Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Am heutigen Tage feiert der Abgeordnete Lücker seinen 60. Geburtstag. Ich spreche ihm die Glückwünsche des Hauses aus.
({0})
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Fortentwicklung des Bundesgrenzschutzes
Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 22. Juni 1972
- Drucksache 7/3170
zuständig: Innenausschuß ({1}), Verteidigungsausschuß, Haushaltsausschuß
Betr.: Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken
Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. März 1972
- Drucksache 73226 -zuständig: Haushaltsausschuß ({2}), Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Ausnahmebereiche des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({3})
-- Drucksache 7/3206 -zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Betr.: grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1974 bei Kap. 35 02 Tit. 513 02 bis 812 02 Besatzungskosten und Auftragsausgaben in Berlin -
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO - Drucksache 7/3220 -zuständig: Haushaltsausschuß
Betr.: Durchgangsverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin ({4})
hier: Verplombung von Leerfahrzeugen
Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1972
- Drucksache 7/3230
zuständig: Finanzausschuß ({5}), Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, Haushaltsausschuß
Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 17. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wohlrabe, Dr. Sprung, Picard, Frau Pieser und der Fraktion der CDU/CSU betr. Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen - Drucksache 7'3130 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3247 verteilt.
Der Chef des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung hat mit Schreiben vom 18. Februar 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Picard, Höcherl, Pfeifer, Dr. Hupka, Graf Stauffenberg, Dr. Mertes ({6}), Dr. Schäuble, Frau Benedix, Dr. Hornhues, Dr. Köhler ({7}), Dr. Klein ({8}), Reddemann und der Fraktion der CDU/CSU betr. deutschsprachige Zeitungen im Ausland - Drucksache 7/3214 -- beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/3256 verteilt.
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Mitteilung der Kommission an den Rat über ein Programm von Modellvorhaben und Studien zur Bekämpfung der Armut gemäß der Entschließung des Rates vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm
- Drucksache 7'3208 überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Keramikgegenstände, die für die Aufnahme von Lebensmitteln bestimmt sind
- Drucksache 7/3209 überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates betreffend die Verringerung der Wasserverschmutzung durch die Zellstoffabriken in den Mitgliedstaaten
- Drucksache 7/3212 überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({9}) des Rates über allgemeine Regeln für die Destillation von Tafelwein in der Zeit vom 15. Februar 1975 bis zum 31. März 1975
Drucksache 7/3231 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({10}) des Rates zur Änderung des Revisionsdatums gewisser Schutzklauseln der Verordnung ({11}) Nr. 109/70 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern
-- Drucksache 7/3232 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Programme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
Forschungs- und Entwicklungsaktionen auf dem Gebiet der Energie
Bewirtschaftung und Lagerung radioaktiver Abfälle -- Drucksache 7'3250 -10406
Vizepräsident Frau Funcke
überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({12}), Ausschuß für Wirtschaft, Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({13}) des Rates über die Zuweisung eines Betrages von 150 Millionen Rechnungseinheiten aus den zurückgestellten Mitteln der Abteilung Ausrichtung des Europäischen Ausriditungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft an den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung
- Drucksache 7/3251 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({14}), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({15}) Nr. 3096/74 des Rates vom 3. Dezember 1974 zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden
überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({16}) Nr. 191/75 des Rates vom 21. Januar 1975 betreffend eine zusätzliche Menge für die Zuckereinfuhr mit Subventionen sowie zur Änderung der Verordnung ({17}) Nr. 2931/74
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Verordnung ({18}) Nr. 175/75 des Rates vom 21. Januar 1975 über besondere Interventionsmaßnahmen auf dem Zuckersektor
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 9 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk
- Drucksache 7/2539 Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({19})
- Drucksache 7/3118 Berichterstatter: Abgeordneter Sieglerschmidt Abgeordneter Dr. Klein ({20})
({21})
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung, der Zivilprozeßordnung, der Reichsabgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung ({22})
- Drucksache 7/1681 Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({23})
- Drucksache 7/3118 Berichterstatter: Abgeordneter Sieglerschmidt Abgeordneter Dr. Klein ({24})
({25})
c) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung
- Drucksache 7/2377 - Bericht und Antrag des Rechtsausschusses ({26})
- Drucksache 7/3118 Berichterstatter: Abgeordneter Sieglerschmidt Abgeordneter Dr. Klein ({27})
({28})
Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Das Wort in der Aussprache hat Herr Professor Klein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich richtig informiert bin, ist eine Verabredung dahin getroffen worden, daß wir hier zugleich einen Beitrag zur Debatte leisten und die von der Fraktion der CDU/CSU einerseits sowie den Fraktionen der SPD und FDP andererseits vorgelegten Anträge begründen dürfen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zunächst das wiederholen, was ich schon während der ersten Lesung hier zu sagen Gelegenheit hatte. Auch meine Fraktion ist von der Notwendigkeit einer Neuregelung des Zeugnisverweigerungsrechts von Journalisten überzeugt. Ich darf daran erinnern, daß die Fraktion der CDU/CSU lange vor der Bundesregierung ihren Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Redaktionsgeheimnissen vorgelegt hatte, und wäre es nach uns gegangen, dann hätten wir die durch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingetretene Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet schon vor der Sommerpause 1974 beheben können.
Unsere Vorstellungen bezüglich des Inhalts einer Neuregelung unterscheiden sich von denen der Koalition in zweifacher Richtung. Während wir auf der einen Seite eine Ausdehnung des sachlichen Geltungsbereichs des Zeugnisverweigerungsrechts auch auf den Inseratenteil der Zeitung vornehmen wollen, treten wir andererseits, und zwar im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege, wie auch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben hat, dafür ein, das Zeugnisverweigerungsrecht mit bestimmten Einschränkungen zu umgeben. Wir haben dem Hohen Hause dazu einen Änderungsantrag vorgelegt, der sich auf § 53 der Strafprozeßordnung bezieht. Im Falle seiner Annahme müßten auch die Zivilprozeßordnung und die Reichsabgabenordnung, soweit sie durch den Entwurf berührt werden, entsprechend geändert werden.
Den das Beschlagnahmerecht für Druckerzeugnisse novellierenden Bestimmungen des Gesetzes stimmen wir in der Fassung zu, die vom Rechtsausschuß einvernehmlich beschlossen worden ist.
Die Koalitionsfraktionen haben heute einen Änderungsantrag vorgelegt, der die Beschlagnahme etwa von Flugblättern, soweit sie nicht nur zu Zwecken der Beweissicherung dient, de facto unmöglich macht, weil der Richter in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit in aller Regel nicht erreichbar sein wird. Genau darüber bestand auch im Rechtausschuß Einverständnis. Gleichwohl soll dies nun wieder umgestoßen werden.
Dr. Klein ({0})
Es ist übrigens von Interesse, daß es auch innerhalb der Koalitionsfraktionen divergierende Ansichten zu den von uns beanstandeten beiden Punkten gibt. Das haben die Abstimmungen im Rechtsausschuß gezeigt. Das hat insbesondere auch der Formulierungsvorschlag bewiesen, den der Herr Bundesinnenminister, der sich dazu eigens vom Bundeskabinett hatte ermächtigen lassen, abweichend vom Standpunkt der Bundesregierung dem Rechtsausschuß vorgelegt hat, ein Formulierungsvorschlag, der a) den Anzeigenteil einbezieht und b) insoweit, aber eben nur insoweit auch gewisse Einschränkungen des Zeugnisverweigerungsrechts vorsah. Das ist, finde ich, ein bemerkenswerter Vorgang, zumal dieser Formulierungsvorschlag im wesentlichen mit verfassungsrechtlichen Erwägungen begründet worden ist.
Nun, meine Damen und Herren, die Erstreckung der Pressefreiheit auf den Anzeigenteil der Zeitungen ist ja unstreitig. Wenn man aber um der Pressefreiheit willen meint, das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten über den Bereich des geltenden Rechts hinaus erweitern zu müssen und dieser Meinung sind wir ja übereinstimmend -, dann sollte man dieses Recht auch dem Anzeigenteil der Zeitung nicht vorenthalten, einem Bereich, der zum einen für die wirtschaftliche Existenz der Zeitungen von ausschlaggebender Bedeutung ist und der zum anderen, zumal im Zeichen zunehmender Pressekonzentration, gerade auch als Ersatzbühne für solche politischen Meinungen von Interesse werden könnte, für die im redaktionellen Teil kein Raum mehr ist.
Nebenbei bemerkt, man könnte auch noch in einem anderen Punkt verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorlage haben. Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt ja danach nur für berufsmäßige Mitarbeiter von periodischen Druckwerken. Was rechtfertigt eigentlich den Unterschied zwischen periodischen Druckwerken auf der einen Seite und solchen Erzeugnissen des Buchdrucks andererseits, die, wie z. B. gewisse Taschenbuchreihen, zwar nicht in regelmäßigen, aber doch in kurzen zeitlichen Abständen erscheinen und auch auf aktuelle Information und Berichterstattung ausgehen? Diese Frage will ich hier nur einmal gestellt haben, um sozusagen unser aller Problembewußtsein darauf zu lenken.
Auf der anderen Seite erfordert eine von wachsenden Risiken für die innere Sicherheit unseres Landes gekennzeichnete Zeit hinreichende Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch des Zeugnisverweigerungsrechtes. Wir meinen deshalb, daß dort, wo es um die Aufklärung von der schweren Kriminalität zuzurechnenden Verbrechen und - dies im Anschluß an die Vorstellungen des Herrn Bundesinnenministers - um Steuerhinterziehung geht, das Interesse des Journalisten an der Wahrung des Redaktionsgeheimnisses hinter dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung der Straftat zurückzutreten hat, wenn anders bei der Aufklärung nicht weiterzukommen ist. Darin äußert sich kein Mißtrauen gegen die Zunft der Journalisten, aber es geht hier ja nicht nur um die Mitarbeiter des Rundfunks, der
großen Tages- und Wochenzeitungen und der Zeitschriften, sondern jeder, der berufsmäßig an einem wie immer gearteten, in welchem Verfahren auch immer hergestellten Druckwerk, sofern es nur periodisch erscheint, mitwirkt, kann sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die ganze Vielzahl oft nur hektographisch vervielfältigter Druckerzeugnisse extremer politischer Randgruppen, um nur ein Beispiel zu nennen, fällt gleichfalls unter den Schutz dieses Rechts. Das kann, so meinen wir, eben nicht ganz vorbehaltlos geschehen. Ich meine, daß jeder verantwortungsbewußte Journalist diesen Standpunkt auch dann verstehen wird, wenn er ihn selbst nicht teilt.
Danach, meine Damen und Herren, sind für meine Fraktion die Annahme unseres Änderungsantrags und - ich füge hinzu - die Ablehnung desjenigen der Koalition conditio sine qua non unserer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sieglerschmidt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk dient dem Schutz der Institution Pressefreiheit. Es ist keine Vergünstigung für die Journalisten oder die anderen Mitarbeiter von Presse und Rundfunk. Es ist auch nicht zugunsten der Persönlichkeitsrechte Dritter geschaffen, wie es etwa bei dein Zeugnisverweigerungsrecht der Geistlichen, der Rechtsanwälte und der Ärzte im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer besonderen Ämter der Fall ist.
Es geht hier im Kern allein um die Kontrollfunktion der Presse und des Rundfunks, und zwar insbesondere die Kontrollfunktion zur Aufdeckung von Mißständen in der Gesellschaft.
Sicherlich, Herr Kollege Klein, ist hier nun eine Abwägung mit den Belangen der Rechtspflege notwendig - wir haben im Ausschuß lange darüber diskutiert -, und zwar insbesondere eine Abwägung mit den Belangen der Strafverfolgung. Ich meine, daß dabei zwei Kriterien zu beachten sind.
Das eine Kriterium ist der Rang, der dem Zeugnisverweigerungsrecht einerseits und der Strafverfolgung andererseits im Blick auf das Grundgesetz zukommt.
Das zweite Kriterium aber ist die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen zwischen diesen beiden Bereichen. Denn wir machen ja kein Recht für die Theorie, sondern für die Praxis.
({0})
- Das werden Sie gleich hören, Herr Kollege.
Wenn wir das erste Kriterium näher untersuchen, zeigt sich, daß sowohl das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten als auch die Strafverfolgung sicherlich einen hohen verfassungsrechtlichen Rang
haben und es darum schwer ist, abstrakt zu sagen, was hier höher zu bewerten ist.
Hinsichtlich des zweiten Kriteriums müssen wir, glaube ich, eine Unterscheidung treffen, die für die Beurteilung der Abwägung, von der ich gesprochen habe, wichtig ist. Nämlich die Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Verhinderung bevorstehender Straftaten einerseits und der Strafverfolgung nach der Tat andererseits. Im ersten Fall - meine Damen und Herren, das wird oft vergessen gibt es eine mit Strafandrohung bewehrte Rechtspflicht zur Anzeige von Straftaten schwerer Kriminalität, nämlich der Straftaten, die in § 138 StGB genannt sind. Deshalb hat in diesem Bereich auch der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk kein Zeugnisverweigerungsrecht. Im zweiten Fall geht es um die Ergreifung des Täters, wenn Sie so wollen, um mittelbare Verhütung von Straftaten durch den Versuch der Wiedereingliederung oder durch eine beschränkt wirksame wir wissen das alle - Abschreckung.
Nun habe ich schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen und möchte es hier wiederholen, daß in diesem zweiten Bereich bisher keine nennenswerten Kollisionen der Strafrechtspflege mit dem Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten bekanntgeworden sind, obwohl bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1973 gemäß den Landespressegesetzen das unbeschränkte Zeugnisverweigerungsrecht mit einer Ausnahme bestanden hat. Diese Kollision ist auch nicht oder gerade nicht in den Fällen wirklich relevant gewesen, wo es sich um Straftaten handelte, wie sie in dem Antrag der Opposition genannt werden.
Nun gibt es hier ein Gegenargument. Man kann natürlich sagen: Wenn dem so ist, kann man das ja ruhig - nach dem bekannten Grundsatz: nützt es nichts, dann schadet es auch nichts - in das Gesetz hineinschreiben. Aber, meine Damen und Herren, es wird eben doch, wenn wir das tun, in der Praxis die Kontrollfunktion der Presse dadurch beeinträchtigt, daß Journalisten und ihre Informanten verunsichert werden; sie werden dann veranlaßt, in jedem Falle erst zu prüfen, ob womöglich im Zusammenhang mit einer Information eine derartige Straftat Dritter, wie sie hier genannt ist, in Frage kommt.
Aber selbst wenn es nun einmal von praktischer Bedeutung wäre - ich will ja, Herr Kollege Erhard, gar nicht sagen, daß das nie und nimmer geschehen ist , möchte ich hier sagen: Warum soll in solchen praktischen Fällen die Institution „Pressefreiheit" eigentlich von geringerer Bedeutung sein als die Persönlichkeitsrechte von Straftätern, die sich beispielsweise einem Geistlichen oder einem Arzt offenbart haben?
Ich denke hier - vielleicht werden sich auch manche Altere mit mir daran erinnern - daran,
({1})
daß es ja im Jahre 1932 einmal eine Strafsache des
„Landesverrats" gegeben hat, in der der Angeklagte
ein Journalist mit Namen Carl von Ossietzky war.
Und ich frage mich, was in einem solchen Fall unter Umständen eine solche Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts bedeuten kann.
({2})
- Ich stelle hier nicht auf den Angeklagten ab; das weiß ich sehr wohl. Aber ich möchte klarmachen, was in einem solchen Fall eine Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts bedeuten kann. Im übrigen wissen wir doch alle, daß sich die Journalisten von der Beugehaft nicht haben beeindrucken lassen, daß man sie nur national und international in eine Konfliktlage mit ihren Berufspflichten, mit ihren Berufskodizes gebracht hat, daß man aber in der Praxis nichts damit bewirkt hat.
Nein, meine Damen und Herren, ich meine schon
- und ich sage das ohne jede Polemik -, daß die Entscheidung, die wir hier treffen, davon abhängt, welchen Stellenwert wir der Pressefreiheit zumessen. Und hier muß ich nun einfach sagen, daß es für mich interessant ist - ich hätte das nicht gesagt, wenn es diese Vorgänge nicht gäbe , daß diejenigen, die die Regierungsparteien in den vergangenen Monaten immer wieder verdächtigt haben, wir wollten in der einen oder der anderen Weise die Pressefreiheit antasten, nun im vorliegenden Fall die fundamentale Bedeutung dieses Grundrechts offenbar nicht so hoch einschätzen.
({3})
- Auf den ich gerade komme, Herr Kollege Klein. In diesem Punkt wollen Sie nun weitergehen,
({4})
und das ist ja in der Tat wirklich sehr interessant. Ich kann Ihnen gar nicht verdenken, daß Sie auf die Formulierungshilfe des Bundesinnenministers abgehoben haben;
({5})
das hätte ich an Ihrer Stelle auch gemacht. Und sicherlich muß man, soweit es sich um rechtliche Bedenken handelt, diese in diesem Zusammenhang erwägen,
({6})
und wir haben sie erwogen. Ich meine aber, daß sie unbegründet sind. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten „Südkurier"-Urteil besagt ja nichts anderes, als daß auch der Anzeigenteil dem Schutz des Art. 5 unterliegt, und damit ist für unseren Fall, den wir hier abhandeln, nur gesagt: Auch im Anzeigenteil darf es keine Reglementierung von Veröffentlichungen geben.
Hier aber gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Inseratenteil und dem redaktionellen Teil. Im redaktionellen Teil geht es eben allein um die Wahrnehmung dieser Kontrollfunktion der Presse; im Inseratenteil geht es doch im wesentSieglerschmidt
lichen um die wirtschaftliche Beziehung zwischen Inserent und Verleger.
({7})
Und weil das so ist, ist es auch kein Zufall, daß auch der Bundesrat in diesem Punkt - er ist ja in solchen Dingen sehr sorgsam ({8})
offensichtlich keine rechtlichen Bedenken hatte, keinen Einspruch erhoben hat; er hat hinsichtlich des Ausschlusses des Inseratenteils in Übereinstimmung mit der Bundesregierung und der Koalition gehandelt.
({9})
Hinzu kommt das praktische Bedürfnis, das offensichtlich nach aller Erfahrung im Falle des Anzeigenteils ganz anders liegt als beim redaktionellen Teil. Wir alle wissen doch, wie viele Betrugsdelikte
sie vor allem - mittels Chiffreanzeigen begangen werden. Wollen Sie denn die Täter hier schützen? Besteht im Lichte des Art. 5 GG ein wirkliches Interesse daran, diese Täter dadurch zu schützen, daß man den Verlagsmitarbeitern in diesem Zusammenhang ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt?
Ein Wort noch zur Neuordnung des Beschlagnahmerechts: Hier geht es darum, die Pressefreiheit dadurch zu sichern, daß allein der Richter die Beschlagnahme anordnen kann,
({10})
nicht aber der grundsätzlich weisungsgebundene Staatsanwalt und dessen Hilfsbeamte. - Bitte schön, Herr Kollege Erhard!
Herr Kollege Sieglerschmidt, wären Sie so freundlich, uns zu verdeutlichen, was denn eine einmalige Druckschrift, also ein Flugblatt, wohl mit Presse und Pressefreiheit zu tun haben könnte? Das bitte ich uns zu erläutern.
Sieglerschmidt ({0}) : Ich komme gleich darauf; ich war gerade dabei, Herr Kollege Erhard.
Wir haben nun im Rechtsausschuß - der Kollege Klein hat das schon erwähnt - Übereinstimmung darin erzielt, daß wir aus praktischen Erwägungen einem Vorschlag des Bundesrates teilweise folgen sollten, und zwar wollten wir bei nicht periodischen Druckschriften bei Gefahr im Verzuge auch den Staatsanwälten die Befugnis geben, die Beschlagnahme anzuordnen. Hinterher hat es in der Koalition Bedenken gegeben, ob wir hier nicht doch von dem Pfad der Tugend eines optimalen Schutzes der Pressefreiheit, die, Herr Kollege Erhard, auch nichtperiodische Druckschriften umfaßt, abgewichen sind. Deshalb ist dieser Koalitionsantrag eingebracht worden, der die Regierungsvorlage wiederherstellt und dem ich zuzustimmen bitte. Wir haben dann wieder den durchgehenden Richtervorbehalt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klein?
Herr Kollege Sieglerschmidt, würden Sie mir bitte einmal erklären, wie Sie mit Hilfe dieser nach Ihren Vorstellungen abgeänderten Vorschrift die Beschlagnahme eines Flugblatts bewirken wollen, das beispielsweise morgens zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr vor den Toren einer Universität oder noch früher vor den Toren eines Betriebes verteilt wird und das einen strafbaren Inhalt hat, der diese Qualität erreicht, die wir im Auge haben.
Herr Kollege Klein, Universitäten pflegen im allgemeinen in Städten zu liegen, und in Städten gibt es Bereitschaftsrichter.
Ich fahre fort.
({0})
- Nein, dort werden die Fälle im allgemeinen nicht in dieser Weise praktisch. Es ist ja kein Zufall, daß der Herr Kollege Klein hier einen solchen Fall erwähnt hat.
Nun lassen Sie mich bitte fortfahren.
({1})
Ich muß sagen, daß ich -- gerade nach dem, was von seiten der Opposition hier jetzt vorgetragen worden ist -- als Medienpolitiker etwas erleichtert bin, daß wir die Regierungsvorlage wiederherstellen wollen und in dieser Sache nun eine klare Linie einhalten, daß wir also den Bedenken der Praktiker der Rechtspflege in diesem Punkt nicht nachgegeben haben. Meine Damen und Herren, damit ist
natürlich nicht gesagt, daß nun etwa das möchte
ich hier ausdrücklich betonen alle Staatsanwälte
und Kriminalbeamten beschlagnahmewütig sind. Wir wissen aber doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß es von der Aufgabe her zwischen dem richterlichen Denken einerseits und dem Denken eines Staatsanwalts und eines Kriminalbeamten andererseits eben Unterschiede gibt. Ich meine wirklich, wem es mit der Pressefreiheit ernst ist, der muß auch hier die Einfallstore für vorschnelle Eingriffe verschließen.
Bei diesem Gesetzentwurf sind wir alle hier in diesem Saal aufgerufen, das Zeugnis nicht zu verweigern, wenn ich mich einschlägig einmal so ausdrücken darf, d. h. uns nicht eingeschränkt, sondern uneingeschränkt zur Pressefreiheit zu bekennen und dafür Zeugnis abzulegen, daß, wie es das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, die Meinungsfreiheit
und damit auch die Pressefreiheit schlechthin konstituierend für die Demokratie in unserem Lande ist.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister der Justiz hatte bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in erster Lesung ausgeführt, daß es nicht um eine Weiterentwicklung des Rechtes, sondern um die Übernahme bewährter landesrechtlicher Regelungen in das Bundesrecht gehe. Nun muß man hinzufügen, daß die pressefreiheitlichen Bestrebungen in den einzelnen Bundesländern ja in ganz verschiedenen Stadien steckengeblieben waren und daß wir hier die Gelegenheit haben, im Interesse der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nun überall im ganzen Bundesgebiet gleiche pressefreiheitliche Regelungen einzuführen.
Ich möchte mich, da hier - leider! - eine relativ kurze Aussprache beabsichtigt ist, in meinen Ausführungen auf einige wenige Punkte beschränken. Der erste Punkt betrifft den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts. Der Entwurf der Opposition sieht in dieser Hinsicht verschiedene Einschränkungen gegenüber dem vor, was wir für wünschenswert und richtig halten. Zunächst ist zu sagen, daß Sie das Zeugnisverweigerungsrecht dann fortfallen lassen wollen, wenn der Informant den Journalisten von seiner, wie Sie sagen, Schweigepflicht befreit.
({0})
- Die Drucksache, die Sie ursprünglich auf den Tisch des Hauses gelegt haben, gilt für Sie also nicht mehr. Sie gehen von diesem Gedanken ab, weil Sie erkannt haben, daß er nicht praktikabel ist. Hervorragend!
({1})
- Gut!
Dann gehe ich zu dem zweiten Punkt über. Sie wiederholen den Gedanken, der auch in der ersten Lesung schon eine Rolle gespielt hat, daß nämlich das Zeugnisverweigerungsrecht dann wegfallen müsse, wenn es um schwere Delikte gehe. Die Abgrenzung dieses Bereiches war schon in Ihrem ersten Entwurf problematisch. Sie gestatten doch, daß ich hier auf die Entwürfe zurückkomme, von denen Sie vorhin gesagt haben, wenn die Koalition all das mit beschlossen hätte, hätten wir das Problem schon lange gelöst. Ich muß Ihnen doch erklären können, warum es ganz unmöglich war, auf Ihren ersten Entwurf einzugehen. Sie haben bei der Abgrenzung des Kreises der Delikte, die Sie als schwer betrachten, zunächst auf § 100 a StPO, also auf einen ganz anderen Zusammenhang verwiesen. In dem Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, haben Sie eine Reihe von Delikten ausdrücklich genannt. Einige sind identisch mit denen des § 100 a StPO; andere haben Sie weggelassen; Sie haben neue hinzugefügt, z. B. den Fall der Steuerverkürzung, ohne daß man ein System dabei erkennen könnte. Im Gegenteil!
({2})
- Der Vorwurf richtet sich nicht gegen Herrn Maihofer. Der Vorwurf richtet sich gegen Sie, weil Sie einen solchen Antrag gestellt haben.
({3})
Die Auswahl der Delikte, die Sie im einzelnen aufgezählt haben, zeigt, daß es sich um eine willkürliche Zusammenstellung handelt, die nicht frei von Bedenken ist. Das gilt um so mehr, als in der ,,Spiegel"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 20. Band ausdrücklich erklärt wird, daß das Interesse an der Strafverfolgung - z. B. eines Landesverrates - keinesfalls immer der Pressefreiheit vorgehe, denn zum Bestand der Bundesrepublik gehöre eben auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit der dazuzurechnenden Kontrollfunktion der Presse.
({4})
Also ließe sich die Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts nur damit begründen, daß sie zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege notwendig sei. Dann muß man das mit dem bisherigen Rechtszustand in den Landespressegesetzen vergleichen. Alle Bundesländer mit Ausnahme des in diesem Zusammenhang besonders rückständigen Landes Baden-Württemberg gewährten bis jetzt ein von Art und Strafwürdigkeit des verfolgten Deliktes unabhängiges Zeugnisverweigerungsrecht. Nur in Baden-Württemberg wird - neben vielen anderen Einschränkungen - eine Liste von Tatbeständen vom Zeugnisverweigerungsrecht ausgeschlossen,
({5})
die Ihrer Liste ähnlich ist. Eis gibt nicht den geringsten Beleg dafür, daß seit der Einführung dieser Vorschrift im Jahre 1964 in Baden-Württemberg bis dahin bestehende Mißstände aufgehört hätten und daß solche Mißstände in allen anderen Bundesländern, also im gesamten Bundesgebiet außer Baden-Württemberg, bestanden hätten. Bis zum heutigen Tag gibt es dafür nicht den geringsten Beleg. Wir fordern von Ihnen nur, daß Sie mit uns bereit sind, in Baden-Württemberg denselben Rechtszustand in dieser Frage einzuführen wie in allen anderen Bundesländern und wie er in Baden und Württemberg schon von 1868 bis 1874 bestanden hatte. Wir wollen verhindern, daß wir für das ganze Bundesgebiet einen Rückschritt beschließen, der uns weit in das 19. Jahrhundert zurückführen würde.
Sie gehen bei dem Zeugnisverweigerungsrecht nur in einem Punkt - darauf haben Sie hingewiesen - über unsere Vorstellungen hinaus, nämlich beim
Anzeigenteil - bemerkenswerterweise mit der Begründung, daß dieser kommerziell für die Zeitung von großer Bedeutung sei. Die große Bedeutung ist unbestritten, aber bestritten ist natürlich, daß der Umfang des Anzeigengeschäfts von potentiell kriminellen Inserenten wesentlich beeinflußt werde, mithin in den einzelnen Bundesländern verschieden groß war, z. B. in Nordrhein-Westfalen, in dem auch heute nur der redaktionelle Teil geschützt wird, im Vergleich zu Hessen, das auch den Inseratenteil schützte.
({6})
- Ist es denn in diesem Zusammenhang zu kommerziellen Problemen in Nordrhein-Westfalen gekommen, Herr Kollege? - Die Abwägung, die wir im Vergleich zu Ihnen anstellen, ist doch nicht kommerzieller, sondern rechtlicher Art. Die Abwägung zwischen den gewerblichen und anderen Interessen, die sich in Chiffre-Anzeigen artikulieren, und dem Interesse rechtsstaatlicher Verfolgung von Straftaten geht in diesem Fall eindeutig zugunsten des letzten. Es gibt kein Grundrecht auf anonyme Inserate.
Unverständlich ist mir Ihre Erwägung, möglicherweise sei die Anzeige dereinst im Zeichen wachsender Konzentration die einzige Möglichkeit, andere politische Meinungen kundzutun.
({7})
Ich bin deswegen darüber erstaunt, weil Sie im Zusammenhang mit der Kartellnovelle bestreiten, daß lokale Monopole die politische Willensbildung manipulieren könnten.
({8})
Man muß sich doch fragen, wie Sie denn politische Meinungen durch Chiffre-Anzeigen formen wollen.
({9})
- Hier reden wir von anonymen Anzeigen. In diesem Zusammenhang könnte man sehr lange Betrachtungen im Zusammenhang mit den letzten Wahlkämpfen anstellen, Herr Kollege, in denen merkwürdigerweise eine Fülle von Bürgerinitiativen entstanden sind, die nur ein Postfach hatten, von denen man überhaupt nicht wußte, wer das war. Das sind natürlich Anzeigen, mit denen Sie versucht haben, politische Meinungen zu machen, Anzeigen, die ich als anonym bezeichne.
({10})
- Sie waren sehr wirkungsvoll, und zwar zu unseren Gunsten, Herr Kollege.
({11})
Nun lassen Sie mich etwas zu dem zweiten Teil sagen, nämlich zu der Bedeutung des Richterprivilegs, also zu der Vorschrift, daß Beschlagnahmen eines Druckwerks nur auf Grund richerlicher Anordnung erfolgen dürfen. Damit befinden wir uns sowohl im Gegensatz zum Gesetzentwurf des Bundesrates als auch zu Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf, mit dem Sie die Staatsanwaltschaft und sogar ihre Hilfsbeamten ohne richterliche Anordnung in bestimmten Fällen zur Beschlagnahme ermächtigen wollen. Dabei geht es nicht etwa nur, wie vorhin hier angedeutet wurde, um Flugblätter, sondern genauso um Buchverlage, wenn von nichtperiodischen Druckwerken gesprochen wird. Auch hier muß man daran erinnern, daß das uneingeschränkte Richterprivileg schon vom 10. Deutschen Juristentag 1872 gefordert und seine Verwirklichung damals nur mühsam verhindert wurde.
({12})
Auch hier bietet Baden-Württemberg ein ganz erstaunliches Beispiel. Baden-Württemberg führte mit Hessen - und später Bayern - 1949 das absolute Richterprivileg ein, jedenfalls im nördlichen Landesteil von Baden-Württemberg, praktizierte es mit großem Erfolg bis 1964 und führte dann die staatsanwaltschaftliche Beschlagnahme auch der Tagespresse im weiteren Umfang ein als jedes andere Bundesland. Die Beschlagnahme von Presse- und Druckwerken ist das klassische Instrumentarium zur Reglementierung der Presse. Hessen, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben das nichtrichterliche Beschlagnahmerecht für Druckwerke aller Art teils seit 1949, teils seit 1966 abgeschafft, ohne daß eine konkrete Gefährdung für Recht und Ordnung eingetreten wäre. Schon Bismarck hat damals gesagt, man könne - - Bitte, Herr Kollege?
({13})
Herr Kollege, wenn Sie fragen wollen, gehen Sie bitte ans Mikrofon.
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie sehr daran interessiert sind, daß wir das Beispiel des Trojanischen Pferdes hier in allen Einzelheiten behandeln. Ich bin ganz gern bereit dazu.
Nun, ich wollte aber etwas anderes sagen. Sie bringen, wenn Sie die Durchbrechung des Richterprivilegs verteidigen, ein ähnliches Argument wie Bismarck damals. Bismarck hatte nämlich gesagt, man könne es einem Richter nicht zumuten, nachts und außerhalb der normalen Dienstzeit zur Verfügung zu stehen. Wir sind der Meinung, wenn es um die Pressefreiheit geht, kann man es einem Richter durchaus zumuten, jederzeit und meinetwegen auch nachts zur Verfügung zu stehen.
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Ich glaube, daß ich im Rahmen dieser kurzen Debatte auf die anderen gesetzlichen Regelungen im einzelnen nicht einzugehen brauche.
10412 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 150. Sitzung. Bonn, Freitag den 21. Februar 1975
Wir wissen, daß mit diesem Gesetzentwurf nicht alle Wünsche erfüllt werden, die von seiten der Journalisten, auch des Presserates, geäußert worden sind. Aber wir glauben, daß wir im Vergleich zu vielen Bundesländern im Interesse der Pressefreiheit einen wesentlichen Schritt voran tun. Wir freuen uns, daß die Beratung dieses Gesetzes in den Ausschüssen so zügig erfolgen konnte, daß der unbefriedigende Zustand, den das geltende Recht zur Zeit bietet, in relativ kurzer Zeit verändert werden konnte.
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Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Sie haben den Bericht Drucksache 7/3118 vorliegen.
Zu Art. 1 liegen zwei Änderungsanträge vor. Ich darf annehmen, daß sie in der eben gelaufenen Debatte ausreichend begründet und diskutiert sind.
Ich rufe dann zur Abstimmung den Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 1 auf, den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/3245. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Nr. 1 in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen ab über Art. 1 Nrn. 2 und 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Zu Nr. 4 a liegt der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/3255 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Damit komme ich zur Abstimmung über diese nunmehr geänderte Nr. 4 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -- Stimmenthaltungen? - Mit Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe nun die Art. 2, 3, 4, 6, 7 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Ich darf nunmehr die
dritte Lesung
aufrufen. Das Wort hat Herr Minister Vogel.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Bundesregierung begrüße ich, daß der Bundestag die von der Bundesregierung eingebrachte Neuregelung des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechts und der Beschlagnahme von Presseerzeugnissen bereits heute in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Zwei wichtige Probleme des Presserechts werden damit in Fortsetzung einer freiheitlichen Entwicklung, die bis auf das Jahr 1848 zurückgeht, in liberaler Weise auf die Dauer gelöst. Zugleich werden die Aufträge erfüllt, die sich für den Gesetzgeber aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 1973 und vom 13. Februar 1974 ergaben.
Presse und Rundfunk zählen zu den wichtigsten Instrumenten der öffentlichen Meinungsbildung. Sie genießen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht nur Grundrechtsschutz; die Verfassung gewährleistet vielmehr auch ihre institutionelle Eigenständigkeit, von der Beschaffung der Information bis zur Vertreibung der Nachricht. Dazu gehört, wie auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont hat, der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informanten. Dieser Schutz wird durch das Zeugnisverweigerungsrecht der Strafprozeßordnung, das nach der Nichtigerklärung der weiterreichenden Vorschriften der Landespressegesetze wieder Geltung erlangt hat, nicht ausreichend gewährleistet; darüber besteht in diesem Hause volles Einvernehmen.
Unterschiedliche Ansichten bestehen jedoch darüber, wie dieses Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten im einzelnen auszugestalten ist, und zwar vor allem in zwei Punkten: Einmal ist streitig, ob Journalisten ein uneingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht einzuräumen ist oder ob in bestimmten Fällen, wenn Gegenstand der Untersuchung ein schweres Verbrechen oder Vergehen ist, eine Aussagepflicht als Ausnahme normiert werden soll. Umstritten ist ferner, ob neben dem redaktionellen Teil auch der Anzeigenteil vom Zeugnisverweigerungsrecht erfaßt werden soll.
Im ersten Punkt hat sich die Mehrheit des Bundestages soeben in der zweiten Lesung - dem Rechtsausschuß folgend - für ein uneingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht entschieden. Nach sehr sorgfältiger Prüfung sind der Rechtsausschuß und der Bundestag, der Vorlage der Bundesregierung und dem Votum des Bundesrates folgend, zu der Überzeugung gelangt, daß Belange der Strafrechtspflege eine Einschränkung der Zeugnisverweigerungsrechte nicht gebieten. Für diese Ansicht spricht insbesondere der auch in der zweiten Lesung schon hervorgehobene Umstand, daß die bisherigen Regelungen der Landespressegesetze, die fast ausnahmslos ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht gewähren, keine Mißhelligkeiten bei der Strafverfolgung verursacht haben. Es ist kein Fall bekanntgeworden - und auch die Redner der Opposition haben bei den Beratungen keinen solchen Fall vorgetragen -, in dem die Aufklärung einer schweren Straftat durch Aussageverweigerung eines Journalisten verhindert worden wäre. Der Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Einschränkung scheint also wohl mehr rechtstheoretische Bedeutung zuzukommen.
Im übrigen - darauf darf ich noch einmal hinweisen - bleibt von diesem Aussageverweigerungsrecht die aus § 138 des Strafgesetzbuches auch für
Presseangehörige sich ergebende Verpflichtung, drohende schwere Straftaten anzuzeigen, völlig unberührt. So ist der Journalist beispielsweise trotz des uneingeschränkten Zeugnisverweigerungsrechtes gehalten, eine bevorstehende Geiselnahme, von der er erfährt, oder einen bevorstehenden Mord den zuständigen Behörden anzuzeigen.
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- Sicherlich, aber da darf ich auch in der dritten Lesung noch einmal die Frage aufwerfen: Wo ist es denn unter der Geltung der uneingeschränkten Zeugnisverweigerungsrechte tatsächlich zu Schwierigkeiten gekommen? Im übrigen: Warum sollte die Bundesrepubilk hinter eine Regelung zurückgehen, die beispielsweise Bayern seit über 20 Jahren praktiziert? Gerade Bayern wäre doch sicherlich das erste Land gewesen, diese Regelung zu ändern, wenn sich auch nur die geringsten Mißhelligkeiten in der von Ihnen befürchteten Richtung ergeben hätten.
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- In diesem Punkt habe ich keine Sorge, daß
Bayern solche Anregungen nicht sofort und auf der Stelle aufgreifen würde. Daß Bayern es nicht tut, zeigt, daß es sich hier um eine theoretische Befürchtung handelt und nicht um eine Befürchtung, für die auch nur die Spur eines Beweises angetreten werden kann.
Streitig ist weiter die Frage der Einbeziehung des Anzeigenteils. Im Rechtsausschuß des Bundestages hat Übereinstimmung darüber bestanden, daß die Einbeziehung des Anzeigenteils - und das ist heute von allen Seiten bekräftigt worden - verfassungsrechtlich nicht geboten ist, der Gesetzgeber also insoweit in der Gestaltung frei ist. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Natürlich steht auch der Anzeigenteil unter dem Schutz des Art. 5, der die Pressefreiheit garantiert. Sinn und Zweck des publizistischen Zeugnisverweigerungsrechtes führen jedoch zu einer unterschiedlichen Bewertung des Anzeigenteils und des redaktionellen Teils; denn die Presse - das ist auch heute nicht widerlegt worden
- übt ihre Informations- und Kontrollfunktion - und deren Sicherung dient das Zeugnisverweigerungsrecht primär - nicht mit Veröffentlichungen im Anzeigenteil aus. Die Aufnahme von Anzeigen geschieht vielmehr überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen. Ein weiterer ganz entscheidender Unterschied: im Gegensatz zum redaktionellen Teil bestimmt nicht der Redakteur, sondern der Inserent den Text der Veröffentlichung. Zwischen einem Artikel, zwischen einer Nachricht und der Anzeige liegt doch der ganz entscheidende Unterschied darin, daß der Redakteur formuliert, was als Meldung, Kommentar oder Meinung erscheint, daß aber der Redakteur oder der Anzeigenvertriebsleiter nicht die Anzeige formuliert. Der Schutz der Informationsquelle, der für die Gewährung des Zeugnisverweigerungsrechtes ausschlaggebend ist, tritt also hier in den Hintergrund. Verfassungspolitisch sind somit keine Hinderungsgründe dafür ersichtlich,
den Belangen der Strafrechtspflege beim Anzeigenteil uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Diese Belange lassen es aber notwendig erscheinen, den Inseratenteil nicht in das Zeugnisverweigerungsrecht einzubeziehen. Bundesrat, Bundesregierung und Bundestagsmehrheit stimmen hier in einer bemerkenswerten Weise überein.
Es ist ja auch allgemein bekannt, daß nicht gerade selten Inserate zu strafbaren Zwecken aufgegeben werden. So haben in jüngster Zeit Erpresser den Anzeigenteil von Zeitschriften zu Mitteilungen an die Adressaten ihrer Forderungen benutzt. Mitunter ist der Anzeigenteil auch zur Begehung von Wirtschaftsstraftaten mißbraucht worden, ohne daß das die Anzeigenabteilung der Zeitung jeweils im vorhinein erkennen konnte.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf hat übrigens in diesem Punkt gegenüber dem Änderungsantrag der Opposition auch noch den weiteren Vorteil der Klarheit. Sie müssen mit einer Regel arbeiten, von der Sie wieder eine Rückausnahme vorsehen. Das macht die Dinge kompliziert und schwer handhabbar.
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- Ja, das ist so eine Sache mit Grundsätzen, Herr Kollege Lenz.
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Ich habe den Eindruck, daß Sie bei der Anwendung dieser Grundsätze doch zu einer gewissen, von der Opportunität her bestimmten Beliebigkeit neigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie zum Abschluß noch folgende Feststellung.
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-- Das ist die Frage, meine Damen und Herren,
nach der Größe der Glashäuser, nach der Bemalung.
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- Wenn Sie den Bundestag hier einbeziehen wollen, dann sitzen jedenfalls in dem anderen Glashaus 40 oder 50 Abstimmungsberechtigte mehr, und das ist für die Politik eine sehr entscheidende Feststellung.
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Gestatten Sir mir jetzt zum Abschluß noch folgende Feststellung: Der Ihnen zur Verabschiedung in dritter Lesung nunmehr vorliegende Entwurf wird auf einem für Presse und Rundfunk wichtigen Gebiet die Pressefreiheit besser als das geltende
- auch stark zersplitterte Recht sichern. Damit
wird den Mitarbeitern von Presse und Rundfunk ein Maß an Vertrauen entgegengebracht, das durch
die Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre gerechtfertigt erscheint. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß die bei Presse und Rundfunk Tätigen sich dieses Vertrauen im Interesse unserer Gemeinschaft auch in Zukunft bewahren werden.
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Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zu Punkt 2 des Ausschußantrags, die Gesetzentwürfe Drucksachen 7/1681 und 7/2377 für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 3, Ausschußantrag c, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 26. Februar, 13.30 Uhr für eine Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.