Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vorn 11. März 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Hornhues, Dr. Waigel, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Fuchs, Schmidt ({0}), Dr. Goiter, Dr. Probst, Dr. Schäuble, Frau Benedix, Hussing und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Kündigung des Abkommens zwischen Bund und Ländern über die Errichtung eines Wissenschaftsrates durch die Bundesregierung - Drucksache 7/3262 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 73362 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 11. März 1975 die Kleine Antrage der Abgeordneten Dreyer, Pfeifer, Dr. Waigel, Dr. Gölter, Schedl, Eilers ({1}), Dr. Probst, Frau Benedix, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Köhler ({2}), Dr. Fuchs, Dr. Schäuble, Hauser ({3}), Dr. Hornhues, Orgaß, Lenzer, Frau Dr. Walz, Ilussing und der Fraktion der CDU/CSU betr. Rückgang der Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst - Drucksache 7,3018 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7'3364 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 6. März 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Entschließung des Rates betreffend Leitlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise gemalt Artikel 57 des EWG-Vertrages
Drucksache 7/1868
Entwurf einer Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Konferenz der im Rat vereinigten Minister für Bildung und Erziehung über eine Zusammenarbeit im Bereich des Bildungswesens
Entwurf eines Beschlusses des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung eines Europäischen Ausschusses im Bereich des Bildungswesens
-- Drucksache 7/2000
Verordnung des Rates über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für Berufsbildung
- Drucksache 7/2038
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Programm der im Bereich der Bauwirtschaft durchzuführenden Aktionen
- Drucksache 7/3271 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Bericht über den EAGFL - Garantie Sektor Ölsaaten und Olivenöl
- Drucksache 7/3315 -überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte urn Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung an den Rat betreffend die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern ({4})
- Drucksache 7/3316 überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({5}), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates, mit dem die Kommission im Hinblick auf einen Beitrag der Gemeinschaft zur Finanzierung von Kernkraftwerken zur Aufnahme von Euratom-Anleihen ermächtigt wird
- Drucksache 7/3333 überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({6}), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Sammlung, die Regenerierung und/oder die Vernichtung polychlorierter Biphenyle ({7})
Drucksache 7/3334 überwiesen an den Innenausschuß ({8}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({9}) des Rates zur Durchführung des Beschlusses Nr. 47.74 des Assoziationsrates EWG-AASM über eine bis zum Inkrafttreten des Abkommens, das das Abkommen von Yaunde ersetzt, und höchstens bis zum 31. 12. 1975 geltende Ausnahme von der Begriffsbestimmung für Ursprungserzeugnisse mit Rücksicht auf die besondere Lage von Mauritius bei bestimmten Erzeugnissen der Textilindustrie
- Drucksache 7/3339 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte urn Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({10}) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Butteroil, im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeprogramms von 1975, an den Hochkommissar der VN für Flüchtlinge ({11}) für die von den Ereignissen betroffene Bevölkerung auf Zypern
Beschluß des Rates über die Eröffnung von Verhandlungen der EWG und dem Hochkommissar der VN für Flüchtlinge ({12}) über eine Sofortnahrungsmittelhilfe in Form von Butteroil für die von den Ereignissen betroffene Bevölkerung auf Zypern sowie über die vorzeitige Durchführung des ausgehandelten Abkommens
- Drucksache 7/3342 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({13}) des Rates
zur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Magermilchpulver im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an Guinea Bissau und die Kapverdischen Inseln
zur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Butteroil im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an Guinea Bissau und die Kapverdischen Inseln
Beschluß des Rates
zur gemeinschaftlichen Finanzierung bestimmter Kosten der Nahrungsmittelhilfe für Guinea Bissau und die Kapverdischen Inseln im Rahmen des Programms 1974/75
zur Einleitung von Verhandlungen mit Guinea Bissau und den Kapverdischen Inseln über die Lieferung von Magermilchpulver und Butteroil im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe sowie über die vorzeitige Durchführung der mit diesen Ländern ausgehandelten Abkommen
- Drucksache 7/3343
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung der Kommission an den Rat über ein Programm
von Modellvorhaben und Studien zur Bekämpfung der
Vizepräsident Dr. Jaeger
Armut gemäß der Entschließung des Rates vorn 21. Januar
1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm
- Drucksache 7/3208 überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({14}) mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Anpassung der auf die Dienst-
und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbaren Berichtigungskoeffizienten
- Drucksache 7.3354 überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnungen ({15}) des Rates
über die Erzeugung von und den Verkehr mit Bruteiern und Küken von Hausgeflügel
über die gemeinsame Handelsregelung für Eieralbumin und Milchalbumin
zur Festsetzung des Grundpreises und der Standardqualität für geschlachtete Schweine für die Zeit vom 1. November 1974 bis 31. Oktober 1975
zur Bestimmung des gemeinschaftlichen Handelsklassenschemas für Schweinehälften
zur Festsetzung der Vorschriften für die Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Geflügelfleisch
zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Geflügelfleisch
zur Festsetzung der Vorschriften für die Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungspreises für Eier
über die Vermarktungsnormen für Eier
zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Eier
über die Durchführungsbestimmungen betreffend die Regelung der Ausgleichsbeträge bei der Einfuhr von Waren des Artikels 47 Absatz 1 der Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassung der Verträge
zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Schweinefleisch
Kodifizierung der Verordnungen ({16})
zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung der
Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Geflügelfleisch
zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Eier
zur Festsetzung der allgemeinen Vorschriften betreffend die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung auf dem Sektor Schweinefleisch
zur Festsetzung der im Falle einer erheblichen Preiserhöhung
auf dem Schweinefleischsektor anzuwendenden Grundregeln
zur Festlegung der Regeln für die Berechnung eines Teilbetrags der Abschöpfung für geschlachtete Schweine
-Drucksache 7/3355 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Meine Damen und Herren, wir haben heute nur zwei Punkte der Tagesordnung, die Punkte 12 und 13 der bisherigen gemeinsamen Tagesordnung, zu behandeln. Es ist eine interfraktionelle Übereinkunft erzielt worden, daß wir mit dem zweitgenannten Punkt beginnen. - Widerspruch erfolgt nicht.
Ich rufe also Punkt 13 der gemeinsamen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Dringlichkeitsprogramm zur Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit
- Drucksache 7/3196 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({17}) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Pfeifer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Datum vom 26. Februar 1975 einen zweiten überarbeiteten Referentenentwurf für ein neues Berufsbildungsgesetz vorgelegt, nachdem sein erster Referentenentwurf vom 15. Januar 1975 bereits nach wenigen Tagen Makulatur geworden war. Auch dieser zweite Entwurf hat bis heute, soweit ich sehe, nirgendwo Zustimmung gefunden, weder bei den Gewerkschaften noch bei der Wirtschaft und auch nicht bei den Berufsschullehrern. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Bundesregierung diesen Referentenentwurf jetzt in unveränderter Form passieren lassen und in diesem Haus zur Beratung einbringen wird.
Eines scheint mir aber sicher zu sein: daß ein heute schon so umstrittener Referentenentwurf nicht binnen weniger Monate Gesetz werden kann.
Es würde den Jugendlichen, die jetzt arbeitslos oder ohne Lehrstelle sind, aber wenig helfen, wenn wir heute über die gesamte Neufassung des Berufsbildungsgesetzes diskutierten, wohl wissend, daß ein solches Gesetz weder in diesem noch im nächsten Jahr irgend etwas bewirken wird.
({0})
Wir haben deshalb nicht die Absicht, heute eine Debatte über die Grundsätze der beruflichen Bildung zu führen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ihre Vorstellungen über die Grundsätze der Reform der beruflichen Bildung bereits am 29. März 1974 in einem Antrag in diesem Haus eingebracht und darüber am 11. Juni 1974 eine Debatte hier herbeigeführt. Zu diesem unserem Berufsbildungskonzept und zu diesem unserem Antrag gibt es bis heute leider keine Alternative der Bundesregierung.
({1})
Der Bundestag muß deshalb - und das ist unsere Forderung - unverzüglich Maßnahmen beschließen, die den betroffenen Jugendlichen zunächst einmal kurzfristig in diesem und im nächsten Jahr helfen.
Denn wie sieht es draußen aus? Lassen Sie mich das an drei Fakten darstellen.
Erstens. Nach der neuesten Statistik der Bundesanstalt für Arbeit befanden sich Ende Januar 1975 unter den insgesamt fast 1,2 Millionen Arbeitslosen über 123 000 Personen, die das zwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Die Arbeitslosenzahlen sind inzwischen weiter gestiegen.
Zweitens. Von den Arbeitslosen im Alter bis zu 20 Jahren waren über 88 % vor ihrer Arbeitslosigkeit bereits in Arbeit. Auch unter diesen Arbeitslosen interessierte sich aus eigenem Antrieb eine größere Zahl, nämlich über 10 000, für eine Berufsbildung.
Drittens. Wichtiger und entscheidender scheint mir aber die Zahl zu sein, daß Ende Januar über 88 000 oder 70 % aller jugendlichen Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung vorzeigen konnten. Das bestätigt erneut die Erfahrung, daß
wenig qualifizierte Arbeitnehmer in Zeiten abgeschwächter Arbeitsmarktlage tendenziell eher von Arbeitslosigkeit betroffen sind als beruflich besser qualifizierte. Diese heute arbeitslosen Jugendlichen sollten daher zu einer Ausbildung motiviert werden.
Lassen Sie mich zu diesen Fakten in aller Nüchternheit folgendes sagen.
Erstens. Eine solche Jugendarbeitslosigkeit hat es zu keiner Zeit einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung gegeben.
({2})
Zweitens. Zu keiner Zeit, in der die CDU/CSU die Regierungsveranwortung in der Bundesrepublik getragen hat, hat es je ein Problem des Lehrstellenmangels gegeben. Das alles hat sich erst entwickelt, seit die CDU/CSU nicht mehr in der Regierungsverantwortung ist.
Es ist jetzt höchste Zeit, meine Damen und Herren, daß Bundesregierung und Parlament über diese Probleme - Jugendarbeitslosigkeit und Sicherung des Lehrstellenangebots-nicht mehr nur reden, sondern daß endlich auch gehandelt wird. Denn es kann doch für einen jungen Menschen kaum etwas Deprimierenderes geben als die Situation, daß er arbeiten will, daß er sich seine Zukunft aufbauen will, daß er die Grundlagen für einen erfolgreichen Lebensweg schaffen will, daß er sich dann aber einer Situation gegenübersieht, in der er nicht gebraucht wird, in der er keinen Ausbildungsplatz und keinen Arbeitsplatz findet. Wie wollen wir denn einen jungen Menschen von den Vorteilen unserer Gesellschaftsordnung überzeugen, wenn seine ersten Erfahrungen mit der Arbeitswelt die sind, die heute über 100 000 junge Menschen in diesem Lande leider machen müssen?
({3})
Nun wissen wir, daß sich diese Probleme in der Zukunft noch erheblich verschärfen können, und zwar deshalb, weil in den kommenden Jahren auf Grund der geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er Jahren jährlich etwa 20 000 zusätzliche Lehrstellen benötigt werden. Und dabei haben wir ein Problem noch gar nicht eingerechnet, das es auch erst gibt, seit die CDU/CSU nicht mehr in der Regierungsverantwortung dieses Landes steht, daß jetzt nämlich zunehmend Abiturienten, die keinen Hochschulplatz bekommen, in die Lehrlingsausbildung hineindrängen - zum Nachteil ,der Hauptschüler und zum Nachteil der Sonderschüler.
({4})
Es ist eine ganz unbefriedigende und wenig soziale Entwicklung, die hier eingesetzt hat.
({5})
Das heißt aber, daß wir heute damit beginnen müssen, den Jugendlichen zusätzliche Bildungsangebote zu unterbreiten, wenn wir auch die künftige Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bewältigen wollen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat daher bereits im Januar dieses Jahres im Deutschen Bundestag ein Dringlichkeitsprogramm zur Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit vorgelegt. Sie fordert die Bundesregierung auf, dieses Programm jetzt entweder schnell zu verwirklichen oder, wenn sie dazu nicht bereit ist, dann wenigstens einmal eine Alternative zu präsentieren, damit wir darüber hier diskutieren können.
({6})
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat in ihrem Dringlichkeitsprogramm eine Reihe von Vorschlägen gemacht, von denen ich hier nur die wichtigsten nennen möchte.
Erstens. Unser Programm zielt darauf ab, Anreize für die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze zu schaffen. Konkret: Im Regionalförderungsprogramm des Bundes sind nur 40 Millionen DM oder knapp 5 % der Mittel für die Errichtung von Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsstätten vorgesehen. Mit der von uns vorgeschlagenen Verdoppelung der für die Berufsbildung vorgesehenen Mittel im Rahmen der Regionalförderung sollen 8 000 zusätzliche Ausbildungsplätze in Betrieben in wirtschafts- und strukturschwachen Gebieten geschaffen werden. Zu finanzieren ist dies durch die der Gemeinschaftsaufgabe Regionalpolitik zufließenden Mittel aus dem EG-Fonds zur Regionalförderung.
.Darüber hinaus soll im Regionalförderungsprogramm die Schaffung von Ausbildungsplätzen der Schaffung von Arbeitsplätzen gleichgestellt werden, damit eine flexible, den regionalen Verhältnissen angepaßte Lösung der Arbeitsmarktprobleme ermöglicht wird.
Weiter wird die Bundesregierung aufgefordert, durch einen teilweisen Kostenersatz das Lehrstellenvolumen nachhaltig zu erhöhen. Dabei denken wir daran, daß zunächst im Jahre 1975 bis zu 20 000 neue Ausbildungsplätze mit bis zu 4 000 DM je Ausbildungsplatz gefördert werden. Bei dieser Förderung sollen zuerst und vor allem Betriebe berücksichtigt werden, die ihre Ausbildungsbereitschaft bereits bisher unter Beweis gestellt haben. Die Mittel sind aus dem Konjunkturprogramm, insbesondere aus den nicht abgerufenen Mitteln für überbetriebliche Ausbildungsstätten, zu entnehmen. Die Bundesregierung selber hat in einem Schreiben vom 26. Januar 1975 an den Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft mitgeteilt, daß von den im Haushalt und im Konjunkturprogramm vorgesehenen Mitteln für überbetriebliche Ausbildungsstätten von insgesamt 150 Millionen DM voraussichtlich 100 Millionen DM nicht abfließen werden. Der Mittelabfluß wird auf 50 Millionen DM geschätzt. Verwenden Sie diese Mittel, um etwas zur Stärkung des Lehrstellenangebots in der betrieblichen Ausbildung zu tun! Das haben wir bereits bei den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß beantragt. Wir werden das in der kommenden Woche bei den Haushaltsberatungen hier wiederholen.
Zweitens. Die öffentliche Hand - hier sind vor
allem Bund, Bundesbahn und Bundespost, aber auch
die Länder und Kommunen angesprochen soll ihr
Lehrstellenangebot erweitern. Meine Damen und Herren, ich habe all diese Erklärungen gelesen, die die Bundesregierung hinsichtlich der drastischen Reduzierung des Lehrstellenangebots, beispielsweise bei der Bundespost, abgegeben hat. Ich möchte hier sagen: Mich hat das bis zur Stunde nicht sehr überzeugt. Es ist doch ein merkwürdiger Widerspruch, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien auf der einen Seite die private Wirtschaft beschimpfen, weil diese Überlegungen anstellt, wie sie in der von dieser Bundesregierung verschuldeten konjunkturellen Lage das Lehrstellenangebot noch sichern kann, und da und dort eben auch einmal Lehrstellen verlorengehen, sich aber auf der anderen Seite diese Bundesregierung dort, wo sie die Verantwortung hat, genauso verhält, wie sie es bei anderen kritisiert; sie reduziert das Lehrstellenangebot drastisch.
({7})
Meine Damen und Herren, das paßt einfach nicht zusammen.
({8})
Es steht fest, daß die öffentliche Hand seit vielen Jahren weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt, als es ihrem Eigenbedarf entspricht. Schätzungen das sind nicht grobe Schätzungen, sondern da steht einiges dahinter - sprechen von einem Defizit bis zu 40 000 Ausbildungsplätzen. Die Bundesregierung sollte in ihrem Bereich alles tun, um die Ausbildungskapazität im öffentlichen Bereich zu erhöhen.
Drittens. Wir schlagen vor, daß insbesondere den leistungsschwachen und behinderten Jugendlichen verstärkt Hilfen gegeben werden, die deren Chancen erhöhen, in ein Ausbildungsverhältnis vermittelt zu werden. Die Bundesanstalt für Arbeit fördert zur Zeit - das ist eine gute, anzuerkennende Sache pro Jahr fast 17 000 Jugendliche in Lehrgängen zur Erreichung der fehlenden Berufsreife bzw. in Lehrgängen zur Verbesserung der Vermittlungsmöglichkeit. Dabei handelt es sich hauptsächlich um leistungsschwache Hauptschüler oder um Sonderschüler. 80 "/o derjenigen, die gefördert werden, erreichen später den Anschluß an ein Ausbildungsverhältnis. Meine Damen und Herren, ich darf hier einmal in Parenthese sagen: Ich habe den Eindruck. daß diese Zahl zum Nachdenken darüber Anlaß geben sollte, ob in unseren Hauptschulen, in unseren Volksschulen alles so ist, wie es eigentlich sein sollte.
({9})
Wir streben an, daß diese Lehrgangskapazitäten der Bundesanstalt für Arbeit verdoppelt werden. Für Jugendliche, die anderweitig nicht zu vermitteln sind und auch nicht für die Lehrgänge der Bundesanstalt für Arbeit in Betracht kommen, soll die Bundesanstalt für Arbeit über eine Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes die Möglichkeit erhalten, Ausbildungsverhältnisse zu bezuschussen.
Und unser Dringlichkeitsprogramm zielt auf einen vierten Punkt ab: Bei allen diesen Maßnahmen, die wir hier vorgeschlagen - und dies wird im Dringlichkeitsprogramm ausdrücklich festgestellt -, muß darauf geachtet werden, daß eine ausreichende Ausbildungsqualität sichergestellt bleibt. Die Bundesregierung soll vor allem ihren Beitrag zur besseren Abstimmung von Ausbildungsordnungen für die Betriebe und Lehrplänen für die Berufsschulen leisten. Dies ist sicherlich auch ein Ziel, ja, sogar eines der wichtigsten Ziele des Berufsbildungsgesetzes. Aber es hat keinen Sinn, dieses nur als Zielprojektion hinzustellen; man muß auch heute mit dem vorhandenen Instrumentarium etwas tun, um eine solche bessere Abstimmung zu erreichen. Ich möchte die Bundesregierung auffordern - vor allem nach den Fehlentwicklungen, die es hier in den vergangenen Monaten und Jahren gegeben hat -, jetzt endlich das zu praktizieren, was Bund und Länder zur besseren Abstimmung von Ausbildungsordnungen für die Betriebe und Lehrplänen für die Berufsschulen vereinbart haben.
({10})
Wir werden jedenfalls nicht aufhören, mit parlamentarischen Anfragen und anderen Initiativen jeden einzelnen Fall hier zur Sprache zu bringen, bei dem wir den Eindruck haben, daß die Bundesregierung diese Koordination mit den Ländern nicht sucht. Ich möchte überhaupt einmal sagen, daß es in meinen Augen keine gute Sache gewesen ist, daß diese Regierung in einer Art „Küchenkabinett" über Berufsbildung gesprochen hat, aber die Länder, die einen wesentlichen Teil der Berufsbildung zu leisten haben, bis zum heutigen Tag nicht über ihre Pläne konsultiert, geschweige denn einmal über diese Pläne mit ihnen gesprochen hat. Das ist kein guter Stil.
({11})
Unser Dringlichkeitsprogramm ist sowohl von den Arbeitnehmer- als auch von den ArbeitgeberOrganisationen positiv aufgenommen worden. Es ist angesichts der gegenwärtigen Jugendarbeitslosigkeit, angesichts der unbefriedigenden konjunkturellen Perspektiven sowie auf Grund der Geburtenentwicklung und des damit verbundenen ansteigenden Lehrstellenbedarfs im nächsten Jahr unverzichtbar. Das vorgelegte Dringlichkeitsprogramm sieht daher sowohl Maßnahmen für die kurzfristige nachhaltige Erhöhung des Ausbildungsplatzangebots vor, es sieht aber auch besondere Hilfe für diejenigen Jugendlichen vor, die in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert und daher besonders von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mißt dabei der Sicherung der Ausbildungsqualität besondere Bedeutung bei. Sie verweist in diesem Zusammenhang erneut auf ihren Antrag vom 29. März 1974.
Zur Finanzierung unseres Dringlichkeitsprogramms haben wir in dem Antrag und in seiner Begründung ganz konkrete Aussagen gemacht. Ich habe hier einen speziellen Punkt angesprochen und möchte mir die anderen ersparen. Eines allerdings möchte ich sagen: Wir sind uns darüber im klaren, daß vor allem die Maßnahmen, die wir für die Bundesanstalt für Arbeit vorschlagen, einiges an Geld in diesem und im nächsten Jahr kosten werden. Ich meine aber, daß aus den Interessen dieser jungen
Menschen heraus diese verglichen mit den Gesamtbildungsaufgaben der öffentlichen Hand geringen finanziellen Belastungen unter allen Umständen getragen werden müssen. Wenn das Land BadenWürttemberg z. B. mit seinem vergleichsweise wesentlich geringeren Etat in der Lage ist, 30 Millionen DM für ein Sofortprogramm zur Minderung der Jugendarbeitslosigkeit ad hoc zur Verfügung zu stellen, so könnte sich doch die Bundesregierung an diesen Anstrengungen, die derzeit die Länder unternehmen, ein Beispiel nehmen und das gleiche tun.
({12})
Die Bundesregierung wird deshalb nicht umhin können, diesem Dringlichkeitsprogramm auch angesichts der, wie wir wissen, nicht rosigen Lage der Staatsfinanzen das Prädikat „finanziell abgesichert" zu bescheinigen. Bundesregierung, SPD und FDP fordern wir auf, unseren Vorstellungen zu folgen.
Ich möchte Ihnen dies abschließend auch noch aus folgendem Grund nachdrücklich ans Herz legen. Bundesregierung, SPD und FDP können bei den betroffenen Jugendlichen kein Verständnis erwarten, wenn sie diese Dringlichkeitsmaßnahmen verzögern oder ablehnen. Diese Jugendlichen, die noch 1972 in ihrer Mehrheit dieser Bundesregierung ihre Stimme und damit einen Vertrauensvorschuß gegeben haben, sind doch seither von dieser Regierung bitter enttäuscht worden und müssen sich bei dieser Lage auch bitter enttäuscht fühlen.
({13})
Ich meine, diese Jugendlichen haben jetzt einen Anspruch darauf, nicht länger auf irgendwelche Zukunftsprogramme oder Zukunftsperspektiven verwiesen zu werden. Diese Jugendlichen haben jetzt einen Anspruch darauf, daß man ihnen sofort nachhaltig und vor allem im Jahre 1975 und im Jahre 1976 wirksam hilft.
({14})
Sie haben einen Anspruch darauf angesichts der Zukunft, die ihnen bevorsteht und die ohnehin viele Ungewißheiten in sich birgt. Diese Jugendlichen haben einen Anspruch darauf, daß ihnen in einer Grundfrage ihrer Existenz und ihres gesamten späteren Lebens heute geholfen wird. Dies ist unser Ziel.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat mit diesem Programm gezeigt, daß sie sich ihrer Verantwortung bewußt ist und daß sie vor allem die Sachkompetenz besitzt, hier ein wirksames Hilfsprogramm zu entwickeln. Ich möchte Sie deshalb bitten, diesem Dringlichkeitsprogramm Ihre Zustimmung zu geben.
({15})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr deutlich gemacht, daß es ihre politische Absicht ist, Sofortmaßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und gegen Lehrstellenmangel auf der einen Seite mit der Reform der beruflichen Bildung auf der anderen zu verbinden. Denn es gibt eine Reihe von Problemen, die mit dem, Herr Kollege Pfeifer, was in dem Antrag Ihrer Fraktion seinen Ausdruck gefunden hat, überhaupt nicht bewältigt werden können,
({0})
bei denen die Sonde tiefer angelegt werden muß.
Ohne daß ich jetzt in eine Debatte gleichsam im Vorhof der ersten Lesung eines Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung eintreten will, habe ich Ihnen jedenfalls eines zu Ihren Stellungnahmen zur Reform in den letzten anderthalb Wochen zu sagen: Sie werden als CDU/CSU heraustreten müssen aus dem Bereich der Polemik und werden konkrete Vorschläge zur Sache der Berufsbildung endlich auf den Tisch zu legen haben.
(Beifall bei der SPD und der FDP - Dr. Ritz
[CDU/CSU] : Da kann man nur lachen! Dr. Carstens ({1})
- Herr Kollege Carstens, mit diesem Einwand habe ich gerechnet. Darauf will ich nun nicht allein mit einer Bemerkung von mir antworten, sondern Ihnen eine Agenturmeldung vorlesen, aus der deutlich wird, wie Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen ihrer eigenen Fraktion Ihre politische Haltung zur beruflichen Bildung beurteilen. Dort heißt es:
„Konkrete Vorschläge" zur Reform der Berufsbildung hat am Donnerstag die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion von dem am Freitag in Saarbrücken beginnenden Berufsbildungskongreß der Union gefordert.
Wenn es schon konkrete Vorschläge gäbe, brauchten die Arbeitnehmer aus der CDU/CSU nicht zwei Tage vor diesem Kongreß von ihrer eigenen Fraktion solche Vorschläge zu fordern.
({2})
Zweiter Punkt - ich zitiere weiter -:
Nach der verheerenden Wirkung der Sonthofener Strauß-Rede müsse die CDU hier deutlich machen, daß sie in der Berufsbildung keine Politik der Obstruktion betreibe.
Das kann ich voll unterstreichen, meine Damen und Herren.
({3})
Nun zu dem Antrag. Ich habe die Absicht, Herr Kollege Pfeifer, auf die einzelnen Punkte des Antrags der CDU/CSU-Fraktion sehr viel präziser einzugehen als Sie in Ihrer Begründung. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß das Zeit kosten wird. Aber diese Zeit sind wir den Jugendlichen und den Problemen schuldig.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß zu Beginn dieses Jahres die Bundesregierung von sich aus initiativ das Thema Jugendarbeitslosigkeit und
Ausbildungsstellensituation aufgegriffen hat. Nachdem ihre Erklärung und ihre Maßnahmen der Öffentlichkeit unterbreitet worden waren, ist von der CDU/CSU acht Tage später der Antrag, den wir heute zu behandeln haben, auf den Tisch gelegt worden. Regierungserklärung und Antrag der Opposition stimmen in der Beurteilung der Lage, wie mir scheint, jedenfalls in einem wichtigen Punkt überein, nämlich darin, daß die größte Zahl derjenigen, die bis zum 20. Lebensjahr von der Arbeitsverwaltung als jugendliche Arbeitslose statistisch erfaßt werden, einen Arbeitsplatz und keinen Ausbildungsplatz sucht. Insofern können wir von der berechtigten Erwartung ausgehen, daß mit der Konjunkturbelebung als Folge der Programme der Bundesregierung Jugendarbeitslosigkeit abgebaut wird. Diese Erwartung wird im übrigen durch die arbeitsmarktpolitische Erfahrung unterstützt, daß Jugendliche zumeist eine kürzere Zeit der Arbeitslosigkeit aufweisen, mithin eher wieder vermittelt werden können. Das sagen uns diejenigen, die in der Arbeitsmarktpolitik besondere Erfahrung haben.
Die Opposition geht auf den mit konjunkturellen Mitteln vorzunehmenden Abbau von Jugendarbeitslosigkeit in ihrem Antrag nicht weiter ein. Daraus kann wohl geschlossen werden, daß sie in gleicher Weise wie die Bundesregierung die Wirksamkeit der Konjunkturprogramme für den Abbau von Jugendarbeitslosigkeit unterstellt.
({4})
Ich will an dieser Stelle deutlich machen, daß Jugendarbeitslosigkeit nicht nur als ein statistisches Datum angesehen werden kann und darf. Sie ist ein bedeutsames Kapitel der allgemeinen Arbeitsmarktlage, eine soziale Herausforderung an die Politik und war auch nicht zuletzt Anlaß und Grund für die Konjunkturprogramme, die von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden sind.
Im einzelnen beschäftigt sich der Antrag der Opposition nahezu ausschließlich mit dem Lehrstellenangebot und mit vergleichbaren Hilfen des Arbeitsförderungsgesetzes und des beruflichen Schulwesens. Ich begrüße es, Herr Kollege, daß wir Gelegenheit haben, diese Probleme vor dem Deutschen Bundestag hier eingehend zu erörtern. Wenn auch die Situation der arbeitslosen Jugendlichen in der gegenwärtigen Phase überwiegend durch die Suche nach einem Arbeitsplatz gekennzeichnet ist, so können im Blick auf die Zukunft die engen Beziehungen zwischen den Ausbildungschancen der Jugendlichen auf der einen und ihren Beschäftigungsmöglichkeiten und ihrer Arbeitsplatzsicherheit auf der anderen Seite nicht außer acht gelassen werden. Konkret heißt das, die Frage aufzuwerfen, wie das Ausbildungsplatzangebot in diesem Jahr und in den Folgejahren einzuschätzen ist.
In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Pfeifer, möchte ich im Gegensatz zu Ihren Ausführungen deutlich machen, daß die Sorge um das Ausbildungsplatzangebot nicht erst eine neuerliche Sorge ist. Vielmehr haben wir seit mehr als einem Jahrzehnt ein rückläufiges Ausbildungsplatzangebot festzustellen. Das hängt vor allem mit Strukturveränderungen im Beschäftigungs- und Wirtschaftssystem zusammen. Bemerkenswert ist allerdings, daß dieser seit mehr als einem Jahrzehnt feststellbare Rückgang im Angebot der Ausbildungsplätze weder die öffentliche Diskussion beschäftigt noch das Handeln der an der beruflichen Bildung Beteiligten in zureichender Weise bestimmt hat. Dies zeigt, daß es offensichtlich kein zureichendes „Frühwarnsystem" im Bereich der beruflichen Bildung gibt und Reformen auf diesem Gebiet notwendig erscheinen.
Was das aktuelle Ausbildungsplatzangebot angeht, so gibt es darüber keine hinreichend zuverlässigen Daten. Wir wollen deshalb mit unserem neuen Gesetz auch ein seriöseres, aktuelleres Datengerüst für die berufliche Bildung und eine bessere Überschaubarkeit der Entwicklung erreichen, damit das politische Handeln in Zukunft auf bessere Voraussetzungen trifft, als das auf der Grundlage des geltenden Rechts der Fall sein kann.
Was die Entwicklung im vergangenen Jahr angeht, haben wir versucht, mit Umfragen das Ausbildungsplatzangebot und die Zahl der Ausbildungsabschlüsse zu ermitteln. Nach meinem Dafürhalten, Herr Kollege Pfeifer, hat es schon einen Hauch von Abenteuerlichkeit, wenn der Bildungsminister sich eines Meinungsforschungsinstitutes bedienen muß, um Informationen über Ausbildungsplatzsituationen zu erhalten, weil das geltende Recht ihm keine Instrumente für eine ausreichende und aktualisierte Statistik in die Hand gibt.
({5})
- Ja, sicher, das ist das, was wir aus der Vergangenheit übernommen haben.
({6})
Was nun das Ausbildungsplatzangebot im vergangenen Jahr angeht, so hat sich nicht eine so dramatische Entwicklung abgezeichnet, wie manche - auch in den Debatten dieses Hauses - Anfang 1974 vorausgesagt haben. Ich sage das nicht zur Beruhigung, sondern zur Versachlichung der Diskussion. Als sich dann im Herbst vergangenen Jahres eine kritischere Beurteilung der Lehrstellensituation für 1975 abzeichnete, hat die Bundesregierung alle an der beruflichen Bildung Beteiligten zum gemeinsamen Handeln und zur Verantwortung gegenüber der jungen Generation aufgerufen. Wenn auch 1975, also in diesem Jahr, noch nicht ein so geburtenstarker Jahrgang die Schule verlassen wird, wie das in den nächsten Jahren der Fall sein wird, so müssen dennoch jetzt schon besondere Anstrengungen unternommen werden. Darauf will ich nun an dieser Stelle in konkreten Punkten zu sprechen kommen. Ich will deutlich machen, daß eine Reihe von Anforderungen, die Sie in Ihrem sogenannten Dringlichkeitsprogramm stellen, längst auf den Weg gebracht worden sind.
Erstens. Anfang des Jahres hat die Bundesregierung mit den Vertretern der Wirtschaft, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften Einigkeit darüber erzielt, daß das Ausbildungsplatzangebot verstärkt werden muß.
({7})
Die Aufrufe der an der beruflichen Bildung Beteiligten sind im Lande nicht ohne Echo geblieben. Bitte, Herr Kollege!
Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg zu einer Zwischenfrage.
Herr Bundesminister, haben Sie im Bildungsgesamtplan, den Sie vorgefunden haben - das möchte ich ausdrücklich betonen -, den Teil, der die Berufsbildung betrifft, inzwischen revidiert? Denn dieser Plan geht ja von einer Reduzierung der Ausbildungsplätze aus.
Herr Kollege, das ist eine Fehlinterpretation dessen, was auch mein Amtsvorgänger beabsichtigt hat. Daß wir keine Reduzierung der beruflichen Bildung wollen, wird auch dadurch deutlich, daß in der Bund-Länder-Kommission mit auf Initiative des Bundes beschlossen worden ist, den Ausbau des beruflichen Schulwesens in Zukunft an die Spitze der Bildungsplanung zu stellen. Wir brauchen uns mithin nicht mehr verbal zu streiten. Daß eine Kurskorrektur zugunsten der beruflichen Bildung vorgenommen werden soll, gehört zu den Grundsätzen der Bildungspolitik dieser Bundesregierung.
({0})
Gestatten Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesminister?
Aber konkrete Maßnahmen zur Änderung des Bildungsgesamtplanes haben Sie noch nicht ergriffen?
Natürlich! Das will ich Ihnen ja darlegen. Wenn ich weiter zu Wort käme, würde das in den Einzelpunkten deutlich.
({0})
Herr Bundesminister, Sie werden in Ihren Ausführungen nicht beschränkt.
Ich hatte deutlich gemacht, daß die Aufrufe an die Wirtschaft, besondere Anstrengungen für das Jahr 1975 zu unternehmen, nicht ohne Echo geblieben sind. Das zeigen z. B. die Erfahrungen in Hamburg, wo am 1. Februar 1975 ein neues Ausbildungsjahr begonnen hat. In dem Gespräch mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen ist deutlich gemacht worden, daß die Wirtschaft mit ihrem Angebot der Bereitstellung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen im Wort steht. Die Zahl der 40 000 Plätze hat Erwartungen ausgelöst und ist zu einer Meßlatte für soziale Verantwortung gegenüber dem jungen Menschen geworden.
({0})
In dem Gespräch mit dem Bundeskanzler, an dem die Wirtschaft - vertreten durch Arbeitgeber und Gewerkschaften - beteiligt gewesen ist, wurde aber auch klargestellt, daß ein Angebot von zusätzlichen Ausbildungsplätzen nicht mit einer Minderung von Ausbildungsqualität gekoppelt werden kann. Diese Klarstellung war notwendig geworden auf Grund der Diskussion, die sich um den Brief der Spitzenverbände entwickelt hatte. Qualitätsminderung würde niemandem helfen, weder den Jugendlichen noch der beruflichen Bildung, die auf den Weg der Gleichwertigkeit im Gesamtbildungssystem gebracht werden soll, noch der Wirtschaft, die sich auf qualifizierten Nachwuchs stützen muß. Die Wirtschaft trägt eine große Verantwortung, weil das Ausbildungsplatzangebot von ihren Entscheidungen abhängt. Das ging so weit, daß jahrelang nachdrücklich erklärt wurde, der Staat habe auf diesem Felde nichts zu suchen.
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Zweitens. Seit meiner Amtsübernahme habe ich darauf hingewirkt, daß in alle Konjunkturprogramme auch Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung aufgenommen wurden. Im September-Programm waren Investitionshilfen für den Ausbau der Berufsschulen vorgesehen. Das war ein konkretes und konstruktives Angebot an die Länder. In das Konjunkturprogramm vom Dezember 1974 sind darüber hinaus besondere arbeitsmarktpolitische Hilfen aufgenommen worden. Das heißt konkret, daß die Lohnkostenzuschüsse nicht allein für zusätzliche Arbeitsplätze, sondern auch für den Abschluß von Ausbildungsverträgen gezahlt werden können. Die vorgesehenen Mobilitätszulagen sollen ebenfalls dazu beitragen, arbeitslosen Jugendlichen, die an ihrem Wohnort keine Ausbildungsmöglichkeiten finden, die Aufnahme einer Berufsausbildung an anderen Orten zu erleichtern.
Die Erfahrungen mit diesen auf Abbau von Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel gleichermaßen gerichteten Angeboten werden sorgfältig ausgewertet. Wenn sich zeigt, daß auch nach Ablauf der Frist für die Konjunkturprogramme in einzelnen Regionen oder Sektoren überdurchschnittlich hohe Zahlen von ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen vorliegen, werden wir im Hinblick auf die Lehrstellensituation im Sommer 1975 rechtzeitig prüfen, was konkret und gezielt in die Wege zu leiten ist.
Eines allerdings würde mehr Probleme schaffen als lösen, nämlich: mit der Gießkanne Prämien auszuschütten. Ein solch undifferenziertes Verfahren, bei dem nicht klar ist, wer was bekommt und wie Mittel sinnvoll eingesetzt werden, würde nur zu
Spekulationen führen, die sich negativ auf das Lehrstellenangebot auswirken.
Ein dritter Punkt! Um das Ausbildungsplatzangebot insbesondere im Bereich der kleinen und mittleren Betriebe und in Regionen mit besonderen Problemen zu stabilisieren, ist von der Bundesregierung die Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten verstärkt worden. Im diesjährigen Haushalt stehen dafür 75 Millionen DM zur Verfügung. Zusätzlich sind im Konjunkturprogramm weitere 75 Millionen DM bereitgestellt worden. Mithin stehen nunmehr 150 Millionen DM für den Bau überbetrieblicher Ausbildungsstätten parat. Das bedeutet, daß es fünfmal mehr Mittel sind, als 1974 zur Verfügung gestanden haben.
Die vorhandenen Mittel werden nicht nur für mittelfristig wirksame Investitionen eingesetzt, sie können auch zur kurzfristigen Entspannung der Lage beitragen. Wo z. B. betriebliche Ausbildungskapazitäten frei werden und überbetrieblich genutzt werden können, wollen wir dies von uns aus unterstützen. Insofern
Ich bitte Sie, Ihren Satz zu Ende zu führen, und frage Sie, ob Sie dann eine Zusatzfrage zulassen.
Ich darf den Satz noch zu Ende führen: Insofern, Herr Kollege Pfeifer, sind diese 150 Millionen DM auch ein Betrag, der im Blick auf konkrete und aktuelle Sorgen der Lehrstellensuchenden eingesetzt werden kann. - Bitte sehr, Frau Kollegin!
Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Minister Rohde, Sie haben gesagt, daß Sie 150 Millionen DM für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten in den Haushalt eingestellt haben. Hier geht es ja um die kurzfristige Hilfe für die arbeitslosen Jugendlichen. Können Sie mir sagen, wann diese 150 Millionen DM greifen, wie weit die Pläne dafür sind und wann überhaupt mit dem Bau begonnen werden kann, ob wir davon 1975 noch etwas haben werden?
Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Ich hatte deutlich gemacht, daß diese Beträge auch dort eingesetzt werden können, wo betriebliche Ausbildungskapazität nicht mehr genutzt werden kann, wo aber diese Kapazität in überbetriebliche Angebote und zur Stabilisierung des Lehrstellenangebotes in besonders problematischen, mit Berufsbildungsdefiziten ausgestatteten Regionen eingebracht werden kann.
Im Gegensatz zu mancherlei Spekulationen - das will ich anmerken - zeigt sich heute, daß dieses Angebot der 150 Millionen DM auf erhebliches Interesse der Beteiligten stößt und in vielen Teilen der Bundesrepublik zusätzliches Engagement für die berufliche Bildung stimuliert hat. Bis jetzt liegen bereits 70 Anträge und Bauanzeigen mit einer Gesamtsumme von mehr als 120 Millionen DM vor. Darüber hinaus haben die Bundesländer weitere Vorhaben angemeldet, von denen ein erheblicher Teil noch in diesem Jahre beantragt werden soll. Die Opposition kann also nicht davon ausgehen, daß erhebliche Beträge aus dem Programm der überbetrieblichen Ausbildungsstätten für andere Zwecke eingesetzt werden können.
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- Meine Zahlen, die ich hier genannt habe, Herr Kollege Pfeifer, gehen zurück auf die Anmeldungen, die sich gerade in den letzten Wochen verstärkt haben.
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- In den letzten Wochen hat es zusätzlich zu dem, was ursprünglich von einigen erwartet oder eingeschätzt worden war, eine Stimulanz zum Bau überbetrieblicher Ausbildungsstätten gegeben. Würden wir jetzt so verfahren, wie Sie vorschlagen, Herr Kollege, würde das zur Enttäuschung derjenigen führen,
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die sich jetzt um den beschleunigten Ausbau dieser überbetrieblichen Ausbildungsstätten bemühen. Ein Verzicht auf den Ausbau dieser Einrichtungen, die in vielen Bereichen die betriebliche Ausbildung ergänzen und zu stabilisieren in der Lage sind, würde uns schon mittelfristig - wenn nämlich die geburtenstarken Jahrgänge die Schulen verlassen -teuer zu stehen kommen. Wir müssen hier auch über den Tellerrand sehen und klarstellen, wie wir für die Jahre vorsorgen, in denen geburtenstarke Jahrgänge die Schulen verlassen und nach Ausbildungsplätzen in unserem Lande nachfragen werden.
Viertens will ich in diesem Zusammenhang anmerken, daß im Zusammenhang mit den an der beruflichen Bildung Beteiligten Probleme ausgeräumt worden sind, die im vergangenen Jahr die Diskussion belastet haben. Das trifft sowohl für die Ausbildereignungsverordnung als auch für die Richtlinien zur Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten zu.
Schließlich wird für die volle Nutzung der Kapazitäten in diesen überbetrieblichen Ausbildungsstätten auch dadurch gesorgt, daß unter bestimmten, vom Haushaltsausschuß des Parlaments festgelegten Bedingungen ein Teil der Folgekosten übernommen werden kann.
Fünftens. Im Rahmen der von der Opposition in ihrem Antrag genannten Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur stehen Mittel für die Förderung von Berufsbildungseinrichtungen bereit. Es ist nicht so, wie die Opposition vermutet, daß für Berufsbildungseinrichtungen nur 5 % der Mittel vorgesehen sind. Vielmehr wird von den Betrieben in strukturschwachen Gebieten in der Regel nur ein solcher Anteil als Investitionszuschuß für diese Zwecke beantragt. Die BundesDeutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Bundesminister Rohde
regierung würde es begrüßen, wenn diese Mittel stärker auch Berufsbildungseinrichtungen zugute kämen. Nach dem Entwurf für den Vierten Rahmenplan, der im März beschlossen werden soll, werden die Ausbildungsplätze gewerblicher Produktionsbetriebe den Arbeitsplätzen dieser Betriebe gleichgestellt und können dementsprechend auch gefördert werden.
Sie sehen an all diesen einzelnen Punkten, Herr Kollege Pfeifer, daß das, was Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben, bereits seit längerer Zeit Gegenstand konkreter Politik der Bundesregierung ist.
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Sechstens. Zwischen Bundesregierung und Bundesanstalt für Arbeit besteht Übereinstimmung darin, daß die Mittel des Arbeitsförderungsgesetzes, vor allem solche für berufsvorbereitende Maßnahmen im vollen Umfange genutzt werden sollen. Längst ehe Ihr Antrag auf den Tisch gekommen ist, hat es in dieser Beziehung eine enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit gegeben. Die Bundesregierung hat bereits Anfang Januar darauf hingewiesen, daß Förderungslehrgänge, Maßnahmen zur Verbesserung von Vermittlungs- und Eingliederungsmöglichkeiten für noch nicht berufsreife Jugendliche, Grundausbildungslehrgänge für arbeitslose Jugendliche und Bildungsangebote für behinderte Jugendliche dabei Schwerpunkte sind.
17 000 Jugendliche werden auf diesem Wege gefördert. Die Bundesanstalt für Arbeit wendet dafür etwa 160 Millionen DM auf. Auf die Frage, ob diese Zahl kurzfristig verdoppelt werden kann, hat uns die Bundesanstalt mitgeteilt, daß eine solche Erwartung auf Grenzen hinsichtlich der räumlichen und personellen Möglichkeiten der Träger wie auch der Gewinnung geeigneter Träger überhaupt stoßen würde. Ich kann aber an dieser Stelle darauf hinweisen, daß die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin bemüht sein wird, zusätzliche Kapazitäten zu gewinnen und weitere Jugendliche aus dem Kreise der Arbeitslosen zur Teilnahme an solchen berufsfördernden Maßnahmen zu bewegen.
Außerdem habe ich die Spitzen der Erwachsenenbildungsorganisationen zu einem Gespräch nach Bonn eingeladen, um auch Kapazitäten in diesem Bereich für unbürokratische Bildungsangebote an arbeitslose Jugendliche zu nutzen. Volkshochschulen haben bereits an einer Reihe von Orten Vorhaben eingeleitet, die jeweils auf die spezifischen Verhältnisse zugeschnitten sind.
Siebtens teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Ausbildungsbereitschaft der öffentlichen Hand in Zukunft besondere und - wie ich als Bildungsminister hinzufügen möchte -- wachsende Bedeutung zukommt. Seit 1969 ist die Ausbildungsquote im öffentlichen Dienst von 5,6 auf 6,7 % im Jahre 1972 gestiegen.
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Die Zahl der Plätze für Auszubildende hat sich im
Bereich der Bundesverwaltung insgesamt von 19 700
im Jahre 1970 auf 34 100 im Jahre 1973 erhöht. Bundesbahn und Bundespost stehen im Hinblick auf die nächste Zukunft vor besonderen Problemen. Die Deutsche Bundespost wird über ihren Nachwuchsbedarf hinaus 1975 zirka 1 800 Ausbildungsplätze im Fernmeldehandwerk selbst besetzen. Weitere von ihr nicht beanspruchte Ausbildungsplätze sollen per Nutzungsvertrag anderen Ausbildungsträgern für die Berufsausbildung zur Verfügung gestellt werden.
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- Die darüber hinausgehenden Plätze sollen zur Verfügung gestellt und angeboten werden. Herr Kollege Stücklen, wir werden mit den Mitteln für überbetriebliche Ausbildungsstätten dieses Programm unterstützen und Umrüstungsinvestitionen finanzieren, um auf diese Weise Ausbildungskapazität zu erhalten. Darin zeigt sich übrigens auch, daß diese 150 Millionen DM nicht nur mittelfristig, sondern auch mit Blick auf kurzfristige Wirksamkeit eingesetzt werden können.
Insgesamt will ich aber mit dem Blick auf den öffentlichen Dienst im ganzen hier feststellen, daß sowohl von den Gemeinden als auch von den Ländern in den letzten Monaten besondere Anstrengungen unternommen worden sind, um zusätzlich Ausbildungsplätze in diesen Bereichen zur Verfügung zu stellen.
Achtens. Soweit es die Frage nach den Ausbildungsmöglichkeiten derjenigen angeht, die in Konkursbetrieben ihren Ausbildungsplatz verloren haben, hat der Deutsche Industrie- und Handelstag mitgeteilt, daß in seinem Bereich davon rund 3 000 Jugendliche betroffen waren, von denen umgehend 2 730 weitervermittelt werden konnten. Kammern und Arbeitsämter gehen davon aus, daß in solchen Fällen durch flexible Zusammenarbeit geholfen werden kann.
Ich will aber in diesem Zusammenhang anmerken, daß es unsere Absicht ist, mit dem Finanzierungsinstrumentarium des neuen Berufsbildungsgesetzes für diese, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppe in Zukunft noch bessere Voraussetzungen für die Fortsetzung ihres Ausbildungsverhältnisses in einem anderen Betrieb zu schaffen.
Neuntens. Relativ ausführlich hat sich die Opposition in ihrem Antrag der Frage zugewandt, welche schulischen Angebote im Jahre 1975 gemacht werden können, urn Ausbildungsprobleme der Jugendlichen zu beheben. Es sind - da sind wir uns einig, Herr Kollege Pfeifer - insbesondere die Hauptschüler ohne Abschluß und die Sonderschüler, denen durch berufsvorbereitende Maßnahmen und andere schulische Angebote geholfen werden muß, insonderheit mit Blick auf die konkrete Situation 1975. Wenngleich es sich hier um die Verantwortung der Länder handelt, will ich von dieser Stelle aus sagen, daß die schulischen Maßnahmen in einer Reihe von Ländern längst vor Ihrem Antrag geplant und auf den Weg gebracht worden sind. Als Beispiel möchte ich die Anstrengungen in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg und in Niedersachsen nennen. Dort sind erhebliche Anstrengungen gemacht worden, um zusätzliche schulische Ka10868
pazitäten im Berufsschul- und Fachschulbereich für Angebote im Jahre 1975 zur Verfügung zu stellen.
Wenn die Opposition nach dem Engagement des Bundes im Hinblick auf schulische, d. h. in der Länderkompetenz liegende Entscheidungen fragt, dann weise ich darauf hin, daß wir von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen haben, daß der Berufsschule im Gesamtbildungssystem ein besserer Stellenwert geschaffen werden muß. Ich will hier noch einmal unterstreichen, daß nunmehr in dem Finanzierungsplan bis 1978, dem Finanzierungsplan von Bund und Ländern, mit dem der Bildungsgesamtplan mittelfristig umgesetzt werden soll, die Berufsschule mit an der Spitze dessen steht, was in den nächsten Jahren für vordringlich gehalten wird. Die Bundesregierung ist also auf diesem Feld initiativ gewesen, und sie ist im Rahmen ihrer Kompetenzen auch bereit, den Ländern beim Abbau des Berufsschullehrermangels zu helfen.
Herr Kollege Pfeifer, was die Abstimmung der Ausbildungsinhalte in Betrieb und Schule, also der Ausbildungsordnungen und der Rahmenlehrpläne angeht, so hat die Bundesregierung in den letzten Jahren - das hat schon begonnen, als die Zuständigkeit im Arbeitsministerium lag und ich an diesen Verhandlungen beteiligt war die Länder nachdrücklich zur Kooperation aufgefordert.
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- Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens werden wir den Bundesländern das Angebot machen, parallel zur Reform der beruflichen Bildung eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern abzuschließen, um in Zukunft bessere Voraussetzungen sowohl zeitlicher als auch inhaltlicher Art zur Abstimmung der Ausbildungsinhalte von Betrieb und Schule zu erreichen. Hier gibt es keine Versäumnisse.
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Schließlich will ich noch auf einen zehnten Punkt zu sprechen kommen: daß nämlich in Zusammenarbeit mit den Ländern im neuen Strukturplan für die Modellversuche die Förderung berufsbezogener Bildungswege in den Mittelpunkt gerückt worden ist. Das heißt konkret: Förderung der beruflichen Grundbildung im Rahmen des Berufsgrundbildungsjahres und Erprobung doppelt qualifizierender Bildungsgänge in der Oberstufe. Wir haben - als positives Angebot des Bundes - die Mittel für diese Modellversuche auf 40 Millionen DM erhöht. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang die Anmerkung, daß im Bundeshaushalt im ganzen die Mittel für die berufliche Bildung gegenüber dein Vorjahr verdoppelt worden sind, wobei mithin die Kurskorrektur zugunsten der beruflichen Bildung auch in den finanziellen Zusammenhängen deutlich wird.
Aber und das sei ein abschließendes Wort -all diese Sofortmaßnahmen ersetzen nicht - das will ich noch einmal unterstreichen die Reform der beruflichen Bildung. In dieser Beurteilung gehe ich beispielsweise mit einer Expertise der Bundesanstalt für Arbeit einig, die das in gleicher Weise deutlich gemacht hat und aus der klar hervorgeht, daß die Probleme des Ausbildungsplätzeangebots nicht nur mit Konjunkturverläufen, sondern vor allem mit strukturellen Veränderungen im Beschäftigungs- und Produktionssystem zusammenhängen. Sofortmaßnahmen und Reformen sind also kein Gegensatz, sie gehören zusammen, weil wir es, wie gesagt, mit Strukturproblemen zu tun haben, die nur auf der Grundlage eines besseren Gesetzes bewältigt werden können. Dazu gehören das Finanzierungsinstrumentarium, Voraussetzungen für Planung und Vorausschau in der beruflichen Bildung, konkrete Regelungen für eine bessere Beziehung zwischen Ausbildungsordnungen und Lehrplänen, die Sicherung und Entwicklung der Ausbildungsqualität und vor allem eine bessere Zusammenarbeit der an der beruflichen Bildung Beteiligten.
Meine Damen und Herren, ich gebe offen zu, daß Reform der beruflichen Bildung ein ebenso schwerwiegendes wie schwieriges Reformwerk ist: Sie müssen dabei die Strukturen des föderalistischen Bildungssystems berücksichtigen. Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen spielen eine Rolle. Sie haben es mit zwei Lernorten, nämlich Betrieb und Schule, zu tun,
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die jeweils unter verschiedene Zuständigkeiten von Bund und Ländern fallen. Sie können ferner - im Gegensatz etwa zum schulischen Bereich - die Konstanz des Angebots von Ausbildungsplätzen nicht von vornherein und ohne weiteres in Rechnung stellen. Jedes dieser Probleme wäre schon für sich allein schwierig in einem Gesetzgebungsverfahren.
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Und wenn sie alle vier zusammentreffen, dann zeigen sie die Problemlage auf, der sich ja nicht nur die Bundesregierung, sondern in den Gesetzesberatungen auch Bundestag und Bundesrat gegenübersehen. Wenn hier jeder nur seine Interessensituation und seine institutionellen Vorstellungen bis zum letzten Punkt ausreizen würde, dann wäre das ein Prozeß, der zu Lasten der auszubildenden Jugend geht. Vielmehr sind Verantwortung, Verständnis für unterschiedliche Positionen und Auffassungen erforderlich. Hier müssen Bundesregierung und die Parlamente ordnungspolitische Entscheidungen im Interesse des gesamten beruflichen Bildungssystems treffen.
Ich weiß, daß angesichts einer solchen komplexen Problemlage das Reibeisen der Polemik besonders eingesetzt werden kann. Aber damit hilft man niemandem,
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und wir lassen in den nächsten Wochen und Monaten auch niemanden damit durch. Mit Polemik, Kraftmeierei, hysterischer Zuspitzung der Diskussion oder gar damit, daß jetzt schon aus den Reihen der Opposition erklärt wird, man würde nein sagen - ehe der Gesetzgebungsprozeß überhaupt begonDeutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Bundesminister Rohde
nen hat -, mit diesen Verhaltensweisen ist der Sache und den Betroffenen nicht zu helfen.
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Sofortmaßnahmen, die bei näherem Zusehen keine sind oder nur einen kurzen Atem haben, sind kein Ersatz für Antworten auf die Strukturfragen, denen wir uns heute im beruflichen Bildungssystem gegenübersehen. Die von der Bundesregierung im Rahmen ihrer Kompetenzen eingeleiteten Maßnahmen, unsere Gespräche mit der Wirtschaft, das Zusammenwirken mit der Bundesanstalt und den Bundesländern, verdeutlichen unser Bemühen, zu einer Entspannung im Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsstellen im Jahre 1975 beizutragen.
Ich habe, Herr Kollege Pfeifer und meine Damen und Herren von der Opposition, in zehn Punkten und an Hand konkreter Sachverhalte eingehend dargelegt, was von dem, was Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben, schon längst Gegenstand konkreter Politik ist. Uns geht es darum, kurzfristig wirksame Maßnahmen und Reformprozesse in der beruflichen Bildung zeitlich und inhaltlich miteinander zu verbinden und damit, wie gesagt, eine Kurskorrektur zugunsten eines Ausbildungsweges einzuleiten, der die Bildungs- und sozialen Chancen von 75 % der Jugendlichen bestimmt.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Zeitler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen etwas sagen, das für Sozialdemokraten selbstverständlich ist: Die Sorgen der arbeitenden Jugend waren immer auch unsere eigenen Sorgen. So sind sie es heute, und deshalb beobachten wir auch die derzeitige Entwicklung der Arbeitssituation und Ausbildungssituation der arbeitenden Jugend mit allem Ernst.
Für Sozialdemokraten ist jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zuviel.
Meine Fraktion hat sich zunächst in einer Entschließung vom 28. Januar 1975 zur Sache geäußert. Ich wiederhole die dort getroffene Feststellung, daß es nicht länger hingenommen werden kann, daß Ausbildungs-, Berufs- und Lebenschancen junger Menschen allein von Konjunkturschwankungen, Strukturveränderungen und engen wirtschaftlichen Interessen abhängig gemacht werden.
Wir begrüßen alle Initiativen, Vorschläge und bereits eingeleitete Maßnahmen, die geeignet sind, der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken und ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen zu gewährleisten. Wir wenden uns aber auch gegen die Proklamationen der CDU/CSU-Opposition, die unter dem Anschein, den arbeitslosen Jugendlichen helfen
zu wollen, erneut die Interessen der Wirtschaft und ihrer Verbände einseitig vertritt.
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Und, Herr Kollege Pfeifer, das, was Sie heute vorgetragen haben - verzeihen Sie -, empfand ich eigentlich auch mehr als einen sehr lustlosen Auftakt Ihrer heutigen Berufsbildungsveranstaltung, Ihres Kongresses, den Sie im Saarland durchführen. Später noch einiges zu dem, wie ich Ihren Antrag einschätze.
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Im Augenblick möchte ich doch etwas zur Struktur der Jugendarbeitslosigkeit ausführen, dargestellt an der letzten Einzelauszählung der Bundesanstalt für Arbeit nach dem Stand von Ende Januar 1975. Es gab - wir haben das bereits gehört - 123 100 jugendliche Arbeitslose. Das entsprach 10,7 % der Gesamtarbeitslosenzahl. Allerdings war die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen seit September 1974 von 12,5 % auf 10,7 % Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit, in einem an sich sonst steigenden Prozeß, gesunken.
Die 123 000 jugendlichen Arbeitslosen teilen sich so auf: Die Gruppe der unter 18 Jahre alten hat einen Anteil von 54 000; das entspricht 43,9 %. Die Gruppe der 18 und 19 Jahre alten Jugendlichen hat einen Anteil von 69 062 oder 56,1 %. Vielleicht darf ich auch einmal einfügen: Unsere ausländischen Jugendlichen sind an dieser Zahl mit insgesamt 13 600 oder 11,2 % beteiligt.
123 100 ist also die Gesamtzahl Ende Januar. Davon waren bisher ohne jegliche berufliche Tätigkeit 14 500, während 108 500 vorher berufstätig gewesen sind. Unter diesen 14 500 Jugendlichen sind 3 733 oder, gemessen an der Gesamtzahl der jugendlichen Arbeitslosen, 3 % bisher ohne eine berufliche Ausbildung gewesen. Jeder dieser 3 733 Jugendlichen verdient, daß wir alle Anstrengungen unternehmen, ihm zu helfen. Aber entgegen der öffentlich geführten Diskussion, in der ja häufig so dramatisiert wurde, als sei das Problem der Jugendarbeitslosigkeit vornehmlich ein Problem derer, die bisher noch nicht in Ausbildung gestanden hätten, meine ich, daß sich dies relativiert, wenn man diese Zahl hört.
Mittlerweile haben wir aus einer Presseerklärung der Bundesanstalt für Arbeit vom 7. März dieses Jahres erfahren, daß sich die Gesamtarbeitslosenzahl von Ende Januar bis Ende Februar um 29 200 erhöht hat. Die Bundesanstalt selbst wertet dieses Ergebnis so:
Der Höchststand der Arbeitslosigkeit dürfte aber erreicht sein.
Wenn schon in der Zeit des Gesamtanstiegs der Arbeitslosen von September 1974 bis Januar 1975 die Jugendarbeitslosigkeit selbst sich von 12,5 % auf 10,7 % senken konnte, wenn man die eingeleiteten Maßnahmen, von denen hier schon die Rede
war, bedenkt, läßt sich wohl sagen, daß der Trend eindeutig auf eine Besserung hinläuft.
Dies bestätigen übrigens auch Nachfragen in einzelnen Arbeitsämtern. Aus dem Arbeitsamt meiner Heimatstadt Dortmund erfuhr ich: Eine fortlaufende Zählung der arbeitslosen Jugendlichen unter 18 Jahren ergab nach dem Stand vom 24. Februar 1975 folgendes. Männliche arbeitslose Jugendliche unter 18: Höchststand Dezember 1974: 438; Januar 1975: 276; 24. Februar 1975: 253, also ein absoluter Rückgang um 185 jugendliche männliche Arbeitslose. - Weibliche jugendliche Arbeitslose unter 18 im gleichen Arbeitsamt: Höchststand im Dezember 1974: 372 - und Dortmund ist ein Arbeitsamt mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit -, im Januar 1975: 364; am 24. Februar 1975 schließlich noch 318, also ein absoluter Rückgang von 54.
Als Gründe für den Rückgang werden - nicht nur in Dortmund - angeführt: Unterbringung in Lehrgängen zur Förderung und Umschulungsmaßnahmen, und insbesondere wird gesagt, daß das Programm der Lohnkostenzuschüsse und auch eine steigende Vermittlungstätigkeit greifen. - Ich habe mir übrigens gestern noch aus der Bundesanstalt bestätigen lassen, es gebe keine Hinweise auf eine negative Veränderung dieses doch erfreulichen Trends.
Meine Damen und Herren, die Ausleuchtung des Zahlenspiegels ergibt im Zusammenhang mit dem, was Herr Bundesminister Rohde hier eben ausgeführt hat, daß die Jugendarbeitslosigkeit weniger ein Problem des Mangels an Lehrstellen ist, sondern weit mehr konjunkturelle, regionale und auch strukturelle Gründe hat. Und da sind wir schon der Meinung der Bundesregierung, daß die von ihr eingeleiteten Maßnahmen richtig sind und, wie wir sehen, ja auch positiv wirken. Die Bundesanstalt unterstreicht dies übrigens selbst auch, wenn sie in dem genannten Bericht vom 7. März 1975 sagt, „daß die arbeitsmarktpolitischen Beschäftigungshilfen des Konjunkturprogrammes der Bundesregierung in steigendem Maße den Zuspruch der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden".
Unsere Hoffnungen verstärken sich auch deshalb, weil wir wissen, daß die Jugendarbeitslosigkeit bislang immer noch von relativ kurzer Dauer ist. Es liegt eine Untersuchung vor. Sie bezog 70 000 jugendliche Arbeitslose ein. Davon waren 56 000 unter drei Monaten und weitere 9 000 drei bis sechs Monate arbeitslos.
Der Antrag, der dieser Debatte zugrunde liegt, will ein Dringlichkeitsprogramm auslösen. Meine Damen und Herren, hier in der Debatte ist bereits deutlich geworden, daß dafür längst alle Weichen gestellt sind. Ich meine, Ihr Antrag käme auch von daher zu spät. Aber eigentlich will er auch nicht die Lösung des Teils der Jugendarbeitslosigkeit, die wir mit den Programmen zum konjunkturellen Aufschwung erfolgreich angegangen sind, bewirken. Der eigentliche Kern Ihres Antrags - hier läßt sich seine Insolidität besonders deutlich nachweisen ist das hier vorgeschlagene Prämiensystem, an anderer Stelle bereits richtigerweise als Kopfprämie bezeichnet. 20 000 neue Lehrstellen sollen danach 1975 mit jeweils 4 000 DM gefördert werden. Umgerechnet sollen also 80 Millionen DM aus Steuergeldern hineingepumpt werden. Ich meine, dieses Verlangen wäre zurückzuweisen. Mit ihm wird versucht, der Bundesregierung die Lösung von Problemen zuzuschieben, die die ureigene Angelegenheit der Wirtschaft sind.
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Abgesehen davon birgt Ihr Antrag auch Gefahren in sich. Die Angebotsstruktur im Lehrstellenmarkt könnte aus den Fugen geraten, dringend benötigte Ausbildungsplätze könnten künstlich zurückgehalten werden, damit man nach Ablauf einer bestimmten Frist Prämien kassieren kann. Das Angebot an Lehrstellen, meine Damen und Herren, könnte in ein Pokerspiel um Kopfprämien ausarten.
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Auch Ihr Finanzierungsvorschlag ist unsolide. Wir sind sicher, daß die Mittel des Konjunkturprogramms anders, als Sie es ausdrücken, voll abgerufen werden. Trotz fünffacher Erhöhung der Mittel für überbetriebliche Ausbildung gegenüber 1974 -sie sind nämlich in diesem Jahr auf insgesamt 150 Millionen DM aufgestockt worden, während Anträge über insgesamt 200 Millionen DM beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft vorliegen -stehen nicht abgerufene Mittel aus diesem Titel überhaupt nicht zur Verfügung. Die Verwirklichung Ihres anderen Vorschlags, eine Kürzung der Mittel für überbetriebliche Ausbildungsstätten um insgesamt 80 Millionen DM vorzunehmen, würde auf der einen Seite nur ein Loch aufreißen, um es auf der anderen Seite zu stopfen. 1
Meine Damen und Herren, das vorgeschlagene Prämiensystem der CDU CSU ist von daher unsolide. Es bringt zusätzlich die Auszubildenden noch um die Chancen, die in überbetrieblichen Ausbildungsstätten für sie liegen.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser ({0})?
Ich möchte angesichts der drängenden Zeit meine Ausführungen so zu Ende bringen.
Ich setze mich noch mit einem anderen Punkt Ihres Antrags auseinander. Die Bundesregierung soll, so heißt es da, im Zusammenwirken mit der Wirtschaft sicherstellen, daß das Ausbildungsvolumen der Wirtschaft bereits 1975 um 10 v. H. eines Ausbildungsjahres, also um zirka 40 000 Plätze, ausgeweitet werden kann, so wie es ihre Spitzenverbände in dem bekannten Brief an den Bundeskanzler vom Januar dieses Jahres als Möglichkeit aufgezeigt haben.
Meine Damen und Herren, man muß das schon mehrmals lesen. Wenn es die Wirtschaft also nur wollte, gäbe es für dieses Jahr sowohl für die Schulabgänger als auch für die noch nach Ausbildungsstellen suchenden Jugendlichen - alle zusammengenommen - eigentlich keine Probleme und keine Sorgen. Man muß also fragen: Was ist der
Preis, der dafür verlangt wird? Einmal sind es die Prämien, die wir hier bereits erörtert haben.
Nun muß man nach anderen, weiteren Hilfen suchen, wie das gedeutet werden kann, wenn vom Zusammenwirken mit der Wirtschaft die Rede ist.
({0})
Hilfen liefert da der Pressedienst der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 5. März 1975. Da äußert sich der stellvertretende Vorsitzende des Diskussionskreises Mittelstand dieser Fraktion, Herr Kollege Hauser, zu dem Problem. Diesen vorliegenden Antrag nennt er einen konkreten und den einzigen Beitrag zur Überwindung der derzeitigen Jugendarbeitslosigkeit.
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- Herr Stücklen, ich habe volles Verständnis, daß Sie an der Stelle klatschen; da tun Sie das üblicherweise.
Ich will betonen, daß die Maßnahmen der Bundesregierung zur Überwindung der derzeitigen Jugendarbeitslosigkeit doch längst wirken. Das tut er ab. Das muß er auch, denn es geht ihm ja darum, ein Problem, das die Wirtschaft allein angeht, nun der Bundesregierung aufzuhalsen. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrem Bemühen um die Schaffung von Ausbildungsplätzen; aber sosehr wir die Bereitstellung von 40 000 weiteren Ausbildungsplätzen begrüßen, so sehr weisen wir den Versuch eines Kopplungsgeschäftes zurück, eines Kopplungsgeschäftes, in dem die Bereitstellung weiterer Ausbildungsplätze von der Erfüllung massiver Forderungen der Wirtschaft abhängig gemacht. wird.
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Dem nachzugeben hieße, auch die Qualität der Berufsbildung zu verschlechtern. Man kann sich über manches unterhalten, aber doch nicht darüber, daß durch ein verwässertes Berufsbildungssystem die Qualität der Ausbildung verschlechtert wird. Damit schaden Sie den Interessen der auszubildendenden Jugendlichen erheblich.
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Aber, meine Damen und Herren: Ich sehe vor mir den Kollegen Katzer. Lassen Sie mich ihn doch einmal als Zeugen gegen Ihre Einschätzung des Berufsbildungsgesetzes hier aufführen. Laut „Kölnischer Rundschau" führte er aus:
Ich finde es schlicht skandalös, wenn Verbände ihre Berufsausbildungspolitik danach richten, daß ein kommendes Gesetz nach ihren Wünschen formuliert wird.
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Wir hören eben eine authentische Interpretation des Kollegen Katzer, dies sei absolut richtig. Er sagt weiter:
Ich kann diese Intervention der fünf Wirtschaftsverbände nur bedauern. Ganz abgesehen von der Machtfrage,
- so sagt er die dahintersteht, bedauere ich vor allem das fehlende Augenmaß für eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben dieser Tage.
- Wir auch, meine Damen und Herren, kann man da nur sagen.
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Ganz und gar kann man dann allerdings nicht mehr verstehen, wenn in dem gleichen Artikel im Pressedienst ein verbesserter Jugendarbeitsschutz, wie ihn das Haus zur Zeit in der Beratung hat, zum strittigen Gegenstand in den Bemühungen um die Behebung der Jugendarbeitslosigkeit wird. Ein verbesserter Schutz unserer arbeitenden Jugendlichen soll eine ordnungsgemäße Berufsausbildung behindern? Ich frage Sie! Ich hoffe sehr, daß die arbeitenden Jugendlichen dieses genau registrieren. Mit diesem Gesetz will niemand die Ausbildungsbetriebe verunsichern. Hier soll Jugendlichen am Arbeitsplatz dringender Schutz gegeben werden. Der CDU-Mittelstand darf nicht versuchen, eine schwierige Situation rücksichtslos für seine Interessen einseitig auszunutzen.
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- Ich habe Ihnen doch gesagt, holen Sie sich Rat bei Ihrem Kollegen Katzer. Ich empfehle Ihnen dagegen, den Rat Ihres Kollegen Strauß nicht anzunehmen, der in seiner berühmten Sonthofener Rede davon spricht,
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8 000 Jugendliche hätten in Köln keinen Lehrlingsplatz gefunden, da die Wirtschaft jetzt offensichtlich nicht mehr in der Lage sei, die Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Meine Damen und Herren, im Sonthofener Jargon gesprochen: Das ist doch dummes Zeug! Die Zahl ist nicht zu belegen, die gibt es nicht. Außerdem müßte doch der Wirtschaftssprecher Ihrer Fraktion auch erfahren haben, daß die Wirtschaft laut Brief vom Januar die Möglichkeit sieht, noch 1975 40 000 weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Strauß sagt an einer anderen Stelle, daß unter bestimmten
Herr Kollege, ich muß Sie leider auf den Zeitablauf aufmerksam machen.
Danke schön, Herr Präsident!
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- Das wird Ihnen noch oft wehtun, Herr Stücklen!
Da paßt schon eher ein anderer Teil der Sonthofener Rede Ihres Kollegen, in dem er sagte, es könnte sein, daß sich die CDU/CSU unter bestimmten Umständen mit dieser Politik tatsächlich als eine Partei der Arbeitnehmerfeinde und reinen Unternehmensinteressenvertreter ausweist. - Ich meine, die Umstände drängen dahin.
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- Das können Sie nachlesen! Um langfristig des
Problems Herr zu werden - kurzfristig haben wir das Notwendige eingeleitet -, fordere ich Sie und die Wirtschaft auf, an dem neuen Berufsbildungsgesetz mitzuarbeiten. Geben Sie wenigstens hier in diesem Bereich Ihre Politik ohne Alternativen und ohne Konzept auf, die noch verschärft wird durch die Uneinigkeit in Ihren Gruppen.
Um künftig allen Jugendlichen eine qualifizierte Berufsbildung und Berufstätigkeit zu sichern, ist das neue Berufsausbildungsgesetz dringend erforderlich.
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Wesentlicher Bestandteile dieser Reform sind eine Neuordnung der Finanzierung beruflicher Bildung und die Verankerung von Mitbestimmung und Mitverantwortung der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der öffentlichen Hand. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird alles tun, dieses Gesetz Wirklichkeit werden zu lassen.
({3})
Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Fraktionen und auch Verbände waren bisher eigentlich immer übereinstimmend der Meinung, daß Jugendarbeitslosigkeit und der Mangel an Ausbildungsplätzen nur sehr mittelbar etwas miteinander zu tun haben.
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So wird es auch im CDU/CSU-Antrag zunächst wieder betont. Die Überschrift des Antrages lautet nämlich: „Dringlichkeitsprogramm zur Überprüfung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit."
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- „Überwindung des Lehrstellenmangels und zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit." Entschuldigung! Ich bin dankbar für die Korrektur. Ich gehe davon aus, daß für beide Probleme in diesem Antrag auch eine Lösungsmöglichkeit angeboten wird. Tatsächlich findet man aber nur Vorschläge zur Schaffung von Ausbildungsplätzen.
Nun kann man dies ja in zweierlei Richtung deuten: Entweder hat die CDU/CSU keine Vorstellungen, wie man Jugendarbeitslosigkeit verringert, oder sie stellt bewußt den unmittelbaren Bezug zum Ausbildungsplatzangebot her, um damit wiederum die Bemühungen um die Berufsbildungsreform zu erschweren.
({2})
Vermutlich wird es eine Kombination von beidem sein.
An dieser Stelle kann man wieder einmal aus dem ganz ungeheuren Fundus der Strauß-Rede zitieren,
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die ja wie ein Gottesgeschenk auf uns herabgeregnet ist.
({4})
In dieser Rede steht z. B.: Wenn man anfangen würde, eine Berufsausbildungsabgabe zu schaffen, etwa ein Ausbildungssteuergesetz zu erlassen, so wäre dies alles recht und schön, aber wir wären dann immer in der unangenehmen Lage, nein dazu sagen zu müssen und dann prompt als Reaktionäre, als Arbeitnehmerfeinde, als Unternehmerinteressenvertreter zu gelten; aus dem Grunde können wir unsere Warnung und unser Nein nur pauschal aussprechen, denn die Krise muß so groß werden, daß das, was wir für die Sanierung für notwendig halten, dann auf einem psychologisch besseren Boden beginnen kann als heute.
({5})
Wenn man nun aus einem Presseorgan entnehmen kann, daß der erste Sprecher der CDU/CSU zumindest im Gespräch ist als Bildungsminister in einem Kabinett Strauß, ist es ja wohl legitim, dies hier einmal als Strategie einzubringen.
({6})
Eine Reihe der Vorschläge, die der Antrag enthält betrifft unmittelbar die Zuständigkeit der Länder. Ich scheue mich nicht, noch einmal zu betonen, daß wir Reform beruflicher Bildung wirksamer anpacken könnten, hätten wir auch Einfluß auf das schulische Angebot. Diesen Eindruck erweckt auch die Opposition mit ihrem Antrag. Leider unterstützt sie aber nicht die Bemühungen, diese Kompentenz für den Bund herzustellen.
Seit 1967 ist eine kontinuierliche Erhöhung des Anteils der jugendlichen Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen zu spüren. Dennoch deutet nichts darauf hin, daß es sich um eine strukturelle Jugendarbeitslosigkeit handelt. Gegenüber September 1974, als der Anteil jugendlicher Arbeitsloser noch 12,5 % betrug, hatten wir jetzt im Januar nur noch einen Anteil von 10,7 %. Dies aber läßt uns nicht frohlocken, weil man wohl bedenken muß, daß ein Teil der Schulabgänger des Herbstes inzwischen einen Ausbildungs- bzw. einen Arbeitsplatz gefunden hat. Aus dieser Tatsache ist abzuleiten, daß sich die Arbeitslosigkeit Jugendlicher auf eine relativ kurze Zeit beschränkt. So sind 80 % der Jugendlichen weniger als drei Monate arbeitslos.
Wir müssen aber daraus weiter schlußfolgern, daß die Maßnahmen auch für den großen Kreis der Schulabgänger im Jahre 1975 gezielt greifen müssen. Viele aus den Abgangsklassen haben bereits eine Ausbildungsstelle oder einen Platz in einer Vollzeitberufsschule erhalten; andere leben noch in Unsicherheit.
An dieser Stelle muß man wohl einmal darauf aufmerksam machen, daß wir in den einzelnen LänFrau Schuchardt
dem - und dies ist eine reine Länderfrage - auch einen Numerus clausus an den Vollzeitberufsschulen haben. Wenn z. B. gerade im Bereich des Handels wenige Ausbildungsplätze bestehen, so gilt dies auch für die Anzahl der Plätze in den Handelsschulen. Erschwerend für die Bewerber kommt hinzu, daß die höheren Handelsschulen erst sehr spät einen ablehnenden Bescheid schicken. Diese Information habe ich in Schleswig-Holstein unmittelbar sammeln können. Das versetzt die Schulabgänger in die Situation, daß sie sich zu spät um einen Ausbildungsplatz bewerben können, und das trifft nicht immer die schlechtesten Schüler. Ich meine, daß sich die Länder hier in der Tat mehr einfallen lassen müssen. Herr Pfeifer, Sie haben uns die Länder als Vorbild dargestellt. Vielleicht sollte man sich damit einmal etwas intensiver beschäftigen.
Die Zusammensetzung der jugendlichen Arbeitslosen ist vorwiegend auf genau diejenigen beschränkt, die eine schlechtere oder überhaupt keine Berufsausbildung haben.
Das Arbeitsplatzangebot für Jugendliche ist sicherlich durch die gesetzlichen und tariflichen Regelungen zum Schutze älterer Arbeitnehmer belastet, die wir damals schützen wollten, weil wir wissen, daß ältere Arbeitnehmer eben sehr immobil sind. Dieses war politisch gewollt, und wir stehen nach wie vor dahinter. Zweitens geht es um Maßnahmen des Jugendarbeitsschutzes. Auch dahinter stehen wir nach wie vor. Herr Pfeifer führte hier an, daß das alles während der CDU-Regierungen so noch nicht bestanden habe. Dem kann man in der Tat zustimmen.
({7})
Wir haben durch gesetzgeberische Maßnahmen weite Bevölkerungskreise geschützt und müssen hier nun durch gezielte Maßnahmen den Kreis, der dadurch nachteilig betroffen ist, kompensieren. Ich kann mich nicht so gut in die Vergangenheit versetzen wie Sie, Herr Pfeifer. Vieles, was damals versäumt worden ist, ist nachgeholt worden, seit die sozialliberale Koalition besteht.
({8})
Daß erstmalig Arbeitsuchende es schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden, ist ebenfalls einleuchtend. Denken wir nur an Nullstellen; dann wissen wir, daß dies zuerst diejenigen trifft, die sich neu um einen Arbeitsplatz bewerben.
Nun handelt es sich bei dem gesamten Problem der Arbeitslosigkeit, also auch bei dem Problem der jugendlichen Arbeitslosen, um ein Strukturproblem in der Wirtschaft. Dies zu beherrschen, bedeutet, daß sich unsere Wirtschaft einem Strukturwandel unterziehen muß. Dazu aber brauchen wir wiederum Arbeitnehmer, die zu einem solchen Strukturwandel auch fähig sind. Das heißt, die Verringerung von Arbeitslosigkeit erfordert qualifizierte Ausbildung. Reform beruflicher Bildung verschärft nicht die Arbeitslosigkeit, sondern hilft, sie längerfristig wirksam zu verhindern.
({9})
Die Gründe für den Mangel an Ausbildungsplätzen sind sehr vielfältig. Natürlich ist das Ausbildungsplatzangebot auch konjunkturabhängig. So hat z. B. eine Betriebsbefragung auf Antrag des BMBW ergeben, daß zwei Fünftel der Betriebe angeben, die Nachwuchseinstellung sei von der Umsatzentwicklung und den Auftragseingängen abhängig.
Hinzu kommt, daß die Nachfrage in den nächsten Jahren erheblich steigen wird. Das heißt, wir brauchen also eine erhebliche Zunahme an Ausbildungsplätzen, um die Nachfrage zu befriedigen. Diese Nachfrage wird durch die geburtenstarken Jahrgänge auf der einen Seite und durch den erfreulicherweise abnehmenden Anteil der Jugendlichen, die überhaupt keinen Ausbildungsplatz haben wollen, auf der anderen Seite bedingt. Dieses, so finde ich, sollten wir begrüßen. Wir sollten die Jugendlichen sogar motivieren, sich ausbilden zu lassen.
({10})
Die steigenden Ansprüche an die Qualität der Ausbildung haben die Ausbildung nicht nur teurer gemacht, sondern auch eine Reihe von Betriebe
z. B. stark spezialisierte Betriebe von der Ausbildung ausgeschlossen.
Eine solche Debatte sollten wir, so meine ich, gleichzeitig nutzen, um Jugendliche und deren Eltern darauf hinzuweisen, daß eine gute Ausbildung längerfristig ein guter Schutz gegen Arbeitslosigkeit ist.
({11})
Zwei Drittel der Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag sind weiblichen Geschlechts. Daraus wird deutlich, daß das alte Rollenbild „Eine Frau heiratet ja doch" noch immer vorherrscht. Dieses Rollenbild sollte gerade in der Schule und bei der Berufsberatung abgebaut werden.
({12})
Die CDU/CSU bezieht sich in ihrem Antrag auf die Vorschläge, die die fünf grollen Wirtschaftsverbände in einem Brief an den Bundeskanzler gemacht haben.
({13})
Nun findet sich darunter ohne Frage eine Reihe von akzeptablen Angeboten. Der Vorschlag allerdings, die Berufsausbildung inhaltlich zu verschlechtern, um die hinreichende Anzahl von Plätzen zu sichern, findet nicht unsere Zustimmung. Natürlich kann man Ausbildungsordnungen ändern, ohne daß dies gleich mit einem Qualitätsverlust verbunden ware. Wenn es berechtigt ist, sollte man sich auch nicht scheuen, dies zu tun. Aber keine Ausbildungsordnung das muß man wissen - ist bisher gegen Wirtschaft oder Gewerkschaften erlassen worden. Wenn Spitzenverbände schon einen so wesentlichen Einfluß haben, sollte man sich auch auf ihr Wort verlassen können. Man sollte sich darauf verlassen können, daß in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entsteht, als ob diese Ausbildungsordnungen ein reiner Willkürakt soziallibeFrau Schuchardt
raler Koalition seien. Dieses ist sehr wohl alles miteinander abgestimmt.
({14})
Die CDU/CSU schlägt vor, Ausbildungsplätze auf dem Wege über eine starre Prämie von 4 000 DM pro Jahr zu schaffen. Ich gehe davon aus, daß zumindest die Bildungspolitiker aus der Fraktion der CDU/CSU den Bericht der sogenannten EddingKommission gelesen haben. In diesem Bericht ist ganz deutlich gemacht worden, wie unterschiedlich teuer Ausbildung ist. Die Ausbildung ist in einer Reihe von Fällen wesentlich billiger als 4 000 DM pro Jahr; in anderen Fällen wiederum kostet sie ein Vielfaches davon. Eine solche starre Prämie hätte also zur Folge, daß nur solche Betriebe davon Gebrauch machen, die sogenannte billigere Ausbildungen anbieten. Dies ist bildungspolitisch in höchstem Maße fragwürdig. Die Bundesregierung hat in ihrem Referentenentwurf eines Berufsbildungsgesetzes deshalb eine nach Kosten gestaffelte Prämie vorgesehen.
Der Bau von überbetrieblichen Ausbildungsstätten wird von der Bundesregierung bereits erheblich gefördert. Man muß nur wissen: zwar können eine Reihe von Betrieben mit Hilfe dieser Ausbildungsstätten vermehrt ausbilden, weil Lernschritte, die diese Betriebe selbst nicht anbieten können, dort angeboten werden; aber ein Ersatz für Ausbildungsplätze werden diese Ausbildungsstätten wohl nicht sein können.
Daß der öffentliche Dienst und die öffentlichen Unternehmen ihrerseits versuchen müssen, die angespannte Lage zu entschärfen, ist kein Streitpunkt. Herr Pfeifer, wenn Sie die 40 000 Plätze allerdings mit Post und Bahn in Verbindung bringen, so ist das der falsche Bezug. Post und Bahn bemühen sich schon seit langem, den Bedarf an Kräften, den sie selbst haben, auch selbst auszubilden. Eine Reihe der Kräfte, die dort ausgebildet werden, ist sogar in die Wirtschaft abgewandert.
({15})
Es handelt sich hier also im wesentlichen um den Bereich des öffentlichen Dienstes, und dort wird entsprechend geprüft. Wenn also die Ausbildungskapazitäten bei Post und Bahn nicht voll genutzt werden, so einfach deshalb, weil der Bedarf nicht mehr entsprechend ist. Es laufen inzwischen schon Programme, die darauf abzielen, diese Ausbildungsstätten als überbetriebliche Ausbildungsstätten zur Verfügung zu stellen.
Ich meine aber, daß man bei den Anforderungen an den öffentlichen Dienst eines ganz wesentlich mit in Betracht ziehen muß: Leider entsteht bei denjenigen, die im öffentlichen Dienst oder in öffentlichen Unternehmen ausgebildet werden, auch ein gewisses Anspruchsdenken, später dort eingestellt zu werden. Dieses nimmt uns, so meine ich, etwas Bewegungsspielraum. Das heißt, wenn wir jetzt alle Kapazitäten im öffentlichen Dienst anbieten
würden und gleichzeitig hinterher nicht die Planstellen bereitstehen, um sie zu übernehmen, meine ich, verlagern wir ein Problem auf einen Zeitraum drei Jahre später, das wir lieber heute schon mit diskutieren sollten.
Durch die Reform der beruflichen Bildung und durch die damit verbundene Anhebung der Anforderungen an die Auszubildenden werden wir mit dem Personenkreis der Sonderschul- bzw. der Hauptschulabgänger ohne Abschluß konfrontiert. Hier muß man ein sehr differenziertes Bildungsangebot bereitstellen. Das Berufsbildungsgesetz wird Ausbildungsordnungen vorsehen müssen für besonders stark behinderte Jugendliche. Wir sollten dafür sorgen, daß das nicht zu einer Standardausbildung in der Wirtschaft führt.
Ziel bei der Reform der beruflichen Bildung ist es, Qualität zu heben, ohne gleichzeitig Quantität zu gefährden. Bundesminister Rohde und Herr Zeitler haben bereits einige der Aktionen und Maßnahmen, die die Bundesregierung eingeleitet hat, vorgetragen. Ich möchte sie nicht wiederholen.
Auf eines möchte ich aber abschließend noch eingehen. Es ist eine sehr merkwürdige Situation: bevor ein Berufsbildungsgesetz überhaupt im Bundestag eingebracht ist, geschweige verabschiedet wird, beschließen die Kultusminister der CDU/CSU-Länder bereits, es im Bundesrat scheitern zu lassen. Ich finde das sehr bemerkenswert: ohne zu wissen, was eigentlich darin steht, schon anzukündigen, daß man es scheitern lassen wird.
({16})
Hier hat man den Bundesrat leider zu einem Instrument der Parteipolitik gemacht. Das entspricht nicht seiner eigentlichen Rolle als Länderkammer. Ich hoffe, daß wir dennoch als sozialliberale Koalition nicht den Mut verlieren werden und all diese Probleme anpacken.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schedl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rohde hat hier die CDU/CSU aufgefordert, doch von dem Dringlichkeitsprogramm Abstand zu nehmen, konkrete Vorschläge zur beruflichen Bildung vorzulegen. Er hat uns deutlich zu machen versucht, daß die Lösung der SPD, die das Gesamtproblem der Jugendarbeitslosigkeit erkannt habe, eben die Lösung der Gesamtgesetzgebung zur Reform der beruflichen Bildung sei. Nur, Herr Minister, wenn Sie dies hier darstellen und dann am Ende Ihrer Ausführungen darlegen, wie schwer die Dinge zu konkretisieren sind wir haben ja alle erlebt, was sich in den letzten Monaten im Bereich Ihrer eigenen Koalition abgespielt hat -, dann müssen wir Sie einfach noch einmal eindringlich fragen: glauben Sie wirklich, daß Sie die aktuellen Schwierigkeiten auf dem Wege einer solchen Gesamtgesetzgebung in den Griff bekommen könSchedl
nen, - nach all dem, was Sie in Ihrem eigenen Bereich, von den Betroffenen völlig abgesehen, hinter sich haben? Sie selber müßten das am besten wissen.
({0})
Sie sagen, Sie hätten das Problem der Jugendarbeitslosigkeit erkannt. Sicher, einige Ihrer Präsidiumsmitglieder haben im Januar bemerkenswerte Presseerklärungen in der Öffentlichkeit abgegeben. Diese haben nämlich erklärt, das Problem sei nur da, weil die Reform der beruflichen Bildung noch nicht abgeschlossen sei. Dann sagen Sie: „Nun kommen Sie eine Woche später mit Ihrem Programm." Ja, wir kommen damit, weil wir nicht zuletzt auch damit zum Ausdruck bringen wollten, daß die Jugendarbeitslosigkeit insgesamt mit der Neuordnung der beruflichen Bildung nicht abgeschafft sein wird. Wir wollten damit zum Ausdruck bringen, daß neben den konjunkturellen und strukturellen Schwierigkeiten, die Jugendarbeitslosigkeit bewirken - daran sind ja die Leute schuld, die auf einem Klavier in dieser Regierung spielen, und nicht wir -, auch das Problem der Lehrstellen, der nichtangebotenen Ausbildungsstellen jetzt, aber ganz besonders bei Ende des laufenden Schuljahres, uns in erneute Schwierigkeiten bringen wird.
Herr Kollege Zeitler, nur eine einzige Bemerkung zu dem, was Sie hier gesagt haben. Es ist draußen vielleicht ganz wirkungsvoll, zu sagen, jeder Arbeitslose ist einer zuviel. Nur, wenn Sie in Ihren Ausführungen sagen, man müsse auch die Quantität sehen, und jetzt seien es ja nur - nur! -3 300 Auszubildende, dann denken Sie bitte auch an das nächste Schuljahresende! Wir bieten Ihnen hier ja Möglichkeiten, zumindest an diesem einen Punkt Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Sie brauchen sie nur aufzunehmen. Die Erklärung, einer sei schon zuviel, wie Sie draußen immer wieder feststellen - ({1})
- Herr Zeitler, auf den Punkt komme ich noch besonders. Darüber werden wir uns noch unterhalten.
Wenn Sie dies dann mit der Feststellung verbinden, daß dies alles gar nicht nötig sei, man werde das mit einem generellen Programm erledigen, so glauben wir, daß Sie so auf gar keinen Fall zu vernünftigen Lösungen kommen, wie wir sie sehr schnell brauchen.
Herr Rohde, Sie reden hier von der Sorge um das Ausbildungsplatzangebot, Sie reden hier davon, daß Sie sich verschiedener Institute der Wirtschaft bedienen müßten, die Ihnen Zahlen liefern, und so weiter. Herr Rohde, dürfen wir einmal fragen, von welchem Vorgänger Sie dieses Ministerium eigentlich übernommen haben?
({2})
Hatte der bloß deswegen, weil Sie damals von uns
eine verhältnismäßig intakte und funktionierende
Konjunktursituation übernommen haben, überhaupt
nie die Idee, daran zu denken, hier einiges zu verbessern und voranzubringen?
Noch ein Hinweis, Herr Rohde. Ich bin kein Bildungspolitiker; ich werde und will nie einer werden. Nun habe ich ab und zu gelesen, daß der Bildungsgesamtplan immer mehr Abiturienten, immer mehr Hochschulstudenten bringen sollte. Dies ist auch nicht unsere Erfindung, Herr Minister. Ich glaube, Sie sollten hier nicht mit einem Hinunterdrücken der beruflichen Bildung argumentieren, wo Sie wissen müßten, wer sie einmal ganz entscheidend hinuntergedrückt hat.
({3})
Meine verehrten Damen und Herren, dann ist hier natürlich wiederholt der Brief der Wirtschaft angesprochen worden. Frau Kollegin Schuchardt, ich möchte unterschreiben, was Sie hier sagten: daß man auch bei den Verbänden ganz genau hinsehen muß, wenn Zahlen und wenn Argumente geliefert werden. Sie haben das in einer Richtung getan, wie man es durchaus unterstreichen kann.
Herr Zeitler, Ihr Minister hat erklärt, er habe sich mit den Beteiligten unterhalten. Wir kennen das, das begann am 11. Juni vorigen Jahres mit einer Rede hier im Plenum. Er hat dann geschlossen, indem er sagte, die Wirtschaft stehe mit 40 000 zusätzlichen Lehrplätzen im Wort. Sie haben das noch einmal gesagt, Herr Zeitler, haben das aber dann noch mit der Feststellung untermauern wollen, unser Dringlichkeitsprogramm sei allein durch das Anbieten der Prämien - „Kopfgeldprämie" haben Sie das genannt - ein reines Programm für die Wirtschaft. Ich darf Ihnen dazu sagen, in bezug auf die Wirtschaft würde ich vorsichtiger argumentieren. Mir hat vor kurzem ein führender Mann des DGB, Herr Otto Semmler, der diese Fragen behandelt, erklärt: „Gehen Sie mit der Wirtschaft vorsichtig um; das betrifft nämlich Arbeitgeber genauso wie Arbeitnehmer." Er hat von der Sache her völlig recht. So haben Sie es aber nicht gemeint. Sie haben die Spitzenverbände der Wirtschaft und ihr Schreiben und damit lediglich die Arbeitgeberseite der Wirtschaft gemeint.
Wenn Sie dies sagen, und wenn Herr Rohde sagt, der Finanzierungsvorschlag enthalte ein undifferenziertes Verfahren mit der Gießkanne, es sei alles sehr schwierig: Herr Rohde, dies würde ich wirklich nicht tun, wenn ich ein Finanzierungsmodell wie das Ihre vorgelegt habe, daß Sie in drei Kanzlerrunden geben mußten, das hin- und hergezogen worden ist, das Sie und der mitverantwortliche Minister heute noch in ganz wesentlichen Punkten nach draußen differenziert vertreten. Wie können Sie dann für das Krisenmanagement einer Krise, die Sie verschuldet haben, - ({4})
- Meine Damen und Herren, unser Dringlichkeitsprogramm ist kein Dauermodell. Unser Dringlichkeitsprogramm enthält einen einmaligen Antrag, Herr Zeitler,
({5})
um nicht im Herbst statt vor 3 300 vor Tausenden von fehlenden Ausbildungsplätzen zu stehen. Sie haben aber Ihr Finanzierungsmodell für eine Dauerlösung angeboten, und dies ist in wesentlichen Punkten gar nichts anderes. Deshalb, Herr Zeitler: Vorsichtig mit den „Prämien" und den „Kopfgeldern", und wie Sie das alles genannt haben! Sie haben hier auch noch aus dem Konjunkturprogramm die Mobilitätshilfe und die Lohnkostenzuschüsse mit in die Argumentation eingeführt. Meine verehrten Damen und Herren, dies sollten Sie auf gar keinen Fall tun, nachdem Sie von uns vorgelegte derartige Modelle in jener Form kritisiert haben.
Herr Minister, zur Finanzierung haben Sie uns gesagt, wir würden hier großzügig über das Geld der überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen verfügen, das ja für diesen Bereich gebraucht werde. Sie haben allerdings Ende Januar noch in einem Brief geschrieben:
Unter den gleichen Bedingungen wird der Mittelabfluß in 1975 auf 50 Millionen DM geschätzt.
Volle 150 Millionen DM haben Sie aber angesetzt! Sie haben aber dann eines gesagt, was mich im Hinblick auf die langfristige Lösung erneut wieder bedenklich macht. Sie haben eine Andeutung gemacht, nach der wir wieder befürchten müssen, daß überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen bei Ihnen auf Dauer nicht eine betriebsbegleitende, ergänzende Maßnahme sein sollen, sondern daß Sie durchaus dazu neigen, sie zu einer dritten Säule werden zu lassen. Dagegen sind wir. Darüber werden wir an anderer Stelle diskutieren. Aber bei 150 Millionen DM Ansatz und einem Abfluß von nur 50 Millionen DM gibt es gar keinen Grund, hier zu erklären, Sie hätten aus dieser Position heraus keine Möglichkeit. Und es besteht für Sie kein Anlaß, so zu tun, als ob unser Deckungsvorschlag nicht seriös und tragfähig wäre. Zur Abstimmung der Rahmenlehrpläne zwischen den Ländern: Meine verehrten Damen und Herren, zu diesen Schulfragen komme ich leider aus zeitlichen Gründen nicht mehr. Nur eines, Herr Bundesminister: Die Aufforderung zur Kooperation an die Länder funktioniert dann am besten, wenn Sie Ihre Kooperationsbereitschaft als Bund diesen Ländern gegenüber deutlich spürbar zum Ausdruck bringen. Dann funktioniert sie am besten. Allein das markige Auffordern der anderen, sie sollten doch endlich einmal etwas tun, ist ja in allen Bereichen nicht immer das beste.
({6})
Frau Kollegin Schuchardt, zu den Fragen des Jugendarbeitsschutzes doch noch eine Bemerkung. Niemand von uns will diese Fragen, die außerordentlich schwierig sind - die immer höher werdenden Anforderungen an die Wirtschaft, dies alles kennen wir -, etwa so behandeln, als ob dies nicht notwendig wäre. Nur dürfen Sie es auch nicht falsch verstehen, wenn wir Sie gerade im Interesse der jungen Leute, Herr Zeitler, dazu auffordern, heute und in dieser neuen Situation noch einmal gründlich zu überdenken, ob neue, wesentlich weitergehende Vorstellungen hier im Moment wirklich durchführbar und durchsetzbar sind, ob wir dadurch
nicht mit diesen jungen Leuten erneut in große Schwierigkeiten kommen. Nicht, weil die bösen Unternehmer wieder boykottieren, sondern weil sie einfach von den Gegebenheiten her dann nicht mehr in dem bisherigen Maße in der Lage sind, ihre Ausbildungsbereitschaft auch durch den Ausweis von Plätzen zum Ausdruck zu bringen.
All das, was hier im Zusammenhang mit dem öffentlichen Dienst angeführt worden ist, könnte durch aktuelle Zahlen noch belegt werden. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit möchte ich Ihnen das an dieser Stelle ersparen.
Ich darf Sie für uns noch einmal darauf hinweisen: Wenn Sie das wollen, was Sie, Herr Zeitler, gesagt haben, wenn Sie den jungen Leuten helfen wollen, auch in der kleinen Zahl, wenn Sie das glauben, was Herr Rohde sagte, der darauf hingewiesen hat, wie schwierig und wie schwerwiegend eine derartige Gesetzgebung ist - wenn Sie das alles sehen, dann können Sie diesen Kreis nur schließen, wenn Sie mit uns hier und heute Krisenmanagement für die nächsten Monate machen und wenn Sie vernünftig, überlegt, abgesichert auf Dauer nicht systemumstülpend wirken, sondern eine vernünftige Reform anstreben. Wenn ich das so hart sage, dann dient dieses Reibeisen, Herr Minister Rohde, nicht der Polemik, sondern dem Abschleifen von Kanten, an denen sich die jungen Leute-und um die geht es in erster Linie - Schrammen holen würden.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist ein typisches Beispiel einer Notmaßnahme, in der die CDU/CSU wie auch auf anderen Gebieten glaubt, ein gesellschaftliches Problem mit einigen kurzfristigen Maßnahmen sozusagen aus dem Handgelenk lösen zu können. In dieser Auffassung hat mich mein Herr Vorredner noch besonders bestärkt.
({0})
Nur kurzfristige Programme sind jedoch nicht geeignet, die anstehenden Fragen zu lösen, erst recht nicht, wenn sie mit dem Beigeschmack von Panikmache behaftet sind.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen?
Nein, aus Zeitgründen kann ich das leider nicht zulassen.
({0})
Im übrigen bedurfte es dieses Anstoßes auch nicht; die Bundesregierung hat mit Hilfe einiger Länder und der Bundesanstalt für Arbeit, wie Sie aus den Ausführungen des Ministers Rohde und des Kollegen Zeitler gehört haben, bereits vor längerer Zeit
einen Katalog von Maßnahmen eingeleitet, um die Jugendarbeitslosigkeit einzuschränken.
Dabei waren es insbesondere die von der Sozialdemokratie geführten Länder, die eine Fülle von Initiativen eingeleitet haben, so daß z. B. in vielen Arbeitsamtsbezirken die Jugendarbeitslosigkeit gerade in den letzten Wochen bereits spürbar zurückging.
({1})
Wo bleiben übrigens, so frage ich mich, hier besondere Initiativen der CDU-Länder? Ich meine, dort sind der Initiative keine Grenzen gesetzt. Lassen Sie mich als Mitglied eines Berufsbildungsausschusses in der Industrie- und Handelskammer sagen: Auch dort können Initiativen entwickelt werden. Wenn Sie da Initiativen und Ideen brauchen, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
({2})
Das gilt z. B. auch hinsichtlich besonderer Programme für eine geeignete Behindertenausbildung. Da sind wir schon in der Diskussion. Hierher gehört auch eine Aufforderung an die örtliche Wirtschaft, sich ihrer Verpflichtung der Berufsausbildung nicht zu entziehen, wenn sie weiterhin führend in der Berufsausbildung bleiben möchte. Die Bundesregierung ist ja schließlich nicht Vermittler von Ausbildungsstellen.
({3})
Was an kurzfristigen Maßnahmen in einer konjunkturell schwierigen Lage getan werden mußte, hat die Bundesregierung getan und wird sie weiter tun.
({4})
- Wir haben vorhin gehört, welche Programme bereits angelaufen sind. Ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal in Nordrhein-Westfalen das Programm anzusehen; das ist sehr interessant.
({5})
Die Jugendarbeitslosigkeit ist in erster Linie ein konjunkturelles Problem. Ich bin der Auffassung, daß man die Jugendarbeitslosigkeit und das Ausbildungsangebot differenziert sehen muß.
({6})
Eine eingehende Analyse des hierfür zur Verfügung stehenden Zahlenmaterials macht nämlich deutlich, daß die Jugendarbeitslosigkeit lediglich in geringem Maße durch den Mangel an Ausbildungsstellen bedingt ist.
Lassen Sie mich zur Bekräftigung dieser Aussage an dieser Stelle die letzten Zahlen aus einem Arbeitsamtsbereich nennen; Herr Zeitler hat das auch schon getan. Im Arbeitsamtsbezirk Siegen - ein mittelgroßer Bezirk mit sehr unterschiedlicher Struktur - waren Ende Januar insgesamt 431 Jugendliche unter 18 Jahren arbeitslos. Nun denken Sie bitte nicht, diese Jugendlichen kommen alle gerade frisch von der Schule und suchen eine Ausbildungsstelle, die sie nicht erhalten haben, und deswegen sind sie arbeitslos. Die Zahl der Jugendlichen, für die das zutrifft, beläuft sich im gesamten Arbeitsamtsbereich auf 41, und das - um Ihnen das einmal plastisch darzustellen - bei insgesamt 138 000 Beschäftigten im Arbeitsamtsbereich. So sieht die Relation aus. Dabei möchte ich besonders außer Frage stellen, daß jeder Arbeitslose, ganz gleich, wie groß die Zahl ist, ein Problem darstellt.
Bei der soeben vorgenommenen Betrachtung darf nicht darüber hinweggesehen werden, daß Jugendarbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildungsstellen in einem Zusammenhang stehen. Es reicht daher nicht, den Jugendlichen, wie der CDU/CSU-Antrag es fordert, in dieser Situation zusätzliche Bildungsangebote zu unterbreiten, sondern die Verantwortlichen müssen sich dem Zusammenhang von Jugendarbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildung grundsätzlich stellen. Es ist unverantwortlich, sich mit einem kurzfristigen Abbau der Jugendarbeitslosigkeit zufriedenzugeben und die dahinterliegenden Probleme unseres Ausbildungssystems zu übersehen.
({7})
- Herr Katzer, darauf komme ich gleich noch.
Würde nämlich die Diskussion um die berufliche Bildung nur noch unter quantitativen Überlegungen des Ausbildungsstellenangebotes geführt, träte eine Situation ein, die in vielen Fällen nur eine verschobene Arbeitslosigkeit darstellt. Solche Überlegungen dienen nicht der Sicherung der beruflichen Zukunft der Jugend, sondern wären geradezu ein Betrug an den jungen Leuten.
({8})
Gerade das Inangriffnehmen einer Gesamtreform der beruflichen Bildung ist dringend geboten.
Da fehlt es der CDU/CSU an jeglicher Konzeption. Ich habe das Gefühl, daß man diese auch nicht erwarten kann.
({9})
Ich glaube, auch der Kongreß in Saarbrücken wird da nichts Neues bringen. Die in der CDU/CSU unter einem Dach vereinten Gruppen können sich offensichtlich nicht einigen, und von dieser Konzeptionslosigkeit soll nun ein Dringlichkeitsprogramm ablenken.
({10})
Den Strukturproblemen der beruflichen Bildung stellt sich die CDU/CSU - wenn überhaupt - nur auf Parteitagen, deren Beschlüsse anschließend Makulatur sind.
({11})
Wie sonst soll ich Herrn Katzer verstehen, der mit
einer gewissen Bitterkeit feststellte, daß viele
Leute in seiner Partei so tun, als hätte es Parteitags10878
beschlüsse nicht gegeben, und man könne wieder auf der grünen Wiese von vorn anfangen.
Ich halte also noch einmal fest, daß ein Gesamtprogramm der CDU/CSU zur beruflichen Bildung nicht vorliegt. Wenn sie sich nun schon zu einem Dringlichkeitsprogramm aufgerafft hat, dann sollte das Kernstück wenigstens solide sein. Das ist jedoch - Sie haben darüber bereits durch den Kollegen Zeitler gehört - unsolide. Das Angebot an Lehrstellen - würde man diesem Prämiensystem folgen - würde zu einem Pokerspiel um Kopfprämien. Außerdem ist zu fragen, ob nicht die Verwirklichung des CDU/CSU-Antrages die Ausbildungsfähigkeit gerade der mittelständischen Wirtschaft erheblich beeinträchtigen würde, weil diese Betriebe nur mit überbetrieblichen Angeboten überhaupt ausbildungsfähig bleiben. Ferner werden die bestraft, die jetzt mit erheblichen eigenen Mitteln Ausbildungsstätten unterhalten und dort für eine zeit- und zukunftsgerechte Ausbildung sorgen. Deshalb richtet sich der CDU/CSU-Antrag nicht nur gegen die Interessen der Auszubildenden, sondern auch gegen die mittelständische Wirtschaft.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Erstens. Dieses sogenannte Dringlichkeitsprogramm fordert mit vielen wohltönenden Worten kurzfristige Maßnahmen, die von der Bundesregierung längst eingeleitet sind. Zweitens. Dort, wo es vorschlägt, Neues zu machen, ist es unsolide und würde eine fatale Entwicklung einleiten. Drittens. Den heutigen Strukturproblemen der Berufsbildung stellt sich die CDU/CSU überhaupt nicht. Gerade das ist aber für eine dauernde Lösung unerläßlich. Keiner darf sich darüber hinwegtäuschen, daß kurzfristige Maßnahmen zwar notwendig sind - wie von der Bundesregierung mit teilweiser Unterstützung der Länder und mit Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit bereits eingeleitet -, daß es aber erforderlich ist, jetzt endlich die Strukturprobleme der beruflichen Bildung anzugehen und durch weitgehende Ausbildungsangebote für alle Jugendlichen Ausbildungsmöglichkeiten zu erreichen.
Das uns in Kürze zur Beratung vorliegende neue Berufsbildungsgesetz wird diese Grundsatzprobleme der beruflichen Bildung in Angriff nehmen. Dazu gehört insbesondere, den Stellenwert der beruflichen Bildung im Gesamtbildungssystem im Sinne einer Gleichwertigkeit zu verstärken. Lassen Sie mich es so sagen: Wir Sozialdemokraten können es nicht weiter hinnehmen, daß die berufliche Bildung hinter den Problemen des allgemeinbildenden Schulwesens und den Hochschulen zurücksteht.
({12})
Wir hoffen, daß sich die Opposition sowohl im Interesse der arbeitenden Jugend und ihrer Zukunft als auch der wirtschaftlichen Entwicklung und unser aller Wohlergehen von morgen der Verantwortung für die Neuordnung der beruflichen Bildung nicht entzieht.
({13})
Sie haben ja Möglichkeiten, Ihre Initiativen auch einmal darzulegen.
({14})
Von der Jugend selbst erwarten wir, daß alle angebotenen Möglichkeiten wahrgenommen werden. Denn für die Jugend das zeigt die jetzige Jugendarbeitslosigkeit mit einem großen Anteil Unausgebildeter - ist eine möglichst breit gefächerte Ausbildung die beste Sicherung gegen Arbeitslosigkeit.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen kurzen Beitrag zur Situation der von der Arbeitslosigkeit betroffenen Jugendlichen leisten.
Vorab aber eine kurze Bemerkung zu Ihnen, Frau Kollegin. Sie können sich beruhigen: Die CDU/CSU hat eine klare Konzeption zur beruflichen Bildung. Und wer die Geburtswehen bei der derzeitigen Koalition bei der Einigung für die jetzige Konzeption gesehen hat, sollte sich nicht soviel Sorgen machen über die Einigung bei der CDU/CSU.
({0})
Die Wirtschaftskrise bedroht auch die behinderten Jugendlichen. Diese sind in der Phase einer wirtschaftlichen Rezession besonders stark betroffen. Als alarmierend muß die Situation der Sonderschüler angesehen werden, die in diesem Jahre zur Entlassung kommen. Sie haben es besonders schwer, Ausbildungsplätze zu finden. In einzelnen Bundesländern gehen die zuständigen Stellen davon aus, daß nur jeder Zehnte einen Ausbildungsplatz finden wird. Es ist nicht auszuschließen, daß im verschärften Wettbewerb um betriebliche Ausbildungsplätze behinderte Jugendliche unterliegen.
Durch das Ansteigen des allgemeinen Bildungsniveaus in der Gesellschaft war es schon in den letzten Jahren schwieriger geworden, für Sonderschüler einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu erhalten. Die Berufsberatungsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit weist aus, daß es schon in der Vergangenheit für jugendliche Behinderte nicht genug Lehrstellen gegeben hat. Fast die Hälfte von ihnen gehört, wie der VdK in der neuesten Nummer der „Fackel" berichtet, zum Kreis der Lernbehinderten. Ein Viertel ist körperbehindert; dazu kommt noch die Gruppe der geistig Behinderten.
Kürzlich verglich ein Landesarzt die in den nächsten Jahren in zunehmender Zahl zur Schulentlassung kommenden Sonderschüler mit einem Zug, dem man auf jedem Bahnhof betroffen, aber freundlich zuwinkt, ohne seine Ankunft auf der nächsten Station anzukündigen oder genügend vorzubereiten. Eine große Zahl steht kurz vor der Ankunft am Bahnhof „Schulentlassung, Berufsausbildung", und für manche kann es die Endstation sein, wenn man nicht schleunigst darangeht, Vorkehrungen zu treffen.
Die Zahl der Entlaßschüler aus Sonderschulen wird sich in den nächsten Jahren kontinuierlich erhöhen. Die geistig behinderten Kinder aus den Jahrgängen bis 1945 haben die Jahre der Gewaltherrschaft ja leider nicht überlebt, während die Jahrgänge danach ihre Lebenschance nunmehr erhalten sollen und müssen.
Das Schwerbehindertengesetz schreibt vor, daß alle Arbeitgeber mit mehr als 16 Arbeitsplätzen 6 v. H. Schwerbeschädigte beschäftigen müssen. Die Realisierung dieser von allen Parteien getragenen Zielvorstellung wird aber oft von Fakten bestimmt, die sich dem Wollen des Gesetzgebers entziehen. Sicher wird ein Teil der jugendlichen Behinderten, besonders der geistig Behinderten, in Werkstätten untergebracht werden können. Zur Zeit sind etwa 20 000 in 260 Werkstätten für Behinderte tätig. Wie der Bundesgeschäftsführer der „Lebenshilfe" mitteilt, besteht aber ein Sofortbedarf an weiteren 20 000 Plätzen, während in den nächsten zehn Jahren noch mindestens 30 000 zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen.
Viele geistig Behinderte bleiben ja ein Leben lang in diesen Werkstätten tätig. Doch auch diese vorbildlichen Einrichtungen sind in Schwierigkeiten geraten. Sie beklagen viefach ein Nachlassen der Industrieaufträge. In einzelnen Großstädten sollen die Aufträge bis zu 80 % zurückgegangen sein. Mit großer Sorge betrachten die Träger diese Entwicklung; denn was nützt der Bau von neuen Einrichtungen, wenn schon die bestehenden nicht mehr ihren Mann ernähren können?
Diese kritische Situation hat eine unheilvolle Auswirkung auf die beschäftigten Behinderten; denn für sich selber sorgen können, bedeutet für diese eine fast lebenswichtige Stärkung ihres Selbstbewußtseins.
Nach dem neuen Behindertengesetz haben diejenigen Firmen, die Aufträge an die Werkstätten geben, die Möglichkeit, diese in einem bestimmten Umfang im Rahmen der Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Behindertenplätze abzusetzen. Die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern sollten erneut auf die neue Regelung hingewiesen werden. Die Ausbildungsbetriebe sollten auch erneut darüber informiert werden, daß sie Beihilfen für die Ausbildung Behinderter durch das Arbeitsamt erhalten können. Außerdem gewährt im Rahmen der Sonderprogramme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit Baden-Württemberg - und sicher auch andere Bundesländer - Mittel zur Förderung der Bereitstellung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche.
Schließlich darf aber nicht nur an die Wirtschaft appelliert werden; auch die Behörden sollten bei der Beschäftigung von Behinderten mehr als bisher mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Pflichtplätze besetzen. Es wäre hilfreich, wenn in vermehrtem Umfange von den zuständigen Stellen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht würde, die durch das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung gegeben ist, besondere Regelungen für die Berufsausbildung Behinderter zu erlassen. Einem Teil dieser Jugendlichen könnte auch durch Teilnahme an
berufsvorbereitenden Maßnahmen geholfen werden.
Schließlich kommt für ausbildungswillige und ausbildungsfähige behinderte Jugendliche die Aufnahme an behindertenspezifischen Fachschulen oder in Berufsbildungswerken in Betracht. Das Problem der Berufsbildung Behinderter kann sicher auf die Dauer und zufriedenstellend im Rahmen der betrieblichen Ausbildung allein kaum gelöst werden. Es müssen deshalb für diesen Sonderfall überbetriebliche Ausbildungsstätten in größerer Zahl geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, die Existenz der Behinderten ist eine Testfrage an unsere Gesellschaft. Vermehrte Anstrengungen sind daher für diese besonders betroffenen Mitbürger erforderlich. Die Schulentlassung darf nicht zur Endstation werden!
({1})
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte in Anbetracht der Zeit an sich nicht vor, zu sprechen, aber vielleicht ist es ganz gut, in einer parlamentarischen Debatte einmal spontan in die Diskussion einzusteigen. Ich wundere mich doch sehr darüber, daß, nachdem der Bildungsminister hier ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt hat, d. h., nachdem er den Antrag der Opposition in zehn Punkten eigentlich beantwortet hat, nicht ein einziger Sprecher der Opposition hierauf eingeht, sondern alle - sicher auf Grund verständlicherweise vorbereiteter Manuskripte - hier zumindest den Eindruck erwecken, als sei alles, was vorher gesprochen worden ist,
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hier nun in den luftleeren Raum hineingegangen.
({1})
Herr Kollege Schedl, Sie haben behauptet, Sie hätten hier ein Programm vorgelegt, das sofort umzusetzen ist.
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- Herr Kollege Schedl, ich habe nur fünf Minuten angemeldet. Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich jetzt keine Diskussion mit Ihnen bestreiten möchte. Ich möchte mich nur damit auseinandersetzen.
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Ich gehe doch davon aus, daß im Mittelpunkt Ihres Programms das von Ihnen vorgeschlagene Prämiensystem stehen soll. Und da hätte ich gern von Ihnen gewußt, erstens wie es denn z. B. finanziert werden soll. Sie sagen: insbesondere aus den
noch nicht abgerufenen Mitteln für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß das bereits im ersten Jahr 80 Millionen DM kosten würde, daß die Mittel des Konjunkturprogramms zweckgebunden sind und daß insofern jedenfalls von Ihnen hier eine Finanzierung nicht schlüssig vorgelegt worden ist.
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Zweitens darf ich Sie vielleicht als Vertreter des Handwerks ansprechen. Halten Sie es tatsächlich für richtig, daß Ihre Prämien nur an die gehen sollen, die ohnehin in der Vergangenheit ihre Bereitschaft, Ausbildung zu gewährleisten, gezeigt haben? Sehen Sie darin nicht eine zusätzliche, wiederum eine in Zukunft eintretende einseitige Belastung für das Handwerk? Denn das Handwerk hat ja nun, wie wir wissen, in der Vergangenheit die Hauptlast der Ausbildung getragen. Viele Betriebe der Großindustrie haben hiervon profitiert. Wenn wir Ihr Prämiensystem einführten, würde sich diese wirklich nicht zu vertretende Schere noch weiter öffnen, und Sie, so muß ich sagen, würden hier Ihren eigenen Kollegen politisch unverantwortlich eine weitere Last aufbürden, weil die Prämien ja wohl nicht die Kosten decken.
Im übrigen haben Sie ja - meine Kollegin Frau Schuchardt ist schon darauf eingegangen - nun überhaupt keine Antwort darauf gegeben, wie denn nun differenziert werden soll. Ihr Konzept würde im Endeffekt darauf hinauslaufen, daß es sehr attraktiv ist, Friseurlehrlinge auszubilden, weil hier die Nettokosten des Arbeitsplatzes sehr gering sind,
({5})
aber wenig attraktiv, Fernsehtechniker auszubilden. Ob Sie das wollen? Bitte, Sie sollten irgendwann darauf antworten.
Meine Damen und Herren, unser Programm ist besser. Es hat zum Ziel die zusätzliche Schaffung von Ausbildungsplätzen nach einem Umlagesystem, das im Interesse der kleineren und mittleren Betriebe mit relativ hohen Freigrenzen arbeitet und das gleichzeitig zur Sicherung des Besitzstandes an Ausbildung bei regionaler und sektoraler Förderung eine Teilbezuschussung vorsieht. Ihre heutigen Ausführungen, Ihr Vorschlag, Ihre Argumente haben uns nicht überzeugt, daß wir von dem in dem Referentenentwurf, der dem Kabinett vorgelegt wurde, niedergelegten Kompromiß abgehen sollten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war ursprünglich gar nicht vorgesehen, auf die besondere Situation der Behinderten auf dem Arbeitsmarkt und auch auf das, was die Ausbildungsplätze angeht, einzugehen. Herr Kollege Burger hat es trotzdem getan. Das war wohl diese unvermeidliche Rede, die bereits bei dem Gesetz über die Sozialversicherung für Behinderte gehalten
werden sollte. Ich unterstelle dem Kollegen Burger ja auch nicht, daß er hier ein parteipolitisches Süppchen kochen möchte. Ich unterstelle, daß er das, was er hier sagt, auch so meint. Das erkenne ich an. Es gibt in der Tat bei Behinderten in Einzelfällen erhebliche Probleme. Ich glaube aber nicht, daß es sich hier um ein Massenproblem handelt.
Was mich ein bißchen enttäuscht, Herr Kollege Burger, ist, daß die erheblichen Anstrengungen dieser Bundesregierung und auch dieser Koalition auf dem Feld der Eingliederung oder Wiedereingliederung Behinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft und damit auch der jugendlichen Behinderten von Ihnen doch nicht ganz so gewürdigt werden, wie es notwendig wäre. Da muß ich Sie daran erinnern, daß wir seit 1969 in einem einzigen Jahr für die Förderung der institutionellen Rehabilitation mehr ausgegeben haben als in den ganzen Jahren vorher die CDU/CSU-geführten Bundesregierungen, auch in den Jahren, in denen der so sehr geschätzte Kollege Katzer das Bundesarbeitsministerium verwaltete. Ich will nur darauf hinweisen, weil ich meine: es ist notwendig, das klarzustellen.
Herr Kollege Burger, wir haben ein Schwerbehindertengesetz geschaffen, in dem im Gegensatz zu dem alten Schwerbeschädigtengesetz zum erstenmal quasi auch die Ausbildungsplätze unter den Schutz dieses Gesetzes gestellt worden sind. Das kann uns natürlich ein ganzes Stück weiterhelfen.
Ich gebe Ihnen zu: Die besten Gesetze nutzen nichts, wenn die Wirtschaft und der öffentliche Dienst - den kann ich hier nicht ausklammern - ihre Verpflichtungen gegenüber den Behinderten nicht erfüllen. Da habe ich mit Ihnen allerdings die Sorge, daß eine Lücke besteht, die geschlossen werden muß. Hier sollten wir wirklich mit allem Nachdruck den Finger in die offene Wunde legen; da gibt es eine.
Nur möchte ich gegen ein Märchen, das jetzt immer wieder die Runde macht, Front machen, nämlich gegen die Behauptung, daß die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit Nichtbehinderter größer sei. Bei all den Schwierigkeiten im Einzelfall ist doch festzustellen, daß die Beschäftigungssituation Schwerbehinderter nach wie vor den Schluß zuläßt, daß Schwerbehinderte von der Arbeitslosigkeit in geringerem Ausmaß betroffen sind als die Gesamtheit der Arbeitnehmer. Ich sage das deswegen, weil ich davon ausgehe und auch Sie davon ausgehen können, daß das Schwerbehindertengesetz in diesem Punkt wirklich bereits erste Erfolge gezeitigt hat. Ich finde, darauf können wir gemeinsam stolz sein. Jedenfalls sind wir im Interesse der Behinderten froh, dies erreicht zu haben. Ich will nur ein Beispiel nennen: Während die allgemeine Arbeitslosigkeit von Ende Januar bis Ende Februar um 2,5% gestiegen ist, hat die Arbeitslosigkeit Schwerbinderter im selben Zeitraum nur um 1,5 % zugenommen.
Jetzt möchte ich noch etwas zur Arbeitslosigkeit jugendlicher Behinderter speziell sagen und feststellen, daß grundsätzlich alle Maßnahmen zugunsten der Jugendlichen auch für die behinderten Jugendlichen wirken. Dann gibt es besondere Maßnahmen
für jugendliche Behinderte auf Grund § 60 des Arbeitsförderungsgesetzes mit den Ausbildungszuschüssen, die hier möglich sind. Solche Ausbildungszuschüsse sind bei der Bundesanstalt für Arbeit 1973 leider nur in 300 Fällen beantragt worden. Wenn der Verdacht besteht, daß diese Vorschriften restriktiv angewendet werden, die wir mit dem Arbeitsförderungsgesetz geschaffen haben, dann muß sich unser gemeinsamer Appell, Herr Kollege Burger, an die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg richten. Ich nehme da gern den Ball auf, weil ich meine, daß wir die Bundesanstalt für Arbeit ermutigen sollten, hier vielleicht etwas progressiver zu verfahren.
Im Bereich des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft werden Maßnahmen der Rehabilitation - neben den Maßnahmen institutioneller Art, von denen ich vorhin gesprochen habe - unterstützt durch die Erarbeitung von Ausbildungsordnungen, die sehr wichtig sind, weil sie den besonderen Lernbedingungen der behinderten Jugendlichen Rechnung tragen sollen. Solche Ausbildungsordnungen werden, wie gesagt, zur Zeit vorbereitet. Jetzt schon aber ist festzustellen, daß berufsvorbereitende Maßnahmen für lernschwache Jugendliche angewendet werden.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und die Bundesanstalt für Arbeit planen bis 1980 - ich weiß, es ist ein sehr langer Zeitraum unter Beachtung der besonderen Situation im Augenblick - 6 000 neue Ausbildungsplätze. Wir können aber das, was bisher überhaupt nicht bestanden hat, nicht von heute auf morgen erstellen und so tun, als hätte es hier bereits etwas gegeben. Hier gab es nämlich nichts. Hier haben wir wirklich auf der grünen Wiese neu angefangen. Wir planen also bis 1980 6 000 Ausbildungsplätze in 20 Berufsbildungswerken; davon sind fünf bereits fertiggestellt oder kurz vor der Vollendung, eine Reihe weiterer Werke ist im Bau. Es wird geprüft, ob eine weitere Förderung zur Beschleunigung des Ausbaues der Berufsbildungswerke aus Mitteln des Konjunkturprogramms möglich ist. Wir würden es sehr begrüßen - ich sage das an die Adresse der Bundesregierung -, wenn die Prüfung diese Möglichkeit ergeben würde.
Aber auch bei der Reform des Berufsbildungsgesetzes sind die Belange der Behinderten besonders zu berücksichtigen. Das ist die Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, und darauf werden wir bei der weiteren Gesetzesberatung auch besonderen Wert legen. Bisher unzulängliche Regelungen über berufliche Bildung Behinderter müssen wesentlich besser auf die Belange dieses Personenkreises abgestellt werden, indem besondere Hilfen vorgesehen werden. Da gibt es bei uns überhaupt keine unterschiedlichen Meinungen.
Wir bitten die Bundesregierung ferner, an die Wirtschaft zu appellieren, bei einer Verbesserung des Lehrstellenangebots auch die behinderten Jugendlichen zu berücksichtigen. Sie berücksichtigt in letzter Zeit ja kaum die unbehinderten Jugendlichen, und das ist die besondere Schwierigkeit. Ohne diesen Appell werden wir nicht auskommen. Dieser
Appell muß natürlich auch an den öffentlichen Dienst gehen, um für ausbildungsfähige und ausbildungswillige behinderte Jugendliche weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen und genügend Ausbildungseinrichtungen für behinderte Jugendliche zu schaffen, und um letzten Endes Mittel zur Verfügung zu stellen, die es den Ausbildungsträgern ermöglichen, ihre Einrichtungen den modernen Erfordernissen anzupassen.
Ich meine, daß - wie gesagt - all diese Maßnahmen nur dann Erfolg haben können, wenn Wirtschaft und öffentlicher Dienst sich ihrer besonderen Verpflichtung bewußt werden. Das Haus in seiner Gesamtheit sollte an diejenigen, die es angeht, besonders nachdrücklich appellieren.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schedl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hölscher, wir hätten das gern mit einer Zwischenfrage klären können, aber so bleibt es Ihnen nicht erspart, mich noch einmal zwei, drei Minuten zu ertragen.
Wenn Sie meine Argumente, in denen ich aktuell auf die Debatte hier eingehe, mit dem Verlesen vorbereiteter Reden abtun, dann können Sie mich damit nicht gemeint haben. Ich bin nämlich nur auf heute hier vorgetragene Argumente eingegangen. Ganz andere Leute haben Bücher vorgelesen. Das ist deren Sache, Herr Kollege Hölscher.
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Sie haben zwei Fragen gestellt. Die erste Frage war: 80 Millionen brauchen Sie in diesem Jahr, und wie geht es dann weiter? Herr Kollege Hölscher, bitte gehen Sie davon aus und überprüfen Sie dann Ihren Standpunkt noch einmal: Dieses Dringlichkeitsprogramm ist Krisenmanagement für dieses Jahr. Deswegen wollen wir den Betrag für dieses Jahr aus den 150 Millionen nehmen, die gar nicht abfließen können. Lesen Sie den Bericht, den uns der Herr Minister in sehr umfassender Form im Bildungsausschuß - ein wirklich eindrucksvoller Bericht - zu den überbetrieblichen Ausbildungsstätten vorgelegt hat. Dort werden Sie feststellen: Allein die Zeit der Planung und des Baus ist so lang, daß Sie für dieses eine Mal in diesem Jahr diesen Betrag durchaus entnehmen können.
Mein darüber hinausgehender Hinweis war: Ihre Prämiengeschichte, Herr Hölscher, ist ja so toll auch nicht. Das hätte man sich ruhig differenzierter ausdenken können, wenn man uns hier mit dem Kopfgeld unter Beschuß nehmen will.
Und ein zweiter Hinweis: Ich weiß, was Sie sagen wollten. Die Frau Kollegin meinte gar, es sei ein mittelstandsfeindliches Programm. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie bei allen Überlegungen, die Sie hier anstellen, immer mit einem sorgenden Auge auf den Mittelstand sähen. Aber haben Sie keine Sorge, meine verehrten Damen und Herren: Wenn unsere Mittelstandsfeindlichkeit darin be10882
steht, daß wir in schwieriger Gesamtkonjunkturlage einmal über die Löcher der nächsten Hauptschulentlassung kommen wollen und deswegen an einem einzigen Punkt neben vielen anderen - nach qualitätsmäßigen Maßstäben eine Prämie ausgeben, muß ich mich echt fragen, wo hier der Schaden für den Mittelstand ist. Es hätte manchem, gerade aus den Reihen der Koalition, der heute hier ein Wort beigetragen hat, ganz gut getan, wenn er auch einmal an die gedacht hätte, die bei schwierigster, schlechtester Auftragslage in den struktur- und regionalschwachen Räumen zu Entlassungen von Arbeitnehmern gezwungen sind und kaum mehr Möglichkeiten sehen sie sind ja durch die Lehrverträge an die Auszubildenden gebunden, und sie wollen diese genauso gut ausbilden, wie sie es viele Jahre und Jahrzehnte getan haben -, in den nächsten Monaten, im nächsten Jahr überhaupt über die Runden zu kommen. Wenn Sie, verehrte Kollegin, also von Mittelstandsfeindlichkeit und Handwerksfeindlichkeit sprechen, würde ich Ihnen schon empfehlen, sich mit der Situation draußen etwas mehr im Detail auseinanderzusetzen
({1})
- das brauchen Sie mir wirklich nicht vorzuhalten
- und sich dann in die Diskussion einzulassen.
Herr Hölscher, alle anderen Fragen, die Sie sonst noch haben, beantworte ich Ihnen privat gleich, morgen, übermorgen oder zumindest dann im Ausschuß, wenn die Beratung dieser Dinge ansteht. Überdenken Sie dies noch einmal! Wenn Sie den Auszubildenden helfen wollen, müssen Sie zu diesem Dringlichkeitsprogramm ja sagen.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Buschfort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will in Anbetracht der Zeit nur noch wenige Bemerkungen machen, möchte aber doch einiges Herrn Abgeordneten Pfeifer sagen. Ich bedauere sehr, daß er nicht mehr hier ist, obwohl er den Antrag begründet hat.
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- Wir haben heute alle noch Veranstaltungen und mußten auch hierbleiben.
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Er kann das, was ich hier sagen will, dann ja im Protokoll nachlesen.
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Zunächst einmal hat Herr Pfeifer einiges zur Finanzierung des CDU/CSU-Antrages gesagt, und
zwar inhaltlich ungefähr so: Das wird schon einiges an Geld kosten. Und in dem Antrag heißt es dann: Dies soll ausschließlich durch Umschichtungen geschehen. Meine Damen und Herren, es ist einfach zu dünn, in einem Antrag zu sagen: das wird schon einiges kosten, oder aber: hier müssen Umschichtungen vorgenommen werden. Sie müssen schon konkreter sagen, was das kostet und wo umgeschichtet werden soll. Das muß man von einem soliden Antrag und seiner finanziellen Begründung doch wohl erwarten können.
Und ein Zweites will ich Ihnen hier sagen. Sie sagen - Herr Schedl brachte es gerade noch einmal zum Ausdruck -: Bitte, wenn Sie es ernst meinen, müssen Sie dieses Programm annehmen. - Gut, dann erklären Sie mir aber bitte, wie es möglich war, daß vor einer Stunde der Bundesrat den z. T. inhaltlich gleichen Antrag abgelehnt hat, obwohl Ihre Parteifreunde dort die Mehrheit haben. Sie hätten sich vorher einmal informieren sollen, wie sich heute morgen der Bundesrat in dieser Frage zum Antrag Baden-Württembergs entschieden hat.
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Herr Schedl, Sie haben hier gesagt, wir benötigen ein Krisenmanagement. Ich will gern eingestehen, daß Sie das benötigen. Bitte, wählen Sie dann doch Herrn Strauß zum Vorsitzenden. Und jetzt, damit es noch einmal ins Protokoll kommt, ein Auszug aus der Sonthofener Rede:
Lieber eine weitere Inflationierung, weitere Steigerung der Arbeitslosigkeit, weitere Zerrüttung der Staatsfinanzen in Kauf nehmen, als das anzuwenden, was wir als Rezept für notwendig halten.
Genau dieses Krisenmanagement könnten Sie gebrauchen. Bitte, wählen Sie dann Herrn Strauß zum Vorsitzenden!
Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schedl zu?
Nein.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Pfeifer hat heute morgen noch einmal auf die regionalen Schwierigkeiten hingewiesen. Ich will mit aller Deutlichkeit sagen, daß es solche regionalen Schwierigkeiten gibt, und unterstreichen, daß diese regionalen Schwierigkeiten nicht zuletzt auf eine bestimmte Verhaltensweise zurückzuführen sind. In Gemeinden nämlich, wo es nur einen Betrieb gibt, hat es dieser Betrieb häufig verhindert, daß eine weitere Ansiedlung erfolgte. Hier hat es auch oft ein Zusammenspiel derjenigen, die darüber zu bestimmen hatten, mit den jeweiligen CDU/CSU-Mehrheiten gegeben.
Meine Damen und Herren, wir beschäftigen uns heute mit der Jugendarbeitslosigkeit. Ich möchte sagen, daß das kein außergewöhnliches Problem ist. Wir haben in Zeiten der Hochkonjunktur Sorgen mit den älteren Arbeitnehmern, und wir haben es bei einer wirtschaftlichen Abschwächung natürlich auch mit einem bestimmten Anteil arbeitsloser Jugendlicher zu tun. Auf die prozentualen Verhältnisse ist hier bereits eingegangen worden; ich kann es mir jetzt ersparen. Ich will aber noch eines sehr deutlich sagen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in der Tat gelegentlich darauf zurückzuführen, daß in den Betrieben ein Einstellungsstopp herbeigeführt wird und die Jugendlichen häufig nicht die notwendige Fachausbildung haben. Gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen tragen dazu bei, daß dem Unternehmer und oft auch dem Betriebsrat, wenn Arbeitnehmern in einem Betrieb gekündigt werden muß, keine andere Möglichkeit mehr bleibt, als auf Jugendliche zurückzugreifen. Ich bedaure das persönlich sehr.
Erfreulich ist allerdings, daß die Jugendarbeitslosigkeit in aller Regel im Verhältnis zu allen anderen Arbeitslosen nur kurzfristig ist. 80 % der Jugendlichen sind weniger als drei Monate lang arbeitslos. Hingegen beträgt dieser Prozentsatz bei allen anderen Arbeitslosen nur 59 %.
Die CDU behauptet, daß die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Nach einer Untersuchung, die uns vorliegt, wird die Zahl der schulentlassenen Jugendlichen, die für eine Berufsausbildung in Frage kommen, in den Jahren 1975 und 1976 um jeweils 3 % zurückgehen. Das heißt: pro Jahr wird es danach 25 000 Jugendliche weniger geben. Ich will allerdings nicht verkennen - hier darf man sicherlich der Bundesregierung keinen Vorwurf machen , daß wir es in den folgenden Jahren - diese Zahl ist sehr beachtlich - jährlich mit 50 000 bis 60 000 ausländischen jugendlichen Arbeitnehmern zu tun haben werden, die erstmals in der Bundesrepublik einen Arbeitsplatz suchen. Das ist in der Tat eine erhebliche Zahl, und ich muß sagen, daß man möglicherweise eben doch allzu großzügig ausländische Arbeitnehmer hereingeholt hat, ohne dabei auch die Randbereiche zu überdenken. Wenn man gelegentlich sagt, daß auch die Wirtschaft hier eine gewisse Leistung zu erbringen hat, so mag man sich darüber in Anbetracht dieser Zahl von 50 000 bis 60 000 ausländischen Jugendlichen sehr wohl einmal Gedanken machen.
Die CDU verlangt Ausbildungszuschüsse für Lehrlinge, die durch Konkurse ihre Arbeitsstelle verloren haben. Ich will aber auf diesen Vorschlag jetzt nicht mehr eingehen, da dieser Teil Ihres Antrags im Bundesrat nicht mehr für besonders wichtig gehalten wurde.
Ferner wird gesagt: Wir brauchen überbetriebliche Ausbildungsstätten. Ich kann Ihnen dazu sagen: nach dem Arbeitsförderungsgesetz ist entsprechende Förderungsmöglichkeit schon jetzt gegeben. Es ist für mich interessant, dies jetzt von der CDU zu hören, zumal Sie es in der Vergangenheit immer abgelehnt haben, den überbetrieblichen Ausbildungsstätten eine Ersatzfunktion für nicht genügend vorhandene Ausbildungsstätten im Bereich der gewerblichen und industriellen Ausbildung zuzuerkennen.
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Aber ich darf Ihnen noch einmal bestätigen: die Möglichkeit zur Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten gibt es auch jetzt schon. Wir führen zur Zeit Berufsvorbereitungslehrgänge für insgesamt 17 000 junge Menschen durch. Der Gesamtaufwand der Bundesanstalt für Arbeit für die berufliche Ausbildung, Weiterbildung und die Umschulung, der zum Teil auch den jugendlichen Arbeitslosen zugute kommt, beträgt 2,8 Milliarden DM; davon wenden wir allein für berufsvorbereitende Maßnahmen zugunsten von Jugendlichen 160 Millionen DM auf. Daraus können Sie ersehen, mit welchem Gewicht wir uns hier den Jugendlichen zugewandt haben, um ihnen zu helfen.
Die Berufsberatung und -vermittlung ist verbessert worden. Die Lohnkostenzuschüsse wirken natürlich auch für Jugendliche. Sie sind auch dafür gedacht, zur Begründung von Ausbildungsverhältnissen beizutragen. Die Mobilitätszulage wirkt in gleicher Weise. Des weiteren ist bei der Berufsausbildungsbeihilfe ein erhöhter Elternfreibetrag bei auswärtiger Unterbringung von Jugendlichen eingeführt worden. Sie sehen also, daß wir eine Fülle von Maßnahmen eingeleitet haben.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie sich im eigenen Haus nicht einig sind und hier Forderungen vorlegen, die dann im Bundesrat wieder abgelehnt werden, so kann ich nur sagen: Bitte bereinigen Sie das mit sich selbst, aber nicht mit der sozialliberalen Koalition.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär Buschfort hat hier eine Behauptung unter Bezugnahme auf die Sonthofener Rede aufgestellt und zugleich eine Interpretation dieser Rede gegeben. Sie können ohne diese Rede ja nicht mehr leben und ohne sie keinen Diskussionsbeitrag mehr leisten. Wir sind Ihnen sehr dankbar dafür, daß eine Rede von Strauß schon so viel Aufmerksamkeit erweckt. Andere müßten dann Bücher darüber schreiben.
Herr Buschfort, ich möchte Ihnen folgendes sagen. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Frage der Konjunktur, zur Frage der inflationären Entwicklung, zur Frage der beginnenden Arbeitslosigkeit gemacht. Alle unsere Vorschläge wurden von Ihnen mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt. Der Kollege Strauß hat dazu - beginnend schon 1970 in der Steuerfrage - erklärt, daß es unter dieser Bundesregierung anscheinend zu weiterer Arbeitslosigkeit usw. kommen müßte, bevor
Sie überhaupt bereit sind, die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, die wirksam und auch durchgreifend sind, um mit diesem Übel fertig zu werden.
({0})
Das beinhalteten die Ausführungen des Kollegen Strauß und nichts anderes.
Damit Sie aber nicht sagen können, das hätten Sie bisher nicht gewußt - kein Mensch will Sie verpflichten, den „Spiegel" zu lesen; das ist Ihr Privatvergnügen -, will ich nur noch hinzufügen, daß die Tagesschau eine Berichtigung gebracht hat. Es ist doch sehr eigentümlich, daß diese Berichtigung die erste Berichtigung ist, die die Tagesschau in all dieser Zeit überhaupt bringen mußte. So viel zu diesem Problem.
Nun zum Thema „Bundesrat". Ob der Bundesrat unsere Vorschläge oder ähnliche Vorschläge ablehnt, ist Sache des Bundesrates. Daß hier nicht eine Koordinierung vorliegt - von der FDP ist es ja so dargestellt worden, als sei eine parteipolitische Entscheidung des Bundesrates nun jeweils mit uns abgestimmt -, beweisen wohl die Fälle, in denen der Bundesrat eine andere Meinung hat als wir.
({1})
Wir sind die CDU/CSU-Fraktion und schlagen das vor, was wir für richtig halten. Die Länder entscheiden nach ihren Gesichtspunkten, ohne daß sie sich von uns koordinieren lassen.
({2})
Gestatten Sie mir nun noch eine abschließende Bemerkung. Wenn man die Vertreter der Bundesregierung und die Vertreter der Koalition so hört, hat man den Eindruck, als ob alles halb so schlimm wäre, als ob wir auf dem Gebiete der Jugendarbeitslosigkeit keine ernsthaften Probleme hätten, gegen die wir mit einem Sofortprogramm vorgehen könnten. Es sah so aus, als ob man uns den Vorschlag machen wollte, daß man jemandem, der ins Wasser fällt und nicht schwimmen kann, erst einmal das Schwimmen beibringen müsse, um dann zu retten. Wir sind der Meinung, daß wir hier Sofortmaßnahmen durchführen müssen. Die Situation stellt sich schließlich so dar, daß 123 000 junge Menschen im Alter von unter 20 Jahren - ohne Arbeit sind und daß darunter auch eine größere Anzahl junger Menschen ist, die keinen Ausbildungsplatz haben. Das ist unsere Sorge, und wir werden uns weiterhin darum bemühen, daß diese jungen Menschen möglichst bald durch ein wirksames Sofortprogramm wieder in Arbeit gebracht werden können. Diese Sorge nehmen Sie uns nicht ab.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Rohde.
Der Unterschied, Herr Kollege Stücklen, liegt nicht darin, daß der eine mehr und der andere weniger ernst die Lage der arbeitslosen Jugendlichen und die Lehrstellenprobleme beurteilt, sondern der Unterschied in dieser Debatte ist der, daß von der Bundesregierung in 10 konkreten Punkten dargelegt worden ist, was auf den Weg gebracht wurde, was weiterhin die Politik in diesem Jahr auf dem Gebiete der beruflichen Bildung bestimmen wird, während sich - jedenfalls aus meiner Sicht - die Sprecher der Opposition außerordentlich oberflächlich verhalten haben. Das, was im Hinblick auf ein. „Dringlichkeitsprogramm'' konkrete Politik bedeutet, ist von der Bundesregierung viel klarer interpretiert und deutlicher gemacht worden als das, was die Opposition in dieser Debatte anzubieten hatte.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend -, dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zur Mitberatung sowie dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses ({0}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie ({1}) des Rates zur Abänderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurden
- Drucksachen 7/1637, 7/3129
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gruhl
Abgeordneter Dr. Haenschke
b) Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses ({2}) zu den Berichten der Bundesregierung
betr. Umweltradioaktivität
- Drucksachen 7/929, 7/2510, 7/3128 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gruhl
Abgeordneter Dr. Haenschke
c) Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses ({3}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Schutz vor den Gefahren radioaktiver Strahlen
- Drucksachen 7/2369, 7/3298 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Haenschke Abgeordneter Dr. Gruhl
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob sie eine Ergänzung der vorgelegten Berichte wünschen. - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich den Herren Berichterstattern für die Berichterstattung sehr danken.
Wir treten in die Aussprache ein. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gruhl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich bei diesen drei Vorlagen in meinen Ausführungen hauptsächlich auf den Antrag der CDU beziehen, der im vorigen Sommer eingereicht worden ist und der bei den Beratungen im Innenausschuß wesentliche Änderungen und Detaillierungen erfahren hat. Denn es war ganz natürlich, daß wir die Ergebnisse der Anhörung des Innenausschusses im Dezember vergangenen Jahres und den Bericht des Innenministers über die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen bei diesem Antrag berücksichtigen würden. Das Ergebnis liegt heute dem Hohen Hause vor.
Ich will mich nur auf einige Schwerpunkte dieses Themas „Kernenergie" beschränken. Die allzu schnelle Entwicklung auf dem Gebiet der Kernenergienutzung hat einige schwache Stellen offengelegt. Sie haben sich vor allem daraus ergeben, daß die ursprünglich bescheidenen Größenordnungen mit dem jetzt schon erreichten Ausbaustand viel weiter überholt sind, als das vorauszusehen war.
Auf die unzureichende Personalausstattung habe ich in der ersten Lesung ausführlich hingewiesen. Das betrifft aber nicht nur das Werkspersonal und das Personal der Genehmigungsbehörden, sondern auch das Personal z. B. des Deutschen Wetterdienstes muß bedeutend verstärkt werden, um die Aufgaben auf diesem neuen Gebiet überhaupt erfüllen zu können. Der Deutsche Wetterdienst ist zur Zeit nicht in der Lage, die erforderlichen Gutachten zu erstatten. Wenn dem Deutschen Wetterdienst die vier beantragten mobilen Meßzüge vom Finanzminister nicht genehmigt werden, wie es zur Zeit aussieht, dann muß ich mit vollem Ernst darauf hinweisen, daß ich bei jeder Gelegenheit öffentlich erklären werde, daß das Kernenergieprogramm, so wie vorgesehen, nicht durchführbar ist; denn die Voraussetzungen müssen auch personalmäßig von der Bundesregierung in bezug auf die Sicherheitsaspekte gewährleistet sein.
Wir wollen in unserem Antrag diese Personalanforderungen auch auf die Gutachter ausdehnen. Von großer Bedeutung ist „die Verbesserung des rechtlichen Gehörs der betroffenen Bürger im Anlagegenehmigungsverfahren". Die bisherigen Anhörungsverfahren sind zu einer Farce geworden. Man lädt die Einsprecher - und das sind oft mehrere Zehntausend - für ein oder zwei Tage in eine Halle ein, und wenn einem das ganze dann zuviel wird, erklärt man die Anhörung für beendet. Von den Sachverständigen sind bei der Anhörung im Innenausschuß recht einleuchtende Vorschläge gemacht worden, wonach die Einsprecher fachkundige Beauftragte zu der Anhörung entsenden könnten, die dann ohne Zeitdruck alle Aspekte gründlich zu Ende beraten.
Herr Abgeordneter Gruhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Gruhl, bezieht sich Ihre Aussage, daß die bisherigen Anhörungsverfahren im wesentlichen eine Farce waren, auf das Anhörungsverfahren in Wyhl?
Nein, ich habe den Ausdruck in der Mehrzahl gebraucht. Ich erinnere an verschiedene Anhörungsverfahren in Norddeutschland, z. B. in Hameln für das Kernkraftwerk Grohnde. Die Liste ließe sich sehr stark verlängern.
Zur „Optimierung des Anlagegenehmigungsverfahrens" ist die Bundesregierung aufgefordert, im Rahmen der in unserem Antrag geforderten vierten Novellierung des Atomgesetzes bis 30. September ihre neuen Vorschläge vorzulegen.
Es hat sich in letzter Zeit herausgestellt, daß bereits heute beträchtliche Mengen von radioaktiven Stoffen hin- und hertransportiert werden. In einigen Jahren werden jährlich Tausende von Tonnen innerhalb der Bundesrepublik bewegt werden, darunter das nicht nur radioaktive, sondern auch hochgiftige Plutonium. Hier werden ganz enorme Unfallprobleme auftreten, dazu Bewachungsprobleme. Wir müssen, wie die Debatte gestern gezeigt hat, in Zukunft auch mit der Möglichkeit von terroristischen Anschlägen rechnen. Zu all diesen Punkten wird die Bundesregierung in dem Antrag des Innenausschusses aufgefordert, gesetzliche Maßnahmen und Verordnungen zu erarbeiten.
Ein ungelöstes Problem ist weiterhin die „Stilllegung von Anlagen, die außer Betrieb gesetzt werden sollen", „sowie die Abräumung des Betriebsgeländes". Wir können es uns leider nicht so einfach machen wie die Amerikaner, daß wir stillgelegte Anlagen einfach vom Wüstensand zuwehen lassen. Aber selbst dort dürfte das ein dubioses Verfahren sein. Insgesamt gesehen wird die Bundesregierung mit der Erfüllung dieses Antrages noch einige harte Nüsse zu knacken haben.
Ich darf mir, Herr Präsident, trotz der vorgerückten Zeit noch einige allgemeine Bemerkungen erlauben.
In der angemeldeten Redezeit, gerne.
Jawohl, Herr Präsident. Ich möchte die Redezeit nur nicht verkürzt wissen, weil man so nach und nach doch den Eindruck haben muß, als ob die Fragen der Kernenergie im Deutschen Bundestag etwas dilatorisch behandelt werden.
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Wir hatten nicht ohne Grund darauf gedrungen, daß
endlich einmal zu einem festen Termin, nämlich
heute vormittag, diese Punkte zur Sprache kommen. Auch das ist wieder geändert worden, aus verschiedenen Gründen. Aber trotzdem sei mir der Hinweis erlaubt, daß wir dies auf die Dauer für nicht ganz tragbar halten.
Herr Konrad, ich weiß bereits, was Sie fragen wollen.
Herr Kollege, Sie gestatten die Zwischenfrage? - Bitte!
Herr Kollege Gruhl, verwechseln Sie das Plenum mit einer Fraktionssitzung der CDU/CSU? Damit Sie den richtigen Adressaten für Ihre Klage finden!
Mir ist sehr wohl bekannt, welche Gründe für den Tausch maßgebend gewesen sind. Trotzdem, Herr Konrad, glaube ich, in Ihrem Sinne zu sprechen, wenn ich das beanstande. Ich hoffe, daß wir in Zukunft mehr Gelegenheit haben, hier zu diesem wichtigen Problem Stellung zu nehmen. Die technische Entwicklung der letzten Jahre hat nämlich zum Teil kuriose Folgen. Während dieses Haus solche Vorlagen wie z. B. in dieser Woche „zur Festlegung der im Falle von Störungen auf dem Reismarkt anzuwendenden Grundregeln" oder „zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel" vorgelegt bekommt und ausdrücklich durch Abstimmung billigen muß, sind wir mit der Frage von völlig anderer Größenordnung, wieviel Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland gebaut werden sollen oder dürfen, überhaupt nicht befaßt.
Der Deutsche Bundestag hat im Jahre 1959 durch das Atomgesetz die Möglichkeit geschaffen, die Kernkraft friedlich zu nutzen. Die friedliche Nutzung hat nun in letzter Zeit zu allerhand Unfrieden geführt, wie Sie alle wissen, unter anderem deshalb, weil offensichtlich eine Lücke zwischen verschiedenen Auffassungen im Volk und in den Verwaltungs-und Regierungsapparaten klafft, die zur Zeit eher noch größer als kleiner wird. Es wäre doch wohl hier eine typische Aufgabe für die Volksvertreter, die Verbindung herzustellen. Dies können wir aber im Kernpunkt der Sache überhaupt nicht tun; denn weder der Deutsche Bundestag noch die Landtage entscheiden darüber, ob ein Kernkraftwerk gebaut wird oder nicht; ja sie sind nicht einmal damit befaßt, ob in der Bundesrepublik Deutschland 20, 50 oder 200 Kernkraftwerke gebaut werden sollen. Dies halte ich für eine ganz ernste Angelegenheit und für einen sehr schwachen Punkt in der ganzen Problematik. Die eigentlich politische Entscheidung ist doch nicht, ob man ein paar Reaktoren baut. Es ist eben ein gewaltiger Unterschied, ob wir einige Atomkraftwerke bauen oder ob wir sie zu Dutzenden bauen. Dies ist ein Unterschied im Sicherheitsrisiko und in den Auswirkungen auf Umwelt, Raumordnung und auf den Zustand unserer Gewässer. Alle Fachleute erklären seit langem, daß die Kühlkapazität der deutschen Flüsse nahezu erschöpft ist.
Die Trockenkühlung befindet sich aber noch im Versuchsstadium.
Darum ist es überhaupt keine Frage, daß der deutsche Raum nur eine begrenzte Zahl von Kernkraftwerken aufnehmen kann. Herr Staatssekretär Hartkopf hat im Oktober vor dem Innenausschuß eine sehr richtige Bemerkung gemacht, als er sagte, die Frage, wie die Zahl der Kernkraftwerke nach oben zu begrenzen sei, müsse politisch beantwortet werden. Sowohl die Anhörung des Innenausschusses wie die Anhörung des Ausschusses für Forschung und Technologie haben diese Ansicht bestätigt.
Da wir also zu einer Begrenzung der Werke kommen müssen, kann gar nicht der schnellstmögliche Bau von möglichst vielen Kernkraftwerken im Vordergrund der Anstrengungen stehen, sondern die optimale Ausnutzung der Werke.
({0})
- Bitte, ich habe 15 Minuten, Herr Präsident.
Herr Kollege, Ihre Fraktion hat zwei Redner mit je 10 Minuten angemeldet.
Ich habe 15 Minuten -
Herr Kollege, es sind hier bei mir zwei Reden mit je 10 Minuten angemeldet, und daher bitte ich Sie, freundlicherweise zu Ende zu kommen. Ich bitte zu bedenken, daß die Situation, wenn die Debatte ordnungsgemäß abgewickelt werden soll, eine Konzentration erfordert.
Ich habe allen Anlaß, noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir so wichtige Probleme hier unter bedauerlichen Umständen diskutieren. Wir dürfen uns nicht wundern, daß die Diskrepanz zwischen den Bürgern draußen im Lande und den verantwortlichen Stellen immer größer wird, wenn hier ernsthafte Probleme allein aus Zeitnot nicht behandelt werden.
({0})
Ich bitte Sie persönlich, Herr Präsident, mir noch vier Minuten zu gestatten.
Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen, daß allgemeine Klagen über die Terminnot uns hier in dieser Stunde nicht weiterhelfen. Das müssen Sie in Ihren Fraktionen vortragen.
Bitte fahren Sie fort. Ich gebe Ihnen 15 Minuten Redezeit.
Ich möchte noch einen Abschnitt vortragen. Die Abwärme sollte nicht umweltbelastend vergeudet werden, sondern vielmehr einer Nutzung als Fernwärme für die Haushalte und als Prozeßwärme für die Industrie zugeführt werden. Alle technischen Voraussetzungen dafür bestehen. Der Bundesausschuß für Strukturpolitik der CDU hat im Januar der Öffentlichkeit Vorschläge in dieDr. Gruhl
ser Richtung vorgelegt. Wir erkennen an, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie gleiche Pläne verfolgt. Hier muß aber die gesamte Bundesregierung tätig werden. Davon hört man wenig. Es ist auch bekannt, daß einige Stromerzeuger aus engstirnigen Gesichtspunkten heraus von diesem Verbundsystem Kraft und Wärme nichts hören wollen.
Es ist zu befürchten, daß in diesen Jahren derselbe Fehler wiederholt wird, der nach 1945 gemacht worden ist. Es wurden seither Häuser mit minimaler statt optimaler Wärmedämmung gebaut. Ergebnis: umgekehrt hätte man 30 % der Energie, die heute in der Raumbeheizung eingesetzt wird, einsparen können.
Inzwischen ist schon sicher, daß auf dem Gebiet des Baus von Kernkraftwerken diese Probleme des Verbunds mit der Nutzung der Wärme berücksichtigt werden, wenn der Bau in derartig hektischem Tempo wie bisher weitergeht, ohne daß man vorher ein Gesamtkonzept in dieser Hinsicht überlegt hat.
Die kleine Pause, die jetzt im Energieverbrauch eingetreten ist, sollte man dazu nutzen, das Konzept zu überdenken und ein technologisch fortschrittlicheres System auf die Beine zu stellen und in den nächsten Jahren durchzuführen. Ich bin persönlich überzeugt: Die Bürger unseres Landes werden von uns als ihren Vertretern in nächster Zeit eine klare Aussage darüber verlangen, welche Anzahl von Kernkraftwerken in welcher Größenordnung denn nun in den nächsten Jahren gebaut werden kann. Dies sollte rechtlich und politisch in jeder Hinsicht ausdiskutiert und gesichert werden. Die Kernkraft eignet sich nicht für eine Gewaltpolitik einzelner Firmen und auch nicht für den Wettbewerb der Bundesländer untereinander.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer.
Herr Präsident! Meine Herren! Ich möchte zunächst Sie, Herr Kollege Gruhl, in einer Hinsicht etwas korrigieren dürfen. Wenn Sie gesagt haben, das Problem Kernenergie werde im Deutschen Bundestag nur dilatorisch behandelt, dann können Sie damit nur das Plenum des Deutschen Bundestages gemeint haben, weil wir uns ja im zuständigen Ausschuß rechtzeitig und frühzeitig mit 'dem Problem des Risikos bei der Kernenergie befaßt haben.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß - wie im Bericht der beiden Berichterstatter ausgewiesen der vorliegende Antrag wegen des engen Sachzusammenhangs mit dem auf Antrag meiner Fraktion vom Bundesminister des Innern erstellten Bericht zur Sicherheit kerntechnischer Anlagen behandelt wurde.
Ich möchte auch hier sagen, Herr Kollege Gruhl, daß wir uns freuen, daß Sie den Anträgen unserer
Fraktion, wie sie auch in diese Drucksache eingegangen sind, zugestimmt haben.
Der Innenausschuß hat einstimmig in dieser Drucksache die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Vierten Änderung des Atomgesetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich bis zum 30. September, vorzulegen. Die im Antrag aufgeführten Einzelpunkte werden im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im einzelnen Gegenstand einer intensiven Erörterung auch hier im Plenum des Deutschen Bundestages sein.
Ich will mich deswegen heute auf mehr grundsätzliche Bemerkungen beschränken. Am 1. Januar 1960 ist das Atomgesetz - der genaue Titel lautet „Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren ({0})" - in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat die potentielle Gefahr der Kernenergie erkannt. Mit eigens dafür geschaffenen rechtlichen Bestimmungen will er die Voraussetzungen für eine friedliche Nutzung der Kernenergie bei größtmöglichem Schutz vor ihren unleugbaren Gefahren ermöglichen.
Diese Ausgangslage aus dem Jahre 1960 besteht unverändert; gleichwohl hat sie sich qualitativ entscheidend verändert. Wir stehen heute auf der Schwelle von der Forschung zur kommerziellen Nutzung der Kernenergie in großem Umfange. Elf Kernkraftwerke sind in der Bundesrepublik in Betrieb, zehn weitere im Bau, mehr als ein Dutzend geplant. In der Bundesrepublik befindet sich das Kernkraftwerk mit der größten Megawatt-Leistung auf dem Erdball.
Naturgemäß wächst mit dem Bau eines jeden Kernkraftwerks das Gefährdungspotential. Meine Damen und Herren, außer einigen wenigen nicht reflektierenden Promotern der Kernenergie und dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg leugnet diesen Tatbestand inzwischen kaum noch jemand. Das Gerede von der Kernenergie als der per se umweltfreundlichsten Energie verstummt zusehends. An seine Stelle ist die Frage nach einer möglichst sicheren und zuverlässigen Beherrschung und Beherrschbarkeit der Kernenergie und anderer, mit dem Brennstoffkreislauf verbundenen Gefahren getreten.
Für unseren Staat ist der Schutz von Leben und Gesundheit seiner Bürger Maßstab seiner Entscheidungen und Handlungen. Ob unser Staat diesem Anspruch gerecht wird, zeigt sich auch an der Art und Weise, wie er das Problem „Risiko Kernenergie" bewältigt.
({1})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte den Zusammenhang zu Ende führen. - Der Zielkonflikt, der dabei gegeben ist, liegt auf der Hand. Er ist durch die Situation und die besondere Abhängigkeit
Schäfer ({0})
der Energieversorgung unseres Landes zudem aktualisiert worden: Einerseits besteht die Notwendigkeit einer vorausschauenden Daseinsvorsorge, andererseits müssen Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung und ein angemessener Umweltschutz gewährleistet werden.
Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich die Prioritätsentscheidung, die die Bundesregierung in der ersten Fortschreibung ihres Energieprogramms getroffen hat. Ich zitiere die Textziffer 64:
Die Bundesregierung hält auch - so heißt es dort unter den veränderten energiewirtschaftlichen Daten daran fest, daß der Schutz der Bevölkerung vor möglichen Schädigungen absolute Priorität bei der Nutzung der Kernenergie besitzt.
Diese programmatische Entscheidung verpflichtet die Bundesregierung. Sie macht deutlich, daß auch bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie - bei aller Notwendigkeit einer optimalen Daseinsvorsorge - energiewirtschaftliche Fragen und Fragen der Energiesicherstellung dann zweitrangig sind, wenn es darum geht, Leben und Gesundheit der Bürger zu schützen.
({1})
Mit diesen Feststellungen im Energieprogramm ist freilich das Problem „Risiko Kernenergie" in der Praxis nicht gelöst.
({2})
Unter welchen konkreten Bedingungen, so muß man fragen, kann das „Risiko Kernenergie" verantwortet werden? Welche konkreten Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Bürger Kernenergie akzeptieren kann, und sei es nur als notwendiges, mittelfristig nicht vermeidbares Übel?
({3})
Das sind nur einige Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen und die bis jetzt nicht in jedem Falle befriedigend beantwortet sind.
({4})
Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages, der die Zuständigkeit auf diesem Gebiet besitzt, nennt in seiner am Mittwoch dieser Woche einstimmig beschlossenen Stellungnahme zum Energieprogramm der Bundesregierung einige der Bedingungen für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:
Nachdem die Bundesregierung bereits eine Reihe spezifischer Vorschriften erlassen hat, die zu einem sachgerechten Ausgleich zwischen den Belangen des Umweltschutzes und der Energieversorgung beitragen, erwartet der Ausschuß, daß die Bundesregierung die ihr gegebenen gesetzlichen Ermächtigungen auch weiterhin nutzen wird. Hierbei soll den Gesichtspunkten des Umweltschutzes dort absoluter
Vorrang eingeräumt werden, wo die Gesundheit der Bevölkerung auf dem Spiele steht oder eine wesentliche und nachhaltige Beeinträchtigung der Umweltqualität zu befürchten ist. Dies gilt insbesondere für die friedliche Nutzung der Kernenergie.
Anders gesagt: Der Innenausschuß hat einstimmig - ich würde mich freuen, wenn das auch im Plenum möglich wäre - den von der Bundesregierung in Ziffer 64 getroffenen Grundsatz begrüßt und zum Maßstab in der Frage der friedlichen Nutzung der Kernenergie gemacht.
In derselben Stellungnahme heißt es weiter - ich zitiere wiederum -:
Im Interesse des Umweltschutzes und einer langfristig gesicherten Energieversorgung sind schließlich erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die verfügbare Energie sparsamer einzusetzen und besser auszunutzen. Besondere Bedeutung mißt der Ausschuß in diesem Zusammenhang der Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien bei; bei der Ausarbeitung und Durchführung des Energieforschungsprogramms sollten Umweltexperten im gebotenen Umfang beteiligt werden.
Schließlich fordert der Ausschuß - wiederum einstimmig -, daß die in der ersten Fortschreibung des Energieprogramms aufgestellten Kriterien zur Standortwahl unter dem Gesichtspunkt der Raumordnung und des Gewässerschutzes genau eingehalten werden.
In dem vorliegenden Antrag auf Drucksache 7/3298 präzisiert der Innenausschuß - wieder einstimmig seine Vorstellungen. Im Antrag selbst wird ein ganzes Bündel von notwendigen Einzelmaßnahmen im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung gefordert. Ich empfehle die sorgfältige Lektüre dieses Antrages und der einzelnen Nummern. Sie verdeutlichen im wesentlichen die Schwachstellen und die noch ungelösten Probleme im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
Ich will noch eine allgemeine Bemerkung machen, die auch, wie mir scheint, mehr grundsätzlicher Art ist. Angesichts des riesigen Gefährdungspotentials, das die Kernenergie darstellt, bedarf es einer offenen und öffentlichen vorurteilsfreien Diskussion der mit der Einführung der Kernenergie verbundenen Probleme. Nur sachliche Diskussion und Information über die Notwendigkeit des Baus von Kernkraftwerken und die damit verbundenen Risiken vermögen langfristig die Voraussetzungen für die Akzeptierbarkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu schaffen. Nach meiner Überzeugung läßt sich der Bau von Kernkraftwerken auf Dauer nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen. Der Bürger muß durch Argumente von der Notwendigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie überzeugt werden. Jeder Anschein von Manipulation des Bürgers muß dabei vermieden werden. Das gilt im allgemeinen für das ganze Problemfeld „Risiko KernSchäfer ({5})
energie" und im besonderen für das Verfahren zur Genehmigung von Kernkraftwerken.
Wer so wie der Ministerpräsident von Baden-Württemberg im Falle von Wyhl einen Standort durchzupeitschen versucht, richtet schweren Schaden an. Wer Argumente durch Polizeieinsatz ersetzt, steht nicht gut da. Wer die Auseinandersetzungen anheizt und eskaliert wie Herr Filbinger, statt zu einer rationalen Diskussion über Probleme der Energieversorgung und des Baus von Kernkraftwerken beizutragen, gefährdet auf Dauer den inneren Frieden in unserem Lande. Wer gar wie Herr Filbinger die Bevölkerung des Kaiserstuhls als - wörtliches Zitat - „kommunistisch gesteuerte Mitläufer und Erfüllungsgehilfen ortsfremder politischer Extremisten" bezeichnet, diffamiert nicht nur, sondern demonstriert auch, wie er von seinen Ordnungsvorstellungen her Bürgerkritik einordnet.
Herr Filbinger will im übrigen - das nur noch am Rande - darüber hinwegtäuschen, daß auch seine Parteifreunde - und das ist ein Hoffnungsschimmer -, selbst Fraktionsvorsitzender Lothar Späth, die Entscheidung zum Bau des Kernkraftwerks Wyhl als wenig glücklich bezeichnet haben.
Meine Damen und Herren, ich habe dieses Problem - Genehmigungsverfahren Standort Wyhl - hier nicht genannt, um Auseinandersetzungen des Landes Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag fortzusetzen;
({6})
ich habe es deswegen genannt, weil, wie ich meine, die baden-württembergische Landesregierung am Beispiel Wyhl modellhaft und bundesweit demonstriert hat, wie man diese Frage mit Sicherheit nicht lösen kann. Ich hoffe sehr, daß die Landesregierung daraus für ihr weiteres Vorgehen gelernt hat. Es würde mich noch viel mehr freuen, wenn die Landesregierung auch einmal Reden von sachkundigen Kollegen der CDU/CSU zu diesem Problem, wie sie im Deutschen Bundestag gehalten werden, zur Kenntnis nähme.
Die sozialdemokratische Fraktion mißt den im Antrag erhobenen Forderungen nach „Verbesserung des rechtlichen Gehörs der betroffenen Bürger im Genehmigungsverfahren" entscheidende Bedeutung bei. Mit der dritten Änderung des Atomgesetzes auf unseren Antrag sind wir bereits einen Schritt in diese Richtung gegangen. Bei der vierten Änderung des Atomgesetzes werden weitere Schritte folgen.
Ich wiederhole: Kernenergie kann nach meiner Überzeugung nicht gegen, sondern nur mit der Bevölkerung durchgesetzt werden. Die Bürger unseres Landes können sich darauf verlassen, daß für meine Fraktion Sicherheit und Schutz der Bevölkerung Vorrang haben. Wir werden uns dafür einsetzen, daß die Zahl der Kernkraftwerke auf das unserer Überzeugung nach notwendige Maß beschränkt bleibt. - Ich danke für die Geduld zur fortgeschrittenen Stunde.
({7})
Ich danke Ihnen, Herr Kollege, dafür, daß Sie die angemeldete Redezeit noch unterschritten haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren! Ja, dabei bleibt es - ({0})
- Ich bitte vielmals um Entschuldigung: Meine Damen und Herren!
({1})
- Ja, und das im Jahr der Frau! - Die Vorlagen, die unter Punkt 12 der Tagesordnung zusammenfassend behandelt werden, rücken erneut die Frage nach dem Schutz vor den Gefahren radioaktiver Strahlen in den Vordergrund des Interesses. Das sage ich und betone ich, obwohl die Debatte heute leider am Rande dieser Bundestagsplenarsitzung stattfindet; aber das sind Entwicklungen einer Regie, die nicht immer ganz steuerbar sind. Ich möchte meinem Herrn Vorredner darin zustimmen, daß die Dinge sowohl im Ausschuß wie auch im zuständigen Fachressort durchaus mit dem gebührenden Ernst, mit dem gebührenden Zeitaufwand und mit der gebührenden Beachtung der Schwierigkeit der Probleme behandelt werden.
Ungeachtet der Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland schon jetzt auf diesem Gebiet entscheidende Schritte in Richtung auf den Schutz ihrer Bürger getan hat, bleibt sicher ein großer Anpassungsbedarf. Dieser entsteht dadurch, daß Fragen der Energiesicherung, aber auch technologische Erfahrungen und neue Erkenntnisse die öffentliche Hand ständig zu einer Überprüfung und dann auch Anpassung des geltenden Rechts an die Entwicklungen zwingen.
Wo stehen wir heute? Neben die Strahlenexposition aus Kernwaffenversuchen tritt in immer stärkerem Maße die Problematik der Strahlenexposition aus kerntechnischen Anlagen und aus der Verwendung von radioaktiven Stoffen und ionisierenden Strahlungen in Forschung und Technik. Dabei ergibt sich die Schwierigkeit, daß einerseits die Energiesicherung aus volkswirtschaftlichen Gründen - darauf war schon hingewiesen worden - ein vorrangiges Ziel dieser Bundesregierung ist und sein muß, andererseits aber auch die zu diesem Zweck zu errichtenden kerntechnischen Anlagen ausreichend gesichert sein müssen.
Diese Sicherung der Anlagen wirft technologische, rechtliche, dann aber auch - und da haben Sie recht, Herr Kollege Gruhl - personelle Probleme auf.
In technologischer Hinsicht will ich nur kurz vor allem nennen: a) die Sicherheit des Brennstoffkreislaufs bei technischen Störfällen, die Entlagerung hochaktiver Abfälle und die Abwärmeabgabe an Wasser und Atmosphäre - ein sehr weites Feld, gerade auch in diesem Bereich.
In rechtlicher Hinsicht geht es vorrangig darum, die Anlagegenehmigungsverfahren durch zielgerichtete Verfahren zu optimieren, die rechtlichen Möglichkeiten zur Nachrüstung entsprechend dem jeweils neuesten Stand der Technik zu verbessern und ein Verfahren zu schaffen, das die staatliche Aufsicht und die Überwachung schnell und zuverlässig regelt.
In personeller Hinsicht kommt es vor allem darauf an, ausreichendes fachkundiges Personal zur Verfügung zu haben.
Mit besonderer Dringlichkeit stellt sich auch für meine politischen Freunde und mich vor allem die Frage, wie Anlagen vor äußeren Einwirkungsmöglichkeiten wirksam zu schützen sind. Hier verweise ich ebenfalls besonders auf den Schutz der Anlagen vor Sabotage, dann aber auch auf die Notwendigkeit, sicherzustellen, daß das Gefahrenpotential. kerntechnischer Anlagen nicht als Mittel für strafbare Handlungen verwendet werden kann. Auch solche Erwägungen sind durchaus ernst zu nehmen und dürfen bei unseren Beratungen nicht vor der Tür bleiben.
Der Innenausschuß schlägt Ihnen vor, in einer 4. Novelle zum Atomgesetz die soeben angesprochenen Probleme aufzugreifen. Niemand in unserem Lande kann noch leugnen, daß die friedliche Nutzung der Atomenergie mit Risiken verbunden ist. Diese begründen die Verpflichtung für den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber, solche Risiken, wenn notwendig, durch Verbote und Auflagen so weit wie möglich auszuschließen. Hier besteht für den Staat ein echter Zielkonflikt. Im Rahmen einer Abwägung zwischen dem volkswirtschaftlichen Postulat einer ausreichenden Energiesicherung und der Sicherheit der dazu erforderlichen Kernenergieanlagen kann dieser Zielkonflikt nur so gelöst werden, daß dem Sicherheitsgebot unbedingter Vorrang gebührt. Bei nicht ausreichender Sicherung wären Leben und Gesundheit unserer Bürger in einem unvertretbaren Maß gefährdet. Das können und wollen wir nicht hinnehmen.
Daraus folgt weiter, daß der Bau kerntechnischer Anlagen im Rahmen des Energieprogramms nur in dem Maße und in dem Umfang erfolgen darf, in dem eine ausreichende Sicherheit der Anlagen gewährleistet ist. Der Bau und Ausbau kerntechnischer Anlagen findet folglich in den technologischen und rechtlichen Möglichkeiten der Sicherung eine natürliche Begrenzung. Das gilt natürlich auch für die Zahl der Anlagen.
Dies ist der sachliche Zusammenhang, der etwa gleich einem Junktim die Sicherungsmöglichkeiten mit den energiepolitischen Problemen verbindet.
Unter dem Aspekt der Sicherheit ist vor allem die Frage des Standorts der Anlagen zu sehen, eine Frage, die in unserem dicht besiedelten Lande besonders problematisch ist. Auch hierauf wollte ich noch einmal hinweisen.
Nun noch eine allgemeine Bemerkung. Ich darf das, was auch Herr Kollege Schäfer zum Schluß gesagt hat, unterstreichen. Es muß hervorgehoben werden, daß die Standortwahl nur mit, aber nicht gegen
den Willen der betroffenen Bevölkerung erfolgen sollte und kann. Sind aber die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen, so wird auch die Haltung der Bevölkerung sehr viel leichter positiv sein.
Es ist daher unbedingt notwendig - das meinen meine Freunde und ich ebenfalls -, die Bevölkerung über die Standortwahl und die hierfür bestehenden Gründe zu informieren. Tut man dies - wie im Falle Wyhl - nicht, so weckt man natürlich ein Gefühl des Mißtrauens und provoziert damit oft geradezu eine irrational begründete Abwehrhaltung gegen die geplanten Maßnahmen. Diese wird noch verstärkt, wenn Anlageersteller und genehmigende Behörde in irgendeiner Form personell miteinander verquickt sind. Um eine positive Haltung der Bevölkerung zu erreichen, muß also auf jeden Fall eine ausreichende Information und unter Umständen darüber hinaus sogar eine Partizipation der betroffenen Bevölkerung erreicht werden.
Diese Erkenntnisse beruhen auf den Berichten der Bundesregierung und auf den allgemeinen Erfahrungssätzen der letzten Zeit. Sie finden ihren Ausdruck in dem Antrag des Innenausschusses für eine 4. Atomgesetznovelle, der im Ergebnis, wie ich meinen möchte, auch die Anträge der CDU/CSU-Fraktion mit erfaßt.
Die Fraktion der Freien Demokraten bittet das Hohe Haus, diesen Anträgen zuzustimmen.
({2})
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wendig, daß Sie im gleichen Sinne wie der Herr Vorredner verfahren sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stavenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf einiges eingehen, was Herr Kollege Schäfer hier gesagt hat. Er behauptete, Ministerpräsident Filbinger sage undifferenziert ein Ja zur Kernenergie. Ich darf Ihnen aus einer Broschüre der Bundesregierung vorlesen, die noch heute verteilt wird. Dort lesen wir den knackigen Satz:
Kernenergie ist sicher und umweltfreundlich. Dafür sprechen harte Fakten.
Das wird heute verteilt, und hier macht man dann den Versuch, andere mangelnder Differenzierungsfähigkeit zu bezichtigen. Ich glaube, man sollte sich erst einmal in der Bundesregierung darüber klar werden, wie man heute zur Kernenergie steht.
Herr Schäfer, Sie haben im Bereich von Energie und Umweltschutz, im Bereich von Wachstum und Umweltschutz die Dinge nach meiner Meinung ein wenig verkürzt. Es ist gefährlich, zwischen Wachstum und Umweltschutz einen Widerspruch aufzubauen.
({0})
Wir kennen sehr wohl dieses Spannungsverhältnis; aber das Problem der Zukunft liegt nicht in der Alternative, sondern darin, daß wir ständig dieses Spannungsverhältnis ausbalancieren. Wenn Sie den Eindruck erwecken - und andere tun das auch -, als könnten wir die Probleme der Zukunft mit Nullwachstum lösen, dann ist das gefährlich und falsch. Mit Nullwachstum lösen wir weder unsere nationalen noch die internationalen Probleme, und die internationalen Probleme, die oft auch als NordSüd-Gefälle bezeichnet werden, werden langfristig gewaltig an Bedeutung gewinnen.
Wenn Sie sagen, Herr Schäfer, daß Ministerpräsident Filbinger in Baden-Württemberg die, die dort demonstriert und dieses Gelände besetzt haben, als Kommunisten bezeichnet hat, dann möchte ich Ihnen vorlesen, was er vor dem Landtag gesagt hat. Er führte aus:
An den Aktionen hat sich eine beträchtliche Gruppe von Linksextremisten aus allen Teilen des Bundesgebietes beteiligt und diese Aktionen, zumindest teilweise, gesteuert. Das ist keine Übertreibung, darüber liegen gesicherte Erkenntnisse vor. Wenn ich auf diese Zusammenhänge hinweise, so heißt das noch lange nicht, daß ich alle Demonstranten in einen Topf werfe. Ich kann sehr gut unterscheiden und habe dies auch stets getan. Die ortsansässigen Bürger gehören nicht zu jener Gruppe von Störern, die in Wyhl nur eine Chance wittern, um den demokratischen Rechtsstaat zu verunsichern und als handlungsunfähig hinzustellen.
Soweit das Zitat, Herr Schäfer.
({1})
- Sie haben keine Zwischenfragen zugelassen; ich lasse auch keine zu, die Zeit drängt. Ich bitte darum um Verständnis.
Ich möchte Ihnen noch etwas anderes berichten.
({2})
- Herr Schäfer, es ist sehr viel vom Bürgerwillen die Rede, der sich artikulieren müsse. Daß sich dieser Bürgerwille nicht nur artikulieren soll, sondern daß er offensichtlich auch - von manchen zumindest - manipuliert werden soll, dieser Verdacht drängt sich auf, wenn man sich eine Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung, Theodor-Heuss-Akademie, zu einem Seminar zur Legitimation der Bürgerinitiativen, 23. bis 28. Februar 1975, vorhält und sich die Tagesordnung anguckt. Da heißt es:
Dienstag, 25. Februar, Filmvorführung: Vor Ort, Bürger kämpfen gegen Atomkraftwerke; Praxisbericht zwei: Bürgeraktion gegen Kraftwerke, Beispiel Marckolsheim/Wyhl.
Und am Tag darauf: Bürgeraktion im Planspiel; Einübung in politische Interessenfindung und Durchsetzung; Planspiel: Das Kraftwerk. Das war am 26. Februar.
Am 28. Februar wurde Wyhl zum zweiten Mal besetzt.
({3})
- Sie sollten sich einfach mit diesen Dingen auseinandersetzen und nicht indifferenziert hier Sachen behaupten, die Sie nachher nicht halten können.
({4})
Zur Information der Bürger in Wyhl ist zu sagen, daß hier wohl niemand behaupten kann, daß es in Wyhl keine ausreichende Information gegeben habe.
({5})
Es hat diese Information gegeben, und dieses Verfahren ist nicht - wie es auch Herr Minister Matthöfer in Bensberg wieder erklärt hat - im Hauruckverfahren durchgepeitscht worden, sondern dieses Verfahren dort ist seit Jahren im Gange, und jeder hat Gelegenheit gehabt, sich ausreichend zu informieren und von dem, was geplant ist, Kenntnis zu nehmen.
({6})
- Ich werde doch erwidern dürfen auf das, was der Kollege Schäfer gesagt hat.
({7})
Wir haben nie behauptet, daß Kernenergie risikofrei sei. Sie ist es nicht. Es gibt überhaupt keine Technologie, die risikofrei wäre. Das Ziel muß sein, das vorhandene Restrisiko zu minimieren. Aber wir müssen heute auch sagen, daß es nicht möglich ist, eine Technologie im Labor bis zum Endzustand zu entwickeln, um sie dann auf die grüne Wiese zu transponieren. Was wir heute im Bereich der Kernenergie an Technologie haben, kann, wenn man verantwortungsvoll prüft, eingesetzt werden. Ich glaube, auch die Bundesregierung wird nicht anstehen, dies zu bestätigen.
({8})
Die Bundesregierung erklärt - und das teilen wir -, daß wir neben allen Anstrengungen, Energieeinsparungen voranzutreiben, die Wachstumsraten nicht auf Null zu bringen, aber zu reduzieren, eben auch Bedarf an Kernenergie haben. So sagt sie es, und so schreibt sie es an vielen Stellen. Was man dann aber in Baden-Württemberg demonstriert bekommt an Äußerungen von Herrn Parlamentarischem Staatssekretär Hauff, von Herrn Eppler und auch von anderen, geht in eine ganz andere Richtung.
Zunächst einmal wird der Standortvorsorgeplan der Landesregierung gelobt. Dann wird er wieder madig gemacht, er sei nicht ausgewogen. Dann wird behauptet, dort wolle man 17 Standorte verwirklichen, obwohl dort geschrieben steht, daß es nur Alternativstandorte sind, daß man bis 1990 nur fünf verwirklichen will.
Konkret zu Wyhl! Da heißt es in einem Fernschreiben des Innenministers vom 24. September
1974 - ich darf das mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren -:
Auf Grund der Beratungsergebnisse der Reaktorsicherheitskommission und ihrer Unterausschüsse, insbesondere der in der 95. Sitzung angesprochenen Empfehlung, und auf Grund der mir vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen habe ich keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Erteilung der ersten Teilerrichtungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Süd.
Dazu hat auch der Landwirtschaftsminister keine Einwendungen erhoben. In einem Schreiben vom 13. Januar 1975 fällt es dann einigen Ministerien ein, nun Einwendungen zu erheben, die vorher nicht da waren.
({9})
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie noch einmal darauf zurückkämen. Wir haben hier unter den Punkten 12 a bis c unmittelbar zur Entscheidung anstehende Berichte. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich darauf konzentrierten.
({0})
Herr Präsident, konkret auf diese Berichte hat Herr Gruhl schon Bezug genommen. Ich versuche darzustellen, daß die Kernenergie und die Umwelt in Zukunft in diesem Spannungsverhältnis gesehen werden müssen,
({0})
und ich versuche nachzuweisen, daß Kernenergie in Zukunft notwendig ist und daß auf sie nicht verzichtet werden kann.
({1})
Herr Hauff hat in Baden-Württemberg die Emotionen geschürt, statt sachliche Information zu betreiben. Er hat auch Fakten nicht richtig wiedergegeben.
({2})
Herr Kollege, kommen Sie bitte zur Sache!
Er sagt z. B. in einem Interview der Esslinger Zeitung, die Vorsorge der Bundesregierung im Bereich von Rohöl sei erheblich. Tatsächlich haben wir Reserven für einen Tag, soweit der Bund betroffen ist. Er sagt an anderer Stelle, Einsparung und Sonnenergie müßten vor der Kernenergie voll entwickelt werden. Tatsache ist, daß die Sonnenenergie gegenwärtig noch keinen wesentlichen Beitrag zur Energiesicherung bringen kann. Tatsache ist auch, daß Kernenergie und Einsparungen für die Zukunft nebeneinander zu entwickeln sind.
Wir unterstützen jede Bemühung, Sicherheitsanstrengungen zu verschärfen und hier nicht nachzulassen, Wir fordern aber auch, daß die Bundesregierung nicht hier das eine sagt und im Land das andere, weil es gerade in die jeweilige Schublade oder in bevorstehende Landtagswahlkämpfe paßt.
({0})
Das Wort hat Herr Bundesminister Matthöfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zu Herrn Stavenhagen. Zunächst einmal ein Wort zu dem, was, glaube ich, allgemeine Meinung ist, daß nämlich zur Verwirklichung des Energieprogramms der Bundesregierung Kernenergie erforderlich ist. Dafür muß es natürlich auch Standorte geben. Es besteht hier gar kein Zweifel: Wenn das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen ist, muß die Entscheidung auch durchgesetzt werden können, und wer die Gesetze bricht, der muß mit entsprechenden Sanktionen rechnen. Darüber besteht doch Einigkeit. Herr Filbinger sagte heute morgen im Bundesrat, die Demonstrationen seien KBW-gesteuert; Sie sagen, sie seien FDP-gesteuert.
({0})
Bitte schön, Sie haben einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Seminar der Friedrich-NeumannStiftung und der Demonstration anderthalb Tage später hergestellt. Ich bitte Sie, doch im Interesse der Sache von solchen Verdächtigungen abzusehen.
({1})
Was soll denn das bedeuten, zumal es sich um ein Gebiet handelt, in dem Ihre Partei mit soliden Zweidrittelmehrheiten rechnen kann und wo festgestellt worden ist, daß etwa 80 % der Bevölkerung gegen das Kernkraftwerk sind, übrigens gar nicht so sehr gegen das Kernkraftwerk als solches - das ist das Interessante -, sondern gegen die Kühltürme, von denen man vermutet, daß sie durch die Zehntausende von Tonnen Wasserdampf, die sie täglich ausstoßen, das Miniklima verändern! Hier nützt es doch herzlich wenig, daß Sie uns versichern, das sei gar nicht so schlimm, der Öchsle-Gehalt werde dadurch nicht vermindert. Solange die Leute das glauben, solange sie glauben, daß ihre Existenzgrundlage durch dieses Kraftwerk vernichtet wird, so lange muß man sie geduldig aufklären. So ist das nämlich in einer Demokratie.
({2})
In einer Demokratie sind Wasserwerfer und Gummiknüppel keine Argumente.
({3})
Herr Filbinger sprach von „kommunistisch gesteuerten Mitläufern". Ausgerechnet in Wyhl, ich bitte Sie, in einer eigenen südbadischen Heimat! Er bezeichnete sie als „Erfüllungsgehilfen ortsfremder politischer Extremisten". Es wird hier langsam der
normale Stil, Bürger, die um wichtige Dinge in unserem Land besorgt sind, als „Extremisten" zu disqualifizieren und sich auf diese Art und Weise vor der Diskussion von Problemen zu drücken. Ein solcher harter Kern - diese Bürgersöhnchen sind alle sehr mobil; sie nehmen das Auto ihres Vaters; es sind ja die Kinder Ihrer Wähler, die dort angereist kommen ({4})
muß doch auf Bereitschaft stoßen. Glauben Sie denn, daß irgend jemand 80 '°/o einer solchen Bevölkerung - kleine Weinbauern z. B. - so auf die Barrikaden bringen könnte, wenn hier nicht wirklich ernsthafte, schwere Frustrationspontentiale aufgestaut wären?
Sie sagen: Das Verfahren ist durchgeführt worden. Was durchgeführt worden ist - hier hat Ihr Kollege Gruhl völlig recht -, sind weitgehende Partizipationsrituale.
({5})
Vielleicht war es so, wie er es schildert: Nachdem alles fertig war, hat man die Bevölkerung zu Akklamationssitzungen eingeladen, die man abgebrochen hat, als man es leid war.
Ich sage Ihnen - das zeigt Wyhl -: Wenn wir dieses Energieprogramm durchführen wollen, müssen wir eine ganz andere Einstellung zu den Sorgen der Bürger gewinnen.
Bitte schön!
Bitte, Herr Kollege!
Herr Bundesminister, welchen Beitrag hat eigentlich die Bundesregierung geleistet, um diese Verfahren zu verbessern?
({0})
Ich will Ihnen einmal folgendes sagen, Herr Dr. Stavenhagen; es dauert ein bißchen länger. Es handelt sich gar nicht darum, daß das Verfahren so, wie es ist, nicht ordentlich wäre. Aber man darf es nicht zu einem bloßen Ritual machen, indem man Entscheidungen schon verkündet, bevor sie überhaupt gefallen sein können, wie es in diesem Fall geschehen sein soll, indem man Leute nicht empfängt, indem man sich nicht genug Mühe macht, sie über Rituale hinaus nun wirklich in der Sache aufzuklären und zu beteiligen.
({0})
Wenn Sie aufmerksam zugehört hätten, mein Herr,
({1})
hätten Sie gehört, daß ich die Frage beantwortet
habe, indem ich nämlich gesagt habe, daß es nicht
nur darauf ankommt, das Verfahren zu ändern, sondern darauf, es mit richtigem Inhalt zu erfüllen, indem man die Sorgen von Menschen zur Kenntnis nimmt, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen. Das ist nämlich in Wyhl der Fall.
Bitte schön!
Sind die Verfahren, die wir gegenwärtig haben, nach Ihrer Auffassung in Ordnung, und brauchen sie nicht weiterentwickelt zu werden?
Ich sage: Erstens, die Verfahren sind verbesserungsfähig. Zweitens: Selbst die bestehenden Verfahren wären ausreichend gewesen, wenn nicht, wie es etwa die „Bonner Rundschau", die ja keine SPD-Zeitung ist, der baden-württembergischen Landesregierung bescheinigt hat, Hilflosigkeit und Durcheinander der Kompetenzen in dieser Frage geherrscht hätten.
Herr Minister, der Herr Abgeordnete Burger wünscht noch eine Zwischenfrage zu stellen.
Ich habe nur noch eine kurze Frage. Herr Minister, Sie sprachen von der Angst, und ich kann Ihnen zustimmen: die Angst ist da. Aber es ist nicht nur Angst vor Kühltürmen, sondern auch Angst vor Strahlen mit all ihren Folgen. Hier frage ich Sie nun sehr ernsthaft: Glauben Sie, daß Ihr Ministerium und die Bundesregierung wirklich das Mögliche getan haben, um die Bevölkerung von dieser konkreten Angst auch vor Auswirkungen von Strahlen und anderen Folgewirkungen - zu befreien?
Herr Burger, fragen Sie doch Ihren Kollegen Stavenhagen, der im Haushaltsausschuß 800 000 DM für Aufklärung, die im Haushalt des Ministeriums eingesetzt worden sind, abgelehnt hat.
({0})
Sie können sich doch nicht hier hinstellen und uns kritisieren und im Haushaltsausschuß solche Anträge ablehnen.
({1})
- Mit der Mehrheit der Koalition sind sie bewilligt worden. Wollen Sie sagen, daß Ihr Kollege diese Mittel abgelehnt hat, weil er sicher war, daß die Koalition sie doch beschließt? Sie sind mir ein rechter Abgeordneter!
({2})
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Sehr gern, Herr Präsident!
Herr Kollege Stavenhagen hat vorhin aus einer Broschüre zitiert. Ich habe eine weitere aufwendige Broschüre, herausgegeben vom Bundeswirtschaftsministerium, hier. Ich muß Ihnen sagen: Es sind derartige Broschüren gedruckt worden, aber sie können durchaus nicht den Anspruch erheben, die Bevölkerung konkret auf diese Fragen vorzubereiten.
({0})
Herr Kollege, jede Broschüre hat ihren besonderen Zweck. Es kommt doch darauf an, der Bevölkerung klarzumachen, daß wir dann, wenn wir unseren Lebensstandard aufrechterhalten oder steigern oder wenn wir sogar ein wenig von unserem Reichtum in der Welt verbreiten wollen - was ja zur Sicherung des Friedens wohl auch erforderlich ist -, Energie brauchen,
({0})
daß die Vorräte an fossilen Brennstoffen - der Verbrauch dieser Brennstoffe steigt ständig an - endlich sind und wir deshalb mit steigenden Preisen und der Erschöpfung dieser Vorräte rechnen müssen, daß deshalb die benötigte Energie wahrscheinlich nur in Form der Kernenergie erbracht werden kann und daß die Bundesregierung deshalb in der Sache ein Programm erarbeitet hat - ich freue mich, daß Sie uns bei der Durchsetzung dieses Programms unterstützen wollen -, das auf Energieeinsparung ausgerichtet ist und auf die Entwicklung alternativer Energiequellen abzielt. Wenn wir nun noch Kernenergie einsetzen wollen, wollen wir diese so sicher wie möglich machen. Deshalb haben wir die Mittel für die Sicherheit der Kernenergie vervielfacht. Darüber hinaus wollen wir in der Bevölkerung auch noch die notwendige Aufklärungsarbeit leisten. Die Mittel für diese Arbeit haben Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß abgelehnt.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen?
Ich weiß nicht. Ich will hier nicht den Eindruck erwecken -
Herr Minister, es ist Ihr Recht, Zwischenfragen anzunehmen oder abzulehnen, ohne daß daraus gewisse Rückschlüsse gezogen werden können.
Herr Dr. Stavenhagen, ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich die Frage nicht mehr zulasse. Ich tue das nicht, weil ich mich drücken wollte,
sondern deshalb, weil ich den Fortgang der Debatte nicht ungebührlich aufhalten möchte.
({0})
- Dann muß ich auf Ihren Zwischenruf antworten.
Bei der Besetzung des Hauses werden sich die Zwischenrufe ohne Schwierigkeiten alle im Protokoll wiederfinden.
Ich will nicht auf die Details eingehen, mit welchen Ungeschicklichkeiten im Falle Wyhl gearbeitet worden ist. Daß der Ministerpräsident gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Baden-werke ist, bringt doch in der Bevölkerung einen bestimmten Verdacht auf. Der Standort war erst in der Nähe von Breisach geplant, wurde dann aber aus der Nähe des Wahlkreises von Herrn Filbinger 15 km weiter nach Norden verlegt. Beide Standorte liegen aber am Kaiserstuhl. Es fragt sich natürlich, warum der eine richtig sein soll und der andere nicht. Fahren Sie doch einmal hinunter, erkundigen Sie sich oder lesen Sie unsere Untersuchungen über dieses Problem. Dann werden Sie sehen, daß es hier gar nicht so sehr um das Kernkraftwerk geht. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie Leute, die um ihre ökonomische Existenz kämpfen oder glauben kämpfen zu müssen, sich behandelt fühlen. Es kommt doch darauf an, hier Versäumnisse und Ungeschicklichkeiten wiedergutzumachen.
Bitte lesen Sie doch den Brief, den die Gewerkschaft der Polizei an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg geschrieben hat:
Mit großer Sorge betrachtet die Gewerkschaft der Polizei den Einsatz der Polizei in Wyhl. Der Polizeibeamte benötigt für jeden Einsatz das Gefühl der rechtlichen und moralischen Überzeugtheit. Dieses Gefühl ist bei dem obigen Einsatz nicht voll vorhanden, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Einsprüche noch aussteht und es sich im Gegensatz zu anderen Erklärungen unseres Erachtens um eine nicht kriminelle Aktion der betroffenen Bürger des Kaiserstuhls handelt. Wir sind der Auffassung, daß eine politisch und rechtlich nicht voll geklärte Situation nicht auf dem Rükken der Polizei ausgetragen werden sollte.
Das ist die Meinung der Polizeibeamten, die dort unten ihre Pflicht getan haben, auch gegen ihre eigene Überzeugung. Wenn Sie uns in solche Situationen bringen, befürchte ich allerdings - das möchte ich zum Schluß sagen -, daß das Energieprogramm der Bundesregierung ernsthaft gefährdet ist. Nur deshalb, Herr Kollege Stavenhagen, kümmern wir uns um Wyhl.
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Sonst wäre dies ja eine Landesangelegenheit. Wir
möchten der Landesregierung gerne helfen. Ich
möchte das Angebot wiederholen, das ich im BundesBundesminister Matthöfer
rat vor wenigen Stunden gemacht habe. Wir machen hier ein Angebot auf Zusammenarbeit. Lassen Sie uns ein vernünftiges Programm ausarbeiten, damit die Leute unten, die ihre Umwelt schützen wollen und die um ihre Existenz besorgt sind, wenigstens das Gefühl, vielleicht sogar die Überzeugung bekommen, daß Bundesregierung und Landesregierungen auf ihre Sorge eingehen und langfristig das Allgemeininteresse am Herzen haben und nicht kurzfristig das Interesse bestimmter Gesellschaften durchsetzen möchten.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es jetzt sehr kurz machen, aber doch noch einmal zu den Vorlagen zurückzukommen, die mit dem Problem, das wir eben diskutiert haben, zwar zu tun haben, aber nicht in der Weise, wie das jetzt von dem Kollegen Stavenhagen hier in den Vordergrund geschoben worden ist.
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- Ja, er hat ja geantwortet, Herr Kollege Windelen.
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- Ja, gut. Also bitte, werten wir das nach allen Seiten.
Meine Damen und Herren, es sind wie immer in diesem Hause Kettenreaktionen.
Herr Präsident, ich möchte mich dieser Kettenreaktion jetzt nicht anschließen. Ich möchte nur sagen, daß in diesem Hause niemand vom Nullwachstum ausgegangen ist, Herr Kollege Stavenhagen, oder von ähnlichen Überlegungen. Sonst würden wir über die Problematik überhaupt nicht reden müssen. Wir müssen darüber reden, weil wir Wachstum wollen, weil Wachstum auch Voraussetzung ist für Umweltschutz usw.; das brauche ich hier nicht auszuführen.
Der im Rahmen des Energieprogramms der Bundesregierung bei seiner Fortschreibung vorgesehene Ausbau der Kernkraftkapazität, der ja sehr erheblich ist, von 3 500 Megawatt heute auf 50 000 Megawatt im Jahre 1985, macht noch mehr als bisher eine äußerst sorgfältige Überwachung der Umweltradioaktivität und der Umgebung aller kerntechnischen Anlagen notwendig. Die Bundesregierung sieht es als eine wichtige Aufgabe an, das Parlament regelmäßig über die Auswirkungen der Kernkraftwerke auf die Umwelt zu unterrichten.
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Die zusätzliche mittlere Strahlenbelastung der Bevölkerung durch die friedliche Nutzung der Kernenergie beträgt gegenwärtig weniger als 1 Prozent der natürlichen Strahlenbelastung. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, daß das auch so bleibt.
Daneben wird die Bundesregierung gemäß dem Vorschlag des Innenausschusses nicht nur über die natürliche Strahlenbelastung, sondern auch über alle anderen Quellen berichten, die zu einer Strahlenexposition der Bevölkerung führen. Die Sorge, Herr Kollege Gruhl, die in dem Antrag der CDU/CSU zum Ausdruck kommt, teilen wir durchaus. Wir teilen sie schon seit vielen Jahren. Seit 1960 gibt es ein umfassendes Schutz- und Kontrollsystem, das immer weiter ausgebaut worden ist und das wir jetzt auch fortentwickeln werden.
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Dieses System hat sich im Prinzip bewährt. In den vergangenen Jahren ist es bislang zu keinen schwerwiegenden Schädigungen gekommen. Auf die im letzten Jahr bekanntgewordenen Vorkommnisse beim Umgang mit radioaktiven Stoffen, die Anlaß zu den Beratungen des Innenausschusses wurden, sind sowohl im Vergleich mit den üblicherweise in anderen Bereichen der Technik in Kauf genommenen Gefährdungen als auch im Hinblick auf das der Kernenergie unbestreitbar innewohnende Gefahrenpotential kein Anlaß zur Beunruhigung.
Die nach dem Energieprogramm der Bundesregierung vorgesehene starke Ausweitung der Kernenergienutzung zur künftigen Sicherstellung der Energieversorgung wirft jedoch - und darauf haben meine Vorredner mit Recht hingewiesen - umfangreiche Probleme auf, sowohl wegen der großen Zahl der zu erwartenden einzelnen kerntechnischen Einrichtungen, als auch durch die erst aus der Vielzahl erwachsende neue Dimension einer Gesamtproblematik.
Ich möchte auf den Bericht Bezug nehmen, den der Bundesminister an den Innenausschuß gegeben hat, und einen Punkt herausgreifen. Wir haben die Bundesauftragsverwaltung analysiert und für geeignet befunden, die Kernenergienutzung sicher im Griff zu behalten; allerdings nur dann, wenn die teilweise erkennbaren Vollzugsschwächen durch organisatorische Verbesserungen und personelle Verstärkungen beseitigt werden können.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, daß eine Kompetenz des Bundes nur im Hinblick auf diesen sicherheitstechnischen Aspekt besteht. Die Berücksichtigung sonstiger wichtiger Umstände und die Standortentscheidungen selbst sind allein Sache der Länder. Ich wiederhole aber die Forderung der Bundesregierung - Herr Kollege Matthöfer hat das soeben schon ausgedrückt - nach einer langfristigen, in Landesentwicklung und Raumordnung eingebetteten Standortvorsorge für Kernkraftwerke.
Die prinzipiell positive Bewertung des Atomgesetzes und der damit im Zusammenhang stehenden Verordnung schließt nicht aus, daß eine Fortschreibung und Verbesserung notwendig ist. Diese haben wir bereits in Angriff genommen ebenso wie die Novellierung der Strahlenschutzverordnung und der Atomanlagenverordnung. Vieles versuchen wir
im Vollzug heute schon so zu steuern, auch wenn es noch nicht ausdrücklich normiert ist.
Ich stimme dem Kollegen Schäfer sehr zu, wenn er gesagt hat, daß die Sicherheit der Bevölkerung bei jeder unserer Entscheidungen der oberste Grundsatz ist. Es reicht aber nicht aus, meine Herren, daß wir auf diesen Grundsatz in Reden und Diskussionen verweisen. Die Bundesregierung und die Länder werden in der Öffentlichkeit vor allem danach beurteilt, ob sie auch danach handeln. Die industrielle Nutzung der Kernenergie findet in der Öffentlichkeit wegen ihres besonderen Gefahrenpotentials und ihrer Geschichte eine einzigartige Aufmerksamkeit. Zu Recht müssen wir auf dieses Informationsbedürfnis der Bevölkerung eingehen.
In der letzten Zeit haben wir einen zunehmenden Widerstand der Bevölkerung gegen die Kernenergie beobachten können. Massenverfahren mit bis zu 100 000 Einsprüchen pro Kernkraftwerk mit anschließenden Verwaltungsgerichtsprozessen kennzeichnen die heutige Situation. Auch die vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen spiegeln zunehmend die Schwierigkeit, um nicht zu sagen, das Dilemma der Gerichte, die komplizierten technischen Sachverhalte bei der Kernenergienutzung zu durchdringen, und die Kritik der Gerichte - sei es zu Recht oder zu Unrecht - an der behördlichen Aufklärung der Sachverhalte wider. Wir werden also prüfen, ob uns hier die Einführung der Verbandsklage weiterhelfen kann.
Ich komme zum Schluß. Diese Entwicklung deutet immer klarer an, wie sehr es in der Öffentlichkeit noch an dem nötigen Vertrauen zur Kernenergie und am Zutrauen zu den Behörden bei der Wahrnehmung der Interessen der Öffentlichkeit am Schutz vor den Gefahren der Kernenergie mangelt. Daher steht und fällt mit dem Maß dieses Vertrauens zur Kernenergie das Energieprogramm der Bundesregierung und damit bereits mittelfristig die Qualität der gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung in unserer Bundesrepublik.
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Es muß unser gemeinsames Ziel sein, um dieses Vertrauen der Bevölkerung zu werben und dafür weitere Grundlagen zu setzen. Ohne eine offene Information der Bevölkerung werden wir, meine Herren, nichts erreichen.
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Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache. Ich schließen die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlußfassung. Wir stimmen zunächst ab über den Antrag des Innenausschusses auf der Drucksache 7/3129, der in zwei Ziffern unterteilt ist. Ich gehe davon aus, daß ich die Entscheidung des Hauses darüber in einer Abstimmung herbeiführen kann. - Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 7/3129 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/3128. Ich gehe auch hier davon aus, daß wir über die Nummern 1 und 2 gemeinsam abstimmen können. - Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 7/3298. Auch hier gehe ich davon aus, daß wir gemeinsam abstimmen können. - Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Beratungen. Ich rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Dienstag, den 18. März 1975, 13 Uhr zur Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.