisierung der Sicherheitslage bei den Atomkraftwerken in der
Bundesrepublik Deutschland in keinem Falle angebracht ist?
Das dürfen Sie in vollem Umfang so meinen Antworten entnehmen, Herr Kollege.
Der Herr Abgeordnete Reiser ist nicht im Saal. Die von ihm eingereichte Frage 47 wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Spranger hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Die erste Frage ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Lenz ({0}) eingebracht. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß die Frage 50 schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die nächste Frage, Frage 51, ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Arndt ({1}) eingebracht:
Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, sich zu dem Verfassungsbeschwerdeverfahren Helge Habel ({2}) zu äußern, bis jetzt nicht nachgekommen, obwohl die Beschwerde seit mehr als drei Jahren anhängig ist?
Die im Januar 1972 eingelegte Verfassungsbeschwerde ist der Bundesregierung Ende April 1972 zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die eingetretene Verzögerung bei der Abgabe der Stellungnahme der Bundesregierung beruht auf folgenden Gründen.
Erstens. Die Verfassungsbeschwerde wirft vielschichtige rechtliche und tatsächliche, insbesondere auch medizinische Probleme auf, die einschließlich der möglichen Auswirkungen auf die Gesetzgebung zwischen den beteiligten Ressorts - Bundesministerium der Justiz, Bundesministerium des Innern, Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit - erörtert und abgestimmt werden mußten.
Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung gebeten, auch zu ermitteln, wie die einschlägigen Fragen im . Ausland geregelt sind. Hierzu war eine zeitaufwendige Auslandsumfrage über das Auswärtige Amt erforderlich.
Drittens. Wegen der möglichen Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Verwaltungen der Länder hat der Bundesminister des Innern eine Abstimmung mit den InnenParl. Staatssekretär Dr. de With
ministern bzw. Innensenatoren der Länder durchgeführt. Die Stellungnahme der Bundesregierung ist nunmehr fertiggestellt. Sie wird dem Bundesverfassungsgericht in den nächsten Tagen zugeleitet werden.
Herr Kollege, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegt die Verzögerung der Antwort nicht insbesondere darin begründet, daß im Gegensatz zum Bundesjustizministerium das Bundesministerium des Innern den formalen Ordnungsanspruch des Staates höher bewertet hat als das grundrechtlich - Art. 2 des Grundgesetzes - relevante Leiden des Beschwerdeführers?
Herr Kollege Arndt, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich einzelne Meinungen der jeweiligen Referenten hier nicht darlege. Ich darf darauf verweisen, daß es eigentlich die Regel ist, daß man von vornherein nicht gänzlich übereinstimmt und deswegen Rückfragen und gegenseitige Abstimmungen erforderlich sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist nicht zusätzlich der Grund für die Verzögerung, den die Bundesregierung bisher auf entsprechende Fragen in der vorigen Legislaturperiode hat geltend machen können, entfallen, nachdem nunmehr Gutachten verschiedener Universitäten, darunter das größte Gutachten des Instituts für Sexualforschung der Universität Hamburg vom Oktober 1974, vorliegen?
Herr Kollege Arndt, ich möchte der Stellungnahme, die die Bundesregierung abgeben wird, nicht vorgreifen und bitte deswegen um Verständnis, daß ich den Inhalt hier nicht darlege. Ich bin gern bereit, Ihnen einen Abdruck der Stellungnahme der Bundesregierung zu übersenden, der weitgehend Auskunft gibt über die Fragen, die Gegenstand Ihrer Frage sind.
({0})
Wie Sie gehört haben, wird dies nicht mehr sehr lange dauern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke.
Herr Staatssekretär, ohne die zeitaufwendigen Nachforschungen des Auswärtigen Amtes irgendwie in Frage zu stellen, darf ich Sie fragen: War der Bundesregierung bekannt, daß bereits aus dem internationalen
medizinischen Schrifttum seit einigen Jahren hervorging, daß es entsprechende positive gesetzliche Regelungen bereits in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, in Schweden, in Frankreich, in Großbritannien, in Italien, in Dänemark und in Norwegen gibt, und ist sie bereit, diese Gesetze zu prüfen, ob sie hinsichtlich unserer Fragestellung hilfreiche Lösungsvorschläge bieten?
Herr Kollege, Sie haben nur die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen.
Sie dürfen immer davon ausgehen, daß bei den jeweils zuständigen Ressorts in den Bibliotheken das entsprechende Material gesammelt wird. Dies entbindet gleichwohl die Bundesregierung nicht, bei den zur Entscheidung anstehenden Fragen sorgfältig durch Recherchen zu prüfen, ob die Sammlungen vollständig und ausreichend sind.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Wie verträgt sich der vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz in der Fragestunde vom 18. Dezember 1974 geäußerte Standpunkt von einer Verpflichtung zur Hinnahme der Enteignung deutschen Vermögens durch Polen mit der Auffassung des Auswärtigen Amts, daß die Maßnahmen gegen das deutsche Vermögen in den Oder-Neiße-Gebieten völkerrechtswidrig gewesen seien?
Herr Kollege Czaja, ich habe bereits bei der Beantwortung Ihrer Frage am 18. Dezember 1974 die Auffassung der Bundesregierung bekräftigt, daß die Rechte der von Vermögensverlusten betroffenen Vertriebenen in weitestmöglichem Umfange gewahrt und geschützt werden müssen. Zu dieser Wahrung der Rechte gehört selbstverständlich in erster Linie, daß an der bisherigen völkerrechtlichen Qualifizierung der Eingriffe der Alliierten in das deutsche Privateigentum bei Kriegsende festgehalten wird. Diese Eingriffe sind von deutscher Seite niemals anerkannt worden.
Ich möchte auf die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 des Regierungsentwurfs eines Reparationsschädengesetzes verweisen, die auf Seite 46 der Bundestagsdrucksache V/2432 abgedruckt ist. Dort ist folgendes gesagt:
Auch der Verzicht in Artikel 3 des VI. Teiles des Überleitungsvertrags auf Einwendungen bedeutet keine Aufgabe diese Standpunktes. Wenn nach diesem Gesetz für Schäden im Sinne der §§ 2 ff. Leistungen gewährt werden, so geschieht dies nur deshalb, weil die Bemühungen der Bundesregierung um die Freigabe des beschlagnahmten deutschen Vermögens bisher noch nicht in allen Ländern zu einer Lösung geführt haben, die den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums zur Geltung bringt.
Wie Sie hieraus entnehmen können, bedeutet der Verzicht auf Einwendungen nach Art. 3 Abs. 1 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages keine Anerkennung, daß die gegen das deutsche Privateigentum gerichteten alliierten Maßnahmen dem geltenden Völkerrecht entsprochen hättten. Dementsprechend hatte ich am 18. Dezember 1974 auch nicht von einer Hinnahme der Enteignung deutschen Vermögens durch Polen gesprochen, sondern lediglich davon, daß die Bundesrepublik Deutschland in Zukunft keine Einwendungen gegen derartige Maßnahmen erheben wird. Damit ist die Völkerrechtsmäßigkeit der Maßnahmen gegen das deutsche Auslandsvermögen nicht anerkannnt worden.
Im übrigen darf ich wiederholen, was ich ebenfalls am 18. Dezember 1974 bereits zum Ausdruck gebracht habe: daß die letzte Entscheidung in derartigen Fällen stets von den Gerichten zu treffen ist. Daß Art. 3 Abs. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages von den Gerichten von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist und eine Klagesperre darstellt, ist u. a. in einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. September 1972 festgestellt worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum bezieht sich die Bundesregierung bei ihrer Stellungnahme, keine Einwendungen gegen die Beschlagnahme zivilen Vermögens Deutscher zu mamen, auf Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrags, obwohl dieser Teil die Überschrift „Reparationen" trägt und eine Fortführung des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission ist, die Polen von Reparationen ausdrücklich ausschließt?
Auf Grund Ihrer Frage ist die Bundesregierung verpflichtet, das insoweit einschlägige Gesetz heranzuziehen. Das habe ich getan. Das ist die angezogene Vorschrift, nämlich Art. 3 Abs. 3 des Sechsten Teils des zitierten Überleitungsvertrages.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Wie erklärt sich Ihre Stellungnahme im Hinblick auf die ausdrückliche Stellungnahme der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, nach der diese Maßnahmen nicht nur völkerrechtswidrig sind, sondern - ich zitiere - daraus sicher Ansprüche herzuleiten seien?
Ich kenne diese Äußerung der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes nicht. Ich möchte jedenfalls darauf verweisen, daß die zitierte Bestimmung, wie ich eingangs sagte, eine Klagesperre bedeutet. Die Klage muß also in diesen Fällen wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden. Die Bestimmung selbst sagt nichts zur materiellen Seite.
Im übrigen ist diese Bestimmung, wenn ich das richtig sehe, Herr Kollege Czaja, auch von Ihnen anerkannt worden, indem Sie hier seinerzeit zustimmten.
Ich rufe die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Wie verträgt sich der vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz in der Fragestunde vom 18. Dezember 1974 vertretene Standpunkt über Anwendung von Artikel 3 Abs. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrags mit der ausdrücklichen Erklärung des früheren Bundesaußenministers Scheel bei der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags, daß die Rechtslage des deutschen Vermögens in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin nach den deutschen Gesetzen beurteilt werde?
Nach den hiesigen Feststellungen hat der Bundesminister des Auswärtigen in der letzten Plenarsitzung der Verhandlungsdelegation am 14. November 1970 in Warschau lediglich erklärt - ich zitiere -:
Durch den Abschluß dieses Vertrages gehen keiner Person Rechte verloren, die ihr nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen zustehen.
Siehe auch die Veröffentlichung des Bundespresseamtes „Die Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und mit der Volksrepublik Polen", März 1971, Seite 208.
Das ist kein Widerspruch zu meinen Äußerungen vom 18. Dezember 1974. Art. 3 Abs. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages wurde durch den (I Warschauer Vertrag nicht berührt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir also zu, daß sich Bundesaußenminister Scheel mit dieser Erklärung bei den Warschauer Vertragsverhandlungen ebenfalls ausdrücklich auf den grundgesetzlichen Schutz des Eigentums deutscher Staatsangehöriger bezogen hat und daß sich die Schutzpflicht in bezug auf die Grundrechte Deutscher, die in der Bundesrepublik leben, auch auf Art. 14 des Grundgesetzes bezieht?
Was - ich glaube, das sind mehrere Fragen gewesen - Ihre erste Frage anlangt, so darf ich noch einmal das Zitat wiederholen, das lautet:
Durch den Abschluß dieses Vertrages gehen keiner Person Rechte verloren, die ihr nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen zustehen.
Das bedeutet, daß durch dieses Vertragswerk die bei uns geltenden Gesetze dazu gehört auch die Verfassung - in keiner Weise berührt werden. Damit ist, glaube ich, die Frage insoweit klar beantwortet worden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Stellen Sie damit also nunmehr fest, daß Art. 3 Abs. 3 des Sechsten Teiles des Überleitungsvertrages Rechtsansprüche Deutscher auf ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum und das Geltendmachen dieser Rechtsansprüche nicht beschränken kann?
Herr Kollege Czaja, ich glaubte, ich hatte bereits in der Antwort auf Ihre Frage vom 18. Dezember 1974 deutlich gemacht - und ich glaubte, auch mit der Beantwortung der heutigen Frage -, daß die genannte Vorschrift eine Klagesperre enthält und daß dies bedeutet, daß eine entsprechende Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden muß. Dies ist in einem Vertragswerk enthalten - ich darf das wiederholen -, dem Sie zugestimmt haben.
({0})
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Mende auf:
Ist die vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz in der Fragestunde vom 18. Dezember 1974 vertretene Auffassung, daß Artikel 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrags auch auf das von Polen durch Nationalisierungsgesetze von Ende 1945 und 1946 eingezogene Vermtigen der vertriebenen Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten anwendbar sei, früher von einer Bundesregierung vertreten oder geäußert worden?
Herr Kollege Mende, ich darf auch hierzu wiederholen, daß es in erster Linie Sache der Gerichte ist, über die Auslegung innerstaatlicher Gesetze, zu denen auch Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages gehört, zu befinden. Äußerungen der Bundesregierungen können derartige gerichtliche Entscheidungen nicht präjudizieren. Formell und materiell dürfte es angesichts des klaren Wortlauts des Art. 3 nicht darauf ankommen, ob die Bundesregierung hierzu früher einmal Stellung genommen hat oder nicht. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit konnten entsprechende Äußerungen nicht festgestellt werden.
Ein Zusatzfrage!
Trifft es zu, daß der Überleitungsvertrag nur Vermögen betrifft, die während des Krieges konfisziert wurden, nicht jedoch Vermögen, die nach dem Krieg, wie beispielsweise in Polen, zum Zwecke der Nationalisierung völkerrechtswidrig konfisziert wurden?
Ich darf insoweit Art. 3 Abs. 1 des in Rede stehenden Vertrages zitieren, der, meine ich, hinreichend Auskunft gibt. Diese Bestimmung lautet:
Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen,
- oder werden sollen! das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Mende, keine weitere Zusatzfrage?
Ich rufe dann die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist nicht auch nach Auffassung der Bundesregierung der Artikel 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrags so auszulegen, daß für alle Fälle der Nacherwerber von in den Oder-Neiße-Gebieten völkerrechtswidrig eingezogenem deutschem Vermögen, wenn es in die Bundesrepublik Deutschland kommt, nicht als rechtmäßiger Eigentümer behandelt werden muß?
Ich darf auch hier zunächst wieder darauf hinweisen, daß die Auslegung innerstaatlicher Gesetze, zu denen auch Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages zählt, in erster Linie Sache der Gerichte ist. Die Bundesregierung muß Bedacht nehmen, in keiner Weise zu präjudizieren, da es sich hier bei den Fragen um Dinge handelt, die gerichtsanhängig werden können.
Die Gerichte werden sich an die allgemeinen Auslegungsregeln zu halten haben. Danach ist in erster Linie vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen. Nach diesem Wortlaut kann - darauf habe ich bereits in der Fragestunde vom 18. Dezember 1974 hingewiesen - der frühere deutsche Eigentümer wegen Art. 3 Abs. 3 des in Rede stehenden Überleitungsvertrages Herausgabeklage nicht erheben. Dies gilt auch für Klagen gegen jeden weiteren Erwerber.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Nacherwerber völkerrechtswidrig konfiszierten deutschen Eigentums können hier doch nicht geschützt sein, sondern müssen doch nach unserer Rechtsauffassung angeklagt werden?
Zunächst ist die Frage zu klären, was Sie unter „anklagen" verstehen. Dies ist ein Begriff aus dem Bereich der Strafjustiz. Wenn ich Sie richtig verstehe, sprechen Sie hier Maßnahmen an, die in das Gebiet der Ziviljustiz gehören.
({0})
Zweitens. Nach dem Wortlaut des bereits von mir hier mehrfach zitierten Gesetzes fallen auch Nacherwerber darunter, wobei der Begriff „Nacherwerber" an sich nicht der Terminus des Gesetzes ist. Unter Nacherwerber würde ich - Ihrer Darlegung folgend - jeden Zweit-, Dritt- und weiteren Erwerber verstehen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Jedenfalls sind die Gerichte frei, hier auf Grund der Rechtsauffassung, die bei uns gültig ist, zu entscheiden?
Hier wäre die Frage zu klären, was Sie unter Rechtsauffassung verstehen, die hier gültig ist.
({0})
Die Gerichte haben sich an dieses Gesetz zu halten, und dieses Gesetz, meine ich, umfaßt die von mir soeben des näheren erläuterten Nacherwerber, also nicht nur den ersten. Aber ich habe eingangs nicht ohne Grund betont: Die Bundesregierung darf keineswegs präjudizieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sauer.
Herr Staatssekretär, würden Sie sich meiner Auffassung anschließen, daß die aus der Heimat vertriebenen Ostdeutschen heute noch als die Eigentümer und die von den Polen angesiedelten derzeitigen Bewohner in Ostdeutschland lediglich als Besitzer des widerrechtlich zugewiesenen ehemaligen deutschen Eigentums zu bezeichnen sind?
Ich bin nicht sicher, Herr Kollege Sauer, ob diese Frage - streng genommen - noch in diesen Zusammenhang gehört. Ich meine, wir haben darüber zu befinden, wie die Rechtslage auf Grund des angezogenen Vertrages ist, und die verbietet eine Klage: Eine solche Klage müßte wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden, ohne daß es insoweit zur materielirechtlichen Frage käme.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt - ich denke da an einen konkreten Fall, den Pfarrer meiner Heimatgemeinde in Schlesien -, daß die Gerichte dann, wenn der gegenwärtige Besitzer Deutscher ist und mit diesem Eigentum in das Bundesgebiet kommt, die Klage zwar für zulässig erachtet haben, sie aber materiell abgewiesen haben, weil die Gerichte sich - inzwischen rechtskräftig - auf den Standpunkt gestellt haben, daß der Eigentümer die Sache derelinquiert
habe, als er Schlesien verließ, und infolgedessen der Besitzer sie sich habe dort aneignen können und heute hier im Bundesgebiet rechtmäßiger Eigentümer sei?
Herr Kollege, das ist eine sehr lange Zusatzfrage, die Sie da gestellt haben.
Herr Kollege Arndt, ich bin nicht sicher, auf welches spezielle Urteil Sie Bezug nehmen. Ich meine, es muß davon ausgegangen werden, daß, wie ich schon vorhin erwähnte, die Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 des in Rede stehenden Überleitungsvertrages auch für die Nacherwerber gilt und deswegen entsprechende Klagen wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden müssen.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, warum beziehen Sie jetzt auch noch Nacherwerber auf Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsgesetzes, obwohl sich die Zweckbestimmung dieses Gesetzes ausdrücklich auf „Reparationsleistungen" bezieht und nach Art. 4 des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission Polen ausdrücklich ausgenommen ist aus solchen Reparationsleistungen von Bevölkerung oder Staat der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Kollege Czaja, ich glaube, ich deutete vorhin schon an, daß die Bundesregierung verpflichtet ist, die jeweils geltende Rechtslage darzulegen. Deswegen war es mir nicht möglich, auf das von Ihnen zitierte Gesetz Nr. 63 zurückzukommen; denn insoweit gilt das neuere Gesetz, und das ist hier Art. 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrages. Allein danach ist die Rechtslage zu prüfen. Nachdem ich in der Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Hupka darzulegen versucht habe, daß auch die weiteren Erwerber darunter zu subsumieren sind, meine ich, kann man nicht von der von Ihnen zitierten Überschrift ausgehen.
Im Grunde, meine Damen und Herren, ist damit auch die nächste Frage des Freiherrn von Fircks beantwortet. Aber ich muß sie aufrufen. Frage 56:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission ausdrücklich das dort vorgesehene Klageverbot nicht auf Maßnahmen Polens erstreckte?
Bitte, Herr Staatssekretär, wenn Sie gegebenenfalls bei der Länge der Antwort den bisherigen Sachstand berücksichtigen würden.
Nach Art. 3 des Gesetzes Nr. 63 ist die Erhebung von Ansprüchen unter Klage nur
bezüglich solcher Vermögensgegenstände unzulässig, die vor dem Inkraftreten dieses Gesetzes in einem ausländischen Staat gelegen waren, Da nach Art. 4 und der Anlage zum Gesetz Nr. 63 Polen nicht als ausländischer Staat gilt, schließt das Gesetz Nr. 63 keine Klagen aus, die sich auf eine Herausgabe von in Polen gelegenen deutschen Vermögenswerten beziehen. Daraus folgt aber noch nicht, daß Herausgabeklagen gegen derartige Vermögenswerte Erfolg haben müßten; denn diese Vermögensgegenstände unterfallen noch dem Überleitungsvertrag. Das heißt, dieser als neuerer Vertrag erstreckt sich auch auf das in Rede stehende Gebiet. Das heißt weiter, danach ist gleichwohl eine entsprechende Klage, wie ich das schon mehrfach versucht habe auszudrücken, unzulässig.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es also falsch, wenn ich aus dem Art. 4 des Überleitungsvertrages folgere, daß durch das Anhangsverzeichnis, in dem Polen genannt ist, Polen ausdrücklich nicht als ausländischer Staat gilt, auf den die Bestimmungen des Gesetzes und des Überleitungsvertrages anzuwenden sind?
Wenn ich das richtig sehe, dann haben Sie auf das Gesetz Nr. 63 Bezug genommen und nicht auf den Überleitungsvertrag. Ich habe, meine ich, mehrfach darzulegen versucht, daß wir auf die derzeitige Rechtslage zurückzukommen haben, und diese wird durch den Überleitungsvertrag bestimmt. Insoweit hat der Überleitungsvertrag das Gesetz Nr. 63 überholt, und weil dort - im Überleitungsvertrag - von sonstigem Vermögen die Rede ist, ist das hier in Rede stehende Vermögen eingeschlossen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wieso kann das Gesetz den Überleitungsvertrag überholen, wie Sie sagen, weil der Überleitungsvertrag doch die letzte vertragliche und gesetzliche Regelung darstellt?
So ist es. Und weil dies die jüngste vertragliche Regelung darstellt, was ja Gesetz geworden ist, ist das ältere Gesetz, nämlich Gesetz Nr. 63, überholt, und wir haben uns nach Art. 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrages zu richten.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Ist Polen jemals gemäß Artikel 2 des Überleitungsabkommens aus der Liste der im Gesetz Nr. 63 genannten Staaten gestrichen worden?
Polen ist bisher noch nicht aus der Liste der im Gesetz Nr. 63 genannten Staaten gestrichen worden. Bisher sind durch das Vierte Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 10. Dezember 1960 aus dem Verzeichnis lediglich Osterreich, Portugal, Triest und die Türkei gestrichen worden.
Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 58 Herrn Abgeordneten Sauer ({0}) auf:
Welche Unterlagen bieten die vorliegenden Protokolle über die Verhandlungen betreffend den Überleitungsvertrag dafür, daß Artikel 3 Abs. 3 des Sechsten Teils sich auch auf die polnischen Maßnahmen gegen deutsches Vermögen ab Juni 1945 in den Oder-Neiße-Gebieten erstrecken sollte?
Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes bedarf es längerer Nachforschungen in den Archiven, weshalb ich jetzt Ihre Frage nach Unterlagen weder mit Ja noch mit Nein beantworten kann. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß die angesprochenen Gebiete hierunter fallen.
Sie wären also bereit, mein Informationsrecht noch zu befriedigen, da ich ja meine Kontrollpflicht auszuüben habe?
Herr Abgeordneter, ich habe zum Beginn der heutigen Sitzung schon darauf hingewiesen, daß die Beantwortung der einen oder der anderen Frage im Hinblick auf die Verkürzung der Frist für die Beantwortung heute nicht abschließend erfolgen kann. Sie haben, Herr Kollege, die Möglichkeit, die Sache weiter zu verfolgen.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Sauer ({0}) auf:
Ist nicht nach den damaligen und auch den heutigen Vorstellungen der polnischen Regierung die Einziehung des Vermögens der vertriebenen Deutschen für andere als die in Artikel 3 des Überleitungsvertrags genannten Zwecke erfolgt?
Die Frage nach den Vorstellungen der polnischen Regierung kann von der Bundesregierung verständlicherweise nicht verbindlich be- antwortet werden. Nach den uns bekannten Texten ergibt sich Folgendes: Das polnische Dekret vom 2. März 1945 betreffend die verlassenen und aufgegebenen Vermögen hatte die vorläufige Verwaltung des deutschen Vermögens noch damit begründet, daß es aufgegeben oder verlassen worden sei. Durch Art. 2 des Dekrets vom 8. März 1946 betreffend die verlassenen und vormals deutschen Vermögen sind dann die Vermögenswerte der Bürger des Deutschen Reiches endgültig in Staatseigentum überführt worden. Seither kann kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, daß die Enteignungsmaßnahmen keine fürsorgerischen Pflegschaftsmaßnahmen privatrechtlicher Art, sondern generelle staatliche Enteignungsmaßnahmen waren, die auf Grund des Kriegszustandes zu Zwecken der Reparation durch10954
geführt wurden. Ich kann aber auch in diesem Zusammenhang nur wiederholen, daß letzten Endes für die Auslegung und Anwendung des Art. 3 des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages die Gerichte zuständig sind. Es liegt mir völlig fern, späteren gerichtlichen Entscheidungen in irgendeiner Weise vorzugreifen. Herr Kollege Sauer, ich bitte um Verzeihung; ich muß das sagen, da es hier ständig um Auslegungsfragen geht.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 60 des Herrn Abgeordneten Engelsberger. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen 60 und 61 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. Penner. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal, so daß auch diese Frage schriftlich beantwortet und die Antwort als Anlage abgedruckt wird.
Die Frage 63 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich gestellt:
Trifft die Aussage des Präsidenten des Bundesgerichtshofs zu, daß die Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland völlig überlastet sind und zum Teil zusammenzubrechen drohen und die Prozesse eine Dauer erreichen, die nur noch als Rechtsverweigerung auf Zeit bezeichnet werden könne, und, wenn ja, wodurch hat die Bundesregierung diesem Zustand entgegengewirkt, und welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um für Abhilfe zu sorgen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Ich darf davon ausgehen, Herr Kollege Emmerlich, daß sich die Frage auf Zivilprozesse bezieht. Hier ist es in der Tat so, daß der zunehmende Geschäftsanfall der Landgerichte und der Oberlandesgerichte in den letzten Jahren den Bundesminister der Justiz ebenso wie die Landesjustizverwaltungen mit Sorge erfüllt hat. Auch die Belastung des Bundesgerichtshofs hat seit dem Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen wieder ständig - im letzten Jahre geradezu besorgniserregend - zugenommen. Angesichts der ohnehin schon starken Belastung der Gerichte muß eine solche Entwicklung die Dauer der Verfahren noch weiter verlängern.
Abhilfe ist zunächst von dem Gesetz zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls zu erwarten, das am 1. Januar 1975 in Kraft getreten ist. Durch die Anhebung der amtsgerichtlichen Zuständigkeitsgrenze und die Einführung des allein entscheidenden Einzelrichters beim Landgericht hat es einen Teil der Aufgaben von drei Richtern auf nur einen Richter verlagert. Die Erhöhung der Berufungs- und der Beschwerdesumme führt dazu, daß über weniger Berufungen und Beschwerden zu entscheiden ist. Außerdem ist die Protokollierung dadurch erleichtert worden, daß der Einsatz von Tonaufnahmegeräten zugelassen worden ist.
Die Neuregelung des Revisionsrechts, über die der Rechtsausschuß dieses Hohen Hauses wohl alsbald abschließend beraten wird, wird eine spürbare Entlastung des Bundesgerichtshofs erwarten lassen.
Weitere Maßnahmen, die insgesamt eine nicht unerhebliche Rationalisierung bei der Justiz zur Folge haben werden, sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf der Vereinfachungsnovelle vor, der im Rechtsausschuß des Bundestages noch zu beraten ist. Der Entwurf zielt im Kern auf eine Konzentration der Verfahren - insbesondere der mündlichen Verhandlung - ab. Wesentlich ist auch die im Entwurf vorgesehene Rationalisierung des Mahnverfahrens. Ich würde es im Interesse der Arbeitsfähigkeit unserer Justiz außerordentlich begrüßen, wenn auch dieser Entwurf in absehbarer Zeit beraten werden könnte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie einige Angaben über die durchschnittliche Dauer der Zivilprozesse vor den ordentlichen Gerichten machen?
Das kann ich, und ich tue das sehr gern.
Im Jahre 1973 haben 58,3 °/o aller gewöhnlichen Zivilprozesse, die von den Landgerichten in erster Instanz durch streitiges Urteil entschieden worden sind, länger als sechs Monate, 25,7 °/o länger als ein Jahr, 5,8 °/o länger als zwei Jahre und 1,8 °/o sogar länger als drei Jahre gedauert. Das heißt im Klartext, daß drei Viertel aller streitigen Urteile innerhalb eines Jahres entschieden wurden.
In der Berufungsinstanz vor den Oberlandesgerichten haben sogar 68,9 °/o aller durch streitiges Urteil entschiedenen gewöhnlichen Prozesse länger als sechs Monate, 61,8 °/o länger als ein Jahr, 4,7 °/o länger als zwei Jahre und 1,7 °/o länger als drei Jahre gedauert.
In der Revisionsinstanz vor dem Bundesgerichtshof haben - vom Tag des Eingangs der Revisionsschrift an - 99 °/o aller durch streitiges Urteil erledigten Verfahren länger als sechs Monate, 84,9 °/o länger als ein Jahr, 26,7 °/o länger als zwei Jahre und 4,9 °/o länger als drei Jahre gedauert. Das heißt, für drei Viertel aller Prozesse mußte ein Zeitraum von zwei Jahren angesetzt werden.
Herr Kollege, Sie dürfen noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Dauer der Prozesse vornehmlich den sozial schwächeren Partner belastet?
Das trifft ohne weiteres zu. DesParl. Staatssekretär Dr. de With
wegen ist die Bundesregierung sehr bemüht, die Prozeßdauer abzukürzen. Spätes Recht ist halbes Recht.
Die Fragen 64 und 65 des Abgeordneten Immer sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Frage 66 des Abgeordneten Reiser wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme nunmehr zu den zwei Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Riede ({0}). Um der Fragestellerin in jedem Fall die Beantwortung beider Fragen zu ermöglichen, schlage ich vor, daß jetzt beide Fragen aufgerufen werden; ich würde der Frau Kollegin dann gegebenenfalls vier Zusatzfragen zubilligen, wenn wir zeitlich noch zurechtkommen. Frau Kollegin, darf ich annehmen, daß Sie damit einverstanden sind? Wir stehen nämlich kurz vor dem Ende der Fragestunde. - Dann rufe ich also die Fragen 67 und 68 der Abgeordneten Frau Dr. Riede ({1}) auf:
Worauf stützt die Bundesregierung ihre Aussage auf meine mündliche Anfrage ({2}), daß im Falle der Tötung oder Verletzung einer Hausfrau und Mutter der Anspruch auf vollen Schadensersatz besteht?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß von den zahlreichen Schadensregelungen, notwendig geworden durch Beschaffung einer Ersatzkraft für die getötete oder schwerverletzte Hausfrau und Mutter, seit dem Jahr 1959 bei wenigstens 10 000 Fällen erst zwölf Urteile mit sehr unterschiedlichem Wert der Schadensregelung veröffentlicht worden sind, und daß von diesen zwölf veröffentlichten Urteilen acht wieder aufgehoben und zurückverwiesen wurden, obwohl die Prozesse zwischen 4 1/4 und 9 1/2 Jahre gedauert haben?
Die Aussage, daß im Falle der Tötung oder Verletzung einer Hausfrau und Mutter der Anspruch auf vollen Schadensersatz besteht, folgt aus dem geltenden Recht. In den von Ihnen erwähnten Fällen wird nach den §§ 843 und 844 Abs. 2 BGB Schadensersatz zu leisten sein. Nach dem Grundsatz der Totalreparation des § 249 BGB ist - übrigens in allen Fällen des Schadensersatzes nach bürgerlichem Recht - der volle Schaden zu ersetzen. Die Bemessung der Schadenshöhe in konkreten Fällen hängt von verschiedenen Einzelfaktoren ab, die in meiner Antwort vom 18. Dezember 1974, auf die ich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehmen darf, näher dargestellt sind. Von diesen Grundsätzen geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung aus.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10. Juli 1973 stellt das Gericht seinen Erwägungen den Satz voran, daß der für den Verlust des Rechts auf gesetzlich geschuldeten Unterhalt zu zahlende Schadensersatz dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit geben soll, sich in der im Leben üblichen Weise wirtschaftlich gleichwertige Dienste zu verschaffen, ohne sich Einschränkungen auferlegen oder die Mildtätigkeit Dritter in Anspruch nehmen zu müssen. Der Bundesgerichtshof bestätigt in dieser Entscheidung die Rechtsprechung, daß für die Versorgung eines einfachen, kinderlosen Haushalts die Tätigkeit einer Hausgehilfin als der dem Wert der
gesetzlich geschuldeten Haushaltsführung einer Ehefrau vergleichbaren Ersatzkraft zugrunde zu legen ist. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Unkosten einer Ersatzkraft in jedem Fall zu erstatten sind. Der Bundesgerichtshof hat in dem erwähnten Fall deshalb Abstriche gemacht, weil für die Versorgung eines Ein-Personen-Haushalts eine Ganztagskraft nicht erforderlich war. Außerdem mußte sich der Geschädigte anrechnen lassen, daß die Ehefrau vor ihrem Tod berufstätig war, den Geschädigten also vor dem Tod seiner Ehefrau eine Mitarbeitspflicht im Haushalt traf.
Die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte entspricht dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung, wonach der Geschädigte keine Leistung über den konkreten Schaden hinaus erhalten soll.
Die Bundesregierung beobachtet sorgfältig die Entscheidungen, die zu diesem Fragenkreis ergehen. Daß in diesem Bereich verhältnismäßig wenige Entscheidungen veröffentlicht worden sind - ein Umstand, auf den die Bundesregierung im übrigen keinen Einfluß hat - und daß sich hierunter eine ganze Zahl nicht rechtskräftiger Urteile befinden, ist der Bundesregierung bekannt. Das kann damit zusammenhängen, daß die meisten Regulierungen ohne Einschaltung der Gerichte einvernehmlich zwischen den Parteien vorgenommen werden.
Soweit Sie in ihrer Frage auf die Dauer einzelner Prozesse eingehen, darf ich wiederum auf meine Antwort vom 18. Dezember 1974 Bezug nehmen, wonach ein Gesetzentwurf zur Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vorgelegt worden ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die schleppende Behandlung dieser Prozesse und die großen Unterschiede in der Höhe der Beträge bei Schadensregelungen auf die unterschiedliche Bewertung der Hausarbeit zurückzuführen sind?
So ist es zum großen Teil - was zu bedauern ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß sich die Gerichte, um zu einer zügigeren Rechtsprechung zu kommen, die von einer einheitlichen Auffassung über die Bewertung der Hausarbeit und Kindererziehung ausgeht, an die von der Bundesforschungsanstalt für Hauswirtschaft ermittelten Werte für hausfrauliche Tätigkeiten halten sollten?
Ich meine, diese gibt einen guten
Maßstab. Soweit ich orientiert bin, wird dieser Maßstab von verschiedenen Gerichten auch angewandt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Die von dem Herrn Abgeordneten Dr. Häfele eingebrachten Fragen 69 und 70 und die von dem Herrn Abgeordneten Lenzer eingereichten Fragen 71 und 72 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 19. März 1975, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.