Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/13/1974

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Bardens! Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, die Trinkwasserverordnung nach der Zustimmung durch den Bundesrat sogleich zu verkünden. Sie geht davon aus, daß nach den Ereignissen im Raum Baden-Württemberg und der vermuteten Ursache der Epidemie die Bundesländer diese Bestrebungen der Bundesregierung unterstützen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage.

Dr. Hans Bardens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000094, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß außer der Trinkwasserverordnung möglicherweise auch andere bundesrechtliche Vorschriften geändert werden müßten, so z. B. das Bundesseuchengesetz? Durch eine Lücke in diesem Gesetz soll angeblich die Kontrolle von Betrieben, die Fertiglebensmittel herstellen und vertreiben, verhindert werden.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Dr. Bardens, was die Frage der Typhuserkrankungen in Baden-Württemberg angeht, ist ja die vermutliche Ursache das Wasser eines Brunnens. Die Beschäftigten im Herstellungsbetrieb sind dreimal ohne Ergebnis untersucht worden, so daß man davon ausgehen kann, daß sich unter den Beschäftigten in diesem Betrieb keine Ausscheider von Typhuserregern befinden. Selbstverständlich wird die Bundesregierung aber auch die Erfahrungen mit dieser Epidemie auswerten, um zu erkennen, ob sich daraus für die ohnehin beabsichtigte Novellierung des Bundesseuchengesetzes neue Erkenntnisse ergeben, die dann verwertet werden können. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß eine Ausweitung des Katalogs der Betriebe, deren Beschäftigte gemäß §§ 17, 18 des Bundesseuchengesetzes vor Einstellung in diesen Betrieben untersucht werden müssen, es erforderlich machen würde, daß auch die entsprechenden Untersuchungskapazitäten ausgeweitet werden. Denn es ist heute bereits so, daß die Beschäftigten dort etwa im Abstand von zwei bis teilweise drei Jahren nachuntersucht werden. Das ist natürlich ein sehr langer Abstand, in dem neue Fälle auftreten können. Wenn man sich also dazu entschließt, den Katalog im Bundesseuchengesetz zu erweitern, bedeutet das nach meiner Einschätzung, daß dann auch die Untersuchungskapazitäten entsprechend ausgeweitet werden müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege!

Dr. Hans Bardens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000094, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, Herr Staatssekretär, daß die nach Länderrecht zuständigen Behörden mit dem gegenwärtigen Umfang der ihnen zugewiesenenen Kontrollaufgaben überfordert sind?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Das möchte ich so nicht behaupten, Herr Kollege Dr. Bardens. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß der jetzige Umfang der nach dem Bundesseuchengesetz vorgesehenen Untersuchungen von Beschäftigten in solchen Betrieben dazu führt, daß die Untersuchungen nur in den von mir genannten Zeitabständen zwischen zwei und drei Jahren stattfinden können. Ich vermag nicht zu beurteilen, woran das liegt, weil die Durchführung ja eine Sache der Bundesländer ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kratz.

Paul Kratz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001199, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wann rechnet die Bundesregierung ganz konkret mit dem Verabschieden dieser Verordnung, die Sie eben erwähnt haben?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Die Trinkwasserverordnung wird in dieser Woche im Bundesrat behandelt. Mir ist heute vormittag berichtet worden, daß der Rechtsausschuß des Bundesrates bereits in dieser Woche der Verordnung zugestimmt hat. Es folgen jetzt noch der Gesundheitsausschuß und - soweit ich unterrichtet bin - auch möglicherweise in dieser Woche der Agrarausschuß. Man kann also damit rechnen, daß sie in Kürze vom Bundesrat verabschiedet wird. Ich habe eben auf die Frage vom Kollegen Dr. Bardens erklärt, daß die Bundesregierung sie dann unverzüglich in Kraft setzen wird. Ich rechne damit, daß nach der Zustimmung des Bundesrates dies noch vor Ablauf des Jahres der Fall sein wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Eilers ({0}).

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Behörde für die Durchführung der Trinkwasserversorgung zuständig sein wird?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Für die Durchführung der neuen von uns beabsichtigten Trinkwasserverordnung werden die Gesundheitsämter zuständig sein. Dies schafft eine einheitliche, klare Zuständigkeit in allen Bundesländern, während man heute davon ausgehen muß, daß die Zuständigkeiten in den Ländern unterschiedlich geregelt sind. Es gibt selbstverständlich auch in Baden-Württemberg, Pari. Staatssekretär Zander wo diese Epidemie ihren Ausgang genommen hat und in Rheinland-Pfalz, wasserrechtliche Vorschriften. Aber dieser Brunnen, der hier in Frage steht, ist nach den Vorschriften des Landes illegal angelegt worden. Das heißt: Es gibt jetzt unterschiedliche Kompetenzen, und es gibt nach Inkrafttreten dieser Verordnung einheitliche Zuständigkeiten bei den Gesundheitsämtern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Eckerland.

Günther Eckerland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000432, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen ist die Trinkwasserverordnung erst Mitte Oktober dem Bundesrat zugeleitet worden?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Die Trinkwasserverordnung hat sehr umfangreiche Vorarbeiten erfordert. In den Kreisen der Betroffenen hat es zunächst auch erhebliche Widerstände gegeben, die überwunden werden mußten. Das war ein sehr langer Prozeß. Ich muß darauf hinweisen, daß das zuständige Referat unseres Hauses in dieser Zeit mit einer Reihe weiterer Aufgaben sehr stark ausgelastet war. Ich erinnere an Impfentschädigung, aber auch an die Angleichung von Rechtsvorschriften, die sich aus internationalen Gesundheitsvorschriften ergeben haben. Dies alles führte dazu, daß der Prozeß der Vorbereitung dieser Trinkwasserverordnung relativ lange gedauert hat. Aber es ist jetzt soweit. Ich denke, wir werden vor Ende dieses Jahres diese Verordnung in Kraft haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Burger.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär! Ich möchte noch einmal nach eventuellen Mängeln im Bundesseuchengesetz fragen. Ich lese hier in der Zeitung, daß im Bundesseuchengesetz keine Vorschriften über die Verarbeitung von Salaten zu finden seien und daß es daher kein Gesetzesverstoß der Firma gewesen sei, wenn ihre Beschäftigten nicht medizinisch untersucht worden seien. Wie erinnerlich, soll sich bei zwei Betriebsangehörigen Verdacht auf frühere Typhuserkrankungen ergeben haben.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Burger, es ist so, wie ich sagte, daß die Beschäftigten dieses Betriebes dreimal untersucht worden sind, ohne daß sich ein vorhandener Verdacht definitiv bestätigt hätte. Das heißt: Man kann die Beschäftigten dieses Betriebes ausschließen. Das Seuchengesetz sieht für die Herstellung von Salaten keine Vorschriften vor. Es ist im wesentlichen darauf abgestellt, die Herstellung von tierischen Erzeugnissen zu regeln. Das ist, wie gesagt, der Paragraph 17, in dem die Betriebe dieser Art aufgeführt sind. Ich kann noch einmal erklären, daß wir selbstverständlich auch aus den Untersuchungen, die wir gemeinsam mit den betroffenen Ländern anstellen, Erfahrungen gewinnen werden, die möglicherweise dazu führen, daß wir in einer Novelle zum Bundesseuchengesetz eine Erweiterung des Kataloges der Betriebe, die in Paragraph 17 genannt sind, vorschlagen werden. Aber ich erkläre noch einmal: Dies setzt dann auch voraus, daß die entsprechende Personalkapazität für die Durchführung der Untersuchungen vorhanden sein muß.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Dr. Riedl, eine Zusatzfrage!

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär! Wie kommt es denn, daß ein Beamter des Bundesgesundheitsamtes vor etwa drei Wochen im Deutschen Fernsehen sehr beschwichtigende und beruhigende Äußerungen im Hinblick auf die Ausbreitung der Typhusepidemie gemacht hat und daß am Tag darauf und weitere Tage später diese Behauptungen überhaupt nicht aufrechterhalten werden konnten? Erklären Sie sich dieses Verhalten damit, daß das Bundesgesundheitsamt nicht annähernd den Überblick hatte, den man von diesem Amt erwarten konnte?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich werde mich anschließend noch zu der Rolle des Bundesgesundheitsamtes auf die zweite Frage des Kollegen Dr. Bardens hin äußern müssen. Aber was diese, wie Sie sagen, beschwichtigende Bemerkung, die ich im einzelnen nicht kenne - daher kann ich auch. die Qualifizierung, die Sie vorgenommen haben, nicht beurteilen -, angeht, so ist Tatsache, daß von den betroffenen Personen nur sechs in einer zweiten Phase angesteckt worden sind. Alle anderen - ich denke, über 350 Personen -, die erkrankt sind, haben den in Frage stehenden Kartoffelsalat gegessen und sind davon angesteckt worden. Wenn man berücksichtigt, daß die Inkubationszeit bei Typhus zwischen zwei und drei Wochen liegt, konnte man, als der Personenkreis vor etwa zehn Tagen umrissen war, ziemlich präzise vorhersagen, daß die Epidemie als solche eingedämmt war. Und man kann auch heute sagen, daß sie im Abklingen ist und daß weitere Fälle - das kann man nicht mit Sicherheit ausschließen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuten - nur noch in geringer Zahl auftreten werden. Im großen und ganzen ist die Epidemie eingedämmt, aber sie hat noch ihren Ablauf.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, können wir bald zur zweiten Frage übergehen? - Ich wäre Ihnen sehr dankbar, denn wir haben noch sehr viele Fragen. Ich glaube, die erste Frage ist beantwortet. Ich rufe die Frage 2 des Herrn Kollegen Dr. Bardens auf: Erfordert nicht die Typhusepidemie in Baden-Württemberg die Einschaltung des Bundesgesundheitsamts, und hat die Bundesregierung das Tätigwerden dieses Amts veranlaßt?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Dr. Bardens, das Bundesgesundheitsamt hat auf Er8778 suchen der beiden am stärksten betroffenen Bundesländer den geschäftsführenden Direktor des RobertKoch-Instituts Berlin entsandt, um den Landesbehörden bei der weiteren Aufklärung der Ursachen der Epidemie und vor allem der wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung zu stehen. Der genannte Wissenschaftler verfügt nicht nur über umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der Seuchenbekämpfung, er hat auch gerade auf dem Typhus-und Paratyphusgebiet seit Jahrzehnten wissenschaftlich gearbeitet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bardens!

Dr. Hans Bardens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000094, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, was in Zeitungsberichten behauptet wurde, daß es Kontaktschwierigkeiten sowohl zwischen den zuständigen Behörden verschiedener Bundesländer als auch zwischen den Bundesländern und dem Bundesgesundheitsamt gegeben habe?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Dr. Bardens, ich kann diese Frage nur beantworten, soweit es Bundesländer und das Bundesgesundheitsamt betrifft; Kontaktprobleme zwischen den Bundesländern sind mir nicht bekannt. Was das Bundesgesundheitsamt angeht, so hat es eine relativ schnelle Verständigung mit den Bundesländern gegeben, und diese Verständigung hat dann zur Einschaltung des Amtes geführt. Das Bundesgesundheitsamt wird auch bei der weiteren Kontrolle etwa des Brunnens dort durch den betreffenden Fachmann - der Fachmann ist an Ort und Stelle - beteiligt sein und selbstverständlich auch die Ergebnisse, von denen Aufschluß einerseits für die Novelle, andererseits für wissenschaftliche Fragen erwartet wird, ob etwa die von uns unterstellte Inkubationszeit bei Typhus noch stimmt und vieles andere mehr, an Ort und Stelle ermitteln. Präsident 'Frau Renger: Zweite Zusatzfrage? - Keine. - Abgeordneter Dr. Riedl!

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, entschuldigen Sie, daß ich noch einmal auf die Sache mit dem Bundesgesundheitsamt zu sprechen kommen muß: Ist die Bundesregierung bereit, einmal die Äußerungen, die das Bundesgesundheitsamt in die Öffentlichkeit gesetzt hat, mit den tatsächlichen Zuständen zu vergleichen, und ist sie weiter bereit, daraus Konsequenzen zu ziehen, wenn sie feststellt, daß das Bundesgesundheitsamt im Hinblick auf den Ablauf dieser Epidemie - ich sage es einmal sehr gelinde - nicht auf dem laufenden war?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Das letzte möchte ich nicht behaupten. Was die Gegenüberstellung von Behauptungen zu den Tatsachen angeht, sind wir selbstverständlich gerne dazu bereit. Ich werde das nachholen. Im übrigen war natürlich wie auch bei den betroffenen Ländern die Absicht der Bundesregierung, durchaus zu erklären, daß diese Häufung von Typhusfällen Sorge bereitet, daß aber kein Grund zu einer größeren Panik in der Bevölkerung besteht. Wir haben diese Meinung - ich denke, auch in Übereinstimmung mit dem Verhalten der betroffenen Landesregierung - immer durchgehalten. Es hat in jedem Jahr in der Bundesrepublik Typhusfälle im Bereich von über 300 gegeben. Wir haben durchaus alles getan, was notwendig war, uns aber zugleich bemüht zu vermeiden, daß hier eine ungerechtfertigte Panik ausbricht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hätte das Ausmaß der Typhusepidemie in Baden-Württemberg begrenzt werden können, wenn die zuständigen Behörden die Öffentlichkeit rechtzeitig aufgeklärt und notfalls auch die in Frage kommenden Betriebe unter Namensnennung der Öffentlichkeit bekanntgegeben hätten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Fiebig, es ist angesichts der relativ langen Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit von zwei bis drei Wochen sehr schwierig, schon frühzeitig Warnungen an die Bevölkerung zu geben. Man mußte sich erst über den Charakter der Krankheit gewiß werden, und man mußte auch, ehe man die betroffenen Betriebe nennt oder vor einem Genuß von bestimmten Lebensmitteln in den betroffenen Betrieben warnt, sehr sicher sein, ob ein Zusammenhang zwischen dem dort verkauften Lebensmittel - hier Kartoffelsalat - und den Erkrankungen besteht. Erst dann konnte die Öffentlichkeit aufgeklärt und die Bevölkerung gewarnt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, zeigt dieser Fall nicht, daß es, um solchen Situationen zu begegnen, notwendig wäre, in der Zukunft eine Art Krisenmanagement vorzuhalten, das insbesondere behördenübergreifend wirksam werden kann?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Jaunich, ich möchte dies für die Zukunft nicht ausschließen, kann mich aber erst dann präzise dazu äußern, wenn die organisatorischen und wissenschaftlichen Erfahrungen aus diesem Vorgang so ausgewertet sind, daß man feststellen kann, ob es darüber hinausgehende Koordinierungsnotwendigkeiten gibt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage? - Damit sind die Dringlichkeitsfragen beantwortet. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für RaumordPräsident Frau Renger nung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung steht der Herrn Parlamentarische Staatssekretär Dr. Haack zur Verfügung. Frage 1 des Herrn Abgeordneten Rollmann: Welchen Einfluß nimmt die Bundesregierung darauf, daß der Deutsche Normenausschuß die Deutsche Industrie-Norm ({0}) 18034 - Spielplätze -, die für den Bau von kindgerechten Spielplätzen von großer Bedeutung ist und an der bereits seit 1958 gearbeitet wird, endlich verabschiedet?

Dr. Dieter Haack (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000757

Herr Kollege Rollmann, der Fachnormenausschuß „Bauwesen" im Deutschen Normenausschuß hat die auf Anregung der Bundesregierung ausgearbeitete Planungsnorm DIN 18034 „Spielplätze für Wohnanlagen" bereits im November 1971 verabschiedet. In den Richtlinien für den Einsatz von Bundesmitteln zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus wird auf die Beachtung dieser DIN-Norm ausdrücklich hingewiesen; entsprechende Hinweise werden auch von den Ländern in ihren Wohnungsbauförderungsbestimmungen aufgenommen. Die DIN-Norm hat vor allem die Novellierung der Landesbauordnungen beeinflußt, in denen die Bauherren zur Einrichtung und Errichtung von Spielplätzen auf Wohngrundstücken verpflichtet werden. Dies trifft auch für die in einigen Ländern verabschiedeten Spielplatzgesetze zu, die nicht nur die Verpflichtung zur Anlage von Spielplätzen, sondern auch Festlegungen über die Lage, Größe und Beschaffenheit von Spielplätzen enthalten. Zu Ihrer Information darf ich Ihnen nachher diese DIN-Norm, die, wie gesagt, schon 1971 verabschiedet worden ist, aushändigen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.

Dietrich Wilhelm Rollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001878, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diese DIN-Norm auch dem Wissenschaftlichen Dienst des Hauses zuzustellen?

Dr. Dieter Haack (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000757

Sicher, wenn wir darum gebeten werden. Aber ich darf sie zunächst einmal Ihnen geben, denn Sie sind der Fragesteller.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage? - Danke schön. Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Gansel wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Schröder ({0}) wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus Beschluß und Begründung der IG Druck und Papier, aus der im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft begründeten Konzertierten Aktion auszutreten, weil gewerkschaftliche Lohnpolitik „nicht von einem vorgeblichen Gesamtwohl oder Staatsinteresse ausgehen" kann, sondern die Interessen der Lohnabhängigen „allein" die Grundlage der gewerkschaftlichen Lohnpolitik bilden? Hier fand ein Tausch der beiden Fragen statt, deswegen wird diese Frage vorgezogen.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Gewerkschaftstages der IG Druck und Papier vom 20. Oktober, der gegen die Empfehlung der Antragskommission gefaßt wurde, ist darauf gerichtet, daß die IG Druck und Papier sich beim Deutschen Gewerkschaftsbund für den Austritt der DGB-Gewerkschaften aus der Konzertierten Aktion einsetzen solle. Ein eigentlicher Austrittsbeschluß wurde also nicht gefaßt. Über den Austritt aus der Konzertierten Aktion kann nur ein Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes entscheiden. Der nächste DGB-Kongreß soll im Mai nächsten Jahres stattfinden. Der Beschluß der IG Druck und Papier ist auch deshalb für die Konzertierte Aktion ohne formale Bedeutung, weil nicht Einzelgewerkschaften, sondern der Deutsche Gewerkschaftsbund Gesprächspartner der Konzertierten Aktion ist. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich die Gewerkschaften nicht gegen eine Institution wenden werden, die vom Gesetzgeber im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verankert worden ist. Die in der Frage erwähnte Begründung des Beschlusses - es wurden noch andere Gründe genannt - geht von unzutreffenden Vorstellungen über Funktion und Bedeutung der Gespräche in der Konzertierten Aktion aus. Die Konzertierte Aktion präsentiert sich heute als Forum einer allgemeinen Aussprache zwischen den Spitzenvertretern aller am gesamtwirtschaftlichen Prozeß maßgeblich beteiligten Kräfte. Die Teilnehmer legen die Konjunkturlage und die Konjunkturperspektiven aus ihrer Sicht dar und hören sich die Beurteilungen der übrigen Partner an. Dabei werden alle verbindlichen Festlegungen vermieden. Der informelle Charakter dieser Zusammenkünfte wurde gerade bei den letzten beiden Sitzungen noch zusätzlich dadurch verdeutlicht, daß keine gemeinsamen Erklärungen abgegeben wurden. Es können bei diesen Gesprächen weder Interessen besonders berücksichtigt noch in irgendeiner Weise verletzt werden. Richtig ist sicher, daß auch die Arbeitnehmerinteressen sich nur im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Möglichkeiten darstellen und verwirklichen lassen. Diese heilsamen Einsichten in das gesamtwirtschaftlich Zuträgliche und Zulässige, das angesichts der überaus engen Handlungsspielräume Ausgangspunkt aller Strategieüberlegungen der autonomen Gruppen sein sollte, werden in der Konzertierten Aktion nachdrücklich vermittelt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage Herr Dr. Zeitel!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstehe, sieht die Bundesregierung keine Probleme für die Durchsetzung ihres Standpunkts, wonach die Verantwortung für das Ganze eine entscheidende Voraussetzung für die Tarifautonomie sei. Habe ich Sie so richtig verstanden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Sie haben mich richtig verstanden, Herr Kollege Zeitel. Die Bundesregierung sieht ihre Aufgabe in der Konzertierten Aktion darin, die gesamtwirtschaftlichen Daten vorzulegen und damit den autonomen Partnern Gelegenheit zu geben, sich an diesen Daten auszurichten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zur Frage 9 keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Zeitel auf: Teilt die Bundesregierung die auf dem Gewerkschaftstag der IG Druck und Papier geäußerte Auffassung, daß die von der Bundesregierung veröffentlichten Daten keine Gewinn- oder Preisorientierungsdaten, sondern stets Lohnleitlinien waren, die die öffentliche Meinung zum Nachteil der Gewerkschaften beeinflußten?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Sie kommt mit der Vorlage von Orientierungsdaten einer gesetzlichen Verpflichtung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes nach, nach dem im Falle der Gefährdung eines der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele solche Orientierungsdaten vorzulegen sind. Diese Orientierungsdaten umfassen alle Aspekte der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Sie verdeutlichen gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge und Konsequenzen partikularer Entscheidungen. Sie sind - ich betone das - innerhalb der Konzertierten Aktion für niemanden verbindlich. Was den Lohnaspekt betrifft, so besitzen die Orientierungsdaten gegenüber Lohnleitlinien den unschätzbaren Vorteil, daß sie den am Wirtschaftsprozeß beteiligten Gruppen die Freiheit der Wahl und damit ihre volle Verantwortung belassen. Die Bundesregierung hat bei der Vorlage des neuen Tableaus für die letzte Konzertierte Aktion ausdrücklich vermerkt, daß die im Zusammenhang mit der Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer genannten Zahlen nicht mit Tariflohn- und -gehaltsabschlüssen verwechselt werden dürfen. Die Orientierungsdaten sind nur im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung richtig zu interpretieren. Die Bundesregierung hat sich aus guten Gründen nicht dazu drängen lassen, Aussagen über die hinter den gesamtwirtschaftlichen Orientierungsdaten stehenden Annahmen für das Ausmaß der Tariflohn- und -gehaltsabschlüsse zu machen und damit Lohnleitlinien vorzulegen. Dies setzt aber selbstverständlich voraus, daß die gesamtwirtschaftlichen Orientierungsdaten nicht bewußt oder unbewußt falsch interpretiert werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sehen Sie in dieser auch in der Öffentlichkeit und namentlich für die beteiligten Gewerkschaften strittigen Frage einen Weg, um den Unterschied zwischen Lohnleitlinien und Preisorientierungsdaten besser zu verdeutlichen, als das bisher der Fall ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wir haben jede Gelegenheit dazu genutzt, und gerade der Bundeswirtschaftsminister hat das ja hier vor diesem Hohen Hause sehr eindrucksvoll getan. Es ist auch in der letzten Konzertierten Aktion in Anwesenheit aller Beteiligten ganz eindeutig klargestellt worden. Die Ausführungen, die ich hier gemacht habe, sind auch in der Konzertierten Aktion gemacht worden und haben die Zustimmung aller dort Beteiligten gefunden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe nunmehr die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Straßmeir auf: Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich Ober die Errichtung einer Verbraucherakademie entschieden und für das Rechnungsjahr 1975 die haushaltsmäßigen Voraussetzungen geschaffen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine endgültige Entscheidung über die Verbraucherakademie ist bisher nicht getroffen worden. Diese Frage wird zur Zeit von der Bundesregierung noch unter finanziellen Gesichtspunkten geprüft. Eine Vorentscheidung ist aber insoweit getroffen, als jetzt nur noch zur Debatte steht, gegebenenfalls einen finanziellen Beitrag zu einem Verbraucherinstitut zu leisten, das eine bereits bestehende Organisation als rechtlich unselbständige Einrichtung errichten würde. Der Plan, ein eigenständiges Verbraucherinstitut als Stiftung des Privatrechts durch die Bundesregierung zu errichten, ist hingegen aus Haushalts- und anderen Gründen zurückgestellt worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Straßmeir!

Günter Straßmeir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie zum Ausdruck bringen wollten, es seien ausschließlich finanzielle Gründe, die zur Einengung des ursprünglichen Projekts geführt haben?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es sind finanzielle Gründe, aber auch Gründe, die die Errichtung im Rahmen einer Stiftung nicht als zweckmäßig erscheinen ließen. Die Gespräche mit allen Beteiligten haben ergeben, daß eine solche Einrichtung zweckmäßiger im Rahmen einer Projektgruppe geführt wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Straßmeir auf, die sich beinahe erübrigt: Ist die Bundesregierung bereit, Berlin als Standort der zu errichtenden Verbraucherakademie vorzusehen, zumal sich für Berlin eine Reihe von sachlichen Anknüpfungspunkten, wie z. B. die Stiftung Warentest, ergeben?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ihre Frage, Herr Kollege, hat sich praktisch erübrigt. Da keine Entscheidung über das Verbraucherinstitut getroffen worden ist, kann auch über die Frage des Standorts hier nichts gesagt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Reicht Ihnen das, Herr Abgeordneter? - Bitte, eine Zusatzfrage.

Günter Straßmeir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß keine anderen als die die unmittelbare Aufgabenstellung der Akademie betreffenden Gründe zur Vertagung des Projekts geführt haben?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß die Gründe, die ich dargelegt habe, dazu geführt haben, daß innerhalb der Bundesregierung aus finanziellen Gründen noch keine Entscheidung getroffen worden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf: Ist der Bundesminister für Wirtschaft angesichts der Welthungerlage immer noch der Meinung, daß die landwirtschaftliche Produktion ({0}) beschränkt werden sollte?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Der Bundesminister für Wirtschaft hat sich nicht für generelle Produktionseinschränkungen bei Agrarerzeugnissen in der Europäischen Gemeinschaft ausgesprochen, insbesondere nicht bei solchen Produkten, bei denen auf den Weltmärkten eine Mangelsituation vorhanden ist. Das trifft gegenwärtig für Zucker und Weizen zu. In der Europäischen Gemeinschaft bestehen bei einigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen Überschüsse, die am Weltmarkt nicht oder aber nur zu erheblich unter dem EG-Niveau liegenden Preisen absetzbar sind. Dabei handelt es sich im Augenblick um Butter, Magermilchpulver, Rindfleisch und Wein. Allgemeines Ziel der Gemeinschaft ist es jedoch, die Agrarmärkte zu stabilisieren. Eine bewußte Aufrechterhaltung der Überschußproduktion erscheint auch unter finanziellen und ökonomischen Aspekten wenig zweckmäßig. Schließlich entsprechen die genannten Erzeugnisse nur teilweise dem bestehenden Nahrungsmittelbedarf in den Ländern der Dritten Welt. Für eine nachhaltige Verbesserung der Weltversorgungslage mit Nahrungsmitteln dürfte es erfolgversprechender sein, gezielte Hilfen zur Förderung der Agrarproduktion in den Entwicklungsländern zu gewähren. Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion in diesen Ländern hat Bundesminister Ertl auf der gegenwärtig in Rom stattfindenden Welternährungskonferenz ausdrücklich als ernährungs- und entwicklungspolitisches Ziel der Bundesregierung genannt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wäre es nach Ihren Ausführungen nicht richtiger, anstatt von Überschüssen bei landwirtschaftlichen Produkten von Hungerhilfe zu reden und hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, das ist ein außerordentlich großes Problem, weil Überschüsse in Bereichen vorhanden sind, wo in den Entwicklungsländern kein Bedarf besteht. Selbstverständlich sind alle unsere agrarpolitischen Überlegungen immer auch mitbestimmt von den Problemen, die mit der Welthungerhilfe zusammenhängen. Es geht aber um das generelle Thema, daß wir der Meinung sind, daß die Entwicklungsländer ihre eigene Ernährungsbasis ausbauen und daß dazu im Rahmen der Entwicklungshilfe Beiträge geleistet werden sollten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär die Welternährungskonferenz in Rom hat eine weltweit kritisch gewordene Versorgungslage bei Nahrungsmitteln festgestellt. Sind Sie nicht der Meinung, daß angesichts des zunehmenden Hungers in der Welt die Industrieregionen insbesondere USA und Europa, aufgerufen sind, mehr Nahrungsmittel als bisher zu produzieren, um den verheerenden Auswirkungen des Hungers in der Welt zu begegnen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es müssen die Nahrungsmittel produziert werden, die in diesen Ländern gebraucht werden, und es müssen die riesigen Finanzierungsmittel bereitgestellt werden, um die Nahrungsmittel dann zu den Preisen in diese Länder zu schaffen, die dort akzeptiert werden können. Darin liegt das Problem. Wenn Sie heute etwa eine Subventionierung in diesen Bereichen fordern würden, so ist das ein riesiges Finanzproblem.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen!

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn Ihre Aussage richtig ist - und ich nehme das an -, daß es besser ist, die Entwicklungsländer dazu zu bringen, selbst mehr Nahrungsmittel zu produzieren: Können Sie sagen -, da diese Aussage schon seit 20 Jahren getroffen wird -, wie die Erfolge dieser Methode sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, Sie alle kennen die Probleme der Entwicklungsländer, und Sie alle wissen, daß die Erfolge in diesem Bereich, wenn Sie das global sehen, nicht als ausreichend betrachtet werden können, auch angesichts der relativ niedrigen Leistungen, die die Industrieländer im Bereich der Entwicklungspolitik bisher erbracht haben. Aber für mich ist das zentrale Problem, daß die Überschußproduktion, die angesprochen worden ist, bei uns in Butter, Magermilchpulver, Rindfleisch und Wein besteht und daß allein aus dieser Überschußproduktion nicht schon geschlossen werden kann, daß hier Möglichkeiten bestehen, etwa durch Hilfen in den Entwicklungsländern wirksame Abhilfe zu schaffen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger!

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mitteilen, wie hoch diese Überschüsse innerhalb der EG sind, wieviel man als Anteil für eine Vorratshaltung für 260 Millionen Menschen ansehen könnte, und kann man unter dem Aspekt dann überhaupt noch von einer Überproduktion reden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich bin leider auf diese Frage im Detail nicht vorbereitet. Der Landwirtschaftsminister ist ohne weiteres in der Lage, eine entsprechende Antwort zu geben, wenn Sie ihn danach fragen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie insbesondere darauf abstellen, daß es darauf ankomme, jene Lebensmittel zu produzieren, für die ein Bedarf bestehe, frage ich Sie: Teilen Sie meine Auffassung, daß sehr wohl ein Bedarf z. B. an Eiweiß über Milchpulver und Magermilchpulver ebenso wie bei Rindfleischkonserven - aus Gründen des Transports und der Verteilung - besteht, es aber von uns aus gesehen mehr oder weniger ein Problem der Verteilung und der Aufbringung der Mittel ist, die dieses Thema belasten, und nicht so sehr der Bedarf, der hier angesprochen wird?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es ist völlig richtig, daß das natürlich riesige Finanzprobleme aufwirft, die man in diesem Zusammenhang hier ruhig einmal erörtern sollte. Ich habe ja deutlich gesagt, daß das ein entscheidender Gesichtspunkt bei der ganzen Problematik ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie angesichts der hier herausgearbeiteten Problemlage meine Auffassung, daß zwischen der deutschen Agrarstrukturpolitik und der Entwicklungspolitik dieses Landes ein kaum auflösbarer Zusammenhang besteht und eine gemeinsame Linie dieser Politik bisher bestenfalls in Ansätzen erkennbar ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Schwierigkeiten, die hier angesprochen werden, liegen natürlich auch darin begründet, daß es entwicklungspolitisch generell - ohne hier auf den Einzelfall einzugehen - verfehlt wäre, etwa die Nahrungsmittelprobleme der Entwicklungsländer durch Nahrungsmittelsubventionen lösen zu wollen. Vielmehr ist es entwickungspolitisch richtig, dort Nahrungsmittel zu erzeugen, wo sie verbraucht werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gerlach.

Paul Gerlach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ich das alles, was Sie jetzt gesagt haben, als richtig unterstelle, warum hat dann der Bundesminister für Wirtschaft in seinem Buch „Mut zum Markt" die Situation ganz anders dargestellt, als es Ihrer Beantwortung entspricht, und den Eindruck erweckt, als müßte in Europa die landwirtschaftliche Produktion generell - nicht nur auf Teilgebieten, wie Sie sagen - beschränkt werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich habe mich in meiner Antwort darauf beschränkt, auf die Überschußproduktion hinzuweisen, die wir in Teilgebieten im europäischen Markt haben. Ich habe hier auf Teilaspekte geantwortet. Das Problem, das hier ausgeweitet wird, hat nichts damit zu tun, daß sich der Bundeswirtschaftsminister mit vollem Recht in seinem Buch mit den Problemen des europäischen Agrarmarkts beschäftigt hat. Er hat in seinem Buch nicht die Probleme erörtert, die etwa im Zusammenhang mit der Welthungerhilfe stehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, daß wir noch etwa zehn oder mehr Fragen zu dem haben, was eben angesprochen worden ist. - Zu dieser Frage wird keine Zusatzfrage mehr gestellt. Ich rufe die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Engelsberger auf: Wie sieht die Bundesregierung die Entwicklungsmöglichkeiten des bilateralen deutsch-sowjetischen Handels im Lichte seiner Entwicklung seit 1966 und der Ergänzungsfähigkeit der beiden Volkswirtschaften? Wo sieht die Bundesregierung Grenzen für deutsche Importe aus der Sowjetunion, bei deren Überschreiten eine wirtschafts und sicherheitspolitisch bedenkliche Abhängigkeit - vor allem in der Rohstoff- und Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland - erreicht wäre?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das Volumen des deutsch-sowjetischen Warenverkehrs lag 1966 bei 1,7 Milliarden DM, 1971 bei 2,9 Milliarden DM und wird 1974 bei etwa 8 Milliarden DM liegen. Gerade die gute Entwicklung in den Jahren seit 1971 läßt auch für die Zukunft erwarten, daß der Warenverkehr, der dem Potential der beteiligten Volkswirtschaften noch längst nicht entspricht, weiter erheblich anwachsen wird. Eine wichtige Triebkraft dieser Entwicklung liegt in der relativ guten Ergänzungsfähigkeit der beiden Volkswirtschaften. Die UdSSR hat bei vielen wichtigen Rohstoffen den größten oder einen sehr großen Anteil an den Weltvorräten; sie hat häufig günstigere energetische und umweltbedingte Voraussetzungen für die Aufbereitung dieser Rohstoffe. Die Bundesrepublik ist bekanntlich weitgehend auf Rohstoffimporte angewiesen, anderseits aber ein durch ihr technologisches Niveau begehrter Partner für die Rohstofferschließung und -aufbereitung. Die Bundesregierung wird darauf achten, daß kritische Abhängigkeitsschwellen nicht überschritten werden. Generelle Grenzwerte lassen sich dabei naturgemäß nicht festlegen. Im Einzelfall wird zu berücksichtigen sein, in welchem Maße Substitutionsmöglichkeiten der Vorratshaltung bestehen, welche Bedeutung der einzelne Rohstoff für die Volkswirtschaft hat und in welchem Umfang auch der Partner von deutschen Lieferungen abhängig wird. Die deutsch-sowjetischen Projekte, die bisher vereinbart wurden oder gegenwärtig noch verhandelt werden, sind in diesem Zusammenhang nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu beanstanden. In dem nach den jüngsten Erfahrungen besonders sorgfältig zu behandelnden Energiebereich deckt die UdSSR gegenwärtig 2,2 % unseres Primärenergiebedarfs. Selbst wenn alle gegenwärtig vorhandenen Projekte zur Durchführung kommen, wird dieser Anteil nur auf wenig über 6 % ansteigen und damit, selbst wenn man weitere 2 % aus anderen Ostblockländern einbezieht, noch erheblich unter einer kritischen Abhängigkeitsschwelle liegen. Daneben achtet die Bundesregierung auch auf die Vermeidung partieller Abhängigkeiten bei einzelnen Energieträgern. Bei Mineralöl und bei der öffentlichen Elektrizitätsversorgung hält sich der UdSSR-Anteil im Rahmen der erwähnten globalen Werte. Lediglich beim Erdgas werden bis 1985, wenn alle gegenwärtigen Projekte realisiert sind, an denen im übrigen das Land Bayern besonders beteiligt ist, höhere Werte erreicht, die allerdings noch deutlich unter 20 % bleiben. Die Bundesregierung sieht auch insoweit unter Berücksichtigung der eingangs erwähnten Umstände keine untragbare Abhängigkeit.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger, bitte.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind dem deutsch-sowjetischen Handel nicht dort Grenzen gesetzt, wo der Kreditberg, den die deutsche Wirtschaft für Lieferungen an die Sowjetunion zu übernehmen hat, eine gewisse Höhe übersteigt, und wird bei zunehmender Ausweitung des Geschäfts mit der Sowjetunion dieser Punkt nicht bald erreicht sein?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß wir der Meinung sind, daß der Handel mit der Sowjetunion noch lange nicht die Möglichkeiten abdeckt, die bei diesen beiden Volkswirtschaften vorhanden sind. Ich sehe deshalb auch von der Kreditseite im Augenblick keine Begrenzung dieser Handelsmöglichkeiten, wobei ich betone, daß wir keine Zinssubventionen gewähren, sondern daß es sich hier um Kredite handelt, die die beteiligten deutschen Unternehmen unter normalen Umständen am deutschen Kapitalmarkt aufnehmen müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die meisten deutschen Lieferungen an die Sowjetunion entweder durch langfristig laufende Gegenlieferungen wie bei Gas und Strom oder durch zinsgünstige langlaufende deutsche Kredite finanziert werden, frage ich Sie: Ist die Bundesregieung der Meinung, daß eine weitere Ausdehnung des deutschsowjetischen Handels auf dieser Basis möglich sein wird?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung ist dieser Meinung, zumal die Lieferungen der Sowjetunion, die insbesondere im Energiebereich vereinbart sind, jeweils wieder Ausgleichspositionen zu diesen Kreditpositionen schaffen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß auf Grund der politischen Verhältnisse und der Zugehörigkeit der Sowjetunion zum kommunistischen Block nicht berüksichtigt werden, daß wir bei Lieferungen bestimmter Güter und Ausrüstungen in die Sowjetunion die sowjetische Wirtschaft und das militärische Potential der Sowjetunion stärken, während wir z. B. bei Gas- und Strombezug in eine verhängnisvolle Abhängigkeit geraten können, die von der anderen Seite unter Umständen als politisches Druckmittel ausgenützt werden könnte?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich teile diese Auffassung nicht, weil wir in unserem Welthandel generell und weltweit in Abhängigkeiten stehen. Einer solchen Abhängigkeit kann sich im übrigen auch die Sowjetunion nicht entziehen. Sie würde sonst nämlich diesen intensiven Handel mit der westlichen Welt und insbesondere mit der Bundesrepublik nicht anstreben. Es ist allerdings richtig, daß wir in Abhängigkeiten geraten, nicht nur gegenüber der UdSSR, sondern ganz sichtbar auch etwa gegenüber dem Nahen Osten, aber natürlich auch gegenüber unseren westlichen Industriepartnern und deren Handelspolitik. Wir sind in ein weltweites System eingebunden, in dem solche Abhängigkeiten bestehen. Ich möchte hinzufügen, daß in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage der bestehende Osthandel, der weit unterhalb dessen liegt, was die beiden Volkswirtschaften an sich leisten könnten, auch einen wirksamen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunkturlage bei uns leistet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ihre letzte Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, erscheint es der Bundesregierung ratsam, die deutsche Wirtschaft zur weiteren Erschließung der Rohstoffreserven der Sowjetunion einzusetzen, angesichts der Tatsache, daß uns Rußland durch seine massive Aufrüstung zu Milliardenausgaben für unsere Verteidigung zwingt, und ist es nicht eine dringliche Aufgabe der deutschen Wirtschaft, sich an der Erschließung der Rohstoffquellen der westlichen Welt verstärkt zu beteiligen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, es ist Ihnen bekannt, auch auf Grund des Energieprogramms der Bundesregierung, daß wir eine Politik der Diversifizierung des Risikos gerade im Energiebereich betreiben. Unsere Politik gegenüber der Sowjetunion ist auch darauf ausgerichtet, durch eine Verstärkung des Handels einen Beitrag zu mehr Sicherheit und zu mehr gegenseitiger Abhängigkeit zu leisten, weil wir der Meinung sind, daß die von Ihnen aufgezeigten Gefahren damit zwar nicht beseitigt, aber jedenfalls erheblich vermindert werden können. Wollte man Ihren Einlassungen folgen, müßte man den Handel mit der Sowjetunion einschränken bzw. überhaupt sperren, denn es gibt ja keinen Handelsaustausch, der nicht wirklich dem Partner nützt; sonst würde ein solcher Handelsaustausch ja nicht betrieben werden. Ich halte insofern Ihre Anregung einfach nicht für durchdacht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung bei dem Ausgleich der Zahlungsbilanz zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik auch an den Import von Nahrungsmitteln aus der Sowjetunion?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, die Handelsabkommen mit der Sowjetunion beziehen Nahrungsmittel in beschränktem Umfang ein. Sie kennen ja die Regelungen, die wir in der Europäischen Gemeinschaft für die Nahrungsmitteleinfuhr haben. Das heißt, es ist hier eine sehr strenge Begrenzung gezogen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Frage 13 des Herrn Abgeordneten Schedl wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Spranger auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung für den Fall getroffen, daß es auf Grund politischer Auseinandersetzungen im Nahen Osten in nächster Zeit, wie im vergangenen Jahr, zu einer teilweisen oder umfassenden Sperrung der Mineralölzufuhr aus arabischen Staaten kommt, und für wie lange wäre nach Ansicht der Bundesregierung die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger mit notwendigem Mineralöl dann zum jetzigen Zeitpunkt garantiert?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Auf Grund der Erfahrungen mit der Mineralölversorgungskrise des Winters 1973/74 hat die Bundesregierung einem Übereinkommen über ein internationales Energieprogramm zugestimmt, dem die bedeutendsten Industrieländer angehören und dessen formale Zeichnung für den 18. November dieses Jahres vorgesehen ist. Das Übereinkommen sieht unter anderem einen gemeinsamen Krisenmechanismus vor, der jedes Mitgliedsland verpflichtet, kurzfristig Maßnahmen zur Beschränkung der Ölnachfrage treffen zu können und die im Falle von Versorgungsstörungen verfügbaren Rohöle in ein gemeinsames Ölverteilungssystem einzubringen. Dieser Krisenmechanismus würde automatisch in Aktion treten, wenn alle Mitgliedsländer oder auch nur ein einzelnes Mitgliedsland von diesen Kürzungen betroffen wären. Zur Beschränkung der Ölnachfrage steht der Bundesregierung als Rechtsgrundlage das Energiesicherungsgesetz zur Verfügung. Auf dieser Rechtsgrundlage können kurzfristig Rechtsverordnungen zur Beschränkung des Verbrauchs an leichtem und schwerem Heizöl sowie an Treibstoffen erlassen werden. Die Mineralölbevorratung in der Bundesrepublik hat am 1. Oktober dieses Jahres mit rund 25 Millionen t bei den Raffinerien und Importeuren den bisherigen Höchststand erreicht und liegt etwa 1,2 Millionen t höher als vor einem Jahr. Diese Vorräte entsprechen einem Normalverbrauch von rund 80 Tagen. Bei einem Anteil der Erdöleinfuhren aus den arabischen Staaten an der deutschen Erdölgesamteinfuhr von rund 71 % würden diese Vorräte bei vollständigem Ausfall der arabischen Lieferungen etwa 112 Tage reichen. Zu diesen Vorräten bei den Raffinerien und den Mineralölimporteuren kommen Vorräte beim Mineralölhandel, insbesondere beim Heizölhandel und bei den Tankstellen, sowie bei den Verbrauchern. Die Bevorratung der privaten Haushalte und im gewerblichen Sektor mit leichtem Heizöl wird auf rund 21 Millionen t geschätzt; das entspricht im Jahresdurchschnitt einer Reichweite von ca. 6 Monaten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Spranger.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist auf Grund des von Ihnen erwähnten Übereinkommens auch sichergestellt, daß im Falle einer möglichen Ölkrise eine bessere Koordination der EWG-Länder, als sie bei der letzten Ölkrise festzustellen war, stattfindet?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das ist das Ziel, das unter anderem mit diesem Übereinkommen angestrebt wird und das ja auch im Bundestag noch zur Debatte stehen wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, noch eine Zusatzfrage.

Carl Dieter Spranger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es der Bundesregierung seit der letzten Ölkrise gelungen, durch Abschluß bilateraler Lieferverträge eine verbesserte Ölversorgung im Falle einer solchen Krise sicherzustellen? Grüner, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es sind zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden, aber es kann keine Aussage darüber gemacht werden, wie sich diese Vereinbarungen im Falle einer Krise bewähren werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Frage 15 des Herrn Abgeordneten Tillmann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 16 des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf: Inwieweit sind die Bundesregierung und der Planungsausschuß unter Beachtung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" in der Lage, den Vorstellungen des Landes Niedersachsen bezüglich seiner Anmeldung zum 4. Rahmenplan zu folgen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wie ich Ihnen und Herrn Kollegen Carstens bereits in der letzten Fragestunde mitgeteilt habe, liegen noch keine offiziellen Anmeldungen der Länder vor. Daher kann Ihre Frage erst beantwortet werden, wenn die Bundesregierung alle Anmeldungen kennt und sie geprüft hat, wobei ich darauf hinweisen möchte, daß die Bundesregierung nur für sich selbst und nicht für den Planungsausschuß Auskunft geben kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte!

Franz Josef Nordlohne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001624, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich den Widerspruch zwischen der soeben von Ihnen gegebenen Antwort und dem letzten Abschnitt der Begründung der Vorlage zur niedersächsischen Anmeldung zum 4. Rahmenplan durch Ministerpräsident Kubel, in der es heißt: Der Bundesminister für Wirtschaft hat zu erkennen gegeben, daß er der niedersächsischen Anmeldung im großen und ganzen zustimmen könne?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich habe ausdrücklich daraus hingewiesen, daß die Bundesregierung diese Frage erst beantworten kann, wenn die Anmeldungen komplett vorliegen. Das, worauf Sie Bezug nehmen, ist ein informeller Kontakt des Wirtschaftsministers von Niedersachsen mit dem Bundeswirtschaftsminister. Daraus eine Entscheidung herzuleiten, ist allerdings nicht möglich. Die von Ihnen zitierte Äußerung gibt diesen Tatbestand ja wohl auch richtig wieder.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Zusatzfragen? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter!

Franz Josef Nordlohne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001624, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen vom gestrigen Tage zu, wonach Ministerialdirigent Dr. Nóe aus Ihrem Hause in der vergangenen Woche einigen SPD-Vertretern aus Südoldenburg erklärt haben soll, der Bund sei skeptisch, was einen Teil der Gesamtkonzeption des niedersächsischen Kabinetts angehe, und glaube, daß diese nur teilweise den Beschlüssen des Planungsausschusses entspreche und in der jetzigen Form wohl auch nur zum Teil die Zustimmung des Planungsausschusses finden werde?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich kann diese Pressemeldungen nicht bestätigen. Im übrigen sind Ihre Kontakte mit den Fachbeamten unseres Hauses ja so eng, daß ich glaube, daß Sie über alles, was wir sagen können, bestens Bescheid wissen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen zu diesem Punkt. Dann rufe ich auf die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Nordlohne: Bestand in der Planungsausschußsitzung am 21. August 1974 ein Einvernehmen der Ausschußmitglieder darüber, daß aus den sogenannten Klemmer-Regionen, wie sie durch das Zugrundelegen von Abgrenzungskriterien entstanden sind, ganze Gebiete wieder herausfallen können, wenn die Länder dieses bei ihren Anmeldungen zum 4. Rahmenplan vorschlagen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Unter den Mitgliedern des Planungsausschusses bestand Einvernehmen darüber, daß die Länder von den Spielräumen, die die Grundsatzbeschlüsse des Ausschusses zulassen, in ihren Anmeldungen zum 4. Rahmenplan Gebrauch machen können. Über diese Spielräume sind Sie durch den Brief von Herrn Minister Dr. Friderichs vom 23. August und durch mich im Verlaufe mehrerer Fragestunden informiert worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte!

Franz Josef Nordlohne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001624, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß nicht das ganze Gutachterverfahren im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Beschlusses des Planungsausschusses vom 21. August 1974 in Frage gestellt werden, wenn inzwischen die klaren Fakten - nämlich Abgrenzung und Ausweisung von förderungswürdigen Arbeitsmarktregionen als Einheiten der Wirtschaftsaktivität nach der Bewertung des Einkommensniveaus, des Arbeitsplatzdefizits und der Ausstattung mit Infrastruktur - durch politische Absichten und Vorhaben ersetzt werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich glaube nicht, daß ein solcher Verdacht begründet ist. Aber ich glaube, daß es richtig wäre, die Entscheidungen des Planungsausschusses und die offiziellen Anmeldungen des Landes Niedersachsen abzuwarten. Dann läßt sich nämlich beurteilen, ob Anlaß zu einer solchen Kritik besteht oder nicht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? - Bitte!

Franz Josef Nordlohne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001624, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich abschließend, um dieses Thema möglicherweise auch von unserer Seite aus vom Tisch zu bringen, an Sie die Frage richten, ob die Bundesregierung bereit ist, sich im Planungsausschuß, in dem der Wirtschaftsminister den Vorsitz hat, dafür einzusetzen und zu verwenden, daß die Probleme, die durch das Herausfallen der gesamten Arbeitsmarkt- oder Klemmerregion Nr. 15 - das ist der Bereich Oldenburg - entstanden sind und die auch nicht durch die Anmeldung des Landes Niedersachsen zum 4. Rahmenplan beseitigt werden, so gelöst werden, daß im Nordwesten des Landes Niedersachsen in dieser Frage wieder Ruhe unter den Gemeinden und der Bevölkerung eintritt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich kann der Entscheidung der Bundesregierung über ihre Haltung im Planungsausschuß in einer Einzelfrage, deren Problematik mir auch nicht so zugänglich ist, nicht vorgreifen. Wir sind darauf angewiesen, daß alle Anmeldungen aller Länder vorliegen. Das Gesamtpaket dieser Anmeldungen wird dann gemeinsam mit den Ländern und unter Berücksichtigung der Voten dieser Länder -auch zu solchen Spezialfragen, wie Sie sie anschneiden - unsere Entscheidung maßgeblich mitbestimmen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß mir eine darüber hinausgehende Aussage nicht möglich ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich nunmehr die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler ({0}) auf: Welche Anstrengungen, z. B. in Form von Bürgschaften oder Maßnahmen der Exportkreditförderung hat die Bundesregierung nach Artikel 3 des Abkommens zur weiteren Entwicklung der deutsch-sowjetischen wirtsdiaftlichen Zusammenarbeit direkt oder indirekt in Aussicht gestellt, damit Finanzierungen unter Einschluß von Krediten im Rahmen der in jedem der beiden Staaten bestehenden Regelungen zu möglichst günstigen Bedingungen gewährt werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wären Sie damit einverstanden, Herr Kollege, daß ich auch diese beiden Fragen im Zusammenhang beantworte? ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie bekommen vier Fragen. ({0}) Dann rufe ich gleichzeitig die Frage 19 auf: Über welche rechtlichen oder faktischen Sicherungen verfügt die Bundesregierung, um bei den in Artikel 6 und 8 des genannten Abkommens aufgeführten Möglichkeiten der Zusammenarbeit Probleme des allgemeinen, nicht diskriminierten Rechtsschutzes, des Patentschutzes und des Niederlassungsrechts sowie bisher aufgetretene Behinderungen von Berliner Firmen zu regeln?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Artikel 3 des Abkommens entspricht der in allen bisher mit Staatshandelsländern abgeschlossenen Kooperationsabkommen üblichen Kreditklausel. In Ausführung dieser Kreditklausel werden lediglich die auch sonst im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland gewährten Ausfuhrbürgschaften zur Verfügung gestellt. Das gilt auch für unsere Exporte in die UdSSR. Wie der Bundeskanzler in seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag vom 6. November zum Ausdruck gebracht hat, konnte er den sowjetischen Vertragspartnern klarmachen, daß Zinssubventionen nicht in Betracht kommen. Artikel 6 des Abkommens schafft hinsichtlich des Rechtsschutzes für Kooperationsbeiträge deutscher Unternehmen keine neuen Bedingungen. Deutsche Unternehmer können sich entsprechend ihren Bedürfnissen vertraglich absichern, z. B. hinsichtlich der Weitergabe von Know-how. Sollten Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung auftreten, so kann notfalls die Bundesregierung in der gemeinsamen Wirtschaftskommission oder auf diplomatischem Wege vermittelnd tätig werden. Die Wirtschaftskommission soll die Durchführung des Kooperationsabkommens vom 19. Mai 1973, das beide Regierungen zur Unterstützung der Kooperation verpflichtet, erleichtern. Bei Patenten gilt außerdem die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums in der Fassung von 1967, der die UdSSR 1970 beigetreten ist. Artikel 8 des Abkommens soll u. a. die Tätigkeit deutscher Firmenvertretungen erleichtern. Ausländische Niederlassungen mit Eigentum an Produktionsvermögen sind in der UdSSR nach wie vor nicht zugelassen. Die Unterstützung der Bundesregierung kann nach Art. 10 des Abkommens auch für Berliner Firmen gewährt werden. Bei dem Kooperationsabkommen vom 19. Mai 1973, das die gleiche Berlin-Klausel enthält, sind keine praktischen Schwierigkeiten aufgetreten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Dr. Köhler!

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß keinerlei besondere, über das normale Maß hinausgehende Maßnahmen oder Anstrengungen der Exportkreditförderung direkt oder indirekt zugesagt worden sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Sie haben mich richtig verstanden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich danach fragen, ob Ihr Haus jetzt schon Größenvorstellungen hat, in welchem Maße hier im normalen Rahmen Exportkreditförderungsmaßnahmen nötig sein werden.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es handelt sich um die normale Gewährung von Krediten, die deutsche Firmen auf dem deutschen Kapitalmarkt in Anspruch nehmen müssen und deren Möglichkeiten von daher auch begrenzt sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Dritte Zusatzfrage, bitte!

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist im Rahmen des Patentschutzes sichergestellt, daß das Bundespatentamt in München auch für Berliner Unternehmen tätig werden kann?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das ist durch die von mir erwähnte Berlin-Klausel sichergestellt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Zusatzfrage, bitte!

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in Art. 8 ist von der Bildung gemischter deutsch-sowjetischer Gesellschaften in der Bundesrepublik die Rede. Welche Gründe haben gegen die Bildung ähnlicher gemischter Firmen in der Sowjetunion gesprochen, warum ist diese Kooperation hier also einseitig auf die Bundesrepublik bezogen worden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Sowjetunion möchte keine ausländischen Kapitalbeteiligungen in ihrem Lande zulassen. Das gilt auch für die von Ihnen angesprochenen gemischten Gesellschaften. Eine Ausnahme gibt es im Bereich Rumäniens und auch im Bereich Ungarns. Die Sowjetunion hat das bisher nicht für richtig gehalten, und wir respektieren selbstverständlich eine solche Entscheidung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Lenders auf: Sind die von der Bundesregierung in der Beantwortung meiner Anfragen zum Problem der Preiserhöhungen für Erdgas vom 24. Juli und 19. September 1974 angekündigten Ermittlungen des Bundeskartellamts, insbesondere die Frage, „inwieweit es zulässig ist, den außergewöhnlich starken Anstieg der Heizölpreise während der Mineralölkrise bei der Gestaltung der Erdgaspreise im Rahmen der Preisanpassungsklauseln zu berücksichtigen", mittlerweile abgeschlossen oder so weit fortgeschritten, daß ein Ergebnis sich abzeichnet, und wenn ja, welche geeigneten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung bzw. das Bundeskartellamt zu ergreifen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die in den Antworten der Bundesregierung vom 24. Juli und 19. September angekündigten Ermittlungen des Bundeskartellamts zu den beabsichtigten Gaspreiserhöhungen konnten bisher noch nicht abgeschlossen werden. Das Kartellamt hatte bereits im Juli dieses Jahres an die Ferngasgesellschaften in der Bundesrepublik einen umfassenden Fragebogen über die Preis- und Kostenentwicklung für Erdgas gerichtet. Die Gesellschaften halten ein Vorgehen des Amtes auf Grund der Mißbrauchsvorschriften des Kartellgesetzes für nicht gerechtfertigt, da sie nicht marktbeherrschend seien und die von ihnen beabsichtigten Gaspreiserhöhungen in vollem Umfang von der in Erdgaslieferverträgen üblichen Heizölklausel gedeckt würden. Sie haben sich daher ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu einer Beantwortung des Fragebogens nur insoweit bereit erklärt, als sich die Fragen auf die Preisentwicklung beziehen. Auskünfte über ihre Kostensituation lehnen sie aber mit der Begründung ab, daß diese für die Prüfungen des Kartellamts rechtlich unerheblich sei. Die ersten Antworten, die keine Angaben über Kostenfaktoren enthalten, sind vor kurzen beim Bundeskartellamt eingegangen. Von der Auswertung dieser Antworten wird es abhängen, wie das Kartellamt weiter verfährt und ob es insbesondere einen förmlichen Auskunftsbeschluß nach § 46 des Kartellgesetzes gegenüber den Ferngasgesellschaften erläßt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenders.

Helmut Lenders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wird das Wirtschaftsministerium, da auf Grund der gestiegenen Heizölpreise zur Zeit immer wieder Preiserhöhungen für Erdgas angekündigt werden, darauf drängen, daß die Prüfungen des Bundeskartellamts bald abgeschlossen werden, weil es sonst unter Umständen zu spät sein könnte?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wir drängen darauf, und wir haben auch die Absicht, in Kürze entsprechende Gespräche zu führen, die außerhalb der Verantwortung des Kartellamtes stehen und die uns die Möglichkeit geben sollen, uns einen unmittelbaren Eindruck von der Lage zu verschaffen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Helmut Lenders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Ihre Antwort, was die Nachvollziehung der Heizölpreissprünge des vergangenen und Anfang dieses Jahres angeht, so verstehen, daß hinsichtlich der Preisankündigung von seiten der Erdgaslieferanten sowohl eine rechtliche als auch politische Überprüfung erfolgt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich möchte in diesem Zusammenhang das Wort „politisch" nicht bestätigen, weil es vielleicht mißdeutbar ist. Ich möchte aber die außerordentliche Bedeutung dieser Frage für unser Energiepreisniveau und für unser gesamtes Kostenniveau unterstreichen. Dabei füge ich hinzu, daß wir natürlich wissen, wie enorm die Kostensteigerungen in diesem Bereich sind und wie enorm die Kosten sind, die durch entsprechendes Vorhalten von Erdgas für die Zukunft entstehen. Denken sie etwa an die Verträge, über die Ferngasgesellschaften im internationalen Bereich im Augenblick zu verhandeln haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie den Vorgang aus der Sicht der Betroffenen und aus der Sicht des Kartellamtes dargestellt haben, möchte ich Sie fragen, ob sich auch die Bundesregierung zu diesen Vorgängen eine eigene Meinung gebildet hat, und wenn ja, welche.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich habe, Herr Kollege Hansen, darauf hingewiesen, daß der Bundeswirtschaftsminister die Absicht hat, sich in das Verfahren insoweit einzuschalten, als es sich für ihn darum handelt, sich mit den Ferngasgesellschaften als Gesprächspartner in Verbindung zu setzen. Ich glaube, daß meine Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Lenders auch deutlich macht, welche außerordentliche Bedeutung wir im Interesse der Bevölkerung der Preisentwicklung auf diesem Gebiete beimessen. Dabei sind wir selbstverständlich davon abhängig, von den Ferngasgesellschaften über Fakten unterrichtet zu werden, die uns im Augenblick noch nicht in dem Maße zur Verfügung stehen, wie sie das Kartellamt zu erheben sucht; es hat sie allerdings noch nicht in vollem Umfange zur Verfügung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Stahl ({0}) auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, im Rahmen des 950-Millionen-Konjunkturprogramms für die Auftragsvergaben der Projekte der öffentlichen Hand konventionelle Bauweise festzulegen, damit der erwünschte Beschäftigungseffekt der in den einzelnen Gemeinden und Städten bezuschußten Bauvorhaben tatsächlich und unverzüglich zum Tragen kommt? Bitte sehr, Herr Staatssekretär! Grüner, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Maßnahmen des 950-Millionen-DM-Sonderprogramms werden gezielt in Gebieten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Beschäftigungslage im Baubereich durchgeführt. Bei der Vergabe der Aufträge muß nach Meinung der Bundesregierung auch die Wirtschaftlichkeit der Bauweise maßgebend sein. Sie hat daher bei der Aufstellung der Kriterien für die einzelnen Maßnahmen bewußt davon abgesehen, die eine oder andere Bauweise von vornherein zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Das Sonderprogramm dürfte primär der konventionellen Bauweise zugute kommen. Aber selbst bei Auftragsvergaben in der Fertigbauweise wird der gewünschte regionale Beschäftigungseffekt im allgemeinen erreicht, weil die betreffenden Fertigbauunternehmer ihren Standort häufig in der gleichen Region oder der näheren Umgebung haben. Im Jahre 1973 betrug der Anteil des Fertigbaus - gemessen in Kubikmeter umbauten Raumes an der gesamten Baugenehmigung - bei Wohngebäuden 8,6 % und bei Nichtwohngebäuden 25,7 %. Der Anteil der Fertigbauweise ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Die Bundesregierung begrüßt aus stabilitätspolitischer Sicht alle Anstrengungen im Baubereich, die auf eine Rationalisierung und Industrialisierung des Baugeschehens hinwirken.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Stahl ({0}).

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben davon, daß rund 25 % der Bauten in der Bundesrepublik in Fertigbauweise erstellt werden. Wie hoch ist der Anteil der ausländischen Firmen, die sich an der Fertigbauweise beteiligen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich muß diese Zahlen noch einmal wiederholen. Ich habe davon gesprochen, daß der Anteil der Fertigbauweise bei Wohngebäuden 8,6 % und nur bei Nichtwohngebäuden 25,7 % beträgt. Die Zusatzfrage kann ich aus Mangel an Unterlagen nicht beantworten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage, bitte!

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, es gibt aber auch Gegenden, in denen die betreffenden Fertigbauunternehmer ihren Standort nicht in der gleichen Region oder näheren Umgebung haben. Halten Sie es in einem solchen Falle für richtig, daß die Fertigbauweise durch die jeweiligen Landesregierungen besonders gefördert wird, obwohl in den einzelnen Orten im Bereich der Bauindustrie große Arbeitslosigkeit herrscht?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Wir haben in diesem regionalen Sonderprogramm ja durch einen Hinweis auf die Möglichkeit der beschränkten Ausschreibung und den Zusatz, daß ein lokaler oder regionaler Beschäftigungseffekt erzielt werden soll, ausdrücklich unserem Wunsch Ausdruck gegeben, daß bei der Vergabe auf Grund dieses Sonderprogramms speziell die lokale und regionale Beschäftigungslage Berücksichtigung finden soll. Dem haben die Länder zugestimmt. Wir haben keine Veranlassung, anzunehmen, daß bei der Vergabe dieser Mittel etwa nach anderen Kriterien verfahren wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Hinblick darauf, daß der Herr Kollege Stahl bei der Frage die Katze nicht aus dem Sack lassen will, frage ich Sie, Herr Staatssekretär: Sehen Sie eine Möglichkeit, holländische Firmen bei der Vergabe von Fertigbauten auf Grund des Konjunkturprogramms nicht zu berücksichtigen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Nein, das ist generell nicht möglich. Aber infolge der verkürzten Ausschreibung und der kurzen Zeit, die für die Abgabe eines Angebots überhaupt nur zur Verfügung steht, verbunden mit der zusätzlichen Auflage, einen regionalen bzw. lokalen Beschäftigungseffekt zu erzielen, wird es ausländischen Firmen kaum möglich sein, bei solchen Ausschreibungen berücksichtigt zu werden. Aber ich bin gern bereit, wenn die Anmeldungen der Länder vorliegen und wir darüber Unterlagen haben - das ist im Augenblick noch nicht der Fall -, auf eine solche Frage dann auch an Hand konkreter Aussagen eine Antwort zu geben. Es ist jedenfalls rechtlich nicht möglich, einen Ausschließlichkeitsanspruch zu postulieren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Stahl ({0}) auf: Wird die Bundesregierung die Lander auffordern, bei der Genehmigung der zu fördernden Projekte dem Tatbestand ({1}) Rechnung zu tragen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Zur Sicherung der Wirksamkeit des Sonderprogramms müssen die Maßnahmen bestimmte Kriterien erfüllen. So ist bei der Auftragsvergabe u. a. darauf zu achten, däß kleine und mittlere Unternehmen hinreichend berücksichtigt werden. Um soweit wie möglich zu gewährleisten, daß die durch die Auftragsvergaben ausgelösten Beschäftigungseffekte lokal gezielt in den Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit erreicht werden, hat die Bundesregierung ausdrücklich auf die Möglichkeit der sogenannten beschränkten Ausschreibung hingewiesen. Eine entsprechende Formulierung ist insbesondere in die mit den Ländern abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarungen zur Durchführung des kommunalen Infrastrukturprogramms aufgenommen worden. Im übrigen haben die Länderwirtschaftsminister im Konjunkturrat für die öffentliche Hand am 23. September und die Länderfinanzminister im Finanzplanungsrat am 24. September den Kriterien zugestimmt, so daß eine nochmalige Aufforderung unnötig erscheint.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl? - Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 113 der Frau Abgeordneten Däubler-Gmelin auf: Trifft es zu, daß unter die durch § 4 Abs. '1 a der Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Garantien für Kapitalanlagen im Ausland ({0}) und der entsprechenden Bestimmungen der Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Bürgschaften für Forderungen aus ungebundenen Finanzkrediten an Regierungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Ausland ({1}) und der Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Garantien für Forderungen aus ungebundenen Finanzkrediten an private ausländische Schuldner ({2}) abgedeckten Risiken auch Arbeitsniederlegungen in Unternehmungen im Ausland verstanden werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Kapitalanlagegarantien des Bundes haben die Aufgabe, den Investor gegen die nicht kalkulierbaren politischen Risiken der Entwicklungsländer abzusichern. Es kommt deshalb darauf an, ob Arbeitsniederlegungen den politischen oder den wirtschaftlichen Risiken zuzurechnen sind. Normale Lohnstreiks gehören mit Sicherheit dem wirtschaftlichen Risikobereich an. Dagegen ist nicht auszuschließen, daß politisch motivierte, von hoher Hand gestützte, gezielt gegen das Auslandsunternehmen gerichtete Arbeitsniederlegungen den politischen Risiken zuzurechnen sind und damit unter § 4 Abs. 1 Buchstabe a der Allgemeinen Bedingungen für die Übernahme von Garantien für Kapitalanlagen im Ausland fallen. Ob ein solcher Fall gegeben ist, kann nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls gesagt werden. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich bitte um etwas Ruhe auf der Tribüne. Der Redner kann sich kaum verständlich machen.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Bisher sind derartige Fälle jedoch noch nicht aufgetreten. Im Gegensatz zu den Kapitalanlagegarantien, die den Investor nur gegen politische Risiken absichern, deckt der Bund bei den Bürgschaften und Garantien für ungebundene Finanzkredite auch das Risiko, daß der ausländische Schuldner die Finanzgerichtsforderungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllt. Auf die Gründe für die Zahlungsunfähigkeit bzw. Nichterfüllung kommt es nicht an. Es ist daher vorstellbar, daß im Einzelfall auch eine Arbeitsniederlegung zur Zahlungsunfähigkeit bzw. Nichterfüllung der Forderungen führt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete!

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wer trägt die Beweislast für die Art des Streiks, die hier vorliegen soll, und wird von seiten der Bundesregierung bzw. der zuständigen Stelle die Grundregel des deutschen kollektiven Arbeitsrechts zugrunde gelegt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Es ist selbstverständlich, daß der, der die Mittel beantragt, darlegen muß, daß er einen Anspruch darauf hat. Da wir bisher derartige Fälle nicht zu verzeichnen hatten, fehlt es auch an einer Praxis im Bereich der Auslegung solcher Fälle.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Abgeordneter!

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob es in vergleichbaren Ländern ähnliche Regelungen gibt und, wenn dies der Fall sein sollte, ob derartige Regelungen womöglich durch internationale Übereinkünfte normiert sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich kann Ihnen leider, Herr Kollege Rapp, das jetzt nicht konkret sagen, da mir vergleichbare Unterlagen hier nicht zur Verfügung stehen. Aber ich bin gerne bereit, dieser Frage nachzugehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 114 der Frau Abgeordneten Däubler-Gmelin auf. ({0}) - Hat sich erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit ist Ihr Geschäftsbereich beendet. Ich rufe nunmehr auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander steht zur Beantwortung zur Verfügung. Frage Nr. 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers: Entspricht es den gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung, daß bei der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Januar 1975 das gesetzlich zu gewährende Kindergeld dem Einkommen hinzugerechnet bzw. von der Hilfe zum Lebensunterhalt abgezogen wird, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegebenenfalls diesem Umstand generell oder in Härtefällen abzuhelfen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Die nach geltendem Recht vorgenommene Anrechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe, insbesondere auf die Hilfe zum Lebensunterhalt, ergibt sich aus der Anwendung des Nachranggrundsatzes im § 2 des Bundessozialhilfegesetzes. Danach erhält Sozialhilfe nur derjenige, der keine oder keine ausreichenden Eigenmittel zur Deckung seines Lebensbedarfs zur Verfügung hat und der auch von anderen Personen oder Stellen, z. B. von unterhaltspflichtigen Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, keine ausreichende Hilfe erhält. Das bedeutet grundsätzlich, daß die Sozialhilfe bei völliger Mittellosigkeit den gesamten Lebensbedarf deckt, bei vorhandenen Mitteln aber nur ergänzend hinzukommt. Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen wird nach Regelsätzen bemessen; die Regelsätze für Kinder sind altersmäßig gestaffelt und berücksichtigen den besonderen Bedarf in vollem Umfang. Sie betragen zur Zeit im Bundesdurchschnitt für Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres 107 DM, bis zur Vollendung des 11. Lebensjahres 155 DM, bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres 180 DM, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres 205 DM, von Beginn des 22. Lebensjahres an 191 DM. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt für Kinder liegen damit auch nach dem 1. Januar 1975 höher als das auf ein Kind entfallende Kindergeld nach § 12 Abs. 4 des Bundeskindergeldgesetzes. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Regelsätze unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten meist alljährlich neu festgesetzt werden. Infolge des Nachranggrundsatzes muß das Kindergeld bei der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet werden. Eine teilweise oder volle Nichtanrechnung des Kindergeldes würde dazu führen, daß derselbe Bedarf zu mehr als hundert Prozent mit öffentlichen Mitteln befriedigt würde. Möglichkeiten zur Verbesserung der finanziellen Lage der kindergeldberechtigten Sozialhilfeempfänger werden im Rahmen der eingeleiteten Untersuchungen zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe geprüft.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Evers!

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nimmt es demnach die Bundesregierung in Kauf, daß für den hier in Frage stehenden Personenkreis durch die neue Kindergeldregelung keine Verbesserung eintritt, sondern daß dadurch, daß andere Personenkreise bessergestellt werden, sogar eine relative Verschlechterung eintritt?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Dr. Evers, von „Inkaufnehmen" oder - wie es in Ihrer Frage heißt - „den gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung" kann bei dieser Frage hier nicht die Rede sein. Wir handeln nach den gesetzlichen Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes. Dieses sieht den Nachranggrundsatz vor.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 24 und 25 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Damit ist Ihr Geschäftsbereich beendet; ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe nunmehr auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jung steht zur Beantwortung zur Verfügung. Frage 26 des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) ! - Ich sehe ihn nicht im Raum. Die Frage wild schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 27. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage 28 des Herrn Abgeordneten Hoffie! - Der Abgeordnete hat vorübergehend den Saal verlassen. Die Frage wird daher zurückgestellt. Die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vokkenhausen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst: Trifft die Meldung des Tagesspiegel" vorn 1. November 1974 zu, die Ostberliner Reichsbahn habe vom 1. November 1974 an die Tarife für Reisegepäck im Verkehr von und nach Berlin erhöht, und was hat - bejahendenfalls - die Bundesregierung gegen diese neuerliche Belastung des Berlinverkehrs unternommen?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Dr. Jobst, es trifft zu, daß die Deutsche Reichsbahn zum 1. November 1974 die Frachtsätze für Reisegepäck nicht nur im Verkehr Deutsche Bundesbahn / Deutsche Reichsbahn, sondern im gesamten grenzüberschreitenden Verkehr mit den westeuropäischen Ländern erhöht hat. Von dieser Maßnahme ist auch der Verkehr mit Berlin ({0}) betroffen. Angesichts der bestehenden Sach- und Rechtslage hatte die Bundesregierung keine Möglichkeit, die Einführung der erhöhten Gepäckfrachten zu verhindern. Die Bundesregierung hat jedoch in der Kommission nach Artikel 19 des Transitabkommens klargestellt, daß auch die Tarifgestaltung der Deutschen Reichsbahn der in Artikel 2 Abs. 1 des Transitabkommens enthaltenen Bestimmung unterliegt, wonach der Transitverkehr ohne Behinderung sein und in der einfachsten, schnellsten und günstigsten Weise erfolgen soll, wie es in der internationalen Praxis vorzufinden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem nicht nur die Tarife für den Reisegepäckverkehr, sondern, wie sich jetzt herausgestellt hat, auch die Fahrpreise im Reiseverkehr wie auch die Frachttarife für den Güterverkehr im Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Berlin erhöht worden sind, frage ich Sie: Sehen Sie in diesem Verhalten der Deutschen Reichsbahn in der Ostzone nicht eine Diskriminierung der Berliner Wirtschaft und eine Erschwerung des Reiseverkehrs von und nach Berlin und der Bundesrepublik?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Dr. Jobst, ich glaube, ich muß dabei darauf aufmerksam machen, daß die rechtliche Grundlage für den Eisenbahnverkehr mit der DDR gemäß Artikel 11 des Verkehrsvertrages das „Internationale Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr", auf dem der „Gemeinsame internationale Tarif für die Beförderung von Personen und Reisegepäck" basiert, ist. Innerhalb dieses Tarifes hat die Deutsche Reichsbahn zum 1. November 1974 in der Tat alle die von Ihnen genannten Tarife um etwa 20 °/o erhöht. Sie hat damit den Versuch unternommen, ihr Tarifniveau dem der westeuropäischen Eisenbahnverwaltungen in etwa anzupassen. Ich kann hier nur noch einmal feststellen, daß bei der Erörterung der genannten Tarifmaßnahmen die beteiligten Ressorts auch zu der Ansicht gekommen sind, daß sie tarifrechtlich nicht zu beanstanden sind, weil sie eine etwaige Angleichung an die eben genannten Tarife westeuropäischer Eisenbahngesellschaften darstellen. Insofern muß ich Ihre Frage hier also mit Nein beantworten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Müller!

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nach welcher Rechtsgrundlage entscheidet denn die Reichsbahn souverän über solche Tarifgestaltung?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege, ich habe eben darauf hingewiesen, daß nach Artikel 11 des Verkehrsvertrages die rechtliche Grundlage das „Internationale Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr", abgekürzt CIV, ist. Innerhalb dieses Internationalen Übereinkommens ist eben der „Gemeinsame internationale Tarif für die Beförderung von Personen und Reisegepäck" festgelegt. Auf dieser Basis entscheidet die Deutsche Reichsbahn.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage dazu. Ich rufe jetzt noch einmal die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Hoffie auf, der jetzt im Saal ist: Wie ist der Stand der im Rahmen der CEMT laufenden Verhandlungen mit dem Ziel, im gesamten europäischen Raum zu einer einheitlichen Geschwindigkeitsbegrenzung für Omnibusse auf Autobahnen zu gelangen?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Hoffie, der Ministerrat der CEMT wird voraussichtlich in seiner Sitzung am 3. Dezember 1974 die Frage einer Harmonisierung der im europäischen Raum bestehenden unterschiedlichen Regelungen der Höchstgeschwindigkeit von Omnibussen auf Autobahnen erörtern. Eine Empfehlung für eine solche Harmonisierung ist danach frühestens in der zweiten Jahreshälfte 1975 zu erwarten. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Jobst!

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie ist die Einstellung der Bundesregierung zu den Forderungen von seiten der Omnibusunternehmer und deren Verbänden, die Höchstgeschwindigkeit für Omnibusse auf Autobahnen auf 100 km pro Stunde zu erhöhen?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Dr. Jobst, ich habe eben gesagt, daß innerhalb der CEMT die Erörterung erst in der kommenden Sitzung erfolgt und daß die Empfehlung also derzeit der Bundesregierung noch nicht vorliegt. Ich möchte aber annehmen, daß die Bundesregierung bei ihrer derzeitigen Regelung bleibt, die bei 80 km/h liegt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär! Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Schönen Dank, Herr Niegel, für Ihr Verständnis eben! Ich rufe jetzt Ihre Frage, die Frage 31, auf: Welche Folgen wird die jetzt bekanntgewordene Absicht der Bundesregierung für die betroffenen Wirtschafts- und Bevölkerungskreise haben, nicht nur die veröffentlichten Stückgutbahnhöfe durch die Deutsche Bundesbahn schließen zu lassen, sondern den gesamten Stückgutverkehr der Deutschen Bundesbahn einstellen zu lassen, und ist dies mit den raumordnerischen Zielen und Grundsätzen sowie mit dein Zonenrandförderungsgesetz zu vereinbaren?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Niegel, die Bundesregierung hat vor etwa einem Jahr den Vorstand der Deutschen Bundesbahn aufgefordert, den Kleingutverkehr rentabel zu gestalten. Dabei hat sie keine konkreten Lösungsvorschläge vorgegeben. Mit der am 7. November 1974 durch den Vorstand der Deutschen Bundesbahn bekanntgegebenen Konzentration des Stückgutdienstes von bisher 1000 auf 400 Bahnhöfe soll nach den Vorstellungen der Deutschen Bundesbahn eine wirtschaftlichere Gestaltung dieses bekanntlich hochdefizitären Geschäftszweiges erreicht werden. Dabei werden die bisher über die Schiene bedienten Kunden nunmehr über die Straße erreicht. Die Deutsche Bundesbahn, in deren Hand nach dem Bundesbahngesetz die Organisation des Stückgutdienstes liegt, wird, wie diese mir mitgeteilt hat, das System der Flächenbedienung so gestalten, daß es mit den raumordnerischen Zielen und Grundsätzen vereinbar ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie konkret für die Bundesregierung erklären, daß eine Aufgabe des Stückgutverkehrs seitens der Bundesbahn weder von der Bundesbahn noch von der Bundesregierung angestrebt wird? In diesem Zusammenhang: Handelt es sich bei den 400 Bahnhöfen, die noch bleiben, um die Liste, die bekanntgeworden ist?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Niegel, ich habe eben zumindest indirekt darauf hingewiesen, daß dies eine unternehmerische Entscheidung der Deutschen Bundesbahn ist, die von der Bundesregierung natürlich politisch insofern beeinflußt war, als sie auf Grund des hohen Defizits in diesem Bereich vor einem Jahr den Vorstand der Deutschen Bundesbahn aufgefordert hat, diesen Bereich rentabel zu gestalten. Demzufolge kann ich also auf Ihre jetzige Zusatzfrage eine verbindliche Erklärung nicht geben. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat in eigener Entscheidung diese Maßnahme der Reduzierung von 1000 auf 400 - also dieses Stückgutmodell 400 - vor wenigen Tagen vorgetragen, und der Vorstand der Deutschen Bundesbahn wird den Vollzug dieses seines Beschlusses erst mit dem Verwaltungsrat, mit den Personalräten usw., sicher auch mit den Ländern und den Gemeinden erörtern; mit dem Verwaltungsrat vermutlich in der nächsten Sitzung am 13. Dezember. Insofern, Herr Kollege Niegel, kann ich also heute diese Ihre Zusatzfrage noch nicht beantworten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Niegel!

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß man aus Ihren Worten schließen, daß die Bundesbahn jetzt nur einmal einen ersten Schritt macht und 400 Stückgutbahnhöfe bestehen läßt, um nach einer gewissen Zeit dann auch diese 400 aufzulösen? Der Stückgutverkehr wird dann praktisch von der Bundesbahn abgeschafft werden. In diesem Zusammenhang ergänzend noch zu Ihrer Antwort: Sie sagten, die raumordnerischen Grundsätze werden berücksichtigt. Mir schrieb der Bundesbahnpräsident von Nürnberg: Raumordnung, Strukturpläne und Grenzlandfragen werden, nachdem der Stückgutverkehr der DB in den Wettbewerbsmarkt gestellt ist, jedoch nicht überwiegend ausschlaggebend sein können.

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Ja, „nicht überwiegend ausschlaggebend sein können", Herr Kollege Niegel. Ich kann nicht auf die Diktion des Bundesbahnpräsidenten eingehen. Aber ich glaube, aus meiner Antwort ist deutlich geworden, daß ich nicht vorhersehen kann - hellseherische Fähigkeiten habe ich nicht -, wie sich dieses Modell, das 1976 von der Deutschen Bundesbahn eingeführt wird, entwickeln wird. Letzten Endes wird es immer eine unternehmerische Entscheidung der Deutschen Bundesbahn bleiben, den Bereich des Stückgutverkehrs so rentabel wie irgend möglich zu gestalten. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das war schon die dritte Frage. Sie haben Ihre Fragemöglichkeiten ausgeschöpft, Herr Kollege Niegel. - Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihrer Antwort zu entnehmen, daß jener Beschluß der Bundesregierung vom letzten Jahr, der den Auftrag, die Empfehlung oder die Weisung an die Bundesbahn enthält, den Stückgutverkehr rentabel zu gestalten, auch die Möglichkeit beinhaltet, daß die Bundesbahn nunmehr oder in den kommenden Monaten oder Jahren den Beschluß, die Zahl der Stückgutbahnhöhe von 1 000 auf 400 zu vermindern, dahin gehend ausweitet, die Zahl der Stückgutbahnhöfe von 1 000 auf Null zu vermindern?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege, die Empfehlung der Bundesregierung zielte primär darauf ab, dieses im letzten Rechnungsjahr auf über 1,1 Milliarden DM angestiegene Defizit abzubauen. Hier hat die Deutsche Bundesbahn, die als Unternehmen geführt wird, eben eine unternehmerische Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung hat sie vor wenigen Tagen der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt. Wenn nun das glaubwürdige Ergebnis dieser unternehmerischen Entscheidung der Bundesbahn darin besteht, daß dieses Defizit abgebaut wird, kann man doch Ihre hypothetische Frage, ob die Zahl der Stückgutbahnhöfe auf Null zurückgehen wird, verneinen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter von Fircks, bitte!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie zugeben, daß die Bundesbahn als bundeseigene Gesellschaft mit in der Pflicht steht - oder daß die Bundesregierung in der Pflicht steht, der Bundesbahn dies zu ermöglichen -, die Gleichheit der Lebensbedingungen in allen Räumen zu erhalten, und daß daher der Zonengrenzraum in seiner besonderen Situation beurteilt werden muß?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege, ich glaube, die Bundesregierung hat dem ohnehin schon insofern Rechnung getragen, als Maßnahmen der Deutschen Bundesbahn im Zonengrenzraum der Bundesregierung vorgelegt werden müssen und das Kabinett sich die Entscheidung darüber vorbehalten hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) auf: Nach welchen Planungen wird die S-Bahn in der Region München in den kommenden Jahren weiter ausgebaut, und trifft es zu, daß die bisherigen Ausbaupläne hierfür von der Bundesregierung reduziert werden?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Riedl, eine Entscheidung darüber, welche Teilmaßnahmen beim weiteren Ausbau der S-Bahn in der Region München zu welchen Zeitpunkten in den kommenden Jahren begonnen werden, ist erst nach endgültiger Prüfung der einzelnen Vorhaben möglich. Zur Zeit verhandelt der Vorstand der Deutschen Bundesbahn mit der Regierung des Freistaates Bayern über ein entsprechendes Vertragswerk. Die Verhandlungen sind noch nicht zum Abschluß gekommen, da noch eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und finanziellen Tragbarkeit der beabsichtigten Maßnahmen geprüft werden muß. Sobald alle diese Einzelfragen zwischen den Vertragspartnern geklärt sind, wird der Abschluß eines Vertrages über den weiteren organisatorischen Ausbau des Nahverkehrssystems der Region München erfolgen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, inwieweit ist denn der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hinsichtlich des quantitativen und qualitativen S-Bahn-Leistungsangebots in der Region München im Rahmen seiner Unternehmenskonzeption überhaupt noch handlungsfrei?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Der Vorstand ist handlungsfrei in dem Rahmen, der jeweils in den soeben angeführten Einzelverhandlungen abzustecken ist. Sie wissen ja - wenn Sie schon vom quantitativen Umfang sprechen -, daß etwa 14 bis 19 Teilmaßnahmen im Rahmen dieses S-Bahn-Betriebes noch zur Verhandlung stehen und daß hierfür, wie ich es soeben ausführte, jeweils Ausführungsverträge abgeschlossen werden müssen. Natürlich werden diese einzelnen Ausführungsverträge beim Bundesminister für Verkehr geprüft und auch genehmigt, wenn sie betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Sie wissen, daß z. B. der Abschnitt Lochhausen-Olching mittlerweile schon im Bau ist; das ist die erste Ausführungsmaßnahme, der der Bundesminister für Verkehr zustimmen wird, für die er aber bereits vorab die Genehmigung im Frühjahr erteilt hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Riedl.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, in Kauf zu nehmen, daß bei einer eventuellen Nichtdurchführung des weiteren S-Bahn-Ausbaus in der Region München oder auch schon bei einer Reduzierung die8794 Dr. Riedl ({0}) ses Ausbaus das Nahverkehrsangebot in dieser Region auf Dauer und zum Nachteil der Bevölkerung unvollständig bleiben muß?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Riedl, ich unterstelle, daß das von der Bundesregierung bei ihren bisherigen Maßnahmen ohnehin schon im Auge behalten wurde. Aber Sie werden zugeben, daß die gesamten Maßnahmen, die ich vorhin angedeutet habe, mit einem Volumen, das, wie Sie ja wissen, etwa 900 Millionen DM betragen wird, im einzelnen aufeinander abgestimmt werden müssen. Da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, bin ich gerne bereit, Sie nach Abschluß der Verhandlungen weiter zu informieren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie denn mit dem Abschluß der Verhandlungen über die zweite Ausbaustufe, und wann wird darüber entschieden werden?

Kurt Jung (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001038

Herr Kollege Wittmann, ich kann das nicht sagen. Die Verhandlungen werden ja bereits geführt. Von mir aus ist im Augenblick nicht abzusehen - weil ja die Deutsche Bundesbahn derzeit verhandelt -, wann diese Verhandlungen zum Abschluß kommen. Aber ich rechne doch damit, daß das in aller Kürze der Fall sein wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Herr Bundesminister steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Susset auf: ist die Bundesregierung der Ansicht, daß nach dem von Bundesminister Dr. Friderichs ({0}) vorgeschlagenen kombinierten Preis/Beihilfensystem Einkommensminderungen im Falle einer Finanzierung ohne Mehraufwendungen unvermeidbar sind, und wie steht das im Einklang mit dem agrarpolitischen Teil der Regierungserklärungen der Bundeskanzler Brandt und Schmidt?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter, darf ich die beiden Fragen, da sie im Zusammenhang stehen, gemeinsam beantworten?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Susset auf: Hat die Bundesregierung eine Vorstellung darüber, wie das von Bundesminister Dr. Friderichs ({0}) vorgeschlagene Preis/Beihilfensystem, das von einem Druck auf die nominalen Agrarpreise, gleichbleibenden Ausgaben der EG-Agrarfinanzierung und keinen Einkommensminderungen für die Landwirtschaft bei wahrscheinlich steigenden Betriebsmittelpreisen ausgeht, konkret finanziert werden soll?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Susset, die Überlegungen für ein kombiniertes Preis/Beihilfesystem sind im Kabinett noch nicht diskutiert worden. In der von mir zu erstellenden Kabinettsvorlage werden solche Möglichkeiten untersucht. Dabei werden selbstverständlich die finanziellen und die einkommenspolitischen Auswirkungen einschließlich der marktpolitischen Auswirkungen berücksichtigt. Die Regierungserklärung der Bundesregierung zur Agrarpolitik bleibt nach wie vor Richtschnur für das agrarpolitische Handeln der Bundesregierung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Ertl, sind Sie der Meinung, daß durch dieses Preis/Beihilfensystem die vom ehemaligen Bundeskanzler Brandt in seiner Regierungserklärung für notwendig erachteten Fortschritte zur Erreichung einer besseren Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eher erreicht werden können als durch die seitherigen Regelungen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Susset, ich habe gerade in meiner Antwort mitgeteilt, daß die Bundesregierung in einer Kabinettssitzung Vorschläge zur Bestandsaufnahme erörtern wird. Dazu wird mein Haus Vorschläge machen. Ich erinnere im Zusammenhang mit dieser Frage daran, daß wir ja für einen beschränkten Kreis - und darin sehe ich die Möglichkeit -, z. B. für benachteiligte Gebiete wie die Bergbauernregionen, einen solchen Schritt verwirklicht haben. Inwieweit man davon global ausgehen kann, wird man an Hand der Einzelheiten prüfen müssen. Ich habe da meine Bedenken. Ich glaube nicht, daß es ein globales Instrument sein wird. Aber es kann für regionale Lösungen durchaus in Betracht kommen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, könnten Sie sich dann bei Ihrem Kabinettskollegen Friderichs vielleicht einmal erkundigen, ob er sich, bevor er seine Vorstellungen nach draußen brachte, eventuell Berechnungsunterlagen beschafft hat, die zeigen, daß damit das, was in den Regierungserklärungen zum Ausdruck gebracht wurde, besser erreicht wird, als das seither der Fall war?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Susset, ich glaube, das ist eine Unterstellung. Ich habe zufällig das Buch vom Kollegen Friderichs hier. Nachdem die Opposition für dieses Buch so gerne Schleichwerbung gemacht hat, darf ich das seitens der Regierung fortsetzen. Sie müssen natürlich auch das ganze I Buch lesen. Sie müssen z. B. die Einleitung lesen und zur Kenntnis nehmen, daß Herr Friderichs nicht konkrete Vorschläge gemacht, sondern Denkmodelle entworfen hat. Denkmodelle kann jedermann entwerfen. Was daraus wird, wird sich später herausstellen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, werden Sie sich diese Denkmodelle bei Bearbeitung Ihrer Kabinettsvorlage zu eigen machen, und sind Sie bereit, dann auch zahlenmäßiges Material sowohl im Kabinett als auch uns hier im Parlament zur Verfügung zu stellen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Ich glaube, daß ich meine Pflicht gegenüber dem Parlament immer so gewissenhaft wie nur irgend möglich erfüllt habe. Ich werde sicher alle Denkmodelle studieren. Welche Schlußfolgerungen ich daraus ziehe, behalte ich mir selber vor. Ich werde dabei sowohl nach meinen Erfahrungen mit Europa als auch nach den praktischen Notwendigkeiten vorgehen. Im übrigen darf ich noch einmal hinzufügen, daß sich das Kabinett mit dieser Frage noch eingehend befassen wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie bereit, Herr Minister, in Ihre Überlegungen auch einzubeziehen, ob es a) für den nationalen Agrarhaushalt, b) für den EG-Haushalt - d. h. bezüglich der Leistungen, die wir als Bundesrepublik dort einzubringen haben - eine Erhöhung oder eine Verminderung ergibt?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Das können Sie mit Selbstverständlichkeit annehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zur zweitletzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kiechle, bitte!

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie für die Bundesregierung eindeutig erklären, daß jene Überlegung im Rahmen des sogenannten Denkmodells, daß nämlich gewisse Einkommensminderungen unvermeidbar seien, auf keinen Fall Gegenstand von Kabinettsüberlegungen, geschweige denn -beschlüssen sein wird?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Das kann ich, füge aber hinzu: Das steht gar nicht drin! Wenn man zitiert, muß man den vollen Text zitieren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, gehe ich recht in der Annahme, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf 20 Fragen antwortet, die das Buch des Wirtschaftsministers Friderichs und seines Staatssekretärs Schlecht betreffen, da diese beiden nicht über genügend Sachverstand und Verantwortung verfügen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Eigen, über Sachverstand kann man immer geteilter Meinung sein, selbst in der Bundesregierung. ({0}) Es ergibt sich aus der Ressortverantwortlichkeit, daß möglicherweise in der Sache unterschiedliche Standpunkte eingenommen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung. Das Wort hat Herr Bundesminister Maihofer.

Prof. Dr. Werner Maihofer (Minister:in)

Politiker ID: 11001414

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Zerschlagung der Kerngruppen der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof im Jahre 1972 war von Anfang an klar, daß die versprengten Reste dieser Terroristenorganisation ({0}) das Äußerste versuchen würden, noch vor Beginn des voraussichtlich im kommenden Frühjahr anberaumten Verfahrens gegen die Hauptbeschuldigten, insbesondere Baader und Meinhof selbst, diese Gefangenen zu befreien. Auf diese klar erkennbare Strategie haben sich die Sicherheitsorgane in Bund und Ländern in den vergangenen Jahren eingestellt und ihre vereinten Anstrengungen darauf gerichtet, der zunächst im Untergrund verbleibenden Restgruppen habhaft zu werden. Dieses Zusammenwirken der Sicherheitsorgane von Bund und Ländern hat vor zweieinhalb Jahren nicht nur zur Zerschlagung des harten Kerns der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof geführt, sondern allein in diesem Jahr zu weiteren beachtlichen Erfolgen geführt, von denen ich nur einige wenige besonders bedeutsame hervorhebe. Am 4. Februar wurden in konspirativen Wohnungen in Hamburg und Frankfurt die Anarchisten Margrit Schiller, Ilse Stachowiak, Helmut Pohl und der Rechtsanwalt Rolf Becker festgenommen. Unter dem sichergestellten Material befand sich eine von Andreas Baader besprochene Tonbandkassette mit detaillierten Anweisungen für seine Befreiung aus der Haftanstalt. Einen Tag später wurden von holländischen Behörden auf Grund der vereinbarten Zusammenarbeit die Anarchisten Axel Achterrath und Blenk festgenommen. Am 14. Februar wurde Gerd Wieland, Mitglied der Debus-Bande, festgenommen, der dringend ver8796 Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer dächtig ist, vier Tage vorher die Sprengstoffanschläge auf den Dienstsitz des Hamburger Innensenators und den BDI in Köln verübt zu haben. Am 28. August wurden in Darmstadt anarchistische Gewalttäter festgenommen, die einen Lohngeldraub geplant hatten. Es handelte sich um die Mitglieder der Gruppe 2. Juni Ilse Jandt, Jürgen Bodeux, Reinhart Guddart, Siegfried Buchholz. Sie stehen in dringendem Verdacht, an der Ermordung des Anarchisten Schmücker am 5. Juni 1974 in Berlin beteiligt gewesen zu sein, der sich zuvor den Polizeibehörden offenbart hatte. Am 7. Oktober 1974 wurde in Bremen Wolfgang Quante festgenommen, in dessen konspirativer Wohnung unter umfangreichem anarchistischem Material eine Strategie für Anschläge in Norddeutschland sowie Waffen und gefälschte Ausweispapiere sichergestellt wurden. Quante ist dringend verdächtig, an dem versuchten Sprengstoffanschlag auf den Hamburger Justizsenator Professor Klug beteiligt gewesen zu sein. Die Öffentlichkeit hat diese ersichtlichen Erfolge im Kampf gegen anarchistische Gewalttäter mit Erleichterung aufgenommen. Was die Bevölkerung bisher jedoch weitgehend noch nicht durchschaut, ist das strategische Konzept, nach dem diese terroristische Organisation verfährt. Sie geht darauf aus, vor den geplanten Befreiungsaktionen zunächst durch Kampagnen gegen die Justiz unter dem von Baader selbst ausgegebenen Stichwort „Isolationsfolter" die Organe unserer Rechtspflege zu verunsichern und zugleich Sympathisanten gegen diese vorgebliche „Vernichtungsstrategie" des Staates - auch dieses Stichwort stammt von Baader - zu mobilisieren. Zur Verschärfung dieser Solidaritätsaktionen hat man sich die Veranstaltung von Hunger- und Durststreikaktionen vorgenommen mit dem klar kalkulierten Risiko, daß hierbei der eine oder andere als Märtyrer dieser Aktionen geopfert wird; das alles nach der brutalen Strategie, zu der es in einem sichergestellten Papier Baaders wörtlich heißt - ich zitiere -: Der Anfang Eurer Aktionen soll nicht mit dem Anfang des Hungerstreiks zusammenfallen, sonst knacken sie die Anwälte darüber . . . ({1}) Am besten wäre, Ihr löst den Hungerstreik direkt aus. Dazu ist nur ein Brief von einem unserer Anwälte, der alle Gefangenen erreicht, nötig. Unsere Erklärung wird kurz sein, nur noch mal Ziel und Methode der Folter: Vernichtungsstrategie ohne Leichen. ({2}) Unter den Vermittlern nach draußen spielen so - um das hier klipp und klar zu sagen - nach unseren Erkenntnissen auch Anwälte eine Rolle, ({3}) die ihre Stellung als Verteidiger mißbrauchen und nicht nur ein engmaschiges Kommunikationsnetz der Häftlinge untereinander hergestellt haben, sondern die auch die Verbindung zu den leider zahlreichen Sympathisanten der Terroristen unterhalten. Wie anders ist es z. B. zu deuten, daß Ulrike Meinhof außer von einem Pflichtverteidiger von 15 Wahlverteidigern unterstützt wird, von denen alle auch andere wegen des Verdachts ähnlicher Verbrechen Inhaftierte verteidigen? Wie anders ist es zu interpretieren, wenn ein Häftling im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts schreibt: Die Roten Anwälte sind dazu unentbehrlich, ohne ihre gebündelten und sortierten Informationen geht es nicht. ({4}) Ebenso entschlossen wie in den bisher aufgeklärten Fällen sind - um hier wirklich Klartext zu reden - die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern jetzt bemüht, auch den Mordanschlag in Berlin gegen den Präsidenten des Kammergerichts aufzuklären und weitere Verbrechen durch anarchistische Gewalttäter zu verhindern. Ich habe das Bundeskriminalamt deshalb angewiesen, der Berliner Polizei jegliche Unterstützung bei der Ermittlung der Täter zu gewähren. Darüber hinaus gelten die dem Bundeskriminalamt schon 1971 und 1972 erteilten Ermittlungsaufträge zur zentralen Ermittlungsführung der von der kriminellen Vereinigung Baader-Meinhof begangenen Straftaten weiter fort. Die Ständige Konferenz der Innenminister hat gestern in einer Sondersitzung unter Beteiligung der Sicherheitsexperten die nach den jüngsten Ereignissen entstandene Lage analysiert und konkrete Beschlüsse über die zu treffenden Maßnahmen gefaßt. Niemand in diesem Hohen Hause wird von mir erwarten, daß ich das taktische Konzept der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern hier öffentlich erörtere. Lassen Sie mich dazu nur folgendes feststellen. Erstens. Die Innenminister der Länder und der Bundesinnenminister sind sich über das operative Konzept der Sicherheitsbehörden voll und ganz einig. Zweitens. Die erforderlichen Maßnahmen werden in enger Zusammenarbeit von Bund und Ländern durchgeführt, um ein Höchstmaß an Koordination und Effektivität zu gewährleisten. Drittens. Bund und Länder werden alles tun, um möglicherweise gefährdete Personen und Einrichtungen - insbesondere auch die der Justiz vor verbrecherischen Anschlägen zu schützen. Und viertens: Ich habe eine Belohnung von 50 000 DM für Hinweise aus der Bevölkerung ausgesetzt, die zur Aufklärung des gemeinen Verbrechens in Berlin und zur Festnahme der Täter führen. Ich bin überzeugt, daß diese zusammengefaßten und nachhaltigen Anstrengungen der Sicherheitsbehörden Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer von Bund und Ländern und die Mithilfe aller Bürger dieses Staates, zu der ich auch an dieser Stelle aufrufen möchte, dem organisierten Verbrechertum, das diesen Staat und seine Ordnung zerstören möchte, keine Chance lassen. Dieser Herausforderung des Rechtsstaats - und darum handelt es sich hier - muß aus dem Konsens aller Demokraten begegnet werden - jenseits jeder Parteipolitik. Ich danke Ihnen. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz, Dr. Vogel.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Maihofer hat Ihnen soeben dargelegt, welchen Herausforderungen und Gefährdungen sich unsere Gemeinschaft durch Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung und durch Terrorakte ausgesetzt sieht. Ein wesentlicher Teil dieser Aktivitäten richtete sich gegen die rechtsprechende Gewalt, d. h. aber gegen ein tragendes Element unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Die Justizminister und Justizsenatoren der Bundesländer haben gestern in einer Zusammenkunft in Bonn gemeinsam mit mir bekräftigt, daß die Gerichte und Staatsanwaltschaften diesen Herausforderungen nüchtern und gelassen, aber mit großer Festigkeit und allen rechtsstaatlichen und verfassungsmäßigen Mitteln begegnen. Sie werden es dabei nicht an Entschlossenheit mangeln lassen, sie werden sich aber auch nicht in eine der Würde und dem inneren Gehalt des Rechtsstaates abträgliche Eskalation der Emotionen hineintreiben lassen. Dies bedeutet im einzelnen: Erstens. Die Verfahren gegen die Angehörigen der kriminellen Vereinigung werden unter Wahrung der Verfahrensgarantien mit der gebotenen Beschleunigung betrieben. ({0}) Verzögerungen sind nicht auf Unterlassungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften, sondern darauf zurückzuführen, daß Beschuldigte und Verteidiger von den prozessualen Möglichkeiten einen überaus ausgedehnten und intensiven Gebrauch machen. ({1}) Insgesamt sind ca. 30 Ermittlungsverfahren und mindestens 25 Hauptverfahren gegen mindestens 60 Angeschuldigte und Beschuldigte anhängig. Gegen 17 Personen sind rechtskräftige, gegen 12 Personen noch nicht rechtskräftige Urteile ergangen. Das Straßmaß bewegt sich zwischen 8 Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung im Fall Bornheim und 12 Jahren Freiheitsstrafe im Falle Mahler. In Untersuchungshaft befinden sich gegenwärtig ca. 35 Beschuldigte. Zweitens. Der von Angehörigen der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung seit September praktizierte Hungerstreik dient ebenso - ({2}) - Meine Damen und Herren, der Bundesminister der Justiz und alle Länderjustizminister bedienen sich des in § 129 des Strafgesetzbuches verwendeten Ausdrucks „kriminelle Vereinigungen". ({3}) Dieser Hungerstreik dient ebenso wie der angedrohte Durststreik nicht einer Verbesserung angeblich schlechter Haftbedingungen; er ist vielmehr, wie Kollege Maihofer zutreffend dargelegt hat, Teil eines geplanten Kampfes gegen den Rechtsstaat mit dem Ziel, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen die Entlassung aus rechtmäßiger Haft zu erzwingen oder doch zumindest die Rechtsstaatlichkeit der zuständigen Institutionen gegenüber der Öffentlichkeit in Zweifel zu ziehen, verächtlich zu machen und wenigstens teilweise zu lähmen. Der Rechtsstaat darf und wird bei Wahrung aller medizinischen und humanen Erfordernisse vor solchen Aktionen nicht kapitulieren. ({4}) Die Bundesregierung ist deshalb in Übereinstimmung mit allen Justizministern und -senatoren der Länder der Ansicht, daß alles Mögliche und Zumutbare getan werden muß, um die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen auch gegen deren Willen zu erhalten und sie so an der Selbsttötung zu hindern. Die Bundesregierung ist aber nicht bereit, die Haftentlassung oder Haftverschonung von Untersuchungshäftlingen aus Umständen gutzuheißen, die trotz dieser Bemühungen von Untersuchungsgefangenen selbst vorsätzlich herbeigeführt werden. ({5}) Andernfalls nämlich würde die Entscheidung darüber, ob ein auf richterliche Anordnung hin in Gewahrsam Genommener in diesem Gewahrsam verbleibt, in die Willkür des Betreffenden gelegt und dem gesetzlichen Richter entzogen. Das kann und darf ein Rechtsstaat, der sich als friedenssichernde Gemeinschaft versteht, nach Auffassung der Bundesregierung nicht zulassen. ({6}) Die Justizminister werden diese ihre Meinung im Rahmen ihrer Befugnisse nach den gerichtsverfassungsgesetzlichen Bestimmungen gegenüber den Staatsanwaltschaften zur Geltung bringen. Die Haftentscheidungen selbst haben in unserem Rechtsstaat letztlich die unabhängigen Gerichte zu treffen. Drittens. Die Bundesregierung ist sich dessen bewußt, daß im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Verfahren eine sorgfältig geplante Sympathie- und Mitleidskampagne betrieben wird, an der sich einzelne und Gruppen aus unterschiedlichen Motiven beteiligen. ({7}) Im Zuge dieser Kampagne ist von „politischen Gefangenen", ({8}) von „Isolationsfolter", von „Toten-Trakt" und „Vernichtungshaft" die Rede. Neuerdings ist auch der Vorwurf der schrittweisen und planmäßigen Ermordung von Untersuchungsgefangenen erhoben worden. ({9}) Gemeinsam mit den Justizministern und -senatoren der Länder weist die Bundesregierung die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen als Verdrehung der Wahrheit, als Versuch der Irreführung der Öffentlichkeit und als Versuch zur Motivierung von Sympathisanten mit Entschiedenheit zurück. ({10}) Schon die Wortwahl ist übrigens ein wesentlicher und kennzeichnender Bestandteil eines auf Emotionalisierung angelegten Agitationskonzepts. ({11}) Namens der Bundesregierung stelle- ich ausdrücklich fest: In der Bundesrepublik Deutschland wird niemand wegen seiner politischen Gesinnung oder Überzeugung verfolgt oder gar in Haft gehalten. In Haft befinden sich in diesem Lande lediglich Personen, gegen die der gesetzliche Richter wegen des dringenden Verdachts schwerer Strafen, etwa wegen Mordes, Mordversuchs, schweren Raubes, schwerer Brandstiftung, einen Haftbefehl erlassen hat oder die rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Ebenso unwahr ist der Vorwurf, die Gefangenen würden besonderen Vollzugsbedingungen, insbesondere einere sogenannten Isolationsfolter, unterworfen. Einzelheiten ergeben sich insoweit zur tatsächlichen Seite in sehr eindrucksvoller Weise aus der vom Berliner Senator für Justiz unter dem 8. November 1974 veröffentlichten Dokumentation, von der den Mitgliedern des Deutschen Bundestages Abdrucke zur Verfügung gestellt werden. Sämtliche Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft und auch der Strafhaft unterliegen der Kontrolle unabhängiger Gerichte. Für Untersuchungsgefangene werden darüber hinaus auch Haftbedingungen von Richtern im einzelnen festgelegt. Soweit besondere Maßnahmen angeordnet werden, finden sie ihren rechtfertigenden Grund in der besonderen Gefährlichkeit der Inhaftierten und ihrer bis in die letzten Tage hinein bekundeten Absicht, ihrem Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik auch während der Haft und erst recht nach einer eventuellen Befreiung fortzusetzen. Allen Vorwürfen hinsichtlich der Haftbedingungen oder des Haftsvollzuges wird im übrigen sorgfältig nachgegangen. Dies gilt für jeden Einzelfall und auch für die im Zusammenhang mit dem Tod des Untersuchungsgefangenen Meins erhobenen Anschuldigungen. Die Bundesregierung hat keinerlei Anlaß, daran zu zweifeln, daß die Ermittlungen von der zuständigen Staatsanwaltschaft korrekt, objektiv und ohne Ansehen der Person geführt worden. Im übrigen kann es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, zu den Vorgängen in der gegenwärtigen Phase der Ermittlungen, die noch nicht abgeschlossen sind, Stellung zu nehmen. ({12}) - Aber rechtsstaatlich, Herr Kollege Carstens. ({13}) Die Justizminister sind im übrigen übereingekommen, die Öffentlichkeit über die Ermittlungsergebnisse jeweils unverzüglich und umfassend zu unterrichten. Eine allgemeine Verdächtigung der im Vollzug Tätigen wird auch seitens der Bundesregierung ebenso wie von den Ländern nachdrücklich zurückgewiesen. Angesichts des nicht selten provokativen Verhaltens, der Beleidigungen, Drohungen und tätlichen Angriffe seitens einzelner Untersuchungs- und Strafgefangener dieses Personenkreises leisten die Vollzugsbediensteten ihren Dienst unter besonders erschwerten Bedingungen. Sie haben Anspruch darauf, auch von dieser Stelle aus gegen pauschale Diffamierungen in Schutz genommen zu werden. ({14}) Viertens. Die Bundesregierung stimmt mit den Länderjustizministern darin überein, daß sowohl bei den Aktionen der kriminellen Baader-Meinhof-Vereinigung als auch bei der Mitleids- und Sympathiekampagne Anwälte eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Dabei ist nach übereinstimmender Meinung der Justizminister allerdings zwischen der vollen Ausschöpfung der einem Anwalt als Organ der Rechtspflege nach unserer Rechts- und unserer Verfahrensordnung nicht nur im Interesse seines Mandanten, sondern gerade im Interesse des Rechtsstaats eingeräumten Befugnissen und rechtswidrigen, den Strafgesetzen oder den standesrechtlichen Vorschriften widersprechenden Handlungen sorgfältig zu unterscheiden. Auch hier muß der Rechtsstaat kühl und wirksam, nicht aber im Wege der Eskalation seinen Gesetzen Geltung verschaffen. Mit dieser Maßgabe bemerke ich, daß zur Zeit gegen sieben Anwälte, die als Verteidiger von Angehörigen der kriminellen Vereinigung tätig sind, Ermittlungsverfahren laufen, u. a. wegen des Verdachts der Unterstützung dieser kriminellen Vereinigung und einer Reihe anderer Straftaten. ({15}) Weitere Verfahren werden nach dem Legalitätsprinzip immer dann eingeleitet, wenn dazu Veranlassung besteht. Ich selbst habe heute gegen vier Anwälte wegen verleumderischer Äußerungen über Beamte der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Tod des Untersuchungsgefangenen Meins als Dienstvorgesetzter der Bundesanwaltschaft Strafantrag gestellt. ({16}) Fünftens. Die Funktionsfähigkeit der Justiz ist nicht nur durch die bereits erörterten Aktivitäten, sondern auch durch unmittelbare Terrorakte, wie sie zuletzt der ruchlose Mord an dem Präsidenten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, darstellt, bedroht. Für die Bundesregierung gebe ich auch von dieser Stelle aus dem Abscheu vor dieser feigen Gewalttat Ausdruck. Damit allein kann es aber nicht sein Bewenden haben. ({17}) Notwendig ist vielmehr ein Vierfaches: Das höchstmögliche Maß an Schutz für die Träger der rechtsprechenden Gewalt, die eigene Entschlossenheit der Justiz, sich um keinen Preis von der Anwendung der geltenden Gesetze gegen jedermann abbringen zu lassen, die Bereitschaft der Gesetzgebungsorgane, geltende Gesetze im Rahmen unserer Verfassung im gegebenen Falle neuen Verhältnissen und Erkenntnissen anzupassen und - ich halte dies, was nun ausgeführt wird, für das Wichtigste - eine breite, mit der vollen moralischen Unterstützung verbundene Solidarisierung unseres Volkes mit denen, die in rechtmäßiger Ausübung der ihnen von der Gemeinschaft übertragenen Aufgaben ihre Pflicht und Schuldigkeit tun. ({18}) Gerade diese moralische Unterstützung und Solidarisierung ({19}) haben Richter und Staatsanwälte, die der Kritik keineswegs entrückt sein sollen oder entrückt sein wollen, in der Vergangenheit manches Mal vermissen müssen. Die Tatsache, daß viele von ihnen unter fast unzumutbaren nervlichen Belastungen, unter ständigen Bedrohungen, die auch vor dem Bereich des Privatlebens und der Familie nicht haltmachen, ja, in einzelnen Fällen auch unter Lebensgefahr ihre Pflicht erfüllen, ist oftmals zu leicht als Selbstverständlichkeit hingenommen, ja, da und dort überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. Gerade deshalb möchte ich an dieser Stelle diesen Richtern und Staatsanwälten im Namen der Bundesregierung - ich denke: sicher auch im Namen des ganzen Hauses - Dank und Anerkennung für ihre Haltung aussprechen. ({20}) Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung ist ebenso wie alle ihre Vorgängerinnen entschlossen, über Freiheit, Recht und Gesetz zu wachen und diese Werte zu verteidigen. Sie wird stets und uneingeschränkt auf der Seite derer zu finden sein, die sich in diesem Sinne einsetzen, und nüchtern, aber mit Festigkeit, engagiert, aber gelassen und mit der inneren Sicherheit ihre Aufgabe erfüllen, die aus dem Wissen um die Gerechtigkeit, um die Humanität ihrer Sache fließt. Schließlich geht es nicht um irgendeinen Staat, um irgendein Unterdrückungssystem oder gar um die in staatsrechtliche Form gekleidete Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit - es geht um diese Bundesrepublik, um diesen Rechts- und Verfassungsstaat, um diese parlamentarisch-demokratische Republik, die ihren Bürgern mehr rechtsstaatliche Freiheiten gewährleistet als je ein anderer deutscher Staat in unserer Geschichte und die für die friedliche Fortentwicklung unserer Gesellschaftsordnung mit dem Ziele größerer sozialer Gerechtigkeit bessere Verfahren zur Verfügung stellt als alle ihre Vorgängerinnen! ({21}) Dies alles, meine Damen und Herren, wird die Bundesregierung von niemandem aufs Spiel setzen lassen. ({22})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Minister der Justiz des Landes Baden-Württemberg, Dr. Bender. Minister Dr. Bender ({0}) : Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die rechtsstaatliche Bewältigung dessen, was heute jedermann unter dem Baader-Meinhof-Komplex versteht, stellt Strafverfolgungsbehörden, Gerichte und Vollzugsanstalten vor eine außerordentliche Bewährungsprobe. Die fanatische Radikalität, die Skrupellosigkeit und die Rücksichtslosigkeit des Angriffs auf die Ordnung in diesem Lande, auf Leben, Gesundheit und Eigentum seiner Bürger, eine Radikalität, die umgekehrt auch das eigene Leben bedingungslos einsetzt und die noch hinter den Mauern der Vollzugsanstalten weiteragitiert, sprengt die Grenzen bisheriger Erfahrung. Der Rechtsstaat steht vor einer doppelten Bewährungsprobe: dem Angriff unter voller Wahrung aller rechtsstaatlichen Kautelen und Sicherungen zu begegnen und zugleich mit ihm fertig zu werden. Die Signale, die uns in diesen Tagen mit Erschrecken, Entrüstung und Abscheu erfüllen, werden hoffentlich auch den Zeitgenossen die Augen öffnen, die sich bisher darin gefallen haben, die Gefährdung unserer öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verharmlosen, ({1}) und jenen die Augen öffnen, die aus Ahnungslosigkeit oder verführt von einer raffinierten Propaganda mit den Feinden dieses Staates, mit den Feinden seiner friedensstiftenden Ordnung sympathisiert haben. ({2}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus der Sicht des Landes Baden-Württemberg, zugleich als Vorsitzenden der Konferenz, die sich ressortmäßig mit diesen Fragen zu befassen hat, nämlich der Justizministerkonferenz, noch einmal mit aller Deutlichkeit folgendes unterstreichen. Die konstante und hartnäckige Bezeichnung von Angehörigen einer kriminellen Vereinigung als politischen Gefangenen gehört, wie das vorhin der Herr Bundesjustizminister ausgeführt hat, in ein umfassendes agitatorisches Konzept, mit dem die Öffentlichkeit schlicht Minister Dr. Bender hinters Licht geführt, die Justizbehörden diffamiert und Sympathisanten gewonnen werden sollen. ({3}) Die bestens organisierte und sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit der Baader-Meinhof-Verteidiger spricht hier Bände. Das Ziel, die rechtsstaatliche Ordnung zu bekämpfen, wird hier nur mit anderen Mitteln fortgesetzt. ({4}) Es soll der Eindruck erweckt werden, als würden Gerichte und Vollzugsanstalten in unrechtmäßiger Weise politische Gesinnung bestrafen. Meine Damen und Herren, in Baden-Württemberg und in den anderen Ländern dieser Bundesrepublik, in dieser Bundesrepublik Deutschland, wird niemand, aber auch niemand wegen seiner politischen Anschauung oder Überzeugung verfolgt oder gefangengehalten. ({5}) Die Haftbefehle gegen die hier angesprochenen Personen lauten auf den Verdacht schwerster krimineller Delikte, auf den Verdacht des Mords, des Raubs, des Einbruchs, der Urkundenfälschung, der Erpressung und anderer schwerer Delikte. Der Begriff „Isolationsfolter" ist zwar agitatorisch geschickt gewählt, aber eine reine Erfindung, der in der Wirklichkeit nichts entspricht. Kein Gefangener wird bei uns isoliert, kein Gefangener gefoltert. Alle Gefangenen haben in ausreichendem Maße Kontakt zu ihrer Umwelt in den Anstalten und zur Außenwelt. Wir haben keine „toten Trakte". Ich darf das einmal am Beispiel der Untersuchungsgefangenen Gudrun Ensslin verdeutlichen. Sie hat ein eigenes Radiogerät zur Verfügung. Sie bezieht und liest mehrere Tageszeitungen und Zeitschriften. Ihr steht eine Büchereizelle mit einem sehr umfangreichen, mindestens quantitativ interessanten Bestand an Büchern zur Verfügung, und sie erfährt fast täglich Besuche von den Verteidigern oder auch von Angehörigen. Sie hat die Möglichkeit, Kontakt mit einer anderen Gefangenen zu pflegen; davon macht sie keinen Gebrauch. Sie hat die Möglichkeit, mit Ärzten, Geistlichen und Anstaltsbediensteten zu sprechen. Von einer Isolation kann überhaupt keine Rede sein. Nun zum Thema „Hungerstreik". Es gerät langsam in Vergessenheit, daß Gefangene den Hungerstreik aus freien Stücken begonnen haben und ihn aus freien Stücken fortsetzen. ({6}) Auch das, meine Damen und Herren - es ist vorhin vom Herrn Bundesjustizminister dargelegt worden -, ist ein Mittel, den Kampf gegen den Staat und die rechtsstaatliche Ordnung fortzuführen, nachdem diesen Leuten die übrigen Möglichkeiten abgeschnitten sind. Kennzeichnend ist, daß dieser Streik offenkundig zentral gesteuert wird. ({7}) Ziel des Hungerstreiks ist nicht, wie vorgegeben, die Haftbedingungen zu verbessern, denn die sind gesetzmäßig, ordentlich, normal und im übrigen unter richterlicher Kontrolle oder sogar unter richterlicher Gestaltung. Ziel ist vielmehr, die Entlassung aus der Haft zu erzwingen, um einem Verfahren und gegebenenfalls einer Verurteilung zu entgehen. Das ist das Ziel. ({8}) Die Vollzugsanstalten, die Justizverwaltungen sind verpflichtet - das ist gar keine Frage -, einen Selbstmord durch Hungerstreik zu verhindern. Sie tun das mit allen ärztlich gebotenen und allen ärztlich möglichen Mitteln. Selbstverständlich - das muß auch einmal deutlich gesagt werden - bleibt eine gefährliche, riskante, risikoreiche Situation, die aber die Gefangenen bewußt herbeigeführt haben und in Kauf nehmen. ({9}) Ein Rechtsstaat darf sich Haftentlassungen aus diesem Grunde nicht abzwingen, nicht abnötigen lassen. ({10}) Das schließt nicht aus, daß in Extremfällen Krankenanstalten eingeschaltet werden. Die Justizminister und Justizsenatoren - ich darf das für sie erklären - begrüßen es, daß sich das Hohe Haus heute mit diesen uns alle belastenden und bedrückenden Fragen beschäftigt. Sie begreifen die Erklärung der Bundesregierung als ein Zeichen der Solidarität zwischen Bund und Ländern. Sie erwarten, daß die rechtsstaatlich gesicherten demokratischen Kräfte in diesem Land in der Verteidigung unserer verfassungsmäßigen Ordnung zusammenstehen. Meine Damen und Herren! Wir vertrauen auf unsere Mitarbeiter in der Justiz. Wir vertrauen auf unsere Beamten und Bediensteten im Vollzug. Wir vertrauen aber vor allem darauf, daß unsere unabhängigen Gerichte die anhängigen Verfahren an den Maßstäben von Recht und Gerechtigkeit zu Ende führen. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogel ({0}).

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Möglichkeit, heute im Plenum über die Ereignisse der letzten Tage und vor allen Dingen über die Fragen zu sprechen, die sich an diese Ereignisse knüpfen. Dabei haben wir die Hoffnung, meine Damen und Herren, daß wir nicht nur heute darüber reden - in einer Weise, wie die Bevölkerung es von uns erwartet -, sondern daß wir in der nächsten Zeit auch danach handeln. ({0}) Ich möchte zu Beginn den Abscheu und die Empörung der Opposition über den kaltblütigen Mord an Vogel ({1}) dem Berliner Kammerpräsidenten Günter von Drenkmann zum Ausdruck bringen. ({2}) Hier erwarten wir, daß alle Möglichkeiten eingesetzt werden, um die Mörder zu bekommen und sie ihrer gerechten Bestrafung zuzuführen. ({3}) Ich möchte an dieser Stelle auch denen Dank sagen, die als Sicherheitskräfte in unserem Lande in den letzten Tagen ihren Dienst getan und ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft gezeigt haben. Das gilt ganz besonders für die Polizei. Wir stehen hinter der Polizei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. ({4}) Der Bundesjustizminister hat eine breite Solidarisierung unseres Volkes mit allen, die hier ihre Pflicht tun, gefordert. Wir können uns hier nur anschließen. Wir müssen leider feststellen, meine Damen und Herren, daß das nicht immer so war. Wir hoffen, daß es nicht bei dieser Forderung bleibt, sondern daß dieser Forderung auch die entsprechenden Taten folgen. ({5}) Dazu gehört auch - hier spreche ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen der FDP und der SPD an -, daß Sie überall dort, wo Sie Einfluß haben, darauf einwirken, daß es zu dieser breiten Solidarisierung kommt. ({6}) Was die Bevölkerung in dieser Situation von uns erwartet, ({7}) sind keine Beruhigungspillen; sie erwartet, daß ihr klarer Wein eingeschenkt wird. Das bedeutet nicht, daß wir eine Eskalation der Emotionen in diesen Tagen bei uns begrüßen könnten. Jeder wird sich davor zu hüten haben. Aber wenn wir zurückfragen, wodurch es zur Eskalation von Emotionen gekommen ist, dann doch auch dadurch, daß verharmlost worden ist, daß versucht worden ist, die Informationen hinter dem Berge zu halten, daß die Bevölkerung nicht wußte, was los war, und daß nicht im Klartext geredet wurde. ({8}) Wir haben gestern wiederum verschiedene Äußerungen aus dem Bereich der Verantwortlichen auch in der Bundesregierung gehört. Wir haben von der Frau Kollegin Schlei gehört - und das finden wir heute in der Presse -, sie halte die Situation nicht für gegeben, daß eine Welle neuer Terroranschläge, Übergriffe und neuer Beunruhigungen der Bürger zu erwarten sei. Ich hoffe, daß die Kollegin Schlei recht hat. Der Bundesinnenminister hat nach der Innenministerkonferenz gegenüber dem Süddeutschen Rundfunk gesagt: „In der Stunde der Not stehen wir alle zusammen". Das paßt nicht zu der Äußerung, die die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeskanzleramt abgegeben hat. ({9}) Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz hat darauf hingewiesen, daß die Lage ernst sei. Das ist geschehen, meine Damen und Herren, nach intensiven Beratungen in der Innenministerkonferenz. ({10}) Die Bevölkerung erwartet jetzt keine verbalen Tröstungen, sondern sie verlangt die Gewißheit, daß alles nur Menschenmögliche zu ihrem Schutz getan wird. Und wenn wir die Bevölkerung in diesen Tagen hören, so besteht doch Angst vor einer neuen Terrorwelle, und es kommt darauf an, daß wir der Bevölkerung das Gefühl, die Gewißheit vermitteln, daß sie mit einer solchen Terrorwelle nicht zu rechnen hat oder daß alles getan wird, um solche Terroranschläge von der Bevölkerung abzuwenden. Wir haben von der Bundesregierung einen Strauß von Maßnahmen erläutert bekommen, die, abgestimmt mit der Innenministerkonferenz, mit der Justizministerkonferenz, ergriffen werden sollen. Was die Bevölkerung erwartet, ist vor allen Dingen die Entschlossenheit und die Geschlossenheit der politisch Verantwortlichen in allen Parteien. Dazu gehört voller Informationszugang für die Opposition, meine Damen und Herren, vor allen Dingen voller Informationszugang auf dem schnellsten Wege. Ich habe an dieser Stelle zu beklagen, daß die Bundesregierung für diesen schnellstmöglichen Informationszugang nicht gesorgt hat. Es wird sicherlich in der nächsten Zeit über den Tod des Untersuchungsgefangenen Meins noch mehr gesprochen werden müssen. Das ist für uns selbstverständlich, weil es für einen Rechtsstaat selbstverständlich ist, daß hier allem sorgfältig nachgegangen wird. Darüber dürfen wir nicht vergessen, daß der Tod von Meins in erster Linie das Ergebnis des eigenen Verhaltens von Meins, das Ergebnis des Verhaltens der Bandenmitglieder und das Ergebnis des Verhaltens von sogenannten Rechtsanwälten ist. ({11}) Ich möchte ausdrücklich begrüßen, Herr Bundesjustizminister, daß Sie Strafanträge gegen eine Reihe von Rechtsanwälten gestellt haben. Was mir darüber hinaus notwendig erscheint, ist, daß sich die anwaltlichen Standesvertretungen ebenfalls mit dieser Frage beschäftigen, ({12}) weil es unerträglich ist, daß der Rechtsstaat von Leuten herausgefordert wird, die sich in eine Anwaltsrobe kleiden und etwas ganz anderes tun, als der Durchsetzung des Rechts in diesem Staate zu dienen. ({13}) Eines dürfen die Mitglieder der Baader-MeinhofBande nicht erreichen: nämlich durch ihr Verhalten, durch ihre Strategie freizukommen, im Untergrund zu verschwinden und von dort den Terror neu anzuzünden. Hier ist die Grenze dessen, was zur Erhaltung der Gesundheit der Strafgefangenen getan Vogel ({14}) werden muß. Hier werden wir in der nächsten Zeit in den zuständigen Gremien eine Menge Fragen zu erörtern haben. Lassen Sie mich zum Schluß auf das zu sprechen kommen, was als begünstigendes Klima bezeichnet wird. Herr Bundesinnenminister Maihofer hat von zahlreichen Sympathisanten gesprochen. ({15}) Der Bundesjustizminister hat von den geplanten Sympathie- und Mitleidskampagnen gesprochen. Meine Herren von der Bundesregierung, ich frage Sie, wann Ihnen diese Erkenntnis gekommen ist ({16}) und ob wir in dieser Situation wären, wenn diese Erkenntnis immer schon vorhanden gewesen wäre ({17}) und wenn Sie in der Vergangenheit bereit gewesen wären, den Vorschlägen der Opposition zu folgen und nicht nur zögernd zu folgen! ({18}) Dies wäre zur Verteidigung dieses unseres Rechtsstaates selbstverständlich gewesen. ({19}) Wenn wir davon sprechen, gehört dazu auch, daß wir endlich unbefangen auch von einer „Bande" sprechen, daß wir uns hier nicht an einen § 129 des Strafgesetzbuches klammern, sondern daß wir die Dinge so nennen, wie sie die Bevölkerung empfindet. ({20}) Hier haben wir es mit einer Bande von Verbrechern zu tun, hier haben wir es mit Mördern zu tun. Nennen wir doch die Dinge so, wie sie sind! ({21}) Vergessen wir auch nicht, daß man es hier mit Leuten zu tun hat, die bewußt und gewollt mit unserer Gesellschaft im Kriegszustand leben und entsprechend handeln. ({22}) - Herr Kollege Wehner, ich wäre froh, wenn Sie so mit den Teilen Ihrer Partei reden würden, mit denen wir in der Vergangenheit Schwierigkeiten in dieser Frage gehabt haben. ({23}) Hier ist mit Recht an die Verantwortung von uns allen appelliert worden. Ich sage noch einmal: Dazu gehört, daß wir endlich im Klartext sprechen und nicht um die Dinge herumreden, sondern sie beim Namen nennen, und daß wir der Bevölkerung sagen, worum es geht und was wir einzusetzen bereit sind. ({24}) - Ich habe nicht verstanden, Herr Kollege Wehner. ({25}) - Herr Kollege Wehner, ich würde sagen, es steht dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion frei, worauf er eingeht und wie er sich einläßt. ({26}) Meine Damen und Herren, wenn an die Verantwortung von uns allen appelliert wird, dann gilt dies nicht nur für die Sicherheitsorgane in unserem Land, nicht nur für die Verantwortlichen in der Politik, sondern dann gilt das auch für diejenigen, die für das Meinungsbild, das in der Öffentlichkeit entsteht, verantwortlich sind. ({27}) Es muß auch einmal möglich sein, an dieser Stelle zu sagen, daß wir das intellektuelle Gerede eines Herrn Merseburger in diesen Fragen endlich leid sind. ({28}) - Ich verstehe nicht die Beunruhigung. ({29}) - Herr Kollege Wehner, nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich nicht bereit bin, mit Ihnen über Niveau zu streiten. ({30})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zum Schluß kommen. ({0}) Ich habe gesprochen von dem Klima, in dem sich die Auseinandersetzung über die wichtigen Fragen der inneren Sicherheit in unserem Lande in den letzten Jahren vollzogen hat, ({1}) und ich muß dazusagen: Welche großen Schwierigkeiten haben wir gehabt, Sie davon zu überzeugen, daß eine Reihe von Gesetzen notwendig war, die wir im Bundestag eingebracht ({2}) und die Sie dann mit uns verabschiedet haben, als Sie merkten, wie die Öffentlichkeit darauf reagierte! ({3}) Vogel ({4}) Worum es heute geht, ist nicht mehr und nicht weniger, als daß Sie sich nicht nur heute hier hinstellen und versuchen, die Unruhe in der Bevölkerung mit verbalen Äußerungen aufzufangen, sondern daß Sie in der Zukunft wirklich bereit sind, das zu tun, was notwendig ist, um ein Höchstmaß an innerer Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und mit ihr bestimmt das ganze Haus ist erschüttert und empört über den brutalen Mord an dem Berliner Kammergerichtspräsidenten, Dr. Günter von Drenkmann. Der Ermordete war seit 1967 der höchste Richter Berlins und damit an hervorragender Stelle für die Sicherheit dieser Stadt mitverantwortlich. Er war ein aufrechter Demokrat, der aktiv für diesen Staat und seine freiheitliche Ordnung eintrat. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Wir haben die Überzeugung, daß die Behörden der Sicherheit, insbesondere die Justizbehörden, ihre Pflicht tun werden, um diese Kriminellen, die solche Taten begehen, und alle, die mit ihnen im Zusammenhang stehen, zur Rechenschaft zu ziehen. Wir durften aus den Worten der beiden Bundesminister die Sicherheit mitnehmen, daß sich dieser Rechtsstaat gegen jeden Verbrecher, gegen jeden, der sich gegen seine garantierte Ordnung wendet, rechtsstaatlich zur Wehr setzt, nachdrücklich und mit Erfolg. Wir danken der Bundesregierung, daß sie das in dieser Stunde so unmißverständlich und klar gesagt hat. ({0}) Alle Organe der Sicherheit, jeder einzelne Beamte der Polizei, jeder einzelne Richter und jeder Mitarbeiter in der Justiz darf gewiß sein, daß wir, die politisch Verantwortlichen und Gewählten des deutschen Volkes, sie in ihrer Arbeit unterstützen und decken, daß wir von ihnen erwarten, daß sie unsere Gesetze anwenden ohne Ansehen der Person. Sie dürfen unserer Unterstützung gewiß sein, und wir haben heute schon Grund, ihnen zu danken. ({1}) Wir haben Grund, all denen zu danken, die sich für diesen Staat einsetzen. ({2}) Wir haben es hier mit Kriminellen zu tun, die politische Motive vorschützen. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, wo wir sie einzugruppieren haben. In dieser Stunde ist das Parlament meines Erachtens aber auch verpflichtet zu prüfen, ob wir alles getan haben, die Exekutivorgane in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe so zu erfüllen, wie wir es von ihnen erwarten und wie wir es von ihnen erwarten müssen. ({3}) Wenn ich nur einige Punkte anführe, so darf ich sagen, daß diese sozialliberale Koalition, seit sie 1969 die Bundesregierung stellt, sich sehr darum bemüht hat, z. B. das Bundeskriminalamt aus einem Stadium herauszuführen, in das es gekommen war und das es nahezu funktionsunfähig gemacht hatte. ({4}) Ich darf sagen: Es war ein großes Verdienst des damaligen Innenministers Genscher, sehr deutlich gemacht zu haben, daß die Länder und der Bund gemeinsam in der Verantwortung stehen. Hier ist doch sehr deutlich, daß wir, ob wir auf dieser Seite oder jener Seite dieses Hauses sitzen, gemeinsam dafür stehen. Wir haben Landesregierungen, die sind von der CDU gestellt, und wir haben Landesregierungen, die sind von der SPD gestellt, und wir alle miteinander tragen die Verantwortung. Wir dürfen vom Bunde her dankbar feststellen: Die Länder wissen, daß sie auf diesem Gebiet primär die Verantwortung haben. Die Länder haben gut und korrekt mitgearbeitet, so daß wir vom Bunde her die bestmöglichen Hilfen geben konnten, um zu gewährleisten, daß Bund und Länder gemeinsam diese Aufgabe lösen können. Das ist ein großer Fortschritt gewesen. ({5}) Das ist politisch ein Fortschritt, weil es die Gemeinsamkeit der De-facto-Verantwortung in der Tagespolitik deutlich macht. Im Oktober 1970 schon hat der damalige Innenminister ein Sofortprogramm - es war notwendig, meine Damen und Herren, es war sehr notwendig -, ({6}) nachdem bis 1969 andere die Verantwortung trugen, zur Verbrechensbekämpfung vorgelegt: Ausbau des Bundeskriminalamtes zu einer leistungsfähigen Behörde. ({7}) Im März 1972 schloß sich ein Schwerpunktprogramm Innere Sicherheit an ({8}) - Herr Jenninger, durch Ihre Zwischenrufe disqualifizieren Sie sich -, ({9}) durch das auch die anderen Sicherheitseinrichtungen des Bundes verstärkt wurden. Sofortprogramm und Schwerpunktprogramm sind der wesentliche Anteil des Bundes am Programm für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutsch8804 Dr. Schäfer ({10}) land, das die Innenminister des Bundes und der Länder im Juli 1972 vorgelegt und nach sorgfältiger Prüfung im Februar 1974 erweitert und verabschiedet haben. Die Bilanz des Schwerpunktprogramms und des Sofortprogramms sind eine Modernisierung und ein Ausbau des Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes, den wir zum vollen inneren Sicherheitsorgan umgestaltet haben; ein Entwicklungsprozeß, der lange überfällig war und der überhaupt erst unter unserer Führung in Bewegung gegebracht werden konnte. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Möller?

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Ich will diese Gedanken geschlossen darstellen. ({0}) Ich mache das sonst sehr gerne; aber das paßt jetzt nicht hier herein. ({1}) Wir haben das Bundesamt für Verfassungsschutz ausgebaut. Für alle drei Institutionen haben wir neue Einzelgesetze erlassen müssen, durch die die Zuständigkeit verstärkt und sie selbst in das Gesamtsystem der Inneren Sicherheit wirkungsvoll integriert wurden. Ich nenne nur ganz wenige Zahlen, um zu zeigen, daß diese sozialliberale Regierung und diese Regierungskoalition das Notwendige getan haben. Das Bundeskriminalamt verfügte 1969 über 933 Stellen. 1974 werden es 2 212 Stellen sein. 1969 standen dem Bundeskriminalamt 22,4 Millionen DM zur Verfügung. 1974 sind es 128 Millionen DM. ({2}) Den Bundesgrenzschutz haben wir, wie ich schon sagte, zu einer Polizeieinheit umgewandelt. Die Zahl ist gestiegen, und die zur Verfügung stehenden Mittel sind von 314 auf 656 Millionen DM erhöht worden. Meine Damen und Herren, damit haben wir Voraussetzungen geschaffen, soweit der Bund dazu in der Lage ist. ({3}) Unsere Politik gibt den zuständigen Stellen die Möglichkeit, gegen die Verbrecher vorzugehen. ({4}) Wir haben aber nicht nur auf diesem Gebiet der Verbrechensbekämpfung Erfolg, sondern ebenso auf dem Gebiet der Bekämpfung der politisch Radikalen. Sehen Sie die Bundestagswahlen an! Seit wir an der Regierung sind, sind DKP und NPD zu bedeutungslosen Sekten geworden. ({5}) - Meine Herren, da müßte man nun wirklich meinen, daß Sie, wenn Sie Ihre Aufgabe richtig verstehen, Beifall klatschen darüber, daß die Radikalen schwächer geworden sind. ({6}) Aber Sie sollten nicht in dieser Art und Weise reagieren. Jeder auf seine Weise, z. B. Herr Vogel auf seine Weise! ({7}) Es ist interessant, daß es nach der offiziellen Statistik 1968 über 2 000 unfriedliche Demonstrationen gab; 1972 waren es nach der offiziellen Statistik noch 77. ({8}) - Das überlasse ich Ihnen. Wenn Sie das nicht begreifen, daß das ein Befriedungsprozeß auch auf diesem Gebiet ist, dann bedauere ich Sie. ({9}) Meine Damen und Herren, zurück zur Verbrechensbekämpfung. Der erste, doch hoffentlich auch für Sie sichtbare große Erfolg der Verbrechensbekämpfung war, den harten Kern der Baader-Meinhof-Gruppe ({10}) zu verhaften und einem Gerichtsverfahren zuzuführen. Das war der erste große Erfolg der Umorganisation, die unter unserer Ära erfolgt ist. ({11}) Als ich die Worte des Herrn Kollegen Vogel vorher gehört habe, hatte ich den Eindruck: Herr Vogel hat Veranlassung, heute darüber zu reden. Er fragte nach den Erkenntnissen. Unsere Erkenntnisse haben dazu geführt, daß wir seit fünf Jahren erfolgreich gehandelt haben. ({12}) Herr Vogel, ich sage ganz ernsthaft: Ihre Worte haben Sie doch wohl an jene richten wollen, die durch das Land ziehen und Angst und Panik unter der Bevölkerung zu erzeugen versuchen. ({13}) Sie meinen doch all diejenigen Politiker, die durch das Land ziehen und Eskalationen schaffen und die im trüben fischen zu können glauben ({14}) und dabei nicht sehen, daß sie diesen Staat de facto unterminieren. ({15}) Das sind die Leute - ({16}) Dr. Schäfer ({17}) - Herr Vogel, ich habe Sie doch richtig verstanden, daß Sie sich an diese Leute gewandt haben. ({18}) Meine Damen und Herren, wir wissen uns bei den notwendigen Maßnahmen, die wir eingeleitet haben und die die Behörden jetzt durchzuführen haben, getragen von der gesamten Bevölkerung, und wir werden demgemäß handeln. ({19}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten hat mit Erschütterung von der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann erfahren. Ein hervorragender Richter und ein vornehmer Mann hat seinen Dienst am Recht mit dem Leben besiegelt. Diese Ermordung ist eine schmähliche Tat. Sie fordert ebenso wie der Versuch, in öffentlichen Demonstrationen aus dem Ermordeten gleichsam den Täter zu machen, die entschiedene Reaktion aller Demokraten, und zwar die entschiedene gemeinsame Reaktion. ({0}) Herr Kollege Vogel, Sie sagten, sie vermißten dabei eine volle Information. Sie müßten wissen - oder Sie wissen es -, daß unmittelbar im Anschluß an diese Aussprache im Innenausschuß eine eingehende Unterrichtung dieses Hauses erfolgt, eine viel eingehendere, als sie hier in der Öffentlichkeit erfolgen kann, wie Sie genau wissen. Ich weiß nicht, wie man schneller eine Information des gesamten Hauses erreichen sollte. Wir meinen, daß dies nicht der Tag vollmundiger Erklärungen ist, ({1}) daß dies nicht der Tag ist, Angst und Panikstimmung zu erzeugen. ({2}) Es gilt, in ruhiger Entschlossenheit die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates zu verteidigen. Herr Kollege Professor Schäfer hat hier im einzelnen vorgetragen, was diese Koalition getan hat, um diese Verteidigung nicht mit Worten, sondern mit Handlungen zu bewirken. ({3}) Er hat vorgetragen, in welchem Zustand wir das Bundeskriminalamt übernommen haben und wie es ausgebaut worden ist, finanziell, personell und sachlich. ({4}) Wir erwarten, daß Sie uns dabei weiter helfen und schneller helfen, als Sie es bei der vorigen Novellierung des Bundeskriminalamtsgesetzes getan haben. ({5}) Wir warnen vor dem Versuch, hier oder in der Bevölkerung aus dieser Herausforderung des Rechtsstaates, der Herausforderung aller Demokraten parteipolitische Vorteile schlagen zu wollen, als ob diese Tat sich nicht gegen alle demokratischen Kräfte in diesem Lande in gleicher Weise richtete. ({6}) Wir warnen vor dem Versuch, rechtsstaatliche Verhaltensweisen als - ich zitiere - „oft peinlich wirkende Demutshaltungen und Rücksichtnahmen mancher politischer und staatlicher Organe" zu bezeichnen. ({7}) Dies ist nicht die Gelegenheit, im Kampf für den Rechtsstaat ihn selbst zu opfern, ({8}) und dies ist nicht die Gelegenheit, Anarchisten, die gegen alle Demokraten kämpfen, in einen Topf mit politisch Andersdenkenden zu werfen, ({9}) dies ist nicht die Gelegenheit, zur großen Hexenjagd zu blasen, ({10}) und schon gar nicht die Gelegenheit, Herr Vogel, hier einen Anschlag auf die Rundfunk- oder Pressefreiheit zu versuchen. ({11}) Vizepräsident von Hassel: Herr Abgeordneter Dr. Hirsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hirsch, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß es das Recht der freien Meinungsäußerung auch gegenüber Journalisten gibt und daß das nichts mit der Frage der Pressefreiheit zu tun hat? ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich wehre mich dagegen, daß Sie einen freien Journalisten wie Herrn Merseburger hier in einen Topf mit Anarchisten und Gewalttätern zu werfen versuchen! ({0}) Und Sie, Herr Kollege Vogel, werden mich nicht dazu bringen, dann dasselbe zu tun, etwa Herrn Merseburger gegen Herrn Löwenthal aufzurechnen. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein! - Der Rechtsstaat ist keine Schönwetterveranstaltung, und die Rechtsstaatlichkeit ist keine Maske, ({0}) hinter der sich nackte Herrschaftsgewalt verbirgt, ({1}) und wenn es uns nicht gelingt, das deutlich zu machen, sind wir es selbst, die den Rechtsstaat verraten. ({2}) Es ist unsere Pflicht, als politisch denkende Menschen die Vorgänge, über die wir hier sprechen, richtig einzuordnen, und dazu ist folgendes zu sagen. Erstens. Die Verquickung von Kriminalität - ({3}) - Würden Sie vielleicht einen Augenblick zuhören? ({4}) - Gut, lassen Sie es, das ist auch bemerkenswert. ({5}) Die Verquickung von Kriminalität mit politischen Überzeugungen ist nicht zu dulden. Verbrechen und Kriminalität bleiben das auch, wenn sie politisch motiviert werden; sie bleiben Verbrechen, und sie bleiben Kriminalität. Die Anwendung von Gewalt in jeder Art ist kriminell und als Straftat zu verfolgen. Die Unterstützung und Begünstigung solcher Täter ist kriminell und als eine kriminelle Straftat zu verfolgen. ({6}) Zweitens. Der Tod des Häftlings Holger Meins war das Signal für die anderen Anarchisten, ihre Terroraktionen verstärkt fortzusetzen. Solche Aktionen können, auch wenn sie wiederholt werden, keinen Erfolg haben; darin sind wir uns einig. Dies ändert aber nichts daran, daß der Tod des Untersuchungshäftlings genauso zu untersuchen ist wie der Tod irgendeines anderen Untersuchungsgefangenen, also eines Menschen, der sich in staatlichem Gewahrsam befindet. ({7}) Wir wollen wissen, ob er in seiner ärztlichen Versorgung vernachlässigt worden ist, die jeder Häftling - wessen auch immer er beschuldigt wurde -zu beanspruchen hat. Wir wissen, daß Selbstmord nicht absolut verhindert werden kann. Aber wir wollen wissen, ob, soweit irgend möglich, versucht worden ist, ihn zu verhindern. Alle Anzeichen und Kenntnisse, die wir haben, sprechen dafür, daß keine Unterlassung irgendeiner Art gegeben ist, und dafür schulden wir den Strafvollzugsbehörden Dank. ({8}) - Ich habe Sie nicht verstanden, Professor Carstens. ({9}) - Ihrer Meinung nach, und immerhin unterscheide ich mich von Ihnen darin, daß Sie in dieser Sache überhaupt noch nichts gesagt haben. ({10}) - Ich finde, daß dieser Vorgang kein Grund zur Erheiterung ist! ({11}) Drittens. Die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann geht in ihrem Sinngehalt über eine Tat hinaus, die gegen irgendeine beliebige Einzelperson gerichtet wäre. Herr von Drenkmann ist als Richter und für seinen Dienst am Recht ermordet worden. Das ist ein Anschlag auf die Funktionsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaates, in dem nämlich jeder, der als Organ der Rechtspflege, ob als Richter, als Staatsanwalt oder als Rechtsanwalt, an der Verwirklichung des Rechtes mitwirkt, Angst bekommen und den Mut verlieren soll, diese Pflicht unparteiisch und nur nach den Geboten, des Rechts zu erfüllen. Es ist uns unverständlich, daß einzelne Zeitungen in diesem Zusammenhang hervorheben, der Kammergerichtspräsident habe doch mit dem BaaderMeinhof-Verfahren nichts zu tun gehabt. Da muß man fragen, ob denn seine Ermordung gerechtfertigt oder auch nur verständlicher gewesen wäre, wenn er mit dem Verfahren etwas zu tun gehabt hätte - natürlich nicht! ({12}) Der Kammergerichtspräsident ist als Organ der Rechtspflege ermordet worden, und dem hat die Wertung dieses Mordes zu entsprechen. Wer sich mit diesen Tätern solidarisiert, solidarisiert sich gegen das Recht. Weder für die Täter noch für ihre Helfer kann es dafür eine entschuldbare, weil vielleicht etwa politisch motivierte Erläuterung geben. Wir sind beunruhigt über die Informationen, daß sich Anwälte der Untersuchungshäftlinge nicht darum bemühen, ihre Mandanten von anarchistischen Aktionen und deren Fortsetzung abzuhalten, sondern sie möglicherweise sogar darüber hinaus darin bestärken und beschützen. ({13}) - Möglicherweise! Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Sie haben eine hohe Verantwortung der Öffentlichkeit und ihren Mandanten gegenüber - eine Verantwortung, die ihren Beeinflussungsmöglichkeiten entspricht. Anwaltliche Privilegien, für die wir kämpfen, die wir verteidigen und die im Interesse des Rechtsstaates nötig sind, werden in ihrer GeDr. Hirsch samtheit gefährdet, wenn sie zur Bekämpfung des Rechtsstaates benutzt werden oder benutzt worden sein sollten. ({14}) Es ist eine schwierige Aufgabe des Staates, hier ermittelnd einzugreifen. Wir erwarten zumindest auch von den anwaltlichen Standesorganisationen, daß sie diesen Fragen unverzüglich nachgehen und eindeutig Erklärungen der beteiligten Verteidiger herbeiführen. ({15}) Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir nicht zögern werden, daraus auch die notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen. ({16}) - Welche, fragen Sie. Das hängt von dem festzustellenden Sachverhalt ab. Wir haben mit Befriedigung den Bericht des Bundesinnenministers zur Kenntnis genommen, aus dem wir die Gewißheit erlangt haben, daß Bund und Länder gemeinsam - über die Zuständigkeitsschranken hinweg, die uns so oft als hinderlich erscheinen - tätig werden. Diese Zusammenarbeit ist ermutigend. Aber wir werden damit nur dann Erfolg haben, wenn wir für die Verfolgung der Täter eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit gewinnen. Die Fraktion der Freien Demokraten und die sozialliberale Koalition werden den Rechtsstaat mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen. Wir werden dafür sorgen, daß die politische und die demokratische Willensbildung in diesem Lande nicht in einem Strudel der Gewalt untergeht. Die Bürger dieses Landes können sich darauf verlassen. Die Verteidigung des Rechtsstaates bedeutet, daß sie mit den Mitteln des Rechtsstaates - ausschließlich mit diesen - zu erfolgen hat. Wir fordern alle Demokraten in diesem Lande auf, zu erkennen, daß es sich bei den anarchistischen Aktionen nicht um politische Auseinandersetzungen, sondern um kriminelle Handlungen handelt, und wir fordern alle Demokraten in diesem Lande auf, sich durch ihr eigenes Handeln zur Gemeinschaft der Demokraten zu bekennen. ({17}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Weyer. Minister Weyer ({18}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herausforderung des Rechtsstaates - davon sprachen Vertreter aller drei Fraktionen, davon sprachen der Bundesinnenminister und der Bundesjustizminister. Ich sage: Herausforderung der parlamentarischen Demokratie. Der Ruf nach dem Sicherheitsorgan des Staates, der Ruf nach den Organen der Justiz - auch darauf hat Ihnen der Herr Bundesinnenminister klare Antworten gegeben. Verunsicherung der Institutionen, der Polizei, der Justiz, Verunsicherung aber auch der Personen im Bereiche der Justiz und im Bereiche der Polizei! Dies alles in Verbindung mit Aktionen, wie wir sie seit Jahren kennen und wie sie jetzt erstmalig einer breiteren Öffentlichkeit deutlich werden, z. B. ein angeordneter Hungerstreik in den Haftanstalten, ist ein Teil der Strategie dieser - ja, für mich: - Bande. ({19}) Geradezu erschütternd, meine Damen und Herren, war die Tatsache, die beide Bundesminister hier anführten: daß Anwälte hierbei eine entscheidende Rolle spielten. Das ist sowohl aus den Worten des Bundesjustizministers als auch des Bundesinnenministers in der gestrigen Konferenz der Innenminister deutlich geworden. Es wird sicherlich auch Ihnen heute vorgetragen. ({20}) Meine Damen und Herren, auch die Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten war nicht optimal. ({21}) Hier bin ich anderer Meinung, Herr Kollege Hirsch, als Sie. ({22}) Gerade öffentlich-rechtliche Anstalten haben auf Grund der Rundfunkgesetze ganz besondere Verpflichtungen, die sie ernst zu nehmen haben. ({23}) Was sollen denn nun eigentlich die Sicherheitsorgane - das sind ja wohl die Polizeien der Länder und des Bundes - tun? ({24}) Es besteht kein Zweifel, daß hier einiges geschehen ist. Ich unterstreiche das, was Herr Kollege Professor Schäfer in bezug auf den Ausbau des Bundeskriminalamts gesagt hat. Das waren hervorragende Leistungen von Herrn Kollegen Genscher. Aber mit dem Ausbau des Bundeskriminalamtes ist es doch wohl nicht getan! ({25}) Das ist auch eine Frage der Polizeistärke in den Ländern. Auf den letzten Polizeibeamten kommt es an, wenn wir mit der Bande fertig werden wollen. Nicht allein auf das FBI oder das Bundeskriminalamt, son8808 Minister Weyer dern auch auf den letzten Polizeibeamten auf der Straße kommt es dabei an. ({26}) Vizepräsident von Hassel: Herr Landesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch. Minister Weyer ({27}) : Aber selbstverständlich, Parteifreunden besonders gerne! ({28})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister Weyer, sind Sie mit uns der Auffassung, daß es bei einer Aussprache in diesem Hause zunächst um das geht, was diese Regierung, also die Bundesregierung, zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit getan hat, wobei wir selbstverständlich dann gern noch im einzelnen das abhandeln können, was die verschiedenen Länder getan haben, daß es aber zunächst einmal um die Tätigkeit dieser Bundesregierung geht? ({0}) Minister Weyer ({1}) : Herr Kollege Dr. Hirsch, ich spreche nicht für das Land Nordrhein-Westfalen, wenngleich ich hier so apostrophiert worden bin, sondern ich spreche als Vertreter der Innenministerkonferenz. Ich habe von Nordrhein-Westfalen bisher kein Wort gesagt, ({2}) sondern ich habe in diesem Zusammenhang nur erklärt, daß ich die Maßnahmen der Bundesregierung - das war die einstimmige Auffassung der Innenminister aller Länder - begrüßt habe. Ich glaubte aber auch darauf hinweisen zu sollen, Herr Kollege Hirsch, daß Kriminalität allein mit dem Ausbau des Bundeskriminalamts nicht bekämpft werden kann, ({3}) und das gilt auch für diese Art von Kriminalität. Vizepräsident von Hassel: Herr Landesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Stauffenberg? Minister Weyer ({4}): Aber ja!

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es weniger auf die Leistungen der Bundesregierung und der Koalition ankommt, sondern daß es vor dem Hintergrund der heutigen Situation eher auf das ankommt, was wir alle zusammen tun, alle zusammen leisten können, um den freiheitlichen Rechtsstaat zu sichern? ({0}) Minister Weyer ({1}) : Herr Kollege Graf Stauffenberg, ich wollte mir erlauben, dazu abschließend noch etwas zu sagen. Ich werde gleich noch auf Ihre Frage eingehen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Sicherheitsorgane des Staates, des Bundes und der Länder bemühen sich, der Anarchisten habhaft zu werden. Sie fassen Mitglieder dieser Bande. Das ist, wie Sie wissen, nicht immer ganz einfach gewesen. ({2}) Und dann sagt ein Richter plötzlich: Jemand ist krank, ich entlasse ihn; er muß sich alle 14 Tage bei der Polizei melden. Aber der Betreffende denkt gar nicht daran, das zu tun. Das ist keine Schelte, aber es zeigt nun einmal, wie schwer wir es haben, wenn jemand nach mühseliger Fahndung endlich gefaßt ist ({3}) und er dann durch die Justiz entlassen wird, ({4}) nicht durch einen Minister, sondern durch einen unabhängigen Richter. Was sollen wir tun? Der Herr Justizminister hat gesagt: Ich habe Strafantrag gegen vier, fünf oder sechs Anwälte gestellt. Ist das nur eine Frage des Strafantrags, meine Kollegen? Ist das nicht auch eine Angelegenheit der Strafprozeßordnung, ({5}) die hier mit angesprochen ist und über die wir sprechen müssen? ({6}) Sie werden wahrscheinlich heute nachmittag im Anschluß an die Sitzung des Innenausschusses noch erfahren, wie schwer es die _Sicherheitsorgane bei allem guten Willen haben. Ich bedanke mich für das Vertrauen, das alle Fraktionen der Polizei - ob des Bundes oder eines Landes, spielt dabei gar keine Rolle - ausgesprochen haben. Sie werden erfahren, welche Schwierigkeiten wir haben, wichtiges Material zu beschlagnahmen. Monatelang haben wir warten müssen, um dieses Material zu bekommen, damit es endlich ausgewertet werden kann. Was soll man nun tun? - Das kann man im Plenum nicht erörtern. Natürlich wird es Objektschutz, selbstverständlich wird es Personenschutz geben; es wird sofortige, es wird langfristige Maßnahmen geben. Aber all das geht nicht, wenn wir nicht die Unterstützung der Bevölkerung haben; es geht nur mit Hilfe der Bürger. ({7}) Deswegen scheint mir wichtig zu sein, daß sich Demokraten nicht gegenseitig beschuldigen und sagen: Jetzt habt ihr erst die Erkenntnis gewonnen! Herr Kollege Vogel, das klang bei Ihnen so ein bißchen an. ({8}) Sie wissen natürlich genau, was inzwischen geschehen ist. Es war ja nicht nur das BundeskriminalMinister Weyer amt, das ausgebaut wurde, sondern es sind überall die MEKs ausgebaut worden - sowohl beim Grenzschutz als auch bei den Polizeien der Länder -, damit wir auch in diesem Bereich eine dahin gehende Chancengleichheit haben, mit diesen Radikalen, mit diesen Gangs fertig zu werden. ({9}) - Es ist nicht mühsam gewesen. Wir brauchten nur Freiwillige, die sich dann auch gemeldet haben. Denen haben wir eine anständige Ausbildung, denen haben wir die Waffen gegeben, die erforderlich sind, damit wir hier im Vergleich zu den kriminellen Elementen eine Gleichheit in der Bewaffnung haben. Ich meine also, es ist niemand berechtigt, zu sagen, wir hätten das alles etwas leichtfertig genommen. Nein, nein, meine Damen und Herren! Auch hier völlig unabhängig von der Parteirichtung: Seit Monaten wissen wir, daß die Lage absolut ernst ist - wenngleich der „Kopf" abgeschlagen wurde -, und seit Monaten wissen wir, daß Erkenntnisse vorliegen, die uns Sorge bereiten - nicht erst seit gestern, nicht erst seit vorgestern. Doch niemand kann eine Garantie dafür übernehmen, daß es nicht morgen wieder Terror gibt. ({10}) In Berlin hat der Kollege Neubauer eine Demonstration verboten. Ergebnis: 5 000 Demonstranten waren da. ({11}) Daraufhin wurden 1 000, 2 000 Polizeibeamte eingesetzt. Und jetzt beginnt ja das Problem: Sie kommen ja nicht nur alle als friedliche Demonstranten, und wenn dann ein Polizeibeamter zuschlägt, dann ist es wieder die hart zuschlagende Polizei, die dann angegriffen wird. ({12}) Dann brauchen wir die Unterstützung durch die deutschen Parlamente, durch die deutschen Parteien. In bezug auf die Information wollte ich nur sagen: Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Vogel, daß auch die CDU optimal informiert ist. Es gibt aus meiner Sicht keinen Informationsvorsprung der Koalitionsfraktionen gegenüber der Oppositionsfraktion. Es gibt zwei umfangreiche Berichte, die Ihnen heute nachmittag - so nehme ich an, Herr Kollege Maihofer - vorgelegt werden, die auch uns in dieser Zusammenfassung erst in den letzten Tagen zugegangen sind. Entscheidend ist aber, daß alle drei Fraktionen heute zugestanden haben, die Exekutivmaßnahmen im Bereich der Justiz und im Bereich der Polizei zu unterstützen, damit unsere Beamten auch wirklich spüren, daß sie von der Regierung und vom Parlament getragen werden. ({13}) Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache über die Regierungserklärung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 14. November 1974, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.