Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Maßnahmen der Strafverfolgung im Hinblick auf die Straftatbestände des § 86 a StGB fallen in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden der Länder. Der Bundesregierung liegen Auskünfte der Länder über den in der Frage angesprochenen Sachverhalt bisher nicht vor, so daß zur Zeit eine strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich ist. Der Bundesminister der Justiz ist jedoch bereit, die zuständigen Landesjustizverwaltungen um Auskunft darüber zu bitten, ob Staatsanwaltschaften ihres Zuständigkeitsbereichs wegen des Vertriebs von japanischem Kriegsspielzeug Ermittlungsverfahren eingeleitet haben.
Über die mir von den Ländern erteilten Auskünfte werde ich Sie zu gegebener Zeit gern unterrichten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Ostman von der Leye.
Ich bedanke mich sehr, Herr Staatssekretär. Herr Staatssekretär, wären Sie in der Lage, zu sagen, ob bei bestimmten Straftatbeständen die Justizministerkonferenz in Zukunft - oder vielleicht ist das schon in der Vergangenheit geschehen - über solche Dinge auch berichtet und ob in der Justizministerkonferenz z. B. die Verfolgungsintensität beraten wird?
Davon gehe ich aus. Ich bitte dabei nur zu berücksichtigen, daß die Justizministerkonferenz aus den Justizministern der Länder und dem Bundesminister der Justiz besteht und diese Konferenz selbständig darüber befindet, was auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) auf:
Warum ist nach Auskunft der Bundesregierung in der Fragestunde vom 16. Oktober 1974 bei den von Polen begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit „nach den uns vorliegenden Untersuchungen" Verjährung eingetreten, und wie vereinbart sich dies gegebenenfalls mit dem Beitritt Polens zur UN-Konvention von 1968 über die Nichtanwendung von Verjährungsvorschriften auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, „gleichgültig, wann sie begangen wurden"?
Zur Beantwortung bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Zu Ihrer Frage, Herr Kollege Wittmann, darf ich zunächst etwas richtigstellen.
In Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen Windelen vom 16. Oktober 1974 habe ich nicht davon gesprochen, daß nach polnischem Recht „Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verjährt sind. Ich habe vielmehr gesagt, daß in den „Fällen" oder wegen der „Taten" Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Auf diesen Unterschied hinzuweisen erscheint mir deshalb notwendig, weil nach den bestehenden völkerrechtlichen Grundlagen das Problem, wann eine Straftat als „Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anzusehen ist, nicht eindeutig beantwortet werden kann.
Bei meinem Hinweis, daß „nach den uns vorliegenden Untersuchungen" bzw. „Unterlagen" nach polnischem Recht Verfolgungsverjährung anzunehmen ist, bin ich von verschiedenen Grundlagen ausgegangen. Ich möchte die folgenden anführen:
a) den von Geilke in deutscher Übersetzung veröffentlichten polnischen Strafkodex, Berlin 1970;
b) Geilkes Veröffentlichung des polnischen Gesetzes über die Hemmung der Verjährungsfrist gegenüber Taten der während des Zweiten Weltkriegs begangenen schwersten Hitlerverbrechen vom 22. April 1964 in: WGO 1964, Seite 164 ff. - wie Sie wissen, bedeutet WGO: „Die wichtigsten Gesetzgebungsakte in den Ländern Ost-, Südosteuropas und in den ostasiatischen Volksdemokratien", c) eine Stellungnahme der Abteilung für Ostrechtsforschung des Seminars für deutsches und nordisches Recht an der Universität Hamburg vom 15. Februar 1965 u. a. zu der Frage, in welchen Oststaaten die Verjährung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder von NS-Verbrechen durch Bestimmungen des allgemeinen Rechts oder durch besondere Gesetze ausgeschlossen worden ist; d) eine Stellungnahme von Heidelmayer „über die Unverjährbarkeit von Kriegs- und Humanitätsverbrechen" in der Zeitschrift über die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisation, Februar 1969.
Aus diesen Unterlagen ergibt sich, daß nach polnischem Recht die Strafverfolgungsverjährung nur im Hinblick auf bestimmte nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen gehemmt worden ist. Bezüglich aller anderen Verbrechen nach polnischem Recht verblieb es deshalb bei der nach den Art. 105 und 106 des polnischen Strafkodex bestimmten Verjährungszeit von 20 bzw. 25 Jahren.
Daraus ist zu folgern, daß für Verbrechen im Zusammenhang mit der Vertreibung Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.
Zu Ihrer Frage nach der Vereinbarkeit des polnischen Rechts mit dem Beitritt Polens zur VN-Konvention von 1968 über die Nichtanwendung von Verjährungsvorschriften auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit möchte ich hier nur darauf hinweisen, daß Polen den Anforderungen der Konvention in der Weise Rechnung getragen hat, daß es in Art. 109 seines Strafkodex von 1969 folgende Bestimmung aufgenommen hat: „Auf
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die ti Menschlichkeit finden die Verjährungsvorschriften keine Anwendung".
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Bestimmung des Art. I der von Ihnen erwähnten und von mir auch angefragten UN-Konvention auch auf die Vertreibungsverbrechen Anwendung findet, weil die Qualifikationsmerkmale in diesem Art. I auf diese zutreffen, und daß die polnische Gesetzgebung mit dem von Ihnen erwähnten Art. 105 des polnischen Strafgesetzbuchs von 1964 offensichtlich gegen diese Konvention verstößt, wenn es in Art. I der Konvention heißt „Für die folgenden Verbrechen, gleichgültig, wann sie begangen wurden, gibt es keine Verjährungsfristen ...", wenn es weiter in Art. IV der UN-Konvention - Polen ist ihr ja beigetreten - heißt „Die Unterzeichnerstaaten dieser Konvention werden gemäß ihrem Verfassungsrecht" - „Verfassungsrecht" hier gleich „Verfahrensrecht" - „alle gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen ergreifen, die notwendig sind, um sicherzustellen, daß die Vorschriften über Verjährungsfristen im Falle von Verbrechen nach Art. I und II dieser Konvention keine Anwendung finden und dort, wo es solche Vorschriften gibt, diese Fristen aufgehoben werden"?
Herr Kollege Wittmann, ich glaube, dies war ein ganzes Bündel von Fragen. Aber dem Tenor nach möchte ich antworten, daß die Bundesregierung um Verständnis dafür bittet, daß sie aus außenpolitischen Gründen von einer Stellungnahme zu diesen Fragen absieht.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es im Sinne einer allseits wirkenden Gerechtigkeit wäre, wenn man seitens der Bundesregierung unsere Partner auf diesen Umstand aufmerksam machte und verlangte, daß, wenn wir Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen bestrafen, dies auch dort geschieht, damit endlich einmal ein Schlußstrich gezogen werden kann?
Daß die Bundesregierung immer bemüht ist, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, ist offenkundig. Aber ich war davon ausgegangen, daß Sie, Herr Kollege Wittmann, nachdem Sie auch Berichterstatter in Dingen waren, welche die Ostpolitik angehen, wissen, aus welchen außenpolitischen Gründen wir meinen, von einer Erläuterung insoweit absehen zu können und zu müssen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß in Art. 109 des polnischen Strafkodex die Nichtverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Einklang mit der UNO-Konvention aufgenommen ist, daß aber trotzdem gleichartige Verbrechen in Polen nach doppeltem Recht beurteilt werden, je nachdem, ob die Opfer Polen oder Deutsche sind, und daß Sie das aus außenpolitischen Gründen für vertretbar halten?
Sie haben mich nur insoweit richtig verstanden, als ich in Beantwortung der Frage gesagt habe, daß Polen in der Weise darauf Rücksicht genommen hat, daß es den Art. 109, den ich zitiert habe, eingefügt hat. Im übrigen habe ich eine Aussage dazu nicht gemacht.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye.
Herr Staatssekretär, würden Sie es mit mir nicht auch für seltsam halten, wenn in diesem Falle genau diejenigen eine Verjährung ablehnen, die in anderen Fällen dauernd für die Verjährung hierzulande eingetreten sind?
({0})
Darüber läßt sich streiten. Ich meine nur, daß der Standpunkt der Bundesregierung zur Verjährung allgemein bekannt und daß es fraglich ist, ob ein weiteres Frage-und-Antwort-Spiel zu dem hier in Rede stehenden Thema weise wäre.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie nach dem, was Sie zu dem Art. 109 des, polnischen Strafgesetzbuchs vorgetragen haben, fragen, ob diese Bestimmung nicht rückwirkend für alle Taten gilt, die damals begangen worden sind.
Herr Kollege, ich glaube, Sie werden verstehen, daß es mir nicht ansteht, für die Bundesregierung zu bewerten, wie andere Staaten welche Bestimmungen anwenden.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Dr. 1e With.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf und teile mit, daß die Fragen 3 und 4 des Abgeordneten Büchner ({0}) auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf und teile mit, daß die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Dr. Evers auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf.
Frage 7 des Abgeordneten Franke ({1}) :
Beabsichtigt die Bundesregierung, über eine Weiterverwendung des Prof. Machens, der Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung in Hannover werden sollte, bald zu entscheiden, und wenn ja, welche Tätigkeit ist für Herrn Prof. Machens vorgesehen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner.
Herr Kollege Franke, Herr Professor Machens hat beim Verwaltungsgericht in Hannover Klage auf Zuweisung eines funktionellen Amtes erhoben, das seiner derzeitigen Rechtsstellung als Beamter auf Lebenszeit der Besoldungsgruppe B 7 entspricht. Diesem Verfahren möchte ich nicht vorgreifen. Ich darf aber hinzufügen, daß die Bundesregierung ihre Bemühungen, für Professor (1 Machens eine anderweitige Verwendung zu finden, ungeachtet dieses Verfahrens fortführt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Franke.
Schließen Sie aus, Herr Staatssekretär, daß Herr Professor Machens, nachdem er vielleicht seinen Prozeß gewonnen hat, doch in das Amt des Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung in Hannover eingewiesen wird?
Ich bitte um Verständnis, daß ich zu den Auswirkungen eines nicht vorhersehbaren Urteils hier in keiner Weise Stellung nehmen kann.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Schachtschabel auf:
Welche Gründe waren für die Neuorganisation des Instituts für Mittelstandsforschung in Köln/Bonn, einer Stiftung von Bund und Land Nordrhein-Westfalen, maßgeblich, und welche Ziele werden damit verfolgt?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär!
Das Institut für MittelstandsDeutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 142. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1975 9823
forschung ist eine vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen getragene Stiftung. Bis zu seiner Umorganisation im Jahre 1974 war es in fünf Abteilungen gegliedert. Die betriebswirtschaftliche, die finanzwirtschaftliche und die soziologische Abteilung hatten ihren Sitz in Köln, die volkswirtschaftliche und die konjunkturpolitische Abteilung in Bonn. Die Abteilungen wurden von jeweils einem Hochschullehrer geleitet. Der Vorstand setzte sich aus den fünf Abteilungsleitern zusammen. Die Abteilungen arbeiteten in personeller und finanzieller Hinsicht weitgehend unabhängig voneinander.
Bereits 1967 waren von den Stiftern Überlegungen hinsichtlich einer effizienteren Organisationsstruktur des Instituts angestellt, jedoch nicht zum Abschluß gebracht worden.
Anfang 1974 wurden erneut Gespräche zwischen den Stiftern und dem damaligen Vorstand des Instituts aufgenommen, um das Institut durch Bildung größerer Arbeitseinheiten organisatorisch zu straffen. Die Bundesregierung entsprach damit auch Anregungen aus Kreisen des Haushaltsausschusses.
Die Gespräche führten schließlich im Einvernehmen mit allen fünf Vorstandsmitgliedern dazu, das Institut in eine Kölner Gruppe und eine Bonner Gruppe zu gliedern, wobei die Kölner Gruppe primär einzelwirtschaftliche, die Bonner primär gesamtwirtschaftliche Fragen bearbeiten sollte. Der Vorstand sollte damit gleichzeitig auf zwei Mitglieder verringert werden. Die Neuorganisation wurde am 16. Mai 1974 vom Kuratorium des Instituts beschlossen.
Die Neugliederung hat nach Ansicht der Stifter den Vorzug, daß die Organisationsstruktur gestrafft, die interdisziplinäre Forschung verbessert wird und die finanziellen Mittel optimaler eingesetzt werden. Die Umorganisation ändert nichts daran, daß auch künftig die in der Satzung verankerte Vielfalt der Forschungsbereiche und die Unabhängigkeit der Forschungstätigkeit des Instituts erhalten bleiben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schachtschabel.
Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bundesregierung die in den vergangenen Wochen in der Presse erschienenen Berichte und Kommentare zur Neuorganisation des Instituts?
Wir haben dieses Presseecho mit Aufmerksamkeit registriert und dabei feststellen können, daß sowohl unser Bemühen um bessere Bedingungen für eine effiziente Mittelstandsforschung als auch das Bestreben nach sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel anerkannt worden ist. Soweit es sich um die Wiedergabe polemischer Äußerungen früherer Mitarbeiter des Instituts oder um persönliche Angriffe auf den neugewählten Vorstand handelt, ist die Bundesregierung nicht bereit, zu derartigen Interpretationen der Neuorganisation des Instituts Stellung zu nehmen. Die Bundesregierung möchte jedoch nochmals in aller Deutlichkeit klarstellen, daß auch in Zukunft die Forschungstätigkeit des Instituts in völliger Unabhängigkeit durchgeführt wird.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Jens auf:
Ist die Bundesregierung bereit, nach den Preiszugeständnissen für Erdölprodukte seitens der persischen Unterhändler, deutschen Unterhändlern soweit wie möglich behilflich zu sein, damit der Bau der geplanten deutsch-iranischen Ölraffinerie am Persischen Golf zustande kommt?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
In der letzten Teheraner Verhandlungsrunde am 12. Januar 1975 hat die iranische Seite den deutschen Gesellschaften ein neues Konzept für die Zusammenarbeit im Raffineriebereich vorgelegt. Insbesondere wurde die bisherige Forderung nach einem garantierten Raffineriegewinn aufgegeben. Statt dessen soll sich der Preis für die Produkte der Raffinerie nach den Notierungen im Persischen Golf richten. Die deutschen Gesellschaften haben zugesagt, zu den neuen iranischen Vorschlägen bis zum 24. Februar diesen Jahres Stellung zu nehmen.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Realisierung des Projekts einen bedeutenden Schritt auf dem Wege zu einer umfassenden Kooperation zwischen der Bundesrepublik und einem der bedeutendsten Erdölförderländer darstellen würde. Die Bundesregierung bemüht sich deshalb in den Gremien der Europäischen Gemeinschaften mit Nachdruck um eine Regelung, die die zollfreie Einfuhr von Mineralölerzeugnissen aus Kooperationsvorhaben mit Erdölförderländern ermöglicht. Die Bundesregierung wird darüber hinaus im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch Übernahme von Gewährleistungen die Finanzierung des Vorhabens fördern, um auch insoweit die Voraussetzungen für eine Verwirklichung des Projektes zu schaffen. Sie geht allerdings ebenso wie die iranische Seite davon aus, daß die Wirtschaftlichkeit des Projekts nach dem von den Verhandlungspartnern ausgehandelten Konzept gegeben sein muß.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, welche Realisierungschance geben Sie denn jetzt dem Projekt?
Herr Kollege, angesichts der Tatsache, daß die Partner verhandeln und selbstverständlich über sehr komplizierte Probleme verhandeln, wäre es voreilig, eine Wertung in diesem Bereich abzugeben. Ich möchte nur noch einmal unterstreichen, wie groß das Interesse der Bundesregierung an einem Erfolg dieser Verhandlungen im Sinne einer wirtschaftlichen Konzeption ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, falls das Projekt scheitern sollte - ich hoffe es nicht -, glauben Sie, daß wir dann noch zusätzliche Standorte für Raffinerien im Ruhrgebiet oder im Ruhrrandgebiet haben würden?
Ich bin leider nicht in der Lage, Herr Kollege, auf diese mich unerwartet treffende Frage zu antworten.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht in Ihrer Antwort die Rolle der Bundesregierung bei diesen ganzen Verhandlungen etwas zu wohlwollend und zu optimistisch dargestellt?
Herr Kollege, ich glaube, daß die Bundesregierung und daß insbesondere auch der Bundeswirtschaftsminister in der Öffentlichkeit immer mit großem Nachdruck ihre Rolle in einer Weise dargestellt haben, die klarstellte, daß hier deutsche Unternehmen verhandeln und daß die Politik lediglich den notwendigen Flankenschutz geben kann.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Professor Dr. Schweitzer auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die jetzt aus dem US-Kongreß heraus erfolgte Anregung, den Ölverbrauch in den westlichen Industrieländern kurz- und mittelfristig um rund 15 % zu drosseln, auch für die Bundesrepublik Deutschland eine erstrebenswerte Zielvorstellung darstellt?
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß der Ölverbrauch reduziert werden muß. Die Zurückdrängung des Ölanteils an der Energieversorgung ist das zentrale Anliegen der Fortschreibung des Energieprogramms. Die Bundesregierung prüft sowohl national wie auch in Zusammenarbeit mit anderen Ländern im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und der Internationalen Energieagentur alle Möglichkeiten einer Verringerung des Ölverbrauchs und der Energieeinsparung generell.
Aus den Öleinsparungsmöglichkeiten werden dann realistische Zielvorstellungen für eine Drosselung des Verbrauchs entwickelt. Dabei hält die Bundesregierung nur solche Zielvorstellungen für sinnvoll, die weder das normale Wirtschaftswachstum ernsthaft beeinträchtigen noch mit unzumutbaren Verbrauchseinschränkungen für den einzelnen verbunden sind.
Die Bundesrepublik kann im internationalen Vergleich bereits auf beachtliche Einsparungserfolge verweisen. Der Inlandsverbrauch an Mineralölprodukten ging 1974 um zirka 10 °/o gegenüber 1973
zurück. Die Bundesregierung wird auch zukünftig, wie ich bereits in meiner Antwort auf Ihre Frage vom Oktober 1974 ausgeführt hatte, bestrebt sein, durch Förderung der Entwicklung alternativer Energieträger sowie sonstige Maßnahmen den Ölanteil an der Energieversorgung zurückzudrängen. Eine kurz- oder mittelfristige Ölverbrauchsdrosselung von 15 °/o erscheint allerdings nicht erreichbar.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns Angaben über den voraussichtlichen Bevorratungsstand machen, dem wir uns gegenübersehen würden, sollte es, was wir alle nicht hoffen, im Nahen Osten wieder zu einer heißen Krise kommen? Gibt es irgendwelche statistischen Angaben darüber, wie der Bevorratungsstand jetzt ist und in einem solchen Fall wäre?
Herr Kollege Dr. Schweitzer, ich bin leider nicht in der Lage, an Hand der mir jetzt zur Verfügung stehenden Unterlagen eine präzise Antwort zu geben. Ich bin aber gern bereit, schriftlich zu antworten, und verweise darauf, daß dieses Thema heute nachmittag auch im Wirtschaftsausschuß diskutiert wird. Ich habe, wie gesagt, die entsprechende Unterlage jetzt nicht zur Hand. Ich werde Ihnen die Antwort schriftlich übermitteln.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schweitzer.
Kann ich, Herr Staatssekretär, der generellen Tendenz Ihrer Antworten entnehmen, daß die Bundesregierung auch weiterhin bemüht bleiben wird, die Öffentlichkeit insgesamt zu einem möglichst sparsamen Verbrauch an Energie insbesondere auf dem Ölsektor aufzufordern?
Davon können Sie ausgehen. Ich erinnere daran, daß die Bundesregierung diese Verpflichtung etwa auch in ihren Informationsschriften, insbesondere durch die Herausgabe eines Informationsfaltblatts zur Energieeinsparung, wahrgenommen hat und auch in Zukunft mit großem Nachdruck darauf drängen wird, daß alle Möglichkeiten zur Energieeinsparung genutzt werden.
Vizepräsident von Hassel. Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Lenzer sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Ist die Bundesregierung angesichts des drastisch erhöhten Goldpreises bereit, das Gesetz über den Feingehalt von Gold- und Silberwaren vom 16. Juli 1884 in der Fassung vom 24. März 1934 so zu ändern, daß nicht nur Schmuck, sondern auch Uhrgehäuse mit einem Feingehalt von weniger als fünfhundertVizepräsident von Hassel
fünfundachtzig Tausendteilen ({0}) mit einem Feingehaltsstempel versehen werden dürfen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, das Feingehaltsgesetz dahin zu ändern, daß Uhrgehäuse aus Gold auch mit einem Feingehalt von weniger als 585 Tausendteilen gestempelt werden dürfen.
Darf ich die zweite Frage gleich mit in die Beantwortung einbeziehen?
Vizepräsident von Hassel: Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diese Gesetzesänderung für den Binnenmarkt herbeizuführen, ohne das Ergebnis der Arbeiten einer Arbeitsgruppe der EG-Kommission abzuwarten, die sich mit der Ausarbeitung einer Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Edelmetallarbeiten befaßt, angesichts der Tatsache, daß die Ausarbeitungsverhandlungen bereits seit über sechs Jahren geführt werden und damit zu rechnen ist, daß noch mindestens drei Jahre bis zum Abschluß der Arbeiten vergehen werden?
Die Bundesregierung möchte den Entwurf eines Änderungsgesetzes allerdings erst vorlegen, wenn die Harmonisierungsarbeiten in der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen sind. Nach dem industriepolitischen Programm der Gemeinschaft hat der Rat der EG die Richtlinie „Edelmetalle" vor dem 1. Januar 1977 zu verabschieden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Harmonisierungsarbeiten ist mit der Einhaltung dieses Termins zu rechnen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, angesichts der sich gerade in jüngster Zeit verschlechternden Ertragssituation, angesichts von etwa 5 000 Kurzarbeitern allein in dieser Branche und angesichts zunehmender Auftragsstornierungen besonders aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, so lange warten zu können?
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß durch die enorme Erhöhung des Goldpreises Schwierigkeiten, wie Sie sie schildern, in einzelnen Bereichen aufgetreten sind. Wir können allerdings von dem hier gesetzten Termin nicht abweichen, wobei für unsere Haltung der Umstand eine Rolle spielt, daß die Mitgliedstaaten nach dem Stillhalteabkommen vom 28. Mai 1969 gehalten sind, beabsichtigte Rechtsänderungen um bis zu 11 Monate auszusetzen, so daß, selbst wenn wir hier autonom eine Rechtsänderung vorlegten, mit einem erheblichen Zeitgewinn ohnehin nicht zu rechnen wäre. Das stützt unsere Meinung, daß wir diese Arbeiten der EG abwarten sollten. Ich kann Ihnen allerdings versichern, daß von uns aus alles getan
wird, um die Einhaltung der Termine, die ich genannt habe, sicherzustellen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, seit wann ist der Bundesregierung dieses Problem und das, wie ich meine, berechtigte Anliegen der Branche bekannt, und hätte die Bundesregierung nicht die inzwischen verstrichene Zeit nutzen können, um jetzt mit einer solchen nationalen Sonderregelung aufwarten zu können?
Ich glaube, Herr Kollege, daß man das Problem nicht überdramatisieren darf. Wir sind damit meines Wissens erstmals im Mai 1974 aus der Sicht der von Ihnen angesprochenen Branche konfrontiert worden. Seitdem hat sich der Goldpreis weiter nach oben entwickelt. Es war nicht zu allen Zeiten sicher und voraussehbar, daß die Entwicklung in dieser Form anhalten würde.
Vizepräsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, welche Gründe haben zu einer so langen Verhandlungsdauer auf der EG-Ebene geführt? Meines Wissens wird mittlerweile seit sechs Jahren verhandelt.
Ich kann Ihnen die Gründe im einzelnen nicht schildern. Die Materie ist außerordentlich kompliziert, und natürlich ist die Interessenlage außerordentlich unterschiedlich, so daß auch von daher gesehen retardierende Momente eine Rolle spielen.
Vizepräsident von Hassel: Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Stavenhagen.
Herr Staatssekretär, gibt es EG-Länder, in denen die Stempelung von Goldwaren unter 585 insbesondere bei 8 Karat - gestattet ist, und gibt es Länder, die sich an dieses Stillhalteabkommen nicht gehalten haben?
Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben, Herr Kollege, bin aber gern bereit, das schriftlich zu tun.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe Frage 15 des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung eine Meldung der englischen Nachrichtenagentur Reuter, nach der die Firma Daimler Benz AG der chilenischen Junta-Regierung angeboten hat, dort ein Werk zur Herstellung schwerer Lastwagen zu errichten, in dem dann auch Lastwagenersatzteile für die Bundesrepublik Deutschland produziert werden könnten?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die chilenische Regierung mehrere große Lkw-Hersteller aus verschiedenen Ländern aufgefordert hat, sich an einer internationalen Ausschreibung zur Errichtung einer Lkw-Montagefabrik in Chile zu beteiligen. Pläne zum Bau einer solchen Fabrik bestehen in Chile schon seit dem Jahre 1967.
Bei der Ausschreibung haben sich auch die südamerikanischen Nachbauwerke Mercedes-Benz Argentina und Mercedes-Benz do Brasil beteiligt. Aggregate dieser Werke könnten gemeinsam mit Teilen deutscher Produktion in seinem solchen Montagewerk Verwendung finden.
Eine Entscheidung der chilenischen Stellen über das Projekt ist dem Vernehmen nach noch nicht gefallen; wichtige Fragen sind noch offen. Sollten Mercedes-Benz Argentina und Mercedes-Benz do Brasil den Zuschlag erhalten, würde es sich nicht um eine deutsche, sondern um eine argentinischbrasilianische Direktinvestition in Chile handeln.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatssekretär, gibt es Informationen der Regierung, daß es sich bei diesem Auftrag um ein Angebot mit dem Volumen von etwa 250 Millionen handelt?
Es gibt Informationen darüber, daß die chilenische Regierung Gesamtinvestitionen in der Höhe von 200 Millionen US-Dollar erwartet. Uns ist allerdings nicht bekannt, wie die Angebote der Firmen aussehen, die sich hier bei der Angebotsabgabe beteiligt haben. Es handelt sich um drei Angebote aus den USA - General Motors, Ford und Chrysler -, zwei Angebote aus Japan - Toyota und Nissan -, ein Angebot aus Italien - Fiat -, ein Angebot aus Frankreich - Renault-Peugeot -, ein Angebot von VW do Brasil und dann das hier erwähnte Angebot von Mercedes do Brasil und Mercedes Argentina. Uns ist nicht bekannt, wie diese Angebote aussehen.
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reiser.
Herr Staatssekretär, da gegebenenfalls eine Kooperation bei den Ersatzteilen stattfinden soll - das Angebot liegt ja vor -, frage ich: Kann sich die Regierung vorstellen, daß sich auf diese Art und Weise die Industrie mit ihren Beschäftigten hier im Lande selber Schwierigkeiten schafft?
Es gibt keine Hinweise, und die Bundesregierung ist nicht in der Lage, zu Informationen Stellung zu nehmen, daß hier an einen Austausch - etwa an eine Lieferung vom Werk in Chile in die Bundesrepublik - gedacht sei. Darüber
gibt es keinerlei Hinweise. Das ist natürlich denkbar, aber es gibt keinerlei Informationen darüber.
Alle Erfahrungen mit diesen Kooperationen haben aber jedenfalls gezeigt, daß keine Benachteiligung der deutschen Arbeitsstätten damit verbunden war, sondern daß im Gegenteil solche Kooperationen vielfach den Markt für deutsche Lieferungen in diese Länder - und seien es nur Aggregatlieferungen - ausgeweitet haben.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen 78 und 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf. Auf Wunsch des Fragestellers werden diese Fragen schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe Frage 16 des Herrn Abgeordneten Fiebig auf:
Wie hoch ist die Zahl der Arbeitnehmer, die von der flexiblen Altersgrenze Gebrauch machen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Zahl für die weitere Gestaltung der Rentenversicherung?
Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung. Bitte!
Herr Kollege, in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden für Dezember 1974 rund 285 000 flexible Altersruhegelder gezahlt. Davon entfielen auf die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten rund 261 000 Renten, von denen rund 228 000 Altersruhegelder wegen Vollendung des 63. Lebensjahres und 31 000 Altersruhegelder wegen Vollendung des 62. Lebensjahres an Schwerbehinderte bzw. Berufs- oder Erwerbsunfähige waren. Von der Möglichkeit, den Bezug des Altersruhegeldes über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus aufzuschieben, ist bisher in rund 2 000 Fällen Gebrauch gemacht worden.
Die knappschaftliche Rentenversicherung war mit rund 24 000 flexiblen Altersruhegeldern beteiligt.
Die beachtliche Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze - von der, wie erwartet, rund zwei Drittel der Berechtigten Gebrauch machen - läßt erkennen, daß mit der Einführung des flexiblen Altersruhegeldes dem Wunsch der Versicherten nach freier Gestaltung des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben Rechnung getragen worden ist. Die Zielvorstellung, die die Bundesregierung mit der Einführung der flexiblen Altersgrenze verband, ist damit erfüllt.
Die Bundesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie die im Rentenreformgesetz zur flexiblen Altersgrenze getroffenen Regelungen als einen ersten, allerdings wichtigen Schritt ansieht, dem weitere Schritte folgen sollen. Es wäre im Augenblick jedoch verfrüht, etwas darüber zu sagen, wann und in welcher Form ein solcher weiterer Schritt getan werden kann. Wie der RentenParl. Staatssekretär Buschfort
anpassungsgericht 1975 und die Diskussion um die Belastung der Rentenversicherung durch die Rentnerkrankenversicherung beweist, sind die finanziellen Möglichkeiten für weitere Leistungsverbesserungen im Augenblick sehr begrenzt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob die gegenwärtige Arbeitsmarktlage auch dazu geführt hat, daß Arbeitnehmer von der flexiblen Altersgrenze Gebrauch gemacht haben?
Uns sind außergewöhnliche Bewegungen und Veränderungen auf diesem Gebiet nicht bekanntgeworden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, Sie führten aus, daß zwei Drittel der Anspruchsberechtigten von ihrem Anspruch Gebrauch machen. Darf ich Sie fragen, inwieweit dieser Personenkreis aus Rentnern besteht, die eine relativ hohe Rente erwarten können, und ob bei dem einen Drittel die Höhe der Rente der Grund ist, daß die Betreffenden noch weiterarbeiten?
Die Gründe, weshalb der eine die flexible Altersgrenze beansprucht und der andere nicht, mögen sehr unterschiedlich sein. Genau das war ja auch mit der Gesetzgebung gewünscht worden. Hierbei kann natürliche die Frage, ob der einzelne eine hohe Rente erhält oder nicht, ausschlaggebend sein. Es kann aber durchaus sein, daß der einzelne der Auffassung ist, daß er noch leistungsfähig ist und im Arbeitsprozeß verbleiben möchte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, sind Sie auf Grund der jetzigen Ergebnisse nicht der Meinung, daß der Vorschlag der CDU/CSU, nämlich die Begrenzung des Weiterverdienens fallen zu lassen und die Wahlmöglichkeit offen zu halten, ob man mit einem Zuschlag weiterarbeiten oder die flexible Altersgrenze in Anspruch nehmen will, die bessere Lösung gewesen wäre?
Herr Kollege Maucher, ich bin genau gegenteiliger Auffassung. Die jetzt vorgelegten Werte zeigen eindeutig, daß die Bevölkerung insgesamt die Gesetzesvorlage so, wie sie verabschiedet wurde, sehr positiv aufgenommen hat.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Wolfram ({0}) auf. Sie wird auf Grund der Richtlinien für die Fragestunde, nämlich der Nr. 2 Abs. 2, nicht zugelassen, weil der angesprochene Sachverhalt unter Punkt 6 der Tagesordnung behandelt wird.
Ich rufe die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}) auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Peter auf. Auf Wunsch des Fragestellers wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Maucher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auf Grund der negativen Entscheidungsergebnisse der Anträge gemäß § 48 des Bundesversorgungsgesetzes ({2}) eine gesetzliche Änderung zum Siebenten Anpassungsgesetz vorzuschlagen?
Zur Beantwortung, bitte Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Maucher, gestatten Sie, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?
Ja.
Vizepräsident von Hassel: Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 22 des Abgeordneten Maucher auf:
ist die Bundesregierung bereit, wenn sie eine gesetzliche Änderung nicht vornehmen will, wenigstens die hierzu erlassenen Verordnungen so zu ändern, daß ein erheblich größerer Teil in den Genuß einer Witwenbeihilfe kommt?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, mit dem Entwurf eines Siebenten Anpassungsgesetzes eine Änderung von § 48 des Bundesversorgungsgesetzes vorzuschlagen. Ob es tatsächlich berechtigt ist, im Zusammenhang mit der geltenden Vorschrift von „negativen Entscheidungsergebnissen" zu sprechen, erscheint fraglich oder doch zumindest verfrüht, weil, wie ich Ihnen in früheren Fragestunden bereits mitgeteilt habe, brauchbare statistische Unterlagen nicht verfügbar sind und die geltende Regelung nur für besonders gelagerte Einzelfälle gedacht war.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken, daß Verordnungen den im Gesetz festgelegten Leistungsrahmen nicht erweitern können.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugeben, daß Sie genauso wie die, die
draußen in der Praxis stehen, wissen müssen, wie sich diese Gesetzesänderung in Wirklichkeit auswirkt: daß in der Tat im Durchschnitt nicht mehr als 2 bis 3 % positive Entscheidungen in bezug auf die Anträge getroffen wurden und alle anderen Entscheidungen negativ sind.
Herr Kollege Maucher, ich kann Ihnen die Zahlen nicht bestätigen. Uns liegen keine statistischen Werte vor. Ich kann Ihnen allerdings sagen, daß mit der Regelung damals nicht beabsichtigt war, allen eine zusätzliche Versorgung zu gewähren.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann jetzt wenigstens das Ergebnis sagen, wie hoch die Aufwendungen im Haushaltsjahr 1974 für diese Regelung waren und welche Mittel im Jahr 1975 dafür veranschlagt wurden?
Herr Kollege Maucher, ich will gerne veranlassen, daß Ihnen diese Werte zugeleitet werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß mit der jetzigen praktischen Auswirkung bei den Witwen, deren Männer 50 und 60 % beschädigt waren, im Grunde der Grundsatz der Rechtsgleichheit gegenüber den Witwen verletzt wird, deren Männer 70 und mehr Prozent beschädigt waren?
Herr Kollege Maucher, ich bin der Auffassung, daß wir diese Fragen im Ausschuß eingehend behandelt haben. Dann ist ein Gesetz zustande gekommen, und das hat jetzt diese Auswirkungen. Wir haben eben damals im Deutschen Bundestag ein Gesetz verabschiedet, in dem eine Kannvorschrift und eine Ausnahmeregelung vorgesehen sind. Sie möchten jetzt diesen ganzen Bereich verallgemeinern; doch eine solche Verallgemeinerung hat der Gesetzgeber damals nun einmal nicht verabschiedet.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, sind Sie -- für die Zukunft gedacht - nicht mit mir der Meinung, daß keine gesetzliche Regelung besser ist als eine Regelung wie diese?
Herr Kollege
Maucher, diejenigen, die jetzt eine bessere Versorgung erhalten, werden Ihre Auffassung sicherlich nicht teilen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Wagner ({0}) auf:
Wie erklärt es sich, daß die Bundesanstalt für Arbeit, als sie am 9. Januar 1975 über den Stand der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit berichtete, keine aktuellen Zahlen vorgelegt, sondern sich auf die Erhebungen von Mitte Dezember 1974 gestützt hat?
Herr Präsident! Herr Kollege, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 23, 24 und 25 im Zusammenhang beantworten, da es sich um inhaltlich gleiche Fragen handelt.
Vizepräsident von Hassel: Einverstanden! Ich rufe also auch die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Wagner ({0}) und die Frage 25 des Abgeordneten Breidbach auf:
Hat die Bundesregierung auf die Veröffentlichung der Zahlen über Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit durch die Bundesanstalt für Arbeit Einfluß genommen?
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, um für die Zukunft zu gewährleisten, daß die Offentlichkeit nicht mit schon überholten, sondern mit zeitnahen und aktuellen Zahlen über den Stand der Arbeitslosigkeit unterrichtet wird?
Das Recht, Zusatzfragen zu stellen, wird dadurch nicht berührt.
Die monatliche Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesanstalt für Arbeit ist die aktuellste Statistik im Bereich des Wirtschafts- und Soziallebens. Sie entspricht dem zeitnächsten Stand, der mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auf Grund der notwendigen Bearbeitungsdauer erreicht werden kann. Sie kann nicht noch zeitnaher gestaltet werden, wenn die Qualität, das Ergebnis und die Sorgfalt der Berichterstattung erhalten bleiben sollen.
Im einzelnen möchte ich noch folgendes bemerken: Der Zähltermin für die Arbeitslosenzahlen, die der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit in den monatlichen Pressekonferenzen bekanntgibt, liegt stets einige Tage vor Monatsende. Aufbereitung und Analyse des statistischen Materials erfordern eine gewisse Zeitspanne bis zur Veröffentlichung der Daten. Für die Kurzarbeiterstatistik sind diese Arbeiten besonders zeitaufwendig, weil hier primärstatistisches Material und nicht eine Geschäftsstatistik zu Grunde liegt. Die technisch bedingte Zeitspanne zwischen Zählung und Bekanntgabe verlängerte sich für die Statistik der Arbeitslosen von Dezember 1974 ausschließlich wegen der Feiertage zu Weihnachten und Neujahr. Deshalb lag der Zähltermin wie im Dezember jeden Jahres einige Tage früher als in anderen Monaten.
Ihre zweite Frage, Herr Kollege Dr. Wagner, beantworte ich mit Nein.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wagner.
Herr Staatssekretär, da Sie vortragen, daß am 9. Januar aus technischen Gründen noch nichts Aktuelleres bekannt sein konnte, stelle ich die Frage: Ist der Bundesregierung bekannt, daß es in der Bundesrepublik eine Reihe von Arbeitsämtern gegeben hat, die am 3. und 4. Januar über die genauen Zahlen hinsichtlich Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit per 31. Dezember 1974 in ihrem Arbeitsamtsbezirk verfügten?
Wir gehen davon aus, daß es sich hier um eine Darstellung für das gesamte Bundesgebiet handelt, die sich der Präsident der Bundesanstalt jeweils vorbehalten hat.
Ich bezweifle aber auch, daß die Werte am 31. Dezember wesentlich andere sein konnten als die durch den Präsidenten der Bundesanstalt mitgeteilten Daten; denn Sie müssen berücksichtigen, daß in dem Auswertungszeitraum bis zum 31. Dezember, bedingt durch die Feiertage, ganze vier Arbeitstage lagen. Daß sich die Zahl durch Kündigungen während der Weihnachtsfeiertage noch wesentlich verändert hätte, ist unwahrscheinlich. Anders wäre diese Frage schon zu bewerten, wenn man das Datum 1. Januar hätte berücksichtigen können oder müssen. Aber der 1. Januar stand zu keiner Zeit zur Diskussion.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wagner.
Herr Staatssekretär, wenn dies so ist, wenn die Bundesregierung folglich für den realen Stand am Jahresende 1974 auf Vermutungen angewiesen war wie sich aus Ihrer Antwort ergibt -, frage ich: Wie konnte dann der Bundeskanzler wissen und zum Ausdruck bringen, daß ein Ziel der Bundesregierung erreicht worden sei, nämlich zum 31. Dezember 1974 die Zahl von einer Million Arbeitslosen nicht erreicht zu haben?
Ich weiß nicht, ob der Bundeskanzler sich so geäußert hat, aber die Zahlen, die der Präsident der Bundesanstalt veröffentlichte, beweisen, daß der Bundeskanzler recht gehabt hat.
Vizepräsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage, der Abgeordnete Wagner.
Herr Staatssekretär, können Sie den Widerspruch aufklären, der darin liegt, daß Sie einerseits hier vortragen, es sei aus den vorgebrachten technischen Gründen nicht möglich gewesen, wirklich zu ermitteln, wie der Stand der Dinge am Jahresende war, und andererseits im selben Atemzuge sagen, der Bundeskanzler habe mit Recht von einer Zahl unter einer Million zum Jahresende gesprochen? Hat der Bundeskanzler am Jahresende mehr gewußt als der Präsident der Bundesanstalt?
Herr Kollege Wagner, der Präsident der Bundesanstalt hat, wie in jedem Dezember, der Öffentlichkeit Angaben über den gleichen Erhebungszeitraum mitgeteilt. Die Daten sind uns allen offiziell mitgeteilt worden. Die Bundesregierung befindet sich hierbei in keiner anderen Rolle als die gesamte Öffentlichkeit.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Wagner.
Zu meiner zweiten Frage. Herr Staatssekretär, da es zweifellos für viele Beobachter überraschend war, am 9. Januar diese relativ alten Zahlen serviert zu bekommen, möchte ich fragen: Ist der Bundesregierung vorher, vor dem Datum dieser Pressekonferenz, bekannt gewesen, welche Zahlen von welchem Datum die Bundesanstalt bringen würde, oder hat auch die Bundesregierung erst aus der Presse erfahren, daß die Zahlen so wenig aktuell waren?
Herr Kollege Wagner, die Bundesregierung hat zu keiner Zeit andere Daten gewußt als Sie. Ich darf noch einmal betonen, daß es sich gerade bei dieser Statistik um die aktuellsten Daten handelt, die es überhaupt gibt, und daß diese Daten in jedem Jahr zu einem vergleichbaren Zeitpunkt ermittelt werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Breidbach.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie auf die notwendige Qualität des Ergebnisses im Hinblick auf den Ermittlungszeitraum abgehoben haben, möchte ich Sie fragen, ob nicht gerade im Monat Dezember und in dieser krisenhaften Situation auf dem Arbeitsmarkt die Qualität des Ergebnisses vom 9. Dezember nicht gleichzusetzen ist mit der Qualität etwa der Ergebnisse, die wir in den Vormonaten ermitteln können.
Herr Kollege Breidbach, ich will nicht verneinen, daß sich eine geringfügige Qualitätsveränderung durch ein Datum ergeben kann. Es ist aber unwahrscheinlich, daß vor den Weihnachtstagen in der Bundesrepublik noch in einem erheblichen Umfang gekündigt worden ist. Auslaufende Arbeitsverträge sind in aller Regel dem Ende des Jahres zuzuordnen. Die von Ihnen aufgeworfene Frage hat nie angestanden, da der Erhebungszeitraum nie auf das Ende eines Monats bezogen ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Breidbach.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugestehen, daß bei einer Änderung des Ermittlungsergebnisses des Monats Dezember etwa durch eine Hochrechnung auf der Grundlage der ersten 14 Tage in diesem Monat sich die Qualität des Ergebnisses verbessern könnte und daß dann sicher in Anbetracht der Entwicklung die Zahl der Arbeitslosen weit über eine Million betragen hätte?
Herr Kollege Breidbach, ich kann Ihr politisches Interesse verstehen, nun unbedingt diese Million hier festschreiben zu wollen. Die Bundesregierung nimmt aber keinen Einfluß auf die Erhebung der Daten, und sie nimmt auch keinen Einfluß auf die Veröffentlichung der Daten. Wenn Sie dazu besondere Fragen haben, würde ich Ihnen doch sehr empfehlen, sich einmal mit dem Präsidenten der Bundesanstalt in Verbindung zu setzen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, in diesen Selbstverwaltungsbereich einzuwirken.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Stahl.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht richtig, nachdem hier vom CDU-Kollegen Dr. Wagner gesagt wurde, daß einzelne Arbeitsämter die Zahlen schon wußten, bevor die Bundesregierung davon gesprochen hat, daß er einmal die Namen der Ämter nennt, die über das angesprochene gesamte Zahlenmaterial schon vorher verfügt haben?
Buschfort, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich will zunächst einmal allgemein sagen: natürlich wissen die Arbeitsämter ihr Arbeitsamtsergebnis einige Tage früher. Die Verzögerung tritt deshalb ein, weil die Bundesanstalt alle Daten sammeln und dann zu einem Bundesergebnis zusammenführen muß. Natürlich wäre es sehr interessant, welche Einzeldaten vorher schon bekanntgegeben worden sind. Wir haben solche Informationen nicht gehabt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Breidbach.
Herr Staatssekretär, meine Zusatzfrage bezieht sich auf die Frage 24, zu der Sie in Ihrer Antwort eine Einflußnahme der Bundesregierung auf die Veröffentlichung der Zahlen ausgeschlossen haben. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, ob Sie ausschließen können, daß Spitzenbeamte des Ministeriums in interpretierender Form entweder nach oben oder nach unten auf das Zahlenergebnis Einfluß genommen haben.
Ja, das kann ich ausschließen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Maucher.
Herr Staatssekretär, zunächst zu der Frage 23: Sind sie nicht mit mir der Meinung, daß die Angestellten, deren Arbeitsverhältnis auf Grund der Kündigung am 31. Dezember endet, in den Statistiken, wie sie bekanntgegegeben worden sind, nicht enthalten sind? Wäre somit die Statistik vielleicht nicht dann deutlicher, wenn man den Bekanntgabetermin um einige Tage verschieben würde, um damit ein absolut zuverlässiges Ergebnis, das der Wirklichkeit mehr entspricht, zu haben?
Herr Kollege Maucher, den Sinn dieser Frage verstehe ich nun wirklich nicht mehr. Selbstverständlich können die Arbeitnehmer, die noch nicht aus einem Betrieb ausgeschieden sind, also sich noch in einem Arbeitsverhältnis befinden, noch nicht in einer Arbeitslosenstatistik aufgeführt werden. Diese Arbeitslosen - in aller Regel sind das Angestellte - können eben erst ab 1. Januar als Arbeitslose geführt werden.
Vizepräsident von Hassel: Sie haben zu Frage 24 noch eine Zusatzfrage. Bitte schön!
Zu Frage 24: Herr Staatssekretär, ich glaube es Ihnen, daß Sie auf die Bundesanstalt keinen Einfluß genommen haben. Würden Sie mir aber dann auch bestätigen, daß es unter einem Präsidenten Stingl gar nicht möglich wäre, auf die Zahlen von seiten der Bundesregierung Einfluß zu nehmen?
Herr Kollege Maucher, genau das will ich Ihnen bestätigen. Deshalb verstehe ich die Fragen von Herrn Breidbach und auch von Herrn Wagner nicht, ob wir Einfluß genommen haben. Ich glaube, das zeugt von einer ganz eigenartigen Gedankenrichtung.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Höcherl.
Herr Staatssekretär, muß man nicht angesichts Ihrer Ausführungen davon sprechen, daß dem Herrn Bundeskanzler prophetische Sehergaben zugemessen werden müssen in bezug auf seine Frühkenntnis der Daten?
Herr Kollege Höcherl, es gibt gar keinen Zweifel daran, daß der Herr Bundeskanzler außergewöhnliche Qualitäten hat.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Reiser.
Herr Staatssekretär, kann bei einigen Fragen nicht der Eindruck aufkommen, daß es hier mehr um Spielereien mit Statistiken geht als um die Sache selbst, nämlich Arbeitslosigkeit?
Daß dies ein politisch hochbrisanter Vorgang ist, darüber gibt es keinen Zweifel, und daß man daran natürlich gern etwas drehen möchte, kann ich verstehen; aber wir werden uns da schon zu wehren wissen.
Vizepräsident von Hassel: Die Antwort ging haarscharf an einer Wertung vorbei. Wertungen sind weder in der Frage, noch in der Antwort nicht gestattet. Aber ich glaube, daß es haarscharf daran vorbeigegangen ist.
Weitere Zusatzfragen zu diesen drei Fragen liegen nicht vor.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf:
An welcher Stelle innerhalb der OECD-Staaten steht die Bundesrepublik Deutschland mit ihren derzeitigen Arbeitslosenzahlen im Verhältnis zu den Beschäftigtenzahlen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Breidbach, die Internationale Arbeitsorganisation hat eine vergleichende Ubersicht über die OktoberArbeitslosenquote in 14 Industriestaaten erstellt, die der OECD angehören. Dort liegt die Bundesrepublik Deutschland auf Platz 8 in der Höhe der Quote, nimmt also einen Mittelrang ein. Nach Schätzungen der OECD für die 24 Mitgliedstaaten zur Arbeitslosigkeit im zweiten Halbjahr 1974 ändert sich an dieser mittleren Position wenig. Die Bundesrepublik nimmt danach den zwölften Platz ein. Allerdings lassen sich derartige Aussagen nur mit großen Vorbehalten machen. Internationale Vergleiche von Arbeitslosenzahlen sind durch unterschiedliche Erhebungsmethoden in den einzelnen Ländern in ihrer Aussagekraft stark beeinträchtigt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Breidbach.
Herr Staatssekretär, haben Sie zufällig Angaben über Vergleichsmöglichkeiten der letzten Jahre zur Hand, und könnten Sie mir sagen, ob die Bundesrepublik Deutschland schon einmal an achter bzw. - vorausschauend - an zwölfter Position unter den 24 OECD-Staaten gelegen hat?
Herr Kollege, ich habe keine vergleichenden Darstellungen da, aber ich bin gern bereit, Ihnen die Ergebnisse aus der Vergangenheit schriftlich mitzuteilen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Breidbach.
Herr Staatssekretär, gibt es interne Berechnungen - ich meine damit keine Angaben des Internationalen Arbeitsamtes - über die Position der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der OECD-Staaten zum Ende dieses Jahres?
Mir ist nicht bekannt, ob solche abgeschlossenen Ergebnisse vorliegen. Ich werde aber auch das gern prüfen lassen und Ihnen dann das Ergebnis mitteilen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Nordlohne.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage, die auf unser Sozialrechtssystem abzielt, nach dem auch jemand, der nicht durch die entsprechenden 26 Vorwochen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe hat, wenn Sie so wollen, sehr wohl arbeitslos sein und seinen Lebensunterhalt aus der Sozialhilfe bestreiten kann. Ich frage also, ob unser Rechtssystem mit den Rechtssystemen der 24 OECD-Staaten gleichzusetzen ist, um hier überhaupt eine solche Rangliste aufstellen zu können.
Ich sagte bereits, daß es hier sehr schwierig ist, zu vergleichen. Ich darf aber sehr deutlich sagen: ich bin der Auffassung, daß unsere Erhebungen sehr umfassend sind. Bei uns werden Arbeitslosengeldbezieher, Arbeitslosenhilfebezieher und auch Arbeitsuchende in die Arbeitslosenquote einbezogen, die in anderen Ländern zum Teil geschätzt wird, zum Teil auf Stichprobenergebnissen beruht. Ich gehe davon aus, daß unsere Erhebungen sogar außergewöhnlich sorgfältig erstellt sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Wagner.
Herr Staatssekretär, können Sie mir das sonderbare Phänomen erklären, das darin besteht, daß die Bundesregierung beim Vergleich von internationalen Preisentwicklungen stets die neuesten Zahlen zur Hand hat und sie eifrig zitiert, während sie offenbar größte Schwierigkeiten hat, die Position der Bundesrepublik bei einem Vergleich der Arbeitslosenzahlen international zuverlässig zu ermitteln und auch zu publizieren?
Herr Kollege, die Preisstatistiken werden national erhoben und werden dadurch schnell bekannt. Hier handelt es sich um eine Frage im OECD-Bereich. Dabei ist natürlich das Ergebnis immer erst mit gewissen Abständen zu erhalten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Freiherr Ostman von der Leye.
Herr Staatssekretär, werden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß man bei einer solchen Statistik, um vergleichbare Zahlen zu bekommen, auch die Zahl der jeweiligen Gastarbeiter in den anderen Staaten einbeziehen müßte?
BusChfort Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Es gibt viele Faktoren, die man berücksichtigen müßte. Auch ist die Frage nicht nur auf die Gastarbeiter bezogen zu stellen, sondern z. B. auch auf den Bereich der Teilzeitbeschäftigten, die bei uns mit einbezogen werden und die möglicherweise in anderen Ländern überhaupt nicht berücksichtigt werden. Von daher gesehen muß man also solche Vergleiche in der Tat sehr vorsichtig bewerten.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Ey auf:
In welchem Umfang besuchten Gastarbeiterkinder aus Nicht-EWG-Ländern Schulen in der Bundesrepublik Deutschland, und ist zu erwarten, daß infolge der Kindergeldgewährung mit einer deutlichen Zunahme dieser Schüler gerechnet werden muß?
Nach Mitteilung der Ständigen Konferenz der Kultusminister besuchten im Schuljahr 1972/73 rund 200 000 Kinder aus Nicht-EWG-Staaten allgemeinbildende Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundesregierung ist bekannt, daß anläßlich der Einschulung neuer Ausländerkinder Ende vergangenen Jahres in der Öffentlichkeit die von Ihnen angedeutete Erwartung diskutiert wurde.
Zunächst einmal ist hierzu zu bemerken, daß ein Zuzug von Familienangehörigen, hier insbesondere von Kindern im schulpflichtigen Alter aus den unterschiedlichsten, sicherlich nicht immer ökonomischen Motiven erfolgen kann. Es dürfte schwierig sein, hier die für den einzelnen maßgebenden Motivationen zu erfassen und daraus allgemeine Aussagen im Sinne Ihrer Fragestellung zu ermitteln. Auch rein zahlenmäßig ist es zur Zeit nicht möglich, in der Statistik der Wanderung von ausländischen Staatsangehörigen über die Grenzen der Bundesrepublik nach Familienangehörigen ausländischer Arbeitnehmer - und darunter wieder nach Schülern - zu unterscheiden.
Generell dürfte jedoch davon auszugehen sein, daß die neuen Kindergeldsätze die ausländischen Arbeitnehmer nicht in erheblichem Maße zum Familiennachzug veranlassen, da das höhere Kindergeld für die in der Bundesrepublik lebenden Kinder durch die höheren Lebenshaltungskosten aufgezehrt würde.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Ey.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß oftmals durch die Kinder der Gastarbeiter, die in den Schulen sind, auch erhebliche sprachliche Schwierigkeiten, Verständigungsschwierigkeiten bestehen und dadurch auch der Lernprozeß der eigenen Kinder erheblich verlangsamt wird?
Herr Kollege, wir wissen, daß es hier beachtliche Schwierigkeiten gibt, sowohl im Kindergartenbereich als auch im Schulbereich. Die Bundesregierung, aber insbesondere auch die Länder sind bemüht, mit wissenschaftlichen Methoden die Sprachbarrieren abzubauen.
Allgemein darf ich noch einmal sagen, daß aus Ihrer Frage nicht abgeleitet werden kann, daß wir nun ausschließlich Klassen für Ausländerkinder einrichten sollten. Denn das würde der Auffassung der Bundesregierung, eine Integration zu betreiben, widersprechen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe Frage 29 des Abgeordneten Rollmann auf - der Abgeordnete ist anwesend -:
Wird die Bundesregierung angesichts der Zahl von 100 000 arbeitslosen Jugendlichen im Alter von 15 bis 20 Jahren nunmehr ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeits- losigkeit aufstellen und verwirklichen?
Kollege Roll- mann, die derzeitige Jugendarbeitslosigkeit hängt vor allem mit der konjunkturbedingten Verschlechterung der Beschäftigungssituation zusammen. Demgegenüber treten strukturbedingte Ursachen - anders als bei den älteren Arbeitnehmern - zurück. Daher ist eine vergleichsweise kurze Dauer der Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen zu beobachten.
Die konjunkturbelebenden Maßnahmen insbesondere vom Dezember des vergangenen Jahres werden somit gerade den Jugendlichen zugute kommen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß mit den vorgesehenen Lohnkostenzuschüssen auch der Abschluß von Ausbildungsverträgen für arbeitslose Jugendliche verstärkt gefördert werden soll. In die gleiche Richtung soll die Mobilitätszulage wirken. Schließlich wurden im Rahmen des Konjunkturprogramms weitere 75 Millionen DM als Zuschüsse für überbetriebliche Ausbildungsstätten bereitgestellt, so daß nunmehr insgesamt 150 Millionen DM dafür zur Verfügung stehen. Es ist zu erwarten, daß sich ihre Beschäftigungssituation im Zuge des durch diese Maßnahmen eingeleiteten Wirtschaftsaufschwungs alsbald normalisieren wird. Im übrigen ist auf die besonderen Vermittlungsbemühungen hinzuweisen, welche die
Bundesanstalt für Arbeit für Jugendliche unternimmt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Rollmann.
Darf ich daraus entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung nicht die Absicht hat, zugunsten der jugendlichen Arbeitslosen besondere Maßnahmen zu ergreifen?
Herr Kollege Rollmann, diese Frage kann ich jetzt nicht abschließend beurteilen, da das Kabinett im Moment diese Frage behandelt.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Rollmann.
Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß das Geld, das die Bundesregierung jetzt für die Errichtung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten ausgeben will, erst sehr langfristig zur Geltung kommt? Denn es dauert doch einige Zeit, bis diese Ausbildungsstätten errichtet worden sind, bis sie ausbilden und arbeiten können.
Ich bin Ihrer Auffassung, daß die Errichtung neuer Ausbildungsstätten natürlich längerfristig gesehen werden muß. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, Herr Kollege Rollmann, und zwar die, Gelder in vorhandene Ausbildungsstätten zu investieren und damit die Zeit, die sonst für den Bau in Anspruch genommen würde, ganz beachtlich zu verringern.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Jugendarbeitslosigkeit in strukturschwachen Gebieten infolge der Rezession in der Wirtschaft und des Fehlens von Arbeitsplätzen besonders hoch ist, und stimmen Sie mir zu, daß gerade hier ein Sofortprogramm dringend erforderlich ist? Ich denke hier z. B. an die Einschaltung von Bundesunternehmen, Bahn und Post, mit dem Ziel, hier zumindest Lehrplätze zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege, das Bundeskabinett wird heute die von Ihnen angesprochene Frage prüfen, die Frage also, ob freie Kapazitäten im Ausbildungsbereich bei der Bundespost und der Bundesbahn zur Verfügung gestellt werden können. Ich kann Ihnen also, wie gerade auch dem Kollegen Rollmann, keine Antwort geben. Sicherlich werden Sie das Ergebnis morgen durch die Presse erfahren.
Aber ich will in diesem Zusammenhang auf ein anderes Problem aufmerksam machen, wenn Sie von strukturschwachen Gebieten sprechen: Selbstverständlich gibt es besondere Schwierigkeiten und Probleme. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, daß auf Grund von Gesetzgebung und Tarifverträgen z. B. ältere Arbeitnehmer nur noch schwer gekündigt werden können, ebenso Behinderte und Beschäftigte mit besonderem sozialen Status, z. B. Familienväter. Letztlich ist dann die weichste Stelle der Status der Jugendlichen. Da ein Jugendlicher unter 20 Jahren auch nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt, haben wir es uns vielleicht alle ein wenig selber zuzuschreiben, daß es sich hier um einen Schwachpunkt handelt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, da nach den Angaben der Bundesanstalt von den jugendlichen Arbeitslosen ein großer Teil nicht einmal über einen Hauptschulabschluß verfügen - was ja eigentlich die Grundlage für eine zukünftige berufliche Tätigkeit wäre -, möchte ich fragen, ob die Bundesregierung auch diesen Aspekt in die Überlegungen einbezieht, möglicherweise Hauptschulabschlüsse nachholen zu lassen.
Herr Kollege, die Bundesanstalt für Arbeit hat speziell für diese Jugendlichen Sonderprogramme eingeleitet. Die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel sind beachtlich. Mit diesen Mitteln soll erreicht werden, daß diese Jugendlichen in Kurzlehrgängen oder aber in ausgesprochenen Ausbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen für eine angemessene Tätigkeit vorbereitet werden, die gerade in strukturschwachen Bereichen einen längerfristigen Arbeitsplatz sichert.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie angesichts der beängstigenden Jugendarbeitslosigkeit die Tatsache, daß bei der Deutschen Bundespost im letzten Jahr von 6 000 Ausbildungsplätzen, für die sämtlich die notwendigen Installationen und Ausbilder vorhanden sind, nur 1 000 besetzt wurden, 5 000 also unbesetzt geblieben sind?
Könnten Sie entsprechende Zahlen für die Bundesbahn nennen, und wie beurteilen Sie diesen Tatbestand angesichts der Vorwürfe, die gegen die freie Wirtschaft erhoben werden: daß dort zuwenig Jugendliche Ausbildungsmöglichkeiten erhalten?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich bin der Auffassung, daß wir diesen Vorwurf, der in der Öffentlichkeit erhoben
wird, ernsthaft prüfen müssen. Wie ich bereits sagte, beschäftigt sich das Kabinett heute mit diesen Fragen.
Selbstverständlich muß ich hier auch sagen, daß wir als Mitglieder des Bundestages der Deutschen Bundespost und der Bundesbahn immer wieder zur Sparsamkeit Veranlassung gegeben haben. Dabei sind natürlich Personaleinschränkungen vorgenommen worden und werden wahrscheinlich auch zukünftig vorgenommen werden. Daß das dann Auswirkungen haben kann, die wir jetzt beklagen, ist kaum zu bestreiten.
Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang aber auch noch etwas zu Ihrer Bemerkung sagen, es handele sich um eine beängstigende Arbeitslosenquote. Ich habe in den letzten Tagen verschieden Zahlen gelesen, zu denen ich in aller Deutlichkeit sagen muß: Hier handelt es sich um Schätzungen und nicht um amtliche Angaben. Darüber hinaus ist der September 1974 als Bezugspunkt denkbar schlecht, da es sich bei diesem Monat um einen Monat handelt, in dem die Schulentlassungen sichtbar werden. Daher sind alle Hochrechnungen, in denen man auf diesen Monat Bezug nimmt, mit erheblichen Risiken behaftet.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage hat der Abgeordnete Stahl.
Herr Staatssekretär, nun müßte dieses Problem der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen natürlich auch in Zusammenarbeit mit den Bundesländern gelöst werden. Können Sie dem Hause einmal darstellen, ob eine CDU/CSU-geführte Landesregierung für diesen Bereich und dessen Lösungsmöglichkeit schon ein spezielles Programm vorgelegt hat?
Herr Kollege Stahl, mir sind spezielle Länderprogramme nicht bekannt. Vielleicht darf ich das mit einer Einschränkung sagen: Nordrhein-Westfalen hat ein Sonderprogramm verabschiedet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Staatssekretär, liegen erste Erfahrungen in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beim Abrufen der Lohnkostenzuschüsse und der Mobilitätszulage vor, mit anderen Worten: Bemüht sich die Wirtschaft darum, diese Mittel einzusetzen, um selbst zum Abbau dieser Arbeitslosigkeit beizutragen?
Herr Kollege Urbaniak, mir ist bekannt, daß ein außergewöhnlich großes öffentliches Interesse an diesen Fragen vorhanden ist. Es ist aber noch zu früh, hier jetzt schon Erfahrungswerte zu verkünden, da dieses Programm erst seit wenigen Wochen in Kraft ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Maucher.
Herr Staatssekretär, werden Sie mir zugeben, daß dieses Problem in der Tat doch darauf zurückzuführen ist, daß die Bereitschaft zur Ausbildung in den letzten Jahren nachgelassen hat? Können Sie mir die Hauptursache nennen, weshalb die Bereitschaft nachgelassen hat, Jugendliche auszubilden?
Vizepräsident von Hassel: Verehrter Herr Kollege, die Zusatzfragen müssen sich auf die Grundfragen beziehen. Ich habe keine Bedenken, wenn in diesem Fall die Antwort erfolgt, aber Ihre Frage bezieht sich nicht auf die Grundfrage. Deshalb muß die Antwort jetzt nicht gegeben werden.
Ich darf die Grundfrage damit untermauern: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß mir gestern von der Bundesanstalt für Arbeit mitgeteilt wurde, daß diejenigen, die keine Ausbildung haben, den größten Teil der arbeitslosen Jugendlichen darstellen?
Vizepräsident von Hassel: Das ist auch sehr an der Grenze.
({0})
Herr Kollege Maucher, die Beantwortung dieser Fragen fällt zweifellos in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Ministeriums. Aber mein Informationsstand - und den will ich hier gern kundgeben - geht dahin, daß im vergangenen Jahr 3 800 Jugendliche arbeitslos waren, weil sie keine Lehrstelle gefunden haben. Wenn man weiß, welch großer Bedarf an Lehrstellen und welches Angebot von Lehrstellen vorhanden ist, so erscheint diese Zahl in der Tat eher minimal.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage hat der Abgeordnete Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, da Herr Kollege Schulze-Vorberg von 5 000 freien Arbeitsplätzen bei der Bundespost im letzten Jahr gesprochen hat, möchte ich Sie fragen: Wären Sie bereit, ihm die korrekte Zahl der freien Ausbildungsplätze des letzten Jahres mitzuteilen, die erheblich geringer war?
Herr Kollege Becker, ich komme diesem Ersuchen gern nach. Ich kenne die genaue Zahl zwar noch nicht, aber wir werden sie Herrn Kollegen Dr. Schulze-Vorberg mitteilen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Höcherl auf. Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist nicht anwesend. Die
Vizepräsident von Hassel
Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Frau Pack auf:
Welche aktuellen Zahlen liegen der Bundesregierung über Jugendarbeitslosigkeit, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, schulischer Vorbildung, Beruf und regionaler Verteilung, vor?
Fließen aktuelle Daten über Jugendarbeitslosigkeit in das Institut für Berufsbildungsforschung in Berlin ein, und welche Konsequenzen werden dort gezogen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Kollegin, die von Ihnen gewünschten Daten ergeben sich weitgehend aus der Sondererhebung der Bundesanstalt für Arbeit von Ende September 1974 zur Struktur der Arbeitslosigkeit. Die Ergebnisse dieser Erhebung liegen mir vor. Es handelt sich um Zahlenreihen, die auf fünf Schreibmaschinenseiten zusammengetragen worden sind. Ich bin gern bereit, sie Ihnen hier vorzutragen. Ich möchte aber anregen, daß sie Ihnen schriftlich zugesandt werden.
Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich, daß die genannten Zahlen wie alle sonstigen Daten zur Beschäftigungs- und Ausbildungssituation der Jugendlichen für 'die Forschungstätigkeit des Instituts für Berufsbildungsforschung mit herangezogen werden. Von besonderem Interesse dürften sie für die Arbeiten des Instituts zur Problematik der ungelernten Jungarbeiter sein, die bekanntlich überdurchschnittlich von der Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Pack.
Welche Orientierungsdaten werden von diesem Institut aus den mit der Berufsfindung und Berufsausbildung betrauten Stellen gegeben?
Wie mir bekannt ist, werden die Ergebnisse dieser Institute den relevanten Bereichen, aber auch der Bundesanstalt mitgeteilt.
Vizepräsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Pack.
Wie steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang zu der vor einigen Monaten in der Presse beklagten absoluten Effektlosigkeit dieses Bundesinstituts in Berlin?
Darüber bin ich nicht informiert. Ich weiß nicht, mit welchen Ergebnissen dieses Institut arbeitet.
Vizepräsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, da Sie uns die vielen der Bundesregierung offenbar vorliegenden Zahlen über die Jugendarbeitslosigkeit hier nicht vortragen konnten, darf ich fragen, ob sich aus diesem Zahlenmaterial besondere Schwerpunkte ergeben, die Sie hier aufführen möchten.
Ich darf zunächst einmal sagen, daß in dieser Statistik schwerpunktmäßig zwischen Männern und Frauen unterschieden wird und daß der Bereich ,der Schwerbehinderten und - soweit ich informiert bin - der Teilzeitbeschäftigten besonders erfaßt wird. Ferner gibt es bestimmte Angaben über das Alter der Arbeitslosen und ,die Arbeitslosigkeit in den einzelnen Ländern. Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, es wäre vielleicht auch in Ihrem Falle richtig, wenn ich Ihnen das erwähnte Material zustellte.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, da es sich bei diesen Zahlen, wie Sie vorhin äußerten, um statistisch festgestellte Werte der Bundesanstalt per Ende Dezember 1974 handelt, möchte ich fragen, inwieweit der Kreis Jugendlicher, die kein Arbeitslosengeld oder keine Arbeitslosenhilfe beziehen, aber eben ohne Arbeit sind, erfaßt wird.
Herr Kollege, zunächst muß ich eine Feststellung treffen: Ich habe nicht die Ergebnisse vom Dezember 1974 angesprochen. Die statistischen Erhebungen beziehen sich vielmehr auf September 1974. Diese Erhebungen werden zweimal im Jahr durchgeführt, und zwar im Mai und im September.
Zu Ihrer Frage möchte ich sagen, daß wir in unserer Statistik 'den Bereich der Personen unter 20 Jahren erfassen. In diesen Zahlen sind alle Arbeitslosen enthalten, unabhängig davon, ob sie nun Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen oder nicht. Hier geht es um Arbeitslose, d. h. um Arbeitsuchende.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Franz auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 34 und 35. Der Fragesteller, Herr Abgeordneter Löher, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen damit zur Frage 36 des Herrn Abgeordneten Nordlohne:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik Deutschland nach den Berichten für den Monat Dezember 1974 die Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit zwischen dem Monat Novem9840
Vizepräsident von Hassel
ber 1974 und dein Monat Dezember 1974 sprunghaft angestiegen ist, so z. B. im Bereich des Arbeitsamtsbezirks Vechta ({0}) um 47,5 % und daß damit schon jetzt Arheitsiosenquoten in Teilgebieten bis zu 17 % zu verzeichnen sind?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Ich darf die beiden Fragen 36 und 37 sicher im Zusammenhang beantworten, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Bedenken? - Nein. Dann rufe ich auch die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf:
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß diese erheblichen Zunahmen der Arbeitslosen- und Kurzarbeiterquoten überwiegend aus dein Baugewerbe kommen und insbesondere die mittleren und kleineren Bauunternehmen unter einem erheblichen Auftragsmangel leiden, bereit zu prüfen, ob die Ursache hierfür nicht darin begründet liegt, daß im Rahmen des am 18. Dezember 1974 verabschiedeten Konjunkturprogramms die Gewährung von Investitionszuschüssen zur Konjunkturbelebung sich nur auf Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und Wohnheime, nicht hingegen auf Familienheime im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes erstreckt?
Wenn in einigen Regionen des Bundesgebiets die Arbeitslosigkeit zwischen Ende November und Ende Dezember besonders stark angestiegen ist, so dürfte das in erster Linie an Saisoneinflüssen und weniger an konjunkturellen Entwicklungen liegen. Hierfür spricht die regionale Konzentrierung dieser Zunahme auf Gebiete mit herkömmlich hoher Winterarbeitslosigkeit. Etwa 30 % der Zunahme der Arbeitslosenzahlen entfallen zudem auf Bauberufe.
Dies war auch der Prozentsatz, um den sich die Zahl der Arbeitslosen aus Bauberufen im Arbeitsamtsbezirk Vechta erhöhte. Die prozentuale Zunahme der Gesamtarbeitslosigkeit in diesem Arbeitsamtsbezirk war mit 48 % im angegebenen Zeitraum übrigens nicht so ausgeprägt wie im Durchschnitt der Jahre 1967 bis 1973 mit 132 %. Offizielle Zahlen über Arbeitslosenquoten von 17 % im Bereich dieses Arbeitsamtes sind mir nicht bekannt. Die Kurzarbeit erhöhte sich in Vechta nicht so stark wie im Bundesgebiet insgesamt.
Auf Ihre zweite Frage antworte ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau folgendes:
Die Zunahme der Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen kommt keineswegs überwiegend aus dem Baugewerbe, sondern bei der Arbeitslosenzahl entfällt die Zunahme nur zu 30 % auf Bauberufe, wie bereits ausgeführt. Kurzarbeit spielt für das Baugewerbe nach wie vor nur eine geringe Rolle, zumal in Vechta, wo es nur 35 Kurzarbeiter in dieser Branche gibt.
Die im Dezember letzten Jahres verabschiedeten konjunkturpolitischen Maßnahmen zu Förderung und Wachstum bei Stabilität dienen im Rahmen ihrer gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung u. a. auch dem Zweck, den notwendigen Umstrukturierungsprozeß in der Bauwirtschaft zu erleichtern und einem über das mittelfristig erforderliche Maß hinausgehenden Kanazitäts- und Beschäftigungsabbau entgegenzuwirken. Die Auswirkungen dieses Programms, dessen Abwicklung gerade erst angelaufen ist, können sich natürlich erst im weiteren Verlauf des Jahres zeigen. Die Beschränkung der Investitionszuschüsse auf Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und Wohnheime im Bereich des sozialen Wohnungsbaus kann daher nicht ursächlich für die gegenwärtigen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sein. Überdies wäre eine Ausdehnung der Förderung auf Ein- und Zweifamilienhäuser auch kaum geeignet, über einen gewissen Vorzieheffekt hinaus durchgreifende Stützungswirkungen auszulösen, da die Entwicklung des Eigenheimbaus bei weitem nicht so stark rückläufig ist wie der Geschoßwohnungsbau.
Die von den Investitionszuschüssen ausgehenden positiven Impulse werden sich auch zugunsten der mittleren und kleineren Bauunternehmen auswirken, die nicht nur beim Bau von Eigenheimen, sondern auch im Mietwohnungsbau engagiert sind. Die Bundesregierung ist daher der Überzeugung, daß die getroffenen Maßnahmen und die zusätzlichen Entlastungswirkungen, die insbesondere auch von der anhaltenden Senkung des Zinsniveaus ausgehen, für alle am Baugeschehen Beteiligten nützlich sein werden.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Arbeitsamtsbezirk Vechta die saisonunabhängigen Betriebe zur Vermeidung von Entlassungen und damit weiterer Vollarbeitslosigkeit bestrebt sind, die rezessive Konjunkturentwicklung durch Arbeitszeiteinschränkungen auszugleichen?
Herr Kollege, das ist keine Besonderheit. Es gibt viele Betriebe, die durch Arbeitszeiteinschränkungen versuchen, ihre Arbeitnehmer zu halten. Wir kennen das im Bereich der Kurzarbeit, aber es gibt auch die Möglichkeit der verkürzten Arbeitszeit, z. B. den Abbau von Überstunden.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Zur Frage 37: Ist die Bundesregierung im Falle einer nachgewiesenen oder erkannten negativen Situation im Baugewerbe, die dadurch entsteht, daß bei der Gewährung einer Investitionszulage Eigentumswohnungen und Familienheime im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht einbezogen sind, bereit zu prüfen, ob eine solche Einbeziehung zukünftig möglich wäre? Es geht hier gar nicht um den Arbeitsamtsbezirk Vechta allein.
Herr Kollege, Sie werden verstehen, daß ich mich zu dieser Frage
nicht äußern kann. Sie gehört in ein anderes Ministerium. Ich will sie aber gerne zu einer Prüfung meinem Kollegen weiterleiten.
Vizepräsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage des Abgeordneten Nordlohne.
Ich darf mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär, dafür bedanken. Dann wüßte ich gern, ob diese Frage, die hier angesprochen und von Ihnen dankenswerterweise umfassend beantwortet wurde, am heutigen Tage auch Gegenstand der Beratungen zwischen dem Bundesfinanzministerium und den zuständigen Verbänden aus Handel, Handwerk und Industrie werden könnte. Wären Sie bereit, dafür Sorge zu tragen?
Herr Kollege, ich werde den gesamten Fragenkomplex meinem Kollegen unterbreiten, und sicherlich werden Sie dann eine schriftliche Antwort erhalten.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter Maucher, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Kurzarbeit auf die Dauer keine Lösung sein wird, sondern vielmehr die Gefahr besteht, daß die Kurzarbeiter die Arbeitslosen von morgen sind? Deshalb die Frage an Sie: Wann kommt nach Ihrer Meinung der Aufschwung?
Herr Kollege Maucher, wir gehen davon aus, daß der Aufschwung im Frühjahr einsetzen wird, und zum andern wissen Sie so gut wie ich, daß die Kurzarbeiterregelung nicht langfristig angelegt ist, das drückt sich schon dadurch aus, daß das Gesetz bereits eine Begrenzung vorsieht.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
In welchem Umfang sind Nebenerwerbslandwirte von der Arbeitslosigkeit betroffen, sind sie als Nebenerwerbslandwirte wegen ihres NE-Betriebs hinsichtlich der zeitlichen Reihenfolge der Ausstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt, und wie wirkt sich die normale Weiterführung des landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs auf die Gewährung des Arbeitslosengelds aus?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Ob Arbeitslose neben ihrer bisherigen Arbeitnehmertätigkeit einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet haben, kann in der laufenden Arbeitslosenstatistik nicht ausgewiesen werden. Hierzu bedürfte es besonderer Umfragen. Unterlagen darüber, ob und inwieweit Nebenerwerbslandwirte bei Freistellungen gegenüber anderen Arbeitnehmern
wegen ihres landwirtschaftlichen Besitzes benachteiligt sind, liegen der Bundesregierung nicht vor.
Arbeitslose Arbeitnehmer, die im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, erhalten Arbeitslosengeld unter denselben Voraussetzungen wie sonstige Arbeitnehmer. Wegen ihrer Tätigkeit als Landwirte kann der Antrag auf Arbeitslosengeld nur dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller mindestens 20 Stunden wöchentlich selbst in seiner Landwirtschaft arbeitet. Insoweit schließt die Tätigkeit als Landwirt Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes ebenso aus wie eine unselbständige Beschäftigung gleichen Ausmaßes. Bei der Feststellung des zeitlichen Umfanges der selbständigen Tätigkeit bleiben jedoch Tätigkeiten, die in dem Betrieb des Arbeitslosen vorher von anderen Personen - besonders von mithelfenden Familienangehörigen - ausgeübt worden sind und von dem Betriebsinhaber nur aus Anlaß des Verlustes seiner unselbständigen Beschäftigung übernommen werden, unberücksichtigt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel!
Kann man folglich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß ein Nebenerwerbslandwirt, wenn er seinen Betrieb im normalen Umfang weiterführt. Arbeitlosengeld erhalten wird?
Wenn er den Betrieb im bisherigen Umfang weiterführt, ja.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage? - Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär; ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe die Frage Nr. 41 des Herrn Abgeordneten Becker ({0}) auf:
Liegen der Bundesregierung auf das Bundesgebiet bezogene Zahlen Tiber die Fälle von lebensgefährlichen Vergiftungen vor, die Kinder durch den Genuß von giftigen Pflanzen auf Spielplätzen und in Parkanlagen davongetragen haben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär Dr. Wolters.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Becker! Außer einigen Mitteilungen über Vergiftungsfälle bei Kindern durch Zierpflanzen liegen der Bundesregierung keine Zahlen über Häufigkeit, Art und Schweregrad solcher Vergiftungen vor. Es besteht hierüber keine Meldepflicht. Die Bundesregierung hat aber vor Jahresfrist das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information beauftragt, an Hand von vorhandenem Krankengut Zahl und Art von Vergiftungsfällen - darunter fallen auch die Vergiftungen mit Pflanzen - maschinenlesbar zu erfassen, um sie in Zusammenarbeit mit den Giftinformations- und -behandlungszentren auszuwerten und
darauf weitere Maßnahmen zur besseren Behandlung und der Verhütung aufzubauen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage? - Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Becker ({0}) auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, der Gefährdung von Kindern durch giftige Pflanzen auf Spielplätzen und in Parkanlagen entgegenzuwirken, die über unzureichende Aufklärungsmaßnahmen üblicher Art hinausgehen?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung beabsichtigt, im Rahmen des in Vorbereitung befindlichen Giftgesetzes das Anpflanzen von giftigen Pflanzen in der Nähe von Kinderspiel-und Erholungsplätzen sowie im unmittelbaren Bereich von Kinderheimen, Kindergärten und Kindertagesstätten zu verbieten.
Um aber jetzt schon den zuständigen Behörden, Institutionen und Privatpersonen Hinweise auf derartige Gefahren zu geben, hat sie die Bekanntmachung einer Liste giftiger Pflanzen im Bundesanzeiger in die Wege geleitet. Mit der Veröffentlichung ist in Kürze zu rechnen. Die Bundesregierung empfiehlt darin gleichzeitig, diese Pflanzen nicht im Bereich der eben genannten Plätze und Stätten anzupflanzen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung außerdem die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Bundesländer diesem Problem in Zukunft eine etwas größere Bedeutung beizumessen?
Ja; die Bundesregierung wird neben der Empfehlung, die sich aus der Veröffentlichung im Bundesanzeiger ergeben wird, auch mit den Ländern unmittelbar Kontakt aufnehmen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Haenschke.
Herr Staatssekretär, ist beabsichtigt, in der Aufklärung der Öffentlichkeit hinsichtlich giftiger Pflanzen auch auf die Gefahren, die von vergifteten Pflanzen ausgehen, hinzuweisen, z. B. durch Pflanzen mit hohem Bleigehalt in der Nähe von stark befahrenen Straßen?
Ich glaube, daß die beiden Probleme sehr unterschiedlich zu beurteilen sind und daß es in dem zuletzt von Ihnen genannten Fall mit einer Aufklärung allein nicht getan wäre, sondern es dort in erster Linie darauf ankommt, Vorsorge dafür zu treffen, daß solche Pflanzen nicht auf irgendeine Weise in
den Nahrungskreislauf eingeführt werden können. Dies ist bei der Gesamtreform des Lebensmittelrechts geschehen. Das Problem liegt insofern anders, als es sich bei Zierpflanzen, die giftig sein können, beispielsweise von der Farbe oder, wenn es Pflanzen mit Beeren sind, von der Form her gesehen um für Kinder attraktive Pflanzen handelt. Bei einer Bepflanzung an Straßen, so an der Autobahn, kommt es aus anderen Gründen zur Verschmutzung.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Hoffie auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Aktion „Das sichere Haus", daß sich Vergiftungsschäden, die hauptsächlich durch Haushalts-, Gewerbechemikalien und Medikamente verursacht werden, bei jährlich rund 35 000 Kindern verhindern ließen, und wenn ja, durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung diesen Gefahren entgegenwirken?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, Herr Abgeordneter Hoffie, die Bundesregierung wird zur Verhütung von Vergiftungsfällen bei Kindern für die Verpackung aller gefährlichen Erzeugnisse, die bestimmungsgemäß oder üblicherweise in Haushaltungen vorkommen können, kindersichere Verschlüsse vorschreiben. Auf dem Markt werden zwar bereits sogenannte todsichere, kindersichere Verschlüsse angeboten. Die Bundesregierung hat aber den Deutschen Normenausschuß gebeten, Normen für kindersichere Verschlüsse aufzustellen, um ungerechtfertigten Anpreisungen, die eine solche Maßnahme gefährden könnten, zu begegnen.
Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß durch Symbole und Schrift die Kinder im meistgefährdeten Alter zwischen zwei und fünf Jahren nicht gewarnt werden können. Sie hat daher vor zwei Jahren mit der Aktion „Gift nicht in Kinderhand" die Erziehungsberechtigten an ihre Pflicht erinnert, gefährliche Erzeugnisse so aufzubewahren, daß sie für Kinder nicht erreichbar sind. Das gilt auch für Arzneimittel, die, obschon sie nicht als „Gifte" anzusehen sind, einen hohen Anteil an kindlichen Ingestionsunfällen erreichen. In der Sicherheitsfibel, die vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit im vergangenen Jahr herausgegeben worden ist, wurde erneut auf diese Gefahren hingewiesen.
Die Bundesregierung wird im Rahmen des in Vorbereitung befindlichen Giftgesetzes Maßnahmen zur Verhütung von Vergiftungen ergreifen. Alle Erzeugnisse, die giftige Stoffen in Mengen enthalten, die eine Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen darstellen, sollen der Bevölkerung nur über den konzessionierten Gifthandel zugänglich sein. Darüber hinaus soll die Kennzeichnung, die bisher nur durch ein Totenkopfsymbol oder das schlichte Wort „Vorsicht" auf die Gefahr hinwies, durch besondere Hinweise auf die Art der Gefahr und durch sogenannte Sicherheitsratschläge wesentlich verbessert werden.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Wernitz wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Ey auf.
Treffen Pressemeldungen zu, wonach bereits über viele Jahrzehnte bewährte homöopathische Arzneimittel nach den künftigen Prüfungsverfahren zwangsläufig vom Markt verschwinden werden, insbesondere, soweit diese verschreibungspflichtig sind, und wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter Ey, die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, wonach bereits über viele Jahrzehnte bewährte homöopathische Arzneimittel infolge der geplanten Neuordnung des Arzneimittelrechts verschwinden werden. Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts, der am 16. Januar 1975 in der ersten Lesung vom Deutschen Bundestag beraten wurde, sieht Sondervorschriften in den §§ 36 und 37 zugunsten der homöopathischen Mittel vor. An Stelle der Zulassung bedürfen diese Mittel lediglich der Registrierung. Das bedeutet, daß u. a. auf den Nachweis der Wirksamkeit verzichtet wird. Dies kann nach Auffassung der Bundesregierung jedoch nicht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, da wegen Art und Menge der wirksamen Bestandteile solcher Arzneimittel auf die Zulassung und damit auf den Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht verzichtet werden kann.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Fiebig auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die gesundheitliche Schädigung durch die Verbreitung von Quecksilber in Fischen ein unvertretbares Maß angenommen hat, daß die geplante Verordnung über Höchstmengen an Quecksilber in Fischen ({0}) den internationalen Standard, der nur 0,4 mg je kg Frischgewicht ({1}) zuläßt, weit überschreitet, indem in der Bundesrepublik Deutschland 1,0 ppm zugelassen werden, und beabsichtigt die Bundesregierung, sich schnellstens zu korrigieren?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, die Fragen 46 und 47 der Abgeordneten Fiebig und Dr. Haenschke sprechen denselben Sachverhalt an und erfordern die gleiche Antwort. Ich wäre deshalb dankbar, wenn ich sie gemeinsam beantworten könnte.
Vizepräsident von Hassel: Einverstanden! Die Frage 47 wird mit aufgerufen:
Trifft es zu, daß die für die Bundesrepublik Deutschland neu festgelegte Toleranzgrenze für den Quecksilbergehalt von Fischen wesentlich über dem Wert liegt, der von der WHO empfohlen worden ist, und womit begründet die Bundesregierung gegebenenfalls diese Maßnahme?
Die von der Weltgesundheitsorganisation gegebene Empfehlung einer duldbaren wöchentlichen Aufnahme von 0,3 mg Gesamtquecksilber pro Person ist nicht mit den Höchstmengenfestsetzungen in der von der Bundesregierung vorbereiteten Verordnung vergleichbar. Die in dieser Verordnung enthaltene Höchstmengenfestsetzung bezieht sich auf den zulässigen Gehalt der Lebensmittel an Quecksilber, berechnet auf ein Kilogramm der Fische, Krusten-, Schalenoder Weichtiere, nicht aber auf die wöchentliche Quecksilberaufnahme pro Person, wie sie von der WHO zugrunde gelegt worden ist.
Die vom Bundesrat beschlossene Höchstmengenfestsetzung von 1 ppm erscheint mit dem Gesundheitsschutz noch vereinbar.
Anläßlich der Anhörung von externen wissenschaftlichen Sachverständigen bei der Vorbereitung der Verordnung wurde die Ansicht vertreten, daß aus toxikologischer Sicht ein Höchstwert bis zu 1 ppm nach dem jetzigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch tolerierbar erscheine. Die Sachverständigen des Bundesgesundheitsamtes brachten zum Ausdruck, daß ihnen im Hinblick auf die noch nicht überschaubare Gesamtquecksilberbelastung des Menschen an einer möglichst niedrigen und differenzierten Festsetzung von Höchstmengen gelegen sei. Allerdings sah sich das Bundesgesundheitsamt nicht in der Lage, sich unter toxikologischen Gesichtspunkten gegen die oben genannte Auffassung der externen Sachverständigen zu wenden, weil echte Parameter zur Zeit noch nicht vorhanden sind.
Auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungsbefunde erscheint die vom Bundesrat vorgenommene einheitliche Festsetzung auf 1 ppm Gesamtquecksilber für alle Fische, Krusten-, Schalen- und Weichtiere sachlich nicht geboten, weil die überwiegende Zahl der im Verkehr anzutreffenden Fische Quecksilbergehalte aufweisen dürfte, die deutlich unterhalb von 1,0 bzw. 0,7 ppm liegen.
Es ist vorgesehen, nach Vorliegen weiterer Untersuchungsbefunde und Erfahrungen den in der Verordnung festgesetzten Quecksilberwert - den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragend - nach Möglichkeit weiter herabzusetzen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Haenschke.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in anderen Ländern, beispielsweise in Italien und in den USA, die Höchstmengen niedriger festgesetzt sind, und ist daraus nicht die Gefahr abzuleiten, daß Importe aus diesen Ländern mit höher kontaminierten Fischen zunehmen werden und damit den deutschen Markt - und das heißt, den Verbraucher - im entgegengesetzten Sinne dessen, was Sie eben dargestellt haben, belasten können?
Herr
Abgeordneter, ich habe die Werte aus einer ganzen Reihe von Ländern hier und beantworte die Frage wohl am präzisesten, wenn ich Ihnen einige Werte nenne: Norwegen 1,5 ppm, Schweden 1,0 ppm, Finnland 1,0 ppm, Italien 0,7 ppm - aber mit einer Toleranz bis 2,1 ppm -, Frankreich 0,7 ppm - mit einer Toleranz bis 1 ppm -, USA 0,5 ppm und Schweiz 0,5 ppm. Das heißt, Ihre Frage trifft im Grunde genommen nur auf die USA und die Schweiz zu.
Vizepräsident von Hassel: Die zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Haenschke.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben für Schweden einen Wert von 1,0 genannt. Trifft es zu, daß gerade in Schweden schwangere Frauen vor dem Verzehr mit Quecksilber kontaminierter Fische gewarnt worden sind?
Ich kann diese Warnung in Schweden bestätigen. Aber erstens einmal sagt die Warnung allein noch nichts über den tolerierbaren Gehalt aus, der tatsächlich zur Zeit kaum präzise festgelegt werden kann, weshalb man im Grunde genommen um einen möglichst großen Sicherheitsabstand zu etwa gefährlichen Werten bemüht sein muß.
Zum zweiten hätte ich Zweifel daran, ob eine solche Warnung, auch in der Bundesrepublik ausgesprochen, eine echten Informationswert für den Verbraucher hätte, weil dieser bei dem Fisch, den er sich kauft, keinerlei Information darüber hat, ob die Warnung nun gerade bei diesem Produkt angebracht ist oder nicht, d. h. ob eine Quecksilberkontamination zu unterstellen wäre.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe Frage 48 des Herrn Abgeordneten Egert auf:
Kann die Bundesregierung ausschließen, daß die auf Grund der Intervention des Bundesrates hinsichtlich der Toleranzen für Quecksilber in Fischen veränderte Quecksilberverordnung zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung führt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Egert, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworte.
Vizepräsident von Hassel: Keine Bedenken! Frage 49 des Abgeordneten Egert wird mit aufgerufen:
Sieht die Bundesregierung in der veränderten Festlegung der Höchstmengen für Quecksilber in Fischen, die im Gegensatz zu Empfehlungen der FAO/WHO steht, eine Sinnverkehrung der in der am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Gesamtreform des Lebensmittelrechts enthaltenen gesundheitspolitischen Absicht, und welche Konsequenzen gedenkt sie gegebenenfalls daraus zu ziehen?
Die vom Bundesrat beschlossene Änderung der Höchstmengenfestsetzungen für Quecksilber in Fischen, Krusten-, Schalen- und Weichtieren kann nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung führen. Ich beziehe mich insoweit auf meine Ausführungen zu den Fragen der Abgeordneten Fiebig und Dr. Haenschke.
Diese vom Bundesrat beschlossene einheitliche Festsetzung der Höchstmenge auf ein Milligramm Quecksilber pro Kilogramm für alle Fische, Krusten-, Schalen- und Weichtiere wird zwar von der Bundesregierung als gesundheitlich noch vertretbar, aber als genereller Grenzwert für unbegründet hoch angesetzt gehalten. Nicht zuletzt im Hinblick auf niedriger festgesetzte Werte in einigen anderen Staaten - wir haben die zwei Fälle eben besprochen - hätte die Bundesregierung einer differenzierten Höchstmengenfestsetzung, wie dies in der Regierungsvorlage auch vorgesehen war, den Vorzug gegeben. Dennoch hält es die Bundesregierung bei Abwägung aller Vor- und Nachteile für richtig, die Verordnung in der vom Bundesrat beschlossenen Fassung zu verkünden. Andernfalls könnten Fische, Krusten-, Schalen- und Weichtiere mit überhöhten Quecksilbergehalten in den Verkehr gelangen oder auch aus dem Ausland in die Bundesrepublik verbracht werden.
Die Bundesregierung wird selbstverständlich - ich wiederhole das - an Hand der zu erwartenden Untersuchungsbefunde prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Höchstmengen für den Quecksilbergehalt zukünftig herabgesetzt werden können.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Egert.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung in diese Prüfung die Tatsache einbeziehen, daß die toxische Gesamtbelastung der Menschen - jetzt nicht nur bezogen auf Quecksilberverbindungen in Fischen - zunimmt und unter diesem Gesichtpunkt das Zusammenwirken toxischer Substanzen zu einer ganz anderen Einschätzung etwa der gesundheitlichen Gefährdung führen könnte, als sie hier, bezogen auf die Einzelfestsetzung von Quecksilber in Fischen, gegeben worden ist?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat bisher schon bei solchen Höchstmengenfestsetzungen die Kontamination von verschiedenen Nahrungsbestandteilen und die daraus möglicherweise erwachsende Kumulation wie auch eine möglicherweise entstehende Kumulation durch verschiedene Gifte, etwa verschiedene Schwermetallbeimengungen, beachtet und wird das auch in Zukunft tun, soweit es - muß ich allerdings hinzufügen - der jeweilige Stand der Wissenschaft ermöglicht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Haenschke.
Herr Staatssekretär, welche Werte sieht die in Vorbereitung befindliche
Höchstmengenverordnung für den Pflanzenschutz für den Quecksilbergehalt aus Pestizidrückständen vor?
Herr Abgeordneter Haenschke, das kann ich Ihnen nicht aus dem Kopf beantworten. Ich bin aber gern bereit, Ihnen diese Werte schriftlich nachzureichen.
Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.Fiebig ({0}) : Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hatte für Schalen-, Krusten- und Weichtiere 0,7 ppm vorgesehen. Der Bundesrat hat Ihre Verordnung dann ja verwässert und für alle Seeprodukte einheitlich 0,1 ppm festgesetzt. Welche Bundesländer insbesondere haben zu der Verwässerung dieser Verordnung beigetragen?
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, das Abstimmungsverhalten zu dieser Verordnung gegebenenfalls dem Protokoll des Bundesrates zu entnehmen. Ich weiß nicht, ob es da aufgeführt ist. Ich sehe mich jedenfalls nicht in der Lage, Ihre Frage zu beantworten.
Vizepräsident von Hassel: Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Frage aus Ihrem Geschäftsbereich.
Wir sind am Ende der neunzigminütigen Fragestunde angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 23. Januar 1975, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.