Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/28/1975

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung des Agrarberichts gibt mir auch in diesem Jahr wieder die Gelegenheit, über die Lage und die Entwicklungsaussichten der Landwirtschaft zu berichten und eine Bilanz der Agrar- und Ernährungspolitik zu ziehen. Ich möchte es mir im Interesse einer möglichst eingehenden Erläuterung des Agrarberichts ersparen, hier im einzelnen auf die vielfältigen Folgewirkungen der drastischen Energie- und Rohstoffverteuerung einzugehen. Die Landwirtschaft muß fertig werden mit der Erhöhung der Betriebsmittelpreise, mit einem Rückgang des Angebots an außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen sowie mit einer abgeschwächten Entwicklung der Nachfrage nach hochwertigen Agrarerzeugnissen. Diese gegenwärtigen, von der Lage der Weltwirtschaft untrennbaren Belastungen stellen schon für sich allein auch die Landwirtschaft vor eine Bewährungsprobe. Aber sie werden obendrein potenziert durch die außergewöhnlichen Schwierigkeiten, die der gemeinsamen Agrarpolitik aus fehlenden Integrationsfortschritten in anderen Bereichen der Europapolitik erwachsen. Ihnen allen ist ja diese Problematik bekannt. Bevor ich im einzelnen auf den Agrarbericht 1975 eingehe, möchte ich zunächst eine Wertung der jüngsten Brüsseler Agrarpreisbeschlüsse vornehmen. Die Bundesregierung hat sich vor allem aus drei Gründen für den Ihnen allen bekannten Kompromiß ausgesprochen: 1. Sie wollte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie an dem Ziel, die Europäische Gemeinschaft zu einer politischen Gemeinschaft zu entwickeln, unbeirrt festhält. ({0}) 2. Ein nationaler Alleingang konnte nicht im Interesse der deutschen Landwirtschaft liegen, da er die Isolierung der Bundesrepublik heraufbeschworen und ihr zudem jegliche Einflußnahme auf gemeinsame - also die Partner bindende - Beschlüsse genommen hätte. 3. Sie konnte auch die gegenwärtige schwierige Lage Großbritanniens nicht außer acht lassen. Der unter großen Anstrengungen erzielte Kompromiß war letztlich ein Kompromiß, der allen Partnern Zugeständnisse abverlangte. Die Kluft der Inflationsraten zwischen den Mitgliedstaaten, die sich im Jahre 1974 vergrößerte und die vor allem bei den landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreisen zu einem deutlichen Auseinanderrücken führte, hat die Preisverhandlungen außerordentlich belastet. Hinzu kamen einzelne nationale Sonderwünsche, einmal als Folge innerpolitischer Schwierigkeiten in einigen Mitgliedstaaten, zum anderen auf Grund der Regelungen des Beitrittsvertrages. In Anbetracht dieser Ausgangslage war es daher sehr schwierig, zu einem für alle Partner akzeptablen und gerechten Ergebnis zu kommen. Ausgehend von dem Grundsatz, der deutschen Landwirtschaft eine gleichberechtigte Teilnahme an der allgemeinen Einkommensentwicklung zu ermöglichen, waren für die deutsche Haltung drei Gesichtspunkte maßgebend: ein gemeinsamer Preisbeschluß, eine Wiederannäherung des nationalen Agrarpreisniveaus nicht zu Lasten der Aufwertungsländer, sondern nur durch Konzessionen aller Mitgliedstaaten sowie die prinzipielle Beibehaltung des Grenzausgleichssystems. Diese drei Punkte haben ohne Abstriche Eingang in den Gesamtkompromiß gefunden. Zudem hat auch der Aufwertungsausgleich über die Mehrwertsteuer in keiner Phase der Verhandlungen zur Diskussion gestanden. Es erscheint mir notwendig, daran zu erinnern, welches die Ausgangslage in den Brüsseler Preisverhandlungen gewesen ist. Auf dem Verhandlungstisch lag der Vorschlag der Kommission über den Abbau des deutschen Grenzausgleichs um 5 %, und außerdem gab es den Beschluß des Europäischen Parlaments über den Abbau des Grenzausgleichs um 3 %. Dazu ist es nicht gekommen. Wer den erzielten Kompromiß als die schlechteste aller denkbaren Lösungen bezeichnet, muß sich allerdings fragen lassen, wo und welche Alternativen er sieht. ({1}) Sollten das etwa national festgesetzte Agrarpreise sein, die im gegenwärtigen Zustand der Gemeinschaft nur die Renationalisierung der gemeinsamen Agrarpolitik bedeuten könnten? Das wäre doch ein Weg, der von allen Parteien in diesem Parlament abgelehnt wird, der politisch nicht verkraftbar ist und der nach meiner Auffassung - das sage ich in Übereinstimmung mit der berufsständischen Vertretung in Deutschland - letzten Endes den Interessen der deutschen Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft und der Verbraucher zuwiderlaufen würde. ({2}) So gesehen wäre das doch wohl in Wahrheit eher die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Damit komme ich zur Wertung des Gesamtkompromisses. Bei den pflanzlichen Erzeugnissen wurden alles in allem befriedigende Preisbeschlüsse erzielt. Der neuralgische Punkt des Preiskompromisses aber liegt bei den Veredelungserzeugnissen, wo es sich erst noch erweisen muß, was am Markt tatsächlich realisiert werden kann. Am problematischsten ist für mich der Milchsektor. Auch wenn wir augenblicklich bei Butter keine besonderen Schwierigkeiten haben - Lagerbestände in der Gemeinschaft derzeit rund 61 000 Tonnen, in der Bundesrepublik Deutschland 24 000 Tonnen -, so können wir auf die Dauer nicht ausschließen, daß die Märkte derjenigen Produkte, die keiner Intervention unterliegen, unter Druck geraten. Es kann sicherlich nicht Sinn unserer Agrarpolitik sein, daß die Produkte, denen durch erhebliches Know-how neue Märkte erschlossen wurden, möglicherweise wegen der InBundesminister Ertl terventionsprodukte dann in eine schlechtere Ertragssituation kommen. Durch den gemeinsamen Preisbeschluß wurde sichergestellt, daß es zu einer für alle Mitgliedstaaten in etwa gleichen absoluten Anhebung der Marktordnungspreise gekommen ist. Der deutsche Grenzausgleich wurde in seiner Summe erhalten. Nicht Prozentzahlen sind hier entscheidend, sondern das, was im Endeffekt unter dem Strich dabei herauskommt. ({3}) - Das stimmt. Herr Kiechle, Sie sind doch ein guter Rechner. ({4}) - Herr Kiechle, Sie müssen mir erst Gegenbeweise liefern. Dazu fordere ich Sie auf. ({5}) Nicht immer solche Behauptungen in den Raum stellen und keine Gegenbeweise liefern! ({6}) - Ja, Herr Bewerunge, ich habe nicht angefangen. Da müssen Sie mal mit Ihrer Linken reden, ausnahmsweise; da sitzen Ihre Freunde aus Bayern. ({7}) - Sie haben bisher noch nie einen einzigen Gegenbeweis geliefert, noch nie. ({8}) - Ich habe nicht angefangen. - Herr Kiechle, Sie müssen mal eine Europareise antreten! Sie müssen Ihren Horizont weiten! ({9}) Die Bundesregierung hat außerdem einen stabilitätskonformen Preisbeschluß erzielt. Sie kann damit vor Erzeugern wie vor Verbrauchern gleichermaßen bestehen. Gegenüber ihren Kollegen in den unter einem stärkeren Kostendruck stehenden Mitgliedstaaten haben die deutschen Landwirte ihre Wettbewerbsposition behauptet. Alles in allem schließlich ist durch den gemeinsamen Preisbeschluß eine weitere Schwächung der gemeinsamen Agrarpolitik abgewendet worden. Wohin aber Kritik führen kann, dafür bietet die Opposition ein anschauliches Beispiel. Während Herr Ritz der Bundesregierung vorwirft, sie habe einem Verhandlungsergebnis zugestimmt, das den deutschen Bauern benachteilige, beklagt Frau Wex zur gleichen Zeit die Belastungen der Verbraucher durch diese Preisbeschlüsse. Ich nehme an, daß die Opposition in ihrer Antwort darauf eingehen wird. ({10}) Ich habe auch noch ein drittes Beispiel auf Lager. Ich habe noch nicht alle Beispiele angeführt. Ich weiß, die Palette ist großartig breit und weit. - Ich möchte dem nur soviel hinzufügen. ({11}) Sich wahlweise mal auf das eine Pferd, Herr Müller-Hermann, mal auf das andere Pferd zu setzen, schadet der Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik in der Öffentlichkeit, weil es die Gesamtverantwortung vermissen läßt, die wir heute neben der Sachlichkeit in der politischen Auseinandersetzung, wie ich meine, nötiger denn je haben. ({12}) - O ja, für Sie ist diese Lektüre gut, Herr Eigen! Da haben Sie nämlich Nachholbedarf! ({13}) Bevor ich nun auf den Agrarbericht und die damit zusammenhängenden Fragen eingehe, möchte ich den Leitern aller Testbetriebe dafür danken, daß sie auch in diesem Jahr eine so detaillierte Analyse der Lage der deutschen Landwirtschaft ermöglicht haben. Mein besonderer Dank gilt dabei den Leitern der neu in das Testbetriebsnetz aufgenommenen Nebenerwerbsbetriebe, die uns erstmals in die Lage versetzen, ein differenziertes Bild von der Einkommenslage dieser Betriebe zu gewinnen. Danken möchte ich schließlich auch den Mitarbeitern meines Hauses, die es auch in diesem Jahr verstanden haben, einen umfassenden und zugleich übersichtlichen Bericht zu erarbeiten. Die gemeinsame Agrarpolitik wäre um vieles leichter, gäbe es Vergleichbares auch in unseren Partnerländern. Es war wohl von vornherein klar, daß die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1973/74 nicht ähnlich günstig verlaufen würde wie in den beiden vorausgegangenen Ausnahmejahren. Ich gebe zu, daß sich unsere ursprüngliche Vorschätzung der Einkommensentwicklung nicht bestätigt hat. Das tatsächliche Ergebnis liegt im Rahmen unserer revidierten Vorschätzung vom Sommer, allerdings an der unteren Grenze. Dafür war neben der Verteuerung der landwirtschaftlichen Betriebsmittel und der unbefriedigenden Entwicklung auf den Märkten für Schweinefleisch und Rindfleisch auch der verlangsamte Rückgang des Arbeitskräfteeinsatzes in der Landwirtschaft bestimmend. Wenn es der Landwirtschaft aber allen Widerständen zum Trotz gelungen ist, ihr Einkommen gegenüber dem Vorjahr zu halten, so dürfen wir dabei nicht übersehen, daß dies nicht allen Berufsgruppen gelungen ist. Gegenbeispiel sind diejenigen Wirtschaftszweige, die von Konjunktureinbrüchen und von struktureller Arbeitslosigkeit betroffen sind. Schließlich sind auch die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in ihrer Gesamtheit im Jahre 1974 nicht gewachsen. Die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft ist im Berichtsjahr recht unterschiedlich verlaufen. Damit erweist sich von neuem, daß es die Landwirtschaft nicht gibt, sondern nur ein Spektrum unterschiedlicher landwirtschaftlicher Ertragslagen, woraus sich die Notwendigkeit einer differenzierten Agrarpolitik herleitet. Während in den Betrieben über der Grenze nach § 4 des Landwirtschaftsgesetzes die Marktfruchtbetriebe und die Veredelungsbetriebe mit einem Anstieg des Reineinkommens je Familienarbeitskraft um 12,5 bzw. 4,9 % ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielten, blieben die Gemischtbetriebe um 2,7 % hinter dem Ergebnis des letzten Wirtschaftsjahres zurück. Einen Einkommensrückgang um 5,5 % verzeichneten die Futterbaubetriebe, deren Reineinkommen sich im Vorjahr noch um 21 % verbessert hatte. Auch in den Weinbaubetrieben und im Gartenbau verlief die Einkommensentwicklung unterschiedlich. In den weinbaulichen Haupterwerbsbetrieben nahm das Reineinkommen in den Betrieben mit Flach- und Hanglagen um 4,6 % und in den Betrieben mit Steillagen um 1,7 % zu. Im Gartenbau erzielten die Zierpflanzenbetriebe einen Einkommensanstieg von 2,1 % und die Baumschulen um 14 %. Rückläufig entwickelten sich dagegen die Reineinkommen in den Gemüsebaubetrieben, in den Gemischtbetrieben und besonders in den Obstbaubetrieben. In den Obstbaubetrieben hatte sich allerdings im Vorjahr das Einkommen verdoppelt. Von wesentlichem Einfluß auf die landwirtschaftliche Einkommensentwicklung sind der Witterungsverlauf, die Marktentwicklung in der Gemeinschaft und die Lage auf den Weltagrarmärkten. Der Vergleich der Einkommensentwicklung von Wirtschaftsjahr zu Wirtschaftsjahr ist nicht immer befriedigend, weil hier notgedrungen Zäsuren in der laufenden Entwicklung vorgenommen werden müssen. Bei der Analyse der Einkommensentwicklung der letzten fünf Wirtschaftsjahre komme ich zu dem Ergebnis, daß das Reineinkommen im jährlichen Durchschnitt um 10,4 % gestiegen ist und 1973/74 19 972 DM je Familienarbeitskraft erreichte. Diese jährliche Zuwachsrate werte ich als Ausdruck der Leistungsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und nicht zuletzt auch als einen Erfolg der Politik dieser Regierung. Das Reineinkommen - ich darf das hier noch einmal erläutern - ist der Betrag, der dem Unternehmer und seiner Familie als Entgelt für die Arbeitsleistung, den Einsatz des Eigenkapitals und die unternehmerische Tätigkeit zufließt. Das Reineinkommen steht also nicht allein für den privaten Verbrauch zur Verfügung, sondern fließt zum Teil als Investition in den Betrieb zurück. Es kann daher auch nicht direkt mit dem Arbeitseinkommen der übrigen Wirtschaft verglichen werden. Der große innerlandwirtschaftliche Einkommensabstand, meine Damen und Herren, den der Agrarbericht auch in diesem Jahr ausweist, kann uns nicht gleichgültig sein, auch wenn wir aus einer neueren Untersuchung wissen, daß dieser zumindest nicht größer als bei den Selbständigen anderer Wirtschaftsbereiche ist. Denn er kennzeichnet nicht nur die große strukturelle Spannweite, die die Agrarpolitik allein in unserem Lande zu überbrücken hat und die den Einsatz des agrarpolitischen Instrumentariums so außerordentlich erschwert. Er verdeutlicht zugleich die Schwierigkeiten, die besonders der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik aus der unterschiedlichen agrarpolitischen Interessenlage der Partnerstaaten erwachsen. Hier aber sind nicht allein die Regierungen aufgerufen, einer differenzierten Agrarpolitik auf der Basis regionaler Strukturkonzepte zu folgen. Auch der landwirtschaftliche Berufsstand bleibt in seiner Mitverantwortung für die Differenzierung der Agrarpolitik und ist zur Mitarbeit angehalten. Wir sollten es andererseits als ein hoffnungsvolles Zeichen werten, daß die Zahl der Landwirte wächst, die auf Grund ihres Könnens mehr aus ihren Betrieben erwirtschaften, als dies nach Standort oder Betriebsform zu erwarten wäre. In Anbetracht der herausragenden Bedeutung der Betriebsleiterqualität kann ich gar nicht häufig genug hervorheben, wie wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg eine qualifizierte allgemeine und berufliche Ausbildung ist und welch große Bedeutung dem Bildungsangebot im ländlichen Raum zukommt. Angesichts der wachsenden Bedeutung des außerbetrieblichen Einkommens kann sich schließlich die Analyse der Einkommenslage der Landwirtschaft und der Landwirte nicht auf das betriebliche Einkommen beschränken. Außerlandwirtschaftliche Einkommen sind heute bereits in zwei Dritteln aller Betriebe vorhanden. Auch wenn die Analyse des landwirtschaftlichen Einkommens für uns Priorität besitzt, so können wir es gleichwohl als ein erfreuliches Zeichen ansehen, daß sich der innerlandwirtschaftliche Einkommensabstand bei Berücksichtigung des außerlandwirtschaftlichen Erwerbseinkommens deutlich verringert. Im Wirtschaftsjahr 1973/74 wurden, wie schon gesagt, erstmals auch die Nebenerwerbsbetriebe in das Testbetriebsnetz einbezogen, um repräsentative Beurteilungskriterien für die Lage dieser Betriebe zu erhalten. Die Ergebnisse lassen - obwohl noch nicht ausreichend repräsentativ - bereits eine wichtige Feststellung zu: Auf dem Wege kombinierter Erwerbstätigkeit kann heute selbst in kleineren Betrieben ein Einkommen erwirtschaftet werden, das hinter demjenigen aus Vollerwerbsbetrieben nicht zurückzustehen braucht, sofern diese Betriebe arbeitssparend organisiert sind und befriedigende außerlandwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die größte Sorge bereitet mir jedoch die ungünstige Einkommenslage der Haupterwerbsbetriebe mit geringer Produktionskapazität und mit begrenzten außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten. Hier bestehen in der Tat ernste Probleme. Eines unserer Hauptziele muß es daher weiterhin sein, diese überwiegend in schwach strukturierten Gebieten liegenden Betriebe in eine integrierte Struktur- und Regionalpolitik einzubeziehen. Gerade im zurückliegenden Jahr konnte hier eine Reihe von Fortschritten erzielt werden; ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Die voraussichtliche Einkommensentwicklung im Wirtschaftsjahr 1974/75 können wir schließlich nicht losgelöst von dem gegenwärtigen Kostenniveau und der unausgeglichenen Lage auf einer Reihe von Agrarmärkten sehen. Der Kostenschub, der von der Energie- und Rohstoffverteuerung ausgegangen ist, kann nicht im Verlaufe eines Wirtschaftsjahres verkraftet werden. Dies gilt für die Agrarwirtschaft wie für die übrige Wirtschaft. Die Bundesregierung ist hinsichtlich der Kostenentlastung für die Landwirtschaft nicht untätig geblieben. Dies zeigt nicht nur der Stabilisierungserfolg an der Preisfront, sondern auch die Anhebung der Vorsteuerpauschalen für die Land- und Forstwirtschaft um 1 % und die Bereitstellung von 400 Millionen DM für unmittelbar einkommenswirksame Maßnahmen und zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen infolge der Energieverteuerung. Darüber hinaus werden den landwirtschaftlichen Familien aus der Kindergeldreform zusätzlich mehrere hundert Millionen DM zufließen. Und aus der Inanspruchnahme der 7,5%igen Investitionszulage können nach bisherigen Schätzungen etwa 250 bis 300 Millionen DM erwartet werden. Unter Berücksichtigung der jüngsten Agrarpreisbeschlüsse rechne ich für 1974/75 mit einer spürbaren Verbesserung des Reineinkommens, die sich im darauffolgenden Wirtschaftsjahr - aber stärker ausgeprägt - fortsetzen dürfte, sofern nicht erneut unvorhergesehene Entwicklungen eintreten. Mit der landwirtschaftlichen Einkommensentwicklung wird es daher nach einem Jahr der Unterbrechung des Einkommensanstiegs wieder aufwärtsgehen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, wird nicht nur daran gemessen, was sie für den Erzeuger leistet, sondern gleichermaßen daran, was sie für den Verbraucher bringt. ({14}) Gerade in unserem Lande haben sich in den zurückliegenden 11/2 Jahren die Nahrungsmittelpreise als ein Puffer gegen die Preisauftriebstendenzen erwiesen; sie haben einen wesentlichen Anteil daran, daß die Bundesrepublik im internationalen Vergleich die geringste Steigerung bei den Lebenshaltungskosten zu verzeichnen hatte und auch heute noch zu verzeichnen hat. ({15}) Um so größer mußte daher auch unser Interesse sein, diesen Aktivposten für unser Land bei der jüngsten Festsetzung der Agrarpreise nicht über Gebühr zu strapazieren. Da sich die jüngsten Preisbeschlüsse auf die Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik - auf ein Jahr gesehen - um nicht mehr als 0,5 bis 0,6 % auswirken dürften, ist dies wohl auch gelungen. Wer den Preisauftrieb weiter bekämpfen will - und das bleibt eine unserer zentralen Aufgaben, auch in Form einer verstärkten Verbraucheraufklärung -, der muß auch bereit sein, dies auf allen Gebieten zu tun. Das positive Beispiel, das die Tarifpartner heute geben, konnte bei den Preisbeschlüsesn nicht außer acht gelassen werden. Das EG-Agrarsystem hat sich angesichts der Turbulenzen auf einer Reihe von Weltagrarmärkten als elastisch genug erwiesen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln auch unter erschwerten Bedingungen zu gewährleisten. Was eine leistungsstarke heimische Landwirtschaft für die Versorgung unserer Bevölkerung bedeutet, können wir wohl am eindrucksvollsten an der Tatsache ermessen, daß in der Bundesrepublik seit der Aufhebung der Lebensmittelrationierung vor genau 25 Jahren - am 1. März 1950 - keinerlei Probleme der Versorgung mit Nahrungsmitteln aufgetreten sind. Diese bestandene Bewährungsprobe sollte uns jedoch aus heutiger Sicht nicht zu falschen Signalen für die Erzeuger verleiten. Die Lage auf den Weltagrarmärkten ist zwar weiterhin labil, aber sie tendiert - wie auch die Lage auf dem Großteil der anderen Rohstoffmärkte - zur Entspannung. Gegenwärtig liegen die cif-Preise für Weichweizen um 15 % und für Mais um 14 % unter den gemeinschaftlichen Schwellenpreisen. Ich möchte daher vor einer zu optimistischen Einschätzung der Nachfrageentwicklung auf den Weltagrarmärkten warnen. Die Europäische Gemeinschaft wird sich zwar in der Zukunft in stärkerem Maße für Aufgaben der Ernährungssicherung in der Welt bereit halten müssen; dies sollte uns jedoch nicht zu der Einschätzung verleiten, die kommerziellen Absatzmöglichkeiten könnten im Gleichklang mit dem Bedarf an Nahrungsmitteln in der Welt wachsen. Gerade die Entwicklung auf dem EG-Rindermarkt sollte hier zu kritischen Überlegungen Anlaß sein. ({16}) Das Jahr 1974, meine Damen und Herren, war nicht nur ein Jahr der außergewöhnlichen Belastungen für alle Zweige unserer Wirtschaft, es war auch ein Jahr erheblicher Anstrengungen, um die Schwierigkeiten abzuwenden, die sich der Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft entgegenstellten. Lassen Sie mich zunächst auf die Markt- und Preispolitik eingehen, die für die Bundesregierung nach wie vor der Eckpfeiler der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik ist. Um das Einkommensziel und den notwendigen Strukturwandel nicht zu gefährden, wurden die Marktordnungspreise im Jahre 1974 zweimal angehoben, und zwar um 8,5 % und um 5 %. Dieser Anhebung um 13,5 % folgte dann am 13. Februar dieses Jahres eine weitere um 5,9 %. Außerdem wurden erhebliche Mittel für die Stabilisierung des Rindfleischmarktes bereitgestellt. Die deutsche Landwirtschaft kann auf Grund dieses Rückhalts wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Der diesjährige Gesamtkompromiß kann allerdings kein Gradmesser für zukünfte Preisbeschlüsse sein, weil zu viele Entscheidungen auf die nächste Preisrunde vertagt wurden. Das möchte ich hier ausdrücklich hervorheben. Andererseits ist es nicht ohne Wirkung geblieben, daß die Bundesregierung ihren Partnern anläßlich der Oktober-Preisverhandlungen die Grenzen der Preis- und Beihilfenpolitik nachdrücklich vor Augen geführt hat. Belastend sind jedoch nach wie vor die unterschiedlichen Vorstellungen der Mitgliedstaaten über die Richtung der Agrarmarktpolitik der Gemein10626 Schaft, die ihren Ausdruck in einer offensiven Produktionspolitik auf der einen und einer auf Marktausgleich bedachten Politik auf der anderen Seite finden. Auf die Dauer wird es auch auf wichtigen Agrarmärkten mit strukturellen Ungleichgewichten nicht zu umgehen sein, die Erzeuger in die Verantwortung für das Marktgleichgewicht mit einzubeziehen. Der strukturelle Anpassungsprozeß in der Landwirtschaft wird durch die Vervollständigung und Differenzierung des strukturpolitischen Instrumentariums im Jahre 1974 eine weitere Stärkung erfahren. Die Erhaltung einer breitgefächerten Struktur landwirtschaftlicher Betriebe bleibt so gewährleistet. Der Schwerpunkt der strukturellen Verbesserungen liegt bei der Fortentwicklung des Einzelbetrieblichen Förderungsprogramms. Wie in jedem Jahr, so sind auch für das Jahr 1975 die Förderungskonditionen verbessert worden. Neu in das Förderungsprogramm aufgenommen wurden Investitionen zur Energieeinsparung. Schließlich konnte die Überbrückungshilfe wesentlich attraktiver gestaltet werden, da die Laufzeit der Kredite nicht mehr auf das sechzigste Lebensjahr des Antragstellers beschränkt wird; außerdem wurde das Förderungsvolumen heraufgesetzt. Ich halte es darüber hinaus für einen wichtigen Schritt nach vorn, daß die gezielte investive Förderung von Nebenerwerbsbetrieben in das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm aufgenommen wurde. So kann vom 1. Januar d. J. an in den Fällen eine Umstellungshilfe gewährt werden, in de-nen der Übergang vom Haupt- zum Nebenerwerb vollzogen werden soll, und eine Anpassungshilfe dort, wo in Grünlandbetrieben eine arbeitssparende Umorganisation vorgesehen ist. Schließlich steht den Nebenerwerbsbetrieben nunmehr auch der Zugang zu Kooperationen offen. Jedes strukturelle Förderungsprogramm für die Landwirtschaft ist schließlich nur so gut wie das Gesamtkonzept für die regionale Wirtschaftsförderung. Ohne die Bereitstellung von 580 000 außer-landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen von 1969 bis zum Herbst 1974 wäre der zurückliegende landwirtschaftliche Anpassungsprozeß gar nicht möglich gewesen. Aber jedes Konzept stößt an seine Grenzen, wenn die veränderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen - wie gegenwärtig - seine volle Entfaltung nicht mehr zulassen. Die Marschrichtung der Agrarstrukturpolitik bleibt dennoch unverändert. Ihre verringerte Marschgeschwindigkeit versuchen wir - soweit wie möglich - durch die im Jahre 1974 erweiterte Bandbreite der strukturpolitischen Maßnahmen auszugleichen, - wenn Sie mir diesen Vergleich gestatten. Eine auf den ländlichen Raum bezogene Agrarpolitik darf die Leistungen der Landwirtschaft nicht allein nach ökonomischen Kriterien messen; sie muß dies zugleich nach den Aufgaben tun, die die Landwirtschaft für die Gesamtgesellschaft erfüllt. Die Landwirtschaft trägt zur Vielfalt der Kulturlandschaft bei, deren Erhaltung der Allgemeinheit vor allem wegen ihres Freizeit- und Erholungswertes nützt. Unser Ziel muß es daher sein, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten besonders in den von der Natur benachteiligten, in der Regel aber landschaftlich schönsten Gebieten verstärkt zu entwikkeln. Damit werden den Landwirten in diesen Gebieten zugleich neue Möglichkeiten der Landbewirtschaftung und der Einkommenskombination eröffnet. Als Beispiel für eine neue Initiative in dieser Richtung möchte ich hier das EG-Bergbauernprogramm nennen, das in der Bundesrepublik als dem einzigen Land vorab zum 1. Oktober 1974 in Kraft gesetzt wurde. Eine im Vergleich zum Einzelbetrieblichen Förderungsprogramm günstigere und umfassendere Investitionsförderung soll dazu dienen, eine intakte Landwirtschaft in Höhengebieten und vergleichbaren benachteiligten Gebieten zu erhalten. Wo diese besonders gefährdet ist, wird erstmals in Form der Ausgleichszulage eine direkte Einkommensübertragung gewährt. Ich bin der Auffassung, daß mit dem Bergbauernprogramm ein Weg eingeschlagen wurde, der in besonderer Weise verdeutlicht, wie die Leistungen für die Landwirtschaft über die von ihr übernommene Erhaltung der Kulturlandschaft und der Freizeiträume an die Allgemeinheit zurückfließen. Der fortschreitende Industrialisierungsprozeß in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens und die wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung führen zwangsläufig zu höheren Ansprüchen an Natur und Landschaft. Sie verstärken die Belastungen des Naturhaushalts und beschleunigen die Wandlung der Landschaftsstruktur und des Landschaftsbildes. Bund und Länder müssen diesen Entwicklungen im Rahmen des Naturschutzes, der Landschaftspflege oder des Umweltschutzes verstärkt entgegenwirken. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind jedoch tragfähige gesetzliche Grundlagen. Das jetzt verabschiedete Bundeswaldgesetz erfüllt gewiß nicht alle Erwartungen. Es schafft jedoch eine Grundlage für eine zeitgemäße Forstpolitik und verdient schon von daher nicht die an ihm geübte Kritik. Mit der weiteren parlamentarischen Beratung des Entwurfs eines Bundesgesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege verbinde ich die Erwartung, daß es uns bald gelingt, einen einheitlichen Rahmen für seine wichtigsten Bereiche zu schaffen. Eine alle Aspekte des ländlichen Raumes umfassende Politik ist nicht denkbar ohne ein Mindestmaß an gemeinsamen Grundsätzen in der Landschaftsplanung, bei der Reaktion auf Eingriffe in Natur und Landschaft sowie beim Gebiets- und Artenschutz. Die landwirtschaftliche Sozialpolitik schließlich -die dritte Säule der Agrar- und Ernährungspolitik - ist mit der Dynamisierung der Altershilfe für Landwirte und der noch zu beschließenden rückwirkenden Einführung des Waisengeldes zum 1. Januar 1975 in ein neues Stadium getreten. Dieser Schritt beweist, daß die Agrarsozialpolitik nach Jahren der Erfüllung des Nachholbedarfs Anschluß an die allgemeine Sozialpolitik gefunden hat. Die aktive Generation unter den Landwirten weiß sehr wohl, was sie von den agrarsozialen Maßnahmen hat, und kann sehr wohl ermessen, daß ihr hier tatkräftig unter die Arme gegriffen wird. Ohne die heutige Agrarsozialpolitik müßten die Landwirte für ihre soziale Sicherung finanzielle Belastungen tragen, die für viele weniger leistungsfähige Betriebe zu gefährlichen Liquiditätsengpässen und zum Verlust der betrieblichen Entwicklungsfähigkeit führen würden. Die Tatsache, daß die Bundesregierung 1974 für die landwirtschaftliche Sozialpolitik rund 2,3 Mrd. DM ausgegeben hat, unterstreicht den Rang, den sie der sozialen Gleichstellung der landwirtschaftliche Bevölkerung beimißt. ({17}) Lassen Sie mich abschließend noch einige grundsätzlichen Bemerkungen zu der vor uns liegenden Entwicklung machen. Wir haben allen Anlaß, die Entwicklungsaussichten der deutschen Landwirtschaft für das laufende Jahr zuversichtlich einzuschätzen. Die konsequente Stabilitätspolitik von Bundesregierung und Bundesbank, die zu einer - im internationalen Vergleich unerreichten - Abbremsung des Preisauftriebs geführt hat, verschafft der deutschen Wirtschaft und damit auch der deutschen Landwirtschaft eine günstige Wettbewerbsposition. Zudem unterstreicht die Steigerung des Agrarexports im Wirtschaftsjahr 1973/74 um 37 % die Leistungsfähigkeit der deutschen Agrarwirtschaft. Die beachtliche Anhebung der Marktordnungspreise innerhalb der letzten zwölf Monate bildet ein festes Fundament für die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen in der Landwirtschaft. Die Agrarstrukturpolitik wurde konsequent fortentwickelt, und laufende Förderungsmaßnahmen wurden der veränderten Lage angepaßt. Angesichts des erreichten Standes der einzelbetrieblichen Investitionsförderung würde ich es begrüßen, wenn Bund und Länder sich über ihre weitere Verfeinerung und ihre Weiterentwicklung an Hand objektiver Kriterien verständigen könnten. Da bereits im vergangenen Jahr eine Einigung erzielt wurde, Betriebsentwicklungspläne und Buchführungsabschlüsse gemeinsam auszuwerten, dürfte hierfür eine geeignete Basis gegeben sein. Dies würde nicht zuletzt auch dazu beitragen, die BundLänder-Abstimmungsprozeduren bei den Gemeinschaftsaufgaben zu verbessern. Die jüngsten Agrarpreisbeschlüsse und die Beschlüsse des vergangenen Jahres haben der gemeinsamen Agrarpolitik zwar eine Atempause verschafft; ihre grundlegenden Probleme sind jedoch nach wie vor ungelöst. ({18}) Die Bestandsaufnahme der gemeinsamen Agrarpolitik hat daher an Dringlichkeit nichts verloren. Die Bundesregierung hat dies durch die frühzeitige Übermittlung ihrer Vorstellungen an die EG-Kommission und an ihre Partnerländer nachdrücklich unterstrichen. Hier hat die Bundesregierung als erstes Land konkrete Vorstellungen entwickelt. Die aus der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verfassung der Mitgliedstaaten resultierenden Schwierigkeiten lassen Ausnahmeregelungen vertretbar erscheinen, aber nur befristet. Und nur mit dieser zeitlichen Befristung haben wir sie akzeptiert. Langfristig ist die Rückgewinnung des Gleichgewichts auf den wichtigen Agrarmärkten entscheidend; ({19}) hierüber ist ein Konsens mit allen unseren Partnern unabdingbar. Marktstörungen, die über das saisonal und zyklisch Übliche hinausgehen, schaffen nicht nur Marktregulierungs- und Finanzierungsprobleme. Schwerer wiegt, daß sie den innerlandwirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigen und damit gerade den tüchtigen Landwirt um seine Chance bringen. Langfristige Ungleichgewichte auf den Märkten belasten darüber hinaus nicht nur die finanzielle Solidarität unter den Mitgliedstaaten, sie strapazieren auch mehr und mehr die Solidarität des Steuerzahlers und damit des Verbrauchers. ({20}) Wir müssen daher, auf eine kurze Formel gebracht, zu einer Agrarmarktpolitik zurückfinden, die das gemeinsame Instrumentarium wieder stärker in den Dienst der Marktsteuerung stellt und erforderlichenfalls sogar fortentwickelt, nicht der Perfektion zuliebe, sondern mit dem eindeutigen Ziel der Einkommensverbesserung. Wir sollten zugleich die Agrarstrukturpolitik so flexibel an die regionalen Erfordernisse anpassen, daß sie in stärkerem Maße als bisher zur Entlastung der Agrarpreis- und der Agrarmarktpolitik beiträgt. Lassen Sie mich nun zusammenfassen: Die Bundesregierung geht von der Erwartung aus, daß mit den jüngsten Agrarpreisbeschlüssen und allen im Jahre 1974 national oder gemeinschaftlich ergriffenen Maßnahmen die Kostenbelastung der deutschen Landwirtschaft aufgefangen und damit der Grundstein zur Verbesserung der Ertragslage gelegt werden konnte. Diese aber wird in entscheidendem Maße von der Lage auf den Agrarmärkten und hier vor allem von der Entwicklung der Nachfrage bestimmt werden. Wesentliche Voraussetzung für die Wiederbelebung der Kaufkraft ist jedoch die konsequente Weiterverfolgung unserer Stabilitätspolitik und die Festigung der Beschäftigungslage im Verlaufe dieses Jahres. Die Landwirtschaft hat bewiesen, daß strukturelle Veränderungen die eigene Leistungsfähigkeit erheblich zu steigern vermögen. Dies wird auch in Zukunft so sein. Dabei steht für die Bundesregierung die Förderung der Vollerwerbsbetriebe, der Zuerwerbsbetriebe und der Nebenerwerbsbetriebe gleichrangig nebeneinander, aber differenziert nach unterschiedlichen strukturpolitischen Ansätzen. Die Entscheidung über das weitere Schicksal seines Betriebes trifft der einzelne Landwirt als Unternehmer selbst, aber in der Gewißheit, daß er seine Entscheidung dank eines umfassenden Netzes sozialer Sicherung auch ohne die Inkaufnahme sozialer Härten realisieren kann, und zwar unabhängig davon, ob er sich für ein Verbleiben in der Landwirtschaft, für eine Einkommenskombination oder für ein Ausscheiden aus der Landwirtschaft entscheidet. ({21}) Oberste Richtschnur für die Bundesregierung bleibt das Ziel einer gleichberechtigten Teilnahme aller im ländlichen Raum lebenden Menschen an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unseres Landes. Für die Landwirtschaft, für den Weinbau und den Gartenbau war das zurückliegende Wirtschaftsjahr kein leichtes Jahr. Dies gilt gleichermaßen für die Forst- und Holzwirtschaft und besonders für die Fischwirtschaft, deren Sorgen nicht an den Grenzen unseres Landes haltmachen. Dennoch konnten die bestehenden Schwierigkeiten im Rahmen des Möglichen gemeistert werden. Eine anpassungsbereite Agrar- und Ernährungswirtschaft hat ihre Zukunft, wenn es uns auch weiterhin gelingt, die faire Partnerschaft und die Chancengleichheit für alle ihre Sektoren in der Europäischen Gemeinschaft zu wahren. Ich möchte allen im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft Tätigen meinen aufrichtigen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen. Ich schließe in diesen meinen Dank auch den Verbraucher ein, der der natürliche Partner der Ernährungs- und Landwirtschaft ist. Alle zusammen haben immerhin Anteil an einem Drittel des Sozialprodukts, das in der Bundesrepublik Deutschland erwirtschaftet wird. Ganz unabhängig davon, daß wir heuer das Jahr der Frau begehen, gilt mein besonderer Dank wie immer unseren Bäuerinnen, die - allerdings mehr im Hintergrund denn im Rampenlicht - als Partner des Mannes an der Aufwärtsentwicklung unserer Landwirtschaft einen wesentlichen Anteil haben durch Übernahme einer dreifachen Bürde: Mitarbeit im Betrieb, Führung des Haushalts, Erziehung der Kinder. ({22}) Vizepräsident von Hassel: Das Haus hat die Einbringungsrede des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Agrarbericht 1975 entgegengenommen. Wir treten in die Aussprache ein. Es ist vereinbart worden, die drei aufgerufenen Punkte in der Aussprache gemeinsam zu behandeln. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum 20. Mal debattiert dieses Haus über den Agrarbericht, früher „Grüner Bericht" genannt, um so mehr ein Anlaß, den Mitarbeitern und Beamten, die in all diesen Jahren das umfangreiche Zahlenmaterial zusammengetragen, gewertet und gewichtet haben, ein aufrichtiges Wort des Dankes zu sagen, ({0}) ein Wort des Dankes aber auch und vor allem an die Bäuerinnen und Bauern in den Testbetrieben, die ihre Wirtschaftsergebnisse für die Auswertung zusammengetragen haben. Meine Damen und Herren, um die gemeinsame Agrarpolitik wäre es in der Tat besser bestellt, wenn in allen Ländern der Gemeinschaft ein so umfangreiches, so objektives Zahlenmaterial über die Lage der Landwirtschaft vorhanden wäre. Der Agrarbericht 1975 ist in seinen nüchternen Zahlen eine eindrucksvolle Dokumentation über die Einkommenslage der Landwirtschaft im Jahre 1973/74. Er ist aber zugleich eben auch ein Dokument für das agrarpolitische und gesamtwirtschaftliche Versagen dieser Bundesregierung. ({1}) Im Durchschnitt aller Haupterwerbsbetriebe sind die Reineinkommen gegenüber dem Vorjahr real - nicht nominal, das ist entscheidend - um 7 bis 7,5 % gesunken. ({2}) Allein diese Zahl dürfte für all jene wie eine Ohrfeige wirken, die sich bis vor wenigen Monaten an die Vorausschätzungen des Agrarberichts 1974 klammerten, nach denen die Einkommen im Wirtschaftsjahr 1973/74 um 6 bis 10 % steigen würden. ({3}) Wer dagegen wie die CDU/CSU in der Agrardebatte vom 14. März 1974 vor diesen Vorausschätzungen warnte, wurde als Schwarzmaler verschrien. Dabei war die Entwicklung im Frühjahr 1974 im Grunde klar erkennbar; denn bereits damals bewegte sich die Einkommensentwicklung der Landwirtschaft im Teufelskreis von Inflation, Rezession und erkennbaren Beschäftigungseinbrüchen. Diese deprimierende gesamtwirtschaftliche Lage führt nun einmal dazu, daß für die Landwirtschaft die schlechteste aller möglichen Konstellationen gegeben ist, und zwar durch die Inflation, die die Kostenexplosion auslöst, durch das Nullwachstum und die wachsende Arbeitslosigkeit, die zu einer Stagnation in der Nachfrage nach hochveredelten Nahrungsmitteln führen. Hinzu kommt der Rückgang in der Abwanderung aus der Landwirtschaft, ein Faktor, der den wachsenden Einkommen ja auch immer zugeschlagen worden ist, so zweifelhaft dieser Einkommensfaktor auch sein mag. ({4}) Statt, meine Damen und Herren, also schon im Frühjahr 1974 zu einer realistischen Lagebeurteilung zu kommen, hat sich leider auch in der Agrarpolitik das vollzogen, was in anderen Bereichen der Politik erprobt und geübt wird. Man flüchtete sich nämlich in regierungsamtliche Schönfärberei, ressortorientierte Gesundbeterei und ministerielle Beruhigungsparolen und verwies gleichzeitig alle kritischen Mahner in das Reich der Schwarzmalerei und Panikmache. ({5}) Hätten wir uns dagegen auf Grund einer kritischen Bestandsaufnahme in der Beurteilung der kommenden Entwicklung verständigt, wären wir sicher eher zu gemeinsamem Handeln fähig gewesen. Ich denke hier an eine frühere Anhebung der Vorsteuerpauschale. ({6}) Meine Damen und Herren, wer gemeint hatte, daß man aus diesen Erfahrungen der Vorausschau im Agrarbericht 1974 für dieses Jahr entprechende Konsequenzen gezogen hat, sieht sich getäuscht, denn die Vorausschau für das laufende Jahr 1974/75 weist wiederum einen Gewinnzuwachs von 3 bis 8 % aus. Dies allerdings scheint wiederum zu optimistisch zu sein, auch wenn wir berücksichtigen, daß sicher die Anhebung der Vorsteuerpauschale ab 1. Januar und auch die 7,5%ige Investitionsprämie die negativen Trends ein wenig abbremsen werden. ({7}) Das Preis-Kosten-Verhältnis ist aber für das abgelaufe Dreivierteljahr so schlecht, daß schon deshalb diese Annahme des Gewinnwachstums zu optimistisch ist. Wenn man dann hinzunimmt, daß in der Vorausschau von einer Abwanderungsrate von 4,5 % ausgegangen wird, dann ist dies nicht nur unrealistisch, meine Damen und Herren, sondern geradezu tollkühn, zumal man weiß, daß in einigen ländlichen Regionen derzeit die Arbeitslosenquote zweistellig ist, wie z. B. in Ostfriesland oder im Bayerischen Wald. ({8}) Ich komme nunmehr zu den sicher notwendigen europäischen Aspekten der Agrarpolitik. Hier hat man sich natürlich auch der Taktik des Verharmlosens bedient. Bis in den September 1974 hinein gab es so gut wie gar keine Reaktion auf eine Ausuferung nationaler Maßnahmen in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Von produktionsgebundenen Prämien bis zur Senkung der Mehrwertsteuer zur Verminderung der Betriebskosten reichte der Katalog dieser Maßnahmen. Sie wurden regierungsamtlich von Funkstille begleitet, bis hin zu dem Kraftakt vom 25. September vorigen Jahres, der dann zu der Resolution von Luxemburg am 2. Oktober führte, wonach eine Bestandsaufnahme erfolgen soll, vor allem auch mit dem Ziel, die Wettbewerbsverzerrungen auf den Tisch zu legen. Darauf komme ich. Das soll ja erst am 1. März beginnen. ({9}) - Sie werden noch Ihre Antworten bekommen, Herr Löffler. Meine Damen und Herren, diesem 1. März war der Aschermittwoch vorgelagert mit seinen Agrarpreisbeschlüssen vom 13. Februar. Es hat in der Bewertung der Ergebnisse der Brüsseler Preisbeschlüsse erhebliche Meinungsverschiedenheiten gegeben. Der Herr Minister hat ja in seiner Einbringungsrede gerade darauf sehr stark abgehoben. Ich habe in der Tat von der schlechtesten der denkbaren Lösungen gesprochen. ({10}) Ich stehe dazu und werde auch deutlich machen, warum ich dazu stehe. ({11}) Dabei ist auch die CDU/CSU - und sie hat dies wiederholt, etwa in Interviews oder Stellungnahmen, deutlich gemacht - davon ausgegangen, daß ohne Kompromiß eine Lösung nicht gefunden werden konnte. Die Frage ist nur, wie es um den Kompromiß steht und stand. Meine Damen und Herren, für einen Kompromiß gab es doch drei verschiedene Elemente: einmal differenzierte Preise, zweitens Abbau des positiven wie negativen Grenzausgleichs, drittens nationale Beihilfen. Wir haben diesen Kompromiß nicht zuletzt deshalb als den schlechtesten aller möglichen bezeichnet, weil er eben alle drei Elemente dieser Kompromißmöglichkeiten in sich vereinigt. ({12}) Meine Damen und Herren, wir haben heute zu registrieren: es gibt differenzierte Preise von 5,9 % Anhebung für die deutsche Landwirtschaft bis 14 % für die irische; es hat nun einmal ein Abbau des Grenzausgleichs stattgefunden; wir haben zusätzliche nationale Beihilfen. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang zitieren, was Sie, Herr Bundesminister, am 14. März 1974 am Schluß Ihrer Rede im Parlament gesagt haben, nachdem Sie die Schwierigkeiten dargestellt haben, mit denen wir es in Europa zu tun haben. Sie sagten wörtlich: ... das kann uns allerdings nicht daran hindern, Lösungen zu suchen, die diesen gemeinsamen Agrarmarkt auf die Dauer gerechter und praktikabler machen ... Ich stelle fest: Dieser gemeinsame Agrarmarkt ist durch die Beschlüsse vom 13. Februar 1975 nicht gerechter und praktikabler, er ist ungerechter, unpraktikabler und unübersichtlicher geworden. ({13}) Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Kollege Gallus. Ich darf vielleicht gleich noch eins sagen, Herr Präsident: Ich lasse diese Zwischenfrage gern zu, um deutlich zu machen, daß ich das als Belebung der Debatte auffasse und als wohltuend empfinde. Aber ich glaube, um der zeitlichen Ökonomie willen müssen wir die Zahl der Zwischenfragen begrenzen, Herr Kollege Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ritz, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Preisbeschlüsse von Brüssel einen Kompromiß darstellen, der insgesamt getroffen werden mußte, weil wir diese Frage nicht allein entscheiden konnten?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege, von einem Kompromiß habe ich selbst gesprochen. Und was ich gegen diesen Kompromiß und gegen die Form des Kompromisses einzuwenden habe, habe ich auch gesagt. Ich sage es aber noch sehr viel deutlicher; wir sind damit noch gar nicht am Ende. Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal sagen: Das Wort „gemeinsame Agrarpreispolitik" - ich registriere das sehr schmerzlich - ist angesichts dessen, was heute vor uns steht, fast nur noch eine Karikatur. Lassen Sie mich aber noch drei Anmerkungen zum Brüsseler Kompromiß machen. Zunächst zu den Auswirkungen des Abbaus des Grenzausgleichs. Ich glaube, wir sollten heute nicht mehr darüber streiten, daß dieser Grenzausgleich in der Tat um 2 % abgebaut worden ist. Nach den Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Aufwertungsbericht bedeutet ein Prozent Grenzausgleich nun einmal 250 Millionen DM. Ich bin gerne bereit, Herr Minister, die Zahl 750 Millionen DM zu revidieren, weil ich bei der verwirrenden Fülle der Meldungen aus Brüssel zunächst davon ausgegangen war, der Grenzausgleich sei um 3 % abgebaut. Es sind nur 2 %; insofern korrigiere ich diese Zahl gern. ({0}) Bei unserer grundsätzlichen Position hinsichtlich des Themas Grenzausgleich haben wir uns aber doch immer auf Zahlen der Bundesregierung und des Europäischen Statistischen Amtes gestützt. Wir haben die Auffassung des Herrn Bundeswirtschaftsministers doch nicht zuletzt deshalb kritisiert, weil eben die Behauptung, wir hätten einen geringeren Kostenanstieg durch die Vorteile der Aufwertung, ({1}) auf Grund der Zahlen des Europäischen Statistischen Amtes eben nicht haltbar ist; denn in der Relation - und das ist letztlich ausschlaggebend - von Erzeugerpreisen und Betriebsmittelpreisen hat sich die Bundesrepublik seit 1970 von allen EG-Ländern am ungünstigsten entwickelt. ({2}) Das kann überhaupt nicht bestritten werden, oder man stellt sich hier hin und sagt: Das, was das Europäische Statistische Amt da errechnet hat, ist falsch. Das ist aber bisher nicht geschehen, so daß wir uns nun einmal auf diese Zahlenangaben stützen müssen. Die zweite Begründung für den Abbau des Grenzausgleichs er führe zu einer Warenstromveränderung zugunsten der deutschen Landwirtschaft - ist nun durch den Landwirtschaftsminister selbst mit seinen Errechnungen und Berechnungen zurückgewiesen worden, auf die wir uns nur immer wieder stützen können. Zweite Anmerkung zum Kompromiß: Die Bundesregierung stand und steht - wir haben das nie bezweifelt - vor stabilitätspolitischen Erfordernissen. Dennoch haben wir gesagt, der Auftrag des Kabinetts an den Landwirtschaftsminister, deutlich unter 9 % in Brüssel abzuschließen, sei für uns nicht verständlich; denn diese 9 % hätten nun einmal nach cien Erfahrungen der lezten zehn Jahre bedeutet, daß sich die Erzeugerpreise für die Bauern bestenfalls um 4 bis 41/2 % verbessert hätten. Dies aber läge noch unter der selbst von der Regierung projektierten Preissteigerungsrate im Jahre 1975. Dies aber, waren wir der Meinung, sollte man auch Landwirten zugestehen. ({3}) Dritte Anmerkung. Es sind, daran kann kein Zweifel bestehen, zusätzliche Beihilfen beschlossen worden. Was bedeutet das angesichts der gemeinsamen Agrarpolitik und angesichts des Strebens nach mehr Wettbewerbsgleichheit? Meine Damen und Herren, vor noch nicht einem halben Jahr, am 25. September, hat das Kabinett den Vorbehalt gegen den Preisbeschluß zum Ausdruck gebracht und in dem Zusammenhang gesagt - ich zitiere jetzt Herrn Ertl aus dem Protokoll der 122. Sitzung des Bundestages vom 10. Oktober -: Sie wird erst dann zustimmen, wenn vertragswidrige nationale Maßnahmen abgebaut werden. Wie sieht es damit aus? Am 2. Oktober hat man dann in Luxemburg lediglich auf allgemeine Beihilfenvorschriften des Vertrages verwiesen. Der Bundesminister hat am 10. Oktober in dieser Debatte gesagt, diese deutsche Forderung nach Abbau der vertragswidrigen nationalen Maßnahmen sei voll erfüllt; dies habe im übrigen die ganze deutsche Presse bestätigt, mit Ausnahme irgend so eines Agrardienstes. Heute stellen wir fest, daß dieser Agrardienst sehr wohl korrekt berichtet hat. Aber nicht nur das. Am 13. Februar sind nun zusätzliche nationale Beihilfen beschlossen worden, aber mit dem großen Unterschied, daß sie künftig auch noch teilweise aus dem europäischen Fonds bezahlt und von uns mitfinanziert werden. Nun kann man sagen, dafür hätten wir ja auch die Prämien bei Rindfleisch. Nur, Herr Minister, hier besteht ein entscheidender Unterschied: Diese Bundesregierung geht her und schlägt vor, die Erzeuger an der Beseitigung von Produktionsüberhängen bei Milch zu beteiligen. Gleichzeitig stimmt sie in Brüssel zu, daß nun mit Hilfe von Prämien - und wenn „Le Monde" recht hat, in der Größenordnung von 1,3 Milliarden Franc allein in Frankreich - die Milchproduktion stimuliert und ausgeweitet wird. Meine Damen und Herren, hier wird, verzeihen Sie, wenn ich das so hart sage, Unsinn zur Methode. ({4}) Dies kann doch keiner mehr als eine vernünftige gemeinsame Agrarpolitik verkaufen, und schon gar nicht kann sich jemand vor die Landwirte in diesem Lande hinstellen und sagen: Wir müssen euch an der Beseitigung der Überschüsse finanziell durch Preisdruck beteiligen, weil wir letztlich anders dieses Problem nicht lösen können. ({5}) - Nein, das sind nicht zweierlei Stiefel. Die Beihilfenregelungen - dies zeichnet sich heute schon deutlich ab, und lassen Sie mich das auch sehr ernst sagen, Herr Bundesminister: Das ist auch ein kritischer Punkt bei diesen Beschlüssen - werden natürlich auch in diesem Lande die Forderung nach nationalen Maßnahmen auslösen, und Sie haben ja gelesen, daß diese Forderungen schon erhoben worden sind. Ich will eines hier ganz kritisch sagen: Die CDU/ CSU hat nicht zuletzt deshalb einen besseren europäischen Kompromiß erwartet und gefordert, weil wir wissen, daß durch die Haushaltskrise in diesem Lande die Möglichkeiten zu nationalen Maßnahmen praktisch auf Null begrenzt sind. Das ist doch das Dilemma, vor dem wir stehen, und wir werden uns doch sehr schwer tun müssen, überhaupt noch im Rahmen der Finanzkrise in diesem Lande Finanzmasse zu bewegen, um hier zu verhindern, daß wir immer weiter hinter unsere Partner in anderen Ländern zurückgedrängt werden. ({6}) Und nun, Herr Minister Ertl, komme ich noch zu Frau Wex. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines sehr ernst sagen. In den letzten Wochen und Monaten ist mit den Preisbeschlüssen und dem Zahlenspiel um die Preisbeschlüsse geradezu Schindluder getrieben worden. Ich darf hier aus einer ganz beliebigen Tageszeitung zitieren. Es ist die „Neue Osnabrücker Zeitung". Sie können aber auch 100 andere deutsche Tageszeitungen nehmen; ({7}) ich habe jedenfalls an diesem Tag überall die gleiche Meldung gelesen. Da heißt es in der Überschrift: „Grenzausgleich wird in acht Ländern der EG abgebaut." Das ist das eine. Dann bezieht man sich auf dpa; es sind also nicht irgendwelche Korrespondentenmeldungen, sondern es ist dpa. Dann heißt es: Für die Bauern in Deutschland ergibt sich nach der Korrektur des Grenzausgleichs eine Garantiepreiserhöhung um 5,9 %. In anderen Zeitungen heißt das: „Die Erzeugermindestpreise steigen um 5,9 %." Dies alles ist schon schlimm genug, weil es falsch ist. ({8}) Aber, meine Damen und Herren, diese Zeitungen berichten ebenso wie das Fernsehen, wie der Rundfunk, Herr Sander, auch, der Bundeslandwirtschaftsminister habe erklärt, daß die tatsächlichen Einkommensverbesserungen durch die Preisbeschlüsse in Brüssel 3,9 % betrügen. Derselbe Landwirtschaftsminister stellt sich dann hier hin und wirft der Frau Kollegin Wex vor, daß sie zu einer anderen Wertung der Ergebnisse kommt. Wohin kommen wir damit eigentlich? ({9}) Wer das so liest, 5,9 % höhere Preise, 3,9 % höhere Einkommen für die Bauern, der muß doch zu der Schlußfolgerung kommen, daß in der Tat die sozial Schwächeren - genau dies hat Frau Wex gesagt ({10}) durch diese Preissteigerungen stärker belastet werden als alle anderen Einkommensgruppen. ({11}) - Dies ist richtig, und ich kann Ihnen nur sagen, hier sollten Sie sich einmal fragen, ob Sie nicht durch die Informationspolitik von Brüssel an dieser Sprachenverwirrung selbst teilgehabt haben. ({12}) Diese Debatte soll aber auch ein wenig über diesen Tag hinausreichen. Sie soll Markierungspunkte für die Entwicklung der Landwirtschaft und der Agrarpolitik in der nahen und mittleren Zukunft enthalten. Ich möchte versuchen, in fünf Punkten zusammenzufassen, was nach unserer Auffassung notwendig ist, um eine positive Entwicklung der Landwirtschaft im Rahmen der gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sicherzustellen. Erstens. Die CDU/CSU ist sich völlig klar darüber, daß durchgreifende Verbesserungen der Einkommenslage unmittelbar von der Wiedergewinnung gesamtwirtschaftlicher Stabilität abhängen. Realer Einkommenszuwachs für breite Bevölkerungskreise, Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung und mehr Preisstabilität sind auch für die Einkommen unserer Landwirte wichtiger oder genauso wichtig wie die nominalen Anhebungen des administrativen Erzeugerpreisniveaus. ({13}) Dies beweist nicht zuletzt das Jahr 1974, wo wir erlebt haben, wie mit sehr hohen Preissteigerungsraten Erfolgsmeldungen von Brüssel durchkamen, und wir am Ende des Jahres feststellen mußten, daß die Erzeugerpreise tatsächlich um 4 % zurückgegangen waren. ({14}) Zweitens. Die Veränderungen im Bereich der Welternährungslage erfordern, wie wir meinen, eine grundsätzliche Neubesinnung auf die Bedeutung der Landwirtschaft im Industriestaat. Machen wir uns nichts vor: es gibt immer noch Stimmen, die sagen: Na ja, Landwirtschaft werden wir uns so ein bißchen als Naturschutzpark leisten müssen; aber im übrigen müßten wir eigentlich auf günstigere Standorte und ähnliches ausweichen. Meine Damen und Herren, die Zuspitzung der Welternährungslage, aber auch Verknappungserscheinungen bei einigen wichtigen Grundnahrungsmitteln - hier würde allerdings auch ich die Perspektiven vorsichtig beurteilen -, ({15}) die Erkenntnisse der Welternährungskonferenz von Rom sowie die Produktions- und Bedarfsschätzungen der FAO und westlicher Industriestaaten zwingen jedoch zu der Schlußfolgerung, daß es zunächst die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist und bleibt, in ausreichender Menge Nahrungsmittel guter Qualität für 260 Millionen Verbraucher in Europa zu produzieren. ({16}) Was wäre wohl, wenn dieses Haus und die Bundesregierung damals in den 60er Jahren den Sirenengesängen jener gefolgt wären, die einen drastischen Produktionsrückgang durch überdrehten Strukturwandel gefordert haben, und wir heute Nahrungsmittelpreise hätten, die um ein Drittel, die Hälfte oder noch mehr über dem jetzigen Niveau lägen? Wie wäre dann wohl die Lage in diesem Land heute? ({17}) - Ich habe gesagt: Wenn wir in diesem Haus den Sirenengesängen gefolgt wären, die es damals gab. ({18}) In diesem Zusammenhang muß aber auch etwas anderes gesagt werden. Wir können es auf die Dauer, glaube ich, nicht verantworten, daß wir hier über Agrarpolitik und damit über europäische und nationale Fragen der Landwirtschaft sprechen und irgendwo nebenher im Bereich der Entwicklungshilfepolitik über die Probleme der Weltnahrungsmittelhilfe reden. Wir müssen diese Bereiche endlich verzahnen. Das bedeutet - lassen Sie es mich klar sagen -, daß die Bundesregierung von der Vorstellung herunter sollte, daß Nahrungsmittelhilfe nur ein kurzfristiges Problem sei. Wenn alle Prognosen der Welternährungskonferenz und der FAO stimmen, werden wir sehr lange damit leben müssen, daß die generelle Weltnahrungslage nicht besser, sondern schlechter wird. Dann aber werden die Industrienationen der westlichen Welt gemeinsam zu einer besseren Organisation und finanziellen Poolung dieser Nahrungsmittelhilfe kommen müssen. ({19}) Lassen Sie mich zur Bedeutung der Landwirtschaft aber auch dies sagen: Wie stünde es wohl heute in der Phase der Rezession um die Gesamtwirtschaftslage unserer ländlichen Räume, wenn wir nicht eine breit gestreute Agrarstruktur mit Voll-, Haupt-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben hätten? ({20}) Wie wäre es wohl, wenn draußen im Bayerischen Wald oder oben in Ostfriesland die Arbeitslosen nicht teilweise die Chance hätten, wieder in ihre Nebenerwerbsbetriebe zurückzugehen? Aber auch wenn ich unterstelle, daß sich die Konjunkturlage normalisiert, werden wir alle davon ausgehen müssen, daß die realen Wachstumsraten geringer werden. Das aber wird auch bedeuten, daß wir die Frage der Agrarstrukturpolitik mit den Fragen der Raumordnung und regionalen Wirtschaftsförderung sehr viel kritischer koordinieren müssen. Dieses Thema können wir hier heute nicht vertiefen. Ich rege aber dringend an - auch bei der Regierung -, im Hinblick auf künftige Ziele von Raumordnung und regionaler Wirtschaftsförderung eine bessere Koordinierung vorzunehmen, weil ich fürchte, daß wir auf diesem Gebiete bisher weitgehend Illusionen erlegen sind. ({21}) Wenn wir auch für die Zukunft eine breit gestreute landwirtschaftliche Struktur brauchen, gilt aber - damit komme ich auf den dritten Punkt zu sprechen -, daß ein einzelbetriebliches Förderungsprogramm nicht richtig sein kann, bei dem gerade in ländlichen Regionen, die besonders strukturschwach sind, oft nur noch 10 bis 15 % der Vollerwerbsbetriebe in die Förderung einbezogen werden. ({22}) Wir werden dann miteinander einen Weg finden müssen, der sich von jener imaginären Förderschwelle eines zu erzielenden Einkommens irgendwann in der Zukunft löst und die Förderung auf die Rentabilität der Investitionen abstellt, denn nur das wird einer Gesamtorientierung im Rahmen der ländlichen Politik, wie ich sie skizziert habe, Rechnung tragen. Ein vierter Punkt. Bezüglich der Bestandsaufnahme und Fortentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik nach dem 1. März möchte ich aus der Sicht der CDU/CSU nur drei Anmerkungen machen. Wir bleiben dabei, daß das Ungleichgewicht zwischen integriertem Agrarmarkt einerseits und Währungs- und Wirtschaftsunion andererseits nur durch grenzwirksame Ausgleichsmechanismen überwunden werden kann. ({23}) Der Grenzausgleich darf und kann nicht ein Gegenstand ständigen Kompromißringens sein, sondern er ist nun einmal das Instrument, um überhaupt die Voraussetzungen für eine gemeinsame Agrarpolitik bis zu dem Tag aufrechtzuerhalten, da die Währungs- und Wirtschaftsunion entsprechende Fortschritte gemacht hat. ({24}) Dies gilt es dringend zu verankern. Der 2 %ige Abbau des Grenzausgleichs darf eben keine Signalwirkung haben. Es geht darum, dieses Instrument als Institut der gemeinsamen Agrarpolitik zu verankern. ({25}) Zweite Anmerkung: Bewältigung struktureller Produktionsüberhänge! Dazu habe ich an anderer Stelle bereits etwas gesagt; ich kann es jetzt ganz kurz machen. Nach unserer Überzeugung gibt es das Problem der Überschüsse nur bei einigen Milchprodukten. Dies allerdings verkennen wir nicht und verniedlichen wir auch nicht. Ich sage aber auch dies: Erst wenn man sich auf ein gemeinsames Ziel auch im Hinblick auf die Produktionsmengen in der Gemeinschaft verständigt, kann man hier Lösungen finden. Solange eben einige Länder - aus sehr unterschiedlichen Gründen: aus Gründen der Deviseneinsparung, aus Gründen der Einkommenssicherung - mit zusätzlichen nationalen Hilfen hier hineinwirken zur Förderung und Stimulierung der Produktion, sind sowohl Vorschläge untauglich, die auf eine Mengenregulierung hinauslaufen, wie auch Vorschläge der Regierung, die eine Beteiligung der Erzeuger bei der Überschußverwertung vorsehen. ({26}) Wir können nicht Fehler und Unterlassungen im Bereich dieser Politik zu Lasten der Erzeuger korrigieren. Dies wäre nicht zumutbar und nicht gerecht. Dritte Anmerkung: Die Entscheidungen zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, die anstehen, dürfen und können sich nicht ausschließlich konzentrieren auf vertragswidrige Maßnahmen - zumal dann, wenn sie im nachhinein noch gemeinschaftlich eingesegnet werden -, sondern sie müssen auch die Maßnahmen einbeziehen, die im Einklang mit dem Vertrag stehen, aber die Produktionsbedingungen sehr unterschiedlich gestalten. Das Beispiel der Energiekosten im Unterglasgartenbau ist geradezu klassisch für das, was hier gemeint ist. Zusammenfassend zu Europa dies, meine Damen und Herren: Wir sehen auch heute keine Alternative zur Politik der europäischen Einigung. Aber agrarpolitische Flickschusterei kann keine Fortschritte erzielen, sondern nur der ungebrochene gemeinsame Wille, Fortschritte auf andere Felder der Politik zu konzentrieren, etwa der Währungs- und der Wirtschaftspolitik, kann überhaupt noch Durchbruch zu mehr Europa bringen. Fünfter Punkt: Wir wissen um die Bedeutung der Marktstrukturen und der Marktstrategien. Wir wissen sehr wohl, daß nicht allein die administriert festgesetzten Preise Marktanteile und Einkommen der Landwirte bestimmen, so wichtig sie bleiben. Wir wollen nicht verkennen, daß es bei den Vermarktungseinrichtungen, beim Ausbau dieser Vermarktungseinrichtungen erhebliche Fortschritte in diesem Land gegeben hat. Auch das muß einmal offen gesagt werden: Was sich in den letzten Jahren sowohl auf dem Milch- wie auf dem Fleischmarkt entwickelt hat, verdient dankbar anerkannt zu werden. ({27}) Dennoch werden wir uns fragen müssen, ob das Absatzfondsgesetz in seinem jetzigen Anwendungsbereich ausreicht, um den massierten Möglichkeiten anderer Partner auf Dauer gewachsen zu sein, ob wir nicht auch prüfen müssen, wieweit wir über produktorientierte Fonds zu einer besseren, offensiveren Marktpolitik kommen können. ({28}) Dabei wäre es mir lieber - ich sage auch dies -, daß andere ihre Instrumente entweder abbauen oder einschränken. Da aber zu befürchten ist, daß dies illusionär ist, dürfen wir nicht auf den Nimmerleinstag warten, sondern hier werden wir uns schnell nach neuen Wegen umschauen müssen. Meine Damen und Herren, ich konnte und wollte auch nicht alle Probleme und Perspektiven in diesem ersten Beitrag darstellen. Zur Strukturpolitik, zur Frage des Bergbauernprogramms, zu agrarsozialen Fragen, aber auch etwa zu den Problemen der inneren Einkommensdifferenzierung werden Kollegen von mir noch Stellung nehmen. Ich stelle nur zusammenfassend fest: Die agrarpolitische Bilanz dieser Regierung ist insgesamt negativ. ({29}) Ich will hier wiederum zitieren, was Minister Ertl in seiner letzten Einbringungsrede gesagt hat: Nicht zuletzt aber glaube ich feststellen zu können: die günstige Einkommensentwicklung der Landwirtschaft in den letzten Jahren ist sicher zu einem wesentlichen Teil auch ein Erfolg der Agrarpolitik dieser Regierung. ({30}) Dann aber, meine Damen und Herren, ist die negative Entwicklung das Ergebnis der Mißerfolge dieser Regierung. Dies will ich hier mit aller Deutlichkeit auch sagen. ({31}) Wir, die CDU/CSU, werden auch in Zukunft dann konstruktiv an Lösungen mitarbeiten, wenn es gilt, die Bedingungen der Landwirtschaft in diesem Lande zu verbessern. Wir werden aber dann unsere harte Kritik anbringen, wenn wir sehen, daß die Bedingungen für diese Landwirtschaft durch Fehler und Unterlassungen im politischen Bereich verschlechtert werden. Meine Damen und Herren, bei aller kritischen Würdigung der derzeitig schwierigen Lage der Landwirtschaft - und ich teile nicht den Optimismus von Herrn Ertl, daß jetzt kurzfristig alles wieder besser wird - will ich eines doch deutlich sagen: Auch wir glauben, daß längerfristig die Chancen der Landwirtschaft in diesem Industriestaat gut sind. ({32}) Aber nicht Schönwetterparolen ({33}) sind hier notwendig, sondern eine Agrarpolitik, die sich nicht als eine gruppenspezifische Politik für eine Minderheit versteht, sondern als eine Politik, die den Interessen der betroffenen Bauern genauso dient wie der Gesamtentwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Land. Daran wird die CDU/CSU auch in Zukunft konstruktiv arbeiten. ({34}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt ({35}).

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, Dr. Schmidt ({0}) dieser Freitagvormittag ist schön; die „grüne Familie" ist beieinander, ({1}) und da können wir doch auch einmal ein bißchen in die Vollen gehen. Lassen Sie mich am Beginn meiner Anmerkungen ausdrücklich folgendes sagen. Ich bin in Übereinstimmung mit dem Kollegen Ritz, wenn ich konstatiere, daß die Bundesregierung den Agrarbericht 1975 zeitgerecht vorgelegt hat, daß die Daten ordnungsgemäß aufgearbeitet ({2}) und ausgewertet sind; und sogar für den eiligen Leser, Herr Kollege Höcherl, ({3}) ist wieder etwas mehr getan als vorher. Das muß man doch auch einmal würdigen, und man sollte allen Beteiligten - da schließe ich mich den Bemerkungen des Kollegen Ritz an - Dank sagen. Mein Vorredner, der Kollege Ritz, hat in 35 Minuten mit Vehemenz, mit einem großen Kraftaufwand, mit beschwörenden Gesten ({4}) der Regierung und der Koalition erstens Konzeptionslosigkeit, zweitens versäumte Schritte und Versäumnisse überhaupt schließlich drittens sogar Untätigkeit vorgeworfen. ({5}) Der Kollege Ritz hat sich in diesen 35 Minuten praktisch in An- und Wehklagen erschöpft. Das mag sicher für den propagandistischen Hausgebrauch gut gewesen sein, das mag auch für Ihre Wahlkämpfe hervorragend sein. Aber, Kollege Ritz, das reicht bei weitem nicht aus, beim Ringen um bessere Lösungen - und nur darum kann es in diesem Hause gehen - ernstgenommen zu werden. ({6}) In dieser Art und Weise, Kollege Ritz, können Sie den Beitrag hier nicht leisten. Ich räume Ihnen ein: Kritische Beleuchtung des Berichts wie der Brüsseler Beschlüsse, nun, das würde ich sicher auch tun und werde ich auch noch tun. Aber auch Sie können an den politischen und wirtschaftlichen Fakten nicht vorbeigehen; die können Sie in Ihren Bemerkungen und in Ihrer Kritik nicht außer acht lassen. Das möchte ich Ihnen sagen. ({7}) Was sollen diese Wunschvorstellungen gerade in europäischer Sicht - was sollen wir damit anfangen -, die nicht einmal eine reine CDU/CSU-Bundesregierung verwirklichen könnte?! Sie hätten auch dabei keine Chance, Realität zu werden. ({8}) - Hören Sie einmal, Sie haben heute wieder versucht, der Landwirtschaft eine heile Welt vorzugauckeln die es bisher nie gegeben hat, die es heute nicht gibt und die es wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren auch nicht gibt, es sei denn, Sie reden vom Jahr 2000, mit dem ja das berühmte goldene Zeitalter beginnen soll. ({9}) Bleiben wir also mal ganz schön auf der Erde, ({10}) mit der wir ja beide, Kollege Ritz, eng verbunden sind. ({11}) Summa sumarum hat Ihre Rede, verehrter Kollege Ritz, den Eindruck hinterlassen, daß es mit Ihren Alternativen für eine reale Politik - reale Politik! - im Agrarbereich nicht gut bestellt ist. ({12}) - Kollege Ritz, ich muß mich mit Ihnen beschäftigen, ist doch ganz klar, was bleibt mir übrig; Sie haben mich ja direkt dazu gereizt. Kollege Ritz, Sie haben in einem Interview im „Agrar-Europe" vom 23. Juli 1974 und auch heute der Regierung zu bescheinigen versucht, daß sie untätig gewesen sei. ({13}) Das kann so nicht stehenbleiben. Im selben Nachrichtendienst gibt es in einer Sonderbeilage vom 14. Januar dieses Jahres unter der Überschrift „Bilanz und Weiterentwicklung der Agrar- und Ernährungspolitik in der 7. Legislaturperiode" 86 Punkte, denen Sie bisher nicht widersprochen haben. ({14}) Ich frage Sie, ob das nicht so ist. Sie sollten es vielleicht mal lesen. Dann können wir später darüber diskutieren. Ich gebe zu, daß auch die Opposition sich der Mühe unterzogen hat, Gesetzentwürfe und Anträge in diesem Hause einzubringen. Schön und gut, Aktivitäten muß man anerkennen. Aber mit diesen Anträgen und Ihren Vorschlägen haben Sie neue, andere und bessere Wege einer deutschen Agrarpolitik nicht aufgezeigt. ({15}) Ihrem ständig vorgetragenen Anspruch auf eine bessere Politik werden Sie damit nicht gerecht. ({16}) Wer da glaubte, in dem Mitte August vergangenen Jahres veröffentlichten Agrarprogramm der CDU/ Dr. Schmidt ({17}) CSU, der Opposition, die neue Politik zu finden, der war zutiefst enttäuscht, mußte es sein. Der magere Widerhall in der Öffentlichkeit, sogar in der landwirtschaftlichen Öffentlichkeit ist ja ein Zeichen dafür, daß da nicht so viel darin ist. Ich habe nur die Kurzfassung im DUD vom 15. August gelesen, sicher verbal reichlich ausgestattet, sehr reichlich, ein Sammelsurium agrarpolitischer Momentaufnahmen. ({18}) Nichts fehlt! Kollege Bewerunge, ich kenne Ihre Meinung dazu. Nichts fehlt! Ich habe den Eindruck, das haben Sie nur deswegen so gemacht, weil Sie genau wußten, daß Sie es in absehbarer Zeit nicht verwirklichen müssen. ({19}) Übrigens: ein großer Teil der Punkte ist bereits durch die jetzige Koalition abgehakt, und von anderen Teilen, die darin genannt sind, sind Sie inzwischen schon wieder abgerückt. ({20}) Wohlwollende Leute haben ausgerechnet, daß zur Verwirklichung dieses Ihres im August verkündeten Programms ein Mehr von 2 Milliarden DM im Etat notwendig sei. Aber verlassen Sie sich darauf, Franz Josef Strauß wird Ihnen das Geldausgeben schon austreiben! ({21}) - Das Geldausgeben schon austreiben; dabei bleibt es. Nun, warum beschäftige ich mich so ausführlich mit der CDU/CSU und mit Ihnen, Herr Kollege Ritz? Ich will Ihnen den Grund sagen. Die Allheilmittel, die Sie der Öffentlichkeit vorschlagen, gibt es gar nicht. Wir haben nie Zweifel darüber gelassen, daß wir auf dem aufbauen, was uns vorgegeben war. Wir haben das fortgesetzt, wir haben das weiter entwickelt, und wir haben es fortgeschrieben. Wir haben neue, reife Probleme angepackt und gelöst. ({22}) Das geht nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt, im Rahmen des Möglichen. Unsere Politik hier in diesem Bundestag, in der Koalition war darauf abgestellt, den uns im EWG-Raum verbleibenden freien Raum weitestgehend auszufüllen. ({23}) Was die Strukturpolitik angeht, so ist sie in die Gemeinschaftsaufgabe eingebettet. Da wird mit elf Ländern verhandelt, mit elf Ländern Einigung gesucht. Das gilt auch für die so oft von Ihnen kritisierte Förderschwelle. Dieses Programm ist im vergangenen Jahr durch ein Investitionsprogramm für die Nebenerwerbsbetriebe, durch ein Programm für die Bergbauern und für die benachteiligten Gebiete ergänzt worden. ({24}) Ich hoffe, daß Sie jetzt damit wenigstens zufriedengestellt sind. In der Sozialpolitik - sie ist fortgeschrieben worden - sind die Grundanliegen gelöst. Wir haben gestern Beschlüsse gefaßt, die die Anhebung der Altersgelder und - das ist neu - die Einführung einer Waisenrente vorsehen. In der Markt- und Preispolitik sind wir an die Gemeinschaft gebunden. Lediglich in Fragen der Organisation, der Marktorganisation bleibt uns ein Feld, das es zu beackern gilt, möglichst gemeinsam mit allen in Frage kommenden Kräften; die Vorarbeiten dazu sind im Gange. Ich unterstreiche ausdrücklich auch das, was Sie in der Richtung gesagt haben. Aber das bedarf noch einer gründlichen Prüfung. Da wird es auch keine Meinungsverschiedenheiten mit Ihnen geben. Im Bereich der Steuerpolitik haben wir Barrieren für eine moderne Entwicklung zu beseitigen vermocht - und anderes mehr. ({25}) Alles in allem - ich stelle das hier noch einmal fest -: Zu der praktizierten Agrarpolitik dieser Koalition gibt es keine Alternative. ({26}) Nunmehr, meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zu den Ergebnissen des vorliegenden ' Agrarberichts. Nach der Gesamtrechnung hat sich die Ertragslage verschlechtert. Wir wollen das nicht bagatellisieren - das kann man gar nicht -, aber niemand kann bestreiten, daß dieser Rückschlag nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe getroffen hat. Niemand wird bestreiten können, daß der Einsatz von Boden, Kapital und Arbeit höchst unterschiedliche Ergebnisse gezeitigt hat, wenngleich es eine ganze Menge Leute gibt, die das nicht hören wollen. Die reden nun einmal lieber von d e r Landwirtschaft, die es nie gegeben hat und auch in Zukunft nicht gibt, nicht einmal in den Ostblockländern. In der Wissenschaft spricht man da von den sogenannten Differentialgewinnen, eine uralte Geschichte in der Agrarpolitik der ganzen Welt. Wir stimmen mit den von Bundesminister Ertl in seiner Rede gemachten Ausführungen überein, daß uns allein die Verbesserung von Bildung und Ausbildung vorwärtshilft, eine Aufgabe, die immerwährend sein wird, Wir geben zwar zu, daß die gleichrangige Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung nicht für alle Teile der Landwirtschaft gelungen ist, aber sie ist eben doch für beachtliche Teile gelungen - unverändert wie in den früheren Jahren. Herr Kollege Ritz, Sie haben in Ihren ersten Stellungnahmen zum Agrarbericht den Mund nach unserer Auffassungen ein bißchen zu voll genommen. Sie Dr. Schmidt ({27}) sprachen vom agrarpolitischen Offenbarungseid der Regierung und der Koalition. ({28}) Direkt wohltuend und sachlich abgewogen ist dagegen die Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes. ({29}) Da ist zwar vom Ernst der Lage die Rede, aber von einer Katastrophe ({30}) wird in keiner Zeile dieser Erklärung gesprochen. ({31}) Die Opposition macht uns, die Koalition, und die Bundesregierung für die Einkommenslage in der Landwirtschaft verantwortlich. Aber wenn man weiß, daß diese Einkommenslage aus Kosten und Erlösen resultiert, dann muß man Sie fragen, ob Sie das in der Weise wirklich noch ernst nehmen. Denn die Bundesregierung kann weder für eine Verminderung des Kostenschubes noch für die Anhebung des durchschnittlichen Erzeugerpreisniveaus Beiträge leisten. ({32}) Ich nehme an - Sie widersprechen ja jetzt nicht -, daß Sie das auch so hinnehmen. Meine Damen und Herren, das Zusammentreffen dieser beiden negativen Komponenten ist zu bedauern. Sie sind auch noch im Wirtschaftsjahr 1974/75 im großen und ganzen wirksam. Die Vorausschau im Agrarbericht für das Wirtschaftsjahr 1974/75 ist vorsichtig gehalten, vorsichtig abgefaßt, und das ist gut so, zumal erstens die Labilität auf den Weltmärkten noch nicht beseitigt ist, zweitens das Kostenrisiko schwer zu übersehen ist und drittens die Märkte, insbesondere in bezug auf die Veredelungsprodukte, nach den Schätzungen der Zentralen Markt- und Preisberichterstattungsstelle keine durchgreifenden Veränderungen erwarten lassen. Diese Bemerkung veranlaßt mich zu der Feststellung, daß das Mengenproblem zum Kernproblem der Agrarpolitik wird. Auch dazu will ich mich später noch einmal äußern. Es soll Leute geben, die sich darüber ärgern, und zwar schwer ärgern, daß die Bauern trotz dieser Lage nicht bereit sind, auf die Straße zu gehen. Wir wollen sehr gerne anerkennen, daß sich die Bauern genauso wie die Arbeitnehmer in die Gesamtverantwortung eingebettet sehen. Ihre Lage ist sicher - ebenso wie bei den Arbeitnehmern - durch soziale und andere Maßnahmen erträglicher gemacht worden. Die Bauern wissen aber auch, daß die Lage ihrer Berufskollegen in den anderen Partnerländern noch schwieriger ist. Sie wissen daher auch, welche Bedeutung eine Stabilitätspolitik für sie selber hat. ({33}) Sie wissen auch, daß das Konjunkturprogramm die Kaufkraft wieder erhöhen wird, und sie rechnen damit, daß auch für sie in der zweiten Hälfte des Jahres ein Aufwärts eintreten wird. ({34}) Vor zwei Wochen ist die Brüsseler Preisrunde zu Ende gegangen. Es war offenkundig, daß es eine sehr schwierige Runde werden würde; ({35}) denn selten waren die unterschiedlichen Auffassungen in den neun Ländern so groß wie diesmal. Die Gründe dafür sind bekannt; ich brauche sie hier nicht vorzutragen. Ich habe bei meinen Gesprächen anläßlich der Grünen Woche mit unseren Partnern wie mit der Kommission selbst gemerkt, daß es eine schwierige Runde sein würde, daß eine Einigung nur zustande kommen kann, wenn alle Partner - auch die Bundesrepublik - Zugeständnisse machen. Wenn man den Kompromiß beurteilen will, muß man sich auch vor Augen halten, daß Regierung, alle Verbände der Industrie und der Landwirtschaft, alle Parteien dieses Hauses sich in einem Punkt einig waren, nämlich darin, daß die europäische Gemeinschaft an dieser Runde nicht scheitern darf. ({36}) Sie hätte scheitern können. Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß Bundesminister Ertl in Brüssel zäh und unerschrocken verhandelt hat. ({37}) Wir sprechen ihm dafür unseren ausdrücklichen Dank aus. Das Ergebnis ist ein Kompromiß, der durch fast akrobatische Kunststücke des Rates zustande kam und mit Mängeln behaftet ist, die auch uns irritieren. ({38}) Es ist ein Kompromiß, der am Rande des fast Unerträglichen liegt, ({39}) aber - das „aber" ist das Entscheidende, das Wichtigste - mit dem sich leben läßt. ({40}) Der Kollege Ritz hat Bundesminister Ertl für sein Tun in Brüssel gescholten. Ich weise diese Schelte zurück. Zu den Vorwürfen an sich kann Bundesminister Ertl sich selber äußern. Aber wenn ich schon bei diesem Thema bin, möchte ich das Verhältnis der CDU/CSU zur Europapolitik hier ein wenig beleuchten. ({41}) Dr. Schmidt ({42}) Es vergeht keine außenpolitische Debatte, ohne daß die Opposition ein feierliches Bekenntnis zu Europa ablegt und die Regierung der Nachlässigkeit in Europafragen bezichtigt. ({43}) Es vergeht keine Sitzung des Ministerrats, ohne daß die Opposition der Regierung vorwirft, sie habe die deutschen Interessen nicht energisch genug vertreten - wohl wissend, daß die deutsche Seite jedesmal bis an den Rand des Möglichen geht und weitere Beharrlichkeit Kompromißlösungen ausschließt und Europa schwerstens gefährdet. Riskiert die Regierung aber die Konfrontation mit den Partnern, um berechtigte deutsche Interessen durchzusetzen, ({44}) dann schwenkt die Opposition im Handumdrehen um und tönt, die Partner seien brüskiert worden. ({45}) Das haben wir doch im Herbst gelesen. Wir, meine Damen und Herren von der Opposition, haben nicht vergessen, wie die Bundesregierung im vergangenen Herbst in Brüssel um Bestandsaufnahme, Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und Abbau von vertragswidrigen Beihilfen gekämpft hat. ({46}) Natürlich mit Risiko, aber mit kalkulierbarem Risiko. S i e hatten aber nichts Eiligeres zu tun, als in einer Aktuellen Stunde von dieser Stelle aus der Regierung Vorwürfe zu machen. ({47}) Sie gaben ein Lippenbekenntnis zur europäischen Einigung ab. Ihre Fraktion, so rief einer Ihrer Kollegen, bekenne sich uneingeschränkt zu dem Ziel einer politischen Union Europas, und die Bundesregierung müsse beweisen, daß sie dem Europagedanken unverbrüchlich treu bleibe. Das klang direkt feierlich. Aber das dauerte nicht lange, gar nicht lange. Wenn es um deutsche Agrarinteressen geht, dann stürzt die Union aus den Wolken, um auf dem harten Boden deutscher Agrarinteressen zu landen. Jüngstes Beispiel: Ringt die Bundesregierung sich in Brüssel zu einem Kompromiß durch, der Europa rettet ({48}) und den unterschiedlichen Inflationsraten Rechnung trägt, dann liest man das im CDU-Pressedienst wie folgt: Das in Brüssel erzielte Ergebnis ist die schlechteste von allen nur denkbaren Lösungen für die deutsche Landwirtschaft. ({49}) Jetzt ist die Bundesregierung auch auf agrarpolitischem Gebiet vollends unglaubwürdig geworden. Meine Damen und Herren von der Opposition, was soll man davon halten? ({50}) Wir können Ihnen nicht die Forderung ersparen, Ihre Alternativen aufzudecken und der Offentlichkeit bewußtzumachen. Man muß CDU-Pressemeldungen lesen; es lohnt sich. ({51}) Denn da steht: Durch diesen Brüsseler Beschluß ist der europäische Agrarmarkt in seinen Grundfesten erschüttert. ({52}) Und dann heißt es - in hemmungsloser Demagogie, was Sie für kluge Taktik halten -: Stabilitätspolitik wird auf dem Rücken der deutschen Bauern ausgetragen. So einfach machen Sie es sich! Aber so einfach ist das gar nicht. ({53}) Sie wissen sehr wohl, auf welchem dünnen Eis in Brüssel verhandelt wird. Da starren acht Agrarminister auf Josef Ertl und die Bundesregierung und auf die reichen Deutschen und auf die Stabilitätsinsel Bundesrepublik. Und sagt Josef Ertl: Nichts geht mehr, keine differenzierten Preise!, dann gehen im Saal die Lichter aus, und Europa gerät ins Schleudern. Das ist die Realität. Da helfen keine Wahlprogramme, keine hehren Europareden und keine Beschimpfungen in Pressediensten. ({54}) Ein weiteres und letztes Beispiel: Fast am selben Tage, an dem die CDU-Agrarier die Brüsseler Preisanhebung ungenügend nennen, verlautbart von anderer Seite: Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um auch auf dem Agrarsektor die Preise in den Griff zu kriegen! Hochdramatisch und außerdem sachlich unbegründet heißt es dann weiter wörtlich: Dieser Preisanstieg trifft insbesondere wieder solche Familien, die unter der Inflation sowieso schon am meisten leiden - Kinderreiche, Wenigverdienende, Arbeitslose -, die damit nun doppelt belastet werden. ({55}) Das kommt natürlich nicht von Herrn Ritz! I bewahre! ({56}) Das kommt von einem aber ebenso prominenten CDU-Mitglied, nämlich der stellvertretenden CDUBundesvorsitzenden Dr. Helga Wex, die eben in Dr. Schmidt ({57}) dieser Fraktion die Verbraucherinteressen wahrnimmt. ({58}) - Es muß Sie sehr treffen. Ich stelle das nur fest. Herr Kollege Eigen, mit dem müssen Sie sich noch auseinandersetzen. Aber immerhin! ({59}) Meine Damen und Herren, das waren einige Beispiele Ihrer erklärten Europapolitik. Lassen Sie mich nunmehr zu drei Fragenkomplexen des Kompromisses von Brüssel Stellung nehmen. ({60}) Die differenzierten Preisanhebungen erscheinen mir unter dem Druck des Einigungszwangs - hören Sie gut zu! ({61}) tragbar. Sie sind sicher nicht schön, aber auch nicht zu vermeiden. Das Ausmaß der Anhebung für die Bundesrepublik ist unter dem Einschluß der 5 % vom 2. Oktober durchaus sehenswert. Ich habe mir hier die Zahlen mitgebracht. Wenn ich überall bei den letzten Preisbeschlüssen die 5 % mitrechne, dann kommt eine ganze Menge dabei heraus, meine Damen und Herren Agrarier von der CDU/CSU. Soll ich Ihnen das vortragen? Richtpreis bei Weichweizen: 6,6 %; plus 5 gibt 11,6 %. Bei Roggen: 8,5 %; plus 5 gibt 13,5 %. Ein anderes Beispiel - es soll nicht so lange dauern - ist die Milch: 8,3 %; plus 5 % ergibt 13,5 %. Bei Zucker haben wir sogar eine Erhöhung von 12,4 plus 5, also 17,4 %. Wollen Sie meinen, daß das nicht zu verantworten ist, auch gerade vor der Landwirtschaft? Ich glaube, Sie täten gut daran, auch diese 5 % in Ihren Bemerkungen und Reden draußen einmal zu würdigen. Herr Bundesminister Ertl hat schon heute früh gesagt: Die Realisierung dieser Beschlüsse liegt auf einem ganz anderen Blatt. Bei den Marktfrüchten wird es keine Schwierigkeiten geben. Der neuralgische Punkt liegt bei den Veredelungserzeugnissen. ({62}) Es fragt sich, ob der Markt das überhaupt hergibt. Wenn die Mengenprobleme nicht gelöst werden - darüber sind wir uns einig -, stößt jede Preispolitik ins Leere. Die Mengenprobleme sind eben nicht gelöst. Hier müssen die Land- und die Ernährungswirtschaft selber Beiträge leisten. Aber darüber sind wir uns im Prinzip ja einig. Die Preisabschlüsse haben ein verschiedenes Echo ausgelöst. Was die Opposition gesagt hat, habe ich teilweise schon ausgeführt. Sie hält sie für unzureichend, zumindest der Sprecher Dr. Ritz. Er sieht sie zu sehr an der Stabilitätspolitik orientiert. Wir finden das sogar richtig und angemessen und danken der Regierung dafür. ({63}) - Ja, doch, so haben Sie es gesagt. Nun zu einem zweiten Komplex, meine Damen und Herren. Alle reden darüber, aber die wenigsten verstehen etwas davon. ({64}) Herr Dr. Ritz, Sie verstehen etwas davon; das möchte ich Ihnen ausdrücklich bescheinigen. Aber viele verstehen nichts davon, obwohl sie tagein, tagaus groß darüber reden und die Regierung dabei beschimpfen. ({65}) - Nein, Sie sind gemeint, Kollege Eigen. ({66}) Ich meine hier den Grenzausgleich. Er war und ist und bleibt nehmen Sie das mal hin; schreiben Sie das mal in Ihr Gehirn - bei all unseren acht Partnern umstritten. Seit Jahren, Kollege Bewerunge, liegen diese Partner auf der Lauer, ihn abzubauen. Nun, am Grundprinzip hat sich doch gar nichts geändert. ({67}) - Nein, am Grundprinzip hat sich nichts geändert. Es ist nicht daran gerüttelt worden. Mich stört der Abstrich durch Aufwertung der Rechnungseinheit um 2 % überhaupt nicht. Für mich ist allein entscheidend, daß der reale Preisabstand erhalten bleibt, und das, was unter dem Strich bleibt. Und das ist unverändert. Sie haben Ihre Hauptkritik - nicht heute, aber draußen im Lande - daran aufgehängt. Sie machen die Bauern wild. Sie erzählen etwas Falsches. Im Grunde genommen ist es doch nur ein Knochen, an dem kein Fleisch ist. Sie werden selber nach wenigen Wochen merken, daß das Knabbern an diesem Knochen langweilig wird. ({68}) Lassen Sie mich noch zu einem dritten Komplex etwas sagen, zu den Beihilfebeschlüssen auf dem Rindfleischsektor. Auch sie sind nur - ich unterstreiche: nur - vor dem Hintergrund der politischen Notwendigkeiten zu sehen. Sie gefallen mir auch nicht. Ich meine sogar, sie liegen außerhalb jeder ökonomischen Realität. Ich bin mir mit Ihnen einig: da beginnt der verhängnisvolle Kreislauf. Durch staatliche Beihilfen und Hilfen werden die Quellen des Überflusses erhalten und gefördert, bis wir vor gespenstischen Bergen stehen, die mühselig und teuer wieder abzubauen sind. Ich verstehe dabei durchaus den Unmut der Verbraucher; aber ich verstehe auch den Zorn unserer Bauern, die sich durch Prämien und Beihilfen in den Partnerländern bedroht und aus dem Markt gedrängt sehen. ({69}) Dr. Schmidt ({70}) Das sind die Probleme der Wettbewerbsverzerrung, die wir beklagen und bekämpfen. ({71}) ({72}) Hier liegt die Ursache der Erzeugungsschlachten, die dem Geist der Gemeinschaft schaden. Gewiß, wir müssen auf die Partner Rücksicht nehmen und haben das getan; doch die Rücksichtnahme darf auf die Dauer keine Einbahnstraße sein. ({73}) Ich bin sicher: auch da sind wir mit Bundesminister Ertl voll einig. ({74}) Meine Damen und Herren, die Europäische Gemeinschaft ist durch diesen Kompromiß für das Jahr 1975 gerettet worden. Neue Belastungen treten in diesen Tagen auf, stehen vor der Tür. Das Referendum in England wird ein weiterer Prüfstein sein. Auch die europäische Agrardebatte wird nicht zu Ende sein, sie wird fortgeführt werden. Zwei Themen stehen auf der Tagesordnung. Die Fragen der Beihilfen stehen in engem Zusammenhang mit dem Thema Bestandsaufnahme. Beide Themen liegen im Interesse der Bundesrepublik, sind keine leichten Themen, sehr komplex und äußerst schwierig. Allein am Beihilfeproblem kann man sich die Zähne ausbrechen. Schon allein die Klärung der grundsätzlichen Seite der Artikel 92 und 93, der Erfassung der Wirkung und Wertung, der Auflistung der Beihilfen kann zu kaum überbrückbaren Standpunkten führen. Die Wissenschaft könnte uns dabei vielleicht ein bißchen helfen. Ich hoffe nur, daß sich der Rat aufrafft, die Beihilfefragen zu klären. Mir scheint das eine Existenzfrage der Gemeinschaft zu sein. Man muß sie in den Griff kriegen, man muß zu koordinieren versuchen, und den Rahmen für weitere Beihilfen abstecken, ohne die man auch in Zukunft nicht auskommen kann. Die Bestandsaufnahme ist auch auf Wunsch der Bundesregierung beschlossen worden. Ihre Bedeutung wird leider - ich unterstreiche das: leider bei den übrigen Partnern nicht gleich hoch eingeschätzt. Die Bundesregierung hat ihren Beitrag abgeliefert. Darin wird unter anderem die Bedeutung einer vernünftigen Agrarmarktpolitik mit Recht in den Vordergrund gestellt. Die Marktungleichgewichte struktureller Art machen uns das Leben sauer. Ich möchte dem Deutschen Bauernverband ausdrücklich meine Anerkennung dafür aussprechen, daß er eine erste diskussionswürdige Grundlage und entsprechende Vorschläge unterbreitet hat. Es ist ein Novum - wir erkennen das ausdrücklich an - , daß in der Landwirtschaft eine Bereitschaft besteht, darüber zu reden und Marktungleichgewichte struktureller Art überhaupt anzuerkennen. Ich möchte sogar meinen, daß dieses Thema nicht nur im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sondern auch in anderen Ausschüssen behandelt werden muß, um der Regierung eine Hilfestellung zu geben. Meine Damen und Herren, wie auch immer die Beschreibung europäischen Agrarmarkts aussehen wird, sie ist keinen Pfifferling wert, wenn die Diskussionen darüber nicht von dem Willen begleitet werden, zu verändern, zu verbessern und manches sogar zu erneuern. Nach den letzten Brüsseler Beschlüssen ist wenig Spielraum für weitere Kompromisse geblieben, die geeignet sind, den Agrarmarkt zu retten oder den Schein der Gemeinsamkeit zu wahren. ({75}) Die Variationsmöglichkeiten stoßen auf Grenzen. Will man die Gemeinschaft retten, muß man sie auf die solide Basis zurückführen, die uns die Römischen Verträge bieten. Gelingt dies nicht, meine Damen und Herren, dann werden Europas leere Kassen die Probleme lösen: dann wird diese Gemeinschaft auseinanderbrechen. ({76})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal auf den Zwischenruf unseres Kollegen Kiechle eingehen, die Preisbeschlüsse würden die Verbraucher belasten und den Bauern nichts geben. ({0}) - Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Kiechle, daß dieser Zynismus, den Sie damit an den Tag legen, nicht mehr überboten werden kann. Sie sitzen hinsichtlich dieser Frage im Glashaus; ich komme darauf noch zu sprechen. ({1}) Aber ich frage Sie: Wenn das so ist, wer bekommt das dann eigentlich? Der Zwischenhandel vielleicht? Der Händler? ({2}) - Darauf komme ich noch zu sprechen. - Ist das Ihre Mittelstandspolitik? ({3}) Der Herr Kollege Ritz hat sich zu Beginn seiner Ausführungen auf das Pflaster der allgemeinen Wirtschaftspolitik begeben, indem er gesagt hat, dieser Teufelskreis von Inflation und Stagnation sei deprimierend ({4}) und mache die ganze deutsche Wirtschaft - so gewissermaßen - kaputt und die Landwirtschaft gleich zweimal. ({5}) Das ist doch die Konsequenz, die man aus solchen Äußerungen ziehen muß. Herr Kollege Ritz, ich kann nur sagen: Die große Gefahr bei Ihnen ist, daß Sie selber glauben, was Sie sagen. ({6}) Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die OPECLänder heute angesichts der schwindenden Kaufkraft des Dollars fordern, die Zahlungen für ihr Öl in Zukunft in D-Mark zu begleichen, dann ist das doch der schlagende Beweis dafür, daß sich unsere Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg befindet. ({7}) Sie können die Zusammenhänge zwischen Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik einfach nicht bestreiten. Lassen Sie mich, bevor ich zum Grünen Bericht und zu den Agrarpreisbeschlüssen komme, doch auch noch einmal etwas in die Vergangenheit zurückblenden. Herr Bewerunge - leider ist er nicht mehr hier ({8}) hat hier in der Debatte den Zwischenruf gemacht: Es muß eine gute Agrarpolitik gemacht werden. Hier darf man doch einmal fragen: Welch „gute" Agrarpolitik haben Sie zu der Zeit betrieben, als Sie die Verantwortung fur diese Agrarpolitik getragen haben? ({9}) Herr Bewerunge - wenn ich das vortrage, so ist das sicher sehr sachlich - hat in der Agrardebatte am 26. September 1974 selbst wörtlich erklärt: Da sitzt unser damaliger Landwirtschaftsminister Höcherl. Er hat mir oft aus Kabinettssitzungen berichtet. Auch damals wollten wir Preiserhöhungen haben. Nicht einmal hat ein Minister der SPD Ja zu Preiserhöhungen gesagt, weil das nicht in Ihr Bild paßt, meine Damen und Herren. Das ist doch das Eingeständnis, daß Sie in der Agrarpolitik zu einer Zeit, als Sie die Verantwortung getragen haben, in der Tat nichts erreicht haben. ({10}) - Ja, Ihrem Koalitionspartner gegenüber. - Das muß ich einmal in aller Deutlichkeit sagen. Anders kann diese Aussage nicht gewertet werden. Allerdings muß ich Ihnen, Herr Kollege Ritz, ein Kompliment machen. ({11}) Sie haben heute in Ihren Ausführungen sehr stark zurückgesteckt gegenüber dem, was in Ihren Presseerklärungen zu lesen war, wo schwarz in schwarz gemalt worden ist, sowohl hinsichtlich der Preisbeschlüsse wie auch des Grünen Berichts. Ihre Ausführungen hier sind wesentlich zurückhaltender gewesen. ({12}) Die Pressemeldungen werden von Ihren Parteifreunden draußen in den Bauernversammlungen verlesen; das erlebe ich zur Zeit jeden Tag. Sie halten es also mit dem Motto: ({13}) Draußen den Krach, und hier haben Sie keine Alternative zu bieten. ({14}) Das ist die Feststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wir auf Grund Ihrer Ausführungen hier machen müssen. Und nun zum Grünen Bericht. Ich stelle hier fest - wie es der Herr Minister getan hat und wie wir es alle tun, die wir im Namen dieser Koalitionsfraktionen sprechen -, daß das Wirtschaftsjahr 1973/74 nicht gut war. ({15}) Da gibt es doch gar keinen Streit! ({16}) - Ich habe mich darüber noch nie gestritten, Herr Kollege Ritz! Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat eben auch vor der Landwirtschaft nicht halt gemacht; ich meine hier die Entwicklung der Kostenseite. ({17}) - Nein, Herr Kollege Susset, hier muß ich Ihnen sagen, daß hochstehende Wirtschaftsexperten zu Beginn der Ölkrise kaum vorausgesehen haben, welche Konsequenzen das auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung haben würde; auch Sie nicht! ({18}) Wir sollten uns darüber überhaupt nicht streiten. Tatsache ist, daß die Agrarpolitik, die heute von uns in dieser Regierung mit unserem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl betrieben wird, folgendes vorweisen kann: Wir hatten in den letzten fünf Jahren im Schnitt eine kontinuierliche Einkommenssteigerung der Landwirtschaft von 10,4 %. Weil das so ist und weil auch in der Landwirtschaft eben die Gesamtentwicklung nicht nach einem Jahr bewertet werden kann, können wir auch, so glaube ich, von Ihnen Fairneß bei der Beurteilung der landwirtschaftlichen Situation während des letzten Wirtschaftsjahres erwarten; Sie sollten deshalb die Dinge hier nicht weiter schwarz in schwarz malen. Denn draußen urteilen die Bauern, wenn ich das auf Grund der vielen Versammlungen, die ich zur Zeit abhalte, richtig bewerte, völlig anders. Eines steht aber unumstritten fest: daß die Bauern hohe Anerkennung für die Leistungen, die sie im vergangenen Wirtschaftsjahr erbracht haben, verGallus dienen. Sie haben einen großen Beitrag zur Stabilität geleistet; aber ich füge als Realist in der Politik hinzu: das haben sie selbstverständlich nicht freiwillig getan. Dieser Beitrag zur Stabilität resultiert daraus, daß die Märkte - weil die Verbraucher zurückhaltender waren - nicht mehr das hergegeben haben, was dort in den vorhergehenden Jahren zu erzielen war. ({19}) Es ist einfach eine nüchterne Realität, daß wir im Jahre 1973 - das hat mit den Arbeitslosen im Augenblick gar nichts zu tun - einen Rückgang des Fleischverbrauchs von 1,6 kg pro Kopf der Bevölkerung hatten, während wir vorher anderthalb Jahrzehnte lang einen Zuwachs im Fleischkonsum von 2 kg im Jahr gehabt hatten. Das mußte sich im Ergebnis der gesamten Landwirtschaft niederschlagen. Warum war das so? Weil die Menschen begonnen haben, zu sparen, und zwar genau bei den hochwertigen Nahrungsmitteln. Herr Kollege Ritz, ich gestehe Ihnen sehr viel Sachkenntnis zu; aber eines können Sie mir nicht bestreiten - und ich komme noch auf einige Dinge im Zusammenhang mit der Milchwirtschaft zu sprechen -: daß die Probleme hier viel größer sind, als Sie geglaubt haben. Sie haben versucht, in einer kurz dargestellten Agrarphilosophie die Dinge überspielen zu können. Die Verhältnisse auf den Märkten, in der Agrarwirtschaft, beim Preis, der an den Märkten im Zusammenhang mit den Interventionspreisen noch erzielt werden kann, sind sehr viel ernster und schwieriger, als Sie hier bis jetzt zugegeben haben. Aber darauf komme ich noch zu sprechen. ({20}) Ich mache mir keine Illusionen darüber, daß unser Bundeslandwirtschaftsminister Ertl bei den Preisverhandlungen in Brüssel eine sehr schwere Situation vorgefunden hat. Es ist eben eine Tatsache, daß die unterschiedlichen Inflationsraten die Kosten in der EWG bestimmt haben. Wenn man Sie hört, dann könnte man zu der Überzeugung kommen, wir hätten die hohen Inflationsraten und nicht die anderen. Wir haben doch die niedrigsten, und die anderen haben die hohen Inflationsraten. Auch insofern haben wir gesamtwirtschaftlich hier etwas vorzuweisen. Ich sage Ihnen, wir schulden unserem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl Dank dafür, daß angesichts des Auseinanderlaufens der Kosten überhaupt ein Kompromiß zustande gekommen ist. ({21}) Der Herr Kollege Schmidt ({22}) hat das hier im Detail in aller Klarheit dargestellt, und dem möchte ich mich anschließen. Ich möchte aber auch einmal die Frage an Sie richten, Herr Kollege Ritz - die gleiche Frage war in der „Frankfurter Allgemeinen" zu lesen; darum geht es nämlich -: Ist der Kompromiß tragbar, oder ist er, wie Sie gesagt haben, die schlechteste aller nur denkbaren Lösungen? Der Wirtschaftsexperte der „Frankfurter Allgemeinen", Götz, kommt zu der Überzeugung, daß er tragbar ist. Ich sage Ihnen: Sie stellen sich mit Ihren Äußerungen und Ihren Presseerklärungen gegenüber allen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen in der Bundesrepublik über die Agrarpolitiker hinaus ins Abseits. ({23}) Sie stellen sich ins Abseits, glauben Sie mir. ({24}) Sie stellen sich auch gegenüber der maßvollen Kritik ins Abseits, die der Deutsche Bauernverband hier geübt hat. ({25}) - Ich kann hier nur sagen, Gott sei Dank sitzen im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes nicht so viele Männer, die wie Sie, Herr Eigen, versuchen, Agrarpolitik zu treiben. ({26}) Ich muß dem Präsidium des Deutschen Bauernverbandes bestätigen - wenn Sie es schriftlich haben wollen, gebe ich es Ihnen auch schriftlich -, daß gerade Ihre Auffassungen dort keinen Anklang gefunden haben. Ich muß Ihnen das auch einmal von dieser Stelle aus sagen. ({27}) - Ich weiß das, weil ich manchmal mehr weiß, als Sie denken. ({28}) Ich kann es Ihnen schriftlich geben, daß Ihre Agrarpolitik - alles oder nichts, mit dem Kopf durch die Wand - bis jetzt keinen Anklang beim Präsidium des Deutschen Bauernverbandes gefunden hat.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ritz?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auf eine hatten wir uns ja geeinigt, Herr Kollege, und deshalb jetzt diese eine Zwischenfrage.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die steht Ihnen zu.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie, da Sie vom Präsidium des Bauernverbandes sprechen, nicht mit mir der Meinung, daß gerade die Beschlüsse im Rahmen der Beihilferegelung jetzt dazu geführt haben, daß der Bauernverband sagt: Die Bundesregierung muß nun auch national helfen? Ich verweise auf eine entsprechende Pressemeldung vom 26. Das war vorgestern. Was gedenken Sie konkret zu tun, und wie wollen Sie diese Frage beantworten?

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die beantworte ich sofort, ({0}) und zwar dahin, daß ich es erstens dem Deutschen Bauernverband noch nie verübelt habe, wenn er entsprechende Forderungen stellte. ({1}) - Moment! - Zweitens bin ich der Auffassung, daß man diese Forderung des Deutschen Bauernverbandes genau abwägen muß. Man muß die Verhältnisse, die bei uns herrschen - das, was jetzt bei uns mit der Mehrwertsteuer geschehen ist und was in diesem Zusammenhang alles von Bedeutung ist -, mit dem in Frankreich geltenden Agrarsteuer-system, der Beihilfegewährung usw. vergleichen. Erst nach dieser Prüfung sollte man sich fragen, ob das, was im Augenblick gefordert wird, klug ist. Mehr möchte ich dazu nicht gesagt haben, weil ich nämlich - Herr Kollege Ritz, hören Sie gut zu; ich bin noch bei der Erklärung - auf Grund meiner allgemeinen agrarpolitischen Kenntnisse glaube, daß die große Gefahr besteht, daß hier der Schuß unter Umständen nach hinten losgehen könnte. ({2}) Aber, meine Damen und Herren, eines haben wir bis jetzt noch nicht fertiggebracht, nämlich den Bauern höhere Preise zu versprechen bzw. so zu tun, als ob man sie herbeizaubern könnte. Der Frau Wex wird das aber alles für die Verbraucher viel zu teuer. ({3}) Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn man im Laufe der Jahre Ihre Aussagen zur Agrarpolitik und zur Verbraucherpolitik aufmerksam verfolgt hat, sieht man eine lange Kette von Widersprüchen. Ich darf einmal vortragen, wie ich das hier miterlebt habe. Zum ersten ist Ihr Widerstand im Finanzausschuß bei der Abschaffung der Verlustübertragung bei der gewerblichen Veredlung zu nennen. Das habe ich Ende 1970, Anfang 1971 persönlich miterlebt. Der zweite Sündenfall folgte auf den Fuß: Eine Kollegin aus Ihren Reihen hat, obwohl sie genau wissen mußte, in welch schwieriger Situation die deutsche Milchwirtschaft 1969/70 war und daß die Probleme nur über eine Anhebung des Trinkmilch-preises gelöst werden konnten, die Bundesregierung damals aufgefordert, etwas gegen die Erhöhung des Trinkmilchpreises zu unternehmen. Das als zweites Beispiel. Im dritten Fall gingen die Dinge dann mehr in Richtung auf das Eigentum. Da ist uns die CSU in Bayern dann mit beiden Füßen ins Kreuz gesprungen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ein viertes Beispiel. Vor einem Jahr hat es einen Landtagsabgeordneten der CDU in Stuttgart gegeben, der in der „Eßlinger Zeitung" verkündet hat, wenn dieser Landwirtschaftsminister Ertl in Brüssel keine so hohen Preise aushandelte, wären auch I die Nahrungsmittel nicht so teuer. Den Gipfel in dieser Entwicklung stellen vorläufig die Aussagen von Frau Wex dar. Herr Kollege Ritz, wir zwei sind uns im Grunde vielleicht einig. Ihre Beinwaschung der Frau Kollegin Wex in dieser Hinsicht nehme ich Ihnen allerdings nicht ab. ({4}) Ich sage Ihnen zu der Preisgestaltung in Brüssel, daß dieser Kompromiß nach Auffassung der Freien Demokraten für alle Seiten tragbar ist. Das gilt erstens in bezug auf die Landwirtschaft und die Entwicklung der Kosten in der Landwirtschaft, wenn man hier, wie Sie es auch getan haben, 1 % Mehrwertsteuer, die Investitionszulage und die sozialen Leistungen mit einbezieht. Es gilt zweitens in bezug auf die Verbraucher, auf die auf Grund der Brüsseler Beschlüsse eine Steigerung der Lebenshaltungskosten von 0,5 bis 0,6 % zukommt. Wir Freien Demokraten sagen: Wenn man den Bauern etwas geben will, muß der Verbraucher bereit sein, auf der anderen Seite etwas zuzulegen, denn nur dann wird die kontinuierliche Sicherung der Versorgung der Verbraucher auch gewährleistet sein, Das haben die Verbraucher in der Zwischenzeit begriffen. Zum dritten paßt dieser Kompromiß nahtlos in die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen hinein, nämlich in der Bundesrepublik einen Aufschwung in Stabilität herbeizuführen. Ich möchte freilich nicht bestreiten, daß natürlich auch wir eine gewisse Kritik am Gesamtbeschluß anzumelden haben. ({5}) Wir haben es nicht gern gesehen - auch Bundesminister Ertl hat es nicht gern gesehen -, daß der Kompromiß die Tatsache der Kuhprämie in Frankreich beinhaltet. ({6}) - Die Kälberprämie in Italien ist, wenn ich das richtig sehe, gar nicht so schlecht. Man muß hier die Situation in der italienischen Landwirtschaft einmal etwas genauer betrachten. Ich möchte gegen diese Prämie gar nichts sagen, denn die Italiener sind doch auch Europäer, die an der Gesamtentwicklung partizipieren wollen. Herr Kollege Kiechle, die Italiener haben die höchsten Nahrungsmittelpreise in der EWG zu zahlen. Daran sollten wir ehrlicherweise auch denken, wenn wir über diese Prämie sprechen, zumal wir ja gesamtpolitisch das gemeinsame Europa anstreben. Ich bin der Meinung, die Frage lautete primär nicht: Prämien, ja oder nein?, sondern: Kompromiß, ja oder nein? Schließlich sollte die Gesamtentwicklung in der Europäischen Gemeinschaft nicht in Frage gestellt werden. Erlauben Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang jetzt ein paar ganz konkrete Beispiele anführe, und zwar deswegen, weil hier immer so getan wird, als ob das alles nichts sei. Ich möchte mich hier einmal an Hand einiger Beispiele mit den Preisen auseinandersetzen. Ich beziehe mich zunächst auf den Brotgetreidepreis. Tatsache ist, daß der Interventionspreis in der Großhandelsstufe jetzt auf 45 DM pro Doppelzentner festgelegt ist. Machen wir nun einmal die Rechnung im einzelnen auf: Für die Erfassung zur Großhandelsstufe gehen im Schnitt 3,7 DM ab. Dann sind wir bei 41,3 DM angelangt. Nun kommen wieder 9 % Mehrwertsteuer plus 3,7 DM hinzu, so daß der Interventionspreis plus Mehrwertsteuer pro Doppelzentner Weizen nach der nächsten Ernte 45 DM beträgt. Jetzt sage ich Ihnen eines. Der Weltmarktpreis für Brotgetreide ist vor und nach Weihnachten unter den Interventionspreis gefallen, wie auch der Herr Minister hier gesagt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, daß ich jene Märchen vom Hunger in der Welt, die bei großen Konferenzen vorgebracht werden, nicht alle glaube. ({7}) Ich sage Ihnen: Wenn das so ist, werden wir Mühe haben, - ({8}) - Ich muß mich insofern korrigieren: Märchen in bezug auf die Lösung der Agrarprobleme Europas. ({9}) Wir werden Mühe haben, diesen Interventionspreis mit 45 DM je Doppelzentner Weizen nach der nächsten Ernte am Markt zu erzielen. Wir werden danach darüber sprechen. Aber es geht ja weiter. Wir haben Interventionspreise bei Rindern. Welche Schwierigkeiten hat es bisher schon gemacht, den Interventionspreis überhaupt zu erzielen! Das war nur durch Aufwendung erheblicher Mittel für die Intervention und durch die vorübergehende Aufnahme in die entsprechenden Läger möglich. Das sind doch die Realitäten. Aber ganz schlimm wird es natürlich, wenn man den Interventionspreis und den Richtpreis bei Milch betrachtet. Das sind nämlich ab 3. März 1975 53,39 DM, ab 16. September 55,79 DM. Ich kann Ihnen sagen: Hier steht die deutsche Milchwirtschaft vor dem größten Problem aller Zeiten. Tatsache ist, daß sich die Dinge umgedreht haben. Die Marktmolkereien - das können Sie mir nicht anders darlegen - sind nicht mehr in der Lage, auf dem Markt das zu erwirtschaften, was die Richtpreise ausmachen. Ich kann Ihnen hier Beispiele geben. Wir haben bei einem großen Milchwerk im Oktober den Trinkmilchpreis nochmals um 5 % erhöht - mit dem Erfolg, daß der Trinkmilchverbrauch im letzten Vierteljahr 1974 so stark zurückgegangen ist, daß wir diese Erhöhung, gesamtwirtschaftlich gerechnet, hätten bleiben lassen können, weil die überschüssigen Milchmengen einer viel schlechteren Verwertung haben zugeführt werden müssen. Gestern war ich bei einer Versammlung hier im Westerwald. Das gleiche Problem: Milchzentrale Koblenz, Milchzentrale Hildesheim. Die eine eine reine Interventionsmolkerei. Dort kann man mehr bezahlen als bei der Molkerei in Koblenz. Das wurde mir gestern abend vorgetragen. ({10}) - Das hat mit Kosten wenig zu tun, Herr Eigen. Das hat damit etwas zu tun, daß der Verbraucher nicht mehr bereit ist, am Markt für jeden Becher Joghurt - um hier einmal von ganz konkreten Tatsachen zu reden; ({11}) leider muß man sagen, daß man Agrarpolitik eben nicht mit Illusionen machen kann, wie Sie sie den Bauern vorgaukeln - mehr als 60 Pf zu bezahlen. Die andere Tatsache ist, daß die Trinkmilch als Getränk heute in Konkurrenz zu Fruchtsäften getreten ist. Genau daher rührt der Rückgang des Trinkmilchverbrauchs. ({12}) - Das kommt noch hinzu. Ich bin allerdings der Auffassung: Während wir früher Ausgleichsbeträge in der Milchwirtschaft zwischen Trinkmilchgebieten und Werkmilchgebieten gezahlt haben, ist es jetzt hoch an der Zeit, Ausgleichsbeträge zwischen Interventionsmolkereien und Marktmolkereien zu fordern. Denn sonst können Sie diesen Zwiespalt in der deutschen Milchwirtschaft nicht mehr lösen. Ich bin mit der Erhöhung des Getreidepreises zufrieden, weil sie gleichzeitig auch eine Abbremsung der Veredelungsproduktion mit sich bringen wird. Derjenige Landwirt, der einen hohen Anteil an pflanzlichen Produkten, an Getreide selber produziert und auch veredelt, kommt in Vorsprung gegenüber den Landwirten, die nur zusätzliche Veredelung betreiben. Wenn wir die Gesamtsituation betrachten, müssen wir, glaube ich, je länger je mehr auf diese Karte setzen, weil es im Augenblick nicht so aussieht, als ob wir mit den Überschüssen leicht fertig werden könnten. Ich halte die Prämiengewährung, die jetzt in den nächsten zwei Monaten für Rinder noch beschlossen worden ist, für sehr gut; wäre sie nicht beschlossen worden, hätten wir einen großen Einbruch am Rindermarkt bekommen. Auch das muß man einmal richtig werten und bewerten. Inwieweit nun die zukünftige Prämiengewährung von 28 Rechnungseinheiten ab 1. Mai eine direkte Einkommensübertragung oder einen Ausgleich in bezug auf Intervention darstellt, das muß die Zukunft beweisen. Ich habe hier schon gesagt, wir sind nicht mit allem einverstanden. Die Kuhprämie in Frankreich ist für uns mit einem Fragezeichen versehen. Wir können nur hoffen und wünschen, daß diese Dinge auf Dauer gesehen - und unser Bundeslandwirtschaftsminister hat das in gleicher Weise angesprochen - wieder eine Bereinigung erfahren. Ich glaube auch, daß es hierfür höchste Zeit ist. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auch einmal ein Wort über das folgende verlieren. Wenn man die Zusammenhänge der europäischen Agrarpolitik richtig wertet, muß man einfach feststellen, daß man allzu lange - vielleicht von seiten anderer Partner in der EWG - nicht einsehen wollte, daß die großen gesellschaftspolitischen Probleme Europas über Agrarpreispolitik nicht zu lösen sind, ({13}) sondern daß an diese Stelle Infrastrukturpolitik treten muß. Insofern ist nach meiner Auffassung die Dotierung des Regionalfonds etwas zu spät gekommen. Nur auf diesem Wege wird es möglich sein, auch den Menschen in den schwierigen Gebieten Europas zu entsprechenden Einkommen zu verhelfen. ({14}) Lassen Sie mich ein paar Worte zum Grenzausgleich verlieren. ({15}) Hier können wir nur eines feststellen: daß wir Bundesminister Ertl für seinen Einsatz für die Erhaltung des Grenzausgleichs Dank aussprechen. ({16}) Dieser Grenzausgleich ist als System erhalten worden, und wenn ich hei Ihnen, Herr Kollege Ritz, richtig hingehört habe, wollen Sie ihn nur mehr als Institut erhalten wissen. Sie haben sich in dieser Frage gegenüber der Lage vor zwei Wochen etwas revidiert. Ich sage Ihnen, der Grenzausgleich ist als System erhalten worden, und wir sind der Auffassung, daß in der jetzigen modifizierten Form die absoluten Beträge nicht geschmälert werden und daß der Puffer ausreicht, um die Währungsunterschiede auszugleichen. ({17}) Das ist unsere Auffassung in bezug auf den Grenzausgleich. Und ich bin der Meinung, man sollte diese Frage nicht in der Weise diskutieren, wie das geschieht, als sei nämlich wegen dieser Modifizierung des Grenzausgleichs das Ganze schlecht. Ganz im Gegenteil, es gibt namhafte - namhafte! - Wirtschaftswissenschaftler, die auch agrarpolitisch sehr stark engagiert sind, und ich hoffe nur, ({18}) daß jeder von Ihnen in der vorletzten Ausgabe von „Agra"-Europe" den Artikel des Geschäftsführers des Milchindustrie-Verbandes Dr. Nienhaus gelesen hat. Er weist sogar nach, daß der Grenzausgleich natürlich auch gewisse negative Folgen in bezug auf die Milchwirtschaft bei uns gezeitigt hat, daß wir nämlich heute in den einzelnen Ländern prozentual mehr für die Intervention produzieren und die Gefahr besteht, daß Frankreich, weil sich seine Marktsituation günstiger gestaltet, auf Umwegen über große französische Firmen bei uns nun den Frischproduktenmarkt in die Finger bekommt. Meine Damen und Herren, haben Sie denn noch nicht bemerkt, daß uns, wenn Sie auf der einen Seite nur für das Absolute kämpfen, auf der anderen Seite ganz gewichtige Marktanteile verlorengehen können? Ich empfehle Ihnen wirklich, diesen Aufsatz von Dr. Nienhaus zu lesen und agrarpolitisch die Konsequenzen daraus zu ziehen. ({19}) Ich meine, daß wir alles in allem mit dem Gesamtkomplex - Preisfestsetzungen und Grenzausgleich - zufrieden sein können. - Nun, auf die Vorschläge komme ich noch zu sprechen. Eines allerdings möchte ich noch sagen. Ich hoffe, daß Sie die Vorschläge von Herrn Nienhaus dazu, wie die milchwirtschaftliche Situation zu bereinigen sei, schon zur Kenntnis genommen haben. Sie gipfeln nämlich in dem Vorschlag, eine Million Milchkühe in der EWG abzuschlachten, weil er im Augenblick gar keinen anderen Ausweg sieht. Allerdings würde ich da hinzufügen: Wenn uns etwas Derartiges bevorstehen sollte, dann nur im Rahmen einer Quotenregelung, wo das dann jeder zum gleichen Prozentsatz tut. - Dr. Nienhaus allerdings kommt konsequent zu dieser Auffassung. Wir sollten uns die Fragen der Marktanpassung nochmal deutlich vergegenwärtigen. Ich bin der Auffassung, daß hier die Erläuterung der Bundesregierung richtig ist, nach der dieses Problem bisher in der EWG noch nicht gelöst werden konnte. Wir haben ein System von Marktordnungen, das das Einkommen der Landwirtschaft aus den Erlösen am Markt sichern soll. Ich sage Ihnen aber: wenn wir das Problem der Marktanpassung nicht in den Griff bekommen, wird für die Zukunft das ganze System fraglich werden. Wenn man sich nun einmal bei maßgebenden Leuten umhört, die sich theoretisch mit diesen Gedanken befassen, stellt man folgendes fest. Da ist uns gestern eine Darstellung von Professor Preuschen auf den Tisch geflattert in bezug auf „Agrarpolitik zwischen Wunschdenken und Tatsachen", der von der Tatsache ausgeht, daß die Ertragszuwächse in der europäischen Landwirtschaft in der Zukunft stagnieren werden. Das ist die eine Seite. Dann kommt ein neues Buch auf den Markt „Europas grüne Zukunft", von Dr. Günther Thiede aus Luxemburg. Dieser weist nach, daß wir in den nächsten 20 Jahren genauso wie in den letzten 20 Jahren in der Agrarproduktion ganz enorme Zuwächse haben werden. Wenn wir in diese Überlegungen die Gedanken von Professor Nienhaus einbeziehen, dann muß ich sagen, daß bis jetzt überhaupt kein Konzept besteht, wie alles unter ein Dach zu bringen ist und vor allen Dingen auch - nun auf der anderen Seite - eine Lösungsmöglichkeit in Europa zu finden wäre. Das wird schwer sein, wenn die Auffassungen in den einzelnen europäischen Staaten weiter so auseinanderstreben. Hier muß ich einmal an die COPA appellieren, an die Vereinigung der europäischen Bauernverbände. Sie wissen alle, wie sich der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Herr Dobler, gerade um die Frage der Mengenregulierung bemüht. Er hat das Wort geprägt: Es gibt eine Mengenregulierung entweder mit der Landwirtschaft oder gegen die Landwirtschaft. Ich muß Ihnen auch sagen: er wird mehr verlacht - auch von vielen Agrarpolitikern -, als daß versucht wird, diese Dinge mit Nachdruck zu betreiben. Aber nach Schopenhauer ist es immer so gewesen: jede gute Idee wird im Anfangsstadium verlacht, in der zweiten Phase bekämpft und in der dritten Phase als Selbstverständlichkeit angenommen. Aber die COPA hat die verdammte Aufgabe, sich in der Zukunft nicht nur auf den kleinsten Nenner gemeinsamer Preisforderungen an die Kommission zu einigen, sondern einmal etwas zu tun in der Frage, wieviel überhaupt in Europa produziert werden soll. Ich nehme jetzt z. B. einen ganz anderen Bereich, die Schweinemastproduktion. Was hier in Europa auf uns zukommt mit immer größeren Ställen, mit 2 000, 3 000, 4 000, 6 000, 8 000 Liegeplätzen - da bin ich dagegen. Wer den mittellandwirtschaftlichen Betrieb erhalten will, der muß in Europa für eine Begrenzung der Schweinemastplätze auf 1 000 Liegeplätze eintreten. Solche Lösungen müssen kommen. Sonst werden immer weniger Bauern die Chance haben, überhaupt noch im Markt bleiben zu können. Ich halte auch nicht für richtig, was der Vorsitzende der französischen Jungbauern kürzlich in der COPA erklärt hat - um auch hier einmal die Gegensätze zu zitieren -; Pierre Coanet heißt er. Da schreibt „Agra-Europe" : „Pierre Coanet, der Vorsitzende des Verbandes der französischen Jungbauern, rief zu Erzeugungsschlachten auf, um die Versorgung sicherzustellen." - Da kann man sich nur an den Kopf langen. ({20}) Wenn ich dann gleich übergehe zu Ihrer Forderung, progressive marktwirtschaftliche Elemente zu schaffen, um hier gegeneinander antreten zu können: hier bin ich schon eher dafür, das, was zum Teil gang und gäbe ist, abzubauen, als dafür die Waffen noch zu schärfen, um gegeneinander ins Feld zu ziehen. ({21}) - Gut, dann sind wir uns wenigstens an diesem Punkt einig. Aber nicht einig sind wir uns nach wie vor in bezug auf die Beurteilung des Hungers in der Welt. Wenn ich die Dinge richtig werte, dann kann ich nur noch einmal sagen: die Agrarprobleme in Europa werden nicht mit dem Hinweis auf den Hunger in der Welt gelöst werden können. Wenn ich das alles richtig werte, werden wir auf Grund der zum Teil hohen Weltmarktpreise, auf Grund der größeren Anbauflächen in Amerika höchstwahrscheinlich Zeiten entgegengehen, in denen wir genügend Brotgetreide haben werden, wenn die Witterung keinen Strich durch die Rechnung macht, Zeiten, in denen wir in zunehmendem Maße Soja haben, weil die Brasilianer die Sojaanbaufläche ganz erheblich ausgedehnt haben. Im Augenblick gibt es auch wieder mehr Fische, seit wenigen Monaten, obwohl vor einem Jahr jeder schon geglaubt hat: Fische, da ist überhaupt nichts mehr drin. Fischmehl gibt es auch wieder bereits genügend. Die Eiweißlücke kann nach aller Voraussicht geschlossen werden. Es wird sehr schwer halten, in der Agrarpolitik nur mit Hinweisen zu arbeiten und nicht zu glauben, daß wir uns bemühen müssen, hier die Frage der Mengenregulierung in der Veredelungsproduktion ganz ernsthaft in Angriff zu nehmen. Ein Wort zur Wettbewerbsverzerrung. Ich halte die Reihenfolge, wie sie gewählt worden ist - erst die Preise festzulegen und danach über die Frage der Wettbewerbsverzerrungen in der EWG zu diskutieren -, für richtig, sogar für sehr richtig. Ich bin allerdings der Auffassung, daß man, wenn man an eine Neuordnung der EWG-Agrarpolitik tatsächlich herangeht, einmal die Frage prüfen muß, ob eine der Grundlagen, die man im EWG-Vertrag damals allseits anerkannt hat, nämlich die finanzielle Solidarität bei der Beseitigung der Überschüsse, ob diese wichtigste Grundlage der EWG-Agrarpolitik überhaupt in dieser Form aufrechterhalten werden kann. Dabei werden wir wohl erkennen müssen, daß es sehr schwierig sein wird, gerade an dieser Grundlage eine Änderung herbeizuführen, weil das nämlich das Zugeständnis gewesen ist, das damals gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Frankreich gegenüber in den Verträgen erbracht haben; das muß man sehen. Die Franzosen haben mehrmals erklärt, daß sie nicht bereit sind, ohne weiteres von dieser Lösungsmöglichkeit abzugehen. Das bedarf sehr zäher Verhandlungen, die nur in bezug auf die gesamtwirtschaftliche Weiterentwicklung Europas gesehen werden können. Wenn der europäische Agrarmarkt erhalten bleiben soll, muß die jetzt beginnende Diskussion über Wettbewerbsverzerrungen und Marktanpassungen zu konkreten Ergebnissen führen. Die Zeiten gehen zu Ende, in denen man die ungelösten Probleme weiter vor sich herschieben kann. ({22})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede meines Kollegen Gallus - ich darf jetzt ja leider nicht mehr sagen: hochverehrten - zeichnete sich durch Länge, Polemik, wenig Sachgehalt und offensichtlich auch durch wenig Sachverstand aus. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wertung meines Ansehens im Deutschen Bauernver10646 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode band, die Herr Kollege Gallus von sich gegeben hat, ist eine schlichte Unverschämtheit. Das ist der Stil, der zwischen politischen Gegnern in diesem Hause nicht einreißen sollte. ({1}) Deswegen werde ich auch zu den weiteren Ausführungen des Herrn Gallus hier keine Aussagen mehr machen; es lohnt sich nicht. ({2}) Zu Ihren Ausführungen, Herr Dr. Schmidt ({3}), darf ich folgendes anmerken. Sie sagten, Sie könnten mit Recht in Anspruch nehmen, daß Sie die gute Agrarpolitik der Christlich Demokratischen Union fortgeführt, ja sogar verbessert hätten. (Zuruf des Abg. Stahl [Kempen] [SPD] Das hat er hier gesagt. Er hat in Anspruch genommen, daß er, aufbauend auf unsere gute Politik, noch eine bessere gemacht habe. Dazu, meine Damen und Herren, wenige Zahlen. Das Verhältnis der Indizes der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise und der Einkaufspreise landwirtschaftlicher Betriebsmittel ist das entscheidende Kriterium dafür, ob das Preis-Kosten-Verhältnis stimmt. Ich greife nur einmal drei Länder heraus. Bundesrepublik Deutschland: 1969: 111,7, 1973: 95,3; ({4}) Frankreich: 1969: 102, 1973: 104,8; Niederlande: 1969: 104,9, 1973: 99,5. ({5}) Damit ist der klare Beweis erbracht, daß der Kaufwert der Agrarprodukte in der Bundesrepublik während der Regierungszeit der FDP/SPD - diese Reihenfolge in diesem Fall deshalb, weil die FDP den zuständigen Minister stellt - an das Ende der Liste der Länder der Europäischen Gemeinschaft gerückt ist. ({6}) Und da kann man wohl nicht von einer verbesserten Fortführung einer guten Politik sprechen. ({7}) Lassen Sie mich gleich etwas zur Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes sagen. Ich habe hier schon die ganz schnell erstellte Stellungnahme zu der Rede von Bundesminister Ertl. Ich will sie hier nicht vorlesen, weil meine Zeit begrenzt ist. Aber sie straft alles Lügen, was hier von Ihnen, Herr Bundesminister, was von Ihnen, Herr Dr. Schmidt, und von Ihnen, Herr Gallus, zum Deutschen Bauernverband ausgesagt worden ist. Sie vergessen dabei eines: daß der Deutsche Bauernverband gefordert hat, daß das, was in Brüssel nicht erreicht wurde, national ergänzt werden muß. Da liegt der Punkt. Sie wissen doch, wie Herr Möller seinerzeit den Haushalt von Dr. Strauß übernommen hat. ({8}) Wir werden im März über den Haushalt 1975 diskutieren, und dann werden wir feststellen, welche nationalen Möglichkeiten Sie haben, meine Damen und Herren von der Regierung. ({9}) Dann werden wir sehen, welche Möglichkeiten Sie haben, diese Forderungen zu berücksichtigen. Man müßte sagen: Sie haben in fünf Jahren aus dem Haushalt und aus der Bundesrepublik einen - - Oh Gott, jetzt hätte ich beinah etwas gesagt. ({10}) Jetzt hätte ich beinah den Ausdruck gebraucht, den der Bundeskanzler Schmidt gebrauchte, als der Altbundeskanzler Brandt nach Lissabon fuhr. ({11}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier wurde von Herrn Dr. Schmidt gesagt, unser Bekenntnis zu Europa sei nichts anderes als ein Lippenbekenntnis. Das ist völlig falsch. Wir haben sowohl in der damaligen Aktuellen Stunde als auch in der Europadebatte - da brachten es unsere Spitzenpolitiker zum Ausdruck - in aller Klarheit und Deutlichkeit den Standpunkt der CDU/CSU-Fraktion zu Europa dargelegt. Ich wiederhole es: Die Agrarpolitik kann nicht mehr allein Integrator für Europa sein, sie könnte sogar der Sprengstoff werden. Wir brauchen neue politische Initiativen. ({12}) Die erste Initiative müßte ein frei gewähltes Europäisches Parlament mit Kompetenzen sein, um den Gedanken Europas auch wirklich ins Volk hineinzutragen. ({13}) Das ist hier gesagt worden. Davon geben wir nicht einen Punkt nach; das ist unsere Europapolitik. Herr Dr. Schmidt, ich möchte nur noch auf eine Sache zurückkommen, nämlich auf das Nagen an dem Knochen. Das war eine der Pointen Ihrer Rede. Wie der Grenzausgleich für die deutsche Agrarwirtschaft wirkt, zeigt sich an den Produkten, die im Grenzausgleich schlecht bedient wurden, weil auf den Interventionspreis abgestellt wurde, und bei den Produkten, die im Grenzausgleich überhaupt nicht berücksichtigt wurden, nämlich bei Schweinen und Obst- und Gemüsekonserven. Darin zeigt sich, wie bedeutsam der Grenzausgleich für die deutsche Agrarwirtschaft ist. Der Knochen, an dem ich knabbern werde, Herr Dr. Schmidt, wird Ihnen im Halse steckenbleiben; da können Sie ganz sicher sein. ({14}) Nun zurück zum Agrarbericht 1975. ({15}) Mein Kollege Dr. Ritz hat in seiner Wertung mit Recht gesagt, daß wir alle daran interessiert sein müssen, einen klaren und objektiven Agrarbericht zu haben. Unsere Zahlen müssen stimmen. Ich meine, es gibt durchaus Möglichkeiten, die Objektivität des Agrarberichts noch wesentlich zu verbessern, damit er auch tatsächlich glaubwürdig wird und auch tatsächlich die richtige Aussagefähigkeit hat. Ich habe da einige Mängel anzuführen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Auslegung des § 4 des Landwirtschaftsgesetzes, in dem klar zum Ausdruck gebracht wird, daß eine ganz bestimmte Gruppe von landwirtschaftlichen Betrieben als Testbetriebe in die Vergleichsrechnung einbezogen werden sollen. Ich zitiere aus § 4 des Landwirtschaftgesetzes: „dabei ist im wesentlichen von Betrieben mit durchschnittlichen Produktionsbedingungen auszugehen, die bei ordnungsmäßiger Führung die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten". Ich frage mich, Herr Bundesminister, warum dies mit den durchschnittlichen Produktionsbedingungen im Agrarbericht der Bundesregierung nicht als Teil des § 4 des Landwirtschaftsgesetzes aufgeführt wird. Das hat offensichtlich seinen Grund. Wir stellen jedenfalls fest, daß dadurch, daß jedes Jahr Vollerwerbsbetriebe aus dem Agrarbericht ausscheiden - es sind immer etwa 10 %; es waren im vorigen Jahr 700, es sind in diesem Jahr 645, und zwar immer die schlechtesten Vollerwerbsbetriebe -, das Ergebnis natürlich positiv manipuliert wird. Meine Damen und Herren, auch Wissenschaftler haben in der Anhörung im Ernährungsausschuß unsere Meinung vertreten, daß es nicht angehen kann, für die Auswahl der Testbetriebe Kriterien zu wählen, die nicht nach agrarischen Erfolgsgesichtspunkten, nicht nach dem landwirtschaftlichen Einkommen ausgerichtet sind und damit zu einem völlig schiefen Bild führen. Ich gebe gern zu, daß die Gruppe unter der Auslegung des § 4 Landwirtschaftsgesetzes durch die Bundesregierung auf unser Drängen zum erstenmal im Agrarbericht dargestellt wird. Aber entscheidend in der Vergleichsrechnung ist ja die prozentuale Entwicklung unserer Landwirtschaft, und hier, meine ich, müssen alle Testbetriebe, die Vollerwerbsbetriebe sind, in die Vergleichsrechnung einbezogen werden, damit eben die Lage der Landwirtschaft tatsächlich richtig dargestellt wird. Ein weiteres Problem, meine Damen und Herren, ist die Arbeitszeit. Wir wissen natürlich, daß in einem landwirtschaftlichen Betrieb die Arbeitszeit schwer zu messen ist. Aber wir wissen auch - und hier könnte der erste Schritt zur Besserung getan werden -, daß gerade in den landwirtschaftlichen Veredelungsbetrieben eine große Zahl von Sonntags- und Feiertagsstunden gearbeitet werden muß. Sie wissen, der Dienst an der Kuh beträgt 365 Tage im Jahr. Das könnte man sehr wohl in die Berechnungen des Agrarberichtes einführen. Ich meine, es gibt ein weiteres Problem, und dann möchte ich diesen Teil meiner Rede abschließen. Hier geht es um das Reineinkommen und das Konsumeinkommen. Hier wird das Reineinkommen des landwirtschaftlichen Unternehmers mit dem Einkommen von Berufstätigen aus anderen Wirtschaftskreisen verglichen, die nicht Unternehmer sind. Der entscheidende Unterschied ist, daß die Landwirte eben einen wesentlichen Teil ihres Reineinkommens zu Nettoinvestitionen benützen müssen, im Betrieb belassen müssen, wenn sie ihren Betrieb aufrechterhalten wollen, zu Nettoinvestitionen, zum einen selbstverständlich aus dem technischen Fortschritt resultierend, zum anderen neuerdings leider auch aus der Inflationsrate, die ja doch immerhin mit 6 bis 7 % ganz gravierende Verteuerungen auch bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln gebracht hat. Dies hat auch einen steuerlichen Aspekt. Ich meine, es wäre des Schweißes der Edlen wert, dafür zu sorgen, daß wir Möglichkeiten finden, diese negative Veränderung der Abschreibungsmöglichkeit der Landwirtschaft - unter Umständen durch Rücklagenbildung - auszugleichen. Jedenfalls steht fest, daß etwa ein Viertel bis ein Drittel des Reineinkommens der landwirtschaftlichen Unternehmerfamilie re-investiert wird und damit kein Konsumeinkommen ist. Wir wissen aus den Untersuchungen von sogenannten wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, daß diese Frage, ob Reineinkommen Konsumeinkommen ist oder nicht, eine ganz wesentliche Rolle gespielt hat. Herr Dr. Schmidt, Sie halten ja für Januar zugesagt, daß wir im Ernährungsausschuß fiber dieses Problem eine sehr intensive Beratung führen würden. Das ist leider nicht eingehalten worden. ich bin sicher, es lag vor allen Dingen daran, daß wir im Ernährungsausschuß mit Arbeit überlastet sind. Ich will gar nicht sagen, daß es möglicherweise schlechter Wille sein könnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines sei noch einmal mit aller Klarheit testgestellt. Es heißt immer, auch der Bauernverband ist mit der Auslegung des § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und mit diesem Agrarbericht einverstanden. Ich stelle fest, daß die Mitglieder des Beirats zur Erstellung des Agrarberichts beim Bundesernährungsminister, die aus Landwirtschaft und Gartenbau kommen, sechs an der Zahl, noch niemals dieser Auslegung des § 4 des Landwirtschaftsgesetzes, nach der der Agrarbericht erstellt wird, zugestimmt haben. Das stelle ich hier mit aller Deutlichkeit fest, damit dieses Märchen endlich einmal nicht mehr verbreitet werden kann. Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu den Agrarpreisbeschlüssen von Brüssel und muß natürlich einige Dinge wiederholen, die hier schon gesagt worden sind. Aber ich meine, sie sind so bedeutsam für die Entwicklung unserer Landwirtschaft, vor allen Dingen auch in einigen Teilbereichen so bedeutsam, daß ich hier Fragen an den Minister zu stellen habe, der dafür verantwortlich ist, an Bundesminister Ertl. Es ist ja so, daß nach dem Reglement der Europäischen Gemeinschaft alle Parlamente völlig ausgeschaltet sind. Das Europäische Parlament darf so ein bißchen beraten; das deutsche Parlament - wir hier, unser Hohes Haus, auch mit seinen Ausschüssen, und alle Landesparlamente - ist völlig ausgeschaltet in der Frage, wie die Regierung im Ministerrat für die Bundesrepublik Deutschland verhandelt, Ganz allein der Bundesminister trägt mit seinen Mitarbeitern die Verantwortung für das, was in Brüssel geschieht. Wir haben immer wieder Vor10648 stöße gemacht, noch vor den Verhandlungen in Brüssel zumindest im Ernährungsausschuß eine Diskussion darüber durchzuführen, damit unser von der Regierung her gesehen natürlich geringer, aber nach unserer Meinung recht hoher Sachverstand in die Beschlüsse in Brüssel mit eingebaut werden kann. Meine Damen und Herren, es verwundert schon, wenn man sich überlegt, daß das Europäische Parlament zu der Frage Stellung genommen hat, wie in diesem Jahr die Preise abgeschlossen werden sollen und wie der Grenzausgleich behandelt werden soll. Der Grenzausgleich ist bei all den Verhandlungen immer das entscheidende Problem. Was uns besonders gewundert hat, ist - ich weiß nicht, ob die Meldungen richtig sind; vielleicht können sie hier korrigiert werden -, daß die deutschen Mitglieder der FDP im Europäischen Parlament, an der Spitze Generalsekretär Dr. Bangemann, bei dieser Abstimmung nicht anwesend gewesen sein sollen. Ich muß mich hier vorsichtig ausdrücken. Ich hoffe, daß diese Meldung hier als nicht richtig korrigiert werden kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines steht ganz deutlich fest - daran gibt es kein Vertun -: Bundesminister Ertl hat als Mitglied der Bundesregierung in der letzten Ministerratsrunde der Europäischen Gemeinschaft am 13. Februar 1975 nicht nur versagt - ich sage das mit aller Klarheit und Deutlichkeit -, sondern hat auch der deutschen Landwirtschaft und damit dem gesamten deutschen Volk langfristig geschadet. Herr Bundesminister, warum tragen Sie in Ihrem Rechenschaftsbericht nicht vor - die Darstellung des Agrarberichts ist ja auch Rechenschaft der Politik der Bundesregierung; dazu ist ja das Landwirtschaftsgesetz gemacht worden -, was in Brüssel wirklich beschlossen worden ist? Bundesrepublik 5,9 %, Benelux 8 %, Dänemark 9 %, Frankreich und Großbritannien 11,5 %, Italien 12,5 %, Irland 14 %! Der Verwaltungsausschuß kann über die 2,2 % Grenzausgleichssenkung hinaus noch 1,25 % bei den abwertenden Ländern als weitere Aushöhlung des Grenzausgleichs beschließen. Warum sagen Sie hier nicht - und warum sagt das hier niemand -, daß Verarbeitungserzeugnisse - wir wissen alle noch nicht, welche - aus dem Grenzausgleich überhaupt herausfliegen sollen? Ich habe eben schon zu Herrn Dr. Schmidt gesagt, wie sich das auswirkt bzw. auswirken kann. Das haben wir bei der Konservenindustrie erlebt. Warum wird hier das deutsche Volk, warum werden die Landwirte nicht über das aufgeklärt, was in Brüssel wirklich geschehen ist? ({16}) Herr Bundesminister, ich habe Ihnen vor vier Wochen von diesem Platz die Zusage gegeben, daß die CDU/CSU-Fraktion in ihrer Gesamtheit hinter Ihnen steht, wenn Sie bei der Aussage in Brüssel vom Januar 1975 bleiben, daß der Grenzausgleich nicht zur Disposition steht. Wir haben hinter Ihnen gestanden, Herr Bundesminister, als Sie in Brüssel sagten, daß es auch auf die Inflationsrate, aber nicht nur darauf ankommt, sondern vor allen Dingen auch auf den Kaufwert der Agrarprodukte und auf die Kostenentwicklung der Betriebsmittelpreise. Auch dazu haben wir voll gestanden. Da können Sie doch nicht hinterher sagen: Ich habe den Grenzausgleich gar nicht abgebaut; er ist nominal gleichgeblieben. Sagen Sie mal, seit wann werden Währungsparitätsveränderungen denn nominal beschlossen? Wir haben immer nur etwas von Prozenten gehört. Genauso prozentual ist auch die Wirkung des Grenzausgleichs zu sehen und nicht anders. Das wissen Sie selber ganz genau. Ich habe Verständnis, daß man, wenn man mit einem so schlechten Ergebnis kommt, natürlich mit allen Mitteln versuchen muß, zu vernebeln und zu vertuschen, damit um Gottes willen niemand ganz genau weiß, was dabei herausgekommen ist. Herr Bundesminister, ich bitte Sie, jetzt einmal zuzuhören; denn es kommt noch etwas hinzu. Ich habe hier im Deutschen Bundestag bezüglich des Grenzausgleichs viele Fragen gestellt, weil ich mir über seine Bedeutung immer im klaren war. Sie haben immer gesagt: Herr Eigen, reden Sie, was Sie wollen; es kann nur einen Grenzausgleich auf den Interventionspreis der Marktordnungsprodukte geben; Produkte, die nicht in der Marktordnung geregelt sind und einen höheren Marktpreis haben, können nur über den Interventionspreis in den Grenzausgleich einbezogen werden. - Jetzt haben Sie selber beschlossen, daß der Grenzausgleich, wenn der Rindfleischpreis längere Zeit unter dem Interventionspreis liegt, zusätzlich gesenkt werden kann. Da frage ich Sie: Warum konnte er nicht vorher, wenn der Marktpreis längere Zeit über dem Interventionspreis lag, angehoben werden? Hier zeigt sich ganz klar, daß Sie einem neuen Kompromiß in Brüssel immer nur dann zustimmen, wenn er zum Schaden der deutschen Landwirtschaft ist. ({17}) Meine sehr gehrten Damen und Herren, ich hatte mir an sich - -({18}) - Das glaube ich sehr wohl, Herr Wolf. ({19}) - Entschuldigen Sie bitte, Sie können davon ausgehen, meine Herren von der SPD, daß ein CDU/ CSU-Politiker das auch selbst glaubt, was er hier aussagt. Da können Sie ganz sicher sein, daß das bei jedem CDU/CSU-Politiker der Fall ist. Meine Damen und Herren, ich wollte noch über die Veränderungen, über die Überschußsituation bei den Produkten und wie man sie bessern könnte, etwas sagen. Ich mußte leider zu meinen Herrn Vorrednern zu ausführlich Stellung nehmen, so daß ich das in der Kürze der Zeit jetzt nicht mehr bewältigen kann. Ich muß mich also auf die Wettbewerbsverzerrungen beschränken. Herr Bundesminister, Sie waren ja im ersten Halbjahr 1974 Ratspräsident. Auch als solcher haben Sie ständig neue Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Gemeinschaft zugelassen. Denken Sie an das Ergebnis vom 23. März 1974, als die Franzosen PräEigen mien für Kühe zugesagt bekamen, die Engländer Zuschüsse für Schweine, die Dänen doppelten Interventionszuschlag für Baconschweine und was es da alles an Sondermaßnahmen gab. Nur für die deutsche Landwirtschaft haben Sie schon damals am 23. März nichts herausgeholt. Der Theaterdonner, den Sie im September des Jahres 1974 gemeinsam mit Bundeskanzler Schmidt veranstalteten, hat doch nichts an Abbau von Wettbewerbsverzerrungen gebracht, sondern der hat mit den Beschlüssen vom 13. Februar zusätzliche, nun aber genehmigte Wettbewerbsverzerrungen gebracht. ({20}) Das ist der wirkliche Inhalt Ihrer Politik. Meine Damen und Herren, ich will nur noch auf ein ganz eklatantes Beispiel hinweisen, wie Wettbewerbsverzerrungen von unserer Bundesregierung geradezu fabriziert werden. Da gibt es ein Pflanzenschutzmittel, das heißt Quintozen. Das ist in Deutschland verboten. Wir haben ja in Deutschland das beste Lebensmittelrecht, das beste Veterinärrecht, das beste Rückstandsrecht. Das ist richtig, denn wir sind alle Verbraucher, und wir Verbraucher sollen hervorragende Nahrungsmittel bekommen. Das ist völlig in Ordnung, und niemand wird gute Gesetze in dieser Hinsicht kritisieren wollen. Aber nun achten Sie einmal darauf, was da passiert ist. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ändert eine Verordnung über Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Sie will die Menge Quinto-zen von 0,3 ppm auf 3,0 ppm anheben, weil in Holland Quintozen erlaubt ist, das in der Bundesrepublik aber überhaupt nicht angewendet werden darf. Das heißt, hier wird künstlich eine negative Wettbewerbsmöglichkeit für die deutsche Landwirtschaft, für den deutschen Gartenbau geradezu produziert, und das vom Gesundheitsministerium! Das muß man sich einmal vorstellen. ({21}) Da sieht man wieder einmal, wer wirklich für die Verbraucher arbeitet und tätig ist: Wir sind es, die Landwirte, die immer wieder die Basis für hervorragende Nahrungsmittel geben. Meine Damen und Herren, die Fischwirtschaft ist in einer außerordentlich großen Bedrängnis. Mit Absicht sage ich das hier noch einmal in aller Deutlichkeit, damit Sie wissen, was an Verantwortung auf uns, auf das ganze Parlament zukommt. Hier haben sich Warenstromveränderungen ergeben. Die französischen Fischer bekommen riesige Subventionen, weil sie demonstriert haben. Ich hoffe, daß die Bundesregierung in der Lage ist, sachgerechte Hilfen zu geben, bevor der beteiligte Wirtschaftskreis, der beteiligte Berufsstand ähnliche Maßnahmen wie in Frankreich ergreifen muß. Herr Bundesminister Ertl, es tut mir persönlich wirklich leid, gerade weil Sie in der nächsten Woche 50 Jahre alt werden - ({22}) Ja, das tut mir wirklich persönlich leid. Eines muß aber mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß Sie vor allen Dingen jetzt am 13. Februar 1975 sicherlich keine glückliche Hand bei den Beratungen im Ministerrat gehabt haben, ja, daß Sie der deutschen Landwirtschaft langfristig Schaden zugefügt haben; denn das Problem des Grenzausgleichs, Herr Bundesminister Ertl, ist ein langfristiges Problem für unsere Landwirtschaft, das viel gravierender sein kann, als wir alle heute übersehen können. Die CDU/CSU-Fraktion wird nach wie vor mit aller Kraft danach streben, daß es in der Bundesrepublik Deutschland eine leistungsfähige Landwirtschaft geben wird; denn das ist nicht nur zum Nutzen der Menschen, die in diesem Berufszweig tätig sind, sondern von Nutzen für alle Menschen im ländlichen Raum und damit für das gesamte deutsche Volk. ({23}) Entscheidend ist, daß wir einen politischen Rahmen setzen, in dem die Landwirtschaft durch Selbsthilfe und unsere Mithilfe dafür sorgen kann, daß sie langfristig gut existieren kann. ({24}) Vizepräsident Frau Funcke Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({25}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Eigen, Sie sollten eigentlich nicht von Polemik sprechen. Sie haben dieses Klavierspiel auch gelernt, und ich möchte sagen: recht gut gelernt. Das haben Sie mit Ihrer Rede bewiesen. ({0}) Herr Kollege Ritz - und auch Herr Kollege Eigen -, ({1}) ich bin mit Ihnen einig, wenn Sie sagen, der Agrarbericht zeige bezüglich der durchschnittlichen Einkommensentwicklung kein erfreuliches Bild. ({2}) - Gut, wenn Sie meinen. Dann würde ich aber jetzt doch hierbleiben. ({3}) Ein Rückgang des Einkommens ist nie erfreulich. Ich habe Verständnis dafür, wenn die Opposition diese minus 0,3 % hier und vor allem draußen auf Versammlungen hochspielt. Mich wundert auch gar nicht, daß die Opposition - und auch Herr Dr. Ritz - dieses Ergebnis des letzten Wirtschaftsjahres 1973/74 als Beweis für die schlechte Lage der deutschen Landwirtschaft apostrophiert. An eines aber muß ich die Opposition und auch Herrn Dr. Ritz und auch Sie, Herr Eigen, erinnern: Vor einem Jahr haben Sie nämlich genau umgekehrt argumentiert. Das ist verständlich; denn damals war das Reineinkommen je Familienarbeitskraft um 19,8 % angestiegen. Herr Kollege Ritz und andere Sprecher der Opposition haben immer wie10650 Müller ({4}) der versucht, diese damalige Zahl abzuwerten. Was haben Sie nicht alles gesagt: historischer Wert, zeitgeschichtlicher Wert, alter Schnee usw. Das waren doch alltägliche Argumente. Nun, Herr Ritz hat vorhin so schön zitiert. Ich will auch - mit Genehmigung der Frau Präsidentin - ein Zitat bringen, und zwar ein Zitat aus der Rede des Herrn Kollegen Ritz zum letzten Agrarbericht. Da heißt es folgendermaßen: Die Einkommensentwicklung war zwar insgesamt befriedigend. Wir sollten aber Globalzahlen wie 19,8 % Einkommenssteigerung nicht dahin gehend fehldeuten, daß es nun allen Landwirten in diesem vergangenen Jahr so gut gegangen ist. Soweit das Zitat. Diese Aussage - ich hoffe es wenigstens - gilt doch dann wohl auch für das letzt vorliegende Ergebnis. Mit dieser Interpretation hat Herr Dr. Ritz - gewollt oder ungewollt; auf das heutige Ergebnis bezogen, nehme ich an, mehr ungewollt - auf eine ganz wichtige Tatsache hinge wiesen, nämlich: Diese eine Zahl, auch das Ergebnis eines einzigen Wirtschaftsjahres reichen zur Beurteilung der Lage der Landwirtschaft nicht aus. Die Landwirtschaft muß differenzierter betrachtet werden. Das Einkommen der Landwirtschaft ist von der Marktlage genauso abhängig wie von einer Trokkenheit in den USA oder von einer schlechten Ernte in Rußland. Man sollte deswegen auch Vergleiche über mehrere Jahre ziehen; denn gute und schlechte Jahre wechseln sehr häufig ab. Nun, 1969/70 hatten wir plus 8,4 %, 1970/71 - das war das berühmte schlechte Jahr - minus 9,6 %, 1971/72 - ein sehr gutes .Jahr - plus 40,4 %, 1972/73 plus 19,8 %o und jetzt, 1973/74, die minus 0,3 %. Natürlich sollte man das Reineinkommen nicht dem Verbrauchseinkommen gleichsetzen, Herr Eigen. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Aber hier wird ja in relativen Zahlen gesprochen, und die ändern sich nicht, auch wenn sich die absoluten Zahlen ändern. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre - der Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen - ergab das immerhin einen Zuschlag zum Reineinkommen um jährlich plus 10,4 %. Das kann sich dann doch wohl sehen lassen. Große Unterschiede zeigen sich auch in diesem Jahr, wenn man nach Betriebsformen aufgliedert; auch darauf wurde schon hingewiesen: Marktfruchtbetriebe plus 12,5 % bis Futterbau minus 5,5 %. Ich habe mir die Mühe gemacht, hier einmal die Durchschnittszahlen für fünf Jahre auszurechnen. Das sieht dann so aus: Marktfruchtbetriebe von 1969/70 bis 1973/74 ergeben jährlich ein Plus von 11,6 %, Futterbau ein Plus von 10,3 %, Veredelung ein Plus von 4,9 % und die Gemischtbetriebe ein Plus von 9,4 %. Auch regional schwanken die Einkommen 1973/74 recht beachtlich. Wir haben eine große Streuung zwischen Niedersachsen z. B. mit minus 11 % und Nordrhein-Westfalen mit plus 11,3 %. Erwähnen sollte man auch die Einkommensunterschiede zwischen Betrieben gleicher Größenklasse und gleicher Betriebsform. So hatte der eine im oberen Viertel ein Einkommen von 50 156 DM - es handelt sich um einen Marktfruchtbetrieb mit Standardbetriebseinkommen zwischen 20 000 und 50 000 DM -, der im unteren Viertel aber nur 7 087 DM. Oder: 38 101 DM im oberen Viertel bei Futterbau, 7 628 DM im unteren Viertel, usw. Ich will das gar nicht vertiefen. Nur - ich stimme Herrn Kollegen Ritz auch hier zu - eine solche Globalzahl wie minus 0,3 % sollte man nicht dahin gehend fehldeuten, daß es nun allen Landwirten in diesem vergangenen Jahr schlecht gegangen sei. Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, drängt sich die Frage auf, wo die Ursachen für diese negative Durchschnittszahl liegen. Ich möchte drei Punkte erwähnen. Zum ersten die Steigerung der Betriebsmittelpreise um plus 9,8 %. Nun, die Bundesrepublik ist ein rohstoffarmes Land und muß die meisten Rohstoffe importieren. Diese Rohstoffimporte sind aber im Schnitt im vergangenen Jahr um das Doppelte teurer geworden. Der Erdölpreis hat sich sogar verdreifacht. So kostete ein Liter Dieselöl 1972/73 24 Pf, 1973/74 37 Pf, ein Liter Heizöl kostete 1972/73 14, 15 Pf, im Januar 1974 35 Pf. Die gesamten Energiekosten verursachten 1973/74 einen Mehraufwand von 650 Millionen DM. Futtermittel verteuerten sich um 470 Millionen DM. Sie wissen, das Ausbleiben der Anchovis-Fischschwärme vor der Küste Perus, die zusätzliche Nachfrage Rußlands und Chinas nach Sojaschrot, dann das amerikanische Ausfuhrembargo und die Spekulationen taten ein übriges. Sojaschrot notiert im August 1972 in Hamburg mit 40,5 DM je Doppelzentner, Anfang Juli 1973 mit 160 DM/dz. Die Fischmehlpreise stiegen von rund 70 DM/dz im August 1972 auf 198 DM/dz ein Jahr später. Preissteigerungen auf dem Düngemittelsektor verursachten einen Mehraufwand von 270 Millionen DM. Die Ausfuhrländer von Rohphosphaten erhöhten im Januar 1974 diese Preise um das Dreifache. Die Preise anderer Düngemitteltypen lagen 20 bis 30 "!o höher als im Vorjahr. Ich nehme an, Sie werden nicht die Bundesregierung für diese Preissteigerungen verantwortlich machen. Es wäre nun aber unredlich, zu verlangen, die Bundesregierung solle aus Steuergeldern diese zusätzlichen Kosten abgelten. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schon von der Höhe her gesehen gar nicht möglich. Der Steuerzahler hätte auch gar kein Verständnis dafür, würde man mit der Gießkanne durchs Land marschieren und an gut verdienende und schlecht verdienende Landwirte Steuergelder gleichmäßig verteilen. Was not-tat, war, gezielt zu helfen, vor allem dort, wo die Existenz auf dem Spiele stand. Das haben wir getan: Unterglasgärtner, Fischer, Trocknungsanlagen usw. Der Schwachen werden wir uns auch in Zukunft besonders annehmen, wie schon z. B. durch das Bergbauernprogramm, die Förderung der Nebenerwerbslandwirte und die Agrarsozialpolitik. Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Müller ({5}) Zum zweiten. Im Gegensatz zu den Betriebsmittelpreisen blieb das Erzeugerpreisniveau nahezu konstant. Verantwortlich dafür ist z. B. der Rückgang der Erzeugerpreise für Schweine seit Januar 1974. Die Verbraucherpreise folgten diesem Trend nur sehr, sehr zögernd, und die Konsumenten reagierten mit Einschränkungen des Fleischkonsums. Er ging von 1972 auf 1973 von 79,6 kg je Einwohner auf 78,3 kg zurück, also um 1,3 kg je Person. Trotzdem mußten die Verbraucher im ersten Halbjahr 1974 sogar 1,6 Milliarden DM mehr für Fleisch ausgeben als in der gleichen Vorjahreszeit. Der Bauer hat nicht nur nichts von diesen 1,6 Milliarden DM bekommen, sondern er hat sogar noch weniger erlöst. Hinzu kam das hohe Fleischangebot. 1973/74 wurden 4,36 Millionen Rinder geschlachtet, 750 000 Stück oder 20,7 % mehr als im letzten Wirtschaftsjahr. In den Kühlhäusern können wir das Fleisch bewundern. Durch das italienische Bardepot erfolgte ein zusätzlicher Druck auf das Angebot, hier vor allem in Süddeutschland. Der Marktpreis für Schlachtrinder blieb um 10 % unter dem vorjährigen Niveau. Im Wirtschaftsjahr 1974/75 werden ungefähr 32,5 Millionen Schweineschlachtungen erwartet, 10 % - also rund 3 Millionen - mehr als im Wirtschaftsjahr 1973/74. Leider weiß bisher niemand so recht, wie man diesen Zyklus, der mit zu den großen Preisschwankungen führt, in den Griff bekommen könnte. Vielleicht sollte man doch einmal mit der niederländischen Mindestpreisgarantie einen Versuch starten. Zum dritten. Es muß hervorgehoben werden, daß sich der Rückgang des Arbeitskräfteeinsatzes verlangsamt hat. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre verminderte sich die Zahl der Vollarbeitskräfte um jährlich 4,4 %. 1973/74 waren es nur 3 %. Die Bundesregierung ist hinsichtlich der Kostensteigerung in der Landwirtschaft nicht untätig geblieben. Hohe Preissteigerungen gehen immer zu Lasten der Landwirtschaft, weil sie bei den Betriebsmitteln voll durchschlagen, aber die Landwirte kaum eine Möglichkeit haben, sie auf die Preise abzuwälzen. Selbst unpopuläre Maßnahmen wurden getroffen, und die Bundesregierung hatte Erfolg. Der Vergleich mit anderen Ländern ist der beste Beweis. Auch die deutsche Landwirtschaft hat von dieser Politik profitiert. Stabilitätspolitik wird nicht gegen, sondern für unsere Landwirte gemacht. ({6}) Herr Eigen, Sie haben vorhin auf die Subventionen hingewiesen. Ein Blick in den Subventionsbericht der Bundesregierung vom 29. Oktober 1973 zeigt einen bemerkenswerten Aspekt. Sie sollten ihn auch einmal lesen. Nach dem Subventionsbericht stiegen die Finanzhilfen des Bundes für den Bereich von Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von 1972 bis 1974 um 897,8 Millionen DM oder 43,5 % von 2,0643 auf 2,9621 Milliarden DM an. Für die Landwirtschaft wird auch die Neuregelung des Kindergeldes erhebliche Vorteile bringen. Während bisher die Kinderfreibeträge - das müßten Sie doch wissen - gerade bei Landwirten mit geringem Einkommen nur wenig oder gar nicht zu Steuersenkungen führten, werden die Landwirte künftig unabhängig von der Einkommenshöhe für das erste Kind 600 DM, für das zweite Kind 840 DM und für das dritte und jedes weitere Kind 1 440 DM jährlich bekommen. Auch die Anhebung des Grundfreibetrages von 1 680 DM auf 3 000 DM für jeden Ehegatten wird hier zu Buche schlagen. Zusammen mit dem Freibetrag für land- und forstwirtschaftliches Einkommen von 2 400 DM für Ehegatten und der Anhebung der Sonderausgabenfreibeträge wird dies dazu führen, daß ein weit größerer Teil des Einkommens als bisher steuerfrei bleibt. Ein landwirtschaftlicher Durchschnittsbetrieb muß an Sonderausgaben ungefähr 2 500 DM zahlen. Die Besteuerung setzt deshalb ab 1. Januar 1975 erst oberhalb von 10 900 DM ein. In der Praxs heißt das: Die meisten GDL-Landwirte werden nur eine geringe oder gar keine Einkommensteuer zahlen müssen. Insgesamt stellt das GDL, das mit Beginn des Wirtschaftsjahres 1974/75 in das Einkommensteuergesetz übernommen wurde, eine nicht unbeträchtliche Steuerhilfe vor allem für die rationell wirtschaftenden Betriebe dar. Die Erhöhung der Vorsteuerpauschale von 5 auf 6 % ab 1. Januar 1975 bringt der Landwirtschaft zusätzlich 410 Millionen DM. Auch die Investitionszulage in Höhe von 7,5 % wird an die Landwirtschaft für Investitionen im betrieblichen Bereich ausgezahlt, also für Maschinen, für Geräte, für Gebäude und auch für die Neuanschaffung von Milch- und Zuchtvieh. Bleiben die Investitionen auf gleicher Höhe wie im Vorjahr, dürften sich Einsparungen von einigen 100 Millionen DM ergeben. Ich glaube, auch das kann sich sehen lassen. Die Bundesregierung und die sozialliberale Koalition werden der deutschen Landwirtschaft auch weiterhin jede nur mögliche Unterstützung geben. Eine leistungs- und funktionsfähige Landwirtschaft ist das Ziel der sozialliberalen Agrarpolitik. Dieser Aufgabe fühlen wir uns verpflichtet. ({7})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich höre eben das anerkennende Wort aus den Reihen der Opposition, die Ausführungen meines Herrn Vorredners seien gemäßigt gewesen. Ich wäre froh, wenn man das auf den Gesamtinhalt der heutigen Debatte hätte beziehen können. Ich wäre insbesondere froh, Herr Kollege Eigen, wenn von Ihrer Seite das verwirklicht worden wäre, was Sie hier so nachdrücklich gefordert haben. Sie haben gesagt: Warum wird hier nicht gesagt, was wirklich in Brüssel beschlossen worden ist? Jetzt komme ich Ihnen mit einigen massiven Gegenäußerungen, Herr Eigen; denn so, wie Sie es hier getrieben haben, geht es nun einfach nicht. Sie haben z. B. nachdrücklich behauptet, zu den Brüsseler Preisbeschlüssen gehöre die Herausnahme von Produkten, die sich aus dem Anhang 2 ergeben. ({0}) - Sie haben Rindfleisch, Verarbeitungserzeugnisse und anderes genannt. ({1}) - Anhang 2 ist aber das, worauf Sie sich bezogen haben. ({2}) - Gut, Verarbeitungserzeugnisse. Bleiben wir bei Ihrer Formulierung, obwohl der Komplex, den Sie ansprechen, diese anderen Dinge mit einbezieht! Ich sage Ihnen dazu, Herr Eigen: Warum erklären Sie eigentlich nicht, daß das, was Sie hier als Inhalt der Brüsseler Beschlüsse bezeichnen, eine Absichtserklärung der Kommission ist, die keine Zustimmung im Rat erhalten hat und der die Bundesregierung und der Bundeslandwirtschaftsminister ausdrücklich widersprochen haben? ({3}) Sie können sich hier doch nicht hinstellen und sagen, dieses und jenes sei im Rat beschlossen worden, wenn es sich nur um Absichtserklärungen der Kommission handelt. ({4}) - Warum sollte der Minister eine Veranlassung haben, falsche Behauptungen, die Sie erst später aufgestellt haben, bereits in seiner Einbringungsrede zurückzuweisen? Ich habe mir die Freiheit genommen, das an diesem Punkte zu tun. Aber es gibt ja noch einige weitere Punkte, bei denen man fragen kann: Warum wird eigentlich nicht gesagt, was in Brüssel beschlossen worden ist? Herr Dr. Ritz, hier muß ich auch auf Sie zu sprechen kommen. Sie haben auf der einen Seite gesagt, bedauerlicherweise seien die in Brüssel beschlossenen Preiserhöhungen des letzten Jahres nicht auf den Markt durchgeschlagen, weil eben letzten Endes - ich glaube, in der Erkenntnis sollten wir uns doch wohl treffen können - der Markt die endgültige Entscheidung darüber trifft, welche Preise wir als Produzenten landwirtschaftlicher Produkte erzielen können. Dies haben Sie auf der einen Seite festgestellt. Auf der anderen Seite haben Sie gesagt, die Preiserhöhungen, die in diesem Jahr beschlossen worden seien, seien zu niedrig. Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie Preisbeschlüsse, die oberhalb der realen Marktchancen liegen? Wollen Sie Sand in die Augen irgendwelcher Leute streuen, oder wollen Sie Preiserhöhungen, die sich darstellen als das, was die Brüsseler Beschlüsse ursprünglich sein sollten, nämlich sozusagen ein Auffangnetz unterhalb der realen Marktchancen, eine Absicherung des gesamten Agrarpreisniveaus? ({5}) Das eine oder das andere, Herr Dr. Ritz, können Sie wollen, aber Sie können nicht beides wollen. Und wenn wir hier schon von Preisen reden und wenn hier immer wieder gesagt wird, Herr Ertl habe in Brüssel zuwenig herausgeholt, dann legen wir doch einmal die Karten auf den Tisch und vergleichen wir doch einmal die Zeit, in der Herr Ertl Landwirtschaftsminister ist, mit der Legislaturperiode bis 1969 und rufen wir uns einmal die Zahlen von damals ins Gedächtnis zurück! In jenen vier Jahren, meine Damen und Herren, bei Weichweizen Preissenkungen um minus 10,7 %, Roggen minus 9,5 %, Gerste minus 7,7 %, Mais plus 3 % - das einzige Produkt, das in jenem Zeitraum eine Preisanhebung erfahren hat -, Zuckerrüben minus 6,1 %. Bei Rindern hatten wir - auch das sei erwähnt - plus 21,4 % und bei der Milch plus 3,5 %. Ich wäre jetzt versucht, Herr Dr. Ritz, einmal die Summe dessen zu ziehen, was seit 1969 auf dem gleichen Sektor und bei den gleichen Produkten mit einer deutlichen Anhebung zusammengekommen ist, die - wenn ich das noch vor Ihrer Zwischenfrage, Herr Bewerunge, sagen darf - weit über die Preissteigerungsraten in dem angegebenen Zeitraum hinausgeht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie gestatten eine Zwischenfrage? - Bitte!

Karl Bewerunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wollen Sie nicht zugeben, daß das heutige Klima dem damaligen genau diametral gegenübersteht? Heute fordern die übrigen Partner höhere Preise, damals forderten sie niedrigere Preise. Ist das Verhandlungsklima für einen Landwirtschaftsminister jemals so günstig gewesen, wie es sich heute für diesen Minister darstellt? ({0})

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bewerunge, ich komme auf diese Frage zurück. Herr Dr. Ritz, jetzt komme ich genau zu dieser nächsten Frage: Warum wird eigentlich nicht gesagt, was wirklich in Brüssel ist? ({0}) - Sie beziehen sich, wenn Sie das Verhältnis von Unkosten und Erzeugerpreisen für die Landwirtschaft einander gegenüberstellen, doch immer ausdrücklich nicht auf die letzten Ergebnisse der Kornmission für das zweite Halbjahr 1974. ({1}) Ihre Rechnung endet immer bei jenen Zahlen, die im Frühjahr 1974 die letzte Grundlage haben. ({2}) - Dann will ich Ihnen sagen, daß im zweiten Halbjahr 1974 - Sie sind sonst wesentlich besser informiert, Herr Dr. Ritz, und ich bin darüber erstaunt, daß das in diesem Falle nun einmal nicht eingetreten sein sollte -, abgesehen von dem ja für diesen Fall unzulässigen Vergleich zwischen den Lebenshaltungskosten in Frankreich und denen in der Bundesrepublik, der für diese Frage keine Rolle spielt, im Bereich der Kosten für die Landwirtschaft die Preissteigerungsrate in Frankreich doppelt so hoch gewesen ist wie in der Bundesrepublik. Daß dasselbe - und in noch stärkerem Maße - für andere Partner gilt, sollten Sie doch zumindest in Ihre Kalkulation mit einbeziehen, selbst wenn es Ihnen nicht möglich gewesen sein sollte, sich die genauen Zahlen für diesen Zeitraum zu beschaffen. Meine Damen und Herren, wir können doch nicht davon absehen, daß auf diesem Sektor, ausgehend von den unterschiedlichen Inflationsraten, auch unterschiedliche Kostensteigerungen für die Landwirtschaften der einzelnen Partnerländer eingetreten sind. Und auch Herr Ertl war doch mit Sicherheit nicht in der Lage, in Brüssel so aufzutreten, als sei dies alles gleich, als gebe es nicht das Auseinandergehen der Währungsrelationen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, mit dem wir es nun einfach zu tun haben. Deswegen noch einmal, Herr Eigen: Es ist so leicht, hier zu fragen: Warum wird nicht erklärt, wie es wirklich in Brüssel ist? Ich will Ihnen sagen: Hier ist von unserer Seite sehr deutlich gesagt worden, was in Brüssel ist, und auch in bezug auf den Grenzausgleich sollte man hier fairer und sachlicher argumentieren, als Sie es getan haben. Meine Damen und Herren, seit dem 1. Juli 1973 haben sich die Grenzausgleichsbeträge nur infolge der zwischenzeitlichen Preisanhebungsraten der Gemeinschaft erhöht. Der währungsbedingte Abstand von 12,03 % besteht seit der letzten DM-Aufwertung vom 29. Juni 1973. Und wenn Sie jetzt einmal, Herr Eigen, die Ausgleichsbeträge vom 1. Juli 1973 mit denen der kommenden Wirtschaftsjahre vergleichen, ({3}) werden Sie feststellen, daß die Ausgleichsbeträge der kommenden Wirtschaftsjahre im Durchschnitt höher liegen als die Ausgleichsbeträge, die auf der bisherigen Rechnung von 12,03 % beruhen. Stellen Sie bitte einmal die Rechnung an! Ich bin gern bereit, Ihnen auch dafür Zahlen zu nennen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eigen?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, obwohl an sich jeweils nur eine Frage vereinbart war. Aber bei Herrn Eigen kann ich nicht anders.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es soll dann auch bei einer bleiben! ({0}) Herr Kollege Ronneburger, ist Ihnen nicht klar, daß Währungsparitätsveränderungen nach Prozentzahlen, nicht nach nominalen Größenordnungen gemacht werden und daß natürlich auch in der Frage des Grenzausgleichs die prozentuale Absicherung wichtiger als die nominale ist?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Entschuldigung, Herr Eigen, mir liegt jetzt eine etwas bissige Bemerkung auf der Zunge. Aber ich bin bisher immer der Meinung gewesen, Sie seien ein scharfer Rechner. ({0}) Sie können doch immer nur davon ausgehen, daß prozentuale Angaben der Ausfluß einer nominalen Änderung sind. Sie können doch hier nicht nominale und prozentuale Unterschiede auseinanderdividieren; das eine gehört zum anderen, das läßt sich nicht auseinanderrechnen. Ich kann Ihnen das ja auch beweisen. Wenn Sie z. B. die Ausgleichsbeträge von damals nehmen - für Magermilchpulver, für Schweinehälften, für lebende Rinder -, stellen Sie fest, daß hier nicht eine Verringerung des Grenzausgleichs eingetreten ist. Ich hätte Ihnen zugestimmt, Herr Eigen, wenn Sie gesagt hätten, der Grenzausgleich sei auf dieser Basis festgehalten und nicht erhöht worden. Auf dem Punkt hätten wir uns einigen können. Aber Ihre fatale Darstellung der Situation, Herr Ertl habe einer Senkung des Grenzausgleichs zugestimmt, trifft die Realitäten nicht, und daran ändert alles, was in Ihren Behauptungen steckt, nichts, wenn die Gegenrechnung etwas anderes nachweist. ({1}) Herr Dr. Ritz hat hier mit einiger Schärfe auf Europa reagiert. Er ist so weit gegangen, zu sagen, der europäische Agrarmarkt sei praktisch heute nur noch eine Karikatur. Ich frage einmal Herrn Dr. Ritz mit allem Nachdruck: was soll denn eigentlich dieser integrierte Agrarmarkt erreichen in einer Situation, in der weder Sie noch wir im Augenblick in der Lage sind, die Wirtschafts- und Währungsunion herbeizuführen, die allein in der Lage wäre, auch ein volles Funktionieren des Agrarmarktes durchzusetzen? Deswegen meine Gegenfrage an Sie, Herr Dr. Ritz: Was verstehen Sie denn eigentlich unter diesem europäischen Agrarmarkt, der keine Karikatur mehr ist? Es gibt ja eine Möglichkeit der Vereinheitlichung. Etwa das fatale Wort von der Inflationsgemeinschaft. Sind Sie der Meinung, daß wir uns Währungsentwicklungen anpassen sollten, die sich bei unseren Partnern vollziehen? Oder sind Sie nicht der Meinung, daß wir Erschwernisse des Agrarmarktes in Kauf nehmen müssen, weil wir eine Politik der Stabilität für notwendig und für unabdingbar halten?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ritz?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Ronneburger, Sie haben mich zwar gefragt, aber ich muß dennoch in Form einer Frage antworten: sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die jetzt aufgetretenen Schwierigkeiten sich im Grunde seit drei oder vier Jahren ganz klar abzeichnen, und wäre es nicht zwingende Aufgabe z. B. der sogenannten wichtigen Gipfelkonferenzen gewesen, sich sehr konkret auch mit diesen Fragen zu beschäftigen, um hier wirklich echte Gemeinsamkeiten überhaupt in Angriff zu nehmen? Dies hat man doch immer abgeschoben und den Agrarministern überlassen. Hier sehe ich den entscheidenden Fehler in dem gesamteuropäischen Ansatz. ({0})

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Ritz, die Schwierigkeiten, von denen Sie sprechen, haben sich nicht etwa erst seit drei oder vier Jahren abgezeichnet, sondern sie haben sich ja unmittelbar nach Abschluß der Römischen Verträge bereits gezeigt, als das ursprüngliche Konzept nicht durchsetzbar war, Herr Dr. Ritz. Die Automatik in der Entwicklung vom Agrarmarkt zur Wirtschafts- und Währungsunion, zur politischen Zusammenarbeit und Union, das ist keine Frage der letzten drei bis vier Jahre, sondern das ist eine Erkenntnis, die im Laufe der Jahre seit dem Abschluß der Römischen Verträge von Jahr zu Jahr mehr gewachsen ist. Dies, meine ich, sollte man nüchtern sehen. Man sollte hier nicht den Agrarministern, Herr Dr. Ritz, einen Vorwurf machen, der im Grunde genommen an die gesamte Europäische Gemeinschaft zu richten wäre. Ich komme noch einmal auf die Frage der Preisbeschlüsse vom 13. Februar 1975 zurück. Herr Dr. Ritz, ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns über diese Frage noch etwas miteinander unterhalten könnten. Sie haben gesagt - und Herr Eigen hat es bestätigt -, diese Preisabschlüsse seien ungenügend. Ich habe vorhin schon einmal gefragt nach der Möglichkeit fiktiver Preisabschlüsse, die sozusagen nur ein Vernebeln der wirklichen Situation darstellen. Aber ich möchte jetzt mit meiner Frage noch etwas weiter gehen. Wenn Sie allgemein sagen, die Preisabschlüsse seien ungenügend, dann müßten Sie doch eigentlich dazu sagen, bei welchen Produkten sie hätten höher sein sollen, und in welchem Ausmaß und was damit erreicht worden wäre. Deswegen frage ich jetzt einmal - wahrscheinlich etwas rhetorisch , aber ich werde versuchen, auch gleich die Antwort zu geben. ({0}) Wie wäre es denn bei Getreide? Verteuern wir mit einer zusätzlichen Erhöhung der Getreidepreise nicht auch unsere eigenen Produktionsmittel? Wie ist es denn bei Zuckerrüben, mit einer ohnehin schon sehr starken Anhebung, die sicherlich auch an diesem Punkt Ihren eigenen Vorstellungen entsprechen wird? Wie ist es bei Milch und Rindfleisch? Ist hier der Markt nicht ohnehin überversorgt und eine stärkere Preisanhebung von der Marktsituation her im Grunde genommen gar nicht real? Hieße es hier nicht tatsächlich Sand in die Augen streuen, wenn man hier stärker angehoben hätte, da man ja schon im vergangenen Jahr nicht in der Lage war, auch nur entfernt - trotz der starken Interventionen - das aus dem Markt herauszuholen, was in Brüssel als Interventionspreis beschlossen worden war? Eine Anhebung des Grundpreises bei Schweinen, Herr Dr. Ritz, wäre am Markt nicht angekommen; darüber sind wir uns doch wohl einig. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal, es hat überhaupt keinen Sinn, die Preise, die Brüsseler Beschlüsse hier aus optischen Gründen über ein Maß anzuheben, das der Realität im Markt nicht entspricht. Deswegen sollten wir uns darüber einig sein, daß es eine Möglichkeit einer realen Agrarpolitik in Europa gibt, die darin besteht, diesen Kern europäischer Integration tatsächlich am Leben zu erhalten und dafür auch zu Kompromissen bereit zu sein, wobei ich gar nicht sagen will, daß etwa alle diese Kompromisse unseren Vorstellungen entsprechen. Aber lassen Sie mich noch ein Wort - hier wende ich mich wieder einmal an Herrn Eigen - zu den berühmten Prämien sagen. Herr Eigen, Sie fordern immer, man solle doch sagen, was in Brüssel wirklich ist oder war. Wenn dies Ihre echte Forderung ist, warum haben Sie dann an keinem Punkt Ihrer Rede erwähnt, daß Frankreich nach den Beschlüssen in Brüssel z. B. entweder die Kuhprämie oder die Schlachtprämie zahlen kann. ({1}) - Die Bemerkung wäre mit einem Nebensatz zu machen gewesen. - Dies ist ja eine ganz entscheidende Position zur Beleuchtung der Frage der Prämien: daß hier nämlich in Frankreich nicht eine Addition, wie es auch draußen verbreitet wird, von Milchprämie und Schlachtprämie erfolgt, sondern daß hier das eindeutige Entweder-Oder steht. ({2}) - Sind Sie der Meinung, daß wir bei der Schlachtprämie, die bei uns weiter gezahlt wird, keine Beihilfe aus dem EAGL bekommen? ({3}) - Über diesen Unterschied können wir gerne reden, aber es darf hier doch nicht so getan werden, als fände in Frankreich praktisch eine Addition dieser beiden Prämien statt. ({4}) - Dieser Eindruck mußte entstehen, wenn Sie hier nicht deutlich auf dieses Ausschlußverfahren hinweisen. Eine Bemerkung noch zu den Ausführungen, daß Haushalt und Finanzmasse bei uns keine Möglichkeit zu nationalen Maßnahmen böten. Nun, meine Damen und Herren, wenn ich unsere Finanz- und Haushaltssituation mit der unserer Partner vergleiche, dann glaube ich, daß hier die Möglichkeiten nicht geringer sind als bei den anderen, mit denen wir zusammenarbeiten. Eine Bemerkung noch zu Frau Wex, nicht um das nun noch einmal breitzutreten, sondern einfach deshalb, weil ich nun doch sagen muß, meine Damen und Herren von der Opposition: Habe ich Frau Wex oder gar die gesamte Opposition bisher überschätzt? Denn wenn das Urteil richtig ist, Herr Dr. Ritz, das Sie vorhin abgegeben haben, daß Frau Wex nämlich nicht in der Lage sei, zwischen den 3,9 %, die als tatsächliche Preiserhöhung bei den Produzenten ankommen werden, und der tatsächlichen Belastung der Lebenshaltungskosten die daraus resultiert, zu unterscheiden, ({5}) dann allerdings hätte ich Frau Wex und möglicherweise die Opposition überschätzt. ({6}) - Nein, das ist nicht unfair! ({7})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lesen Sie doch bitte noch einmal alle Zeitungsmeldungen vom 15. Februar über die Auswirkungen der Agrarbeschlüsse! Dann werden Sie feststellen, daß davon die Rede ist, daß das Erzeugerpreisniveau, das Mindestniveau für die Bauern, um soundso viel angehoben worden ist, ({0}) daß Herr Minister Ertl vom Einkommensverbesserungen für die Bauern um 3,9 % spricht. Hieraus müssen sich falsche Schlußfolgerungen ergeben, wenn wir nicht endlich diese Preise von Brüssel ihres Mondscheinpreischarakters berauben. ({1})

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber Herr Dr. Ritz, gehe ich denn fehl in der Annahme, daß sich Frau Dr. Wex auch in der Vergangenheit bereits intensiv mit Verbraucherfragen beschäftigt hat? ({0}) - Gut. Wenn das so ist, dann muß Frau Dr. Wex wissen, daß hier keine Übereinstimmung zwischen den 3,9 °/o und dem besteht, was der Verbraucher an Lebenshaltungskosten mehr zu zahlen hat. Dies ist doch wohl eine billige Argumentation. ({1}) - Nein, der Landwirtschaftsminister hat an keiner Stelle erklärt, 3,9 % seien das, was der Verbraucher mehr zu zahlen habe. Frau Dr. Wex kennt diese Verhältnisse und ist deswegen in der Lage, darüber auch eine sachliche Argumentation zu führen. ({2}) Herr Dr. Ritz, Sie haben am Ende Ihrer Ausführungen einen Blick nur auf das letzte Wirtschaftsjahr geworfen und haben von daher die Agrarpolitik dieser Regierung und die Agrarpolitik von Herrn Ertl als einen Mißerfolg bezeichnet. Ich will Ihnen folgendes entgegenhalten. Man sollte einmal die fünf Jahre, in denen Herr Ertl Landwirtschaftsminister ist, zusammen sehen. Wenn in diesen fünf Jahren eine durchschnittliche Einkommenssteigerung von 10 % erreicht wurde, ({3}) wenn man berücksichtigt, daß im letzten Jahr durch die grundlegende Veränderung der weltwirtschaftlichen Situation nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern auch auf andere Bereiche eine ganz erhebliche Belastung zugekommen ist, dann betrachte ich dies als einen Erfolgsnachweis der Politik, die Herr Ertl für die deutsche Landwirtschaft und für die Verbraucher in der Bundesrepublik getrieben hat. ({4}) Für diesen Erfolg und seine Fortsetzung wird er unsere Unterstützung haben. ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rainer.

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001769, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Ertl, Sie haben heute in Ihrer Rede den Eindruck erweckt, als seien der Deutsche Bauernverband und die deutschen Bauern insgesamt mit dem in Brüssel erzielten Ergebnis voll zufrieden. Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin nur einen Satz aus der neuesten Mitteilung des Deutschen Bauernverbandes verlesen ({0}) - genau aufpassen! -: „Wenn der Ernährungsminister in seiner Rede vor dem Bundestag erklärt, die Bundesregierung könne mit dem Ergebnis der Brüsseler Agrarpreisbeschlüsse vor den Erzeugern be10656 stehen, dann sollte er damit nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als ob die deutschen Bauern mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden wären." Ich wollte das nicht im Raum stehenlassen, sondern vorweg gleich bekanntgeben. Der Agrarbericht 1975 enthält unter dem Kapitel „Agrarstrukturpolitik" folgenden Satz: „Die Agrarstrukturpolitik hat das Ziel, die allgemeinen Lebensbedingungen im ländlichen Raum sowie die Arbeits- und Produktionsbedingungen in den landwirtschaftlichen Betrieben zu verbessern und damit den in der Landwirtschaft Tätigen die Teilnahme an den allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklungen zu ermöglichen." Diese Zielsetzung ist außerordentlich anspruchsvoll. Sie ist im Grundsatz auch zu bejahen, denn wer wollte einen vernünftigen Strukturwandel im ländlichen Raum und die Verbesserung der Arbeits- und Produktionsbedingungen der in der Landwirtschaft Tätigen nicht befürworten? Aber zwischen der Zielsetzung und dem, was wirklich ist oder in naher Zukunft sein wird, besteht ein großer Unterschied. Sicherlich kann man der Bundesregierung nicht vorwerfen, daß sie die Ziele in der Strukturpolitik nicht erreicht habe. Wir sind ja tolerant genug. ({1}) Wir, die CDU/CSU, sind der Meinung, daß Agrarstrukturpolitik ein Prozeß ist, der sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg erstreckt. Kritik ist allerdings an der Tatsache anzumelden, daß sich in den letzten Jahren die Lebens- und Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum nicht verbessert, sondern verschlechtert haben. Das ist heute von vielen Rednern hier vor dem Deutschen Bundestag ausgeführt worden. ({2}) Hierfür sind die von der Bundesregierung geschaffenen allgemeinen Bedingungen, unter denen sich der Strukturwandel vollziehen sollte, maßgeblich verantwortlich zu machen. ({3}) Die außerordentlich schwierige gesamtwirtschaftliche Situtation, die derzeit gekennzeichnet ist durch Inflation, Arbeitslosigkeit, geringes volkswirtschaftliches Wachstum und eine außerordentliche Enge der öffentlichen Haushalte, hinterläßt auch in der Agrarstrukturpolitik ihre tiefeinschneidenden Spuren. Der stark verringerte Prozeß der Abwanderung aus der Landwirtschaft ist ein deutliches Zeichen dafür, daß - bedingt durch die Arbeitslosigkeit in unserem Land einer der wesentlichsten Faktoren des Strukturwandels in seiner Funktion außerordentlich gehemmt ist. Schon vor einigen Jahren verstärkte sich der wirtschaftliche Druck auf die Landwirtschaft in beträchtlichem Ausmaß. Die übrige Wirtschaft konnte mit ihrer Sogwirkung jedoch Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft aufnehmen. ({4}) Heute haben wir die ungünstige Situation, daß der wirtschaftliche Druck auf die Landwirtschaft zunimmt, daß aber auf Grund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und der besonders schwierigen Arbeitsmarktlage sich für ausscheidungswillige Landwirte keine entsprechenden Beschäftigungsalternativen anbieten. Gerade ländliche Räume sind von der Arbeitslosigkeit hart betroffen. Es gibt Landkreise, in denen die Arbeitslosenquote bereits die 30 %-Marke überschritten hat. ({5}) Versucht ein Landwirt - meistens sind es die Inhaber von kleineren Betrieben - in einem solchen Landkreis aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit auszuscheiden, so steht er fast hoffnungslos vor einem unlösbaren Problem. Hier wirken sich die allgemein verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen außerordentlich negativ aus. ({6}) Teilweise müssen wir feststellen, daß landwirtschaftliche Betriebe eine Art Auffangbecken für Arbeitslose darstellen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf das schwerwiegende Problem der arbeitslos gewordenen Nebenerwerbslandwirte aufmerksam machen. Es wird höchste Zeit, daß rechtlich einwandfrei geregelt wird, daß die Betätigung eines im gewerblichen Bereich arbeitslos gewordenen Nebenerwerbslandwirtes in seinem eigenen Betrieb bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes unberücksichtigt bleibt. ({7}) Die bisherige Regelung, daß sich diese Nebenerwerbslandwirte an den Bundesernährungsminister persönlich wenden sollten, zwingt geradezu dazu, Umgehungsgeschäfte zu praktizieren. Es wäre daher dringend erforderlich, rechtliche Klarheit zu schaffen. Die Auswirkungen der Inflation - des zweiten Übels neben der hohen Arbeitslosigkeit im Strukturwandlungsprozeß - sind ebenfalls außerordentlich negativ spürbar. Es liegt in der Natur der Sache, daß Strukturverbesserungsvorhaben mit Bauleistungen verbunden sind. Die Preis- und Kostensteigerungen auf diesem Gebiet sind so hoch, daß mit mehr Geld wesentlich weniger geleistet werden kann. ({8}) Leider - das kann man aus dem Agrarbericht, Seite 115, entnehmen - sind die Haushaltsmittel für die Agrarstrukturverbesserung von 1974 auf 1975 nur um insgesamt 1,5 % angewachsen. Damit wird man sicherlich das Volumen in der Agrarstrukturverbesserung, besonders im Hinblick auf die hierzu erforderlichen investiven Maßnahmen, nicht vergrößern können. ({9}) Es erscheint auch wenig sinnvoll, daß beispielsweise Gebietskörperschaften - wie Wasser- und Bodenverbände und ähnliche - aus der 7,5%igen Investitionszulage ausgenommen sind. ({10}) Gerade hier bemüht sich ja das Land Bayern, eine Lösung zu finden, um auch diesen Bereich mit einzubeziehen. Gerade Gebietskörperschaften sind im Interesse eines vernünftigen Strukturwandels im ländlichen Raum auf die 7,5%ige Investitionszulage dringend angewiesen. ({11}) Auch an diesem Beispiel zeigt sich, daß dieses Gesetz mit der heißen Nadel genäht worden ist. Herr Bundesminister Ertl, ob es Ihnen nun paßt oder nicht, hier und heute sagen wir Ihnen - wie schon in den vergangenen Jahren -, daß Ihr Gesamtkonzept der einzelbetrieblichen Förderung unsere Billigung nicht findet. ({12}) Insbesondere die sogenannte Förderschwelle ist völlig unbrauchbar. ({13}) Es kann doch nicht in Ordnung sein, daß landwirtschaftliche Betriebe nur dann eine Investitionszulage erhalten können, wenn sie ein bestimmtes Einkommen erreicht haben, das sich an außerlandwirtschaftlichen Einkommen orientiert. Die Förderschwelle ist von 18 000 um 3 200 auf rund 22 000 DM Arbeitseinkommen erhöht worden. Das ist eine Erhöhung um 17 %. Es gehört gar nicht viel Rechenkunst dazu, zu erkennen, daß durch das starke Anwachsen der Förderschwelle immer mehr Betriebe aus der Förderung herausfallen, weil sie die nach außerlandwirtschaftlichen Einkünften festgesetzte Grenze nicht erreichen. ({14}) Ganz schlimm wird es dadurch, daß, wie es auch der Agrarbericht ausweist, die landwirtschaftlichen Einkommen sinken. Das ist heute von vielen Rednern klar und deutlich ausgeführt worden. Den Bauern, die den Mut noch nicht ganz aufgegeben haben, wird es von zwei Stellen her praktisch unmöglich gemacht, an den staatlichen Förderungen teilzunehmen. Daran ändert grundsätzlich auch nichts die Tatsache, daß die Förderschwelle regional abgestuft ist. Es ist unredlich, wenn Sie, Herr Bundeslandwirtschaftsminister Ertl, sich heute darauf berufen - Agrarbericht Ziffer 277 -, daß Sie nicht anders handeln könnten, weil das Recht der Europäischen Gemeinschaften dies alles so vorschreibe. Wir wiederholen: Es war eine Ihrer größten agrarpolitischen Fehlleistungen, den EG-Agrarstrukturrichtlinien in Brüssel ohne Not zuzustimmen. Wir sind der Meinung, daß die schematische Förderschwelle wieder verschwinden muß. Wir sind für eine sinnvolle Investitionsförderung. Diese Investitionsförderung für die landwirtschaftlichen Betriebe muß an den Kriterien der Rentabilität der Investitionen, der Zuverlässigkeit des Bauern und seiner Familie ausgerichtet sein. Das sind Kriterien, nach denen beispielsweise die Kreditvergabe in anderen Wirtschaftsbereichen individuell mit Erfolg geregelt werden konnte. Mit Ihrer Methode, Herr Bundesminister Ertl, bestrafen Sie viele Bauern, indem Sie sie von der Förderungsmöglichkeit fernhalten, nur weil sie kleine landwirtschaftliche Betriebe besitzen. Das haben Sie eigentlich auch selber schon längst erkannt; denn wenn man sich die vielen Ausnahmen vom Förderungsgrundsatz anschaut, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Grundkonzept bereits durchbrochen ist. Sie wollen es nur nicht zugeben, Herr Bundesminister. Dadurch ist allerdings solch ein Wirrwarr an Bestimmungen entstanden, daß kein vernünftiger Mensch mehr hindurchfindet. Ich möchte fast hinzufügen: Der Papierkrieg, der mit der Investitionsförderung verbunden ist, ist grausig. Was sind das für Zustände, wenn ein Bauer, der eine Investitionsförderung beantragt hat, insgesamt über 30 Seiten Antragsformulare auszufüllen hat. ({15}) Sowohl die Bauern als auch deren Berater sind mit dieser Methode total überfordert. ({16}) - Schauen Sie sich Ihre Anträge einmal an und gehen Sie außerdem einmal zum letzten Finanzamt, ob die überhaupt schon Formulare haben. Wir fordern Sie dringend auf, hier alsbald eine Änderung herbeizuführen. ({17}) Daß Nebenerwerbsbetriebe seit kurzem in die Investitionsförderung aufgenommen sind, begrüßen wir. ({18}) ({19}) Auch hier zeigen sich aber schwerwiegende Mängel, die ich Ihnen gleich nennen werde. ({20}) Wir halten es z. B. für einige Regionen für völlig unangebracht, daß die Milchkuhhaltung von der Förderung ausgenommen ist. Hier wird pauschal versucht, über die spezielle Förderung der Nebenerwerbsbetriebe im Rahmen der Investitionsförderung eine Marktsteuerung zu betreiben. Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Worte zum sogenannten Bergbauernprogramm sagen. Was Sie heute gesagt haben, Herr Bundesminister Ertl, kann wohl nicht richtig sein. Als die Delegation des Ernährungsausschusses im Jahre 1974 in Frankreich war, konnten alle Delegationsmitglieder dort erkennen, daß die französischen Bergbauern bereits in den Jahren 1973 und 1974 gefördert worden sind. Die Bundesrepublik Deutschland ist somit nicht der erste Staat, der 1974 noch eine Restförderung gewährt hat. Auch dieses Bergbauernprogramm begrüßen wir grundsätzlich im Interesse der Erhaltung der Landwirtschaft und im Interesse der Menschen, die unter besonders schwierigen natürlichen Bedingungen wirtschaften. Wir hoffen, daß die Bundesregierung einsieht, daß alles, was bisher auf dem Gebiet eingerichtet worden ist, noch nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Die Abgrenzung der Fördergebiete hat in der Praxis ungeheuer viel Ärger verursacht. Es geht nicht an, daß die Bundesregierung heute so tut, als seien allein die Bundesländer für die Abgrenzung verantwortlich. Wir sind der Meinung, daß gemeinsam nach Wegen gesucht werden muß, die es ermöglichen, daß auf diesem Sektor wieder Ruhe eintritt. Daß auf diesem Gebiet vieles im argen liegt, läßt sich beispielsweise aus einem Antrag der SPD-Abgeordneten des Bayerischen Landtags ablesen. Diese Abgeordneten haben beantragt, daß landwirtschaftliche Betriebe am unteren Ende der Einkommensskala, die vom Bergbauern- und Grünlandprogramm nicht erfaßt werden, durch Bewirtschaftungszuschüsse über die Runden gebracht werden sollen. Dieser Antrag zeigt, daß es dringend notwendig ist, zu Übergangszonen bei der Abgrenzung zu kommen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Rainer, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001769, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bitte noch einen Satz sagen zu dürfen. Das andere habe ich alles schon weggelegt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr, kleinlich war ich noch nie.

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001769, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Alle agrarstrukturellen Maßnahmen, die zur Zeit ergriffen werden, sind allerdings dann nutzlos, wenn es nicht bald wieder gelingt, stabile und geordnete wirtschaftliche Verhältnisse in unserem Lande herbeizuführen. ({0}) Dazu aber scheint diese Bundesregierung zu schwach zu sein. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Wolf.

Willi Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und und Herren! Wer die Debatte heute morgen aufmerksam verfolgt hat, mußte feststellen, daß die Opposition auch in der Agrarpolitik - ich sage bewußt - an ihrer Doppelstrategie festhält. Sie greift die Politik der Bundesregierung hemmungslos an, obwohl sie eigentlich sehr gut weiß und wissen müßte, daß die meisten Entscheidungen in der Agrarpolitik nicht national, sondern in Brüssel getroffen werden, und um Europa willen vielfach im Wege des Kompromisses. Wir wissen, daß die Kompromisse - das liegt nun einmal im Wesen eines Kompromisses begründet - nicht immer befriedigen können. Sie handeln nach dem Motto: Die meisten Bundesbürger kennen nicht die komplexen Zusammenhänge, die innerhalb einer Wirtschaftseinheit bestehen; darum drauf auf die Regierung, es bleibt schon für uns als Opposition etwas hängen! Das, was national geleistet worden ist - ich meine hier das große Feld der Agrarsozialpolitik -, wurde schamhaft von der Opposition verschwiegen. Dieser Boden und dieses Feld wurden nicht beackert. ({0}) Ich will Ihnen sagen: warum: Weil Sie in dieser Frage ein schlechtes Gewissen haben. ({1}) - Ja, ja. Wir Sozialdemokraten - das ist ja auch nachweisbar und nachlesbar - kämpfen seit nunmehr zwanzig Jahren für die soziale Sicherung der Menschen in der Landwirtschaft: In Programmen, Gesetzentwürfen, Initiativen, Anträgen und sicherlich in einigen Stunden parlamentarischer Auseinandersetzung haben wir uns für die soziale Sicherung der Bauern eingesetzt. Der Erfolg ist meßbar, er ist abzulesen in diesem Agrarbericht und wird in der Landwirtschaft bestätigt, selbst dort, wo sich die CDU/CSU anschickt, fremde Früchte zu ernten, Früchte einer Politik, die sie nicht gesät hat. Heute, zwanzig Jahre nach Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes, werden wir daran erinnern dürfen, wie sehr sich die Opposition, damals Regierung, gegen unsere sozialen Absichten gewehrt hat. Während wir damals vergeblich um die soziale Komponente in der Agrarpolitik gerungen haben, fesselten sich die Unionsparteien an eine verhängnisvolle Ideologie. Sie meinten, die Landwirtschaft bedürfe der helfenden Hand sozialer Maßnahmen nicht. An diese falschen Vorstellungen gefesselt, haben Sie den Fortschritt in dieser Frage der Sozialpolitik verhindert. ({2}) So war es, und es hat sehr lange gedauert, Herr Susset, bis Sie sich unter dem Zwang der Ereignisse, unserem Drängen folgend, gelöst haben von Ihrem starren Nein. Und heute spielen Sie oftmals, wie so oft, die Hundertfünfzigprozentigen, die einmal überzeugt, das Versäumte auf einen Schlag nachholen wollen. Ich meine, daß der soziale Übereifer nicht nur Rehabilitation, sondern handfeste Wahltaktik ist. Ihre Anträge in der letzten Zeit zeigen uns doch sehr deutlich, daß das Wort „sozial" damals wie heute Ihnen in manchen Bereichen nicht geheuer ist. ({3}) Sie verstehen das System der Sozialpolitik oft nicht; denn das fein verästelte, auf Balance ausgerichtete System einer Sozialpolitik verträgt kein Drauflos-fordern. Ich meine, es ist keine Sozialpolitik, wenn Sie der Regierung mit teueren Anträgen in die Tasche greifen, um Karamellen unter die Leute zu werfen. Nehmen wir das Beispiel Witwenrente. Die Opposition hat in ihrer Entschließung zum Agrarbericht 1974 beantragt, die Witwenversorgung zugunsten jüngerer Witwen von Landwirten, und zwar ohne Altersbegrenzung, auszuweiten. Die Koalition hat dieses Begehren im Dezember 1974 leider ablehnen müssen; ({4}) denn inzwischen - ich sage, warum; warten Sie ab -- weiß jedermann in diesem Lande - darf ich -; nein, ich erspare es mir; ich wollte sagen: außer der Opposition, die das nicht wissen will -, daß die notwendigen Mehrbelastungen in Höhe von 150 bis 160 Millionen DM bei dieser Finanzlage einfach nicht aufzubringen sind. Wir haben damals erklärt, daß wir über das finanzielle Unvermögen hinaus auch keine sozialpolitische Notwendigkeit zu einer solchen Maßnahme sehen. ({5}) - Ich sage Ihnen, warum; warten Sie ab. Mit der Reform des Familienlastenausgleichs - ich erinnere an das Kindergeld - sind auch die landwirtschaftlichen Familien erheblich entlastet worden. Im übrigen wird das Waisengeld, das wir gestern im Rahmen des Achtzehnten Rentenanpassungsgesetzes beschlossen haben, wenigstens auch einen Teil der landwirtschaftlichen Familien vor sozialen Härten schützen. Schließlich, Herr Eigen, dürfen wir nicht vergessen, daß die Witwen in der Landwirtschaft schon jetzt versorgt sind, sofern der verstorbene Ehemann Altersgeldempfänger war, die Witwe das 60. Lebensjahr erreicht hat oder Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Am Beispiel der Alterssenkung für Witwen hat die Opposition aller Welt gezeigt, wie sie unüberlegt und, ich will einmal sagen, etwas marktschreierisch versucht, ihr soziales Defizit auszugleichen. Ich frage einfach: Ist es fein kalkuliert oder schlicht hemmungslos, wie sie hier in dieser Frage zu Werke geht? Da werden in der CDU Beschlüsse gefaßt und laut verkündet, man wolle auf neue, ausgabenerhöhende Anträge verzichten und bereits eingebrachte Anträge zurückziehen, aber beinahe zur gleichen Zeit stellt die Opposition Anträge zur Diskussion, die in die Millionen gehen. Ein weiteres Beispiel für oppositionelle Ungereimtheiten: Die CDU/CSU hat einen Gesetzentwurf eingebracht - er ist inzwischen von uns abgelehnt worden -, wonach in das Gesetz über die Krankenversicherung für Landwirte ein Beitragszuschuß eingeführt werden sollte, mit dem ein Teil der kriegsbeschädigten Landwirte von der Beitragsleistung freigestellt werden sollte. ({6}) Diese Vergünstigung aber sollte ja nicht allen zugute kommen, sondern nur dem Teil der landwirtschaftlichen Unternehmer, die schwerbeschädigt oder Witwen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes sind. Nicht einbezogen werden sollten die Kriegseltern und auch nicht die übrigen beschädigten Landwirte und die nach dem Bundesversorgungsgesetz gleichgestellten Gruppen. Ich will mir ersparen, was mein Kollege Fritz Schonhofen in der Debatte über den Gesetzentwurf bereits eingehend zu den Ablehnungsgründen vorgetragen hat. Aber eines will ich sagen: Dieser Gesetzentwurf hat erneut bewiesen, wie wenig Verständnis die Union für das System der Sozialversicherung aufbringt, und daß sie obendrein in unredlicher Weise versucht, unter den betroffenen kriegsbeschädigten Landwirten den Eindruck zu erwecken, als ob im Krankenversicherungsschutz ihnen und ihren Angehörigen die freie Heil- und Krankenbehandlung für Nichtschädigungsfolgen genommen worden sei. Richtig dagegen ist - daß muß man doch einfach sehen und sagen -, daß das Bundesversorgungsgesetz diese Leistungen subsidiär aus allgemeinen sozial- und versorgungsrechtlichen Gesichtspunkten vorsieht, und zwar für jene Kriegsopfer, deren Sicherung im Krankheitsfall auf andere Weise, wie z. B. durch eine Pflichtversicherung, nicht gesichert ist. ({7}) - Aber Sie wollten dafür mehr Geld ausgeben! ({8}) - Herr Kiechle, Sie wissen genau, daß es in das System der Sozialversicherung nicht paßt. Sie wollten vor allem eines, Sie wollten eine Sonderwurst haben, damit auch alle anderen, bei denen der Fall ähnlich gelagert ist, das gleiche Recht darauf hätten und hier eine Erweiterung vorzunehmen wäre. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich bitte Sie doch um etwas Ruhe.

Willi Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Im Ergebnis war dieser Oppositionsantrag also nichts anderes als Stimmungsmache, und obendrein stand er auch im krassen Widerspruch zu den Sparsamkeitsbeteuerungen der gesamten Fraktion. ({0}) Der Agrarbericht 1975 macht erneut deutlich, daß das System der sozialen Sicherung für die bäuerliche Bevölkerung in den vergangenen fünf Jahren her10660 vorragend ausgebaut worden ist. Man kann hier sagen: Das System ist vollendet worden, Ich will darauf verzichten, die Entwicklung der Agrarsozialpolitik und die Leistungen dieser Koalition im einzelnen darzustellen. Das wäre sicherlich interessant, aber das ist wiederholt geschehen; das ist überall nachlesbar. ({1}) Aber ich will darauf hinweisen, daß die sozialen Leistungen und die Initiativen dieser Regierung auch an der Steigerung der staatlichen Mittel abzulesen sind. Als die sozialliberale Koalition 1969 begann, wurden noch 841 Millionen DM für Agrarsozialpolitik aufgewendet. Heute sind es bereits 2,6 Milliarden DM, die den Landwirten zugute kommen. Kein anderer Berufsstand - darauf sind wir stolz, wenn es um die Landwirtschaft geht - genießt das Privileg, daß 87,5 °/o des Beitragsaufkommens zur gesetzlichen Altersversicherung aus Steuermitteln aufgebracht werden. ({2}) - Weil Sie diese Entwicklung vorher nicht gewollt haben, Herr Dr. Ritz. ({3}) Wir tun dies, weil wir den besonderen Verhältnissen in der Landwirtschaft Rechnung tragen. Mit Genugtuung stellen wir fest, daß diese Politik nicht nur unter den Landwirten allgemeine Anerkennung findet, sondern sogar bei den berufsständischen Vertretungen des Deutschen Bauernverbandes. Ich darf auf die Fachzeitschrift „Bauernkorrespondenz" verweisen - lesen Sie es bitte nach -, die vom Deutschen Bauernverband herausgegeben wird. In der letzten Nummer steht sehr deutlich, wie sich die Beiträge zur Altersversicherung in diesem Jahr auszahlen. Das Ergebnis ist verblüffend, vor allem der Vergleich mit anderen Berufen. Wir sind dem Deutschen Bauernverband dankbar dafür, daß er schlüssig nachweist, wie sehr der Staat - d. h. die Steuerzahler - in die soziale Sicherung der Landwirtschaft einbezogen worden ist. Angesichts dieser Tatsache wird es schwer, zusätzliche Ausweitungen und weitere Nachschläge zu fordern. Wir sind davon überzeugt, daß die Entwicklung in der Agrarsozialpolitik nicht stehenbleiben wird. Aber - auch diese Frage sei erlaubt -: Wohin kann sie führen, wenn dabei auch Ziele und Maßnahmen für die Gesamtheit überlegt werden müssen? Wir Sozialdemokraten kennen sehr wohl die Forderung, ein Altersgeld als Vollversorgung zu gewähren oder die Landwirte in die allgemeine Rentenversicherung einzubeziehen. Wir haben dieses Problem eingehend geprüft und mußten zu unserer Überraschung feststellen, daß das landwirtschaftliche Altersgeld heute in der Nähe der durchschnittlichen Altersrenten in der Rentenversicherung der Arbeiter liegt. Ich gebe gern zu: die Altersrenten der Angestelltenversicherung liegen im Durchschnitt allerdings etwas höher. Wir haben ausgerechnet, daß die Beitragsleistung je Landwirt im Jahre 1985 ca. 66,50 DM pro Monat betragen wird. Werden die Landwirte dagegen in die allgemeine Rentenversicherung einbezogen, dann wird die Belastung je Landwirt bei gleicher Leistung des Versicherungsträgers 244 DM pro Monat ausmachen. Daraus folgt, daß die Beibehaltung des Sondersystems die Landwirtschaft sehr viel günstiger stellt als eine Einbeziehung in die allgemeine Rentenversicherung. Meine Damen und Herren, verantwortliche Agrarsozialpolitik heißt deshalb: Das Sondersystem für die soziale Sicherung der Landwirte muß beibehalten werden. Es ist so lange sinnvoll und notwendig, wie sich der Strukturwandel der Landwirtschaft fortsetzt, Einkommensunterschiede zur übrigen Bevölkerung bestehen und damit besondere staatliche Hilfen erforderlich werden. Verbesserungen in der Altershilfe können deshalb nur noch struktureller Art sein. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Waisenrente, die zusätzlich 22 Millionen DM kostet. Diese Maßnahme ist sozial notwendig und der Gesamtheit gegenüber vertretbar. Sozialpolitik setzt aber auch Beharrlichkeit und Augenmaß voraus. Dazu gehört, die Grenzen zu sehen und die Notwendigkeit zu erkennen, das System nicht auf Kosten der Allgemeinheit ausufern zu lassen. Bevor wir weitere Schritte unternehmen - das soll selbstkritisch angemerkt werden -, müssen wir alle gemeinsam eingehend prüfen, ob das Prinzip der Solidarität in der sozialen Sicherung der Landwirte bereits genügend beachtet ist. Ich habe den Mut, hier zu sagen: Wir wissen, daß es gut verdienende und weniger gut verdienende Landwirte gibt, und es sollte auch zukünftig erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob es nicht notwendig ist zu prüfen, ob die gut verdienenden ein wenig mehr für die soziale Sicherheit des Berufsstandes leisten sollten. Soziale Sicherheit nach außen fordern heißt auch den Grundsatz im Berufsstand selbst praktizieren. Der Agrarbericht ist eine Fleißarbeit, die uns, wie ich meine, in gefälliger Form und leicht lesbar wichtige Informationen an die Hand gibt. Wenn er auch in manchen Bereichen nicht ganz zufriedenstellend sein mag, so muß für den Sozialbereich doch gesagt werden: Die Ergebnisse sind ausgezeichnet, die Ziele klar und die Maßnahmen gerecht und finanziell vertretbar. Einen besseren Sozialbericht werden wir im nächsten Jahr sicher nicht erwarten können, es sei denn, es wird sozusagen noch ein I-Punkt daraufgesetzt, indem eine Aussage über die Auswirkungen der sozialen Maßnahmen auf das Einkommen in der Landwirtschaft gemacht wird. Wir werden dann sicher feststellen können, daß es bei den Einkommen in der Landwirtschaft wenigstens in einigen Teilbereichen - ich will mich vorsichtig ausdrükken - besser aussieht. Ich meine, wir sollten die Bundesregierung bitten, eine Untersuchung in dieser Richtung vorzunehmen. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Riede.

Dr. Paula Riede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001838, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Eingang meiner Ausführungen möchte ich meinem Vorredner noch einen Satz entgegenhalten. Es ist richtig: die CDU/CSU hat beantragt, die Witwenrente für die Landwirtschaft einzuführen, und zwar stufenweise. ({0}) Wir hätten Verständnis dafür gehabt, wenn Sie gesagt hätten, im Moment habe die Regierung dafür kein Geld. Wenn Sie aber sagen, dies sei nicht notwendig, haben wir dafür kein Verständnis! ({1}) Ich will mich nun bemühen, in möglichst kurzer Zeit einige wesentliche Dinge zu drei Bereichen des Agrarberichts zu sagen, nämlich zur Verbraucherpolitik, zur Situation im Gartenbau und zur Situation im Weinbau. Im Jahre 1974 wurden knapp 50 % des Bruttosozialprodukts durch die privaten Haushalte ausgegeben, während der Staat nur knapp 20 % verbrauchte. Dadurch wird deutlich, daß der Verbraucher eine außerordentlich große Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft hat. Die Deckung des hauswirtschaftlichen Bedarfs erfolgt überwiegend über die privaten Haushalte. Man sollte daher annehmen, daß der private Haushalt die dominierende Macht am Markt darstellt. Die Gesamtheit der privaten Haushalte mit ihrer Kaufkraft von fast der Hälfte des Volkseinkommens könnte den Markt tatsächlich beherrschen, wenn ihre Akteure, nämlich die Verbraucher, ökonomisch mündige Bürger wären und ihre Funktionen auf dem Markt entsprechend wahrnähmen. Die Realität sieht aber anders aus. Der Verbraucher, der dem Markt weitgehend passiv gegenübersteht, ist einer Flut von überwiegend interessengebundenen Informationen über das Marktangebot ausgesetzt. Seine Entscheidung ist mangels besseren Wissens oft zufällig. Hier muß der Hebel angesetzt werden. Der Verbraucher muß aus volkswirtschaftlichen Erwägungen ganz ernst genommen werden. Von seiner Bildung und Ausbildung hängt es ab, ob er seine Kaufentscheidungen weiterhin mehr oder weniger zufällig trifft oder ob er das nötige Verbraucherbewußtsein hat, mit dem das Wirtschaftsgeschehen beeinflußt werden kann. Dabei ist es außerordentlich wichtig, daß der Verbraucher z. B. über Einflüsse auf die Gesundheit des Menschen und die Ernährung genauer informiert ist, denn Sattwerden allen genügt nicht. ({2}) Wenn im Agrarbericht zu lesen ist, daß der durchschnittliche Kalorienverbrauch je Einwohner - wie schon im vorausgegangenen Jahr - wesentlich höher war als der Bedarf, so sollte in diesem Zusammenhang auch auf den Kaloriengehalt der Getränke hingewiesen werden. Es wurde errechnet, daß ein Erwachsener im Laufe eines Jahres so viel Kalorien durch Getränke zu sich nimmt, wie der gesamte Kalorienbedarf eines Monats - also Essen und Trinken zusammengenommen - ausmacht. ({3}) - Nein. Ich gehe davon aus, daß Sie kein Wasser trinken. ({4}) - Meine Herren, Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, daß gerade ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen möchte, daß Bier doppelt soviel Kalorien hat wie Wein. Ich empfehle Ihnen deshalb, dem Weinkonsum den Vorrang zu geben. Bedauerlich ist nur, daß das Angebot an qualitativ hochwertigen Weinen, z. B. im Restaurant des Bundeshauses, sehr schmal ist. ({5}) Ich bin gern bereit, die für den Einkauf Verantwortlichen entsprechend zu beraten. ({6}) In der Parlamentarischen Gesellschaft war ich auf diesem Gebiet bereits aktiv. Bitte, überzeugen Sie sich: Dort können Sie jetzt sehr preisgünstig hervorragende Weine trinken. ({7}) - Genau! Aufgabe der Ernährungsaufklärung und Ernährungsberatung muß es deshalb sein, nicht nur das Wissen um richtige Ernährung zu verbreiten, sondern auch erzieherisch tätig zu sein. Je früher die Ernährungserziehung beginnt, um so erfolgreicher ist sie. Denn falsche Ernährung, über Jahrzehnte praktiziert, läßt sich nur sehr mühevoll normalisieren. Hier ist noch ein großer Nachholbedarf an Aufklärung. Sicherlich ist es richtig, wenn im Agrarbericht steht - ich zitiere -: Zentrales Ziel der Verbraucherpolitik im Ernährungsbereich ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich ein informierter, kritischer Verbraucher auf einem funktionsfähigen Ernährungsgütermarkt zu angemessenen Preisen mit den Nahrungsgütern versorgen kann, die ihm eine optimale Ernährung ermöglichen. Um diesem Ziel näherzukommen, ist es wichtig, daß die bestehenden Institutionen der Verbraucheraufklärung ihre Arbeit besser koordinieren und aufeinander abstimmen, damit alle Bereiche erfaßt werden. Selbstverständlich muß die gesamte Verbraucherarbeit aus dem Gerangel der Parteien herausgehalten werden, und genauso selbstverständlich gehört die gesamte Verbraucherarbeit in die Zuständigkeit des BML. Andere Ministerien sollten diese Zuordnung respektieren. Nur so können die 25 Millionen DM, die für die gesamten Verbraucherorganisationen im Bund und in den Ländern einschließlich der rund Frau Dr. Riede ({8}) 100 Beratungsstellen und der Stiftung Warentest für 1975 zur Verfügung stehen, effektiv eingesetzt werden. ({9}) Ein wichtiger Faktor für die Verbraucher sind die Preise. Natürlich sind die Verbraucher nicht glücklich darüber, daß auch die Lebensmittelpreise im Wirtschaftsjahr 1974 wieder angestiegen sind und auf Grund der Agrarpreisverhandlungen in Brüssel teilweise nochmals ansteigen werden. Die gesamten Lebenshaltungskosten einschließlich der Lebensmittel sind aber noch stärker angestiegen. Der größte Preistreiber im vergangenen Jahr war nicht die Landwirtschaft, sondern der Staat. Die Preise bei der Bahn kletterten um durchschnittlich 10 %, bei der Post um 14,9 /%. ({10}) Das Briefporto stieg sogar um 25 % an. Deshalb kann man doch nicht die Bauern anklagen, sie seien für die Preissteigerungen bei Lebensmitteln verantwortlich. ({11}) Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes im Materialband des Agrarberichts haben die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise im Jahre 1974, verglichen mit dem Vorjahr, nur um 0,1 % zugenommen, ({12}) während im gleichen Zeitraum die Einkaufspreise für landwirtschaftliche Betriebsmittel um 12,5 % angezogen haben. ({13}) Das heißt, daß das Einkommen der Bauern rückläufig ist. Schuld an der Preissteigerung ist deshalb nicht die deutsche Landwirtschaft, sondern die Inflationspolitik dieser Regierung. ({14}) Niemand kann billiger verkaufen als erzeugen. Das verstehen auch die Verbraucher; man muß ihnen nur die Zusammenhänge aufzeigen. ({15}) Noch ein kurzes Wort zur Situation der Gartenbaubetriebe. Die finanzielle Situation ist schlecht -mit Ausnahme der Baumschulbetriebe. Vor allem die Unterglasgärtnereien sind wegen der hohen Betriebskosten in ihrer Existenz gefährdet. Dazu kommt die Konkurrenz aus Holland. Die holländischen Gartenbaubetriebe sind, wie wir alle wissen, mit wesentlich größeren staatlichen Hilfen ausgestattet als unsere Betriebe. Wir müssen deshalb damit rechnen, daß in der Bundesrepublik z. B. immer noch mehr holländische Schnittblumen zum Niedrigpreis zum Verkauf angeboten werden, ({16}) obwohl im verflossenen Jahr bereits 76 % des deutschen Schnittblumenimports aus Holland kam; ({17}) 1960 war dieser Anteil noch 34 %, Zum Vergleich eine Zahl für Italien: 1960 betrug der italienische Anteil am deutschen Schnittblumenimport 56 %, während es 1974 nur noch 14 % waren. Sie sehen schon an diesem Beispiel, in welch prekärer Situation unsere Gartenbaubetriebe gegenüber der holländischen Konkurrenz sind. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, sie sei aus finanziellen Gründen derzeit nicht in der Lage, dem deutschen Gartenbau mehr Hilfe zukommen zu lassen. Ich bedauere das sehr. Aber Sie, meine Herren, könnten hier auch aktiv werden, und ich meine jetzt auch den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses. ({18}) Ich möchte hier nur einen kleinen Hinweis darauf geben, wie wir es vermögen, unseren Unterglasbetrieben, die Schnittblumen erzeugen, zu helfen, und zwar empfehle ich Ihnen: Kaufen Sie häufiger einmal einen schönen Strauß deutscher Schnittblumen! Sie können nämlich den Betrag bis zu 50 DM von der Steuer absetzen, denn das sind doch Werbungskosten. ({19}) Das ist auch jetzt nach dem neuen Einkommensteuerrecht so; es wurde lediglich der Betrag von 100 auf 50 DM herabgesetzt. ({20}) Sie können also steuerliche Vergünstigungen erzielen und gleichzeitig unseren Gärtnern helfen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal auf das gute Beispiel von Herrn Wehner hinweisen; vielleicht hat er bald einmal wieder die Gelegenheit, hier Blumen zu überreichen. ({21}) Zum Schluß noch ein Wort zum Weinbau; ich möchte aber nur zu einem Problemkreis Stellung nehmen, damit wir dann schnell nach Hause können. Im Agrarbericht steht, die Einkommen in den Weinbaubetrieben seien im Wirtschaftsjahr 1973/74 durch die Rekordweinmosternte angestiegen, obwohl die Weinmostpreise vor allem in Rheinland-Pfalz und speziell an der Mosel nachgegeben haben. Bemerkenswert ist, daß in diesem Zeitraum zum erstenmal Weinbaubetriebe mit überwiegend Flach- und Hanglagen ein höheres Betriebseinkommen pro Arbeitskraft erbracht haben als Weinbaubetriebe mit überwiegend Steillagen, nämlich 25 000 zu 23 000 DM pro AK; der Herr Minister hat heute morgen schon kurz darauf hingewiesen. Beim Reineinkommen, also beim Gewinn - und was unter „Gewinn" in der Landwirtschaft zu verstehen ist, brauche ich Ihnen nicht zu erklären -, ist der Unterschied noch gravierender. Weinbaubetriebe mit überwiegend Flach- und Hanglagen haben im verflossenen Wirtschaftsjahr einen Gewinn von 30000 DM pro FamiFrau Dr. Riede ({22}) lien-AK erzielt, während der Gewinn der Weinbaubetriebe mit überwiegend Steillagen nur 22 000 DM pro Familien-AK betragen hat. Die Gegenüberstellung der Gewinne dieser beiden Betriebsgruppen, verglichen mit dem Vorjahr, gibt ein düsteres und deshalb sehr besorgniserregendes Bild. Während Weinbaubetriebe mit überwiegend Flach- und Hanglagen ihr Reineinkommen um 4,6 % verbessern konnten, betrug der Zuwachs bei Weinbaubetrieben mit überwiegend Steillagen nur 1,7 %. Das bedeutet, verglichen mit der Inflationsrate, für beide Betriebsgruppen rückläufige Einkommen bei steigenden Ausgaben. Demgegenüber ist im gleichen Zeitraum der gewerbliche Vergleichslohn um 13 % gestiegen. Weinbau in Steillagen ist erheblich mühsamer und deshalb arbeits- und lohnintensiver. Es muß damit gerechnet werden, daß aus Rentabilitätsgründen der Weinbau in Steillagen zugunsten des Anbaus in Flach- und Hanglagen rückläufig sein wird. Das ist letzten Endes ein Qualitätsproblem, da in unseren geographischen Breiten Weine aus Steillagen in der Regel höhere Mostgewichte erzielen als die aus Flach- und Hanglagen. Die Sonnenintensität ist dort am höchsten, wo die Sonnenstrahlen im rechten Winkel auftreffen. Da in unseren geographischen Breiten die Sonne nur an wenigen Tagen im Hochsommer im Zenit steht, die Reben aber sehr viel Sonne brauchen, reifen die Trauben in Steillagen in der Regel besser. Das heißt, bei der hier aufgezeigten Einkommensentwicklung im Weinbau laufen wir Gefahr, daß der Anbau von qualitativ hochwertigen Weinen rückläufig wird. ({23}) Das wäre eine Entwicklung, die wir überhaupt nicht brauchen können, ({24}) denn auf dem Weltmarkt sind wir mit unseren Weinen nur wegen ihrer Qualität konkurrenzfähig. ({25}) Wenn nun auch noch von Brüssel aus unter anderem versucht wird, für die Bezeichnung „Qualitätswein BA" einen höheren Mindestalkoholgehalt zu fordern, besteht die Gefahr, daß ein wesentlicher Teil der deutschen Weinbaugebiete diesen Mindestalkoholgehalt nicht aufweisen können. ({26}) Diese Weine müßten als Tafelweine bezeichnet werden. Unsere Winzer können aber angesichts der hohen Erzeugerkosten von der Tafelweinproduktion nicht existieren. Wenn es aber keinen deutschen Qualitätswein mehr gibt, wären nicht nur wir in der Bundesrepublik, sondern die ganze Welt um ein Großkulturgut ärmer. „Deutscher Wein - einzig unter den Weinen", ist kein billiger Slogan, sondern eine Erkenntnis, die niemand bezweifelt. Wir müssen deshalb alle Kräfte mobilisieren, um dieses hohe Kulturgut zu erhalten - für uns und für die Freunde des deutschen Weines auf der ganzen Welt. Ich darf doch wohl davon ausgehen, daß auch Sie, Herr Minister, sich dafür einsetzen werden, daß der deutsche Qualitätsweinbau erhalten bleibt. Denn in Bayern gibt es nicht nur Bier, sondern auch Frankenweine. ({27})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich sehe, daß der Beifall - trotz einiger Passagen, die Meinungsverschiedenheiten hervorrufen dürften - allgemein ist. Das Haus freut sich der Verheißung guten Weines in seinem Restaurant, und die Damen der Parlamentarier der Schnittblumen, die sie nun geschenkt bekommen werden. ({0}) Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf, verehrte, liebe Frau Dr. Riede, hinzufügen: meine Heimatstadt München ist jene Stadt in Deutschland, die pro Kopf den höchsten Weinkonsum hat. ({0}) - Das weiß ich natürlich nicht auswendig, aber den höchsten hat sie. ({1}) - Das können Sie in der Statistik nachlesen. Ich werde Ihnen das schriftlich liefern. ({2}) Trotzdem haben wir auch noch einen guten Bierkonsum. Deshalb haben wir natürlich einen höheren Kalorienansatz, wie man am Äußeren sieht. Aber ich muß Ihnen auch hier sagen, liebe Frau Riede: wenn das Glück der Welt nur noch in Kalorienbeschränkung besteht, dann bin ich froh, wenn ich zu denen gehöre, die diese Welt nicht mehr als Lebender genießen können. Ich lebe also ganz gern von der Schweinshaxe, alles wegen der Kalorien. Weil es für mich eine Lebensfreude ist. Jeder muß es machen, wie er will. Aber ich bedanke mich auch sehr für den Hinweis auf den Weinbau. Ich möchte sagen: wir haben den nicht ganz vergessen, verehrte Frau Riede. Wir tun sehr viel für Steillagen und sehr viel für die Flurbereinigung. Sagen Sie mal das Ausmaß der Bezuschussung in der Flurbereinigung den Weinbauern! Wenn ich mir die Herbstsituation vor Augen führe, habe ich eher den Eindruck, daß manche Klage an mein Ohr gedrungen ist, wir hätten zuviel Qualitätsweine und wir sollten wegen der Lagerung mehr Tafelweine haben. Aber das ist sehr unterschiedlich. ({3}) - Doch, doch. Man darf es nicht nur aus württembergischer Sicht sehen. ({4}) : Oh nein! - Weitere Zurufe. - Dann sind Sie nicht gut informiert. Fragen Sie hier mal nach! Aber im Grunde genommen haben Sie Recht, und da sind wir ganz einig. Die Position des deutschen Weinbaus besteht in der Qualität. Wir haben alle gemeinsamen Anstrengungen zu unternehmen, diese Qualität so gut wie möglich zu gestalten. Dann wird auch der Markt um so besser sein. Das beweisen auch die unterschiedlichen Absatzpositionen innerhalb der verschiedenen Weinbaugebiete in Deutschland. Ihren Appell bezüglich der Schnittblumen kann ich voll unterstützen. Das gilt aber auch für das Angebot. Ich wundere mich, daß nur die Holländer vor dem Ministerium Blumen verkaufen. ({5}) Die Holländer fahren in fast jedes Ministerium, sie können sogar die unterschiedlichen Öl- und Benzinkosten bezahlen. So groß ist die Differenz nicht. Da wundere ich mich über das Angebot; ich sage das mal in aller Offenheit. Ich gehöre übrigens zu denen, die ihrer Frau sehr gerne Schnittblumen kaufen; da können Sie mal meinen Gärtner fragen, namens Gaugenrieder in Bad Wiessee. ({6}) Dem geht es übrigens auch gar nicht so schlecht, weil er eben einen umfangreichen Detailverkauf hat. Auch das gehört zum Gartenbau. Aber ansonsten Frau Dr. Riede: Herzlichen Dank! Herr Kollege Rainer hat die Frage gestellt, ob die Franzosen nicht schon früher nationale Maßnahmen getroffen hätten. Ich weiß nicht, ob Sie in Savoyen waren, Herr Kollege Rainer. Ich würde Ihnen bzw. dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dringend raten, eine Delegation dieses Ausschusses in das Bergbauerngebiet der Franzosen zu schicken, und zwar nicht nur nach Savoyen, sondern in die ganze Alpenregion und z. B. auch in das Massif Central. ({7}) - Wenn Sie dort waren, dann werden Sie ja festgestellt haben, welch' „umfangreiche" Förderungen es dort gibt. Sie können nämlich 100 km weit fahren und sehen dort noch nicht einmal einen neuen Fensterstock. ({8}) So ist die Situation, sehr zu meinem Leidwesen. Hier liegt die Problematik, die Ursache der unterschiedlichen Lebensverhältnisse. Solange wir in Europa die unterschiedlichen Lebensverhältnisse nicht einigermaßen angleichen können, wird es auch sehr schwierig sein, eine Harmonisierung der Wirtschafts- und Währungspolitiken herbeizuführen. Das ist eines der grundlegenden Probleme. Ich will mich hier nicht in die Probleme Frankreichs einmischen - das steht mir gar nicht zu -, aber eines steht fest: Wenn Frankreich auch nur annähernd ähnliche Anstrengungen gemacht hätte, wie wir sie z. B. auf dem ganzen Sektor der Verbesserung von Betriebs- und Wohngebäuden gemacht haben, würde die Landwirtschaft in der Alpenregion, im Massif Central in einer ganz anderen Ertragsposition und auch in einer anderen Gesamtposition sein. Mehr will ich gar nicht sagen. ({9}) - Dann müssen Sie sagen, wofür. Fürs Kindergeld? Aber Sie werden doch nicht sagen wollen, daß dort in großem Umfang investiv gefördert wird, Herr Rainer. Wenn Sie das behaupten, dann informieren Sie mich doch, bitte schön, darüber, wo das ist; das möchte ich selber sehen. ({10}) - Also, bitte schön! Ich kann Ihnen ja einmal sagen, was mir gesagt worden ist: daß nämlich der Milchpreis im Oktober vorigen Jahres 37 Pfennig betrug. Diese Zahl habe ich auch im Ernährungsausschuß mitgeteilt. Tatsache ist weiter: Es gab nur zwei Länder, in denen die Anwendung der Bergbauernrichtlinie eine gewisse Verzögerung erfahren hat, nämlich: Italien und Frankreich; das ist der Sachverhalt. Dann kam die Frage mit den Arbeitslosen bei den Nebenerwerbslandwirten wieder hoch. Da müssen Sie mir endlich einmal Beispiele nennen, verehrter Herr Kollege Rainer. Es geht nämlich nicht an, daß man ununterbrochen - bis hinein in die Wochenblätter Dinge in den Raum stellt, die nicht nachweisbar sind. Hier sitzt meine Referentin. Sie ist nach Nürnberg gefahren und hat mit der Bundesanstalt für Arbeit gesprochen. Ergebnis: Es konnte ihr bis auf eine Ausnahme in Oberfranken, die zur Zeit beim zuständigen Landesarbeitsamt geprüft wird, kein Fall genannt werden. Ich nehme an, daß diese Ausnahme auch Herrn Niegel bekanntgeworden ist. Er hat dann eine Anfrage eingebracht und gesagt: Das ist generell so. Ich kann Ihnen hier nur das sagen, was mir meine Mitarbeiter nach persönlicher Rücksprache im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit mitgeteilt haben. Wenn Sie also so etwas behaupten, dann nennen Sie bitte einmal die Leute. Dann werden wir das prüfen. Dabei müssen Sie auch immer prüfen - denn auch die Opposition hat viele Gesetze, die heute gelten, mit beschlossen -, ob die Nebenerwerbslandwirte anders behandelt werden als andere Arbeitnehmer. Oder ob nicht bei anderen Arbeitnehmern, wenn es z. B. um die 20 Wochenstunden geht, in gleicher Weise verfahren wird. Das müssen Sie, wie gesagt, ebenfalls sehr genau prüfen, damit hier nicht ununterbrochen mit falschen Berichten Nervosität erzeugt wird. Eines, Herr Rainer, war kurios; das amüsiert mich. Sie haben gesagt: Die Förderungsschwelle lehnen wir ab, weil sie Bezug auf den Vergleichslohn in den übrigen wirtschaftlichen Bereichen nimmt. Gleichzeitig haben Sie aber gesagt: Wir fordern eine Preispolitik, die das auch beinhaltet. Also bei der Preispolitik wollen Sie die Parität haben, bei der Förderung wollen Sie keine Förderung, die an dieBundesminister Ertl sem Ziel ausgerichtet ist. Ich muß sagen, das ist eine sehr interessante Variante. Ich habe sonst gar nichts mehr dazu zu bemerken. Das ist eine sehr interessante Variante, die für mich außerordentlich „logisch" und „zwingend" war. Jetzt komme ich zu ein paar Bemerkungen von Herrn Eigen. Herr Eigen, ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin gern bereit, mich der Kritik der Offentlichkeit zu stellen, Ihrer Kritik ganz speziell, sie ist nämlich geradezu wohltuend. Ich sage Ihnen, ohne anmaßend zu sein: Was ich in diesen fünf Jahren in Brüssel und im nationalen Bereich für den ländlichen Raum und für die Landwirtschaft getan habe, kann ich in der Form gern verantworten, daß, wenn die Landwirtschaft bei der gesamten Agrarpolitik seit 1945 keinen größeren Schaden genommen hat als diesen, sie wahrscheinlich durch diesen „Schaden" recht lange erfolgreich leben kann. ({11}) - Nein. Ich habe das nur gesagt, weil mir der Vorwurf gemacht worden ist, ich hätte der Landwirtschaft geschadet, Herr Bewerunge. ({12}) Allein diese Grafik, verehrte Freunde, sagt genügend. ({13}) - Auch über die Preisindizes könnte ich Ihnen noch sehr viel Material geben - deswegen habe ich soviel Papier hier -; ich möchte es wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht tun. Vielmehr möchte ich jetzt auf das Thema Marktanteile zurückkommen. Mir liegt eine Untersuchung aus meinem Hause vor, in der es z. B. bezüglich der Entwicklung der Marktanteile bei Getreide insgesamt von 1966/67 bis 1972/73 heißt: Bundesrepublik +3, Frankreich +9, Italien ± 0. Wir können das für die einzelnen Getreidesorten durchgehen. ({14}) - Darauf komme ich noch. Nicht so voreilig! Sie haben kein Glück, Sie starten immer zu früh. Bei Zucker sieht die Situation folgendermaßen aus: Bundesrepublik Deutschland +3, Frankreich +9, Italien -3, Ich habe noch etwas, was Sie interessiert - das habe ich extra für Sie herausgesucht -, nämlich Frischobst; da ist es umgekehrt: Deutschland -3, Frankreich +3, aber Italien -7. Jetzt komme ich zu Rind- und Kalbfleisch: Bundesrepublik Deutschland -4, Frankreich -3, Italien + 1. Daran sehen Sie die Kuriosität dieser ganzen Statistik. Bei Schweinefleisch sieht es folgendermaßen aus: Bundesrepublik Deutschland - 4, Frankreich- 3, Italien +2. Sie sehen: Mit diesen Zahlen können Sie schlichtweg gar nichts anfangen. Wenn man immer solche Behauptungen in den Raum stellt, muß man sich eben auf Grund der objektiven Zahlen überzeugen lassen. ({15}) - Sie kennen doch die Zahlen, die sich einfach aus dem Agrarexport ergeben. Ich kann Ihnen nur sagen: Ihre Zahlen halten einer objektiven Betrachtungsweise nicht stand. Es ist nun einmal ein Faktum, daß Ihre Zahlen objektiv nicht stichhaltig sind. Damit komme ich gleich zum nächsten Punkt. Dies ist der einzige Punkt, der mich berührt hat, Herr Kollege Eigen. Die Sache mit dem „Schaden" hat mich dagegen gar nicht berührt, weil ich mich jeder objektiven Kritik gern stelle. Diesbezüglich sage ich Ihnen: Ich setze meine „Schadenstätigkeit" gern so fort. - Es hat mich aber getroffen, daß gesagt wurde: „Warum hat uns der Bundesminister nicht informiert?". Hier liegt mein Brief vom 18. Februar mit allen Zahlen vor. ({16}) - Ach! Ich bin doch kein geistiger Wiederkäuer, wenn die Rindviecher auch zu meinem Ressort gehören! Sie können doch nicht von mir verlangen, daß ich ununterbrochen geistig Wiederkaue. Ich habe Ihnen das vorgelegt ({17}) einschließlich der Frage der Beihilfen und allem, was damit zusammenhängt, einschließlich meines Widerspruchs bezüglich Grenzausgleich bei Wein und ähnlichem mehr. Man darf nicht an dieses Pult treten und sagen: Dieser Minister verschweigt das!, wenn er es auf acht oder zehn Seiten schriftlich jedem Abgeordneten zugeschickt hat. Herr Eigen, das ist kein guter Stil! Es tut mir leid, ich muß das einmal sagen, ({18}) das muß man einfach einmal zur Kenntnis nehmen - ({19}) - Ach, Herr Eigen! Die Presse bekommt das selbstverständlich auch, wie Sie wissen. Ich habe alle Zahlen ganz objektiv genannt. Dann aber kann man hier nicht so polemisieren. Oder ich müßte einen Vortrag von zwei Stunden halten. Das ist eigentlich der einzige Punkt. ({20}) Das ist eben das, was mich ein bißchen trifft, weil man das Gefühl hat: Man mag nicht! ({21}) Es kommt eigentlich nur noch ein allerletzter Punkt; ich will auf viele weitere Details nicht eingehen. Ich will auf die globale Kritik an den Preisbeschlüssen eingehen, Herr Kollege Ritz. Sie haben gesagt, wenn ich es mir richtig notiert habe: Differenzierte Preisanhebung, Abbau des Grenzausgleichs, zusätzliche Beihilfen; das ist von allen Kombinationen die schlechteste. ({22}) Dazu muß ich Ihnen sagen: Differenzierte Preise gibt es, seitdem es einen Grenzausgleich gibt. Das ist die ganz logische Folgerung gewesen. Es hat sich also überhaupt nichts verändert. Wer sagt, am Grenzausgleich darf überhaupt nichts geändert werden, der muß dann auch erklären: Ich möchte haben, daß der Grenzausgleich permanent angepaßt wird entsprechend den prozentualen Erhöhungen. Das bedeutet allerdings, daß dann der Grenzausgleich nicht mehr eine Währungsdifferenz ausgleicht, sondern daß er eine Währungsdifferenz plus Preiserhöhungen ausgleicht. Das ist genau das Problem. ({23}) - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es im Ernährungsausschuß an Hand von Zahlen bewiesen. Meine Vorredner haben ja darauf hingewiesen, daß Sie Konkretes zu keiner Frage geäußert haben; insoweit muß ich die Ausführungen des Kollegen Ronneburger unterstreichen. Wenn man erklärt, das sei alles so schlecht, dann muß man sagen: Ich bin dafür, daß durch die Bundesregierung beispielsweise die Preise um 12 °/o angehoben werden und überhaupt nichts am Grenzausgleich gemacht wird. ({24}) Zweitens muß man sagen, wie man sich bei den einzelnen Produkten die Preisanhebung vorgestellt hätte. Es ist Ihr gutes Recht, zu sagen: Wir sind der Meinung, bei Zucker z. B. sind 12 % viel zu wenig, wir hätten 20 % erwartet! ({25}) - Nein, aber irgendwo muß man ja Farbe bekennen. Man kann nicht immer nur sagen, alles sei schlecht. Aber ich will auf diese Dinge gar nicht eingehen, sondern ich will über das prinzipielle Problem sprechen. Herr Kollege Ritz - das sage ich wirklich in aller Freundschaft; ich muß Ihnen auch bestätigen, Sie haben in einer sehr objektiven und fairen Weise hier diskutiert -, das ist eine Frage, die uns ja alle sehr bedrängt. Sie wissen, daß alle politischen Parteien, einschließlich des Berufsstandes der Überzeugung waren, es sei besser eine Kompromißlösung als gar keine Lösung zu finden. Ich glaube auch sagen zu können, daß ich das in dieser Frage dem Ernährungsausschuß so mitgeteilt habe. Ich habe gesagt, am Schluß wird es um 1 bis 2 % gehen. So habe ich das gesagt. Ich weiß auch, was dann alles erklärt worden ist, was mir unterstellt worden ist. Ich habe mich sehr bedeckt gehalten; denn das ist ja alles nicht so einfach. Verehrte Kollegen, ich will in dem Zusammenhang nur noch sagen: Ich unterstreiche, daß wir hier bald ein Europäisches Parlament mit erweiterten Kompetenzen haben sollten. Aber die Lösung des Europäischen Parlaments, meine verehrten Freunde, wäre keine Ertl-Lösung gewesen, sondern wäre eine schlechtere Lösung gewesen. Das wird mir doch niemand bestreiten. Das Europäische Parlament hätte mindestens die 3 °/o angenommen, mit Mehrheit. ({26}) - Herr Früh, Sie schütteln den Kopf. Ich komme auf das Beihilfenthema noch besonders zurück. Sie werden mir doch nicht bestreiten können - ich sage das gar nicht als Vorwurf -, daß alle Christdemokraten in Europa außer Ihnen hier - das muß ich mit Dank anerkennen - gesagt haben: 3 °/o müssen akzeptiert werden. Diese Position haben sogar andere Bauernverbände übernommen. ({27}) - Ja, etwa 3 %. Aber, Herr Kollege Früh, das ist eine gefährliche Lösung. Meine Lösung sieht so aus: 2 % und 0,7 % für Benelux. Das war die ganz entscheidende Frage: zuzüglich der Getreidepreiserhöhung in Benelux. Das hing mit der Wettbewerbsposition auf dem Veredelungssektor zusammen. Dies war, wie ich sagen muß, das akrobatische Stück der ganzen Geschichte. Es mußte eine Relation gebracht werden, die echt eine Gefahr vermeidet. Die Gefahr konnte auf dem Veredelungssektor nur von Benelux kommen, gar nicht von Italien usw. Es sind auch andere Zahlen genannt worden. Es wurde von Irland gesprochen. Da geht es um die Aufwertung des Grünen Pfund. Zugegeben, das sind alles keine idealen Lösungen. Aber es ist der einzige mögliche Weg, um durch ein Mitwirken und durch Konzessionen aller einen für alle tragbaren Kompromiß zu erreichen, wobei die Wettbewerbsposition der Deutschen darüber werden wir uns in einem Jahr noch unterhalten - sicherlich nicht geschmälert wurde. Das ist die entscheidende Frage. Wir haben über eine Alternative oft nachgedacht. Ich selber habe das überlegt. Ich habe sogar in den Diskussionen gefragt: Sind wir auf Grund der ökonomischen Voraussetzungen für den Agrarmarkt im Augenblick überhaupt noch in der Lage, gemeinsame Preise festzusetzen, in welcher Form auch immer? Die Alternative besteht dann in Festsetzung der Preise nach objektiven, den einzelnen Volkwirtschaften angepaßten Kriterien. Das bedeutet auch Veränderung des Grenzausgleichs, möglicherweise sogar mit einer viel größeren Marge. ({28}) Ich will weiter gar nichts sagen, weil ich glaube, daß es nicht sehr klug wäre, wenn ich diese Diskussion hier von mir aus stark initiierte. Ich will aber etwas zu den objektiven Beträgen sagen, und zwar auch hier wieder ungeschminkt positiv und negativ, soweit wir das bisher ausgerechnet haben. Am 1. Juli 1973 - das ist der Bezugspunkt, weil das die letzte Aufwertung war - hatten wir bei 100 kg Weichweizen den Betrag von 4,61 DM. Für das jetzige Wirtschaftsjahr, 1975/76, ist der genaue Betrag 4,52 DM. Das setzen Sie in der Wettbewerbsposition mit der Erhöhung der Getreidepreise bei unseren Nachbarstaaten an. Bei Weißzucker liegen die Beträge zum 1. Juli 1973 bei 10,38 DM und im Wirtschaftsjahr 1975/76 bei 10,93 DM. Ich muß Ihnen, verehrter Herr Kollege Eigen, noch etwas sagen. Ich habe Ihnen von der Regierungsbank aus nicht ohne Grund die Frage gestellt, ob Warengeschäfte mit Prozenten oder mit Summen gemacht werden. Grenzüberschreitende Geschäfte werden natürlich mit Summen gemacht. Ein Schleswig-Holsteiner wie Sie - ({29}) - Nein, die Summe ist beim Grenzverkehr entscheidend. Auch in der Wettbewerbsposition ist sie entscheidend. Wenn Sie das noch nicht glauben, dann lassen Sie sich einmal von den schleswig-holsteinischen Butterexporteuren Auskunft geben, und fragen Sie sie, warum sie in London so billig anbieten können! ({30}) - Sie reizen mich, hier Dinge zu offenbaren, die ich ungern offenbare, weil ich Schaden von der Landwirtschaft fernhalten will. Ich will Ihnen weitere Zahlen nennen, z. B. für Butter: 77,49 bzw. 75,11 DM. Lebende Rinder: 35,30 bzw. 35,68 DM. Eine letzte Bemerkung zur Grenzausgleichsberechnung bei Marktpreis und Interventionspreis. Herr Kollege Eigen, Sie werden mir doch nicht bestreiten können und auch nicht einen Gegenbeweis liefern können, daß sich in dem Moment, wo der Grenzausgleich am Interventionspreis berechnet wird, und der Interventionspreis erheblich über dem Marktpreis liegt, der Betrag erheblich erhöht. ({31}) -Also, Herr Eigen, ich bin gern bereit, diese Dinge mit Ihnen einmal privat zu diskutieren. ({32}) - Ja, ich bin dazu gern bereit; das wissen Sie doch. Nun kommt ein letzter Punkt, Herr Kollege Ritz, die Beihilfen. Ich glaube nicht, daß mir jemand nachsagen kann, daß ich gesagt hätte, die Beihilfen stellten einen von mir aus begrüßenswerten Tatbestand dar. ({33}) Ich habe vielmehr immer gesagt, das sei für mich eigentlich der schwierigste Punkt gewesen. Von der Sache her hätte man es eher an den Beihilfen als am Grenzausgleich scheitern lassen können. ({34}) Beim Grenzausgleich habe ich einen so fairen Kompromiß gefunden, daß ich ihn voll vertreten kann. Das muß ich einmal ganz offen sagen. Aber die Beihilfen sind der wundeste Punkt. Deswegen wollen wir einmal die politischen und ökonomischen Tatbestände überschauen: Erstens. Die Briten haben auf Grund der Beitrittsakte einen Rechtsanspruch darauf. ({35}) Das ist ihnen so gegeben worden. Wir werden es natürlich unabhängig von den Währungsunordnungen solange mit unterschiedlichen Systemen zu tun haben, bis die Beitrittsakte mit der vollen Harmonisierung des Agrarmarktes abgeschlossen ist. Das ist doch völlig selbstverständlich. Wer damit nicht gerechnet hat, der hätte sagen müssen, ihr dürft keinen Beitrittszeitraum einräumen. Das ist also ein Punkt. Daraus ergibt sich zwangsläufig der Bezugspunkt Irland und Dänemark, weil bei der starken Verknüpfung der Irländer und der Dänen mit dem britischen Markt, wenn man die Briten ihren Rechtsanspruch auf Beihilfen realisieren läßt, nicht gesagt werden kann, ihr aber bekommt das nicht, und die Dänen müssen beim Bacon allein die Zeche bezahlen. Im übrigen kann es gar nicht das deutsche Interesse sein, Herr Eigen; denn wenn ich für die Dänen bei Bacon keine Sonderlösung finde, müssen die Dänen ihren Schweineexport mehr nach Deutschland umlenken, da sie nicht nach Großbritannien exportieren können. Ich habe aber ein Interesse daran, daß der Bacon-Export nach England läuft. Dies ist eine nationale Sondermaßnahme, die einfach in der politischen Realität begründet ist. Zweiter Punkt. Auch wir haben ein Interesse gehabt, die Prämien für April und Mai fortzusetzen, Ich kann aber nicht immer nur sagen, hier habe ich ein Interesse, aber nachher, wo ich kein Interesse mehr habe, bekommt niemand etwas. Sogar der Grundbetrag mit den 28 Rechnungseinheiten läuft generell für alle Mitglieder weiter. Meine sehr verehrten Kollegen, noch viel wichtiger ist aber - das muß ich zu den Beihilfen sagen -, die Deutschen haben bisher am stärksten vom Interventionsrecht Gebrauch gemacht. Ich sage Ihnen, ich kann mit der Intervention den Veredelungsmarkt viel stärker stabilisieren als die anderen mit ihren Beihilfen. ({36}) Das ist von der EG-Kasse voll bezahlt worden. Es steht immer im Raum: hier Intervention, dort Beihilfen, oder: wer Beihilfen beansprucht, beansprucht keine Intervention. Dazu sage ich, da ziehe ich im Hinblick auf die Preisstabilisierung die Intervention vor. Dies zahlt voll die EG-Kasse. Aber davon ganz abgesehen: Frankreich hat von der Prämienregelung bei Rindern vom November bis zum März keinen Gebrauch gemacht. Wir haben zur Intervention auch noch fakultativ von der Prämienregelung Gebrauch gemacht. Selbst wenn das Verfahren bürokratisch war, was ich zugebe, so kann ich doch sagen, es war das einzig mögliche Verfahren, um den Landwirten den Betrag voll zukommen zu lassen. Die Landwirte haben diesen Betrag mit Ausnahme der Abrechnungskosten voll ausbezahlt bekommen, was in keinem anderen Land möglich war. Ich glaube, daß ich damit auch die Frage der Beihilfen abhaken kann, auch vom Prinzipiellen her. Daß sich in Frankreich eine besondere Situation abzeichnet, könnte ich an Hand der neuesten Kostenunterlagen belegen. Ich will hier aber doch noch einmal sagen: Erstens. Zum erstenmal hält Frankreich das Anmeldungsverfahren ein, d. h. bis jetzt wird nichts ausbezahlt, solange keine Prüfung seitens der EG-Kommission erfolgt ist. Das ist eine Folge unseres Beschlusses vom letzten September, daß es keinen nationalen Alleingang ohne communautäre Zustimmung gibt. Zweitens. Frankreich hat seine ursprünglichen Preiswünsche auf 9,5 oder knapp 10 % reduziert. Es hat damit überhaupt die Basis für den Kompromiß freigemacht. Drittens. Alle gutgehenden Betriebe werden von der Beihilfenaktion ausgeschlossen, so daß es eine echte Hilfe für die Betriebe ist, die in einer besonders schweren Ertragslage sind. Ich stimme mit Ihnen voll überein, daß man sich kritisch überlegen muß, ob es klug ist, generell Einkommenshilfen an Betriebe mit fünf bis acht Kühen zu geben. Diese Frage muß mit den Franzosen weiterbehandelt werden. Die Maßnahme muß weiter diskutiert werden. Ob man aber wegen der Geltungsdauer von einem Jahr daraus einen großen Krach inzenieren sollte, da hätte ich Zweifel. Letzter Punkt: Entwicklungshilfe. Auch dieser Punkt ist als einer der wesentlichen Punkte angeschnitten worden. Ich kann dazu nur sagen: Es gibt wohl nur zwei Notwendigkeiten. Erstens: Die Priorität in der Bekämpfung des Hungers in der Welt wird darin liegen müssen, daß wir die Produktivität in diesen Ländern steigern. ({37}) Aber wir müssen auch allen, die glauben, daß das in den Entwicklungsländern von heute auf morgen zu lösen sei, sagen, daß das irreal und ein Wunschdenken ist. ({38}) - Ach, ich glaube, da habe ich mit Herrn Bahr gar nicht so große Differenzen; ich meine, das kann man ihm sehr wohl sagen, und er hat dafür auch großes Verständnis. Jedermann muß sich im klaren sein, daß die Produktivitätssteigerung in diesen Ländern, die ja nur möglich ist, wenn die Bildungsvoraussetzungen, die Infrastrukturvoraussetzungen, die Besitzvoraussetzungen, die Bodenvoraussetzungen und alles das geschaffen sind, ein Prozeß sein wird, der Generationen beschäftigen wird. ({39}) Mindestens so lange wird für uns als Hochleistungslandwirtschaften und als Industriestaaten, die ein Interesse daran haben, daß diese Menschen nicht permanent der Not ausgesetzt sind, der Zwang zum Ausgleich und der Zwang zur Hilfe bestehen. Das wollte ich nur am Schluß sagen. Ich freue mich, daß wir in diesem Punkt übereinstimmen. ({40}) Wir werden den einen oder anderen Punkt sicherlich im Ausschuß noch einmal ansprechen. Ich möchte Sie wirklich nicht länger aufhalten, möchte aber noch sagen: Sie haben mich in der Debatte im großen und ganzen sehr, sehr reell behandelt. Ich habe mich auch darüber gefreut, daß Sie sagen: Wir sind zwar nicht mit allen Maßnahmen einverstanden. Aber sehr viel Neues habe ich auch nicht gelernt, wie ich es prinzipiell anders machen könnte. Es ist für mich auch ein erkenntnisreiches Erlebnis gewesen, zu wissen: Etwas anderes gibt es eben auch nicht. Das hat mich wieder ein klein wenig in meinem Selbstvertrauen bestärkt. ({41})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird des weiteren das Wort gewünscht? ({0}) - Herr Abgeordneter Stücklen, wünschen Sie das Wort? ({1}) - Dann, meine Damen und Herren, schließe ich die agrarpolitische Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Zu Punkt 25 der Tagesordnung schlage ich Ihnen vor, die Vorlagen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht? - Es ist so beschlossen. Zu Punkt 26 der Tagesordnung liegt Ihnen ein Antrag des Ausschusses auf Drucksache 7/3077 vor: Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Zu Punkt 27 der Tagesordnung liegt Ihnen ein Ausschußantrag auf Drucksache 7/3131 vor. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen; auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. März 1975, 13.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.