Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Dr. Kempfler hat am 6. Dezember 1974 seinen 70. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren nachträglich.
({0})
Die Fraktion der CDU/CSU schlägt vor, für den aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Dr. Lenz ({1}) den Abgeordneten Dr. Hauser ({2}) zu bestimmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; damit ist der Abgeordnete Dr. Hauser ({3}) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß entsandt.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Entschließungen der Interparlamentarischen Union auf ihrer 61. Jahrestagung vom 2. bis 11. Oktober 1974 in Tokio
- Drucksache 7/2871 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Krise der Wirtschaftsgemeinschaft
- Drucksache 7/2878 zuständig: Finanzausschuß ({4}), Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Haushaltsausschuß
Betr.: Grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1974 bei Kap. 32 05 Tit. 575 06 - Diskont für unverzinsliche Schatzanweisungen
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO - Drucksache 7/2917 zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; somit beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 4. Dezember 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnungen ({5}) des Rates zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Osterreich, Finnland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden und in der Schweiz
Entwürfe für Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zur Einrichtung einer Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Osterreich, in Schweden
- Drucksache 7/2653 Verordnung ({6}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif
- Drucksache 7/2610 Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 29. November 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({9}) Nr. 974/71 über bestimmte konjunkturpolitische Maßnahmen, die in der Landwirtschaft im Anschluß an die vorübergehende Erweiterung der Bandbreiten der Währungen einiger Mitgliedstaaten zu treffen sind
- Drucksache 7/2388 Richtlinie des Rates über Durchführungsvorschriften zur Richtlinie über den aktiven Veredelungsverkehr, die bestimmte Erzeugnisse des Rindfleisch- und Schweinefleischsektors betreffen
-- Drucksache 7/2499 Verordnung ({10}) des Rates zur Festsetzung des Zielpreises für Sojabohnen für das Wirtschaftsjahr 1974/75
- Drucksache 7/2502 Verordnung ({11}) des Rates
zur Änderung der Verordnung Nr. 1009 /67/ EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
zur Änderung der Verordnung ({12}) Nr. 765/68 betreffend allgemeine Regeln für die Erstattung bei der Erzeugung für in der chemischen Industrie verwendeten Zucker
- Drucksache 7/2513 Verordnung ({13}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({14}) Nr. 1351/73 betreffend den Grundpreis der Standardqualität für geschlachtete Schweine
- Drucksache 7/2646 Verordnung ({15}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({16}) Nr. 974/71 über bestimmte konjunkturpolitische Maßnahmen, die in der Landwirtschaft im Anschluß an die vorübergehende Erweiterung der Bandbreiten der Währungen einiger Mitgliedstaaten zu treffen sind
- Drucksache 7/2649 -Verordnung ({17}) des Rates zur Änderung der in der Landwirtschaft geltenden Preise für das Wirtschaftsjahr 1974/1975 - Drucksache 7/2654 Verordnung ({18}) des Rates zur Festsetzung eines in der Landwirtschaft anzuwendenden neuen repräsentativen Umrechnungskurses für das englische und irische Pfund
- Drucksache 7/2655 Verordnung ({19}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({20}) Nr. 1913/74 zur Festlegung der Grundregeln für die Destillation von Tafelwein der Art A II in der Zeit vom 15. August bis zum 31. Oktober 1974
- Drucksache 7/2716
Verordnung ({21}) des Rates über Sondermaßnahmen für Sojabohnen im Wirtschaftsjahr 1974/75
- Drucksache 7/2718 Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 4. Dezember 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Ey und Genossen betr. Mitführung von Feuerlöschgeräten und Brecheisen in Personenkraftwagen - Drucksache 7/2828 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2924 verteilt.
Überwelsung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Präsident Frau Renger
Entscheidung des Rates über die gemeinschaftliche Finanzierung bestimmter dringender Veterinärmaßnahmen
- Drucksache 7/2804 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({22}) des Rates
über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker betreffend die Festsetzung und die Änderung der Grundquoten für Zucker
- Drucksache 7'2819 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({23}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates über die gemeinschaftliche Finanzierung bestimmter Ausgaben für die Nahrungsmittelhilfe an die Sahelländer und Äthiopien im Rahmen des Programms 1974/75
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({24}) Nr. 1693/72 hinsichtlich der Verfahren zur Bereitstellung der Nahrungsmittelhilfe zugunsten der Länder der Sahel-zone
Verordnung des Rates über die Lieferung von Magermilchpulver im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der Sahelzone und Äthiopien
Verordnung des Rates zur Aufstellung der Grundregeln für die Lieferung von Milchfett im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der Sahelzone
Beschluß des Rates zur Eröffnung von Verhandlungen mit den Ländern der Sahelzone und Äthiopien über die Sofortlieferung von Magermilchpulver und Butteroil als Nahrungsmittelhilfe sowie über die vorzeitige Durchführung der mit diesen Ländern ausgehandelten Abkommen
Verordnung des Rates über die Lieferung von Milchfett im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe an die Länder der Sahel-zone und Äthiopien
- Drucksache 7/2820 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({25}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Beschluß des Rates zur Eindämmung der Verunreinigung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft
- Drucksache 7/2821
überwiesen an den Innenausschuß ({26}), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({27}) des Rates zur Änderung von Anhang IV der Verordnung ({28}) Nr. 816/70 des Rates zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein
- Drucksache 7/2845 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({29}) des Rates über die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsauren Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren
- Drucksache 7/2846 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({30}), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({31}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Rohmagnesium der Tarifstelle 77.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs
- Drucksache 7/2847 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({32}) des Rates zur Erhöhung des Gemeinschaftszollkontingents für Rohmagnesium der Tarifstelle 77.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs
- Drucksache 7/2863 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({33}) des Rates über die zeitweilige Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Flugzeuge für maschinellen Antrieb mit einem
Leergewicht von mehr als 15 000 kg der Tarifstelle ex 88.02 B II c)
- Drucksache 7/2862 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Bericht der Kommission an den Rat über den Stand der Hopfenerzeugung und -vermarktung der Ernte 1973
Verordnung ({34}) des Rates zur Festsetzung der Beihilfe an Hopfenerzeuger für die Ernte 1973
- Drucksache 7/2864 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({35}) des Rates zur zeitweiligen und vollständigen Aussetzung der in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung auf Einfuhren von D- und DL-Kalziumpantothenat der Tarifstelle ex 29.38 B II aus den neuen Mitgliedstaaten anwendbaren Zollsätze
- Drucksache 7/2865 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({36}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für eine Reihe von industriellen Waren
- Drucksache 7/2866 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({37}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({38}) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein, der Verordnung ({39}) Nr. 817/70 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete, der Verordnung ({40}) Nr. 865/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und der Verordnung ({41}) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif
- Drucksache 7/2867 überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({42}), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({43}) des Rates
über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für auf Handwebstühlen hergestellte Gewebe aus Seide oder Schappeseide und aus Baumwolle der Tarifnummern ex 50.09, ex 50.10, ex 55.07, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs
über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren
- Drucksache 7/2868 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
a) Bericht über die Gespräche in Washington und New York
b) Pariser Konferenz
c) Ergebnisse der Gespräche mit der DDR Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Schmidt, Bundeskanzler ({44}) : Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, daß ich dem Parlament unverzüglich über die heute nacht zu Ende gegangenen Beratungen der Regierungschefs und der Außenminister der neun EG-Staaten berichten kann. Ich möchte zugleich die Ergebnisse der Gespräche darlegen, die Herr Genscher und ich in der letzten Woche mit Präsident Ford und Außenminister Kissinger hatten, zumal diese in engem Zusammenhang mit dem PaBundeskanzler Schmidt
riser Treffen stehen. Ein weiteres wichtiges Ereignis der letzten Tage ist sodann die neue Entwicklung im Verhältnis zur DDR, die ich dem Bundestag unterbreiten möchte, und ich beginne mit diesem Gegenstand.
In der Regierungserklärung vom 17. Mai haben wir gesagt:
Wir werden trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge in dem Bemühen nicht nachlassen, die gegenseitigen Beziehungen zu verbessern.
Die Bundesregierung hat sich nach diesem Satz gerichtet; dies ist ihr nicht leicht gemacht worden, weder von seiten der DDR noch von seiten der Opposition im Deutschen Bundestage.
({45})
Die Bundesregierung hat sich gleichwohl nicht beirren lassen, sondern den einmal eingeschlagenen Weg kontinuierlich fortgesetzt. Es waren viele Anläufe und Verhandlungsgänge auf verschiedenen Ebenen notwendig, um das zu erreichen, was jetzt auf dem Tisch liegt.
Im Juni diesen Sommers hat ein Kreis von Bundesministern zusammen mit dem Präsidenten der Bundesbank und dem Vertreter des Regierenden Bürgermeisters von Berlin über die Prioritäten für unsere Verhandlungsvorstellungen beraten. Nach jener Beratung bestand Übereinstimmung unter anderem darüber, daß die Wiederherstellung der Geschäftsgrundlage beim Mindestumtausch die Voraussetzung aller weiterführenden Verhandlungen sein müsse, zum anderen daß Stromversorgung und Verkehrsverbund von West-Berlin als erste Priorität in einer Liste neuer Verhandlungen mit der DDR zu stehen haben würde und daß sodann der Swing eine wesentliche Bedeutung für den Umfang und für die Abwicklung des innerdeutschen Handels habe.
Auf dieser Grundlage, die ich hier nicht vollständig darstellen kann, wurden dann im Laufe des Monats Juli Stellungnahmen der Bundesressorts zu Einzelfragen ausgearbeitet. Im August fanden Sondierungen mit der DDR statt. Anfang September wurde das Ergebnis der Sondierungen in einem Briefwechsel zwischen Herrn Honecker und mir zusammengefaßt. Der Briefwechsel enthielt die Zusagen und Angebote der DDR, wie sie jetzt am letzten Montag bekanntgegeben wurden, mit Ausnahme damals einer befriedigenden Regelung des Mindestumtauschs. Mitte September kam dann der gleiche Kreis im Bundeskanzleramt zusammen - er hat ein paarmal getagt -, um den erreichten Stand zur Kenntnis zu nehmen und die weitere Linie festzulegen. Anschließend hat es zahlreiche Gespräche gegeben zwischen dem Leiter unserer Ständigen Vertretung, Staatssekretär Gaus, und den zuständigen Personen, Ministern, Beamten der DDR, darunter dreimal mit Herrn Honecker.
Ein erster Erfolg wurde Ende Oktober mit der Senkung der Sätze für den Mindestumtausch durch die DDR erreicht. Herr Honecker teilte mir diesen Beschluß schriftlich mit. Ich habe geantwortet, daß ich jene Maßnahme der DDR als einen Fortschritt würdigte, daß ich mich aber ohne eine Befreiung der
Rentner vom Mindestumtausch nicht in der Lage sähe, dem Beginn der vorgesehenen Verhandlungen zwischen den Regierungen über Fragen des beiderseitigen Interesses zuzustimmen.
Ich erhielt dann Ende November eine verbindliche Zusage von Herrn Honecker, daß die Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch am 10. Dezember verkündet und am 20. Dezember in Kraft treten würde. In einem Gespräch der zuständigen Ressortminister haben wir daraufhin beschlossen, ad referendum mit der DDR einen Text für einen Briefwechsel über die Weiterführung des Swing abzustimmen, über den das Kabinett noch zu beschließen haben würde. Die DDR hat sodann am 9. Dezember offiziell mitgeteilt, daß die Rentner mit Wirkung vom 20. Dezember an vom Mindestumtausch befreit sein würden und daß sie bereit sei, über eine seit September abgestimmte umfangreiche Liste von gemeinsam interessierenden Fragen zu verhandeln.
Die Koalitionsparteien, die Bundesregierung und der Senat von Berlin haben inzwischen das Ergebnis begrüßt. Das Kabinett wird heute über die Unterzeichnung der Swing-Vereinbarung, über die Aufnahme von Verhandlungen über Fragen des Verkehrs, der Stromversorgung, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, des nichtkommerziellen Zahlungsverkehrs usw. entscheiden.
Lassen Sie mich das hiermit skizzierte Ergebnis mit drei Bemerkungen bewerten.
Ad eins: In Übereinstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin halte ich die Mitteilungen, die uns nunmehr von seiten der DDR zugegangen sind, für das Positivste, das seit Abschluß des Viermächteabkommens und seiner Zusatzvereinbarungen für die Berliner erreicht worden ist.
({46})
Wenn auch die weiter vorgesehenen Verhandlungen zum Erfolg führen, dann werden Bindungen zwischen Berlin und dem Bund in Bereichen weiter entwickelt, um die man sich vorher viele Jahre lang vergeblich bemüht hatte.
Zum zweiten: Es war dabei nicht nur die weitreichende Senkung der Sätze für den Mindestumtausch durch die DDR, sondern auch die vollständige Wiederherstellung der Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch im Vorwege klargestellt. Das Ergebnis fördert die Besuche in die DDR, insbesondere von Berlinern bei ihren Familienangehörigen in Ost-Berlin. Dazu kommen die Erleichterungen bei der Benutzung von privaten Kraftwagen sowohl für die Bundesbürger als auch für die Berliner. Dazu kommt weiter die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für Westberliner nunmehr für das gesamte Gebiet der DDR.
Drittens. Für die Bundesrepublik und für Berlin gleichermaßen wichtig ist die Aufrechterhaltung und der Ausbau des Handels mit der DDR, des sogenannten innerdeutschen Handels. Der Überziehungskreditrahmen, Swing genannt, ist dafür ein Instrument, auf das wir auch heute noch nicht verzichten
können und wollen. Es ist ein Instrument, das in unserem eigenen Interesse gehandhabt wird.
({47})
Angesichts einiger mich sehr erstaunender Stimmen der letzten Tage darf ich die Opposition wohl darauf hinweisen, daß die Regierung Kiesinger im Dezember 1968 die Dynamisierung des Swing beschlossen hat, d. h. unmittelbar nach der Beteiligung der DDR am Einmarsch in die Tschechoslowakei. Sie haben das damals getan.
({48})
Ich will es ja nicht kritisieren, ich fand es damals richtig, ich finde es heute richtig, weil es im Interesse unserer eigenen Bürger liegt.
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Seit diesem Beschluß der Bundesregierung Kiesinger /Brandt Ende 1968 ist der Warenaustausch erheblich gestiegen. Uns kann nur daran liegen, diese Entwicklung fortzusetzen, und keineswegs daran, die Entwicklung umzukehren. Politisch und wirtschaftlich bleibt dieser Handel ein bedeutendes Band zwischen den beiden deutschen Staaten. Wenn wir jetzt trotzdem eine Höchstgrenze für den Swing verabredet haben, über die hinaus der Swing nicht steigen kann, dann in dem Bestreben, auf längere Sicht zu einer Balance, zu einem Ausgleich in diesem Handel zu gelangen.
Die Verhandlungen, die darüber hinaus bevorstehen, werden das Verhältnis zueinander und auch ' die wirtschaftliche Bindung der beiden deutschen Staaten aneinander weiter fördern. Das bezieht sich vor allem auf die Verbesserung und den Ausbau der Verkehrswege auf der Straße, auf der Schiene und zu Wasser. Übrigens wird ein Abkommen über den Abtransport des Mülls aus Westberlin noch heute unterzeichnet.
Mir ist unverständlich, daß gegenüber diesem Gesamtergebnis, wie es heute vorliegt und gestern für jedermann durchsichtig und erkennbar vorlag, durch die Opposition jetzt noch Kritik geübt wird.
({50})
- Herr Professor Carstens, es kommt ja nicht darauf an, ob es uns paßt, es kommt darauf an, welchen Eindruck Sie auf die Bürger auf beiden Seiten dieses unseren Vaterlandes machen wollen.
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Im übrigen, Herr Carstens, war doch Ihre Kritik zunächst aus sehr durchsichtigen, taktischen Gründen erfolgt. Dabei sind Sie auch auf eine teilweise Indiskretion im „Neuen Deutschland" hereingefallen. Dafür habe ich Verständnis, dafür hatte ich auch am Wochenende noch Verständnis. Mir liegt nichts ferner, als etwa das Verhalten der DDR zu beschönigen, zumal ja doch die neuen Mindestumtauschregelungen nur eine frühere Lage - und das noch nicht einmal ganz - wieder hergestellt haben.
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- Ich entnehme Ihren Zwischenrufen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie genau wissen, wie man so etwas macht.
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Ich möchte diesen Komplex abschließen und Sie bitten, auch das folgende zur Kenntnis zu nehmen und zu bewerten. Es waren dies schwierige und zeitraubende Verhandlungen mit der DDR, die wir unternommen haben, um die DDR von einem Weg abzubringen, der das Verhältnis zwischen unseren beiden Staaten und darüber hinaus die Entspannungspolitik in Europa hätte gefährden können. Man kann dergleichen nicht mit öffentlichen Anklagen und maximalen Forderungen, auch nicht mit Verhandlungen auf dem Marktplatz erreichen. Auch in der DDR gibt es Kräfte, denen allerdings die Konfrontation lieber ist als die Kooperation; auch dort ist Prestige im Spiel.
Daß man sich schließlich so weit hat einigen können, war nicht das Ergebnis des sogenannten Drucks, den auszuüben die Opposition uns stetig empfiehlt, sondern es war das Ergebnis von Bemühungen auf beiden Seiten, die übereinstimmenden Interessen in den Vordergrund zu stellen und für die Beziehungen fruchtbar zu machen. In diesem Sinne wird die Bundesregierung auch zukünftig an der Ausfüllung des Grundlagenvertrages arbeiten, auch wenn es in Zukunft abermals dann und wann Rückschläge oder sogar schwere Rückschläge geben sollte.
({54})
Nun zum zweiten Komplex. Die Gespräche, die Bundesminister Genscher und ich in den Vereinigten Staaten geführt haben, waren nicht nur nützlich, sondern auch sehr erfreulich, notabene sehr herzlich. Präsident Ford wird uns in absehbarer Zeit einen Gegenbesuch machen, der ihn auch nach Berlin führen wird.
({55})
Der Schwerpunkt unserer Besprechungen lag angesichts der schwierigen Lage der Weltwirtschaft bei der Koordinierung der Konjunktur- und der Energiepolitik. Wir stimmten in dem Urteil überein, daß die Weltwirtschaft in eine Rezession geraten ist und daß es darauf ankommt, eine Depression zu verhindern. Präsident Ford hat uns versichert, daß er für sein Land eine solche Entwicklung nicht zulassen werde.
Wir haben unseren amerikanischen Freunden die Grundzüge des konjunkturpolitischen Programms erläutert, das heute und morgen im Kabinett beraten werden wird und das einen Aufschwung in Stabili-tat zum Ziele hat. Unsere Freunde haben dieses Programm, zumal angesichts unserer deutschen Überschußposition und angesichts unserer in der ganzen Welt unerreicht niedrigen Preissteigerungsrate, eindeutig begrüßt.
Präsident Ford und seine wirtschaftspolitischen Mitarbeiter haben unsere Auffassungen geteilt, daß es in der derzeitigen Konjunkturlage ganz besonders auf eine Stimulierung der Investitionstätigkeit
ankommt. Die erstmalige Beteiligung von je zwei herausragenden Unternehmern und Gewerkschaftsvorsitzenden an dieser Delegation hat die wirtschaftlichen Gespräche sehr befruchtet, die über viele Stunden gegangen sind, und hat übrigens in Washington wie in New York einen sehr starken Eindruck hinterlassen.
Ich darf einfließen lassen, daß die Arbeitslosenrate in den Vereinigten Staaten gegenwärtig auf 6,5 °/o gestiegen ist. Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten in der Konjunkturpolitik trotzdem noch nicht in gleichem Maße und in gleicher Richtung vorgeht wie wir, so steht man in Washington natürlich unter dem Eindruck einer amerikanischen Preissteigerungsrate, die doppelt so hoch ist wie bei uns. Es werden jedoch dieselben Überlegungen wie bei uns angestellt, Überlegungen in dieselbe konjunkturpolitische Richtung. Die monetäre Restriktion wurde bereits gelockert; der Diskontsatz wurde bereits gesenkt.
Wir haben übereingestimmt, daß unsere Länder für die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung besondere Verantwortung tragen. Auch in den Grundzügen einer künftigen international abgestimmten Energiepolitik und in der Frage des Rückflusses der Devisenüberschüsse, der Einkommensüberschüsse der Ölländer - meist Recycling genannt - ergab sich Übereinstimmung. Ich will keine Prognose abgeben, bin aber jetzt hinsichtlich des Erfolges des in dieser Woche bevorstehenden Gespräches zwischen dem amerikanischen und dem französischen Präsidenten auf Martinique optimistischer als vor den Reisen nach Washington und nach Paris.
Zu dem außenpolitischen Teil der Gespräche in Washington möchte ich unsere selbstverständliche gemeinsame Auffassung hervorheben, daß der politische Zusammenhalt und eine starke Verteidigungsbereitschaft unerläßliche Voraussetzungen bleiben müssen für weiteres Bemühen in der Ost-West-Entspannung. Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen müssen Fortschritte in der Rüstungsbegrenzung erzielt werden. Präsident Ford hat Herrn Kollegen Genscher und mir in diesem Zusammenhang sehr ausführlich seine Begegnung und ihre Ergebnisse mit der Führungsspitze der Sowjetunion dargelegt, wobei der positive Charakter, die positive Bedeutung der in Wladiwostok erreichten SALT-Etappe uns deutlich geworden ist.
Wir haben natürlich auch den Stand der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erörtert und stimmten darin überein, daß in jüngster Zeit Fortschritte erzielt wurden, die Einigung über wichtige Texte jedoch noch aussteht. Gleichzeitig haben wir unsere Meinung über andere aktuelle Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgetauscht: über die Lage im Nahen Osten sehr ausführlich, über die Lage auf Zypern. Herr Bundesminister Genscher steht zur Verdeutlichung, zumal im Auswärtigen Ausschuß, sicherlich gern zur Verfügung.
Was nun den dritten Komplex, nämlich das Treffen der Regierungschefs in Paris angeht, so war das eine Arbeitssitzung und erbrachte ein Arbeitsergebnis. Dies ist in meinen Augen keine Einschränkung, sondern ein Positivum. Regierungschefs und Außenminister haben in intensiver Beratung die wichtigsten gegenwärtigen Probleme der europäischen Einigung erörtert und Lösungsansätze gefunden. Die Europäische Gemeinschaft hat bewiesen, daß sie sich weder in bürokratischer Kleinarbeit erschöpft noch in hohlen Deklamationen verliert, sondern daß sie nüchtern und wirklichkeitsbezogen vorangeht.
Dabei waren sich alle Teilnehmer in Paris über den Ernst der weltwirtschaftlichen Situation im klaren. Die Erhöhung der Energiepreise, welche die inflationistischen Tendenzen und die Zahlungsbilanzdefizite der allermeisten Staaten verstärkt und Einkommenseinbußen ausgelöst hat, kann - darin stimmen die Neun überein - zur Ursache einer tiefgreifenden Rezession werden. Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sind aber zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika in der Lage - auch darüber waren wir uns klar -, diese Bedrohung abzuwehren, wenn wir gemeinsam eine abgestimmte und konsultierte, nicht notwendigerweise in jeder Einzelheit parallele, sondern komplementäre, im Ziel konvergierende Wirtschaftspolitik verfolgen. Unser Prinzip des Aufschwungs in Stabilität hat auch in Paris allgemeine Zustimmung gefunden. Dabei ist das Wort „Zustimmung" noch ein sehr zurückhaltender Ausdruck. Sie werden das in dem heute in Paris zu veröffentlichenden Kommuniqué fast wörtlich so wiederfinden.
Wie ich schon andeutete, muß man natürlich den unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Die Staaten mit Zahlungsbilanzüberschüssen - wie etwa Holland und wir - müssen eine Wirtschaftspolitik zur Kräftigung ihrer internen Nachfrage und zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes führen, ohne dabei dem Preisauftrieb neue Nahrung zu geben. Die Staaten mit erheblichen Zahlungsbilanzdefiziten müssen in erster Linie ohne Rückfall in Protektionismus - eine befriedigende Beschäftigung und die Verbesserung ihrer Zahlungsbilanz anstreben. Dabei eröffnet ihnen die erstrebte Konjunkturbelebung in den Überschußländern neue Aussichten für den Export. Sie müssen sich allerdings besonders intensiv darum bemühen, dem Preisauftrieb in ihren Volkswirtschaften entgegenzutreten und seiner Herr zu werden.
Wir haben in Paris auch die Umrisse unseres Konjunkturprogramms dargelegt und, wie ich schon sagte, die Zustimmung aller Beteiligten gefunden. Die Bundesregierung wird nunmehr ihr Konjunkturprogramm in der Gewißheit beschließen, in Übereinstimmung mit ihren Partnern in Amerika und in Europa zu handeln.
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Sie wird es zugleich in dem Bewußtsein beschließen, damit die Lösung der Schwierigkeiten anderer zu erleichtern. Auch die übrigen Regierungschefs haben natürlich ihre wirtschaftspolitischen Absichten erläutert. Holland und Belgien sind dabei, sich in gleicher Richtung wie die Bundesrepublik Deutsch9222
land zu bewegen, Holland bereits mit drei Wochen Vorsprung.
Ich habe bei dieser Gelegenheit natürlich über die wirtschaftspolitischen Gespräche mit Präsident Ford berichtet, ebenso über die Übereinstimmung mit ihm in der Notwendigkeit, die Investitionstätigkeit zu fördern, der Arbeitslosigkeit entgegenzutreten und Maßnahmen zu ergreifen, um das Vertrauen in die kreditpolitische und die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Auf Wunsch der in Paris versammelten Regierungschefs wird Präsident Giscard d'Estaing - übrigens war dies ein Vorschlag von Premierminister Wilson - gegenüber Präsident Ford in wenigen Tagen die nunmehr gemeinsame Überzeugung der Neun zum Ausdruck bringen, daß Amerika und Europa in Abstimmung miteinander die akuten weltwirtschaftlichen Risiken bekämpfen sollten.
Ein anderes wichtiges Thema der Pariser Besprechungen war natürlich die Energiesituation. Auch hier hatten die Washingtoner Gespräche eine nützliche Vorklärung gebracht. Wir waren uns in Paris einig, daß die Gestaltung der gemeinschaftlichen Energiepolitik und die Tätigkeit der Internationalen Energieagentur in engem Zusammenhang miteinander voranschreiten sollten, und stimmten darin überein, daß der Dialog zwischen Öl-Erzeugerstaaten und -verbraucherstaaten aufgenommen werden muß. Der Erfolg dieses Dialogs muß unter anderem durch angemessene Vorbereitung innerhalb der Gemeinschaft und mit den übrigen Verbraucherländern gewährleistet werden.
Wenn in diesen Tagen der französische und der amerikanische Präsident zusammentreffen, so gehen die europäischen Regierungschefs dabei von der Erwartung aus, daß jene eine Einigung über die Grundlinien des gemeinsamen Vorgehens erzielen können, und wir haben auch ein bißchen dafür vorgearbeitet. Ich will bei dieser Gelegenheit hervorheben, daß die Pariser Atmosphäre nicht nur durch gute Kooperation unter den Neun gekennzeichnet war, sondern auch durch den Willen zu einer übereinstimmenden Behandlung aller großen Probleme gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika - und dies ohne Ausnahme eines Landes.
Von den sonstigen Pariser Sachkomplexen will ich drittens die Regionalpolitik erwähnen. Auf Grund des ausgewogenen Fortschritts in den politischen und wirtschaftlichen Fragen, den wir in Paris erreichen konnten, haben wir uns in der Lage gesehen, der Bildung eines europäischen Regionalfonds unsere Zustimmung zu geben. Er wird für eine Versuchsphase von drei Jahren mit einem Umfang von insgesamt 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten - einschließlich 150 Millionen Rechnungseinheiten aus dem Agrarfonds der Europäischen Gemeinschaft - errichtet; 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten - das sind knapp 5 Milliarden DM, wenn ich es im Kopf überschlage. Für unsere Zustimmung war wesentlich, daß diese Mittel auf die Gebiete mit den größten Ungleichgewichten konzentriert werden. Die Bundesrepublik Deutschland gibt damit einen weiteren Beweis ihrer Bereitschaft zur finanziellen
Solidarität mit den übrigen Mitgliedern und mit der l Gemeinschaft selbst.
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Über die weiterführenden Beschlüsse zu den politisch-institutionellen Fragen wird gewiß der Bundesminister des Auswärtigen nähere Erläuterungen geben wollen. Die Regierungschefs werden in Zukunft dreimal jährlich als Rat der Gemeinschaft und zugleich im Rahmen der politischen Zusammenarbeit Arbeitssitzungen abhalten und dabei Orientierungen für den Weg der Gemeinschaft zur Union geben. Die Außenminister haben einen zusätzlichen Koordinierungsauftrag für die vielfältigen europäischen Tätigkeiten, zumal die Ratstätigkeiten, erhalten.
Das Europäische Parlament sieht sich dem vertraglich festgelegten, aber seit Jahren verzögerten Ziel allgemeiner und unmittelbarer Wahlen nähergerückt.
Zur Vorbereitung der Gesamtkonzeption einer Europäischen Union hat der belgische Premierminister Tindemans einen einstimmigen Auftrag der Regierungschefs erhalten.
Vor allem aber muß ich zwei andere Namen nennen, meine Damen und Herren. Präsident Giscard d'Estaing gebührt Dank und Würdigung dafür, daß er die Weichen für die Ergebnisse dieses Treffens gut gestellt und daß er die Beratungen fair und konstruktiv geleitet hat.
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Ebenso möchte ich die kooperative Haltung des britischen Premierministers Wilson, unterstützt von seinem Außenminister Callaghan, unterstreichen.
({59})
Herr Wilson hat sich unbeschadet der in Großbritannien noch unentschiedenen prinzipiellen Frage - mit einer Ausnahme - an allen Beschlüssen beteiligt. Er hat unmißverständlich erklärt, daß England die von ihm sogenannte renegotiation nicht mit dem Ziel von Vertragsänderungen, sondern vielmehr innerhalb des geltenden Textes der Verträge führt - eine, wie mir scheint, sehr wichtige Klarstellung. Die übrigen Regierungschefs haben sich dann im Gegenzuge bereit erklärt, das Problem der finanziellen Belastung Großbritanniens an Hand von objektiven Kriterien einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Ich halte beides zusammen für einen wichtigen Schritt nach vorn und glaube, nicht zu übertreiben, wenn ich auch im Hinblick auf die vorangegangenen langen Beratungen in Chequers einen Teil des Verdienstes daran für die Bundesregierung in Anspruch nehme.
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Ich darf am Schluß sagen: Das Europa der pragmatischen Lösungen aktueller Probleme ist nicht ein anderes Europa als dasjenige, das sämtliche Parteien dieses Parlaments seit Jahrzehnten anstreben. Dieses Europa, das zu verwirklichen wir in Paris einige Schritte voran gemacht haben, bedarf allerdings des gleichen Engagements, der gleichen hartnäckigen Suche nach gemeinsamen Lösungen, es ist der gleichen Unterstützung in der Öffentlichkeit wert
wie viele idealistischen Bemühungen, die sich im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte in feierlichen Erklärungen oder feierlichen Reden niedergeschlagen haben.
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Das ist eine mühevolle Arbeit, und sie ist nicht immer von Glanz begleitet. Dabei kann es vorkommen, daß - wie vorgestern eine Pariser Zeitung - jemand meint, wir stünden vor einem „Europa der Händler", für das die Jugend dieses Kontinents nur Spott übrig habe, vor einem Europa, „über das sich nur die Nationalisten freuen" könnten. Ich halte so etwas für modischen Pessimismus, wie es ja auch viele Jahre lang modischen Optimismus über Europa gegeben hat.
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Die Menschen, die heute in Europa leben, zieht es nicht nach new frontiers oder nach neuen Horizonten, sondern sie wollen, daß ihre Regierungen und Parlamente die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Gemeinschaft vor den Gefahren einer mit Händen zu greifenden Rezession bewahren; sie wollen ein Europa, das Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, wieder in Lohn und Brot bringt. Diese Aufgabe ist nicht nur mit Reden oder Kathederreden zu meistern, sondern es bedarf dazu Kärrnerarbeit. Dies ist in Wahrheit eine der großen Herausforderungen, vielleicht die größte Herausforderung, der sich in ihrer bisherigen Geschichte die Europäische Gemeinschaft gegenübergestellt sah.
Hier erst, in dieser ernsten Lage der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten, muß sich europäischer Idealismus bewähren. Hier scheiden sich dann die Geister, nämlich die Schwarmgeister, von den Europäern der ökonomischen Vernunft und der Realität.
({63})
Man braucht dabei auch nicht am Sonntag einen europäischen Schönheitswettbewerb, sondern was wir brauchen, ist eine konkrete, sehr unsentimentale Anstrengung aller, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen und Entwicklungen der einzelnen Staaten nicht auseinanderlaufen zu lassen.
({64})
Bundeskanzler Willy Brandt hat am 3. März 1970 in London gesagt, wir sollten eine Form der politischen Zusammenarbeit zu entwickeln suchen, die Substanz hat, die weniger sein wird als eine übernationale Lösung, aber sehr viel mehr als die übliche konventionelle Form der Beziehungen zwischen Regierungen. Er hat dann wenig später von zwei sich parallel vollziehenden Prozessen gesprochen; der eine beziehe sich auf die wirtschaftliche Integration, der andere beziehe sich auf die Entwicklung einer engen und festen politischen Zusammenarbeit. Heute besteht die Chance, die beiden Prozesse etwas mehr zur Deckung zu bringen. Aber es sollte dabei niemand übersehen, daß wir in Europa jetzt eine Durststrecke durchmessen. Wir bleiben dabei engagierte
Europäer. Aber wir sind keine Kurzstreckenläufer: wir lassen das Ziel dabei nicht aus dem Auge.
({65})
Genauso wie in der Ostpolitik folgt auch in Europa nach einer Periode, in der die sozialliberale Koalition große Weichenstellungen herbeigeführt und mit herbeigeführt hat, nun eine Periode, in der wir Schritt für Schritt durch eine Vielzahl von Entschlüssen und komplizierten Verabredungen politische und ökonomische Substanz zusammentragen müssen, damit diese Gemeinschaft leben kann. Um diese Aufgabe zu bewältigen, bedarf es nicht etwa weniger, sondern eher mehr Idealismus. Es ist allerdings nicht notwendig, ihn täglich zur Schau zu tragen. Aber es muß ein durch den Sinn für die sehr harte Wirklichkeit geläuterter Idealismus sein.
({66})
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, war das Treffen in Paris erfolgreich, genauso wie unsere innerdeutsche Politik und unsere Abstimmung mit unserem wichtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika.
({67})
Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Carstens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU- Fraktion begrüßt es, daß heute morgen, unmittelbar nach Abschluß der Pariser Gipfelkonferenz, eine Debatte darüber in diesem Hohen Hause stattfindet. Das bringt gewisse Schwierigkeiten insofern mit sich, als der abschließende Text zu dieser Konferenz uns - jedenfalls mir - erst seit einer halben Stunde vorliegt. Aber ich meine, diese Nachteile müssen wir in Kauf nehmen, wenn wir Wert darauf legen, daß die Debatten in diesem Hause aktuell sind. Ich sage daher noch einmal: Ich begrüße es, daß diese Debatte jetzt hier stattfindet. Sie hat allerdings notwendigerweise zur Folge, daß das, was hier gesagt wird, insbesondere das, was jetzt von mir gesagt wird, einen vorläufigen Charakter hat und daß wir alle uns nach genauerer Prüfung der Texte und der Ergebnisse noch eine weitere Stellungnahme in dieser Frage vorbehalten müssen.
Die Begegnung der Staats- und Regierungschefs der Länder der Europäischen Gemeinschaft hat zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem es um die Europäische Gemeinschaft nicht gut steht. Wenn ich das sage, hat das mit Zweckpessimismus nichts zu tun, Herr Bundeskanzler. Und als Sie hier soeben von Schwarmgeistern und Zweckoptimisten gesprochen haben, habe ich mich gefragt, ob das wohl eine Bemerkung an die Adresse Ihres Vorgängers, des Kollegen Brandt, gewesen ist.
({0})
Wir in der CDU/CSU jedenfalls haben über mehrere Jahrzehnte hinweg eine stetige Politik der europäischen Einigung betrieben, und wir halten
Dr. Carstens ({1})
an diesem Ziel der europäischen Einigung fest. Das hindert uns nicht daran, festzustellen, daß die Regierung und die sie tragenden Parteien in dieser Frage keineswegs die Stetigkeit an den Tag gelegt haben, die man von ihnen hätte erwarten müssen.
({2})
Ich erinnere aus jüngster Zeit an die herabsetzenden Worte, die Sie, Herr Bundeskanzler, über die Tätigkeit der Kommission in Brüssel gefunden haben. Das war bestimmt kein Beitrag zu einer stetigen deutschen Europapolitik.
({3})
Auch der jetzige Finanzminister und frühere Chefunterhändler des Auswärtigen Amtes, Apel, hat durch seine öffentlichen Äußerungen zu den europäischen Fragen bestimmt keinen positiven Beitrag zur europäischen Einigung geleistet.
({4})
Und wenn der Vorsitzende der SPD vor einigen Tagen in einer großen Rede in Paris den Versuch gemacht hat, die Länder der Europäischen Gemeinschaft in solche des ersten und solche des zweiten Gliedes einzuteilen, dann war auch das nicht hilfreich für die Förderung des europäischen Einigungsprozesses.
({5})
Meine Damen und Herren, in dem Pariser Schlußkommuniqué -ich werde das gleich noch im einzelnen darzustellen versuchen - finden sich viele schwache Stellen und viele Unklarheiten, und vieles ist wieder auf die Zukunft verwiesen worden, wie das in der Vergangenheit schon so oft geschehen ist. Trotzdem haben wir alle natürlich Anlaß, befriedigt darüber zu sein, daß sich die Regierungschefs in Paris überhaupt geeinigt haben. Ein Fehlschlag dieser Konferenz wäre ein schwerer Rückschlag für die europäische Sache gewesen, und wir können froh darüber sein, daß er vermieden worden ist.
({6})
Aber, wie gesagt, wie weit die erzielte Einigung wirklich reicht, das müssen wir uns genauer ansehen.
Zu einem Punkt, den direkten Wahlen, haben England und Dänemark Vorbehalte angemeldet. Ein weiterer Punkt, nämlich die Zielsetzung, die die Regierungschefs ihrer Wirtschaftspolitik geben wollen, verdeckt nur mühsam die zwischen ihnen bestehenden Meinungsverschiedenheiten, und das ist wieder so allgemein formuliert, daß daraus konkrete Folgerungen nicht gezogen werden können.
Welche Fortschritte auf institutionellem Gebiet wirklich erzielt sind, geht weder aus den Erklärungen des Bundeskanzlers noch aus dem Kommuniqué von heute morgen eindeutig hervor. Werden nun diese Regierungschefskonferenzen - so möchte ich fragen - künftig regelmäßig als Rat der Europäischen Gemeinschaften tagen, oder bedarf es dazu jedes Mal eines besonderen und dann doch wohl einstimmig zu fassenden Beschlusses?
Wie hat man sich die direkte Wahl des Europäischen Parlaments vorzustellen? Es wird jetzt von Vorschlägen gesprochen, die das Europäische Parlament dazu machen soll. Solche Vorschläge, meine Damen und Herren, liegen aber bekanntlich seit Beginn der sechziger Jahre auf dem Tisch. Also muß man sich die Frage stellen, ob hier vielleicht durch die nochmalige Befassung des Europäischen Parlaments ein Versuch gemacht wird, wieder Zeit zu gewinnen und diese Frage nicht mit der nötigen Entschiedenheit und Schnelligkeit zu behandeln, die sie erfordert.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte um Ihr Verständnis dafür bitten, Herr Kollege Corterier, nachdem wir den Herrn Bundeskanzler nicht durch Zwischenfragen unterbrochen haben, daß Sie auch mich nicht durch Zwischenfragen unterbrechen.
({0})
- Das werden Sie nicht bestreiten wollen,
({1})
daß wir den Herrn Bundeskanzler nicht durch Zwischenfragen unterbrochen haben, Herr Kollege Schäfer.
({2})
Es ist sehr zu bedauern, daß die Regierung in dieser wichtigen Frage der direkten Wahl des Europäischen Parlaments von Anfang an zögerlich operiert hat. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn gerade die deutsche Regierung sich für dieses große und von allen Parteien lange Zeit gemeinsam getragene Ziel der europäischen Einigung stärker, als sie es getan hat, eingesetzt hätte.
({3})
Sicherlich ist in der Person des belgischen Ministerpräsidenten Tindemans ein engagierter Europäer gefunden worden, dem es obliegen wird, Vorschläge für die Gesamtentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu machen. Aber auch hier werden wir an frühere Gipfelkonferenzen erinnert, bei denen man gleichfalls eine Einigung in den Sachfragen nicht erzielte und daher auf Verfahrenslösungen auswich, ohne daß in der Folgezeit etwas Nachhaltiges geschah.
Die in den Kommuniqué zum Ausdruck kommende Tendenz, das Einstimmigkeitsprinzip abzubauen, ist sicherlich zu begrüßen. Doch fällt es mir schwer, auch bei mehrfachem Lesen des Textes zu erkennen, worin denn nun eigentlich der Fortschritt gegenüber den Luxemburger Beschlüssen von 1965 liegt, bei denen ja bekanntlich die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen auch vorgesehen und offengelassen worden war.
Dr. Carstens ({4})
Wir haben aus dem Munde des Bundeskanzlers gehört, daß einzelne Länder aufgefordert werden - ich komme damit zum wirtschafts- und konjunkturpolitischen Teil des Kommuniqués -, ihre innere Nachfrage zu fördern, und daß in diesem Zusammenhang auf die Anstrengungen verwiesen wird, die die Bundesrepublik unternimmt.
Hierzu möchte ich namens der CDU/CSU-Fraktion eindeutig folgendes sagen. Wir werden hier am Freitag dieser Woche in einer Debatte zu den von der Bundesregierung geplanten wirtschafts- und konjunkturpolitischen Maßnahmen Stellung nehmen. Wir werden diese Maßnahmen kritisch daraufhin durchleuchten, ob sie den beiden entscheidenden Gesichtspunkten, nämlich der Wiedergewinnung von Geldwertstabilität und der Bekämpfung der immer stärker um sich greifenden Arbeitslosigkeit, gerecht werden. Keinesfalls werden wir der Bundesregierung gestatten, sich für sachlich nicht begründete Entscheidungen ein Alibi bei der Gipfelkonferenz der Europäischen Gemeinschaft zu suchen.
({5})
Die Hoffnung, daß es auf der Pariser Konferenz zu einer Einigung in den energiepolitischen Fragen kommen würde, ist leider enttäuscht worden. Ein Appell zur Einigkeit - Herr Bundeskanzler, wie sie ihn auch hier wiederholt haben - ersetzt die Einigung über Sachfragen nicht. Der Satz in dem Kommuniqué, daß die Regierungschefs dem bevorstehenden Treffen von Staatspräsident Giscard d'Estaing und Präsident Ford eine große Bedeutung beimessen, ist nach unserem Eindruck auch nicht eine Entscheidung in der Sachfrage, die so dringend nötig wäre. Dieser Fehlschlag ist um so mehr zu bedauern, als die Entwicklung im energiepolitischen Bereich weiterhin Anlaß zu großen Besorgnissen gibt. Dies hängt nicht zuletzt mit der andauernden Spannung im Nahen Osten zusammen.
Lassen Sie mich einige Worte zu der Situation im Nahen Osten sagen. Die Gefährlichkeit dieser Lage wird von niemandem unterschätzt. Die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Entwicklung durch die deutsche Politik sind begrenzt, begrenzt im Verhältnis zu den Einwirkungsmöglichkeiten der beiden Supermächte. Dennoch - darüber sollte sich niemand einer Täuschung hingeben - trifft auch die Bundesrepublik Deutschland und damit die Bundesregierung eine Verantwortung für die Entwicklung in diesem Raum insofern, als es an uns liegt, deutlich zu machen, welches unsere Vorstellungen über die Konfliktsituation sind, in der sich der Nahe Osten befindet.
Die deutsche Position muß ausgehen von der Überzeugung, daß nur durch eine friedliche politische Lösung den Völkern dieser Region und der Welt insgesamt gedient ist.
({6})
Jeder neue Krieg bringt die Gefahr schwerer Zerstörungen, die Gewißheit weiterer blutiger Opfer mit sich, und man kann mit voller Sicherheit vorhersagen, daß ein neuer Krieg nicht ein einziges der Probleme lösen wird, vor denen der Nahe Osten steht.
({7})
Die bisherige Erfahrung zeigt, daß nach jedem Nahostkrieg die bestehenden Schwierigkeiten größer und nicht geringer geworden sind.
({8})
Ein eindringlicher Appell an alle beteiligten Parteien, den Frieden zu wahren, die Feindseligkeiten nicht zu eröffnen und die anstehenden Probleme mit friedlichen Mitteln zu lösen, sollte daher die erste Erklärung sein, die namens der Bundesrepublik Deutschland an die Länder dieser Region gegeben wird.
({9})
Zum zweiten sollten wir sagen, daß nach unserer Auffassung alle in diesem Raum lebenden Völker ein Recht auf nationale Existenz, ein Recht auf ein Leben in gesicherten und allgemein respektierten Grenzen und ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Nur der Respekt aller Beteiligten vor diesen fundamentalen Forderungen, die für das Zusammenleben der Völker auf der ganzen Welt gelten, kann die Grundlage einer friedlichen Lösung bieten.
Ich sage dies im Bewußtsein der besonderen Beziehungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel bestehen. Ich sage dies aber auch im Bewußtsein der guten Beziehungen, die über Jahrzehnte hinweg zwischen unserem Land und den arabischen Staaten bestanden haben und die nach unseren Vorstellungen in Zukunft ausgebaut und vertieft werden sollten.
Zum dritten aber ist ein konstruktiver Beitrag für die Spannungen in diesem Raum nur dann und nur dadurch möglich, daß die Sprecher der Bundesregierung, wo immer sie auftreten, die Grundsätze der deutschen Politik gleichartig und gleichlautend formulieren.
({10})
In Zeiten gefährlicher Spannung gibt es kein schlechteres politisches Verhalten, als daß man je nachdem, wo man sich befindet, und je nachdem, welchen Adressaten man jeweils vor sich hat, nuancierte, gefärbte oder veränderte eigene Erklärungen abgibt.
({11})
So haben wir es bedauert und bedauern wir es weiter, daß in dem deutsch-sowjetischen Kommuniqué über den Besuch des Bundeskanzlers in Moskau nur von den legitimen Rechten des palästinensichen Volkes, aber nicht von dem Lebensrecht Israels die Rede ist.
({12})
Die vage Ausrede, die der Herr Bundesminister des Auswärtigen hier vor einigen Wochen zu diesem Komplex gefunden hat, daß nämlich die Lebensrechte Israels dadurch erfaßt seien, daß man in dem Moskauer Kommuniqué auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Bezug genommen habe, befriedigt in gar keiner Weise.
({13})
Wir haben jetzt in den letzten Tagen feststellen müssen, daß der deutsche Botschafter von Wechmar, der vor den Vereinten Nationen eine Rede hielt,
Dr. Carstens ({14})
auch wieder eine unausgewogene Stellungnahme abgab, die dann Veranlassung dazu bot, daß alle möglichen Sprecher der Bundesregierung hier in Bonn das zu interpretieren, zu erklären, oder zu ergänzen versuchten, was Herr von Wechmar gesagt hat.
Meine verehrten Herren auf der Regierungsbank, Sie treiben, wenn Sie wahrscheinlich auch von guten Absichten erfüllt sind, in dieser Frage keine gute Politik. Sie müssen sich überlegen, was Sie namens der Bundesrepublik Deutschland sagen wollen, und das müssen Sie überall, wo Sie auftreten, in gleicher Weise sagen.
({15})
Der Bundeskanzler hat im Rahmen seiner Ausführungen auch auf seine Reise nach England Bezug genommen. Gestatten Sie mir dazu auch einige wenige kommentierende Sätze. Er hat auf dem Labour-Kongreß dafür geworben, daß Großbritannien als Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft verbleibt. Wie man annehmen darf, wollte der Bundeskanzler der britischen Labour-Party dabei nahelegen, daß England vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied der Europäischen Gemeinschaften bleiben solle. Gegen diesen Versuch, den großen britischen Partner bei der europäischen Stange zu halten, ist sicher nichts einzuwenden. Er steht allerdings im merkwürdigen Widerspruch zu den Erklärungen, die der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Herr Kollege Brandt, der inzwischen leider gegangen ist, wenige Tage zuvor abgegeben hatte und in denen er den Engländern und einer Reihe anderer Mitglieder der EG nahegelegt hatte, sich mit einer Rolle im zweiten Glied der Gemeinschaftsentwicklung zufriedenzugeben, solange sie noch nicht in der Lage seien, die vollen Verpflichtungen eines Mitglieds zu übernehmen.
Diese Widersprüchlichkeit der Erklärungen des Bundeskanzlers einerseits und des Vorsitzenden der SPD andererseits, die sich, nebenbei gesagt, an vielen anderen Beispielen auch noch nachweisen lassen würde, wurde hier wieder einmal besonders deutlich, und ich muß sagen, es ist ein Umstand, der den Erklärungen des Bundeskanzlers im Ausland sicherlich keinen besonderen Nachdruck verleiht.
({16})
Leider ist es im Anschluß an die Rede des Bundeskanzlers in London zu einem unangenehmen Zwischenfall gekommen. Einer der Teilnehmer des Labour-Party-Kongresses, ein Abgeordneter des britischen Unterhauses, John Ryman, hat über den Bundeskanzler eine in Form und Inhalt beleidigende Äußerung getan, indem er ihn einen „überheblichen Hunnen" nannte. - Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um diese beleidigende Äußerung über den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
({17})
durch einen britischen Unterhausabgeordneten auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion zurückzuweisen.
({18})
- Ich nehme an, meine Damen und Herren von der! SPD-Fraktion, daß Sie wenigstens in diesem Punkte mit mir einer Meinung sind.
({19})
Die Gespräche, die der Bundeskanzler in Washington führte, hatten den Zweck, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zu festigen und außerdem die Schwierigkeiten, die sich zwischen den Partnern der Europäischen Gemeinschaft einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits in Fragen der internationalen Politik ergeben haben, zu überbrücken.
Die Bemühungen des Bundeskanzlers in beiden Richtungen finden die volle Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion. In der Tat ist die Stärkung des Nordatlantischen Bündnisses und innerhalb dieses Bündnisses der Ausbau der festen, engen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ein Kernstück der deutschen Politik - so wie die CDU/CSU in den Jahren, als sie die Verantwortung für die deutsche Außenpolitik trug, sie immer verstanden und immer praktiziert hat.
({20})
Leider muß man auch hier feststellen, daß der Bundeskanzler, wenn er diese Politik verfolgt, sich im Widerspruch zu Teilen seiner eigenen Partei befindet. Noch sind uns die Szenen hier in diesem Hohen Hause lebhaft in Erinnerung, als der Bundesverteidigungsminister über die zunehmende Aufrüstung der Warschauer-Pakt-Staaten
({21})
und über die Notwendigkeit verstärkter Verteidigungsanstrengungen im westlichen Bündnis, besonders in Deutschland, sprach: seine Rede wurde von eisigem Schweigen der beiden Koalitionsfraktionen aufgenommen. Ich denke, wir alle erinnern uns noch daran.
({22})
Aber noch weit schlimmer ist die fortwährende Hetze, die von linken Gruppen in unserem Lande gegen die Vereinigten Staaten als eine kapitalistische Großmacht, als eine Nation, die für die Ermordung unschuldiger Menschen verantwortlich sei, betrieben wird. Diese Hetze vergiftet die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Bundeskanzler in den Reihen seiner eigenen Partei endlich dafür sorgte, daß diese Art von lebensgefährlicher Zerstörung der Grundlagen der deutschen Außenpolitik durch linksorientierte Gruppen - einschließlich sozialdemokratischer Gruppen - unterbleibt.
({23})
Daß diese Sozialdemokraten dabei Arm in Arm mit Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland marschieren, will ich nur am Rande erwähnen.
({24})
Dr. Carstens ({25})
Aber ich möchte - lassen Sie mich doch vielleicht zu Ende reden, meine Herren, dann werden Sie gleich hören, was ich meine - doch nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß gegen eine Kundgebung, die die CDU morgen in Duisburg durchführen wird, von einer Gruppe linksgerichteter Politiker eine Gegenkundgebung veranstaltet werden soll. Dabei treten wieder in trautem Verein Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam auf.
({26})
Herr Bundeskanzler, hier liegt ein großes, wichtiges Betätigungsfeld für Ihre Energie!
({27})
Ich setze die Anstrengungen in keiner Weise herab, die Sie zur Festigung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses unternehmen. Sie haben aus dem, was ich gesagt habe, entnommen, daß die CDU/CSU diese Ihre Anstrengungen unterstützt. Aber Sie wären gut beraten, wenn Sie Ihr Augenmerk darauf richteten, daß die Basis, auf der Sie politisch stehen, angenagt wird durch Kräfte, die das Atlantische Bündnis und die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten zerstören wollen.
({28})
Gestatten Sie mir noch ein weiteres Wort über die publizistische Darstellung, die der Bundeskanzler selbst von seiner und über seine Amerikareise gegeben hat. Er sagte im Fernsehen, daß wir in der Bundesrepublik wirtschaftliche Stabilität hätten und daß er das seinen amerikanischen Partnern hätte mitteilen können. Hierzu ist leider anzumerken, Herr Bundeskanzler - für den Fall, daß es Ihnen entgangen sein sollte -, daß die Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile 800 000 beträgt und daß dies die höchste Zahl von Arbeitslosen in dieser Jahreszeit ist, die die Bundesrepublik Deutschland seit 20 Jahren gehabt hat. Wie Sie es fertigbringen, unter diesen Umständen von wirtschaftlicher Stabilität zu sprechen, bleibt unerfindlich, um so unerfindlicher, als Sie, wie Sie sich vielleicht auch noch erinnern werden, den Wahlkampf des Jahres 1972 hauptsächlich mit der Parole geführt haben, wer die SPD wähle, wähle eine Partei, die die Sicherheit der Arbeitsplätze garantiere.
({29})
Ich möchte auch einige Bemerkungen zu den innerdeutschen Beziehungen machen, zu denen der Bundeskanzler zu Beginn seiner Ausführungen gesprochen hat. Die Bundesregierung bezeichnet die Zurücknahme des Zwangsumtausches für Rentner seitens der DDR-Behörden und die Verbesserung der Besuchsmöglichkeiten für Westberliner in der DDR - Besucher können in Zukunft in größerem Umfange ihren Pkw mitnehmen und können sich auch innerhalb des gesamten Gebietes der DDR bewegen - als einen Erfolg ihrer innerdeutschen Politik. Die Verbesserung der Besuchsmöglichkeiten sind in der Tat eine Verbesserung und sind neu. Was aber den Zwangsumtausch angeht, so ist es notwendig, sich zu erinnern, welche Entwicklung diese Frage genommen hat.
Im Herbst 1972 wurde der Grundvertrag unterzeichnet, der dann im Frühjahr 1973 ratifiziert wurde. Er sollte ebenso wie der Verkehrsvertrag der Erleichterung der Kontakte zwischen den Menschen im geteilten Deutschland dienen. Kaum aber war der Grundvertrag ratifiziert, griff die DDR in den Bereich der menschlichen Kontakte in brutaler Weise ein, indem sie die Zwangsumtauschsätze für Besucher aus West-Berlin und aus der Bundesrepublik Deutschland verdoppelte und diese erhöhten Umtauschsätze zugleich auch für Rentner neu einführte, die bisher von jeder Umtauschpflicht befreit waren. Damit verstieß die DDR in eindeutiger Weise gegen den Grundvertrag und den Verkehrsvertrag. Sie verstieß außerdem gegen ausdrückliche Zusagen, die die DDR-Behörden dem Berliner Senat gegeben hatten. Es war daher die einmütige Auffassung der CDU/CSU, der Bundesregierung und des Berliner Senats, daß diese einseitige Maßnahme zurückgenommen werden müßte, bevor man über weitere Leistungen der Bundesregierung an die DDR überhaupt verhandelte.
({30})
Noch am 6. Dezember dieses Jahres - vor wenigen Tagen - sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin dazu folgendes:
Seit einiger Zeit werden in verstärktem Maße Gerüchte im Zusammenhang mit dem Zwangsumtausch verbreitet, so als würde Ost-Berlin jetzt endlich die Rentner von dieser Maßnahme befreien. Ich kann und will dazu nur dreierlei sagen:
1. Wenn man dies jetzt tut, dann ist das nichts weiter als die Rückkehr zur Geschäftsgrundlage des Vereinbarten, und es wird Zeit, daß auch die DDR-Führung lernt, daß Verträge allgemein, besonders aber die Vereinbarungen im Rahmen des Viermächteabkommens strikt eingehalten werden müssen.
({31})
2. Wir wissen nicht, ob und wann Ost-Berlin seine Haltung revidieren will. Deshalb beteilige ich mich nicht an Spekulationen dieser Art, und ich bleibe skeptisch bis zum Beweis des Gegenteils. Aber wir alle würden uns freuen, wenn zum Weihnachtsfest gerade für unsere Rentner diese Erleichterung möglich wäre.
({32})
3. Das alles hat mit den Fragen des innerdeutschen Handels nichts zu tun.
({33}) Hier kann es keine Geschäfte geben;
(Dr. Marx ({34})
denn wenn die DDR-Führung sich wieder vertragstreu verhalten will, so dürfen und so werden wir dies nicht erneut honorieren. Allerdings bleibt: über Überziehungskredite im innerdeutschen Handel darf und wird erst verhandelt werden, wenn die West-Berliner Rentner wie9228
Dr. Carstens ({35})
der ohne Zwangsumtausch zu ihren Freunden und Verwandten nach drüben fahren können.
Soweit das Zitat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.
({36})
Am Tage darauf, am 7. Dezember, erteilte das „Neue Deutschland" Herrn Schütz eine schneidende Antwort. Es teilte nämlich mit, daß zwischen Beamten der Bundesrepublik und der DDR eine Vereinbarung über eine Verlängerung des Überziehungskredits ausgehandelt und paraphiert worden sei und daß dieser Kredit künftig für weitere fünf Jahre bis zu einer Höhe von 850 Millionen DM in Anspruch genommen werden könne. Der Kredit ist bekanntlich zinslos. Daraus ergibt sich bei einer Zugrundelegung eines normalen Zinssatzes von 7 °/o, daß die Einräumung dieses Kredits an die DDR einem Gegenwert von etwa 400 Millionen DM entspricht. Daß unter diesen Umständen der DDR die Befreiung der Rentner vom Zwangsumtausch leichter fiel, ist unschwer zu erkennen.
Zu diesem unglaublichen Vorgang ist folgendes zu sagen.
Erstens. Die Bundesregierung ist von den von ihr selbst mehrfach erhobenen Forderungen wieder einmal abgewichen.
({37})
Sie hat über den Kredit verhandelt und die Vereinbarung paraphiert, bevor der Zwangsumtausch für Rentner aufgehoben worden war.
({38})
Zweitens. Sie hat die unselige Praxis ihrer Vorgängerin, der Regierung Brandt, wiederaufgenommen und für ein und dieselbe Leistung, nämlich für die Freistellung der Rentner vom Zwangsumtausch, zweimal einen Preis bezahlt,
({39})
nämlich einmal bei Abschluß des Grundvertrages, der, wie wir doch alle wissen, der DDR entscheidende Vorteile brachte, und zum zweitenmal durch die Gewährung des Überziehungskredits von 850 Millionen DM für fünf Jahre.
({40})
Drittens. Sie hat durch dieses außerordentliche Entgegenkommen noch nicht einmal erreicht, daß wenigstens der Zustand wiederhergestellt wurde, der vor Abschluß des Grundvertrages bestand und den nicht zu verschlechtern sich die DDR verpflichtet hatte. Denn zwar sollen ab 20. Dezember die Rentner vom Umtausch befreit werden; aber alle anderen Besucher der DDR werden auch künftig einer höheren Zwangsumtauschquote unterliegen, als sie sie vor Abschluß des Grundvertrages zu entrichten hatten.
({41})
Die „Stuttgarter Zeitung" schreibt dazu am 10. Dezember - ich zitiere wieder wörtlich -:
Alles dies ist ein Lehrstück für stümperhafte Arbeit, und zwar an der Regierungsspitze. Hier ist nicht koordiniert und vorher überlegt worden, was die Bundesregierung will, was sie riskieren kann und mit welcher Absicht sie Verhandlungen beginnt. Wer so mit den hart gedrillten Politikern aus der DDR umgeht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er für seine Blessuren auch noch bezahlen muß.
({42})
Dieser vernichtenden Stellungnahme habe ich nichts hinzuzufügen. Wenn ich diesen Satz, Herr Bundeskanzler, hier zitiere, dann weise ich zugleich Ihre Unterstellung zurück, als ob DDR und Opposition der Bundesregierung
({43})
bei dem Versuch, zu innerdeutschen Vereinbarungen zu kommen, in gleicher Weise Schwierigkeiten bereiteten. Die CDU/CSU hat allen Anlaß, meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung ebenso wie ihrer Vorgängerin bei ihren Verhandlungen mit der DDR auf die Finger zu sehen, und sie wird das auch tun.
({44})
Viertens. Sehr merkwürdig bleibt in diesem Zusammenhang das von der Bundesregierung gewählte Verfahren. Wer hat eigentlich Herrn Kleindienst die Weisung erteilt, das neue Abkommen zu paraphieren? War es der Bundeskanzler, wie die Presse sagt, war es der Bundeswirtschaftsminister, dem Herr Kleindienst untersteht, war es vielleicht der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen? Ich weiß es nicht.
({45})
Hier wird deutlich, daß die Führung der Verhandlungen mit der DDR auf seiten der Bundesregierung mangelhaft organisiert ist. Eine klare Verantwortung für diesen komplexen und komplizierten Bereich ist nicht zu erkennen. In einem der wichtigsten Bereiche der Politik fehlt es an klaren Zuständigkeiten und an der notwendigen Koordinierung.
({46})
Fünftens. Wie hat die Bundesregierung, so muß die CDU/CSU-Fraktion weiter fragen, sichergestellt, daß sich das von der DDR bisher so erfolgreich gespielte Spiel nicht wiederholen wird? Mit anderen Worten: Was geschieht, wenn die DDR die Zwangsumtauschquoten erneut erhöhen oder andere Erschwerungen im Besucherverkehr einführen würde?
({47})
Dr. Carstens ({48})
Wir verlangen dazu eine klare Antwort seitens der Bundesregierung.
({49})
Sechstens. Warum wurde der Berliner Senat über die Verhandlungen, die Herr Kleindienst führte, nicht unterrichtet? Ist dies die Art und Weise, so möchte ich fragen, in der die Bundesregierung die Forderung nach Festigung der Bindungen Berlins an den Bund zu erfüllen gedenkt? Hier liegt ein schweres Unterlassen der Bundesregierung - einerlei, wen dafür die Verantwortung treffen mag - vor.
({50})
Siebtens. Als katastrophal muß die Informationspolitik der Bundesregierung in dieser Angelegenheit bezeichnet werden.
({51})
Dadurch, daß die Bundesregierung einen eklatanten Fehlschlag ihrer Politik auch noch als Erfolg hinzustellen versucht, bringt sie sich um jede Glaubwürdigkeit.
({52})
Die Bundesregierung weist darauf hin - dies ist auch zutreffend -, daß die DDR außer der Zurücknahme des Zwangsumtausches und den verbesserten Besuchsmöglichkeiten für Westberliner in der DDR eine Reihe von Projekten für den Verkehr zwischen der DDR und West-Berlin, zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland in Aussicht gestellt hat. Diese Verkehrsprojekte beziehen sich auf Straßenverbindungen, auf wirtschaftliche Kooperation, auf die Stromversorgung Berlins, auf Schleusen und Kanäle in West-Berlin u. a. m. Alle diese in Aussicht gestellten Projekte sind als solche natürlich zu begrüßen. Nur handelt es sich zunächst eben lediglich darum, daß solche Maßnahmen oder Vereinbarungen in Aussicht gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wann und wie sie realisiert werden. Nach den Erfahrungen mit dem direkten Telefonverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands muß auch die Frage gestellt werden, wieviel diese Vereinbarungen, selbst wenn sie abgeschlossen sind, wert sind. Denn bekanntlich ziehen die DDR-Behörden die Herstellung dieser Fernsprechverbindungen über den fest zugesagten Termin vom 31. Dezember dieses Jahres hinaus, obwohl die Bundesregierung die auf sie in diesem Zusammenhang entfallenden Zahlungen bereits voll geleistet hat.
({53})
Aber vor allem, meine Damen und Herren, bleibt abzuwarten, welche weiteren Forderungen, insbesondere finanzieller Art, die DDR in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung stellen wird. Hierzu ging uns gestern abend folgende ddp-Meldung zu - ich zitiere -:
Die Bundesrepublik muß nach Ansicht der DDR sämtliche Kosten für die Verbesserungen der Verkehrswege von und nach West-Berlin übernehmen, die Ost-Berlin am Montag in einem Verhandlungskatalog angeboten hat.
({54})
Nach einer Schätzung der „Süddeutschen Zeitung" von heute morgen werden diese Kosten alles in allem auf 3 Milliarden DM veranschlagt.
Ich fasse zusammen: Die Zurücknahme der Zwangsumtauschquote für Rentner ist zu begrüßen, Wir alle werden uns freuen, wenn jetzt eine größere Anzahl von Rentnern ihre Verwandten und Freunde in Ost-Berlin und in der DDR besuchen kann. Aber der Zustand, der vor Ratifizierung des Grundvertrags bestand, ist noch nicht wiederhergestellt worden. Auch heute noch stehen die Besucher, die in die DDR reisen wollen - was die Zwangsumtauschquote angeht -, schlechter da, als sie vor der Ratifizierung des Grundvertrages gestanden haben. Vor allem hat die Bundesregierung wieder einmal gegen das fundamentale Prinzip verstoßen, daß man für ein und dieselbe Leistung nicht zweimal einen Preis zahlen darf.
({55})
Die heutige Debatte hat Gelegenheit gegeben - und bietet weiter Gelegenheit -, zu den wichtigsten Fragen der deutschen Außenpolitik Stellung zu nehmen. Der Gesamteindruck ist nicht befriedigend.
({56})
Die Regierung bietet kein einheitliches Bild. In Fragen der Europapolitik gehen Bundeskanzler und Vorsitzender der SPD verschiedene Wege; in Fragen des Atlantischen Bündnisses kämpft der Bundeskanzler gegen starke Widerstände in seinen eigenen Reihen, was seinen Anstrengungen ein gut Teil an Glaubwürdigkeit nimmt.
Der deutschlandpolitische Kurs der Regierung ist zwiespältig. Ihm fehlt jede klare Linie. Die jetzige Bundesregierung widerholt die Fehler ihrer Vorgängerin und zeigt sich den östlichen Verhandlungspartnern nicht gewachsen.
({57})
Zu der Krise im Nahen Osten gibt die Bundesregierung oder geben ihre Sprecher, je nachdem, wo sie sich äußern, unterschiedliche Erklärungen ab und belasten dadurch die Beziehungen sowohl zu Israel wie zu den arabischen Staaten.
Ich will die Anstrengungen, Herr Bundeskanzler, die Sie in den letzten Tagen im Interesse des Bündnisses und im Interesse der europäischen Einigung unternommen haben, in keiner Weise herabsetzen - ich wiederhole es -; aber Erfolg in der Politik setzt mehr voraus, nämlich langfristig geplantes, konsequentes und vor allem einheitliches Vorgehen aller in einer Regierung zusammengefaßten Kräfte. Hieran fehlt es dieser Bundesregierung in entscheidender Weise.
Sie zeigt damit auf außenpolitischem und deutschlandpolitischem Gebiet die gleiche Schwäche und Unsicherheit, die ihre Tätigkeit im wirtschaftspolitischen und im innerpolitischen Bereich - ich nenne nur die Stichworte Bekämpfung von Terror und Bekämpfung von Radikalismus - kennzeichnet. Darüber wird in den nächsten Sitzungen des Deutschen Bundestages weiter zu sprechen sein.
({58})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat die Schwierigkeiten erwähnt, die sich in dieser Debatte ergeben, weil ja abschließende Texte, wie er sagte, z. B. ihm erst seit einer halben Stunde vorliegen. Dieses Schicksal teilen wir miteinander, Herr Carstens, und müssen dennoch - Sie haben das ja auch gesagt -hier gerechterweise über das sprechen, was die Regierung zu den schwierigen Verhandlungen erklärt hat, die ja stellenweise - ich will das nicht in einem herabsetzenden Bilde gemeint haben - einem gefährlichen Slalomlauf gleichen mußten, so wie die weltpolitischen und auch die europapolitischen Akzente gesetzt sind.
Sie haben dann gesagt, daß Sie in dieser Debatte manches sagen würden, das vorläufigen Charakter habe. Ich muß Ihnen zugestehen, daß Sie damit recht hatten.
({0})
Ich muß allerdings sagen: Manches, was sehr vorläufig ist, war dennoch vorformuliert. Insofern ist es dennoch auch vorläufig, wie alle Manuskripte vorläufig sind, auch wenn Sie noch einmal und noch einmal aufgekocht werden.
({1})
Jedenfalls haben Sie das im Zusammenhang mit Hinweisen auf den Bundesminister der Finanzen, Hans Apel, als auch mit Hinweisen auf den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Willy Brandt, unter Beweis gestellt. Es bleibt bei Ihnen vorläufig bei Abstempelungen, und Sie meinen, damit kämen Sie eine ganze Weile - wenn auch. nur vorläufig - durch, vielleicht bis zu einer nächsten Wahl zu irgendeinem Landtag oder in irgendeiner Kommune.
({2})
Sie hängen also am Vorläufigen.
Gerechterweise haben Sie aber erklärt, Sie seien froh darüber, daß in bezug auf die Pariser Konferenz ein Fehlschlag vermieden worden sei. Das ist eine sachliche Feststellung. Sie teilen diese Auffassung - warum auch nicht? - sicherlich mit manchen anderen, die keineswegs Ihre sonstigen vorläufigen Beurteilungen teilen wollen. Es ist unerhört schwierig gewesen, dieses Pariser Treffen zu Ergebnissen zu führen, im Hinblick auf die auch Sie sagen müssen, Sie seien froh darüber, daß ein Fehlschlag vermieden worden sei. Ich denke dabei an ein Wort, das mir unlängst bei seinem letzten Besuch in Bonn mein alter verehrter Freund, der Präsident des Aktionskommitees für die Vereinigten Staaten von Europa, Jean Monnet, gesagt hat, als ich ihn fragte, ob das Komitee als solches nicht etwas Besonderes tun müsse. Er sagte: Dies ist die Stunde der Regierungen. Dies habe wohl nicht nur ich eingesehen, sondern ich nehme an, auch Sie sehen das ein: Dies ist die Stunde der Regierungen, auch wenn Regierungen gerechterweise der Kritik ihrer Parlamente unterstellt sind.
Deswegen wende ich mich zunächst dem zu, was der Herr Bundeskanzler nach einer sicherlich nicht ruhigen Nacht hier heute dankenswerterweise dem Bundestag in gestraffter Form vorgetragen und zur Debatte vorgelegt hat. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt vollinhaltlich die Darlegung, die der Herr Bundeskanzler über die Entwicklungen im Verhältnis unseres Staates zur DDR gemacht hat. Wir danken ihm und der Bundesregierung für die Beharrlichkeit,
({3})
mit der daran gearbeitet worden ist, auch mit einem so schwierigen Partner, wie es die Regierung der DDR ist, zu konstruktiven Ergebnissen zu gelangen, die nicht zuletzt der Berliner wegen für uns so bedeutsam sind.
({4})
Sie haben alle gehört, was der Bundeskanzler hier schmucklos über das dargelegt hat, was mit diesen Erörterungen und Gesprächen in den letzten Monaten erzielt worden ist. Meine Damen und Herren, es ist jedenfalls - wie auch immer Sie das Urteil vorwegnehmen wollen - der Ausblick auf eine Reihe wesentlicher Verhandlungen, in denen es um wesentliche Fragen für das Verhältnis zwischen den beiden Staaten im getrennten Deutschland und um Regelungen immer und in erster Linie zugunsten Berlins geht.
({5})
Was der Bundeskanzler hier in seiner Regierungserklärung über die Gespräche - sei es in Washington, sei es in New York - mit unserem wichtigsten Partner, den Vereinigten Staaten von Amerika, gesagt hat. ist zweifellos von großer Bedeutung, auch wenn sich manche Ergebnisse nicht schon in allernächster Zeit zeigen werden, sondern erst auf dem Wege der Annäherung ,der Standpunkte - hier ist ja auf das Zusammentreffen des amerikanischen Präsidenten mit dem französischen Präsidenten hingewiesen worden -, über schwierige Differenzen und mitunter sogar über Klüfte hinweg, die in den letzten Jahren bestanden haben.
Das Ergebnis der Tagung in Paris ist richtig charakterisiert worden, wenn darauf hingewiesen worden ist, daß sich die Regierungschefs dort weder in bürokratischer Kleinarbeit erschöpft noch in hohlen Deklamationen ergangen hätten. Bei dem Kommuniqué - wenn wir alle es sorgfältig studiert haben werden, wenn die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Auswärtigen dazu vorliegen und zur Kritik stehen werden - werden wir sehen, daß es sich hier um Gesprächsergebnisse von nicht alltäglichem Wert handelt.
({6})
Der Bundesminister der Finanzen hat übrigens hier im Bundestag in einer Rede, die er am 5. Dezember 1974 gehalten hat, folgendes gesagt - er hat dabei den Jahresbericht 1974 des Weltwährungsfonds zitiert -, was ich wörtlich wiedergebe:
Um die Mitte des Jahres 1974 lag die Weltwirtschaft in den Wehen einer starken und weitverbreiteten Inflation, einer Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums, und war konfrontiert mit einem massiven Ungleichgewicht im internationalen Zahlungsverkehr.
Und er hat ergänzend dazu ausgeführt, daß in diesem Jahresbericht des Weltwährungsfonds weitergesagt wird,
daß diese Situation die nationalen Regierungen wie die internationale Gemeinschaft vor die umfassendsten und schwierigsten Probleme seit dem Ende des zweiten Weltkrieges stellt. Wir kommen zu dem Ergebnis,
- so schloß der Bundesminister der Finanzen daß dieser Analyse nichts hinzuzufügen ist. Wir befinden uns in der Tat in der schwierigsten Situation nach 1945.
Wenn ich noch einmal auf den Begriff meines sehr verehrten Vorredners zurückkommen darf: Dabei halten Anmerkungen vorläufigen Charakters den Wetterverhältnissen kaum stand, Herr Carstens!
({7})
Der Bundeskanzler hat mit Recht gesagt, daß wir eine Durststrecke durchmessen. Es ist dieser Charakterisierung nicht angemessen, wenn man meint, da könne man sich ausschließlich am Körper der Regierung des eigenen Landes sozusagen festbeißen. Hier in dem Kommuniqué sind - wir alle werden es noch sehen - wesentliche Orientierungspunkte für die nächsten Monate zusammengefaßt, und zwar - hier greife ich wieder das auf, was der Bundeskanzler gesagt hat gekennzeichnet nicht nur durch gute Kooperation, sondern auch dadurch, daß das, was in Paris - zugegeben mühselig und geduldig genug - hat herausgearbeitet werden müssen und können, zu gemeinsamen Schritten - oder Schritten aufeinander zu - mit den Vereinigten Staaten von Amerika führt. Sie wissen doch ganz genau, meine Damen und Herren von der Opposition, wie das ist mit dem besonderen Verhältnis z. B. der französischen Regierung - nicht nur der jetzigen, sondern auch ihrer Vorgängerinnen - zu einer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier ist nicht der Platz, sich über die französische Politik auseinanderzusetzen, aber hier ist doch, wenn Dinge verniedlicht oder verschoben werden, der Platz, darauf hinzuweisen, daß wir es in vielen Jahren auch mit solchen uns berührenden, aber von uns nicht zu verantwortenden Entwicklungen zu tun haben.
({8})
Hier komme ich noch einmal auf das zurück, was Sie wiederholt angreifen zu müssen glaubten. Wenn der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in einer Rede, die er in Paris auf Einladung gehalten hat, genau auf die Dinge zu sprechen gekommen ist, in denen uns jetzt Probleme auf den Nägeln brennen, und wenn er Wege und Vorschläge zur Krisenmeisterung um der Gemeinschaft willen - damit sie nicht zerspringe oder zerfalle - dargelegt hat, so lohnt es nicht, sich an dem einen oder dem anderen Wort festklammern zu wollen und daran herumzudeuteln.
({9})
Dann nehmen wir das, was Willy Brandt in dieser Frage gesagt und gewollt hat, wie es ist und wie es auch von Leuten nicht vorläufigen Charakters - hier zitiere ich z. B. noch einmal meinen Freund Jean Monnet - positiv gewürdigt worden ist.
({10})
Da erlaube ich mir, einiges zu dem zu sagen, meine Damen und Herren, was wir bei allem, was vorläufigen Charakters sein mag, festhalten müssen. Wir haben es, was die heute hier in der Regierungserklärung berührten und aktualisierten Beziehungen vielfältiger Art betrifft, in denen wir stehen und auf deren Gedeihen wir alle angewiesen sind - unser Staat, unser Volk, sogar in dem Sinne gesprochen: unser Volk im getrennten Deutschland -, bezüglich deren wir zu leisten haben, was wir mit den uns aufgegebenen Beziehungen zu tun imstande sind, mit den Römischen Verträgen zu tun. Wir haben es zu tun mit dem Nordatlantikpakt. Wir haben es zu tun mit dem Generalvertrag, den wir mit den drei Westmächten geschlossen haben, und wir haben es zu tun mit dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen uns und der DDR. Eine Klammer dessen und aus diesen Verträgen herausgewachsen ist das, was wir das Viermächte-BerlinAbkommen nennen mögen. Das ist alles sehr gebrechlich, das alles ist keinewegs Absolutheitsvorstellungen gemäß, aber es ist alles sorgsam zu hüten, sorgsam davor zu behüten, daß es nicht über I das Maß hinaus, das sowieso die Wetterverhältnisse ihm zumessen, strapaziert wird.
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Die vertraglich geregelten Beziehungen mit den Staaten in West und Ost bedürfen - das will ich damit sagen - jeweils ebenso sorgfältigster Aufmerksamkeit und Handhabung, wie wir der Fähigkeit bedürfen, es in unserem eigenen Interesse zu keinem Entweder-Oder kommen zu lassen: entweder mit Westverträgen oder mit Ostverträgen, entweder das eine oder das andere. Das ist doch wohl ein gemeinsames Interesse. Ich bin überzeugt, daß das, auch wenn des „vorläufigen Charakters" wegen heftig dagegen polemisiert wird, im Grunde nicht geleugnet werden kann.
({12})
Wenn ich sage, daß es in unserem eigenen Interesse liege, es zu keinem Entweder-Oder in diesem Geflecht von vertraglichen Beziehungen kommen zu lassen - das ist mit unser eigenes Interesse -, heißt das, daß da nicht Schaukelpolitik hilft, sondern Balance. Balance ist nicht immer so, daß man während der schwierigen Akte und Handlungen schon sieht, was für ein gewaltiger Künstler der ist, dem aufgegeben ist, diese Balance zu halten. Aber er verdient unsere Unterstützung, und so verdient sie der Bundeskanzler bei diesen schwierigen Akten.
({13})
Wenn nicht Schaukelpolitik betrieben, sondern Balance gehalten werden soll, bedingt dieses, nichts
blockieren zu lassen, weder in der einen noch in der anderen Richtung.
Die Behandlung unserer vertraglichen Verpflichtungen und Möglichkeiten muß beim Austragen unserer innenpolitischen Kämpfe, die um die Führung und die Schwergewichte der Politik hier ausgetragen werden - was legitim ist -, insoweit sorgsam geschehen, als wir unsere eigenen Interessen - sagen wir: unsere nationalen Interessen - nicht so in das Spiel anderer Interessen hineinziehen lassen dürfen, daß wir unsere eigenen Interessen nicht wirklich voll wahrnehmen könnten. Das ist eine Regel, von der niemand herunterkommt, gleichgültig, welche Regierung er lieber am Ruder sähe.
Wir brauchen die Abstimmung mit den Interessen von Partnern, aber wir müssen viel dazu tun, uns nicht, auch wenn es ungewollt geschieht, als Werkzeuge der Interessen anderer verbrauchen zu lassen. Ich unterstelle keiner der Seiten, mit denen wir Verträge haben, daß sie uns für ihre eigenen Interessen sozusagen mißbrauchen möchte. Nur: Wir müssen aufpassen, daß wir unsere Interessen selbst sorgsam wahren und sie auch nicht den innerpolitischen Kämpfen um Führung und Schwergewichte hier zum Opfer bringen lassen.
({14})
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie selbst müssen sich gelegentlich daran erinnern, wie schwierig es war, z. B. Abkommen mit der DDR, mit dem anderen Teil im getrennten Deutschland, die von unserer Seite aus bestimmten Gründen aufgesagt worden waren, dann doch wieder zu flicken, weil es keine andere Möglichkeit gab. Ich denke dabei - um nur zwei Punkte herauszugreifen - an jene zeitweilige Kündigung des Abkommens über den innerdeutschen Handel durch eine Regierung hier und daran, wie wir uns dann bemühen mußten, dies wieder in das Gleis zu bringen, ohne daß wir ein völlig neues legen konnten.
({15})
- Damals waren Sie noch nicht hier, Herr. Lassen Sie das ruhig sein, dazu Ihre klugschnackerischen Bemerkungen zu machen!
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Dazu rechne ich auch das Umgehen mit dem Passierscheinabkommen in jenem Jahr, in dem es auf unserer Seite etwas dazu bedurft hätte, es weiterführen und erneuern zu können. Daß die damalige Regierung sich gegen den Rat anderer - z. B. auch gegen meinen Rat - dem damals versagt hat, sind heute keine aktuellen Dinge mehr. Wenn man so will - in der Sprachphilosophie des Herrn Kollegen Carstens -, waren es also Dinge vorläufiger Art.
Nur, wenn Sie sich heute - und das ist Ihr gutes Recht -, an der Frage festhaken, ob denn die Regierung das Äußerste aus den vertraglichen Möglichkeiten herausgeholt hat, dann müssen Sie auch bedenken, daß die vertraglichen Möglichkeiten zugleich auch vertragliche Notwendigkeiten sind. Und dann brauchen wir ein Stück, wo wir bei allen
inneren Auseinandersetzungen hier, die nicht aufhören werden - dafür sorgen, daß wir Möglichkeiten und Notwendigkeiten in das richtige Verhältnis bringen. Und hier danke ich der Regierung wiederum für ihre Beharrlichkeit bei dem Aushandeln dieser Möglichkeiten, nun in sachgerechte Sachverhandlungen eintreten zu können.
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Meine Damen und Herren, Sie dürfen doch - um jetzt einmal ebenso kurz die westliche Seite anzuleuchten - nicht vergessen, wie viele Jahre die französische Auslegung und Praxis im Umgang mit den Römischen Verträgen die westeuropäische Entwicklung zur Einheit hin gekostet haben. Das wissen Sie doch noch ganz genau, und ich nehme nicht an, daß Sie darüber einfach hinwegwischen wollen. Ich denke an die Jahre der „Politik des leeren Stuhls", lange Jahre, die heute noch nicht völlig überwunden sind. Sie wissen, mit welchem Luxemburger Kompromiß man damals abschließen mußte. Schließlich sagten die damalige Regierungskoalition und die damalige Opposition in dem einen Punkt doch: besser dies als gar nichts! Das war die Lage, die wir damals mit der Politik des leeren Stuhls vorgesetzt bekommen haben. Da ging es doch nicht nur um das Verhältnis der Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zueinander, es ging dabei immer auch, wenn nicht in einem sehr starken Maße, um das Verhältnis der Partnerschaft zwischen den zur Einigung Europas fähigen Staaten, also Westeuropas, zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist doch - zusätzlich zu allem - etwas. Ich täte das, meine Damen und Herren, nicht so mit einer Handbewegung in bezug auf das bevorstehende Zusammentreffen zwischen den Präsidenten der Vereinigten Staaten und Frankreichs ab. Dies ist der Vorgeschichte und auch der innenpolitischen Verhältnisse Frankreichs wegen - schwierig genug. Das wissen Sie auch. Wir können diese Verhältnisse von hier aus nicht ändern, falls wir überhaupt ein Rezept hätten, wie man sie eigentlich ändern müßte.
Und da komme ich doch noch einmal zurück zu Herrn Carstens' vorläufigen Wertungen. Er hat intensiv gefragt nach Vorschlägen konkreter Art zur Wahl des Europäischen Parlaments. Herr Carstens, Sie haben gesagt: seit den sechziger Jahren liegen sie auf dem Tisch. Aber Sie wissen doch - ich nehme an, Sie wissen das -, wie die Stellung des französischen Partners, die amtliche, die Regierungsstellung, zu der Direktwahl des Europäischen Parlaments war und noch ist. Daß es jetzt endlich möglich ist, - ({18})
- Entschuldigen Sie, Sie werden mich doch hier nicht belehren, daß Frankreich nicht gesagt hat: nein; höchstens eine Jahreszahl, die noch sehr weit in der Ferne lag, genannt hat auf die Frage, wann man dazu übergehen könnte. Das können Sie doch
innenpolitischer Opportunität wegen nicht einfach aus der Welt schaffen.
Nun, einige Bemerkungen - auch wieder vorläufigen Charakters - haben Sie jetzt schon zur bevorstehenden konjunkturpolitischen Debatte gemacht, die am Freitag hier geführt werden wird. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn das Fehlen einer Einigung im energiepolitischen Bereich - Herr Carstens hat es hier bemängelt - bedauert wird, so kann man doch nicht daran vorbei - ich muß noch einmal auf dieses spezielle Verhältnis zwischen Frankreich und den USA zu sprechen kommen -, daß beide in dieser Frage eine besondere Verantwortung haben.
Sie haben, Herr Kollege Carstens, einige Bemerkungen zum Nahen Osten gemacht. Ich erkläre, daß ich einverstanden bin mit dem, was Sie darüber gesagt haben, daß ein neuer Krieg nicht ein einziges der dortigen Probleme lösen könnte. Hier sind wir völlig übereinstimmender Meinung. Ich erlaube mir, ohne damit diese Übereinstimmung einschränken zu wollen, hinzuzufügen: Ein neuer Krieg dort könnte, würde wahrscheinlich tödlich sein für mehr als nur für die Länder und Völker dieses Gebietes.
({19})
Sie bemängeln hier, daß die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland nicht immer gleichartig und gleichlautend zu den Rechten Israels und der Palästinenser gesprochen hätten, und Sie sagen, das sollten sie tun. Ich bin auch der Meinung: das müssen sie. Meine Einstellung ist die des Bedauerns darüber, daß die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Eindruck gemacht hat, als ob den Palästinensern ein Recht gegeben werden könne, während vom Rechte Israels nicht mehr die Rede zu sein brauche.
({20})
Dies war das, was schauerlich war an jener Demonstration. Es war eine Demonstration, angesichts derer sicher nicht nur ich, sondern viele andere - gleichgültig, zu welchem Lager sie gehören - sehr bedrückt waren, weil manches an jener Schaustellung des Mannes mit dem Pistolenhalfter an etwas völlig anderes erinnerte, nämlich an das Bild, das uns hinsichtlich eines Diplomaten mit dem Regenschirm von 1938 noch gewärtig ist.
({21})
- Der Schuh war noch ein anderes Bild, verehrter Herr. Sie müssen nicht immer nur nach einer Seite gucken. Ich hoffe sehr - und hoffentlich mit Ihnen gemeinsam; denn in diesem Punkte werden wir doch wohl übereinstimmen -, daß es nicht so kommt wie 1938 hinsichtlich jenes anderen Landes, das damals von einigen Gentlemen und Monsieurs dazu verurteilt worden ist, geteilt zu werden.
({22})
Nun, sehr verehrter Herr Kollege Carstens, Sie meinen, den Bundeskanzler in dieser Stunde ermahnen zu müssen, daß eine Veranstaltung, die die CDU in Duisburg - so habe ich gehört - durchführen wird, nicht gestört werden dürfe. Herr Carstens, das entspricht weder der Bedeutung der Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch können Sie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands den Stempel aufdrücken, den Sie ihr gern aufbrennen möchten.
({23})
Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Die SPD hält es weder mit Chaoten noch mit Terroristen, noch mit andersartigen Gewalttätern. Mit keinem von denen ist sie im Bunde!
({24})
Wenn man fragt, wem diese nützen, sage ich Ihnen mit Bitterkeit: Sie nützen Ihnen, meine Damen und Herren, ob bewußt oder unbewußt. Sie wissen auch, daß sie Ihnen nützen.
({25})
Sie nützen nämlich Ihren Absichten, als Hort der
Sicherheit zu erscheinen, wenn auch nur vorläufig.
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Die Sozialdemokratische Partei hat in ihrer Geschichte harte Proben bestehen müssen. Sie hat sie nicht immer alle bestanden, gerade auch hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Terroristen und Provokateuren.
Was den Vorgang betrifft, Herr Kollege Carstens, um den es sich hier handelt und von dem Sie meinen, daß er bei der Gelegenheit zur Sprache gebracht werden mußte, so bin ich davon unterrichtet worden, daß die Unterzeichner jenes Aufrufes, die zur Sozialdemokratischen Partei zu rechnen sind, bis heute mittag ihre Unterschriften zurückzuziehen haben. Anderenfalls ist ihnen ein Parteiausschlußverfahren mit dem Ziel der Löschung ihrer Mitgliedschaft sicher.
({27})
Das tun wir doch nicht Ihnen zuliebe, oder weil Sie es hier gesagt haben - da brauchen Sie nicht süffisant zu lächeln -, sondern weil wir Demokraten sind und weil wir die Auseinandersetzung mit den Demokraten unter Demokraten geführt sehen wollen.
({28})
- Ach, reden Sie doch keinen Nonsens, Herr! Ich habe z. B. erlebt, daß ich in einem - kommt jetzt selten vor - 25-Minuten-Sonntagsinterview des Deutschlandfunks auch zu Fragen hätte etwas sagen müssen, was Möglichkeiten einer Allparteienregierung oder einer anderen Koalition unter ganz bestimmten dringenden anderen Verhältnissen betrifft. Ich habe gesagt: Das, was heute über Koalition geredet wird, ist alles vordergründig, zweckbedingt, jeweils zum Reiz eines eigenen Partners oder anderer gemeint.
({29})
- Sie haben sich vorläufig erregt, Herr Carstens.
Sie werden nachher, wenn Sie dann 60 gewesen
sind - wozu ich Ihnen jetzt schon gratuliere -, noch merken: vorläufige Erregungen sind nicht wirkliche.
({30})
Lediglich die, die die Bandaufnahme haben lesen können, wissen, wie ich mich dort gegen die Dämonisierung von persönlichen und von innenpolitischen Gegnern gewendet habe.
({31})
- Quatschen Sie nicht Unfug! Ich rede hier ehrlich zu Ihnen.
({32})
Ich wende mich z. B. gegen die Dämonisierung des Vorsitzenden der CSU, weil ich meine, sie dient ihm am meisten, um populär zu werden.
({33})
Wenn es einen Orden höchster Klasse gäbe für die Popularisierung Ihres Mannes, der kommt, „wenn er gerufen wird", in das Amt, das er Ihnen vorläufig gern zugestehen will, Herr Carstens, falls inzwischen die Regierung es notwendig machen sollte, dann erhielten ihn jene, die ihn in einer Weise dämonisieren, daß sie ihn hochspielen. Die einen kriegen Angst, und die anderen sagen: Das ist wohl der Mann, der geholt werden muß, wenn er gerufen wird.
({34})
- Wenn ich das Wort gesagt hätte, wäre ich zur Ordnung gerufen worden. Aber ich bin hier nicht dazu da.
({35})
Nun zu dem Versuch bei den vorläufigen Bernerkungen des Herrn Kollegen Carstens, den Regierenden Bürgermeister Berlins auszuspielen. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat am Montag während seiner Sitzung Kenntnis vom Wortlaut der Erklärung bekommen, die der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz
- der auch Mitglied des Vorstandes der SPD ist, aber bei dieser Gelegenheit nicht anwesend sein konnte -, in Berlin abgegeben hat. Wir haben dazu erklärt und öffentlich gemacht, daß der Parteivorstand den Regierenden Bürgermeister und die Berliner zu diesem Ausblick auf konstruktive Verhandlungen beglückwünscht, die im Ergebnis wesentliche Fortschritte für die Mitbürger der geteilten Stadt zeitigen werden. Dem Bundeskanzler und der Bundesregierung dankt der Parteivorstand für die Beharrlichkeit im Bemühen, die mit der DDR auf dem Boden des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zum Besten der Menschen im getrennten Deutschland geführten Verhandlungen zu positiven Ergebnissen zu bringen.
Übrigens: Darüber wird man noch in zehn und in 15 und vielleicht in 20 Jahren reden, wie weit man jeweils gekommen, wie weit man zeitweilig wieder zurückgedrängt und wie weit man dann wieder weitergekommen sein wird. Da haben also die Jüngeren noch große Chancen.
Ich bin der Meinung, daß es ungerechtfertigt ist, wenn aus dem Munde von Herrn Carstens die Frage gestellt wird, was denn geschehe mit diesen nun in den Verhandlungsgang kommenden Projekten - und wenn sie zu wirklichen Objekten geworden sein mögen -, wenn die DDR erneut Störungsaktionen führen wird. Wollen wir nicht endlich aufhören mit jener Mär, als hätten die Bundesregierung und der Bundeskanzler nicht angemessen reagiert auf Störungen, die in den letzten Monaten vorgekommen sind? Das haben sie. Allerdings, wir waren dabei auch darauf bedacht, daß es nicht zu solchen Clinchs käme, wie sie unter anderen Umständen - und von der Gegenseite mehr gewollt, als von unserer Seite zu verhindern gewesen war - wiederholt ausgelöst worden sind. In der Pressemitteilung des Bundespresse- und Informationsamtes Nr. 1468/ 74 vorn 9. 12. - und das haben Sie auch so gelesen, wie ich das gelesen habe, Herr Carstens und die anderen Damen und Herren - finden Sie genau, was in bezug auf diese in Gang kommenden Projekte zu sagen ist, zu sagen notwendig ist. So könnten Sie es sich, wenn Sie vorläufig wollen, ersparen, die vorläufigen Bemerkungen über noch nicht in Gang gekommene, über noch nicht den Ergebnissen nach zu bewertende Verhandlungen über Projekte und Objekte auszusprechen.
Ich sage am Schluß noch einmal Dank dem Bundeskanzler, der Bundesregierung für diese Beharrlichkeit und Dank dafür, daß sie, ohne daß es ihnen darauf ankam, bloß eine gute Figur zu machen, unter schwierigen und in mancher Hinsicht schwierigsten Verhältnissen Balance gehalten haben, die uns in unserer Lage besonders gut ansteht.
Ich danke.
({36})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bangemann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute morgen über einen nicht unbeträchtlichen Erfolg der Bundesregierung, insbesondere im Bereich der Europapolitik. Das haben die Ausführungen des Kollegen Carstens ganz deutlich gemacht; denn im wesentlichen hat er über andere Dinge gesprochen, weil er diesen Erfolg nicht bestreiten kann.
({0})
Ich halte es aber doch für richtig, wenn man von diesen Sachen spricht; denn die Einschätzung der Bundesrepublik, ihrer Situation und der Politik der Bundesregierung im Ausland und bei der Opposition ist in einem Maße unterschiedlich, das man nur noch damit erklären kann, daß hier nicht bloß die PerDr. Bangemann
spektiven anders sind, sondern daß die Opposition beginnt, an Realitätsferne geradezu zu leiden, an einer gewissen Blickverengung zu leiden, die im Bereich der Außenpolitik eben auch nicht der Bundesrepublik insgesamt nützen kann.
Der Besuch in Washington hat doch eines ganz deutlich gemacht, meine Damen und Herren: daß vor der allgemein schwierigen weltwirtschaftlichen Situation, auch vor der allgemein schwierigen allgemeinpolitischen Situation in der Welt die Bundesrepublik in einer außergewöhnlich guten Ausnahmesituation verhandeln und handeln kann und daß die Bundesregierung diese Situation genützt hat.
Auch die NATO-Tagung in Brüssel, die im Augenblick noch abläuft, zeigt diese Realitätsferne vieler der Positionen, die die Opposition eingenommen hat. Meine Damen und Herren, auf dieser NATO- Tagung ist der Bundesrepublik bestätigt worden, daß die Einsatzbereitschaft, die militärische Schlagkraft der Bundeswehr in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, daß insbesondere auch die beabsichtigte Veränderung der Wehrstruktur in diesem Sinne von unseren Bündnispartnern eingeschätzt wird, ganz im Gegensatz zu dem verhängnisvollen Wort von den Operettenarmeen, das Herr Strauß geprägt hat und das noch einmal in diesem Bereich zeigt, wie sehr die Opposition ihren Blick trüben läßt durch den Versuch, ihre eigene Position zu verbessern, wie sehr sie sich weigert, daran teilzuhaben, daß die Position der Bundesregierung in manchen Bereichen zugleich auch Position der Bundesrepublik ist, so daß es eine Verpflichtung wäre für die Opposition, diese Positionen in gleicher Weise zu verteidigen und zu vertreten, wie die Bundesregierung das tut.
({1})
Meine Damen und Herren von der Opposition, man kann nicht ohne Schaden für die Position der Bundesrepublik von „Operettenarmeen" sprechen. Das werden Sie selbst feststellen, wenn Sie ins Ausland gehen. Solche Verpflichtungen bestehen auch für die Opposition.
Ich kann noch nicht ganz begreifen, in welchen Punkten wir bei der Beurteilung der Situation im Nahen Osten unterschiedliche Positionen vertreten. Man muß sich an die einhellige Ablehnung der Erklärung der Neun, die insbesondere aus den Reihen der Opposition kam, erinnern. Herr Professor Carstens, damals, in dieser Erklärung der Neun, ist ganz ausdrücklich davon die Rede gewesen, daß die Positionen aller im Nahen Osten miteinander im Streit liegenden Völker in gleicher Weise gesichert werden müßten, damit diese Völker die Chance erhielten, in gesicherten Grenzen in Frieden zu leben. Sie haben das damals kritisiert. Heute scheinen offenbar auch Sie diese Position der Bundesregierung für richtig zu halten.
Auch die Aufhebung des Zwangsumtauschs für Rentner mein Kollege Hoppe wird darauf noch im einzelnen eingehen - ist nun doch ein Faktum, das auf dem Tisch liegt und an dem man nicht vorbeikommen kann. Sie überspielen nun diese Erfolge, die ganz offenbar vorhanden sind, immer damit, daß
Sie erneut Forderungen stellen, die eben noch nicht realisiert sind. Sie versuchen damit, die greifbaren Erfolge der Bundesregierung herunterzuspielen. Das scheint Ihnen nach meinem Dafürhalten immer weniger zu gelingen, um so heftiger stellen Sie nun diese Versuche an.
Lassen Sie mich zu der europapolitischen Situation und zu dem Ergebnis des Gipfels kommen, der - ich habe es schon am Anfang gesagt - in überaus großem Maße für unsere Position sichtbare Erfolge mit sich gebracht hat.
Wenn man sich einmal in Erinnerung ruft, wie die allgemeine Auffassung in der Kommentierung der Presse vor dem Gipfel war, welche Tendenz in diesen Pressekommentaren sichtbar war, dann darf ich für viele dieser Kommentare stellvertretend die „Neue Zürcher Zeitung" zitieren, die geschrieben hat:
Es ist eine alte Geschichte und immer wieder neu. Neu ist zur Zeit, daß sich die europäische Problematik auf das Jahresende wieder einmal kritisch zuspitzt, nachdem schon der Jahresbeginn im Zeichen voller Krise, eines atlantischen Zerwürfnisses und einer innereuropäischen Zerreißprobe zugleich, gestanden hatte.
Meine Damen und Herren, diese Beschreibung der Möglichkeiten, der Hoffnungen, die mit dem Gipfel verbunden waren, ging durch die gesamte Presse hindurch. Niemand hat sich vom Gipfel etwas versprochen. Jedermann war skeptisch und voller Pessimismus.
Es ist sicher richtig, daß die Probleme größer geworden waren. Es ist sicher richtig, daß die Probleme auch dadurch größer geworden waren, daß sich die Differenzen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vertieft hatten. Es gab nicht so sehr Meinungsverschiedenheiten, sondern die Ausgangspositionen, von denen die einzelnen Mitgliedsländer auszugehen gezwungen waren, hatten sich verändert.
Zugleich wurde aber auch deutlich, daß eine größere Sensibilität für diese Probleme entstanden war, daß insbesondere bei der französischen Position zu verzeichnen ist, daß unter Aufgabe alter Vorbehalte eine Hinwendung zu einem Europa vollzogen wurde, wie wir es uns vorgestellt und gewünscht hatten.
Auch die Schwierigkeiten in Großbritannien haben nicht dazu geführt, daß sich die Politik Englands so von Europa abgewandt hätte, daß nicht ein Funken Hoffnung übriggeblieben wäre. Bei allen äußeren Vorbehalten, insbesondere zur Frage der Bedingungen des Verbleibens in der Gemeinschaft, war doch spürbar geworden, daß in Großbritannien, gerade auch in der Labour Party, die Erkenntnis, das Bewußtsein gewachsen waren, daß ein Verbleiben in der Gemeinschaft auch im eigenen Interesse liegen würde.
Das gleiche gilt für Italien. Hier haben wir, deutlich sichtbar, eine größere Nüchternheit bei der Einschätzung des wirtschaftlich Notwendigen zu verzeichnen gehabt. Wenn ich Dänemark, Irland und die Benelux-Länder in dieser Aufzählung nur
so erwähne, dann geschieht das nicht, um deren Probleme zu verkleinern. Ich darf aber im Hinblick auf die Benelux-Länder sagen: Wir haben in der Vergangenheit immer wieder mit großer Befriedigung verzeichnen können, daß gerade bei den kleineren Partnern der Gemeinschaft ein großes Maß an Verständnis für die zunehmende Souveränität der Gemeinschaft vorhanden war.
Meine Damen und Herren, bei dieser Ausgangslage in der allgemeinen öffentlichen Einschätzung der Chancen eines Gipfels gibt es an einem gar nichts zu zweifeln und gibt es auch nichts herumzudeuteln: Das Ergebnis dieses Gipfels, wie es uns jetzt in Form des Kommuniqués vorliegt, ist ein großer europapolitischer Erfolg dieser Bundesregierung.
({2})
Wer das verkleinern will, tut etwas, was im Gegensatz zu seinen Lippenbekenntnissen steht; er verläßt nämlich die europapolitische Linie, die wir gemeinsam vertreten haben. Es geht eben nicht, daß man einen solchen Erfolg um seines eigenen Nutzens willen verkleinert, auch nicht, wenn man in der Opposition ist, sondern einen solchen Erfolg muß man gemeinsam mit den Fraktionen anerkennen, die die Regierung tragen, wenn man auf dem Gebiet der Europapolitik weitere Fortschritte will.
({3})
Das aber hat Herr Carstens nach meiner Meinung nicht getan.
Ich will das an einigen Punkten aus dem Kommuniqué, das Ihnen allen jetzt vorliegt, deutlich machen. Ich möchte dabei von meiner Fraktion aus insbesondere dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister dafür danken, daß sie in diesen schwierigen Verhandlungen einen großen Fehler vermieden haben, der angesichts unserer relativen Stärke sehr nahe lag, nämlich in dem Bewußtsein aufzutreten, es besser zu wissen, und dadurch den Erfolg unmöglich zu machen. Dies ist nicht der Fall gewesen.
({4})
Was, Herr Kollege Carstens, bedeutet nun das Ergebnis, das Sie hier herunterzuspielen versucht haben und zu dem der Außenminister auch noch deutlich Stellung nehmen wird?
Die Bundesregierung hat sich nicht in die unheilvolle Alternative hineinpressen lassen, daß nur eine Wahl zwischen den wirtschaftlichen Notwendigkeiten einerseits und den institutionellen Verbesserungen andererseits möglich sei. Das war ja sehr oft gerade auch aus den Reihen der Opposition vor dem Gipfel zu hören, daß man fragte: Was bedeuten institutionelle Verbesserungen angesichts der wirtschaftlichen Situation, angesichts der Zwangslage, in der sich viele Mitgliedsländer befinden?
({5})
Wir müssen erst einmal diese wirtschaftliche Situation bereinigen, dann kann an einen weiteren Fortschritt bei den Institutionen gedacht werden. - Meine Damen und Herren, dies ist eine der Alternativen, die die Bundesregierung nicht akzeptiert,
mit Recht nicht akzeptiert, die wir nicht akzeptiert e haben, in die sich die Opposition aber immer wieder verrennt, weil sie glaubt, Politik aus der einseitigen Wahl einer dieser Alternativen heraus machen zu können. Die Ziffer 2 des Abschlußkommuniqués spricht hier eine deutliche Sprache, wenn von der Anerkennung der Notwendigkeit die Rede ist, die interne Probleme, die der Aufbau Europas mit sich bringt, und die Probleme, die sich Europa von außen stellen, als Ganzes zu sehen. Das ist eine realistische Einschätzung dieser Problematik, weil sie vermeidet, sich in der Hoffnung, daß Lösungen für die Probleme insgesamt erreicht werden können, auf ein vordergründiges Gebiet zu stürzen.
Es ist auch nicht richtig, Herr Professor Carstens, daß sich die institutionellen Verbesserungen aus dem Text des Kommuniqués nicht ergeben und daß hier irgendwelche bewußten oder unbeabsichtigten Unklarheiten übriggeblieben sind. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie selber den Zweifel zu erwecken versuchten, als sei nicht festgelegt, in welchem Ausmaß, nach welchem Turnus, in welchem zeitlichen Rhythmus sich die Regierungschefs in Zukunft treffen werden. In der Ziffer 3 des Kommuniqués steht ausdrücklich und ohne jeden Zweifel:
Die Regierungschefs haben daher beschlossen, dreimal jährlich und jedesmal, wenn dies notwendig erscheint, zusammen mit den Außenministern als Rat der Gemeinschaft und im Rahmen der Politischen Zusammenarbeit zusammenzutreten.
Hier ist kein Zweifel zurückgeblieben, Herr Professor Carstens. Dies ist eine klare Terminierung, eine klare Festschreibung, und zwar sowohl was die Häufigkeit dieses Zusammentreffens angeht wie auch vor allen Dingen - und das scheint mir besonders wichtig zu sein - die Art und Weise des Zusammentretens. Denn Sie wissen, die große Problematik, die sich hier auftat, war die, daß wir wieder einmal vor einem solchen Scheideweg standen, das Europa der gemeinsamen Institutionen zu verlassen und uns auf einen Weg bilateraler Zusammenarbeit zu begeben, den meine Fraktion unter gar keinen Umständen akzeptiert hätte. Ich habe das schon an anderer Stelle deutlich gesagt: Die Freien Demokraten unterstützen nur eine Europapolitik, die zu einem demokratischen, gemeinschaftlich verfaßten Europa führt. Sie unterstützen keine Europapolitik, die nur auf das überholte Mittel bipolarer Zusammenarbeit alter Nationalstaaten zurückgreift.
({6})
- Wenn wir in diesem Punkt übereinstimmen, dann müssen Sie wohl das eine oder andere in Ihrem Redemanuskript, ich will nicht sagen: korrigieren, aber in der Tendenz verändern; denn Sie meinten, diesem Kommuniqué seien nicht genügend Unterlagen für diesen Weg zu entnehmen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen: Die Formulierung des Kommuniqués, daß sich die Regierungschefs mit den Außenministern als Rat der Gemeinschaft und im Rahmen der Politischen Zusammenarbeit treffen
werden, schließt es aus, daß ein solches Zusammentreffen ein Zusammentreffen der Regierungschefs von souveränen Nationalstaaten, von nationalstaatlichen Einheiten, sein kann.
Ich begrüße im Namen meiner Fraktion insbesondere auch die Regelung des Kommuniqués, daß die Außenminister als Rat der Gemeinschaft ein stärkeres politisches Gewicht entfalten sollen, um der Gemeinschaft neue Impulse und eine Koordination zu geben, die bisher beim Ministerrat, beim Zusammentreffen der Fachminister, vielleicht ein wenig gefehlt hat. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß die diskutierte politische Union Europas im Kommuniqué zum erstenmal greifbare, institutionalisierte Formen annimmt, indem davon die Rede ist, daß der Sprecher der Neun, der Vorsitzende des Rates, jeweils auf diplomatischer Ebene für die Neun auftritt, eine institutionelle Verbesserung, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann; denn hier haben wir den ersten Schritt zu einer wahrhaften und auch im politischen Tagesgeschehen tätig werdenden Gemeinschaft der Neun erreicht.
Die Verbesserung der Gemeinschaftsverfahren und die Zuweisung der erforderlichen Handlungsbefugnisse an die Organe der Gemeinschaft sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Ich erwähne dies so ausführlich, weil Herr Professor Carstens darüber ein wenig hinweggegangen ist. Ich habe ein gewisses Verständnis für ihn insoweit, als er hier natürlich in einem Dilemma war. Sicherlich waren da zwei Seelen in seiner Brust, die eine des Oppositionsführers, der vor der Schwierigkeit steht, ein wirklich überraschend konkretes, überraschend erfolgreiches Kommuniqué zu kommentieren und dabei zu vermeiden, der Regierung ausdrücklich Lob zu spenden. Deswegen hat er sich wohl auch auf diese Duisburger Pfade begeben und hier erneut das Gespenst einer SPD beschworen, die nach seiner Meinung möglicherweise bei der einen oder anderen Gelegenheit den Pfad der demokratischen Tugend zu verlassen in der Lage und auch bereit sei. Der Kollege Wehner hat ihm die erforderliche und gebührende Antwort darauf bereits erteilt.
Ich darf an dieser Stelle aber vor dem Hintergrund dessen, was Sie, Herr Professor Carstens, dazu ausgeführt haben, noch einmal ausdrücklich sagen: Gerade in einer außen- und in einer europapolitischen Debatte ist es wirklich nicht dem Stil des Hauses und auch nicht dem Rang dessen, was wir heute hier zu diskutieren haben, angemessen, wenn man dauernd seine eigenen innenpolitischen Gespenster aus der Schublade holt
({7})
und eine Partei diffamiert, die in der Gestalt des Bundeskanzlers wesentlich zu dem Ergebnis dieses Gipfels beigetragen hat. Das muß man doch einmal sagen.
({8})
Der Versuch, auf diese Weise die Regierungskoalition auseinanderzubringen, indem man sagt: die Freien Demokraten sind die demokratisch Zuverlässigen in diesem Hause, während bei der SPD
immer die unheilvolle Nachbarschaft zum Kommunismus aufscheint, wird unter gar keinen Umständen gelingen. Das kann ich Ihnen, meine Damen und Herren, schon jetzt hier sagen.
({9})
Lassen Sie uns zu den europapolitischen Problemen zurückkommen, die zu wichtig sind, als daß sie von der Versammlung oder Verhandlung in Duisburg, so wichtig sie auch sein mag, überschattet werden dürften.
Wir haben, meine Damen und Herren insbesondere auch bei der Direktwahl einen Zugang zum demokratischen Europa gefunden, der nach unserer Meinung besser und direkter gar nicht sein kann; im übrigen entspricht das auch Ihrer eigenen Auffassung. Denn wenn ich mich richtig erinnere, liegt dem Hause immer noch eine Resolution vor, in der Sie zur Einführung der Direktwahl unserer europäischen Parlamentarier auffordern. In dem Kommuniqué ist nun eine zeitliche Abfolge vereinbart worden, die diese Wahlen nicht hinausgeschoben hat. Bis 1976 soll der Rat entscheiden, bis 1978 können diese Wahlen eingeführt werden außer in Dänemark und Großbritannien. Wir wissen alle, daß sich die Haltung Großbritanniens vielleicht in einiger Zeit, wenn ein politisches Ereignis vorbei sein wird, noch ändern kann. Die dänische Situation ist ganz sicher nicht dadurch erklärbar, daß man etwa sagt: Das sind die Leute, die weniger von der Gemeinschaft halten, sondern es ist wohl mehr auch Reflex ihrer innenpolitischen Situation.
Wir können also davon sprechen, daß die Gemeinschaft auf dem Gebiet gemeinsamer und allgemeiner, direkter Wahlen zum Europäischen Parlament zu einem Durchbruch gefunden hat, wobei ich hinzufügen will, daß die Verbindung dieser Wahlen mit einer Erweiterung der Kompetenzen der Institutionen exakt das ist, was die beiden Regierungsfraktionen in diesem Bereich auch an Ergänzungen vorgeschlagen haben - auch in Abänderung dessen, was Sie selbst vorgeschlagen haben -, weil wir nun in der Tat der Meinung sind, daß eine allgemeine Wahl zum Europäischen Parlament dann Sinn gibt und auch für die Öffentlichkeit eine tiefere Bedeutung, eine größere Einschätzung der europäischen Einigung gewinnt, wenn der Öffentlichkeit klar ist, daß mit einer solchen Wahl Parlamentarier gewählt werden, die mehr tun, als nur den Gang der europäischen Dinge kommentierend zu begleiten. Die Kompetenzen eines Parlaments, meine Damen und Herren, müssen der Art und Weise, in der dieses Parlament zustande kommt, entsprechen. Ein bloßes beratendes Organ, wie es das Europäische Parlament in der Vergangenheit leider nur war, muß nicht direkt und allgemein gewählt werden, ganz im Gegenteil; eine solche direkte und allgemeine Wahl würde in der Öffentlichkeit dann vielleicht wieder einmal als eine bloße europäische Veranstaltung empfunden werden, die verdecken soll, daß nichts dahintersteht. Deswegen haben wir großen Wert darauf gelegt, daß das zusammengeht, und jetzt geht es zusammen. Wir haben in diesem Kommuniqué erstmalig eine ausdrückliche Entscheidung der Regierungschefs dahin, daß diese Entwicklung
des Europäischen Parlaments nicht nur begrüßt wird, sondern auch durchgeführt werden soll. Ich meine deswegen, daß die Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments zusammen mit der Forderung nach der Direktwahl einen erheblichen Schritt in die richtige Richtung zum demokratischen Europa darstellt.
Sie haben auch schon erwähnt - in diesem Punkte lobend, wahrscheinlich deshalb, weil es sich um den Regierungschef eines Nachbarlandes handelt -, daß Sie Herrn Tindemans bei der Abfassung des Berichts, mit dem er beauftragt worden ist, großes Vertrauen entgegenbringen. Wir teilen dieses Vertrauen, und wir hoffen, daß dieser Bericht die Richtung zu einem demokratischen Europa noch stärker einschlagen wird.
Lassen Sie mich ferner noch einiges zu den Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion sagen.
Es ist angesichts der unterschiedlichen Positionen, die die Mitgliedsländer hier in der Vergangenheit eingenommen haben, keine Kleinigkeit, daß wir in dem Kommuniqué Übereinkunft darüber erzielt haben, daß die Stabilitätspolitik einerseits und die Wachstumspolitik andererseits in ein Gleichgewicht zu bringen sind. Sie wissen, daß unsere Vorbehalte, insbesondere gegenüber der Position einiger unmittelbarer Nachbarn - Frankreich und Italien , auf diesem Gebiet in der Vergangenheit immer darin bestanden haben, daß wir zwar bis zu einem gewissen Grade die Notwendigkeit eingesehen haben, daß diese Nachbarn stärker auf Wirtschaftswachstum setzen, daß wir aber unseren Nachbarn die Gefahren, die damit aufgetaucht sind, immer wieder mit großer Nachdrücklichkeit vor Augen geführt haben. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist: Es steht eindeutig im Kommuniqué, daß wirtschaftliche Stabilität und Wirtschaftswachstum zwei gleichrangige Ziele sind und als solche von den Gemeinschaftsländern zu behandeln sind.
Meine Damen und Herren, ich darf den ganz ausdrücklichen Dank meiner Fraktion an die Bundesregierung, insbesondere an den Bundeskanzler, aber auch vor allen Dingen an den Bundesaußenminister, richten, daß sie mit den eigenen Überlegungen zur Konjunktur-, Währungs-, Stabilitätspolitik und den Beschlüssen, die dazu gefaßt werden sollen, gewartet hat, bis sie nicht nur die Meinung der Vereinigten Staaten, sondern vor allen Dingen auch die der Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft in diese Überlegungen mit einbeziehen kann. Das ist eine Haltung der Regierung, die aktive Solidarität mit unseren europäischen Nachbarn bekundet. Dafür wollen wir ganz ausdrücklich danken.
({10})
In diesem Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik scheint mir der Einstieg in die Währungsunion durch die Installation eines ständigen Konsultationsmechanismus sehr wichtig zu sein. Wir müssen in diesen wichtigen Bereichen über die nationalstaatlichen Souveränitäten hinauskommen, wenn wir zu einer wirklich wirksamen Währungs- und insbesondere Stabilitäts- und Wirtschaftspolitik kommen wollen. Die gemeinsame Haltung der Gemeinschaft in diesen Fragen auch nach außen hin ( wird eben dann um so mehr Erfolg und Wirkung erzielen, wenn sie in einem Prozeß der Willensbildung gefaßt wird, der es zuläßt, hier von einer europäischen Stimme zu sprechen.
In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung zur Einführung und zum Wirksamwerdenlassen des Regionalfonds von großer Bedeutung. Ich glaube, daß die Bundesregierung hier richtig gehandelt hat: daß sie in dieser Frage zwar Bedingungen für die Ausstattung dieses Regionalfonds mit entsprechenden Mitteln gesetzt hat die Bedingung nämlich, daß dieser Fonds seine eigentliche Wirkung nicht durch das Gießkannenprinzip verliert -, daß sie sich aber, nachdem diese Bedingungen erfüllt worden sind, bereit gefunden hat, zur Finanzierung dieses Fonds - auch angesichts der augenblicklichen Haushaltslage - beizutragen.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu der Situation Großbritanniens sagen, weil auf dem Gipfel doch ganz offenbar eine gewisse Unterschiedlichkeit in den Positionen deutlich geworden ist, wenngleich manches in der Presse wohl etwas dramatisiert worden ist. Ich bin der Meinung, daß wir bei den Verhandlungen mit Großbritannien, soweit das irgend mit der Solidarität der Gemeinschaft vereinbar ist, auf die besonderen Schwierigkeiten Großbritanniens eingehen sollten. Ich bin nicht der Meinung, daß wir die Europäische Gemeinschaft als eine Gemeinschaft konstruieren sollten, deren Gefüge so starr ist, daß es nicht zuließe, einem Mitgliedsland, das sich in besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, eine Erleichterung zu gewähren, die einfach notwendig ist. Der Bundesaußenminister hat hierauf sehr nachdrücklich hingewiesen.
Man wird eine Gemeinschaft nicht aufrechterhalten können, die darin besteht, daß die starken Länder mit großer Starrheit die Strukturen der Gemeinschaft gerade dann verteidigen, wenn es einmal darauf ankommt, einem - relativ und vielleicht nur zeitlich gesehen - schwächeren Partner zu helfen. Die Europäische Gemeinschaft wird um so stärker sein, je flexibler sie auf solche Zwangs- und Notsituationen eines Partners eingeht. Ich möchte das auch als Appell an unsere französischen Freunde verstanden wissen. Wir sollten auf die englische Situation, soweit es irgend geht, eingehen und den Engländern das weitere Verbleiben in der Gemeinschaft möglich machen.
Europas Stimme - und das verdanken wir diesem Gipfel, das verdanken wir den Bemühungen der Bundesregierung und vor allen Dingen auch des Bundesaußenministers - ist deutlicher geworden. Europas Stimme artikuliert sich. Ich glaube, daß die Presse und die Kommentatoren, die diesen Gipfel in der Vorausschau skeptisch und pessimistisch beurteilt haben, nicht recht behalten haben. Ich sage das nicht im Sinne der Rechthaberei, sondern der wirklichen Freude über diesen Fortschritt auf Europa hin. Die „Neue Zürcher Zeitung" hatte eben Gott sei Dank nicht recht, als sie prophezeite: Die gemeinsame Stimmenthaltung mangels gemeinsamer Stimme scheint vorläufig überhaupt der Beitrag EuDr. Bangemann
ropas zum globalpolitischen Konzert der Mächte zu bleiben.
In dieser Beurteilung der europapolitischen Szenerie wird sich und muß sich nach dem Gipfel einiges ändern. Die Bemühungen der Bundesregierung, die Bemühungen des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers haben zu einem sichtbaren Erfolg auf der europäischen Szenerie beigetragen. Der Beitrag der Bundesregierung zu diesem Erfolg des Gipfels ist beträchtlich. Meine Damen und Herren von der Opposition, auch Sie sollten sich überwinden.
Ich sehe, daß der Kollege Barzel in der Rednerliste eingetragen ist; vielleicht kann man ihm diese Überwindung zutrauen. Ich hoffe, daß er in dieser Hinsicht etwas realistischer urteilt.
({11})
- Ich werde nachher sehr gut zuhören. Ich hoffe, daß Sie mich in dieser Hinsicht nicht enttäuschen werden, Herr Barzel.
({12})
- Nein, Herr Kollege Marx, ich sage dies jetzt einmal in allem Ernst nur zu Ihnen von der Opposition gewandt: Wir wissen uns ja darin einig, daß wir in der Tat nur durch Beharrlichkeit, eine gewisse Stetigkeit und Zähigkeit die Schwierigkeiten überwinden können, die auf dem Weg hin zu Europa nun einmal vorhanden sind. Wenn das aber so ist und diese Schwierigkeiten vorhanden sind, sollten wir uns nicht gegenseitig zusätzliche Schwierigkeiten machen, sondern diese Opposition sollte sich aufraffen nicht im Interesse der Bundesregierung, auch nicht im Hinblick auf irgendeine Wahl, die jetzt vor uns liegt, sondern im Interesse Europas -, einmal zu sagen: Donnerwetter, das Ergebnis des Gipfels ist beträchtlich! Das hätten wir nicht geglaubt!
({13})
Um es Ihnen ein bißchen zu erleichtern, schlage ich Ihnen eine Formulierung vor. Sagen Sie wenigstens: Dieser Regierung hätten wir das nicht zugetraut. - Dann würden Sie wenigstens den Erfolg entsprechend würdigen und trotzdem Ihre oppositionelle Haltung beibehalten.
Herr Abgeordneter Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Barzel?
Bitte sehr!
Herr Kollege Bangemann, ist Ihnen entgangen, daß in der letzten Europadebatte dieses Hauses Ende März der frühere Bundeskanzler Kiesinger namens der Opposition eine gemeinsame Europapolitik angeboten, die Koalition dies aber abgelehnt hat?
Nein, Herr Kollege Barzel, es ist nicht richtig, wenn Sie das so sagen.
({0})
- Nein, das stimmt einfach nicht, weil Sie ja zwischen den verbalen Äußerungen und den inhaltlichen Äußerungen unterscheiden müssen.
({1})
Herr Kollege Barzel, ich will Ihnen hier jetzt noch nicht die Qual bereiten, das Kommuniqué Ziffer für Ziffer vorzulesen. Aber ich frage Sie in der Zusammenfassung dessen, was ich gesagt habe: Sind Sie mit mir und der Bundesregierung darin einer Meinung, daß wir ein Europa haben wollen, in dem die Institutionen der Gemeinschaft verstärkt werden? Wenn Sie ja sagen, müssen Sie ja zum Gipfel und ja zu diesem Ergebnis der Politik der Bundesregierung sagen. Sind Sie mit mir Meinung, daß Europa auch auf dem Wege der Verstärkung der Befugnisse des Ministerrats vorangetrieben werden muß? Wenn Sie diese Frage bejahen, müssen Sie ja zu dem Ergebnis des Gipfels und ja zum Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung sagen. Wenn Sie der Meinung sind, daß in der Frage der Direktwahl des Europäischen Parlaments der hier vorgeschlagene Weg eingeschlagen werden soll, müssen Sie ja zum Ergebnis des Gipfels und ja zu der Politik der Bundesregierung sagen.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen diese Therapie des wiederholten Ja deswegen vor, weil Sie in den letzten Monaten in einer Position des ständigen Nein verharrt sind. Das ist für Sie gewissermaßen also eine Pferdekur, die notwendig ist.
({3})
Meine Damen und Herren, dies ist ein Ergebnis der Europapolitik der Bundesregierung, das Sie, wenn Sie die Regierung stellten, in den höchsten Tönen feiern würden. Das möchte ich Ihnen einmal sagen.
({4})
Diese Bundesregierung hat Europa mit Zähigkeit und Nüchternheit eine erhebliche Wegstrecke vorangebracht. Das sollten wir ihr bescheinigen. Europa war lange Zeit zwar eine Hoffnung, aber auch nur eine Hoffnung.
({5})
Es wird jetzt mehr und mehr Wirklichkeit. Das
verdanken wir der Politik der Regierung. Dafür
danken wir ihr. Das ist ermutigend und sollte auch für die Opposition ermutigend sein.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zimmermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bangemann hat der Opposition ein eigenartiges Rezept empfohlen.
({0})
Er hat der Opposition, wenn ich recht mitgezählt habe, zwischen acht- und zwölfmal ein kräftiges Ja zur Politik der Regierung empfohlen.
({1})
Lieber Herr Bangemann, eine so einfache Opposition, wie Sie sie in diesem Hause haben möchten, sind wir in den letzten fünf Jahren nie gewesen und werden wir nie sein.
({2})
Zu diesem empfohlenen Ja muß man folgendes hinzufügen. So erfolgreich ist die Politik der Bundesregierung nun wirklich nicht, daß wir ein uneingeschränktes und ein unaufhörliches Ja dazu sagen könnten.
({3})
Sie müssen uns schon gestatten, sehr differenziert und nuanciert zu sagen - der Führer der Opposition, Herr Professor Carstens, hat das schon getan -, was wir an den Initiativen des Bundeskanzlers begrüßen, was wir an den Ergebnissen auszusetzen haben und welchen Kurs wir für den richtigen halten würden.
Außerdem, Herr Kollege Bangemann, würde ich doch bitten, dieses Experiment mit der Aufforderung zum Ja nicht zu wiederholen; denn es ist in allen Parlamenten der Welt üblich, daß die Opposition die Regierung fragt und nicht umgekehrt.
({4})
Der Herr Bundeskanzler hat in diesem Hohen Hause über seinen Besuch in Washington und über die europäische Gipfelkonferenz in Paris berichtet. Lassen Sie mich zunächst sagen, daß wir es begrüßen, wenn nach Jahren einseitiger Ostpolitik von der Bundesregierung dieser Koalition überhaupt einmal wieder Westpolitik betrieben wird; schon das ist eine Genugtuung für uns.
({5})
Dieser positiven Aussage muß ich allerdings einige einschränkende Bemerkungen hinzufügen. Diese Westpolitik wird noch immer vor dem Hintergrund einer verfehlten Ostpolitik betrieben. Die West- und insbesondere die Europapolitik muß in die richtige Richtung führen; die Westpolitik darf nicht eine Flucht in die Außenpolitik darstellen, während gleichzeitig das deutsche Haus im Inneren mehr und mehr in Unordnung gerät. Unsere außenpolitischen Probleme sind zu ernst, als daß die
Außenpolitik die Funktion eines Manövers der Ablenkung von innenpolitischen Schwierigkeiten, einer verfehlten Wirtschafts- und Stabilitätspolitik und innerparteilicher Zerrissenheit sein dürfte.
Ich sage das zur Bundesregierung, weil der Sprecher der Bundesregierung in den Vereinigten Staaten erklärt hat, der Herr Bundeskanzler habe dort mit schonungsloser Offenheit eine wirtschaftliche Bilanz gezogen. Ich meine, es wäre angebracht gewesen, daß bei diesen Gesprächen auch eine schonungslose politische Bilanz, eine Bilanz der Amerikapolitik, der Europapolitik und der Ostpolitik der Regierung dieser Koalition gezogen worden wäre.
Auf dem Gebiet der Außenpolitik macht es diese Regierungskoalition der Öffentlichkeit und auch der Opposition nicht immer ganz leicht bei der Beurteilung der Frage, wo und von wem nun eigentlich letztlich die entscheidenden Akzente gesetzt worden sind. Schon bei der letzten Regierung dieser Koalition war es oft recht unterschiedlich, was man von dem damaligen Bundeskanzler Brandt, vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Wehner, vom damaligen Außenminister oder von Egon Bahr hörte. Diese Tradition wird über den Regierungswechsel hinaus von der Koalition fortgesetzt. In den letzten Wochen hörten wir zur Außenpolitik vieles vom SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, manches vom deutschen Bundeskanzler und einiges auch vom Bundesaußenminister. Aber durchaus nicht alles stimmte überein.
Während der Kollege Brandt in Paris Erklärungen abgab, die einer gefährlichen Relativierung der Römischen Verträge über die Europäische Gemeinschaft Tür und Tor öffnen, haben wir von der Bundesregierung gerade nach den Vorschlägen von Giscard d'Estaing und seinem Außenminister Sauvagnargues konkrete Vorschläge zur Europapolitik vermißt. Das ist um so bedauerlicher, als, wie ich hier zum wiederholten Male und mit allem Nachdruck erklären möchte, eine erfolgreiche Europapolitik der zentrale Punkt unserer gesamten Außenpolitik ist. Die CSU hat seit ihrem Bestehen alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um die Europapolitik voranzutreiben. Alles, was bis heute in der Politik der Einigung Europas erreicht worden ist, ist von uns mitgetragen worden. Zur Politik der Einigung des freien Europa gibt es keine Alternative.
Gerade die Tatsache, daß wir von dieser Bundesregierung viele Widersprüchlichkeiten und Halbheiten in Sachen Europa gehört haben, hat uns dazu veranlaßt, vor wenigen Wochen zehn Punkte zur Europapolitik einstimmig zu verabschieden, in denen wir unsere wesentlichen Forderungen zur europäischen Einigungspolitik zusammengefaßt haben. Ich möchte nicht auf alle diese Punkte im einzelnen eingehen. Aber lassen Sie mich etwas Entscheidendes hierzu sagen. Ich weiß sehr wohl, daß wir uns nicht auf einer einzigen Einbahnstraße auf die Europäische Union zubewegen können. Ich weiß sehr wohl, daß es ohne Pragmatismus nicht vorangehen kann. Wichtig aber ist, daß das Erreichte - insbesondere die Römischen Verträge - nicht in Frage gestellt werden darf und daß auch das Ziel, auch wenn es heute noch nicht greifbar ist, der
europäische Bundesstaat, nicht aus den Augen verloren werden darf.
Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bangemann?
Bitte sehr!
Herr Kollege Zimmermann, würden Sie dem Haus die große Freude machen, Ihre zehn Punkte, von denen Sie gerade gesprochen haben, einmal mit dem Ergebnis des Gipfels zu vergleichen? Wären Sie dann nicht in der Lage, zu bestätigen, daß sehr wichtige Teile dieses Punkteprogramms durch den Gipfel erfüllt worden sind?
Ich begrüße sehr, Herr Kollege Bangemann, daß Sie offenbar die zehn Punkte gelesen haben. Wenn Sie sie gelesen haben, werden Sie feststellen, welche großen Widersprüche zwischen diesen Forderungen und dem Erreichten es immer noch gibt.
({0})
Aber ich möchte hinzufügen: Wir begrüßen den Regionalfonds, wir würden aber noch mehr begrüßen, wenn die deutschen finanziellen Leistungen auch an die Forderung politischer Fortschritte in der europäischen Einigung geknüpft würden.
({1})
Der Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß ein Europäer, der belgische Ministerpräsident Tindemans, von den Regierungschefs beauftragt worden sei, weitere Fortschritte in der Frage des Europäischen Parlaments zustande zu bringen.
Nun, das ist ein sehr akzeptabler Vorschlag. Nur: Das ändert nichts daran, meine verehrten Damen und Herren, daß die Unionsparteien bereits in der letzten Legislaturperiode Vorschläge hierzu gemacht haben, die am Widerstand der Regierungskoalition gescheitert sind. Wir haben diese Vorschläge erneuert und modifiziert, und wir hoffen, daß es zu einer Einigung zwischen den Fraktionen des Hauses kommen kann.
Uns geht es darum, daß schon bei der nächsten Bundestagswahl und nicht, wie hier von Herrn Kollegen Bangemann gesagt worden ist, das könne vielleicht 1978 oder später geschehen, gleichzeitig deutsche Abgeordnete in freier, gleicher und geheimer Wahl in das Europäische Parlament entsandt werden können.
({2})
Wir müssen dort Fortschritte machen, wo Fortschritte möglich sind.
Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Corterier?
Bitte sehr!
Herr Dr. Zimmermann, ist Ihnen nicht bekannt, daß eine echte Direktwahl des Europäischen Parlaments auch einen einheitlichen Wahltermin für die gesamte Gemeinschaft erfordert und daß man daher nicht ohne weiteres einen Zusammenhang mit der Bundestagswahl herstellen kann?
Herr Kollege Corterier, wenn wir auf einen gemeinsamen Wahltermin aller der Gemeinschaft angehörenden Parlamente warten müssen, wird es zu einer Direktwahl europäischer Abgeordneter in dieses Parlament niemals kommen.
({0})
Die von Ihnen gestellte Frage führt mich zu dem Verdacht, daß auch hier wieder wie bei der Bestellung von Herrn Tindemans beabsichtigt ist, in dieser Sache auf lange, lange Frist zu spielen und es hinauszuschieben.
({1})
Wir müssen Fortschritte machen, sagte ich, wo es möglich ist, und wir müssen in dieser Frage endlich den Teufelskreis durchbrechen, der da lautet: Das Europäische Parlament kann keine größeren Befugnisse erhalten, weil es nicht aus direkt gewählten Abgeordneten zusammengesetzt ist; andererseits kann man die Abgeordneten nicht direkt in das Europäische Parlament wählen, weil das Europäische Parlament noch keine ausreichenden Befugnisse hat.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es außerordentlich begrüßen, daß der Herr Bundeskanzler zu Gesprächen in den Vereinigten Staaten war, bei dem Verbündeten, der nach wie vor von entscheidender Bedeutung für unsere Sicherheit ist. Ich möchte hinzufügen: Wir hätten es noch mehr begrüßt, wenn der Bundeskanzler nach seiner Amtsübernahme nach Washington gereist wäre, bevor er seinen wichtigen Besuch in Moskau abstattete. Aber die dringend notwendigen Gespräche, die der deutsche Bundeskanzler in Washington zu führen hatte, können doch nur dann erfolgreich sein, wenn die Westpolitik des Bundeskanzlers von seiner ganzen Partei gestützt wird.
({3})
Ich habe den Worten von Professor Carstens nichts hinzuzufügen. Diese Gespräche können nur dann erfolgreich sein, wenn der Bundeskanzler selbst eine klare politische Linie verfolgt.
({4})
Lassen Sie mich zitieren, was die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 7. Dezember 1974 hierüber geschrieben hat:
Der Besuch des Bundeskanzlers in Washington
hat einige schmeichelhafte Beweise amerikani9242
scher Wertschätzung für die Bundesrepublik, im übrigen aber nichts Aufregendes erbracht. Man habe mit „schonungsloser Offenheit" wirtschaftliche Bilanz gezogen, hat Regierungssprecher Bölling verlautbart. Es sei so ungeheuer offen gewesen wie sonst selbst zwischen befreundeten Ländern nicht üblich. Na gut. Schonungslose volkswirtschaftliche Bilanzen können Staatsmänner relativ gefahrlos aufmachen. Bei politischen Bilanzen sind sie vorsichtiger.
Die beiden großen Themen von Washington waren Energiepolitik und Weltkonjunktur. Präsident Fort hat bei dieser Gelegenheit die Kehrseite des forschen Helmut Schmidt kennengelernt: den leicht von Krisenfurcht befallenen Kanzler. Um die gleiche Zeit des Vorjahres hatte er angesichts des Ölboykotts die fürchterlichsten wirtschaftlichen Folgen prophezeit und damals unvermittelt zu allerlei dirigistischem Unfug geraten ({5}). Jetzt sieht er seit kurzem die Weltwirtschaft in einen Abgrund von Depression stürzen und empfiehlt jedem Gesprächspartner sein neues Rezept der Gegensteuerung. Vor vier Wochen war noch vom Durchhalten des Stabilitätskurses die Rede gewesen. Die Amerikaner haben versichert, sich nicht in den Schmidtschen Abgrund stürzen zu wollen; das hat deutscherseits viel Befriedigung ausgelöst. Auch gut.
({6})
- Ein sehr guter Kommentar, würde ich auch sagen.
Auch auf dem Gebiet der Energiepolitik scheint es mehr Erwartungen und Hoffnungen als Festlegungen einer gemeinsamen Strategie zu geben. Gerade dies aber wäre angesichts der brisanten Situation im Nahen Osten für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung.
Wenn der Bundeskanzler in Washington erklärte, alle westlichen Industrienationen sollten ihre Politik zur Erhaltung der inneren Stabilität koordinieren, zur Erhaltung einer Stabilität, welche wirtschaftliche, soziale und politische Aspekte aufweist, so können wir diese Absichtserklärung nur begrüßen. Ich muß aber hinzufügen, daß es für uns dann doch erst einmal darum gehen muß, die innere Stabilität auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Gebiet wiederherzustellen, um die eigenen Worte des Herrn Bundeskanzlers in Washington zu gebrauchen. Der Bundeskanzler hat diese Preis- und Konjunkturpolitik zu verantworten, nicht erst als Bundeskanzler, sondern schon vorher als Bundesfinanzminister.
Wir fügen hinzu: Bei der sozialen Stabilität denken wir an die Arbeitslosenzahlen. Bei der politischen Stabilität müssen wir an den Zustand der eigenen Partei des Herrn Bundeskanzlers denken. Der Herr Kollege Wehner hat dazu heute deutliche Worte gebraucht, und zwar im Zusammenhang mit dem für die morgige Kundgebung herausgegebenen Flugblatt.
Ich darf hier etwas Weiteres zitieren, das unmittelbar mit unserem Beratungsgegenstand von heute zu tun hat. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. November 1974 stand auf Seite 6 ein Dreispalter zu lesen „Jusos formulieren Kampfansage an die Europäische Gemeinschaft; Hamburger Papier ,zur Strategie der Arbeiterklasse in Westeuropa"'. Da steht zu lesen:
Deshalb werde die Verschärfung der ungleichmäßigen Entwicklung heute auf „friedlichem" Wege vorangetrieben, indem „die stärksten Kapitalgruppen den schwächeren ihre Politik aufzwingen". Konzessionen der Europäischen Gemeinschaft an das amerikanische Monopolkapital hätten innerhalb der Gemeinschaft zum fortschreitenden Verlust der nationalen Unabhängigkeit und zu einer immer stärkeren „Verflechtung mit der weltweiten Strategie der aggressivsten imperialistischen Macht" geführt.
({7})
Das ist die Sprache von Kommunisten, das ist nicht mehr die Sprache von Demokraten in diesem Lande.
({8})
Wenn das von der leider immer wieder zu zitierenren Jugendorganisation der sozialdemokratischen Partei so geäußert wird, dann ist dies Anlaß für die Opposition, darauf hinzuweisen, daß hier bei der politischen Stabilität der innere Zustand der Sozialdemokraten nach wie vor Sorge machen muß.
({9})
Der Herr Bundeskanzler hat sich in Washington voll befriedigt über die Abmachungen von Wladiwostok erklärt. Sie stellen einen großen Schritt vorwärts dar. Ich meine, wir sollten in unserem Urteil etwas zurückhaltender sein. Der Rahmen dieser Vereinbarungen muß erst noch ausgefüllt werden. Ich glaube, das Bild ist hier wichtiger als der Rahmen. Gewiß, wir können es begrüßen, daß der Komplex der in Westeuropa lagernden amerikanischen Atomwaffen aus dieser SALT-Vereinbarung ausgeklammert wurde.
({10})
Es ist auch beruhigend, gerade in diesen Tagen zu erfahren, daß der amerikanische Verteidigungsminister Schlesinger im Frühjahr dieses Jahres vor zwei Senatsunterausschüssen erklärt hat, daß die amerikanischen Atomwaffen in Europa im gegenwärtigen Umfang erhalten bleiben müßten, da die sowjetischen konventionellen und nuklearen Streitkräfte nach wie vor verstärkt würden. Es spricht jedoch nicht unbedingt für eine positive Wertung der Abmachungen von Wladiwostok, wenn sich Verteidigungsminister Schlesinger als Konsequenz dieser Vereinbarungen zu der Forderung genötigt sieht, daß die Vereinigten Staaten mehr als die zehn geplanten Unterseekreuzer „Trident" bauen müßten.
({11})
Das deutet leider auf eine weitere Eskalation des Wettrüstens hin.
Besonders großen Wert legt die CDU/CSU darauf, von der Bundesregierung ausführlich über die Gespräche informiert zu werden das wird im Auswärtigen Ausschuß sicherlich geschehen -, die der Bundeskanzler und der Außenminister in Washington und Paris über die Fortsetzung der KSZE-Verhandlungen geführt haben.
({12})
Ich möchte hier ausdrücklich auf die Ausführungen, die meine Freunde und ich vor einigen Wochen anläßlich der Debatte über die KSZE gemacht haben, sowie auf den von meiner Fraktion eingebrachten Resolutionsentwurf, Bezug nehmen.
({13})
In den für Deutschland entscheidenden Fragen, insbesondere in der friedlichen Änderung der Grenzen, darf es nicht zu gegensätzlich auslegbaren Formelkompromissen kommen.
({14})
Schließlich möchte ich es ausdrücklich begrüßen, daß der Herr Bundeskanzler zwei deutsche Gewerkschaftsvorsitzende mit nach Washington genommen hat, um hiermit einen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen zwischen dem DGB und dem amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL/ CIO zu leisten. Es ist sehr zu begrüßen, wenn führende deutsche Gewerkschaftsfunktionäre bei die ser Gelegenheit von der klaren Haltung des amerikanischen Gewerkschaftsvorsitzenden George Meany, gerade auch zur Frage der Ostpolitik, Kenntnis nehmen. George Meany hat nämlich vor wenigen Wochen, am 1. Oktober dieses Jahres, eine bemerkenswerte Erklärung vor dem Auswärtigen Ausschuß des amerikanischen Senats abgegeben. Lassen Sie mich wenige Sätze daraus zitieren:
Wir sind für eine wirkliche Entspannung. Wir sind für eine Entspannung, in der die Sowjetunion ihren ideologischen Krieg gegen den Westen stoppt. Wir sind für eine Entspannung, in der die Sowjetunion den ehrlichen Willen zur Umkehr des Wettrüstens und zum Abgehen von ihrem Ziel militärischer Überlegenheit in den SALT-II-Verhandlungen zum Ausdruck bringt. Wir sind für eine Entspannung, in der der Strom westlicher Hilfe in den Osten ergänzt wird durch eine Freizügigkeit von Menschen und Ideen in Osteuropa und der Sowjetunion.
({15})
Gleichlautend mit unseren Vorschlägen.
Wir sind für eine Entspannung, in der die Sowjetunion aufhört, die Friedensbemühungen im Nahen Osten zu sabotieren. Solch eine Entspannung, eine wirkliche Entspannung,
- fährt Meany fort -würde von der amerikanischen Arbeiterschaft,
dem amerikanischen Volk und allen Völkern
der Welt begrüßt werden. Aber das ist nicht
das, was wir heute haben. Wir bauen keine dauernden Gebäude des Friedens, sondern Burgen auf Sand, auf unsicherem Grund, auf Wunschvorstellungen, Unverantwortlichkeiten und Ignoranz. Die Unfähigkeit, die Welt zu sehen, wie sie ist, und die Feinde der Freiheit zu erkennen, ist heute tatsächlich die große Gefahr für den Frieden. Diese Gefahr ist nirgends deutlicher erkennbar als in der Selbsttäuschung, die wir Entspannung nennen.
Mit diesen Worten beendet der amerikanische Arbeiterführer George Meany seine Erklärung vor dem Auswärtigen Ausschuß des amerikanischen Senats. Ich habe dem nichts hinzuzufügen und möchte nur wünschen, daß die Vertreter der deutschen Arbeitnehmer die außenpolitischen Gefahren genauso klar sehen wie ihr amerikanischer Kollege.
({16})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch einige wenige Bernerkungen zur Deutschlandpolitik machen. Wir werden ja in wenigen Tagen Gelegenheit haben, darauf näher einzugehen. Wir sind durch eine verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung in eine Situation geraten, in der wir mit unserem Geld - auch mit dem Geld, das wir verleihen sorgsam umgehen müssen. Aber man erwartet von uns überall, daß wir zahlen. An Italien haben wir Milliardenkredite vergeben, die britische Wirtschaft möchte über den europäischen Regionalfonds saniert werden. Wir haben Verständnis für diese Wünsche, wollen aber auf eine sorgsame Handhabung dieses Fonds achten. In Amerika möchte man einen internationalen Energiefonds von 25 Milliarden Dollar einrichten, zu dem auch wir beitragen sollen. Und nach Osten sollen deutsche Ostkredite der kommunistischen Mißwirtschaft auf die Beine helfen.
({17})
Herr Bundeskanzler, hier hört unser Verständnis auf! Europäische Solidarität und atlantische Zusammenarbeit ja, Finanzierung kommunistischer Planwirtschaften mit 30 Jahre langen Krediten und praktisch ohne Zinsen, also geschenktes Geld, nein.
({18})
Entwicklung von Sizilien ja, Entwicklung von Sibirien mit unserem Geld nein.
({19})
Zu diesen Krediten gehört de facto auch der hinter dem Rücken des SPD-Bürgermeisters Schütz von dieser Regierung zugesagte Überziehungskredit zugunsten Ost-Berlins. Man möchte es nicht für möglich halten, daß der Regierende Bürgermeister ganz offensichtlich über diesen Schritt nicht informiert war. Sonst hätte er die von Herrn Professor Carstens gelesene, außerordentlich dezidierte und scharfe Erklärung einen Tag vorher niemals abgeben können, und sonst wäre er nicht in die peinliche Lage geraten, von dem offiziellen Organ des SED- Regimes einen Tag später so abgebürstet worden zu sein, wie das geschehen ist.
({20})
Hier darf ich mir auch eine Anmerkung zur Fragestunde erlauben. Ich entnehme den Antworten, die Frau Staatssekretärin Schlei meinem Kollegen Wittmann auf drei verschiedene Fragen gegeben hat, folgendes:
Die Bundesregierung teilt Ihre Auffasssung, daß eine Rücknahme der Verdoppelung des Mindestumtausches allein Sache der DDR ist und daß es dafür keine Gegenleistung geben kann.
Und an anderer Stelle:
Die Bundesregierung hat immer wieder klar zum Ausdruck gebracht, daß die Rücknahme der Verdoppelung des Mindestumtauschsatzes allein Sache der DDR ist und daß es von uns her gesehen und von uns her gegeben keine Gegenleistung dafür geben kann.
({21})
Diese Auskünfte der Frau Staatssekretärin im Bundeskanzleramt sind schlicht falsch gewesen,
({22})
zumal, wenn als Gegenleistung für das, was jetzt als Erfolg gefeiert wird, nur eine teilweise Rückgängigmachung der einseitig geschaffenen Unrechtstatbestände vereinbart worden ist.
({23})
Ist eigentlich zur Sprache gekommen die Freilassung von politischen Gefangenen? Sind zur Sprache gekommen der Schießbefehl, der Stacheldraht, die Tötungsanlagen?
({24})
Wie kann eine verantwortliche deutsche Regierung dem Regime derartige Handelsvorteile einräumen, ohne diese lebenswichtigen Fragen zur Sprache zu bringen?
({25})
Vor wenigen Tagen ist in den Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet worden, die sich mit dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes befaßt. Die Deutsche Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 29. November diese Palästina-Resolution abgedruckt und hierbei nur die Worte „Palästina" durch „Deutschland", „palästinensisch" durch „deutsch" und „Naher Osten" durch „Europa" ersetzt. So verändert, heißt es in dieser Resolution u. a.:
Die Vollversammlung . . . bestätigt abermals nur die unveräußerlichen Rechte des deutschen Volkes, darunter ({26}) das Recht auf Selbstbestimmung ohne äußere Einmischung, ({27}) das Recht auf internationale Unabhängigkeit und Souveränität; . . . bestätigt abermals auch die unveräußerlichen Rechte der Deutschen auf Rückkehr in ihre Heimat und ihr Eigentum, aus der sie vertrieben und entwurzelt worden sind, und spricht sich für ihre Rückkehr aus; . . . betont, daß volle Respektierung und Verwirklichung dieser unveräußerlichen Rechte für die Lösung der Deutschland-Frage unerläßlich sind; . . . ruft alle Staaten und internationalen Organisationen auf, dem deutschen Volk in seinem Kampf für die Wiederherstellung seiner Rechte, in Übereinstimmung mit der Charta, ihre Unterstützung zu geben.
Die Ersetzung von drei Worten bedeutet die Resolution, die ich eben vorlas, und das geht weit über eine Wortspielerei hinaus.
({28})
Ich glaube, dieses Zitat zeigt, in welcher Situation sich die Vereinten Nationen heute befinden, in welcher Situation sich aber auch die deutsche Politik in den Vereinten Nationen befindet. Ich weiß, die Bundesregierung hat sich bei dieser Resolution - der Palästina-Resolution - der Stimme enthalten. Aber die Resolution hat eine große Mehrheit erhalten. Ich muß die Frage stellen: Warum bemüht sich der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen nicht darum, auch die deutsche Frage in gebührender Weise vor diesem Forum zu behandeln? Warum erklärt Botschafter von Wechmar am 19. November vor den Vereinten Nationen:
Wir betrachten es als unzulässig, Gebiete durch Gewaltanwendung zu erwerben, und halten es für notwendig, daß Israel die territoriale Besetzung beendet.
Warum gibt er solche Erklärungen nur zugunsten der Araber und nicht auch einmal zugunsten Deutschlands ab?
({29})
Auf diese Frage hat er erklärt: Nicht die querelles
allemandes in die Vereinten Nationen hineintragen!
Ich habe seinerzeit gegen den Beitritt der beiden deutschen Staaten - wie es so schön heißt - in die Vereinten Nationen gestimmt. Aber nachdem die Bundesrepublik Deutschland nun einmal Mitglied dieser Organisation ist, muß sie selbstverständlich auch alle Möglichkeiten dort nutzen. Darum sind Abgeordnete unserer Fraktion im Rahmen der deutschen Delegation nach New York gefahren und haben jede sich ihnen bietende Gelegenheit genutzt. Aber die Bundesregierung müßte dafür sorgen, daß auch ihr ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen das tut und nicht nur Abgeordnete der Opposition.
({30})
Der Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses, der Kollege Corterier, war es, der am 9. Mai 1973 bei der Debatte über die UN-Aufnahme vor diesem Hohen Hause wörtlich folgendes erklärte:
In diesem Zusammenhang spricht sich der Auswärtige Ausschuß dafür aus, daß die Bundesregierung in den Vereinten Nationen darauf hinwirken soll, daß Menschenrechte und Grundfreiheiten allen Deutschen zuteil werden und daß vor allem der Gebrauch von Waffengewalt gegen Deutsche, die in friedlicher Absicht die Grenze zwischen beiden Staaten in Deutschland überschreiten, unterbleibt.
Menschenrechte und Grundfreiheiten! - Wir fordern diese Bundesregierung auf, in ihrer Deutschlandpolitik nicht nur vor den Vereinten Nationen, sondern überall dafür einzutreten.
({31})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle zu Fragen Stellung nehmen, die im Laufe der Debatte aufgeworfen worden sind, und dabei auch den Versuch unternehmen, diese Aussprache wieder zurückzuführen auf das Thema des heutigen Tages, nämlich Würdigung der Gipfelkonferenz, Würdigung des Besuchs in den Vereinigten Staaten - -({0})
- Ich war ja noch nicht am Ende mit dem Satz. Verehrter Herr Kollege Carstens, wenn Sie mich hätten zu Ende reden lassen, hätte ich auch das Dritte noch gebracht, aber ich wagte - im Gegensatz zu Ihnen - nicht, Sie zu unterbrechen. -... und der Stand der innerdeutschen Beziehungen.
({1})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer die Ausführungen des Kollegen Carstens und des Kollegen Zimmermann gehört hat, der hat festgestellt, daß die Opposition sich schwertut in ihrer Stellungnahme zu diesen Ereignissen, weil die positiven Ergebnisse auch für die deutsche Politik unbestreitbar sind.
({2})
Ich finde, wenn hier von vermeintlichen Widersprüchen innerhalb der Regierungskoalition die Rede war, so hat die deutsche Öffentlichkeit und hat das Hohe Haus einen Anspruch darauf, daß auf einen anderen Widerspruch hingewiesen wird. Ich meine jetzt nicht Widersprüche innerhalb der CDU/CSU, sondern ich meine den Widerspruch in der Beurteilung der Außen- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung bei ihren Partnern und durch die Opposition in diesem Hohen Hause.
({3})
Ich finde, Herr Kollege Carstens, daß es natürlich Zustimmung verdient, wenn Sie hier den Bundeskanzler gegen den unqualifizierten Angriff eines Unterhausabgeordneten nach seiner Rede vor dem Labour-Parteitag in Schutz genommen haben, und ganz gewiß war die Unruhe im Regierungslager nicht darauf zurückzuführen, daß die Kollegen darüber anders dachten. Vielmehr glaube ich, daß diese Unruhe eher darauf zurückzuführen war. daß die Kollegen der Regierungskoalition meinten,
außer der Kritik an diesem Vorwurf gegen den Bundeskanzler wäre noch etwas mehr zu dieser Rede vor dem Parteitag der englischen Regierungspartei zu sagen gewesen.
({4})
Es wäre nämlich zu bemerken gewesen, was diese Rede für die europäische Einigung in der Sache bewirkt hat
({5})
und daß manche Ergebnisse der Gipfelkonferenz in Paris nicht denkbar gewesen wären ohne diesen gar nicht einfachen Einsatz vor einem solchen Gremium in London.
Meine Damen und Herren, bevor ich zu den Themen komme, die heute hier Gegenstand der Debatte sein sollen, möchte ich doch noch ein Wort zu der Kritik des Kollegen Carstens an der Nahostpolitik der Bundesregierung und der neuerlichen Erwähnung des Abschlußkommuniqués nach unserer Reise in die Sowjetunion sagen. Ich habe damals schon gesagt, daß der Hinweis auf die Entschließungen der Vereinten Nationen eben die Position der Bundesregierung wiedergibt, die man als eine ausgewogene zu bezeichnen hat, nämlich die Position, die sich in der Anerkennung sicherer Grenzen und in der Anerkennung des Existenzrechts für Israel ausdrückt. Aber wir alle wissen, daß in diesen Entschließungen jener Punkt nicht erwähnt ist, der inzwischen Bestandteil der Aussagen aller unserer Verbündeten ist, nämlich die legitimen Rechte der Palästinenser. Deshalb ist das über die Erwähnung der Entschließung hinaus gesagt worden.
Eines steht fest, meine Damen und Herren, und ich möchte das hier noch einmal ganz unmißverständlich vor dem Deutschen Bundestag sagen: Es bleibt bei der Position der Bundesregierung. Wir stehen zum Existenzrecht Israels, und wir lassen nicht deuteln an seinem Anspruch auf anerkannte und sichere Grenzen bei jeder Regelung, die im Nahen Osten notwendig sein wird.
({6})
Ich denke, daß wir dabei beachten sollten, daß sich alle Erklärungen vor den Vereinten Nationen - übrigens auch die des deutschen UNO-Botschafters - auf die gemeinsame Position der Neun aus dem Herbst 1973 und auf die Entschließungen der Vereinten Nationen gründen.
({7})
Meine Damen und Herren, dennoch sei hier ein Wort zu der Situation der Vereinten Nationen angemerkt, wie sie sich in diesen Wochen darstellt. Niemand in diesem Hohen Hause wird darüber Befriedigung empfinden. Das ist übrigens der Grund dafür, daß die Bundesregierung beantragt hat, bei der nächsten Zusammenkunft der Außenminister im Rahmen der europäischen politischen Zusammenarbeit das Thema „Verhalten in den Vereinten Nationen, Entwicklung einer Strategie in den Ver9246
einten Nationen zur Verdeutlichung unserer Positionen" zu einem bevorzugten Thema zu machen.
({8})
Wir haben das gleiche auch mit unseren amerikanischen Verbündeten behandelt. Wir befinden uns hier in voller Übereinstimmung. Nur finde ich, Herr Kollege Zimmermann, das ist nicht allein ein Problem der Bundesregierung, sondern das ist ein Problem, dem sich im Grunde alle Industrienationen in den Vereinten Nationen im Augenblick ausgesetzt sehen. Was wir dabei leisten können, ist die Herbeiführung einer eindeutigen Position und die Erkennung unserer Möglichkeiten in der Generalversammlung; denn wir alle sind daran interessiert, daß nicht durch Mehrheitsbeschlüsse, die auch über Satzungsregeln hinweggehen, die Bedeutung, die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen herabgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun einige Bemerkungen zu dem Ergebnis der Gipfelkonferenz machen. Ein Mitglied unserer Delegation, Herr Kollege Schmidt, wird nachher noch einen Bericht über die Beratungen in Washington geben. Ich möchte den Schwerpunkt auf die Würdigung des Ergebnisses der Gipfelkonferenz setzen und dabei an die Rede des Bundeskanzlers vor dem Parteitag der englischen Arbeiterpartei anknüpfen, weil sich gezeigt hat, daß wir gerade hinsichtlich der Position Großbritanniens einen ganz wesentlichen Fortschritt auf der Konferenz in Paris zu verzeichnen hatten.
Meine Damen und Herren, wir sollten es als ein politisches Datum von hohem Rang werten, daß dort die britische Delegation erklärt hat, sie habe nicht die Absicht, unter dem Thema Neuverhandlungen die Römischen Verträge zur Diskussion zu stellen, sondern sie wolle innerhalb der Verträge die Interessen, die sie glaube wahrnehmen zu müssen, vertreten.
({9})
Wir sehen darin eine wichtige Entscheidung. Der konstruktive Beitrag der Bundesregierung besteht an diesem Punkte auch darin, daß sie durch ihre Haltung zur europäischen Regionalpolitik der britischen Regierung ihr Verbleiben in der Gemeinschaft erleichtern will. Wir alle kennen doch innenpolitische Probleme, und wir alle wissen, daß niemand Großbritannien die Entscheidung über sein Verbleiben abnehmen kann. Wir alle wissen aber, wir können etwas dazu beitragen, um denjenigen, die in Großbritannien Verantwortung tragen und die dieses Verbleiben in der Europäischen Gemeinschaft wollen, den Weg dorthin zu erleichtern. Das ist unsere Position in Paris gewesen.
({10})
Meine Damen und Herren, deshalb muß man auch würdigen, daß wir uns bereitgefunden haben, dafür einzutreten, daß innerhalb des Rates - auch durch die Kommission, die dafür eine Ermächtigung erhält - Vorschläge für die Erörterung der Probleme gemacht werden, die Großbritannien innerhalb der Gemeinschaft sieht. Wir werten diese Wendung der britischen Politik, die eine Voraussetzung für das
Verbleiben Großbritanniens in der Europäischen Gemeinschaft schaffen soll, als einen Erfolg der Zusammenkunft in Paris, und wir glauben, daß wir daran als Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf das gemeinsame Ziel, Großbritannien in der Gemeinschaft zu halten, einen nicht geringen Anteil haben.
Meine Damen und Herren, nun komme ich zu den sogenannten institutionellen Fragen, nämlich den Fragen nach der Stärkung der europäischen Organe, nach der Stärkung der Verhandlungsfähigkeit der Gemeinschaft. Herr Kollege Carstens hat gemeint, das Kommuniqué sei auch hier unklar, wie er überhaupt davon sprach, das Kommuniqué habe schwache Stellen. Nichts ist vollkommen auf dieser Welt, Herr Kollege Carstens, aber lieber ein paar schwache Stellen im Kommuniqué als ein Kommuniqué der starken Worte ohne jegliche sachliche Substanz.
({11})
Kollege Bangemann hat schon darauf hingewiesen, in Ziffer 3 des Abschlußkommuniqués ist klar festgelegt - ich darf dies hier verlesen, weil es wirklich bedeutsam ist -:
Die Regierungschefs haben daher beschlossen, dreimal jährlich und jedesmal ... als Rat der Gemeinschaft und im Rahmen der Politischen Zusammenarbeit zusammenzutreten.
Damit ist eine wichtige Entscheidung gefallen, nämlich die wichtige Entscheidung für die Stärkung des Rates als eines Organs der Gemeinschaft und gegen die Bildung eines neuen Gremiums außerhalb der von den Gemeinschaftsverträgen vorgesehenen Organe. - Bitte schön, Herr Kollege!
Zu einer Zwischenfrage der Abgeordnete Jäger ({0}).
Herr Bundesminister, darf ich fragen, ob Sie bei der Verlesung dieses Passus in der Ziffer 3 des Kommuniqués absichtlich jenen Teil des Satzes weggelassen haben, in dem es heißt, sie werden „jedesmal, wenn dies notwendig erscheint, zusammen mit den Außenministern als Rat der Gemeinschaft" zusammentreten, und ergibt sich nicht aus einer vollständigen Zitierung dieses Satzes, daß die offene Frage, die der Herr Kollege Professor Carstens angesprochen hat, von Ihnen nicht beantwortet ist?
Herr Kollege, ich danke Ihnen für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit zu einer Interpretation auf der Grundlage der Beratungen von vorgestern und gestern gibt. Ich möchte hier sagen, daß genau die Absicht besteht, wenn Gemeinschaftsmaterien behandelt werden, als Rat zusammenzutreten, und natürlich in den Fragen, die nicht Gemeinschaftsmaterien sind, sondern Fragen der europäischen politischen Zusammenarbeit, entsprechend den Regeln für diese Zusammenarbeit. Das ist der eindeutige Wille, und Sie werden wissen, daß das gerade der Diskussionspunkt im Vorfeld dieser Gipfelkonferenz gewesen ist. Hier besteht also kein ZweiBundesminister Genscher
fel, daß es so gemeint ist, und ich möchte das hier ausdrücklich noch einmal als Konsens herausstellen. Das mag nicht ausschließen, daß auch einmal neun Regierungschefs zusammentreten, wenn sie keine dieser beiden Fragen zu behandeln haben, sondern sich möglicherweise mit ganz anderen Angelegenheiten befassen. Aber wichtig ist, daß Gemeinschaftsmaterien vom Rat behandelt werden sollen. Wir sollten auch nicht geringschätzen, daß wir uns darüber einigen konnten, daß die Zersplitterung der Ratstätigkeit in verschiedene Fachministerräte durch eine koordinierende Rolle überwunden werden soll, die der Rat, in dem die Außenminister vertreten sind, übernehmen soll.
Meine Damen und Herren, hier ist ein Wort zu europäischen Wahlen gesagt worden. Natürlich hätte es die Bundesregierung begrüßt, wenn wir uns unter den neun Mitgliedstaaten schon über einen baldigen Zeitpunkt einer europäischen Wahl hätten verständigen können. Aber ich würde es wiederum nicht geringschätzen, daß wir diesmal auch die französische Zustimmung für ein zeitlich gesetztes Ziel für eine direkte europäische Wahl gefunden haben.
({0})
Ich bitte auch zu berücksichtigen, daß die beiden Länder, die dem in diesem Zeitpunkt noch nicht glaubten zustimmen zu können, nicht etwa eine ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht, sondern nur erklärt haben, daß sie im gegenwärtigen Zeitpunkt diese ihre Zustimmung nicht geben könnten, was ja wohl heißen soll, daß dann, wenn z. B. das Referendum in Großbritannien positiv entschieden ist, Aussicht auf eine positivere Position vorhanden ist.
Ich sehe hier eine ganz erhebliche Fortentwicklung gegenüber früheren Positionen sowohl der französischen Regierung als auch der britischen und der dänischen Regierung.
Natürlich gibt es Entschließungen and Vorschläge aus dem Europäischen Parlament schon aus dem Jahre 1960. Nun will ich jetzt nicht nachrechnen. Ich könnte es mir leicht machen und könnte sagen: von den 14 Jahren gehen neun Jahre zu Ihren Lasten, fünf zu unseren. Aber das ist nicht der Stil, in dem man über diese Frage sprechen sollte, sondern entscheidend ist, daß diese Entschließungen von einem Europa der Sechs ausgingen und daß wir uns im Augenblick im Europäischen Parlament darum bemühen, auf der Grundlage der Gemeinschaft, wie sie sich jetzt darstellt, zu einem Wahlvorschlag zu kommen. Ich bin sehr froh, daß sich der Rat alsbald, sobald nämlich Vorschläge vorliegen, mit dieser Materie befassen wird.
Herr Kollege Carstens hat beklagt, daß in der Frage der Mehrheitsentscheidungen das ist ein sehr wichtiges Anliegen nicht nur für die Opposition, sondern für alle Fraktionen dieses Hohen Hauses und für die Bundesregierung - nicht substantiellere Fortschritte erzielt worden sind. Er hat gemeint, wir seien im Grunde nicht viel weiter gekommen, als man schon in Luxemburg gewesen sei. Bedenken muß man nur, Herr Kollege Carstens, daß der Kompromiß von Luxemburg, der eigentlich eher als Dissens von Luxemburg bezeichnet werden könnte, die Welt viel freundlicher darstellt, als die Praxis sich bis heute ergeben hat, und daß der politische Wille, der jetzt zum Ausdruck kommt, nämlich nicht über alle Fragen einstimmig zu entscheiden, ein sehr wichtiger Schritt nach vorn, und zwar aller neun Mitgliedsregierungen, ist.
(Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Das war bisher allerdings auch schon so, daß über einzelne Fragen nicht einstimmig abgestimmt zu werden brauchte! -
Das ist aber in der Praxis nie so gewesen!)
Ja, natürlich ist es nach dem Vertrag möglich; nur sieht die Praxis, Herr Kollege Carstens, leider völlig anders aus.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kliesing? -Bitte sehr!
Herr Minister, läßt nicht die Einschränkung im Absatz 6 des Kommuniqués, die in den Worten „ungeachtet ihres jeweiligen Standpunktes hinsichtlich der am 28. Januar 1966 in Luxemburg festgelegten Schlußfolgerungen" liegt, nach wie vor für jeden einzelnen Mitgliedstaat in jedem einzelnen Fall das Recht bestehen, daß Vetorecht in Anspruch zu nehmen?
Herr Kollege, natürlich ist das so. Trotzdem bitte ich, nicht geringzuschätzen - jetzt muß ich den positiven Teil dieser Passage verlesen, damit er nicht untergeht -, daß es hier heißt:
Im Hinblick auf ein besseres Funktionieren des Rates der Gemeinschaft halten sie es für zweckmäßig, auf die Praxis zu verzichten, wonach die Entscheidung in allen Fragen von der einstimmigen Billigung durch die Mitgliedsstaaten abhängig gemacht wird.
Meine Damen und Herren, nehmen wir jetzt die anderen Mitgliedsstaaten beim Wort - ich habe das Vertrauen, daß sie sich hier ebenso positiv verhalten wie wir - und machen wir einen neuen Anfang mit den Möglichkeiten, die der Vertrag bietet, und mit den Zielen, die diese Entschließung der Regierungschefs ausdrückt!
({0}) Bitte sehr!
Herr Minister, bedeutet nicht die Zusammenfassung und Gegenüberstellung der beiden Zitate, dessen, was Sie zitiert haben, und dessen, was ich zitiert habe, daß es sich hier im Grunde genommen um ein Beispiel für die Anwendung des Sprichworts handelt: Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht naß?
Herr Kollege, ich habe mehr Vertrauen in das, was
diejenigen sagen, die mit am Verhandlungstisch in Paris sitzen.
({0})
- Da kann ich wirklich nicht konkurrieren, Herr Blumenfeld, ich meine: was den Pelz angeht.
Meine Damen und Herren, es ist hier am Ergebnis der Konferenz hinsichtlich der Energiepolitik Kritik geübt worden. Ich möchte darauf verweisen, daß die Bemühungen der Bundesregierung in den letzten Wochen - und hier nicht zuletzt auch der Besuch in den Vereinigten Staaten - das Ziel hatten, eine Annäherung in den Positionen zwischen der französischen Regierung und der amerikanischen Regierung zu ermöglichen. Kollege Zimmermann hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert, u. a. auch mit der dort getroffenen Feststellung, Washington habe nichts Aufregendes erbracht. Meine Damen und Herren, das habe ich nicht als Kritik, sondern als eine sehr positive Feststellung aufgefaßt. Wir haben schon manche aufregenden Ereignisse gehabt, ohne daß man sagen kann, es seien positive Ereignisse gewesen. Aber ganz sicher ist in Washington etwas bewirkt worden, um ein Auseinanderleben der für uns so wichtigen Verbündeten in einer entscheidenden Frage zu verhindern. Ich denke, wir sollten alle mit einer gewissen Erwartung auf das Zusammentreffen des französischen Staatspräsidenten mit dem amerikanischen Präsidenten am Ende dieser Woche blicken. Ich möchte für die Bundesregierung sagen: Wir haben unseren Anteil unter Verzicht auf eigenes Prestige dazu erbracht, um diese Zusammenkunft zu einem befriedigenden Ergebnis zu führen.
({1})
Meine Damen und Herren, man kann bei Zusammenkünften der Regierungschefs oder der Außenminister die Forderungen nach Visionen, nach Aufstellung neuer, großer Ziele erheben, man kann aber auch sagen, es sei notwendig, in der Substanz Ergebnisse herbeizuführen.
({2})
Wir haben in Paris - übrigens auch vorher bei unserer Zusammenkunft mit der amerikanischen Regierung - z. B. für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung Zustimmung gefunden. Das hat auch in den Abschlußerklärungen der Regierungschefs Ausdruck gefunden. Ich glaube, nicht alle Bundesregierungen vor uns konnten sich auf eine solche Feststellung berufen. Uns erschien es wichtig, daß unser Grundsatz, unsere Zielsetzung, des Aufschwungs in Stabilität durch die anderen Regierungen der Gemeinschaft bestätigt wird und daß wir nicht ohne Abstimmung mit den Vereinigten Staaten und mit den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unsere wichtigen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen treffen.
Meine Damen und Herren, Kollege Zimmermann hat auf eine Entschließung zur Europapolitik hingewiesen. Er hat die Paßunion, die Notwendigkeit eines europäischen Passes erwähnt. Sie wissen, daß auch dazu im Abschlußkommunique eine Aussage enthalten ist. Nur, wenn ich Ihre Entschließung zur Europapolitik nehme, Herr Kollege Zimmermann, dann muß ich sagen, nicht in allen Punkten kann ich diesen Forderungen zustimmen. Da heißt es z. B. unter Ziffer 2: Umwandlung und Fortentwicklung der Freizügigkeitsregeln des EWG-Vertrages in ein europäisches Staatsbürgerrecht. Ich bitte, mit dieser Frage im Hinblick auf die außerordentlich schwierigen Fragen der deutschen Staatsbürgerschaft, die ein ständiger Gegenstand der Auseinandersetzung auf einem anderen politischen Feld sind, außerordentlich vorsichtig umzugehen. Meine Damen und Herren, nehmen wir das, was möglich ist, aber schaffen wir uns an dieser Stelle nicht unnötig Probleme!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) ?
Bitte schön!
Herr Bundesminister, hätte nicht das, was Sie soeben zur Frage der europäischen Staatsbürgerschaft gesagt haben, zu der Vorsicht, die Sie hier empfohlen haben, auch für jenen Passus des Kommuniqués gegolten, in dem von einem europäischen Paßrecht gesprochen wird, das ja die Probleme, vor deren eilfertiger Behandlung Sie hier gewarnt haben, gleichermaßen berührt?
Nein, Herr Kollege, das ist eben der Unterschied: Dieses Paßrecht - darüber sind wir uns bei der Vorbereitung der Konferenz ausdrücklich einig geworden - berührt gerade nicht die Fragen der Staatsbürgerschaft in den Mitgliedstaaten. Hier liegt übrigens nicht nur ein deutsches, sondern auch ein britisches Interesse vor.
Zusammengefaßt kann zu den Themen, zu denen ich gesprochen habe, festgestellt werden: Die Bundesregierung hat durch Abstimmung mit den Vereinigten Staaten und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in wichtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen die Voraussetzungen für die Entscheidungen geschaffen, die wir heute treffen wollen. Wir können schon jetzt davon ausgehen, daß diese Entscheidungen die Zustimmung unserer Partner finden..
Zweitens. Die Bundesregierung hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, um Gegensätze - und zwar beklagenswerte Gegensätze - zwischen wichtigen Verbündeten unseres Landes, nämlich den Vereinigten Staaten und Frankreich, in den Fragen der Energiepolitik zu überwinden.
Drittens. Die Bundesregierung hat durch ihre Beiträge zur Vorbereitung der europäischen Gipfelkonferenz, durch ihre Leistungen auch zu einer europäischen Regionalpolitik dazu beigetragen, daß diese Gipfelkonferenz von Paris mit guten Gründen als ein Fortschritt für Europa bezeichnet werden kann. Das ist nicht gering. Wir erbitten dafür die ZustimBundesminister Genscher
mung des Hohen Hauses und die Unterstützung bei der Verwirklichung dieser Beschlüsse.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Herr Bundesaußenminister, Kollege Genscher, hat es für richtig gehalten, an den Beginn seiner Intervention ein Lob über die Ergebnisse von Paris in eine Relation zu setzen zu dem beklagenswerten Zustand, daß die Ergebnisse der Sozial- und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland anders beurteilt würden als draußen. Herr Kollege Genscher, ich meine, es ist doch ganz leicht zu sehen, daß ein solcher Einstieg eigentlich fehl am Platz ist; denn wir leben halt hier. Wir haben hier unsere Probleme, und wir wollen hier mit Arbeitslosigkeit und mit Inflation fertig werden. Wir sind hier gewählt und müssen hier unseren Wählern Rechenschaft geben und tragen unsere Sorgen so vor, wie sie die Mehrheit des Volkes - ausweislich der letzten Wahlen - in dieser Zeit doch empfindet.
({0})
Wenn sich nun auch Kollege Genscher in einer gewissen koalitionspolitischen Anpassung dem Bundeskanzler insofern nähert, als er sich die These zu eigen macht, woanders sei es noch schlimmer - meine Damen und Herren, ich wiederhole, was ich eingangs der Debatte zur Regierungserklärung des neuen Kanzlers vor einem halben Jahr gesagt habe: Mit der Ausrede, woanders ist es noch schlimmer, kommt keiner von uns im beruflichen Leben durch. Hier wird von jedem Qualitätsarbeit verlangt, auch von einer Regierung, und nicht das Erfinden von Ausreden.
({1})
Nun, zu dem Teil wird ja am Freitag und in der nächsten Woche hier ausgiebig zu sprechen sein.
Ich möchte mich deshalb gleich dem zuwenden, dessen sich der Herr Bundesaußenminister eben berühmt hat. Er hat an vielen Stellen - übrigens ähnlich wie der Bundeskanzler - gerühmt: Hier haben wir einen Anteil, und da haben wir einen Anteil. Na, werden wir mal sehen, wie taktvoll es die Partner empfinden, denen man im deutschen Parlament überall bestätigt, wo sie den Anteil haben an der Festlegung der britischen, an der amerikanischen, an der französischen Position. Das soll uns nicht Sorge machen. Aber wenn Sie wirklich daran Anteil haben, sagen wir dazu: Na schön. Es stört uns überhaupt nicht, das auch einzuräumen. Nur, es muß doch der Opposition erlaubt sein, die Regierung, wenn sie nun von so großen Westreisen wiederkommt, zu fragen nach den Ergebnissen in Relation zu den eigenen Vorschlägen und Vorstellungen. Sie sind doch ausgezogen nach Westen, um nun, nachdem im Westen ein Jahr vertan war, endlich zur Solidarität zu kommen und zu einer gemeinsamen Politik in Sachen
Inflation, Energie und Arbeitslosigkeit. Das war doch der Punkt, zu dem Sie ausgezogen sind!
Es ist doch einfach wahr - so steht es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" -, daß das erste Echo zu den französischen Vorschlägen in der Sache der Institutionen, Herr Kollege Bangemann, deren Sie sich heute berühmen, weil sie in Paris durchgegangen sind, aus Bonn Nörgelei war und der Bundeskanzler vor der Auslandspresse in Bonn sagte: „nicht hilfreich". Jetzt sind diese französischen Vorschläge durchgekommen. Da in Paris auf den Gebieten, die uns auf den Nägel brennen, nur mangelhafte Ergebnisse erreicht worden sind, berühmen Sie sich um dieser Punkte.
(
Reiner Quatsch!)
- Herr Bundeskanzler, Sie rufen mir - obwohl so etwas nicht üblich ist - zu: „Quatsch"
({0})
Das ist natürlich ein starkes Argument! Da wir uns aber so gut kennen, nehme ich das nicht so besonders ernst.
({1})
Ich würde mich ja freuen, wenn Sie dem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aus dieser Woche, der sich auf diese Frage bezieht, hier entgegentreten könnten.
Ich glaube, daß die Einlassungen der Regierung zu den Problemen der westlichen Länder doch ein ganzes Stück zu selbstgerecht sind. Ich fürchte, wir müssen am Ende dieses Jahres feststellen, daß wir im Hinblick auf das Ziel, im Westen zu mehr Solidarität, zu einer erfolgreicheren Arbeitsteilung und zu mehr Erfolg im Kampf gegen die neuen Herausforderungen zu kommen, doch nicht die Schritte getan haben, die notwendig und möglich waren.
Herr Bundesaußenminister und auch Herr Bundeskanzler, ich meine, Ausgangspunkt für die Erörterung der Maßstäbe zur Beurteilung der Dinge könnte doch das sein, was der Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Herr Ortoli, am 31. Januar 1974, also zu Beginn dieses Jahres gesagt hat. Dieses Motto hat uns doch Ihr Amtsvorgänger, Herr Kollege Genscher, in seiner letzten Europarede, mit der er sich überhaupt aus diesem Hause verabschiedet hat, als das Leitmotiv hinterlassen. Was hat Herr Ortoli damals gesagt? Ich zitiere die zwei Sätze so, wie sie der frühere Außenminister hier zitiert hat:
Europa macht eine schwere Belastungsprobe durch ... [Diese] trifft Europa inmitten einer Krise, einer Krise des Vertrauens, einer Krise des Willens und einer Krise des klaren Verstandes.
Es ist zunächst einmal wichtig, festzuhalten, daß eine Krise, eine Belastungsprobe für Europa entstanden ist, daß aber nicht die Ölscheichs und andere die Ursache für die Krise der Europäischen Gemeinschaft sind. Als Gründe werden nicht irgendwelche Techniken, irgendwelche Konferenzen, ir9250
gendwelche neuen Papiere und Verbalismen angeführt, sondern die Faktoren Vertrauen, Willen und klarer Verstand. Ich fürchte, daß unter diesen Maßstäben das Urteil, das wir hier vom Kanzler und vom Außenminister über ihr eigenes Wirken in Paris und an den anderen westlichen Plätzen gehört haben, doch zu selbstgerecht ist. Eine bescheidenere, wahrheitsgemäßere und ehrlichere Darstellung auch in diesem Hause hätte den deutschen Interessen - gerade im Hinblick auf die soziale und ökonomische Lage in der Bundesrepublik Deutschland - besser entsprochen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, - mein Kollege Zimmermann und auch der Kollege Carstens haben dies schon gesagt; ich möchte es aber noch einmal wiederholen daß sich Versäumnisse rächen. Ihrem Vorgänger, Herr Bundeskanzler, habe ich doch Debatte auf Debatte vorgeworfen, konkret und belegt vorgehalten - wir haben auch diesbezügliche Vorschläge gemacht, die man alle noch in den Protokollen des Parlaments nachlesen kann - ({3})
- Herr Kollege Wehner, nicht nur dort, sondern auch bei dem von uns beiden verehrten Kollegen Monnet.
({4})
- Lieber Herr Kollege Wehner, es freut mich, wenn es mir wenigstens gelungen ist, Ihre Aufmerksamkeit zu dieser mittäglichen Stunde zu erwecken.
({5})
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal wiederholen, daß wir der Vorgängerregierung vorgeworfen haben, sie habe den europäischen Motor, der früher in Bonn stand, zugunsten eines Moderators ausgebaut. Jetzt erleben wir, daß die Bundesregierung sich eines europäischen Erfolges rühmt, obwohl wir doch festzustellen haben, daß die Gemeinschaft, um es grob zu zeichnen, dabei ist, sich von der Gemeinschaft zu einer intergouvernementalen Zusammenarbeit zu denaturieren. Wo ist denn das alles, was hier diskutiert worden ist, z. B. über den Dialog der Gemeinschaft mit den USA, geblieben? Wo ist denn in Ihren Papieren von Washington von diesem Dialog mit der Gemeinschaft die Rede? Es ist immer nur die Rede von der Abstimmung und der Koordinierung von Politik, und das ist nicht die Gemeinschaft, wie wir sie wollen, wie sie im EWG- ertrag niedergelegt ist.
Meine Damen und Herren, die Entscheidungen, die Sie in der Koalition - vor allen Dingen der Kollege Wehner - im Mai dieses Jahres herbeigeführt haben, basierten auf der „Angstlücke", wie Sie das nannten, die die Politik der Regierung Brandt Scheel erzeugt hatte. Diese „Angstlücke" dieses Stück Unsicherheit, dieses Stück Unmut, Ungewißheit, ist doch nach sechs Monaten nicht weg. Und einer der Gründe dieser Angstlücke ist doch der liederliche Umgang dieser Koalition mit der
Westpolitik. Das kann hier nicht geleugnet werden. Sie haben doch nicht nur unsere Vorschläge zur ökonomischen Politik, sondern auch unsere Vorschläge zur Westpolitik überhört.
({6})
- Ich freue mich ja, wenn Sie sich nun auch wieder daran beteiligen. Wir sind hier zwar nicht sehr viele, aber ich würde auch Ihnen gern sagen, Herr Kollege: die wichtigeren und netteren Kollegen sind im Saal versammelt, nicht wahr?
({7})
Meine Damen und Herren, bevor wir uns dem Papier zuwenden, das jetzt eine Rolle spielt, muß es doch erlaubt sein, uns dies in Erinnerung zu rufen: Wir haben eine Gipfelkonferenz in Paris im Oktober 1972 gehabt. Sie war kurz vor der Bundestagswahl Sie wurde von der Regierung damals für so wichtig gehalten, daß der Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung zusammentreten mußte. Wir haben damals gehört, wie der Bundeskanzler Brandt sagte, jetzt sei aber die Stabilitätsgemeinschaft beschlossen worden, und das vornehmste Ziel sei nun die Herstellung der Europäischen Union.
({8})
Meine Damen, meine Herren, wir sind von solchen Sprüchen und von solchem Verbalismus gebrannte Kinder.
({9})
Wenn ich Ihnen nun aus der Wirklichkeit der europäischen Tage folgendes sagen darf:
({10})
Ich habe Ihnen in der letzten Europadebatte ein Papier aus dem Ministerrat vorgelesen, das ich peinlich fand. Da war so unter der Überschrift „Was meint Kohärenz in der politischen Union?" - Herr Wischnewski, Sie erinnern sich - dann geregelt, daß man 15 Minuten Pause machen durfte, und dann das mit den vier Mitarbeitern usw.
({11})
Meine Damen und Herren, auf Grund dieses „vornehmsten" Beschlusses von Paris, der sich in den Papieren von gestern, Herr Kollege Genscher, wiederfindet, ist die Rede von der Europäischen Union. Und hier habe ich nun ein Papier des europäischen Rates vom 21. Juni 1974; das ist also fast zwei Jahre später. Und da fragt der Rat - in einem Fragebogen!; ich will hier gar nicht die Einleitung bringen, die ist mir zu peinlich - die Mitgliedsländer --ich zitiere -:
Was ist unter dem in Ziffer 16 der Pariser Erklärung erscheinenden Ausdruck eigentlich zu verstehen? Handelt es sich a) um alle den Mitgliedsstaaten gemeinsamen Interessen, handelt es sich um ...
Und so geht das sechs Seiten lang. Das heißt, zwei Jahre nach einem solchen verbalen Beschluß fragt man überhaupt erst einmal bei den Mitgliedsländern an: was habt ihr eigentlich gemeint? Das ist ein
Stück europäische Realität. Da können Sie natürlich sagen: es sind doch noch fünf - oder inzwischen acht - andere da. Nur, meine Damen und Herren, wo ist eigentlich die Haltung der Bundesregierung, die in diesen Sachen dann wenigstens klar definieren würde, was ihre, die deutsche politische Zielvorstellung ist? Das sagt der Bundeskanzler nicht. Im Gegenteil, er kommt heute hierher und erklärt, es sei sowieso falsch, solche Perspektiven zu nennen. Der Herr Kollege Carstens hat dies hier gebührend und völlig zutreffend kritisiert. Es gibt also auf der deutschen Seite keine Sicht der Perspektive, keine Initiative.
Und wenn dann eben die Probleme zusammenschrumpfen zu den Problemen der Zahlungsbilanzen, wenn das der einzige Gesichtspunkt wird, dann wird man eben nicht die richtigen Schritte tun, die jetzt nötig und möglich sind; man geht nicht auf ein Ziel zu, wenn man davon nicht spricht und es nicht hat.
Der Kollege Wehner hat sich über den Kollegen Carstens mokiert. Ich glaube, siebenmal hat er kritisiert, daß der Vorsitzende unserer Fraktion ein „vorläufiges" Votum zu dem Kommuniqué abgegeben hat. Herr Kollege Wehner, ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist; bei uns ist es so geblieben, daß dann, wenn ein Papier morgens um halb neun auf den Tisch kommt und der Fraktionsvorsitzende um halb zehn dazu redet, er also kaum Gelegenheit hatte, dies zu lesen, und viel weniger, es mit seinen Kollegen zu diskutieren und eine Meinung der Fraktion demokratisch herbeizuführen, er hinkommt und solide, wie sich das gehört, sagt: das ist vorläufig meine Meinung. Das sollte man hier dann eigentlich nicht kritisieren.
({12})
Wir anerkennen - dies ist heute morgen gesagt worden - die Tatsache der Konferenz und einige ihrer Ergebnisse. Ich will dazu nichts wiederholen. Aber ich möchte doch ein paar Punkte aus diesem Kommuniqué in die kritische Behandlung des Deutschen Bundestages hier einführen. In Ziff. 3 heißt es:
Um den Zusammenhang der Gemeinschaftstätigkeiten und die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten, werden die Außenminister als Rat der Gemeinschaft mit einer impulsgebenden und koordinierenden Rolle betraut.
Ja, meine Damen und Herren, das ist doch eine peinliche Plattitüde. Wie lange arbeiten eigentlich die Außenminister schon? Wie lange gibt es den Ministerrat? Wie kann man so etwas unterschreiben, nachdem man jahrelang dort tätig ist, daß man künftig „impulsgebend und koordinierend" betraut werden wird? Dies sind doch wieder nur Absichten und gute Vorsätze.
Ich nehme ein anderes Beispiel, nämlich Ziff. 5:
Die Regierungschefs halten es für erforderlich, die Solidarität der Neun sowohl durch Verbesserung der Gemeinschaftsverfahren als auch durch Entwicklung neuer gemeinsamer Politiken auf noch zu bestimmenden Gebieten und durch Zuweisung der zu diesem Zweck erforderlichen
Handlungsbefugnisse an die Organe zu verstärken.
Was heißt das eigentlich konkret, präzise, praktisch? So könnte man doch beginnen, wenn wir auf einer grünen Wiese wären und anfingen, über Europa nachzudenken. Aber dieses Europa, von dem Herr Ortoli gesprochen hat, ist in der Krise. Diese Antwort ist weder präzise noch konkret; sie ist eine völlig undifferenzierte und zu nichts verpflichtende Absichtserklärung.
Wie lauten die Sätze, auf die es der deutschen Seite - ich sage: mit Recht, Herr Bundeskanzler - vor allem ankam, die Sätze, auf die man hierzulande wartet, die Verpflichtung der Solidarität in Fragen der Inflation und der Arbeitslosigkeit? Ich zitiere die Ziff. 17:
Die Regierungschefs bestätigen, daß die Bekämpfung der Inflation und die Sicherung der Arbeitsplätze Ziel der Wirtschaftspolitik bleiben.
({13})
Das ist die Aussage.
Damit dann keiner etwa auf die Idee kommt, daß hier eine Gemeinschaft mit Kompetenzen und Beschlußmöglichkeiten existiert, heißt der nächste Satz:
Die Zusammenarbeit der Sozialpartner wird einen wesentlichen Faktor für den Erfolg einer solchen Politik darstellen.
Das ist sicher richtig. Aber kommen hier nicht vielleicht zunächst einmal die Regierungen? Kann nicht vielleicht diese Gemeinschaft selbst etwas tun?
(
Was denn? Ein bißchen Substanz in Ihre Rede!)
- Wir kommen darauf, Herr Bundeskanzler.
Ich möchte darum bitten, von der Regierungsbank aus keine Zwischenrufe zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU -
Wo steht denn das? In welcher Geschäftsordnung steht das? - Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)
Herr Bundeskanzler, ich verstehe ja, daß Sie von der Opposition eine Antwort haben wollen, die Sie selbst aus dem Kommuniqué nicht geben können. Sie sagen „Sagen Sie etwas Konkretes und Bestimmtes!". Ich komme darauf. Aber noch zitiere ich das Kommuniqué, dem Sie heute nacht zugestimmt haben.
({0})
Da will ich Ihnen einmal sagen, wie „konkret" das weitergeht. Es heißt im Kommuniqué:
Sie
- die Regierungschefs betonen, daß unter den gegenwärtigen Umständen einer Wiederankurbelung der Wirtschaft
und der Wahrung der Stabilität, d. h. einer Aktion, mit der eine allgemeine wirtschaftliche Rezession verhütet und gleichzeitig die Stabilität wiederhergestellt wird, hoher Vorrang eingeräumt werden muß.
An diesem Satz ist ja nur erfreulich, daß das frühere Modewort „Stabilität" so häufig vorkommt. Aber, Herr Bundeskanzler, wenn es in dem ersten Halbsatz heißt, die Stabilität sollte wiederhergestellt werden, dann bedeutet dies: Es gibt sie nicht. Wenn es heißt, die Stabilität sollte wiederhergestellt werden, bedeutet dies, daß es sie zur Zeit in keinem Land gibt. Wenn man sich zu Anfang lobt, es gebe die Stabilität doch, dann ist dies ein Widerspruch in sich selbst.
({1})
Ich will einen anderen Punkt ansprechen, den der Herr Bundesaußenminister rühmend erwähnt hat. In Ziffer 20 heißt es:
Sie wünschen, daß der Präsident der Französischen Republik „bei seiner bevorstehenden Zusammenkunft mit Präsident Ford im Namen der Gemeinschaft auf die Bedeutung einer Konvergenz der Wirtschaftspolitiken aller Industrieländer entsprechend den vorstehenden Orientierungen" hinweist.
Daran ist erfreulich, daß der französische Präsident im Namen der Gemeinschaft sprechen kann. Dies wird anerkannt, dies ist zu rühmen und dreimal zu unterstreichen. Nur: Was ist hier wieder das Ziel? Es soll eine Konvergenz der Wirtschaftspolitiken hergestellt werden. Das ist intergouvernementale Zusammenarbeit, dies ist nicht mehr eine Gemeinschaft, die doch alle Instrumente hat, mit denen sie arbeiten könnte.
Sie haben als letztes aus diesem Kommuniqué die besonders wichtigen Stellen - der Außenminister fand sie wichtig - über die Energiepolitik angeführt. Ich möchte Ihnen die entscheidende Ziffer 31 vorlesen:
Die Regierungschefs haben in dem Bewußtsein der grundlegenden Bedeutung des Energieproblems für die Weltwirtschaft die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Erdölausfuhrländern und Erdöleinfuhrländern erörtert und ein Exposé des Bundeskanzlers zu dieser Frage entgegengenommen.
Das heißt: Es ist ein Problem erörtert und ein Exposé entgegengenommen worden. Dies war der Kernpunkt der Sache. Wo sind die Beschlüsse? - Nun gut, vielleicht wenden Sie ein: Die Beschlüsse kommen,
({2})
Herr Ehrenberg, wenn sich der französische Staatspräsident mit dem amerikanischen Präsidenten treffen wird. Warten wir dies ab! Aber das Ergebnis, soweit es hier heute vorliegt - und das ist der Text, über den die Opposition hier zu reden hat -, ist in diesem Punkte - das müssen wir sagen nicht befriedigend; es entspricht nicht den Problemen und der Lage, um die es hier geht.
({3})
Ich möchte die Regierung ermuntern, sich einmal - und dies ist ein anderes Beispiel, das ich hier geben möchte - vorzustellen, wie dieses Europa jetzt eigentlich für die Bürger aussieht. Ich trage dies vor auf Bitte eines Bürgers der Bundeshauptstadt Bonn, den die meisten von uns, auf allen Seiten des Hauses, sogar sehr gut kennen. Er hat sich gestern zum Postamt begeben, um ein fertig verpacktes Geschenkpaket nach Frankreich zu schicken. Inhalt: Kinderspielzeug. Er kommt hier an die Post, kann aber nicht etwa bezahlen, was das kostet, sondern bekommt einen Zollvormerkzettel. Dieser Zollvormerkzettel zwingt ihn, in französischer Sprache - der Mann kann französisch, aber was „Nußknacker" auf französisch heißt, wußte er auch nicht; er mußte also ein Lexikon beschaffen - den Inhalt im einzelnen zu nennen und die Nettogewichte anzugeben. Das alles muß im einzelnen aufgeführt werden. Der Herr konnte also wieder nach Hause gehen, mußte alles wieder aufpacken, eine Waage beschaffen, um die Gewichte der einzelnen Spielzeuge festzustellen. Ich will das hier nicht weiter ausschmücken.
Das ist ein Stück europäischer Realität. Die Bürger, meine Damen und Herren, werden uns also fragen: Was redet ihr von Zollunion, wir können sie noch gar nicht feststellen! - Dies ist ein praktischer Punkt, der in eine solche Debatte gehört.
({4})
Ich möchte Herrn Kollegen Genscher einladen, sich die Maßstäbe für sein Urteil - er nennt es Erfolg
- vielleicht einmal kritisch anzusehen. Es gibt ja einen Bericht des Auswärtigen Amtes vom 9. August
- das ist schon Ihre Amtszeit - über die Entwicklung der Gemeinschaft unter der deutschen Präsidentschaft. Dieser Bericht zeichnet sich durch Ehrlichkeit aus; er ist ganz anders als ein Bericht, von dem ich nachher sprechen werde. Es wird dann von den entscheidenden Fragen gesprochen, und man sagt dort, man habe vieles nicht erreicht. Das ist eine Sprache, die sachlich, die nüchtern ist, die den wirklichen Vorgängen gerecht wird. Es wird dann als entscheidende Frage die institutionelle Fortentwicklung der Gemeinschaft und die weitere Übertragung echter Entscheidungsbefugnisse auf die Gemeinschaftsorgane bezeichnet. Das sind zwei Maßstäbe, die das Auswärtige Amt in einem solchen sachlichen Papier nennt.
Ich finde, wenn Sie sich jetzt von diesen beiden Maßstäben her das Pariser Kommuniqué ansehen, dann müssen Sie sagen: bei der Ziffer 1 geringfügige Fortschritte, die keiner leugnet, bei der Ziffer 2 nichts als Absichtserklärungen. Wenn Sie das gesagt und hinzugefügt hätten: „im übrigen haben wir von der deutschen Seite folgende dynamische Planungen eingebracht", hätten wir Sie nicht gescholten, daß Sie mit etwas nicht durchgekommen sind; denn es bleibt unsere Politik, die Regierung zu ermuntern, weiter nach vorn zu drängen und sich nicht am Schluß des Geleitzuges zu bewegen.
({5})
Nachdem der Kollege Wehner es für richtig gehalten hat, hier die französische Bremsfunktion noch einmal in die Debatte einzuführen, möchte ich folgendes sagen. Ich glaube, dies war schon eine faule Entschuldigung, als de Gaulle noch da war. Dies können Sie ganz sicher nicht sagen für das Frankreich Pompidous, und dies können Sie auf gar keinen Fall sagen für das Frankreich Giscards; denn er hat Vorschläge gemacht, über die ich vorhin hier gesprochen habe. Im Lager der Koalition weist man immer auf unser Drängen auf Initiative und Dynamik hin. Ich meine, in dem Augenblick, als der französische Staatspräsident diese Vorschläge machte, wäre es doch für die deutsche Seite an der Zeit gewesen, „Na, endlich!" zu sagen und selbst weiterführende Vorschläge - mit einer deutschen Initiative - auf den Tisch zu legen.
Für den Fall, daß man uns das nicht glaubt, möchte ich, Herr Bundeskanzler, eine bedeutende Feder aus der „Süddeutschen Zeitung" Ausgabe vom 7. Dezember - zitieren, die der Koalition sehr wohlgesonnen ist. Ich meine: diese Feder; ich meine nicht die Zeitung insgesamt. Dort heißt es:
Wenn die Bundesrepublik so stark ist, daß Europa nicht gegen sie möglich ist, dann muß sie, wenn sie die Gemeinschaft braucht, deutlich machen, wie dieses Europa und seine Beziehung zu den USA beschaffen sein soll, und zur Not muß sie auch die Initiative ergreifen.
Ende des Zitats.
Der Herr Bundeskanzler ist es wieder uns allen schuldig geblieben, hier eine klare Perspektive zu zeigen. Aber in einem anderen Bericht der Regierung, der sich nicht durch die Sachlichkeit des Berichts des Auswärtigen Amtes auszeichnet, den ich ausdrücklich gelobt habe, nämlich in dem amtlichen Bericht, der uns als Drucksache vom 16. Oktober 1974 vorgelegt wurde, in dem Bericht der Regierung über den Stand der Europäischen Gemeinschaft ist die Rede von zunehmenden Divergenzen der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb der Gemeinschaft. Es heißt dort, diese seien bedingt durch die Ölverknappung und insbesondere durch die von der Ölpreissteigerung ausgelöste weltweite Energiekrise mit ihren Auswirkungen auf das Weltwährungssystem sowie durch eine sich beschleunigende Inflation mit den daraus resultierenden Zahlungsbilanzungleichgewichten. Das ist nun wieder eine Ausgabe mit einer veränderten Wahrheit. Dies ist das, was die Propaganda der Koalition versucht, nämlich Furcht und Schrecken zu verbreiten, alle anderen schuldig zu sprechen, zu sagen, woanders sei es noch schlimmer, sich selbst auf die Schultern zu klopfen.
Nein, nein!- Nicht diese Dinge sind schuld an der Krise in Europa, sondern es ist schon so, wie der Präsident der Kommission, Ortoli, gesagt hat: Vertrauen, Willen und der notwendige klare Verstand sind nötig.
Meine Damen und Herren, wenn wir dies hier kritisch sagen - und zwar sowohl das eine anerkennen als auch das andere kritisieren und im übrigen warten, was aus Absichtserklärungen wird -, wissen wir uns völlig einig mit der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa. Es liegen ja jetzt Ergebnisse von Meinungsumfragen in der Gemeinschaft der Neun vor. Danach beurteilen 74 %
die Tätigkeit der Gemeinschaft als nicht ausreichend, nur 10 %als ausreichend und 16 %geben keine Antwort.
({6})
Ich sage dies vorsorglich, falls hier jemand kommen und sagen sollte, die Opposition kritisiere hier natürlich eine ganze Konferenz von Regierungschefs und Außenministern. Wir kritisieren hier die eigene Regierung und befinden uns damit völlig im Einklang mit dem, was die eigene Bevölkerung hier denkt.
({7})
Wir haben in der Debatte zu Beginn dieser erneuerten Koalition im Januar 1973 und dann in der Europa-Debatte am 28. März 1974 unsere Vorschläge vorgetragen. Ich nehme auf sie Bezug; sie gelten weiter. Ich wiederhole, Herr Kollege Bangemann: Damals hat der frühere Bundeskanzler Kiesinger in voller Abstimmung mit dieser Fraktion das Angebot gemacht, wenigstens in der Europapolitik zusammenzuarbeiten. Dies ist damals durch den Mund des Herrn Kollegen Wischnewski sofort abgelehnt worden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu zwei anderen Fragen kommen. Die Frage des Nahen Ostens hat hier eine Rolle gespielt. Wenn wir die diplomatischen Aktivitäten dieser Tage sehen und an manchen Stellen die Worte „Energie und Ölin Gedanken durch die Worte „Spannung und Krieg" ersetzen, dann weiß man wohl, was viele dort wirklich bewegt. Ich finde, es war gut, daß hier die deutsche Position - soweit ich gesehen habe: übereinstimmend - klargestellt worden ist. Ich meine, wir als Bundesrepublik Deutschland können hier doch nicht nur zuwarten, ob und wann die Gefahr in das umschlägt, wovon alle Welt heute redet. Ich meine, wir können - ohne uns dabei zu übernehmen - einen Beitrag dazu leisten, das abzuwehren.
Nachdem zu Beginn dieser Woche - wie man in Bonn sagt: in einem verbreiteten Nachrichtenmagazin, aber auch an anderen Stellen - gewisse Nachrichten über Krisenplanungen, übrigens Krisenplanungen ohne ein Gespräch mit der Opposition, verbreitet worden sind, möchte ich dazu doch noch ein Wort sagen. Wir sind denen, die uns gewählt haben, verpflichtet, die Grenzen der Belastbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nie aus dem Auge zu verlieren. Ich meine auch, unsere Nachbarn, die in Europa, auch die USA, aber auch Israel und die arabischen Staaten haben Anspruch auf Klarheit durch uns. Freundschaft ist kein Blankoscheck. Wir müssen deutlich sagen, wo man mit unserer Freundschaft rechnen kann und wo nicht. Indem unsere Haltung kalkulierbar wird, entfernen wir Ungewißheit und tragen zur Sicherheit bei.
({8})
Wer für den Fall einer etwa ernsten Spannung auf irgendeine Weise auf uns zählt oder zählen möchte, hier oder draußen, der muß wissen, daß wir solidarisch und treu sind, aber nicht blind. Wir wollen wissen und mitbestimmen, wofür wir einstehen. Dies ist eine Forderung, die ich in dem Wort sagen möchte, das in der Einladung zum britischen Parlament im Mittelalter stand: Quod omnes tangit ab omnibus approbetur; was am Schluß alle angeht, muß auch von allen vorher gebilligt werden. Ich hoffe, dieser Hinweis ist deutlich genug.
Ein Wort noch eben auf Grund der Debatte zu den innerdeutschen Dingen. Herr Bundeskanzler, Sie haben, wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, gesagt, dies, was sich jetzt da anbahne, sei „das Positivste, was für Berlin seit dem Viermächteabkommen erreicht worden" sei. Das finde ich eigentlich doch ein bißchen sehr den Mund vollgenommen, und ich fürchte, Sie engen Ihre doch sehr erheblichen Möglichkeiten zu sehr ein auf zwei Dinge: entweder Triumphalismus oder Apokalypse. Das finde ich eigentlich nicht angemessen. Ich fand, daß der Herr Kollege Wehner hier sehr viel sorgfältiger formuliert hat, als er nämlich nicht vom Erreichen gesprochen hat, sondern gesagt hat, man habe „einen Ausblick erreicht". Dabei sind wir bei einem fundamentalen Punkt, wo ich nun eben beklage, daß in der Methode der Ostpolitik die Regierung Schmidt Genscher dieselben Fehler macht, wie sie die Regierung Brandt Scheel gemacht hat.
({9})
Herr Bundeskanzler, was haben Sie denn „erreicht"? Wir haben hier ausdrücklich unserer Freude Ausdruck gegeben, daß es gelungen ist, daß eine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Zwangsumtausch zum Teil zurückgenommen wurde. Einverstanden. Aber dafür wollen wir doch nicht zum zweiten Mal Leistungen erbringen. Was haben Sie nun erreicht? Sie haben erreicht Ausblicke, wie Kollege Wehner das nennt, Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, wie ich dies nennen möchte. Sie haben dies nicht erreicht, Sie haben dies nicht in der Hand. Und warum geben Sie, wo Sie für die Gegenleistungen nur Hoffnungen haben, schon jetzt eine definitive Zusage für die Erhöhung des Swings zum 1. Januar 1976? Das hat doch Zeit, meine Damen und Herren. Warum jetzt diese Leistung, wo die Gegenleistungen der anderen nur wiederum in einer Hoffnung besteht?
({10}) Dies muß doch deutlich gesagt werden.
Ich möchte ausdrücklich, damit wir hier nicht mißverstanden werden, sagen daß man natürlich mit uns über Swing reden kann. Das ist doch eine Sache, den innerdeutschen Handel, der wichtig ist, zu beleben und möglich zu machen. Das ist doch gar keine Frage. Es waren doch unsere Regierungen, die dies eingeführt haben. Nur gibt es hier natürlich manchen Unterschied: erstens der Unterschied in der Höhe, zweitens das Verhältnis des Swings zu dem Gesamtvolumen des Handels, drittens die Frage der Zinslosigkeit im Vergleich zu Zinsen hier und anderswo. Und schließlich waren doch diese Entgegenkommen damals Entgegenkommen - wie soll ich sagen - diesseits des Rubikon. Es hatte doch noch nicht einen Vertrag mit der DDR und den Einzug der DDR in die UNO gegeben.
({11})
Wir hatten mit ökonomischen Mitteln allein menschliche Fortschritte zu bewirken, und jetzt sind die politischen Dinge nicht mehr in der Hand, jetzt kommen die ökonomischen zusätzlich dazu.
({12})
Ich sage dies nicht, meine Damen und Herren, weil ich etwa vergessen hätte, was Adenauer in Fragen mit Geld und Freiheit und Menschlichkeit gemacht hat. Und mich braucht auch keiner wegen dem anzugucken, Herr Mattick, was ich selber gemacht habe in der Frage - Sie wissen es ganz genau - des Freikaufs von Gefangenen. Ich war nie ein Pfennigfuchser, wenn es um gesamtdeutsche Fortschritte ging. Aber der Unterschied hier muß doch völlig deutlich sein, und es bleibt einfach wahr: Sie leisten jetzt, im Dezember 74, die Zusage für ein Verhalten zum 1. Januar 76 in der Hoffnung, im Jahre 75 gewisse Fortschritte erreichen zu können.
({13})
Dies ist die Lage.
Meine Damen und Herren, das wäre nun eine Verführung, aber ich will das nicht machen, zurückzukommen auf unseren Stufenplan von damals, der das alles so verzahnt hätte, daß solcherlei Dinge nicht möglich geworden wären.
Ich meine, wir sollten uns einmal überlegen -und dies ist vielleicht eine Frage, die nicht nur uns in der CDU/CSU angeht -, ob wir nicht die doch insgesamt beachtlichen ökonomischen Zugeständnisse, die die DDR auf den verschiedensten Bereichen, zum Teil mit Vernunft, bekommt, in geraumen Zeitabschnitten, so wie das die Amerikaner jetzt in ihrem Parlament gemacht haben, zur Disposition des Gesetzgebers, dieses Parlaments, stellen, um einmal die Sachen auf den Tisch zu legen und zu prüfen: Ist dies eigentlich alles noch vernünftig?
({14})
Denn wir haben doch alle erfahren, daß für Vertragstreue, das Einhalten von Zusagen kurzum, eine der stärksten Waffen, die wir in diesen innerdeutschen Dingen überhaupt haben, die vollständige Öffentlichkeit, die Kritik im Parlament ist, und ich glaube, eine Regierung, die das zu würdigen weiß, sollte hier die Haltung der Opposition begrüßen und nicht kritisieren, gerade in diesem Punkt
({15})
Herr Bundeskanzler, da ich vorher Ihren Unmut erzeugt habe, möchte ich mich zum Schluß an Sie wenden; ich fürchte, dies wird auch nicht sehr freundlich sein können. Ich habe in der ersten Debatte über Ihre Regierungserklärung beklagt, daß Sie darauf verzichtet hätten, Ihre Zielvorstellungen, Ihre Konturen, Ihre Perspektiven, Ihre geistigen Gehalte, kurzum die Worums und die Wozus, die
Argumentation, die Motivation Ihrer Politik darzutun. Sie haben dies nicht getan, nicht in der Debatte, nicht in der Regierungstätigkeit bisher, und Sie haben heute in Ihrem Schluß ausdrücklich vor einer solchen Politik gewarnt und sich wirklich nur, ich muß es beinahe sagen, dem werkelnden Pragmatismus verschrieben.
Wenn Sie, meine Damen und Herern, oder wenn Sie, Herr Bundeskanzler - sagen wir es so -, sich vielleicht einmal -- und Sie tun dies ja, wie ich weiß - selbstkritisch die Frage stellen, warum Sie nach sechs Monaten eigentlich den Auftrag, den Ihre Freunde und vielleicht die Geschichte Ihnen gegeben haben, den Auftrag, der nach Ihren Worten hieß, die „Angstlücke" zu schließen, Sicherheit zu geben, nicht erfüllen konnten, wenn Sie sich einmal fragen, warum dies eigentlich ebensowenig gelungen ist wie die Erfüllung der anderen Aufgabe, nämlich das, was Sie selbst den „Verschleißprozeß der SPD" genannt hatten, zu stoppen - ich fürchte, wenn Sie einmal Zeit haben, sich dies zu überlegen, dann haben Sie genau an dieser Stelle Ihren Grund. Denn ohne Perspektiven, ohne geistige Führung gibt es keinen politischen Erfolg. Und ich sage Ihnen, wenn Sie nicht die Perspektiven der Westpolitik klar hier vorlegen, dann wird auch alles, was Sie technisch zur Konjunkturpolitik vortragen, bei diesem Datenkranz nicht zum Erfolg führen können. Nehmen Sie diesen Rat ernst; denn wir haben kein Interesse, daß das Desaster in Deutschland so tief wird, daß wir die Dinge später nur mit größter Mühe und vielleicht nicht einmal in vier Jahren wieder in Ordnung bringen können.
({16})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, bitte ich einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit. Es liegt in der Natur der parlamentarischen Beratungen, daß kritische Situationen gerade dann eintreten, wenn die Gemüter sehr erregt sind, und daß gerade dann der Präsident eine Maßnahme treffen muß, die ihm meistens selber unangenehm ist. Kritik und Unmutsäußerungen gegenüber den Entscheidungen des Präsidenten sind durch die Geschäftsordnung verboten und waren auch heute keineswegs vorhanden. Ich möchte Sie aber auch bitten, auch Beifallskundgebungen zu unterlassen; denn es kommt in der Erregung eben vor, daß gerade diejenige Seite Beifall klatscht, die meint, durch die Entscheidung des Präsidenten einen Punktvorteil erreicht
({0})
oder dem anderen einen Punktnachteil eingebrockt zu haben.
In den 18 Jahren, die ich die Ehre habe, hier im Präsidium zu sitzen, habe ich mich immer darum bemüht, in diesem Amte unparteilich zu sein. Ich habe vor etwa zehn Jahren ein Mitglied einer ganz anderen Bundesregierung gemahnt, weil es einen Zwischenruf von der Regierungsbank aus gemacht hatte. Ich kann gar nicht anders, als diesmal das gleiche zu tun und wiederum darauf hinzuweisen, daß dies keine Beschränkung der Abgeordnetenrechte der Mitglieder der Bundesregierung bedeutet. Sie brauchen sich nur auf ihre Abgeordnetenplätze zu setzen, dann können sie Zwischenrufe machen in demselben Rahmen wie jedes Mitglied dieses Hohen Hauses. Ich bitte Sie, von Beifall abzusehen. Ich versuche hier wirklich, objektiv zu sein.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem freundschaftlichen Ton, in dem der Präsident uns eben alle belehrt hat - ({0})
- Sie waren doch ausdrücklich aufgefordert, den Beifall zu unterlassen. Er hat sich doch an Sie gerichtet, meine Damen und Herren, an wen denn sonst?
({1})
Aber wenn der Präsident gestattet, dann möchte ich vielleicht sagen, daß ich inzwischen auch in der Geschäftsordnung geblättert habe und nicht habe feststellen können, daß ein Mitglied des Hauses einen Teil seiner Rechte durch eine Änderung des geographischen Ortes seines Sitzplatzes verliert.
({2})
Aber nun möchte ich auf einige wenige Bemerkungen der Herren Carstens und Barzel eingehen. Ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich nicht ausführlich sein kann. Wir haben heute nachmittag eine Kabinettsitzung, deren Beginn wir eben schon verschoben haben, um dieser Debatte ausreichend beiwohnen zu können.
Herr Carstens, um mit einer Kleinigkeit zu beginnen, Sie haben mich gerügt, daß ich an der Kommission in Brüssel Kritik geübt hätte. Ich habe daran in mehrfacher Weise Kritik geübt - übrigens auch an der Arbeit des Ministerrates. Ich habe dabei die deutschen Mitglieder beider Organe nicht ausgenommen. Ich denke auch nicht daran. Ich werde auch in Zukunft gelegentlich Kritik üben, z. B. dann, wenn, wie jetzt, auf Vorschlag der Kommission und durch Beschluß des Rates die Gehälter in Brüssel um 16 % erhöht werden. Ich nehme mir hierzu die Freiheit zur Kritik. Ich glaube, Sie denken auch kritisch darüber.
({3})
Herr Barzel wird sich sagen lassen müssen: Nicht alles, was die Kommission vorschlägt, ist deswegen allein schon richtig und anerkennenswert. Im übrigen, Herr Professor Carstens, geht Europa an der Kritik, die man an seinen Organen übt, genau so wenig zugrunde wie die Bundesrepublik Deutschland an der Kritik zugrunde gehen wird, die Sie an uns üben.
({4})
Herr Carstens hatte gefragt, ob denn nun die Sitzungen des europäischen Rates nur auf einstimmigen Beschluß stattfinden würden. Das ist nicht der
9256 Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Bundeskanzler Schmidt
Fall. Die jeweilige Präsidialmacht wird dreimal im Jahr und, wenn nötig - ich will hier auch noch auf Herrn Jäger ({5}) zurückkommen -, auch häufiger einladen. So ist das gemeint.
Mehrfach hat in der Debatte die Swing-Geschichte eine Rolle gespielt. Ich habe Herrn Barzel nun allerdings nicht verstanden. Bei Herrn Carstens war klar, daß es bei ihm eine vorläufige Antwort war. Aber Sie hatten doch nun eine gewisse Zeit, sich das noch einmal genau zu überlegen. Sie waren selbst Minister für Gesamtdeutsche Fragen - wie das damals hieß. Ihnen, Herr Kollege Barzel, ist jedenfalls die Sache aus dem Jahre 1960 in Erinnerung, auf die Herr Kollege Wehner vorhin in sehr vornehmer, zurückhaltender Weise anspielte,
({6}): Wie es seine Art ist!)
wo die damalige Bundesregierung den Swing gekündigt und ihn hinterher unter großen Kunststükken wiederhergestellt hat. Auch die Sache aus dem Jahre 1968 ist Ihnen in Erinnerung. Sie können nun allerdings diese beiden Präjudizien - positive-Präjudizien, wie ich meine, weil sie zeigen, wie sich jede Bundesregierung immer im Interesse der Deutschen auf beiden Seiten in dieser Sache bemüht hat, den innerdeutschen Wirtschaftsaustausch am Leben zu halten - nicht damit entwerten, daß sie heute meinen, sie seien vor dem Grundvertrag gewesen, und es gelte heute nicht mehr, was damals zu Ihrer Zeit gegolten habe. Das ist ein verbaler Trick, Herr Barzel, weiter nichts!
({7})
Herr Carstens, im übrigen ist das Argument, hier werde ein Preis bezahlt, wenn Sie die Geschichte der Bundesregierungen zurückverfolgen, die von Ihrer Partei geführt worden sind, der Partei, der Sie selbst angehören, vollends abwegig. Ich könnte Herrn Professor Erhard als Zeugen aufrufen. Er ist ja in der Lage, sich dazu zu äußern. Das könnten wir vielleicht erbitten. Keine Bundesregierung hat diesen innerdeutschen Handel gefördert, um der DDR-Regierung zum Gefallen zu sein, sondern um den Deutschen in den beiden Teilen zu helfen.
({8})
Wenn Herr Barzel in seinen Ausführungen vollständig wäre und wenn er geneigt wäre, auf einiges, was ich ihm gesagt habe, mit demselben Ernst einzugehen, mit dem ich geneigt bin, am Schluß meiner jetzigen Intervention auf das einzugehen, was er mir ins Stammbuch geschrieben hat - Sie werden das noch sehen -, dann würde er sich nicht nur erinnern, sondern auch sagen, daß keine vorangegangene Bundesregierung die Einrichtung, die Wiederherstellung, die Ausweitung, die Dynamisierung dieses Überziehungskredits als eine westdeutsche Leistung oder Vorleistung an die jeweilige Führung der DDR betrachtet hat.
({9})
Herr Carstens hat sodann bezweifelt, daß es in diesen Dingen in der Bundesregierung eine klare Zuständigkeit gebe, und hat dazu Fragen aufgeworfen. Ich bin eigentlich nicht geneigt, über innere Vorgänge in der Bundesregierung hier zu sprechen, aber ich möchte die Fragen nicht im Raum stehen lassen. Herr Carstens, der Herr Kleindienst, der auf unserer Seite die Formulierungen der erst noch zu treffenden Vereinbarungen mit der anderen Seite besprochen und ausgehandelt hat, war dazu durch den zuständigen Bundesminister für Wirtschaft, angewiesen, und jener hat dies nach Erörterung im Kreise der beteiligten und mitbeteiligten Ressortminister und des Bundeskanzlers getan.
({10})
Wenn Ihnen dies als nicht gehörig erscheinen sollte. würde ich mich wundern.
Sie haben sodann - und das muß ich in gewisser Weise, wenn auch abgeschwächt, auch den anderen Rednern der CDU/CSU vorwerfen - durch die Art Ihrer Einlassung in einem Punkte - ich nehme an, unwillentlich - wirklich der Sache der Deutschen miteinander, untereinander nicht gerade den besten Dienst erwiesen. Ich wiederhole: ich habe Verständnis, daß Sie durch diese kleine Schlauheit, die sich da jemand am Samstag im „Neuen Deutschland" geleistet hat, am Wochenende in Verwirrung geraten konnten. Wenn die Regierung Ihnen gegenüber etwas schneller funktioniert hätte, hätten Sie es vielleicht schneller durchschauen können. So hat es einen Tag länger gedauert. Ich muß allerdings auch sagen, daß wir nicht im Lande waren. Wie dem aber sei, wenn Sie jetzt das Gesamtergebnis dessen, was erreicht ist, und dessen, was eingeleitet ist - Herr Barzel erinnerte eben noch einmal an die Worte von Herrn Wehner, und die stimmen mit meinen überein; Sie können das im Protokoll vergleichen -,
({11})
betrachten, dann, so finde ich, tun Sie uns oder späteren Bundesregierungen, die ja weiterhin das schwierige Geschäft des Verkehrens und Verhandeins mit der Führung der DDR zu betreiben haben werden, keinen Gefallen, wenn Sie den Eindruck erwecken, als ob wir hier etwas aus der Hand gegeben hätten,
({12})
was wir nicht hätten geben dürfen, um vielleicht dafür etwas zu bekommen, was wir nach Ihrer Meinung noch gar nicht haben.
({13})
Sie machen damit - ich sage noch einmal: ich glaube nicht, daß Sie es wollen ({14})
die Position desjenigen, der für diese Bundesregierung oder ihre Nachfolgerinnen verhandelt, zusätzlich und unnötig schwer, und Sie erleichtern
damit die Darstellungsweise bestimmter Kräfte in
der DDR. Ich will sie nicht näher definieren, aber
es gibt dort verschiedene Strömungen des Denkens,
({15})
und eine der Künste in unserem Umgang mit anderen - das gilt nicht nur für die DDR, sondern auch für den internationalen Verkehr - ist doch, im jeweiligen Lande, im jeweiligen Partnerstaat die dortige Struktur, so wie sie steht, zu erkennen und zu nutzen. Es wäre ein ganz schwerer Fehler, wenn wir dazu beitrügen, diejenigen in der DDR zu stärken, die sowieso keinen innerdeutschen Handel und sowieso keine Entspannung haben wollen.
({16})
Ich sage noch einmal: ich werfe Ihnen keine böse Absicht vor; ich meine das auch nicht unterschwellig. Ich bitte Sie aber doch herzlich, ein solches Wort in Ihrem Kreise ernsthaft zu bedenken, ehe hier heute mittag die nächste Polemik vom Stapel gelassen wird.
Vizepräsident von Hassel: Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger ({17})?
Bitte sehr!
Herr Bundeskanz1er, verdrehen Sie mit dieser Feststellung jetzt nicht eigentlich das Verhältnis von Ursache und Wirkung, und ist es nicht so, daß die Position der DDR in den Verhandlungen über all diese Punkte dadurch gestärkt worden ist, daß jetzt schon ein von einem Beauftragten der Bundesregierung unterzeichnetes Vorpapier über die Verlängerung des Swing vorliegt, wobei die DDR ganz genau weiß, daß sie sich seit dem berühmten Bahr-Papier darauf verlassen kann, daß die Bundesregierung von solchen Papieren nicht mehr herunterkommt?
({0})
Herr Kollege Jäger, ich nehme Ihnen nicht nur die Frage nicht übel, sondern ich will sie auch beantworten. Sie beruht darauf, daß ich es bisher versäumt habe - und wahrscheinlich werde ich das auch in Zukunft versäumen müssen -, vor Ihnen hier im Plenum des Deutschen Bundestages alle Papiere auszubreiten, die hinüber- und herübergegangen sind.
({0})
Wir haben allerdings für ein Stückchen Clausula rebus sic stantibus in Schriftform gesorgt. Nur habe ich keine Lust, das Ganze, was man zustande bringt, durch unnötige Polemik in diesem Plenum zu zerstören.
({1})
Ich bin bereit, den Vorsitzenden der CDU/CSUFraktion und meinetwegen auch noch zwei oder drei
andere Personen aus dieser Fraktion sorgfältig zu unterrichten.
({2})
Ich bin allerdings nicht bereit, das in einer Atmosphäre zu tun, wie ich sie jüngst in einem Ausschuß des Deutschen Bundestages erlebt habe, in dem die Fragestellung ihrer Formulierung und Natur nach zum Teil geeignet war, das, was sich gerade erst entwickeln sollte, im Ansatz und im Keim zu zerstören.
({3})
- Ich nehme an, daß der Zwischenruf von Herrn Reddemann kam; er qualifiziert ihn.
({4})
Sodann möchte ich der CDU/CSU-Fraktion eines noch zu bedenken geben; das richtet sich immer noch an die Adresse des Herrn Professor Carstens. Ich muß hier einmal eine geistige Anleihe beim Kollegen Genscher machen dürfen. Wir tauschen manchmal Bemerkungen untereinander aus. Diejenigen übrigens, die Sie, Herr Barzel, gehört haben, war nicht für Sie bestimmt; sie war auch kein Zwischenruf, sondern sie war für Herrn Genscher gemeint und ist ein bißchen zu laut gewesen. Für Sie war sie nicht bestimmt.
({5})
Aber wie dem auch sei, ich will mich davor ja nicht drücken; auch Herr Barzel kann ertragen, einmal Quatsch geredet zu haben.
({6})
Ich wende mich immer noch an Herrn Carstens. Her Professor Carstens, Sie müssen sich eigentlich wirklich einmal prüfen, welcher Art die Opposition ist, die Sie machen. Herr Genscher hat ein prima Wort dafür gefunden: „Formalopposition". Das heißt: in der Form dagegen, in der Substanz nichts zu bieten.
({7})
- Nun hat anschließend Herr Kollege Barzel eingangs seiner Intervention
({8})
die Vorläufigkeiten des Herrn Carstens in Schutz genommen und auch legitimiert.
({9})
- Na, hören Sie mal, wenn hier drei Leute von Ihnen nacheinander polemisieren, wird man ja wohl
noch einmal zurückschlagen dürfen. Das können Sie ja wohl noch aushalten. Seien Sie doch nicht so empfindlich!
({10})
Die Sache ist doch in Wirklichkeit so, daß draußen im deutschen Volk und zumal in Berlin eine erhebliche Befriedigung darüber herrscht, daß nun nach einer Reihe von Monaten eben doch nicht mehr alles stagniert,
({11})
sondern doch etwas vorankommt. Sie bemühen sich, diesen positiven Eindruck zu zerstören. Das ist das Anliegen, das Sie heute morgen verfolgen.
({12})
Ich komme jetzt zu den Anregungen von Herrn Kollegen Barzel. Zunächst eine als Information gemeinte Richtigstellung.
({13})
Herr Kollege Barzel, Sie haben gemeint, die Bundesregierung habe die institutionellen und politischen Anregungen des französischen Präsidenten von hier aus mit Nörgelei begleitet. Ich will mich über das Wort nicht streiten, es kann irgendwo so eine Äußerung gegeben haben, die Sie so aufgefaßt haben. Aber informierend darf ich Ihnen sagen, daß der französischen Präsident und ich nicht nur die Vorschläge, die er dann tatsächlich gemacht hat und die tatsächlich angenommen worden sind, sondern darüber hinaus im Laufe des Sommers eine große Zahl von Vorschlägen und Reformen miteinander besprochen und behandelt haben. Es tut mir leid; Sie zwingen mich beinahe dazu, Gespräche und Briefwechsel offen darzulegen, was man eigentlich nicht tun sollte - im Verhältnis zur französischen Regierung genauso wenig wie im Verhältnis zur DDR. Aber ich bitte, mir abzunehmen, daß der französische Präsident auf Grund sehr sorgfältiger, sehr umfangreicher Ausarbeitungen, in die ich selber viele, viele Stunden eigener Arbeit gesteckt hatte, auf der Grundlage seiner Überlegungen und unseres gemeinsamen Austausches von Gedanken, in die dann inzwischen andere Ministerpräsidenten wie der dänische, der holländische, der belgische, der italienische, der luxemburgische und der englische einbezogen waren - ich gebe zu, daß ich keine Chance hatte, im Laufe des Herbstes mit dem irischen Ministerpräsidenten Cosgrave darüber zu reden, außer in offiziellen Treffen -, dazu seinen Anstoß gegeben hat. Sie irren sich sehr, wenn Sie meinen, wir hätten dazu nicht vieles beigesteuert. Wenn Sie den Eindruck haben, irgend jemand bei uns hätte diese benörgelt, so ist das ein falscher Eindruck; denn vieles von den gestrigen Beschlüssen stand
schon in den Papieren, die im August Bonn verlassen haben und nach Paris gegangen sind.
({14})
Aber nehmen Sie es nicht als Vorwurf! - Sie geben mir durch Ihre Geste zu erkennen, Herr Dr. Barzel, daß Sie es nicht anders gewußt haben. Deswegen bitte ich Sie, diese Information anzunehmen.
({15})
- Das kommt darauf an. Ich bin sehr gerne bereit, mit dem Führer der Opposition und auch mit seinem Stellvertreter auf informativem Wege zusammenzuarbeiten. Er hat mich bisher nie darum gebeten. Er hat hier im Plenum einmal beanstandet, er werde nicht gehört oder nicht gerufen. Er hat gesagt, es sei ja doch Sache des Bundeskanzlers, ihn zu rufen. Das habe ich dann daraufhin getan. Ich nehme an, daß Herr Kollege Carstens zwar über die Tatsache, aber nicht über den Inhalt des Gespräches in der Fraktionssitzung berichtet hat. Wenn es dabei bleibt, kann es auch in Zukunft solche Informationen geben. Soweit ich allerdings den Deutschen Bundestag insgesamt zu informieren hätte - qua Bundesregierung -,
({16})
dann müßte ich es hier tun und nicht in einem Privatgespräch.
({17})
- Nein, Sie haben nicht zugehört!
({18})
Wenn ich den Bundestag insgesamt auf Grund meiner verfassungsrechtlichen Pflichten zu informieren habe, kann ich es nicht im Zwiegespräch mit dem Oppositionsführer tun. Dennoch gibt es Sachen - das müssen Sie doch jemandem, der seit 21 Jahren hier im Bundestag arbeitet, nicht erst auseinandersetzen -, die wirklich nur der vertraulichen Behandlung zugänglich sind, insbesondere wenn sie in statu nascendi sind.
({19})
- Was ist denn nun schon wieder, Herr Reddemann?
({20})
- Was hat er denn nun wirklich gesagt?
({21})
- Das stimmt, ja. Und halten Sie das für eine Übertreibung oder für eine Untertreibung?
({22})
Um noch einmal auf den Punkt der Unterrichtung der Opposition zurückzukommen: Herr Reddemann und der vor ihm sitzende Kollege können nicht daBundeskanzler Schmidt
von ausgehen - niemand kann davon ausgehen -, daß komplizierte und mit Risiken behaftete außenpolitische Entwicklungen in allen Stadien hier im Deutschen Bundestag ausgebreitet werden. Das Normale ist, daß eine Bundesregierung im Plenum des Deutschen Bundestages ausgehandelte Verträge zur Ratifikation vorlegt und sie begründet. Gleichwohl gibt es selbstverständlich die Praxis, in der Zwischenzeit vorher den zuständigen Ausschuß zu unterrichten und ins Vertrauen zu ziehen, aber nicht über alles.
({23})
- Entschuldigung, ich möchte den Gedanken zu Ende führen, Herr Präsident. - Es gibt eine Praxis, manche Dinge einem sehr viel kleineren Kreis von urteilskräftigen Menschen vorzulegen.
({24})
- Das ist genau das, was ich ausschließen möchte: daß alles in die Presse getragen wird. Sie werden das legitim und notwendig finden, daß sich die Bundesregierung darum bemüht, daß in Bonn nicht alles in den Zeitungen abgedruckt wird.
({25})
Ich kann mich nur bemühen, das einzuschränken. Ich habe hier eine Landschaft vorgefunden, die schon viele, viele Jahre zurückreicht. Der „Spiegel" existiert ja nicht erst seit fünf Jahren, den gibt es schon etwas länger, und er ist ja nicht das einzige dieser Organe.
Mir liegt aber daran, den ernsthaften Punkt hier zu klären. Ich habe Sie neulich im innerdeutschen Ausschuß schon einmal hingewiesen auf den Briefwechsel zwischen dem früheren Kollegen von Brentano, der leider verstorben ist, und dem damaligen Bundeskanzler Adenauer. Da ist von ganz großem Interesse eine schwerwiegende, über viele Briefe hin und her geführte Auseinandersetzung zwischen Adenauer und Brentano, der damals Außenminister war. Brentano hatte die Opposition über einen bestimmten Vorgang außenpolitischer Art unterrichtet. Das war auch im Sinne des damaligen Bundeskanzlers gewesen. Nur: Herr von Brentano hatte nicht nur Herrn Ollenhauer, sondern auch Herrn Wehner unterrichtet. Das fand er gehörig; ich übrigens auch. Aber Adenauer machte ihm damals deswegen schwere Vorwürfe: Es sei ein so empfindlicher Vorgang, um den es sich handelte, daß er eigentlich nur dem damaligen Oppositionsführer und niemandem sonst hätte mitgeteilt werden dürfen.
Ich erzähle die Geschichte nicht, um darzutun, daß ich natürlich auch gern bereit bin, so wie damals von Brentano, zwei Herren der Opposition zu unterrichten, sondern ich erzähle das, um darzutun, daß die Staatspraxis in diesem Lande von Anfang an war, in bestimmten Dingen zwar die Opposition zu Rat zu ziehen und ins Bild zu setzen, aber doch nur ihre wirkliche Spitze. Das wird sicherlich auch in Zukunft so bleiben. In jedem Einzelfall kann man sich dann darüber streiten - ein bißchen mehr oder ein bißchen weniger - ({26})
- Hier ruft jemand dazwischen: ,,..., wer die Spitze ist", aber das ist ja durch Wahl innerhalb der CDU/ CSU-Fraktion entschieden.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Barzel?
Bitte, Herr Kollege.
Herr Bundeskanzler, darf ich Sie um die Liebenswürdigkeit bitten, als Quelle meines Vorwurfs der Nörgelei die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die nicht dementiert ist, vom 9. Dezember 1974 zur Kenntnis zu nehmen, wo es heißt - ich zitiere -:
... hat der Bundeskanzler vor der Auslandspresse in Bonn diese französischen Vorschläge als nicht wirklich hilfreich für die Gemeinschaft bezeichnet.
({0})
Nur damit nicht der Eindruck entsteht, als hätte ich mich nicht sorgsam informiert, bevor ich einen Vorwurf erhebe.
({1}): Aber wichtig gemacht! -
Heiterkeit bei der SPD)
Ich würde natürlich das Studium der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" immer als sorgfältige Informationsarbeit bewerten. Trotzdem sind Sie hier entweder einem Mißverständnis des Korrespondenten oder einer schiefen Darstellung aufgesessen. Tut mir leid. Ich glaube, das läßt sich nicht mehr aufklären. Ich habe ja vorhin schon versucht, Sie zu informieren.
Nun hat der Kollege Barzel gesagt - und da hat er recht -, die ökonomische Lage in unserem Lande werde nicht dadurch besser, daß man auf die noch viel schlechtere Lage in der Weltwirtschaft hinweise. Das ist gewiß richtig. Nur muß, Herr Kollege Barzel, eben auch verstanden werden, daß sich die ökonomische Lage in unserem Lande keineswegs unabhängig von der Weltwirtschaft entwickelt und auch nicht davon unabhängig beeinflußt werden kann und daß deshalb der Zusammenhang mit der Weltwirtschaft insgesamt, mit dem Partner Amerika, zu einem gewissen, kleineren Maße mit Japan, aber vor allen Dingen mit den neun Partnern in der EG außerordentlich stark ins Gewicht fällt, heute sehr viel stärker als vor zehn oder zwanzig Jahren. Es wird auch den Engländern im Laufe der nächsten Jahre so ergehen, daß sie in sehr viel stärkerer Weise als bisher von der konjunkturellen Entwicklung der Gesamt-EG beeinflußt werden. Infolgedessen liegen hier Handlungsbegrenzungen, Aktionsparameter vor, die man erkennen muß.
Um ein großes Wort abzuwandeln, das bei ganz anderen Verhältnissen in einem ganz anderen Lande geprägt worden ist: Stabilität der Vollbeschäftigung
plus Stabilität der Preise in einem Lande allein ist nicht mehr möglich; jedenfalls nicht in einem Land wie die Bundesrepublik Deutschland,
({0})
die 23 % ihres Bruttosozialprodukts exportieren muß und in ihrer Beschäftigung auf Absatz dieser 23 % ihres Bruttosozialprodukts draußen in der Welt angewiesen ist.
Weil das so ist, deswegen irren Sie sich auch, wenn Sie in einer leicht nonchalanten Weise Zahlungsbilanzprobleme für etwas Unwichtiges erklären.
({1})
- Doch, das haben Sie getan. Dann müssen Sie sich auch die Antwort anhören. Sie haben auch gemeint: Die Ölkrise und die Zahlungsbilanzen seien gar nicht schuld,
({2})
sondern der Wille fehle und die Vernunft fehle. So haben Sie gesagt.
({3})
Sie haben dazu Herrn Ortoli zustimmend zitiert. Nun will ich weder dessen Willen und Vernunft noch unseren eigenen Willen oder unsere eigene Vernunft qualifizieren. Nur, Sie kriegen die Tatsache, daß die neun EG-Länder zusammen 1973 einen Zahlungsbilanzüberschuß von einer Milliarde Dollar hatten, dieses Jahr zusammen aber ein Defizit von 20 Milliarden Dollar haben, durch bloßen Willen nicht aus der Welt.
({4})
Es gehört vielmehr ein den ganzen Globus umspannendes System dazu, um die Überschüsse aus den Ölländern in unsere EG-Länder zurückzubringen, damit die Zahlungsbilanzdefizite finanziert oder ausgeglichen werden können. Herr Kollege Barzel, es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken, daß nämlich das Problem schon gelöst sei, weil Sie an Ihrer Tankstelle schon lange wieder Benzin bekommen, freilich ein bißchen teurer als früher. Das Problem bleibt ungemein schwerwiegend. Sie werden sehen, daß eine Reihe unserer Partnerstaaten in der EG tatsächlich weniger importieren als früher, weil für sie die Möglichkeiten, in fremder Währung zu bezahlen, von der Zahlungsbilanz her kleiner geworden sind. Deshalb haben wir uns ja auch auf vielfältige Weise angestrengt, diesen Partnerstaaten mit den Devisen-Reserven der deutschen Volkswirtschaft zu helfen.
Sie haben auch den Dialog mit den Vereinigten Staaten vermißt. Dies habe ich nun wirklich überhaupt nicht mehr verstanden. Da waren in den letzten Tagen die Mitglieder der Kommission beim amerikanischen Präsidenten, da waren der deutsche Außenminister und der deutsche Bundeskanzler bei ihm, da werden eine Woche später der französische Präsident und einen Monat später der englische Premierminister bei ihm sein - alle nach Abstimmung innerhalb Europas -, und Sie fragen, wo der Dialog mit den Vereinigten Staaten sei!
({5}) - Was heißt „der Gemeinschaft"? Ich bitte Sie! Ich habe doch zuerst gesagt: Die Kommission war auch drüben. Glauben Sie aber im Ernst, daß das Gewicht eines Kommissars aus der Brüsseler Kommission in Washington größer sei als dasjenige Giscards oder Wilsons oder des deutschen Bundeskanzlers?
({6})
Machen Sie sich doch nichts vor! Das sind doch bestenfalls Wünsche, die Sie für später einmal haben können.
({7})
Solange sich die Kommission nicht auf vom Volk erteilte Mandate der Komissare stützen kann, wird es doch dabei bleiben, daß der vom Volk gewählte französische Präsident oder die Politiker der parlamentarischen Demokratien in Europa, die sich in ihrer Arbeit auf ein direktes Mandat stützen können, draußen in der Welt mehr Gewicht haben als jemand, der durch neun Kabinettsbeschlüsse - ich sage dies nicht abwertend - in sein Amt berufen wird.
Der Dialog mit den USA findet wirklich in einer intensiven Weise statt. Ich denke, auch Sie sollten davon Notiz nehmen, daß sich die Besorgnis und die Gefahr zunehmender Spannungen zwischen zweien unserer Partner im Augenblick verringern.
Was den Nahen Osten angeht, so haben wir es mit einem sehr diffizilen und sehr heiklen Gegenstand zu tun. Es ist einer der Gegenstände, die im Auswärtigen Ausschuß ausgebreitet werden können. Herr Carstens oder Herr Barzel - einer von beiden war es - hat zu Recht von einer gefährlichen Situation gesprochen. Wir sollten hier den Kreis etwas kleiner ziehen, damit wir dann offen darüber reden können.
Herr Kollege Barzel hat eine sehr scharfe Kritik an all dem geübt, was neun europäische Regierungen gemeinsam beschlossen haben. Er hat das, was beschlossen wurde, in seiner Darstellung an dem gemessen, was nicht beschlossen wurde. Als er merkte, daß das ein bißchen zu weit ging, hat er gesagt: Ich kritisiere natürlich nur meine eigene Regierung; die anderen acht Regierungen haben wohlgetan.
({8})
So kann man es natürlich auch machen, Herr Barzel. Sie müssen dann nur sagen - dies hat auch Herr Carstens nicht gesagt -, was nach Ihrer Meinung gestern und vorgestern in Paris konkret hätte beschlossen werden sollen
({9})
und wie Sie die Zustimmung Italiens, die Zustimmung Irlands, Dänemarks, Hollands oder Belgiens erzielt hätten.
({10})
Sie dürfen hier vor diesem Hause und vor der deutschen Öffentlichkeit, die zuhört, nicht den Eindruck erwecken, als ob wir bereits in einer Wirtschafts- und Währungsunion seien. Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, als ob die Brüsseler InstitutioBundeskanzler Schmidt
nen die rechtlichen oder auch nur tatsächliche Möglichkeiten hätten, über die Budgetpolitik von neun Staaten, über die doch in den Parlamenten und nicht in der Kommission entschieden wird, oder über die Steuerpolitik in neun Staaten, über die doch hier im Bundestag und in den acht anderen Parlamenten, nicht aber in Brüssel entschieden wird, in Brüssel zu entscheiden. So ist es doch nicht! Auch über die Kreditpolitik der neun Staaten wird nicht in Brüssel, sondern von den neun Zentralbanken entschieden. Einige davon sind völlig unabhängig von ihrer Regierung - so z. B. die Bundesbank in Deutschland -; andere sind etwas abhängiger. Sie dürfen nicht, wie Sie es getan haben, den Eindruck erwecken, daß in Brüssel alle Instrumente zur Verfügung stünden.
({11}) - So haben Sie es aber gesagt.
({12})
Sie haben uns hier Ihre Nußknackerrealität vorgeführt, und das war sicherlich ein Beispiel, das lehrreich ist für alle, und da soll man bohren, ob das nicht geändert werden kann. Nur, Herr Barzel, nicht einmal in diesem Punkte haben Sie positive Substanz geboten; in den großen Punkten schon erst recht nicht. Sie haben nicht gesagt, wer was wann wo mit wem regeln soll.
({13})
Es ist das gute Recht einer Opposition, immer bloß Forderungen aufzustellen. Aber da Sie ja die Hoffnung haben, eines Tages doch auf jene Bänke zurückzukehren, von denen aus man, wie ich heute erfahren habe, keine Zwischenrufe machen soll, kann ich Sie nur auf Grund von Erfahrungen, die wir im Laufe der letzten zehn Jahre gemacht haben, davor warnen, sich in der Opposition dazu verleiten zu lassen, zu meinen, alles gehe und alles könne man versprechen; man brauche nur die Forderung auszusprechen, und dann habe man schon die Zustimmung von acht anderen EG-Ländern. Sie könnten später in große Enttäuschung geraten. - Aber Sie werden so bald gar keine Chance haben, Herr Barzel.
({14})
Nun möchte ich gern zu dem Punkt kommen, in dem ich Herrn Barzel recht geben möchte. Es war sein letzter Punkt.
({15})
Ich habe ihn zum zweitenmal so reden hören. Ich habe nicht nur Herrn Barzel so sprechen hören, sondern andere in meiner eigenen Partei wohl auch, und ich bin seit einer Reihe von Wochen und Monaten dabei, darüber sehr ernsthaft nachzudenken. Herr Barzel sagt, wenn ich ihn richtig verstehe: es genügt nicht, das Richtige zu tun; selbst
wenn Ihr alles, was Ihr tut, richtig machtet, würde
es - Ihr macht natürlich nicht alles richtig, sagt er
- nicht genügen, denn außerdem muß noch das Warum und das Wozu deutlich werden oder die geistigen Grundlagen oder die Perspektiven - wie immer Herr Barzel das genannt hat. Ich würde von mir aus auch die moralischen Grundlagen hinzufügen wollen.
Ich glaube, Herr Barzel, daß Sie in einem erheblichen Maße recht haben. Ich glaube, daß bei einem großen Teil in unserer Gesellschaft doch ein gewisses Bedürfnis da ist, nicht nur zu wissen, sondern auch mit einer gewissen Wiederkehr zu hören und zu lesen von den sittlichen Grundlagen, auf denen Politik gemacht wird, und von dem geistigen Himmel, der sich über sie spannt, und von den hinten in der Perspektive vielleicht nur klein erscheinenden Zielen, auf die sie hingeführt wird. Da mögen Sie recht haben.
Es bleibt dies trotzdem eine mißliche Sache, zumal für die Generation, der wir beide angehören, die wir ja in den ersten paar Jahren unseres Erwachsenenlebens in einer so schrecklichen Weise mit dergleichen falschmünzerischen Provenienz gefüttert worden sind, so daß sich jedenfalls in mir eine große Abneigung dagegen gebildet hat.
Ich bin darüber hinaus auch sehr im Zweifel, ob eine Bundesregierung - erkennend, daß an dem, was Herr Barzel sagt, auch etwas Richtiges ist - sich zu einer Art Vorphilosophierer machen darf. Das war jetzt nicht abschätzig gemeint, aber wir haben ja auch auf diesem Felde Erinnerungen. Herr Professor Erhard hat seine spezifischen Erinnerungen auf diesem Felde.
({16})
- Sicherlich, Herr Kiesinger auch, Herr Adenauer auch.
({17})
- Verehrte Freunde, Sie müsssen es doch auch einmal ein bißchen spüren, wenn jemand ernsthaft versucht, Ihren Gesprächsfaden aufzunehmen. Das ist doch nicht der Ort, um nun Polemik dazwischenzustreuen!
({18})
Die Polemik an ihren Platz; dies ist ein ernsthafter Gedankenaustausch, den sollte man nicht stören. Aber von mir aus können wir es auch heute damit beenden. Ich wollte meinem innenpolitischen Gegner Barzel in diesem Punkte jedenfalls zeigen, daß ich gewillt bin, seine Anregung des Nachdenkens wert zu finden, und daß ich darüber nachdenke.
Im übrigen, meine Damen und Herren, werden Sie es mir nicht verargen, daß ich der Opposition ansonsten sage: was ihre Stellungnahme zu Amerika angeht, da haben Sie gesagt: na ja, wir können es leider nicht bekritteln, aber wir hätten es gern
noch viel schöner; und was Europa angeht, haben Sie gesagt: na ja, es ist zwar kein Fehlschlag, aber wir hätten es gerne noch viel schöner.
({19})
- Ja, noch größer! Bei der DDR haben Sie gesagt: Vorleistungen. Im Grunde ist das alles, Herr Carstens, bloße Formalopposition. Sie müssen alles kritisieren, weil Sie das für Ihre Pflicht halten. Nur: Es fehlt Ihnen die Substanz dazu.
({20})
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, zur Geschäftslage: Es liegt noch eine Wortmeldung vor; die anderen Wortmeldungen sind zurückgezogen. Nach der Abwicklung dieser Rede wird ohne Unterbrechung in die Fragestunde eingetreten. Das dürfte gegen 13.50 Uhr sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Carstens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Intervention des Bundeskanzlers gibt mir Veranlassung, noch einmal auf die Themen einzugehen, die wir heute behandelt haben und die auch der Bundeskanzler in seiner Rede berührt hat.
Ich möchte mit dem beginnen, was der Bundeskanzler zur Frage der Unterrichtung der Opposition gesagt hat. Herr Bundeskanzler, mein Kollege Stücklen und ich stehen Ihnen zur Verfügung, wenn Sie den Wunsch haben, uns vertraulich zu informieren. Die Initiative dazu muß von Ihnen ausgehen, denn wir können nicht wissen, wann es in Ihrem Bereich vertrauliche Informationen gibt, die Sie uns mitteilen wollen.
({0})
Aber diese Art der Information an den Kollegen Stücklen und mich ersetzt nicht die verfassungsmäßige Verpflichtung, welche die Bundesregierung gegenüber den Ausschüssen des Parlaments und gegenüber diesem Hohen Hause hat, über ihre Politik Rede und Antwort zu stehen.
({1})
Herr Bundeskanzler, ich komme zu den einzelnen Punkten Ihrer Ausführungen. Zunächst beziehe ich mich auf die Kritik an der Europäischen Kommission. Ich beanstande nicht - auch Kollege Barzel hat dies nicht beanstandet -, daß Sie Kritik an der Kommission geübt haben, sondern ich habe beanstandet und ich beanstande weiter die summarische herabsetzende Art, in der das geschah, so daß der Eindruck entstehen mußte, als sei diese Kommission ein riesiger Wasserkopf mit Tausenden von im Grunde unnötigen Beamten. Das hat die Kommission in den Augen der deutschen Öffentlichkeit und der europäischen Öffentlichkeit abgewertet. Das hat sie nicht verdient, und es liegt auch nicht im deutschen und europäischen Interesse, daß man das tut.
({2})
Wenn Sie konkrete Vorschläge von mir hören wollen: Es wäre unter anderem Ihre Aufgabe gewesen, zu verhindern, daß der Präsident der Europäischen Kommission bei der vorletzten Gipfelkonferenz, die ja wohl auch in Paris stattgefunden hat, als stummer Zuschauer figuriert hat. Das hätten Sie verhindern können. Sie haben es aber nicht für nötig gehalten, das zu tun.
Meine Damen und Herren, nun zum Swing. Auch hier muß ich eindeutig wieder zurechtrücken, was der Bundeskanzler eben dazu gesagt hat. Übrigens, Herr Bundeskanzler, meine Bemerkungen heute morgen zum Swing waren nicht vorläufiger Natur. Vorläufiger Natur war nur das, was ich zu dem Kommuniqué über die europäische Gipfelkonferenz gesagt habe, weil ich das tatsächlich erst unmittelbar vorher zur Kenntnis genommen hatte.
Meine Kritik und die Kritik der Fraktion der CDU/CSU bezieht sich darauf, daß Sie, Herr Bundeskanzler, entgegen der von der Bundesregierung selbst, von der Opposition und vom Berliner Senat eingenommenen Haltung, über die Verlängerung des Swings nicht zu verhandeln - ich unterstreiche das Wort „verhandeln" -, bevor die rechtswidrige Erhöhung des Zwangsumtauschs zurückgenommen wurde, verhandelt haben. Das ist eine schlechte Politik. Wenn Sie davon sprechen, daß es verschiedene Kräfte innerhalb der DDR gibt, von denen einige mehr und andere weniger an der Verstärkung der Kontakte interessiert sind, möchte ich Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler: Durch diese Politik spielen Sie genau denen in die Hände, die weniger an den Kontakten der Bevölkerung der DDR mit uns interessiert sind.
({3})
Sie spielen dem harten Kern der DDR-Führung in die Hände, indem Sie den Eindruck erwecken, daß man gegenüber der Bundesregierung nur lange genug hart bleiben muß, und dann lenkt die Bundesregierung ein. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen, und daran halten wir unverändert fest.
({4})
Wenn Sie sagen, der Bundeswirtschaftsminister habe Herrn Kleindienst angewiesen und das sei zuvor im Kreise aller Beteiligten erörtert worden, muß ich allerdings die Frage stellen, Herr Bundeskanzler: Wo war der Berliner Senat in dem Augenblick, als das erörtert wurde, und wie ist es möglich - das muß man ganz unabhängig von der Frage sagen, daß Herr Schütz Ihr Parteifreund ist -, daß die Bundesregierung in einer so zentralen Frage den Regierenden Bürgermeister von Berlin völlig im unklaren läßt, so daß er am 6. Dezember die Rede hält, die ich hier vorgelesen habe, nicht ahnend, daß am selben Tage der Vertrag mit der DDR über die Erhöhung des Swings paraphiert wird?
({5}) Das ist schlechte Politik.
({6})
- Ach, Herr Wehner, Ihre Bemerkungen zeichnen sich auch nicht dadurch aus, daß sie neuartig und geistvoll wären; das muß ich Ihnen leider sagen.
({7})
Dr. Carstens ({8})
Nun zu der Rolle der Opposition. Es ist sehr interessant, aus dem Munde der Regierung und des Vorsitzenden der SPD-Fraktion zu hören, wie die Opposition sich verhalten sollte. Ich habe mich zu Beginn meiner Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender darüber gelegentlich erregt, weil ich es unerhört fand, daß man uns vorschreiben wollte, wie wir uns verhalten sollen. Ich finde es, Herr Bundeskanzler und Herr Kollege Wehner, in zunehmendem Maße amüsant, wenn Sie der Opposition Vorschriften machen wollen, wie sie Opposition betreiben soll. Ich stehe unter dem Eindruck - diesem Eindruck werden auch Sie, Herr Kollege Wehner, sich kaum entziehen können -, daß die Opposition, die die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hohen Hause betreibt, eine ganz erfolgreiche Opposition ist.
({9})
- Ach, Herr Kollege Wehner, bleiben Sie doch mit Ihren Bemerkungen zu Hause;
({10})
Sie könne dem deutschen Wähler doch nicht attestieren wollen, daß er nicht in der Lage wäre, zu unterscheiden, welches eine richtige und welches eine falsche Position ist, Herr Kollege Wehner.
({11})
Das rührt an das Demokratieverständnis, Herr Kollege Wehner,
({12})
von dem Herr Kollege Kühn, Ihr Parteifreund und Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, vor kurzem ein geradezu ungeheuerliches Zeugnis abgelegt hat,
({13})
indem er gesagt hat, wenn die CDU die Wahlen in Nordrhein-Westaflen gewönne, würde dieses Land unregierbar werden. Die Sorge sollten Sie und Herr Kühn uns überlassen, wie wir das Land Nordrhein-Westfalen und im Jahre 1976 die Bundesrepublik Deutschland regieren werden, Herr Kollege Wehner; darüber haben wir nämlich ganz konkrete Vorstellungen.
({14})
Herr Bundeskanzler, was Sie mit Bezug auf die Kritik gesagt haben, die der Kollege Barzel an Ihnen und an der Bundesregierung geübt hat, trifft nicht den Kern der Sache. Sie sagen: Was hätten wir denn konkret beschließen sollen? Aber die Kritik des Kollegen Barzel, unsere Kritik geht dahin, daß die Bundesregierung aus SPD und FDP - das trifft zum Teil Ihren Vorgänger, aber Sie sagen ja immer, Sie wollten die Politik Ihres Vorgängers fortsetzen; Sie können sich ja auch unmöglich von Ihrem Vorgänger vollständig distanzieren - in der Europapolitik jahrelang schwere Versäumnisse zu verantworten hat. Wenn ich hier nur ein einziges Beispiel nennen darf, so ist es das Beispiel des Kopenhagener Gipfels, wo eine scheinbare Einigung, eine scheinbare und sogar zur Schau getragene Euphorie gezeigt wurde; und eine Woche später in Brüssel zerbrach alles wieder. Sie können es daher niemandem verdenken, weder der Opposition noch der Öffentlichkeit noch der Presse in diesem Lande, wenn man gegenüber den Erklärungen, die die Bundesregierung im Anschluß an Gipfelkonferenzen vor diesem Hause und in der Öffentlichkeit abgibt, etwas skeptisch wird, Herr Bundeskanzler.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({15}) ?
({16})
Ich sehe ihr gern entgegen.
Ich werde natürlich in Zukunft immer hierher gehen, damit ich Zwischenrufe und Zusatzfragen von mir geben kann, Herr Kollege Carstens.
Wären Sie vielleicht so liebenswürdig, dem Hause zu sagen, inwiefern der von Ihnen in Erinnerung gerufene Vorgang - Sie sagten, eine Woche nach Kopenhagen sei in Brüssel bereits alles wieder zerbrochen -, inwiefern also dieses Alles-Zerbrechen auf die Verursachung oder gar auf die Schuld der damaligen deutschen Bundesregierung zurückzuführen sei?
({0})
Das ging insofern auf die Verursachung, die Schuld der deutschen Bundesregierung zurück, als der damalige Bundeskanzler, Ihr Vorgänger, nicht erkannte oder nicht erkennen wollte - oder nicht erkennen konnte, das lasse ich dahingestellt, weil er sich mit der Materie nicht genügend beschäftigt hatte -, daß in den Formelkompromissen, die in Kopenhagen unterschrieben worden waren, schwere Konflikte steckten, z. B. ein Konflikt zwischen der deutschen und der britischen Position. Wenn man sich ernsthaft uni Europa hätte bemühen wollen, wäre es damals wohl an der Zeit gewesen, in Kopenhagen diesen Konflikt zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem britischen Premierminister aus der Welt zu schaffen, anstatt es eine Woche später den beiderseitigen Abgesandten - auf unserer Seite war das der unvergeßliche Herr Apel, der im Augenblick nicht hier ist - zu überlassen, diesen Konflikt in voller Schärfe vor der deutschen und der europäischen Öffentlichkeit auszutragen.
({0})
Herr Bundeskanzler, Sie haben mit einer ernsten Note geendet. Auch ich will mit einer ernsten Note enden.
({1})
- Nein, das gebe ich damit in gar keiner Weise zu. Es gibt in der Tat Fragen, die über den Bereich der Tagespolitik hinausgehen.
({2})
Dr. Carstens ({3})
Das ist das, was Sie die geistigen Grundlagen genannt haben, von denen Sie in anderem Zusammenhang - übrigens auch heute wieder - als Philosophie sprechen. Ich werde den Verdacht nicht los, daß, wenn Sie von Philosophie sprechen, dies immer einen leicht negativen Beigeschmack hat, als sei das etwas, was man lieber anderen Leuten überlassen und wofür man sich nicht selbst interessieren sollte. Aber sei dem, wie ihm wolle.
Es ist von großer Bedeutung, daß es uns gelingt, in der Bevölkerung und vor allen Dingen in der jungen Generation unseres Landes wieder die Überzeugung zu wecken - oder, soweit sie vorhanden ist, die Überzeugung zu stärken -, daß unsere Politik auf sittlichen Grundlagen beruht. Es hat zwar in der Vergangenheit Zeiten gegeben, wo mit sittlichen Kategorien und sittlichen Forderungen Schindluder getrieben worden ist. Sie haben natürlich recht, wenn Sie das erwähnen. Wir sollten aber doch sagen, daß das Zeiten sind, die länger als eine Generation zurückliegen. Es wächst eine neue Generation heran, die von uns allen erwartet, daß wir ihr auch auf diese Fragen eine Antwort erteilen.
Sehen Sie, Herr Bundeskanzler, es gibt einen Berührungspunkt zwischen den sittlichen Kategorien
- meinetwegen den philosophischen Kategorien, wenn Sie sie so nennen wollen - und der praktischen Politik. Dieser Berührungspunkt heißt: Menschenrechte. Bei den Menschenrechten handelt es sich sowohl um eine ethisch begründete Forderung als auch um eine politisch zu vertretende Forderung. Herr Bundeskanzler, nachdem Sie diese Frage hier aufgeworfen haben, möchte ich sehr eindringlich an Sie als den Chef dieser Regierung appellieren, die Menschenrechte im geteilten Deutschland auch durch öffentliche Äußerungen stärker zu verteidigen, als Sie das bisher getan haben.
({4})
- Herr Kollege Wehner, Sie wechseln Ihre Argumente schneller als Ihr Hemd, muß ich sagen.
({5})
Jetzt werfen Sie mir eine unerhörte Unterstellung vor. Bei anderer Gelegenheit, wenn ich von den Menschenrechten und von der Notwendigkeit der Wahrung der Menschenrechte spreche,
({6})
halten Sie mir vor, wie ich denn die Mauer beseitigen wolle.
({7})
- Ja, sehen Sie, da kommt dieses Argument. Das kommt immer wahlweise aus Ihren Reihen, je nachdem, wie es Ihnen gerade in den Kram hineinpaßt.
Ich stehe auf dem Standpunkt, die CDU/CSU-Fraktion - die beiden in der Fraktion zusammengefaßten Parteien - stehen auf dem Standpunkt, daß es die Pflicht der Politiker in der Bundesrepublik
Deutschland und in erster Linie die Pflicht der Bundesregierung ist, immer und immer wieder zu fordern, daß die Menschenrechte auch in der DDR respektiert werden.
({8})
- Ja, Herr Kollege Wehner, ich erzähle Ihnen das,
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weil es noch gar nicht lange her ist, daß Sie einen flammenden Protest gegen die Verletzung der Menschenrechte in Chile - als gemeinsame Resolution, die vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden sollte - hier vorgelegt haben. Aber in dieser Resolution war nicht ein Wort davon zu finden, daß und in welchem Umfang die Menschenrechte in der DDR verletzt werden.
({10})
Ich meine, wenn wir auf das eingehen wollen, was der Bundeskanzler gesagt hat - ({11})
Wenn wir auf das eingehen wollen, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, dann sollten wir alle miteinander uns überlegen, wie wir der Forderung nach Verwirklichung von mehr Menschenrechten im anderen Teil des geteilten Deutschlands Nachdruck I verleihen können.
({12})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde nur zwei, drei Sätze sagen. Im Zusammenhang mit der Erwähnung moralischer Grundlagen der Politik hat der Führer der Opposition in der Art seiner Ausdrucksweise impliziert, die Bundesregierung oder der Bundeskanzler ließe es an sittlichem Ernst bei der Wahrung der Menschenrechte fehlen. Ich weise diese Unterstellung in aller Form zurück.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Aussprache über die Regierungserklärung angekommen. Ich schließe Punkt 2 der Tagesordnung und rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 7/2927 Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir auch in dieser Woche - abweichend von den Richtlinien über die Fragestunde - zwei Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Nach § 127 der Geschäftsordnung muß diese AbVizepräsident von Hassel
weichung vom Bundestag beschlossen werden. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsrechnung ({1}), wonach im Einzelplan 30 die Zuwendungen des Bundesministers für Forschung und Technologie nur unzureichend überwacht würden, da die Verwendungsnachweise häufig nicht rechtzeitig vorlägen, und welche Maßnahmen hat sie ergriffen, in Zukunft eine fristgerechte Bearbeitung und damit eine hinreichende Kontrolle der Forschungsförderungsgelder zu gewährleisten?
Zur Beantwortung hat das Wort Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Hauff.
Herr Kollege Lenzer! Der Bundesminister für Forschung und Technologie bedauert den in Ihrer Frage angesprochenen Zustand um so mehr, als es nur in beschränktem Umfange in seiner Macht liegt, die notwendigen Personalverstärkungen zur Verfügung zu stellen, um diesem unbefriedigenden Zustand abzuhelfen und damit die Förderung der Forschung und Entwicklung in dem erwünschten optimalen Maß zu gestalten. Einem überproportionalen Mittelzuwachs von 169 % in den Jahren 1969 bis 1974 - was einer Erhöhung der Förderungssumme von 1,3 Milliarden gegenüber 3,5 Milliarden DM entsprach - und einer im gleichen Zeitraum um rund zwei Drittel gestiegenen Vermehrung der Vorhaben steht ein damit nicht Schritt haltender Personalzuwachs von nur 20 % gegenüber. Die Verstärkung der Sachbearbeiterstellen betrug dabei nur 17,2 %. Um die geschilderte Kapazitätslücke zu schließen, wurden bisher folgende Schritte unternommen:
1. Durch eine Umorganisation im Oktober 1973 haben wir die Mittelbewirtschaftung und die Überprüfung der Verwendungsnachweise dezentralisiert. Dies hat sich positiv ausgewirkt.
2. In zunehmendem Maße hat der Bundesminister für Forschung und Technologie die Projektträger eingeschaltet, die neben einer fachlich verbesserten Projektdurchführung auch eine administrative Entlastung bedeuten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Bericht des BMFT „Projektträgerschaft und Projektbegleitung als Instrumente der Forschungsförderung", wie er dem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 1974 übersandt wurde.
3. Ab Mitte des Jahres 1974 hat der Bundesminister für Forschung und Technologie 16 Aushilfskräfte, davon sieben halbtags, nur zur Bewältigung der Prüfungsrückstände beschäftigt.
4. Mit Anordnung vom 31. 1. 1974 hatte bereits Bundesminister Ehmke verfügt, daß die Erledigung der Rückstände gegebenenfalls mit Vorrang, zumindest aber gleichrangig neben der Erteilung neuer Bewilligungen zu behandeln ist. Diese Anordnung ist am 19. 9. 1974 in der Form konkretisiert worden, daß zur zeitweise bevorzugten Erledigung von Prüfungsrückständen zwei Wochen lang eine Prüfungskampagne durchgeführt wurde. Das Ergebnis dieser
Kampagne ist ermutigend, auch wenn dadurch wegen des ständig neu hinzutretenden Prüfungsstoffes nicht alle Rückstände termingerecht abgebaut werden konnten. Darüber hinaus ist geplant: Neben einer verstärkten, parallellaufenden Abarbeitung von Rückständen im Laufe der kommenden Monate wird die Mittelbewirtschaftung verstärkt auf die elektronische Datenverarbeitung umgestellt und in das vorhandene System davor integriert, womit eine weitere Rationalisierung und insbesondere auch eine Vereinfachung und Beschleunigung der rechnerischen Prüfung verbunden sein wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer!
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, wieweit Sie diesen Prüfungsrückstand aufgeholt haben, das heißt also, bis zu welchem Datum Sie in etwa die Verwendungsnachweise überprüfen konnten?
Wir haben zur Zeit einen Prüfungsrückstand, der bei einer sehr pessimistischen Betrachtung bei ungefähr einer Jahresleistung der administrativen Kapazität des BMFT liegt.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß Sie in vermehrtem Maße Projektträger eingeschaltet haben bei der Abwicklung Ihrer Projekte. Wäre es auch möglich, sich noch stärker als bisher oder überhaupt auch privatwirtschaftlicher Institutionen zu bedienen, beispielsweise Ingenieurbüros oder ähnlicher Institutionen?
Herr Kollege Lenzer, bei der Prüfung der Verwendungsnachweise handelt es sich um einen Vorgang, der mit Haftungsproblemen verbunden ist im Rahmen der Haushaltsordnung des Bundes. Dies setzt rechtliche Grenzen hinsichtlich des Einsatzes privater Organisationen in diesem Bereich.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf, zunächst die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Gölter:
Ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft nicht mehr davon auszugehen, daß das Lehrangebot in den letzten 15 Jahren etwa um die Hälfte zurückgegangen sei?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Glotz das Wort.
Herr Präsident!
Herr Kollege Gölter! Die Bundesregierung hat immer wieder darauf hingewiesen, daß es vollständige Statistiken über die tatsächliche Entwicklung des Angebots an betrieblichen Ausbildungsplätzen nicht gibt. Dennoch sah und sieht sie sich auf Grund der vorliegenden Daten und Anhaltspunkte veranlaßt, von einer seit Jahren anhaltenden Verknappung des Ausbildungsplatzangebots auszugehen und diese bedrohliche Entwicklung keineswegs zu verschweigen. Ich nenne drei Breispiele:
1. Nach den Angaben der Arbeitsverwaltung, die nur einen und, wie ich einräume, sinkenden Teil des Gesamtmarktes an Ausbildungsstellen repräsentieren, sank das erfaßte Angebot von rund 600 000 Plätzen 1959/60 auf rund 350 000 Plätze 1973/74, das heißt um 41 °/o.
2. Die Zahl der den Arbeitsämtern gemeldeten, aber unbesetzt gebliebenen Ausbildungsstellen sank von 250 000 in 1959/60 auf etwa 100 000 in 1972/73 und voraussichtlich rund 40 000 in 1973/74.
3. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelstages ging die Zahl der Ausbildungsbetriebe in Industrie und Handel zwischen 1957 und 1971 um 52 000, also rund 25 %, zurück.
Ich darf 4. noch das Handwerk erwähnen. In dem Bereich des Handwerks, das gegenwärtig etwa 35 % aller Ausbildungsplätze bereitstellt, sank die Zahl der Ausbildungsbetriebe von 230 000 in 1961 auf etwa 165 000 in 1972, das heißt um 28 %. Allerdings ist die Zahl der im Handwerk Ausgebildeten seit 1971 erfreulicherweise wieder angestiegen.
Die Zahl der tatsächlich besetzten Ausbildungsstellen hat sich seit 1960 insgesamt nur geringfügig geändert und ist in den letzten Jahren leicht angestiegen. Die Bundesregierung unternimmt im Rahmen ihrer bildungspolitischen Möglichkeiten alle Anstrengungen, um sicherzustellen, daß den Jugendlichen eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung steht. Sie unterstreicht die Bedeutung der Reform der Berufsbildung, die auch in der Regierungserklärung herausgestellt wurde. Dabei muß ein besseres Instrumentarium geschaffen werden, das vorausschauende und auch koordinierte Planung ermöglicht. Eine finanzielle Absicherung des Ausbildungsplatzangebots ist dringend erforderlich. Zu den einzelnen bisher eingeleiteten und beabsichtigten Maßnahmen möchte ich auf die schriftliche Beantwortung der Frage des Kollegen Wüster aus der letzten Fragestunde hinweisen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß die insbesondere gegenüber der Arbeitsverwaltung gemachten Angaben über die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze angesichts der geringen Zahl der Bewerber übersetzt waren?
Herr Kollege, diese Frage zielt darauf, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß in der Vergangenheit die Betriebe den Arbeitsämtern angesichts der geringen
Zahl von Ausbildungsstellenbewerbern eine überhöhte Zahl von Ausbildungsplätzen, sozusagen unter dem Motto „Wer viel fordert, erhält zumindest einen", gemeldet hätten. Eine genaue Überprüfung dieser Vermutung ist naturgemäß nicht möglich. Zwar sind von den Arbeitsämtern im Wege der Karteienbereinigung jeweils vor dem statistischen Stichtag im November die Angaben, ob nun die gemeldeten Stellen tatsächlich noch offen sind, zu überprüfen. Diese Meldungen beruhen aber ebenso wie die vorangehenden auf Angaben der Betriebe.
Außerdem ist die Bundesregierung der Auffassung daß der einzelne Ausbildungsplatzsuchende durchaus eine Möglichkeit haben sollte, zwischen einer angemessenen Zahl von Berufen, folglich auch von Ausbildungsstellen zu wählen. Das könnte dazu führen, daß die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze größer als deren Inanspruchnahme ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da Sie selbst einräumen, daß angesichts der Knappheit der Bewerber die Zahl der gegenüber der Arbeitsverwaltung gemeldeten Ausbildungsplätze übersetzt war bzw. übersetzt gewesen sein könnte, frage ich Sie: ist die Bundesregierung dann angesichts dieses Ausgangspunktes bereit - wie in Frage i gefragt -, die Behauptung nicht mehr aufzustellen, das Ausbildungsplatzangebot sei insgesamt tatsächlich um 50 % zurückgegangen?
Herr Kollege Gölter, das Ausbildungsplatzangebot insgesamt ist selbstverständlich nicht zurückgegangen - ich habe dies ausdrücklich so gesagt -, sondern die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, bezogen sich auf die, die den Arbeitsämtern, der Arbeitsverwaltung, jeweils genannt worden waren. Der Anteil der gemeldeten sinkt inzwischen übrigens; das waren früher 70 %, jetzt sind es nur noch 50 %, die überhaupt der Arbeitsverwaltung gemeldet werden. Deswegen bin ich selbstverständlich bereit, zu sagen, daß solche Äußerungen, die mir von seiten der Bundesregierung allerdings noch nicht bekannt sind, die sich also nur auf die Angaben der Arbeitsverwaltung stützen würden, nicht richtig wären. Ganz abgesehen davon muß man festhalten, daß das tatsächliche Angebot an Ausbildungsplätzen aus strukturellen Gründen zurückgegangen ist. Es ist selbstverständlich eine Pflicht der Bundesregierung, darauf hinzuweisen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rappe.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, welche Tendenzen können Sie zum Rückgang der Lehrstellen im Zusammenhang mit der ganzen Diskussion über die Reform der Berufsbildung aufzeigen? Gibt es hier ZusammenRappe ({0})
hänge, und können Sie bestätigten, daß die heutigen Fragen des Kollegen Gölter z. B. eine Kursschwenkung der Opposition in der ganzen Debatte andeuten?
({1})
Herr Kollege Rappe - -({0})
Vizepräsident von Hassel: Herr Kollege Rappe, ich bin mir nicht klar, ob diese Zusatzfrage in die Grundfrage 3 hineingehört. Ich kann das nicht ganz übersehen, aber ich habe zumindest meine Zweifel.
Herr Kollege Rappe, der Rückgang bei den Lehrstellen ist strukturell bedingt. Es ist sicher falsch, so zu tun - eine solche Behauptung wird manchmal in der Öffentlichkeit aufgestellt -, als ob dieser Rückgang sozusagen durch die bösen Pläne der Bundesregierung zur Reform der Berufsbildung bedingt sei. Wer das behauptet, behauptet mit Sicherheit etwas Falsches.
({0})
- Behauptet mit Sicherheit etwas Falsches, Herr Kollege. Denn es läßt sich nachweisen, daß der Rückgang schon längst festzustellen war, und zwar in einem sehr viel höheren Ausmaß in den Prozentsätzen, zu einer Zeit, als die Bundesregierung noch gar keine Pläne zur Berufsbildung auf den Tisch des Hauses gelegt hatte.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Rappe! In der Tat hat es in der Opposition am Anfang dieses Jahres den einen oder anderen gegeben, der so, wie das gerade wieder ein Zwischenrufer getan hat, die Bundesregierung für den Rückgang bei den Lehrstellen verantwortlich machen wollte. Demgegenüber weist der Kollege Gölter jetzt darauf hin, daß dieser Rückgang gar nicht so dramatisch gesehen und mit falschen Zahlen überzeichnet werden darf. Die Hinweise des Kollegen Gölter sind aber völlig richtig, völlig berechtigt. Insofern ist das, was der Herr Kollege Gölter hier fragt, nicht identisch mit dem, was Vertreter der Union am Anfang dieses Jahres gesagt haben. Aber ich glaube, man muß dazu sagen: man kann vom Kollegen Gölter auch nicht verlangen, daß er all das vertritt, was - möglicherweise auch an Unrichtigem - von anderen Vertretern der Union zur Berufsbildungspolitik schon gesagt worden ist.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Darf ich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darauf aufmerksam machen: es ist nicht angängig, daß es eine Dreiecksfrage hier gibt, d. h., daß ein Abgeordneter die Regierung nach der Auffassung der Opposition fragt.
Der zweite Teil Ihrer Antwort ist also im Grunde nicht zulässig.
Weitere Zusatzfragen? - Nicht. Ich danke für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Staatssekretär Dr. Glotz.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, und zwar als erste Frage die Frage 4 des Abgeordneten Höcherl. Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 5 des Abgeordneten Höcherl.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Benz auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung der Jewish Claims Conference Zusagen hinsichtlich einer weiteren Wiedergutmachungsleistung von 600 Millionen DM gemacht hat?
Zur Beantwortung bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser.
Herr Kollege Benz, die Bundesregierung hat schon vor längerer Zeit Überlegungen aufgenommen, wie das Werk der Wiedergutmachung für rassisch und politisch Verfolgte endgültig abzuschließen sei. In Gesprächen, in die auch die Vorsitzenden der drei im Bundestag vertretenen Fraktionen einbezogen waren, ist eine Abschlußregelung ins Auge gefaßt worden. Da die Gespräche noch nicht abgeschlossen sind, werden Sie verstehen, daß ich Einzelheiten heute noch nicht mitteilen kann.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Benz.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie mir und dem Hause dann, daß am 14. November Herr Staatssekretär Schüler dem Zentralrat der Juden in Deutschland erklärt hat, die Verhandlungen seien abgeschlossen?
Ich kann es mir nicht erklären, Herr Kollege Benz, denn auch die Verhandlungen mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland sind noch nicht abgeschlossen, der ja, wie Sie in Ihrer zweiten Frage von mir zu ermitteln versuchen, eingeschaltet gewesen ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Benz.
Wie erklären Sie zum ersten Komplex - um das vorläufig zu trennen, Herr Staatssekretär -, daß, obwohl, wie Sie sagen, die Verhandlungen nicht abgeschlossen seien, in einem Brief des Herrn Bundeskanzlers an den Vorsitzenden des Zentralrates der Zustand abgeschlossener Verhandlungen bestätigt wird, und wie erklären Sie, daß Herr Goldmann am 4. Dezember in New York die Verwendung dieser Gelder bekanntgab und daß am 18. Dezember, also in wenigen Tagen, in Frankfurt eine Expertenkommission darüber befinden wird?
Alles, was der Herr Bundeskanzler und auch der Herr Staatssekretär Schüler aus dem Bundeskanzleramt in dieser Sache mitgeteilt haben, ist, daß ein erster Abschluß der Gespräche in Gang gekommen ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, ist Ihre Auskunft so zu verstehen, daß die Meldungen in der Zeitschrift „Quick" zutreffend sind?
Meine Auskünfte waren keinesfalls so zu verstehen, Herr Kollege Jenninger. Sie sind so zu verstehen, wie ich sie gemacht habe: daß die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, daß vielmehr ein erstes Verhandlungsergebnis erzielt wurde.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Benz auf:
Ist die Vereinbarung der Bundesregierung mit der Jewish Claims Conference gegebenenfalls mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland abgesprochen worden?
Bitte, zur Beantwortung Herr Staatssekretär Haehser.
Herr Kollege Benz, wie sich aus der Antwort auf Ihre erste Frage ergibt, ist die Möglichkeit einer Abschlußregelung ins Auge gefaßt worden und Gegenstand von Gesprächen. Eine Vereinbarung fester Art hierüber gibt es noch nicht. Die Bundesregierung hatte in ihre Überlegungen auch den Zentralrat der Juden in Deutschland einbezogen. Dieser hat vor Abschluß der klärenden Gespräche eine negative Position eingenommen. Die Bundesregierung wird weiterhin mit dem Zentralrat in Verbindung bleiben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Benz.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welches Mitglied oder welcher Beauftragte der Regierung mit welcher Person des Zentralrats in dieser Sache bisher Kontakt gesucht und gefunden hat?
Herr Kollege Benz, auf diese Frage, die nicht unmittelbar in den Zusammenhang mit der Ursprungsfrage gehört, werde ich Sie durch einen Brief informieren, den Sie sicherlich entgegennehmen. Ich kann die Frage jetzt nicht beantworten.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Benz.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es nicht für nützlich und der Sache dienlich, wenn bereits bei den vorbereitenden Gesprächen über eine Wiedergutmachung in irgendwelcher Form der Zentralrat der Juden sehr frühzeitig unterrichtet und zur Beratung hinzugezogen worden wäre, zumal wir ja, wie ich glaube, alle darin übereinstimmen, daß wir diese jungen jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik stützen müßten?
Wir stimmen, was Ihre letzte Bemerkung angeht, sicherlich überein. Mein Wissensstand ist so, Herr Kollege Benz, daß der Zentralrat recht frühzeitig von der Absicht der Bundesregierung wußte, eine Abschlußregelung dieses Problems herbeizuführen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Thürk auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Susset auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu überprüfen, ob der geringen Anzahl von Bauherrn, deren Baugenehmigung in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 31. Dezember 1973 erteilt wurde, jedoch mit dem Bau erst im Frühjahr 1974 begonnen haben, nicht doch noch die Abschreibung nach § 7 b Einkommensteuergesetz gewährt werden kann?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Haehser.
Herr Kollege Susset, nach dem eindeutigen Wortlaut der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen sind die erhöhten Absetzungen nach dem § 7 b des Einkommensteuergesetzes für Bauvorhaben ausgeschlossen, für die der Bauantrag in der Zeit vom 9. Mai bis 31. Dezember 1973 gestellt worden ist. Die Frage, ob die erhöhten Absetzungen aus Billigkeitsgründen gewährt werden können, wenn der Bauantrag zwar im Ausschlußzeitraum gestellt, mit dem Bau aber bis zum 31. Dezember 1973 noch nicht begonnen wurde, ist bei den Beratungen über die Änderungsverordnung im Deutschen Bundestag eingehend erörtert worden. Derartige Billigkeitsmaßnahmen wurden abgelehnt, weil davon ausgegangen werden kann, daß Steuerpflichtige, die ihren Bauantrag im Ausschlußzeitraum gestellt haben, dies eben in Kenntnis des sich daraus ergebenden Verlustes der höheren Absetzungen getan haben. Dieser Auffassung - das wird Sie sicher interessieren -- haben sich die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder angeschlossen.
Auch der Hinweis auf die angeblich geringe Zahl dieser Fälle rechtfertigt keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, daß die Zahl der Bauherren, die auf Grund einer im Ausschlußzeitraum beantragten Baugenehmigung ihre Bauvorhaben tatsächlich erst nach dem 31. Dezember 1973 begonnen haben, nicht bekannt ist, würde eine nachträgliche
Begünstigung dieser Bauherren einer Benachteiligung derjenigen Bauherren gleichkommen, die im Hinblick auf die Dritte Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen die Einreichung ihrer Bauanträge zurückgestellt und sich damit unter Hinnahme von finanziellen Nachteilen den Zielvorstellungen des Verordnungsgebers entsprechend verhalten haben.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Susset.
Wäre die Bundesregierung eventuell bereit oder in der Lage, einmal die Zahl der in meiner Frage angesprochenen Fälle festzustellen und zu prüfen, ob nicht zumindest in sozialen Härtefällen die Möglichkeit der Anwendung des § 7 b besteht?
Herr Kollege Susset, wenn ich Ihnen gegenüber erklärte, daß die Bundesregierung gegebenenfalls bereit wäre, Untersuchungen über die Zahl anzustellen, könnte daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, die Bundesregierung wolle eine Ausnahmeregelung für alle oder für Einzelfälle herbeiführen. Eine solche Schlußfolgerung wäre indessen falsch. Sie wissen, weswegen diese Verordnung damals erlassen worden ist, nämlich aus konjunkturpolitischen Gründen. Wenn ich daran denke, wie gerade die Opposition immer auf konjunkturpolitische Maßnahmen gedrängt hat, werde ich doch wohl davon ausgehen können, daß Sie den Kern des Anliegens, wenn auch nicht jedes Ergebnis, unterstützen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Susset.
Könnten Sie sich nicht vorstellen, daß sich vielleicht ein großer Teil derjenigen, die in jener Zeit einen Bauantrag gestellt, aber erst im Jahre 1974 mit dem Bau begonnen haben, gerade wegen der Konjunktur so verhalten und den Baubeginn bis 1974 zurückgestellt haben?
Meine Vorstellungskraft ist sehr groß, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Meine Damen und Herren, ich kehre noch einmal zu den Fragen 4 und 5 zurück. Wir machen es in Ausnahmefällen so, daß die Fragen eines Abgeordneten, der verspätet kommt, im Rahmen der Fragen des betreffenden Ressorts noch einmal aufgerufen werden können. Da wir heute mit der Zeit durcheinandergeraten sind, tue ich das hiermit.
Der Abgeordnete Höcherl hat die Frage 4 gestellt:
Wo liegt für die Bundesregierung aus heutiger Sicht die „äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung" der öffentlichen Hände im kommenden Jahr, von der der Bundesfinanzminister in seiner Pressekonferenz am 14. November 1974 gesprochen hat?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser!
Herr Kollege Höcherl, bei der heutigen Ausgabeplanung und unter den gegenwärtigen Annahmen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung liegt die „äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung" des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Jahre 1975 nach Ansicht der Bundesregierung bei der vorgesehenen Größenordnung, die sich um die 48 Milliarden DM bewegt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, was halten Sie davon, daß Ihr Finanzminister erklärt hat, daß noch drei sehr wesentliche unsichere Posten offenstehen - bei der EG, bei der Bahn und bei der Post -, die in diesen 48 Milliarden DM nicht enthalten sind, und wie wollen Sie die finanzieren?
Von allem, was mein Minister sagt, halte ich sehr viel, Herr Kollege Höcherl; das können Sie sich vorstellen.
Ich sehe bei allen Risiken, die jeder Bundeshaushaltsplanentwurf hat - das müßten Sie aus Ihrer Zeit noch wissen, das wissen Sie sicher auch -, daß sie in der Vergangenheit immer bewältigt worden sind.
Die Risiken bewegen sich im übrigen in einer Größenordnung, die mit den 48 Milliarden DM, die ich hier genannt habe, in keinen Vergleich zu bringen ist.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß Sie sich mit diesen 48 Milliarden DM im Rahmen des Art. 115 des Grundgesetzes halten, daß Ihre Investitionstätigkeit mit den Schuldenaufnahmen von seiten des Bundes übereinstimmt?
Die Bundesregierung, Herr Kollege Höcherl, ist verpflichtet, sich an das Grundgesetz zu halten, also auch an den Art. 115.
Ich will Ihnen zwar keinen Tip geben, aber doch darauf hinweisen, daß Art. 115 des Grundgesetzes nicht nur eine Beziehung zwischen Kreditaufnahme und Ausgaben für investive Zwecke, sondern auch einen Bezug zum Stabilitätsgesetz herstellt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, ist bei dieser Zahl von 48 Milliarden DM seitens der Bundesregierung bezüglich der Schuldverschreibung,
Schuldverpflichtung gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rückzahlung enthalten?
Nun, diese Schuldverschreibungen, wie Sie das nennen, Herr Kollege Maucher, stehen im nächsten Jahr nicht zur Realisierung -d. h.: zur Ablösung - an. Deswegen kann ich die Frage nicht in einen Zusammenhang mit der bisher gestellten bringen.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Höcherl auf:
Sind seitens der Deutschen Bundesbank gegen eine Neuverschuldung der öffentlichen Hände in dem sich nach der neuesten Schätzung der Steuereinnahmen des Bundes ergebenden Umfang für das Jahr 1975 oder für die Folgejahre keine Bedenken ({0}) erhoben worden?
Herr Kollege Höcherl, die Frage 5 beantworte ich Ihnen wie folgt.
Ebenso wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hält auch die Deutsche Bundesbank die sich abzeichnenden Finanzierungsdefizite der öffentlichen Haushalte im Jahre 1975 angesichts der gegenwärtigen konjunkturellen Situation für vertretbar.
Ich kann Ihnen naturgemäß, weil es sich um vertrauliche Verhandlungen handelt, nicht über Einzelheiten der gestrigen Zusammenkunft des Finanzplanungsrates berichten. Aber ich meine, doch so weit gehen zu können, daß ich Ihnen sage, daß die dortigen Ausführungen des Herrn Repräsentanten der Deutschen Bundesbank gerade diese meine Antwort erhärten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, ich habe ganz konkret gefragt, ob das Bundesfinanzministerium oder die Bundesregierung von der Bundesbank einen Brief mit Warnungen und Bedenken, und zwar Bedenken schwerster Art, bekommen hat.
Herr Kollege Höcherl, Sie können sich auf Grund Ihrer Erfahrungen vorstellen, daß wir sehr viele Briefe bekommen. Ich denke, ich habe Ihnen konkret geantwortet, wenn ich Ihnen sage, daß auch die Bundesbank die sich abzeichnenden Finanzierungsdefizite für vertretbar hält - nicht mit Jubel, das ist klar; wer schon mit Jubel?! Aus meiner Antwort geht also hervor, daß dies jedenfalls der jetzige Stand der Angelegenheit ist, den ich Ihnen vermittle.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Höcherl.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, nachdem Sie indirekt zugegeben haben, daß ein solcher Brief eingelaufen ist, den einmal dem Finanzausschuß zur Kenntnis zu bringen?
Nun, Herr Kollege Höcherl, ich weiß nicht, wie Sie zu der Vermutung kommen, daß ich indirekt zugegeben hätte, daß ein solcher Brief eingegangen ist. Ich habe vielmehr gesagt, im Ministerium gehen sehr viele Briefe ein.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lampersbach.
Herr Staatssekretär, würden Sie einem Brief der Bundesbank, des Bundesbankpräsidenten eine höhere Wertigkeit einräumen als Schreiben, die sicherlich in großer Zahl in das Ministerium kommen, insbesondere wenn es sich um prekäre Vorgänge handelt, die die Staatsfinanzen im weitesten Sinne - im Negativen - betreffen?
Nun, dazu muß ich Ihnen folgendes sagen. Mir ist von einem Brief des Herrn Präsidenten Klasen nichts bekannt. Aber wenn Sie auch nach der Bewertung von Briefen fragen, dann sage ich Ihnen, daß Briefe der Deutschen Bundesbank natürlich einen sehr hohen Wert haben, wie übrigens auch Briefe von Abgeordneten einen sehr hohen Wert haben.
Vizepräsident von Hassel: Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Schröder ({0}) sind auf Grund der Richtlinien für die Fragestunde - Nr. 2 Abs. 2 - nicht zulässig, da sie im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 38 stehen.
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich darf Ihnen für die Beantwortung danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Die Frage 13 des Abgeordneten Milz ist ebenfalls auf Grund der Richtlinien für die Fragestunde nicht zulässig.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Milz auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten von Bockelberg sowie die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Schedl werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Abelein ist auf Grund der Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls nicht zulässig, da sie unter Punkt 2 der Tagesordnung bereits behandelt wurde.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Vizepräsident von Hassel
Treffen Pressemeldungen zu, daß Mitarbeiter eines Unternehmens in Norddeutschland in Verdacht stehen, bei der Beseitigung von Altöl einerseits durch Umgehung von Vorschriften über die Altölbeseitigung betrügerisch manipuliert und andererseits gefährliche Stoffe in Küstengewässer versenkt sowie die Bundesanstalt für gewerbliche Wirtschaft mit einem Betrag in Millionen Höhe betrogen zu haben?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär Grüner.
Die bisherigen Überprüfungen des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft haben bestätigt, Herr Kollege, daß der Verdacht der Umgehung von Vorschriften über die Altölbeseitigung tatsächlich gegeben ist. Die Ermittlungen des tatsächlichen Umfanges der Manipulationen und die Aufklärung des gesamten Sachverhaltes werden aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Welche sonstigen Verdachtsfälle oder nachgewiesenen Fälle von gewinnsüchtigen Verstößen gegen das Altölbeseitigungsrecht sind der Bundesregierung bekannt, und wann werden sie daraus welche Folgerungen durch gesetzgeberische und administrative Maßnahmen ziehen?
Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Der Bundesregierung ist ein Fall aus den Jahren 1969 und 1970 bekannt, in dem ein Zuschußbetrag von 77 000 DM vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft widerrufen und vom Zuschußempfänger zurückgezahlt worden ist. Darüber hinaus schweben fünf Widerspruchs- bzw. Klageverfahren über Zuschußbeträge. Sie erstrecken sich insgesamt auf den Zeitraum von 1969 bis 1974. In jedem Falle läuft gleichzeitig ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, teils wegen Verstoßes gegen das Wasserhaushaltsgesetz, teils wegen Betruges.
Aus den gewonnenen Erfahrungen sind folgende Konsequenzen gezogen worden: erstens strengere technische Anforderungen bei den Altölbeseitigungsunternehmungen, z. B. bei Verbrennungsanlagen Belegung der Betriebsstunden durch Farbschreiber und Anordnungen zur Leitungsführung; zweitens Mitte 1973 Verstärkung des Kontrolldienstes des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft von zwei auf vier Mitarbeiter; drittens vermehrte unvermutete Kontrollen, auch zur Nachtzeit.
Darüber hinaus prüft die Bundesregierung, u. a. im Zusammenhang mit dem bis zum 31. März 1975 dem Bundestag zu erstattenden zweiten Altölbericht, ob durch eine Änderung des § 6 des Altölgesetzes die Möglichkeiten zur Überwachung verbessert werden könnten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gruhl.
Herr Staatssekretär, wann wird die Bundesregierung auf Grund der Erfahrungen eine Novellierung zum Altölgesetz vorlegen?
Wir haben ja die Verpflichtung - ich habe darauf hingewiesen -, bis zum 31. März 1975 einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht wird dann auch eine Äußerung der Bundesregierung enthalten, ob sie eine Änderung des Altölgesetzes nach den gemachten Erfahrungen für zweckmäßig hält.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gruhl.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung auch einbeziehen, daß von Fachkreisen der Altölbeseitigung und der Energiewirtschaft oft der Vorschlag gemacht wird, Altöl überhaupt nicht mehr zu verbrennen - zumal dafür noch Zuschüsse gegeben werden -, sondern das gesamte Altöl wenn nicht der Wiedergewinnung, so doch zumindest der Energiegewinnung zuzuführen?
Es ist der Sinn dieses Berichtes, alle in diesem Zusammenhang aufgetretenen Fragen zu beantworten. Dieser Frage wird eine große Bedeutung beigemessen.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet; ebenfalls die Frage 22 des Abgeordneten Dr. Jahn ({1}). Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Ey auf:
Hat die Bundesregierung sich bemüht, die jährlich stattfindende „Grüne Woche" in Berlin wieder zu einem internationalen Treffpunkt der Landwirtschaft aus Ost und West werden zu lassen und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann!
Herr Kollege Ey, die Einladungen zur internationalen „Grünen Woche" in Berlin erfolgen durch den Senat von Berlin in Abstimmung mit meinem Hause und unter Einschaltung des Auswärtigen Amtes, welches die Einladungen den Empfängern über die deutschen diplomatischen Vertreter zuleitet. Es werden eingeladen a) die Staaten zur Teilnahme durch den Senat und b) die Landwirtschaftsminister der teilnehmenden Staaten zum Besuch der Ausstellung durch den Regierenden Bürgermeister. Die osteuropäischen Staaten sind zum wiederholten Male - auch für 1975 wiederum - zur Teilnahme an der „Grünen Woche" eingeladen worden. Bisher liegt eine Zusage zur offiziellen Beteiligung nur von Rumänien vor. Die Volksrepublik Ungarn will sich,
ähnlich wie im Vorjahr, über Importeure beteiligen. Welche Repräsentanten aus den osteuropäischen Staaten die Ausstellung besuchen wollen, ist noch nicht bekannt. Der internationalen „Grünen Woche" war 1974 erstmalig ein Symposium angeschlossen, auf dem unter Teilnahme von Vertretern Osteuropas Fachthemen diskutiert wurden. Diese Veranstaltungen sollen fortgeführt werden. Es wird auch künftig jede sich bietende Möglichkeit genutzt werden, landwirtschaftliche Kreise aus Osteuropa zum Besuch der internationalen „Grünen Woche" zu bewegen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung das Verhalten der DDR und ihrer Ostblocknachbarländer auf die Einladung der Bundesregierung für gutnachbarschaftlich?
Wir bemühen uns, gute Nachbarschaft zu halten. Das gilt auch gegenüber der DDR. Auch die DDR ist früher wiederholt eingeladen worden, obwohl inoffizielle Mitteilungen ergeben haben, daß man seitens der DDR die „Grüne Woche" wahrscheinlich nicht so gern besuchen würde.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Gallus auf:
Kann die Bundesregierung mitteilen, wie die Abgabepreise für Landwirte bei Dieselkraftstoff frei Abgabestelle sind?
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen von Herrn Gallus im Zusammenhang beantworten?
Vizepräsident von Hassel: Keine Bedenken! Dann rufe ich noch die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Gallus auf:
Wie groß ist die Preismarge zwischen den höchsten und niedrigsten Preisen?
Der Einkaufspreis frei Hof für Dieselkraftstoff betrug nach der amtlichen Statistik im Oktober 1974 im Durchschnitt des Bundesgebietes bei einer Bezugsmenge von 500 bis 1 000 Liter je 100 Liter 71,50 DM ohne Mehrwertsteuer und 79,37 einschließlich Mehrwertsteuer. Zieht man die für die Landwirtschaft gewährte Beihilfe in Höhe von 41,15 DM je 100 Liter ab, so belief sich der Preis für den Landwirt tatsächlich auf 38,22 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Statistische Unterlagen für Bezugsmengen über 1 000 Liter bei Abgabe an die Landwirtschaft stehen nicht zur Verfügung. Bei den für die
Preisermittlung des Statistischen Bundesamtes ausgewählten Betrieben wurde der niedrigste Preis mit 32,94 DM und der höchste Preis mit 49,76 DM unter Berücksichtigung der Beihilfe und einschließlich Mehrwertsteuer ausgewiesen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gallus.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob die Erhebungen ergeben haben, daß hier ein bestimmtes Gefälle zwischen Norddeutschland und Süddeutschland besteht?
Das habe ich an sich nicht gesagt. Herr Kollege Gallus, wir haben bei unseren Feststellungen erkannt, daß der Dieselkraftstoffpreis in den verschiedenen Gegenden tatsächlich unterschiedlich ist. Man kann, glaube ich, nicht gerade sagen, daß es zwischen Norddeutschland und Süddeutschland ein großes Gefälle gebe. Wir haben z. B. auch im Raum Hessen zum Teil einen sehr hohen Dieselkraftstoffpreis.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.
Herr Staatssekretär, könnten Sie vielleicht zumindest den Kollegen des Ernährungsausschusses mitteilen, wie die Differenz zwischen dem Betrag von 38,22 Pf je Kilo, den Sie heute genannt haben, und dem Betrag von 42 Pf je Kilo, von dem Sie in den uns im Ausschuß vor etwa 14 Tagen übergebenen schriftlichen Unterlagen ausgehen, zu erklären ist?
Herr Kollege Susset, die Differenz kann ich Ihnen sofort erklären. Sie liegt darin begründet, daß wir im Ernährungsausschuß eine statistische Untersuchung aus Luxemburg bekanntgegeben haben, die für die gesamte EWG gilt. In dieser Statistik ist nicht die Gewichtung bewertet worden, die wir hier zwischen Mengen usw. vorgenommen haben; hier liegen also gravierende Unterschiede.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Kollegen Gallus nicht das mitteilen - oder ist das für die Öffentlichkeit nicht vorgesehen? -, was der Ernährungsminister Ertl dem Ausschuß an Ergebnissen seiner persönlichen Untersuchungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in bezug auf die Preisdifferenzen bei Dieselöl vorgetragen hat?
Das ist sicherlich schon geschehen. Wir haben uns
hier bemüht, die Frage so zu beantworten, wie es nach unseren Unterlagen möglich ist.
Ich darf wiederholen - und das möchte ich zur Beantwortung der Frage des Kollegen Susset nachholen -, daß gerade auch die Unterlagen, die wir neulich über die EG-Vergleichbarkeit im Ernährungsausschuß hatten, auf dem Zeitraum des ersten Vierteljahrs 1974 basierten.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Aufwendungen der deutschen Landwirtschaft für Mineralöl nach den Zahlen aus Ihrem Hause im vergangenen Jahr rund 115 Millionen DM höher waren als im vorhergehenden Jahr?
Ich glaube nicht, Herr Kollege Ey, daß man diese Summe so hoch ansetzen sollte. Wir haben Mehrausgaben, aber - und Sie können das ja auch sehr einfach überlegen - ich bin nicht der Meinung, daß die den Wert von 100 Millionen DM ganz erreichen werden.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe dann Frage 26 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wird die Bundesregierung bei den anstehenden Agrarpreisverhandlungen in Brüssel die unterschiedlichen Inflationsraten der neun Länder der EG in den Vordergrund ihrer Überlegungen stellen, oder wird die Bundesregierung dem Kaufwert der Agrarprodukte für landwirtschaftliche Betriebsmittel den Vorrang gehen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Kollege Eigen, nach Auffassung der Bundesregierung müssen bei den Agrarpreisbeschlüssen stabilitätspolitische Erfordernisse in der gesamten Gemeinschaft berücksichtigt werden. Im übrigen sind wie schon in der Vergangenheit neben den Kostensteigerungen auch die landwirtschaftliche Einkommensentwicklung und die Lage auf den Märkten als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen.
Die Bundesregierung wird einen ausgewogenen Kompromiß anstreben, bei dem die berechtigten Interessen der Erzeuger ihren Niederschlag finden. - Im übrigen ist diese Diskussion zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, ich frage aus gutem Grund: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Inflationsrate in einem Lande nicht mit der Höhe der Kostensteigerung für landwirtschaftliche Betriebsmittel gleichzusetzen ist?
Das ist uns durchaus bekannt, und wir bemühen uns, gerade auch diesen Punkt mit zu berücksichtigen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Werden Sie also, Herr Staatssekretär, den Bundesminister Ertl in seiner Aussage im Ernährungsausschuß, die Inflationsrate sei das entscheidende Kriterium für die Preisverhandlungen, korrigieren?
({0})
Das hat er nicht gesagt, und ich habe auch keinen Anlaß, ihn zu korrigieren. Ich habe die Ausführungen von Herrn Minister Ertl ja im Ernährungsausschuß mitgehört.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Eigen auf:
Wie hoch bewertet die Bundesregierung die Agrarstatistik der
EG. und wie begründet die Bundesregierung ihre Bewertung?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Kollege Eigen, die Bundesregierung räumt der Agrarstatistik der EG im Hinblick auf die von der Gemeinschaft zu treffenden Entscheidungen einen hohen Stellenwert ein. Gleichzeitig sieht sie aber auch die Schwierigkeiten, die bei dem Aufbau und der Weiterentwicklung einer leistungsfähigen Agrarstatistik in der Gemeinschaft zu überwinden sind. Die Gründe hierfür liegen in der Unterschiedlichkeit der agrarstatistischen Systeme der Mitgliedstaaten, die nur schrittweise angepaßt werden können. Die in dieser Richtung bisher in mühevoller Kleinarbeit erzielten Ergebnisse lassen erwarten, daß die zur Zeit noch bestehenden Mängel nach und nach beseitigt und die Lücken bei der Datenerfassung ausgefüllt werden. Dazu ist es notwendig, die Harmonisierungsbemühungen der Mitgliedstaaten zu verstärken, Prioritäten zu setzen sowie die Zusammenarbeit zu intensivieren. Der Vertreter der Bundesregierung im agrarstatistischen Ausschuß beim Statistischen Amt der EG hat auf diese Erfordernisse wiederholt hingewiesen und insbesondere eine Beschleunigung der Arbeiten zur Erstellung einer brauchbaren Agrarpreisstatistik für die Gemeinschaft verlangt.
Zur Klarstellung möchte ich darauf hinweisen, daß das Statistische Amt der EG in der Regel keine eigenen Erhebungen durchführen kann, sondern auf die Mitarbeit der Mitgliedstaaten angewiesen ist. Dies gilt auch dann, wenn die statistischen Erhebungen auf Rechtsakten der Gemeinschaft beruhen. Dazu erscheint es allerdings notwendig, daß sich die Mitgliedstaaten verstärkt darum bemühen, gegebenenfalls noch bestehende Unzulänglichkeiten bei den nationalen Statistiken baldmöglichst zu beheben und
vor allem auch die notwendigen Rechtsgrundlagen zu schaffen. Die Bundesrepublik Deutschland hat hier durch das kürzlich verabschiedete Agrarberichterstattungsgesetz einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eigen.
Wenn Sie, Herr Staatssekretär, wie ich dem Ergebnis der Bemühungen des Statistischen Amtes der EG einen so hohen Stellenwert beimessen, erkennen Sie dann auch an, daß auf Grund der Ergebnisse der statistischen Untersuchungen das Erzeugerpreisniveau im Verhältnis zu den Betriebsmittelkosten in der Bundesrepublik Deutschland am schlechtesten ist?
Das möchte ich nicht unmittelbar bejahen; darin würde eine gewisse Anerkennung liegen. Wir bemühen uns durchaus, auch dazu vergleichbare Unterlagen zu bekommen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Kann ich aus Ihrer Antwort, Herr Staatssekretär, entnehmen, daß Ihnen die diesbezüglichen Unterlagen des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaft nicht bekannt sind?
Uns sind die Unterlagen, soweit sie vorliegen, durchaus bekannt. Sie werden auch laufend ausgewertet. Ich habe ja soeben noch darauf hingewiesen, daß wir uns bemüht haben, diese Unterlagen dadurch zu verbessern, daß wir national schon ein Agrarberichterstattungsgesetz verabschiedet haben.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Susset auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die von Regierungssprecher Grünewald nach der Kabinettsitzung am 4. Dezember 1974 abgegebene Erklärung unterschiedliche Preisanhebungen für Agrarprodukte abzulehnen", so ernst zu nehmen, daß sie diese Aussage zur unabdingbaren Forderung für die EG-Agrarpreisverhandlungen für das Wirtschaftsjahr 1975/1976 erhebt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär bitte!
Die Bundesregierung ist mit dem Kommissionsvorschlag unterschiedlicher Preisanhebungsraten für die einzelnen Mitgliedstaaten, die mit Hilfe von monetären Maßnahmen erreicht werden sollen, nicht einverstanden. Sie hält dies für einen Weg, der die Gemeinschaft integrationspolitisch belastet. Bundesminister Ertl hat dies auf der gestern zu Ende gegangenen Sitzung der Agrarminister deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Bundesregierung wird bei den Agrarpreisverhandlungen unter Berücksichtigung stabilitätspolitischer Erfordernisse für die gesamte Gemeinschaft einen tragbaren Kompromiß gleicher Preisanhebungsraten für alle Mitgliedstaaten ansteuern,
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Susset.
Wird die Bundesregierung dann auch die uns von Minister Ertl am letzten Mittwoch im Ernährungsausschuß vorgetragene Erklärung der FDP-Bundestagsfraktion, am Grenzausgleich voll festzuhalten, für so verbindlich erklären, daß bei den im Januar fortzusetzenden Agrarpreisverhandlungen kein Ergebnis zustande kommen wird, das den vollen Grenzausgleich in Frage stellt?
Herr Susset, da bin ich wiederum überfragt. Ich kann hier keine Erklärungen für Verhandlungen abgeben, die noch anstehen. Daß wir Fraktionsbeschlüsse sehr ernst nehmen, ist selbstverständlich.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Susset.
Dann können wir also davon ausgehen, daß der für die Frage verantwortliche Minister die volle Rückendeckung des Kabinetts hat, a) unterschiedliche Preisanhebungen nicht zuzustimmen und b) zu bewirken, daß dem Aufrechterhalten des vollen Grenzausgleichs keine Absage erteilt werden kann?
Auch diese Frage stellen Sie zu früh. Ihnen ist sicherlich auch aus der Presse bekannt, daß etwa Mitte Januar eine Klausurtagung des Kabinetts stattfinden wird, auf der die anstehenden agrarpolitischen Probleme in der Gemeinschaft behandelt werden, und daß weiterhin eine allgemeine Kabinetssitzung wiederum der Vorbereitung der in Brüssel anstehenden Probleme dienen wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß Herr Bundesminister Ertl völlig klar und eindeutig erklärt hat, daß er weder einer differenzierten Preisanhebung in der EG zustimmen will noch den bisher schon unzulänglichen Grenzausgleich antasten läßt?
Das ist mir bekannt. Deshalb wundere ich mich eigentlich, daß Sie noch laufend Fragen dazu stellen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Zunächst die Frage 29 des Abgeordneten Ey:
Erwägt die Bundesregierung Maßnahmen zum Schutz von Krankenhaus- und anderen Patienten gegen die Behandlung durch ausländische Ärzte, die unseren Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen nicht entsprechen und, wenn ja, welche?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander.
Die Bundesregierung sieht hierzu keine Veranlassung. Die Entscheidung über die Erteilung einer Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder. Die zur dauernden Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigende Approbation als Arzt setzt eine ärztliche Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder eine außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erworbene abgeschlossene ärztliche Ausbildung und einen Ausbildungsstand des Antragstellers voraus, der dem eines in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildeten Arztes gleichwertig ist.
Die Länder legen aber auch bei der Erteilung von Erlaubnissen zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs einen strengen Maßstab an die Ausbildung an. In der Regel wird Ausländern, die ihre Ausbildung nicht in der Bundesrepublik Deutschland erhalten haben, diese Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt. Sie kann auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt und darf nur widerruflich erteilt werden. Es besteht daher die Möglichkeit, die Erlaubnis jederzeit zu entziehen, wenn wesentliche Ausbildungsmängel festgestellt werden.
Von Mißständen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von ausländischen Ärzten in deutschen Krankenhäusern ist der Bundesregierung nichts bekannt. Wegen des Mangels an Krankenhausärzten bestehen in diesem Bereich nach wie vor Versorgungslücken, die durch ausländische Ärzte ausgefüllt werden müssen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, welche Stellen stellen erforderlichenfalls die nicht ausreichende Ausbildung eines ausländischen Arztes fest?
Herr Kollege, dies tun die obersten Gesundheitsbehörden der Länder, die für die Genehmigung und auch für den Widerruf zuständig sind.
Vizepräsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Frau( Stommel auf:
Ist die Bundesregierung auch heute noch der gleichen Auffassung, die sie in der Antwort meiner Frage 52 vom 12. November 1971 vertreten hat, „daß die Abschaffung von Raucherzimmern an den Schulen von den Jugendlichen mit Sicherheit als repressive Maßnahme angesehen werde und damit einen Bumerang-Effekt habe", nachdem Wissenschaftler und Ärzte wiederholt die Abschaffung der Raucherzimmer an Schulen gefordert haben?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Zander, bitte!
Äußerungen Dritter, so begründet sie den Erwachsenen auch erscheinen mögen, können nicht verhindern, daß Jugendliche mit Protesthaltungen reagieren, wenn ihnen vermeintliche Privilegien - hier die Raucherzimmer - wieder genommen werden sollen. Das gilt hier vor allem deswegen, weil die Initiative zur Einrichtung dieser Raucherzimmer offensichtlich überwiegend von den Schülermitverwaltungen ausging. Diese Bewertung der Situation und ihrer möglichen Entwicklung sagt im übrigen nichts darüber aus, wie die Bundesregierung die Einrichtung der Raucherzimmer bewertet.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Stommel.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit festzustellen, daß es hier nicht nur um die Schülermitverwaltungen geht, sondern daß bei Schulneubauten Raucherzimmer schon in den Plan einbezogen werden?
Frau Kollegin, ich bin gern bereit, Ihnen das zuzugestehen. Dies liegt in der alleinigen Entscheidung der jeweiligen Schulträger, die die Planungen für Schulbauten vorbereiten. Dies ist auch keine Frage, die in irgendeiner Weise der Entscheidung der Bundesregierung unterliegt.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Stommel.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mit mir festzustellen, daß es nicht genügt, wenn das zuständige Bundesministerium Informationen wie z. B. die Information vom 31. Oktober 1974 - mit dem Untertitel: Kinder rauchen z. B. dann häufiger, wenn ihre Freunde rauchen - herausgibt, sondern daß sie im Rahmen ihre Möglichkeiten auch entsprechend handeln muß?
Ich bin gerne bereit, Ihnen zuzugestehen, daß Informationen allein nicht ausreichen. Aber sie gehören selbstverständlich auch dazu, um Einstellungen zum Rauchen in einem so frühen Alter zu verändern. Sie sind ein Teil der Maßnahmen, die erforderlich sind, um das Rauchen einzuschränken.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, gibt es Ergebnisse aus Umfragen bei Eltern, aus denen sich ergibt, wie diese zu den vorhandenen Raucherzimmern an Schulen stehen?
Mir sind keine solchen Umfragen bekannt. Im übrigen haben ja nach meiner Kenntnis der Dinge die Eltern auch über ihre Mitwirkungsmöglichkeiten in den Schulen selbst Gelegenheit, ihre Auffassung dazu zum Ausdruck zu bringen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gruhl.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort das Wort „Privilegien" verwandt.
({0})
- Vermeintliche? - Ich wollte nämlich die Frage anknüpfen, ob Sie der Meinung sind, daß eine Erlaubnis, die eigene Gesundheit auf die Dauer zu schädigen, als Privileg bezeichnet werden darf.
Selbstverständlich nicht. Sie haben recht. Ich habe deswegen
- aus der gleichen Überlegung - „vermeintliche Privilegien" formuliert. Sie haben das sicher überhört, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Evers.
Ist gewährleistet oder können Sie gewährleisten, daß die Aufklärungsschriften der Bundesregierung gegen das Rauchen auch in den Raucherzimmern der Schulen ausgelegt werden?
Mit Sicherheit nicht. Ich würde mich sehr freuen, wenn das überall der Fall wäre.
Vizepräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 31 der Abgeordneten Frau Stommel auf:
Ist die Bundesregierung jetzt bereit, nach den heute vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen und Aussagen bei den Ländern dafür einzutreten, daß diese bestehenden Raucherzimmer an den Schulen wieder abgeschafft werden?
Die Bundesregierung ist jederzeit bereit, die Einrichtung der Raucherzimmer in ihren Wirkungszusammenhängen kritisch zu überdenken. Sie hat mit der Antwort auf die Kleine Anfrage über die Auswirkungen des Zigarettenrauchens - das ist die
Drucksache 7/2070 - sehr eingehend auf die heute bekannten gesundheitlichen Gefährdungen des Zigarettenrauchens hingewiesen und die sozialen Folgeschäden beschrieben. Sie hat darüber hinaus die schon seit Jahren laufende Anti-Raucher-Kampagne - der neue Trend: No smoking, please -, die sich direkt an Jugendliche wendet, weitergeführt und intensiviert.
Erfolge zeigen sich u. a. in der Bildung von Nichtraucherklubs. Daraus wird ersichtlich, daß es gerade die Politik der Bundesregierung ist, durch überzeugende Belege und direkte Ansprache Jugendliche dafür zu gewinnen, sich gegen das Rauchen zu entscheiden. Für diese Entscheidung hat die Existenz von Raucherzimmern allerdings nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Abschaffung der Raucherzimmer aber würde bedeuten, daß in den Schulen entweder ein allgemeines Rauchverbot eingeführt werden müßte oder - der neuen Entwicklung folgend - Nichtraucherzonen zu schaffen wären. Ein Rauchverbot am Arbeitsplatz, das möglicherweise durch die Fürsorgepflicht der Schulleiter begründet würde, könnte sich nur auf die Klassenräume erstrecken.
Es ist also ebenso irrig, anzunehmen, die Abschaffung der Raucherzimmer würde dazu führen, daß sich an der Grundproblematik etwas ändert, wie es umgekehrt irrig war, anzunehmen, durch die Errichtung von Raucherzimmern könne dieses Problem eingedämmt werden.
Die Bundesregierung wird aber dafür Sorge tragen, daß dieser Fragenkomplex erneut mit den Gesundheitserziehungsreferenten der Länder im ( ständigen Ausschuß bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erörtert wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Stommel.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, festzustellen, ob das Zigarettenrauchen an Schulen mit Raucherzimmern durch die Vorbildwirkung insbesondere der älteren Klassenkameraden zugenommen hat?
Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es darüber Unterlagen gibt. Ich kann Ihnen auch nicht zusagen, daß eine solche umfangreiche Untersuchung möglich ist. Aber ich bin gern bereit, die in Ihrer Frage liegende Anregung zu prüfen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, wäre es denkbar, daß die Einrichtung von Raucherzimmern eine weitere Verlockung für die Schüler zum Rauchen ist?
Dies ist
Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode Parl. Staatssekretär Zander
denkbar, aber es ist nicht erwiesen. Es ist eben so, Herr Kollege, daß es keinen sichtbaren Zusammenhang zwischen der Errichtung von Raucherzimmern und der Ausbreitung von Rauchgewohnheiten bei Jugendlichen gibt. Wenn es diesen Zusammenhang gäbe, würden die für die Planung von Schulen und für ihre Einrichtung zuständigen Behörden ihn sicher sehen und entsprechend handeln. Es gibt aber bisher keine Belege. Vielleicht wird es möglich sein, diese in der nächsten Zeit darzustellen oder zu ermitteln.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß das Prolem so lange nicht gelöst werden kann, wie die Lehrer nicht mit gutem Beispiel vorangehen und sich zumindest nur in Raucherzimmern diesem Laster hingeben?
Herr Kollege, ich würde das gern noch erweitern und sagen: Wir alle auch Sie, auch ich - sind aufgerufen, wenn wir uns in Fernsehsendungen, in Versammlungen und bei ähnlichen Gelegenheiten Jugendlichen darstellen. Da haben Sie völlig recht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gruhl.
Herr Staatssekretär, ich möchte die Frage des Herrn Hupka noch vertiefen. Mußte nicht ein Jugendlicher fast noch ein Kind - aus der behördlichen Einrichtung solcher Raucherzimmer die Schlußfolgerung ziehen, daß es sich hier um eine ganz normale, harmlose Angelegenheit handelt?
Sie haben von der behördlichen Genehmigung zur Einrichtung gesprochen. Ich möchte hier den Eindruck verwischen bzw. nicht aufkommen lassen, daß es in der Entscheidung der Bundesregierung steht, solche Raucherzimmer an Schulen zuzulassen oder nicht zuzulassen. Dies ist eine Entscheidung anderer Behörden. Aber der Zusammenhang zwischen dem Rauchen und der Einrichtung solcher Raucherzimmer an Schulen ist eben nicht erwiesen.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Stommel.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es mehr einem modernen Trend entspricht, Raucherzimmer an Schulen einzurichten? Könnte die Einrichtung dieser Raucherzimmer nicht die Folge nach sich ziehen, daß man für Schüler ab 18 Jahren -- oder was weiß ich, vielleicht für jüngere Schüler - in den höheren Schulen auch den Ausschank von Alkohol gestatten muß?
Ich sehe diese Folgerung nicht unmittelbar; aber ich schließe durchaus nicht aus, daß die Einrichtung dieser Raucherzimmer für jüngere Schüler einen gewissen Reiz ausübt, sich das Rauchen anzugewöhnen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Maucher.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß wir die heutige Fragestunde als einen Appell an alle Eltern auffassen könnten, dafür zu sorgen, daß in der Schule gelernt und nicht geraucht wird?
Ich würde mich sehr freuen, wenn es so wäre, daß diese Fragestunde ein über diesen Kreis hinausgehendes Echo in der Öffentlichkeit fände.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ey.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, auf die unterschiedlichen Schulträger dahin gehend einzuwirken, daß die Einrichtung von Raucherzimmern nicht zu dem Teil der Baukörper gehört, der aus öffentlichen Mitteln gefördert werden kann?
Ich kann nicht sagen, ob es in der Tat so ist, daß dieser Teil aus öffentlichen Mitteln, jedenfalls aus Bundesmitteln, gefördert wird. Aber ich werde gern auch dieser Frage nachgehen.
Vizepräsident von Hasse!: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Reiser auf:
Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, das Transport- und Rettungssystem für Herzinfarktpatienten einheitlich auf Bundesebene zu verbessern, nachdem nach ärztlichen Angaben Zweidrittel ({0}) Herzinfarktkranken in der Bundesrepublik Deutschland stirbt, bevor diese Patienten in einem Krankenhaus behandelt werden können?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander das Wort.
In der Bundesrepublik Deutschland sind die Bundesländer für den Krankentransport und den Rettungsdienst zuständig, so daß die Bundesregierung auf die Beschaffung von Krankenwagen und deren Ausrüstung mit medizinischen Geräten keinen Einfluß hat. Nach vorliegenden ärztlichen Erfahrungsberichten aus verschiedenen Bundesländern sind die Notarztwagen, die in immer stärkerem Maße vor allem in Städten und Ballungsräumen, aber auch in einzelnen Landkreisen den Rettungsdienst versehen, mit dem entsprechenden mobilen ärztlichen Gerät ausge9278
rüstet. Sie können damit am Ort des Geschehens und während des Transports in das Krankenhaus auch Herzinfarktopfern wirksam medizinische Hilfe leisten.
Die Bundesländer haben das Ziel, auf Grund der von ihnen zu erlassenden Rettungsdienstgesetze künftig in allen Rettungsdienstbereichen, falls Ärzte hierfür zur Verfügung stehen, einen Dienst mit Notarztwagen aufzubauen. Modellversuche in verschiedenen Städten der Bundesrepublik haben ergeben, daß der Einsatz von speziellen, zur Behandlung von Herzinfarkten entwickelten Krankenwagen - Kardiomobile, Infarktmobile - im Vergleich mit den bestehenden, bereits in Einsatz befindlichen Notarztwagen keine Verbesserung bei der Erstversorgung von Infarktpatienten bewirkt hat. Es hat sich vielmehr gezeigt, daß die kleine Zahl dieser sehr teuren Spezialfahrzeuge, von häufigen Fehlalarmierungen abgesehen, zumeist einen längeren Anfahrtsweg zum Kranken hatten als die dichter stationierten Notarztwagen. Dadurch war die prognostisch wichtige Frühbehandlung des Herzinfarkts häufig in Frage gestellt.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Reiser.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Normalfall immer noch so aussieht: Von dem ersten Auftauchen der Symptome bis zu einer Einlieferung in die Intensivstation einer Klinik dauert es nach ärztlichen Bekundungen immer noch mindestens vier Stunden!?
Ich will diesen Tatbestand nicht bestreiten, Herr Kollege.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe auf die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Rollmann:
Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß durch den Wegfall der in der Regel von den Vätern geltend gemachten steuerlichen Kinderfreibeträge und die Einführung des in der Regel den Müttern zustehenden Kindergelds die geschiedenen und nichtehelichen Väter durch die Steuerreform schlechter als vorher gestellt worden sind?
Zur Beantwortung bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Vereinheitlichung des Familienlastenausgleichs hat zur Folge, daß ab Januar 1975 für jedes Kind nur einer Person eine Leistung des Familienlastenausgleichs, also das neue Kindergeld, zu zahlen ist. Nur für Kinder, für die weder Kindergeld noch eine kindergeldähnliche Leistung gezahlt wird, ist eine Steuerermäßigung in Form der Berücksichtigung des Unterhaltsaufwandes als außergewöhnliche Belastung zu gewähren. Da für Kinder aus geschiedenen Ehen und für nichteheliche Kinder das Kindergeld im allgemeinen der Mutter zusteht, wenn sie das alleinige Sorgerecht hat, verliert in diesen Fällen der Vater die ihm bisher gewährten Vergünstigungen des Familienlastenausgleichs, so auch die in Form der Kinderfreibeträge gewährte Einkommensteuerermäßigung. Er braucht hierdurch aber im Ergebnis keine Benachteiligung zu erfahren, denn da das der Mutter gewährte Kindergeld auch zu seiner Entlastung bestimmt ist, kann der Vater grundsätzlich verlangen, daß ihm ein angemessener Teil des auf das Kind entfallenden Kindergeldes bei der Bemessung des Unterhalts, den er an das Kind zu zahlen hat, angerechnet wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.
Herr Staatssekretär, gibt es irgendwelche Hinweise oder Richtlinien der Bundesregierung an den betroffenen Personenkreis, in welcher Weise dann eventuell infolge der vollen Kindergeldzahlung an die Mutter der Unterhaltsbeitrag des geschiedenen oder nichtehelichen Vaters gemindert werden könnte?
Nein: Herr Kollege Rollmann, solche Richtlinien gibt es nicht. Es kann sie auch nicht geben, weil hier zunächst einmal die Einigung der Beteiligten die erste Stufe wäre, um zu einem Ausgleich zu kommen, im Zweifel dann eine mögliche Auseinandersetzung vor einem Gericht die Folge wäre.
Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.
Hält die Bundesregierung es auch für gerechtfertigt, Herr Staatssekretär, daß geschiedene und nichteheliche Väter ab 1. Januar 1975 auf den Steuerkarten als ledig bezeichnet werden und schon aus diesem Grunde dann jährlich eine Summe von 360 DM verlieren?
Ich bedaure; aber diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich weiß nicht, wie das in Zukunft auf den Steuerkarten gehandhabt wird.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers.
Sind Sie wirklich der Ansicht, Herr Staatssekretär Zander, daß die neue Regelung den Interessen der Kinder aus geschiedenen Ehen oder den Interessen der unehelichen Kinder dient, wenn als Folge dieser neuen Regelung jetzt eine Fülle von Auseinandersetzungen zwischen den Eltern der Kinder über die neu festzusetzende Höhe der Unterhaltszahlungen stattfindet?
Ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird; aber ich kann es nicht mit Sicherheit ausschließen. Ich hoffe jedoch sehr, daß die Einsicht der Beteiligten so weit reicht, diese Fälle einvernehmlich zu klären.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich rufe auf die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Brandt:
In wieviel Fällen wurden in den Jahren 1973 und 1974 Indizierungsanträge nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften für den „Krieg verherrlichende Schriften" gestellt, und in wieviel Fällen wurde dem Antrag entsprochen?
Im Jahre 1974 sind bislang keine Anträge auf Indizierung kriegsverherrlichender Schriften gestellt worden. Von den antragsberechtigten obersten Jugendbehörden der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurden im Jahre 1973 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften fünf sogenannte Landser-Hefte vorgelegt. In vier Fällen wurden die Indizierungsanträge abgelehnt, ein Heft wurde in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen.
Vizepräsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Brandt ({0}) auf:
Geht die Bundesregierung davon aus, daß die Zahl der Indizierungen in diesen Fällen dem Angebot der Schriften entspricht, die vermutlich diesem Tatbestandsmerkmal Rechnung tragen?
Im Jahre 1960 waren zahlreiche Hefte der Landser-Reihe Gegenstand von Verfahren bei der Bundesprüfstelle. Etliche Hefte wurden in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen. Die seinerzeit entwickelte Entscheidungspraxis der Bundesprüfstelle, die von den Verwaltungsgerichten bestätigt wurde, hat auf Verlegerseite zu einer weitgehenden Beachtung der für den Begriff Kriegsverherrlichung erarbeiteten Kriterien geführt. In der Folgezeit waren Beanstandungen nur noch in vereinzelten Fällen festzustellen. Die nicht zu unterschätzende prophylaktische Wirkung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und der Existenz der Bundesprüfstelle hat zweifellos eine Eskalation im Bereich der Kriegsliteratur verhindert. Dennoch wird die Bundesregierung den verrohenden Publikationen, zum Beispiel volksverhetzenden, rassistischen und kriegsverherrlichenden Inhalts weiterhin ihre Aufmerksamkeit widmen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Brandt!
Herr Staatssekretär, kann man also davon ausgehen, daß die Bundesprüfstelle den diesbezüglichen Markt auch ohne gestellte Indizierungsanträge aufmerksam beobachtet, und bekommt die Bundesregierung über solche Beobachtungen dann Berichte?
Nein, Herr Kollege Brandt, davon kann man nicht ausgehen, weil die Bundesprüfstelle nur auf Antrag tätig wird und die nach dem Gesetz antragsberechtigten Behörden, also die Länder, den Antrag stellen und dementsprechend auch die Marktbeobachtung vornehmen müssen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Brandt.
Verzeihung, Herr Staatssekretär, ich verstehe das nicht ganz. Ich hatte ja nicht danach gefragt, inwieweit sie auf Grund von Indizierungsanträgen tätig wird und dann tatsächlich Indizierungen ausspricht. Ich frage nun noch einmal andersherum, ob es nicht unabhängig davon auch eine Aufgabe der Bundesprüfstelle wäre, sich zumindest ein Bild über den diesbezüglichen Markt zu machen, auch ohne daß direkt Indizierungsanträge gestellt werden. Natürlich kann dies keine Konsequenz in Form eines Verbots seitens der Bundesprüfstelle haben.
Ich gehe, Herr Kollege Brandt, selbstverständlich davon aus, daß die Mitglieder der Bundesprüfstelle schon allein deshalb einen Überblick über das Angebot auf diesem Markt haben müssen, weil sie die Kriterien brauchen, um im Falle der Stellung eines Antrages auf Indizierung auch beurteilen und tätig werden zu können.
Vizepräsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Hansen.
Herr Staatssekretär, wirft es nicht ein eigenartiges Licht auf die Indizierungspraxis, wenn, obwohl die Landser-Hefte doch generell kriegsverherrlichenden Charakter haben - sie stellen ja nicht nur einzelne Kriegsakte verherrlichend dar, sondern unterlassen auch bewußt die Untersuchung der Ursachen des zweiten Weltkriegs -, vier von fünf Anträgen nicht stattgegeben wird?
Herr Kollege, das Vorhandensein der Bundesprüfstelle und die Möglichkeit der Indizierung solcher Schriften haben, wie ich es soeben dargestellt habe, bereits prophylaktisch gewirkt. Wenn, wie Sie es dargestellt haben, in einzelnen Fällen solche Publikationen auf dem Markt sind, ist es eine Frage der Antragstellung und der Beurteilung der Bundesprüfstelle, ob eingeschritten werden muß oder nicht.
Vizepräsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Walther auf.
Trifft es zu, daß Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks nach dem 1. Januar 1975 neben dem Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz kumulativ noch den bisherigen Kinderzuschlag weitererhalten, und wie beurteilt die Bundesregierung zutreffendenfalls diesen Vorgang, und ist damit zu rechnen, daß, sofern vorstehende Frage bejaht wird, die Bundesregierung bei den beiden bundeseigenen Sendeanstalten ebenso verfahren wird?
Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung Herr Staatssekretär!
Der Westdeutsche Rundfunk zahlt seinen Mitarbeitern für ihre Kinder zur Zeit nicht den Kinderzuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz, sondern einen Kinderzuschlag eigener Art, der in einer sogenannten Kinderzuschlagsordnung vertraglich vereinbart ist. Nach meinen Feststellungen ist im Bereich des Westdeutschen Rundfunks noch nicht verbindlich geklärt, welche Auswirkungen die Reform des Familienlastenausgleichs, die als Teil des Einkommensteuerreformgesetzes am 1. Januar 1975 in Kraft tritt, auf die Kinderzuschlagsordnung haben wird. Die Auswirkungen der Reform des Familienlastenausgleichs auf Verträge dieser Art richten sich nach vertragsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach dem Wortlaut und dem Sinn der Verträge sowie nach den Grundsätzen über den Wegfall und die Änderung der Geschäftsgrundlage.
Ebensowenig wie der Gesetzgeber bei der Reform des Familienlastenausgleichs hierauf Einfluß nehmen konnte und genommen hat, kann die Bundesregierung sich dafür einsetzen, daß die Verträge im Zusammenhang mit dieser Reform in einem bestimmten Sinne ausgelegt oder umgestaltet werden. Dies ist allein Sache der Vertragspartner. Die Bundesregierung geht davon eus, daß die Vertragspartner auf Grund der ihnen kraft Gesetzes zustehenden Autonomie zu einer sachgerechten Anpassung der einschlägigen Verträge kommen und dabei unangemessen hohe Zahlungen vermeiden.
Auch für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, für die unmittelbar oder mittelbar das Bundesbesoldungsgesetz gilt, ist eine Regelung gefunden worden, die der letztgenannten Anforderung entspricht. Ich verweise auf den Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften, also auf den sogenannten dienstrechtlichen Teil des Familienlastenausgleichs.
Auch den Rundfunkanstalten des Bundesrechts - insoweit beantworte ich Ihre Frage im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern - steht das Recht der Selbstverwaltung zu. Ihre Aufsichtsorgane sind zur Zeit mit der Prüfung der Anpassungsfrage befaßt; ein Ergebnis steht noch aus.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Walther.
Herr Staatssekretär, könnten Sie an Hand Ihres Überblicks heute schon sagen, wo auch sonst noch im öffentlichen oder quasi-öffentlichen Bereich so verfahren wird, wie es der Westdeutsche Rundfunk offenbar vorhat? Kann also beispielsweise mein hier sitzender Kollege Reiser damit rechnen, daß er vom Norddeutschen Rundfunk so behandelt werden wird wie die Kollegen des Westdeutschen Rundfunks?
Ich kann keinen Überblick darüber geben, wie viele zusätzliche Kindergeldregelungen im weitesten Bereich,
den Sie angesprochen haben, getroffen worden sind.
Im übrigen kann ich nicht beurteilen, wie die einzelnen Anstalten es praktizieren wollen. Ich gehe davon aus, daß hier vernünftige Regelungen gefunden werden, und zwar zwischen den Vertragspartnern der jeweiligen Vereinbarungen.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir damit bestätigen -- auf Grund der Antwort zu dieser Anfrage --, daß das Bundeskindergeldgesetz für alle rechtlich verbindlich ist und Vorrang hat und daß demnach nach wie vor allen Verwaltungen, allen Betrieben die Eigenständigkeit und in der Selbstverwaltung auch ihre Selbständigkeit und freie Entscheidung zusteht?
Aber selbstverständlich!
Vizepräsident von Hassel: Die Fragen 37 der Abgeordneten Frau Schleicher und 38 der Abgeordneten Frau Dr. Riedel-Martiny werden auf Wunsch der Fragestellerinnen schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt, Herr Parlamentarischer Staatssekretär; ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Die Fragen 39 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen, 40 des Abgeordneten Seefeld, 41 des Abgeordneten Seefeld, 42 des Abgeordneten Ahlers, 43 des Abgeordneten Ahlers werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, deß die von dci Deutschen Bundesbahn auch für den Schienen-Personennahverkehi in Verdichtungsräumen vorgesehenen Einschränkungsmaßnahmen mit schwerwiegenden gesellschaftspolitischen und gesamtwirtschaftlichen Nachteilen verbunden sind, und daß den durch die Einschränkungsmaßnahmen bei der Deutschen Bundesbahn erziel baren Kostenminderungen weitaus höhere gesamtwirtschaftliche Verluste gegenüberstehen?
Zur Beantwortung, bitte schön, Herr Staatssekretär!
Jung, Parl. Staatssekretär heim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Nein, Herr Kollege Riedl, die Bundesregierung teil! diese Auffassung nicht.
Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage/ - Herr Dr. Riedl!
Herr Staatssekretär, Sie wissen, in welchem Zusammenhang ich diese Frage gestellt habe, und ich darf deshalb fol
Dr. Riedl ({0})
gende Zusatzfrage an Sie richten. Wie lange muß die Bevölkerung in der Region München noch darauf warten, eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob und welche Einschränkungen des S-Bahn-Verkehrs in der Region München zu welchem Zeitpunkt in Kraft treten werden, und ist der Bundesregierung bekannt, daß das wochenlange Tauziehen um diese Entscheidung zwischen Verkehrsministerium und Deutscher Bundesbahn inzwischen zu einer außerordentlich starken Beunruhigung der Bevölkerung in dieser Region geführt hat?
Ja, Herr Kollege Riedl, wir wissen, daß diese Frage im Großraum München - aber nicht nur in München, sondern in den Ballungsräumen überhaupt
zu einer Beunruhigung geführt hat. Das beweisen ja auch die Fragen, die bereits in der letzten Woche in diesem Hohen Hause gestellt wurden.
({0})
Aber Sie wissen auf der anderen Seite, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn in seiner unternehmerischen Verantwortung angeordnet hat, daß untersucht wird, inwieweit rund 10 % der Leistungen im Schienen-Personennahverkehr eingespart werden können, und daß dabei selbstverständlich auch die Ballungsräume in die Überprüfung mit einbezogen werden. Ich kann Ihnen zusichern, daß wir uns in Verbindung mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn darum bemühen, möglichst rasch Klarheit zu schaffen, damit sich die von Ihnen angesprochene Unruhe nicht unnötig ausweitet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß erst vor kurzem die Tarife im Verkehrsverbund in der Region München beträchtlich angehoben worden sind, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, daß damit auch ein verbessertes Leistungsangebot verbunden sein würde, und ist die Bundesregierung nicht mit mir und mit vielen Menschen in dieser Region der Auffassung, daß sich mit den jetzt vorgesehenen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Begründung der Gebührenerhöhung die Leute im Grunde genommen hinter das Licht geführt fühlen?
Herr Kollege Riedl, Sie wissen, daß die sich zunehmend und in den letzten Jahren besorgniserregend verschlechternde wirtschaftliche Situation des Schienennahverkehrs der Deutschen Bundesbahn zu diesen Beschlüssen zur Tarifanhebung geführt hat. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn ist natürlich gezwungen, alle erdenklichen Möglichkeiten zur Kostensenkung auszuschöpfen. Deswegen hat er den vorhin erwähnten Beschluß herbeigeführt und diese
Überprüfung angeordnet. Ich glaube nicht, daß sich die Bevölkerung hier hinter das Licht geführt sehen kann, wie Sie das formulieren. Dies ist eben eine Maßnahme auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß der Schienenverkehr im Bereich der Ballungsräume zur Verkehrsabwicklung eine ganz besondere Aufgabe und Bedeutung hat und daß eine Einschränkung dieses Verkehrs, wie Sie das haben anklingen lassen, sowohl gesamtwirtschaftliche als auch gesellschaftspolitische Nachteile für diese Räume bringen würde?
Herr Kollege Jobst, den ersten Teil Ihrer Frage kann ich uneingeschränkt bejahen. Wir teilen diese Auffassung, daß der Schienenpersonennahverkehr in Ballungsräumen ganz besondere Bedeutung hat.
Dem zweiten Teil Ihrer Frage kann ich nicht unbedingt folgen, weil, wie Sie selbst wissen und wie ich eben ausgeführt habe, die Überprüfungen stattfinden, so daß man über die Auswirkungen noch gar nicht genau Bescheid weiß. Deswegen kann diese Schlußfolgerung, die von Ihnen hier gezogen wurde, noch nicht gezogen werden.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spranger.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, beim Vorstand der Deutschen Bundesbahn zu intervenieren, wenn sich auf Grund der Entwicklung im Bahnverkehr auch die Verhältnisse im Straßenverkehr verschlechtern sollten?
Herr Kollege Spranger, grundsätzlich ist die Bundesregierung natürlich bereit. Ich muß hier aber noch einmal feststellen, daß die Entscheidungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen und deswegen die Überlegungen, die Sie anregen, ohnehin angestellt werden.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Evers.
Herr Staatssekretär Jung, haben Sie Kosten-Nutzen-Analysen angestellt, oder, falls nicht, woher nehmen Sie die Berechtigung, zu sagen, daß den Einsparungen nicht doch höhere volkswirtschaftliche Belastungen gegenüberstehen?
Herr Kollege Dr. Evers, ich glaube, Sie haben mich mißverstanden. Ich habe eben die Kollegen darauf hingewiesen, daß zum derzeitigen Zeitpunkt, zu dem die Überprüfungen erst durchgeführt werden, eine solche Schlußfolgerung noch nicht gezogen werden kann. Selbstverständlich werden Kosten-Nutzen-Analysen in allen Fällen erstellt. Erst von daher kann eine solche Schlußfolgerung gezogen werden.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Schröder ({0}) auf:
Hat die Bundesregierung die erforderlichen Untersuchungen für das Projekt „Dollarthafen" in Emden inzwischen abgeschlossen, und zu welchen Ergebnissen haben sie hinsichtlich der technischen Ausführung wie auch der Wirtschaftlichkeit geführt?
Ich frage, Herr Staatssekretär: wollen Sie die beiden Fragen zusammen beantworten, wenn der Fragesteller einverstanden ist?
Es ist nicht unbedingt notwendig.
Nicht. Bitte!
Herr Kollege, die Bundesregierung untersucht im Rahmen ihrer Zuständigkeit Möglichkeiten zur Verbesserung des Ems-Fahrwassers. Die für diese Entscheidung notwendigen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Es bedarf weiterer, ausführlicherer Feststellungen, Versuche und Messungen hydrologischer, physikalischer, chemischer und biologischer Zusammenhänge in Ems und Dollart, um die wichtige Frage, welche Auswirkungen eine Verlegung der Ems insbesondere auf den Dollart haben würde, klären zu können. Darüber hinaus müssen wirtschaftliche Untersuchungen nachweisen, daß für den Bund bei einer Verlegung der Ems die Kosten einschließlich eventueller Folgekosten in angemessenem Verhältnis zu dem durch Verringerung der Baggerung erzielbaren Nutzen stehen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Feststellung des Staatssekretärs Ruhnau anläßlich des Kaufmannsmahles in Emden, die technischen Untersuchungen seien bereits abgeschlossen, eindeutig falsch war?
Ich kenne diese Äußerung von Herrn Staatssekretär Ruhnau nicht. Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, daß noch eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt werden müssen, um diese Frage endgültig zu beantworten. Hier ist insbesondere auch die Tatsache zu erwähnen, daß das Land eine Kommission eingesetzt hat. Die Untersuchungen sind also noch nicht abgeschlossen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, können Sie in etwa einen Zeitpunkt nennen, wann die erforderlichen Untersuchungen abgeschlossen sein könnten?
Nein, ich bin im Augenblick nicht in der Lage zu sagen, wann die Untersuchungen z. B. der Projektgruppe, die am 19. Februar 1974 eingesetzt worden ist, abgeschlossen sein werden. Das gilt auch für die Untersuchungen, die von der Wasser- und Schiffahrtsbehörde durchgeführt werden.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Schröder auf:
Auf Grund welcher Rechtslage vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß vor einer Entscheidung über die Verwirklichung des Projekts „Dollarthafen" Verhandlungen mit dem Königreich der Niederlande notwendig sind, und hat die Bundesregierung entsprechende Verhandlungen eingeleitet?
Herr Kollege, auf Grund des Art. 5 Abs. 1 des EmsDollart-Vertrages vom 8. April 1960 ist es erforderlich, Einvernehmen mit den Niederlanden über eine vom Bund zu vertretende Umleitung der Ems sowie über die darauf aufbauenden Hafenpläne des Landes Niedersachsen herzustellen. Die Bundesregierung sieht vor Abschluß der weiter notwendigen Untersuchungen insbesondere über die Auswirkungen auf den Dollart keine Möglichkeit, entsprechende Verhandlungen mit dem Königreich der Niederlande einzuleiten.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, nachdem Sie auch in diesem Fall bestätigt haben, daß die Voraussetzungen für den Bau eines Dollarthafens in Emden noch längst nicht geklärt sind, muß ich nun doch die Frage stellen: Muß man nicht die zahlreichen Meldungen einiger Ihnen nahestehender Politiker als falsch und sogar unverantwortlich bezeichnen, die die ostfriesische Bevölkerung glauben machen wollen, der Bau des Dollarthafens stehe kurz bevor, und dies sei darüber hinaus auch noch ihr eigenes Verdienst?
Herr Kollege, im Zuge der Untersuchungen, die die Bundesanstalt für Wasserbau, und zwar die AußenParl. Staatssekretär Jung
stelle „Küste", angestellt hat, ist man natürlich zu gewissen Ergebnissen in der Form gekommen, daß man eine an sich günstige technische Lösung gefunden hat. Möglicherweise beziehen sich die Äußerungen, die Sie erwähnten und die ich nicht kenne, auf diese, ich möchte einmal sagen, vorläufige Untersuchung der Bundesanstalt für Wasserbau, die, wie gesagt, zu gewissen Ergebnissen gekommen ist.
Unabhängig davon habe ich aber darauf verwiesen, daß nunmehr als Folge dieser günstigen technischen Lösung eine Reihe weiterer Untersuchungen notwendig sind, um beispielsweise zu prüfen, welche Auswirkungen die Schlickablagerungen haben, die sich ja ändern. Ich weise noch einmal darauf hin, daß die Bundesregierung und das Land Niedersachsen in diesem Fall auf Grund des schon erwähnten Vertrages Kontakt mit dem Königreich Niederlande aufnehmen müssen.
({0})
Sie haben zwei Zusatzfragen gehabt, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Ist der Bundesregierung der Anlaß für die Reise des 1. Vorsitzenden der Deutschen Bundesbahn, des 1. Vorsitzenden der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands sowie der Mitglieder des Vorstands der Deutschen Eisenbahnversicherungskasse - der betrieblichen Sozialeinrichtung der Deutschen Bundesbahn - gemeinsam mit ihren Ehegattinnen nach Südafrika bekannt?
Herr Kollege Dr. Jobst, Ihre Frage muß ich mit Nein beantworten.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, da Sie meine Frage so schlicht und einfach beantwortet haben, möchte ich Sie fragen: Meinen Sie nicht, nachdem unter den Eisenbahnern eine beträchtliche Unruhe entstanden ist, als sie hörten, daß Mitglieder des Vorstandes der Bundesbahn, Vorstandsmitglieder der Eisenbahnversicherungskasse, und der 1. Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands eine Reise nach Südafrika unternommen haben, während andererseits entscheidende Einsparungsmaßnahmen bei der Eisenbahn angekündigt wurden, daß der Zweck und die Finanzierung dieser Reise von der Regierung als der für die Bundesbahn zuständigen Aufsichtsstelle offengelegt werden müßten?
Herr Kollege Jobst, um Mißverständnisse zu vermeiden, wiederhole ich die Antwort auf die erste Frage, die Sie gestellt haben, noch einmal etwas ausführlicher: Der Bundesregierung ist der Anlaß dieser Reise nicht bekannt. Ihre jetzt gestellte Zusatzfrage ist im Grunde Ihre Frage Nr. 48. Hier kann ich Ihnen sagen, daß die Bundesregierung der Ansicht ist, daß dieser Ihrer Forderung nachgegangen werden sollte, weil die Bundesregierung weiß, daß zu der Reise der Eisenbahner Fragen gestellt werden. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat auch mitge- teilt, daß er in der nächsten Sitzung des Verwaltungsrates, am 13. Dezember 1974, über Anlaß und Finanzierung der Reise berichten wird.
({0})
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist es nicht merkwürdig, wenn Sie heute als Vertreter der Bundesregierung sagen, daß Ihnen und der Bundesregierung der Anlaß der Reise nicht bekannt sei, obwohl ich in meiner Frage um Auskunft darüber gebeten habe? Ich frage Sie noch einmal: Hat sich die Regierung auch dessen versichert, daß es ausgeschlossen ist, daß für diese Reise eine gemeinsame Kasse Pate gestanden hat?
Herr Kollege Jobst, wir können uns nur auf die Angaben berufen, die uns die Deutsche Bundesbahn zu diesem Thema gibt. Hier kann ich Ihnen nur sagen, daß z. B. der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn für den fraglichen Zeitraum seine urlaubsbedingte Abwesenheit ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hat.
Was den 1. Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft bewogen hat, diese Reise anzutreten, das, glaube ich, Herr Kollege Dr. Jobst, können sie ihn, der ja auch dem Deutschen Bundestag angehört, selbst fragen. Die Bundesregierung hat keine Veranlassung, hier nachzufragen, sondern nur bei der Deutschen Bundesbahn, und insoweit habe ich Ihnen die Auskunft gegeben, die wir von der Deutschen Bundesbahn bekommen haben.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß Sie die Frage 48 des Kollegen Dr. Jobst schon mit beantwortet haben?
Ja.
Dann gilt die Frage 48 als mit aufgerufen:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß der Anlaß und die Finanzierung dieser Reise klargestellt werden sollten, um eine weitere Unruhe unter den Eisenbahnern angesichts der verkündeten Sparmaßnahmen bei der Bahn einerseits und dieses Vorgangs andererseits zu verhindern?
Hierzu hat der Herr Abgeordnete Dr. Jobst zwei weitere Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, finden Sie es nicht eigenartig, daß Sie heute meine Frage nicht beantworten, daß Sie sich darauf hinausreden wollen, dazu müsse erst die Bundesbahn gehört werden? Sind Sie mit mir der Auffassung, daß die von mir gestellte Frage hier beantwortet werden muß?
Herr Kollege Jobst, Sie wissen wahrscheinlich sogar besser als ich - Sie haben vorhin den Namen angedeutet --, daß die Deutsche Eisenbahnversicherungskasse als anerkannte Selbsthilfeeinrichtung der Deutschen Bundesbahn ein Verein auf Gegenseitigkeit ist und daß wir hier, wie gesagt, von seiten der Bundesregierung überhaupt keine Einwirkungsmöglichkeit haben, es sei denn in der Form einer Frage an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn. Dieser hat ja bereits angekündigt, daß er über Zweck, Anlaß und Finanzierung der Reise am 13. Dezember 1974 Erklärungen abgeben wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es in der Republik Südafrika beispielhafte Einrichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahnverkehrs oder betrieblicher Sozialeinrichtungen bei der Eisenbahn, die es in der Bundesrepublik nicht gibt und die eine so weite und anstrengende Reise mit Ehefrauen als nützlich erscheinen ließen?
Herr Kollege Jobst, die Frage, ob es in der Republik Südafrika einschlägige Einrichtungen gibt, die über den Rahmen dessen, was wir in der Bundesrepublik haben, hinausgehen, kann ich Ihnen ins Augenblick nicht beantworten.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Beleuchtung in den Zügen und Schienenbussen der Deutschen Bundesbahn, die insbesondere dem Berufsverkehr und der Schülerbeförderung dienen, derart unzureichend ist, daß Sehschäden nicht ausgeschlossen werden können?
Herr Kollege Immer, bei der Deutschen Bundesbahn sind zur Zeit nur noch 750 Schienenomnibuseinheiten und rund 1000 älierer Reisezugwagen mit Glühlampenbeleuchtung im Bezirksverkehr im Einsatz, die der seit 1964 international vorgeschriebenen mittleren Beleuchtungsstärke von 150 Lux im Fahrgastraum nicht entsprechen. Der Umbau auf eine leistungsfähigere Leuchtstofflampenbeleuchtung ist wegen der bereits vorgesehenen Außerdenststellung nicht mehr beabsichtigt.
( Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade in solchen Zügen bzw. Wagen insbesondere Kinder zur Schule transportiert werden, die in der Regel dort ihre Schularbeiten machen, oder Arbeitnehmer fahren, die ihre „Bild"-Zeitung lesen, und meinen Sie, daß man das auf Dauer verantworten kann?
Herr Kollege Immer, ich glaube, Sie können nicht so generell sagen, daß nur oder hauptsächlich Schulkinder und Arbeitnehmer in diesen Wagen transportiert werden. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß eine Reihe dieser Wagen im Nahverkehr mit eingesetzt wird. Aber ich habe soeben darauf hingewiesen, daß die Außerdienststellung dieser Wagen bevorsteht und daß sie nur einen geringen Anteil ausmachen. Ich darf Ihnen sagen: Wenn ich 1 000 ältere Reisezugwagen erwähnt habe, dann ist das ein Anteil von knapp 8 % der 18 000 Reisezuwagen, die eingesetzt sind, so daß es also gar kein großer Anteil sein kann.
Ich möchte Ihre zweite Frage nicht vorwegnehmen; in der Antwort auf diese Frage wird der Anteil der Personen angegeben, die in solchen Wagen transportiert werden.
Herr Kollege Immer, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen: Gibt es einen Terminplan, wann diese Züge bzw. Wagen durch andere, neue ersetzt werden?
Herr Kollege Immer, diese Wagen werden laufend ersetzt. Allerdings muß ich hinzufügen, daß die finanzielle Situation der Deutschen Bundesbahn derzeit so ist, daß ich einen exakten Terminplan nicht bekanntgeben kann. Die Aussonderung wird sukzessive nach dem jeweiligen Wagenzustand erfolgen.
Ich kann gerade noch Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter Immer, aufrufen, nämlich die Frage 50:
Wie viele Personen werden täglich in unzureichend beleuchteten Zügen und Schienenbussen der Deutschen Bundesbahn befördert, und gibt es Pläne, diese Situation in Kürze zu verbessern?
Wir sind dann nämlich am Ende der Fragestunde. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Zahl der in Bundesbahnzügen mit minderer Ausleuchtung beförderten Reisenden beParl. Staatssekretär Jung
trägt etwa 1 bis 2 % der Gesamtzahl der beförderten Reisenden pro Tag.
Nach Ausmusterung der Schenenomnibusse und älteren Reisezugwagen werden der Deutschen Bundesbahn ausschließlich bedingungsgemäße Fahrzeuge für den Reiseverkehr zur Verfügung stehen. Die Neubeschaffung der nächsten Jahre - das habe ich soeben schon erwähnt - richtet sich allerdings nach den verfügbaren Mitteln.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Hochschulrahmengesetzes ({0})
- Drucksache 7/1328 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/2905 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2})
- Drucksachen 7/2844, 7/2932 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Gölter
Abgeordneter Möllemann Abgeordneter Dr. Schäuble Abgeordneter Dr. Schweitzer Abgeordneter Dr. Wernitz
({3})
Hierzu liegt ein Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP gemäß § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung auf Drucksache 7/2947 vor.
Das Wort zur Begründung des Antrages hat der Herr Abgeordnete von Bülow.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß müssen die Kolleginnen und Kollegen, die heute ins Plenum geeilt sind, um Entschuldigung bitten dafür,
({0})
daß wir ihre Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nehmen müssen, um einen Schildbürgerstreich wiedergutzumachen, den wir als Mehrheitsfraktionen nicht verhindern konnten. Wir waren einige wenige Miauten lang in der Minderheit, weil wir beim Hochschulrahmengesetz davon ausgehen konnten - ich werde das nachher noch nachweisen -, daß hiermit keinerlei Kosten für den Bundeshaushalt verbunden sind.
({1})
Herr Abgeordneter von Bülow, einen Augenblick. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch, freundlicherweise Platz zu nehmen, damit der Redner überall im Hause verständlich wird.
Bitte, Herr Kollege!
Da nun nachweislich nahezu keine Kosten auf den Bundeshaushalt zukommen, hatten wir uns in der Sicherheit gewähnt, daß diese Abstimmung nicht strittig über die Bühne gehen müsse. Es kam leider Gottes anders, weil wir in dieser Sicherheit drei unserer Mitglieder in den Guillaume-Ausschuß entsandt hatten und zwei weitere zur Zeit der Abstimmung gerade telefonierten.
({0})
Der Haushaltsausschuß hat folgenden Beschluß gefaßt: Das Hochschulrahmengesetz sei nicht vereinbar mit der Haushaltslage. Begründung: Auf die Länderhaushalte werden voraussichtlich eine Reihe von Mehrausgaben zukommen. Diese Kosten sind nicht beziffert worden. Es konnte deshalb ein Deckungsvorschlag auch nicht gemacht werden.
Diese auf eine Zufallsmehrheit gegründete Entscheidung wurde dann dem Geschäftsordnungsausschuß mit der Bitte zugeleitet, festzustellen,
({1})
ob sie den Anforderungen von § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung entspreche.
Der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses lautet folgendermaßen:
Der Bericht des Haushaltsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes vom 4. 12. 1974 genügt nicht den Anforderungen des § 96 der Geschäftsordnung. Auf Grund der Überweisung eines Gesetzes an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung muß die Vereinbarkeit der Vorlage mit der Haushaltslage des Bundes gemäß § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung geprüft und beurteilt werden.
Unser Versuch, im Haushaltsausschuß eine gütliche Regelung zustande zu bringen, die das Problem löst, stieß auf den Widerstand der Opposition, was zur Folge hat, daß wir Sie, meine Damen und Herren, hier im Plenum mit diesem Thema befassen müssen.
Der Deckungsvorschlag muß nach § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung jetzt aus der Mitte des Hauses unterbreitet werden. Der Antrag liegt Ihnen vor. Er hat folgenden Wortlaut:
Der Entwurf des von der Bundesregierung eingebrachten Hochschulrahmengesetzes ist mit der Haushaltslage des Bundes vereinbar. Die dem Bund aus diesem Rahmengesetz entstehenden geringfügigen Kosten sind in dem Entwurf des Haushaltsplans 1975 und in der mittelfristigen Finanzplanung bereits berücksichtigt.
Kosten, die dem Bund aus der Durchführung dieses Gesetzes zusätzlich entstehen, sind mit der Lupe zu suchen. Es kann auf Grund des Hochschul9286
rahmengesetzes zu einer Bundeshochschulkonferenz kommen. An dieser Bundeshochschulkonferenz ist der Bund aber nicht beteiligt. Sie kann auch nur zustande kommen, wenn die Länder sich darauf einigen.
Die Entwicklung des Fernstudiums - dies ist ein weiterer Punkt - ist bereits in Kap. 31 02 und 31 05 des Haushalts berücksichtigt. Insofern kommen hier keine weiteren Kosten auf den Bundeshaushalt zu.
Die Entwicklung eines besonderen Auswahlververfahrens für die Universitäten durch Bund und Länder ist in Kap. 31 05 mit 1,4 Millionen DM berücksichtigt. Die personalrechtliche Anpassung für die Bundeshochschulen - z. B. die Bundeswehrhochschulen - wird durch dieses Gesetz nicht unmittelbar geregelt. Selbst wenn man zugrunde legte, daß sie hier geregelt würde, würden die Kostensteigerungen sich mit den Kostensenkungen ausgleichen.
Die Folgerung aus all dem ist: Der Gesetzentwurf ist nach § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung mit der Haushaltslage des Bundes vereinbar. Die Haushaltslage der Länder ist nicht Gegenstand der Beschlußfassung. Ich möchte aber nebenbei bemerkt in bezug auf die Haushaltslage der Länder darauf hinweisen, daß es sich hier urn ein Rahmengesetz handelt. Ein Rahmengesetz bedarf der Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber. Die unmittelbaren Kosten entstehen dadurch, daß die Landesgesetzgeber den Rahmen ausfüllen. Den Ländern werden durch dieses Rahmengesetz also keinerlei unmittelbare Kosten entstehen. Auch der gewichtigste Punkt, die Hochschullehrerbesoldung, ist nicht in diesem Gesetz geregelt. Die Hochschullehrerbesoldung wird auf Vorschlag der Länder vielmehr im Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und -neuregelungsgesetz in der Besoldungsordnung C geregelt.
Ich möchte noch auf die Begründung des Bayerischen Hochschulgesetzes hinweisen.
({2})
Ich bitte die Damen und Herren noch einmal, doch Platz zu nehmen, damit der Redner im gesamten Haus verständlich ist. Ich sehe immer wieder, daß Kollegen die Hand an die Ohren legen, um auf diese Weise etwas von der Rede mitzubekommen.
Im Entwurf eines Bayerischen Hochschulgesetzes - Landtagsdrucksache 3086 vom 22. September 1972 ist unter „Kosten" ausgeführt:
Unmittelbare Kosten entstehen im wesentlichen nur durch die staatliche Finanzierung der Studentenvertretung sowie durch die hauptberufliche Leitung der Hochschule.
Mit Kosten für den Bundeshaushalt aus der Durchführung des Hochschulrahmengesetzes ist nicht zu rechnen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Herr Kollege von Bülow eben von „Schildbürgerstreich" und von „Zufallsmehrheiten" gesprochen hat, zeigt das nur, daß offenbar bisher immer noch nicht klar ist, welche großen Kostenbewegungen unter Umständen mit diesem Gesetz verbunden sind.
({0})
Wir müssen leider diesen sehr ungewöhnlichen Weg vor einer zweiten Lesung dieses Gesetzes beschreiten, weil sich die Bundesregierung bis heute beharrlich geweigert hat, konkrete Aussagen zu den Kosten des Hochschulrahmengesetzes zu machen. Bereits im Regierungsentwurf vom 30. November 1973 findet sich entgegen den sonstigen Gepflogenheiten bei einer Gesetzesvorlage keine Aussage über den Kostenteil. Das hat den Bundesrat dazu veranlaßt, konkret zu fordern, daß bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens eine solche genaue Kostenberechnung nachgereicht wird. Dies wurde zugesagt; trotzdem wurde bis heute keine solche Kostenberechnung eingereicht.
Die CDU/CSU-Fraktion hat das zum Anlaß genommen, in einer Kleinen Anfrage wiederum die Kostenfrage ins Parlament zu bringen. In der Antwort vom 5. September 1974 ist wiederum keinerlei konkrete Angabe zum Kostenpunkt enthalten. Es ist in dieser Antwort lediglich auf einen Brief des Bundesbildungsministers an den Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft vom 24. April 1974 verwiesen. Ich darf aus diesem Brief den zentralen Kernsatz wörtlich zitieren:
Eine Kostenberechnung für einzelne Kostenpositionen, die über die - notwendigerweise - relativ globalen und groben Kostenschätzungen des Bildungsgsamtplanes hinausgeht, ist derzeit kaum möglich.
Es ist diesem Brief eine Liste mit 33 Positionen und vier Kostenspalten beigefügt, und in keiner einzigen Spalte, bei keiner einzigen Position ist irgendeine Zahlenangabe enthalten.
({1})
Auch im Bericht des Fachausschusses an den Haushaltsausschuß ist über die Kostenseite kein einziges Wort verloren. Es heißt dort lediglich, der Haushaltsausschuß werde sich mit der Kostenfrage befassen.
Der Haushaltsausschuß hatte am 4. Dezember über die Kostenfrage zu befinden. Bei diesem Tagesordnungspunkt im Haushaltsausschuß hat es die Bundesregierung nicht für notwendig gehalten, zur Kostenfrage mit irgendeinem Satz Stellung zu nehmen.
({2})
Ich möchte nun, nachdem der Kollege von Bülow das getan hat, auch noch ein paar Worte zum Ablauf dieser Sitzung sagen. Es gab einige Zeitungen,
die offenbar daran gewöhnt waren, daß alle Anträge und Vorschläge der Opposition regelmäßig von einer Mehrheit der Koalition niedergestimmt werden, die darüber verwundert waren, daß es hier einmal möglich war, eine gegenteilige Mehrheit zu erreichen. Die haben dann gemutmaßt, daß hier die Koalition in einer raffinierten Weise überlistet worden wäre.
So schmeichelhaft diese Vermutung für die Opposition sein mag: ich muß um der Wahrheit willen sagen, daß der Ablauf dieser Sitzung völlig normal war. Unsere Haushaltsgruppe hat bereits am Tage vorher bei der Vorbesprechung festgestellt, eine Kostendeckung sei nicht vorhanden. Es war lediglich die Tatsache, daß wir eine Stimme Mehrheit hatten, dann dafür ausschlaggebend, daß sich diese unsere Überzeugung auch im Votum des Ausschusses niedergeschlagen hat.
Ich möchte nun - ganz kurz jedenfalls - darauf eingehen, inwieweit hier der Bundeshaushalt von der Kostenseite her ganz entscheidend tangiert ist und warum wir der Auffassung sind, daß dieses Gesetz mit der Haushaltslage des Bundes nicht vereinbar ist. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine ausführliche Auflistung aller kostenwirksamen größeren Punkte aufgeführt. Ich möchte Ihnen von dieser Auflistung nur diejenigen Punkte vortragen, die für den Bundeshaushalt von unmittelbarer Bedeutung sind.
Es sind dies die folgenden Komplexe: 1. Kosten für die integrierte Gesamthochschule, 2. Kosten für die Bundeshochschulkonferenz, 3. Kosten für die Erprobung der Reformmodelle, 4. Kosten für eine Reformkommission oder Reformkommissionen, 5. Kosten für Studium im Medienverbund, 6. soziale Förderung der Studenten, 7. besondere Bedürfnisse ausländischer Studenten, 8. Betreung der Studenten, 9. integrierte Studiengänge, 10. Weiterbildung des Personals, i 1. Forschungsmöglichkeiten für Professoren, 12. Aufbaustudiengänge, 13. weiterbildendes Studium, 14. Freistellung von Lehrpersonal, 15. besondere Studieneingangsverfahren.
Der Bundeshaushaltsplan ist von diesen Punkten unmittelbar berührt, nicht nur wegen der von Herrn von Bülow schon genannten Bundeswehrhochschulen, sondern z. B. auch wegen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, für die ja der Bund bekanntlich 50 % der Kosten zu tragen hat. Außerdem ist der Bund kostenpflichtig für die Ausbildungsförderung, und Sie wissen, weiche astronomischen Summen uns das in den letzten Jahren gekostet hat. Es kommt hinzu, daß der Bund vielfältig für Forschungseinrichtungen der Hochschulen finanziell einzustehen hat, außerdem für die zentralen Maßnahmen von Modell- und Reformvorhaben - der Medienverbund ist bereits genannt worden -, weiterhin für Aus- und Fortbildungsvorhaben im Hochschulbereich.
Die Bundesregierung hat nun, weil sie eben keine verbindlichen Aussagen treffen wollte, auf die Finanzierungsdiskussion zum Bildungsgesamtplan verwiesen. Aber gerade diese Diskussion über die Finanzierung des Bildungsgesamtplans zeigt ja nun mit besonderer Deutlichkeit, wie notwendig eine konkrete Aussage über die Kosten des Hochschulrahmengesetzes gewesen wäre.
({3})
Hierzu gibt es eine Äußerung einer Staatssekretärsgruppe vom 2. Mai 1974 unter Leitung des damaligen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Herrn Dr. Schüler, heute noch der engste Mitarbeiter des Bundeskanzlers. Die zentrale Stelle in diesem Gutachten der Staatssekretäre lautet - ich darf sie wörtlich zitieren -:
Das Gutachten hat die Sorge der Finanzminister bestätigt, daß die quantitativen Zielsetzungen des Bildungsgesamtplanes bis 1985 nicht voll finanziert werden können.
Und weiter unten heißt es:
Dies gilt selbst für den Fall von weiteren Steuererhöhungen.
Erst vorgestern ist ein neuer Finanzierungsplan mit reduzierten Zahlen bekanntgeworden, der von den Ministerpräsidenten und den Finanzministern ebenfalls nicht akzeptiert ist.
Ich darf zusammenfassen: Trotz zweijähriger Diskussion hat sich die Bundesregierung bisher beharrlich geweigert, irgendwelche konkreten Zahlen zu diesem Gesetz zu nennen. Auch der Ihnen jetzt vorliegende sogenannte Deckungsvorschlag enthält keinen einzigen Satz zu dem wirklichen Finanzvolumen, zu den wirklichen Kosten dieses Gesetzes. Ich finde es außerordentlich merkwürdig, daß weder der Bundeskanzler noch sein Finanzminister diese Sache zum Anlaß nimmt, hier eine solide Finanzpolitik darzustellen.
({4})
Die Fraktion der CDU/CSU hält deshalb nach wie vor daran fest, daß dieser Gesetzentwurf mit der Haushaltslage des Bundes nicht vereinbar ist, und bittet, den Antrag der Koalition abzulehnen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gewiß keine politische Meisterleistung des Haushaltsausschusses,
({0})
das Plenum des Deutschen Bundestages in diesem Augenblick mit dieser Geschäftsordnungsfrage zu befassen - man kann auch sagen: zu belästigen.
({1})
Meine Damen und Herren, es kommt dabei auch nicht so sehr auf Zufallsmehrheiten oder Zufallsminderheiten an.
({2})
Auch so zustande gekommene Entscheidungen müssen sich nun einmal in Übereinstimmung mit der
Rechtslage befinden. Eben das tut dieser Beschluß nicht, wie Ihnen allen der Geschäftsordnungsausschuß einstimmig bescheinigt hat.
Meine Damen und Herren, das Prüfungsrecht des Haushaltsausschusses erstreckt sich gemäß § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung auf die Frage nach der finanziellen Vereinbarkeit einer Beschlußempfehlung in bezug auf Inhalt und Umfang -- mit dem Bundeshaushalt. Der Haushaltsausschuß hat bei seiner Entscheidung die Grenzen des Prüfungsrechts überschritten. Das allein ist der Grund, warum es noch einmal zur Beschlußfassung in der Sache kommen muß, und zwar auf der Grundlage der richtig interpretierten und richtig erfaßten Beschlußkompetenz.
Meine Damen und Herren, nun kann sich in der Tat jeder irren, auch der Haushaltsausschuß. Irren ist menschlich. Aber es wäre, so meine ich, noch menschlicher gewesen, wenn dieser Irrtum schlicht und schnell vom Haushaltsausschuß selbst bereinigt worden wäre. Die Koalitionsfraktionen hätten dem Ausschuß und seinem Vorsitzenden gern den öffentlichen Tadel erspart.
({3})
Aber wir müssen sagen: Hier irrte Albert Leicht schwer.
Was nun den Inhalt des jetzt gestellten Antrags betrifft, so ist nur zu sagen: Die tatsächlich erkennbare Belastung des Bundeshaushalts durch die Gesetzesvorlage müssen Sie schon mit der Lupe suchen. Aus diesem Grunde entspricht der jetzt von der Koalition gestellte Antrag voll der Rechtslage und der Haushaltslage.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag gemäß § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung. Das ist die Drucksache 7/2947. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Nach § 96 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung gilt der soeben angenommene Antrag als an den Haushaltsausschuß überwiesen, der zu ihm Stellung nimmt und die Finanzvorlage sodann dem Bundestag zur abschließenden Beratung vorlegt. Wir werden daher morgen mit der Beratung dieses Tagesordnungspunktes fortfahren.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 12. Dezember, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.