Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. November 1974 hat der Abgeordnete Dr. Jahn ({0}) seinen 60. Geburtstag gefeiert. Ich glaube, er ist nicht im Saal; dennoch gratulieren wir ihm nachträglich herzlich.
Die Fraktion der CDU/CSU schlägt vor, für den als Stellvertreter des Abgeordneten Höcherl aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Dr. Kreile den Abgeordneten Dr. Althammer zu bestimmen. - Das Haus ist damit einverstanden. Kein Widerspruch; so beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Dr. Althammer als Stellvertreter des Abgeordneten Höcherl in den Vermittlungsausschuß entsandt.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für eine Verordnung über Gemeinschaftsanleihen
- Drucksache 7/2778 -zuständig: Haushaltsausschuß ({1}), Finanzausschuß, Ausschuß für Wirtschaft
Betr.: Vorlage des „Umweltgutachtens 1974" des Rats von
Sachverständigen für Umweltfragen
- Drucksache 7/2802 -zuständig: Innenausschuß
Betr.: Haushaltsführung 1974 - Epl. 14 ({2})
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
- Drucksache 7/2841 zuständig: Haushaltsausschuß
Betr.: Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 23 02 Tit. 686 24 ({3})
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
- Drucksache 7/2851 zuständig: Haushaltsausschuß
- Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen; dann ist so beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Dr. Jahn ({4}), Dr. Jobst und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage betr. Lage der Städte, Gemeinden und Kreise - Drucksache 7/2745 -, der in der 128. Sitzung des Deutschen Bundestages an den Innenausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wurde, dem Finanzausschuß mitberatend zugewiesen werden. - Kein Widerspruch; so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. November 1974 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zu dem Ergänzungsprotokoll zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zu der Gemeinschaft, Ergänzenden Internen Finanzabkommen und Ergänzungsprotokoll über die EGKS-Erzeugnisse vom 30. Juni 1973
Gesetz über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft ({5})
Elftes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes
Viertes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes
Gesetz zur Änderung des Spar-Prämiengesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes
Gesetz zur Änderung des Sortenschutzgesetzes
Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts
({6})
Gesetz zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes
Gesetz über die Ermächtigung des Landes Baden-Württemberg zur Rechtsbereinigung
Zu dem Zweiten Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum ({7}) hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung beschlossen, keinen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 GG einzulegen und ferner eine Stellungnahme vorgelegt, die als Anlage ... diesem Protokoll beigefügt ist.
In seiner Sitzung am 29. November 1974 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich der folgenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:
Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung
Gesetz zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls
Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
Seine Schreiben werden als Drucksachen 7/2875, 7/2876, 7/2877 verteilt.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 18. November 1974 die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1975 ({8}) - Drucksache 7/2440 - sowie die Auffassung der Bundesregierung zu dem Beschluß des Bundesrates übersandt, die als Drucksache 7/2830 verteilt ist.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 18. November 1974 die Stellungnahme des Bundesrates zum Finanzplan und Investitionsprogramm des Bundes 1974 bis 1978 - Drucksache 7/2503 - sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zum Beschluß des Bundesrates übersandt, die als Drucksache 7/2831 verteilt ist.
Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 19. November 1974 die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 - Drucksachen 7/2580, 7/2690 - übersandt, die als Drucksache 7/2839 verteilt ist.
Präsident Frau Renger
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt hat mit Schreiben vom 13. November 1974 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, für Wirtschaft, des Innern sowie für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burger, Dr. Gruhl, Dr. Marx, Braun und Genossen betr. Koordinierung bei der Erstellung von Großprojekten am Oberrhein - Drucksache 7/2675 ({9}) - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2840 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 21. November 1974 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Götz, Franke ({10}), Müller ({11}), Müller ({12}), Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Burger, Lampersbach, Pohlmann und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. finanzielle Situation in der sozialen Krankenversicherung - Drucksache 7/2736 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2850 verteilt.
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt hat mit Schreiben vorn
28. November 1974 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung, für Wirtschaft, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Justiz sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Mertes ({13}), Dr. Narjes, Dr. Marx, Baron von Wrangel, Dr. Warnke, Dr. Birrenbach, Dr. Abelein, Dr. Wörner, Dr. Todenhöfer, Dr. Wulff, Jäger ({14}), Milz, Dr. Kunz ({15}) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Auswirkungen der Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen auf die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 7/2666 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2856 verteilt.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vorn 26. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lattmann, Dr. Meinecke ({16}), Wimmer, Brandt ({17}), Dr. Enders, Engholm, Ewen, Frau Grützmann, Rappe ({18}), Dr. Schweitzer, Peter, Vogelsang, Dr. Wernitz, Wüster, Frau Schuchardt, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Hoffie und Genossen betr. Hochschulkapazitäten - Drucksache 7/2703 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2858 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom
29. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Gölter, Dr. Marx, Dr. Wagner ({19}) und der Fraktion der CDU /CSU betr. Sparappell beim Ölverbrauch - Drucksache 7/2735 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2872 verteilt.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung rufe ich nunmehr zunächst Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften ({20}) - Drucksachen 7/2861, 7/2880 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß ({21})
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
- Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Wer diesen Vorschlägen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 7/2857 Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, daß wir auch in dieser Woche abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde die beiden Fragestunden mit einer jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. Gemäß § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit können wir in die Fragestunde eintreten. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Glotz steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 der Abgeordneten Frau Benedix auf:
Wie kann die Bundesregierung aus einer im Landkreis Wetzlar im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft vorgenommenen Befragung über die Beurteilung der integrierten Gesamtschule zu dem Ergebnis „positiv" kommen, wenn nur 45 % der befragten Eltern der Meinung ist, daß Hessen das Land der erfolgreichsten schulischen Reformversuche ist und sich nur 64 $ „recht wohl" in dieser Schule fühlen, während es in den gegliederten Schulen nach einer großen Repräsentativumfrage zwischen 87 % und 75 % sind, die sich zufrieden geäußert haben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin! Frau Kollegin! Das Ergebnis der von Ihnen angeführten Befragung von Eltern, Lehrern und Schülern im Landkreis Wetzlar zu Fragen der dort umfassend erprobten integrierten Gesamtschule ist eindeutig zugunsten der Gesamtschule ausgefallen. Folgende Ergebnisse verdeutlichen das:
66 % der befragten Lehrer und 60 % der Eltern sprachen sich für die Einführung der integrierten Gesamtschule in ganz Hessen aus. 92 % der Lehrer und 78 % der Eltern betrachteten die integrierte oder kooperative Gesamtschule als „Schule der Zukunft", dagegen gaben nur 6 % der Lehrer und 19 % der Eltern dem dreigegliederten Schulwesen dieses Prädikat.
86 % der befragten Schüler an den Gesamtschulen des Landkreises Wetzlar antworteten auf die Frage „Würden Sie lieber in eine andere Schule gehen?" mit „Nein". Nur 13 °/o wollten lieber in eine andere Schule. Damit ist das Wohlbefinden dieser Schüler sogar noch größer als das von Ihnen aus einer mir nicht bekannten anderen Erhebung zitierte Befinden von Schülern gegliedeter Schulen.
Auch die Antworten auf die Frage nach den Ländern mit der erfolgreichsten Schulversuchspolitik, auf die Sie Bezug nehmen, stützen die übrigen Befunde. Zwar waren 21 % der Lehrer und 49 % der Eltern hier so zurückhaltend, auf ein Urteil zu verzichten, weil man ja nur vergleichen kann, was man kennt. Von denen, die sich äußerten, stellten bei den Lehrern 52 % und bei den Eltern 44 % die hessische Schulversuchspolitik an die erste Stelle, an zweiter Stelle folgt Hamburg, an dritter Stelle Berlin. Die bayerische Schulversuchspolitik hielten nur 4 % der Lehrer und 5 % der Eltern für am erfolgreichsten. Interessant ist schließlich, daß bei den Eltern, die sich überhaupt zu dieser Frage äußerten, die Anhänger aller drei demokratischen Parteien, also der SPD, der CDU und der FDP, die hessische Schulversuchspolitik an die erste Stelle setzten. Bei den SPD-Anhängern waren es 65 %, bei den FDP-Anhängern 62 % und bei den CDU-Anhängern 37 %. Die Ergebnisse der Umfrage, die gegenwärtig aufbereitet werden, wird die Bundesregierung im übrigen allen Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Verfügung stellen.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin!
Herr Staatssekretär, kann ich Sie angesichts der Ergebnisse der großen Repräsentativumfrage, die Sie eben auch erwähnten und in der nach der Bewertung die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Saarland an der Spitze liegen und Hessen mit dieser geringen Zufriedenheitsquote das Schlußlicht bildet, so verstehen, daß Sie sagen, für eine bessere Ausrüstung der integrierten Gesamtschule müsse man eventuell diese negative Beurteilung in den gegliederten Schulen in Kauf nehmen?
Ich habe Sie nicht genau verstanden, Frau Kollegin, ob Sie auf die Wetzlarer Untersuchung Bezug nehmen, von der ich eben gesprochen habe. Aus dieser Untersuchung gehen die Bewertungen, die Sie gerade genannt haben, so nicht hervor.
Auf Ihre Frage allgemein: Ich meine nicht, daß man entscheidende qualitative oder sonstige Rückgänge in der Leistung eines bestimmten Schulsystems in Kauf nehmen soll. Dies ist gerade bei der Gesamtschule nicht beabsichtigt. Die Gesamtschule soll wohl soziale Gerechtigkeit verstärken, aber auf der anderen Seite sowohl die Leistung des einzelnen als auch die Leistung des gesamten Schulsystems nicht verschlechtern. Dies ist das Ziel einer Politik der Gesamtschulen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugestehen, daß neben den Fragen, die hier gestellt und von den Eltern beantwortet wurden, auch die Frage der Wettbewerbschancen anderen Schülern gegenüber im tertiären Bereich, also sowohl bei der Berufsausbildung als auch bei der Hochschule, eine entscheidende Rolle spielt, und können Sie mir sagen, welche Vergleichsergebnisse es zwischen den Schulabgängern dieser integrierten Schule des Kreises Wetzlar und den Schulabgängern gegliederter Schulen gibt?
Daß die Wettbewerbschancen für die Eltern entscheidend sind, ist zweifellos richtig. Ich kann Ihnen aber auf Grund der ersten, noch nicht schriftlich, sondern nur mündlich vorliegenden Ergebnisse der genannten Untersuchung in Wetzlar keine konkrete Auskunft darüber geben, wie die Wettbewerbschancen an der Wetzlarer Schule nach diesen Untersuchungen sind. Wir werden, wie gesagt, die Untersuchungsergebnisse, sobald sie uns schriftlich vorliegen, allen Fraktionen des Bundestags zuleiten. Das wird in den nächsten Wochen der Fall sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig.
Herr Staatssekretär, beziehen sich die Antworten, die Sie gegeben haben, nur auf Erkenntnisse aus dem Kreis Wetzlar, oder trifft es zu, daß auch in anderen Kreisen des Landes Hessen, in denen Gesamtschulversuche, beispielsweise im Kreis Hanau, unternommen wurden, ähnliche, überwiegend positive Ergebnisse erzielt wurden?
Dies trifft zu, Herr Kollege Flämig. Die Zitate und die Zahlen, die ich genannt habe, bezogen sich allerdings entsprechend der Frage der Kollegin Benedix auf die Umfrage in Wetzlar. Aus anderen Bereichen liegen ähnliche Ergebnisse vor.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Wüster wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Parlamentarische Staatssekretär Buschfort steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Maucher auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wieviel Anträge gemäß § 48 des Bundesversorgungsgesetzes ({0}) bei den Versorgungsämtern eingegangen sind?
Herr Kollege, wenn Sie gestatten, würde ich die Fragen 3 und 4 gern im Zusammenhang beantworten.
({0})
Dann rufe ich auch die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Maucher auf:
Kann die Bundesregierung sagen, wieviel Anträge abgelehnt und wieviel positiv entschieden wurden, und wie hoch die finanziellen Aufwendungen sind?
Die von Ihnen gewünschten Zahlenangaben können noch nicht gemacht werden, weil das Verfahren für statistische Erhebungen in der Kriegsopferversorgung im Rahmen des Ausbaues einer Sozialdatenbank umgestellt worden ist. Dem von den Ländern übermittelten Datenbestand sind die Sie interessierenden Zahlen infolge unterschiedlicher Programmgestaltung für die maschinelle Datenverarbeitung leider nicht vollständig zu entnehmen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat bereits bei den Ländern angeregt, künftig die erforderlichen Daten zu erfassen und der Sozialdatenbank zu übermitteln. Wann die Voraussetzungen dafür in den in Betracht kommenden Ländern gegeben sein werden, ist gegenwärtig nicht überschaubar. Ich hoffe jedoch, daß im Laufe des kommenden Jahres zumindest die Grundlage für eine zuverlässige Hochrechnung geschaffen werden kann.
Zusatzfrage, Herr Kollege Maucher!
Herr Staatssekretär, haben Sie ein so schlechtes Gewissen oder ist es wirklich nicht möglich gewesen, von den Landesversorgungsämtern Einzelzahlen zu ermitteln?
Buschfort, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich habe sicherlich kein schlechtes Gewissen. Wir werden bei den für die Kriegsopferversorgung zuständigen Landesverwaltungsbehörden einmal nachfragen, inwieweit Zahlenmaterial zur Verfügung steht. Ich würde Ihnen dieses dann gern zur Kenntnis geben.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie bereit sind, mir die Zahlen, sobald sie vorliegen, schriftlich mitzuteilen?
Dazu bin ich selbstverständlich gern bereit. Voraussetzung ist allerdings, daß die Länder ihrerseits über Zahlen verfügen.
Dritte Zusatzfrage.
Wären Sie, wenn Sie die Antwort geben, auch bereit, die Quoten, aufgeschlüsselt nach den Ländern, bekanntzugeben?
Sofern das möglich ist, wir also von den Ländern solche Informationen erhalten, selbstverständlich.
Letzte Zusatzfrage.
Ich darf Sie dann fragen: Ist Ihnen bekannt, daß z. B. im Lande Baden-Württemberg im Bereich des Landesversorgungsamtes von etwa tausend Anträgen nur 14 positiv entschieden worden sind?
Das kann ich im Augenblick nicht bestätigen. Aber sicherlich werden diese Entscheidungen auf der Grundlage des geltenden Rechts ergangen sein.
({0})
Nein, Sie haben keine Zusatzfrage mehr. Sie haben für zwei Fragen vier Zusatzfragen gehabt. Ich habe das zusammengerechnet. - Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, daß Arbeitslose künftig aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung die Anteile zur Vermögensbildung nach dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz erhalten, die bei beschäftigten Arbeitnehmern der Arbeitgeber zahlt, damit diese nicht doppelte Nachteile erleiden müssen?
Herr Kollege, darf ich auch hier bitten, die Fragen 5 und 6 im Zusammenhang beantworten zu können.
({0})
Ich rufe dann noch die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye auf:
Wäre eine gleiche Regelung auch für denjenigen Personenkreis zu erreichen, der an beruflichen Bildungsmaßnahmen im Vollzeitunterricht teilnimmt und vom Arbeitsamt Unterhaltsgeld bezieht?
Herr Kollege, das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer setzt nach seiner ganzen Konzeption das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Damit sollen die im aktiven Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer durch eine an das Arbeitsverhältnis anknüpfende vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers am volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs beteiligt werden. Es ist nach diesem Gesetz nicht eine Aufgabe der Versichertengemeinschaft oder des Bundes, anstelle des Arbeitgebers über die Leistungen zum Lebensunterhalt hinaus auch Leistungen zur Vermögensbildung zu finanzieren. Das könnte außerdem präjudizierende Wirkungen für andere Bereiche haben.
Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß auf Grund des Dritten Vermögensbildungsgesetzes seit dem 1. Januar 1971 auch die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers lohnsteuerpflichtiges Arbeitsentgelt sind, für das neben Beiträgen zur Sozialversicherung auch Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit zu entrichten sind. Sie sind daher auch bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes und des Unterhaltsgeldes mit zugrunde zu legen. Eine zusätzliche Zahlung von monatlich 52 DM an einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld würde eine doppelte Berücksichtigung der vermögenswirksam angelegten Teile des Arbeitsentgelts bei der Bemessung dieser Leistung bedeuten. Sie kann daher auch aus diesem Grunde nicht in Betracht kommen.
Praktisch ist es dennoch einem großen Teil der Arbeitslosen und auch der Umschüler möglich, die Vorteile des Dritten Vermögensbildungsgesetzes in Anspruch zu nehmen. Wenn die Arbeitslosigkeit bzw. die Umschulung nicht wesentlich länger als ein Jahr dauert, können vorher aus dem Arbeitsentgelt bis zu 624 DM vermögenswirksam angelegt und in dem neuen Arbeitsverhältnis später wieder der volle Beitrag ausgeschöpft werden. Dies beruht darauf, daß es sich bei dem Betrag von 624 DM um einen Jahresbetrag handelt. Im übrigen können Umschüler und Arbeitslose während der Umschulungsmaßnahme und Arbeitslosigkeit die allgemeinen Sparförderungsgesetze in Anspruch nehmen.
Die Bundesregierung hält es daher für problematisch, daß Arbeitslose oder Umschüler künftig aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung vermögenswirksame Leistungen erhalten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? - Bitte!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß wir dann, wenn die Vollbeschäftigung nicht in der Weise weitergeführt werden kann, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, in weiterer Zukunft zu einer etwas anderen Betrachtungsweise kommen müssen?
Herr Kollege, ich bin natürlich zuversichtlich, daß wir in Kürze die Vollbeschäftigung wiedererlangen werden. Aber gerade dann, wenn das nicht der Fall ist, ist die Frage zu stellen, ob die Versichertengemeinschaft in diesem Fall Vermögensbildung betreiben muß.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, den von Ihnen hier genannten Tatbestand in geeigneter Weise weiteren Bevölkerungsschichten bekanntzumachen?
Herr Kollege, das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung ist sehr bemüht, sozialpolitische Informationen zu verbreiten. Sie kennen unseren Informationsdienst. Sicherlich ist es eine gute Anregung, auch Ihre Fragen einmal in diesem Informationsdienst zu behandeln.
({0}) : Schönen Dank!)
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Götz auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 8 des Herrn Abgeordneten Flämig:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, Hauptschulabgänger ohne Abschluß in den Förderungsmaßnahmen nach der Berufsausbildungsbeihilfe den Abgängern der Sonderschulen gleichzusetzen?
Die Förderung der Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit erfolgt unabhängig vom Schulabschluß. Nach den vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes erlassenen Anordnungen über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung bzw. über die Arbeits- und Berufsförderung
Behinderter werden sowohl Abgänger von Sonderschulen als auch Hauptschüler ohne Abschluß gefördert, in Ausnahmefällen sogar Hauptschüler mit Abschluß, beispielsweise wegen psychischer Unteroder einer leichten Fehlentwicklung. Das gilt sowohl für Grundausbildungslehrgänge zur Vorbereitung auf bestimmte Berufsbereiche, für die Förderungslehrgänge für noch nicht berufsreife Jugendliche und auch für die Lehrgänge zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß auch die Regierung der Auffassung ist, daß Hauptschüler ohne einen Abschluß häufig aus dem Kreis der Unterprivilegierten kommen und im Sinn der Chancengleichheit einer besonderen Förderung bedürfen?
Davon dürfen Sie ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) - der Abgeordnete Schmidt ({1}) ist nicht im Saal - wird schriftlich beantwortet. Ebenso die Frage 10. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 11 des Herrn Abgeordneten Engelsberger:
Ist der Bundesregierung das Ergebnis einer Umfrage des Allensbacher Instituts über die paritätische Mitbestimmung vom Frühjahr 1974 bekannt, aus der hervorgeht, daß sich die Arbeitnehmer nur zu etwa einem Drittel Vorteile von der Mitbestimmung versprechen, die außerbetriebliche Mitbestimmung von drei Viertel abgelehnt, und der Einfluß der Gewerkschaften auf Gesellschaft und Politik von einer beachtlichen Anzahl der Befragten bereits heute für zu hoch erachtet wird, und ist die Bundesregierung bereit, bei der Weiterbehandlung des von ihr eingebrachten Gesetzentwurfs zur paritätischen Mitbestimmung aus dem Umfrageergebnis Konsequenzen zu ziehen?
Herr Kollege, das Ergebnis der Umfrage des Instituts für Demoskopie vom Frühjahr dieses Jahres über die Mitbestimmung ist der Bundesregierung bekannt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach einer Umfrage des Infas-Instituts 77 Prozent der Befragten die Mitbestimmung für wichtig oder sehr wichtig halten.
Über die Bedeutung der Unternehmensmitbestimmung sind sich die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seit Jahren einig. Zu dieser grundsätzlichen Übereinstimmung hat auch der Bericht der Mitbestimmungskommission vom Frühjahr 1970 beigetragen. Diese Kommission unabhängiger Sachverständiger hat zum einen die sachliche Notwendigkeit einer angemessenen Teilnahme der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter am Willensbildungsprozeß im Unternehmen überzeugend dargetan; zum
anderen hat sie auch eindeutig ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben, „daß eine Beschränkung der Vertreter der Arbeitnehmer auf solche Personen, die Mitglieder des Unternehmensverbandes sind, nicht im Interesse der Arbeitnehmer selbst liegt". Sie hat erklärt, die Anhörungen der Kommission hätten gezeigt, daß in wichtigen Fragen der Unternehmenspolitik, aber auch bei der Auswahl der Führungskräfte des Unternehmens die Existenz externer Arbeitnehmervertreter sich zum Wohle des Unternehmens ausgewirkt hat.
Die Bundesregierung ist bei der Erarbeitung ihres Mitbestimmungsentwurfs auch von den Erkenntnissen des erwähnten Sachverständigenberichts ausgegangen. Nach dem Regierungsentwurf sollen dem 12- und dem 16köpfigen Aufsichtsrat je zwei außerbetriebliche Arbeitnehmervertreter angehören. Lediglich für den 20köpfigen Aufsichtsrat sind drei außerbetriebliche Arbeitnehmervertreter vorgesehen.
Wie Sie, Herr Kollege, wissen, hat sich Ihre Partei auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg dafür ausgesprochen, daß dem Aufsichtsrat zwei außerbetriebliche Arbeitnehmervertreter angehören sollen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger!
Herr Staatssekretär, muß auf Grund der Darlegungen im Hearing zur paritätischen Mitbestimmung und auf Grund der Umfragen des Allensbacher Instituts nicht der eindeutige Schluß gezogen werden, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf keinesfalls die Rechte der Arbeitnehmer verstärkt - so sehen es die Betroffenen offensichtlich selbst -, sondern lediglich die Macht der Gewerkschaften verstärkt, so daß die von der Bundesregierung immer wieder in Abrede gestellte Entwicklung zum Gewerkschaftsstaat zumindest nicht ausgeschlossen werden kann?
Herr Kollege, die Frage, die Sie gerade gestellt haben, steht wohl mit keinem Wort im Zusammenhang mit den Erhebungen des von Ihnen genannten Instituts. Darüber hinaus möchte ich Ihnen sagen: In der Frage, die Sie gestellt haben, kommt aber sicherlich der Wunsch vieler zum Ausdruck, die gegen die Mitbestimmung sind. Wenn Sie einmal die Arbeitnehmer fragten, kämen Sie - davon bin ich überzeugt - zu einem ganz anderen Ergebnis.
Herr Kollege Memmel zu einer Zusatzfrage.
Nein, verehrte Frau Präsidentin, etwas anderes. Wäre es nicht möglich, eine so wichtige Frage wie die des Kollegen Schmidt, der den Saal wirklich nur 30 Sekunden zu spät betreten hat, doch noch zuzulassen, zumal noch Fragen aus diesem Geschäftsbereich behandelt werden? Ich würde das sogar als Angehöriger der Opposition gutheißen.
Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Kollege; aber ich habe dem Herrn Kollegen Schmidt schon zugenickt, daß seine Fragen noch aufgerufen werden. Vielen Dank für die Solidarität.
Ich rufe also die Fragen 9 und 10 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitslose an überlasteten Arbeitsämtern wie München in der Regel mindestens sechs Wochen auf die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung warten müssen und damit in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten?
Ist die Bundesregierung bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese Frist zu verkürzen und eventuell auch Abschlagzahlungen vor Abschluß der Prüfung der Anspruchsberechtigung zu ermöglichen?
Herr Staatssekretär, wären Sie so freundlich, sie noch zu beantworten. Können sie zusammen beantwortet werden?
({1}) - Danke schön!
Herr Kollege, zu Ihren Fragen möchte ich vorab bemerken, daß die Bundesregierung und die Bundesanstalt für Arbeit nach ihren Kräften alles unternehmen, damit die nach dem Arbeitsförderungsgesetz vorgesehenen Leistungen die Berechtigten möglichst schnell und unkompliziert erreichen.
Allerdings ist zunächst einmal zu berücksichtigen, daß das Arbeitslosengeld - ähnlich dem Arbeitsentgelt - nach Ablauf von jeweils zwei Wochen Arbeitslosigkeit zu zahlen ist. Leider hat die plötzliche, starke Zunahme der Zahl der Arbeitslosen bei verschiedenen Arbeitsämtern zu größeren Verzögerungen geführt, die in Einzelfällen bis zu sechs Wochen betragen können. Wartezeiten kommen dann vor, wenn zwischen dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Abgabe der für die Bearbeitung erforderlichen Unterlagen zwei Wochen und mehr vergehen. Deshalb ist es wichtig, daß die Arbeitgeber den entlassenen Arbeitnehmern sofort die Arbeitsbescheinigung für die Arbeitslosenversicherung ausstellen.
Im übrigen kann die Wartezeit durch Abschlagzahlungen verkürzt werden, die von den Arbeitsämtern geleistet werden können, wenn der Anspruch dem Grunde nach feststeht und nur wegen der Höhe und Dauer noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen.
Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich: Um den von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitbürgern die Leistungen in möglichst kurzer Zeit zukommen zu lassen, wurden die Arbeitsämter ermächtigt, zusätzliche Arbeitskräfte in der benötigten Zahl einzustellen, wenn die Plankräfte zur Bewältigung des Arbeitsanfalls nicht ausreichen. Beim Arbeitsamt München werden zur Zeit 30 Zusatzkräfte ausgebildet. Die Zahl der Leistungsstellen für die Bearbeitung von Arbeitslosengeldanträgen ist von 6 auf 18 erhöht worden. Es kann deshalb erwartet werden, daß die Bearbeitungszeit auch beim Arbeitsamt München in Zukunft verkürzt wird.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Frau Präsidentin, darf ich mich zuerst sehr herzlich für Ihre Kulanz bedanken.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Wartezeit bei der Bundesanstalt, die auf Grund einer dpa-Meldung von gestern jetzt durchschnittlich bei vier Wochen liegt - allein dies bedeutet schon, daß die Bearbeitung sehr vieler Fälle nicht nur in München, sondern im gesamten Bundesgebiet länger dauert , für viele Leute, die in wirtschaftliche Not geraten, einfach zu lang ist?
Herr Kollege, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß eine durchschnittliche Wartezeit von vier Wochen zu lang ist. Wir werden deshalb mit allen Beteiligten die notwendigen Anstrengungen unternehmen, um diese Zeit zu verkürzen. Wie ich bereits sagte, sind alle Arbeitsämter ermächtigt worden, zusätzliches Personal einzustellen.
Würden Sie mir auch darin zustimmen, Herr Staatssekretär, daß das nicht nur ein Problem zusätzlicher Arbeitskräfte ist eine besondere Schwierigkeit liegt hier noch darin, daß die Arbeitsämter zum Teil auch Leute für die Bearbeitung von Anträgen auf Kindergeld abstellen müssen , sondern daß das Problem hauptsächlich darin besteht, daß die bürokratischen Anforderungen an die Abschlagszahlung zum Teil zu hoch sind, indem z. B. nachgewiesen werden muß, daß die Kinder, von denen man ausgeht, leben? Wäre es nicht denkbar, daß man so etwas einfach einmal als richtig unterstellt, um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen? Denn es würden ja nur in den Fällen Rückzahlungsforderungen gestellt werden, wo in betrügerischer Weise versucht wird, zuviel zu erhalten.
Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihre Anregung der Bundesanstalt für Arbeit zuzuleiten. Aber wie Sie wissen, haben wir es hier mit einer Selbstverwaltungskörperschaft zu tun, die ihre Aufgaben eigenständig erledigt.
Vielleicht darf ich auch bemerken: Es gibt sicherlich viele Gründe, die zu diesen Verzögerungen geführt haben. Das beginnt beim Formular und hört dabei auf, daß die Betriebe ihre Lohnabrechnungen zum Teil über die Datenverarbeitung ausstellen und diese nicht mehr täglich abzurufen sind. Zwischen diesen beiden Extremen werden wir sicherlich noch eine Anzahl anderer Gründe finden.
Aber es ist richtig, wir müssen alles unternehmen, um zu einer angemesseneren Wartefrist zu kommen.
Letzte Zusatzfrage.
Aber es ist doch sicherlich so, Herr Staatssekretär, daß Ihr Ministerium sozusagen als Aufsichtsbehörde dazu beitragen könnte, indem man einer solchen Behörde gegenüber von sich aus vorträgt, daß man die bürokratischen Anforderungen möglichst gering halten will, und daß möglicherweise auf diese Art und Weise die Auszahlungszeiten verkürzt werden?
Herr Kollege, ich kann Ihnen hierzu sagen, daß wir uns einmal allgemein mit der Bundesanstalt um eine Verbesserung bemühen werden und daß wir uns zweitens speziell einmal umsehen werden, wie es in München zu diesen langen Wartefristen gekommen ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geisenhofer.
Herr Staatssekretär, sind Maßnahmen vorbereitet, um weitere Auszahlungsverzögerungen zu verhindern für den Fall, daß die Befürchtungen eintreten, daß vor allem in den Ballungsbereichen wie z. B. in München die Arbeitslosenzahl dadurch wesentlich verstärkt wird, daß Entlassungen von Kurzarbeitern in erhöhtem Maße erfolgen werden, und ist die Bundesregierung bereit, das in ihrer Macht Stehende zu tun, damit die jetzt auch von Ihnen angedeutete Möglichkeit, Abschlagzahlungen zu beantragen, den Betreffenden auch in ausreichender Weise bekannt wird? Viele wissen nämlich von der Möglichkeit der Abschlagzahlung nichts und stellen auch nicht diesbezügliche Bitten.
Herr Kollege, ich hatte bereits vorhin ausgeführt, daß in München zur Zeit 30 weitere Fachkräfte ausgebildet werden. Sicherlich werden noch ungelernte Kräfte hinzukommen, so daß wir in München von einer personellen Verstärkung ausgehen können.
Das Zweite, was man sagen muß, ist wohl, daß wir bemüht sind, in bestimmten Arbeitsamtsbereichen die gesetzliche Frist für den Bezug von Kurzarbeitergeld zu verlängern. Von daher kann man einen gewissen Verzögerungseffekt erreichen.
Das Dritte ist: Es scheiden natürlich immer wieder Arbeitslosenleistungsempfänger aus dem Bezugsrahmen aus, und andere kommen dafür wieder herein. Darin ist kaum eine außergewöhnliche Mehrbelastung zu sehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye.
Herr Staatssekretär, darf ich auf meine Frage in der vorigen Fragestunde hinweisen und Sie fragen, ob Sie auch bereit sind, Beamte aus anderen Bereichen zur Aushilfe dorthin zu schicken, damit noch kurzfristiger Abhilfe geschaffen werden kann?
Herr Kollege, wir sind zu solchen Gesprächen bereit. Soweit ich informiert bin, hat es wohl eine Verständigung zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundespost gegeben. Danach sollen hundert Beamte der Bundespost der Bundesanstalt überstellt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Memmel.
Herr Staatssekretär Buschfort, meine Frage schließt sich an die Frage von Herrn Kollegen Ostman von der Leye an. Besteht denn überhaupt die Aussicht oder die Möglichkeit, daß die Arbeitsämter - ich spreche jetzt von den Arbeitsämtern schlechthin, weil ich kein Münchener Abgeordneter bin -, die bei dem Stoß von Kindergeldanträgen sowieso zu zusätzlichen Arbeitskräften greifen mußten, noch zusätzliche fachgerechte Arbeitskräfte bekommen? Denn das mit der Umschulung oder mit der Einarbeitung scheint mir doch geraume Zeit zu dauern.
Herr Kollege, die Frage der Bearbeitung des Kindergelds wurde personell unabhängig von den Aufgaben der Bundesanstalt gelöst. Es handelt sich sowohl personell als auch finanziell um eine andere Art von Beschäftigung bei der Bundesanstalt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Nordlohne.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß selbst unter Beachtung der Tatsache, daß in diesen Fällen eine Abschlagzahlung erfolgen kann, wegen der Schwierigkeit des Prüfens des Anspruchs eine Fülle von Arbeitslosen inzwischen bei Sozialämtern die Sozialhilfe für die Übergangszeit beantragen, um den Lebensunterhalt sicherzustellen?
Herr Kollege, solche Fälle hat es immer gegeben. Es ist in der Bundesrepublik selbstverständlich - ob es sich nun um Rentenbezug, um Kriegsopferversorgung oder um Arbeitslosenleistungen handelt -, daß niemand ohne Geld dastehen soll. Wenn dazu jetzt Fälle aus der Arbeitslosenversicherung kommen, so entspricht das dem allgemeinen, für diese Fälle vorgesehenen gesetzlichen System.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wie oft gesagt wurde, daß die Bundesregierung auf die Entwicklung und die Folgen der Konjunktur in allen Bereichen vorbereitet sei? Ist meine Annahme richtig, daß sie auf diesem Gebiet nicht vorbereitet war? Ich darf die Frage auch so stellen : Haben Sie überhaupt niemals damit gerechnet - entsprechend Ihrer Ankündigung im Wahlkampf 1972 -, daß es eine so große Zahl von Arbeitslosen geben könnte?
Herr Kollege, wenn Sie sich das draußen einmal ansehen, werden Sie feststellen, daß der Zustand absolut nicht so verheerend ist, wie Sie ihn hier darstellen möchten. Es geht in der Bundesrepublik Deutschland in bezug auf Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung im allgemeinen sehr geordnet und geregelt zu. Gewisse Engpässe kann es immer geben. Man kann zwar konjunkturelle Gegensteuerungsmaßnahmen vorbereiten. Aber das verhindert nicht, daß es in bestimmten Bereichen unvorhergesehene Schwierigkeiten gibt. Für solche Schwierigkeiten kann man allerdings nur bedingt vorausplanen.
Zusatzfragen? - Nein.
Die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Gansel, die in diesen Geschäftsbereich gehört, wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich darf Ihnen danken, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Reiser auf:
Sind der Bundesregierung Psychotests für wissenschaftliche Zwecke mit Wehrpflichtigen der Bundeswehr bekannt, bei denen auf die Anonymität der Getesteten nicht geachtet wurde, und ({0}) worauf ist das zurückzuführen?
Frau Präsident! Herr Kollege! Der Bundesregierung ist bekannt, daß sozialpsychologische Untersuchungen in der Bundeswehr durchgeführt werden. Die streng vertrauliche Behandlung der individuellen Befragungsergebnisse ist dabei selbstverständliche Voraussetzung. Untersuchungen werden z. B. zu folgenden Themen durchgeführt: Psychologische Probleme des Alkohol- und Drogenkonsums, eigenmächtige Abwesenheit/ Fahnenflucht, Sozialisationsfunktion der Bundeswehr. Die Teilnahme von Wehrpflichtigen erfolgt auf der Grundlage der Freiwilligkeit und der Anonymität als den entscheidenden Voraussetzungen, um überhaupt verwertbare Ergebnisse zu bekommen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reiser.
Herr Staatssekretär bedeutet dies, daß Pressemeldungen, die so etwas behaupten, nämlich nicht gewahrte Anonymität, nicht stimmen?
Ich habe ja soeben ausgeführt, daß das nicht stimmt. Ich weiß jetzt nicht, worauf Sie sich beziehen. Wenn Sie sich auf die Meldungen im „Spiegel" beziehen, könnte ich darauf eingehen. Ich weiß aber nicht, worauf Sie sich beziehen.
({0})
Es gibt Fragestellungen, Herr Kollege Reiser, die eine Wiederholung notwendig machen, daß man also dieselbe Personengruppe befragt, z. B. beim Beginn und beim Ende der Wehrdienstzeit. Auch hier wird der Grundsatz der Anonymität streng gewahrt. Dem Befragten kann zugesichert werden, daß die Ergebnisse keinem Unberufenen bekannt werden, auch wenn die Personenkennziffer erbeten wurde. Bei diesen Wiederholungsuntersuchungen wird nämlich so verfahren, daß das durchführende Institut keinen Zugang zu den unter der Personenkennziffer gespeicherten Daten und der Auftraggeber keinen Zutritt zu dem bearbeiteten Einzelmaterial hat.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 13 des Herrn Abgeordneten Reiser:
Welche vergleichenden Zahlenangaben liegen der Bundesregierung neuerdings vor, die zeigen, daß das Interesse am Dienst in der Bundeswehr durch erhöhte Freiwilligenbewerbungen deutlich zugenommen hat, und ({0}) welche Gründe werden dafür angenommen?
Frau Präsident! Herr Kollege! Das gestiegene Interesse am Dienst in der Bundeswehr läßt sich aus den Zahlen über die Freiwilligenbewerber ablesen. Ein Vergleich für die Zeiträume Januar bis September 1973 und 1974 ergibt folgendes Bild. Die Bewerbungen als Offizieranwärter sind um 1 110 angestiegen, das sind 25,3 %. Betrachtet man nur die Offizierbewerber mit Abitur, sind es sogar 33,7 % mehr als im Vorjahr.
Der Grund hierfür liegt, wie ich annehme, überwiegend in dem attraktiven Angebot des Studiums an einer Hochschule der Bundeswehr.
Bei den ungedienten Bewerbern für die Laufbahn der Mannschaften und Unteroffiziere stieg das Aufkommen im gleichen Zeitraum um 12 526; das sind rund 32,4 °/o.
Schon in den ersten neun Monaten dieses Jahres haben sich rund 2 000 Freiwillige mehr beworben als im gesamten Jahr 1973. Bemerkenswert ist die Zunahme der Bewerber für eine längere Verpflichtungszeit, nämlich drei und mehr Jahre. Hier waren es im Neunmonatszeitraum 4 868 mehr; das sind 41,3 %.
Das gestiegene Interesse am Dienst in den Streitkräften beruht auf einer entsprechenden Werbung und auf der Summe vieler attraktiver Maßnahmen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Z. B. möchte ich nennen die Erhöhung und Erweiterung der Verpflichtungsprämien, die neuen Angebote für eine berufsbezogene Ausbildung, die Verbesserung der berufsfördernden Maßnahmen und die Laufbahnchancen, die sich in den letzten Jahren günstiger gestaltet haben.
Bitte, eine Zusatzfrage, Herr Reiser.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung im Hinblick auf diese Zahlen auch eine bestimmte Verbindung zu der allgemeinen Beschäftigungslage?
Das kann ich nicht ausschließen, Herr Kollege Reiser. Aber es gibt in einem Nachbarstaat, in Großbritannien, eine sehr langfristige Untersuchung. Darin wird nachgewiesen, daß das Aufkommen an längerdienenden freiwilligen Soldaten in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigungslage, d. h. mit der wirtschaftlichen Situation steht. Ob das bei uns ebenso ist, weiß ich nicht. Ich will es nicht ausschließen. Ich kann es aber auch nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Memmel.
Herr Staatssekretär Berkhan, Sie waren so freundlich und haben uns Prozentzahlen angegeben. Sind Sie auch in der Lage, zu diesem Thema absolute Zahlen zu nennen?
Ich kann ein paar Stichproben nennen, Herr Kollege. Bei Offizieranwärtern haben wir eine Steigerung von 4 384 auf 5 494, also um 1 110, wie ich bereits sagte. Das sind die 25,3 %.
Bei Abiturienten kann ich Ihnen die Zahl auch nennen, weil ich sie gerade vorliegen habe: 1946 auf 2 601, also eine Steigerung um 655 oder 33,7 %.
Bei den Mannschaften und Unteroffizieren ist die Steigerung 38 655 auf 51 184, das sind 12 529 oder 32,4 %.
Hinzu kommt, daß sich insbesondere eine Tendenz bemerkbar macht, sich auf eine längere Zeit zu verpflichten. Herr Kollege, es gibt ja auch eine Verpflichtung auf zwei Jahre. Das ist so eine gehobene Wehrpflicht, wenn mir dieser saloppe Ausdruck gestattet ist. Das sind ganz kluge Wehrpflichtige, die nüchtern kalkuliert haben, wie sie finanziell am günstigsten wegkommen. Aber bei einer Verpflichtungszeit von drei Jahren und mehr ist eine Steigerung zu verzeichnen von 11 798 auf 16 666, das sind 4 868 oder 41,3 %.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Keine weitere Zusatzfrage. - Dann rufe ich die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Krall auf:
Präsident Frau Renger
Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um das Bildungsprogramm für Unteroffiziere gleichzeitig und gleichwertig in den Teilstreitkräften zu verwirklichen, und wie stellt die Bundesregierung sicher, daß Angehörige der Bundeswehr umfassend und aktuell über die Angebote dieses Bildungsprogramms informiert werden?
Frau Präsident! Herr Kollege Krall! Die Bundesregierung hat von Anfang an darauf hingewiesen, daß im Rahmen der umfassenden Neuordnung von Ausbildung und Bildung in den Streitkräften die einzelnen Ebenen als gleichwertig anzusehen und möglichst gleichzeitig zu realisieren sind.
Auf Initiative des Verteidigungsausschusses hat der Deutsche Bundestag am 25. Januar 1974 den Auftrag zur Verwirklichung des Konzepts der Ausbildungsreform für die Unteroffiziere erteilt. Entsprechend dieser Konzeption wird die Neuordnung von Ausbildung und Bildung der Unteroffiziere vorrangig realisiert; einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei der Aufbau eines einheitlichen Fachschulsystems.
Wie bereits vorgesehen, wird die Bundesregierung das Parlament im ersten Quartal 1975 hierüber detailliert unterrichten. Eine allgemeine, alle Aspekte berücksichtigende Informationsschrift, die sich sowohl an Bewerber wie an interessierte Soldaten wendet, ist wegen der zahlreichen und differenzierten Ausbildungsgänge nur schwer zu erarbeiten. Die Ausbildungs- und Verwendungskataloge der Teilzeitkräfte sowie die verschiedenen Merkblätter und Beratungsschriften wurden auf den letzten Informationsstand gebracht und dienen der Laufbahn- und Verwendungsberatung. Weiteres Informationsmaterial ist in Bearbeitung und wird Anfang des nächsten Jahres zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krall!
Herr Staatssekretär! Die Eingangsformulierung meiner Frage, nämlich: Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung ...?, macht deutlich, daß ich bei meinen Truppenbesuchen den Eindruck gewonnen habe, daß die betroffenen Unteroffiziere im überwiegenden Falle eben über diese beabsichtigten Maßnahmen noch nicht informiert sind. Ich wäre dankbar, wenn Sie Mittel und Wege finden würden, auf dem Truppendienstweg möglichst frühzeitig Informationen zu geben, die den Soldaten rechtzeitig die Möglichkeit geben, sich auf derartige neue und wünschenswerte - das möchte ich hier ausdrücklich betonen - Ausbildungsgänge und die entsprechenden Abschlüsse einzustellen.
Herr Abgeordneter, das war keine Frage, sondern ein Wunsch!
({0})
Frau Präsident, darf ich antworten?
Ja bitte!
Herr Kollege! Ich habe die Schriften mitgebracht, die es schon gibt, und ich gehe davon aus, daß sie auch in der Truppe bekannt sind. Da gibt es eine Kurzinformation über das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr. Da gibt es eine Information „Elektroberufe im Heer" usw. Es bleibt also abzuwarten, wieweit die Truppe davon Gebrauch macht.
Ich rufe nun die Frage 15 des Abgeordneten Krall auf:
Was wird unternommen, um die angehenden Offizieranwärter über ihre Aussichten und Möglidikeiten, die sich durch das Hochschulstudium ergeben, zu unterrichten?
Die Einführung eines Hochschulstudiums in die Offizierausbildung ist von ihrem Beginn an durch eine umfassende Information begleitet worden. Merkblätter für Interessenten und Bewerber - darauf habe ich eben schon hingewiesen -, allgemeine Informationsschriften und Publikationen in Bundeswehrzeitschriften haben die Aussichten und Möglichkeiten des Hochschulstudiums eingehend beschrieben. Darüber hinaus besteht an der Offizierbewerber-Prüfzentrale für jeden Bewerber die Möglichkeit, sich durch einen Studienberater individuell informieren und beraten zu lassen.
Die anscheinend beobachteten Unklarheiten dürften darauf zurückgeführt werden können, daß der erste Jahrgang, der ein Hochschulstudium aufgenommen hat, zu einem Zeitpunkt eingestellt wurde, an dem die Planung noch nicht endgültig abgeschlossen sein konnte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krall, bitte!
Ist sichergestellt, Herr Staatssekretär, daß der Kreis der Anwärter über die Maßnahmen unterrichtet wird, die in der Laufbahnverordnung vorgesehen sind für solche, die das Studium kraft mangelnder Leistung abbrechen müssen?
Das ist eine andere Frage, die nur in sehr lockerem Zusammenhang mit der Information über die Möglichkeiten steht. Das bleibt abzuwarten. Ich bin hier nicht in der Lage, Ihnen darauf aus der freien Hand eine Antwort zu geben. Selbstverständlich werden wir Soldaten, die eine Ausbildung an einer Fachschule, an einer Hochschule oder an sonst einer Institution wegen mangelnder Leistung abbrechen müssen, ausreichend beraten, welche Möglichkeiten es für sie gibt.
Aber andererseits muß ich doch darauf hinweisen, daß Mindestvoraussetzungen für bestimmte Qualifikationen eben die Eingangsvoraussetzung in Laufbahnen und in berufliche Werdegänge sind, von denen man ohne Not nicht abgehen sollte. Ich werde mich auf Grund Ihrer Zusatzfrage noch einmal sorgfältig mit diesem Thema beschäftigen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Handlos!
Herr Staatssekretär! Ich frage Sie erneut, nachdem ich Sie im Verteidigungsausschuß schon gefragt habe: Wurden die Anwärter für ein Studium der Pädagogik ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Studium mehr oder weniger um eine brotlose Kunst handeln wird?
Herr Abgeordneter Handlos! Ich bin von Haus aus Maschinenbauingenieur und habe anschließend Erziehungswissenschaften studiert, und zwar acht Semester lang. Ich bin traurig, daß Sie meine Fachwissenschaft als eine brotlose Kunst bezeichnen, aber ich muß das hinnehmen.
Ich habe Ihnen schon damals erklärt, Herr Kollege Handlos, daß die Qualität des Diplompädagogen keine brotlose Kunst ist. Das Pädagogendiplom allein ist keine Zulassung für das Lehramt an öffentlichen Schulen, aber der Diplompädagoge kann durchaus an den Institutionen der Erwachsenenbildung tätig sein. Darüber hinaus kann natürlich der Diplompädagoge in relativ kurzer Zeit die erste Prüfung für das Lehramt an allgemeinbildenden Schulen oder an berufsbildenden Schulen ablegen und wie jeder andere dann auch eine zweite Prüfung machen und so in die Laufbahn eines Lehrers, auf die Sie ja wohl anspielen, eingeschleust werden.
Sie haben keine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege. Von seiten anderer Kollegen werden auch keine Zusatzfragen gewünscht.
Dann rufe ich die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Handlos auf:
Inwieweit trifft die Darstellung der „Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 10. November 1974 in dem Artikel „Das Pentagon enthüllt einen Alptraum" zu, derzufolge das Pentagon in einer „offiziellen Denkschrift . . . die militärische Spitze der Bundeswehr" aufgefordert haben soll, der Verlegung des amerikanischen V. Korps aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte in den Bereich der Heeresgruppe Nord zuzustimmen?
Herr Kollege Handlos, der Bundesregierung ist eine solche offizielle Denkschrift des Pentagon nicht bekannt. Wie auch aus dem von Ihnen zitierten Artikel hervorgeht, hat das „Brookings Institut" in einer Studie den Vorschlag der Umdislozierung einiger amerikanischer Verbände in der Bundesrepublik gemacht. Diese Studie basiert zwar auf offiziellen Informationen, ist jedoch nicht im Auftrag des Pentagon entstanden. Auch gibt es bisher keine Untersuchungen über die Realisierbarkeit dieses Vorschlages. Überlegungen in dieser Richtung bedürfen zweifellos einer breiteren Grundlage, in die auch politische, wirtschaftliche und finanzielle Gegebenheiten einfließen müssen, und würden einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, es trifft also nicht zu, daß Verteidigungsminister Schlesinger diesen Auftrag - zu untersuchen, ob amerikanische Einheiten aus dem Süden des Landes in den Norden verlegt werden sollen - erteilt hat?
In dieser Form hat Secretary Schlesinger keine Ankündigung gemacht. Er kündigte lediglich an, daß zwei amerikanische Brigaden aufgestellt würden, die sich aus den bisher bereits vorhandenen Stabs- und Versorgungseinheiten rekrutieren sollen. Über deren Dislozierung und den Aufstellungstermin gibt es aber bisher keine Einzelheiten. In einem Gespräch, welches ich selber mit Secretary Schlesinger bei meinem Amerika-Aufenthalt hatte, konnte ich vernehmen, daß man darüber nachdenkt, wo diese Brigaden nach taktischen Gesichtspunkten zweckmäßig stationiert sind. Dabei sind natürlich auch Überlegungen angestellt worden, wo denn nun Schwachstellen sind. Aber, Herr Kollege Handlos, man muß ja bedenken, daß diese Brigaden auch versorgt werden müssen. Sie können also nicht völlig von ihren logistischen Strängen abgeschnitten werden.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, verbleibt also die 3. Infanteriedivision mit ihrem bisherigen Hauptquartier in Würzburg, die 1. Panzerdivision im Raum Nürnberg und die 1. Infanterie-division in Göppingen? Ist dem Bundesverteidigungsministerium nichts Gegenteiliges bekannt?
Herr Kollege Handlos, ich kann nur sagen, in dem Zeitraum, den ich überblicke, bleibt es so. Es kann sein, daß es eines Tages Verhandlungen gibt und wir zu Umdislozierungen kommen. Diese muß man dann aber sehr sorgfältig auf der Grundlage, die ich eben anzudeuten versucht habe, gemeinsam absprechen. Schnelle Umdislozierungen können nur zur Folge haben, daß Kampftruppen von ihren Versorgungssträngen losgelöst werden, und das hätte sehr wenig Sinn.
Keine weitere Zusatzfrage des Fragestellers. Von seiten anderer Kollegen wird auch keine Zusatzfrage gewünscht.
Die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär Berkhan; ich danke Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beant9036
Präsident Frau Renger
wortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatsseketär Herold zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Zoglmann auf:
Aus welchen Gründen verschweigt die Bundesregierung in ihrem über 700 Seiten umfassenden Jahresbericht im Zusammenhang mit der Darstellung der Deutschland-, Ost- und Außenpolitik vollkommen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundvertrag, und ist sie bereit, in einem späteren Bericht das Versäumte nachzuholen, indem sie das Urteil darstellt und seine deutschlandpolitische Bedeutung erläutert?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Zoglmann, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten:
Es trifft nicht zu, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 im Jahresbericht der Bundesregierung verschwiegen wird. Auf das Urteil wird auf mehreren Seiten Bezug genommen. Es trifft auch nicht zu, daß das Urteil von der Bundesregierung nicht dargestellt und daß seine politische Bedeutung nicht erläutert worden sei. In den diesem Hohen Hause am 29. Juli 1974 als Drucksache 7/2423 vorgelegten „Materialien zum Bericht zur Lage der Nation", die vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen in einer Auflage von 30 000 Exemplaren publiziert worden sind, wird auf das Urteil und seine rechtliche Bedeutung ebenso eingegangen wie in einer Vielzahl anderer Publikationen, z. B. im „Bonner Almanach 1974" und im „Arbeitsbericht 1974" der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zoglmann.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß ich-im Hinblick darauf, daß im Bericht zur Lage der Nation von rund 100 000 Zeilen sich nur knapp 47 Zeilen - und die auch nur teilweise - mit dem so wichtigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigen, und zwar ohne jeden konkreten Bezug auf die Politik der Bundesregierung, zu der Auffassung gelangen kann, daß hier die Gewichte nicht richtig gesetzt worden sind?
Herr Kollege, ich kann mir nicht vorstellen, daß man die Bedeutung einer politischen Aussage nach der Anzahl der Zeilen messen sollte, in denen sie veröffentlicht wird.
Eine zweite Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Zoglmann.
Herr Staatssekretär, würden Sie im Hinblick darauf, daß auf Seite 76 des Berichtes der Satz steht:
Dennoch sind Restbestände des ehemaligen
Deutschen Reiches in die beiden deutschen Staaten mit eingegangen und erhalten geblieben.
zugeben, daß daraus nur die Schlußfolgerung zu ziehen ist, daß die Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für sich als akademisch und im Hinblick auf seine politische Bedeutung als gegenstandslos ansieht?
Herr Kollege, ich glaube, die Zusatzfrage, die Sie jetzt zum Inhalt des Berichtes stellen, gehört nicht in den Zusammenhang Ihrer Frage. Sie haben erfragen wollen, wie und wo das Urteil von der Bundesregierung publiziert worden ist; darauf habe ich eindeutig geantwortet. Im übrigen bemerke ich, daß der Bundesregierung gewärtig ist, was das Verfassungsgerichtsurteil für ihre Arbeit bedeutet.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Arndt.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zu bestätigen, daß es gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung in diesem Lande verstoßen würde, wenn sich ein Verfassungsorgan anmaßte, die Entscheidung eines anderen Verfassungsorgans - also die Bundesregierung die des Bundesverfassungsgerichts - zu erläutern oder zu interpretieren, daß sich die Verfassungsorgane vielmehr gegenseitig zu respektieren haben?
Auf diesen rechtlichen Hintergrund habe ich meine Antwort abgestellt.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Ostman von der Leye.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Fragesteller auch zu sagen, daß das Bundesverfassungsgericht seine Urteile genauestens veröffentlicht, ohne daß auch nur eine Zeile in der Begründung fehlt, und daß diese Veröffentlichung jederzeit nachgelesen werden kann?
Herr Kollege, Sie weisen mit Recht auf den Kern dieser Angelegenheit hin.
Ich darf nur noch ergänzend erklären, daß das Verfassungsgerichtsurteil von Bundesminister Egon Franke im RIAS Berlin im August 1973 in einem ausführlichen Kommentar behandelt worden ist. Außerdem haben wir - was ich für sehr wichtig halte -- den Text des Urteils in 120 000 Exemplaren an alle Träger der Erwachsenenbildung und der Jugendarbeit versandt, um dem Bedürfnis nach vollständiger Information zu entsprechen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Franz auf:
Präsident Frau Renger
Trifft die Meldung der Frankfurter Neuen Presse vom 8. November 1974 zu, die Inhaber von privaten Telefonanschlüssen in der „DDR" hätten Erklärungen unterzeichnen müssen, die sie verpflichteten, nicht zu ihrem Haushalt gehörenden Personen keine Telefongespräche mit dem freien Teil Deutschlands zu erlauben, und wie hat die Bundesregierung - bejahendenfalls - darauf reagiert?
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Franz! Die Bundesregierung kann den Inhalt der von Ihnen zitierten Pressemeldung in der „Frankfurter Neuen Presse" vom 8. November 1974 nicht bestätigen. Lassen Sie mich aber zu der Meldung, zu der die FNP durch Äußerungen des „Informationsbüros West" veranlaßt wurde, folgendes bemerken:
Die Meldung beruht auf der Aussage von drei DDR-Besuchern. Eine erste Information dieser Art ist dem Informationsbüro West vor etwa einem Jahr, nämlich im September 1973, zugänglich gemacht worden. Nunmehr sollen zwei weitere Personen Ähnliches berichtet haben. Daraufhin hat das Informationsbüro die Meldung veröffentlicht. Meines Erachtens handelt es sich hier nicht um ausreichende Anhaltspunkte, um davon auszugehen, daß die Inhaber von privaten Telefonanschlüssen in der DDR die hier zu Debatte stehenden Verpflichtungserklärungen generell unterzeichnen müssen. Ich betone noch einmal, daß der Bundesregierung selbst keine anderen Informationen dieses Inhalts zugegangen sind.
Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Anhaltspunkte, die sich aus dieser Meldung ergeben, dazu zu benutzen, um ihrerseits bei Besuchern in der DDR Ermittlungen darüber anzustellen, ob die DDR- Regierung solche Weisungen generell erlassen hat, und - falls dies der Fall sein sollte - dagegen dann entsprechende Schritte zu unternehmen?
Ich habe eben erklärt, daß solche Weisungen nach unserer Kenntnis nicht erlassen worden sind. Daß wir auf eventuelle Störungen allerdings in den Verhandlungen eingehen, ist bekannt.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Lagershausen wird im Bereich des Bundesministers für Verkehr beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 21 des Herrn Abgeordneten Lagershausen. Ist der Herr Abgeordnete im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe dann die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Treffen Presseberichte zu, denen zufolge Deutsche, die ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben und die ins Bereich der DDR eine Haftstrafe verbüßen, daran gehindert werden oder gehindert wurden, mit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin in Verbindung zu treten?
Frau Präsidentin! Herr Professor Abelein! Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland betreut derzeit etwa 150 Einwohner der Bundesrepublik und West-Berlins, die in der DDR inhaftiert sind. Außerdem kommen monatlich etwa 30 weitere Fälle der Häftlingsbetreuung hinzu.
Der Ständigen Vertretung sind aus den letzten Monaten keine Fälle bekannt, in denen Häftlinge an der Kontaktaufnahme mit der Ständigen Vertretung gehindert worden wären. Sie geht im Gegenteil nach ihren Erfahrungen mit den zuständigen DDR- Behörden davon aus, daß die Betreuung von Häftlingen aus der Bundesrepublik und aus West-Berlin weder behindert noch gar verhindert wird.
Die Ihrer Anfrage offensichtlich zugrunde liegenden Pressemeldungen des Axel-Springer-Dienstes sind von der Ständigen Vertretung überprüft worden. Es handelte sich dabei um Meldungen über Mitteilungen von ehemaligen Häftlingen, die bereits in die Bundesrepublik entlassen wurden und deren Bemühungen um Kontaktaufnahme mit der Ständigen Vertretung in die ersten Wochen nach deren Arbeitsbeginn fielen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Gilt das, was Sie gerade sagten, ohne Unterschied für Gefangene in Untersuchungshaft und in Strafhaft in der DDR?
Ich kann Ihnen sagen, daß die Kontakte sowohl zu Personen in Untersuchungshaft wie zu denen in Strafhaft bestehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, wie lange dauert es in der Regel, bis ein Häftling die Erlaubnis erhält, Kontakt zu der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen?
Ich kann diese Frage nicht exakt beantworten, da die Fälle unterschiedlich sind. Jeder Haftfall muß ja erst bekannt werden; dann wird von unserer Seite aus sofort das getan, was notwendig ist.
Im übrigen, Herr Kollege Hupka - und das gilt allgemein -, täten wir gut daran, diese wichtigen Probleme nicht allzu detailliert in diesem Raum zu
behandeln, sondern die Information mehr im persönlichen Gespräch abzuwickeln.
({0})
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Trifft es zu, daß das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen seit geraumer Zeit keine systematischen Befragungen mehr bei Haftentlassenen aus der DDR über die Zustände in den dortigen Haftanstalten durchführt, wie das z. B. von der „Arbeitsgemeinschaft 13. August" auf ihrer Pressekonferenz am 11. Oktober 1974 in Berlin festgestellt wurde?
Herr Professor Abelein, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Mir ist nicht bekannt, was die „Arbeitsgemeinschaft 13. August" veranlaßt hat zu monieren, das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen führe seit geraumer Zeit keine systematischen Befragungen von Haftentlassenen mehr durch. Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat solche Befragungen weder in der Vergangenheit vorgenommen noch befaßt es sich hiermit zur Zeit.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein.
Hielten Sie es nicht für zweckmäßig, zur Information der Bundesregierung über die tatsächlichen Zustände solche Befragungen vorzunehmen?
Es kann nicht die Aufgabe meines Ministeriums sein, solche Befragungen selbst durchzuführen. Es gibt andere Stellen, die die von Ihnen angesprochene Aufklärung betreiben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär Herold, habe ich Ihre letzte Antwort auf die Frage des Kollegen Abelein wirklich richtig verstanden, daß es nicht Aufgabe des innerdeutschen Ministeriums sei, sich notfalls auch durch systematische Befragung von Haftentlassenen Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die einfachsten und schlichtesten Menschenrechte in den Gefängnissen der DDR geachtet oder mißachtet werden?
({0})
Ich bedaure, daß Sie meine Antwort in dieser Richtung auslegen. Ich habe eben auf Stellen hingewiesen, die die notwendigen Informationen sammeln. Natürlich werden die Ergebnisse der Erhebungen im Ministerium ausgewertet und verwandt. Aber es kann nicht Aufgabe des Ministeriums sein, selbst Befragungen durchzuführen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz.
Herr Staatssekretär, wenn es keine systematischen Befragungen gibt, frage ich Sie: Gibt es aus gelegentlich besonderen Anlässen Befragungen durch Ihr Haus wegen dieser besonderen Anlässe?
Ich habe erklärt, daß es durch mein Haus keine systematischen Befragungen gibt, und auf die Arbeit anderer Stellen verwiesen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka!
Herr Staatssekretär, entspräche es nicht dem Selbstverständnis Ihres Ministeriums, das ja Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen heißt, daß schon aus diesem Grunde Befragungen seitens Ihres Ministeriums vorgenommen würden?
Würden Sie eine Frage stellen!
Das war eine Frage.
Nein.
„Entspräche es nicht Ihrem Selbstverständnis ...l" Das ist nach meiner Auffassung eine Frage, Frau Präsidentin.
Ja, ich nehme das zurück.
Ich bedanke mich.
Entschuldigen Sie, ich habe die Frage durch das Zwiegespräch mit der Frau Präsidentin jetzt akustisch nicht verstanden. Ich bitte Sie, Ihre Frage zu wiederholen.
Würde es nicht dem Selbstverständnis Ihres Hauses entsprechen, das ja Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen heißt, wenn dieses Ministerium gerade darin eine Aufgabe sähe, zu möglichst rascher und gründlicher Information zu gelangen, indem man jemanden befragt, der jetzt aus dem unfreien Teil Deutschlands in den freien Teil Deutschlands kommt?
Herr Kollege Hupka, auch ohne systematische Befragungen durch das Ministerium werden doch von den Personen, die die DDR verlassen können, immer wieder Berichte und Aussagen übergeben. Diese werden natürlich ausgewertet. Es wird doch niemand weggeschickt, wenn er etwas mitzuteilen hat.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}) !
Herr Staatssekretär, sind die von Ihnen durchgeführten Befragungen für Ihre Tätigkeit aufschlußreich gewesen und, wenn ja, mit welchem Erfolg?
Die Ergebnisse der Befragungen durch die verschiedenen Stellen sind immer sehr aufschlußreich gewesen, und wir haben ja erreicht, daß wir auf Grund dieser Erfahrungen manches zum Besseren verändern konnten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Rainer auf:
Welchen rechtlichen Wert mißt die Bundesregierung ihren Erläuterungen zum Briefwechsel zur Familienzusammenführung, zu Reiseerleichterungen und Verbesserungen des nichtkommerziellen Warenverkehrs" als Bestandteil des Grundvertragswerks bei, in. denen es heißt, mit dem Inkrafttreten des Grundvertrags werde es als Erleichterung in besonderen Ausnahmefällen die Genehmigung der Eheschließung geben, wenn sie in ihrer Antwort vom 14. November 1974 auf meine Anfrage eine Vertragsverletzung verneint und Fluchtverdacht als möglichen Grund für Überwachung und Festnahme einer Verlobten nennt, und welchen Wert legt die Bundesregierung auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen ihrer seinerzeitigen Ankündigung heute bei?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Rainer! Ich darf wie folgt antworten:
Im Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sowie in den dazugehörigen „Erläuterungen zum Briefwechsel zur Familienzusammenführung, zu Reiseerleichterungen und Verbesserungen des nichtkommerziellen Warenverkehrs" ist die DDR nicht die Verpflichtung eingegangen, in jedem Einzelfall die beantragte Genehmigung zur Eheschließung zu erteilen oder die Übersiedlung in das Bundesgebiet für den in der DDR wohnhaften Verlobten zu gestatten. Diese Rechtsauffassung ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Grundlagenvertrages und den eben zitierten „Erläuterungen". Verweigern die DDR-Behörden die Genehmigung der Eheschließung zwischen einem Bewohner des Bundesgebietes und einem Bewohner der DDR, so handelt es sich also nicht um eine Verletzung des Grundlagenvertrages.
Diese rechtliche Würdigung ändert nichts an der Tatsache, daß es die Bundesregierung genauso wie die Opposition bedauert, daß nach den Bestimmungen der DDR überhaupt eine Genehmigung erforderlich ist, wenn ein Bewohner des Bundesgebiets und ein Bewohner der DDR die Ehe eingehen wollen. Durch den Grundlagenvertrag und die bereits mehrfach erwähnten „Erläuterungen zum Briefwechsel" hat die Regierung der DDR jedoch die Problematik als solche anerkannt und die Bundesregierung eine Plattform gefunden, von der aus sie die Regierung der DDR immer wieder auf die Lösung dieser noch offenen Fragen drängen wird.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}) !
Herr Staatssekretär, zeigt nicht die Antwort, die Sie eben dem Kollegen Rainer gegeben haben, wie notwendig es gewesen wäre, beim Abschluß des Grundvertrages dafür zu sorgen, daß das Grundrecht auf Ehe und Familie, das auch das Recht zum Schließen einer Ehe beinhaltet, vertraglich so verankert wird, daß es für die DDR bei der Zulassung solcher Eheschließungen eine Rechtspflicht gibt?
Herr Kollege Jäger, das ist für uns hier in der Bundesrepublik ein Grundrecht. Sie wissen, daß wir es in Deutschland mit zwei Staaten mit verschiedenen Rechtssystemen zu tun haben. Wollen wir uns doch bitte nicht so verhalten, als würden wir das ignorieren können!
({0})
Es ist immerhin interessant, daß Sie sich jetzt laufend auf die Durchführung von Verträgen berufen, die Sie selbst abgelehnt haben. Das ist hochinteressant und muß hier kritisch erwähnt werden.
({1})
- Ja, das ist eine für Sie unangenehme Sache! Ich möchte aber darauf hinweisen: Die Zahlen, die wir hier vorlegen können, beweisen, daß auf diesem Gebiet eine erfreuliche Entwicklung vor sich geht. Was vor Jahren nur in ganz wenigen Fällen möglich war, ist jetzt in vielen Fällen positiv zu regeln. Allerdings - und da treffen wir uns - reichen uns die erzielten Ergebnisse auch nicht aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Hätte es nicht die verfassungskonforme Erfüllung der Schutzpflicht für deutsche Staatsangehörige erfordert, beim Vertrags9040
abschluß das, was eben Kollege Jäger ausgeführt hat, vorzusehen, und sehen Sie nicht, daß die Opposition auch wegen dieser Verfehlung der vom Bundesverfassungsgericht allen Staatsorganen auferlegten Schutzpflicht diesen Vertrag abgelehnt hat?
Ich glaube, diese Schutzpflicht hatten alle Regierungen der Bundesrepublik Deutschland zu beachten, nicht erst die, die den Vertrag geschlossen hat. Ich glaube, daß wir diese Schutzpflicht so weit wie möglich gewahrt haben und gerade durch den Vertrag in die Lage versetzt worden sind, ihr den gebührenden Nachdruck zu verleihen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, da Sie Kritik daran übten, daß jemand, der den Grundvertrag abgelehnt hat, dessenungeachtet die Einhaltung dieses Grundvertrages verlangt, muß ich Sie fragen, ob Ihrer Auffassung nach jemand einen Vertrag nur dann, wenn er ihm zustimmt, auch einhalten muß oder welche Rechtsauffassung hinter Ihren Sätzen gestanden hat.
Herr Kollege Reddemann, ich habe keine Kritik geübt, sondern eine Feststellung getroffen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage? - Hat sich erledigt. Damit ist dieser Geschäftsbereich erledigt. Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Baum steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Warum werden in privater Verwaltung befindliche Grundstücke in der DDR, deren Eigentümer in West-Berlin oder im übrigen Bundesgebiet wohnen, nicht als ,weggenommen" im Sinne des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes behandelt?
Frau Präsident.! Herr Kollege! Es entspricht der mit dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz durch die Bundesregierung verfolgten Absicht wie auch dem bei der Verabschiedung dieses Gesetzes zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, nur solche Vermögensschäden in der DDR festzustellen und zu entschädigen, die zu einem Verlust des Eigentums im Sinne unserer Rechtsordnung geführt haben. In den Fällen, in denen der Eigentümer von Grundbesitz in der DDR einen privaten Verwalter mit der Wahrnehmung seiner Eigentumsrechte beauftragen konnte, liegt nach allgemeiner Rechtsauffassung ein Verlust des Eigentums im Sinne bürgerlich-rechtlicher Vorschriften nicht vor. Diese Auffassung ist mit dem 23. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz durch eine Ergänzung des § 4 Abs. 1 des Beweissicherungs-
und Feststellungsgesetzes bekräftigt worden.
Es wird nicht verkannt, daß auch in den Fällen privater Verwaltung der Eigentümer in seiner Verfügungsgewalt über sein Eigentum gewissen, zum Teil auch tiefgreifenden Beschränkungen unterworfen ist. Der verbleibende Verfügungsspielraum - z. B. die Möglichkeit, den Grundbesitz zu veräußern oder zu vererben - ist aber immer noch so groß, daß von einer enteignungsähnlichen Verfügungsbeschränkung nicht gesprochen werden kann. Auch die bestehenden Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Erträge aus dem Grundbesitz schließen eine sachenrechtliche Verfügung über das Eigentum nicht aus. Die Tatsache, daß die aus dem Grundstück anfallenden Einnahmen auf ein Sperrkonto eingezahlt werden müssen, über das in der Regel nur zweckgebunden für mit dem Grundstück im Zusammenhang stehende Aufwendungen verfügt werden kann, stellt nicht grundsätzlich eine Verfügungsbeschränkung über das Eigentum an dem Grundstück selbst dar, die dem förmlichen Entzug gleichkäme.
Auf Grund dieser Tatsachen und Überlegungen kann in den Fällen der privaten oder sogenannten privatstaatlichen Verwaltung nach gegenwärtiger Rechtsanschauung ein Schaden nicht festgestellt werden. Diese Rechtsauslegung ist von den zuständigen Gerichten mehrfach bestätigt worden. Die Bundesregierung verfolgt jedoch die weitere Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse in der DDR mit großer Aufmerksamkeit. Es ist hier beispielsweise die in jüngster Zeit zu beobachtende Auskunftsverweigerung durch private Verwalter mit Besorgnis zu nennen. Nach Auffassung der Bundesregierung lassen diese Anzeichen aber noch nicht den Schluß zu, daß auch in den Fällen der privaten Verwaltung allgemein eine Verfügungsbeschränkung zu sehen ist, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen dem förmlichen Entzug entspricht. Es kann daher heute noch nicht gesagt werden, ob die weitere Entwicklung zu gesetzgeberischen Konsequenzen führen muß.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß die in West-Berlin wohnenden Eigentümer von Grundstücken z. B. im Randgebiet von Berlin lange vor der Verabschiedung des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes, nämlich schon Anfang der 50er Jahre, ihre Grundstücke ihren dortigen Nachbarn oder Bekannten zur Verwaltung übergeben haben, weil sie selber diese nicht mehr ohne weiteres betreten durften und - wie Sie selbst sagten - nicht mehr völlig frei darüber verfügen konnten, und infolgedessen diese Grundstücke doch immerhin als weggenommen betrachten können?
Dieser Tatbestand ist bekannt, Herr Kollege; aber nach dem gesetzlichen Tatbestand, den wir in diesem Hohen Hause festgelegt haben, ist das keine Wegnahme, die einen Entschädigungsanspruch rechtfertigen könnte. Dieser gesetzlich geltende Zustand ist auch von den Gerichten bestätigt worden. Das könnte man nur ändern, indem man das Gesetz ändert.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie selber von der Möglichkeit der Vererbung gesprochen haben, frage ich Sie: Was geschieht mit den Grundstücken, wenn die rechtmäßigen Eigentümer - bei denen es sich in der Regel um ältere Mitbürger handelt, die diese Grundstücke als eine zusätzliche Alterssicherung erworben haben, die aber davon heute überhaupt nicht profitieren - sterben und entweder keine Erben hinterlassen oder keine Erben in West-Berlin oder im übrigen Bundesgebiet haben?
Das sind sicherlich schwierige Probleme, die sich über die Grenze hin ergeben können. Aber rechtlich ist die Vererbung nach wie vor möglich: es gelten die Vererbungsregelungen, die das Bürgerliche Gesetzbuch kennt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, ich darf die Fragestunde einen Moment unterbrechen. Wir fahren gleich wieder fort. Herr Staatssekretär, ich darf Sie bitten, so lange Platz zu nehmen.
Auf Grund einer interfraktionellen Besprechung unterbreche ich jetzt die Fragestunde und schlage Ihnen vor, den Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung - 1. Ausschuß - betr. die Genehmigung zur Durchführung von Durchsuchungen - Drucksache 7/2881 - auf die Tagesordnung zu setzen und sofort zu beraten. - Widerspruch dagegen erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann diesen Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:
Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0})
- Immunitätsangelegenheiten betr. Genehmigung zur Durchführung von Durchsuchungen
- Drucksache 7/2881 Der Antrag konnte noch nicht verteilt werden. Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Bayerl, das Wort zu nehmen und vorzutragen.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. März 1973 betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages hat die Staatsanwaltschaft Koblenz mit Schreiben vom 21. November 1974 den Präsidenten des Deutschen Bundestages von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Beihilfe zur aktiven Bestechung durch den Abgeordneten Heinrich Gewandt Mitteilung gemacht.
Auf Grund dieses Beschlusses ist von einer Mitteilung an den Abgeordneten Gewandt abgesehen worden, um die Wahrheitsfindung nicht zu gefährden. Aus denselben Gründen hat der Immunitätsausschuß heute in einer Sondersitzung über die Genehmigung zur Durchführung von Durchsuchungen der Büro- und Wohnräume des Abgeordneten Heinrich Gewandt beraten. Dem Ausschuß lagen Durchsuchungsbeschlüsse der Amtsgerichte Hamburg, Bonn und Koblenz vom 27. November 1974 vor. Nach Auffassung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni-tat und Geschäftsordnung bedürfen die beantragten Durchsuchungsmaßnahmen der Genehmigung des Deutschen Bundestages. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die Genehmigung zu erteilen. Ich darf Sie bitten, dem Antrag des Auschusses zuzustimmen.
Gleichzeitig wird die Frau Präsidentin gebeten, zur Wahrung der Rechte des Bundestages zu dieser Durchsuchung einen Beauftragten zu entsenden.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? So beschlossen. Ich danke Ihnen.
Wir fahren nunmehr in der Fragestunde fort.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Huonker auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Grenzpolizei in die DDR reisende Bundesbürger, z. B. Studentendelegationen, mit Namen und Reiseziel registriert und diese Angaben den Länderinnenministerien mitteilt, end wenn ja, aus welchen Gründen wird diese Maßnahme durchgeführt?
Herr Kollege, im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland werden von den mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Stellen in Einzelfällen Namen von Reisenden erfaßt und an Sicherheitsbehörden weitergeleitet. Die gesetzliche Grundlage für diese Tätigkeit ist das Bundesgrenzschutzgesetz. Ich bin gern bereit, Einzelheiten über diese Erfassung in einer vertraulichen Sitzung des zuständigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zu erläutern.
Keine Zusatzfrage. Frage 27 des Herrn Abgeordneten Huonker:
Können Reisen von Bundesbürgern in die DDR, z. B. die Reise einer Studentengruppe auf Einladung des FDGB, zur Begründung von Zweifeln an der Verfassungstreue eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst herangezogen werden?
Herr Kollege, Ihre Frage kann nicht
generell beantwortet werden. Wie Sie wissen, unterstützt die Bundesregierung alles, was den Zusammenhalt der deutschen Nation über die Grenzen der beiden deutschen Staaten hinweg fördert. Dazu gehören auch Besuchsreisen von einem deutschen Staat in den andern. Sie begründen in der Regel natürlich kein Sicherheitsrisiko. In Einzelfällen kann allerdings eine differenzierte Beurteilung in Betracht kommen, beispielsweise dann, wenn auf Grund der Einladung oder sonstiger Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Reise Bestrebungen fördern oder ihnen dienen soll, die gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. In solchen Fällen ist eine sorgfältige Prüfung im einzelnen erforderlich, wie sie die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, der dem Hohen Hause zur Zeit zur Beratung vorliegt, vorgesehen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Verstehe ich Sie also richtig, Herr Staatssekretär, daß Reisen in die DDR allein kein Grund für Zweifel an der Verfassungstreue sind? Wieso werden dann Lehramtsbewerber, die z. B. der DKP angehören, gegen die aber ansonsten nichts vorzuliegen scheint, im Rahmen der Überprüfung ihrer Verfassungstreue zum Sinn und Zweck ihrer Reise angehört?
Herr Kollege, Sie verstehen mich richtig, daß Reisen in die DDR für sich genommen natürlich kein Ablehnungsgrund sind, sondern daß es immer auf den Zweck der Reise ankommt. Das heißt also, daß in jedem Einzelfall geprüft werden muß, ob im Zusammenhang mit der Reise der Verdacht verfassungsfeindlicher Tätigkeit oder Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind. Das muß in jedem Einzelfall dargelegt werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Heißt das also im Klartext, daß Mitglieder der DKP in dem von Ihnen angesprochenen Sinn bei jeder Reise überprüft werden?
Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Thürk auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem aus einem Drittstaat ({0}) stammenden Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen bezüglich Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland mindestens dieselben Vergünstigungen einzuräumen wie dem gleichartigen ausländischen Ehegatten eines Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaats?
Herr Kollege, es trifft nicht zu, daß die aufenthaltsrechtliche Regelung für Ausländer außerhalb der EG, die mit Deutschen verheiratet sind, ungünstiger ist als der aufenthaltsrechtliche Status eines ausländischen Ehegatten eines Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaates. Während für den letzteren Personenkreis nach dem EWG-Aufenthaltsgesetz vom 27. Juli 1969 eine Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis u. a. grundsätzlich aus allen Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zulässig ist, darf bei einem mit einem Deutschen verheirateten Ausländer nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 10. Mai 1972 die Aufenthaltserlaubnis nur versagt werden, wenn diese Gründe im Einzelfall schwerwiegen. Der deutschverheiratete Ausländer ist also insoweit bessergestellt als der ausländische Ehegatte eines Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaates.
Ebenso soll nach einer kürzlich getroffenen Absprache zwischen Bund und Ländern Ausländern, die mit Deutschen verheiratet sind, künftig bereits nach drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, während im EWG-Aufenthaltsgesetz die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht vorgesehen ist; sie wird unter bestimmten Voraussetzungen für jeweils fünf Jahre erteilt.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Thürk auf:
Hält die Bundesregierung es für bedenkenfrei, daß die Richtlinien im Widerspruch zu den II 8 und 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 die Ablegung der ausländischen Staatsangehörigkeit vorschreiben, wenn ein Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben will?
Herr Kollege, die Vermeidung von Mehrstaatigkeit ist ein international anerkannter Grundsatz, der in der Einbürgerungspraxis der Staaten durchweg beachtet wird. Er soll verhindern, daß die Loyalität eines Bürgers zu seinem Staat durch die Angehörigkeit zu einem anderen Staat beeinträchtigt wird und daß international privatrechtlich eine für den Bürger riskante Rechtsunsicherheit entsteht. Auf internationaler Ebene ist dieses Prinzip im Rahmen des Übereinkommens über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6. Mai 1963, dem die Bundesrepublik beigetreten ist, geltendes Recht.
Innerstaatlich ist der Grundsatz im Anwendungsbereich des am 1. Januar 1970 in Kraft getretenen § 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes zwingende Voraussetzung einer Einbürgerung. Er ist aber auch bei Ermessenseinbürgerungen nach § 8 dieses Gesetzes regelmäßig zu beachten. Die zwischen dem Bundesminister des Innern und den Innenministern der Länder abgestimmten Grundsätze für die Einbürgerung im Ermessenswege stehen daher nicht im Widerspruch zu den genannten Paragraphen des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes. Sie konkretisieren lediglich den in § 9 manifestierten gesetzgeberischen Willen und das InterParl. Staatssekretär Baum
esse des Staates an einer Einschränkung mehrfacher Staatsangehörigkeit.
Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit schließt allerdings nicht aus, Herr Kollege, daß in besonders gelagerten Fällen Mehrstaatigkeit hingenommen wird und hingenommen werden muß, Das gilt vor allem dann, wenn der Heimatstaat die Entlassung von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht und die Verweigerung der Entlassung vom Antragsteller nicht zu vertreten ist. Mit solchen Fällen haben wir es in letzter Zeit öfter zu tun gehabt.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß dieses Haus bei der Verabschiedung des § 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes ausdrücklich den Willen zum Ausdruck gebracht hat, daß bei der Zuerkennung der von Ihnen zuletzt genannten Kategorie großzügig verfahren werden soll, d. h. daß insbesondere alle diejenigen, die ihre Staatsangehörigkeit ohne eigene Schuld nicht aufgeben können, dennoch eingebürgert werden sollen?
Herr Kollege, das kann ich bestätigen, und ich kann Ihnen auch bestätigen, daß wir jedem dieser Fälle sehr sorgfältig nachgehen.
Keine weitere Zusatzfrage zu diesem Punkt.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Nach welchen Kriterien werden auf Grund des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes die Aufgaben der mitarbeitenden Organisationen voneinander abgegrenzt?
Herr Kollege, die Übertragung der Fachdienstaufgaben auf die im Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen der verschiedenen Organisationen erfolgt durch die Hauptverwaltungsbeamten der kreisfreien Städte und Landkreise. Sie sind dabei zunächst an die Aufgabenverteilung gebunden, die der Bund nach Abstimmung mit allen Beteiligten in Nr. 26 der zum Katastrophenschutzgesetz ergangenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Katastrophenschutzes vorgenommen hat. Die dortige Zuordnung geht von dem gewachsenen friedensmäßigen Aufgabenbild der Organisationen und ihren personellen und materiellen Möglichkeiten aus. So ist u. a. vorgesehen, daß die freiwilligen Feuerwehren und Berufsfeuerwehren den Brandschutzdienst, der Arbeiter-Samariter-Bund, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfallhilfe und der Malteser-Hilfsdienst den Sanitätsdienst und das THW sowie die Feuerwehren den Bergungsdienst übernehmen.
Sind nach der Verwaltungsvorschrift - wie in den zuvor aufgeführten Beispielen -- mehrere Organisationen für denselben Fachdienst berufen, werden aber nicht die Kräfte aller benötigt, so entscheidet der Hauptverwaltungsbeamte nach pflichtgemäßem Ermessen auf Grund der örtlichen Gegebenheiten, welche der Organisationen diese Aufgabe übernimmt. Er bestimmt auch in eigener Verantwortung den Träger des Fachdienstes, wenn die vom Bund hierfür in erster Linie vorgesehenen Organisationen zur Mitwirkung nicht bereit oder in der Lage sind. Die weitgehende Verlagerung der Entscheidung auf die Hauptverwaltungsbeamten der kreisfreien Städte und Landkreise auch in diesem Punkt entspricht der Grundkonzeption des Katastrophenschutzgesetzes, die am Prinzip der Dezentralisation ausgerichtet ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Geräte und Ausrüstungen die Feuerwehren auf Grund der ihnen neu zugewiesenen Aufgaben durch das Katastrophenschutzgesetz erhalten haben?
Herr Kollege, das ist eine Frage, die, wie ich glaube, nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer für die Fragestunde gestellten Frage steht. Ich bin gerne bereit, Ihnen darüber spezifiziert Auskunft zu geben.
({0})
- Schriftlich, ja.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, denkt die Regierung daran, zur Koordinierung der Aufgaben, die Sie soeben nannten, den vieldiskutierten Katastrophenschutzbeirat beim Bundesinnenminister zu berufen?
Wir haben in der Tat solche Überlegungen angestellt. Wir werden prüfen, ob ein solcher Beirat dazu beitragen kann, die notwendige Koordinierung zu verbessern.
Frage 31 des Herrn Abgeordneten Horstmeier:
Wie hoch sind die finanziellen Zuwendungen für die einzelnen Organisationen des Katastrophenschutzes?
Die Bundesregierung, Herr Kollege, widmet den Hilfsorganisationen, die durch ihr vorbildliches humanitäres Engagement auch einen Dienst
an unserer Demokratie leisten, große Aufmerksamkeit und fördert sie nach besten Kräften.
Erstens. Im Katastrophenschutz geschieht dies durch eine Dotierung ihrer Einheiten und Einrichtungen. Für sie werden Jahresbeiträge bereitgestellt, die sich berechnen nach der Anzahl der Helfer und der bei ihnen vorhandenen bundeseigenen Ausstattung, vervielfacht mit bestimmten Richtzahlen. Im Jahre 1974 stehen hierfür insgesamt 20,8 Millionen DM zur Verfügung. Davon entfallen auf die Einheiten und Einrichtungen der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk 7,1 Millionen DM und 16 Millionen DM auf die der anderen Organisationen, deren Einzelanteile zur Zeit von den Ländern ermittelt werden. Die Ausgabemittel werden den zuständigen obersten Landesbehörden zur Selbstbewirtschaftung durch die kreisfreien Städte und Landkreise zugewiesen und unterliegen damit nicht dem Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit. Diese Lösung gestattet den Einheiten und Einrichtungen eine selbständige längerfristige Ausgabenplanung, die stärker an den zeitlich unterschiedlich anfallenden Bedürfnissen ausgerichtet werden kann. Das Verfahren hat sich nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, bewährt und trägt wesentlich zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands bei.
Zweitens. Die vom Bund getragene Bundesanstalt Technisches Hilfswerk erhält unmittelbar - so wie beispielsweise die Feuerwehren von den Gemeinden - Mittel für die Vorhaltung des Verwaltungsapparates und die organisationsinternen Aufgaben. Sie betragen für die Kreis- und Ortsebene im Jahre 1974 rund 4,7 Millionen DM und nach dem Haushaltsentwurf 1975 rund 6,2 Millionen DM.
Drittens. Außerhalb des Katastrophenschutzes finanziert der Bund die auf den Verteidigungsfall hinzielende, aber bereits dem friedensmäßigen Katastrophenschutz und dein Rettungswesen zugute kommende Ausbildung von Schwesternhelferinnen und der Bevölkerung in Erster Hilfe. Hierfür erhalten die mit der Durchführung der Unterweisung beauftragten Sanitätsorganisationen zum Teil aus dem Haushalt des BMI, zum Teil aus dem Haushalt des Verteidigungsministeriums im Jahre 1974 rund 16 Millionen DM. Davon entfallen auf die Ausbildung von Schwesternhelferinnen rund 7,6 Millionen DM, von denen dem Deutschen Roten Kreuz rund 4,8 Millionen DM, der Johanniter-Unfallhilfe rund 834 000 DM usw. zur Verfügung gestellt werden. Die Höhe der Zuwendungen richtet sich nach der Anzahl der Ausbildungen in den letzten drei Jahren.
Ich bin gern bereit, Ihnen eine detaillierte Aufstellung zu übermitteln.
Keine Zusatzfrage; danke sehr.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung eine OECD-Studie ({0}), wonach geschätzt 2 % des Bruttosozialprodukts erforderlich sind, um das Tempo der Umweltbelastungen im Wachstumsprozeß wesentlich zu bremsen, 6 % des Bruttosozialprodukts notwendig sind, um die Umweltbelastung im Wachstumsprozeß konstant zu halten und 8 % bis 10 % des Bruttosozialprodukts erst eine qualitative Verbesserung der Umweltverhältnisse im Wachstum ermöglichen, und hält es die Bundesregierung angesichts dieser OECD-Studie
für ausreichend, daß der geschätzte Gesamtaufwand für den Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1971 his 1975 nur 70,5 Milliarden DM, das sind rund 1,8 °/o des geschätzten kumulierten Bruttosozialprodukts, für diesen Zeitraum betragen soll?
Herr Kollege, bei der in den „Materialien zum Bericht zur Lage der Nation" erwähnten angeblichen OECD-Studie handelt es sich nicht um eine Untersuchung der OECD oder des Sekretariats, sondern um eine private Ausarbeitung, die aus dem Jahre 1971 stammt. Weder das Sekretariat noch der Umweltausschuß der OECD haben sich diese private Studie zu eigen gemacht.
Bei den „Materialien" - darauf möchte ich hinweisen - handelt es sich im übrigen nicht um eine amtliche Stellungnahme der Bundesregierung.
Der zuständige Umweltausschuß der OECD hat auf Anregung der Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Kriterien zur Ermittlung vergleichbarer Daten innerhalb der einzelnen Mitgliedsländer erarbeiten soll. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Sie sollen jedoch Grundlage für Ermittlungen bilden, um die Zusammenhänge zwischen Umweltschutzkosten und anderen volkswirtschaftlichen Parametern wie z. B. Bruttosozialprodukt und dergleichen erarbeiten zu können. Deshalb sah die Bundesregierung bisher keine Veranlassung, die in der Literatur vorhandenen Kostenangaben, also auch die Kostenangaben der von Ihnen genannten Studie, zu überprüfen. Die Bundesregierung trägt aber weiterhin wie bisher ihre eigenen Ermittlungen zu den Arbeiten der OECD bei, und sie wird im Rahmen der zuständigen Gremien an der Abstimmung der Gesamtmeinung der OECD mitwirken.
Die in Ihrer Frage zitierten Schätzungen stammen aus dem sogenannten Ackermann-Gutachten. Diese Zahlen sind nicht auf dem neuesten Stand. Die Grundannahmen sind teilweise überholt, teilweise völlig andersgeartet, zumal sich in den vergangenen Jahren seit Erstellung des Gutachtens zusätzlich neue Erkenntnisse und neue Ansätze ergeben haben.
Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung bereits Mitte 1972 ein neues Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, das erstmals auf Grund einer konkreten Basisprüfung und -erhebung bei etwa 5 000 Unternehmen in 12 Wirtschaftssektoren für 20 Belastungsarten die monetären Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen bis zum Jahre 1980 schätzt und analysiert und diese in eine sinnvolle Beziehung zu volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen wie Sozialprodukt, Gesamtinvestitionen oder Umsatz der Industrie setzen soll. Die ersten Ergebnisse der Erhebung liegen bereits vor. Die Auswertung wird jedoch erst Mitte 1975 beendet sein. Schon jetzt kann gesagt werden, daß die Angaben, wonach qualitative Umweltverbesserungen erst bei einem Aufwand von 8 bis 10 % des Bruttosozialprodukts eintreten, völlig aus der Luft gegriffen sind und deutlich durch die in vielen Ländern in den letzten Jahren bei geringerem Mitteleinsatz erzielten Umweltverbesserungen widerlegt werden.
Man sieht, eine lange Frage erfordert auch eine lange Antwort.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für zweckmäßig, derart unzulängliche und angreifbare Zahlen eines privaten Autors unter dem Titel „OECD-Studie" in den Materialien zur Lage der Nation dem Bundestag vorzulegen?
Ich habe eben schon vorsichtig anzudeuten versucht, Herr Kollege, daß es sich bei den „Materialien" nicht um eine amtliche Stellungnahme der Bundesregierung handelt. Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, daß die Würdigung, die die Studie durch die Nennung dort erfahren hat, meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt ist.
Keine Zusatzfrage. Die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Büchner ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Penner auf:
Hält es die Bundesregierung nach Anhörung von 16 Sportfachverbänden vor dem Sportausschuß des Deutschen Bundestages für erforderlich, die angewandte Sportwissenschaft durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft zu verbessern?
Herr Kollege, darf ich beide Fragen zusammen beantworten?
Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Penner auf:
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß das Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Interesse einer umfassenden und sinnvollen Sportförderung mehr als bisher mit den Sportorganisationen praxisnah zusammenarbeitet?
Die Bundessportfachverbände haben im Hearing am 21. und 22. November 1974 bzw. in ihren Antworten auf die ihnen in diesem Zusammenhang zugeleiteten Fragebögen die Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft zu einem erheblichen Teil als gut, in zwei Fällen sogar als sehr gut beurteilt. In vereinzelten kritischen Bemerkungen haben Verbände insbesondere die Erwartung zum Ausdruck gebracht, daß ihnen das Bundesinstitut für Sportwissenschaft mehr als bisher praxisnahe Hilfen an die Hand geben wird. Dies entspricht auch der Auffassung der Bundesregierung.
Die Bundesregierung bemüht sich - was auch durch den Sportbericht der Bundesregierung und die Antwort auf die Große Anfrage betreffend Sportpolitik deutlich wird -, generell eine möglichst hohe Effektivität im Bereich der angewandten Wissenschaften des Bundesinstituts zu erreichen. Die bisherigen Schwierigkeiten auf diesem Wege bestanden insbesondere auf personellem Gebiet. Nach Gründung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft waren zwar geeignete Stellen für qualifizierte Wissenschaftler vorhanden; es war jedoch außerordentlich schwierig, diese Stellen auch angemessen zu besetzen, da es sich bei der Sportwissenschaft um eine sehr junge Disziplin handelt.
Hinzu kommt, daß naturgemäß jegliche wissenschaftliche Arbeit eine größere Zeitspanne erfordert, ehe brauchbare Ergebnisse vorliegen.
Die Bundesregierung hat von vornherein Wert darauf gelegt, eine enge Verbindung zwischen dem Bundesinstitut und Bundessportfachverbänden herzustellen. Nicht zuletzt auf diese Zielvorstellung ist es zurückzuführen, daß bei der Neubesetzung der Position des geschäftsführenden Direktors des Bundesinstituts einer Persönlichkeit der Vorzug gegeben wurde, die neben ihrer Qualifikation als Sportwissenschaftler eine besonders enge Verbindung zur Praxis des Sports hat. Eine weitere Intensivierung der Verbindung zu den Sportorganisationen und eine noch wirksamere Umsetzung der sportwissenschaftlichen Arbeit in die Verbandspraxis hat die Bundesregierung durch die Bildung einer Kontaktgruppe „Bundesausschuß Leistungssport /Bundesinstitut für Sportwissenschaft" eingeleitet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? Keine Zusatzfrage.
Frage 37 des Herrn Abgeordneten Spranger wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Kunz ({0}) auf:
Werden Deutsche, die in der DDR wegen Beihilfe zur Republikflucht oder wegen versuchter Republikflucht verurteilt wurden, als politisch Verfolgte im Sinne des Häftlingshilfegesetzes anerkannt, sobald sie in die Bundesrepublik Deutschland gelangen?
Herr Kollege, § 1 des Häftlingshilfegesetzes sieht Leistungen für Deutsche vor, wenn sie unter anderem in der DDR oder in Berlin ({0}) aus politischen und nach freiheitlich-demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenen Gründen in Gewahrsam genommen worden sind. Ihre Frage ist demnach grundsätzlich zu bejahen.
Nach § 213 des Strafgesetzbuches der DDR wird im Regelfall mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit entsprechenden Ersatzstrafen unter anderem bestraft, wer die gesetzlichen Bestimmungen oder auferlegten Beschränkungen über Ein- und Ausreise, Reisewege und Fristen über den Aufenthalt nicht einhält oder ohne staatliche Genehmigung das Gebiet der DDR verläßt.
Schon der Wortlaut, Herr Kollege, zeigt, daß der Straftatbestand des ungesetzlichen Grenzübertritts bzw. der sogenannten Republikflucht nach unserer Auffassung keinen Unrechtsgehalt besitzt. Sein politischer Charakter ist unverkennbar.
Die gleichen Grundsätze gelten für die Beihilfe zur sogenannten Republikflucht, wobei die Gerichte der DDR - soweit hier bekant ist - ihre Urteile in diesem Zusammenhang vielfach auch auf § 105 des
dortigen Strafgesetzbuchs stützen. Diese Vorschrift stellt den sogenannten „Staatsfeindlichen Menschenhandel" unter Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um sicherzustellen, daß politische Häftlinge aus der DDR unverzüglich sozial eingegliedert werden, und daß sie insbesondere - gerade wegen ihres psychischen Zustands - einen Arbeitsplatz erhalten?
Herr Kollege, die Frage der sozialen Eingliederung der ehemaligen politischen Häftlinge ist wiederholt im Deutschen Bundestag behandelt worden. Ich darf an die Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Juni 1973 erinnern. Auf eine entsprechende Anfrage des Kollegen Walther hat der damalige Bundesinnenminister Genscher auch in der Fragestunde am 16. Februar 1973 die verschiedenen Eingliederungsmaßnahmen im einzelnen erläutert.
Mit dem Problem der Arbeitsvermittlung befaßte sich seinerzeit eine Anfrage des Kollegen Dr. Schneider, die von dem Kollegen Herold mit Schreiben vom 1. Februar 1973 beantwortet worden ist.
Nach den Feststellungen des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit waren bis dahin keine Schwierigkeiten bei der beruflichen Eingliederung der aus der DDR entlassenen Häftlinge bekanntgeworden. Ihnen stellt die Bundesanstalt ihre Beratungs- und Vermittlungsdienste und die erforderlichen finanziellen Hilfen nach dem Arbeitsförderungsgesetz gezielt zur Verfügung. Sie hat hierfür im Notaufnahmelager Gießen eine besondere Außenstelle eingerichtet, die auch den Kontakt zum Arbeitsamt am neuen Wohnort herstellt.
Auch in jüngster Zeit haben sich bei der Arbeitsvermittlung für die ehemaligen politischen Häftlinge keine Schwierigkeiten ergeben. Soweit Beschwerden an das Bundesinnenministerium gelangen, wird regelmäßig versucht, über die zuständige Landesbehörde Abhilfe zu schaffen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Was ist aus den Überlegungen innerhalb der Bundesregierung geworden, die Kosten für den Betrieb von Dienstwagen drastisch einzuschränken?
Herr Kollege, die wirtschaftliche und damit kostengerechte Gestaltung des Kraftfahrzeugwesens der Bundesverwaltung ist seit geraumer Zeit wichtiger Bestandteil der Rationalisierungsbestrebungen der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat dem Haushaltsausschuß am 17. September dieses Jahres einen Zwischenbericht vorgelegt. Der Haushaltsausschuß hat sich bekanntlich am 9. Oktober 1974 mit diesem Bericht befaßt und zunächst eine qualifizierte Sperre für die Neuanschaffung von nicht personengebundenen Dienstkraftfahrzeugen beschlossen.
Die endgültigen Beschlüsse der Bundesregierung sind abhängig von dem Ergebnis zweier zur Zeit durchgeführter Kosten-Nutzen-Untersuchungen, die die kostengünstigsten Lösungen ergeben sollen. Die abschließende Konzeption der Bundesregierung kann dann zu Beginn des Jahres 1975 vorliegen. Es steht jetzt schon fest, daß Einsparungen möglich sind und auch mit Nachdruck verfolgt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Können Sie den genaueren Zeitpunkt angeben, zu dem mit der Vorlage dieser Vorschläge zu rechnen ist?
Herr Kollege, ich habe gesagt: Zu Beginn des Jahres 1975. Ich nehme an, daß das etwa im Januar oder Februar sein wird. Ich könnte Ihnen heute schon einige Einzelheiten der Richtung dieser Einsparungen aufzeigen; aber ich halte es für besser, wenn man erst die Kosten-Nutzen-Analyse abwartet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Werden diese Vorschläge so gefaßt, daß sie auch richtlinienartigen Charakter bekommen könnten zur Eindämmung der Dienstwagenflut bei Ländern, Gemeinden und anderen Anstalten und Stellen des öffentlich-rechtlichen Bereichs?
Ich könnte mir vorstellen, daß diese Ergebnisse und Vorschläge auch beispielhaften Charakter haben können, nämlich dann, wenn diese neuen Einsparungsmaßnahmen bei anderen Behörden noch nicht praktiziert werden. Ich könnte mir das durchaus vorstellen; nach der Art unserer Einsparungsvorschläge ist das sogar ziemlich sicher.
Wir sollten dennoch nicht unsere Kompetenz überschreiten, was die Gemeinden und die Länder betrifft.
Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 5. Dezember 1974, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.