Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Der Abgeordnete Staak ({0}) ist am 13. November 1974 aus dem Bundestag ausgeschieden. Als sein Nachfolger ist mit Wirkung vom 14. November 1974 die Abgeordnete Frau Dr. Rehlen eingetreten. Ich begrüße die neue Kollegin sehr herzlich und wünsche ihr alles Gute im Deutschen Bundestag.
({1})
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführten Vorlagen:
1. Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses ({2}) zu dem Antrag der Bundesregierung betr. Tausch der dem Bund gehörenden Aktien der Gelsenberg AG gegen neue Aktien der VEBA AG
- Drucksachen 7/2724, 7/2815 Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
2. Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts ({4})
- Drucksache 7/2810 Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Ist das Haus damit einverstanden? - Die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.
Punkt 24, das Energieprogramm der Bundesregierung und dessen Fortschreibung, soll abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Europäische Union
- Drucksache 7/2747 zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Betr.: Entschließung und Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend den Jahresbericht über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft
- Drucksache 7/2748 zuständig: Ausschuß für Wirtschaft ({5}), Finanzausschuß
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren ({6}) und Gutachten des Sozialbeirats
- Drucksache 7/2721 -zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({7}), Haushaltsausschuß
Betr.: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen
- Drucksache 7/2371 zusätzlich auch an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitberatend
({8})
Betr.: Üpl. Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 656 55 im Haushaltsjahr 1974
Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
- Drucksache 7/2731 zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist. Es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Das vom Deutschen Bundestag in seiner Sitzung am 17. Oktober 1974 beschlossene
Zweite Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum
({9}) ist vom Vermittlungsausschuß bestätigt worden.
Das Schreiben des Vermittlungsausschusses wird als Drucksache 7/2812 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 13. November 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung ({10}) des Rates zur Festlegung - für das Weinwirtschaftsjahr 1974/1975 - des von den Interventionsstellen zu zahlenden Preises für den Alkohol, der ihnen im Rahmen der vorgeschriebenen Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung geliefert wird, und des dabei vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, zu übernehmenden Höchstanteils
- Drucksache 7/2449 -Verordnung ({11}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({12}) Nr. 2108/70 zur Bestimmung des gemeinschaftlichen Handelsklassenschemas für Schweinehälften
- Drucksache 7/2313 - Dritte Entscheidung des Rates
über die Gleichstellung von Feldbesichtigungen von Saatgutvermehrungsbeständen in dritten Ländern
über die Gleichstellung von in dritten Ländern erzeugtem Saatgut
sowie eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidungen des Rates vom 26. März 1973 über die Gleichstellung von Feldbesichtigungen von Saatgutvermehrungsbeständen in Dänemark, in Irland und im Vereinigten Königreich und über die Gleichstellung von in Dänemark, in Irland und im Vereinigten Königreich erzeugtem Saatgut
- Drucksache 7/2276 Verordnung ({13}) des Rates zur Festsetzung der Schwellenpreise für geschälten Reis und Bruchreis und des in den Schwellenpreis für vollständig geschliffenen Reis einzubeziehenden Schutzbetrags für das Wirtschaftsjahr 1974/1975
- Drucksache 7/2198 Verordnung ({14}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({15}) Nr. 1695/73 des Rates zur Bestimmung, inwieweit die für Rindfleisch anzuwendenden Währungsausgleichsbeträge wegen der niedrigeren Bewertung einer Währung höher sein können als die Belastung bei der Einfuhr aus Drittländern
- Drucksache 7/2168 8958
Präsident Frau Renger
Verordnung ({16}) des Rates über Sondermaßnahmen für Sojabohnen
- Drucksache 7/2072 Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestags hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({17}) des Rates zur Ergänzung der Verordnung ({18}) Nr. 232/73 des Rates über die Durchführungsbestimmungen zu Artikel 47 der Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassung der Verträge betreffend die Handelsregelung der Waren, die unter die Verordnung ({19}) Nr. 1059/69 fallen
- Drucksache 7/2759 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({20}) des Rates zur Ersetzung der in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung geltenden Ausgangszollsätze für die Einfuhr bestimmter Waren aus den neuen Mitgliedstaaten
- Drucksache 7/2760 überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({21}) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta
- Drucksache 7/2761 -überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({22}) des Rates über die Aufteilung der Mittel des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1974 und über bestimmte Fristen für 1974 und 1975
- Drucksache 7/2762 -überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts reditzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({23}) des Rates über Gemeinschaftsanleihen - Drucksache 7/2777 überwiesen an den Finanzausschuß ({24}), Ausschuß für
Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des
Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 1 auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Haushaltsausschusses ({25}) zu dem Antrag der Bundesregierung betr. Tausch der dem Bund gehörenden Aktien der Gelsenberg AG gegen neue Aktien der VEBA AG
- Drucksachen 7/2724, 7/2815 - Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Erhebt sich gegen den Antrag des Ausschusses Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({26}) zu dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts ({27})
- Drucksache 7/2810 - Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dürr.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat am 8 November 1974 den Vermittlungsausschuß angerufen, um in sieben Punkten eine Änderung des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages zum Ersten Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts herbeizuführen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 14. November 1974 mit dem Vermittlungsbegehren des Bundesrats befaßt. Er folgte den Vorschlägen des Bundesrats in fünf Fällen; in zwei weiteren Fällen wurde der Vermittlungsantrag abgelehnt.
Nach der vom Bundestag beschlossenen Fassung war vorgesehen, daß sich die Beteiligten bei Rauschgiftdelikten in bestimmten Fällen Straffreiheit verdienen können, wenn sie zur Tataufklärung beigetragen haben. Der Bundesrat hat dagegen praktische Bedenken ins Feld geführt und auf die Gefahr hingewiesen, daß dadurch in Einzelfällen die Neigung erzeugt werden könnte, Unschuldige zu bezichtigen. Er sah ferner die Gefahr, daß diese Durchbrechung des Legalitätsprinzips Schule machen und ein unwürdiger Handel zwischen Beschuldigtem und Staatsanwaltschaft entstehen könnte. Der Vermittlungsausschuß hat sich diese Bedenken zu eigen gemacht und deshalb vorgeschlagen, den § 153 f der Strafprozeßordnung zu streichen.
Der Vermittlungsausschuß folgte ferner dem Vorschlag des Bundesrats, § 135 der Strafprozeßordnung neu zu fassen, um das Eilgebot bei der Vorführung stärker zu betonen. In diesem Zusammenhang hat der Vermittlungsausschuß in der neuen Vorschrift des § 163 a Abs. 3 den Satz 4 gestrichen, da dessen Inhalt im Widerspruch zu § 135 steht, auf den in § 163 a Abs. 3 Satz 4 verwiesen wird.
Der Vermittlungsausschuß folgte auch dem Begehren des Bundesrats, den erst vom Bundestag aufgenommenen neuen § 161 b der Strafprozeßordnung wieder zu streichen. Diese Bestimmung sollte die Verpflichtung des Staatsanwalts begründen, bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen dem Verteidiger des Beschuldigten die Anwesenheit zu ermöglichen. Obwohl einige gerade auf diese Bestimmung besonderen Wert legten, zeigte sich schließlich doch, daß sie zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten nicht unbedingt erforderlich ist, sondern im Gegenteil zu praktischen Schwierigkeiten führen könnte.
Aufgenommen wurde das Begehren des Bundesrats, die vorgesehenen Ermittlungspflichten der Staatsanwaltschaft im Wiederaufnahmeverfahren zu beseitigen. Das geschah im Hinblick darauf, daß nach der gegenwärtigen Rechtslage bereits Ermittlungshilfe in allen begründeten Fällen durch die Staatsanwaltschaft geleistet wird und die erweiterte Pflicht zur Ermittlungshilfe von Amts wegen sehr wohl Kosten verursachen könnte. Die Entscheidung dieser Frage soll darum bis zur Gesamtreform des Wiederaufnahmeverfahrens zurückgestellt werden.
Nicht aufgenommen wurde der Vorschlag des Bundesrates, hinsichtlich der Nebenklagebefugnis eine stärkere Einschränkung in dem Maße vorzunehmen, wie das die Bundesregierung in ihrem Entwurf vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung hatte sich
davon leiten lassen, daß eine wesentliche Einschränkung der Nebenklagebefugnis die Prozesse beschleunigen, vereinfachen und billiger machen würde. Es ist jedoch nicht erwiesen, daß diese Erwartung zutrifft. Vielmehr kann angenommen werden, daß weiterhin ein starkes Bedürfnis der durch eine Straftat verletzten Personen an der mit dem Betreiben der Nebenklage verbundenen Sachaufklärung besteht.
Der Vorschlag des Bundesrates, auch die vorsätzlich uneidliche Falschaussage vor der Staatsanwaltschaft ebenso unter Strafe zu stellen wie die vor Gericht gemachte Falschaussage wurde nicht übernommen. Insofern blieb es bei dem Gesetzesbeschluß des Bundestages, weil die strafbewehrte Pflicht für Zeugen und Sachverständige, auch vor dem Staatsanwalt die Wahrheit zu sagen, dazu geführt hätte, daß es dem Zeugen schwer oder gar unmöglich gemacht worden wäre, in der Hauptverhandlung eine vorherige unrichtige Aussage zu korrigieren oder zu vervollständigen. Das ändert nichts daran, daß der Zeuge und Sachverständige auch vor dem Staatsanwalt die Pflicht hat, die Wahrheit zu sagen.
Ein letztes, ebenfalls aufgenommenes Vermittlungsbegehren des Bundesrates betrifft eine redaktionelle Berichtigung in Artikel 12.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß vom Bundestag über die Änderungsvorschläge gemeinsam abzustimmen sei. Ich bitte, dem Votum des Vermittlungsausschusses zu folgen.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht gehört. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen ? - Einstimmig angenommen. Ich danke sehr.
Ich rufe nunmehr auf die Punkte 23 a) und 23 b) der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes, des Deutschen Richtergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten
- Drucksache 7/2432 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({0})
Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 7/2433 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({1})
Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß
Das Wort hat Herr Bundesminister Maihofer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll ein Kapitel der Innenpolitik abschließen, das weite Teile unseres Volkes aufgewühlt hat. Das leidenschaftlich vorgetragene Für und Wider zu dem Thema „Einstellung von Verfassungsfeinden in den öffentlichen Dienst" berührt die Grundfesten unserer Vorstellung vom Rechtsstaat.
Das System des Grundgesetzes ist gekennzeichnet durch eine sorgfältige Abwägung zwischen größtmöglicher Freiheit des Bürgers zur Selbstentfaltung und der zum Schutze eben dieser freiheitlichen Ordnung notwendigen Sicherung.
Die freiheitlichste Verfassung in der deutschen Geschichte, unser Grundgesetz, ist auf das aktive politische Engagement unserer Bürger begründet. Die Gründung von Vereinigungen und Parteien ist darum frei. Sie können nur unter besonderen Voraussetzungen in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt oder gar verboten werden. Sowohl in den materiellrechtlichen Voraussetzungen als auch in den prozeßrechtlichen Sicherungen sind Verbote von Parteien und Vereinigungen gegen einen Mißbrauch im politischen Meinungskampf abgesichert. Dies geht so weit, daß auch Parteien mit klarer verfassungsfeindlicher Zielsetzung ihre politische Aktivität so lange fortsetzen können, bis das Bundesverfassungsgericht auf Antrag entweder der Bundesregierung oder des Bundestages oder des Bundesrates nach eingehender eigener Prüfung ein Verbot ausspricht.
Auch bei Vorliegen der materiellrechtlichen Verbotsvoraussetzungen sind dabei die antragsberechtigten Stellen zur Stellung eines Verbotsantrags keineswegs verpflichtet. Es liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, einen Antrag zu stellen oder davon abzusehen. Damit hat sich der deutsche Gesetzgeber hier für das Opportunitätsprinzip, im Gegensatz zu dem das Strafrecht beherrschenden Legalitätsprinzip, entschieden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß auch mit politischen Kräften, welche unsere Verfassungsordnung bekämpfen, die Auseinandersetzung in erster Linie in der politischen Arena und mit politischen Argumenten gesucht und bestanden werden soll. Zum Schutz unserer Verfassungsordnung soll ein juristisches Verbot, wenn ich es einmal so sagen darf, nur als Ultima ratio der Politik, als letzte Waffe der streitbaren Demokratie eingesetzt werden.
Dieser so weit gespannte Freiheitsraum für politische Aktivität, eine so weitgehende politische Toleranz auch gegenüber antidemokratischen Kräften hat andererseits notwendig zur Bedingung - und damit komme ich zu unserem heutigen Thema -, daß wir den Bereich der staatlichen Gewalt vor dem Eindringen verfassungsfeindlicher Kräfte mit Sicherheit bewahren. Zugespitzt ausgedrückt: Die Weitherzigkeit unserer Verfassung gegenüber politischen Bestrebungen der verschiedensten Richtungen erfordert umgekehrt notwendig Engherzigkeit gegenüber denen, die den öffentlichen Dienst zur Förderung ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen mißbrauchen wollen. Klar gesagt: Verfassungsfeinde haben
im öffentlichen Dienst keinen Platz! Über diesen Grundsatz sind wir uns alle einig.
Einig sollten wir uns aber auch darin sein, daß nicht schon jede radikale Kritik an unserer bestehenden Gesellschaftsordnung und geltenden Staatsverfassung mit Verfassungsfeindlichkeit gleichzusetzen ist. Es muß gerade in einer freiheitlichen Ordnung, um der Lebenskraft eben dieser Freiheit willen, in jeder nachwachsenden Generation immer wieder neu ein radikales Durchdenken über die Sinnerfülltheit und Zeitgemäßheit der gesellschaftlichen Verhältnisse geben. Auch wenn ich als Liberaler etwa ein solches radikales Nachdenken über eine „Vergesellschaftung der Produktionsmittel" mit aller politischen Leidenschaft bekämpfen würde, sie macht doch einen solchen Radikalen, der über das öffentlich nachdenkt, was nach Art. 15 unserer Verfassung mit einfacher Mehrheit des Bundestages jederzeit beschlossen werden könnte, nicht zu Extremisten, zum Verfassungsfeind.
({0})
Daß das nun eben gerade kein inaktuelles Thema ist, das hat das gezeigt, was Ministerpräsident Filbinger in der Verfassungsdebatte in diesem Hause hierzu irrig behauptet hat.
({1})
Wohl aber gilt diese Qualifizierung für den, der an den Kernbestand dieser unserer freiheitlichen Verfassung rührt, und damit zugleich die Verbürgung auch solchen immer wieder neuen Nachdenkens der Erfülltheit und Gemäßheit unserer gesellschaftlichen Ordnung selbst trifft. Denn eben diese Offenheit und damit Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse und der verfassungsmäßigen Ordnung innerhalb eines klar abgesteckten, unverbrüchlich selbst gegen verfassungsändernde Mehrheiten abgesicherten Spielraums, reformerischer Aktivität machen die tiefere Überlegenheit des demokratischen Systems gegenüber allen totalitären Systemen, welchen Vorzeichens auch immer, aus.
Selbst unser Grundgesetz ist so - das erleben wir ja jedes Jahr auch in diesem Bundestag - für Veränderungen offen. Es bietet breiten Raum für neue Entwicklungen in Staat und Gesellschaft. Un-veränderbar sind jedoch die fundamentalen Prinzipien unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Diese zum Kernbestand unserer Verfassung gehörenden Grundwertentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1952 in seiner Entscheidung über das Verbot der Sozialistischen Reichspartei knapp und treffend als die Ordnung umschrieben - ich zitiere aus der Begründung, denn darauf zielt alles, worum wir im Parlament heute ringen -,
... die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten; vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Wer diese Grundwerte bekämpft, ist eben nicht nur Radikaler, sondern Extremist. Er stellt sich außerhalb des Bodens unseres Grundgesetzes,
({2})
weil er die für Demokraten unverbrüchliche verfassungsmäßige Basis verlassen hat. - Nun, das sind nicht nur goldene, das sind selbstverständliche Worte.
({3})
Wer - um mit dem Bundesverfassungsgericht zu sprechen - mit legalen Mitteln die Änderung einzelner Vorschriften, ja, selbst ganzer Institutionen unserer Verfassung anstrebt, mag in den Augen seiner Mitbürger als radikal erscheinen und Ärgernis erregen. Ein Feind unserer Verfassung ist er deshalb keineswegs. Das Erfordernis der Verfassungstreue bei einem Bewerber zum öffentlichen Dienst darf deshalb nicht zum Vorwand werden, politisch unbequeme und deshalb unerwünschte Bürger von staatlichen Tätigkeiten fernzuhalten.
({4})
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß manch einer - das wissen gerade Sie, Herr Carstens, aus Ihrer Kenntnis der Geschichte sehr genau -, der als Vorkämpfer für Freiheit und Recht Bahnbrechendes für die Entwicklung der freiheitlichen Demokratie in unserem Land zu seiner Zeit geleistet hat, seinen Zeitgenossen höchst lästig gewesen ist. Unser demokratischer Staat ist gefestigt genug, daß er nicht zuletzt um der Wahrhaftigkeit seines Selbstverständnisses willen politisch inkonforme, aber verfassungstreue Mitarbeiter nicht von sich fernzuhalten braucht.
Aber das muß ebenso nachdrücklich auch nach der anderen Seite gesagt werden. Die Lebenskraft unseres Staates, die sich auf diese seine verbürgte Freiheit gründet, bleibt nur dann erhalten, wenn seine Bediensteten diesen ihren Staat schützen und für seine freiheitliche Ordnung aktiv einzutreten bereit sind. Seinen Beamtenpflichten und seiner Verfassungstreue handelt nicht nur derjenige zuwider, der darauf ausgeht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch gewaltsame Aktionen umzustürzen, sondern auch, wer ihren Kernbereich nur für die Gegenwart, also vorläufig bejaht, in der Hoffnung, daß die geschichtliche Entwicklung über den freiheitlichen Rechtsstaat hinwegschreiten wird.
Es kann - auch dies muß klar gesagt werden - kein Opportunitätsprinzip bei der Einstellung von Gegnern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geben. Diese gehören in keinen Fall in den öffentlichen Dienst. Dabei macht es keinen UnterBundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
schied, ob jemand verfassungsfeindliche Bestrebungen als einzelner oder im organisatorischen Verband einer politischen Vereinigung oder gar einer politischen Partei zu verwirklichen sucht. Die Treuepflicht des öffentlichen Dienstes hat Vorrang auch vor dem Parteienprivileg des Art. 21 GG. Darin besteht Übereinstimmung zwischen dem Regierungsentwurf und dem Bundesratsentwurf, wie auch Herr Ministerpräsident Kohl am 10. Mai im Bundesrat ausdrücklich festgestellt hat.
Ebenso stimmen beide Entwürfe darin überein - und ich glaube, wir sollten zunächst einmal das Gemeinsame betonen -, daß die Zugehörigkeit eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst zu einer Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung nicht mit automatischer Konsequenz zu seiner Ablehnung führen soll. Auch der Bundesratsentwurf - wenn Sie ihn genau lesen - sagt, daß die Mitgliedschaft in einer solchen Partei nur in der Regel Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers begründet.
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- Ich werde sehr genau darauf eingehen; denn darüber müssen wir hier miteinander reden und rechten. - Damit räumt also auch der Bundesratsentwurf die Möglichkeit von Ausnahmefällen ein, in denen trotz Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Organisation die persönliche Verfassungstreue eines Bewerbers - wenn auch, wie er sagt, nur im Ausnahmefall - bejaht werden kann.
Der Unterschied zwischen den beiden Entwürfen liegt so allein in dem unterschiedlichen rechtsstaatlichen Verfahrenserfordernis für die Prüfung der Verfassungstreue eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht von der im Bundesbeamtengesetz und im Beamtenrechtsrahmengesetz im Einklang mit Art. 33 des Grundgesetzes bereits verankerten Verpflichtung zur Verfassungstreue aus. Er ändert insoweit die bestehende Rechtslage ganz und gar nicht. Die Voraussetzungen für eine Berufung in das Beamtenverhältnis bleiben, auch wenn zuweilen das Gegenteil behauptet wird, dieselben, wie sie im Bundesbeamtengesetz 1953 und im Beamtenrechtsrahmengesetz 1957 festgelegt worden sind, nämlich: Erstens. In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt, wie sie in unserem Grundgesetz verankert ist. Zweitens. Der Beamte muß sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen; aber nicht nur das, sondern auch für sie eintreten.
Ausgangspunkt der meisten Angriffe auf den Regierungsentwurf ist eine falsche Interpretation des Satzes: „Das gilt auch für Bewerber, die einer Partei angehören." Dieser Satz steht in engem sachlichem Zusammenhang mit dem vorhergehenden, der da lautet: „In der Begründung einer ablehnenden Entscheidung müssen die in der Person eines Bewerbers liegenden Umstände festgestellt werden, die gegen seine Verfassungstreue sprechen."
Es ist unrichtig, wenn behauptet wird, nach dem Willen der Bundesregierung solle die Zugehörigkeit eines Bewerbers zu einer Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, unerheblich sein. Davon ist überhaupt keine Rede. Richtig ist vielmehr: Für Bewerber, die Mitglied einer Partei sind, gelten keine Sonderregelungen, weder im positiven noch im negativen Sinne. Kein Bewerber kann sich zu seinen Gunsten darauf berufen, daß die politischen Ziele, für die er sich einsetzt und die seiner Bewerbung auf Grund des Ergebnisses der Einzelfallprüfung entgegenzuhalten sind, von einer Partei oder Vereinigung verfolgt werden, die im Rahmen des Art. 21 bzw. des Art. 9 des Grundgesetzes tätig werden und nicht verboten sind.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates wertet dagegen die Mitgliedschaft in einer von den zuständigen Behörden nach ihren Erkenntnissen als verfassungsfeindlich bezeichneten Partei, über deren Verfassungsfeindlichkeit allerdings eine rechtskräftige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht getroffen ist - auch das müssen wir wohl jeweils beachten -, als ein indizielles Kriterium, aus dem in der Regel ohne irgendwelche weitere Nachprüfung oder gar Anhörung auf die Verfassungsuntreue des Bewerbers geschlossen werden könnte.
({6})
- Könnte!
({7})
- Wenn das für alle gilt, die aus Ihrer Richtung sprechen, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, wo der Grundunterschied zwischen uns liegen soll.
({8})
- Sie erlauben mir, daß ich unseren Entwurf ebenso deutlich mache.
({9})
Bei einer solchen pauschalen Prozedur entsteht nämlich die Gefahr, daß sich die Prüfung auf weiter nichts erstreckt als darauf, ob der Bewerber einer bestimmten Partei angehört. Ein solches Verfahren führte zu Ergebnissen, die sich mit Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbaren lassen. Es gibt keine zwingende Erfahrung, daß jedes Mitglied einer Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung sich selber diese verfassungsfeindliche Zielsetzung für alle Zeiten zu eigen gemacht hat und nie mehr die erforderliche Verfassungstreue aufbringen wird.
({10})
- Aber nein. Gegen solche pauschalen Verdikte gibt es in der Geschichte und in der Gegenwart lebendige Zeugnisse übergenug.
Besonders unter der jüngeren Generation - denn das ist hier das aktuellste Problem - gibt es, wie manche von uns sehr wohl wissen, Menschen, die
sich einer extremistischen Partei anschließen, weil sie dort, unter Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten, Realisierungschancen für an sich anerkennenswerte moralische Ideale „menschlicheren Lebens" und „besserer Gesellschaft" sehen. Sie ignorieren zunächst nicht selten auch eindeutige Hinweise auf verfassungsfeindliche Zielsetzungen, bewerten verfassungsfeindliche politische Aktivitäten aus subjektiver Perspektive und glauben womöglich - auch das gibt es -, die Tendenzen solcher Organisationen ins Positive wenden zu können. Wir alle wissen, welchem gefährlichem Irrtum junge Menschen damit erliegen können. Auch von solchen Lehren ist unsere Geschichte voll. In der Tat kann auch eine solche wirklichkeitsfremde Haltung ein Beweis dafür sein, daß der Betreffende jedenfalls derzeit nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
Wogegen wir uns mit unserem Regierungsentwurf wenden, ist das pauschale Verdikt. Gerade bei jüngeren Bewerbern - und eben sie sind ja der Regelfall bei solchen Einstellungsverfahren; das muß man doch ehrlich sehen - zeigt erst eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls, eine gründliche Beschäftigung mit den tatsächlichen Aktivitäten und Motivationen, was von diesem Bewerber zu halten ist. Schwierig wird das vor allem auch dann, wenn die verfassungsfeindliche Zielsetzung einer Partei nicht für jedermann von vornherein klar erkennbar ist. Denken Sie an die unendlich vielen linken Grüppchen, etwa an unseren Hochschulen, mit all den Organisationen und Aufbauorganisationen, die es hier jedes Jahr neu wieder und wieder gibt.
Hier kann doch der mehr von Idealen als von der Realität bestimmte junge Mensch nur zu leicht getäuscht werden oder sich selbst täuschen. Entscheidungen, die ein junger Mensch in seiner Sturm- und Drang-Periode getroffen hat, ohne sich ihrer Tragweite voll bewußt gewesen zu sein, mögen große Anforderungen an unser Verständnis stellen. Solche Entscheidungen dürfen einem Menschen aber nicht als Stigma für alle Zeiten anhaften.
({11})
Um es noch deutlicher zu sagen - und das meine ich so, wie ich es sage; wir haben Anlaß dazu -: Wir sollten uns nicht sehenden Auges selbst die politischen Desperados in unserer Gesellschaft züchten.
({12})
- Aber nein.
({13})
- Ich kann den Unernst nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, mit dem Sie diese Sache angehen, Herr Carstens.
Die einseitige Hervorhebung der Parteimitgliedschaft im Bundesratsentwurf bringt jedoch noch eine weitere Gefahr: Die Aufmerksamkeit der Einstellungsbehörden wird damit zugleich von denjenigen nur allzu leicht abgelenkt, die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind, ohne einer Partei mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung anzugehören.
({14})
Sie sind oft die Allergefährlichsten. Das werden Sie doch nicht bestreiten.
({15})
Auch und gerade solchen Extremisten, nicht zuletzt denen, die ihre Mitgliedschaft tarnen oder die als Extremisten jenseits aller Parteien und Vereinigungen im Sinne des Grundgesetzes operieren - von denen haben wir in den vergangenen Tagen ja genug gehört -, muß die besondere Wachsamkeit unseres freiheitlichen Staates gelten. Ich möchte sogar behaupten, daß von ihnen auf Dauer noch größere Gefahren ausgehen können als von erklärten Anhängern bestimmter verfassungsfeindlicher Organisationen, die im Obergrund und nicht im Untergrund vor unser aller Augen operieren.
({16})
Der Regierungsentwurf begegnet dieser Gefahr einer Blickverengung, indem er nicht den Besitz des Mitgliedsbuches einer bestimmten Partei zum alles entscheidenden Kriterium macht, sondern die Mitgliedschaft als einen in der Person des Bewerbers liegenden Umstand - wie auch mein Kollege Genscher im Bundesrat erklärt hat - unter anderen ansieht. Sicher ist sie ein sehr gewichtiger Umstand; wenn es gar die Funktionärseigenschaft ist, ist es ein noch viel gewichtigerer Umstand.
Der Regierungsentwurf stellt klar: Bei einer Ablehnung aus politischen Gründen müssen „in der Person eines Bewerbers liegende Umstände" festgestellt werden, die gegen seine Verfassungstreue sprechen. Auch bei Bewerbern, die Mitglied einer Partei sind, hängt es so von ihrer eigenen Haltung und Einstellung ab, ob sie die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Zu diesen Umständen kann auch der Entschluß des Bewerbers gehören - das will ich hier ganz klar sagen -, einer Partei beizutreten, die erkennbar verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Dazu kann ebenso der Wille des Bewerbers gehören, als Mitglied in einer solchen Partei zu verbleiben, obwohl er die verfassungsfeindliche Zielsetzung der Partei in der Zwischenzeit erkannt hat. Zu diesen Umständen gehören aber auch politische Aktivitäten des Bewerbers, die seine verfassungsfeindliche Einstellung unmittelbar offenbaren, ohne daß diese Einstellung in Form einer Parteimitgliedschaft erkennbar wird.
Aus alledem ergibt sich, daß die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung - wenn man sie so nimmt, wie ich sie hier vortrage - sehr wohl geeignet ist, Feinde unserer Verfassung vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. Nur sie allein aber bietet
zugleich auch die Gewähr, daß bei jedem solchen Einstellungsverfahren die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit beachtet werden. Nur eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles - dies müssen ja auch Sie wollen, selbst wenn Sie auch nur ausnahmsweise einen solchen Bewerber zum öffentlichen Dienst zulassen wollen; auch dann müssen Sie den Einzelfall prüfen - unter Berücksichtigung aller Umstände, die zu der negativen Prognose führen - eine Prognose, die hier immer eine schwierige Sache ist -, daß der Bewerber nach seinem bisherigen Verhalten nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für diese unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten wird, kann die Begründung und Rechtfertigung dafür liefern, einem fachlich sonst qualifizierten Bewerber den Zugang zum öffentlichen Dienst zu versagen und damit seine zukünftige Berufstätigkeit damit unter Umständen in eine ganz andere als die vom Bewerber angestrebte Richtung zu lenken.
Wer das darin liegende Problem - und das ist ja heute beliebt - mit dem Hinweis, daß ohnehin kein Bürger einen Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Dienst besitze, abtun will, macht sich die Sache zu leicht. In der ablehnenden Entscheidung über ein Einstellungsgesuch für den öffentlichen Dienst kann ein tiefer Eingriff in die Existenzplanung und die Lebenschancen des Bewerbers liegen. Sie gerät dadurch in ein Spannungsverhältnis zu dem Grundgedanken des Art. 12 unserer Verfassung, in dem die freie Wahl der beruflichen Betätigung durch den einzelnen grundgesetzlich verbürgt wird. Dies bedeutet nicht, daß jedermann Anspruch auf die ihm erwünschte Beschäftigung oder gar ein Recht gegen den Staat auf Beschäftigung als Verwaltungs- oder Polizeibeamter, als Lehrer oder Richter geltend machen könnte. Das Recht der staatlichen Dienstherren, unter den Bewerbern eine Auswahl zu treffen, aber muß nach einheitlichen, fairen und transparenten Grundsätzen gehandhabt werden.
Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes verbürgt allen Deutschen nach dem Maße ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies begrenzt den Ermessensspielraum der Einstellungsbehörden und steht der Zulässigkeit eines Ausschlusses von Bewerbern, der lediglich - ohne eine sorgfältige Einzelfallprüfung - auf Grund eines pauschalen Verdikts vollzogen würde, entgegen.
Der Bundesrat hat den Regierungsentwurf auch deshalb abgelehnt, weil dieser - so die Kritik - zu einer Umkehrung der bestehenden Beweislast führe. Nach geltendem Recht habe der Bewerber seine Eignung nachzuweisen, wenn Zweifel an ihr bestünden.
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Falls er diese Zweifel nicht ausräumen könne, gehe dies zu seinen Lasten; so der Entwurf gegen unseren Entwurf. Es bestehe darum keine Veranlassung, gerade bei Verfassungsfeinden von diesem Grundsatz abzuweichen.
Dazu kann ich nur sagen: Die Wiedergabe der geltenden Rechtslage durch den Bundesrat ist zweifellos zutreffend. Nur seine Behauptung, der Regierungsentwurf wolle hieran etwas ändern, ist schlicht unrichtig. Im Verwaltungsverfahren gilt - um Ihnen auch dies im einzelnen auseinanderzulegen - der Grundsatz der Amtsermittlung. Die Behörde hat Sachverhalte von Amts wegen aufzuklären; sie ist verpflichtet, die materielle Wahrheit zu erforschen.
({18})
- Ich komme gleich darauf. - Dabei hat grundsätzlich derjenige, der etwas begehrt, die dafür erheblichen Tatsachen vorzubringen. Dies ist nicht anders als in anderen Verwaltungsbereichen, bei Anträgen auf eine Baugenehmigung, auf eine Steuervergünstigung oder auf einen Gewerbeschein.
Nachzuweisen sind bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst die gesetzlich vorgeschriebenen und für den erstrebten Beruf erforderlichen Eignungsvoraussetzungen, also beispielsweise daß der Bewerber Deutscher ist, daß er die erforderlichen Prüfungen abgelegt hat, daß er gesund ist, ein bestimmtes Alter nicht überschritten hat und dergleichen mehr.
Zu diesen Einstellungsvoraussetzungen gehört eben auch - und das steht seit mehr als 20 Jahren im Bundesbeamtengesetz und in den Beamtengesetzen der Länder -, daß er die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Wie kann man daran zweifeln?
Bei der Verfassungstreue als Einstellungsvoraussetzung konnte man sich in der Vergangenheit jedoch in aller Regel damit begnügen - und tut das auch heute in der überwiegenden Zahl der Fälle -, die Verfassungstreue des Bewerbers zu vermuten und sie zu unterstellen, wenn nicht tatsächliche Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Die Verfassungstreue braucht mit anderen Worten vom Bewerber in der Regel nicht näher begründet zu werden; er muß dafür keine Unterlagen vorlegen. Hierin liegt ein, wenn Sie so wollen, jedem unbescholtenen Bürger in einem freiheitlichen Staat gewährter Vertrauensvorschuß, der auch dem Bewerber um eine Stelle im öffentlichen Dienst zunächst einmal zugute kommt.
Erst wenn Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers auftreten, setzt eine gezielte Prüfung ein. Die Einstellungsbehörde muß die Tatsachen - darunter auch, wie oben dargelegt, die Mitgliedschaft oder gar die Funktionärseigenschaft, auf die sie ihre Zweifel gründet - dem Bewerber entgegenhalten. Dann ist es Sache des Bewerbers, solche auf Tatsachen gegründeten Zweifel der Einstellungsbehörde auszuräumen. Erst in diesem zweiten Stadium und nicht schon davor, obliegt ihm die Darstellungs- und Beweisführungslast; um es mit verwaltungsrechtlichen Vokabeln zu sagen. Er kann nicht eingestellt werden, wenn es ihm nicht gelingt, die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Ungewißheit der Behörde über seine künftige Verfassungstreue beruht, zu widerlegen.
Regierungsentwurf und allgemeine Verwaltungsgrundsätze decken sich somit voll. Der Regierungsentwurf muß daher eine Beweislastregelung gar nicht ausdrücklich normieren. Er stellt durch seine Fassung nur die allgemeine Rechtslage klar, wie ich sie eben hier dargelegt habe. Diese volle Verpflichtung zur gewissenhaften Prüfung des Einzelfalls macht, bei aller Gemeinsamkeit der beiden Entwürfe, jenen Vorsprung an Rechtsstaatlichkeit aus, den der Regierungsentwurf dem Bundesratsentwurf voraus hat. Denn eben dadurch, daß er klipp und klar die rechtsstaatlichen Erfordernisse solcher gezielter Prüfung im einzelnen festlegt - mündliche Anhörung, gerichtsverwertbare Tatsachen usw. -, sichert er die volle Rechtsstaatlichkeit solcher Prüfungsverfahren.
Ein Wort noch zu der Vorschrift, wonach die Zulassung zu einer Ausbildung, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis abzuleisten ist, stets zu gewährleisten ist. Das ist ja die andere Streitfrage. - Dies ist deshalb vertretbar, weil mit einer bloßen Ausbildung eine eigenverantwortliche Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse auf Dauer nicht verbunden ist. Diese aber ist es, die den Grund für den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 unseres Grundgesetzes mit seiner Abstellung auf ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis abgibt.
Die Bundesregierung wird den öffentlichen Dienst vor Verfassungsfeinden nach diesen hier dargelegten Grundsätzen auch weiterhin mit Festigkeit und Entschlossenheit schützen. Sie weiß sich in diesem Ziel mit allen Demokraten in diesem Lande einig. Sie ist jedoch nicht bereit, bei solcher Verteidigung unserer Freiheit gegen Feinde der Freiheit die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit beiseite zu lassen. Wer der Bundesregierung unterstellt - und das wurde ja leider getan -, sie wolle mit ihrem Entwurf - ich zitiere - „der Deutschen Kommunistischen Partei die Teilnahme am politischen Leben ermöglichen" und sie aus - ich zitiere nochmals - „der Gefahrenzone des Verbots herausholen", polemisiert demagogisch.
({19})
Die Bundesregierung hat niemals einen Zweifel daran gelassen - und auch ich als Bundesinnenminister habe das in keiner Fragestunde getan -, wie sie die von der DKP oder gar von der KPD verfolgten Ziele bewertet. Sie wird sich durch nichts beirren lassen, in gleicher Weise auch weiterhin verfassungsfeindliche Bestrebungen von linken wie von rechten Extremisten beim Namen zu nennen. Die Bundesregierung wird aber ebenso entschlossen gewährleisten, daß jedem Bürger, der sich um Einstellung im öffentlichen Dienst bewirbt, ein Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit zuteil wird.
Ich meine - und damit möchte ich zum Abschluß kommen -, wir sollten uns, Regierung und Opposition, in Bund und Ländern, wenn wir nicht weiteren Studentengenerationen das Evergreen immer wieder neu aufgelegter Solidarisierungskampagnen gegen sogenannte Berufsverbote bescheren wollen, gemeinsam dazu durchringen - auch wenn wir hier wie dort über künstlich aufgebaute Gegensätze hinwegsteigen müßten -, eine vom Konsens aller Demokraten in diesem Lande getragene rechtsstaatliche Regelung für das Prüfungsverfahren bei Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers in unserem Beamtenrecht zu verankern. Ich meine, in diesem mit Mitteln des Rechts geführten Kampf gegen das Eindringen von Verfassungsfeinden in den öffentlichen Dienst stehen wir auch in diesem Hause alle - ich darf es einmal etwas pathetisch sagen - auf der gleichen Seite der politischen Barrikade. Wir sollten diesen Kampf gemeinsam so führen, daß darüber unser freiheitlicher Rechtsstaat nicht, zum Frohlocken aller wirklichen Verfassungsfeinde, in seiner Glaubwürdigkeit gemindert, sondern eher noch gestärkt wird.
({20})
Das Wort hat der Herr Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Schiess.
Minister Schiess ({0}) : Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit dem beginnen, womit Herr Kollege Maihofer aufgehört hat: mit den Gemeinsamkeiten, die uns hier verbinden. Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernzuhalten, muß gerade in dieser Zeit, in der die innere Sicherheit wieder stark gefährdet ist, ein gemeinsames Ziel aller demokratischen Kräfte sein. Die Entwicklung rechts- und linksradikaler Gruppen läßt deutlich erkennen, daß Extremisten verstärkt versuchen, in den öffentlichen Dienst zu kommen. Sie haben größtes Interesse an Staatsämtern, die sie zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausnutzen wollen. Alle, die Verantwortung tragen, so meinen wir, müssen den Anfängen wehren. Wir alle müssen rechtzeitig wachsam sein, um den oft zitierten „Marsch durch die Institutionen" zu verhindern.
({1})
Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat ist nicht nur berechtigt, er ist verpflichtet, Verfassungsfeinde vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. Nur wenn alle politisch Verantwortlichen in der Bundesrepublik in dieser Frage zusammenstehen, können die Freiheitsrechte unserer Bürger erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, Sie alle wahrscheinlich - ich selbst auch - haben es sehr begrüßt, daß die Regierungschefs von Bund und Ländern bereits am 28. Januar 1972 einen Beschluß gefaßt haben, in welcher Weise und in welcher Form Verfassungsfeinden der Zugang zum öffentlichen Dienst verwehrt werden kann und muß, und dieser bedeutsame Beschluß der Regierungschefs und des Bundeskanzlers wurde von diesem Gremium noch einmal im September 1973 bestätigt. Wir meinen daher, daß jede gesetzliche Regelung von den dort niedergelegten Grundsätzen ausgehen muß.
({2})
Wir können und dürfen uns von dieser Basis, die dort gefunden wurde, nicht entfernen.
Minister Schiess
Deshalb hat das Land Baden-Württemberg zusammen mit Bayern den vorliegenden Gesetzentwurf im Bundesrat eingebracht, wobei nicht verschwiegen werden darf, daß die beiden Länder nicht nur den gemeinsamen Anfangsbuchstaben „B" als eine Gemeinsamkeit empfinden.
({3})
- Sie dürfen zum „B" durchaus noch ein „C" hinzufügen. Wir fühlen uns dadurch keineswegs verletzt, sondern geehrt.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedaure, daß der Entwurf der Bundesregierung - darüber können die Ausführungen des Herrn Kollegen Maihofer nicht hinwegtäuschen - in einem Punkt, und zwar in einem uns sehr wesentlich erscheinenden Punkt, hinter diesem Beschluß von Bundeskanzler und Ministerpräsidenten zurückbleibt. Es geht um die Frage, wie die Mitgliedschaft eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst in einer materiell verfassungswidrigen Partei zu beurteilen ist.
({5})
Die ist der Kernsatz, um den sich die Diskussion dreht. Lassen Sie mich erläutern, was wir hierzu meinen und wo wir die manchmal recht fein gesponnenen juristischen Unterschiede aufzuzeigen in der Lage sind.
Nach geltendem Recht darf in ein Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Diese Treuepflicht ergibt sich eindeutig aus Art. 33 des Grundgesetzes. Sie wird in den einzelnen Beamtengesetzen lediglich konkretisiert. Die entscheidende Frage ist, ob ein Bewerber schon deshalb abgelehnt werden darf, weil er einer nicht verbotenen Partei angehört, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Art. 21 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, daß „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen", materiell verfassungswidrig sind. Das sogenannte Parteienprivileg, wonach über die Verfassungswidrigkeit einer Partei das Bundesverfassungsgericht entscheidet, kann nicht so weit ausgelegt werden, daß Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien, die materiell verfassungsfeindlich sind, in den öffentlichen Dienst übernommen werden müssen. In diesem Punkt geht die Pflicht zur Verfassungstreue dem Parteienprivileg vor.
({6})
Das Grundgesetz räumt zwar den Parteien eine weitgehende Freiheit ein; es ist eine politische Entscheidung, ob ein Verbotsantrag gestellt wird. Dieser Spielraum, der sich dadurch ergibt, daß für verfassungsfeindliche, aber nicht verbotene Parteien ein Spielraum da ist, läßt sich nur vertreten, wenn zugleich sichergestellt ist, daß Mitglieder oder Anhänger solcher Parteien eben nicht in den Staatsdienst kommen können.
({7})
Daran, meine Damen und Herren, müssen und sollten wir festhalten. Alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes müssen sich zu der Grundordnung unserer Verfassung bekennen und sich aktiv für unsere Verfassung einsetzen.
({8})
Nach dem Grundgesetz ist die Demokratie unserer Bundesrepublik gerade im Gegensatz zur Weimarer Verfassung eine streitbare Demokratie.
({9})
Wie aber wollen wir uns gegen Verfassungsfeinde wehren, wenn z. B. Polizei oder Richterschaft, denen diese Abwehr obliegt, selbst mit Verfassungsfeinden durchsetzt sind?
({10})
Art. 21 des Grundgesetzes will Mitgliedern einer materiell-verfassungswidrigen Partei keinen Freibrief für den Zugang zum öffentlichen Dienst verschaffen. Eine so weite Auslegung des Parteienprivilegs ist einfach nicht richtig.
({11})
Nun geht der Entwurf der Bundesregierung, Herr Kollege Maihofer, zwar verbal - das steht wörtlich drin - auch vom Vorrang der Treuepflicht vor dem Parteienprivileg aus,
({12})
er führt ihn jedoch nicht konsequent durch. Nach diesem Entwurf sollen nämlich, wie es ausdrücklich im Satz vorher heißt, nur solche Umstände zur Ablehnung eines Bewerbers führen, die in seiner Person liegen. Es ist aber entgegen der von Ihnen geäußerten Auffassung fraglich, ob dann der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation überhaupt eine Bedeutung zukommt. Sie haben heute darzustellen versucht, daß dies so sei. Wir meinen aber, daß diese Mitgliedschaft nicht ohne weiteres als ein in der Person des Bewerbers liegender Umstand betrachtet werden kann. Solche Unklarheiten dürfen in einer so wichtigen Frage nach unserer Meinung nicht bestehen bleiben.
Wir waren uns doch bisher darin einig - mindestens die Regierungschefs und der damalige Bundeskanzler -, daß die Mitgliedschaft in einer Organisation, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, in der Regel Zweifel daran begründet, ob ein Bewerber jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt. Es war auch allgemeine Auffassung, daß diese Zweifel eine Ablehnung dann rechtfertigen, wenn es dem Bewerber nicht gelingt, sie auszuräumen. Diese Haltung im Entwurf BadenWürttembergs und Bayerns, der vom Bundesrat übernommen wurde, entspricht nach unserer Meinung dem geltenden Recht in unseren Beamtenge8966
Minister Schiess
setzen und auch der nach allgemein geltendem Recht bestehenden Beweislast. Sie haben hier vorhin zu beweisen versucht, daß eine Umkehr der Beweislast bei Ihnen nicht vorliege, aber das können Sie nicht damit beweisen, Herr Kollege Maihofer, daß Sie uns die rechtstaatlichen Voraussetzungen und die Verfahrensfragen darlegen;
({13})
denn das Problem der Beweislast, Herr Kollege Maihofer, entsteht doch nur dann, wenn alle dem Dienstherrn möglichen Ermittlungen zu einem „non liquet" geführt haben. Bei dieser Beweislage müßte dann konsequent nach Ihrem Entwurf ein Mitglied einer verfassungswidrigen Partei oder Organisation eingestellt werden, nach dem Bundesratsentwurf aber nicht. Das ist doch der Kern dieser Frage.
({14})
Denn die Unbeweisbarkeit einer Tatsache muß doch letztlich zu Lasten desjenigen gehen, der etwas für sich beansprucht, nämlich in diesem Falle die Einstellung in den öffentlichen Dienst.
({15}) Dem obliegt letztlich die Beweislast hierfür.
Meine Damen und Herren, diese Haltung erscheint uns auch realistisch, weil wir davon ausgehen, daß derjenige, der einer verfassungsfeindlichen Partei angehört, dies in aller Regel doch wohl aus Überzeugung tut und sich nach den Grundsätzen dieser Parteien dann auch aktiv für die Verwirklichung ihrer Ziele einsetzt und einsetzen muß. Alles andere ist doch an den Realitäten vorbeigesehen.
({16})
Der Gesetzentwurf der beiden Länder BadenWürttemberg und Bayern hält deshalb klar und deutlich daran fest, daß die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei ein gravierendes Indiz dafür ist, daß ein Bewerber verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. In der Regel sind deshalb in einem solchen Falle nach unserer Überzeugung Zweifel daran begründet, daß sich der Bewerber um ein öffentliches Amt jederzeit für unsere verfassungsmäßige Ordnung einsetzen wird. Der Bewerber, der Mitglied einer verfassungsfeindlichen Organisation ist, hat aber immer die Möglichkeit, im konkreten Fall nachzuweisen, daß er trotz dieser Mitgliedschaft verfassungstreu ist. Darüber - und da sind wir wieder mit Ihnen einig - ist in jedem Einzelfall zu entscheiden, so daß unser Gesetzentwurf, dem der Bundesrat ja zugestimmt hat, nicht zu einem Automatismus oder zu einem Schematismus führt.
Nach dem Entwurf der Bundesregierung aber - und das muß ich noch einmal sagen - wird die nach allgemeinem Recht geltende Beweislast in diesen Fällen eben umgekehrt. Es wäre nach diesem Entwurf nicht möglich, ein Mitglied einer materiell verfassungswidrigen Partei vom öffentlichen Dienst fernzuhalten, das die durch die Mitgliedschaft begründeten Zweifel an seiner Verfassungstreue nicht ausräumen kann.
Lassen Sie mich zum Schluß noch bemerken, meine Damen und Herren, daß der Entwurf Baden-Württembergs und Bayerns eindeutige Regelungen verfahrensrechtlicher Art enthält. Er enthält alle denkbaren rechtsstaatlichen Absicherungen: Jeder Einzelfall muß für sich geprüft werden; nur gerichtsverwertbare Tatsachen dürfen von der Einstellungsbehörde berücksichtigt werden; der Bewerber ist vor einer Ablehnung zu hören; jede ablehnende Entscheidung ist schriftlich zu begründen - das geht sogar ein bißchen weiter als die Absicherungen im Gesetzentwurf des Bundes, nach dem nur auf Antrag eine schriftliche Begründung verlangt werden kann -; jede Entscheidung ist mit Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Die Verfahrensregelungen sind also für verfassungsfeindliche Bewerber, die aus diesen Gründen abgelehnt werden, erheblich günstiger und rechtsstaatlich weitgehender als die Ablehnung aus irgendeinem anderen Grunde.
({17})
Ich glaube, daß in dieser Frage die Differenzen zur Bundesregierung relativ gering sind.
Was wir noch anders haben wollen als im Entwurf der Bundesregierung - hier hat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme aber bereits eine Zusage gegeben -, ist der Bereich der Geltungskraft dieser gesetzlichen Bestimmungen. Während der Entwurf der Bundesregierung diese dadurch, daß sie das vorne in das Gesetz einschiebt, nur für die Bundesbeamten unmittelbar gelten lassen will, sind wir der Meinung, daß das ein unmittelbar geltendes Recht im Rahmen des Beamtenrechtsrahmengesetzes sein sollte, das für Bund und Länder gemeinsam gilt.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß sagen, wenn Sie die beiden dem Bundestag jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe ansehen, kommen Sie nicht um die Feststellung herum: Der Entwurf der Bundesregierung weist Lücken und vor allem Unklarheiten auf. Man sieht ihm eben an, daß er der Versuch eines Kompromisses innerhalb der Koalition ist,
({18})
Ich könnte das auch aus der Entstehungsgeschichte belegen; denn wir haben in der Innenministerkonferenz mehr als einmal über denkbare und mögliche Fassungen gesprochen. Solche Kompromisse gehen aber meist, Herr Kollege Maihofer, auf Kosten der Klarheit. In dieser Frage müssen wir eine glasklare gemeinsame Lösung suchen.
({19})
Aus dieser Kompromißsituation heraus ist er eben letztlich nicht geeignet, die Sicherheit zu geben, daß Verfassungsfeinde wirklich vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden.
Ich meine deshalb, man täte gut daran, wenn man ernstlich und wirklich verhindern will, daß politischer Radikalismus auch den öffentlichen Dienst ergreift, den Entwurf des Bundesrates zur Grundlage zu nehmen, der auf der Initiative der Länder Baden-Württemberg und Bayern beruht.
({20})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Carstens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über der heutigen Debatte liegt der düstere Schatten des Mordanschlags auf den Berliner Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmann, eines Mordanschlags, der offenbar von linksradikalen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin organisiert und durchgeführt wurde. Es ist dies ein in mehrfacher Hinsicht erschütterndes Ereignis: erschütternd, weil es einen Mann traf, der wegen seiner objektiven und ausgewogenen Einstellung von allen, die ihn gekannt haben, gerühmt wird; erschütternd zum zweiten, weil es zeigt, mit welchem sinnlosen und verbrecherischen Fanatismus Menschen in unserem Lande ihre politischen Ziele zu erreichen suchen; erschütternd aber nicht zuletzt deswegen, weil es die vorangegangenen Beschönigungsversuche über die vom Linksradikalismus her drohenden Gefahren in einer leider tragischen Weise widerlegt hat.
An diesen Beschönigungsversuchen beteiligen sich seit Jahr und Tag prominente Mitglieder der Sozialdemokratischen und der Freien Demokratischen Partei.
({0})
Noch vor wenigen Wochen hatten wir in einer Debatte dieses Hohen Hauses gehört, wie der Bundesminister des Innern, Herr Maihofer, die Gefahr des Linksradikalismus zu beschönigen versuchte.
({1})
Uns, der Opposition, warf der Innenminister vor, wir entwürfen Schauergemälde von wachsender linksextremistischer Unterwanderung unserer Gesellschaft, der Anteil der Linksextremisten gehe zurück, die gegenteiligen Behauptungen der Opposition seien reine Wahlpropaganda. Der Innenminister warnte uns, die Opposition dieses Hauses, den Solidaritätskampagnen - so drückte er sich damals aus, und so hat er sich heute wieder ausgedrückt - politischer Extremisten noch ein weiteres Jahrfünft das Evergreen sogenannter Berufsverbote zu bescheren. Damit nahm der Innenminister Stellung zu unserer Forderung, Mitglieder extremer Organisationen und Parteien generell vom Staatsdienst auszuschließen.
Er brachte es fertig, diese im Interesse unseres Staates lebenswichtige Forderung als ein Instrument zur Solidarisierung linksextremistischer Gruppen abzuqualifizieren. Herr Bundesminister, Sie haben diese Erklärung heute wiederholt. Ich möchte Sie darauf hinweisen dürfen, daß ein prominentes Mitglied Ihrer eigenen Partei, der Vorsitzende der Jungdemokraten, Herr Professor Theo Schiller, auch Ihren Entwurf, den Regierungsentwurf, mit derselben Begründung ablehnt, nämlich mit der Begründung, daß hier ein Berufsverbot verhängt würde.
Wenn Sie sich irr Ihrer Politik nach diesen Extremisten richten wollen, Herr Bundesminister des Innern, sind Sie schlecht beraten.
({2})
Im übrigen kann ich Sie beruhigen. In der studentischen Generation und noch mehr in der heranwachsenden Schülergeneration breitet sich zunehmend eine andere Auffassung zum Problem des Linksradikalismus aus.
({3})
Auch in der weiter zurückliegenden Zeit hat es an Beschönigungsversuchen gegenüber der Gewaltanwendung durch Linksgruppen nicht gefehlt. Wir erinnern uns alle noch, wie Herr Osswald im Februar dieses Jahres von dieser Stelle von den „Revolutionsschauspielern" sprach, durch die wir uns doch nicht ins Bockshorn jagen lassen sollten. In einem nordrhein-westfälischen Schulbuch ist ein Text von Ulrike Meinhof abgedruckt. Meine Damen und Herren, das ist doch wohl ein eindeutiger Versuch der Beschönigung von Gewaltverbrechen, die mit dem Namen der Autorin dieses Textes verbunden sind.
({4})
Die Bundesregierung vermeidet es ängstlich -cias hat die Debatte vorgestern wieder gezeigt -, die Baader-Meinhof-Gruppe als eine kriminelle Bande zu bezeichnen. Der Justizminister, der heute leider nicht da ist, beruft sich dabei auf rechtsstaatliche Grundsätze. Meine Damen und Herren, das rechtsstaatliche Prinzip hindert uns nicht daran, einen Spion einen Spion zu nennen, obwohl das Wort Spion seit langer Zeit aus dem Text des Strafgesetzbuches verschwunden ist. Dieses Prinzip hindert uns auch nicht daran, eine kriminelle Bande eine kriminelle Bande zu nennen.
({5})
Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, wie der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Ihr Parteifreund Weyer, Herr Bundesminister des Innern, mit einer Handbewegung diese lächerlichen Pseudoargumente vom Tisch gewischt hat.
({6})
Die uns vorliegenden Gesetzestexte beschäftigen sich mit der Frage der Einstellung von Feinden unserer demokratischen Ordnung in den Staatsdienst. Zu diesem Thema hören wir seit langem wohlgesetzte Reden, auch heute wieder. Ich habe Ihre Worte als goldene Worte bezeichnet. Herr Minister, das war nicht in einem abschätzigen Sinne, was diese Worte anlangt, gemeint, sondern ich meinte damit nur, daß Ihre Worte nicht im richtigen Verhältnis zu Ihrem Verhalten stehen.
({7})
Auch heute ist wieder gesagt worden, Verfassungsfeinde haben keinen Platz im öffentlichen Dienst, wir seien eine streitbare Demokratie und dergleichen mehr. Wenn es aber zu der entscheidenden
Dr. Carstens ({8})
Frage kommt, ob Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Organisation, und zwar der zur Zeit wichtigsten verfassungsfeindlichen Organisation in unserem Lande, ob nämlich Mitglieder der DKP in den Staatsdienst als Richter, Staatsanwälte, Lehrer, Polizeibeamte aufgenommen werden sollten, dann sehen wir uns plötzlich Ausflüchten und zweideutigen Erklärungen der Bundesregierung und der beiden Koalitionsparteien gegenüber.
Da wird zunächst gesagt, man dürfe nicht nur den Linksradikalismus im Auge haben, sondern müsse auch an den Rechtsradikalismus denken.
({9})
- Gewiß sollte man das tun; warten Sie doch ab, was ich dazu zu sagen habe! Die CDU/CSU ist gegen die Aufnahme von Verfassungsfeinden in den Staatsdienst, einerlei, ob sie links oder rechts stehen.
({10})
Aber jeder Mensch, der noch in der Lage ist, das politische Geschehen in unserem Lande objektiv zu erkennen, muß doch feststellen, daß die einzige Gefahr, die unserem Staate zur Zeit droht, von links kommt.
({11})
- „Ach nee", sagen Sie, aber der Bundesminister des Innern, der doch, wie ich annehme, Ihnen nähersteht als mir, sagte in seinem Bericht über die Verfassungslage 1973, der vor wenigen Monaten, im August dieses Jahres, erschienen ist, selbst, der Rechtsradikalismus finde kaum noch Resonanz in der Bevölkerung, es handle sich bei ihm um Randerscheinungen im innerpolitischen Bereich, die Mitgliederzahlen seiner Organisationen gehen zurück.
- Das ist doch die Wahrheit! Dagegen haben wir von links eine akute, lebensgefährliche Gefahr unseres Staates zu verzeichnen,
({12})
eine Gefahr, die sich in verschiedener Form ausdrückt - das ist ganz sicher -, angefangen von den Mordanschlägen bis zur systematischen Zerstörung der geistigen Grundwerte unserer Ordnung in den Schulen unseres Landes wie in Hessen auf Grund der hessischen Rahmenrichtlinien, die der Marxist Herr von Friedeburg dort erlassen hat.
({13})
Die Frage der Einstellung von Mitgliedern der DKP in den Staatsdienst ist nicht das einzige Problem, das in diesem Zusammenhang auftaucht; da stimme ich Ihnen völlig zu, Herr Bundesminister des Innern. Es wäre verfehlt, wenn wir unseren Blick auf dieses Problem sozusagen verengen würden. Wir stehen der Tatsache gegenüber - und wir müssen ihr ins Auge sehen -, daß es Bewerber für den Staatsdienst, für eine staatliche Stellung gibt, die nicht einer dieser verfassungsfeindlichen Organisationen angehören und die trotzdem Verfassungsfeinde sind.
({14})
Natürlich müssen wir dem nachgehen. Meine Bitte an die Kollegen in dem Ausschuß, der sich mit dieser Frage befassen wird, geht dahin, sich zu überlegen, was noch zusätzlich geschehen kann, um unseren Staat vor dem Eindringen solcher Gruppen und solcher Bewerber zu schützen. Aber das ändert doch alles nichts an der Tatsache, daß, wenn wir uns schon in der fundamentalen Frage nicht einig werden können, wie wir die Mitglieder der DKP behandeln wollen, die Chance doch nahezu gleich Null ist, daß wir mit diesem anderen - zugegebenermaßen schwierigeren - Problem fertigwerden. Deswegen wende ich mich heute - bei voller Anerkennung Ihres Standpunkts, Herr Innenminister, daß der andere Komplex ebenfalls von sehr großer Bedeutung ist - bewußt der Frage zu, wie wir es mit den Mitgliedern der DKP halten wollen.
Nach unserem Staatsverständnis - das ist ja von allen Seiten immer wieder gesagt worden - darf zum Beamten nur derjenige ernannt werden, der die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne unseres Grundgesetzes - daran möchte ich noch einmal erinnern - eintritt.
({15})
Die Frage lautet daher: Bietet ein Mitglied, Herr Kollege Schäfer, der DKP die Gewähr, daß es jederzeit für die freiheitliche Ordnung im Sinne unseres Grundgesetzes eintritt?
({16})
Um diese Frage beantworten zu können, muß man sich doch wohl zunächst einmal die DKP selbst ansehen - ihr Programm und ihre Meinungsäußerungen. Dabei stößt man dann auf die These 40 des Düsseldorfer Parteitagsbeschlusses von 1971, in der gesagt wird, daß die DKP für den Sozialismus kämpfe, wie er als Grundmodell in der Sowjetunion und in der DDR verwirklicht sei. Dafür kämpft die DKP. Das wollen wir uns doch noch einmal in die Erinnerung zurückrufen. Es kann doch wohl kein Mensch, der im Vollbesitz seiner Kräfte ist, die These vertreten, daß derjenige, der für die Verwirklichung des Sozialismus nach dem Modell der DDR kämpft, die Gewähr dafür bietet, daß er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne unseres Grundgesetzes steht.
({17})
Ich meine, man kann ohne Übertreibung und ohne irgend jemandem zu nahe zu treten, sagen, daß er die Gewähr dafür bietet, daß er gegen unsere freiheitliche Grundordnung arbeiten und kämpfen wird.
Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, aber es scheint mir von Zeit zu Zeit doch notwendig zu sein, in die Erinnerung zu rufen, worin sich das sozialistische Modell, welches in der DDR verwirklicht ist, von der freiheitlich-demokratischen Ordnung im Sinne unseres Grundgesetzes unterscheidet: Es gibt nämlich in der DDR keine Gewaltenteilung, keine Pluralität des politischen Parteiensystems, es gibt dort nur eine Partei, die Sozialistische EinheitsDr. Carstens ({18})
partei Deutschlands - jedenfalls ist das dort die einzige Partei, die die Herrschaft ausübt -, es gibt dort kein freies Wahlrecht, es gibt keine unabhängige Justiz, es gibt keinen Schutz der Menschenrechte, sondern im Gegenteil eine permanente Verletzung der Menschenrechte durch den Staat selbst und seine Organe. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit werden nicht gewährt, die Religionsfreiheit wird beeinträchtigt, und das Recht auf Verlassen des eigenen Staates eines der Grundrechte nach der UNO-Charta - wird nicht nur nicht gewährt, sondern die Ausübung dieses Rechts wird durch Schießbefehl und andere Unmenschlichkeiten verhindert. Das sind doch unter uns wohl unbestrittene Feststellungen.
Daraus folgt für jeden Menschen, der überhaupt noch in der Lage ist, eine logische Abfolge von Schlüssen zu ziehen, daß Personen, die dieses Ziel, die Einführung des sozialistischen Systems nach dem Muster der DDR in unserem Lande, verfolgen, nicht auf dem Boden unserer freiheitlichen Ordnung stehen.
({19})
Und nun sagt der Innenminister: Das kann doch aber im Einzelfall ganz anders sein, es kann doch auch sein, daß jemand, der sich einer solchen Partei angeschlossen hat, dennoch für die freiheitlichdemokratische Ordnung eintritt. Wie allerdings diese Art von Schizophrenie in dem Gehirn des Betreffenden zu vollziehen sein soll,
({20})
das hat der Innenminister nicht gesagt. Immer wieder habe ich durch Zwischenrufe und bei anderen Gelegenheiten versucht, aus Ihnen, Herr Minister, einmal eine einzige Äußerung darüber zu extrahieren, wann Sie denn einen solchen Fall als gegeben erachten, daß ein Mitglied der DKP dennoch ein loyaler Verfechter unserer demokratischen Ordnung sei. Nicht in einem einzigen Fall haben Sie darauf geantwortet.
({21})
Gucken Sie sich bitte einmal für einen Moment die DKP selber etwas genauer an!
({22})
Die DKP ist nicht eine Partei wie die Ihre, Herr Minister - das gebe ich ja gern zu -, in der Meinungsverschiedenheiten der verschiedensten Art kräftig und deutlich und vor der Öffentlichkeit ausgetragen werden.
({23})
Für die DKP gilt folgende Bemerkung eines der führenden Mitglieder der DKP, des Herrn Gerns - hören Sie sich die ruhig einmal an -:
Unsere Partei ist ein Kampfbund von Gleichgesinnten. Seine Stärke besteht in der gemeinsamen Weltanschauung der Theorie von Marx, Engels und Lenin. Sie besteht in der festen Organisation, die auf dieser gemeinsamen Weltanschauung, auf der innerparteilichen Demokratie und der für alle Mitglieder gleichermaßen verbindlichen Disziplin und Beschlußtreue beruht.
Es ist doch das Kennzeichen der kommunistischen Partei, daß sie im Gegensatz zu den demokratischen Parteien unseres Landes ihre Mitglieder mit eisernem Zwang bei der Stange hält. Und dann wollen Sie uns erzählen, Herr Minister, es könnte soundso viele Mitglieder - eine unbestimmte Zahl - dieser Partei geben, die, obwohl sie dieser Partei beigetreten sind, dennoch loyale Diener unseres Staates sein!
({24})
Das ist eine nicht nachvollziehbare Argumentationskette, die Sie uns hier vortragen.
Sie sagen, es gibt keinen Erfahrungssatz dafür, daß ein Mensch, der in seiner Jugend einer verfassungsfeindlichen Organisation beigetreten ist, damit für den Rest seines Lebens ein fanatischer Verfassungsfeind sein muß. Das behauptet ja auch kein Mensch. Für den Fall, daß er austritt, ergibt sich ja eine ganz andere Lage. Aber solange er dieser Partei, wie ich sie hier eben gekennzeichnet habe, angehört, spricht eine, ich möchte sagen, erdrückende Vermutung dafür, daß er nicht bereit ist, für unsere freiheitliche Ordnung zu kämpfen.
({25})
- „Eine erdrückende Vermutung" habe ich gesagt. Wenn jemand im Zustand der Bewußtlosigkeit oder unter Zwang der DKP beigetreten sein sollte, dann würde ich sagen: In Gottes Namen, das ist ein Sonderfall, den wollen wir anders behandeln. Aber jemand, der im Vollbesitz seiner Kräfte und seiner geistigen Fähigkeiten ist - und das müssen wir von jemand, der Beamter werden will, ja wohl annehmen -,
({26})
ist in der Lage, Geschriebenes zu lesen, wenn er einer solchen Partei beitritt. Der muß wissen, was er tut.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer?
Herr Professor Carstens, wären Sie so freundlich, Folgerungen aus Ihrer eigenen Feststellung zu ziehen, daß es sich um eine „Vermutung" handelt?
Ich habe die Folgerung ja sofort gezogen, schon als Sie den Zwischenruf machten. Ich habe gesagt: Wenn der Betreffende nachweist, daß er der DKP unter Zwang oder im Zustand der Bewußtlosigkeit beigetreten ist, dann würde ich das als einen Sonderfall ansehen, den ich anders betrachten würde. Aber sonst spricht in der Tat eine erdrückende Vermutung dafür, daß er ein Feind unserer verfassungsmäßigen Ordnung
Dr. Carstens ({0})
ist. Darum herumzureden, meine Damen und Herren, ist, wie ich meine, nicht nur eine intellektuelle Unredlichkeit, sondern viel schlimmer. Das bedeutet nämlich eine Verwischung der klaren Grenzlinie zwischen den freiheitlich-demokratischen Parteien in unserem Lande und den Parteien, die die freiheitliche Ordnung zerstören wollen.
({1})
Darum hilft hier auch nicht all das juristische Beiwerk, das diejenigen, die so argumentieren, hier vorzutragen pflegen; dazu hat der Innenminister heute wieder ein Beispiel geliefert. Natürlich wollen wir, daß jeder einzelne Fall geprüft wird. Selbstverständlich muß in jedem Fall geprüft werden, ob der Betreffende Mitglied der Partei ist oder nicht. Das ist ganz selbstverständlich. Dazu soll er natürlich auch gehört werden. Das, was festgestellt wird, muß gerichtlich verwendbar sein, und selbstverständlich soll alles, was gegen ihn verwertet wird, einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegen.
Da wird gefragt - Herr Innenminister, Sie haben
sich um diese Frage vorsichtig herumbewegt, aber von anderen, von Ihren Parteifreunden und von Ihren Kollegen aus der SPD wird es immer wieder gesagt -: Wie soll denn festgestellt werden, ob eine Organisation verfassungsfeindlich ist oder nicht?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?
Frau Präsidentin, ich möchte jetzt gern im Zusammenhang sprechen.
Meine Damen und Herren, es gibt immer Grenzfälle, und in Grenzfällen ist es immer schwierig, eine Diagnose zu stellen. Ob sich jemand ein Bein gebrochen hat oder nicht, das festzustellen kann in der Tat sehr schwer sein, wenn es sich um einen Haarriß handelt, den man im Röntgenbild nur von einer ganz bestimmten Stelle aus erkennt. Aber, meine Damen und Herren, wenn die untere Hälfte des Unterschenkels eines Menschen quer zu der oberen Hälfte des Unterschenkels dieses Menschen steht, kann jedes Kind auf der Straße erkennen, daß sich der Mann das Bein gebrochen hat, und ich meine, so klar ist die Sache, wenn es sich um die Frage handelt, ob die DKP eine verfassungsfeindliche Partei oder Organisation ist.
({0})
Da wird gesagt, politische Parteien seien Organisationen besonderer Art. Dazu hat Herr Minister Schiess eben das Erforderliche gesagt. Das Parteienprivileg hindert die Einstellungsbehörde keineswegs daran, festzustellen, daß die Zugehörigkeit eines Bewerbers zu einer verfassungsfeindlichen Partei berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers erweckt. Ich möchte das nicht wiederholen.
Dann wird gesagt, hier würden Berufsverbote verhängt und es werde eine Hexenverfolgung betrieben. Meine Damen und Herren, absurdere Argumente als diese gibt es nicht. Wir treten dafür ein, daß auch die Mitglieder der kommunistischen Partei DKP in unserem Lande das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern. Es fällt gar nicht so ganz leicht, das zu sagen, wenn Sie in Hamburg an den Untergrundbahnhöfen vorbeigehen und Ihnen diese aufreizenden, unser System frontal angreifenden Broschüren und Hefte von den kommunistischen Funktionären in die Hand gedrückt werden. Aber wir bekennen uns dazu. Es ist Teil unseres Systems, Teil unserer Freiheit, daß auch der Gegner, solange das Verfassungsgericht nicht eingeschritten ist, das Recht zur freien Meinungsäußerung erhält und behält. Wir üben damit ein Maß an Toleranz und gewähren ein Maß an Meinungsfreiheit auch den Gegnern unseres Verfassungssystems, wie sie es sich ihrerseits uns gegenüber nicht im Traume einfallen ließen zu gewähren, wenn sie die Macht in diesem Lande übernehmen sollten.
Deswegen ist es eine Perversion moralischer Grundwerte, wenn Sie uns Hexenverfolgung vorwerfen;
({1})
genauso eine Perversion moralischer Grundwerte, wie wenn einer Gefängnisverwaltung Mord vorgeworfen wird, weil sich ein Häftling, der selbst unter dem Verdacht des Mordes steht, selbst das Leben genommen hat. Diese Art von Pervertierung elementarer Grundwerte des menschlichen Lebens, letztlich moralischer Grundwerte, ist eine Erfahrung, die wir mit der Zeit des Nationalsozialismus hinter uns gebracht zu haben meinten. Sie tritt jetzt - leider - wieder im Lager der Linken auf.
({2})
Schließlich wird gesagt, es handele sich ja nur um eine kleine Zahl von Fällen und man solle da vielleicht nicht so ängstlich sein. Die potentielle Zahl der Bewerber aus kommunistischen Organisationen für staatliche Stellen kenne ich nicht genau. Wir können nur feststellen, daß die Zahl der Mitglieder der DKP innerhalb von vier Jahren um 50 % gewachsen ist, - Zahlen, die der Innenminister zur Verfügung gestellt hat.
Wir haben Berichte gelesen, wonach allein in Berlin mehrere tausend Mitglieder kommunistischer Organisationen in den nächsten Jahren das Staatsexamen als Lehrer, Juristen und für andere Berufe absolvieren werden. Sie werden dann über das ganze Bundesgebiet ausschwärmen und um eine Stellung im Staatsdienst nachsuchen. Damit stellt sich also das Problem als ein vieltausendfaches.
Die Verhältnisse an der Universität Bremen sind nicht anders zu beurteilen. Ich schließe mich dem Urteil führender Sozialdemokraten an, die der Meinung sind, daß die Universität Bremen in wesentlichen Teilen eine kommunistische Kaderschule ist.
({3})
Alle diese von SPD und FDP vorgebrachten Argumente - ich wiederhole es - sind Scheinargumente, die die Hilfslosigkeit beider Parteien gegenüber dieser Frage verdecken sollen.
({4})
Dr. Carstens ({5})
Schon die Regierung Brandt/Genscher versuchte, einer klaren Antwort auszuweichen, und die Regierung Schmidt/Maihofer setzt diese Politik fort. Der Grund dafür liegt nicht in den objektiven Schwierigkeiten bei der Lösung dieses Problems - das sind Pseudoschwierigkeiten, die künstlich aufgebaut werden -, sondern der Grund dafür liegt darin, daß in beiden Parteien, in der SPD und in der FDP, ein Flügel mit den Kommunisten sympathisiert und sich gelegentlich mit ihnen sogar solidarisiert.
({6})
- Ich darf an das Wort der Hamburger FDP von den kritischen Demokraten erinnern, Herr Minister Maihofer.
({7})
Es ist richtig, daß sich ein anderes Mitglied der FDP von dieser Äußerung distanziert hat. Das beweist die Vielschichtigkeit der Strömungen in Ihrer Partei. Aber das beweist doch zugleich auch, daß es einen Flügel in der FDP gibt, zumindest in Hamburg,
({8})
der die DKP als eine demokratische Partei ansieht. Das sehe ich als einen Akt der Solidarisierung jedenfalls insofern an, als es sich um die fundamentale Frage handelt: Wer ist demokratische Partei in diesem Lande?
({9})
Bei der Frankfurter Kundgebung zu Beginn des hessischen Wahlkampfes - ich habe das schon einmal vorgetragen - bestand die Gruppe von 400 bis 500 Störern, die während der ganzen Veranstaltung das verhöhnte Kruzifix schwenkten, aus Kommunisten und Jungsozialisten.
({10})
Das war eben eine Solidarisierung der Art, wie ich
sie eben beim Namen genannt habe. So ist die Lage.
Den Vorsitzenden der Organisation der Jungdemokraten, Herrn Professor Schiller, habe ich eben schon erwähnt. Er hat vor wenigen Tagen - Sie können das vielleicht einmal nachlesen, Herr Minister Maihofer - der kommunistischen Zeitung „UZ" ein Interview gegeben, in dem er auch gegen Ihren Gesetzentwurf unter dem Motto „Weg mit dem Berufsverbot" polemisiert.
Die hilflosen Versuche der Parteiführungen von SPD und FDP, sich von diesen ihren linken Flügeln zu distanzieren oder sie unter Kontrolle zu bringen, muten mich manchmal tragikomisch an.
({11})
Ich hatte vor wenigen Tagen Gelegenheit, mit Herrn
Kühn, dem Ministerpräsidenten von NordrheinWestfalen, eine gemeinsame Fernsehsendung zu veranstalten. Dabei versuchte er zunächst, das Problem
des Linksradikalismus in der SPD zu bagatellisieren.
({12})
Er sagte, es handele sich um einige hundert Personen, die man notfalls aus der SPD ausschließen müsse. Als ich am nächsten Morgen die Zeitung aufschlug, fiel mein Blick auf eine Notiz: „Ausschluß eines SPD-Mitglieds in Frankfurt am Main." Ich dachte: Aha, da hat nun also die politische Parole, die Herr Kühn gestern abend im Fernsehen ausgegeben hat, sehr schnell ihre Früchte gezeigt. Aber, meine Damen und Herren, weit gefehlt: Der in Frankfurt am Main ausgeschlossene Herr Wenderoth gehörte dem rechten Flügel der SPD an und ist von seinen linken Genossen an die Luft gesetzt worden.
({13})
Das sind die Versuche der Parteiführung der SPD, sich von ihren linksextremen Mitgliedern zu distanzieren!
({14})
-- Ich sagte, es mutet tragikomisch an, Herr Schäfer.
({15})
Ich halte diese Äußerung aufrecht.
({16})
- Herr Wenderoth ist ausgeschlossen worden, weil er sich gegen die marxistische Kultur- und Schulpolitik von Herrn von Friedeburg zur Wehr gesetzt hat.
({17})
Das können Sie alles nachlesen, wenn Sie die Tageszeitungen regelmäßig lesen, Herr Schäfer.
({18})
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Anfälligkeit und Schwäche der Regierung gegenüber den linken Kräften in ihrem eigenen Lager deutlich wird. Die dem Bundesminister des Innern nachgeordnete Bundeszentrale für politische Bildung gibt eine Schriftenreihe heraus, in der gelegentlich dem System der DDR der Vorzug vor der freiheitlichen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes gegeben wird.
({19})
Im September erschien dort die Schrift von Wolfgang Behr - ich empfehle die Lektüre, Herr Minister - mit dem Titel „Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, Grundkonflikte und Konvergenzerscheinungen". Nach Ansicht von Behr gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine einseitige politische Herrschaftsausübung. Unser gesellschaftliches Bewußtsein bezeichnet er als immobil. Dann lobt er - jetzt zitiere ich wörtlich -:
. die gesellschaftspolitisch erreichten Bedingungen in der DDR, die sich in der Vergrößerung der Chancengleichheit, in verstärkter sozialer Mobilität und rechtlichen Reformen 8972
.Dr. Carstens ({20})
z. B. Recht auf Arbeit, Reform des Scheidungsrechts, Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs - niederschlagen und Möglichkeiten individueller Selbstbestimmung eröffnen.
({21})
Meine Damen und Herren, ich las diese Schrift wenige Tage, nachdem mir der Bericht eines evangelischen Pfarrers aus der DDR zugegangen war, der sich bitter darüber beklagte, daß nunmehr auch seinem vierten und letzten Sohn der Zugang zu einer Universität der DDR versagt wurde. Dies zum Thema Chancengleichheit in der DDR! Aber in der unter Ihrer Aufsicht, Herr Bundesminister des Innern, herausgegebenen Schrift wird rühmend hervorgehoben, daß in der DDR ein zunehmendes Maß an Chancengleichheit verwirklicht würde.
({22})
Dies ist eine weitere Pervertierung elementarer Grundprinzipien unserer Verfassung.
({23})
Wenn man so etwas liest, kann einen die ganze Debatte, die wir hier führen, nicht wundern. Hier sieht man die inhärente Schwäche beider Koalitionsparteien, wenn es sich darum handelt, sich mit denen auseinanderzusetzen, die unser Verfassungssystem verändern und letzten Endes zerstören wollen.
({24})
Auch Herr Kollege Wehner hat sich zu diesem Thema geäußert. Es liegt schon etwas länger zurück, ist aber, wie mir scheint, immer noch lesenswert. In dem Bericht über ein Interview, den Sie in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" vom 29. Januar 1973 nachlesen können, wird das Gespräch mit Herrn Kollegen Wehner von der Zeitung wie folgt zusammengefaßt - ich zitiere jetzt wörtlich -:
In einem Exklusivgespräch mit Redakteuren unserer Zeitung anläßlich des Parteitages der südbayerischen SPD in Kissing, Kreis Augsbrg-Ost, stimmte Wehner der Auffassung zu, daß es eine Herausforderung für beide Seiten sei, daß Deutschland aus der politischen Entwicklung heraus zu einer Art Experimentierfeld für die Koexistenz und in der Folge der Kooperation verschiedener Gesellschaftsordnungen werde,
({25})
- es tut mir sehr leid, dann stellen Sie das an der geeigneten Stelle richtig und die Klischees auf beiden Seiten abgebaut werden müßten. Der SPD-Politiker sieht dabei keinerlei Anlaß für die Bundesrepublik und ihre politische Repräsentanz, der kommenden Entwicklung gegenüber besorgt zu sein. In diesem Zusammenhang hält Wehner auch den Beschluß der Länderministerpräsidenten, keine Extremisten in den öffentlichen Dienst einzustellen, für politisch bedenklich. Einer Auseinandersetzung, wer das bessere Modell und die größere Überzeugungskraft zu bieten habe, solle man nicht mit Verboten aus dem Wege gehen.
Sie sagen, das wäre eine Verleumdung.
({26})
- Herr Kollege Wehner, dann gehen Sie gegen die Journalisten vor, die das gebracht haben.
({27})
- Ich zitiere hier eine im ganzen als seriös angesehene Zeitung.
({28}): Da
ist kein einziges Wort von mir drin!)
Meine Damen und Herren, aber das ist ja nur eines von unendlich vielen Beispielen;
({29})
ich könnte durch zahllose Äußerungen anderer führender Politiker der SPD die Tatsache belegen, daß die SPD in der Auseinandersetzung, in der Frage, um die es hier geht, von einer Schwäche ist, die sie letztlich unfähig macht, diese Entscheidung, um die es geht, zu treffen, und die sie letztlich auch in dieser Frage unfähig macht, unser Land zu regieren.
({30})
Denn zu den Dingen, die wir hier so oft diskutiert haben, zu der Unfähigkeit der Koalition, die wirtschaftspolitischen Probleme zu lösen, zu der Unfähigkeit der Koalition, eine einzige der großen Reformen zu verwirklichen, die sie mit so viel Getöse angekündigt hat, zu der Unfähigkeit der Koalition, die Interessen unseres Landes gegenüber den osteuropäischen Staaten wirkungsvoll wahrzunehmen, tritt hier eben nun auch noch die Unfähigkeit der Koalition, in dieser für den inneren Bestand unseres Staates und unserer freiheitlichen Ordnung entscheidenden Frage eine klare und unzweideutige Antwort zu geben. Dies ist das Fazit, welches ich aus der heutigen Debatte ziehe.
({31})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Carstens, eines kann ich Ihnen lobenderweise nicht vorenthalten: Sie steigern sich bis zum Schluß und ziehen das Fazit einer Debatte, in die ich mich in meiner Bescheidenheit gerade erst hineinbewege.
({0})
- Herr Kollege Carstens, Sie werden gleich genügend Gelegenheit haben, andere zurückzuweisen.
Herr Bundesminister Maihofer, ich schließe mich Ihrer Auffassung an, - ({1})
- Lassen Sie mich doch einmal reden. Sehen Sie, ich habe Herrn Carstens nicht ein einziges Mal unterbrochen.
({2})
- Ich versuche es noch einmal,
({3})
aber wenn Sie nicht zuhören wollen, lassen Sie es.
Herr Minister Maihofer, ich stimme mit Ihnen darin überein, daß die Toleranzbreite unserer Verfassung dem einzelnen Staatsbürger einen derart weiten Freiheitsraum gibt und der Staat zur Zeit noch so gefestigt ist, daß auch Narrenfreiheit, ja demagogische Narrenfreiheit hier angesiedelt werden kann, ohne daß der Staat unmittelbar gefährdet wird.
({4})
- Ich spreche von der Gegenwart; ich kalkuliere sie immer mit ein und bin mit meinen Formulierungen sehr vorsichtig.
({5})
Meine Damen und Herren, das bedeutet auf der anderen Seite, daß Verfassungsfeinde, die sich außerhalb ansiedeln, uneingeschränkt von allen Parteien mit allen Rechtsmitteln zurückzuweisen sind. Wenn wir aber jedes Rechtsmittel nicht ganz sorgfältig auf seine Rechtsstaatlichkeit hin untersuchen, schaffen wir sehr schnell eigene Zerstörungswaffen für das Gut, das wir schützen wollen. Das vorweg.
Nun, Herr Carstens, zu Ihnen. Bleiben wir bei dem von Ihnen gewählten Beispiel der Debatte am letzten Mittwoch. Ich halte es für richtig, daß sich der Bundesjustizminister auch in Richtung BaaderMeinhof der Sprache des Strafrechts bedient.
({6})
Ich halte es ebenso für richtig und der guten Ordnung des Hauses gemäß, daß der Abgeordnete Vogel es für richtiger hält, Vokabeln wie „Bande", „Verbrecher" - zutreffend, Herr Vogel - zu wählen. Wenn aber Herr Carstens heute kommt und aus der Sprachzucht des Bundesjustizministers und der Wortwahl des CDU-Abgeordneten Vogel ein anderes Verhältnis des ersten Vogel gegenüber dem letzten zu den Anarchisten konstruieren will, dann ist das Demagogie.
({7})
Hier, meine Damen und Herren, beginnt die erste Fehlleistung der Opposition in ihrem Beitrag zur inneren Sicherheit allgemein.
({8})
Herr Carstens, es macht die Sache nicht besser, wenn Sie von der „Baader-Meinhof-Bande" sprechen. Ich bin kein Justizminister, Herr Vogel; ich bekenne mich zu Ihrer Wortwahl, mache nur aus dieser Wortwahl heraus nicht die Unterschiede Herrn Carstens. Das sind Kriminelle. Das sind Radikale. Herr Carstens nennt sie „Linksradikale". Für mich besteht ein großer Unterschied zwischen jemandem, der sich auf dem Boden der Verfassung auch einmal in einer radikalen Formulierung deutlich artikuliert, und Terroristen und Extremisten, die mit Gewalt, Gewaltandrohung und mit innerer Organisationskraft diesen Staat aus den Angeln heben wollen.
({9})
Das ist die zweite Fehlleistung der Opposition in
ihrem Beitrag zur inneren Sicherheit in diesem Staat.
({10})
Lassen Sie mich eine weitere kritische Bemerkung machen! Man kann ein sehr ernstes Problem durch Überdimensionierung verfälschen. Ich darf einmal ein scherzhaftes Beispiel wählen: Wenn jemand von einem Auto spricht, einen großen Lastkraftwagen beschreibt und dann ein Spielzeugauto aus der Tasche zieht, ist er schlicht und einfach ein Schwindler.
({11})
- Sie sind ja auch so ein Kluger; das weiß ich, Herr Rawe.
Nun wieder zu Ihnen, Herr Carstens. Ich darf an die Verfassungsdebatte vom Februar in diesem Hause erinnern. Dort malte Herr Dregger mit der ihm eigenen magischen Kraft einen breiten Strom von Linksextremisten, der sich in den öffentlichen Dienst ergießt - mit stiller Duldung der Regierung oder auf Grund ihrer angeborenen Schwäche. Dieses Bild hat Herr Carstens heute wieder aufgegriffen. Nun kann es, wenn man die hier in Bonn reichlich zur Verfügung stehenden Fakten nicht liest, natürlich schnell passieren, daß man danebengreift und mehr Worte ausgibt, als man Gedanken einnimmt. Die Wirklichkeit sieht folgendermaßen aus. Alle haben den letzten Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dort ist in nüchternem Zahlenspiel und in nüchterner Sprache nachzulesen, was wirklich ist. In diesem Bericht für das Jahr 1973, dem letzten Bericht steht: Rechts ({12}) 1 343 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, links ({13}) 1423. Ich will Ihnen einmal eine offene Flanke bieten: Mir verbietet es der angeborene Respekt vor jedem Bürger, die Folgerung zu ziehen: das sind alles Verfassungsfeinde. Das tut natürlich auch das Verfassungsschutzamt nicht, aber das machen Sie, Herr Carstens, mit scheinbar gekonnter Nonchalance und Endgültigkeit.
({14})
Ich unterstelle: darin sind ein paar junge, unreife Menschen, auch ein paar Politromantiker, ein paar Wirrköpfe, ein paar Schwarmgeister; darin wird auch ein Kern gefährlicher Leute sein. Aber sei es, wie es sei; ich unterstelle einmal: alle diese Observierten und nur über die Mitgliedschaft Erfaßten sind wirkliche Verfassungsfeinde. Dann bietet sich folgendes Bild des öffentlichen Dienstes: 3,3 Millionen Beschäftigte, 2 766 Verfassungsfeinde, links und rechts addiert. Ich sage das Wort „Verfassungsfeinde" einmal ohne Anführungsstriche. Das sind 0,08 Prozent.
Herr Abgeordneter Liedtke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann?
Herr Kollege, könnte Ihnen dabei entgangen sein, daß die neueren Zahlen über Bewerbungen im öffentlichen Dienst insoweit vielleicht ein anderes Bild ergeben, als der Kultusminister des Landes Hessen allein im Regierungsbezirk Darmstadt zur Zeit die Anhörung von 50 im Lehrdienst tätigen Personen über deren Einstellung zur Verfassung angeordnet hat und diese sich in diesen Tagen dieser Anhörung entziehen?
Ich kenne das Darmstädter Beispiel nicht; aber es ist in Ordnung, wenn ein Verdacht vorliegt. Ich bezweifle, daß sich bei der Entwicklung - bleiben wir einmal bei dieser Regierung, der Sie alles Mögliche vorwerfen - von 1969 bis einschließlich 1973 - der Bericht ist ja 1974 erstellt worden -, 0,08 % erfaßte Mitglieder links- oder rechtsextremer Parteien im gesamten öffentlichen Dienst des Bundes, davon die knappe Hälfte beim Bund, 1 600 bei den Ländern, in den wenigen Monaten des Jahres 1974 etwas Grundlegendes geändert haben könnte, zumal kein Wandel in der Haltung der Regierung eingetreten ist. Ich ziehe daraus einmal folgende Schlußfolgerungen.
Erstens. Rechte und Linke, wie man in Schubladendeutsch sagt, sind ausgewogen im öffentlichen Dienst angesiedelt. Die Einäugigkeit der Betrachtung des Herrn Carstens wird dem Problem nicht gerecht.
({0})
- Ich höre immer gut zu.
Zweitens. Der öffentliche Dienst ist zur Zeit sauber und zuverlässig, und das werden auch die Schwarzmaler der Opposition nicht ändern können.
({1})
Hier nehme ich den öffentlichen Dienst ausdrücklich in Schutz.
Drittens. Gegenwartsbezogen besteht kein Sicherheitsproblem im öffentlichen Dienst.
({2})
- Ich spreche jetzt vom öffentlichen Dienst, und darauf zielt auch dieser Gesetzentwurf.
({3})
Er zielt nicht auf Studenten und auf das, was Sie im Augenblick alles noch hineinziehen möchten.
Viertens. Daß es so bleibt, ist die gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern.
Ich halte es auch nicht für eine gute Leistung, wenn Herr Stücklen, lange bevor die Regierung ihren Entwurf eingebracht und die erste Beratung begonnen hat, lapidar, pressemäßig feststellt: „Dieser Entwurf öffnet den Extremisten Tür und Tor im öffentlichen Dienst."
({4})
- Mein schwäbischer Freund Fritz Schäfer würde sagen: Dafür gäb' ich einen Sechser. So billig kann man es sich nicht machen.
Ernster wird es schon, wenn Herr Kohl, Herr Innenminister Schwarz und auch Herr Miltner vorprogrammiert festlegen, daß dieser Entwurf, falls er den Bundestag passieren sollte, im Bundesrat stirbt. Meine Damen und Herren, dieses Verfassungsorgan beginnt heute mit den Beratungen. Wie eine Streitaxt schwingen Sie schon Wochen vorher die Drohung mit dem anderen Verfassungsorgan Bundesrat gegen dieses Verfassungsorgan Bundestag. Das ist eine radikale Umgangsform mit den höchsten Organen in diesem Staate
({5})
und wiederum kein Beitrag zur inneren Sicherheit.
Aber nun will ich das abschließen. Jetzt werde ich mit Herrn Carstens im Grunde wieder einig; nur ziehe ich eine etwas andere Schlußfolgerung. Die Linie ist seit langem klar; Herr Carstens hat sie noch mal deutlich gemacht. Sie besagt in etwa: Diese Regierung ist zu schwach, um sich gegen Verfassungsfeinde zu wehren. Richtig, Herr Carstens? - Ein bißchen kecker wird vorgebracht: Im Grunde sympathisiert diese Regierung zumindest mit den Linksextremisten in diesem Staat. Im „Bayernkurier" des Herrn Strauß vom 5. Oktober 1974 - ich will es hier nicht vorlesen - wurde verdeutlicht, daß eine Vorleistung der von Bahr
- ich nenne den Namen, weil er dort erwähnt wurde - eingeleiteten Ostpolitik im Grunde die Verpflichtung der Sozialdemokraten ist, die DKP nicht nur nicht zu verbieten, sondern ihr auch den öffentlichen Dienst zu öffnen. Richtig, ja?
({6})
- Gut! Und dann bilden Sie eine Achse Bonn-Moskau und konstruieren eine Gesinnungskumpanei zwischen Sozialdemokraten und DKP. Habe ich Ihre Linie begriffen? - Sehen Sie! Wofür braucht die CDU/CSU das Zerrbild einer solchen Regierung, eines solchen Staates? Denn sie läßt den Staat ja niemals außen vor. Das hat uns Herr Carstens heute wieder bewiesen. Wir Sozialdemokraten würden dieses Gekläff spielend überstehen. Ich würde sagen: Was stört es einen Riesenbaum, wenn ein
Dackel ihn anpinkelt. Aber hier wird der Staat mit hineingezogen,
({7})
und aus diesem Zerrbild des Staates bauen Sie dann Ihre politische Pseudoposition auf. Diese lautet dann so: „Dieser Staat ist in Gefahr. Bürger, wacht auf! Mit der CDU/CSU könnt ihr ihn noch retten." Sarkastisch füge ich hinzu: „Den wirklichen Führer dieses Staates nennen wir euch nächstes Jahr, in diesem Jahr suchen wir ihn noch."
({8})
- Schönen Dank für den Beifall. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn die CDU so weitermacht, redet sie sich wirklich noch den Strauß herbei.
({9})
Dann wird der „Bayernkurier" staatliches Bulletin,
und dann sieht der Staat nach kurzer Zeit genauso
aus, wie Herr Carstens ihn vorhin beschrieben hat.
({10})
Aber einmal ohne Scherz: So kann man natürlich - -({11})
- Wenn Herr Carstens einen derart schwarzen Humor entwickelt, dann können Sie hier von mir doch nicht „Das Wort zum Sonntag" erwarten. Das ist herausgelockt.
({12})
- Sehr schön! Hin und wieder ganz gut; immer sind wir damit auch nicht einverstanden, aber mit dem „Bayernkurier" nie! Das ist noch der Unterschied.
Im Ernst: So kann man die Bevölkerung verunsichern, so kann man sie gefühlsmäßig aufladen, und so kann man radikale Entladungen vorprogrammieren.
({13})
Was ich sagen will: Wenn man sich selbst völlig aus der Zucht entläßt, kann man sehr wohl auch von diesem Hause aus ein Sicherheitsrisiko für diesen Staat herbeireden.
({14})
Das war meine Warnung und meine Antwort auf Herrn Carstens.
Jetzt lassen Sie mich noch einige versöhnliche Worte sagen. Ich habe an der Rednerliste gesehen, daß die Zeit sehr drängt. Ich kenne, meine Damen und Herren, eigentlich kein Mitglied des Bundestages, das ernsthaft hier im Hause oder draußen einmal gesagt hätte, es wünsche Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst. Das geht quer durch den Bundestag. Ich kenne auch kein Mitglied dieses Hauses, das ernsthaft die besonders hervorgehobene Treuepflicht des Beamten zur Verfassung in Zweifel
gezogen hätte, und ich kenne kein Mitglied dieses Hauses, das einmal gesagt hätte, die bestehenden Beamtengesetze sollten verändert werden. Das muß man auch einmal wissen. Wir streiten uns hier lediglich um einheitliche Verfahrensgrundsätze; wir streiten uns nicht um die Änderung von Gesetzen.
({15})
- Geben Sie mir einmal die Antwort! Was würden Sie auf folgende Frage antworten: Ist ein Bundestagskandidat der NPD ({16}) ein engagierter Anhänger der Partei und folglich nicht in den öffentlichen Dienst einzustellen? Würden Sie das mit einem klaren Ja beantworten? - Gut! - Ich gebe Ihnen meine Antwort: Die Frage kann aus Rechtsgründen so pauschal nicht beantwortet werden. Nach dem geltenden Beamtenrecht wie nach der gemeinsamen Erklärung der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers vom 28. Januar 1972 muß jeder Einzelfall für sich geprüft und entschieden werden.
({17})
- Herr Miltner als Fachmann hat es schon gemerkt.
({18})
- Ich habe lediglich den Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz, Herrn Vogel, zitiert, der sich in einem offensichtlichen Gegensatz zu Herrn Carstens zu befinden scheint.
({19})
Ich will Ihnen damit nur sagen, wie außerordentlich schwierig diese Frage zu beantworten ist. Es läßt sich trefflich darüber streiten, aber die Verwirklichung ist schwierig. Der Vogel an der Front jedenfalls aus Ihren Reihen hat sehr viel anders kommentiert als der hier im Gehäuse befindliche Vogel am letzten Mittwoch. Das sollte uns ein bißchen nachdenklich stimmen.
Ich will noch - diesmal bin ich fairer - einen Kronzeugen zitieren, der zu Ihnen zu zählen ist: das ist der RCDS, der christliche Studentenbund. Er nimmt zu beiden Gesetzentwürfen Stellung. Zum Entwurf des Bundesrates sagt er: Dann stünde nicht mehr der einzelne Bewerber und seine zu überprüfende demokratische Grundeinstellung im Mittelpunkt der Untersuchung. Primär würde mehr oder weniger abstrakt eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Partei gefällt, die dann als generelle Ermessensrichtlinie die Entscheidungen der Einstellungsbehörden präjudizieren würde.
Gerade dieses generelle Urteil über die Verfassungsmäßigkeit von Parteien ist aber nach dem Grundgesetz ausdrücklich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
So der RCDS zum Bundesratsentwurf.
({20})
- Ich bin zwar kein Mitglied des RCDS, aber wegen dieser Formulierung würde ich temporär dort gerne eintreten.
({21})
Jetzt kommt Nummer 2: Zum Entwurf der Bundesregierung. Dieser Entwurf stellt kein - -({22})
- Wenn Sie beides haben, sehen Sie es. Dann brauchen Sie nicht so viel nachzudenken und hineinzuinterpretieren. Hören Sie einfach zu.
Dieser Entwurf stellt keinen Rechtsnachfolgezusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Partei und der Zulassung des Bewerbers zum öffentlichen Dienst her, allerdings schließt der Entwurf die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei nicht aus dem Kreis der in der Person des Bewerbers liegenden Umstände aus, sondern zählt sie ausdrücklich dazu. Es heißt nämlich im Regierungsentwurf:
Kein Bewerber kann sich darauf berufen, daß die politischen Ziele, für die er sich einsetzt, von einer Partei oder Vereinigung verfolgt werden, die im Rahmen der Artikel 21 oder 9 des Grundgesetzes tätig wird.
Das ist genau das rechtsstaatliche Verfahren. Das hat der RCDS - ({23})
- Sie wollen das Datum wissen oder was? Das war vom Bundesvorstand des RCDS mit Datum vom 11. Juni 1974. Sie können es sich bei mir abholen, ich habe es in mehrfacher Ausfertigung.
({24})
Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Zeit will ich keine großen Ausführungen mehr über unsere verfassungsrechtlichen Bedenken machen. Das wird Herr Kollege Hirsch gleich anschließend tun. Lassen Sie mich nur eine Sorge äußern: Der Begriff Verfassungswidrigkeit - das ist uns klar, das steht in der Verfassung - ist auf Klage vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilen. Verfassungswidrigkeit schließt Parteien und Organisationen in ihrer Wirkungsform in dieser Bundesrepublik aus. Dagegen stehen die Nichtverbotenen. Nun wird mit Ihrem Begriff „verfassungsfeindlich" eine noch nicht verbotene Partei oder Organisation diesem Kreis hinzugefügt. Meine Sorge dabei ist folgende - aber wir wollen es gerne gemeinsam in den Beratungen noch einmal untersuchen -: Wenn der Begriff „verfassungsfeindlich" wie bisher als juristischer Begriff - er soll ja in den Gesetzestext
- auch nicht annähernd von Ihnen definiert werden kann, wird die Praxis sein, daß der Bund und jedes der elf Länder seine eigene Definition finden muß. Wir fallen nicht nur weit zurück gegenüber dem jetzigen Zustand, wir fallen auch noch hinter Weimar zurück. Wer sich erinnert: in Weimar stand in
der Verfassung, daß die Reichsregierung die Verfassungswidrigkeit feststellen konnte. Sie hatte zeitweise beispielsweise die KPD und die NSDAP verboten. Eine der Lehren aus Weimar ist, daß wir dieses Verbot nicht dem Konkurrenzverhältnis der Parteien untereinander zugestanden, sondern dem. Verfassungsgericht zugeordnet haben. Wir dürfen nicht nur die Lehren aus Weimar nicht vergessen, sondern müssen auch aufpassen, daß nicht im Splittingverfahren Bund und elf Länder noch hinter Weimar zurückfallen.
Was mir auch nicht gefällt, ist Ihre Interpretation des Beweislastproblems. Mir ist es ein bißchen unbehaglich, wenn der Staat einen Bürger in seinen Rechten begrenzt und ihm dann anschließend noch die volle Beweislast aufbürdet. Das kann in einem Rechtsstaat so uneingeschränkt nicht der Fall sein.
({25})
- Ich habe vorsichtig formuliert: „nicht uneingeschränkt". Man muß auch wissen, daß bei den Verwaltungsgerichten der Beweis nicht von der einen oder anderen Partei geführt werden muß im Gegensatz zu ordentlichen Gerichten, sondern daß dort das Gericht selbst hinterher Beweis und Zweifel ermittelt. Das geht meistens noch ohne einen Anwalt. Das ist diese besondere Stellung der Verwaltungsgerichte. Das miteinbeziehend, muß man außerordentlich vorsichtig sein, daß man hier den Bürger gegenüber dem Staat nicht ins Abseits stellt.
Ich halte - damit schließe ich - den Begriff „verfassungsfeindlich" im politischen Sprachgebrauch durchaus für ziemlich gefestigt. Ihn aber per Gesetz in einen Vermutungstatbestand hinüberzutransferieren, halte ich im Augenblick noch für sehr bedenklich in bezug auf das Gelingen.
Wie dem auch sei, wir stehen am Anfang einer nicht einfachen Beratung. Wir wollen im Prinzip dasselbe. Wir wollen nicht einmal bestehende Gesetze verändern; wir wollen nur einheitliche Verfahrensregeln auf einem Gebiet finden, das hart den Lebenskern dieses Rechtsstaats - auch darin sind wir uns einig - berührt. Es sollte eine Bewährungsprobe für die drei demokratischen Parteien in diesem Bundestag sein, daß wir das gemeinsam zuwege bringen. Mit dieser Hoffnung schließe ich.
({26})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zunächst bei dem Innenminister des Landes Baden-Württemberg für seine sachliche Entgegnung auf die Einbringungsrede des Innenministers zu bedanken. Er hat damit in uns die Hoffnung erweckt, daß es hier zu einer sachlichen Debatte zu dem Gesetzentwurf kommt, der auf dem Tisch liegt.
Sie, Professor Carstens, haben eine unredliche Rede gehalten,
({0})
unredlich in ihrem Ansatz, als ob die Bundesregierung beabsichtige, mit diesem Gesetzentwurf radikale Anarchisten zu unterstützen, unredlich, indem Sie uns mangelnde Verfassungstreue vorwerfen. Es war für mich erschreckend, mit welcher Leichtigkeit Sie glaubten, das sogenannte juristische Beiwerk wegwischen zu können;
({1})
denn in diesem juristischen Beiwerk verwirklicht sich der Rechtsstaat.
({2})
In derselben Leichtigkeit, mit der Sie hier das sogenannte juristische Beiwerk wegwischen wollten, haben es die Nationalsozialisten 1933 getan.
({3})
Es ist unredlich, wenn Sie darauf hinweisen, daß das rechtsstaatliche Prinzip es erlaube, eine Bande „Bande" zu nennen, ohne gleichzeitig zu sagen, daß das rechtsstaatliche Prinzip es auch rechtfertigt, eine kriminelle Vereinigung „kriminelle Vereinigung" zu nennen. Ich warte darauf, daß Sie fordern, daß ein Richter einen Angeklagten nicht „Angeklagten", sondern „Verbrecher" nennt.
({4})
Ich glaube, Sie haben Angst vor der politischen Auseinandersetzung.
({5})
Ich glaube, Sie haben kein Vertrauen darauf, mit politischer Überzeugung demokratische Positionen vertreten zu können, und deswegen sind Sie ein Scharfmacher.
({6})
Verfassungsfeinde - darin ist sich dieses Haus, das, von Ihnen abgesehen, aus der Angst kein Kapital schlagen will, einig - haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Der Marsch durch die Institutionen, der planmäßig beabsichtigt wird, wird nicht stattfinden.
({7})
Wir werden verhindern, daß der Staat dort, wo er sich in hoheitlichen Funktionen verwirklicht, von Menschen besetzt wird, die seine Rechtsordnung beseitigen wollen. Die Verfassungsfeinde, die sich gegen den Kernbereich unserer Verfassung wenden, dürfen nicht an die Hebel der staatlichen Funktionen gelangen, damit sie etwa dort um so leichter ihre Ziele erreichen könnten.
Es ist ganz unzweifelhaft, daß Rechte, die unsere Verfassung gewährt, ihre Grenzen dort finden, wo sie gegen die Rechtsordnung selbst gewendet werden sollen. Das gilt auch für die Rechte aus den Art. 3 und 33 - Rechte der politischen Chancengleichheit -; das gilt für Art. 4 - Schutz des politischen Bekenntnisses -. Dieses alles kann und darf sich nicht gegen den Kernbereich der Verfassung wenden, wie ihn Professor Maihofer hier im einzelnen dargestellt hat.
Die aktive Verfassungstreue der Beamten ist eine Eingangsvoraussetzung für den öffentlichen Dienst. Sie ist eine verfassungsmäßige Voraussetzung und kann daher nicht etwa durch Beamtengesetze erst begründet werden. Sie hat vielmehr selbst Verfassungsrang und muß mit anderen gleichwertigen verfassungsmäßigen Rechten und Pflichten in Einklang gebracht werden. Dies ist notwendig, denn die innere Toleranz eines Staates, seine Liberalität, setzt seine uneingeschränkte Handlungsfähigkeit voraus, also eine verfassungstreue Exekutive. Der Staat würde sich sonst in Gruppen um die Macht kämpfender potentieller Diktatoren auflösen. Ich betone das deshalb besonders, um deutlich zu machen, daß wir uns in dieser Zielsetzung einig sind. Es gibt keine Äußerung der Bundesregierung oder der Koalition, aus der man daran zweifeln könnte; im Gegenteil, sie hat dies immer wieder in diesem Hause betont. Es gibt in diesem Hohen Hause keine Polarisierung in mehr oder weniger Verfassungstreue, sondern der Unterschied, Herr Professor Carstens, besteht allenfalls in der Sorgfalt, in der wir uns darum bemühen, rechtsstaatliche Mittel einzusetzen.
({8})
Die gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers und aller Ministerpräsidenten vom 28. Januar 1972 beabsichtigte, auf dieser Grundlage eine einheitliche Handhabung der seinerzeit schon bestehenden beamtenrechtlichen Bestimmungen zu erreichen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit dieser unserer gemeinsamen Überzeugungen, daß bei ihrer Verwirklichung ein einheitliches Verfahren erreicht wird. Ich bin etwas betroffen darüber, etwas mehr oder weniger deutlich zu hören, daß der Bundesrat auf jeden Fall die Vorlage der Bundesregierung ablehnen wird, so daß man eigentlich nur noch auf die vereinheitlichende Kraft der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen kann.
Ich habe einmal die Entscheidungen der letzten zwei Jahre zusammenstellen lassen, insbesondere zu dem Spannungsverhältnis zwischen Parteienprivileg auf der einen Seite und verfassungsmäßiger Treuepflicht auf der anderen Seite, und habe festgestellt: es gibt dazu in den letzten beiden Jahren 29 Entscheidungen, 13 für das eine, 13 für das andere und 3 unentschieden. Dieser Zustand muß ein Ende haben. Dazu dienen diese Gesetzentwürfe. Dazu sollen beide Gesetzentwürfe dienen, auch der des Bundesrates.
Sind die Differenzen wirklich so unüberbrückbar, wie Sie sie darzustellen versuchen, Herr Professor Carstens? Beide Gesetzentwürfe gehen von einer Prüfung im Einzelfall der in der Person des Bewerbers liegenden Umstände aus. Auch der Gesetzent8978
wurf des Bundesrats enthält keine Bestimmung darüber, daß Mitglieder der DKP eo ipso nicht in den öffentlichen Dienst hinein dürfen. Dort steht: In der Regel begründet eine Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei eine Vermutung. Das heißt doch wohl, daß es auch Ausnahmen von dieser Regel gibt, Herr Professor Carstens, nicht wahr? Also Einzelfallprüfung, sonst müßten Sie, Herr Professor Carstens, einen Gesetzesantrag einbringen, daß Mitglieder der DKP von vornherein vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen sind.
Weiter steht in beiden Entwürfen: Zwang zur Begründung einer ablehnenden Entscheidung, Beschränkung der Entscheidungsgründe auf gerichtsverwertbare Tatsachen, Recht des Betroffenen zur Gegenäußerung, Rechtsmittelbelehrung, damit die gerichtliche Nachprüfbarkeit gegeben ist. Dies ist besonders wichtig, damit nicht eine Verwaltungsbehörde letztlich darüber entscheidet, was eine verfassungsfeindliche Partei ist, sondern damit die letzte Entscheidung bei der dritten Gewalt, bei den Gerichten liegt.
Es gibt nur zwei Positionen, in denen differenziertere Meinungen vertreten werden. Eine ist die Bedeutung einer Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindliche Ziele verfolgenden Partei, die zweite ist die Frage der Beweislastregelung. Wir sind der Meinung, daß bei etwas Nachdenken in Wirklichkeit die Parteizugehörigkeit kein praktischer Anknüpfungspunkt für eine Entscheidung in einem Einzelfall sein kann, weil es doch nicht darauf ankommen kann, ob ein Verfassungsfeind sich innerhalb oder außerhalb einer Partei betätigt. Wer z. B. Ziele des Marxismus-Leninismus, die wir ebenso wie Sie für verfassungsfeindlich halten, in die Wirklichkeit umsetzen will, ist doch dabei nicht weniger gefährlich, wenn er das außerhalb irgendeiner Partei tut, als wenn er das innerhalb einer demokratischen Partei tut. Man kann doch wohl nicht allen Ernstes den Verfassungsfeind, der sich nicht zu einer Partei bekennt, sondern sich tarnt, gegenüber dem anderen, der sich zu einer Partei bekennt, privilegieren.
({9})
Und umgekehrt: Man kann natürlich einen Verfassungsfeind unter Berufung auf das Parteienprivileg nicht dadurch bevorzugen, daß eine Parteimitgliedschaft ihn vor einer Ablehnung schützt, also sozusagen einen Vermutungstatbestand zu seinen Gunsten schaffen. Denn das müßte man ja jedem Verfassungsfeind raten, in eine Partei einzutreten, um damit einen Einstellungsanspruch zu bekommen. Beides kann nicht richtig sein. Wir wollen vielmehr eine Einzelfallprüfung.
Wenn man nun einmal den Punkt der Beweislast auseinanderfieselt, muß man sich fragen: Was für eine Entscheidung hat denn die Verwaltungsbehörde zu treffen? Im Normalfall - Professor Maihofer hat das ausgeführt - kümmert sie sich überhaupt nicht um die Frage der Verfassungstreue. Ich möchte einmal hier die verehrten Mitglieder des Hauses, die gleichzeitig Beamte sind, fragen, ob sie bei ihrer Einstellung - unterstellt, sie erfolgte nach 1945 auf ihre Verfassungstreue hin untersucht worden sind.
({10})
Natürlich wird in jedem Normalfall die Verfassungstreue unterstellt; niemand braucht sie nachzuweisen, und das ist auch vernünftig. Denn wie soll man denn etwas Negatives nachweisen, wie soll man denn nachweisen, daß man kein Verfassungsfeind ist? Es gibt ja doch in dieser Sache keinen regelmäßigen Kirchgang, mit dem man seine Gesinnung äußerlich dokumentieren könnte. Die verfassungsmäßige Gesinnung kann doch nur dadurch nachgewiesen werden, daß man sich eben nicht verfassungsfeindlich betätigt.
Das ist ein Grund dafür, daß so viele Indifferente ohne weiteres in den Staatsdienst kommen. Sie kommen hinein, das wissen Sie genauso wie ich.
({11})
Ich denke z. B. an den Amtsrichter in Passau, der uns alle hier in einer dienstlichen Erklärung - man muß das einmal sagen - als eine Gruppe von Leuten betrachtet - so hat er formuliert -, die nach einem gelungenen Coup die Beute unter sich aufteilen. Zu diesem Schluß kommt er deswegen, weil er ein „Hungergehalt" von 3 000 oder 3 500 DM bezieht. Ist das ein Mann, der die Gewähr für die aktive Verfassungstreue bietet? Ich weiß nicht, ich glaube es nicht. Und in diesem Rahmen muß man wohl den Anspruch auf Gleichbehandlung verwirklichen.
Wir sagen alle, es gibt keinen Anspruch auf Einstellung - natürlich nicht, das ist ein alter Satz -, und zwar deswegen nicht, weil es keine hemmungslose Vermehrung der Planstellen gibt; das ist der Grund für diesen Satz. Aber das ist noch nicht alles. Der Anspruch geht darauf, im Wettbewerb mit anderen um eine offene Stelle gleichbehandelt zu werden, und das ist zunächst einmal ein Anspruch auch in der Annahme und der Vermutung der Verfassungstreue; das ist der Ausgangspunkt.
Und nun wird von jeder Einstellungsbehörde eine Prognose verlangt, nämlich die Aussage über ein zukünftiges Verhalten eines Bewerbers. Ich bin der Meinung, eine sichere Aussage über ein zukünftiges Verhalten irgendeines Bewerbers ist nie möglich - ob Tatsachen vorliegen, bekannt sind oder nicht -, grundsätzlich ist bei niemandem auf dieser Welt eine sichere Prognose darüber möglich, was er in Zukunft einmal tun und welche Meinungen er in Zukunft vertreten wird.
({12})
- Bei niemandem. Natürlich, ich hoffe, daß er sich bessert.
({13})
Daraus folgt: Bei jedem Bewerber sind Zweifel an seiner zukünftigen Haltung denkbar, trotzdem stellt man ihn ein. Wie ist das denn nun mit einer Benachteiligung außerhalb des Falles der Verwirkung von Grundrechten, außerhalb des Falles der aktiven Unterstützung einer für verfassungswidrig erklärten
Partei? Außerhalb dieser Voraussetzungen darf doch eine Benachteiligung nur möglich sein, wenn eine auf Tatsachen begründete Überzeugung der Einstellungsbehörde besteht, daß ein Bewerber keine Gewähr für seine Verfassungstreue bietet. Ich meine, daß eine Einstellungsbehörde nicht mit den Schultern zucken und sagen darf: Ich weiß das nicht. Wir haben in anderem Zusammenhang ja eine ganze Skala von Verwaltungsgefühlen in dieser Preislage erlebt: von Zweifel, Bedenken, ungutem Gefühl bis zu Bauchschmerzen; die waren es dann aber wieder nicht. Ich meine, eine Verwaltungsbehörde muß entscheiden. Sie muß sich eine Überzeugung bilden. Sie muß sich auf Tatsachen stützen, die sie belegen kann und die gerichtlich nachprüfbar sind. Sie muß sich auf der Grundlage dieser Tatsachen im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens eine Überzeugung bilden. Das ist entscheidend für die Behandlung des Einzelfalls. Er muß einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich sein. Das ist der Ausgangspunkt unserer Lösung, die ich ebenso für rechtsstaatlich wie für praktikabel halte.
Das einzige, was man im Grunde dagegen einwenden kann, ist das Problem der Einzelfallprüfung überhaupt. Denn wie ist es möglich, in das Gehirn eines anderen hineinzusehen? Wie ist das mit dieser Einzelfallprüfung?
({14})
- Herr Kollege Vogel, Sie sagen, da scheitere es. Dann müssen Sie diesen Einwand, verehrter Herr Kollege, doch genauso gegenüber dem Bundesratsentwurf gelten lassen; denn auch er geht von einer Einzelfallösung aus, wie mir Minister Schiess vorhin mit einem Wort bestätigt hat.
Die Alternative zur Einzelfallprüfung sind natürlich das Parteienverbot, das Organisationsverbot und die Aberkennung von Grundrechten. Jedem Verfassungsorgan, diesem Hause, dem Bundesrat, in dem Sie die Mehrheit haben, und der Bundesregierung, bleibt es unbenommen, diesen Weg zu gehen, wenn es ihn für richtig hält. Wir halten diesen Weg nicht für richtig, weil wir eine politische Auseinandersetzung mit denen vorziehen, die unsere Verfassungsgrundlage untergraben wollen. Wir wollen nicht das scharfe Schwert der Demokratie stumpf machen, indem wir es immer wieder benutzen.
({15})
Ich nehme an, Sie denken wie ich an das Wort von Talleyrand, daß sich Bajonette zu allem eignen, nur nicht zu einem, sich nämlich darauf zu setzen.
Die Sicherheit dieses Staates beruht nicht ausschließlich auf der staatlichen Macht, sondern auf der Anerkennung und der Übereinstimmung der Bürger mit seiner Rechts- und Verfassungsordnung. Das ist die primäre Grundlage der Sicherheit unserer Verfassung. Wir täten schlecht daran, den Anarchisten oder den Verfassungsfeinden einen ersten Erfolg dadurch zu bescheren, daß wir uns von dieser Grundlage der verfassungsgemäßen Rechtsstaatlichkeit auch nur in Randgebieten abdrängen ließen.
({16})
Unser Ziel muß sein, eine von allen demokratischen Kräften getragene rechtsstaatliche Lösung unseres Problems zu finden. Das wäre ein Erfolg für den Rechtsstaat. Wir sind bereit, dazu beizutragen, auch im und mit dem Bundesrat zu einer einheitlichen Lösung dieses Problems zu kommen. Ich appelliere an Sie, sich diesem Ziel nicht zu verschließen.
({17})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Coppik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Diskussionsbeitrag von Herrn Professor Carstens hat gezeigt, daß es die Ereignisse der jüngsten Tage offenbar sehr schwer machen, über ein Thema wie das heutige sachlich und emotionsfrei zu diskutieren. Als Gesetzgeber sind wir jedoch gehalten, auch in dieser Situation Gesetze zu machen, von denen wir überzeugt sein können, daß wir sie auch ohne Emotionen jederzeit für rechtsstaatlich und verfassungskonform halten werden.
Dabei ist es notwendig, zunächst einmal die Sache herauszustellen, und die Sache ist die, daß es ja nicht darum geht, Terroristen in den öffentlichen Dienst aufzunehmen. Terroristen, die man als solche entlarvt, kommen nicht in den öffentlichen Dienst, sondern in eine Justizvollzugsanstalt.
({0})
Die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften wollen deshalb auch etwas anderes. Sie wollen das Eindringen von politischen Extremisten in den öffentlichen Dienst verhindern.
Dazu ist zunächst festzustellen - und dieser Grundsatz steht für uns Sozialdemokraten völlig außer Frage, und zwar für alle Sozialdemokraten -, daß wirkliche Verfassungsfeinde, daß aktive und erklärte Gegner unserer Verfassung, Menschen also, von denen eine loyale Dienstausübung im Sinne einer Bereitschaft zur verfassungskonformen Beachtung der geltenden Rechtsordnung überhaupt nicht erwartet werden kann, für den öffentlichen Dienst nicht geeignet sind.
({1})
Das steht außer Frage. Das ergibt sich auch heute schon aus den einschlägigen Beamtengesetzen.
Diese Grundsatzfeststellung entbindet uns allerdings nicht von der Verpflichtung, kritisch nachzufragen, wer als Verfassungsfeind in diesem Sinne anzusehen ist und wie hier eine rechtsstaatlich einwandfreie Abgrenzung vorgenommen werden kann. Im Interesse des Rechtsstaates müssen Gesetze, die diese Frage regeln, so ausgestaltet sein, daß sie jeden Mißbrauch ausschließen, jeden Mißbrauch, der seinerseits die freiheitlich-demokratische Grundordnung ernsthaft gefährden würde.
Dies ist um so notwendiger festzustellen, als die bisherige Verwaltungspraxis zur Ausführung der derzeit geltenden Beamtengesetze vielerorts Anlaß
zu ernsthaften Bedenken gegeben hat, ob hier die Grundsätze des Rechtsstaates eingehalten werden.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns nun den in Frage kommenden Extremistengruppen zuwenden, dann fällt zunächst auf, daß der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in seinem Debattenbeitrag die Rechtsextremisten so völlig verharmlost hat;
({2})
als ob hier in Deutschland nicht schon einmal die Rechtsextremisten die Macht übernommen und eine parlamentarische Demokratie beseitigt hätten! Wir sollten doch aus der Geschichte lernen, Herr Professor Carstens.
({3})
Aber auch überall dort, wo in den letzten Jahren im Ausland die parlamentarische Demokratie von ihren Gegnern beseitigt wurde, und zwar von Gegnern, die im öffentlichen Dienst standen, handelte es sich um Rechtsextremisten. Wir brauchen nur in der jüngsten Geschichte an die Beispiele von Griechenland 1967 oder von Chile 1973 zu denken, in denen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst, Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst die parlamentarisch-demokratische Verfassungsordnung mit Gewalt beseitigt haben.
Geht man aber auf Grund dieser Erfahrungen davon aus, daß die Verfassungsfeinde von rechts nicht verharmlost werden dürfen, weil sie eine latente große Gefahr für jede parlamentarische Demokratie darstellen können, so wird man gleichzeitig feststellen müssen, daß diese Verfassungsfeinde von rechts nur sehr schwer zu erfassen sind. Denn sie bleiben in aller Regel bei ihrer normalen Dienstausübung unauffällig; als Rechtsextremisten entpuppen sie sich erst in Krisensituationen der gesellschaftlichen Entwicklung. Ihr Extremismus besteht oft eben gerade darin, daß sie mit verfassungswidrigen Mitteln, mit Gewalt eine gesellschaftliche Entwicklung zu verhindern versuchen, die die Verfassung zuläßt, die aber den gesellschaftlichen Status quo, den die Betroffenen aufrechterhalten wollen, erheblich verändert.
Da sich diese Extremisten erst in solchen Krisensituationen als solche darstellen, sind sie vorher, zumal bei ihrer Einstellung in den öffentlichen Dienst, sehr schwer zu erkennen. Um so größer sollte unsere Aufmerksamkeit sein, die wir dieser Extremistengruppe widmen, und um so unverständlicher ist die Nachsichtigkeit, mit der einige von der CDU/CSU regierte Länder Rechtsextremisten begegnen.
({4})
Nun wird man, auch ohne die jüngsten Ereignisse, nicht bestreiten können und wollen, daß es auch auf der anderen, auf der linken, oder insofern besser gesagt: pseudolinken Seite erklärte Gegner dieser Verfassungsordnung gibt.
({5})
- Pseudolinks deshalb, weil diese Extremisten nur den Kräften der Reaktion in diesem Land in die Hände spielen.
({6})
Und wenn ich Ihre Reaktion zu diesen Vorgängen manchmal so erlebe, habe ich bisweilen das ungute Gefühl, daß Sie über jeden sogenannten Linksextremisten innerlich jubeln, weil er neues Wasser für Ihre alten Mühlen liefert.
({7})
Niemand wird also bestreiten, daß es auf dieser Seite erklärte Gegner dieser Verfassungsordnung gibt, Menschen, die nachweislich die unveränderlichen Grundprinzipien unserer Verfassung im Sinne des Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes bekämpfen und von denen deshalb keinerlei Bereitschaft zur loyalen Dienstausübung im öffentlichen Dienst erwartet werden kann. Diese Leute können keinen Anspruch geltend machen, in den öffentlichen Dienst aufgenommen zu werden. Das ist aber, glaube ich, nicht die strittige Frage.
({8})
Wenn man solche Gesetze macht, muß man sich in der Tat ernsthaft die Frage stellen, Herr Kollege: Wo fängt es an, und wo hört es auf? In der Tat, die Frage muß man sich stellen. Dann muß man sich die Frage stellen: Wie kann man bei solchen Bestimmungen den Mißbrauch ausschließen? Wie kann man ausschließen, daß ein Gesetz, das diese Frage regelt, zur Benachteiligung und Einschüchterung politischer Minderheiten mißbraucht wird? Wie kann man ausschließen, daß dadurch ein Klima allgemeiner Unsicherheit erzeugt wird, in dem jeder künftige Beamtenbewerber meinen muß, sich beizeiten wirklichen oder vermeintlichen obrigkeitlichen Wünschen anpassen zu müssen, und damit jede demokratische Regung gedrosselt wird? Muß jemand, der vor Jahren als Jugendlicher eine vielleicht unüberlegte oder unausgewogene Bemerkung gemacht hat, befürchten, künftig in seiner beruflichen Existenz bedroht zu sein?
({9})
Die heutige Verwaltungspraxis in einigen von der CDU/CSU geführten Ländern macht diese Fragestellung keineswegs überflüssig.
({10})
- Selbstverständlich, Herr Kollege. Dazu bin ich gern bereit. Wenn in Bayern jemand als Verfassungsfeind bezeichnet wird, weil er sich auf August Bebel beruft, dann ist das ein solcher Fall.
({11})
Und wenn Herr Carstens dazu kommt, Mitglieder
der sozialliberalen Parteien teilweise als ExtremiCoppik
sten zu bezeichnen, dann ist dieser Punkt erreicht, dann zeigt das, wie notwendig solche Fragen sind.
({12})
Es ist Ihre politische Taktik, Terroristen, Spione, Extremisten mit kritischen Demokraten, mit all Ihren politischen Gegnern in einen Topf zu werfen, um sie dann alle gleichmäßig als Verfassungsfeinde zu behandeln.
({13})
Und dann reden Sie von der Solidarität aller Demokraten!
({14})
Scheinheilig ist das und, ich glaube, eine Anmaßung.
Wir werden dafür sorgen müssen, daß niemand von den Millionen unbequemer, kritischer, aber verfassungstreuer Staatsbürger, die auch grundlegende Kritik an der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung üben, durch ein solches Gesetz in seinen Grundrechten der freiheitlichen Demokratie eingeengt wird. Wer Kritik an der gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung übt oder wer für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel eintritt - um das nur als Beispiel zu nennen -, ist deshalb noch lange kein Verfassungsfeind.
({15})
Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes muß die verfassungsrechtlich garantierte Vielfalt der Meinungen erhalten bleiben, damit eine Verengung des Freiheitsraumes vermieden wird.
({16})
Auch einem Beamtenbewerber muß es selbstverständlich erlaubt sein, etwa für Verfassungsänderungen einzutreten, die nicht den Kernbereich unseres Grundgesetzes betreffen, ohne gleich zum Verfassungsfeind abgestempelt und vom öffentlichen Dienst ferngehalten zu werden.
({17})
Sonst würde man die freiheitliche Grundordnung durch ein solches Gesetz nicht schützen, sondern gefährden.
Wir werden deshalb zu prüfen haben, ob der Begriff des Verfassungsfeindes in dem Gesetz nicht konkretisiert werden sollte. Ein noch so rechtsstaatliches formelles Verfahren wird nämlich in seinem Ergebnis fragwürdig bleiben, wenn die materiellen Kriterien der Entscheidung nicht konkretisiert sind. Das Rechtsstaatsprinzip erfordert eben nicht nur, daß ein Gericht die Tatsachen nachprüfen kann, auf Grund deren eine Entscheidung getroffen wurde, sondern auch, daß der Gesetzgeber definiert, bei welchen Tatbeständen welche Entscheidung getroffen werden soll, da sonst die Bewertung eines Sachverhaltes etwa als verfassungsfeindlich zu einer Ermessensentscheidung der Einstellungsbehörde würde, die für den Betroffenen gerichtlich nicht in dem erforderlichen Maße nachprüfbar wäre.
Nur wenn es gelingt, hier eine Konkretisierung zu erreichen, wird man eine verfassungsrechtlich vertretbare Lösung in dem anderen Problembereich finden, der heute hier bereits angesprochen wurde, nämlich bei der Frage der Bedeutung des Parteienprivilegs in diesem Zusammenhang. Meine Damen und Herren, nach unserem Grundgesetz entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit von Parteien. Solange das Bundesverfassungsgericht eine Partei nicht verboten hat, dürfen an eine Mitgliedschaft in einer solchen legalen Partei und eine Tätigkeit in ihr mit allgemein erlaubten Mitteln keine negativen Rechtsfolgen geknüpft werden. Niemand darf bis dahin die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen.
({18})
- Ich zitiere das Bundesverfassungsgericht, wenn Sie es genau wissen wollen.
({19})
Herr Abgeordneter Coppik, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Nein, ich bedaure. Ich möchte in meinen Ausführungen fortfahren.
({0})
- Es war ein wörtliches Zitat, Herr Kollege.
({1})
Meine Damen und Herren, deshalb halte ich die in dem Bundesratsentwurf enthaltene Regelung, wonach die Mitgliedschaft in einer Partei, die nach Auffassung des Dienstherrn verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, in der Regel Zweifel daran begründen soll, ob der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird, und hieraus entsprechende Schlußfolgerungen gezogen werden sollen, schlicht und einfach für verfassungswidrig.
({2})
Eine solche Regelung würde das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts umgehen und die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei zur Disposition der Einstellungsbehörden stellen.
({3})
Der Regierungsentwurf begegnet dieser Problematik dadurch, daß das Verfahren völlig individualisiert werden soll. Das ist dem Spannungsverhältnis zwischen dem Parteienprivileg des Art. 21 des Grundgesetzes und der Loyalitätspflicht des öffentlichen Dienstes sicher angemessener als die Regelung im Entwurf des Bundesrates. Bei den weiteren
Beratungen werden wir dieser Problematik weiterhin unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen.
Was die formelle Verfahrensregelung betrifft, so ist der Regierungsentwurf vorbehaltlos zu begrüßen. Er stellt sicher, daß dem Bewerber die Gründe, die Zweifel an seiner Verfassungstreue wecken, und die dafür erheblichen Tatsachen mitgeteilt werden und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Er stellt sicher, daß eine etwaige Ablehnung nur auf Tatsachen gestützt werden darf, die gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar sind. Wer die Verwaltungspraxis vielerorts kennt, weiß, daß das nicht überall Selbstverständlichkeiten sind oder jedenfalls bis vor einiger Zeit nicht waren.
Ebenso ist zu begrüßen, daß nach dem Regierungsentwurf die Zulassung zu einer Ausbildung, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis abzuleisten ist, auf jeden Fall gewährleistet werden muß. Damit wird dem Grundrecht der freien Berufswahl gemäß Art. 12 des Grundgesetzes genüge getan.
({4})
Unter Berücksichtigung aller - auch kritischen - Anmerkungen, die zu machen waren, ist deshalb insgesamt festzustellen, daß der Regierungsentwurf eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem heutigen Rechtszustand und insbesondere der heute vielerorts geübten Verwaltungspraxis mit sich bringt. Wir werden uns bei den weiteren Beratungen darum bemühen, den Entwurf im rechtsstaatlichen Sinne dort zu verbessern, wo eine Verbesserungsnotwendigkeit erkannt wird.
Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratische Partei steht in einer mehr als hundertjährigen Tradition des Kampfes gegen den politischen Machtmißbrauch der Obrigkeit gegenüber Andersdenkenden, für mehr Freiheit des einzelnen in sozialer Verantwortung, für mehr Demokratie, für mehr Rechtsstaatlichkeit. Sie wird auch bei den vorliegenden Gesetzentwürfen auf eine verfassungsgemäße und rechtsstaatliche Behandlung der Bewerber und Bediensteten im öffentlichen Dienst hinwirken.
Sie aber, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten sich davor hüten, in der gegenwärtigen Situation rechtsstaatliche Grundsätze gegenüber politische Andersdenkenden um einer vordergründigen billigen Popularität willen in Frage zu stellen.
({5})
Sonst werden zumindest einige von Ihnen in einigen Jahren nicht wahrhaben wollen, welche Geister
sie riefen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miltner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Hirsch eingehen. Ich muß Ihnen sagen, Sie ertragen es nur schwer,
wenn wir hier vor aller Öffentlichkeit die Fakten und die Lage des politischen Extremismus auf den Tisch legen wollen, und Sie tun so, als wäre alles in Ordnung und als wäre es überhaupt gar nicht notwendig, daß wir heute über zwei Gesetze zu dem Problem der Radikalen im öffentlichen Dienst beraten. Ihr moralisierender Ton - so muß ich schon sagen - ist völlig unangebracht, und er war vorgestern an dieser Stelle, als Sie von Ihrem Parteifreund gerügt worden sind, auch unangebracht.
({0})
Nun, die bisherige Diskussion draußen im Lande und auch hier im Plenum über die Radikalen im öffentlichen Dienst hat gezeigt, daß das Problem, wenn es überhaupt eines sein darf, bei den Demokraten selber liegt. Es liegt nämlich darin, ob sie bereit sind, den Schutz der freiheitlichen Demokratie auf der Grundlage von Verfassung und Gesetz nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten wirksam sicherzustellen.
({1})
Eine freiheitliche Demokratie kann nur dann dauerhaften Bestand haben, wenn sie vor denjenigen geschützt wird, die sie unter Mißbrauch der Grundrechte der Verfassung zerstören wollen.
Unsere innenpolitische Situation ist durch ein weiteres Vordringen besonders linksextremistisch aktiver Minderheiten an unseren Hochschulen, im öffentlichen Dienst, in Massenmedien und in Gewerkschaften gekennzeichnet.
({2})
Und ich kann nur noch einmal das Wort des Generalsekretärs der NATO, Herrn Luns, unterstützen, der auf der Parlamentarischen Versammlung der NATO zwei Punkte nannte, die die 15 NATO-Staaten heute gefährden, nämlich die Inflation und die, wie er sagte, zunehmenden Angriffe auf die demokratische Gesellschaftsstruktur durch Extremisten.
({3})
Die Infiltration des Staatsapparates und hier besonders der Ausbildungsstätten hat immer mehr Gewicht in der Strategie der Radikalen gewonnen. Solange die Radikalen bei Parlamentswahlen keine Chance haben, ist der lange Marsch durch die Institutionen für sie natürlich leichter. Mit dem Ziel des Eindringens in den öffentlichen Dienst verbinden sie zugleich auch das weitere Ziel, ihre politisch extremen Parteien und Vereinigungen als normale politische Erscheinungen unserer freiheitlichen Demokratie darzustellen, damit schließlich jede Verbotsmaßnahme als Verstoß gegen die geltenden Regeln der Demokratie angesehen werden könne. Wer die Auseinandersetzungen um die Beurteilung dieser Fragen seit mehreren Jahren verfolgt, stellt fest, daß es in unserem Staat maßgebende Kräfte gibt, die den politischen Extremismus verharmlosen und daher auch nicht bereit sind, Radikale im öffentlichen Dienst ernsthaft und eindeutig zu bekämpfen.
Um dem Vordringen der Radikalen im öffentlichen Dienst, insbesondere bei Bewerbern, die frisch von der Universität gekommen sind, Einhalt zu gebieten und um eine einheitliche Anwendung der bestehenden Gesetze sicherzustellen, haben der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder am 28. Januar 1972 den sogenannten Ministerpräsidentenbeschluß erlassen. Noch erinnern wir uns, wie große Gruppierungen von SPD und FDP diesen Beschluß angegriffen haben. Der Bundeskanzler und die SPD-Ministerpräsidenten wurden durch die eigenen Parteitage desavouiert.
({4})
Nur aus dieser Situation heraus, unter dem Druck der Parteigliederungen, ist es zu verstehen, warum die Bundesregierung heute hinter den Ministerpräsidentenbeschluß zurückgegangen ist
({5})
und einen unzulänglichen Gesetzentwurf ohne wirksame Regelung für das Fernhalten der Radikalen im öffentlichen Dienst vorlegt. Wir betrachten das als eine glatte Kapitulation vor dem Ansturm der eigenen Parteilinken.
({6})
Es muß bei dieser Ausgangslage festgestellt werden, daß es in dem Ministerpräsidentenbeschluß heißt, die Migliedschaft von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Parteien oder Organisationen, die die verfassungsmäßige Ordnung bekämpfen, führe in der Regel zu einem Loyalitätskonflikt.
Der Rückzug der Bundesregierung von diesem Beschluß auf ihre unzulängliche Linie wird deutlich, wenn man im „Vorwärts" vom 12. April 1973 unter der Überschrift „Ende eines Erlasses" folgendes lesen kann - ich zitiere -:
Die Parteitage maßgeblicher SPD-Bezirke - zuletzt Baden-Württemberg, davor Hessen-Süd und westliches Westfalen - haben dazu aufgefordert, diesen Beschluß aufzuheben. ... Selbst einer der an der Entscheidung beteiligten Ministerpräsidenten, Albert Osswald, distanzierte sich jetzt von jenem Beschluß. ... Zuletzt haben 18 Bundestagsabgeordnete der SPD und 7 der FDP ihre verfassungsrechtlichen und politischen Einwände gegen den Regierungschefbeschluß öffentlich vorgetragen. ... Allein sieben Bezirks- und Landesverbände der SPD haben nämlich Anträge eingebracht, die den „Radikalenerlaß" ändern wollen. Mehrere Anträge verlangen seine Aufhebung.
Mit welcher Aggression gegen den Ministerpräsidentenbeschluß vorgegangen wurde, zeigen auch die Beschlüsse des Bundeskongresses der Jungsozialisten in der SPD in Oberhausen vom 26. und 27. Februar 1972. Dort heißt es wörtlich:
Gerichtet sind die Beschlüsse des Hamburger Senats, des Bremer Senats und der Ministerpräsidentenkonferenz gegen alle Demokraten und Sozialisten, die es mit der Demokratie, namentlich der im Produktionsbereich ({7}), ernst meinen.
({8})
Die Reaktion triumphiert, weil ihr wieder einmal gelungen ist, Verfassungsloyalität als Bekenntnis zur Marktwirtschaft und damit als Bekenntnis zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu definieren.
({9})
Diese Neuauflage des Adenauer-Erlasses aus dem Jahre 1951, die wesentlich von SPD-Ministerpräsidenten initiiert wurde, schlägt der allseits in SPD-Programmen geforderten Demokratisierung ins Gesicht.
({10})
Vorsätzlich oder unwissentlich stellen die sozialdemokratischen Träger dieser Beschlüsse sich in den Dienst der Reaktion.
({11})
Jungsozialisten haben im Sinne der Doppelstrategie über die ganze Tragweite dieser Beschlüsse,
({12})
deren Adressaten letztlich sie selbst sind, durch Vermittlung entsprechenden Problembewußtseins um breiteste Solidarisierung unter der Bevölkerung zu kämpfen ({13}). Ein so erzeugter politischer Druck, der durch Demonstrationen, Flugblattaktionen, Unterschriftensammlungen und Informationsveranstaltungen namentlich mit den von den Beschlüssen getroffenen Demokraten zum Ausdruck kommt, muß ins parlamentarische Vorfeld und gegebenenfalls in Parlamente bzw. Fraktionen getragen werden.
({14})
Meine Damen und Herren, hier erleben Sie die Aufforderung zu gemeinsamen Aktionen mit den Verfassungsfeinden gegen das Parlament und gegen die freiheitliche Demokratie.
({15})
Wer diesem Druck nachgibt, praktiziert hier das imperative Mandat.
({16})
Auch die FDP hat sich mit Teilen ihrer Partei an der Bekämpfung des Ministerpräsidentenbeschlusses beteiligt. Man weiß heute gar nicht mehr, was
in dieser Partei wirklich gilt, ob die Linie von Hamburg, wo die Kommunisten als kritische Demokraten bezeichnet werden, oder die Linie Willi Weyers von Düsseldorf oder schließlich das Rückzugskonzept vom Ministerpräsidentenbeschluß, das hier der Herr Bundesinnenminister vertritt.
({17})
Was die Koalitionsparteien auf diesem Gebiet bieten, ist ein Bild der Zerrissenheit und auch der Unglaubwürdigkeit.
({18})
Es kann einen deshalb nicht verwundern, wenn die Bundesregierung mit ihrem Entwurf den untauglichen Versuch macht, zwischen einer von Verfassung und Gesetz geforderten einwandfreien Regelung und den Forderungen aus den Parteigremien hindurchzusteuern. Die immer viel beschworene Gemeinsamkeit der Demokraten in der Bekämpfung des politischen Radikalismus hätte dazu führen müssen, daß sich die Bundesregierung bei der Schaffung eines Radikalengesetzes mit allen Parteien und auch mit dem Bundesrat einigt. Sie hätte gar nichts anderes zu tun brauchen, als nur auf der Grundlage des damaligen Ministerpräsidentenbeschlusses, dem ja alle Ministerpräsidenten, auch die der SPD, und der Bundeskanzler zugestimmt haben, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
({19})
Bekanntlich hat der frühere Bundesinnenminister Genscher im Bundesrat schließlich mit seinen Vorstellungen, die geändert worden sind, Schiffbruch erlitten.
({20})
In ihrer Ausweglosigkeit und in ihrer Hartnäckigkeit, von diesem Beschluß abrücken zu wollen, blieb der Bundesregierung natürlich nichts anderes übrig, als gegen die Vorstellungen des Bundesrates ihren Gesetzentwurf einzubringen. Die beiden Länder Bayern und Baden-Württemberg haben nach dem Scheitern einer Einigung im Bundesrat einen Gesetzentwurf für den Bundesrat vorgelegt, der den Ministerpräsidentenbeschluß in der entscheidenden Frage der Mitgliedschaft in Gesetzesform umsetzt. Die Vorlage von Gesetzentwürfen wäre eigentlich gar nicht notwendig gewesen. Es stimmt nämlich nicht, daß sich der Ministerpräsidentenbeschluß nicht bewährt hätte. Es fehlten nur der Wille und die Bereitschaft bei einigen Landesregierungen, ihn loyal durchzuführen.
({21})
Der zentrale Streitpunkt zwischen der CDU/CSU und den Regierungsparteien liegt in der Behandlung der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder Vereinigung.
({22})
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung läßt es zu, daß der objektiv feststellbare Tatbestand der Mitgliedschaft hinter das verbale Bekenntnis zum Grundgesetz zurücktritt.
({23})
Die Bundesregierung verkennt damit das taktische Verhalten der Radikalen,
({24})
sich zu tarnen und nach außen verbal loyal und verbal legal aufzutreten.
({25})
Dafür schon hat Lenin in seiner Schrift „Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus" Anweisungen gegeben, die natürlich heute z. B. von der DKP peinlich befolgt werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reiser?
Bitte schön!
Herr Miltner, könnten Sie freundlicherweise mit der Sprachverwirrung und der falschen Begriffsbestimmung aufhören. Denn Sie wissen doch selber, daß kritische Radikale in einer modernen Demokratie gebraucht werden. Der Begriff kommt ja von „radix", an die „Wurzel" gehen. Sie meinen doch immer nur Extremisten.
({0})
Ich darf Ihnen folgendes sagen: Radikale, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, können wir allerdings nicht brauchen.
({0})
Meine Damen und Herren, so kann man an den Litfaßsäulen Plakate des DKP zu den „Berufsverboten" sehen, die folgerichtig auch das scheinheilige Bekenntnis zum Grundgesetz enthalten. Merkwürdig ist nur, daß nicht überall dieses verlogene Bekenntnis durchschaut wird. So schreibt z. B. im „Vorwärts" vom 9. Dezember 1971 Emanuel Geiss zum Thema „Hamburger Erlaß gegen Radikale bekämpft den falschen Gegner" folgendes - ich zitiere -:
Die DKP ist gegenwärtig ein kleiner Fisch, und immerhin hat sie ihr Programm ausdrücklich auf das Grundgesetz gestellt, dessen Möglichkeiten zur Sozialisierung sie ausschöpfen will. Außerdem unterstützt sie im Prinzip die neue Ostpolitik, gegen die gerade die neue Rechte Sturm läuft.
Daß bei uns ein halbherziges Bekämpfen oder ein Dulden des politischen Radikalismus vor sich geht, wird deutlich - ein weiteres Beispiel -, wenn für die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Koblenz, wie die Bundesregierung in Beantwortung einer Kleinen Anfrage selbst feststellen mußte, ein Gegensatz der DKP zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht gerichtsbekannt ist.
Die Verharmlosung der Dimensionen, mit denen wir es heute im öffentlichen Dienst in gewissen Ländern zu tun haben, wird z. B. auch deutlich bei einer Umfrage bei hessischen Junglehrern. 80,9 % der hessischen Junglehrer sind der Ansicht, daß nicht die Klassenharmonie, sondern der Klassenkonflikt ein Grundbestandteil unserer Gesellschaft sei. 56,7 % stimmen der These zu: „Unser Bundestag ist ein Herrschaftsinstrument ökonomischer Machtgruppen und nicht wirkliches Volksorgan." Ein Viertel der Junglehrer ist der Auffassung, daß unsere kapitalistische Gesellschaftsordnung nur durch eine revolutionäre Veränderung zu einer humanen und demokratischen Ordnung kommen könne.
({1})
Es ist schon eine grenzenlose Weltfremdheit, wenn sich die Bundesregierung in ihrem Entwurf im wesentlichen auf subjektiv Vorgetragenes eines Bewerbers verlassen möchte. Wer in eine straff organisierte verfassungsfeindliche Organisation eintritt, wer sie durch Mitarbeit oder durch Mitgliedschaft unterstützt und wer ihre Ziele damit fördert, kann nicht gleichzeitig durch ein Lippenbekenntnis zum Grundgesetz sein objektiv anderes Verhalten aus der Welt schaffen.
({2})
Die Regelung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, wonach es auf die in der Person des Bewerbers liegenden Umstände ankommt, verführt geradezu den Bewerber für den öffentlichen Dienst zur Verheimlichung seiner wahren und zur Vorgabe einer verlogenen Gesinnung.
Man muß sich daher fragen, warum die Bundesregierung und die Koalition vor dieser durchschaubaren, seit eh und je praktizierten Methode der Radikalen von rechts und links zurückschreckt und kapituliert. Müßten wir nicht eigentlich vielmehr der geschichtlichen Erfahrung Rechnung tragen, wenn wir uns daran erinnern, daß Adolf Hitler als Braunschweiger Regierungsrat einen Eid auf die Weimarer Verfassung abgelegt hat?
({3})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?
Herr Kollege Miltner, wie erklären Sie sich eigentlich, daß in den christlich-demokratisch regierten Ländern so viele Extremisten in den öffentlichen Dienst gekommen sind? Das hätte doch bei der christlich-demokratischen
Wachsamkeit in dieser Frage gar nicht möglich sein dürfen.
({0})
Herr Sieglerschmidt, Sie wissen selbst, daß die CDU/CSU die Partei ist, die die Verfassungsfeinde in diesem Staat bekämpft, und daß in Ihre Parteigliederungen hier erhebliche Zweifel gesetzt werden müssen.
({0})
Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, versucht ihren Gesetzentwurf damit zu verteidigen, daß sie vorgibt, ihr Gesetzentwurf sei rechtsstaatlicher. Der Bundesminister des Innern und auch sein Staatssekretär Schmude haben die Regelung im Bundesratsentwurf zur Mitgliedschaft als eine pauschlierende Beurteilung abgetan. Es ist eben die Frage, welcher Entwurf mehr rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist ein wesentlicher Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit für die Gesetzgebung und die Verwaltung. Daher ist die Bestimmtheit und Klarheit der Norm ein unbedingtes Erfordernis und der Mangel an Bestimmtheit oder die Unklarheit ein schwerer Mangel der Norm.
({1})
Das vom Gesetzgeber dem Bürger vorgeschriebene Sollen muß so verständlich sein, daß sich der Bürger ausrechnen kann, welche Rechtsfolgen ihn treffen, wenn er dem Sollen der Norm zuwiderhandelt.
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Gerade die widerlegbare Vermutung im Gesetzentwurf des Bundesrates gibt dem Bürger den klaren Hinweis, womit er unter Umständen zu rechnen hat. Es wird darüber hinaus auch während der Beratung des Gesetzentwurfes darüber zu sprechen sein, ob es sich lohnt oder auch praktikabel ist, eine Liste der verfassungsfeindlichen Parteien und Vereinigungen für diese Öffentlichkeit aufzustellen.
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Wer sich als Liberaler auf den Rechtsstaat beruft, der weiß, daß die Bestimmtheit der Norm ein wesentliches Merkmal des Rechtsstaates ist. Gerade der Hinweis auf eine pauschalierende Beurteilung trifft dann den Regierungsentwurf selbst, wenn man sich vorstellt, daß die Einstellungsbehörde sich nicht an der Mitgliedschaft als Tatbestandsmerkmal im Gesetz orientieren kann.
Wenn daher der Herr Bundesinnenminister glaubt, der CDU/CSU rechtsstaatliche Bedenken vorhalten zu müssen, so muß ich ihn auf einen Schriftsatz vom 16. Oktober 1974 des Oberbundesanwalts beim Bundesverwaltungsgericht hinweisen. Der Oberbun8986
desanwalt - eine Dienststelle, die dem Herrn Bundesinnenminister untersteht - läßt beim Bundesverwaltungsgericht folgendes vortragen, und ich zitiere:
Für die dienstrechtliche Beurteilung, ob von jemandem, der einer nicht verbotenen Partei angehört, erwartet werden kann, daß er seinen ({4}) Dienstpflichten genügt, ist bedeutsam, ob die betreffende Partei die demokratische Staatsauffassung des Grundgesetzes zumindest teilweise ablehnt und dies in solcher Weise tut, daß die Art ihrer Zielsetzung ihren Mitgliedern bewußt sein muß.
Herr Kollege, ich darf Sie bitten, auf den Zeitablauf zu achten.
Insofern bietet die bloße Mitgliedschaft zumindest dann einen schwerwiegenden Anhaltspunkt dafür, daß ein gleichzeitiges positives Bekenntnis zur freiheit-demokratischen Grundordnung und ein aktives Eintreten für diese fehlen können, wenn die Partei - wie die DKP - verlangt, daß sich die Mitglieder in vollem Umfang mit dem Parteiprogramm identifizieren und sich jederzeit für seine Verwirklichung einsetzen.
Was der Oberbundesanwalt hier ausgeführt hat, entspricht genau unserer Auffassung. Im Unterschied zur Regierung hat der Bundesrat daraus die gesetzestechnische Konsequenz gezogen.
Auch ein weiteres Argument, das der Herr Bundesinnenminister Genscher damals im Bundesrat vorgetragen hat, ist nicht stichhaltig. Er meinte, der Bezug auf die Mitgliedschaft würde zu einer Blickfeldverengung führen, die Einstellungsbehörde würde nur auf die Mitgliedschaft starren und Leute passieren lassen, die nicht erkennbar organisiert sind.
Herr Kollege Dr. Miltner, ich bitte Sie, nunmehr zum Ende zu kommen.
Mir ist gesagt worden, daß ich 20 Minuten hätte.
Herr Kollege, es sind bereits 22 Minuten. Ich habe wegen der Zwischenfrage schon eine Minute zugegeben. - Bitte!
Meine Damen und Herren! Wer die Radikalen kennt, weiß, daß die Gefährlichen immer organisiert sind. Revolution kann man nur mit einer Organisation machen, und wir privilegieren nicht etwa den Verfassungsfeind, der keiner Organisation angehört, weil, wie im Regierungsentwurf und im Bundesratsentwurf jeder Einzelfall geprüft wird.
Meine Damen und Herren, auch darf ich zum Schluß sagen,
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daß sich der Herr Bundesinnenminister im Gegensatz zu seinem Kollegen, dem Herrn Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, befindet. Er sagt in seinen Äußerungen, daß ein Mitglied einer Organisation, die verfassungsfeindliche Zielsetzungen hat, zwangsläufig Zweifel hinsichtlich seiner Verfassungstreue weckt.
Meine Damen und Herren, man muß sich am Ende fragen,
({1})
warum hier diese Unklarkeit im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalten ist. Wie außerhalb dieses Hauses der Regierungsentwurf charakterisiert wird, zeigt diese Stellungnahme des hessischen Landesanwalts, in der es heißt:
Das Bekenntnis zum Vorrang der Treuepflicht vor dem Parteienprivileg bleibt im Text und in der Gesetzesvorlage ohne schädliche Folgen.
Herr Kollege, ich bitte Sie, nunmehr abzuschließen.
Meine Damen und Herren, in unserer Überzeugung, daß der Bundesratsentwurf die einzige konsequente Antwort auf das Vordringen der Radikalen im öffentlichen Dienst ist - ({0})
Herr Kollege, ich habe Ihnen einige Minuten zusätzlich gegeben. Ich bitte Sie nunmehr, das Rednerpult zu verlassen. Ich bitte um Verständnis; Sie haben Ihre Redezeit wirklich sehr überzogen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wendig.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Tagesordnung des Bundestages für heute hatte ich mich in dem jetzt allerdings enttäuschten Glauben befunden, die heutige Debatte könnte eine Art Höhepunkt in dieser Sitzungswoche sein, nämlich dann, wenn es gelänge, abseits aller Polemik ein Höchstmaß an Übereinstimmung darüber zu bekunden, was alle diesen freiheitlichen Staat tragenden Parteien verbindet. Dieses Einverständnis muß nicht unbedingt darin bestehen, daß die eine Seite des Hauses den konkreten Entwurf der anderen Seite übernimmt oder umgekehrt. Aber es sollte doch, so hatte ich gemeint, deutlich sein und werden, daß bestimmte Grundprinzipien unserer Verfassung, die der Herr Bundesinnenminister eingangs noch einmal im einzelnen aufgeführt hat, außerhalb
Dr Wendig
jeder Polemik außer Zweifel stehen, und zwar nicht nur als ein verbales Bekenntnis.
Ich muß allerdings gestehen, daß der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Carstens - er ist im Augenblick nicht mehr anwesend , das Ergebnis der Debatte vorausnehmend - ({0})
- Das war auch kein Vorwurf. Ich wollte ihn anschauen und sah ihn nicht.
Meine Damen und Herren, die Chance, Abwesende festzustellen, ist größer als die Chance, Anwesende festzustellen.
({0})
Der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion hat allerdings - im übrigen das Ergebnis dieser Debatte, die er damals mit seiner Rede begann, schon vorwegnehmend - praktisch einen Tiefpunkt dieser Debatte gekennzeichnet, die sich dann nach oben entwickelt hat. Der Tiefpunkt bestand darin, daß er das Zerrbild bestimmter politischer Verhältnisse gezeichnet und dieses Zerrbild gleichzeitig mit bestimmten Erscheinungen verbunden hat, die wir alle kennen und ablehnen, um dann auf diesen, wie ich es ausdrücken möchte, Pappkameraden einzuschlagen, als ob dies das wäre, was die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen als Modell eines Staates vertreten.
Seine Feststellung gipfelte am Ende ohne eine nähere Belegung durch irgendwelche tiefgründigen Zitate in dem Bild - anders kann man es nicht bezeichnen als hätte der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion eine völlig andere Vorstellung von diesem unserem Staat, als wir sie nach unserem Grundgesetz haben müßten.
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Ich war trotzdem - ich sagte es schon - eingangs optimistisch, weil bei der Debatte am vergangenen Mittwoch, also vorgestern, bei den Erklärungen des Bundesinnenministers und des Bundesjuistizministers über die schrecklichen Vorfälle in Berlin eine solche Übereinstimmung immerhin anzuklingen schien. Es war aber völlig fehl am Platze, diese Verhältnisse heute mit in diese Debatte einzuführen; denn die Erörterung vom Mittwoch betraf ein ganz anderes Feld, nämlich das Feld der Betätigung einzelner krimineller Gruppen oder meinetwegen auch Banden, wie immer Sie es nennen mögen; das ist für mich keine Frage.
Heute geht es nicht um Kriminalität. Daß Kriminelle, ganz gleich, wie sie ihre Handlungen motivieren, politisch oder anderweitig, nicht in den öffentlichen Dienst gehören, bedarf kaum einer Erwähnung, schon gar nicht einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung. Heute steht das Fernhalten von Gegnern unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung von dem öffentlichen Dienst zur Diskussion. Dies betrifft zwar ein Problem kaum minderen Ranges, berührt aber ein anderes Feld. Darüber, daß für Gegner unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung im öffentlichen Dienst kein Platz sein darf, besteht, glaube ich dennoch, auf allen Seiten dieses Hauses kein Zweifel. Ich möchte dies aber noch einmal festgestellt wissen.
Ich will zunächst einmal von allen rechts- und verfassungspolitischen Problemen dieses Fragenkomplexes absehen, die insbesondere mein Kollege Dr. Hirsch sehr ausführlich - mit meiner vollen Zustimmung - abgehandelt hat. Vorweg nur folgende allgemeine Bemerkung: Die Debatte über die Beschäftigung von Gegnern unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung im öffentlichen Dienst sollte, ganz gleich, welchem der beiden Entwürfe man zuneigt - und darüber sind wir uns, glaube ich, einig - ohne Polemik geführt werden; denn schließlich wird das angestrebte Ziel übereinstimmend in allen Fraktionen vertreten. Jegliches Eifertum ist daher bei der Betrachtung dieses Gegenstandes fehl am Platze, schadet sogar einer sachgerechten Lösung dieses Problems.
({1})
Wenn man hiervon ausgehen darf, sollte man sich doch einiger Dinge bewußt werden - gestatten Sie mir diese kleine Abschweifung -, die im gesamtpolitischen Aspekt aber nicht untergehen dürfen. Man muß sich auch einmal darauf besinnen, daß unsere deutsche Verfassungsgeschichte und natürlich auch unsere politische Geschichte in vielem anders verlaufen ist als die anderer Staaten und Völker. Jedes Volk hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Erfahrungen. Dies hat aber auch das Verhältnis einzelner Gruppen zu ihrem Staat und in ihrem Staatsverständnis geprägt. Dies gilt auch für die Staatsbürger, die im Dienste des Staates stehen.
Damit meine ich konkret zweierlei: 1. Die Stellung des Staatsdieners in bzw. zu seinem Staat, 2. die Umstände, unter denen Demokratie in Deutschland Wirklichkeit geworden ist und wie sie sich entwickelt hat.
Sprechen wir zunächst von der Stellung des Staatsbediensteten zu seinem Staat! Das war in den monarchistischen Verfassungen bis 1918 die innere Bindung des Beamten an den Landesherrn, den Monarchen, auf den hin das Dienst- und Treueverhältnis des Beamten absolut ausgerichtet war. Es kam nach dem Ersten Weltkrieg der vielleicht nur scheinbare Bruch mit der Vergangenheit in einer der Verfassung nach demokratischen Republik. Die Bindung des Beamten an diesen Staat war indessen in weiten Bereichen nur eine formale, so wie sich etwa die Reichswehr der Weimarer Zeit als formalloyal verstanden hat und den Staat als eine abstrakte, von der jeweiligen inneren Ordnung losgelöste Größe betrachtete. Dies entsprach zwar nicht unbedingt ganz der verfassungsrechtlichen Lage die8988
ser Zeit und war auch nicht die von allen vertretene Meinung; es war dies aber eine Auffassung gegenüber dem Dienstherrn Staat, die bei formaler Loyalität zwar die notwendige Kontinuität der inneren Verwaltung gewährleistete, zugleich aber auch eine Einstellung war, die diktatorischen Machthabern, waren sie erst einmal formal an die Macht gekommen, nichts entgegenzusetzen wußte.
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- Ja, ich komme jetzt zur Konsequenz: Der Gesetzgeber nach 1945 hat aus dieser Erkenntnis den richtigen Schluß gezogen und von den Beamten mehr als eine formale Loyalität verlangt, nämlich das jederzeitige Eintreten für die freiheitlich-demokratische Ordnung, wie es beispielsweise in § 4 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz enthalten ist, also eine streitbare Demokratie mit einer entsprechenden Einstellung des Staatsdieners, des Beamten zu diesem Staat. Es wird aktives Handeln des Beamten für die Erhaltung und Förderung der freiheitlich-demokratischen Ordnung verlangt. Das ist auch ein Teil jener Eignung für den öffentlichen Dienst, von dem Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes spricht. Dies alles haben wir vielleicht lange Zeit als allzu selbstverständlich genommen - Herr Kollege Hirsch sprach vorhin davon -, ohne uns groß Gedanken darüber zu machen, ob bei der Prüfung der Eignungsvoraussetzungen auch diese Seite, das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Ordnung, immer genügend berücksichtigt worden ist.
Und jetzt bläst uns der Wind in der Bundesrepublik bisweilen etwas schärfer ins Gesicht. Organisationen - wie wir sie nennen wollen - tun sich auf, oder Aktivitäten einzelner werden sichtbar, die auf eine Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Ordnung abzielen, wenn auch ihre zahlenmäßige Bedeutung oft überschätzt wird.
Hier muß man dann die Frage anschließen: Wie fest gegründet ist diese demokratische Ordnung in Deutschland wirklich? Sind Wahlergebnisse mit denen man also nach außen immer in Erscheinung trat, die den sogenannten Radikalen fast stets eine Abfuhr erteilten, ein zuverlässiger Wertanzeiger dafür, daß hier alles in Ordnung ist? Ist Bonn also nicht Weimar?
Vergessen wir aber bitte nicht, daß die Demokratie in Deutschland stets als Folge eines äußeren politischen und militärischen Zusammenbruches zu uns gekommen ist - 1918 wie 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg gleichzeitig unter der Herrschaft der damaligen Besatzungsmächte, verbunden mit dem Verlust der nationalen Freiheit!
War es - so wird man fragen dürfen - bei Wahlen immer nur innerste demokratische Überzeugung in unserem Lande, wenn es nach dem Elend von 1945 langsam besser wurde, wenn sich gar ein Wirtschaftswunder abzeichnete, von dem wir heute noch zehren? Vielleicht steht die Bewährungsprobe der freiheitlich-demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich erst vor uns, wenn die inneren Verhältnisse schwieriger werden.
Wenn ich dies alles auch nur in Form einer Frage zur Diskussion stelle, so bitte ich doch zu erkennen, daß der Gesetzgeber von den Bediensteten des Staates - und zwar von Anfang an; das ist gar kein neues Recht; das müssen wir immer wieder hervorheben - zu Recht ein Mehr an Einsatz für diese Ordnung des Grundgesetzes fordert als von seinen anderen Bürgern.
Dies verpflichtet uns um so mehr, das Verfahren, in dem sich die Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst vollzieht, nach strengsten rechtsstaatlichen Regeln vonstatten gehen zu lassen, wie sie uns Verfassung und auch politische Erfahrung und politische Einsicht - so möchte ich es sagen - vorschreiben. Ich sagte es schon: Nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Und zur Eignung gehört nun einmal nach unseren Gesetzen dieses jederzeitige Eintreten für eine freiheitlichdemokratische Ordnung.
Damit hier von Anfang an kein Zweifel besteht - ich glaube, das hat auch der Bundesminister des Innern zum Ausdruck gebracht -: Ein überzeugter Marxist-Leninist bietet beispielsweise die vom Gesetz geforderte Gewähr nicht und gehört daher nicht in den öffentlichen Dienst. Wie oft soll man das wiederholen?! Das kann gar keine Frage sein. Die Funktionsfähigkeit unserer Verwaltung und die Erhaltung unseres freiheitlichen Rechtsstaates dulden keinen Bediensteten solcher Art, ob er nun einer Partei angehört oder nicht; das ist hierbei nicht die entscheidende Frage.
Die zweite Frage ist die nach dem Verfahren, von dem wir andauernd sprechen, dem Verfahren, in dem dies festgestellt wird. Da meinen wir: Sowohl aus rechtsstaatlichen als aber auch aus politischen Gründen muß sich gerade im Interesse dieser rechtsstaatlichen Ordnung das Verfahren in dem freiheitlichen Rahmen unseres Rechtsstaates vollziehen, wie es notwendig ist. Ich will hier gar nicht näher auf den Konflikt zwischen dem Parteienprivileg und dem Art. 33 des Grundgesetzes eingehen. Hier gibt es im Grunde zwischen den Parteien dieses Bundestages gar keinen Konflikt; denn auch der Entwurf der Bundesregierung geht, wie schon mehrfach gesagt worden ist, von dem Vorrang des Art. 33 des Grundgesetzes aus.
Man sollte es aber doch wohl vermeiden, in Gesetzen mit Rechtsvermutungen zu operieren, statt allein darauf abzustellen, daß die Einstellungsbehörde bei ihrer Entscheidung unter Berücksichtigung des Einzelfalles an klare Tatsachen gebunden ist, aus denen die Entscheidung über die Verfassungstreue abzuleiten ist. Dieses ist sowohl im Entwurf der Bundesregierung als im Grunde auch in dem des Bundesrates festgelegt.
Und bitte, Herr Miltner, sagen Sie nicht, diese Norm sei nicht klar. Dies genügt; es ist für das weitere Verfahren völlig ausreichend. Daß die Einstellungsbehörde die Mitgliedschaft in irgendeiner Partei, Organisation, Vereinigung - oder was Sie wollen - praktisch bei der Überprüfung der Verfassungstreue, also in dem technischen Verfahren, mit
in den Kreis der Erörterungen einbeziehen wird, ist selbstverständlich. Es entspricht einer bisher gültigen und auch durch das Gesetz abgestützten Verfahrenspraxis, gehört doch aber wohl als Pauschalbestimmung nicht in ein Gesetz. Sie selbst durchbrechen dieses pauschale Prinzip - das ist schon mehrfach gesagt worden -, indem Sie sagen, daß in der Regel die Mitgliedschaft in bestimmten Parteien bestimmte Zweifel begründet. Das kann doch wohl nur bedeuten, daß im Einzelfall - über die Einzelfallprüfung als notwendige Voraussetzung sind wir uns ja klar - eine solche Mitgliedschaft für sich nicht ausreichen kann. Also auch hier besteht im Prinzip kein Unterschied. Herr Maihofer hat das vorhin gesagt.
Zu Recht stellt der Regierungsentwurf in seiner Begründung fest, daß die persönliche politische Zielsetzung eines Bewerbers in vollem Umfang der Prüfung unterliegt. Dies ist die volle Verwirklichung des Grundsatzes, daß nur personenbezogene Gründe rechtserheblich sein dürfen. Man sollte nicht, solange nach geltendem Verfassungsrecht die Verfassungswidrigkeit einer Partei nur durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt werden kann, in einem einfachen Gesetz sozusagen pauschal Feststellungen treffen, wie sie etwa § 122 a Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes in der Fassung des Bundesratsentwurfs vorsieht. Wenn dann gesagt wird, es handele sich nur um eine Regelung der Beweislast, dann muß man dem ganz schlicht entgegenhalten, daß Sie hier die Grundsätze des Zivilprozesses auf ein öffentlich-rechtliches Streitverfahren übertragen, in dem bekanntermaßen die Amtsmaxime gilt, mit der Folge, die Herr Innenminister Maihofer bei einem „non liquet" genannt hat.
Der Regierungsentwurf vermeidet diese, wie ich meine, sowohl überflüssige wie auch verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich bedenkliche Praxis. Er bietet die Voraussetzung, auf einer gesicherten rechtsstaatlichen Basis das zu erreichen, was wir, wenn wir ehrlich sind, im Grunde doch alle wollen, nämlich das Fernhalten von Feinden unserer freien demokratischen Ordnung vom öffentlichen Dienst.
In der Verfassungstreue werden wir uns jedenfalls - das darf ich Ihnen, meine Herren von der Opposition, sagen - und wird sich auch die Freie Demokratische Partei durch nichts und niemand übertreffen lassen. Meine Fraktion steht daher voll hinter dem Entwurf der Bundesregierung.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Dr. Schäfer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Darlegungen des Herrn Innenministers und der Kollegen Liedtke, Hirsch, Coppik und Wendig kann ich mich sehr kurz fassen. Es geht mir darum, auf drei Sachpunkte hinzuweisen.
Erstens. Im Regierungsentwurf ist richtigerweise ausdrücklich die Bestimmung enthalten, daß die Ausbildung, d. h. das Grundrecht der freien Berufswahl des Art. 12 des Grundgesetzes nicht durch solche Maßnahmen beeinflußt werden darf, insbesondere natürlich dort, wo der Staat praktisch ein Ausbildungsmonopol hat. Ich bedaure, daß in dem Entwurf des Bundesrats darüber gar nichts gesagt ist. Offensichtlich ist manchem auch nicht klar, wie stark man da das Grundrecht des Art. 12 tangiert, meines Erachtens verletzt.
Zweitens. Im Entwurf des Bundesrats heißt es:
... Partei oder sonstige Vereinigung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt ...
Das heißt schlicht und einfach, daß die Verwaltungsbehörde feststellt: Die Partei ist zwar nicht verfassungswidrig, aber sie verfolgt verfassungsfeindliche Ziele. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht diese Feststellung allein dem Bundesverfassungsgericht zu. Und in einem Urteil sagt das Bundesverwaltungsgericht ganz ausdrücklich: Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, daß man statt gegen die Partei gegen deren einzelne Mitglieder vorgeht.
Drittens. Die Umkehr der Beweislast, auch nur der Versuch, diese Umkehr vorzunehmen, ist eines Rechtsstaats nicht würdig.
Im ganzen, meine Damen und Herren, hatte ich den enttäuschenden Eindruck, daß Herr Carstens als Fraktionsvorsitzender - Herr Miltner hat es auf seine Weise noch unterstrichen - keinerlei richtige, klare Vorstellung von der politischen Auseinandersetzung in einer pluralistischen Gesellschaft hat und daß er das Unangenehme mit dem Verfassungsfeindlichen bewußt verwechselt.
({0})
Sie greifen die Jungsozialisten an. Herr Vogel, meine Herren, hier hat der Jungsozialist Coppik gesprochen, und hier hat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU gesprochen. Lesen Sie beide Reden nach! Sie werden erschüttert sein, welche Schlußfolgerungen Sie aus der Rede von Herrn Carstens - auch aus der von Herrn Miltner - ziehen müssen.
({1})
Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie sagen, daß Sie sich sehr viel Leichtfertigkeit mit der Art anmaßen, wie Sie die Jungsozialisten beurteilen. Er hat sich sauber und exakt mit der Aufgabe befaßt, die uns heute hier beschäftigt, und deutlicher, glaube ich, kann man es gar nicht zum Ausdruck bringen, als der Jungsozialist Coppik das hier getan hat.
Das ging dann bei Herrn Miltner bis zu ollen Kamellen aus dem Jahre 1950. Da hat Adenauer auch mal eine Liste erfunden, die er nachher ganz heimlich, still und leise wieder verschwinden lassen mußte, nachdem es ein Bundesverfassungsgericht
Dr. Schäfer ({2})
gab und das Bundesverwaltungsgericht entsprechende Entscheidungen getroffen hatte.
({3})
Meine Herren, wenn ich bis zu dieser Debatte noch der Meinung war, eigentlich bedürfte es eines solchen Gesetzes gar nicht, weil sich das aus dem Bundesbeamtengesetz selber ergeben müsse, dann hat diese Debatte mir gezeigt, daß es notwendig ist wegen Meinungen, die hier vertreten werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Gerlach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß durch die letzten Bemerkungen des Herrn Professor Schäfer noch einmal die Methode wach geworden ist, uns Unredlichkeit, Panikmache und Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Diese Methode ist so alt, die Platte ist so abgeleiert, daß sie eigentlich niemand mehr akzeptiert.
({0})
- „Leichtfertigkeit" haben Sie gesagt, Herr Kollege.
({1})
Es kann nicht anders sein, als daß Sie bisher einfach nichts anderes erfinden konnten, um Ihren eigenen Schwierigkeiten, der tiefen Kluft, die zwischen Ihren eigenen Reihen hindurchgeht, zu begegnen, als diese Methode der Verleumdung der Opposition.
Ich erwähne das gegen Ende dieser Debatte besonders, da ich an sich glaubte, einen Fortschritt verzeichnen zu können, daß nämlich in diesem Hause wenigstens in einer wesentlichen Frage Übereinstimmung besteht: Radikale haben keinen Platz im öffentlichen Dienst. Aber es ist bedauerlich, daß schon diese Übereinstimmung in entscheidenden Punkten verbal bleibt.
Wenn für einige Kräfte dieses Parlaments - und das muß ich nun einmal sagen - diese Erkenntnis auch nur zögernd entstanden ist, weil in den eigenen Reihen demokratische und radikale Kräfte nicht mehr unterschieden werden konnten, so müßten doch spätestens die Ereignisse der jüngsten Zeit auch dem letzten Zweifler gewollt oder ungewollt die ideologieverträumten Augen geöffnet haben. Wer den neudeutschen Begriff von „law and order" noch vor kurzem als konservativ, reaktionär und mit anderen Worten abgetan hat, muß sich wieder auf die längst fällige Rückübersetzung besinnen, nämlich Recht und Ordnung; so heißt das wohl. Auch und gerade für den öffentlichen Dienst gilt der Grundsatz, daß Freiheit ohne Unterordnung unter ein gerechtes Gesetz einfach nicht möglich ist.
Das Zahlenspiel des Herrn Kollegen Liedtke mit dem Verfassungsschutzbericht zeigt, wie wenig man eigentlich mit dem Inhalt dieses Berichts anfangen kann.
({2})
- Ja, in der Tat, das ist so. Das zeigt insbesondere der Hinweis eines anderen Kollegen, daß in Ländern, die von der Christlich-Demokratischen oder der Christlich-Sozialen Union regiert werden, mehr oder mindestens genausoviel Radikale registriert werden. Das ist ja gerade das Faktum: daß sie dort wenigstens registriert werden - das ist das Entscheidende -, während sie in anderen Bereichen einfach nicht mehr zur Kenntnis genommen werden.
({3})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?
Bitte!
Herr Kollege, wollen Sie etwa sagen, daß die Verfassungsschutzbehörden - und ich würde gern wissen, ob Ihre Fraktion das übernimmt - in den nicht christlich-demokratisch regierten Ländern nicht ihre Pflicht getan haben und diese Extremisten im öffentlichen Dienst nicht genauso festgestellt haben wie in den anderen Ländern?
Herr Kollege, ich weiß sehr wohl, wie schwer es die Verfassungsschutzbehörden gerade unter dieser Bundesregierung haben, ihre Pflicht zu tun.
({0})
Ich bin weit entfernt, ihnen einen Vorwurf zu machen. Ich spreche vom Verfassungsschutzbericht, der nicht von diesen Behörden redigiert worden ist, sondern der vom Bundesinnenminister vorgelegt worden ist.
({1})
Da ist ganz offensichtlich einiges weggelassen worden.
Der Bundesinnenminister hat in seinem Vorwort beispielsweise angeführt - ich zitiere -:
Der Linksextremismus stellt jedoch trotz vereinzelter hochgefährlicher terroristischer Aktivitäten innerhalb der sogenannten neuen Linken keine gegenwärtige Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar.
So steht es in diesem Bericht. Diese Aussage spricht nicht nur im Hinblick auf die letzten Ereignisse in der Bundesrepublik für die beschönigende Haltung dieser Bundesregierung gegenüber allen Fragen des Radikalismus zumal die jahrelangen Mahnungen der Opposition, nicht zuletzt vor zwei Tagen in diesem Haus, als Panikmache verzerrt worden sind, wie übrigens auch in einem anderen Bereich, im Bereich der Finanzpolitik, wo uns ebenso ganz offensichtlich noch die kalte Dusche bevorsteht.
In diesem Zusammenhang ist noch eine Bemerkung interessant, die der Justizsenator Korber auf
Gerlach ({2})
der Wilmersdorf er Kreisdelegiertenversammlung auf den Antrag eines Jungsozialisten, einen Parteibeschluß zum Radikalenerlaß ins Landeswahlprogramm aufzunehmen, als Antwort gegeben hat: „Was wollt ihr denn? Das läuft ja alles. Das seht ihr doch daran, daß ihr im öffentlichen Dienst seid." Ich meine, diese Bemerkung ist bezeichnend.
Um so mehr ist es zu begrüßen, daß sich sogar die Bundesregierung, wenn auch sehr spät, nunmehr zu einer Gesetzesinitiative hinsichtlich der Radikalen im öffentlichen Dienst aufgerafft hat, die - das sei ebenfalls mit Anerkennung vermerkt - durchaus brauchbare Ansatzpunkte in dieser Richtung bietet. Wie die bisherige erste Beratung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen gezeigt hat, ist also wenigstens die Zielsetzung in diesem Hause hoffentlich, so möchte ich mir wünschen, nicht nur optisch gemeinsam.
Der Gesetzentwurf des Bundesrats, den die Länder Baden-Württemberg und Bayern nach langen Vorbereitungen eingebracht haben, verdeutlicht, daß es der CDU/CSU auch hier nicht um einen spektakulären Schlagabtausch mit den Regierungsparteien geht. Allerdings befürchten wir, daß auf diesem wichtigen Gebiet festgeschriebenes Recht entstehen könnte, das trotz unserer Mahnungen den gestellten Anforderungen nicht standhält und die Zielsetzung zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt. Erlauben Sie mir deshalb, die Bedenken meiner Fraktion nochmals in aller Kürze zusammenzufassen.
({3})
Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, daß in der Begründung einer ablehnenden Entscheidung die in der Person eines Bewerbers liegenden Umstände festgestellt werden müssen, die gegen seine Verfassungstreue sprechen. Damit fordert der Entwurf der Bundesregierung die Beweispflicht der Einstellungsbehörde. Das ist ein einmaliger Vorgang, der den bestehenden Anspruch des Staates - ganz im Gegensatz zu Ihrer Meinung, Herr Professor Schäfer - geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Darüber hinaus stellt dieses - ich muß schon sagen --- abenteuerliche Ansinnen im Verhältnis zum geltenden Recht einen ganz eindeutigen Rückschritt dar. Ich habe noch nie gehört, daß die Einstellungsbehörde beispielsweise das Abiturzeugnis besorgen müsse und ähnliche Dinge.
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Nach der bisherigen Rechtslage, nach der Rechtsprechung und nach der Literatur ist es unbestritten, daß jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst seine Eignungsvoraussetzungen wie Werdegang, Lebenslauf und - ich will das noch einmal betonen - auch sein Einstehen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst und eigenverantwortlich nachweisen muß. Damit kann auch kein Bewerber, wie vielfach behauptet, einer unverschuldeten Beweisnot ausgeliefert werden. Beweisnot besteht tatsächlich, wenn der Betroffene gegen offenkundige Tatsachen angehen will, deren Gegenteil nicht bewiesen werden kann. Man kann natürlich nicht Verfassungsfeind sein und gleichzeitig beweisen
wollen, daß man die freiheitlich-demokratische Grundordnung vertreten wolle. Das geht nicht. Insoweit entsteht in der Tat eine echte Beweisnot.
Dem Bewerber werden erfahrungsgemäß, wie wir alle wissen, offenkundige Tatsachen entgegengehalten, die er durch Beweismittel jederzeit entkräften kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?
Bitte!
Herr Gerlach, ist Ihnen entgangen, daß der Herr Bundesinnenminister sehr richtig dargelegt hat, grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, daß jemand die Qualifikation hat, und deshalb werde die Beweislast, wenn man Gegengründe vorbringe, umgekehrt? Ich nehme an, daß Ihnen solche juristischen Gedankengänge nicht fremd sind.
Mir sind diese juristischen Gedankengänge keinesfalls fremd. Aber es kann einfach nicht akzeptiert werden, daß die Beweislast total ins Gegenteil verkehrt wird. Ich habe das schon einmal betont und will das wiederholen: Das ist meines Erachtens einfach ein Rückschritt. Anderenfalls würde gerade den Verfassungsfeinden in spektakulärer Weise die Möglichkeit eröffnet, unseren Staat bei jeder Einzelperson des Bewerberkreises in eine unlösbare Beweisnot zu treiben. Daran ändern - das muß ich hinzufügen - auch die heutigen Ausführungen des Ministers Maihofer nichts, der sich irreführend und schlecht beraten, so meine ich, auf den Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsrecht beruft. Richtig an dem aufgezeigten Zerrbild war lediglich, daß der Dienstherr verpflichtet ist, jeden Einzelfall gewissenhaft zu prüfen. Es kann also nicht von einer Begrenzung der Rechte und gleichzeitiger einseitiger Aufbürdung der Beweislast auf den Bewerber die Rede sein.
Ich habe bislang auch kein einziges Argument gehört, das stichhaltig belegen könnte, warum begründete Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers künftig für eine Ablehnung nicht mehr ausreichen sollten. In der Praxis bedeutet dies, daß ein Anwärter selbst dann eingestellt werden muß, wenn sich im Verlaufe des Einstellungsverfahrens die Zweifel an seiner Verfassungstreue verstärken, ohne daß ein unangreifbarer Nachweis seiner Verfassungsfeindlichkeit geführt werden kann, wie der Fall Guillaume ja ganz deutlich kennzeichnet. Schon heute aber muß nach dem geltenden Beamtenrecht jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst nachweisen, daß er die Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, also auch hinsichtlich der Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfüllt. So wie die Bundesregierung kann man daher eine Reform dienstrechtlicher Vorschriften nicht gestalten. Der Regierung und den Koalitionsparteien sei der gute Wille zwar nicht abgesprochen, aber das
Gerlach ({0})
Ergebnis ist jedenfalls eine Schlechterstellung des schutzwürdigen Bereiches.
Nach dem Regierungsentwurf würde es nicht mehr genügen, dem Bewerber nachzuweisen, daß er Mitglied einer Partei oder Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung ist. Diese Thematik wurde heute mehrmals angesprochen. Ich möchte dazu noch folgendes sagen. Damit könnten aus der Mitgliedschaft allein keine ausreichenden negativen Schlüsse für eine ablehnende Entscheidung gezogen werden. Ich bedaure, daß man in diesem Hause hinsichtlich des Wesens von radikalen Parteien noch betonen muß, daß diese von ihren Mitgliedern gerade einen besonders aktiven Einsatz für die radikalen Parteiziele fordern. Diejenigen, die einer solchen Partei beitreten, wissen, daß es sich nicht um einer Mitläuferpartei handelt, sondern daß an sie nicht nur hinsichtlich des Bekenntnisses, sondern auch des Engagements - sogar im militanten Bereich - Anforderungen gestellt werden. Diejenigen unter uns, die die entsprechenden Programme der rechts- und linksradikalen Parteien und Organisationen gelesen haben, werden wissen, daß schon die Mitgliedschaft Klarheit über die Übereinstimmung mit den Zielen der Partei oder der Organisation gibt. Gestatten Sie mir nur ein kurzes Zitat aus den Statuten der DKP vom 12./13. April 1969. Dort heißt es:
Das Mitglied hat die Pflicht, sich für die Verwirklichung der beschlossenen Politik einzusetzen und sie im gesellschaftlichen Leben aktiv zu vertreten.
Nach dem Regierungsentwurf aber müßten Mitglieder von solchen Parteien und Organisationen mit verfassungsfeindlichen Zielsetzungen in den öffentlichen Dienst übernommen werden, wenn ihnen aus Unkenntnis oder Informationsmangel im Augenblick der Einstellung keine verfassungsfeindlichen Aktivitäten nachgewiesen werden können. Auch hier wird unsere gemeinsame Zielsetzung, so meine ich, ins Gegenteil verkehrt, weil sich pseudodemokratischer Formalismus der Blockparteien zum Totengräber der Gesellschaft degeneriert.
Es muß an dieser Stelle einmal festgesetllt werden, daß die Äußerung des Landesgruppenvorsitzenden der CSU, Stücklen, richtig ist, daß den Verfassungsfeinden dann Tür und Tor geöffnet wird. Ich muß auch darauf hinweisen, daß es Verdeutlichungen in dieser Frage gibt. Die Juso-Vorsitzende erklärt in einem Interview beispielsweise:
Im übrigen bin ich der Meinung, daß gerade die Angehörigen der DKP relativ treue Staatsdiener sein werden.
Dem ist kein Kommentar hinzuzufügen. Diese Frage werden wir, so glaube ich, im Ausschuß noch sehr intensiv diskutieren müssen.
Weiterhin erscheint es mir suspekt, daß der Regierungsentwurf lediglich den schlagwortartigen Begriff der Verfassungstreue benutzt. Ich weise darauf hin, daß Zitate aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts natürlich nicht aus dem Gesamtzusammenhang herausgerissen werden dürfen und daß man hier jeweils auch sagen muß, welchen Fall
die Entscheidung betrifft. Dieser Begriff der Verfassungstreue mag in Diskussionen als Hilfestellung angebracht sein, nicht jedoch in einem Gesetz, das sich am Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland messen lassen muß.
Der von uns vertretene Entwurf konkretisiert dies verfassungskonform mit dem Begriff des Eintretens für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Dadurch ist unverzichtbar sichergestellt, daß der Bewerber für den öffentlichen Dienst nicht bloß auf dem Boden jeder durch Änderung denkbaren Verfassung oder Ermächtigung stehen muß. Die schlagwortartige Kurzform „Verfassungstreue" stellt nicht eindeutig genug heraus, daß sich dies nicht auf jede beliebige - wie auch immer zustande gekommene - Verfassung beziehen kann. Beziehungspunkt ist einzig und allein die freiheitlich-demokratische Verfassung, die dieser Staat hat und die wir ja ständig fortentwickeln.
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Wir gehen also davon aus, daß die jetzige Form des Grundgesetzes und insbesondere der Grundrechte maßgebend ist. Es soll niemandem unterstellt werden, daß die vorgeschlagene, den bisherigen Gesetzen fremde Formulierung der einfachen Verfassungstreue eine gesellschaftsverändernde Hintertür offenhalten soll; es ist aber, gerade im Beamtenrecht, schon gewachsene Tradition, die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Wertmaßstab unseres Staates und insbesondere der Treuepflicht im öffentlichen Dienst zu erhalten. Gerade auf diese Treuepflicht können wir im übrigen im Hinblick auf die Finanzlage, die zur Zeit vorherrscht, vielleicht schon in der nächsten Zukunft sehr stark angewiesen sein.
In solchen grundlegenden Fragen geht es nicht um redaktionelle, sondern um grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten. Die Bundesregierung ist aufgefordert, diese unmißverständlich auszuräumen, wenn sie sich nicht dem Verdacht einer weiteren Verwässerung der Bedeutung des Grundgesetzes aussetzen will.
Weiterhin beinhaltet der Entwurf der Bundesregierung einen uneingeschränkten Anspruch auf Zulassung zu einer Ausbildung, die in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis abzuleisten ist. Ich will hierzu nur einige Sätze sagen, weil das heute nicht erwähnt worden ist. Diese Regelung ist meiner Fraktion zu weitgehend und auch nur scheinbar richtig. Vertretbar erscheint sie nur insoweit, als eine Ausbildung für einen Beruf außerhalb des öffentlichen Dienstes in einem Beamtenverhältnis notwendig ist - wie z. B. bei den Rechtsreferendaren, die später Rechtsanwälte werden wollen. Und auch in diesem Falle erleben wir durch das Geschehen der letzten Tage, wie selbst das problematisch werden kann.
Die Formulierung der Bundesregierung trifft aber darüber hinaus u. a. auch auf Lehramtsanwärter, auf Steuerbeamtenanwärter und auf Rechtspflegeranwärter zu. Insoweit erscheint es unverständlich, daß nach dem Willen der Bundesregierung selbst Anarchisten und Chaoten dann in ein solches AusbilGerlach ({2})
dungsverhältnis übernommen werden müßten. Diese Lösung hat letztlich zur Folge, daß die Bundesrepuplik Deutschland die eigenen Verfassungsfeinde auch noch mit Steuermitteln ausbildet. Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien seien deshalb mit allem Ernst gefragt, ob dies im Sinne ihrer Politik ist und sein kann.
Zu dem breiten Fächer der schon aufgezeigten Unzulänglichkeiten des Regierungsentwurfs gesellt sich nach Ansicht meiner Fraktion noch eine weitere unverständliche Fehlleistung: die Frage des Geltungsbereichs der vorgesehenen gesetzlichen Regelung, die heute nur einmal am Rande angesprochen worden ist.
Schon mit dem Beschluß des damaligen Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder vom 28. Januar 1972 mußten wir die Erfahrung machen, daß er von den verschiedenen Dienstherren nicht einheitlich praktiziert wurde und wird, obwohl er in klaren und unmißverständlichen Formulierungen das zum Inhalt hat, was auf Grund unserer Verfassung und der geltenden Gesetze seit jeher für Rechtens erachtet worden ist. Einige Dienstherren waren und sind also offensichtlich nicht gewillt, diesen Beschluß so zu vollziehen, wie es die geltenden verfassungsrechtlichen und beamtenrechtlichen Vorschriften fordern. Aus diesem Grunde muß endlich eine Regelung geschaffen werden, die unmittelbar für alle Dienstherren gilt.
Hier ist daran zu erinnern, daß dies offensichtlich auch einmal die Absicht des vormaligen Bundeskanzlers gewesen ist, der im Kanzlergespräch vom 20. September 1973 angekündigt hatte, es sei das Ziel der Bundesregierung, durch eine gesetzliche Regelung eine einheitliche Praxis bei allen Dienstherren zu erreichen. Dies scheint bei der Bundesregierung in Vergessenheit geraten zu sein, denn der Entwurf der Bundesregierung sieht lediglich eine Änderung des § 4 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vor, und dies gilt dann wieder nicht für die Länder unmittelbar; diese werden verpflichtet, ihre Landesgesetze entsprechend zu ändern. Es besteht also die Gefahr, daß in verschiedenen Bundesländern und in einigen Landesparlamenten wiederum eine politische Auseinandersetzung über den Inhalt der gesetzlichen Rahmenregelung heraufbeschworen wird.
Trotz der geschilderten Erfahrungen mit dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 soll diesem Hause also zugemutet werden, einen Gesetzentwurf zu verabschieden, der eine einheitliche Anwendung wiederum nicht garantieren würde. Deshalb sieht der Entwurf des Bundesrats eine Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes in der Weise vor, daß die neue gesetzliche Bestimmung unmittelbar und einheitlich für alle Dienstherren gelten soll.
Meine Damen und Herren, ich fasse nochmals kurz zusammen.
({3})
- Entschuldigen Sie, Professor Schäfer, Sie werden es, glaube ich, meiner eigenen parlamentarischen Tätigkeit überlassen, was ich zusammenfasse.
({4})
- Das scheint Ihnen etwas unangenehm zu sein. Um so freudiger werde ich diese Zusammenfassung noch erledigen können.
Erstens. In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht muß es zu Lasten eines Bewerbers gehen, wenn Zweifel hinsichtlich seines Eintretens für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehenbleiben. Dabei müssen Zweifel für eine ablehnende Entscheidung ausreichen.
Zweitens. Die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder sonstigen Vereinigung begründet Zweifel an der Haltung des Bewerbers zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die im Regelfall ausreichen, um einen Bewerber abzulehnen.
Drittens. Der Gesetzentwurf darf sich nicht die vereinfachte Formel der Verfassungstreue zu eigen machen, sondern muß unzweideutig und ausdrücklich auch für den öffentlichen Dienst den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beinhalten.
Viertens. Auch bei Beamten auf Widerruf, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen, kann auf die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht grundsätzlich verzichtet werden. Wir werden im Ausschuß noch die Frage debattieren müssen, was das in der Regel heißt. Sie wissen ganz genau, welche ganz speziellen Fälle damit nur gemeint sein können.
Fünftens. Die gesetzliche Regelung muß unmittelbar für die öffentlich-rechtlichen Dienstherren gelten.
Die von meiner Fraktion aufgestellten Forderungen und die damit verbundene Kritik am Regierungsentwurf haben keinerlei parteipolitische Hintergründe und stellen auch keine juristisch-politischen Spitzfindigkeiten dar. Ich habe Anlaß, das noch einmal eindeutig zu erklären. Es geht uns um unverzichtbare Grundsätze unserer freiheitlichen Demokratie. Wie schon oft - allzu oft leider ungehört - warnen wir als Opposition die Bundesregierung und die Koalitionsparteien vor weiteren unüberlegten Schritten. Der Entwurf der Regierung vermag die Gefahr nicht hinreichend zu beseitigen, daß in Zukunft weiterhin Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen ungestört unsere Kinder unterrichten, im Namen des Volkes Recht sprechen und ihnen die Sicherheit der Bürger anvertraut wird. Wer das nicht sieht, erniedrigt den Staatsdienst zu einer pensionsberechtigten Pfründe von Parteibuchbeamten, die nicht nur die Kuh melken, sondern sie im Endergebnis auch noch auffressen wollen.
Der Entwurf des Bundesrates trägt den hohen Anforderungen Rechnung, die hier durch das Grundgesetz an den Gesetzgeber gestellt sind. Es würde der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung
Gerlach ({5})
und der von SPD und FDP gut anstehen, wenn sie wenigstens bei solchen grundlegenden Fragen zu ernsthafter Gemeinsamkeit bereit wären.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Anfang auf ein mir sehr gefährlich erscheinendes Argument von Herrn Gerlach eingehen, der meinte, man könne nicht so ohne weiteres unterschreiben, daß die Zulassung zu einer Ausbildung, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Ausbildungsverhältnis abzuleisten ist, auch weiterhin zu gewährleisten sei. Er hat bei der Gelegenheit den Satz geprägt, es könne wohl nicht angehen, daß Verfassungsfeinde auch noch aus Steuermitteln ausgebildet würden. Ich hoffe nicht, daß daraus der Schluß zulässig ist, wir hätten irgendwann einmal darüber nachzudenken, ob man Verfassungsfeinden nicht vielleicht bereits den Eingang in unsere Hochschulen abschlagen sollte.
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Herr Carstens und Herr Miltner haben auf die Hamburger Aussagen der FDP hingewiesen. Ich möchte den Versuch machen - wenngleich wir das schon häufig an anderer Stelle versucht haben -,
unsere differenzierte Meinung noch einmal darzulegen, die sich übrigens in Übereinstimmung befindet mit der Meinung der Bundespartei. Ich gehe von der Hoffnung aus, daß man irgendwann einmal auch selbst bereit ist, eine solche differenzierte Haltung mit zu vollziehen.
Meine Damen und Herren, die FDP hat es sich in der Vergangenheit bei der Diskussion um dieses Thema nicht leicht gemacht. Am Ende einer langen innerparteilichen Auseinandersetzung stand ein Bundesparteitagsbeschluß im November 1973. Es galt für uns, einen Weg zu finden, der geeignet ist, unseren freiheitlichen Rechtsstaat mit einem Höchstmaß an Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Es war darüber hinaus unsere Absicht, die bestehenden Beamtengesetze zu ergänzen, um deren eindeutige und einheitliche rechtsstaatliche Handhabung sicherzustellen. Die Änderungen sollen unserer Meinung nach vor allem erreichen, daß die Einstellungsentscheidungen in einem fairen Verfahren ohne Willkür und ohne Verwertung nicht nachprüfbarer Vorwürfe oder pauschaler Vorurteile getroffen werden. Daraus folgt, daß auch die Mitgliedschaft oder Funktionärseigenschaft in einer Partei oder Organisation nicht von der Notwendigkeit entbindet, daß im Falle einer Ablehnung des Bewerbers konkret festgestellt werden muß, daß sich der Bewerber als Person verfassungsfeindlich verhält. Rechtsstaatlichkeit erfordert auch, daß die Beweislast für eine verfassungsfeindliche Betätigung des Bewerbers bei der Behörde liegt. Der Bewerber hat einen Anspruch darauf, daß die Ablehnung der Einstellung schriftlich zu begründen ist, und sie darf nur auf gerichtsverwertbare Tatsachen gestützt werden.
Im Spannungsfeld von Parteienprivileg und Treuepflicht kann unserer Meinung nach die Antwort nur lauten - ich will noch einmal das wiederholen, was Herr Hirsch hier gesagt hat -: Natürlich darf sich niemand auf seine Parteizugehörigkeit berufen, um vor dem Vorwurf geschützt zu sein, daß er nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Das gilt auch für Mitglieder der hier im Bundestag vertretenen Parteien.
Andererseits haben wir aber ebensowenig das Recht, pauschal allen Mitgliedern einer nicht verbotenen Partei oder Organisation den Vorwurf zu machen, daß sie nicht die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Aus Gründen politischer Opportunität wird kein Verbotsantrag z. B. gegen die DKP gestellt. Eine Politik, die Gruppen schont, die einzelne Mitglieder dieser Gruppen aber pauschal angreift, kann ein liberaler Politiker nicht unterstützen. Daraus folgt, daß sich ein Gesetz nur auf in der Person des Bewerbers liegende Gründe für die Ablehnung berufen darf, so wie es der Entwurf der Bundesregierung tut.
Meine Damen und Herren, die Hamburger Koalitionsparteien haben sich während ihrer Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, bei der Einstellung von Bewerbern in den öffentlichen Dienst bereits nach dem Regierungsentwurf zu verfahren. Der Hamburger Senat hat daraufhin eine sehr gewissenhafte Einzelfallprüfung eingeführt. Einzelfallprüfung bedeutet aber auch die Chance eines positiven Votums zugunsten des Bewerbers, und Einzelfallprüfung bedeutet ebenfalls, daß im Rahmen des Ermessensspielraums von den Prüfenden unterschiedlich votiert werden kann. Beides ist in Hamburg in einigen wenigen Fällen eingetreten. Wir mußten aber die bittere Erfahrung machen, daß man unseren mit dieser Frage befaßten Senatoren, die ein positives Votum abgaben, und meiner ganzen Partei in ungeheuerlicher Weise unterstellte, Tor und Tür für Verfassungsfeinde zu öffnen. Dies ist durch die Hamburger Opposition geschehen, und, wie wir heute hören konnten, ist das gleiche Wort im Zusammenhang mit dem Entwurf der Bundesregierung gefallen. Ich mache kein Hehl daraus, daß ein solches Verhalten meiner Meinung nach eher geeignet ist, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden, als die beiden Bewerber, die eingestellt werden sollten.
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Ein Zweites ist bedenklich: Die Tatsache, daß man Gefahr läuft, bei einem positiven Votum des Einzelfalls in den gleichen Topf mit Verfassungsfeinden geschüttet zu werden, führt nicht nur die Einzelfallprüfung ad absurdum, sondern sie führt auch unseren Rechtsstaat ad absurdum.
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, daß es bei der Handhabung des Regierungsentwurfs zu unterschiedlichen AuffassunFrau Schuchardt
gen zwischen den Koalitionspartnern in Hamburg gekommen ist.
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Während die SPD in Hamburg der Auffassung ist, daß zusätzlich zur Mitgliedschaft und Funktionärseigenschaft entlastende Tatsachen aufgeführt werden müßten, um zur Einstellung zu kommen, hat meine Partei in Hamburg die Auffassung unseres Bundesparteitagsbeschlusses vertreten, daß über die Mitgliedschaft und Funktionärseigenschaft hinaus in der Person des Bewerbers begründete belastende Tatsachen hinzukommen müssen. Hier hoffen wir, daß sich der Gesetzgeber mehrheitlich unserer Interpretation anschließt.
Wir haben im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Behandlung dieser Frage gerade in Hamburg in unserem Landesausschuß einen Beschluß gefaßt, der zum Aufhänger genommen wurde, uns Kumpanei mit Kommunisten oder Volksfrontpolitik vorzuwerfen. Ich will gerne zugeben, daß die Formulierung zu Mißinterpretationen Anlaß gab. Was wollten wir aber ausdrücken? Erstens wollten wir noch einmal unsere von mir bereits beschriebene Auffassung unterstreichen, und zweitens haben wir festgestellt, daß wir unsere Befürchtungen bereits bestätigt sehen, daß die Anwendung des Extremistenbeschlusses sich nicht ausschließlich gegen die Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung richtet, sondern in CDU- und CSU-regierten Ländern leider auch bereits gegen kritische Demokraten.
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Wenn wir in diesem Zusammenhang außer Sozialdemokraten und Liberalen auch Kommunisten angesprochen haben, so nicht deshalb, weil wir sie für kritische Demokraten halten, sondern weil wir es nicht ausschließen können und wollen, daß unter ihnen auch kritische Demokraten sind, oder, um mit den Worten des Zweiten Bürgermeisters von Hamburg zu sprechen: „Daß jemand im Verfolg politischer Auseinandersetzungen sich irrtümlich an eine verkehrte Front begibt, wäre nicht das erstemal in der Geschichte unseres Landes." Wenn in diesem Zusammenhang Christdemokraten nicht genannt wurden, so nicht deshalb, weil wir sie nicht für kritische Demokraten halten, sondern weil uns Gott sei Dank noch kein Fall bekannt ist, wo auch ein Christdemokrat auf Grund von Extremistenerlassen abgelehnt wurde.
Wir haben dies schon häufig aufzuklären versucht. Wie wenig ernst auch die CDU in Hamburg ihre Angriffe gegen uns selber nimmt, sieht man daran, daß sie, die sie uns im Wahlkampf noch als Kommunisten bezeichnete, uns schon in der Wahlnacht vorschlug, doch gemeinsam einen Hamburger Senat zu bilden.
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Die schlimme Erfahrung, die wir zur Zeit machen, ist nur, daß mit derartiger Diffamierung nicht nur Wahlen entschieden, sondern auch gewonnen werden. Ich hoffe, daß unsere Demokratie stark genug ist, sich gegen solche Methoden durchzusetzen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat hat Ihnen Überweisungsvorschläge in der Tagesordnung aufgeführt. Weitere Anträge werden nicht gestellt. - Ich sehe und höre kein Widerspruch. Dann sind die beiden Vorlagen entsprechend den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates überwiesen.
Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Vogel ({0}), Berger, Dr. Miltner, Dr. h. c. Wagner ({1}), Erhard ({2}), de Terra und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausbau des Beteiligungsverfahrens im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht
- Drucksache 7/1975 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({3})
Rechtsausschuß
Verteidigungsausschuß
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Berger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor anderthalb Jahren wurde ein teures und gründliches Gutachten von der „Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstes" erstellt. Es liegt seit dieser Zeit auf dem Tisch. Das Gutachten enthält ein ganzes Bündel sehr vernünftiger Vorschläge, die nicht den Umsturz, sondern eine moderne und effektive Fortentwicklung unseres Systems des öffentlichen Dienstes zum Ziel haben. Alle demokratischen Parteien und alle Fraktionen dieses Hauses haben das Gutachten bei seiner Veröffentlichung begrüßt, aber verwirklicht ist von den Vorschlägen bisher nichts. Ich frage mich, ob diese schleppende Behandlung vielleicht heute die Strafe für den ist, der, anstatt Systemveränderung zu predigen, mit praktischer Vernunft arbeitet.
An den Anfang seiner Vorschläge stellt das Gutachten sehr betont den Ausbau eines Instruments, das im Grundsatz schon das Bundesbeamtengesetz im Jahre 1953 eingeführt hat: den Ausbau der offiziellen Beteiligung der gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes bei der Vorbereitung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen und von sonstigen allgemeinen Regelungen im Bereich des öffentlichen Dienstrechts. Die Verwirklichung dieses Vorschlages als erster Schritt soll dazu führen, daß die weiteren Schritte der Neuordnung bereits nach dem erweiterten Beteiligungsverfahren mit den Spitzenorganisationen ausdiskutiert werden können.
Die Fraktion der CDU/CSU hält diesen Vorschlag und seine Begründung für überzeugend. Sie hat deshalb den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des Beteiligungsverfahrens im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht eingebracht, durch den sie das bisherige Beteiligungsverfahren entsprechend den nunmehr 20jährigen Erfahrungen und entsprechend dem Vorschlag der Studienkom8996
mission ausbauen und institutionell stärker verankern will. Die Bundesregierung soll insbesondere verpflichtet werden zu regelmäßigen Gesprächen, gegebenenfalls auch zu Ad-hoc-Gesprächen mit den Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes, zu einem näher festgelegten Verfahren der Beteiligung bei der Vorbereitung von Gesetzes- und anderen Entwürfen dienstrechtlichen Inhalts sowie zur Mitteilung von offengebliebenen Vorschlägen der Spitzenorganisationen an den Bundestag und den Bundesrat. Die Regelung soll ausdrücklich in das Richter- und in das Soldatenrecht übernommen werden.
In diesen Vorschlägen sehe ich eine ausgewogene und eigenständige, den Besonderheiten des Beamten-, Richter- und Soldatenverhältnisses gerecht werdende Form eines frühzeitigen Interessenausgleichs im Vorfeld des Parlaments, ohne daß die Entscheidungsfreiheit des Parlaments berührt wird. Zusammen mit Vorschlägen für klare Berechnungsgrundlagen bei den laufenden Besoldungsanpassungen halte ich diesen Entwurf für die konstruktive Alternative zu Tarifvertrags- und Streikrechten der Beamten, der Richter oder gar der Soldaten, d. h. für die konstruktive Alternative zu Lösungen, welche sämtlich verfassungsrechtlich unzulässig und politisch abzulehnen wären.
Meine Damen und Herren, zum Schluß bedarf es noch eines kritischen Wortes zu dem bisherigen schleppenden Vorgehen auf seiten der Regierung und der Regierungskoalition. Bereits in den Beratungen über das Bundespersonalvertretungsgesetz im vergangenen Jahr hatte meine Fraktion angeregt, als zusätzlichen Artikel des Gesetzes den Ausbau des Beteiligungsverfahrens einzuführen. Wir brachten schließlich ausdrücklich einen entsprechenden Änderungsantrag hier im Plenum ein. Damals widersprachen Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen - Koalitionsfraktion kann ich nur noch sagen, da von der FDP keiner mehr anwesend ist -, diesem Änderungsantrag -
Herr Kollege, Sie irren sich!
Ich sehe auf den Bänken niemand, nur einige an der „Klagemauer".
({0})
Damals widersprachen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, diesem Änderungsantrag nicht aus sachlichen Gründen, sondern allein aus systematischen Gründen. Ein entsprechender eigener Gesetzentwurf der Regierung wurde angekündigt, kam aber nicht. Als wir daraufhin im April dieses Jahres - unsere Drucksache trägt das Datum des 8. April dieses Jahres - den Entwurf erneut, diesmal als besonderen Gesetzentwurf einbrachten, wurde wieder ein Regierungsentwurf in Aussicht gestellt. Herr Minister Maihofer hat das Wort „In wenigen Wochen wird ein Entwurf vorliegen" nicht eingelöst; diese „wenigen Wochen" weiten sich zu immer größeren Zeitabschnitten aus, ohne daß eine Entscheidung erfolgt. Tatsächlich ist bis heute außer einem vor längerer Zeit versandten unverbindlichen
Referentenentwurf kein Vorschlag der Regierung bekannt.
Ich frage noch einmal nach dem sachlichen oder unsachlichen Grund dieser Verzögerung. Daß es auch viel schneller gehen kann, hat nämlich das Land Rheinland-Pfalz bewiesen. Dort ist eine entsprechende Regelung für den Landesbereich schon seit Februar dieses Jahres Gesetz.
Nach dem bisherigen Ablauf erscheint es mir richtig, daß die erste Lesung des CDU/CSU-Gesetzentwurfs heute endlich stattfindet und daß wir auf den angekündigten Regierungsentwurf nicht noch länger gewartet haben. Da wir uns in der Sache nach allen Erklärungen, die ich gehört habe - ich hoffe, daß Herr Kollege Pensky eine solche nach mir abgeben wird -, weitgehend einig sind, möchte ich den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen vorschlagen, auch in den Ausschüssen so zu verfahren und die Beratung zügig auf der Grundlage des vorliegenden CDU/CSU-Gesetzentwurfs vorzunehmen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pensky.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Berger, Sie haben hier die Regierung beschimpft. Aber ich denke doch, daß es mir gelingen wird, darzutun, daß es so nicht im Raum stehenbleiben kann.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU zielt darauf ab, das Verfahren der Beteiligung der gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen an der Vorbereitung der beamtenrechtlichen Regelungen zu verbessern. Daß es im Prinzip keine Streitigkeiten darüber gibt, daß das zu geschehen hat, unterstreiche ich, Herr Kollege Berger.
Damit sprechen Sie einen Bereich an, den wir insgesamt reformieren wollen, nämlich den Bereich des öffentlichen Dienstrechts. Der Fragenkomplex, der heute zur Diskussion steht, betrifft aber nur einen Teil des neu zu ordnenden Dienstrechts. Für den hier vorgelegten Vorschlag - lassen Sie mich das auch ganz deutlich sagen - können die Unionsparteien allerdings kein originäres Urheberrecht beanspruchen. Die Opposition - Herr Berger, das sage ich Ihnen ganz besonders - kennt nämlich genauso gut wie wir die Aktivitäten, die die Bundesregierung zur Reform des öffentlichen Dienstrechts in die Wege geleitet hat, und zwar angefangen von der ersten Regierung Brandt/Scheel.
Soweit die Frage einer grundlegenden Reform des Beteiligungsverfahrens angesprochen ist, dürfte es sicherlich auch der Opposition und ganz besonders Ihnen, Herr Berger, nicht entgangen sein, daß bereits am 5. Februar 1974 ein entsprechender Referentenentwurf an die obersten Bundesbehörden zur Stellungnahme gegangen ist.
({0})
Sie wissen, daß am 19. Februar 1974 die Übersendung des Referentenentwurfs an die SpitzenorganiPensky
sationen der Gewerkschaften mit einer gleichzeitigen Einladung zu einem Gespräch gemäß § 94 erfolgte. Sie wissen auch, daß am 18. und 19. März 1974 die Beteiligungsgespräche mit den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften begonnen haben.
Der Opposition und Ihnen, Herr Kollege Berger, müßte auch bekannt sein, daß die Gespräche mit den Spitzenorganisationen noch nicht endgültig zum Abschluß gekommen sind. Dies aber - lassen Sie mich das auch unterstreichen - spricht nicht etwa gegen, sondern für die Bundesregierung, die nämlich jetzt schon im Geiste des neu zu regelnden Beteiligungsverfahrens in partnerschaftlichen Gesprächen mit den beteiligten Gewerkschaften eine angemessene Lösungsmöglichkeit sucht.
Sie haben ja bei Ihren Ausführungen soeben unterstrichen, daß es unbedingt notwendig ist, diese Gespräche vorher zu führen. Das wollen wir, und wir begrüßen es, daß das geschieht. Alle diese Initiativen, Herr Kollege Berger, liegen v o r der Einbringung des Initiativgesetzentwurfs der CDU/ CSU vom 8. April 1974. Hier kann also nicht etwa der Eindruck erweckt werden, als hätte es erst einer Unionsinitiative bedurft, um diesen Teil des öffentlichen Dienstrechts neu zu regeln.
Es erscheint auch wenig überzeugend, wenn die CDU/CSU-Fraktion in der Frage der Neuordnung des öffentlichen Dienstrechts plötzlich eine Vorreiterrolle zu spielen versucht. Über die Notwendigkeit einer Neuordnung des öffentlichen Dienstrechtes ist in diesem Hohen Hause schon oft und seit vielen Jahren diskutiert worden. Nur, und das müssen Sie sich auch heute sagen lassen, hat es die Union schon früher verhindert, daß eine umfassende Grundlage erarbeitet wird, die als Voraussetzung für eine systematische Arbeit an diesem vielschichtigen und schwierigen Fragenkomplex notwendig gewesen wäre. Ich erinnere nur daran, daß die SPD-Bundestagsfraktion bereits in der 4. Legislaturperiode einen Antrag auf Einsetzung einer Kommission zur Reform des Beamtenrechts vorgelegt hat, der jedoch damals von den Unionsparteien zurückgewiesen worden ist. Die Einsicht der CDU, daß eine solche Grundlage notwendig ist, ist wohl sehr spät gekommen, nämlich erst im Jahre 1970, als sie einem solchen Antrag zugestimmt hat. Die Bundesregierung hat bekanntlich unverzüglich diese Studienkommission eingesetzt, nämlich am 11. Dezember 1970, und diese Kommission hat ihren Bericht am 7. Mai 1973 vorgelegt. Alle Fraktionen des Hohen Hauses sind sich darin einig, wie dies im übrigen die Studienkommission selbst auch ausgeführt hat, daß auf der Grundlage des vorgelegten Gutachtens nur eine stufenweise Realisierung des Konzepts möglich ist, das bekanntlich in weiten Bereichen kontrovers ist.
Im Januar dieses Jahres ist den Mitgliedern des Innenausschusses vom Innenministerium eine Konzeption zur Realisierung des öffentlichen Dienstrechtes übersandt worden. Auch hier stand im Vordergrund der vorgetragenen Verbesserungsvorschläge wiederum eine Neufassung und Verbesserung des Verfahrens zur Beteiligung der Spitzenorganisationen.
Herr Kollege Pensky, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berger? - Bitte!
Herr Kollege Pensky, ist Ihnen nicht bekannt, daß auch in der Frage der Realisierung des Konzepts wir, wie Sie richtig sagen, seit Januar auf eine Entscheidung der Bundesregierung vergeblich warten?
Herr Kollege Berger, wir sprechen heute über diesen Teilbereich, den wir alle für besonders vordringlich halten. Ich habe soeben gesagt, daß ich es für eine gute Sache halte, wenn sich die Regierung bemüht, in den Gesprächen im Geiste des neu zu fassenden § 94 schon jetzt vorweg die Dinge mit den Spitzenorganisationen abzuklären, was auch in allen anderen Bereichen geschehen muß.
Uns Sozialdemokraten kam und kommt es darauf an, systematisch, Zug um Zug an der Reform des öffentlichen Dienstrechtes zu arbeiten. Dabei gilt es, jeweils Schwerpunkte zu bilden. Unter diesem Gesichtspunkt ist schon bisher phasenweise vorgegangen worden. Damit nicht der Eindruck entsteht, als wäre überhaupt nichts geschehen, darf ich es an Beispielen verdeutlichen:
Phase 1: Neuordnung des Personalvertretungsrechts mit der klaren Zielrichtung, eine optimale Mitbestimmung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Auch das ist das Petitum des vorgelegten Gutachtens. Was vorweg geschehen ist, ist ein Schritt auf dem Wege dorthin.
Phase 2: Vereinheitlichung der Besoldung und Versorgung einschließlich der Sonderzulagenregelung bei Bund, Ländern und Gemeinden. Wir alle und Sie, Herr Kollege Berger ganz besonders, kennen diesen schwierigen Prozeß, den wir möglichst zum Ende dieses Jahres zum Abschluß bringen möchten. Mit dieser zweiten Phase, genauer gesagt mit § 18 des Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs-
und -neuregelungsgesetzes ist eine weitere wichtige Phase vorprogrammiert, denn diese Bestimmung enthält den Auftrag einer funktionsgerechten Besoldung der Beamten, Richter und Soldaten. Das heißt: an die Stelle der bisherigen fiktiven Einordnung in das Besoldungssystem wird eine Bezahlung nach Leistung gefordert. Voraussetzung dafür ist, daß entsprechende Bewertungskriterien gefunden werden. Zur Zeit sind 15 Kommissionen auf Bund- und Länderebene damit befaßt, die Ämter- und Dienstpostenbewertung vorzubereiten. Das, Herr Kollege Berger, beweist, wie ernst die Koalition diesen Auftrag nimmt.
Die Phase 3, die eine Verbesserung des Verfahrens zur Beteiligung der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse vorsieht, paßt sich zeitlich sinnvoll in diese Konzeption ein. Dadurch soll erreicht werden, daß bereits bei der Neuordnung des Bezahlungssystems nach dem Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung ein Beteiligungsverfahren Platz greift, das zu einem partnerschaftlichen Austausch der Meinun8998
gen zwischen der Regierung und den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften führt. In diese Überlegungen, Herr Kollege Berger, beziehen wir auch gern Ihre Vorschläge ein.
Der Ausbau der Beteiligungsverfahren entspricht unseren grundsätzlichen Vorstellungen vom Ausbau unserer Demokratie. Wir haben das Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet. Der Mitbestimmungsentwurf für die Wirtschaft ist in der Diskussion und wird in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Der Demokratiegedanke ist nach unserer Auffassung nicht nur auf den Staat, sondern auch auf die Gesellschaft anwendbar. Demokratie ist nach unserer Auffassung eine Lebensform, die Eigenverantwortung des einzelnen und sein Recht einbeziehen muß. Das Berufsleben darf nicht außerhalb dieses Grundsatzes bleiben. Nur wenn im Staat und im Betrieb demokratische Spielregeln gelten, kann die Demokratie in unserem Staat auf die Dauer lebendig gehalten werden. Ich bin überzeugt, daß in unserer Welt des wachsenden Wandels zunehmend mehr Mitverantwortung und mehr Mitbestimmung erforderlich sein und verwirklicht werden wird.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Bei der Reform des öffentlichen Dienstrechts, an der wir tatkräftig weiterarbeiten werden, geht es darum, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erhalten und weiter auszubauen. Die Dienstrechtsreform hat sich der Aufgabenentwicklung der öffentlichen Verwaltung anzupassen. Sie muß aber auch dem gewandelten Selbstverständnis der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Rechnung tragen.
Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu.
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Wir fahren in der Aussprache fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf der CDU/CSU betreffend den Ausbau des Beteiligungsverfahrens im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht gebe ich namens der FDP-Fraktion folgende Erklärung ab.
Der Entwurf will das Beteiligungsrecht gewerkschaftlicher Spitzenvertretungen mit der Richtung auf eine Erweiterung und Konkretisierung fortentwickeln. Dieser Grundsatz - zur Geschichte ist schon einiges vorgetragen worden - ist ohne Zweifel zu begrüßen. Er entspricht in seiner Zielsetzung den Planungen sowohl der Bundesregierung als auch der sie tragenden Fraktionen. Nur dürfen in diesem Zusammenhang einige wichtige Tatsachen nicht außer acht gelassen werden.
Erstens. Die Fortentwicklung - und hier beziehe ich mich weitgehend auf die Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Pensky - des in § 84 BBG enthaltenen Grundsatzes ist, wie schon gesagt, ein Teilstück der Reform des öffentlichen Dienstrechts, der eine Reihe anderer gesetzlicher Maßnahmen der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien vorausgehen mußten, wenn es darum geht, das Beteiligungsverfahren im öffentlichen Dienst insgesamt zu verbessern.
Ein erster Schritt war das neue Personalvertretungsgesetz, das im vergangenen Jahr geschaffen worden ist. Ein zweiter Schritt steht bereits kurz vor seiner Vollendung: zu einem Teil die Vereinheitlichung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern. Von § 18 war schon die Rede. Das wird weitere Arbeiten zur Erreichung dieses von uns allen angestrebten Zieles mit sich bringen.
Wie wir wissen, hat der Bundesminister des Innern einen Gesetzentwurf, der die gleiche Materie wie die heutige Vorlage regeln soll, in Vorbereitung; auch dazu ist einiges gesagt worden. Sie wissen, daß die Gespräche mit den Spitzenorganisationen - diese Regelung praktisch schon vorausnehmend - bereits im Gange, aber noch nicht abgeschlossen sind. Wir werden uns also in absehbarer Zeit auch mit dem Entwurf der Bundesregierung zu der gleichen Materie zu befassen haben.
Zweitens. Eine andere Frage ist die konkrete Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens. Ich will dazu keine näheren Ausführungen machen, nur so viel: Hier wird man noch über Details zu reden haben. Da ist einmal die Frage, wie weit oder wie wenig weit man den Kreis der zu beteiligenden Organisationen faßt. Da wird es weiter darum gehen, für welche Ebenen im Gesetzgebungsverfahren das Beteiligungsverfahren vorgesehen wird. Ich meine dies nicht unbedingt als Einschränkung gegenüber dem vorliegenden Entwurf, sondern es geht um die Frage: Wie muß die materielle Regelung beschaffen sein, damit das Gesetzgebungsverfahren nicht zu kompliziert und dadurch zu langwierig wird?
Ich will nur diese wenigen Beispiele als Fragen aufführen.
Wir werden zugleich in Erwartung der Regierungsvorlage den gleichen Gegenstand in dem zuständigen Innenausschuß, dem ja auch diese Vorlage überwiesen wird, eingehend nach jeder Richtung und mit der gebührenden Sorgfalt behandeln.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage an den Innenausschuß - federführend - sowie an den Rechts-und den Verteidigungsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir stehen am Ende der Tagesordnung. Ich schließe die Sitzung des Deutschen Bundestages und berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, den 4. Dezember 1974, 13.30 Uhr ein.