Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/8/1974

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 7. November 1974 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Forschung und Technologie und dem Bundesminister für Wirtschaft die Fragen 1, 2, 5 und 6, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Fragen 7 bis 16 und die Frage 20 im Einvernehmen mit den vorgenannten Bundesministern und dem Bundesminister der Finanzen die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Benz, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Engelsberger, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung der Tätigkeit der Arbeitnehmererfinder und freien Erfinder in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 7/2591 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2758 verteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 5. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Lemmrich, Höcherl, Dr. Jobst, Dr. Dollinger, Dr. Warnke, Dr. Kunst ({0}), Niegel, Röhner, Kiechle, Dr. Kempfler, Dr. Zimmermann, Dr. Müller ({1}), Spilker, Gerlach ({2}), Biehle, Dr. h. c. Wagner ({3}), Hösl und Genossen betr. Bundesfernstraßenbau in Bayern - Drucksache 7/2597 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2757 verteilt. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat mit Schreiben vom 5. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke, Henke und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Anpassung des Wohnungsbaus und der Städteplanung an die Bevölkerungsstruktur - Drucksache 7/2664 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2756 verteilt. Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 31. Oktober 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Meerestechnik - Drucksache 7/2594 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2732 verteilt. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 6. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Probst, Dr. Gölter, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Dr. Fuchs, Frau Benedix, Dr.-Ing. Oldenstädt, Dr. Hornhues und der Fraktion der CDU/CSU betr. Haltung der Bundesregierung in den weiteren Beratungen über das Hochschulrahmengesetz und zu weiteren Problemen der Bildungspolitik - Drucksache 7/2677 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2743 verteilt. Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 4. November 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Pferffermann, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Roser, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betr. Prioritäten in der Forschungspolitik - Drucksache 7/2683 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2754 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 28. Oktober 1974 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat: Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 765/68 betreffend allgemeine Regeln für die Erstattung bei der Erzeugung für in der chemischen Industrie verwendeten Zucker. - Drucksache 7/2358 Verordnung ({6}) des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1974/75 zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis und zum Schwellenpreis für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1974/75 zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 3209/73 über die Beihilfe für Olivenöl. - Drucksache 7/2390 Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({9}) Nr. 229/73 hinsichtlich der Beitrittsausgleichsbeträge und deren Koeffizienten für Getreide. - Drucksache 7/2391 - Verordnung ({10}) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 243/73 des Rates vom 31. Januar 1973 zur Festlegung der Grundregeln für die Ausgleichsbeträge für Reis und zur Festsetzung dieser Ausgleichsbeträge für einige Erzeugnisse. - Drucksache 7/2451 - Verordnung ({11}) des Rates über den Ausschluß des aktiven Veredelungsverkehrs für Erzeugnisse des Rindfleischsektors über den Ausschluß des aktiven Veredelungsverkehrs für Erzeugnisse des Schweinefleischsektors die die auf 50 % begrenzte Beteiligung des EAGFL an den Ausgaben, die sich aus dem Verkauf von Rindfleisch zu ermäßigten Preisen an bestimmte Verbrauchergruppen ergeben, vorsieht. - Drucksache 7/2453 - Verordnung ({12}) des Rates über die Finanzierung des Prämiensystems für die geregelte Vermarktung bestimmter ausgewachsener Schlachtrinder. - Drucksache 7/2471 Vorschlag der Kommission an den Rat betreffend die Festsetzung der Preise für verschiedene landwirtschaftliche Erzeugnisse und bestimmte im Memorandum über die Anpassung der gemeinsamen Agrarpolitik genannte Maßnahmen. - Drucksache 7/1647 Überweisung von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung ({13}) des Rates über die Einführung von bei der Ausfuhr bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren anwendbaren durchschnittlichen Ausgleichsbeträgen - Drucksache 7/2715 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({14}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({15}) Nr. 1913/74 zur Festlegung der Grundregeln für die Destillation von Tafelwein der Art. A II in der Zeit vom 15. August bis zum 31. Oktober 1974 - Drucksache 7/2716 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({16}) des Rates betreffend die Einführung einer Subvention bei der Einführung von Weiß- und Rohzucker Präsident Frau Renger über die Finanzierung der Subvention bei der Einfuhr von Zucker und die Gewährung einer Subvention für die über die Höchstquote hinaus erzeugten Zuckermengen - Drucksache 7/2717 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({17}) des Rates über Sondermaßnahmen für Sojabohnen im Wirtschaftsjahr 1974/75 - Drucksache 7/2718 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({18}) des Rates zur Festsetzung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der in Dänemark, Irland und im Vereinigten Königreich dienstlich verwendeten oder wohnenden Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind zur Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind - Drucksache 7/2719 überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 28 des Petitionsausschusses ({19}) über die Anträge zu Petitionen - Drucksache 7/2700 Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. Wer der Sammelübersicht zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? So beschlossen. Die Sammelübersicht ist angenommen. Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft ({20}) - Drucksache 7/1991 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({21}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 7/2627 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner b) Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft ({22}) - Drucksache 7/2623 Berichterstatter: Abgeordneter Reuchenbach Abgeordneter Russe ({23}) Wird das Wort gewünscht? - Herr Bundesminister Friderichs.

Dr. Hans Friderichs (Minister:in)

Politiker ID: 11000586

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Aktueller Anlaß der heutigen Debatte ist die Beratung des Entwurfs des Dritten Verstromungsgesetzes. Ich möchte mich bei dem Ältestenrat des Deutschen Bundestages sehr herzlich dafür bedanken, daß eine Verlegung auf den heutigen Freitag möglich war und mir damit sowohl ein Abschluß der Gespräche in Saudiarabien als auch die Teilnahme an der hiesigen Debatte ermöglicht worden ist. Der Deutsche Bundestag trifft heute die Entscheidung über ein meines Erachtens wichtiges energiepolitisches Element. Das Ziel dieses Gesetzentwurfs ist die Sicherheit der Energieversorgung durch den Einsatz deutscher Steinkohle, und zwar ihn zu stabilisieren und ihn zu erhöhen. Die Notwendigkeit dieses bereits mit dem Energieprogramm vom September 1973 eingeleiteten Vorhabens ist seit der Ölkrise vor einem Jahr noch drängender geworden. Das dritte Verstromungsgesetz ist ein Teil eines ganzen Bündels von Maßnahmen, die von der Bundesregierung als Antwort auf die Vorgänge auf den Weltenergiemärkten ergriffen oder eingeleitet wurden. Die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, vor knapp drei Wochen zwei zentrale energiepolitische Entscheidungen getroffen: die Verabschiedung der ersten Fortschreibung ihres Energieprogramms und den Beitritt der Bundesrepublik zum internationalen Energieprogramm, einem groß angelegten Projekt der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Beistandes der meisten westlichen Industrienationen. Wir alle sollten uns im Augenblick vor einer Dramatisierung der Gefahren für die Energieversorgung hüten und unüberlegte Maßnahmen vermeiden. Sie würden im Augenblick mehr schaden als nützen. Ich möchte die Gefahren aber auch nicht verniedlichen. Wir behandeln die energiepolitischen Probleme mit der Nüchternheit, die sich unseres Erachtens bei der Überwindung der Situation im letzten Winter bewährt hat. Ich will zur energiepolitischen Situation der Bundesrepublik nur folgendes sagen. Träume, daß die Bundesrepublik Deutschland kurzfristig vom Ö1 unabhängig wird, sind unrealistisch. Es ist technisch nicht möglich, in den nächsten Jahren große Mengen Öl einzusparen oder durch andere Energieträger zu ersetzen. Der Verkehrsbereich und die Chemie sind dafür plastische Beispiele. Wir alle hoffen natürlich auf eine Entlastung durch neue Technologien, die Entwicklung neuer Energiequellen und die Exploration zusätzlicher Energiemengen. Das alles braucht Zeit. Eine ins Gewicht fallende Erleichterung hierdurch wird deshalb erst im Laufe der achtziger Jahre möglich sein. Wir sind in der Bundesrepublik wie überall in der Welt mit einer Steigerung der Ölpreise in einem vorher nie gekannten Ausmaß konfrontiert worden, was sich natürlich auch auf die übrigen Energiemärkte auswirkt. Wir sind durch diese Preisexplosion trotzdem nicht in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten wie die meisten anderen Länder. Aber gerade die Bundesrepublik, in der viele Arbeitsplätze vom Export abhängen, muß die Sorgen ihrer Partner, muß die Entwicklung der Weltwirtschaft ernst nehmen. Es kann uns auch nicht gleichgültig lassen, daß weltweit ein Umverteilungsprozeß zugunsten der Erdölförderländer und zu Lasten der Industriestaaten und der Entwicklungsländer einsetzt, die kein 01 haben. Ich möchte, weil wir hier ein Gesetz beraten, das auch volkswirtschaftliche Kosten verursacht, gerade zu diesem Punkt ein paar Bemerkungen machen, insbesondere auch nach der Reise, von der ich in der vergangenen Nacht zurückgekehrt bin. Der internationale Inflationstrend hat durch die Verteuerung des Rohöls Ende 1973 einen neuen Schub erhalten. Schon aus dieser Formulierung geht hervor, daß ich - im Gegensatz zu einigen anderen - die alleinige Ursache für die weltwirtschaftlichen Probleme nicht auf die Erhöhung der Ölpreise zurückführe, sondern ebenso und mindestens genauso auf einen weltweiten Inflationstrend, der verschärft worden ist - und zwar dramatisch verschärft worden ist - durch die Ereignisse auf dem Energiemarkt. Zugleich verschärften sich die Ungleichgewichte im internationalen Handels- und Zahlungsverkehr. 1974 dürften die ölfördernden Länder zirka 60 Milliarden Dollar mehr einnehmen, als sie zur Finanzierung ihrer Waren- und Dienstleistungsimporte benötigen. Die Käuferländer müssen entsprechende Devisenverluste hinnehmen. Wollen diese ihre Bilanzen in laufender Rechnung in einen Zustand bringen, wie er ohne die Verteuerung des Rohöls gewesen wäre - und das ist die Vergleichsrechnung -, müßten die Verbraucherländer von Rohöl ihre Ausfuhren in die OPEC-Länder 1974 um 60 Milliarden Dollar erhöhen. Dies würde einerseits erfordern, daß diese Länder ihre inländische Verwendung zu Lasten ihrer Ausfuhren erheblich einschränken. Andererseits müßte aber auch die Absorptionsfähigkeit der OPEC-Länder entsprechend groß sein. Die Verhandlungen der letzten drei Tage mit dem größten Erdölproduzenten haben deutlich gezeigt, daß diese Absorptionsfähigkeit nicht so groß ist, mindestens nicht kurzfristig. Ein geordneter Kapitaltransfer von den erdölfördernden Ländern zurück in die Ölverbraucherländer, also zu uns und in die rohstoffarmen Entwicklungsländer, ist deshalb notwendie. Sollen dabei die Risiken für den internationalen Handels- und Zahlungsverkehr gering gehalten werden, muß die Anlage von „Öldoliars" langfristiger Natur sein. Überdies müssen Mittel und Wege gefunden werden, um das anlagebereite Kapital in Länder zu leiten, die unter der Ölverteuerung in besonderem Maße zu leiden haben. Lassen Sie mich aber noch einen zweiten Aspekt erwähnen. Die Verteuerung des Erdöls bedeutet, daß auch die Bundesrepublik in Zukunft und auf Dauer einen höheren Realtransfer an das Ausland leisten muß. Auf der anderen Seite ist unser Außenbeitrag aus verschiedenen Gründen inzwischen so groß geworden, daß er sowohl im Hinblick auf unsere internationalen Verpflichtungen als auch insbesondere wegen der Zahlungsbilanzsituation anderer Länder als auf Dauer überhöht angesehen werden muß. Bereits im nächsten Jahr und in den darauffolgenden Jahren müßte daher ein allmählicher Abbau dieser hohen Außenüberschüsse angestrebt werden. Das bedeutet, daß in Zukunft die reale Inlandsnachfrage aus strukturellen, aber auch aus konjunkturellen Gründen wieder stärker wachsen müßte, wenn ein angemessenes Wirtschaftswachstum erreicht werden soll. Im Rahmen der Entwicklung der inländischen Verwendungsaggregate - und ich lege Wert darauf, das dies im Zusammenhang mit der Energiepolitik gesehen wird - ist dabei zur Sicherung des zukünftigen Wirtschaftswachstums vor allem eine deutliche Zunahme der Unternehmensinvestitionen erforderlich, die im Durchschnitt der vergangenen Jahre nahezu stagniert haben, mindestens in diesem Jahr. Die realen Verbrauchsausgaben, und zwar sowohl die privaten als auch die öffentlichen, müßten demgegenüber in Zukunft zwar nicht absolut zurückgehen, aber doch langsamer als die gesamte Inlandnachfrage wachsen. Voraussetzung dafür ist nicht zuletzt eine deutliche Abschwächung der in den vergangenen Jahren sehr starken Lohnentwicklung. Dies wäre zugleich auch ein wesentlicher Beitrag zur Entspannung der Kostensituation bei den Unternehmen und damit zur Belebung der Investitionsneigung, zumal in der gegenwärtigen Situation der Kostenaspekt der Löhne höher als der Nachfrageaspekt zu veranschlagen ist. Meine Damen und Herren, nur wenn in den nächsten Jahren ein langsameres Wachstum der konsumfähigen Einkommen bei allen Beteiligten hingenommen wird, kann auf längere Sicht eine weitere Verbesserung unseres Lebensstandards eintreten. Insofern ist die Entscheidung des Kabinetts vom Mittwoch als Antwort auf die Forderungen des öffentlichen Dienstes auch unter langfristigen ökonomischen Aspekten eine richtige Entscheidung. Wir müssen ganz einfach zur Kenntnis nehmen, diese 60 Milliarden Dollar, die plötzlich in einen Prozeß der Einkommensumverteilung zwischen den klassischen Industrienationen und den unterentwickelten gegangen sind, einfach im Inland zur Verteilung nicht noch einmal zur Verfügung stehen. Damit müssen wir fertig werden. Wir haben auch zu berücksichtigen, daß als Motiv für Verhaltensweisen auf den Weltenergiemärkten, den Weltrohölmärkten sehr häufig nicht ökonomische Fragen eine Rolle spielen, sondern ausschließlich politische Fragen, allerdings mit gravierenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation. Die Bundesrepublik ist mit diesen Dingen vergleichsweise gut fertig geworden. Wir haben eben ein höheres Maß an wirtschaftlicher Stabilität und Leistungsfähigkeit. Darauf können wir uns nicht ausruhen, sondern wir müssen sie in einen sinnvollen multilateralen und auch zweiseitigen Prozeß der Kooperation mit den Ölförderländern einbeziehen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, meine Damen und Herren, wenige Bemerkungen zu den Verhandlungen der letzten drei Tage mit dem größten Erdölförderland, das zugleich der größte Lieferant der Bundesrepublik ist. Wir haben dort den Versuch gemacht, festzustellen, in welchem Ausmaß die deutsche Wirtschaft in der Lage ist, sich an Investitionen, Anlagelieferungen in diesem Erdölland zu beteiligen, um auf diese Weise die Kooperation mit diesem Land zu vertiefen und um auf diese Weise die Be8698 lieferung für die Bundesrepublik mit Mineralöl durch dieses Land dauerhaft zu sichern. Das war das Ziel der Verhandlungen. Ich möchte auch an dieser Stelle insbesondere auch den Mitgliedern der Delegation danken, die aus der Privatwirtschaft kamen und die in vorzüglicher Weise die Felder gemeinsamer Zusammenarbeit mit der saudiarabischen Regierung abgesteckt haben. Ich möchte hier und heute nur sagen, daß ich hoffe, daß es in den nächsten zwei, drei Tagen gelingen wird, für ein bedeutendes deutsches Mineralölunternehmen auch zu einer langfristigen Vereinbarung über die Einfuhr nennenswerter Mengen Mineralöls aus diesem Lande zu kommen. Lassen Sie mich ein paar Worte hinzufügen zur Versorgungssituation in der Bundesrepublik. Sie ist im Mineralölbereich gut. Der Inlandsabsatz an Mineralölprodukten lag in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 10 0/o niedriger als in der gleichen Zeit 1973. Im dritten Quartal hat er, auf alle Produkte bezogen, stagniert. Die Gesamtvorräte bei Mineralöl belaufen sich per 1. Oktober auf 25 Millionen Tonnen. Das ist der höchste Stand, den wir bisher in der Bundesrepublik Deutschland erreicht haben. Die Reichweite dieser Vorräte, ausgedrückt in Tagen Vollversorgung, beträgt 69 Tage bei Benzin statt 60 Tage im Oktober 1973, 81 Tage bei leichtem Heizöl und bei Dieselkraftstoff statt 71 Tage vor einem Jahr, 83 Tage bei schwerem Heizöl statt 82 Tagen vor einem Jahr. Hinzuzurechnen ist allerdings die Tatsache, daß die Bevorratung der privaten Verbraucher im Vergleich zu früheren Jahren ungewöhnlich hoch ist, ganz einfach auf Grund der Erfahrungen des letzten Winters. Es zeigt sich im übrigen, daß die Bürger dieses Landes und die Wirtschaft gelernt haben, mit Energie sparsamer umzugehen als in der Vergangenheit. Bei Kohle ist die private Bevorratung ebenfalls besser als saisonüblich. Allerdings stehen wir vor der Tatsache, daß die Halde, die wir vor einem Jahr ungewollt hatten, nahezu abgebaut ist. Nach Angaben der Bergbauunternehmen ist aber davon auszugehen, daß eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung im kommenden Winter gewährleistet werden kann Meine Damen und Herren, diese Debatte ist nicht die Gelegenheit, um die energiepolitischen Notwendigkeiten und Maßnahmen um die Fortschreibung des Energieprogramms ausführlich zu diskutieren. Diese Gelegenheit wird gegeben sein, wenn das Energieprogramm in diesem Hause zur Beratung ansteht. Auf der anderen Seite ist es wohl kaum möglich, ein wichtiges Teilstück zu beraten, nämlich den Einsatz von Kohle in Kraftwerken, ohne wenigstens die Grundzüge mit zu erwähnen. Es ist gelungen, durch die internationalen Vereinbarungen zu einem besseren Kriseninstrumentarium zu kommen, wenn in diesem Monat die Dinge endgültig abgeschlossen werden und damit im Mai nächsten Jahres voll in Kraft treten können. Meine Damen und Herren, ich bedaure, daß es nicht möglich war, alle Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft zu bewegen, sich daran zu beteiligen. Ich bedaure, daß die französische Regierung sich bisher nicht in der Lage sah, diesem Abkommen beizutreten. Die deutsche Bundesregierung zieht daraus aber nicht den Schluß, diese französische Regierung nun bewußt in dieser Teilisolation zu belassen; im Gegenteil, wir werden uns bemühen, auf allen verfügbaren Ebenen bis hin zum Gipfel den Versuch zu unternehmen, Frankreich den Beitritt nicht nur schmackhaft zu machen, sondern ihn auch prozedural zu ermöglichen, um damit Europa, nämlich die Europäische Gemeinschaft, ganz in dieses internationale Energieprogramm eingebunden zu haben. Der internationale Aspekt war ein wichtiger Teil der Fortschreibung des Programms. Unsere nationalen Anstrengungen richten sich auf folgende Punkte: Erstens. Der Anteil des besonders risikoreichen Mineralöls an der Energieversorgung soll durch geringeren Verbrauch und stärkeren Einsatz anderer Energieträger zurückgedrängt werden. Das Ziel ist, den Anteil des Mineralöls, der 1973 bei 55 % lag, bis 1985 auf etwa 44 % zurückzudrängen, nachdem er bisher kontinuierlich, in einigen Jahren sogar explosionsartig, gestiegen ist. Zweitens. Die beschleunigte Nutzung der Kernenergie und des Erdgases sowie der Braunkohle. Ich will hierzu und jetzt hier keine Einzelheiten sagen, mit Ausnahme der Tatsache, daß geplant ist, bis 1980 eine installierte Kernkraftwerksleistung von 20 000 MW und 1985 von 45 000 MW zur Verfügung zu stellen. Beide Zahlen sind durch die Planungen der Elektrizitätswirtschaft abgedeckt. Gleichwohl möchte ich sie als ehrgeizig bezeichnen, weniger wegen der Lieferprobleme der deutschen Kraftwerkswirtschaft als vielmehr wegen der gravierenden Probleme bei den Genehmigungsverfahren für derartige Anlagen. Weitere Aktionsbereiche der Fortschreibung sind: zügiger Ausbau der notwendigen Energieanlagen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes; verstärkte Energieeinsparung; höhere Priorität für Energieforschung; schließlich Verbesserung der Krisenvorsorge durch stärkere Bevorratung. Eben zu diesem Punkt - Sicherung der Energieversorgung - gehört die neue Position der deutschen Steinkohle. Sie ist unser bedeutendster heimischer Energieträger. Es besteht unter uns wohl keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß sie optimal genutzt werden muß. Wir erwarten 1974 eine Steinkohlenproduktion von 94 bis 95 Millionen Tonnen. Die Bundesregierung hat vor Monaten den deutschen Steinkohlenbergbau aufgefordert, angesichts der heutigen großen Kohlennachfrage seine Fördermöglichkeit für 1974 und 1975 voll auszunutzen. Dabei ist klar, daß die Versorgungsbedürfnisse des deutschen Marktes Piorität gegenüber zusätzlichen Exporten haben müssen. Unser Dank gilt auch denjenigen Bergarbeitern, die bereit sind, in diesen Monaten durch zusätzliches Verfahren von Schichten uns in die Lage zu versetzen, mehr fördern, als der Sollkapazität entspricht. ({0}) Ohne diese zusätzlichen Leistungen, meine Damen und Herren, wären wir in der VersorgungssicherBundesminister Dr. Friderichs heit ein Stückchen schlechter dran. Dies muß hier anerkannt und auch gewürdigt werden. Anders kann die Situation in den folgenden Jahren aussehen. Rein rechnerisch haben wir für 1980 nur eine Absatzzahl von 90 Millionen Tonnen zu erwarten. Aber ich betone: rein rechnerisch, auf der Basis äußerst unsicherer Perspektiven der Energieversorgung. Die Bundesregierung sah sich daher nicht in der Lage, auf Grund rein rechnerischer Analysen diese Zahl als Sollzahl für 1980 festzuschreiben. Sie war vielmehr der Meinung, daß - auch auf die Gefahr hin, 1980 möglicherweise eine etwas zu große Förderkapazität zu haben - der Aspekt der Versorgungssicherheit eindeutigen Vorrang habe. Die Bundesregierung hat daher die Zahl von 94 Millionen Tonnen als die Förderkapazität bezeichnet, auf die sich der deutsche Steinkohlenbergbau für 1980 einzustellen habe. Meine Damen und Herren, dies ist aber nur möglich, wenn die Grundabsatzsicherung im Bereich der Elektrizitätswirtschaft durch den vorliegenden Gesetzentwurf gesichert wird. Dieser Entwurf hat daher sowohl elektrizitätswirtschaftliche als auch kohlepolitische Ziele. Meine nach der Energiekrise mit der Elektrizitätswirtschaft und dem Steinkohlenbergbau geführten Gespräche haben die Bereitschaft der Elektrizitätswirtschaft ergeben, den Steinkohleneinsatz in Kraftwerken gegenüber den Zielvorstellungen des Energieprogramms vom September 1973 zu erhöhen. Die Ausschüsse des Deutschen Bundestages haben bei ihren Beratungen eine Erhöhung des jährlichen Kohleeinsatzes von ursprünglich 30 Millionen Tonnen auf nunmehr 33 Millionen Tonnen im Durchschnitt der nächsten Jahre beschlossen. Für das Jahr 1980 wird dies einen Steinkohleeinsatz von 35 Millionen t bedeuten. Wir können uns in der Versorgung unserer Wirtschaft und Bevölkerung mit Strom kein Risiko leisten. In diesem Zusammenhang spielt der Neubau von Steinkohlekraftwerken eine bedeutende Rolle. Hier hält die Bundesregierung nach wie vor an der Zusage der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft fest, bis 1980 zehn Großkraftwerke mit insgesamt 6 000 MW Leistung auf Steinkohlebasis zu errichten. Gerade unter dem Sicherheitsaspekt scheint mir dieses Ziel dringender denn je, und ich fordere die Elektrizitätswirtschaft auch von dieser Stelle aus noch einmal auf, dieses Neubauprogramm ohne weitere Verzögerung schnell in die Tat umzusetzen, wobei dieselbe Aufforderung an diejenigen zu richten ist, die für die Genehmigungsverfahren zuständig sind. Denn es ist unbestritten, daß mancher Kraftwerksbau in der Vergangenheit sich dadurch verzögert hat, daß nicht die Installation der Aggregate, sondern die Genehmigungsvorgänge über Gebühr in die Länge gezogen worden sind. Leider gilt dies nach wie vor auch für den Bau neuer Raffinerien, selbst für solche, z. B. im nördlichsten Bundesland, wo wir glaubten, die Genehmigungen seien bereits alle erteilt. Im übrigen habe ich die Hoffnung, daß noch etliche Steinkohlekraftwerke geringerer Größenordnung, z. B. im kommunalen Bereich oder in der Industrie, gebaut werden. Der Beschluß, die 300-MWGrenze für die Subventionierung zu streichen, soll ein Anreiz für entsprechende Bauentscheidungen sein. Um die Zielsetzung des neuen Verstromungsgesetzes zu verwirklichen, enthält der Gesetzentwurf wichtige flankierende Maßnahmen, nämlich die Genehmigungspflicht für den Bau von Heizölkraftwerken und Erdgaskraftwerken. Der Gesetzentwurf hat auf diesem Gebiet einen Weg gewiesen, der jetzt auch mit Nachdruck innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eingeschlagen wird. Die Ausschüsse des Deutschen Bundestages haben das im Regierungsentwurf enthaltene totale Bauverbot für Ölkraftwerke und Erdgaskraftwerke in eine Genehmigungspflicht umgewandelt. Aus dem Schriftlichen Bericht des federführenden Wirtschaftsausschusses ergibt sich dabei eindeutig - und ich teile diese Auffassung -, daß die nunmehr mögliche Genehmigung nur in wirklichen Extremfällen erteilt werden darf, daß sich also an der ursprünglichen Zielsetzung nichts geändert hat. Zur Kooperation mit der beteiligten Wirtschaft: Sie alle wissen, daß innerhalb der Elektrizitätswirtschaft intensiv versucht worden ist, durch ein umfassendes Kooperationsangebot, das auch die finanzielle Seite abdeckte, dieses Gesetz entbehrlich zu machen. Meine Damen und Herren, ich gestehe, mir wäre es aus ordnungspolitischen Gründen sehr viel lieber gewesen, wir kämen ohne dieses Gesetz aus und die Elektrizitätswirtschaft hätte sich in einer freiwilligen Kooperation bereit finden können, die erforderlichen Mengen Steinkohle zu verstromen und die dadurch entstehenden Mehrkosten unmittelbar im Preis weiterzugeben. Dazu ist es nicht gekommen, und ich muß anerkennen, daß aus der Struktur der Elektrizitätswirtschaft heraus erhebliche und beachtliche Gründe gegen eine freiwillige Kooperationsmöglichkeit ins Feld geführt werden konnten. Ich habe diese Bemühungen mit viel Sympathie verfolgt. Ich hätte sie - ich sage es noch einmal - einer gesetzlichen Regelung vorgezogen. Der Versuch hat aber nicht zum Erfolg geführt. Die Elektrizitätswirtschaft, sowohl die öffentliche als auch die industrielle, sah sich eben außerstande, eine gemeinsame freiwillige Finanzierung zustande zu bringen. Ohne eine solide Finanzgrundlage wäre aber die energiepolitische Zielsetzung gefährdet. Ich weise nur auf die Realisierung des Neubauprogramms von zehn Großkraftwerken hin. Damit ist dieses Gesetz notwendig geworden. Zur Verwendung der Mittel, die durch die Ausgleichsabgabe aufgebracht werden: Die Kostenrelationen zwischen Steinkohle und Heizöl haben sich infolge der Energiekrise verändert. Die Wettbewerbssituation der Steinkohle hat sich verbessert. Sie hat jedoch nicht dazu geführt, im Gegensatz zu mancher auch öffentlich geäußerter Meinung, daß der Mittelbedarf für die Verstromung ganz entfallen wäre. Er ist allerdings bei einer Wärmepreisdifferenz von Null im Jahre 1974 - und das ist auch für 1975 wohl eine realistische Annahme - geringer geworden. Vor der Energiekrise waren wir noch von einem jährlichen Subventionsbedarf von mehr als 1 Milliarde DM ausgegangen. Jetzt haben wir - auf ein Jahr bezogen - die Größenordnung von etwa 600 Millionen DM erreicht, also 400 Millionen DM weniger. Wenn zu Beginn dieser Neuregelung noch ein höherer Finanzbedarf entstanden ist - wiederum von zirka 1 Milliarde DM -, so liegt das daran, daß durch die Ausgleichsabgabe des Jahres 1975 der Mittelbedarf für zwei Jahre abgedeckt werden muß, nämlich für 1974 und 1975. Der im Gesetzentwurf genau definierte Finanzbedarf entsteht im wesentlichen aus folgenden Faktoren: den Betriebsmehrkosten eines Kohlekraftwerks gegenüber einem Heizölkraftwerk, den Zuschüssen zu den Investitionen der neuen Kohlekraftwerke, aus den Beiträgen für die Stromtransportkosten sowie aus der Ablösung der sogenannten Minderpreisverträge. Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle etwas zu den Minderpreisgeschäften sagen. Ich habe grundsätzliches Verständnis für die Kritik an diesem Teil des Gesetzentwurfs. Ich möchte daher darlegen, warum ich gleichwohl für diese Regelung bin. Wenn wir von dem deutschen Steinkohlebergbau die Erhöhung seines Anteils an der Elektrizitätsversorgung gesetzlich verlangen, dann müssen wir auch dafür sorgen, daß Verluste aus diesem Absatzbereich abgebaut werden. Gerade die Minderpreisgeschäfte waren es in der Vergangenheit, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß der deutsche Steinkohlebergbau wiederholt an die Grenze seiner Existenzfähigkeit gekommen ist und dabei mitunter rechtlich und faktisch vor dem Konkurs stand. Die Ablösung der Minderpreisgeschäfte ist damit ein notwendiger Beitrag zur Erhaltung des Steinkohlebergbaus - und jetzt komme ich auf den entscheidenden Punkt -, nämlich zur Sicherung der gesamten Elektrizitätsversorgung. Wenn, meine Damen und Herren, die Abnehmer der Steinkohlemengen im Rahmen der Minderpreisverträge bereit gewesen wären, die Preise den jetzigen Listenpreisen freiwillig anzupassen, oder wenn sich der Lieferant Ruhrkohle so verhalten hätte, wie sich andere Energielieferanten in der Vergangenheit verhalten haben, nämlich bestehende Verträge zu brechen und zu sagen: Zahl' einen höheren Preis oder du bekommst nichts mehr, wäre das kein Problem gewesen. Auch das wäre zwar eine Lösung gewesen, aber in einer rechtsstaatlichen Ordnung ist es ja wohl nicht sinnvoll, die Dinge so zu handhaben. Das heißt: Da die Verträge bestehen und erfüllt werden müssen, die Abnehmer aber nicht bereit waren, andere Preise zu bezahlen, mußte im Rahmen dieses Gesetzes eine Regelung für die Minderpreisgeschäfte gefunden werden. Im übrigen kann diese Argumentation nicht mit einem Hinweis auf die zur Zeit günstigere Wettbewerbssituation der Kohle entkräftet werden. Dies ist eine erst seit kurzem gegebene Situation, von der wir nicht wissen, wie lange sie anhält. Es ist ausgeschlossen, hieran ein mittel- und langfristiges Konzept zur Sicherung der Energieversorgung zu orientieren. Im übrigen wird der Aufwand für die Ablösung dieser Verträge jährlich geringer und wird 1981 endgültig auslaufen. Ein Wort noch zu einem Problem, das in der Diskussion um das Gesetz eine besondere Rolle gespielt hat: die Art und Weise der Finanzierung der Verstromung. Ich bin unverändert der Ansicht, daß die Sicherheit der Stromversorgung und die dafür größere Unabhängigkeit von den Risiken des Welterdölmarktes es rechtfertigen, die erforderlichen Finanzmittel durch die Elektrizitätswirtschaft selbst im Wege einer Umlage aufzubringen. Zwei Anmerkungen dazu: Erstens. Durch diese Finanzierung sollen die aus dem Steinkohleeinsatz resultierenden zusätzlichen Belastungen gleichmäßig auf die gesamte Elektrizitätswirtschaft verteilt werden. Die Stromerzeugung insgesamt wird also mit den tatsächlich entstehenden Kosten belastet, und zwar auch, soweit sie durch ein größeres Maß an Versorgungssicherheit bedingt sind. Dieser Sicherheits- und Zuordnungsaspekt rechtfertigt die Inanspruchnahme des Stromverbrauchers: es ist seine Versicherungsprämie für eine höhere Sicherheit hei der Energieversorgung. Eine weitere Haushaltsfinanzierung, die undifferenziert jeden Steuerzahler träfe, wäre weder an der Sicherheit noch an dem Einzelverbraucherinteresse orientiert. Sie würde auf eine durch Subventionen verfälschte Zurechnung der Kosten der Stromerzeugung hinauslaufen. Zweitens. Ein weiteres entscheidendes Argument für die Finanzierung über die Ausgleichsabgabe ist, daß der Haushalt wegen mangelnder Flexibilität insoweit nicht mehr als geeignetes Finanzierungsinstrument angesehen werden kann. Wir müssen uns künftig mehr denn je auf nicht unerhebliche Schwankungen im Energiepreisniveau einstellen. Da gerade die Verstromungsfinanzierung unmittelbar von jeder Preisbewegung im Mineralölbereich abhängt, muß ein taugliches, das heißt möglichst flexibles Instrument für die Finanzierung gefunden werden. Hierfür bietet sich die Umlage der Elektrizitätswirtschaft an. Die veränderte Energiesituation hat deutlich werden lassen, daß wir künftig in der Lage sein müssen, schnell und wirksam zu handeln. Die Bundesregierung ist deshalb intensiv bemüht, die Energiepolitik zu straffen und hierfür ein schlagkräftiges Instrumentarium zu entwickeln. Dazu gehört für den Bereich der Elektrizitätsversorgung das durch den vorliegenden Gesetzentwurf geplante Sondervermögen. Selbstverständlich bedürfen derartige Instrumente der wirksamen Kontrolle des Parlaments. Ich teile insoweit die Argumente, die in den Ausschüssen vorgebracht worden sind, und ich begrüße die im Interesse einer solchen Kontrolle vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzentwurfs während des Beratungsverfahrens. Neben der jährlichen Rechnungslegung über den Wirtschaftsplan gegenüber Bundestag und Bundesrat messe ich besondere Bedeutung dem im Gesetzentwurf festgelegten Plafond bei, von dem an die Festsetzung der Ausgleichsabgabe von der Zustimmung des Bundestags abhängig gemacht wird. Auch die weitere Neuerung, die Höhe des Plafondsatzes ab 1981 durch Gesetz neu festzusetzen, betrachte ich als einen wesentlichen Fortschritt des eingebrachten Entwurfs. Die regionalen Aspekte des neuen Verstromungskonzepts spielen eine besondere Rolle. Ich möchte hier die vier wichtigsten Punkte ansprechen. Erstens. Von seiten der Bundesländer, insbesondere der revierfernen Länder, ist als Argument gegen die prozentuale Ausgleichsabgabe vorgebracht worden, daß dadurch Strompreisdifferenzen in der Bundesrepublik weiter vergrößert würden. Ich halte dieses Argument nicht für geeignet, die vorgesehene Finanzierungsart in Frage zu stellen. Auf Wunsch der Länderwirtschaftsministerkonferenz ist bereits im vorigen Jahr ein Strompreisvergleich gefertigt und von den Ländern geprüft worden. Er hat ergeben, daß die Strompreisdifferenzen nicht so groß sind, wie immer behauptet wird, und daß das Strompreisniveau im Bundesgebiet sich tendenziell und stetig weiter angleicht, dies vor allem durch den Ausbau der Kernenergie und damit insbesondere auch zugunsten der süddeutschen Länder. Selbstverständlich weiß ich, daß derartige Strompreisvergleiche nicht unproblematisch sind. Sie hängen in ihrer Aussagekraft vom gewählten Zeitpunkt, von den unterstellten Abnahmeverhältnissen und ähnlichem ab. Insbesondere entwickeln sich die Strompreise in den einzelnen Versorgungsgebieten zeitlich unterschiedlich. Um gleichwohl ein möglichst exaktes Bild zu erhalten, werden die Strompreisvergleiche vom Oktober des vergangenen Jahres laufend fortgeschrieben. Die oben genannten Feststellungen haben sich dabei, im ganzen gesehen, auch 1974 bestätigt. Im übrigen bestehen regionale Unterschiede nicht nur von Land zu Land, sondern auch innerhalb eines Landes von Versorgungsgebiet zu Versorgungsgebiet. Solche Unterschiede beruhen oft weniger auf allgemeinen energiepolitischen Ursachen, sondern vielmehr auf der besonderen Struktur der einzelnen Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Zweitens. Revierferne Länder werden durch das Dritte Verstromungsgesetz nicht deshalb besonders benachteiligt, weil etwa die Standorte der bestehenden Kohlekraftwerke überwiegend und die der künftigen Kohlekraftwerke nahezu ausschließlich in den Revieren liegen; mit diesem weit verbreiteten Irrtum sollte man auch einmal aufräumen. Nach Angaben des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft werden zur Zeit in revierfernen Kraftwerken 45,4 % der Gesamtmenge an Steinkohle und in reviernahen bzw. im Revier liegenden Kraftwerken 54,6 % der Steinkohle eingesetzt, also praktisch halbe-halbe im Revier und außerhalb. Für den Bau neuer Steinkohlekraftwerke sieht der insoweit geänderte Regierungsentwurf keine Begrenzung auf die Reviergebiete mehr vor, so daß abzuwarten bleibt, in welchem Umfange Neubauten auch in Gebieten außerhalb der Reviere errichtet werden. Drittens. Auf Wunsch der revierfernen Länder wurde eine Härteklausel zugunsten stromintensiver Unternehmen in den Gesetzentwurf eingefügt. Danach können Unternehmen von der Ausgleichsabgabe freigestellt werden, wenn die sich daraus für sie ergebende Belastung eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift kommt vor allem bestimmten Gebieten in revierfernen Ländern zugute, z. B. dem Inndreieck oder dem Hochrheingebiet. Viertens. Schließlich kann ich den Einwand nicht teilen, das Dritte Verstromungsgesetz komme lediglich den Bergbaugebieten zugute und bringt keinerlei Vorteile für die übrigen Gebiete der Bundesrepublik Deutschland. Das ist einfach nicht richtig, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt von mehr Versorgungssicherheit. In einem Gebiet mit Stromverbund kommt natürlich ein Mehr an Sicherheit allen Beteiligten zugute, gleichgültig, wo sie sich in diesem Versorgungsgebiet aufhalten. Man sollte den Zugewinn an Sicherheit in der Elektrizitätsversorgung nicht regional auseinanderdividieren. Die größere Sicherheit durch den Einsatz von Steinkohle in Kraftwerken kommt eben gerade bei unserem engen Verbundsystem dem Norden ebenso zugute wie dem Süden - und ebenso dem reviernahen Gebiet. Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zur Belastung der Verbraucher sagen, denn die tragen ja nun die Kosten für dieses Mehr an Sicherheit; aber wie im Privatleben, so gibt es auch hier keine Versicherungspolice ohne Entgelt. Das Gesetz enthält zwar keine Pflicht zur Weitergabe der sich aus der Ausgleichsabgabe ergebenden Belastung an die Verbraucher; es mag auch, insbesondere im industriellen Sonderabnehmerbereich, zu der einen oder anderen Ausnahme kommen. Im Normalfall ist aber davon auszugehen, daß der Stromverbraucher die Belastung zu tragen hat. Hier ist zunächst die von den Ausschüssen gewünschte Ausweispflicht auf den Stromrechnungen zu begrüßen. Der Verbraucher weiß also, wie hoch die Versicherungsprämie ist, die er zahlt. Dadurch wird sichergestellt, daß wirklich alle privaten Verbraucher über die auf sie zukommende Belastung informiert sind. Die Belastung für den einzelnen Haushaltsverbraucher hält sich meines Erachtens, finanziell gesehen, in Grenzen. Das gilt auch für das erste Jahr - 1975 , in dem, wie gesagt, die Ausgleichsabgabe auch noch den Mittelbedarf für das Jahr 1974 mit abdecken muß und dadurch eine nicht normale Höhe erreicht. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen 3,24% für 1975 führen für den durchschnittlichen Haushaltsverbraucher im Bundesgebiet - Dreizimmerwohnung und monatlicher Stromverbrauch von 250 Kilowattstunden unterstellt - zu einer zusätzlichen Monatsbelastung von 1,30 DM. Eine Belastung in dieser Größenordnung ist doch wohl gewiß nicht zu hoch und ist nach meiner Meinung ein zumutbarer Betrag für ein Mehr an Versorgungssicherheit. Meine Damen und Herren, wenn ich mich daran erinnere, mit welcher Aufgeregtheit und teilweise Panikmacherei vor genau einem Jahr über die Energieversorgung diskutiert worden ist, dann mutet es einen nahezu lächerlich an, daß wir über einen Betrag von 1,30 DM pro Monat und Dreizimmer-Haushalt überhaupt diskutieren. ({1}) Und wenn Sie diejenigen befragen, die mit mir vor wenigen Tagen in Saudi-Arabien waren, werden Sie feststellen, daß die Probleme der Weltenergieversorgung bei weitem nicht gelöst sind, daß das Ausmaß an Versorgungsunsicherheit - insbesondere was den Preis betrifft - trotz allem Gerede, es bestehe eine Tendenz zur Senkung - nicht kleiner geworden ist. Seien wir hier vorsichtig; verlassen wir uns ein bißchen mehr auf uns selbst. Und seien wir ganz einfach bereit, für dieses Maß an Unabhängigkeit, das wir damit zusätzlich erreichen, und dafür, daß zur Lebensqualität auch die Stromversorgung in der privaten Wohnung gehört - ich darf es, auch als Nichtraucher, so salopp ausdrükken -, eine Schachtel Zigaretten im Monat zu opfern. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß wir mit dem Dritten Verstromungsgesetz ein solides, und ausgewogenes Fundament für die künftige Energiepolitik schaffen und dadurch zugleich eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherheit unserer Elektrizitätsversorgung im Interesse der Verbraucher in unserem Lande, für die betroffene Elektrizitätswirtschaft und - lassen Sie mich das hinzufügen - für den Steinkohlenbergbau und letztlich im Interesse der gesamten Wirtschaft. Ich möchte mich besonders bedanken für die sehr sachbezogenen und konstruktiven Beratungen im Bundestagsausschuß für Wirtschaft, für die dort eingefügten Änderungen und Ergänzungen, durch die meines Erachtens dieser Gesetzentwurf an Qualität gewonnen hat. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke dem Herrn Bundesminister. Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Herr Abgeordnete Spilker.

Dr. h. c. Karl Heinz Spilker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Interesse haben wir die Ausführungen von Herrn Bundesminister Friderichs zur Kenntnis genommen. Wir werden zu diesen Ausführungen noch einiges zu sagen haben. Ich selbst, meine Damen und Herren, werde mich mit der Art und Weise der Finanzierung des Verstromungsgesetzes befassen. Um von vornherein jedes Mißverständnis auszuschließen, darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß man mit der energiepolitischen Zielsetzung des Dritten Verstromungsgesetzes grundsätzlich einverstanden sein kann, selbst, wenn einem das eine oder andere in diesem Gesetz nicht gefällt. Darüber wird mein Kollege Schmidhuber sprechen. Ich möchte zunächst noch einmal betonen, daß wir natürlich alle an einer höchstmöglichen Sicherheit in der Energieversorgung interessiert sind und daß wir zu dieser auch durch die Bereitstellung der erforderlichen Mengen von Steinkohle für die Verstromung beitragen müssen. Ob wir deshalb bei der Finanzierung des Verstromungsgesetzes von einem bewährten Verfahren abweichen sollen, ist eine andere Frage. Sie soll hier noch einmal aufgegriffen werden. Mir scheint, daß die Notwendigkeit, ein Drittes Verstromungsgesetz heute zu verabschieden, nicht zur Folge haben sollte, daß wir bei der Finanzierung einen falschen, einen unglücklichen oder sogar einen verhängnisvollen Weg gehen. Das wäre doch die Folge des Sondervermögens; das wäre so, wenn man die Hand dazu gäbe, daß an diesem Parlament - jedenfalls teilweise - vorbeiregiert werden könnte. Können wir das eigentlich als Parlamentarier zulassen? Dürfen wir als Parlamentarier schweigen, wenn es darum geht, neue Schattenhaushalte zu bilden, dem Parlament einen Teil seiner Kontrollrechte zu nehmen? Ich darf - wenigstens andeutend - weiter fragen: Ist das eigentlich verfassungspolitisch erwünscht, ist das verfassungsrechtlich überhaupt möglich? Das sind Fragen, zu denen Herr Professor Zeitel noch Stellung nehmen wird. Ich möchte sie wenigstens in diesem Zusammenhang einmal anreißen. Natürlich ist es klar, daß man ein Gesetz finanzieren muß, wenn man es im Prinzip bejaht. Das ist nichts Neues. Das machte man bisher über Haushalte und nicht mit Hilfe einer verkappten oder gar versteckten Steuer, deren Aufkommen dann in einem Sondervermögen ohne parlamentarische Kontrolle oder mit nur sehr wenig parlamentarischer Kontrolle erscheint. Nun werden Sie sagen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Im Haushalt steht kein Geld mehr zur Verfügung. Gut, dann sagen Sie das. Aber sagen Sie auch, warum kein Geld mehr zur Verfügung steht, nämlich einfach deshalb, weil die Mittel infolge der uns allen bekannten inflationären Entwicklung - um das einmal ganz klar auszusprechen - verwirtschaftet sind. Das hören Sie nicht gern, und das ist bestimmt kein Grund, ein Parlament auf einem Teilgebiet zu entmachten. Wir sollten in dieser Legislative bestrebt sein, unsere Kontrollfunktionen gegenüber der Exekutive voll wahrzunehmen. Wir von der Opposition wollen das jedenfalls. Wir wollen diese Kontrolle ausüben, zumal wir nach all unseren Erfahrungen in den letzten Jahren kein Vertrauen zu dieser Regierung haben. Meine Damen und Herren, in einigen Wochen werden wir in diesem Hohen Hause darüber entscheiden müssen, ob wir die Heizölsteuer verlängern oder nicht, eine Steuer, die zu einem Teil einer ähnlichen Zielsetzung wie das Verstromungsgesetz entsprang. Wie gut und vernünftig wäre es gewesen, das Aufkommen aus dieser Steuer für dieses Verstromungsgesetz zu verwenden. Die hierfür notwendigen Gelder sind aber nicht mehr da, die Gründe habe ich soeben genannt. Nun mußte eine andere Methode her. Herr Minister, ich habe aufmerksam verfolgt, wie Sie sich für die Art der Finanzierung, wie sie in dem Regierungsentwurf vorgeschlagen worden ist, eingesetzt haben. Gerade deshalb sage ich ausdrücklich: Wir wissen, daß wir etwas für eine höchstmögliche Sicherheit in der Energieversorgung zu zahlen haben; wir wissen und respektieren auch, daß dazu der Einsatz einer großen Menge Steinkohle bei der Verstromung notwendig ist. Das sind Maßnahmen, die man bezahlen muß, wenn man eine wichtige öffentliche Aufgabe zu erfüllen hat. Nur: die Art- Sonderhaushalt, Sondervermögen, Schattenhaushalt, versteckte Steuer - scheint nicht gut zu sein. Die Methode ist schlecht. Ein Parlamentarier sollte da - so meine ich jedenfalls - eigentlich nicht mitmachen. Man nimmt diesem Parlament etwas, was sich in kurzer Zeit, meine Damen und Herren, als viel, ja als sehr viel erweisen kann. Man setzt hier etwas in Bewegung, von dem man nicht weiß und nicht wissen kann, ob und wann es wieder zum Stillstand kommt. Wir sollten nicht mit Sondervermögen, wir sollten nicht mit versteckten Steuererhöhungen arbeiten, sondern klar aussprechen, was wir wollen und welche Mittel dafür erforderlich sind. ({0}) Damit können wir vor allen Bürgern besser dastehen. Das scheint mir jedenfalls besser zu sein, als ihnen praktisch eine mehrprozentige Erhöhung der Strompreise per Gesetz frei Haus zu liefern. Sie wissen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß sich der Bundesrechnungshof über diese Ihre Vorschläge sehr kritisch ausgelassen hat. Da war auch die Rede von der Einengung des parlamentarischen Budget- und Kontrollrechts, und zwar, wie es hieß, für einen wichtigen Bereich der Wirtschaftspolitik. Trotz dieser kritischen Stellungnahme - das ist doch wohl eine kompetente Stelle -, meine Damen und Herren, haben Sie es abglehnt, im Verlaufe der parlamentarischen Behandlung auf Ihren Finanzierungsvorschlag, wie ich es ausdrücken darf, zu verzichten. Nun, Sie haben heute noch Gelegenheit, Ihre Meinung zu ändern. Dem dient unser Änderungsantrag Drucksache 7/2739, mit dem wir erreichen möchten, daß das Sondervermögen abgelehnt wird und die notwendigen Ausgaben für das Verstromungsgesetz in den normalen Haushalt eingegliedert werden. Vielleicht ist es doch besser, haushaltspolitisch zu dem zurückzukehren oder bei dem zu bleiben, was sich über Jahrzehnte in allen parlamentarischen Demokratien bewährt hat. Erhalten wir uns das - das möchte ich betonen -, was verfassungspolitisch geboten und nach meiner Ansicht verfassungsrechtlich notwendig ist: das Budget- und Kontrollrecht des Parlaments in unserem System der Gewaltenteilung und der Gewaltenbalance! ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf die Einlassungen meines Vorredners antworten, die sich auch auf den Antrag der Opposition Drucksache 7/2739 beziehen. Zunächst sind Ausführungen zur Problematik des Schattenhaushalts gemacht worden. Dieser Begriff geistert seit den 60er Jahren durch die politische Diskussion, ohne daß bisher eine klare Definition formuliert worden wäre. Unter Schattenhaushalt kann man eine der bloßen Haushaltsoptik dienende Herauslösung bestimmter Finanztatbestände aus dem Bundeshaushalt verstehen. Hiervon kann bei der Regierungsvorlage des Dritten Verstromungsgesetzes keine Rede sein. Nach der Vorlage sollen die für die Verstromung erforderlichen Mittel nicht über Bundesausgaben, sondern in einer Art Selbsthilfe der Elektrizitätswirtschaft über eine Ausgleichsabgabe aufgebracht und über ein Sondervermögen abgewickelt werden. Dadurch sollen die aus dem Steinkohleeinsatz resultierenden zusätzlichen Belastungen gleichmäßig auf die gesamte Elektrizitätswirtschaft verteilt werden. Die Stromerzeugung insgesamt soll mit den tatsächlich entstehenden Kosten, und zwar auch soweit sie durch ein größeres Maß an Versorgungssicherheit bedingt sind, belastet werden. Diese volle Zurechnung der Kosten und ihrer Einbeziehung in die Preisüberlegungen sind auch energiepolitisch geboten, weil auf diese Weise ein wirtschaftlich sinnvoller und sparsamer Stromverbrauch der gesamten Volkswirtschaft unterstützt werden kann. Eine Finanzierung der Verstromungskosten über den öffentlichen Haushalt, die unterschiedslos alle Steuerzahler träfe, würde demgegenüber auf eine durch Subventionen verfälschte Zurechnung der Kosten der Stromerzeugung unabhängig vom Verbrauch hinauslaufen. Nun zur Frage der Verbrauchsteuer. Bei der Ausgleichsabgabe nach § 4 des Entwurfs handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine wirtschaftsverwaltungsrechtliche Abgabe. Es ist also eine Lastenumverteilung innerhalb eines geschlossenen Wirtschaftszweiges. Sie erfüllt das entscheidende Merkmal des Steuerbegriffs nicht, weil sie nicht der Gewinnung von Mitteln für den allgemeinen Staatsbedarf dient. Ihr ausschließlicher Zweck ist vielmehr die Finanzierung des Sondervermögens und damit der aus diesem Fonds zu erbringenden Leistungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine Ausgleichsabgabe von solchen Unternehmen erhoben werden, die zu dem Zweck, dem das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe dient, eine besondere Beziehung haben. Bei der Sicherung der Elektrizitätsversorgung kommt den Abgabeschuldnern, den Elektrizitätsversorgungsunternehmen, eine besondere Verantwortung zu. Es ist daher gerechtfertigt, ihnen und nicht der Allgemeinheit die Finanzierung der aus dem Sondervermögen zu erbringenden Leistungen aufzuerlegen. Die Ausgleichsabgabe kann auch in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung nicht einer Verbrauchsteuer gleichgesetzt werden. Eine Verbrauchsteuer belastet allgemein den Verbrauch bestimmter Güter und Leistungen zum Zwecke der staatlichen Einnahmeerzielung. Die Ausgleichsabgabe stellt demgegenüber nur sicher, daß die Verstromungskosten künftig in vollem Umfang in die Strompreise eingehen und die bisher aus dem öffentlichen Haushalt geleistete Subventionierung entfällt. Dabei werden auch diejenigen Kosten in die Strompreise eingerechnet, die sich aus einem höheren Maß an Versorgungssicherheit bei der Energieversorgung ergeben. Der Bundeswirtschaftsminister hat soeben von der Versicherungsprämie gesprochen, die zu bezahlen sei. Ähnliche Versicherungsprämien zahlt die Elektrizitätswirtschaft ja heute schon bei der Versicherung gegen den Ausfall von ganzen Stromerzeugungsblöcken. Auch da muß hilfsweise gegen erhebliche Prämien, also gegen erhebliche Geldleistungen, Sicherheit geschaffen werden. Ähnliches soll erreicht werden durch die Ausgleichsabgabe. Hier wird die Energiezufuhr gesichert und soll in die Gesamtkostenbasis der EVUs einbezogen werden. Hätte man im übrigen in der Bundesrepublik wie etwa in Frankreich eine einheitliche nationale Elektrizitätsversorgungsgesellschaft, würde gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die Finanzierung der Energiesicherungsbasis keineswegs aus dem Haushalt zu erfolgen hätte, sondern daß dieses Unternehmen die Kosten hierfür tragen müßte. Es kann im Grunde genommen keinen Unterschied bedeuten, wenn diese Kosten nun auf eine ganze Reihe von EVUs umgelegt werden, da wir keine nationalen Energieversorgungsunternehmen haben. Nun noch zur Frage der parlamentarischen Kontrolle des Sondervermögens. Auch dies ist ja von meinem Vorredner angesprochen worden; es ist ein ernstes Problem. Die Beteiligung des Parlaments bei der Aufstellung des jährlichen Wirtschaftsplans des Sondervermögens könnte z. B. durch eine besondere gesetzliche Feststellung oder durch eine Anhängung des Wirtschaftsplans an den Bundeshaushaltsplan erreicht werden. Eine derartige Regelung käme jedoch einer zeitlichen Anbindung an das Haushaltsverfahren des Bundes gleich und würde damit wegen der Einschränkung der notwendigen Beweglichkeit, insbesondere bei der Festlegung des Umlagesatzes, die Zusammenarbeit mit der Elektrizitätswirtschaft in Frage stellen. Die Ausgleichsabgabe und die Zuschüsse gehen in die Kostenrechnungen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen ein und beeinflussen das wirtschaftliche Ergebnis der Unternehmen wesentlich. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, daß den Unternehmen in angemessener Zeit vor Beginn des Kalenderjahres die Höhe der Ausgleichsabgabe und der Zuschüsse bekannt ist. Voraussetzung hierfür ist ein rechtzeitig vor Jahresbeginn festgestellter und vollziehbarer Wirtschaftsplan für das Sondervermögen. Im übrigen ist eine gesetzliche Feststellung des Wirtschaftsplans nicht zwingend vorgeschrieben, wie der Hinweis auf den Lastenausgleich - ein ähnliches Sondervermögen -, den Altölbeseitigungsfonds, das Filmförderungsgesetz zeigt. Dem Gedanken der Einschaltung des Parlaments hinsichtlich der Höhe der Abgabe wird durch eine Änderung des § 4 des Regierungsentwurfs Rechnung getragen, nach der die Erhebung der Abgabe bei Überschreitung eines Satzes von 3,5 v. H. an die Zustimmung des Bundestages gebunden ist. Ab 1980 ist auch der Satz von 3,5 v. H. durch Gesetz neu zu bestimmen. Auch hinsichtlich der Rechnungslegung und der parlamentarischen Entlastung ist die Regierungsvorlage inzwischen durch den Wirtschaftsausschuß ergänzt worden. Während der Entwurf insoweit keine parlamentarische Kontrolle vorgesehen hatte, hat nach der Änderung des § 2 Abs. 5 der Bundesminister für Wirtschaft nunmehr dem Bundestag und dem Bundesrat im Laufe des nächsten Wirtschaftsjahres zur Entlastung gesondert Rechnung zu legen. Durch diese Maßnahme ist die Beteiligung des Parlaments im Rahmen des praktisch Möglichen gewährleistet. Auch die Prüfungsrechte des Rechnungshofes sind nicht beeinträchtigt. Ich bitte daher im Namen der Koalitionsfraktionen jetzt schon, den Antrag der Opposition auf Drucksache 7/2737, der diese Thematik zum Gegenstand hat, abzulehnen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, damit wir uns im klaren sind: Wir sind noch in der allgemeinen Aussprache. Offensichtlich geht das etwas durcheinander. Als nächster Redner ist hier Dr. Zeitel gemeldet. Wollen Sie in der allgemeinen Aussprache sprechen, Herr Dr. Zeitel? - Dann haben Sie das Wort. Bitte schön!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Parlament stünde vor einer relativ einfachen Aufgabe, wenn es nur darum ginge, für eine verbesserte Energieversorgung, namentlich auf der Basis der heimischen Steinkohle, vermehrt Mittel bereitzustellen. Das ist allerdings nicht die ganze Problematik. Es beginnt vielmehr bei der Frage: Ist das, was hier gezahlt wird, eine Abgabe, oder - wie Herr Kollege von Bülow etwas harmlos meinte -- ist das eine Versicherungsprämie oder aber ist es dasselbe, als hätten wir Gewinne einer verstaatlichten Energieversorgung? Herr Kollege von Bülow, genau das unterscheidet uns eben von anderen Ordnungen zwischen privaten Preisen, öffentlichen Abgaben, Steuern und Gewinnen nationalisierter Unternehmungen zu trennen. Sie haben in der Tat recht: Wenn in einem Staat nur eine verstaatlichte Unternehmung besteht, dann verschwimmt die Trennungslinie zwischen Steuer und Gewinnabschöpfung. Die Abgabe auf die Ebene einer privaten Versicherungsprämie zu schieben, ist doch eine totale Verkennung der bei uns rechtlich und politisch gegebenen Situation. Nach meiner persönlichen Auffassung handelt es sich in der Sache um eine steuerliche Abgabe. Es geht um nichts anderes als um eine Steuererhöhung. Wenn die Energieversorgung verbessert werden soll, wird das Parlament im Zweifel zu einer solchen Steuererhöhung stehen müssen. Dann gehört das gesamte Vorhaben aber in den Haushalt hinein, abgesichert nach allen Verfahren, die auf Grund einer langen Rechtsprechung für öffentliche Haushalte und Steuern gelten. ({0}) Es ist nicht nur so, daß die Mittel aus dem Haushalt herausgenommen werden. Mit dem SonderverDr. Zeitel mögen wird zugleich auch die verfassungspolitische Problematik dieser Abgabe, auf die ich ausdrücklich hinweisen möchte, verschoben. Sicherlich wird es noch Auseinandersetzungen darüber geben, ob es sich verfassungspolitisch um eine Abgabe handelt oder um eine Steuer, die nach den Normen des Steuerrechts erhoben werden muß. Der Bezug, der in den Ausschußberatungen zur Milchabgabe hergestellt worden ist, dürfte für die verfassungspolitische Würdigung dieser Abgabe sicher nicht ausreichend sein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Professor Zeitel, ist Ihnen bekannt, daß der Bundesrechnungshof zu dieser Problematik folgendes ausgeführt hat: „Insgesamt muß deshalb gesagt werden, daß die in dem zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf vorgesehene Regelung eine Einengung des parlamentarischen Budgetrechts und der parlamentarischen Kontrolle für einen wichtigen Bereich der Wirtschaftspolitik des Bundes zur Folge hätte."? ({0})

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Vorgang ist bekannt. Ich habe ja gesagt, es beginnt bereits bei der Frage der Kennzeichnung dieser Abgabe als Steuer oder als Nichtsteuer. In dem Augenblick, wo sie als Steuer gekennzeichnet ist, gehört sie auch in den Haushalt hinein. Wenn das geschehen wäre, fiele die Zustimmung zu diesem Gesetz sehr viel leichter. Nunmehr hat die Regierung einen sehr merkwürdigen Weg beschritten. Sie kaschiert nämlich über das Sondervermögen die wahre Belastung, die dem Verbraucher dadurch entsteht. Sie macht von der Herauslösung der Mittel aus dem Haushalt Gebrauch, und zwar in spektakulärer Weise. Alle Erhöhungsraten der öffentlichen Haushalte beinhalten diese eine Milliarde DM - und das ist ja kein kleiner Betrag, der erhoben wird - nicht. Ich nenne das nicht sehr wahrhaftig; ich nenne es auch nicht transparent im Umgang mit der Bevölkerung, wenn man von Steigerungsraten im öffentlichen Haushalt spricht, in dem ein so erklecklicher Betrag nicht enthalten ist. Lassen Sie mich das deutlich sagen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reuschenbach?

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, können Sie es wirklich guten Gewissens als Kaschierung bezeichnen, wenn wir im Gesetz ausdrücklich die Bestimmung aufgenommen haben, daß dieser Aufschlag ausgewiesen und gekennzeichnet werden muß?

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde es immer noch als Kaschierung bezeichnen; denn sonst hätten Sie denselben Betrag - und just das hat die Regierungskoalition in der Haushaltsdebatte nicht getan - auch in die Steigerungsraten des öffentlichen Haushaltes einrechnen müssen. Genau das haben Sie nicht getan. Wir werden wohl erleben, daß beim nächsten Haushalt von Ihrer Seite der Hinweis darauf erfolgt, daß das nicht zum Haushalt gehöre. Sie dürfen nicht zweischneidig argumentieren. ({0}) Genau dies ist der Punkt, den wir dauernd in der Debatte haben: daß Sie den Anschein erwecken, als seien es nur 8,7 % Haushaltssteigerung, während es in Wirklichkeit mit dieser einen Milliarde DM fast 10% sind. Der Bundeskanzler hat hier die Zahl 8,7 % noch einmal als richtig bezeichnet. So können wir in der Öffentlichkeit nicht miteinander umgehen. Das nenne ich Verschleierung. ({1}) Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie machen es sich mit dem Hinweis auf die Wettbewerbsprobleme ein bißchen einfach. Was unseren Antrag angeht, so wird Herr Kollege Schmidhuber dazu noch etwas sagen. Lassen Sie mich nur auf folgendes hinweisen. Das Problem ist nicht allein von den Energiepreisen her zu sehen. Es ist nicht zu leugnen - und hier ist ein weiterer Punkt des Anstoßes, unabhängig von der Grundlinie dieses Gesetzes , daß die Einsatzkosten auf Grund der Mindestpreisregelung zwischen verschiedenen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gravierend verschoben werden, und zwar in einem Umfang, der in Ihrem Hause bekannt ist und der bis zur Hälfte der Listenpreise ausmacht. Hier haben wir also Wettbewerbsverschiebungen innerhalb derselben Region und noch einmal zwischen den verschiedenen Regionen, die nach meinem Dafürhalten und auch hier ist ein Widerspruch - ordnungspolitisch gravierend sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Zeitel, könnten Sie bitte auch sagen, wie groß denn eigentlich das Volumen sein wird, daß Sie mit der Hälfte der Listenpreise angeben?

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Lambsdorff, dies war meine Frage an den Herrn Wirtschaftsminister, und der Wirtschaftsminister hat auf diese Frage leider bis heute - und das bedaure ich sehr - keine eindeutige Antwort gegeben, sondern er hat - und das ist für mich wettbewerbspolitisch bezeichnend - auf meine Anfrage hin geschrieben, er könne, um nicht Geheimhaltungspflichten zu verletzen, die Angaben für drei oder vier deutsche Länder nur zusammenfassen. Das läßt für mich den Schluß zu, daß nur ganz wenige Unternehmungen in den Genuß der Vergünstigungen kommen und daß es sehr wohl sein könnte, daß innerhalb des gleichen Landes Unternehmungen mit sehr unterschiedlichen Einsatzkosten miteinander konkurrieren. Das kann man doch nicht kaschieren wollen, Herr Wirtschaftsminister, und das hat mit Ihrer ordnungspolitischen Linie nicht sehr viel zu tun. Sie haben dann die vertraglichen Besonderheiten angesprochen, die hier in Frage stehen. Dazu ist zu sagen, daß es zur Zeit Vertragsrevisionen, Preisrevisionen in anderen Energiebereichen gibt, etwa bei der Gasversorgung, die sehr viel weitergehen und die mit der Änderung der Geschäftsgrundlage infolge der Erdölkrise begründet werden. Das wäre doch weiter zu überprüfen gewesen. Unbestreitbar, Graf Lambsdorff - und ich wünschte, ich hätte bessere Antworten vom Wirtschaftsministerium bekommen -, handelt es sich um Wettbewerbsverschiebungen. Es ist auch zu einfach, Herr Wirtschaftsminister, zu sagen, daß wir ein Verbundsystem haben und damit keine regionalpolitischen Probleme entstehen. Sie sollten besser wissen, daß eben doch regionalpolitische Verzerrungen entstehen, die unserer sonstigen und auch von Ihrem Hause vertretenen Linie zuwiderlaufen. Ich hätte gern gesehen, daß diese Verzerrungen für die Beratung hier wenigstens explizit gemacht worden wären. Aber auch das ist nicht geschehen. Insofern widerspricht diese Regelung auch unter regionalpolitischen Gesichtspunkten dem, was von Ihrem eigenen Hause vertreten wird. Ich kann Sie nur dringend bitten, den Änderungsanträgen unserer Fraktion, die in zwei Punkten wesentliche Mängel dieses Gesetzes heilen sollen, zuzustimmen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Wir treten nunmehr in die Einzelberatung ein. Zuvor muß ich Ihnen noch eine kurze Mitteilung machen. Aus Versehen ist der Antrag des Wirtschaftsausschusses auf der Drucksache 7/2623 nicht mit abgedruckt. Der Wirtschaftsausschuß beantragt, den Gesetzentwurf in der aus der Drucksache 7/2623 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Ich rufe nunmehr § 1 auf. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr § 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/2739 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, mit dem beantragt wird, § 2 zu streichen bzw. im Falle der Ablehnung dieses Antrages § 2 Abs. 4 zu ändern und § 2 Abs. 5 zu streichen. Meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf diesen Eventualantrag können wir nicht wie üblich einfach über den Streichungsantrag durch Abstimmung über die vorliegende Fassung des § 2 entscheiden. Wir müssen jetzt erst einmal über den Antrag abstimmen, § 2 zu streichen. Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt. Wir müssen nunmehr über den Änderungsantrag Nr. 1 b auf Drucksache 7/2739 - das ist die Änderung des Absatzes 4 und die Streichung des Absatzes 5 - abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Dieser Antrag ist ebenfalls abgelehnt. Meine Damen und Herren, wer dem § 2 in der Fassung des Ausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -- Enthaltungen? - § 2 ist somit in der Fassung des Ausschußantrages angenommen. Ich rufe § 3 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer der aufgerufenen Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe § 4 auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor: zu § 4 Abs. 2 der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP auf Drucksache 7/2738, zu § 4 Abs. 5 der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2739. Meine Damen und Herren, wir stimmen zuerst über den interfraktionellen Änderungsantrag auf Drucksache 7/2738 ab. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 7/2739; das ist die Nr. 2 auf dieser Drucksache. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 4 in der soeben geänderten Fassung. Wer dem § 4 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 4 ist in der geänderten Fassung angenommen. Ich rufe die §§ 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 12 auf. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen. Ich rufe § 13 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/2737 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Schmidhuber, Strauß, Stücklen, Dr. Dollinger, Dr. Zeitel, Dr. Wörner, Höcherl, Röhner, Dr. Zimmerman, Leicht, Blumenfeld, Engelsberger, Spilker, Dr. Jobst, Schedl und Genossen vor. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidhuber.

Peter M. Schmidhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001997, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bereits einiges über die finanzwirtschaftliche Problematik dieses Gesetzentwurfs gesagt worden. Daneben drängt sich aber noch die Frage auf, ob das von allen Seiten angestrebte Ziel, nämlich die Stabilisierung des SteinSchmidhuber kohleneinsatzes in Kraftwerken bei durchschnittlich 33 Millionen Tonnen bis 1980, nicht im Wege einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen der Elektrizitätswirtschaft und dem deutschen Steinkohlenbergbau hätte erreicht werden können. Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist in seiner Begründungsrede auch auf diese Bemühungen eingegangen. Nach den Feststellungen der Bundesregierung decken die gegenwärtigen Kohlepreise die Erzeugungskosten des deutschen Steinkohlenbergbaues. Die Wärmepreise von Steinkohle und schwerem Heizöl sind annähernd gleich. Es haben also günstige Voraussetzungen für eine vertragliche Lösung, also für eine Lösung auf privatwirtschaftlicher Grundlage bestanden. Daher ist es erstaunlich, daß keine Vereinbarung zustande gekommen ist. Mit den Hintergründen dieses Scheiterns wird man sich deshalb noch beschäftigen müssen. Beim Studium des vorliegenden Gesetzentwurfs fragt man sich, ob in ihm die veränderte Situation des Weltenergiemarktes, ausgelöst durch die Vervierfachung des Rohölpreises innerhalb von 18 Monaten, schon ausreichend berücksichtigt ist. Im letzten Jahr hat sich die Marktstellung der kohle radikal verändert. Dies kommt am deutlichsten im Absinken des Haldenbestandes an Steinkohle innerhalb eines Jahres - vom September 1973 bis September 1974 um nahezu 15 Millionen Tonnen oder knapp 20 % der Kohleförderung im Jahre 1974 - zum Ausdruck. Heute kommt es nicht mehr darauf an, der Kohle einen geordneten Rückzug zu ermöglichen. Sie ist jetzt wieder auf dem Vormarsch. Es geht darum, den Bau von Kohlekraftwerken zu fördern, um damit auch die Elektrizitätsversorgung selbst sicherer zu machen. Gemäß § 1 des Entwurfs ist der Zweck dieses Gesetzes die Sicherung des Steinkohlenabsatzes in der Elektrizitätswirtschaft auf der Basis von durchschnittlich 33 Millionen Jahrestonnen bis 1980. Nach § 13 Abs. 2 und 5 des Gesetzentwurfs sollen aber Leistungen gewährt werden, die mit diesem Ziel nichts zu tun haben, gleichwohl aber aus dem Aufkommen der Ausgleichsabgabe oder - wohl zutreffender gesagt, trotz der Replik des Herrn Kollegen von Bülow - der Sonderverbrauchsteuer auf elektrische Energie finanziert werden sollen. Diese Ausgaben werden im Jahre 1975 mehr als die Hälfte des auf eine Milliarde DM geschätzen Aufkommens der Ausgleichsabgabe ausmachen. Für diese dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechenden Ausgaben müssen nämlich 528 Millionen DM aufgewandt werden. Für den Bau neuer Kraftwerke dagegen - also für den eigentlichen Zweck des Gesetzes - werden 1975 nur 141 Millionen DM eingesetzt. Daraus ergibt sich, daß das Dritte Kohleverstromungsgesetz, was die finanziellen Auswirkungen im Jahre 1975 anlangt, in erster Linie nicht den in § 1 verkündeten Zielen, gegen die niemand etwas einwenden kann, dient, sondern anderen Zwecken, die man mit guten Gründen in Frage stellen kann. In Wirklichkeit geht es um die Entlastung des Bundeshaushalts von Verpflichtungen, die der Bund mit dem Zweiten Verstromungsgesetz übernommen hat, und um die finanzielle Besserstellung einer Reihe von Großunternehmen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist oder an denen er ein sonstiges eigenwirtschaftliches Interesse hat, wie im Falle der Ruhrkohle AG in Gestalt der Bürgschaftsverpflichtung. Diese kohlepolitischen Erblasten werden jetzt dem Stromverbraucher unter dem falschen Etikett „Sicherung der Energieversorgung" unterschoben. Im Gesetz wird diese Bestimmung des § 13 mit dem höchst mißverständlichen Wort „Übergangsregelung" überschrieben. Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen. § 13 Abs. 5 des Entwurfs legt fest, daß die restlichen Zuschüsse nach dem Zweiten Verstromungsgesetz für die Betriebsjahre 1966 bis 1973 aus dem Sondervermögen geleistet werden. Hier wälzt der Bund einfach alte Lasten in einer Größenordnung von 147 Millionen DM auf die Stromverbraucher des Jahres 1975 ab. Dies ist um so erstaunlicher, als die Bundesregierung vor einigen Wochen die Verlängerung der Heizölsteuer auf weitere fünf Jahre gefordert und einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Da die Verlängerung der Heizölsteuer, deren Aufkommen ja vorrangig energiepolitischen Zwecken dienen soll, in der mittelfristigen Finanzplanung ab 1. Januar 1975 nicht mehr berücksichtigt war, wäre eine Deckungsmöglichkeit vorhanden. Es besteht also auch keine finanzpolitische Notwendigkeit, die Stromverbraucher des Jahres 1975 für längst abgeschlossene Subventionsmaßnahmen zahlen zu lassen. Ein noch gravierender Fall ist die Einbeziehung der sogenannten Minderpreisgeschäfte in die Subventionierung. Nach § 13 Abs. 2 des Entwurfs kann dem Betreiber eines Steinkohlekraftwerks auch dann ein Zuschuß pro eingesetzter Tonne Steinkohle gewährt werden, wenn er einen höheren Preis für die Steinkohle zahlt, obwohl er auf Grund eines vor dem 30. September 1973 geschlossenen Vertrages über die Lieferung von Kraftwerkskohle zu einem niedrigeren Preis beliefert werden müßte. Dies bedeutet, daß die Preise für fest abgeschlossene langfristige Lieferverträge für Steinkohle nachträglich zu Lasten der Stromabnehmer von 1975 und der folgenden Jahre nach oben korrigiert werden. Eine derartige Regelung stellt nicht nur eine ungerechtfertigte Belastung der zukünftigen Stromabnehmer dar; gegen sie bestehen auch erhebliche ordnungspolitische Bedenken, und zwar in zweifacher Hinsicht. Es wird eine pauschale Verbesserung von Entgelten aus Lieferverträgen ermöglicht, wobei die hierfür verwendeten Mittel aus Zwangsabgaben stammen. Damit sind die Vertragspartner dieser Lieferverträge der Lösung der leidigen Frage enthoben, ob nicht der Lieferant von der Kraftwerksgesellschaft eine Erlösverbesserung unter dem Gesichtspunkt der Veränderung der Geschäftsgrundlage verlangen kann, wie es in Bleichgelagerten Fällen bei der Lieferung von Erdgas geschehen ist. Es geht selbstverständlich, Herr Bundesminister, nicht etwa darum, irgendeinen Vertragspartner zum Vertragsbruch aufzufordern. Aber es muß doch verlangt werden, daß zunächst einmal die zivilrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ehe man an das Geld der Steuerzahler oder an das Geld der Stromabnehmer herangeht. Diese Notwendigkeit zu vielleicht harten Vertragsverhandlungen besteht deswegen jetzt nicht mehr, weil ja ein Dritter zahlt, nämlich das von der Zwangsabgabe der Stromabnehmer gespeiste Sondervermögen. Es wird gegen den finanzpolitischen Grundsatz verstoßen, daß eine Leistung aus öffentlichen Mitteln erst dann in Frage kommt, wenn ein Interessenausgleich auf der Grundlage des Privatrechts nicht möglich ist. Eine solche Großzügigkeit des Gesetzgebers wird erst dann recht verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß auf beiden Seiten fiskalische Interessen des Bundes bestehen. Die wichtigsten Nutznießer dieser Regelung auf der Kraftwerksseite sind Gesellschaften, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Andererseits mindert jede Erlösverbesserung der Ruhrkohle AG das Bürgschaftsobligo des Bundes gegenüber den sogenannten Altgesellschaften. Große Bedenken bestehen außerdem gegen den Stichtag 30. September 1973. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorbereitungen für diesen Gesetzentwurf bereits in vollem Gange. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß einzelne Verträge im spekulativen Vorgriff auf die erwartete gesetzliche Regelung abgeschlossen worden sind. Die Offenlegung aller Minderpreisverträge könnte zu einer Klärung dieser Frage sicherlich beitragen. Darüber hinaus führt die vorgesehene Begünstigung der Minderpreisverträge zu einer nachhaltigen regionalen Wettbewerbsverzerrung, da den süddeutschen Steinkohlekraftwerken von den Kohleverkaufsgesellschaften keine langfristigen Preisabschläge eingeräumt wurden. Herr Professor Zeitel hat bereits auf diesen Umstand hingewiesen. Für diese Diskriminierung der süddeutschen Steinkohlenkraftwerke gibt es keine Rechtfertigung. Hinzu kommt, daß das Gefüge der Stromtarife und der Sonderabnehmerverträge noch immer erhebliche regionale Unterschiede aufweist und daß gerade die wirtschaftsschwachen Gebiete, vor allen Dingen im Zonenrandgebiet, unverhältnismäßig hohe Stromkosten haben. Da die Ausgleichsabgabe als fester Satz auf den Strompreis erhoben wird, trägt sie zu einer tendenziellen Erhöhung der regionalen Strompreisunterschiede bei. Es ist daher ein wichtiges Anliegen der revierfernen Gebiete solche gibt es ja auch innerhalb des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen , den Satz der Ausgleichsabgabe möglichst niedrig zu halten. Streicht man die Bestimmungen des § 13 Abs. 2 und Abs. 5 des Entwurfs, so kann der Satz der Ausgleichsabgabe auf 2 % gesenkt werden. Mit diesem Satz könnte man nicht nur im Jahre 1975 auskommen, sondern er würde auch in den folgenden Jahren vollständig genügen, wenn man davon ausgeht - und das kann man im gegenwärtigen Zeitpunkt -, daß in den kommenden Jahren mit keiner größeren Wärmepreisdifferenz zwischen der Gemeinschaftskohle und dem schweren Heizöl zu rechnen ist. Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß sich die Antragsteller selbstverständlich nicht gegen eine sinnvolle Sicherung des Steinkohleabsatzes in der Elektrizitätswirtschaft und damit auch nicht gegen eine Sicherung der Elektrizitätsversorgung sperren, sondern daß es ihnen ausschließlich darum geht, die Lasten gerecht zu verteilen und Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Antrag von 26 CDU/CSU-Abgeordneten - es ist nicht ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion - bezweckt, die Ablösung der sogenannten Minderpreisgeschäfte zu verhindern. Meine Damen und Herren, die Übergangsvorschrift des § 13 Abs. 2, mit der die Umstellung noch vorhandener Minderpreiserlösverträge von Kraftwerkskohle auf kostendeckende Preise ermöglicht werden soll, ist wiederholt und eingehend beraten worden. Die Behauptung, daß dadurch regionale Verzerrungen entstehen, ist nicht berechtigt. Im übrigen, Herr Kollege Zeitel: Wettbewerbsverzerrungen hat es bislang schon gegeben, wenn Sie davon ausgehen, daß ein Teil der Kraftwerke Verträge zu Minderpreisen abgeschlossen hat und andere Kraftwerke die vollen Kosten bezahlen mußten. Das Gesetz schafft also keine neuen Wettbewerbsverzerrungen, sondern - ich werde versuchen, es noch darzulegen - es wird dafür sorgen, daß ein Ausgleich erfolgt. ({0}) - Wenn Sie mir gestatten, fortzufahren. Ich komme, glaube ich, noch auf die Beantwortung Ihrer möglichen Frage. Zunächst muß man berücksichtigen, daß Kernpunkt des Dritten Verstromungsgesetzes die Sicherung der Stromversorgung ist, und zwar durch einen ausreichend und langfristig gesicherten Einsatz inländischer Steinkohle in der Elektrizitätswirtschaft. Der von der heimischen Steinkohle zu erwartende nachhaltige Beitrag ist nur gewährleistet, wenn die Bergwerksunternehmen gleichzeitig auf eine wirtschaftlich gesunde Grundlage gestellt werden. Dazu gehört neben der Vorgabe eines mengenmäßigen Zieles selbstverständlich auch, daß die Bergwerksunternehmen für ihre Lieferungen an die Elektrizitätswerke zumindest kostendeckende Preise erhalten. Beide Elemente - Sicherung der Stromversorgung durch ausreichenden Einsatz inländischer Steinkohle und wirtschaftliche Konsolidierung der Bergbauunternehmen - sind daher notwendiger Bestandteil des Dritten Verstromungsgesetzes. Darüber hat es meines Wissens im Prinzip keinen Dissens gegeben, sondern in allen Beratungen Übereinstimmung gegeben. Wir haben mit diesem Dritten Verstromungsgesetz auch Lehren aus den früheren Verstromungsgesetzen gezogen, die eben nicht zu der erforderlichen Konsolidierung des Bergbaus geführt haben. Denn damals war es in der Tat so, daß die Bergbauunternehmen in Zeiten großer Absatzschwierigkeiten gezwungen waren, teilweise Verträge über die LieWolfram ferung von Kraftwerkskohle zu niedrigeren als zu Listenpreisen abzuschließen, damit zusätzliche Aufhaldungen, Feierschichten und Zechenstillegungen vermieden werden konnten und Arbeitsplätze im Bergbau erhalten wurden. Das ändert nichts daran, daß aus der Vergangenheit noch Verträge bestehen und in die neue Regelung hineinreichen. Sie laufen zwar in den nächsten Jahren allmählich aus, führen aber noch zu erheblichen Kostenunterdeckungen und damit zu Verlusten bei den Bergwerksunternehmen. Derartige Verluste sind mit ein Grund gewesen, weshalb der Bergbau oft an der Grenze seiner Existenzfähigkeit war.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wolfram, sind sie nicht der Auffassung, daß gegenüber dem Zweiten Verstromungsgesetz, das den Anfang in dieser Regelung gebracht hat, eine total veränderte Wettbewerbsposition durch die Preisveränderungen entstanden ist, die man bei der wettbewerbspolitischen Würdigung in jedem Falle berücksichtigen muß?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, Herr Kollege Zeitel, ich teile Ihre Auffassung nicht. Sie stimmt auch nicht. Der Wirtschaftsminister hat dieses Argument schon eingehend zurückgewiesen. ({0}) - Doch, sehr wohl. Ich werde, wenn Sie mir noch ein paar Minuten geben, auch noch darauf eingehen. Das ist nicht wahr, das ist eine Annahme, Herr Kollege Zeitel. ({1}) - Lassen Sie mich doch bitte meine Begründung geben; wir werden dann sehen, daß Ihre Annahme, daß hier neue Wettbewerbsverzerrungen geschaffen werden, irrig ist. Falsch ist die Behauptung, daß durch die Aufbringung der für die Umstellung von Minderpreisverträgen notwendigen finanziellen Mittel im Wege der Ausgleichsabgabe regionale Verzerrungen des Strompreisniveaus, insbesondere zu Lasten der revierfernen Gebiete, geschaffen würden. Soweit einzelne Elektrizitätswerke auf Grund früher abgeschlossener Minderpreisverträge günstigere Kohleeinstandskosten haben das sind im übrigen, Herr Kollege Zeitel, keineswegs etwa nur reviernahe, sondern durchaus auch revierferne Unternehmen -, liegt der Grund für diesen Kostenvorsprung ausschließlich in diesen Verträgen, ({2}) nicht aber in der vorgesehenen Umstellungsbestimmung. Denn auch bei einem Wegfall des § 13 Abs. 2 würden solche Werke ihren Kostenvorsprung behalten. Auch ein Ausgleich der Differenz zum Listenpreis der Bergbauunternehmen aus öffentlichen Haushaltsmitteln würde daran nichts ändern, ganz abgesehen davon, daß wir mit dem Dritten Verstromungsgesetz diesen Finanzierungsweg aus grundsätzlichen Erwägungen verlassen wollen. Dann bliebe also nur noch die Möglichkeit, daß die Bergwerksunternehmen diese Verluste tragen. ({3}) Also nicht die Beibehaltung des § 13 Abs. 2, sondern gerade der Verzicht darauf würde zu Verzerrungen führen. ({4}) Wir haben bei den Beratungen eingehend berücksichtigt, was uns vor allem von einem Großkraftwerk aus dem süddeutschen Raum in dieser Beziehung gesagt worden ist. Wir wissen, daß eine Sonderregelung im Ergebnis dazu führen würde, daß diesem Kraftwerk entgegen der Zielsetzung des Gesetzentwurfs ein neues Minderpreisgeschäft ermöglicht würde. Aus diesem Grunde und aus anderen Erwägungen haben wir diesen Plan fallenlassen. Ich verkenne nicht, daß ein Strukturproblem entstehen kann, aber dafür ist nicht etwa eine Hilfe aus dem Dritten Verstromungsgesetz der mögliche und geeignete Anknüpfungspunkt. Hier wird man nach eingehender Prüfung aller Umstände gegebenenfalls andere Wege suchen müssen. Mir ist im Wirtschaftsministerium gesagt worden, daß im Zusammenhang mit bereits bisher geführten Gesprächen, die in Kürze fortgesetzt werden sollen, nach vernünftigen Lösungen gesucht werden soll. Im übrigen darf ich noch einmal darauf hinweisen: Dieses Kraftwerk hat im wirtschaftlichen Ergebnis in der Vergangenheit Steinkohle auf der Basis von Minderpreisverträgen bezogen. Diese Minderpreise waren jedoch im Gegensatz zu anderen Verträgen an die jeweilige Entwicklung der Heizölpreise gekoppelt. Bedingt durch den Anstieg der Ölpreise, muß das Kraftwerk in einem solchen Fall mehr bezahlen, praktisch also die Listenpreise für Kraftwerkskohle, ein Ergebnis, das auch durch die Regelung dieses Gesetzentwurfs angestrebt werden soll. Würde man also unter Hinweis auf die Wettbewerbssituation dem Unternehmen Kraftwerkskohle durch einen neuen Minderpreisvertrag gestatten, dann würde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden. Herr Kollege Zeitel, das müssen Sie sehen. Denn jedes andere Kraftwerk, das Minderpreisverträge hat, die in der nächsten Zeit auslaufen, könnte unter Hinweis darauf in Zukunft ebenfalls eine Sonderbehandlung verlangen; das würde aber zu einer Perpetuierung der Minderpreisverträge führen, und deshalb kann man dem nicht entsprechen. Meine Damen und Herren, würde man dem CDU/ CSU-Antrag - oder, genauer gesagt, dem Antrag der 26 CDU/CSU-Abgeordneten - stattgeben, würden wir gezwungen sein, die Verschlechterung der finanziellen Situation des Bergbaus im Grunde genommen mit Haushaltsmitteln auszugleichen, und das kann ja nicht der Sinn der CDU/CSU-Überlegun8710 gen sein. Hier handelt die Opposition wieder einmal widersprüchlich: Auf der einen Seite fordern Sie von der Bundesregierung ein größeres Maß an Sparsamkeit, auf der anderen Seite wollen Sie dem Bundeshaushalt immer wieder neue Lasten aufbürden. Namens der Bundestagsfraktionen von SPD und FDP bitte ich deshalb, diesen Änderungsantrag der 26 CDU/CSU-Abgeordneten abzulehnen. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 7/2737. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. ({0}) - Bei einigen Enthaltungen. Wir stimmen dann über § 13 in der Fassung des Ausschußantrages ab. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe, bitte! - Enthaltungen? - § 13 ist in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe nunmehr die §§ 14, 15, 16, 17, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen. Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Hierzu hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff das Wort.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie diese Debatte mit etwas knurrenden Einwänden begleiten, weil Sie dem Gesetz ja zum Schluß zustimmen werden und müssen. ({0}) - Wir wollen es abwarten, Herr Russe. ({1}) Wir haben das ja auch im Wirtschaftsausschuß erlebt. Ich gebe ja zu, daß es natürlich angenehmer ist, ein wenig Kritik zu üben, letztlich dann aber doch zu sagen: es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Denn wir müssen natürlich, Herr Kollege Zeitel, die Dinge - obwohl ich für Mannheimer Belange durchaus Verständnis habe - auch über den Bereich von Mannheim hinaus hier betrachten und würdigen. ({2}) Der Grundsatz, daß wir die Sicherung der Stromversorgung auf der Basis der deutschen Steinkohle zu akzeptieren haben, wird ja von niemandem im Hause bestritten. Und wie immer in solchen Fällen - ich erwähne nur das Stichwort „Agrarpolitik" ; es gibt aber noch viele andere Bereiche - führen solche Einsichten zu rechtlichen und vor allem ordnungspolitischen Konsequenzen, die in der Tat nicht allesamt als erfreulich und begrüßenswert angesehen werden können. ({3}) Deswegen sollten wir auch nicht die Augen vor solchen Einwänden verschließen. Es ist hier bereits über die Frage gesprochen worden, ob es nicht besser wäre, eine solche Lösung durch die Finanzierung über die Haushalte vorzunehmen, wie wir das seit 1965 betrieben haben. Aber jedermann, meine Damen und Herren, weiß doch, daß in diesem Falle der Knüppel beim Hunde liegt, daß die Mittel des Haushalts nicht ausreichen. Und ich bin sicher, Herr Professor Carstens, Ihre vorgestrige Erklärung, daß eben haushaltswirksame, den Haushalt belastende Beschlüsse hier nicht beantragt werden sollen und auch nicht gefaßt werden können, wird ja etwas langatmiger sein als nur bis zum heutigen Freitag.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Zeitel?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber selbstverständlich!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Graf Lambsdorff, finden Sie es nicht ein wenig widersprüchlich, wenn Sie jetzt die Zweigleisigkeit zwischen Sondervermögen und Haushalt wirklich ins Extrem treiben? Belastet ist immer der Bürger, und wenn ich die Ausführungen, die hier vorhin gemacht worden sind, richtig verstehe, müßten Sie doch eigentlich auch zustimmen, daß es sich um Belastungswirkungen handelt, die wir nicht nur finanzpolitisch, sondern strukturpolitisch einheitlich sehen müßten.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Zeitel, Sie kommen mir etwas zuvor, denn was ich auch bei Ihnen vermißt habe, ist die Aufteilung und Untergliederung in die haushaltsrechtlichen und in die ordnungspolitischen Gesichtspunkte. Daß dies einer Verbrauchsteuer ähnelt - ich füge hinzu: sogar noch einer mit einer Zweckbindung -, ist überhaupt nicht zu bestreiten, meine Damen und Herren. Das Problem ist doch nur: Sind wir zu einer solchen Lösung gezwungen, oder kann uns jemand eine andere Lösung anbieten, die besser und geeigneter wäre? ({0}) Meine Damen und Herren, diesen Antrag gibt es natürlich nicht, und diesen kann es auch unter den gegebenen Umständen nicht geben. Zum zweiten. Es ist natürlich so, daß Sonderfonds und - wie Sie es nennen - parafiskalische Haushalte die Gefahr mit sich bringen, daß man die tatsächlichen öffentlichen Lasten nicht so ausgleicht, wie sie in der Tat bestehen, und daß man außerdem dem Verhalten der öffentlichen Hände im Konjunkturverlauf nicht die notwendige Aufmerksamkeit, die einen solchen Bereich einschließen muß, zuwenden kann. Auch dies ist sicherlich unbestritten. Außerdem kann eine solche Lösung, wie wir sie heute getroffen haben - dies allerdings wäre eine unerfreuliche Nebenwirkung -, auch zur Nachahmung verführen. Hier, glaube ich, sollte man klar und deutlich sagen, meine Damen und Herren, daß natürlich auch dies, was wir hier beschließen, von der Wirtschaft her gesehen ein kostenverursachender Faktor ist, den wir nicht zu vertreten haben. Die Ursache dafür liegt in ganz anderen Gründen; der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das dargestellt. Aber auch Umlagen für Fonds sind Kosten, Kosten mindern bekanntlich Gewinne, nicht vorhandene Gewinne mindern Investitionen, und nicht vorhandene Investitionen gefährden langfristig die Arbeitsplätze. Der Herr Bundeskanzler hat in den vergangenen Wochen mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck auf diese richtigen Zusammenhänge hingewiesen. Der Vorwurf, die haushaltsrechtliche und parlamentarische Kontrolle sei nicht so gewährleistet, ) wie das bei Haushaltsansätzen der Fall ist, ist sicher richtig, aber, meine Damen und Herren, hier haben wir immerhin zwei entscheidende Schranken, die ich für außerordentlich wesentlich halte, in dieses Gesetz eingebaut. ({1}) - Herr Kollege Zeitel, wenn die Steigerungsrate durchgesetzt werden soll, werden Sie und wir alle wieder gefragt werden. Einmal muß der Bundestag zustimmen, wenn der Satz über 3,5 °/o angehoben wird, und zum andern - dies halte ich für noch wesentlicher - muß auch über den Grundsatz hier noch einmal entschieden werden, wenn das Gesetz über den 31. 12. 1980 hinaus verlängert werden soll. Denn, meine Damen und Herren, Subventionen - und dies ist eine Subvention -, die unvermeidlich sind, dürfen jedenfalls nicht von vornherein gesetzlich als Dauersubvention angelegt werden, und dies haben wir mit den Änderungen des Entwurfs im Wirtschaftsausschuß, wie mir scheint, in der hier bestmöglichen Weise erreicht. Herr Bundeswirtschaftsminister, volle Zustimmung zu Ihrer Bemerkung, daß eine freiwillige Lösung besser gewesen wäre und von uns vorgezogen worden wäre, aber auch hier weiß jeder, daß die Elektrizitätswirtschaft dem nicht zugestimmt hat, vielleicht - so meine ich - auch aus verständlichen Gründen nicht zustimmen konnte, denn es ging - das muß man, glaube ich, deutlich klarmachen - nicht um die Lösung eines eigenen, der Elektrizitätswirtschaft immanenten Problems, sondern es ging um die Lösung des Problems einer anderen Branche, und dafür zu zahlen ist natürlich nicht so ganz einfach. Immerhin: was wir in den Verhandlungen mit der Elektrizitätswirtschaft in diesem Bereich erlebt haben - dies muß ich gestehen -, war nun nicht gerade die Krone dessen, was man sich an Kooperation zwischen der Regierung und zwischen einem betroffenen Industriezweig wünschen und vorstellen könnte. ({2}) - Herr Kollege Zeitel, ich bin gerne bereit - das können wir nicht hier tun -, Ihnen ein Privatkolloquium über die Erfahrungen, die wir hier gemacht haben, zu halten, aber ich glaube, wir sollten auch mit Rücksicht auf die Beteiligten dies nicht allzu sehr in der Öffentlichkeit auswalzen; es kommt nicht viel Gutes dabei zutage. Ordnungspolitisch, meine Damen und Herren, ist natürlich die Frage bedeutsam, wie die Mehrkosten eigentlich errechnet werden. Ich glaube, wir sollten uns einmal besser mit dem Inhalt des Gesetzes als mit seinen Voraussetzungen und seinen Möglichkeiten beschäftigen. Die Bestimmung des § 3 Abs. 7, wonach die Richtlinien beschlossen werden müssen, wird eine ganz wesentliche Schwelle sein, Herr Bundeswirtschaftsminister, für die spätere Anwendung dieses Gesetzes, auch für die Tatsache und Überlegung, daß ein Mißbrauch mit diesem Gesetz verhindert werden kann. Ich möchte, meine Damen und Herren, klar und deutlich sagen, daß wir nicht der Meinung sind, daß hier etwa ein Selbstbedienungsladen für die Ruhrkohle AG und für die IG Bergbau in Kooperation errichtet werden darf. Beide Beteiligten haben selbstverständlich erklärt, daß dies nicht ihre Absicht ist. Hier muß aber auch deutlich gemacht werden - das Gutachten von Prof. Schwantag liefert Ansätze dafür -, daß eben nicht nur die spezifischen Kostensituationen dieser beiden Betroffenen berücksichtigt werden dürfen, sondern daß z. B. auch die Wettbewerbsverhältnisse auf den Energiemärkten schlechthin und die Entwicklung der Kapital- und Lohnkosten je Produkteinheit in der Industrie schlechthin berücksichtigt werden muß. Ich glaube, Herr Bundeswirtschaftminister, es wäre sicherlich erfreulich und gut und würde von jedermann begrüßt, wenn Sie vor Verabschiedung dieser Richtlinien dem Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages Gelegenheit geben könnten, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Ich will Ihnen sagen, meine Damen und Herren, warum das Problem des Selbstbedienungsladens eine sehr aktuelle Bedeutung hat. Herr Zeitel, Sie haben es mit einem Wort in dieser Richtung anklingen lassen. Die Neufestsetzung der Erdgaspreise für die kommunalen Abnehmer - die Preise sollen im Laufe des nächsten Frühjahrs um 70 % erhöht werden - basiert auf einer Heizölgleitklausel, die die Gaswerke, die Abnehmer dieses Erdgases, seinerzeit mit den Produzenten vereinbart hatten. Dies war vor dem Ausbruch der Ölpreiskrise. Wenn die deutschen Erdgasproduzenten, die immerhin 50 % unseres Bedarfs an Erdgas decken, unter Berufung auf die Preisexplosion bei Heizöl und auf nicht genehmigte Heizölpreisklauseln, die man wahrscheinlich nach der Rechtslage auch nicht genehmigen muß, in den Lieferverträgen Preiserhöhungen fordern, so ist dies ein Verhalten, das in der jetzigen Stabilisierungsphase unverantwortlich ist. Sie würden nämlich genau den Gewinn einstecken, meine Damen und Herren, den sie der Mineralölpolitik der arabischen Staaten zu verdanken hätten. Dies, meine ich, kann nicht der Fall sein. Hier ist die Geschäftsgrundlage entfallen. Ich bitte die Bundesregierung, sich dieser Frage einmal mit ihren Möglichkeiten, auch über das Kartellamt, sorgfältig anzunehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr!

Dr. Gerhard Zeitel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002585, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Graf Lambsdorff, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es aus dem gleichen Grunde angezeigt wäre, das Problem der Minderpreisgeschäfte wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage über den Weg einer Vertragsrevision anzugehen?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Professor Zeitel, darf ich den Mannheimer Einwand einmal damit beantworten, daß der Kollege Wolfram zu den Minderpreisgeschäften ausführlich Stellung genommen und damit meine Ansicht ebenfalls zum Ausdruck gebracht hat. ({0}) Meine Damen und Herren, es ist bekannt - dies muß natürlich auch gesehen werden, damit wir das Problem nicht überdimensionieren -, daß die Kraftwerkskohle nur ein Teil des deutschen Steinkohleverbrauchs ist und damit auch nur ein Teilproblem der Ruhrkohle darstellt. Im übrigen ist die Kraftwerkskohle in das Energieprogramm der Bundesregierung eingebettet. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu einigen dieser Fragen in diesem Zusammenhang Stellung genommen; das gehört ja wohl auch zu unserem heutigen Kapitel. Diese 32 Millionen Tonnen, die wir für den Einsatz als Kraftwerkskohle errechnet haben, sind auf Grund sehr sorgfältiger Überlegungen und Berechnungen zustande gekommen. Hier, glaube ich, wird man bescheinigen können, daß sich die Bundesregierung und die Betroffenen und Beteiligten die größte Mühe gegeben haben, eine realistische Zahl zu finden. Dies gilt, Herr Bundeswirtschaftsminister, nach unserer Überzeugung auch für die Förderrichtzahl von 94 Millionen Tonnen, die in der Tat - wie Sie es formuliert haben - ein anspruchsvolles Ziel ist. Ich hoffe, daß sie sich nicht als zu hoch herausstellen wird, wenngleich wir sehen müssen, daß die Investitionslücke im Steinkohlenbergbau, die man füllen muß, um eine solche Förderrichtzahl auch verwirklichen zu können, nur sehr schwer zu schließen sein wird. Politisch gesehen, meine Damen und Herren, wäre es mir im Grunde lieber - dazu neigte ich eher -, eine niedrig angegebene Zahl später erfolgreich zu überschreiten, als etwa unter dem ursprünglichen Ziel zu bleiben. Psychologisch muß aber gesehen werden, daß mit Rücksicht auf die Lage der Beschäftigten im Bergbau natürlich ein Ziel angesetzt werden muß, das der Situation des Bergbaus eine Zukunft verspricht. Deswegen sind wir der Ansicht, daß diese 94-Millionen-Tonnen-Zahl zutreffend gewählt ist. Aber ganz sicherlich, Herr Kollege Prof. Burgbacher, ist eine Förderrichtzahl von 110 Millionen Tonnen, die Sie einmal in die Diskussion gebracht haben, eine Illusion. Denn wer soll diese Investitionen bezahlen, wer soll die Arbeitsplätze herbeischaffen, die für die Erreichung einer solchen Zahl wirklich notwendig wären? Wir haben, wie Sie wissen, schon Zahlen bis zu 140 Millionen Tonnen in der Diskussion gehabt. Dies scheint uns wirklich zu hoch, es sei denn, Sie wollten die notwendige Finanzierung über den Haushalt herbeiführen. Aber wir haben gerade gehört, meine Damen und Herren, daß Haushaltsfinanzierungen nicht möglich sind, nach Ihrer Meinung in Zukunft neue Belastungen auch nicht entstehen sollen. Andererseits hat aber Herr Kollege Spilker hier dargetan, daß das Ganze ja eigentlich über den Haushalt finanziert werden müßte. Das scheint mir nicht ganz zusammenzupassen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Graf Lambsdorff, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Professor Burgbacher?

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Graf Lambsdorff, ich habe nur die Frage, ob Sie die 110 Millionen Jahrestonnen deutscher Steinkohle für eine dauernde Illusion halten oder ob das wieder der gleiche Irrtum ist, in dem sich die Kohlepolitik früher befand.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Professor Burgbacher, wir unterhalten uns zur Zeit über die Kohlepolitik und die Energiepolitik bis zum Jahre 1980. In dem Zusammenhang würde ich eine Zahl von 110 Millionen Tonnen allerdings für illusionär halten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie wissen genau, daß in der Energieproblematik die Planungs- und Bauzeit eine enorme Rolle spielt.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eben deswegen!

Dr. Fritz Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000308, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie das wissen und etwa für 1985 die 110 Millionen Tonnen haben wollen - dann werden Sie wahrscheinlich mehr haben wollen, erlaube ich mir zu sagen -, dann müssen Sie vor 1980 anfangen; sonst haben Sie sie nicht!

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Professor Burgbacher, ob wir vor 1980 anfangen, ist eine zweite Frage. Wir werden uns sicherlich nicht erst am 1. Januar 1980 über die Fortentwicklung auch dieses Programms unterhalten. Aber zunächst einmal sollten wir uns Ziele setzen, die maßvoll sind, die aber, wie ich hinzufüge, ohnehin schwer erreichbar sein werden, auch vom Finanziellen her. Sehen Sie sich allein die Megawattzahl im nuklearen Bereich an! Ich habe ein bißchen die Befürchtung, Herr Kollege Professor Burgbacher, daß die Fondsidee und die Fondsfinanzierung auch hinter einer solchen Idee schon Pate gestanden haben könnten. Ich komme zurück auf das, was ich vorhin gesagt habe: Da sollte man warnen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen anderen Problemkreis anschneiden, der für die deutsche Steinkohle natürlich eine nahezu oder mindestens ebenso große Bedeutung hat wie die Verstromung für die Elektrizitätsversorgung. Neben dem Absatz in der Elektrizitätswirtschaft ist für die Lage des deutschen Steinkohlebergbaus der Absatz an die eisenschaffende Industrie in der Bundesrepublik und an die Länder der Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung. Wir haben 1973 etwa 50 % des Kokskohlebedarfs der eisenschaffenden Industrie in der Gemeinschaft gedeckt. Die Lieferungen an die deutsche Stahlindustrie betrugen dabei 25 Millionen Tonnen. Die seit 1959 bestehende Kohleeinfuhrregelung, das Kohlezollkontingentgesetz, schließt die deutsche Stahlindustrie von Kohleeinfuhren praktisch aus. Das war gewollt. Sie ist deswegen gezwungen, ihren Bedarf bei den Unternehmen des deutschen Steinkohlebergbaus zu decken. Deswegen die besondere Bedeutung für unsere heimische Steinkohle! Im Rahmen dieser Lieferbeziehungen kommt dem im Zusammenhang mit der Gründung der Ruhrkohle AG zwischen dieser und den Vertragshütten vereinbarten sogenannten Hüttenvertrag - dies wird ein Stichwort sein, das wir in den nächsten Monaten in der energiepolitischen Diskussion noch häufiger hören werden - eine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Vertrag ist bekanntlich ein Bedarfsdeckungsvertrag, d. h. die Ruhrkohle ist verpflichtet, die Hütten nach ihrem jeweiligen Bedarf zu bedienen. Die Hütten ihrerseits dürfen wiederum nur bei der Ruhrkohle kaufen. Für die Preisfindung sind sowohl der Listenpreis als auch ein Wettbewerbspreis, der von den Preisen abgeleitet wird, die die Konkurrenten in den anderen Gemeinschaftsländern für Einfuhrkohle zahlen, bestimmend. Diese Preisfindung wiederum bedeutet, meine Damen und Herren, daß Schwankungen der Wechselkurse im wesentlichen die Kohle und nicht den Stahl treffen. Es hat bei der bisherigen Lösung natürlich auch geheißen, das habe uns hier haushaltsmäßig getroffen. Mit Hilfe der Kokskohlebeihilfe ist es - und das eben über den Haushalt - seit Bestehen des Hüttenvertrags im großen und ganzen gelungen, einen Ausgleich zwischen Wettbewerbspreis und dem kostendeckenden Preis der Ruhrkohle, der darüber liegt, herzustellen. Dies hat hohe Belastungen für den Bundeshaushalt und die Haushalte der Bergbauländer mit sich gebracht. Hierzu zwei Zahlen: 1972 betrugen die Bundesausgaben für Kokskohlebeihilfe 134 Millionen DM, 1973 waren es 357 Millionen DM. Ich darf erneut darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß wir die Belastung auschließlich der Bergbauländer mit der Finanzierung dieser Aufgaben nicht für gerechtfertigt halten, wenn es sich, wie man wohl zu Recht meint, wirklich um ein infrastrukturelles Problem der Energieversorgung der Bundesrepublik handelt. Angesichts der wesentlich verbesserten Situation der deutschen Stahlindustrie ist ihr 1973 ein höherer als der rechnerisch ermittelte Wettbewerbspreis abverlangt worden. Auf Grund der Entwicklung auf den Weltmärkten für Energie und Stahl ist der Wettbewerbspreis - ich habe es schon erwähnt - inzwischen über den kostendeckenden Preis der deutschen Produktion angestiegen. Die Ruhrkohle hatte dadurch die Möglichkeit, ihre Listenpreise am 1. Oktober in Anpassung an die Wettbewerbspreise erneut anzuheben. Eine Kokskohleförderbeihilfe wird es für das Jahr 1974 - und dies ist vom Haushaltsgesichtspunkt sicherlich erfreulich - nicht geben. Die Differenz zwischen Listenpreis und Wettbewerbspreis nämlich, die im August/September dieses Jahres noch bei 2,49 DM/t lag, ist zur Zeit - im Oktober 1974 - auf Null gesunken. Nun fordert die deutsche Stahlindustrie seit längerem einen Zugang zum Weltkokskohlemarkt, und der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Eisen-und Stahlindustrie hat das in sehr beredten und nachdrücklichen Worten bei der Jubiläumsfeier dieser Organisation wiederholt. Die deutsche Stahlindustrie sieht in der bisherigen Regelung eine Schlechterstellung gegenüber der Stahlindustrie in anderen Gemeinschaftsländern, und sie erwartet aus Importen von Kokskohle eine Kostensenkung ihrer Koksversorgung. Die Bundesregierung hat bei der Fortschreibung des Energieprogramms eine neue Kohlepolitik auch in diesem Bereich angekündigt. Deswegen gehört das in den heutigen Zusammenhang. Sie beabsichtigt, die Einfuhr von 3 Millionen t Kokskohle zur Verwendung in der Eisen- und Stahlindustrie zuzulassen. Diese Einfuhrfreigabe setzt voraus, daß bestehende Liefervereinbarungen zwischen Kohle und Stahl, also insbesondere der Hüttenvertrag, der veränderten Situation angepaßt werden. Die Fortschreibung des Energieprogramms enthält bedeutsame Hinweise auf die aus energiepolitischer Sicht -- ({0}) - Herr Kollege Jenninger, dies gehört genau in diesen Bereich hinein. Denn wenn Sie mit dem Verstromungsgesetz die Sicherung der deutschen Steinkohle betreiben, dann müssen Sie das freundlicherweise in dem größeren Zusammenhang sehen. Mit 32 Millionen Jahrestonnen alleine werden Sie das natürlich nicht schaffen. Wir reden gerade von 110 Millionen Tonnen. Bitte erkundigen Sie sich bei Professor Burgbacher, ob dies in diesen Bereich hineingehört! Ich meine schon. ({1}) - Ja sicher. ({2}) - Gut. Zugleich gibt das Gelegenheit, die aus der Anwendung des Vertrages seit 1969 gewonnenen Erfahrungen im Sinne einer verbesserten Gestaltung der Lieferbeziehungen zu nutzen. Dies heißt auf deutsch: Wenn wir für 3 Millionen Importfreigabe gewähren, dann sollten wir 3 Millionen Bezug bei der Ruhrkohle ohne Kokskohlesubventionsanspruch als Gegenleistung fordern. Meine Damen und Herren, bei der Einfuhrregelung auch dies ist ein Problem, das sich wiederum bei der Ölsituation niederschlägt - sind wir der Auffassung, daß auch die Kohleimporteure die Möglichkeit behalten müssen, sich an diesen Einfuhren zu beteiligen, wenn sie entsprechend günstige Liefermöglichkeiten andienen können. Hier möchte ich auf ein grundsätzliches Problem unserer wirtschaftspolitischen Diskussion aufmerksam machen. Wir haben die Importkontingente, die bisher schon bestehen, verteidigt, weil wir glauben, daß die deutsche Energieversorgung durch den Rückgriff auf die internationalen Märkte abgesichert werden muß. Wir haben sie außerdem auch deswegen verteidigt, weil wir glauben, daß hier eine Gruppe mittelständischer Unternehmen im Markt tätig ist, die man nicht durch staatliche Entscheidung aus dem Markt herausdrängen kann. Dies gilt ganz allgemein auch in diesem Bereich hier. Auch in dem, was wir hier heute tun, in den Auswirkungen dieser Stromversorgungs- und Energieversorgungsprobleme im Bereich der Stromversorgung, müssen wir dafür sorgen, daß die Größenordnung der mittleren und kleinen Industrie nicht ungerechtfertigte Nachteile erleidet. Ich nenne nur die Stichworte Mineralölbevorratung durch die Importeure, Kennzeichnungsvorschriften für die Importeure, um deutlich zu machen, daß wir nicht sorglos mit Vorschriften umgehen dürfen, die in unsere gewachsene Struktur des wirtschaftlichen Ablaufs hineingehören. Denn auch dies ist natürlich ordnungspolitisch von erheblicher Bedeutung. Meine Damen und Herren von der Opposition, den Hinweis, den wir gelegentlich in letzter Zeit gehört haben, die sozialliberale Koalition befinde sich in einem merkwürdigen Bündnis mit der Schwerindustrie, haben wir mit einigem Interesse, wenn auch mit etwas Schmunzeln vernommen, weil er von jemandem kam, dem man ja nicht die allerschlechtesten Verbindungen dorthin nachsagt. Aber dann muß man natürlich auch sagen, was wir denn eigentlich tun sollten, um etwa Auswirkungen der Stabilitätspolitik in dieser Richtung zu vermeiden, was Sie ja auch wollen. ({3}) Sollen wir einen gespaltenen Zins einführen, oder sollen wir wieder den Grundstoffwechsel - eine Frage, die mit der Kohle und vor allen Dingen mit der Stahlindustrie sehr eng zusammenhängt - einführen? Dies alles scheint mir gerechtfertigt und nicht sinnvoll zu sein. Aber es gibt natürlich eine Reihe von Problemen Herr Kollege Kreile aus Ihrer Fraktion hat vor einigen Tagen einige angesprochen -, die man in diesem Zusammenhang erwähnen und untersuchen kann, z. B. den Verlustrücktrag, aber sicherlich nicht - um dies hier noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen - die Abschreibung von den Wiederbeschaffungswerten. Das kann mit unserer Zustimmung nicht erfolgen. Wohl hingegen sollte man auch die hier betroffenen Unternehmen, was ihre Forschungs- und Entwicklungsvorhaben anbelangt, also sogenannte Software-Programme, einmal in die Kreditprogramme, die wir ihnen ansonsten zur Verfügung stellen, aufnehmen können oder das wenigstens überlegen. Niemand kann mit Sicherheit übersehen, wie sich in den nächsten Jahren die Relation zwischen deutschen Förderkosten und Wettbewerbspreisen entwickeln wird. Es wäre nach unserer Meinung sehr optimistisch zu erwarten, daß hier nicht erneut Differenzen entstehen. Die Bundesregierung sieht daher konsequenterweise im Prinzip die Fortsetzung der Kokskohlenbeihilfe im Rahmen bestehender europäischer Regelungen vor. Die derzeitige Situation zeigt aber allen Beteiligten deutlich, daß die deutsche Stahlindustrie erhebliche Versorgungsvorteile aus den auf ihre spezifischen Bedürfnisse abgestellten Lieferbedingungen hat. Es gibt, Herr Kollege Russe, wohl keine Stahlindustrie in der Welt, die bei der derzeitigen Kokskohleknappheit so gut versorgt ist wie die deutsche Stahlindustrie. ({4}) Man muß daher erwarten, daß die Stahlindustrie bei den Verhandlungen über die Änderung der Lieferverträge den Vorteilen aus der begrenzten Einfuhrfreigabe und auch dem alten Vorteil, dem Standortvorteil des Ruhrgebietes, Rechnung trägt. Der Bund und die Bergbauländer sollten erwarten - und sollten das auch durchsetzen können -, daß die angestrebte Neuregelung der Verträge in Zukunft zu einer wesentlichen Verminderung der Kokskohlenförderbeihilfe und damit zu einer Erleichterung im Haushalt beiträgt. Wenn die Frage gestellt wird, ob das in den Bereich des Verstromungsgesetzes und in den Bereich der energiepolitischen Überlegungen hineingehört, möchte ich noch einmal deutlich machen, daß das nach unserer Überzeugung ein untrennbarer Zusammenhang ist. Wenn wir uns mit solchen Mitteln, wie wir sie besprechen - wir werden noch Gelegenheit haben, ausführlicher auf die spezifischen Probleme dieses Gesetzes einzugehen; ich wollte das heute morgen nicht tun, sondern versuchen, das in einen weiteren Rahmen zu stellen -, beschäftigen, tun wir das - das sollte ja nicht vergessen werden , um die Situation einmal der deutschen Steinkohle zu sichern. Aber dieser sozialpolitische, früher im Vordergrund stehende Gesichtspunkt der Überlegung - vor einigen Jahren war das der Hauptgrund - ist ja inzwischen abgelöst dadurch, daß wir alle erkennen und wissen: Wir brauchen die Sicherung dieser Basis für unsere Energieversorgung. Wenn wir uns aber auf das Verstromungsgesetz und auf den Einsatz in der Elektrizitätswirtschaft in unseren Betrachtungen beschränken wollten, blieben wir bei Stückwerk. Das ist nur ein Teilaspekt. Es ist ein wesentlicher Teilaspekt. Es ist ein Teilaspekt, den wir lösen müssen. Wie ich annehme und wie ich erwarte - ohne irgend etwas antizipieren zu wollen -: Wir werden das wahrscheinlich übereinstimmend tun; nicht mit der hellsten Begeisterung, weil alle solche Gesetze, die in irgendeiner Form in den Bereich der Subventionen hineingehen, schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können, unter unserer ständigen Überprüfung und Beachtung bleiben müssen, aber weil wir uns energiepolitischen, sicherheitspolitischen - das ist ja Energiepolitik zu einem guten Teil - Notwendigkeiten nicht verschließen können und nicht verschließen wollen. Meine Fraktion möchte dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bestätigen, daß er in dieser schwierig zu lösenden Aufgabe und gerade unter seinen ordnungspolitischen Gesichtspunkten, die wir, wie Sie wissen, teilen, einen Mittelweg gefunden hat, der allen Anforderungen, die man stellen kann, so gut gerecht wird, wie das unter den gegebenen Umständen nur irgend möglich ist. Ich weiß, daß das natürlich eine Einschränkung ist. Ich weiß, daß das natürlich ein Gesetz ist, das nicht optimalen marktwirtschaftlichen, liberalen wirtschaftspolitischen Vorstellungen entspricht. Wenn Sie das aber machen wollten, würden Sie der deutschen Steinkohle ihre Zukunft in totalem Umfang verbauen. Das kann im Interesse der Steinkohle niemand wollen; das kann im Interesse der Energiepolitik kein verantwortlicher Politiker auch nur denken, geschweige denn vertreten. Deswegen meine ich, daß wir in richtiger Erkenntnis der Lage, aus der wir uns selbst durch eigene Anstrengungen und Mittel nur sehr schwierig befreien können, diesem Gesetz der Bundesregierung unsere Zustimmung nicht versagen sollten. Für die Fraktion der FDP stimme ich ihm zu. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Russe.

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, zunächst möchte ich mich mit einem Wort an Sie wenden. Sie sind heute nacht von einer Auslandsreise zurückgekommen, und Sie haben dem Hohen Haus Ihre ersten Eindrücke, die Sie von dort mitgebracht haben, in einigen wesentlichen Bemerkungen zur Kenntnis gegeben. Wir werden sicherlich noch Gelegenheit haben, ergänzend unsere Gedanken darüber miteinander auszutauschen und auch jene Erfahrungen unsererseits mit einzubringen, die vor etwa sechs Wochen einige Kollegen meiner Fraktion und ich in diesem Lande ebenfalls zur Kenntnis nehmen durften. Wenn wir hier gemeinsam einen Schritt in der Sicherheit unserer Energieversorgung weiterkommen, dann können Sie in jeder Hinsicht auf unsere Unterstützung zählen. Wir haben auch mit Interesse zur Kenntnis genommen, was Sie über die allgemeine Situation der Bevorratung in diesem Lande im Gegensatz zu der Zeit vor einem Jahr hier festgestellt haben. Wir wollen hoffen, daß uns der Winter und die externen Einflüsse, die immer noch als drohende Gefahr vor uns stehen, in dieser relativ guten Versorgungslage nicht schon bald beschweren werden. Es ist sicherlich richtig - und auch dies ist zu unterstützen -, daß die deutsche Bevölkerung energiebewußter geworden ist und daß von daher die Sparsamkeit jetzt größer geschrieben wird, als das noch vor einem Jahr der Fall war. Wir werden in der nächsten Woche sicherlich Gelegenheit haben, über die übrigen Fragen der Fortschreibung Ihres Energieprogramms, das wir inzwischen zur Kenntnis genommen haben, miteinander zu diskutieren und dabei unsere Gedanken, aber zu manchen Teilen auch unsere Vorbehalte, Herr Minister - wie sollte das anders sein? -, Ihnen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Meine Damen und Herren, wir haben heute über ein Gesetz zu beschließen, das, so möchte ich sagen - und auch der Herr Minister hat dies schon angedeutet -, beinahe überflüssig geworden wäre, dann nämlich, wenn es der Elektrizitätswirtschaft gelungen wäre, auf freiwilliger Basis den energiepolitisch erforderlichen Steinkohleneinsatz in Kraftwerken zu garantieren und zusätzlich die dazu aufzubringenden Mittel bereitzustellen. Wir wissen, auf das erste hat man sich geeinigt. Die Elektrizitätswirtschaft war aber nicht in der Lage, die Finanzierung der entstehenden Mehrkosten intern zu regeln, und bat deshalb um gesetzliche Hilfestellung. Wir dürfen darauf hinweisen, daß wir uns für diese gesetzliche Maßnahme schon vor zwei Jahren ausgesprochen haben, als im Anschluß an das erste und das zweite Verstromungsgesetz die damalige Bundesregierung lediglich eine Fortschreibung im Sinne einer Anschlußregelung auf Verordnungsbasis vorschlug. Von daher müssen wir heute noch einmal erklären, daß es uns lieber gewesen wäre, wenn man schon früher zu einer solchen gesetzlichen Maßnahme gekommen wäre, nachdem eigentlich schon relativ früh festgestellt werden mußte, daß die private Lösung in der Elektrizitätswirtschaft leider nicht möglich werden würde. Auch das Verhalten der industriellen Kraftwerkswirtschaft ist hier zu zitieren. Sie hat in dieser Hinsicht keine Verzichtserklärung abgeben können und auch keinen Vorschlag für die Lösung der Probleme der sogenannten Minderpreisgeschäfte unterbreitet; eine sehr wesentliche Feststellung, die gerade für meine Fraktion von Wichtigkeit ist. Da also die Wirtschaft nicht in der Lage war, entsprechende Regelungen in Selbsthilfe zu erreichen, war der Gesetzgeber aufgerufen, eine Regelung im Anschluß an das erste und das zweite Verstromungsgesetz aus den Jahren 1965 und 1966 herbeizuführen. Diese beiden ersten Verstromungsgesetze beruhten auf Initiativen der CDU/CSU. Ich bemerke das hier deshalb, weil sich daraus für uns die Verpflichtung ergibt, die seinerzeit zugunsten der heimischen Kohle getroffenen Maßnahmen den durch die Ölkrise im vergangenen Zeitraum veränderten Grundbedingungen anzupassen. Meine Fraktion hat sich zu entsprechenden Regelungen für die Kohle immer bereit erklärt. Deshalb unterstützen wir uneingeschränkt auch die energiepolitische Zielsetzung, die mit diesem Gesetz verbunden ist. Daß diesem Hause jetzt dennoch ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der nach unserer Auffassung schlechter ist als eigentlich vertretbar, ist, glaube ich, nicht zuletzt eine Folge der Mehrheiten in diesem Parlament. Wir haben aus anderem Munde, und zwar Graf Lambsdorff, von Ihnen vorhin, die Feststellung gehört, daß auch Sie lieber ein noch besseres Gesetz gehabt hätten. Wir sind uns diesbezüglich einig. Nur sind die Auffassungen in Teilbereichen natürlich zu differenzieren; das werde ich nachher noch tun. Meine Damen und Herren, die Mehrheit in diesem Hohen Hause hat sich nach unserer Auffassung über sachlich begründete Bedenken etwa hinsichtlich der Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle über die Ausgleichsabgabe schon deshalb schlichtweg hinweggesetzt, weil - hier möchte ich Sie fragen -wohl der Eindruck vorhanden ist, daß das, was von anderer Seite, von uns, vorgeschlagen wurde, von Ihnen nicht zu teilen war, weil es eben von uns kam. Wir alle miteinander sind der Ansicht, daß mit diesem Gesetz im Interesse der Sicherheit der Energieversorgung die heimische Steinkohle einen ausreichenden Anteil an der Erzeugung elektrischer Energie erhalten soll. Dies muß dadurch gesichert werden, daß in bestehenden oder auch in künftig zu errichtenden Steinkohlekraftwerken die mit dem Einsatz von Steinkohle auftretenden Mehrbelastungen bzw. sonstigen Kostennachteile gegenüber dem Einsatz von Öl oder Gas ausgeglichen werden. Meine Damen und Herren, um diesen Ausgleich geht es. Nun gibt es - ich stelle das noch einmal fest - mindestens zwei Möglichkeiten, diesen Ausgleich herbeizuführen. Die erste Möglichkeit war die, welche der Bundesrat mehrheitlich vorgeschlagen hat und die im übrigen von meiner Fraktion im Finanz- und Haushaltsausschuß gefordert und heute morgen noch einmal vorgetragen worden ist, nämlich im Sinne der beiden vorangegangenen Verstromungsgesetze auch das dritte Verstromungsgesetz über den Haushalt abzuwickeln. Meine Damen und Herren, wir wissen, wie großzügig diese Koalition mit Mitteln aus dem Haushalt umzugehen pflegt. Außerdem muß man befürchten, daß für Sie, gerade nach den Erfahrungen vom 27. Oktober dieses Jahres, Wahltermine von ganz besonderem politischen Gewicht sind und daß Sie gegebenenfalls die Möglichkeit nutzen werden, in noch stärkerem Maße mit öffentlichen Geldern auf Stimmenfang zu gehen. Deshalb bleibt der Vorbehalt, daß eine einmal in den Haushalt eingestellte Manövriermasse von den Parteien der Regierungskoalition für alles mögliche andere, z. B. auch für eine von Ihnen zu verantwortende Inflationslückenzustopfung, genutzt wird, statt daß sie weiterhin für die hier aufgezeigten energiepolitischen Maßnahmen verwendet wird. Meine Damen und Herren, die andere Möglichkeit war die, neben dem Haushalt ein nicht im vorhinein der parlamentarischen Kontrolle unterworfenes Sondervermögen zu errichten, das Sie dann auch bei den Steigerungsraten des Bundeshaushalts völlig unberücksichtigt lassen können und aus welchem dann die Mittel bereitgestellt werden, die zur Finanzierung der mit dem Steinkohleeinsatz verbundenen Kostennachteile an die Elektrizitätswirtschaft erfolgen sollen. Nun, Sie haben in der zweiten Lesung Ihre besondere „Kooperationsbereitschaft" erneut unter Beweis gestellt, so daß wir in der dritten Beratung keine Möglichkeit mehr haben, das von Ihnen über diese Ausgleichsabgabe bei der Elektrizitätswirtschaft alimentierte Sondervermögen abzuschaffen oder durch ein besseres System zu ersetzen. Meine Damen und Herren - dies muß ausdrücklich festgehalten werden -, wir wären bereit gewesen, diese Ausgleichsabgabe und das Sondervermögen ohne größere Vorbehalte zu schlucken, wenn es uns hier noch gemeinsam gelungen wäre, ein Mindestmaß an parlamentarischer Einflußnahme und Kontrolle über dieses Sondervermögen respektive die Ausgleichsabgabe im vorhinein herbeizuführen. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, werden es zugestehen müssen, ob Sie wollen oder nicht: die in das Gesetz eingebaute Ermächtigung für den Wirtschaftsminister, mit der Ausgleichsabgabe über den Ausgleichsfonds auf einer Plafondierung von 3,5 % bis zum Jahre 1980 ohne die Einflußnahme des Parlaments agieren zu können, es sei denn, er beabsichtige, den Plafond während dieser Zeit zu erhöhen, ist im letzten für uns alle unbefriedigend. Deshalb boten wir Ihnen ja an, gemeinsam dafür einzutreten, die Plafondierung von 3,5% wesentlich herabzusetzen. Hätten wir sie z. B., na, sagen wir, auf Null gesetzt, wäre in jedem Haushaltsjahr für dieses Hohe Haus die Notwendigkeit erwachsen - wie bei anderen Sondervermögen auch -, die Höhe der Plafondierung jeweils neu zu beschließen. Zwischenzeitliche Erhöhungsnotwendigkeiten, d. h. also in einem laufenden Etatjahr, wären ebenfalls schnell durch dieses Parlament zu bringen gewesen. Meine Damen und Herren, wenn wir dies miteinander erreicht hätten, wäre das - lassen Sie es mich so formulieren - eine gute Soße zu der Kröte gewesen, die es uns leichter gemacht hätte, diese Kröte zu schlucken.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Russe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Russe, wären Sie bereit zuzugeben, daß die von Ihnen zitierte Kröte dann leider schon tot auf die Welt geDr. Graf Lambsdorff kommen wäre, weil es ja wohl kaum möglich ist, Investitionen auf einer Ausgleichsabgabengrundlage zu planen und zu betreiben, die jährlich neu errichtet oder auch nicht neu errichtet wird? ({0})

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Graf Lambsdorff, ich bin da gar nicht Ihrer Meinung. Das Gegenteil ist der Fall. Sie können nicht bestreiten, daß bei solchen Notwendigkeiten - auch in Hindeutung auf Investitionsnotwendigkeiten und Dispositionspflichten der betroffenen und beteiligten Unternehmen - in der Vergangenheit gerade auch die Opposition immer bereit gewesen ist, schnellstens zu handeln. Mit anderen Worten: wenn Sie jetzt bis 1980 generalisierend 3,5% Plafondierung hier festgeschrieben wissen wollen, wir hätten uns meinetwegen für das erste Jahr auf 2 % geeinigt und bei der nächsten Haushaltsberatung oder Wirtschaftsplanfeststellung - wie Sie wollen - hätten wir uns erneut gemäß den entsprechenden Vorlagen des Herrn Wirtschaftsministers über diese Frage zu unterhalten gehabt, dann hätten wir hier binnen kürzester Frist darüber entscheiden können, was die betroffenen und beteiligten Unternehmen für ihre jeweiligen Dispositionen benötigen. Diese Feststellung überzeugt mich gar nicht. Im übrigen, Graf Lambsdorff, verzeihen Sie: Ich weiß ja, daß solch eine Lösungsmöglichkeit im Ressort des Herrn Wirtschaftsministers gefertigt worden ist und daß sie im Haushaltsausschuß lediglich deshalb unter dem Tisch geblieben ist, weil sie damals niemand - leider niemand - aufgerufen hat. Warum wollen Sie also jetzt in dieser Form mit einer zusätzlichen Kritik versuchen, das aus dem Feld zu schlagen, was ich gesagt habe? Ich bleibe dabei, Graf Lambsdorff. Meine Freunde haben dies im Grundsatz mit festgestellt, und wir haben ja die Versuche auch untereinander gestartet. Leider sind sie - ich sage es noch einmal - gescheitert. ({0}) - Herr Kollege Reuschenbach, verzeihen Sie, ich konnte ja nichts dazu, daß Sie in den Vorderen Orient gereist sind. Das ist ja nicht meine Schuld und auch nicht die Schuld der CDU/CSU-Fraktion. ({1}) Aber, meine Damen und Herren, wir wollen über diesen Punkt nicht weiter miteinander streiten. Fest steht, daß dies eine Verständigungsbasis für uns gewesen wäre. Sie ist nicht genutzt worden - aus welchen Gründen auch immer von Ihnen eine Verneinung erfolgt ist. An dieser Tatsache ist nichts mehr zu ändern. Wir bleiben dabei, daß eine solche Lösung für alle in diesem Hause sinnvoll und vernünftig gewesen wäre. Auch der Bundeswirtschaftsminister hätte sich bei einer solchen Lösung in keiner Weise beschwert fühlen müssen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege Russe, verzeihen Sie, Herr Abgeordneter - Russe ({0}) : Verzeihen Sie, ich muß jetzt erst einmal fortfahren. Zu diesem Komplex bitte nicht, zu einem anderen gern. Außerdem hat ja Ihr Redner nach mir die Möglichkeit, noch darauf einzugehen. Wir sind uns dennoch, wie ich schon sagte, meine Damen und Herren, über die Ziele einig. Die Sicherheit der Stromversorgung und die dafür notwendige größere Unabhängigkeit von den Risiken der Entwicklung des Mineralölmarktes erfordern es, die für die Verstromung von Kohle in der Elektrizitätswirtschaft notwendigen Mittel irgendwie aufzubringen. Sie haben entschieden, hierfür eine Ausgleichsabgabe einzuführen. Wir haben Ihnen zu diesem Grundsatz entgegengehalten, daß die von Ihnen vorgeschlagene Regelung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Auswirkung mit einer speziellen Verbrauchsteuer gleichgesetzt werden könnte. Wir haben darüber hinaus in den Begründungen der beiden Anträge des heutigen Vormittags in zweiter Lesung ergänzende Feststellungen getroffen. Ich will sie jetzt nicht wiederholen. Man kann, meine ich, endlos darüber streiten, ob die Frage haushalts- oder abgabefondsmäßig gelöst werden kann, ob sie für sich allein ausreicht, um in einen härteren Disput einzusteigen oder was auch immer. Aber, meine Damen und Herren, daß das zu einer wichtigen Frage geworden ist, die am Vormittag erörtert wurde und die auch im vorhinein immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen ist, dies haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sich letztlich zuzuschreiben. Sie haben sie zu einer wichtigen Frage gemacht, weil - und dies müssen wir auch in diesem Zusammenhang feststellen - Ihr Umgang mit den Prinzipien der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit nicht nur an dieser Stelle, sondern - wie Ihnen die Finanzpolitiker unter unseren Kollegen mehr als einmal bewiesen haben - nicht zuletzt bei der letzten Debatte des Bundeshaushalts 1975 an vielen Stellen fragwürdig ist. Das Einrichten von Schattenhaushalten, Nebenhaushalten und Fonds gehört nicht zu unserem Stil; es ist der Ihre. Die Mitglieder meiner Fraktion haben dennoch im Wirtschaftsausschuß dem Regierungsentwurf deshalb zugestimmt, weil zumindest der Antrag angenommen wurde, den Bundesminister für Wirtschaft zu verpflichten, Bundesrat und Bundestag eine Ausgabenrechnung jeweils in dem den Ausgaben folgenden Kalenderjahr vorzulegen. Dies bedeutet, daß Bundesrat und Bundestag immerhin Kenntnis über die Ausgaben erlangen, wenn sie auf ihre Ausgestaltung selbst schon keinen Einfluß haben, wie wir dies eigentlich gewünscht hätten. Ich wiederhole: Die CDU/CSU-Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen, obgleich unsere Bedenken wegen der nicht voll gesicherten parlamentarischen Einflußmöglichkeit und Kontrolle nicht ausgeräumt worden sind. Lassen Sie mich nun auch noch ein Wort zu den berühmtberüchtigten Minderpreisverträgen sagen. Wir alle wissen - das ist gar nicht so lange her -, daß es Zeiten besonderer Schwierigkeiten im deutschen Steinkohlenbergbau gegeben hat. In diesen Zeiten waren die Bergbauunternehmungen zur Sicherung eines ausreichenden Absatzes und damit - ich halte das für einen sehr wichtigen Aspekt, meine Damen und Herren - zur Erhaltung der Arbeitsplätze, auch der Mantelarbeitsplätze, gezwungen, Verträge über die Lieferung von Kraftwerkskohle zu niedrigeren als den Listenpreisen abzuschließen. Das waren eben die sogenannten Minderpreisverträge. Im Zuge dieses neuen, Dritten Verstromungsgesetzes sollen jetzt im Bergbau auch für diejenige Kraftwerkskohle kostendeckende Preise gesichert werden, für die die Unternehmen aufgrund langfristiger Verträge auch in Zukunft nur Minderpreise verlangen können. Die Kraftwerke sollen also nicht veranlaßt werden, auf die in derartigen Verträgen enthaltenen wirtschaftlichen Vorteile zugunsten des deutschen Steinkohlenbergbaus zu verzichten. Aus diesem Grunde erhalten sie Zuschüsse in Höhe des dadurch erforderlich werdenden Mehraufwandes. Eine Reihe meiner Fraktionskollegen hat nun in diesem Zusammenhang heute vormittag einen Gruppenantrag gestellt. Ich darf der Vollständigkeit halber hier noch einmal darauf verweisen, ohne mich im einzelnen umfassender dazu einzulassen. Sie haben diese Initiative, die sicherlich sehr gut gemeint war, abgeblockt und damit eine zusätzliche Belastung dieses Dritten Verstromungsgesetzes hervorgerufen. Als Begründung dafür wird nun immer vorgetragen, daß die Minderpreisverträge zu erheblichen Verlusten des Bergbaus führten. Ich füge hinzu, daß dies zutrifft. Ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, daß Sie insofern die Ablösung der Minderpreisverträge als einen Beitrag zur Erhaltung und Stärkung des deutschen Steinkohlenbergbaus werten. Die Minderpreisverträge tragen natürlich zum Subventionsbedarf des Bergbaus bei. Mittelbar wird für die Kohlesubventionierung ein Teil der Stromerzeugunskosten der Kraftwerke, welche solche Minderpreisverträge abgeschlossen haben, auf diese Weise gedeckt und die Elektrizitätswirtschaft insgesamt mit den tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten der Stromerzeugung belastet. Nun, meine Damen und Herren, wir sind, wenn auch schweren Herzens, bereit, die im Gesetz dieser-halb vorgeschlagene Regelung zu akzeptieren, weil - ich betone das ausdrücklich - es sich hierbei um eine Übergangsmaßnahme handelt. Wir fügen hinzu: die Richtlinien müssen nach unserer Auffassung jedoch sicherstellen - wir werden das im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages, wie dort schon einmal vorgetragen und beschlossen, auch sicherzustellen wissen -, daß die Zuschüsse nur bis zu dem Zeitpunkt gewährt werden, zu dem die Bergbauunternehmen den jeweiligen Minderpreisvertrag durch Kündigung oder in sonstiger Weise frühestens beenden können. Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Menge der zur Verstromung jährlich einzusetzenden Steinkohle in den Jahren 1974 bis 1980 sagen. Wir hatten auf Grund sehr realistischer Beurteilungen des beabsichtigten Einsatzes von Steinkohle in Kraftwerken bis zu einer Größenordnung von rund 10 000 MW den Vorschlag gemacht, mindestens 35 Millionen t zur Verstromung vorzusehen. Sie und auch die Bundesregierung durch ihre Vertreter lehnten eine solche Erhöhung ab, es sei denn, wir hätten uns dazu bereit erklärt, für diese erhöhte Menge Maßnahmen der Investitionslenkung oder des Investitionsangebotes zu akzeptieren. Dies mußten wir - das versteht sich von selbst - aus ordnungspolitischen Gründen natürlich ablehnen. Aber wir sagen Ihnen: wir warten die nächsten sechs Jahre ab. Die Erfahrungen dieser nächsten sechs Jahre werden dann zeigen, welche Annahmen die richtigen waren. Wir haben die Hoffnung und Überzeugung: das Ergebnis positiver Art liegt bei uns und nicht bei Ihnen. Nun lassen Sie mich auch noch ein Wort an alle diejenigen richten, die den Befürwortern dieses Dritten Verstromungsgesetzes vorwerfen, die inzwischen eingetretene Kostenangleichung in der Wärmepreisentwicklung zwischen Heizöl und Steinkohle habe ein solches Gesetz unnötig, wenn nicht sogar unsinnig gemacht. Richtig ist, daß sich die Kostensituation der Steinkohle durch die Energiekrise nicht unerheblich gebessert hat; der Herr Minister hat heute morgen schon darauf hingewiesen. Bei der Verabschiedung des Energieprogramms von 1973 betrug die Differenz des Wärmepreises - das sind also die Brennstoffkosten, einschließlich Transport - zwischen Steinkohle je Tonne SKE und Heizöl je Tonne SKE etwa 25 DM zugunsten des Heizöls. Wir wissen alle, daß diese Relation heute nicht mehr gilt. Die durchschnittliche Wärmepreisdifferenz beträgt zur Zeit Null. Für 1975 werden ähnliche Größenordnungen genannt. Aber, meine Damen und Herren, selbst bei einer Wärmepreisdifferenz von Null verbleiben erhebliche Kosten für die Steinkohleverstromung. Ich sage dies in aller Deutlichkeit, damit das im Protokoll noch einmal festgehalten wird. Dazu gehören die sonstigen Betriebsmehrkosten eines Kohlekraftwerkes gegenüber einem Heizölkraftwerk. Diese Kosten betragen zur Zeit durchschnittlich etwa 10 DM je Tonne SKE. Und wir sind gut beraten, wenn wir die inflationistische Entwicklung, die abzublocken wir bis heute leider nicht in der Lage waren, mit kalkulieren und einen Kostenanstieg auf 15 DM je Tonne SKE unterstellen. Und es gibt, meine Damen und Herren, einen weiteren wichtigen Aspekt. Im Rahmen der Betriebsmehrkosten werden sich auf Grund von Umweltschutzmaßnahmen mit Sicherheit Mehraufwendungen ergeben. Wenn wir die Ausgewogenheit von Elektrizitätsversorgung, Energieversorgung schlechthin in den verschiedensten Teilbereichen mit den Umweltschutzmaßnahmen und -notwendigkeiten anstreben, dann müssen wir uns dies natürlich auch etwas kosten lassen. Und dafür soll eben im Rahmen dieser gesetzlichen Norm auch eine entsprechende Hilfe gegeben werden. Wenn Sie die weiter abzudeckenden Kosten kalkulieren - Zuschüsse zu Investitionen für die energiepolitisch notwendigen neuen SteinkohlenkraftRusse werke, die wir ja haben wollen und die wir auch brauchen, um die Energieversorgung auf Zeit hin sicherzustellen - oder wenn Sie den Ausgleich ihrer laufenden Mehrkosten kalkulieren, dann ist auch hier eine entsprechende Hilfe vonnöten. Das heißt - anders ausgedrückt -: Das Neubauprogramm bis 1980 ist ohne eine Subventionierung der neuen Steinkohlekraftwerke überhaupt nicht zu verwirklichen. Und schließlich sind die Kosten noch auszugleichen, die für die Ablösung der Minderpreisgeschäfte entstehen. Die Beiträge für die Stromtransportkosten zur Sicherung dieses Steinkohleneinsatzes müssen ebenfalls einbezogen werden. Meine Damen und Herren, die Sicherheit der Energieversorgung in unserem Lande hat also ihren Preis. Diese Sicherheit ist nicht billig zu haben - darüber sind wir uns alle im klaren -, und ich kenne niemanden in diesem Hause, der nicht bereit wäre, die parlamentarische Verantwortung für die Mittelbereitstellung zu diesem Zwecke zu übernehmen. Die Krise des vergangenen Winters und manche Anzeichen hinsichtlich der nächsten und weiteren Zukunft lehren uns, für den Ernstfall mehr Vorsorge als bisher zu treffen; sie lehren uns dies mehr, als das vielleicht so mancher wahrhaben möchte. Wir leben ja alle schon wieder in einer Euphorie. Ich habe den Eindruck, daß das, was vor einem Jahr gewesen ist, mehr oder weniger nicht mehr bekannt und nicht mehr bewußt ist. Niemand will mehr wahrhaben, daß wir vor einem Jahr in einer Ölkrise und in einer nachfolgenden Energiekrise gestanden haben, die uns alle miteinander sehr beschwert hat. Aber auch niemand will wahrhaben, daß dies morgen unter Umständen schon wieder der Fall sein kann. Wenn wir dies einzukalkulieren haben - und auf der politischen Ebene kann das nicht anders sein -, meine Damen und Herren, müssen wir uns über die Folge im klaren sein. Ich sage noch einmal: Die politische Lage ist nicht so rosig - gerade auch nicht in den erdölproduzierenden Ländern , daß wir uns erneut in Sicherheit wiegen könnten, was die Mengen, was die Preise und was die Transportmöglichkeiten für Öl für unser Land angeht. Dieses Dritte Verstromungsgesetz trägt in seiner Zielsetzung diesem Gedanken der notwendigen Sicherung der Energieversorgung Rechnung. Ich habe an mehreren Stellen darauf hingewiesen, daß man, um dieses Ziel zu erreichen, an sich bessere Wege hätte gehen sollen. Das Verfahren, das die Bundesregierung über das nahezu unkontrollierte Sondervermögen mit der Ausgleichsabgabe vorgesehen hat, ist nicht unser Vorschlag. Noch einmal: Wir bedauern dieses Verfahren. Unsere Kritik bleibt deshalb in diesem Bereich uneingeschränkt bestehen, und wie Sie alle wissen, sind wir nicht die einzigen, die dieses Verfahren rügen; der Bundesrechnungshof ist heute morgen schon einmal genannt worden. Dennoch ist dieses Gesetz aus energiepolitischen, insbesondere auch versorgungstechnischen Gründen, und gleichermaßen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, was die Kohlenreviere in unserem Lande angeht, unumgänglich. Das ist der Grund, warum wir trotz der vorgetragenen formalen Bedenken diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen werden. Ich bin ein Mann aus dem Ruhrgebiet. Ich habe die Wähler dieses Raumes hier mit zu vertreten. ({1}) - Warum Aha? Ist das neu? Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie das nicht tun, weil Sie in anderen Regionen zuhause sind. Ich hoffe aber trotzdem, daß Sie sich hier solidarisch mit den Kumpels an der Ruhr festlegen werden. Ich bin ein Mann aus dem Ruhrgebiet; ich wiederhole es. Ich habe mich, solange ich in diesem Hause parlamentarische Verantwortung trage, für die berechtigten Belange des Steinkohlenbergbaus und der Menschen, die dort ihren Arbeitsplatz haben, aber auch derer, die von diesen Arbeitsplätzen leben - und das sind nicht wenige -, eingesetzt. Für meine Fraktion füge ich hinzu, daß wir an allen Stellen, wo dies notwendig war, wo es zwingend wurde, schnell, unbürokratisch, unpolitisch zu handeln, dies getan haben. Das galt für die - ich muß sagen: im Galopp über die Bühne gezogene - parlamentarische Verabschiedung des Energiesicherungsgesetzes im vergangenen Jahr; ich darf Sie noch einmal daran erinnern. Das galt für unsere grundsätzliche Bereitschaft zur kritischen Mitarbeit am Energieprogramm der Bundesregierung vom September 1973, dessen Fortschreibung uns inzwischen vorgelegt worden ist. Dies wird auch gelten für die notwendige parlamentarische Konkretisierung Ihrer Absichtserklärungen in diesem neuen Energieprogramm. Ich mache Sie allerdings jetzt schon darauf aufmerksam, daß uns Absichtserklärungen zu einer künftigen energiepolitischen Gesamtkonzeption in der politischen Wirklichkeit dann wenig nützen, wenn Sie von der Regierungskoalition, koste es, was es wolle - wir hoffen, daß Sie diesen Standpunkt nicht behalten, aber ich sage es noch einmal: koste es, was es wolle -, für die zu beschreitenden Wege die alleinige Wahrheit für sich in Anspruch nehmen und mit Ihrer Mehrheit durchzusetzen beabsichtigen, was Sie für richtig halten. Beim Dritten Verstromungsgesetz ist leider wieder deutlich geworden, daß Sie selbst gegenüber fundierter Kritik - ich zitiere noch einmal den Bundesrechnungshof, aber auch aus unseren Reihen - nicht bereit sind, einen anderen als den einmal von Ihnen konzipierten Weg zu gehen. Vielen ist bekannt, daß auch der Bundeswirtschaftsminister - das hat er heute morgen nach meinem Dafürhalten, wenn auch nur versteckt, aber doch immerhin für den Kenner der Materie klar und deutlich zum Ausdruck gebracht - etwa in der Frage des Sondervermögens, auch bei einigen anderen Punkten, lieber eine andere Lösung gesehen hätte. Ihm geht es wie uns. Wir müssen wegen der unbeugsamen Mehrheit in diesem Hause den deutlich schlechteren Weg akzeptieren, um eine an sich richtige energiepolitische und kohlenpolitische Zielsetzung nicht zu gefährden. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Sommer dieses Jahres hat ein aufmerksamer Beobachter der energiepolitischen Szene geschrieben, die Ölkrise vom Herbst und Winter 1973/74 sei zu kurz gewesen. Das klingt zwar zynisch, aber er hat es nicht so zynisch gemeint. Immerhin, in der Tat hatte man den Eindruck, als ob Verbraucher und auch Politiker den Schock von der Jahreswende 1973/74 in diesem Jahre streckenweise vergessen und aus dem Bewußtsein verdrängt hätten, vergessen wollten, welche Konsequenzen und welche Bedeutung dieser Einschnitt in unserer Wirtschaft und in unserem sozialen Leben gehabt hat. Sicher, der lebensnotwendige Stoff Öl fließt wieder - vom Mangel ist nichts zu spüren -, wenn auch zum dreifachen Preis. Aber genau das ist der Punkt, der - vielleicht verständlicherweise - so häufig und so oft aus dem Bewußtsein verdrängt wird: daß diese Preisentwicklung uns deutlich macht, wo die Grenzen des Wohlstands sind, der über viele Jahre hinweg doch auf sehr billiger, vermutlich zu billiger Energie basierte. Wir haben es also nur mit einer scheinbaren Normalisierung zu tun. Die Nachrichten aus dem Nahen und dem Mittleren Osten sind auch nicht so, daß man sich beruhigen könnte. Und da Sie, Herr Russe, diese Delegation schon angesprochen haben, so lassen Sie mich sagen: Es war die gemeinsame Erkenntnis derer, die da vor 14 Tagen in einigen Ländern des Nahen Ostens waren, daß die Waffe mit dem Namen Öl nach wie vor auf den Konferenztischen der erdölfördernden Länder liegt. Aber weil diese Erkenntnis der dort Beteiligten - aber auch im übrigen - wohl so zu charakterisieren ist, ist auch die Feststellung im neuen Energieprogramm richtig, daß die Risiken für die Energieversorgung keine abstrakten Möglichkeiten, sondern reale Gefährdungstatbestände sind. Und da haben wir es eben nicht nur mit den finanzwirtschaftlichen Problemen, die sich aus Ölpreisentwicklungen ergeben, und nicht nur mit den strukturpolitischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß sich Geld- und Warenströme auf Grund dieser anderen Preis- und Kostenlage verändern, zu tun, sondern da haben wir es auch immer noch zu tun mit dem hohen Maß unserer Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen - nach wie vor eine unbewältigte Aufgabe. Es ist sicherlich heute nicht der Tag und der Zeitpunkt, um eine detaillierte Beratung des Energieprogramms vorzunehmen. Aber ich teile durchaus die Auffassung von Graf Lambsdorff, der da sagte, man kann einen - ganz bestimmt auch wichtigen - Teil dieses Energieprogramms nicht völlig bei der Bewertung und Beurteilung des gesamten Energieprogramms auslassen. Das Dritte Verstromungsgesetz kann man wohl nicht ohne diesen Hintergrund bewerten und würdigen, obwohl und weil es eine der wichtigsten Säulen für eine Energiepolitik ist, die auf größere Sicherheit und auf mehr Unabhängigkeit abzielt. Ich glaube, daß sich niemand der Illusion hingibt und hingeben kann, es sei möglich, irgendwann in absehbarer oder in weiterer Zukunft eine totale Unabhängigkeit bei unserer Energieversorgung zu erreichen. Insofern wird natürlich ein Teil dessen, was zu einem Energieprogramm gehören kann, immer nur Absichtserklärung bleiben können, nämlich die Erklärung, sich zu bemühen, ein gedachtes Ziel so weit wie nur irgend möglich zu erreichen. Wer da Perfektionismus will und sagt, dies sei möglich, der täuscht sich und andere. Aber richtig ist, daß Anstrengungen und Vorhaben in die richtige Richtung gelenkt werden müssen, also in die Richtung, einen möglichst hohen Sockel der Energieversorgung aus heimischen Quellen bzw. aus von uns aus verfügbaren Quellen zu erreichen. Dieses Energieprogramm scheint mir richtig angelegt zu sein, wichtige und wesentliche Beiträge dazu zu leisten, z. B. die Ausweitung der Kernkraftwerkleistung, um 25% unserer Stromerzeugung zu sichern. Hier wissen wir alle, daß das Thema „Umweltschutz" eine sehr wichtige Rolle spielt, daß wir aber bei allem Respekt vor seiner Notwendigkeit mit dafür werben müssen, daß nicht unbegründete Befürchtungen zur Blockierung des notwendigen Ausbaus unserer Energieversorgung beitragen oder Anlaß geben. Zu diesem Sicherheitssockel gehört zweifellos auch die Steigerung der Braunkohleförderung. Die Erschließung des Hambacher Forstes ist ein richtiger Schritt. Das Steueränderungsgesetz vom vorigen Jahr erleichtert diese und solche Investitionen. Das Erdgas mit seinem 10%igen Stromversorgungsanteil hat seinen wichtigen Platz, der ausgebaut werden kann. Wir wollen die Regierung ermuntern, die Vielfalt von Lieferverträgen auszudehnen, die Exploration auf nationalem Grund und Meeresboden voranzutreiben, und auch helfen, die Organisation unserer gaswirtschaftlichen Unternehmen zu verbessern. Denn in dem Maße, in dem dieser Energieträger in Europa an Bedeutung gewinnt, wird es auch nötig sein, daß die Unternehmen, die auf diesem Felde tätig sind, auch in unserem Lande die entsprechende Kraft und die entsprechende Organisation aufweisen, um über die Grenzen hinweg zu kooperieren. Zum Stichwort „mehr Sicherheit" gehört ganz zweifellos auch, daß man von den schnell wachsenden Verfügungsrechten der Förderländer über ihre Erdölproduktion Kenntnis zu nehmen hat. Deshalb ist es richtig, daß die Bundesregierung zusammen mit anderen Regierungen in Europa eine internationale Zusammenarbeit anstrebt mit dem Ziel, die eigenen und bilateralen Anstrengungen in diese internationale Zusammenarbeit einzubetten. Das Energieprogramm ist ein weites Feld, und es geht auch nicht darum, es heute voll abzugrasen. Die Stichworte: Bevorratung im öffentlichen und privaten Bereich, Markttransparenz, die auch heute nicht überflüssig ist, wenn es auch gelegentlich so scheint oder dargestellt wird, und nicht zuletzt die im Gefolge der Washingtoner Energiekonferenz erarbeiteten Bestimmungen über ein internationales Energieprogramm sind Fragen, die uns demnächst im DeReuschenbach zember dieses Jahres und später weiter beschäftigen werden. Ich will nicht verhehlen, daß im Kohleteil des Energieprogramms nicht alle Blütenräume Wirklichkeit wurden. Angesichts des rapiden Abbaus der Kohlehalden und mancher Andeutungen über Knappheit im Winter und auch angesichts der hoffnungsvollen Ansätze bei der Energie- und bei der Kohleforschung hat sicherlich mancher gehofft und angenommen, es könnte in diesem Kohleteil des Energieprogrammes etwas mehr erreicht werden. Insofern war es auch durchaus verständlich, daß es in den letzten Wochen Meinungsdifferenzen über langfristige Förderziele gab. Dennoch, glaube ich, ist es besser, Ziele realistisch zu setzen, sich darum zu bemühen, die heutige Förderkapazität mindestens zu erhalten, dafür größte Anstrengungen zu unternehmen, ohne sich den Weg zu verbauen, in zwei oder drei Jahren neu in eine Prüfung einzutreten, als utopische Fördergarantien, wie wir sie in diesem Lande schon einmal erlebt haben - 140 Millionen Tonnen -, in die Welt zu setzen, die weder durchdacht noch abgesichert waren, sondern eine Irreführung des deutschen Steinkohlenbergbaus bedeuteten, unter der er viele Jahre schwer gelitten hat und durch die zehntausende von Bergarbeitern ihren Arbeitsplatz verloren haben. ({0}) Diese Solidität, die die Möglichkeit der Überprüfung von Zeit zu Zeit offenläßt, ist zu begrüßen, und die Aufforderung der Bundesregierung, sich auf eine Förderkapazität von 94 Millionen Tonnen bis 1980 einzustellen, ist auch eine Verpflichtung für diese Bundesregierung, für ihre Politik, und andererseits eine Chance für den deutschen Steinkohlenbergbau, endlich mit Kontinuität und Sicherheit seine Unternehmenspolitik zu betreiben. Wir möchten ganz ausdrücklich dem Bundeskanzler und dem Wirtschaftsminister danken für die Art und Weise, wie sie sich für jene Männer engagieren, die nach nach dem Krieg und auch heute tausend Meter unter der Erde zur Sicherung unserer Energieversorgung beitragen. Zur Erreichung der Absatzziele spielt das Dritte Verstromungsgesetz eine ganz wichtige Rolle. Die Einzelheiten sind im Laufe des heutigen Vormittags mehrfach erörtert und erwogen worden. Ich möchte nur zu dem merkwürdigen Klima, das heute morgen hier die Debatte beherrschte, eine Bemerkung machen. So manches von dem, was verschiedene Sprecher der CDU/CSU an Kritik gegenüber der Bundesregierung oder gegenüber der Koalition vorgetragen haben, betraf eigentlich ein Thema, das innerhalb der Opposition in diesem Bundestag eine Rolle gespielt hat, und war viel weniger an die Adresse der Koalitionsfraktionen gerichtet. Die Beratungen im Wirtschaftsausschuß unterschieden sich ganz deutlich von der Diskussion und der Debatte hier. Mit ein, zwei Ausnahmen - Stimmenthaltung oder Gegenstimmen - waren die meisten Entscheidungen einmütig und einstimmig, und selbst da, wo man noch prüfen konnte, ob der eine oder der andere Weg sinnvoller oder besser war, gab es nicht diese Kontroverse, nicht diese Schärfe. Ich verstehe natürlich die Lage der Oppositionssprecher und begrüße um so mehr, daß Herr Russe in seinen letzten Bemerkungen schließlich noch versuchte, für die Opposition Klarheit zu schaffen, daß auch sie sich um die Stabilisierung der Lage im deutschen Steinkohlenbergbau bemühen wolle. Aber die anderen Stimmen haben wir nicht überhört. ({1}) - Bitte schön, Herr Russe!

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Reuschenbach, ich habe volles Verständnis für diese Ihre Einlassung. Würden Sie mir aber die Frage beantworten, ob es nicht gleiche Vorbehalte, Schwierigkeiten - wenn Sie diese bei uns unterstellen - im Kreise der Koalition einschließlich der von dieser Koalition getragenen Länder zu überwinden gegeben hat. Stimmt es, was ich erfahren habe: daß der Bundeskanzler persönlich in Hamburg intervenieren mußte, um entsprechende Sicherungen der gemeinsamen Position zu diesem Gesetz zu erreichen?

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Russe, es ist natürlich gar kein Zweifel, daß es in jeder großen Partei und auch in jeder Fraktion Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten gibt. Nur ist es bei uns frühzeitiger möglich geworden, abzuklären, was möglich und nicht möglich ist, und nicht erst an den letzten Wochenenden brachen dann die Dämme. Niemand darf davon ausgehen, es mache einer Mehrheit oder einer Partei Spaß, Preise zu erhöhen. Insofern habe ich auch manchen Angriff - nicht von Ihnen, Herr Russe - nicht so recht verstanden, der gegen die Verteuerung des Strompreises gerichtet war. Ich meine, daß man doch in aller Offenheit sagen muß, daß Sicherheit auf diesem Feld wie auf allen anderen Gebieten ihren Preis kostet. Die Bürger dieses Landes haben 1974 ohne Beschluß des Deutschen Bundestages, ohne politische Willensbildung runde 20 Milliarden DM aus der Tasche gezogen bekommen, und zwar durch die Erhöhung der Erdölpreise. Besser und vertretbarer ist es, sich mit einer Milliarde DM Mehrausgaben auf die Dauer ein höheres Maß an Sicherheit zu verschaffen, als sich auf Dauer der totalen Abhängigkeit von Auslandsimporten ausgesetzt zu sehen. ({0}) Ich habe vor zwei Monaten einen bemerkenswerten Aufsatz von Oswald von Nell-Breuning mit dem Titel „Wir, unsere Politiker, die Ölscheichs und das große Unrecht in der Welt" gelesen. Darin stehen ein paar Sätze, von denen ich glaube, daß sie es verdienen, auch und gerade von dieser Stelle aus zitiert zu werden. Dort heißt es unter anderem: Es ist uns wirklich ernst damit, unseren Politikern beizubringen, daß wir von ihnen verlangen, daß sie uns die nötigen Opfer auferlegen, um Wirtschaft, öffentliche Finanzen und unser Geldwesen in Ordnung zu halten. Wenn unser Volkseinkommen durch die vervielfachten Ölpreise geschmälert wird, wenn günstigere Austauschverhältnisse zugunsten der Ent8722 wicklungsländer es noch weiter schmälern, wenn wir obendrein von unserem schmaler gewordenen Volkseinkommen einen ernsthaft spürbaren Teil uns selber entziehen und den Entwicklungsländern zuwenden sollen, dann sind wir auch entschlossen, keine Verteilungskämpfe zu führen. Wir wollen von euch Politikern keine Geschenke, wir wünschen auch nicht, daß ihr Politiker die zusätzlichen Belastungen verschweigt. Wir wissen, daß ihr nicht angeblich aus der vierten Dimension hervorzaubern könnt, was eigentlich nicht da ist, tatsächlich aber aus unseren eigenen Taschen oder aus den Taschen unbeteiligter Dritter am Ende gar den Menschen in den Entwicklungsländern entzogen werden müßte. Wir wollen keine Roßtäuschertricks, keine Bilanzfrisuren. Wir wollen Ehrlichkeit, Wahrheit und Klarheit. Insofern ist es, wie ich glaube, auch richtig, zu sagen, daß wir ein höheres Maß an Sicherheit für unsere Energieversorgung mit einem entsprechenden Preis zu bezahlen haben und daß dieses der Preis ist, den die Bürger in diesem Lande auf diesem oder auf anderem Wege direkt zu entrichten haben. Die Meinungsverschiedenheiten über die parlamentarische Kontrolle sind hier erörtert und diskutiert worden. Ich glaube, daß die häufige Wiederholung falscher Behauptungen die Wahrheit nicht näher beschreibt. Wir haben unsere Entscheidungen, denen Sie auch zugestimmt haben - Begrenzung auf 3,5 % und Rechnungslegung für den Deutschen Bundestag - getroffen. Hier ist ferner die Begrenzung auf das Jahr 1980 zu nennen. Wir glauben, daß mit diesen Begrenzungen der Ermächtigungsrahmen der Bundesregierung und des Bundesamtes eng genug gezogen sind. Mit diesen Hinweisen auf die wichtigsten Punkte des Dritten Verstromungsgesetzes will ich es genug sein lassen. Ich möchte aber noch erwähnen, daß wir alle miteinander Grund haben, Herrn Dr. Gerlach vom Bundeswirtschaftsministerium Dank zu sagen, ({1}) der in unermüdlicher und sachkundiger Art und Weise geholfen hat, ein Gesetz zustande zu bringen, das die Sicherheit unserer Energieversorgung erhöht, unsere Unabhängigkeit von ausländischen Quellen steigert, gleichzeitig ein Stück Strukturpolitik im besten Sinne des Wortes darstellt und Tausende von Arbeitsplätzen langfristig sichern kann. Hier wird wieder einmal deutlich, daß es Wirtschaftsbereiche gibt, die fernab aller Ideologie der öffentlichen Verantwortung und Bestimmung unterworfen werden müssen, wenn nicht das Ganze Schaden leiden soll. Ich hoffe, daß auch der Bundesrat hilft, dem Entwurf so schnell wie möglich Gesetzeskraft zu verschaffen. Denn Zeit haben wir nicht mehr zu verlieren. Auf dem Feld der Energiepolitik ist es später, als mancher sich und anderen eingestehen will. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Zywietz.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute in der Schlußdebatte den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft, in Kurzform „Drittes Verstromungsgesetz" genannt. Bereits aus der Überschrift wird, wie ich meine, sehr deutlich, daß wir hier kein prinzipielles Neuland betreten, sondern uns auf dem Pfad der Kontinuität bewegen, zu dem allerdings - das sei nicht verschwiegen einige Neuerungen gehören. Davon wurde hier bereits in der zweiten Lesung gesprochen, im wesentlichen über das Thema der Finanzierung und ihrer zweckmäßigen Ausgestaltung. Bei dieser Vorlage geht es um die Sicherung eines stetigen Kohleeinsatzes für die Stromerzeugung. Im Vergleich zu den vorangegangenen Gesetzen ist, meine ich, eine leichte Akzentverschiebung in der Zielsetzung festzustellen. Stand früher mehr der Gesichtspunkt des sicheren Kohleabsatzes im Mittelpunkt, so liegt heute die Betonung bei der sicheren Stromerzeugung. Es bleibt aber im Kern das Problem, wie wir mit unserem kostbaren Rohstoff Kohle richtig umgehen. Dennoch, das Dritte Verstromungsgesetz ist eine energiepolitische Maßnahme, die von manchen in unserem Land für überflüssig erachtet wird. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, daß eine nennenswerte Wärmepreisdifferenz zwischen Kohle und 01 bei der Stromversorgung zur Zeit nicht gegeben sei und insofern sei eine Stützung der Kohleverwendung für die Elektrizitätserzeugung durch ein weiteres Verstromungsgesetz überflüssig. Die FDP ist nicht dieser Auffassung. Argumente für unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Verstromungsgesetz liefert bereits eine sehr grobe Analyse der energiepolitischen Gesamtszenerie. Auf diese kommt es hier nachhaltig an. Tasten wir nur ein wenig den ökonomischen Globus ab und schlagen wir nicht verblendet oder leichtfertig die Lehren aus dem gottlob noch milden Energieschock des vergangenen Winters so mir nichts, dir nichts in den Wind, dann muß man zumindest folgendes festhalten. Energiemengen und -preise werden als politische Waffe eingesetzt. Das schafft Unsicherheiten, auf die wir uns bei der Verwendung unserer eigenen Rohstoffe einzurichten haben. Wenn der Volksmund recht hat - ich zweifle nicht daran -, daß Geld die Welt regiert, dann geht mit der beachtlichen Geldverschiebung auf Grund der stark erhöhten Ölpreise auch eine beachtliche Machtverschiebung in dieser Welt einher. Geradezu in einem plastischen Volkshochschulunterricht ist uns durch die Ölkrise vor noch nicht einmal einem Jahr die Bedeutung der Energieversorgung für unsere Volkswirtschaft und damit für unser aller Lebensstandard sehr grell erhellt worden. In bildreicher Sprache wird von Energie nunmehr als dem unverzichtbaren „vierten Produktionsfaktor" oder auch, wie manche sagen, dem „Schwarzbrot der Wirtschaft" gesprochen. Die große Bedeutung ist breiter erkannt als je zuvor. Aber ich habe den Eindruck - und Vorredner haben das ebenfalls schon anklingen lassen -, das ist in der breiten Bevölkerung immer noch nicht ausreichend erkannt. Meine Damen und Herren, ich wage die Behauptung: Kein anderes Ereignis der gesamten Nachkriegszeit hat die weltwirtschaftliche Gesamtsituation so nachhaltig verändert wie die Energiekrise. Bereits knappe Stichworte - wie das Verhältnis der armen und der reichen Staaten zueinander, das Verhältnis der europäischen Staaten untereinander, das Verhältnis Europas zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die wirtschaftlichen Struktur- und Regionalprobleme, die wir festgestellt haben, Zahlungsbilanz- und Währungsfragen, Aspekte des wirtschaftlichen Wachstum - machen dies deutlich. Herr Russe hat dies ebenfalls sehr nachhaltig angesprochen und unterstrichen. Als Zuhörer fiel mir allerdings bei diesen sehr einsichtig klingenden Worten auf, daß diese gleiche Einsicht bei parteilicher Diskussion in der Öffentlichkeit in keiner Weise wiederzufinden ist. Da vermißt man einfach, daß in wirtschaftspolitischen Debatten deutlich gemacht wird, auf welchem veränderten Hintergrund Wirtschaftspolitik heute nur noch gemacht werden kann. Wir leben in einer anderen Situation. Vollbeschäftigungs- und Preissteigerungsraten von früher sind nicht mehr der Maßstab für die Möglichkeiten von heute. Es ist geradezu eine Irreführung, das in der Öffentlichkeit nicht zu verdeutlichen, sondern das Gegenteil anzudeuten, als läge es immer nur an der Bundesregierung, die mit der Wirtschaft nicht so recht fertig werde. Meine Damen und Herren, der Staat kann heute nicht mehr in einer Weise abseits stehen und ausschließlich - ich betone: ausschließlich - auf Marktkräfte vertrauen, wie das früher noch möglich war, wenn es um die Erfüllung der zentralen Versorgungsaufgaben für die Bevölkerung geht. Energieversorgung oder, noch konkreter gesprochen, Stromversorgung gehört dazu. Denn Versorgungsmängel in diesen Bereichen werden von der wählenden Bevölkerung nicht dem Marktmechanismus oder den „Multis" angelastet, sondern dem demokratischen Staat, seinem Parlament, im Zweifelsfall seiner Regierung. Dabei ist sichere Energieversorgung nicht durch eine einzelne Maßnahme geradezu im Handstreichverfahren zu bewerkstelligen, sondern nur durch ein sehr umsichtiges und damit mühseliges Zusammenlegen eines Mosaiks. Damit bin ich konkret bei der Vorlage des Dritten Verstromungsgesetzes. Das vorliegende Verstromungsgesetz ist ein wichtiger Baustein für diese Zielsetzung: mehr Elektrizitätsversorgungssicherheit. Mit diesem Gesetz will man wie mit seinem ersten und zweiten Vorläufer den Einsatz von Gemeinschaftskohle, d. h. im wesentlichen den Einsatz von deutscher Kohle, für die Stromerzeugung sicherstellen. Die energiepolitische Begründung liegt darin, daß Kohle mit einem Anteil von ca. 20% an unserer Energieversorgung unser einziger wesentlicher Primärenergieträger ist und zum anderen Strom ein sehr bedeutsames Versorgungsgut für unsere Bevölkerung darstellt. Vielleicht wäre im vergangenen Jahr hier und da tatsächlich das Licht ausgegangen, wenn nicht in der Vergangenheit Verstromungsgesetze für den stetigen Einsatz der Kohle bei der Elektrizitätsgewinnung gesorgt hätte. Aus der Rückschau wäre doch wohl, wie ich meine, nicht auszuschließen, daß das billigere 01 und Gas mehr und mehr Kohlekraftwerke verdrängt hätten mit der Folge, daß bei einer verknappten Ölzufuhr - und in diesem Bereich sind wir fast ausschließlich auf Importe angewiesen - die Stromerzeugung nicht hätte sichergestellt werden können. Man muß sich vor Augen halten, daß von dem Inlandsabsatz der deutschen Steinkohle etwa 80 0/o auf die Elektrizitätswirtschaft und die Eisen- und Stahlindustrie als die wichtigsten Kohleverbraucher entfallen. Mein Kollege Graf Lambsdorff hat ja gerade auf die Problematik in den Bereichen Stahl und Europa ausführlich hingewiesen. Das vorliegende Dritte Verstromungsgesetz soll nun einen fixierten stetigen Kohleeinsatz in Kraftwerken sicherstellen - auch dann, wenn unser Heizmaterial Kohle teurer als beispielsweise Öl oder Gas bei der Verwendung zur Stromerzeugung sein sollte. Wir meinen nämlich, daß es gut ist, davon auszugehen, daß im Zweifelsfall für die Bevölkerung diejenige Energie die teuerste ist, die man nicht hat, aber dringend benötigt. Damit sind wir bei der Frage der Bewertung des Sicherheitsbedürfnisses, beim Thema Geld, der, wie ich meine, Endstation aller Politik. Sichere Stromversorgung durch den beachtlichen Einsatz deutscher Kohle hat gewiß ihren Preis. Dieser Preis ist in der Vergangenheit durch den Einsatz von hohen Steuermitteln über den Haushalt gezahlt worden. Das vorliegende Dritte Verstromungsgesetz - und das ist eine der wesentlichen Neuerungen - sieht in diesem Bereich etwas anderes vor, nämlich nicht mehr die Finanzierung über den Bundeshaushalt, sondern die Finanzierung durch den Endverbraucher. Wir meinen, daß das eine angemessene Lösung ist, ein ehrlicher Risikoaufpreis, den der Verbraucher für eine relativ sichere Elektrizitätsversorgung zu zahlen hat. Vorgesehen ist dabei eine offen auszuweisende prozentuale Abgabe, die für den Stromkunden deutlich kenntlich wird und die nach allen Vorausschätzungen zu einer Strompreiserhöhung von zwischen 3 und 4 %, aber nur zu einer äußerst minimalen Auswirkung auf den viel zitierten Lebenshaltungsindex führt. Es handelt sich also um den Abbau einer Subvention, die bislang mit Mitteln, die über das Steuersystem aufgebracht werden, geleistet wurde. Sie wird durch ein meines Erachtens angemessenes Verfahren ersetzt, bei dem diejenigen für die Kostenfinanzierung aufkommen müssen, die Strom verbrauchen, und nicht diejenigen, die, aus welchen Gründen auch immer, Steuern zahlen. Nur am Rande sei hier mit Blick auf die Tarifgestaltung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen angemerkt, daß es bislang nicht in meinen Kopf wollte, daß derjenige, der viel Energie und damit vielleicht auch manche Energie recht unnütz ver8724 braucht, durch einen günstigen Mengentarif geradezu belohnt wird. Mir schiene eine Regelung bedenkenswert, durch die von einem zu bestimmenden Normalverbrauch ab durch einen ansteigenden Tarif unrationelle Energieverwendung tendenziell gebremst wird. Auf dem Hintergrund der Entscheidung, daß der Einsatz deutscher Steinkohle für die Elektrizitätserzeugung in beachtlichem Maße gesichert werden soll, hätten wir es von der FDP lieber gesehen, wenn die Wirtschaft aus sich heraus dieses Problem gelöst hätte. Leider waren die angebotenen Vorschläge aus der Sicht einer weitergehenden staatlichen Verantwortung nicht ausreichend. Neben den Fragen der Finanzierung ist die Frage nach dem Charakter der Abgabe und ihrer Kontrolle ein weiterer wesentlicher Punkt der Aussprache gewesen. Die FDP ist der Auffassung, daß es sich hier um eine Abgabe handelt, weil sie deutlich speziellen energiepolitischen Zwecken zugeordnet ist. In den Beratungen vor dem heutigen Tage hat die FDP allerdings großen Wert darauf gelegt, daß das zu bildende Sondervermögen einer ausreichenden parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Wir haben grundsätzlich etwas gegen graue demokratische Schattenzonen. Der Wirtschaftsausschuß hat durch eine Änderung des Regierungsentwurfs eine parlamentarische Kontrolle des Sondervermögens beschlossen. Demzufolge muß der Bundesminister für Wirtschaft zu seiner Entlastung dem Bundestag und auch dem Bundesrat jährlich über den Wirtschaftsplan gesondert Rechnung legen. Diese Änderung trägt sowohl dem Wunsch des Bundesrechnungshofes nach parlamentarischer Kontrolle als auch dem berechtigten Anliegen der Bundesregierung Rechnung, eine gewisse Flexibilität der Verwaltung im Interesse der energiepolitischen Ziele des neuen Verstromungskonzeptes zu erhalten. Die FDP wird außerdem mit großer Wachsamkeit darauf achten, daß hier nicht leichtfertig Bürokratien zu üppig ins Kraut schießen. Mit einem beachtlichen und stetigen Einsatz deutscher Kohle für die Elektrizitätserzeugung soll dafür Sorge getragen werden, daß die Lichter in diesem Lande möglichst nicht ausgehen. Dieses Gesetz dürfte für die im Bergbau Beschäftigten eine beachtliche Beruhigung sein. Andererseits sollen damit aber auch keine falsch verstandenen Signale gegeben werden. Ein Kohleboom wie vielleicht in anderen Ländern kann es nach meinem Dafürhalten in der Bundesrepublik in gleicher Weise so schnell nicht geben, weil die geologischen Bedingungen und damit die Ausbeutekosten doch um einiges - und zwar negativ - von denen in anderen Ländern verschieden sind. Aber zunächst durch Verstromung und vielleicht später einmal durch neue Technologien hat die deutsche Kohle eine reelle Chance. Bei diesem Gesetz geht es letztlich um den Einsatz eines eigenen kostbaren Bodenschatzes in einem für den Bürger sehr sensiblen Verwendungsbereich; es geht darum, die Versorgung mit elektrischem Strom sicherzustellen. Es geht nicht darum, andere Energieträger burschikos oder radikal aus Rollen zu verdrängen oder vielleicht bei der Kernenergie Zukunftschancen, die wir im Interesse der Energieversorgung unbedingt wahrnehmen müssen, zu drosseln. Bei der Beratung dieses Gesetzes hat sich die FDP darum gegen ein generelles Verbot von Ölkraftwerken gewandt und sich für den Vorbehalt der Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium ausgesprochen. Bei allem Einsatz für die stetige Verwendung deutscher Kohle muß gesehen werden, daß wir in diesem Lande Benzin und mittleres Heizöl dann möglicherweise nicht in ausreichenden Mengen haben, wenn nicht auch ein gewisser Absatz von schwerem Heizöl möglich ist. Eine zu starke Einschränkung der Verwendung von schwerem Heizöl könnte zu einer unzureichenden Raffineriestruktur führen, die wir genausowenig für richtig halten. Zum anderen möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, daß ein angemessener Anteil von Importkohle erhalten bleiben muß, wie er sich insbesondere für die Stromerzeugung in den norddeutschen Küstenregionen traditionell bewährt hat. Meine Damen und Herren, das Dritte Verstromungsgesetz bietet ein Instrumentarium, auf das nicht verzichtet werden kann, auch wenn in jüngster Vergangenheit die Kohle durch rasante Ölpreissteigerungen in eine gegenwärtig bessere Wettbewerbsposition gelangt ist. Wir können heute feststellen, daß sich das vor gut einem Jahr vorgelegte Energieprogramm der Bundesregierung als richtig und realistisch in den Strukturen und Tendenzen erwiesen hat. Hier und da ist es in der Fortschreibung etwas griffiger, etwas stromlinienförmiger gestaltet worden. Wir verkennen nicht, daß die ständige relativ sichere und preiswerte Energieversorgung in all ihren Verwendungsbereichen noch eine große Aufgabe ist, die wir in der Zukunft zu bewältigen haben. Das Dritte Verstromungsgesetz in der vorliegenden Form ist unseres Erachtens ein richtiger Beitrag in dieser Richtung, der mich bei der Bearbeitung der Materie an ein klassisches Wort erinnerte, aber nicht an ein Schiller-Wort, sondern - im Zweifesfall - an ein Goethe-Wort, ({0}) nämlich das - und es wird sicher allgemein bekannt sein -: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen. Ich meine aber, daß hier gilt: Was du ererbt von deinen Vätern, bezahl es, um es zu besitzen. Das muß bei der deutschen Kohle wohl noch so sein. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Forschung und Technologie.

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verstromungsgesetz, das heute auf der Tagesordnung steht, dient der Sicherung des Absatzes der deutschen Steinkohle. Wir haben im letzten Jahr mit aller Deutlichkeit erfahren, wie sehr wir auf die deutsche Kohleförderung angewiesen sind. Sie bieBundesminister Matthöfer tet uns eine der wenigen Möglichkeiten, über die wir zur Zeit verfügen, kurzfristig Energieversorgungslücken zu überbrücken. Gestatten Sie mir deshalb, schon heute, gewissermaßen im Vogriff auf die Energiedebatte, die notwendigerweise sehr viel breiter angelegt sein wird, einiges aus diesem Gesetz in einen sachlich und zeitlich größeren Zusammenhang zu stellen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bundesministers für Forschung und Technologie, nach neuen Wegen zu suchen, unser Kohlepotential noch besser und auf lange Sicht zu erschließen und so die zukünftige Energieversorgung dieser Republik auf eine breitere Basis zu stellen. Dabei wäre es freilich falsch, wollten wir uns ausschließlich auf neue Entwicklungen konzentrieren, die notwendigerweise, worauf mein Kollege Friderichs schon heute morgen hingewiesen hat, erst in einer ferneren Zukunft wirksam werden können. Wir müssen uns selbstverständlich vor allem darum kümmern, wie auf der Basis des Vorhandenen, des kurzfristig Machbaren für die unmittelbar vor uns liegende Zukunft bessere Lösungen angeboten werden können. Dies bedeutet, daß die Möglichkeiten des Kohlenbergbaus, der Kohleveredelung und der Nutzung der Kohle durch neue Technologien verbessert werden müssen. Hier liegt gleichzeitig eine wesentlich strukturpolitische Aufgabe. Das Ruhrgebiet z. B. ist einer der großen industriellen Ballungsräume, und hier stellt sich ständig die Aufgabe der Modernisierung der Wirtschaft. Modernisierung der Volkswirtschaft heißt Erhöhung der Produktivität durch neue und bessere Technologien. Wir müssen mit der Vorstellung aufräumen, Kohlegewinnung und Kohleverarbeitung bedeute gleichzeitig Anwendung altmodischer Technologien. Hier müssen modernste Technologien entwickelt und angewandt werden. Im Rahmenprogramm „Energieforschung" der Bundesregierung werden rund 300 Millionen DM für die Verbesserung von Bergbautechnik und Aufbereitung bereitgestellt. Da geht es z. B. darum, bessere Methoden der Vorerkundung von Lagerstätten und bessere Vortriebstechniken zu entwickeln. Für das Schwerpunktprogramm „Kohlevergasung und Kohleverflüssigung" wurden rund 600 Millionen DM bereitgestellt. Leistungsfähige großtechnische Verfahren zur Kohlevergasung und -verflüssigung sollen das Anwendungsspektrum der Kohle als Energieträger und als Rohstoff für die chemische Industrie verbreitern. Mein Kollege Friderichs hat heute morgen unter dem Eindruck seiner Reise auf die auch in Zukunft unsichere Versorgung, insbesondere was den Preis betrifft, hingewiesen. Erdöl und Erdgas können teilweise durch Produkte auf Kohlebasis ersetzt werden. Wenn für diese Verfahren einmal nukleare Prozeßwärme zur Verfügung stehen wird, kann die Wirtschaftlichkeit dieser Verfahren weiter verbessert werden. Damit ist auch die Möglichkeit verbunden, unsere Kohlevorräte noch besser auszunutzen. Modernisierung der Volkswirtschaft durch Forschung und Technologieentwicklung heißt nicht nur Erhöhung der Produktivität. Modernisierung heißt auch Verbesserung der Arbeitsplätze, Verringerung der Umweltbelastung und Verbesserung der Produkte. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Humanisierung der Arbeit" werden wir der Verbesserung der Arbeitsbedingungen unter Tage besonderes Gewicht beimessen. Die Sicherheit der Bergleute kann durch neue Bewetterungssysteme und neue Methoden der Gebirgsschlagbekämpfung erhöht werden. Die Belastung und Gesundheitsgefährdung der Bergleute durch Kohlestaub und Luftverschmutzung, durch Lärm und durch die großen physischen Belastungen sind eine Herausforderung an alle, die sich zu menschengerechten Arbeitsplätzen und Technologien bekennen. ({0}) Ein Drittel des gesamten Haushalts des Forschungsministeriums, also etwa 1,5 Milliarden DM, dienen direkt und indirekt der Energieforschung. Wir versuchen auf zweierlei Wegen zur Lösung unserer künftigen Energieversorgung beizutragen: Einmal kann das Angebot an Primärenergie vergrößert werden, sei es durch die Erschließung neuer Energiequellen, sei es durch die Entwicklung besserer Technologien bei der Gewinnung der traditionellen fossilen Energierohstoffe. Zum anderen kann gezielte Forschung zur Verringerung des Energiebedarfs beitragen. Ohne die Kernenergie, die weitaus wichtigste neue Quelle von Primärenergie, hätten wir keinerlei Chance, den Anteil des Erdöls am Energieverbrauch in der Bundesrepublik von heute 55 % zu senken. Weil wir die Grundlagen für eine leistungsfähige Kernenergietechnik gelegt haben, können wir heute mit einer Verminderung der Erdölabhängigkeit auf ungefähr 44 % im Jahre 1985 rechnen. Wir verfolgen zwei Reaktorlinien: den Hochtemperaturreaktor und den Schnellen Brutreaktor. Der Hochtemperaturreaktor eröffnet die Perspektive der Erzeugung von Prozeßwärme und ihre Nutzung in Fernwärmesystemen, mit denen sich die uns vorliegende Entschließung beschäftigt. Der Brutreaktor gibt uns die Chance, Uranvorräte, die jedenfalls in den bisher wirtschaftlich verwertbaren Konzentrationen sehr begrenzt sind, vielfach intensiver auszunutzen. Diese Entwicklungen sind gerade in der letzten Zeit in eine sehr schwierige öffentliche Diskussion geraten. Wir sollten diese Diskussionen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Einerseits zwingen uns alle objektiven Daten zu der Erkenntnis, daß wir auf eine rasche Verfügbarkeit von Kernenergie angewiesen sind, andererseits scheint es mir nicht tragbar zu sein, daß es breiten Schichten der Bevölkerung ernsthaft Sorge macht, Atomreaktoren würden unwägbare Risiken bergen, ohne daß die Bundesregierung ihrer Aufklärungspflicht auf diesem Gebiet nachkäme. Es ist nach meiner Meinung unverzichtbar, das volle Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit von Kernkraftwerken herzustellen. Das bedeutet dreierlei: Erstens muß tatsächlich alles getan werden, um die zweifellos bestehenden Risiken möglichst klein zu halten. Wir haben daher die Mittel für die Reaktorsicherheit von 1970 auf 1974 verzehnfacht. Damit kein Mißverständnis entsteht: Der bisher schon erreichte Stand schließt Risiken mit hoher Sicherheit aus. Aber bei wachsenden Dimensionen müssen auch diese Restrisiken gerade in einem so dicht besiedelten Gebiet wie der Bundesrepublik Deutschland weiter eingeengt werden. Risiken müssen auch im Brennstoffkreislauf, d. h. bei der Wiederaufbereitung, bei den Transporten, bei der Zwischenlagerung und bei der Endlagerung so weit wie irgend möglich ausgeschlossen werden. Hier sind noch längst nicht alle Probleme, die in der Zukunft entstehen werden, als gelöst zu betrachten. Die Öffentlichkeit hat - zweitens - ein Recht darauf, voll und ohne unnötige Einschränkung unterrichtet zu werden. Wir leben in einem demokratischen Staat mit mündigen Bürgern. Wir können uns nicht über Umweltschützer und Bürgerinitiativen beklagen, auch wenn sie vielleicht in dem einen oder anderen Falle sachlich falsch informiert sein mögen, solange diese engagierten Bürger Zweifel haben können, ob sie immer vollständig und korrekt aufgeklärt werden. Der wie auch immer begründete Zweifel an der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit ist eine Gefahr für die weitere Entwicklung der Kernenergie, die nur durch vertrauensvolle, nüchterne, geduldige und überzeugende Informationsarbeit ausgeräumt werden kann. Wenn man heute überall die Forderung hört, die Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke müßten vereinfacht und beschleunigt werden, so kann ich nur sagen: das ist dringend erforderlich und möglich. Niemand kann aber unserer Bevölkerung zumuten, den Anschein zu ertragen, bei der Sicherheit von Kernkraftwerken und der Umweltgefährdung durch Kraftwerke seien Kompromisse zuungunsten der Sicherheit möglich. Die Kernenergie hat nur dann eine Zukunft, wenn eine solide Vertrauensbasis in breiten Bevölkerungsschichten besteht. Wenn über Kernenergie diskutiert wird, taucht auch meist die Frage auf, ob nicht Sonnenenergie die zu erwartende Energielücke füllen könne. Ich habe den Eindruck, daß die Möglichkeiten einer breiten Nutzung der Sonnenenergie bisher unterschätzt wurden. Alle Berechnungen deuten darauf hin, daß die Sonnenergie in unseren Breiten sinnvoll genutzt werden kann. Ich werde diesen Arbeiten mehr Gewicht geben und hoffe, daß wir, insbesondere in internationaler Zusammenarbeit mit anderen Industriestaaten, aber auch mit den Entwicklungsländern, hier bald realisierbare Wege aufzeigen können. Einen Verzicht auf die Kernenergie wird die Sonnenenergie natürlich nicht erlauben. Ein Wort zur Kernfusion. So verführerisch die Perspektive scheint, hierdurch eine neue, fast unbegrenzte Energiequelle zu gewinnen, so unrealistisch ist die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg nach dem gegenwärtigen Stand der Technik. In unsere Energieplanungen jedenfalls können wir die Kernfusion auf absehbare Zeit nicht einbeziehen. Kurz noch etwas zur Energieeinsparung. Wir sind uns wohl darüber einig, daß Energie knapper und teuer werden wird und daß wir daher diesem Problem durch rationellere Nutzung und Verringerung der Verschwendung begegnen müssen. Mehr als die Hälfte der in der Bundesrepublik verbrauchten Primärenergie bleibt ungenutzt. Dies zeigt, welche Reserven hier noch bestehen. Eine Verringerung des Energiebedarfs durch geringeren privaten Energiekonsum oder durch Beschränkungen im poduktiven Bereich ist möglich und wünschenswert. Ich halte es allerdings für falsch, mögliche, real erreichbare Wachstumsraten niedriger anzusetzen, um Energie zu sparen. Wohl aber wäre es lohnend, darüber nachzudenken, ob sich für die Struktur unseres künftigen Wirtschaftswachstums Konsequenzen aus der Energieverknappung ergeben. 40 °/o des gesamten Energiebedarfs in der Bundesrepublik werden für Raumheizung verwandt. Hier setzen vor allen Dingen unsere Forschungsvorhaben an. Einmal geht es darum, Verluste durch bessere Isolierungen und durch energiebewußtere Hausplanungen zu verringern. Zum anderen wollen wir untersuchen, ob nicht durch die Einführung von Fernwärmeverbundnetzen Einsparungen möglich sind. Durch den Anschluß von 50 % aller Haushalte und 20% aller Industrieanlagen an ein Fernwärmeverbundnetz könnten z. B. rund 80 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten pro Jahr eingespart werden. Das ist immerhin ein Viertel unseres jetzigen Primärenergieeinsatzes. Dazu werden allerdings gewaltige Investitionen erforderlich sein. Um die Planungsvoraussetzungen für eine solche breite Nutzung von Fernwärmenetzen zu ermöglichen, hat mein Ministerium einen sogenannten Wärmeatlas für die Bundesrepublik Deutschland in Auftrag gegeben. Gleichzeitig lassen wir genauere Planungsunterlagen für vier unterschiedliche exemplarische Siedlungsräume in der Bundesrepublik Deutschland erstellen. Die Fraktionen des Bundestages haben in ihrem Entschließungsantrag zum Dritten Verstromungsgesetz mit Recht auf die große Bedeutung von Fernwärmeverbundnetzen hingewiesen, die nicht nur eine rationelle Nutzung der Energie und ganz erhebliche Einsparungen ermöglichen, sondern auch den Einsatz heimischer Kohle in Heiz- oder kombinierten Heizkraftwerken oder die Nutzung der relativ versorgungssicheren Kernenergie in Anwendungsbereichen, die heute in ganz erheblichem Maße von der Mineralölversorgung abhängen. Gleichzeitig ist mit der Einführung von Fernwärmeversorgungsnetzen eine erhebliche Entlastung von Umweltproblemen in den Ballungszentren verbunden, da zahllose kleine Einzelfeueranlagen ausfallen, die meistens durch schlechte Wartung und Auslastung über Gebühr die Umwelt strapazieren. Diese Konzeption der Bundesregierung für die Energieforschung umfaßt zusätzlich zu den Maßnahmen, die uns heute hier beschäftigen, in ausgewogener Weise Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung und zur Rationalisierung des Energiebedarfs. Sie hat erst am Mittwoch in einem Hearing des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie ausdrückliche Anerkennung gefunden, und zwar von FachBundesminister Matthöfer leuten der unterschiedlichsten Disziplin. Für den nächsten Winter und die nahe Zukunft dürfen wir uns freilich von diesen Maßnahmen nichts erhoffen. Die heutigen und künftigen Probleme in der Energieversorgung sind jedoch ernst genug, um schon heute umfassende Maßnahmen zur grundsätzlichen Verbesserung unserer Situation in Angriff zu nehmen. Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung nachkommen und alles ihr Mögliche tun. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Drucksache 7/2740. Ich erteile dem Abgeordneten Wolfram das Wort zur Begründung.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung dafür, daß ich in dieser Stunde Ihre Aufmerksamkeit noch einige Minuten lang in Anspruch nehme. Ich werde mich kurz fassen. Ich bin zunächst einmal den Koalitionsfraktionen und auch der Opposition dankbar dafür, daß sie unserer Anregung gefolgt sind, in einem gemeinsamen Entschließungsantrag im Rahmen der Verabschiedung dieses wichtigen Gesetzes an die Problematik und die Bedeutung der Fernwärme zu erinnern. Unser Antrag beinhaltet zwei Problemkreise: zum einen die Notwendigkeit des Ausbaus der vorhandenen Fernwärmeversorgung mit einem verstärkten Kohleeinsatz bei der Fernwärmeerzeugung. Darüber braucht man, glaube ich, nicht viele Worte zu verlieren. Noch wichtiger ist zum anderen aber, daß wir die Bundesregierung bitten, alle Maßnahmen zu unterstützen, die dazu dienen, daß die Abwärme aus Kraftwerken, Heizwerken usw. viel stärker als bisher als Fernwärme genutzt wird. Mit unseren Vorschlägen gehen wir von der Erkenntnis aus, daß auf diese Weise Energien sinnvoller verwendet werden, daß sich bemerkenswerte Energieeinsparungen ergeben könnten und daß wir damit außerdem einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Umweltbedingungen leisten können. Noch sind viele bereits vorhandene Fernwärmenetze nicht optimal ausgenutzt; noch können vorhandene Fernwärmenetze erweitert oder verbessert werden. Sowohl Fernwärmeerzeuger als auch Energieverbraucher sollten davon Gebrauch machen. Wir bitten den Bundesminister für Wirtschaft, zu prüfen, ob nicht der Ausbau von Fernwärmenetzen ebenso wie Maßnahmen zur Energieeinsparung in künftige Sonderkonjunkturprogramme einbezogen werden könnten. Auf jeden Fall sollten wir bereits jetzt Anreize geben, um dort, wo Fernwärmenetze vorhanden sind, Umstellungen in Haushalten von Öl und anderen Individualheizungen auf Fernwärme zu ermöglichen. Wir sind sicher, daß das nicht nur ein wesentlicher Beitrag zu rationelleren Verwendung der Energie wäre, sondern daß gleichzeitig auch Energieeinsparungen beträchtlichen Ausmaßes bei einer optimalen Nutzung der Fernwärme denkbar sind und damit außerdem auch ein Beitrag zur Verbesserung der Umwelt geleistet wird. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Entschließungsantrag. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist begründet. Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 24 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge - Drucksache 7/2060 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({0}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Das Wort zur Begründung hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Anpassung des bürgerlich-rechtlichen Kindschaftsrechtes an die Wertvorstellungen des Grundgesetzes und die veränderten Erfordernisse unserer Zeit mit der am 14. August 1973 in Kraft getretenen Kleinen Adoptionsnovelle begonnen und mit der Verabschiedung der Großen Adoptionsnovelle im Oktober 1974 fortgesetzt. Heute liegt Ihnen als weiterer Schritt der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge in erster Lesung vor. Zur Begründung des Entwurfs darf ich namens der Bundesregierung folgendes vortragen. Die geltende Ordnung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern stammt aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Ausweislich der Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch stand damals der Gesichtspunkt der väterlichen Autorität gegenüber dem Kind im Vordergrund. So heißt es beispielsweise in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch, es entspreche nicht den Anschauungen des deutschen Volkes, dem Kinde einen größeren Schutz gegen den Mißbrauch der väterlichen Gewalt auf Kosten der natürlichen Stellung und der Autorität des Vaters zu gewähren. Diese Ansichten stehen mit unserer heutigen Rechtsüberzeugung zweifellos nicht mehr im Einklang. Das Grundgesetz hat vielmehr hinsichtlich der Familie als Institution, aber auch hinsichtlich der Stellung des Kindes in der Familie neue Wertent8728 scheidungen getroffen. So verpflichtet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Staat in Art. 6, die Familie zu schützen, ihre Einheit und Selbstverantwortlichkeit zu respektieren und zu fördern. Andererseits schließt das Grundgesetz aus, daß den Eltern Rechte an der Person des Kindes zustehen, die nicht pflichtgebunden sind oder die seine Menschenwürde verletzen. Die Rechte der Eltern finden demnach ihre Rechtfertigung nicht in einem Machtanspruch, sondern im Bedürfnis des Kindes nach Schutz und Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Oder - anders ausgedrückt -: Elternrecht erhält seine moralische Legitimation durch die Erfüllung der Elternpflichten. Diese Wertentscheidungen des Grundgesetzes gilt es nunmehr im Wege der Gesetzgebung zu entfalten. Zu diesem Zweck schlägt der Entwurf im wesentlichen folgende Regelungen vor: Zunächst soll der Begriff der elterlichen Gewalt durch den Begriff der elterlichen Sorge ersetzt werden. Das ist keine Begriffsspielerei, sondern eine Klarstellung, die den Kern der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind deutlicher hervortreten läßt und dadurch auch die Bewußtseinslage der Beteiligten im Sinne des Grundgesetzes und seiner Wertentscheidungen beeinflussen wird. Weiter will der Entwurf das Kindeswohl stärker als bisher zur Richtschnur vormundschaftsgerichtlicher Schutzmaßnahmen zugunsten des Kindes machen. Nach dem geltenden Recht sind vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen nur zulässig, wenn die Gefährdung des Kindes auf ein schuldhaftes Verhalten der Eltern zurückzuführen ist. Der Bundesrat hat schon vor längerer Zeit zutreffend darauf hingewiesen, daß es für die Situation des Kindes keinen Unterschied macht, ob die Gefährdung oder gar Schädigung schuldhaft oder ohne Verschulden verursacht worden ist. Dem wird durch die Neufassung des § 1666 BGB Rechnung getragen. Ferner setzt sich der Entwurf mit der Einsicht auseinander, daß die Mündigkeit junger Menschen kein plötzlich eintretendes Ereignis, sondern einen Reifeprozeß darstellt. Minderjährige wachsen nach der heute ganz überwiegenden Meinung allmählich in die Grundrechtsmündigkeit hinein. Das geltende Recht ignoriert diese Erkenntnis. Es beläßt einen jungen Menschen, der Dritten gegenüber schon lange delikts- und auch beschränkt geschäftsfähig ist, den Eltern gegenüber - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - bis zum Vorabend seines 19. Geburtstages im Zustand der vollen Unmündigkeit. Der Entwurf will diese Regelung durch eine Regelung differenzierter Teilhabe ersetzen. Manche plädieren dafür, zu diesem Zweck das im geltenden Recht bereits vereinzelt eingeführte System der an feste Altersgrenzen gebundenen sogenannten Teilmündigkeiten weiter auszubauen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang etwa an den sogenannten Taschengeldparagraphen, § 110 BGB, oder daran, daß ein Minderjähriger mit Vollendung des 14. Lebensjahres nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung religionsmündig wird, also über seine Religionszugehörigkeit selbst zu entscheiden hat. Weiter kann derjenige, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, gegen seinen persönlichen Willen nicht mehr für ehelich erklärt oder adoptiert werden. Für die Lösung bestimmter Einzelfragen liegt in diesen Regelungen sicher ein richtiger Ansatzpunkt. Können sich z. B die Eltern nach der Scheidung einer Ehe nicht einigen, wem von ihnen die elterliche Sorge für ein gemeinschaftliches Kind übertragen werden soll, so soll künftig dem Wunsch des Kindes dann ein besonderes Gewicht zukommen, wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat oder nach seinem Entwicklungsstand und seiner Einsichtsfähigkeit zu einer selbständigen Beurteilung fähig ist. Ähnlich verhält es sich mit dem in der Praxis doch sehr bedeutsamen Umgangsrecht des nicht personensorgeberechtigten Elternteils, also der geschiedenen Mutter oder des geschiedenen Vaters, mit dem gemeinsamen Kind. Die Eltern sind nach der Scheidung oft genug miteinander zerstritten. Nicht selten wirken sich die bestehenden Spannungen dann auch auf die Kinder aus. Ein Patentrezept für die Lösung der hier auftretenden Probleme gibt es sicher nicht. Daß sich ein Kind gegen den Umgang mit dem nicht personensorgeberechtigten Vater oder der Mutter wehrt, braucht auch noch nicht zwingend dafür zu sprechen, daß der Umgang mit diesem Vater oder dieser Mutter dem Wohl des Kindes abträglich ist. Ältere Kinder aber zwischen 14 und 18 gegen ihren Willen zum Umgang mit dem Vater oder der Mutter zu zwingen, hat allerdings keinen Sinn. Gegen den Willen eines solchen Kindes soll darum nach dem Entwurf künftig der Umgang dann nicht mehr angeordnet oder gar erzwungen werden können, wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat oder zu einer selbständigen Beurteilung dieser Situation fähig ist. So wichtig derartige Einzelregelungen sein mögen, dem Anspruch des jungen Menschen auf Teilhabe an allen ihn berührenden Angelegenheiten genügen sie nicht. Um dem gerecht zu werden, sollen die Eltern nach Auffassung der Bundesregierung künftig allgemein gehalten sein, bei Ausübung der elterlichen Sorge darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit das Kind bereits zu einer eigenen Beurteilung der betreffenden Angelegenheit in der Lage ist. Nach § 1626 Abs. 2 BGB in der Neufassung des Entwurfs soll dies insbesondere dazu führen, daß die Eltern beabsichtigte Maßnahmen mit dem Kind erörtern und, soweit das möglich ist, im Einvernehmen mit ihm treffen, ein Verfahren, das übrigens die weit überwiegende Anzahl aller vernünftigen Eltern schon heute praktiziert. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß dann, wenn eine Einigung zwischen Eltern und Kindern nicht zustande kommt, die Entscheidung künftig beim Vormundschaftsgericht liegen sollte. Die Familie ist und bleibt im Normalfall der richtige Ort zur Beilegung und auch zur Entscheidung von Familienstreitigkeiten. Die Bundesregierung ist deshalb den Vorschlägen nicht gefolgt, dem jungen Menschen ein gegen die Eltern gerichtetes Antragsrecht auf vormundschaftsgerichtliche Entscheidung einzuräumen. Eine solche Einschaltung des Vormundschaftsgerichts würde doch meist nur dazu führen, entstandene Konflikte zu vertiefen, statt diese Konflikte abzubauen. Eine ganz andere Frage ist es, ob einem jungen Menschen, der glaubt, sich mit vormundschaftsgerichtlichen Entscheidungen nicht abfinden zu können, der Rechtsschutz versagt werden kann. Hat er das 14. Lebensjahr vollendet und ist er nicht geschäftsunfähig, so kann er schon heute nach § 59 des Gesetzes über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters Beschwerde in allen seine Person betreffenden Angelegenheten einlegen. Dies gilt nach einer in der Rechtsprechung vordringenden Auffassung - ich verweise auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm - auch für den Fall, daß der Vormundschaftsrichter, an den sich der Jugendliche gewandt hat, untätig bleibt. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, diese vernünftige und ausgewogene Rechtslage zu ändern. Von erheblichem Gewicht ist dies vor allem für den sogenannten Berufswahlkonflikt. Die richtige Berufswahl - übrigens auch die Wahl des richtigen Bildungsweges - ist für einen jungen Menschen in aller Regel von schicksalshafter Bedeutung, da sie seinem Leben weit über die Minderjährigkeit hinaus eine bestimmte Wendung gibt. Maßnahmen der Eltern, die Ausbildung oder Beruf des Kindes betreffen, sollen darum seiner Begabung und Neigung entsprechen. Dieser künftig so formulierte gesetzliche Maßstab wird auch Richtschnur für vormundschaftsgerichtliche Entscheidungen nach § 1666 BGB sein, wenn es sich um Berufswahl oder Ausbildung handelt. Die Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, hält ihren Entwurf nicht für unabänderlich. Sie hat bereits eine Reihe von Anregungen des Bundesrates aufgenommen. Sie ist bereit, auch während der Ausschußberatungen an weiteren Verbesserungen und Veränderungen mitzuwirken. In diesem Sinne bitte ich um eine ebenso gründliche wie sachliche Beratung, die jedenfalls in dieser Legislaturperiode zum Abschluß gelangen sollte. ({0}) Der allseitige Verzicht auf ideologische Scharmützel, bei denen zugegebenermaßen mißdeutbare Formulierungen der Begründung als Platzpatronen benutzt werden, wird die Erreichung dieses Ziels sicherlich erleichtern. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Gesetzentwurf ist begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark ({0}).

Dr. Anton Stark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002217, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat durch ihre Anträge und ihre Stellungnahmen zur Reform des Rechts des nichtehelichen Kindes, zur Herabsetzung des Wahlalters und des Volljährigkeitsalters sowie zur Reform des Adoptionsrechts bewiesen, daß sie der Entwicklung des jungen Menschen in unserer Gesellschaft und in unserem Staat große Aufmerksamkeit widmet und deshalb auch der Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet größte Bedeutung zumißt. Deshalb nimmt die CDU/CSU-Fraktion auch mit Interesse von der Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Recht der elterlichen Sorge Kenntnis. Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich zu dem vorgelegten Entwurf wie folgt Stellung nehmen: Eine Bejahung des Grundanliegens der Bundesregierung und des von ihr vorgelegten Entwurfs würde uns, Herr Minister, wesentlich leichter fallen, wenn dieses Gesetz nicht in einem Maße, das kaum erträglich ist, soziologistischen und marxistischen Unsinn beinhaltete. Vor allem im Vorblatt und in der Begründung wird das Eltern-Kind-Verhältnis in einer Art und Weise dargestellt, die für die Eltern schlechthin beleidigend ist. Was sollen z. B. die vorwurfsvollen Feststellungen im Vorblatt und in der Begründung des Gesetzentwurfs, das „Kleinkind ebenso wie der Heranwachsende" - ich zitiere - sei „Objekt elterlicher Fremdbestimmung", oder das Kind dürfe nicht länger „als Objekt elterlicher Fremdbestimmung" angesehen werden, oder die Feststellung vom „Gewaltunterworfensein des Kindes" ? Hier haben die Verfasser des Gesetzentwurfes doch schlicht und einfach - und ich würde behaupten, geschmacklos - ins marxistische Vokabular gegriffen, ohne darüber nachzudenken, wie unpassend und wie unangebracht eine solche Charakterisierung des Eltern-Kind-Verhältnisses ist. ({0}) Erstens gehen die Verfasser offenbar davon aus, daß Erziehung am besten ohne Einflußnahme und Bestimmung von dritter Seite - sozusagen in freier Selbstbestimmung - vor sich gehen sollte, was einfach der Natur der Sache nach unmöglich ist und was, wie wir alle wissen, jeder pädagogischen Erfahrung widerspricht. Zweitens ist es völlig verfehlt - und, ich muß es noch einmal betonen, beleidigend für die Eltern -, das Eltern-Kind-Verhältnis als „Fremdbestimmung" zu bezeichnen. Wenn überhaupt dem Kind gegenüber jemand nicht fremd ist und deshalb auch keine Fremdbestimmung ausüben kann, so sind es, meine Damen und Herren, die Eltern der Kinder. ({1}) Von Fremdbestimmung im Eltern-Kind-Verhältnis kann man doch sinnvollerweise erst reden - wenn man schon diesen Begriff in diesem Zusammenhang glaubt gebrauchen zu müssen -, wenn andere Personen als die Eltern oder gar staatliche Instanzen die Entwicklung und das Schicksal des Kindes beeinflussen und bestimmen wollen. Ein Hauch des Geistes der Hessischen Rahmenrichtlinien durchzieht leider die Begründung und einzelne Vorschriften dieses Gesetzentwurfes. Herr Minister, Sie haben das selber offenbar gefühlt und bemerkt, und ich bin Ihnen deshalb dankbar, daß Sie schon von sich aus hier einige Klarstellungen gebracht haben. ({2}) Als Vater von vier Kindern - das kann ich Ihnen nicht ersparen - wurde mir erst beim Studium dieses Gesetzentwurfes klar, wie sehr man es bisher versäumt hat, seine Kinder „richtig" darüber aufzu8730 Dr. Starr ({3}) klären, daß die Eltern „gewaltbesessen", „herrschaftssüchtig" und ohne Bereitschaft sind, die „Konfliktbeladenheit" des Eltern-Kind-Verhältnisses zur Kenntnis zu nehmen. Soweit dieser Ungeist der Begründung des Gesetzenwurfes sich in gesetzlichen Vorschriften niederschlagen soll, wird dies auf den entschiedenen Widerstand meiner Fraktion treffen. Ausgangspunkt, Richtpunkt, Rahmen und Grenze bei einer Neuregelung des Rechts für das Eltern-Kind-Verhältnis muß nach unserer Auffassung der Art. 6 des Grundgesetzes sein, der klar bestimmt, daß Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht sind. Dem Staat kommt lediglich ein Wächteramt über die Betätigung dieses Rechts und dieser Pflicht der Eltern zu. Diese Bestimmung unseres Grundgesetzes wurde durch mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bestätigt und klar konkretisiert. So hat das Bundesverfassungsgericht in einer grundlegenden Entscheidung zur Regelung des Elternrechts am 29. Juli 1968 im Rahmen der verfassungsmäßigen Überprüfung einer familienrechtlichen Bestimmung festgestellt - wenn ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitierten darf -: Generalnorm ist Art. 6 Abs. 1 GG. Er statuiert ein umfassendes, an die Adresse des Staates gerichtetes Schutzgebot, das weder durch einen Gesetzesvorbehalt noch auf andere Weise beschränkt ist. Die dreifache verfassungsrechtliche Bedeutung dieser Vorschrift ist bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Sie enthält sowohl eine Institutsgarantie wie ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht. In allen diesen Beziehungen ist die Familie als ein geschlossener, eigenständiger Lebensbereich zu verstehen. Die Verfassung verpflichtet den Staat, diese Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren und zu fördern. So weit die klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Soweit sich die Reform des Kindschaftsrechts in diesem Rahmen hält, werden wir diese Reform unterstützen. Alles, was bei der Neuregelung über die verfassungsrechtliche Grundlage hinausgeht, werden wir ebenso entschieden ablehnen. Dies nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen, meine Damen und Herren, sondern weil wir der Auffassung sind, daß die Pflege und Erziehung der Kinder im Normalfall nirgendwo anders besser aufgehoben ist als bei den Eltern und in der Familie. Dies gilt auch in einer Zeit, in der die Ehe und Familie vielen Gefährdungen, Belastungen und Anfechtungen ausgesetzt ist und von manchen progressiven Soziologen und Systemveränderern bereits totgesagt wird. Kein Vormundschaftsgericht, kein Jugendamt und kein Heim kann im Regelfall die Erziehungsfunktion und die Entwicklungsbedingungen für ein Kind besser erfüllen und gewährleisten als die intakte Familie. Ausgehend von diesen mehr grundsätzlichen Feststellungen möchte ich noch kurz zu einigen Bestimmungen des Gesetzentwurfs Stellung nehmen, ohne der Einzelberatung - vor allem aus Mangel an Zeit - allzusehr vorzugreifen. Wir halten es für vernünftig und angebracht, den Begriff „elterliche Gewalt" durch die Bezeichnung „elterliche Sorge" zu ersetzen. Der Begriff „elterliche Gewalt" stammt aus dem römischen Recht und trifft nicht mehr das, was nach dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem Art. 6 des Grundgesetzes als Elternrecht gemeint und gewollt ist. Im übrigen werden die elterlichen Erziehungsrechte bei dem Großteil der Eltern heute schon, wie auch der Minister erfreulicherweise inzwischen erkannt hat, nicht mehr als Herrschaftsverhältnis der Eltern über ihre Kinder aufgefaßt, sondern als pflichtgebundene Rechte, welche zum Wohle der Kinder ausgeübt werden müssen. Den Verfassern des Gesetzentwurfs scheint dies allerdings weitgehend unbekannt geblieben zu sein. Unnötig und falsch scheint mir dagegen bei den Grundbestimmungen der elterlichen Sorge die Umstellung der Wortfolge „Pflicht und Recht der Eltern". Logisch und verfassungsgemäß ist es, hier bei der Terminologie des Grundgesetzes „Recht und Pflicht" zu bleiben, weil das wohlverstandene Elternrecht die Grundlage der Pflicht zur Erziehung der Kinder ist, wie dies das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen ebenfalls klar zum Ausdruck gebracht hat. Soweit der Gesetzentwurf der Bundesregierung durch solche Wortumstellungen und deren Begründungen den Anspruch erhebt, ein neues Leitbild für das elterliche Erziehungs- und Sorgerecht zu postulieren, muß dem entschieden widersprochen werden, da dies weder erforderlich noch Aufgabe des Staates ist. Hier besteht die Gefahr, daß der Staat den ihm von der Verfassung gesetzten Rahmen überschreitet und bereits Systemveränderung betreiben will. Soweit der Gesetzentwurf programmatisch fordert, dem heranwachsenden Kind entsprechend seiner körperlichen und geistigen Reife mit fortschreitendem Alter zunehmend Mitsprache- und Mitwirkungsrechte einzuräumen und im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zu praktizieren, findet dies unsere volle Zustimmung, weil diese Art des Eltern-Kind-Verhältnisses in normalen und intakten Familien heute schon weitgehend besteht und sowohl im Interesse der Eltern als auch der Kinder liegt. Überlegenswert wäre in diesem Zusammenhang allerdings, ob nicht auch gewisse Pflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern programmatisch festgehalten werden sollten, denn schließlich hängt ein gedeihliches Eltern-Kind-Verhältnis, wie wir alle, soweit wir Väter und Mütter sind, wissen, nicht allein von dem Verhalten der Eltern ab. Für problematisch halten wir dagegen die Vorschrift des neuen § 1626 a. Nach dieser Vorschrift soll ein Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, auch ohne und gegen den Willen der Eltern über eine Heilbehandlung allein entscheiden könDr. Stark ({4}) nen, wenn es fähig ist, Grund und Bedeutung der Heilbehandlung einzusehen und seinen Willen danach zu bestimmen. Ob diese Vorschrift im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegt, bedarf unseres Erachtens eingehender Überprüfung unter Hinzuziehung des Rates der Eltern und vor allem der Ärzte. Den Kernpunkt des Gesetzentwurfs bilden aber die Vorschriften, welche die Erweiterung bestehender und die Neuschaffung weiterer Eingriffsmöglichkeiten des Staates in das Erziehungsrecht der Eltern beinhalten. Es sind dies im wesentlichen die §§ 1628, 1631 a und 1666. Diesen Vorschriften sollten wir deshalb bei der Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung unsere besondere Beachtung schenken. Soweit in § 1628 festgelegt werden soll, daß bei einer Nichteinigung der Eltern über eine Frage des Sorgerechts, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, das Vormundschaftsgericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung diesem Elternteil allein übertragen kann, sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, bestehen gegen eine solche Regelung erhebliche Bedenken. Durch ein solches Verfahren ist in den meisten Fällen der Bestand der Ehe gefährdet, und das Familienleben wird erheblich gestört. Daß dies dann nicht dem Wohl des Kindes dient, dürfte außer Zweifel stehen. Auf jeden Fall dürfte eine solche Regelung - wenn überhaupt - nur die ultima ratio sein und erst ergriffen werden, nachdem alle pädagogischen und psychologischen Hilfen durch Dritte - durch das Jugendamt oder eine freiwillige Familienberatungsstelle - ohne Erfolg in Anspruch genommen worden sind. Keine Einwendungen sind gegen die Bestimmung zu erheben, wonach die Unterbringung eines Kindes in einer Heil- oder Pflegeanstalt der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unterstellt wird. Diese Maßnahme ist ein so schwerwiegender Eingriff in das Leben und die Freiheitsrechte des Kindes, daß hier die Geltendmachung des staatlichen Wächterauftrags berechtigt ist. Kernpunkt des neuen Rechts ist aber ganz sicher der vorgesehene § 1666 des Entwurfs. Nach dieser Vorschrift soll das Vormundschaftsgericht in Zukunft in das Kind-Eltern-Verhältnis mit Maßnahmen und Regelungen eingreifen können, wenn das persönliche Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern des Kindes nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, die Gefahr abzuwenden. Neu ist in diesem Zusammenhang, daß die Eingriffsrechte des Vormundschaftsgerichts in Zukunft bei Gefahr für das Wohl des Kindes auch ohne Verschulden der Eltern möglich sein sollen, also bei rein objektiver Gefährdung des Wohles des Kindes. Meine Fraktion und auch ich persönlich halten eine solche Vorschrift dem Grundsatz nach zur Wahrung des Kindeswohls in bestimmten Notfällen für erforderlich. Allerdings muß in diesem Zusammenhang ganz klargestellt werden, daß ein solcher Eingriff des Staates in das Erziehungsrecht der Eltern nur bei objektiv nachweisbarer, ernsthafter und erheblicher Gefahr für das Wohl des Kindes und seine Entwicklung möglich sein darf. Auch zu diesem Punkt hat das Bundesverfassungsgericht in der eingangs zitierten Entscheidung dem Staat klare Grenzen gesetzt, indem es feststellt: In diesem Sinne bildet das Wohl des Kindes den Richtpunkt für den Auftrag des Staates gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 GG. Dies bedeutet nicht, daß jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit den Staat berechtigt, die Eltern von der Pflege und Erziehung der Kinder auszuschalten oder gar selbst diese Aufgaben zu übernehmen. Vielmehr muß er stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern Rechnung tragen. Für die Fassung des § 1666 eine klare, rechtlich genau umgrenzte und justitiable Regelung zu finden, die das Wohl des Kindes und sein Recht auf eine gedeihliche Entwicklung in ein ausgewogenes Verhältnis zu dem Recht der Eltern und ihrem Erziehungsprivileg bringt, scheint mir die wichtigste und entscheidende Aufgabe der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs zu sein. Auf keinen Fall darf diese Bestimmung die „Einstiegsschleuse" für eine Aushöhlung des verfassungsgemäß garantierten Elternrechts und für den Beginn eines staatlichen Hineinregierens und Hineinreglementierens in den Kernbereich der Familie werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß sagen, daß wir uns von seiten meiner Fraktion mit den hier zum Ausdruck gebrachten grundsätzlichen Einstellungen und auch Bedenken an der Beratung dieses Gesetzentwurfs aktiv beteiligen werden. Ob wir dem Gesetzentwurf am Schluß, nach der Beratung in den Ausschüssen, werden zustimmen können, hängt davon ab, wie er dann aussieht. Entscheidende Verbesserungen für das Wohl der Familien und der Kinder wird dieses Gesetz allein wohl kaum bringen. Für viel wesentlicher halten wir eine Stärkung der Familie und ihrer Entwicklungschancen ganz allgemein, d. h. eine bessere Familienpolitik, die Schaffung einer kinderfreundlicheren Umwelt, den Ausbau der Elternberatung und der elterlichen Unterstützungshilfen bei der Durchführung der heute nicht einfachen elterlichen Aufgabe, den Kindern eine Pflege und eine Erziehung angedeihen zu lassen, die die Kinder befähigt, verantwortliche, tüchtige und freie Menschen unserer Gesellschaft zu werden. Alles, was dazu dient, meine Damen und Herren, wird die volle Unterstützung meiner Fraktion bekommen. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vorgelegte Gesetzentwurf steht in engem Zusammenhang mit den umfassenden Bemühungen der Regierungskoalition, das Familienrecht des BGB insgesamt zu reformieren. Der vorliegende Gesetzentwurf handelt von Familie, nicht von Ehe. Er regelt die Beziehung von Eltern und Kindern, die Pflichten und Rechte der Eltern und die Rechte der Kinder. Er regelt aber auch die staatliche Vorsorge für den Fall, wo dies zum Wohl und zum Schutz von Kindern notwendig ist. Insofern liegt mir daran, festzustellen, daß zwischen den Parteien insoweit Konsensus besteht - also auch mit Ihnen von der Opposition -, daß wir der patriarchalischen Familie als Leitbild den Rücken zugekehrt haben und Ehe wie Familie durch ein partnerschaftliches Verständnis gekennzeichnet ist. Wir können von der Gleichberechtigung von Ehepartnern ausgehen. Dabei setze ich voraus, daß es für die Familie - ich fasse diesen Begriff einmal institutionell - bestimmte allgemeine Normen gibt, die entsprechend der Pluralität unserer Gesellschaft inhaltlich jeweils unterschiedlich ausgefüllt werden. Nun hat mein Vorredner, Herr Kollege Stark, soeben einige massive Vorwürfe gegen die Regierung und insbesondere gegen die SPD erhoben. Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß ich das, soweit es sich da um die Einführungspolemik gehandelt hat, etwas platt fand und enttäuscht war, weil das unter Ihrem Niveau gelegen hat. ({0}) Herr Kollege Stark, soweit es sich auf die Auseinandersetzung mit einer mißglückten Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs bezieht, in der es heißt, daß das Kind nicht Objekt der elterlichen Fremdbestimmung sein kann, würde ich das etwas auf den Teppich zurückbringen. Es handelt sich hier um eine schlechte Formulierung. Ich möchte mich von dieser Formulierung für die SPD-Fraktion distanzieren. Gemeint ist, Herr Kollege Stark - ich glaube, da können wir Konsensus herstellen -, daß das Kind nicht mehr als Rechtsobjekt gesehen, sondern nunmehr als Rechtssubjekt in das BGB eingeführt wird. Insoweit besteht wohl Übereinstimmung. ({1}) - Bleiben Sie doch einmal bei der Sache! Nun ist es ein Irrtum und eigentlich auch nur mit einem mehr schülerhaften Verständnis von Soziologie zu umschreiben, wenn man immer von der Soziologisierung oder von dem marxistischen Vokabular spricht. Sie werden mir persönlich abnehmen, daß dies ein Irrtum ist. Ein guter Soziologe würde sich solche Formulierungen nicht zu eigen machen. ({2}) Ich würde aber zweitens feststellen, daß der Regierungsentwurf insgesamt eine solche Polemik, die an einer Formulierung aufgehängt wird, nicht rechtfertigt, es sei denn, Herr Kollege Stark, Sie und Ihre Fraktion wollen dies zum Vorwand nehmen, in der Sache nicht Neues anzumelden, d. h. bei den alten Formulierungen zu bleiben. ({3}) - Ja nun, mir liegt doch nichts an Polemik; ich muß mich damit auseinandersetzen. ({4}) Ich muß Sie dabei auf den Familienpolitischen Kongreß der CDU in Münster verweisen, der längst weitergegangen ist als Sie. Dort wurde auch von der Notwendigkeit des Umdenkens gesprochen. Ich beziehe das auf Sie. Es heißt dort, daß die überkommenen Anschauungen von Ehe und Familie an Verbindlichkeit verloren haben. Und es heißt dort weiter - und ich begrüße das ausdrücklich, weil ich auf dieser Basis Konsensus mit Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU herstellen kann -, daß hier zum erstenmal das Recht des Kindes auf Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 GG und das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. So heißt es in der These 6 des 2. Papiers auf dem Familienpolitischen Kongreß der CDU in Münster. Ich würde also bitten, davon auszugehen, daß wir auf dieser Basis: Kindesrechte/Elternrechte gemeinsam in neue Überlegungen einsteigen. Ich möchte aber den zweiten Vorwurf wenigstens auch noch erwähnen; dort, wo von der individualistischen Privatisierung der Ehe und Familie und davon gesprochen wird, daß der Gesetzentwurf zur elterlichen Sorge einen gewissen Trend zur Sozialisierung beinhalte. Soweit der Koalition der prinzipielle Vorwurf gemacht worden ist, daß wir einer individualistischen Privatisierung der Familie als Institution Vorschub leisten, möchte ich mit aller Deutlichkeit feststellen: Eine solche Unterstellung ignoriert den komplexen sozialen Wandel, dem Familie als Institution von der agrarischen zur hochindustrialisierten Gesellschaft unterworfen ist. Er nimmt auch nicht Kenntnis von den veränderten sozialen Strukturbedingungen, denen Ehe wie Familie ausgesetzt worden sind. Die Reform der elterlichen Gewalt ist längst überfällig. Sie wurde notwendig in jenem normativen Bereich des BGB, der das Verhalten und die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander in ihrem Binnenverhältnis regelt, also in dem Familienbereich, der auf Grund individueller und weltanschaulicher Wertvorstellungen ausgefüllt wird und der in seinem Außenverhältnis gegen Eingriffe des Staates geschützt werden muß. Zweitens wurde sie notwendig im Hinblick auf das Verfahren, das die Konflikte beim Auseinanderbrechen einer Familie zwischen Eltern und Kindern regelt, also bei Getrenntleben oder Scheidung der Eltern. Drittens handelt es sich darum, die rechtlichen Voraussetzungen des geltenden § 1666 BGB neu zu fassen, unter denen ein staatlicher Eingriff gerechtfertigt ist, wenn dies zum Schutze des Kindes notwendig wird. Viertens schließlich ist die Reform im Hinblick auf die Rechte des Kindes nicht nur notwendig, sondern längst überfällig. Meines Erachtens hat die Bundesregierung zu Recht darauf hingewiesen, daß das Kind als Grundrechtsträger auch grundrechtsfähig ist. Wir sollten uns also alle davor hüten, unter dem imaginären Banner des Elternrechts den Jugendlichen die Grundrechtsfähigkeit zu versagen. In den Beratungen wird der Gesetzentwurf mithin auch daran zu messen sein, mit welchen Regelungen und Verfahren der Kindeswille bei zunehmender Grundrechtsmündigkeit berücksichtigt worden ist. Im geltenden Recht ist den Eltern weithin eine umfassende elterliche Gewalt über das Kind und dem Jugendlichen eingeräumt. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß das Eltern-Kind-Verhältnis des Bürgerlichen Gesetzbuches als eine Art Herrschaftsverhältnis gekennzeichnet werden kann. Zunehmend versteht sich Familie heute aber in ihrem Binnenverhältnis auch als ein partnerschaftliches Bündnis zwischen Eltern und Kindern. Die Begriffsänderung von der elterlichen Gewalt zur elterlichen Sorge macht insoweit das Ziel deutlich. Erstmals werden die Pflichten stärker im Hinblick auf das Recht des Kindes auf Erziehung konkretisiert. Nun ist es gewiß richtig - und ich unterstreiche das -, daß im besten Fall das Elternrecht und das Kindesrecht identisch sind; denn sie vereinigen sich ja in dem Ziel, den jungen Menschen zur Selbstbestimmung, zur Selbstkontrolle und auch zu eigenverantwortlichem Verhalten zu erziehen. Meine Fraktion begrüßt es dabei ausdrücklich, daß künftig nur noch von den Pflichten und Rechten von Vater und Mutter gesprochen wird, die sie für das minderjährige Kind haben; denn uns ist dabei doch allen klar, daß nicht alle Eltern ihre Haltung gegenüber den Kindern an dem berühmten kategorischen Imperativ orientieren. So wissen wir, daß der Gebrauch von Prügel und von Ohrfeigen und anderen Handgreiflichkeiten zwar öffentlich nicht mehr gebilligt wird, aber in Schulen und in Elternhäusern durchaus noch exerziert wird. Auch die Berufswahl wird oft gegen den Wunsch der Kinder durchgesetzt. Künftig haben die Eltern auf die Einsichtsfähigkeit des Kindes bei der Ausübung der elterlichen Sorge Rücksicht zu nehmen. Sie sollen mit dem Kind Maßnahmen erörtern und nach Möglichkeit einvernehmlich treffen, auch Maßnahmen, die die Ausbildung oder den Beruf des Kindes betreffen. Mit anderen Worten, Fragen der Erziehung, Ausbildung und Berufswahl sollen zwischen Eltern und Jugendlichen einverständlich geregelt werden. Verschiedentlich ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag gemacht worden, ein Erziehungsziel zu formulieren, an das die Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge gebunden sind. Die Bundesregierung hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Sie hat angeführt, daß ein solcher Versuch an Mangel an Präzision leiden müßte und schon deshalb zur Leerformel werden müßte, weil in den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft unterschiedliche Wertvorstellungen und Erziehungsmodelle bestehen. Allerdings, meine ich, sollte es über die Bindung der elterlichen Sorge an die Pflicht, das Kind zu eigenverantwortlichem Verhalten und zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu erziehen, überhaupt keinen Streit geben können. Vielleicht wird es auch möglich sein, diesen Punkt bei den Beratungen etwas klarer zu formulieren. In der Begründung der Bundesregierung heißt es zusätzlich, daß die einvernehmliche Erörterung von Erziehungsmaßnahmen den Rang eines Leitbildes habe. Ich meine, dieser Hinweis ist wichtig. Denn das Erziehungsbild, das dem Gesetzentwurf zugrunde liegt, entspricht genau dem Typ liberaler Erziehung, die heute in der Mittelklasse praktiziert wird und die mittlerweile auch in andere soziale Schichten eindringt, den Erziehungsmethoden, die zu mehr Selbständigkeit, Freiheit, individueller Leistungsbereitschaft und zur Verinnerlichung von Verhaltensweisen ermuntern und damit auch dem jungen Menschen einen größeren Freiheitsraum ermöglichen sollen. Wir wissen freilich auch, daß es - ich muß jetzt, auch wenn Sie es nicht mögen, Herr Stark, etwas soziologisch werden; aber in der Wissenschaft gibt es darüber keinen Streit - analog zu den noch weithin bestehenden traditionellen Schichtkategorien in der Arbeiterschicht und in der Mittelschicht unterschiedliche Erziehungsmethoden gibt. So wissen wir, daß etwa Kinder der Mittelschicht vielfach anders erzogen werden als Kinder aus den unteren, sozial benachteiligten Schichten. Diese werden mehr auf Folgsamkeit und Gehorsam mit Verboten und Parolen erzogen. Das heißt, die erzieherischen Maßnahmen werden den Kindern weniger begründet, sondern es wird ein Verhalten gesetzt, das sie hinnehmen müssen. Insofern ist es mir wichtig, daß die Bundesregierung eine einvernehmliche Regelung von erzieherischen Maßnahmen als Leitbild vorgeschlagen hat. Denn damit wird zugleich auch eine Grenze errichtet, von der sich Ausnahmefälle interpretieren und Sanktionen ableiten lassen, die die elterliche Sorge betreffen. Damit entspricht der Regierungsentwurf dem Wandel in den Erziehungsmethoden, die heute insgesamt mehr auf Selbständigkeit und Mitbestimmung des Jugendlichen gerichtet sind. Zweitens. Mit der Reform des Ehescheidungsrechts und des Scheidungsfolgenrechts und mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips an Stelle des Schuldprinzips wird künftig die Verteilung der elterlichen Sorge bei Scheidung der Eltern unabhängig von der Schuldfrage festzulegen sein. Hier überschneidet sich die Reform des Ehe- und Familienrechts mit der Reform der elterlichen Sorge. Künftig trifft das Vormundschaftsgericht allein eine Regelung, die dem Wohl jedes einzelnen Kindes am besten entspricht. Ich kann mich hier kurz fassen nach den sehr sorgfältigen Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers. Es sei aber doch erwähnt, daß unter geltendem Recht der Vorschlag der Eltern, der ja auch künftig vorgesehen ist, bei Konventionalscheidungen oftmals nicht am Wohle des Kindes orientiert war und daß sehr oft sogar ein solcher Vorschlag unter Druck zustande kam oder über Parteienvereinbarungen ganz andere Zwecke im Scheidungsverfahren verfolgt wurden. Ich meine daher, daß der Frage, wer im Scheidungsfall die Rolle eines Anwalts des Kindes übernimmt, eine zentrale Bedeutung zukommt. Der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes hat einmal sehr zu Recht darauf hingewiesen, daß die Gerichte noch immer mehr nach den vermeintlichen Rechten eines Elternteils als nach dem Wohl des Kindes entscheiden. Das kann man sicherlich nicht verallgemeinern, aber es ist doch richtig, daß heute unter geltendem Recht Kinder per Gerichtsvollzieher abgeholt werden können, ohne überhaupt dabei gehört zu werden. Oder daß das sogenannte Verkehrsrecht notfalls auch über Polizisten erzwingbar ist. Wir werden also in den Beratungen - das hoffen wir - diese Regelungen sehr genau überprüfen unter dem Gesichtspunkt, was dem Kindeswohl am besten entspricht, was also dem künftigen Leben des Kindes in einer Halbfamilie angemessen ist. Drittens. Ich komme damit zu meinem dritten Punkt, den neuen Schutzbestimmungen des § 1666, wonach in Zukunft schon bei objektiver Gefährdung des Kindeswohls das Vormundschaftsgericht von Amts wegen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann. Die Voraussetzung - das wurde bereits ausgeführt - für einen staatlichen Eingriff ist ja nach geltendem Recht ein schuldhaftes Verhalten der Eltern. Dieses wird jetzt objektiviert. Nun sind aus der Praxis des Jugend- und Sozialamtes immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen das Wohl des Kindes eindeutig verletzt wurde, im strengen Sinne ein Schuldvorwurf gegen die Eltern aber nicht erhoben oder nachgewiesen werden konnte. Dieses wird sich also künftig ändern. Dabei soll das Vormundschaftsgericht von Amts wegen tätig werden, entscheiden, sich dabei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel halten und die erforderlichen Maßnahmen treffen. Es muß noch ergänzt werden, daß sich die Bundesregierung in ihrem Entwurf dem aus der Praxis gemachten Vorschlag nicht angeschlossen hat, die Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB auf Antrag vorzusehen und auch dem Kind ein eigenes Antragsrecht einzuräumen. Die Neuregelung ist, soweit ich sehe, von den in der Sache interessierten sozialen Organisationen und Einrichtungen, aber auch in einigen neueren Urteilen in der Rechtsprechung tendenziell positiv aufgenommen worden. Dieses positive Echo muß ich allerdings in der Weise einschränken, daß Kardinal Höffner und einige Kollegen von der Opposition den Vorwurf der Sozialisierung oder der Einmischung des Staates in die Familie artikuliert haben. Ich nehme diese Bedenken sehr ernst und meine, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Denn es ist natürlich richtig, daß durch den Wegfall des Verschuldensprinzips künftig auch bei subjektiv bemühtem, aber objektiv falschem Willen der Eltern Eingriffsmöglichkeiten durch das Vormundschaftsgericht gegeben sind. Danach tritt an die Stelle des falschen elterlichen Ermessens das richterliche Ermessen. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, daß zum Elternrecht wesentlich auch dessen Schranken gehören. Diese elterlichen Schranken sind im neuen § 1666 behandelt. Wir sind uns doch darin einig, daß es nicht darum geht, die Eltern unter eine ständige Kontrolle, Bevormundung und Aufsicht des Staates zu stellen. Wir sind uns doch einig darin, das Elternrecht in seiner nach innen gerichteten Autonomie im Sinne einer liberalen Gesellschaft gegenüber dem Staat, also in seinem Außenverhältnis, nicht zu beschädigen. ({5}) Aber dies für sich allein genommen ist doch nur eine einseitige Lagebeurteilung. Für meine Fraktion möchte ich daher erklären: Wenn der Schutz des Kindes verletzt wird und seine Grundrechte leerlaufen, tritt das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 zurück. Wer will hier eigentlich bestreiten, daß der junge Mensch nicht nur nach außen, sondern auch nach innen zu schützen ist? Wer will bestreiten, daß unter dem Mantel des Elternrechts das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, an dem ja auch das Kind und der Jugendliche teilhaben, konkret in schrecklichen und leidvollen Einzelschicksalen verletzt wird? Die natürliche elterliche Autorität, auf die man sich so gern in der Öffentlichkeit beruft, ist vielfach doch nur ein prinzipieller Vorwand dafür, den Status quo zu bewahren. ({6}) Diese Haltung teilen wir nicht. Ich kann nur hoffen, Herr Kollege Stark, daß sich die Opposition solche Auffassungen nicht zu eigen macht. Darum müßte es eigentlich Einigkeit in folgenden Punkten geben: daß Eltern ihre Kinder nicht aus Eigensucht besitzen; daß sie nicht Herrschaft ausüben und auch nicht erzwingen können; daß also das Kind als eigene Persönlichkeit - und darauf kommt es doch an - mit zunehmender Grundrechtsmündigkeit seine Grundrechte selber tragen kann; daß der Jugendliche zwar rechtlich gesehen - minderjährig, aber doch nicht minderwertig ist. Ich meine, eine solche Betrachtungsweise würde es uns allen in diesem Hause ermöglichen, die widerstreitenden Interessenlagen von Elternrecht und Kindesrecht im § 1666 anders zu beurteilen. Viertens. Ich komme damit zu meinem vierten und abschließenden Punkt, daß nämlich die Reform der elterlichen Sorge im Hinblick auf die Rechte des Kindes längst überfällig ist. Hier stellt sich zentral die Frage, welchen systematischen Stellenwert die von der Bundesregierung vorgeschlagene Neuformulierung des § 1666 für die Kindesrechte hat. Nach geltendem Recht hat der Minderjährige nur in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit, in persönlichen Angelegenheiten das Vormundschaftsgericht anzurufen. Allerdings hat ein Kind, das das 14. Lebensjahr erreicht hat, ein Beschwerderecht in Vormundschaftssachen. Nun soll sich nach dem Regierungsentwurf an dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich ja gar nichts ändern, mit Ausnahme eines Vetorechts des Kindes bei den Heileingriffen. Ich will aus der Begründung der Bundesregierung hier aus Zeitgründen nicht zitieren. Aber im Konfliktfall zwischen Eltern und Kindern kommt doch dem neu vorgeschlagenen § 1666 die Bedeutung einer Generalklausel zu. Nun ist aus der Praxis der Jugendarbeit - und auch von den Jugendverbänden, dem Deutschen Bundesjugendring und auch von der evangelischen, der katholischen und der Gewerkschaftsjugend, von allen Verbänden, auch von einzelnen Wissenschaftlern - das Antragsrecht des Kindes beim Vormundschaftsgericht verlangt worden. Hierfür gibt es detaillierte Vorschläge, unter anderem auch den Hinweis, daß das preußische Allgemeine Landrecht ganz fest umrissene Sperr-Rechte des Minderjährigen gegen eine von Eltern beschlossene Berufsausbildung kannte. Dagegen hat die Bundesregierung darauf abgehoben, daß das Vormundschaftsgericht von Amts wegen entscheidet und Maßnahmen nach § 1666 ergreifen kann. Es ist richtig, daß die persönliche Anhörung des Kindes im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren gesetzlich garantiert und in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auch auf Dritte erweitert wurde. Ab Vollendung des 14. Lebensjahres hat das Kind ein selbständiges Beschwerderecht im Verfahren. Das Besuchs- und Umgangsrecht soll nach § 1634 künftig auch nicht mehr gegen den Willen des Kindes, das das 14. Lebensjahr erreicht hat, erzwungen werden können. Dies alles ist richtig. Aber es ist ebenso richtig, daß der Richter frei ist zu entscheiden, ob er den Jugendlichen wirklich anhört und dann auch effektiv tätig wird. Das liegt ganz in seinem Ermessen. Er kann auch den gesamten Vorgang zu den Akten legen. Der Richter hat demnach heute formell und damit auch in der Sache im Verfahren eine viel größere Befugnis, als nach außen hin deutlich und sichtbar wird. Ich frage mich also, ob man durch Gewährung eines formellen Antragsrechts bei der Berufswahlfindung, die man etwa auf die Beendigung der Schulpflicht terminieren könnte, Richtermacht objektivieren kann und hierbei stärker, als es bisher der Fall war, an Kindesrechte bei zunehmender Grundrechtsfähigkeit anknüpfen könnte. Dies ist eine Frage, die ich in den Beratungen stellen werde. Ich habe klargemacht, daß dies nicht die Auffassung der Bundesregierung ist. Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf die Einzelregelungen einzugehen. Mir geht es hierbei in erster Linie um den selbstbestimmungsfähigen Jugendlichen, der von einer bestimmten Altersgrenze an bei der Entscheidung über seine Berufswahl und seine Berufsausbildung in Gegensatz zu den Berufswünschen der Eltern treten kann. Mir geht es darum, daß man nicht 15jährige junge Mädchen als Ungelernte in die Fabrik schickt, damit sie unter dem Motto: sie heiraten doch, möglichst schnell Geld verdienen, obwohl sie viel lieber einen ordentlichen Beruf erlernen würden, ein Konfliktfall, der heute in der Praxis sehr häufig auftritt. Nun wäre es sicherlich falsch, diese Problematik auf den Aha-Effekt zu verengen: Also mehr Staat. Ich stelle die Frage anders. Ich stelle nämlich die Frage nach der Qualität des Richters. Ich meine, es ist eine qualitative Frage, die wir dann auch bei den Beratungen beantworten müssen. Wenn es sich darum handelt - ich komme jetzt zum Schluß, Herr Präsident; ich gebe mir Mühe, mich zu beeilen -, dem Richter in solchen Fragen die Rolle sozusagen eines Übervaters zuzuweisen, dann ist das nicht unproblematisch. Das sollten wir sehen. Andererseits muß ich aber auch darauf hinweisen, daß gerade jener immer wiederkehrende Einwand, der Innenraum der Familie dürfe nicht verrechtlicht werden, keine praktischen Lösungen für den ElternKind-Konflikt geliefert hat. Dieses Pauschalurteil ist also auch nicht hilfreich. Deswegen, meine ich, müßte hier ein anderer rechtlicher Anknüpfungspunkt gefunden werden. Damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen. Bei aller Vielfalt der Auffassungen von Erziehung besteht Einigkeit darüber, daß ihr Ziel die Selbständigkeit des jungen Menschen ist. Gerade wenn wir anerkennen, daß die Familie von Übereinstimmung und vom Miteinander lebt, und wenn man davon ausgeht, daß die Normierung von familiären Binnenkonflikten durchaus prekär und problematisch ist, muß es möglich sein, Regelungen zu finden, die den Schutz des Kindes und sein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sichern. Insoweit begrüßt meine Fraktion es ausdrücklich, daß wir die Beratung des Entwurfs zur elterlichen Sorge aufnehmen und damit auch diesen wichtigen Teilaspekt der Gesamtreform des Familienrechts in Angriff genommen haben. ({7}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versichere Ihnen, daß ich mich kurz fassen werde. ({0}) Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt einen Auftrag des Bundesrates, der bei der Verabschiedung des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder für einige Vorschriften des BGB gefordert wurde. Allerdings geht der Entwurf über diesen Auftrag hinaus und bringt eine Neufassung des Kindschaftsrechts. Dem Wandel in der Sprachregelung - „elterliche Sorge" statt „elterliche Gewalt" - kann zugestimmt werden, wenn hierin zum Ausdruck kommen soll, daß die Eltern eine Aufgabe zu erfüllen haben. Kollege Stark hat den Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes herausgestellt - ein Grundrecht, das die Eltern zur Aufgabe am und für das Kind verpflichtet. Danach sind die Erzie8736 hungsrechte von anderen Gruppen der Gesellschaft und des Staates diesem Grundrecht nachzuordnen. ({1}) Ich meine, an dieser Stelle sollte einmal grundsätzlich etwas über das Verhalten in der normalen Familie und über das Verhältnis von Eltern und Kindern gesagt werden. Die Eltern sind von Natur aus bestrebt, ihren Kindern in ihrem, der Eltern, Sinn das Beste mitzugeben. In der Regel meinen die Eltern doch, daß ihre Kinder es besser haben sollten, als die Eltern es einmal hatten. Das Handeln der Mehrzahl der Elternschaft wird bestimmt von Güte, Geborgenheit und Hilfe in allen Lebenslagen für ihr Kind. Dies alles vermitteln die Eltern auch heute noch. Dem, der etwas anderes behauptet, ist zu sagen, daß dies in aller Regel nicht richtig ist. Die meisten Eltern - auch in Arbeiterfamilien - freuen sich an ihren Kindern, sie lieben ihre Kinder und sie verwenden viel Zeit auf die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder. ({2}) Den guten Willen der meisten Eltern in Frage zu stellen, ist töricht. Das, was den Eltern heute oft fehlt, ist das Wissen, wie sie ihre elterlichen Erziehungsfunktionen ausfüllen können. Die Familien sollten in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zur Erziehung möglichst umfassend leisten zu können. ({3}) Das, was Eltern ihren Kindern zu geben in der Lage und bereit sind, kann keine andere gesellschaftliche Gruppe, insonderheit kein Staat, ersetzen. ({4}) Dies schließt nicht aus, meine Damen und Herren, daß Eltern sich irren, daß sie Fehlentscheidungen treffen. Aber ihre Einsichten in das Wesen ihres Kindes, in seine Neigungen und in seine Möglichkeiten sind in der Regel größer, als wenn dies eine anonyme Bürokratie im Auftrage des Staates macht. ({5}) Sicher wird es Fälle geben, in denen der Rat, eine Berufsausbildung in dieser oder jener Fachrichtung einzuschlagen, nicht immer richtig ist. Aber: Die Eltern sind näher am Kind, sie sehen schnell, wenn eine Entwicklung falsch eingeleitet wird, und sie sind in aller Regel bereit, kurzfristig zu korrigieren und dabei Opfer - nicht nur finanzielle - auf sich zu nehmen. ({6}) Wann und wo elterliche Willkür vorliegt - dies festzustellen ist oft sehr schwer und kann nur für eklatante Fälle sicher ermittelt werden. Dem steht nicht entgegen, daß es auch Eltern gibt, die ihre Kinder vernachlässigen; dies sind aber Krankheitsbilder am Rande unserer Gesellschaft. Hierfür sind selbstverständlich gesetzliche Vorschriften erforderlich, damit diese Kinder als die Schwächeren geschützt werden. Wenn beispielsweise ein Vater zu seiner frischgebackenen Abiturientin sagt: Weißt du, meine Tochter, es ist schwer, ein Filmstar zu werden. Zu viele bleiben bei diesem Beruf auf der Strecke. Versuche es doch einmal, so der Vater, mit diesem oder jenem Beruf, die Tochter aber erklärt, es müsse dieser und dürfe kein anderer Beruf sein, weil das Grundgesetz ihr das Recht der freien Berufswahl garantiere, wenn die Eltern also aus ihrer größeren Erfahrung und daraus resultierenden größeren Einsichten zu einem anderen Beruf raten, kann dies nicht als „elterliche Fremdbestimmung" angesehen werden. ({7}) Fragen der Ausbildung und der Berufswahl sollen nach dem vorliegenden Entwurf einvernehmlich zwischen Eltern und Kindern nach Neigung und Begabung geregelt werden. Es sollte in diesem Zusammenhang auch einmal der Hinweis erlaubt sein, daß sich zukünftig Berufswünsche nicht nur an Neigung und Begabung, sondern auch nach dem wirtschaftlichen Bedarf zu richten haben werden. Dies ist ein Problem der sich verändernden wirtschaftlichen Verhältnisse. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Eilers?

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie auf diesen überspitzten Fall einer extremen Ausbildungsforderung eines jungen Menschen eingehen, der nach Ihrer Meinung in diesem Gesetz mit eine neue Basis finden soll? Müßten Sie nicht von dem ausgehen, was Sie vorher gesagt haben, nämlich von den vorhandenen krankhaften Zuständen in bestimmten Ehen - bei einer Krankheit holt man einen Therapeuten - in nicht intakten Ehen oder in solchen Ehen, die aus Unverständnis ihren Kindern nicht das Recht geben können? Meinen Sie nicht mit mir, daß dort tatsächlich die Möglichkeit gegeben werden muß, den Kindern besser als heute ihr Recht zukommen zu lassen?

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da bin ich völlig mit Ihnen einer Meinung, Frau Kollegin. Nur aus meinem Erfahrungsbereich, aus einer intakten Familie und angesichts der Berufswünsche meiner Söhne habe ich dies berichtet. ({0}) Richtig wäre es dann, die Berufsausbildung wie auch andere Teilfragen - wie den selbständigen Abschluß eines Arbeitsvertrages - positiv zugunsten des Kindes und nicht negativ durch Einschränkung der elterlichen Sorge zu regeln. Was heißt überhaupt „elterliche Fremdbestimmung"? Ist es nicht eine größere Fremdbestimmung, wenn auf den Willen des Kindes durch Massenmedien Einfluß genommen wird? Und ich wage zu fragen, ob die Fremdbestimmung von außen auf den Willen der Kinder immer richtig und gut für das Wohl des Kindes ist. Glaubt man allen Ernstes, daß der Rat eines Berufs- und Bildungsberaters nicht auch zu einer Fehlentwicklung oder zu einer Fehlentscheidung bei einem Kind führen kann? Das Kind ist in der normalen Familie heute schon durchaus zum Gesprächspartner der Eltern geworden. Die Eltern sind fortschrittlicher, als der Gesetzgeber vermutet. Wenn Vater oder Mutter einmal droht: „Solange du die Füße unter unseren Tisch steckst", ist dies nicht nur eine pädagogische Drohformel, sondern dann beinhaltet das auch die Aufforderung, daß das Kind innerhalb der Gemeinschaft „Familie" lernen muß, sich einzufügen, auf die anderen Familienmitglieder gebührend Rücksicht zu nehmen und auch einmal eine Zurechtweisung entgegenzunehmen. Denn auch Eltern haben Anspruch darauf - und dies soll in aller Deutlichkeit gesagt werden -, daß das Kind sich in die Gemeinschaft der Familie einfügt und einzufügen bereit ist. Wie will eine Gesellschaft bestehen können, wenn ihre Mitglieder nur zum Konflikt erzogen sind und der Wille zur Harmonie völlig abgeht? ({1}) Die Familie kann keine Sozialisationsagentur und die Eltern können keine Sozialisationsagenten sein, die im Namen und für Rechnung eines anderen zu handeln verpflichtet werden. Ich habe gern zur Kenntnis genommen, daß auch Frau Kollegin Dr. Lepsius betont hat, daß es Aufgabe der elterlichen Sorge ist, das Kind zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu erziehen. Eltern können sicherlich physische Gewalt anwenden und auch egoistisch sein; hier hat der Gesetzgeber - und hier teile ich Ihre Auffassung - den Schwachen, nämlich das Kind, zu schützen. Aber ebenso grausam und lieblos ist sicherlich ein Verwaltungsmechanismus, der auch nicht frei sein wird von Egoismen und physischem Druck - vielleicht nur ganz anderer Art. Nun zurück zum vorliegenden Gesetzentwurf. In der Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs heißt es: Das Kind ist nach heutigem Rechtsbewußtsein nicht als Objekt elterlicher Fremdbestimmung anzusehen, sondern als Grundrechtsträger . . . Hierzu einige Bemerkungen. Ein nicht volljähriges Kind ist nicht geschäftsfähig und daher immer fremdbestimmt. Die Alternative ist daher nicht „Selbstbestimmungsrecht des Kindes oder Fremdbestimmung durch die Eltern", sondern „elterliche Fremdbestimmung oder eine andere - vielleicht die staatliche -Fremdbestimmung". In dem Maße, in dem die Einsichtsfähigkeit des Kindes, wenn es älter wird, wächst, baut sich von selbst die elterliche Fremdbestimmung ab. Soweit der vorliegende Gesetzentwurf dem Rechnung trägt, findet er unsere Unterstützung. ({2}) Nach § 1626 BGB in der Fassung des vorliegenden Entwurfs haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Hier sollte doch die Fassung des Grundgesetzes - mit Recht und mit Pflicht - übernommen werden. Dies mag zwar als unwesentliche Akzentverschiebung bezeichnet werden, doch sollte die Formulierung des Grundgesetzes beachtet werden, um auch jeden Anschein einer Grundrechtsverletzung zu vermeiden. Nach dem vorliegenden Entwurf erhält das Kind ein Mitentscheidungsrecht beim Umgang mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil; ich weise auf die §§ 1634 und 1671 des BGB hin. Sicherlich ist es richtig, daß das geltende Recht, das dem schuldlos geschiedenen Ehegatten in jedem Fall - unter Umständen ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes - den Anspruch sichert, geändert werden sollte. Es trifft auch zu, daß es für das ältere Kind nachteilig sein wird, wenn gegen seinen ausdrücklichen Willen der Umgang mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil erzwungen wird. Es wird aber bei der Beratung des Gesetzes darüber zu sprechen sein, daß es dann, wenn, wie es der Entwurf vorsieht, die Befugnis zum Umgang mit einem Elternteil ausschließlich auf den Willen des einsichtsfähigen Kindes abgestellt wird, vielleicht zu eben solchen Mißbräuchen in der Art führen kann, daß sich der Wille des einsichtsfähigen Kindes an der Höhe des jeweiligen Geldgeschenks orientiert oder daß Kinder - und so einfältig brauchen Kinder nicht zu sein - den Streit der Eltern sehr geschickt auszunutzen verstehen, um sich Vorteile, die ihnen gar nicht zuträglich sind, zu verschaffen. Bei der Übertragung des Sorgerechts von geschiedenen Eltern sollte einmal überlegt werden, ob nicht der Wille der Eltern und der Wille des Kindes in jedem Falle dem Wohle des Kindes unterzuordnen sind. Was aber ist schon „besser" für ein Kind, und was ist das „Wohl des Kindes"? Ich frage dies einmal: Sind die Vorstellungen hierzu einheitlich? Unsere besondere Aufmerksamkeit - und hier erlaube ich mir, auf die Rede des Kollegen Erhard ({3}) bei der Einbringung des Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts hinzuweisen - ist den Kindern aus geschiedenen Ehen zu widmen, den sogenannten Scheidungswaisen. Frau Kollegin Lepsius weist auf das positive Echo hin, das der vorliegende Entwurf bei den interessierten sozialen Organisationen gefunden habe. Sie weist aber auch auf Kardinal Höffner und einige Politiker der CDU und deren kritische Äußerungen hin. Hierzu muß in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß die Begründung zu dem vorliegenden Entwurf Tendenzen aufzeigt und Entwicklungen andeutet, die bei meiner Fraktion mit begründeter Sorge zur Kenntnis genommen worden sind. ({4}) Noch eine Schlußbemerkung. Die partielle Erziehungsunfähigkeit der Familie darf nicht zu negativen gesellschaftspolitischen Konsequenzen führen. Wir sind daher bereit, bei der Beratung zum Gesetz einer Neuregelung der elterlichen Sorge mit dazu beizutragen, daß in einem wohlausgewogenen Verhältnis von Elternrecht, Elternpflicht, Kindesrecht und Kindeswohl das elterliche Sorgerecht dem Selbstverständnis der Eltern-Kind-Beziehungen angepaßt wird. ({5}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD geht mit einer grundsätzlich sehr positiven Einstellung, die eine aufmerksam-kritische Haltung einschließt, in die bevorstehenden Beratungen. Wir bewegen uns beim elterlichen Sorgerecht in einem Bereich, wo es nicht allein auf den Buchstaben des Gesetzes ankommen kann, sondern wo es ganz wesentlich auch um den Zusammenhang der einzelnen Bestimmungen geht. Und es kommt darauf an, zu verdeutlichen, was die Absicht des Gesetzgebers ist, die es insbesondere in einem etwas ausführlicheren Ausschußbericht später niederzulegen gilt. Ich glaube, wir werden daher zum vorgelegten Entwurf sehr eingehende Beratungen notwendig haben. In seiner Einbringungsrede hat der Herr Bundesjustizminister eine akzentuierte und eingehende Begründung des Entwurfs gegeben. Ich kann mich hier im Rahmen der ersten Lesung, die von der Zeit her zu einem etwas vorgezogenen familienpolitischen „Wort zum Sonntag" wird, auf drei knappe Bemerkungen beschränken. Erstens. Dem minderjährigen Kind wird nicht nur seitens der Eltern die von ihm als angenehm empfundene Fürsorge und Pflege zuteil, sondern es ist ganz natürlich, daß im Rahmen der Erziehung es auch einer elterlichen Lenkung unterliegt, die von ihm als Beschränkung seines Willens und oft auch als Verweigerung gegenüber seinen Wünschen verstanden wird. Nach unserem heutigen Rechtsbewußtsein und ganz sicherlich auch nach der überwiegenden Praxis der Erziehung in unserem Lande jenseits der Extreme einer besonders autoritären oder einer antiautoritären Erziehung erscheint es uns in jeder Weise sachgerecht, daß dem Kind, je älter es wird, je einsichtsfähiger es wird und je mehr es in der Lage ist, seine eigene Persönlichkeit zu bilden und zu profilieren, immer stärker das Recht zuwächst, seinen Wünschen nachdrücklicher Ausdruck zu geben, und ihm das Recht zukommt, daß die Eltern im Gespräch, in der Diskussion dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechend stärker auf die Wünsche des Kindes Rücksicht nehmen. Insofern ist es auch begrüßenswert, daß man sich von dem etwas martialisch klingenden Begriff der „elterlichen Gewalt" abgewandt hat. Zweitens. Nach unserer Verfassung ist es Aufgabe und natürliches Recht der Eltern, Pflege und Erziehung der Kinder vorzunehmen. Für den Staat ist in diesem Bereich äußerste Zurückhaltung geboten. Er darf nur dort eingreifen, wo ernstlich das Wohl des Kindes gefährdet ist. Wir sollten uns deswegen in jeder Weise auch hüten, Mißverständnisse hervorzurufen. Ich will den heute bereits mehrfach zitierten Satz, daß das Kind nicht Objekt elterlicher Fremdbestimmung sein könne, hier nicht hochspielen, ich will ihn auch nicht überbewerten, sondern ich will ihn einmal, um die Beratungen nicht von vornherein zu belasten, als sicherlich wenig nützliches und etwas gedankenloses Zugeständnis an sprachliche Modetorheiten bestimmter halbwissenschaftlicher Disziplinen aufgefaßt wissen. ({0}) Drittens. Wir begrüßen die Neufassung des § 1666 BGB, weil sie eine Abkehr vom Verschuldensprinzip bringt. Für das Wohl des Kindes und seine Sicherstellung muß es gleichgültig sein, ob die Eltern schuldhaft oder ganz einfach aus einer objektiv vorhandenen Unfähigkeit zur Erziehung heraus handeln oder nicht handeln. Die Befürchtungen, die hier laut geworden sind, wird man dann nicht teilen können, wenn bei den Beratungen deutlich gemacht wird, daß auch hier die Rolle des Staates auf das Wächteramt beschränkt sein muß, daß es nicht darum gehen kann, in einem Bereich, der eindeutig weiter im Ermessungsspielraum innerhalb des Erziehungsrechts der Eltern bleiben muß, das Vormundschaftsgericht tätig werden zu lassen. ({1}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Aussprache zur ersten Lesung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Entwurf an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - mitberatend - zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 25, dem letzten Tagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Aufwertungsausgleichsgesetzes - Drucksache 7/2696 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({2}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, den ich hiermit im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister einbringen darf, will die Bundesregierung der gestiegenen umsatzsteuerlichen Vorbelastung der pauschalierenden Land- und Forstwirte angemessen Rechnung tragen. Der Entwurf sieht vor, ab 1. Januar 1975 die Umsatzsteuerdurchschnittssätze und die Vorsteuerpauschalen sowohl für Landwirte als auch für Forstwirte um jeweils einen Prozentpunkt anzuheben. Für die Landwirte steigt danach die Vorsteuerpauschale von 5 auf 6 °/o, für die Forstwirte von 3 auf 4 % des Nettoumsatzes. Da gleichzeitig auch die Umsatzsteuerdurchschnittssätze entsprechend angehoben werden, können Forstwirte künftig ihre Erzeugnisse zu 4 % über Nettopreis veräußern, Landwirte und Gärtner unter Einschluß des 3 %igen Aufwertungsausgleichs zu 9 5 über Nettopreis. Bei den Winzern, Bundesminister Ertl die umsatzsteuerlich eine gewisse Sonderstellung einnehmen, führt die Neuregelung dazu, daß sie bei Weinverkäufen an Stelle von bisher 3 % künftig lediglich 2 % Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen haben. Alle diese Maßnahmen führen im Ergebnis zu einer Kostenentlastung und damit zu einer Einkommensverbesserung der Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1975 von rund 410 Millionen DM. Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich eine Bemerkung an die Adresse der Verbraucher richten und feststellen, daß die Bundesregierung diese Regelung nicht zuletzt deshalb so konstruiert hat, weil dadurch Verbraucherpreise in aller Regel nicht beeinflußt werden. Eine fiskalisch derart gravierende Maßnahme, meine Damen und Herren, läßt sich in einer Zeit, in der sparsamste Haushaltspolitik das Gebot der Stunde ist - das darf ich wohl auch in Übereinstimmung mit der Opposition sagen - läßt sich nicht übers Knie brechen. ({0}) - Das weiß ich nicht, verehrter Kollege. Ich darf auf Ihre erfreuliche Zwischenbemerkung einmal eingehen. Diese Bundesregierung hat durch ihre sparsame Haushaltspolitik dazu beigetragen, daß wir die niedrigste Inflationsrate der Welt haben. ({1}) Das ist ein Faktum. Das bestreitet niemand. Sie brauchen nur mal die Wirtschaftszeitungen nachzulesen. Daran hat die Haushaltspolitik der Bundesregierung einen wichtigen Anteil. ({2}) - Wir lassen uns laufend Neues einfallen. Im übrigen möchte ich Ihnen, verehrter Kollege, sagen, daß Sie einmal in den Protokollen des Bundestages nachlesen sollten, wie die Opposition, als sie Regierungsverantwortung trug, das Problem der Vorsteuerpauschale in der Landwirtschaft behandelt hat. Ich bin gern bereit, Ihnen darüber Fragestunden- und ähnliche Protokolle zu liefern. Das wird für Sie ein interessanter, nachlesenswerter Stoff im Zusammenhang mit dem Stichwort des zu späten Handelns sein. Aber das war nur ein kleiner Plausch dazwischen. ({3}) - Ja, die kann ich auch gut dazuliefern, Herr von Weizsäcker. Ich kann darüber sogar ein wirtschaftspolitisches Symposium mit Ihnen veranstalten. ({4}) Die Bundesregierung konnte daher erst dann über diese Anhebung der Vorsteuerpauschale entscheiden, als ausreichend gesicherte Berechnungen über die tatsächliche Vorsteuerbelastung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 1973/74 vorlagen und einigermaßen hinreichende Informationen zur Verfügung standen, um die voraussichtliche Entwicklung im neuen Wirtschaftsjahr 1974/75 vorausschätzen zu können. Das war im September der Fall. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung über das Ausmaß der Anhebung der Vorsteuerpauschale machen. Die Pauschale in § 24 des Umsatzsteuergesetzes gilt für alle Betriebe, die im Sinne des Steuerrechts zur Landwirtschaft gehören. Darunter fallen sowohl Betriebe mit rein landwirtschaftlicher Nutzung als auch Garten- .und Weinbaubetriebe, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Haupt- oder Nebenerwerbsbetriebe oder um Schrebergärten handelt. Für diesen Gesamtbereich der Landwirtschaft wird die durchschnittliche Vorsteuerbelastung im laufenden Wirtschaftsjahr auf etwa 5,8 % des Nettoumsatzes geschätzt. Die Gruppe der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe hat, für sich genommen, eine etwas höhere Vorsteuerbelastung. Sie dürfte nach Berechnungen meines Hauses auf mikroökonomischer Basis im Mittel bei 6% oder knapp darüber liegen. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Vorsteuerpauschale von 5 auf 6 0/o anzuheben, kam also vor allem im Blick auf die höhere Vorsteuerbelastung der agrarpolitisch sehr bedeutsamen Gruppe der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe zustande. Gerade im Hinblick auf die derzeitige Preis-und Einkommenssituation war es notwendig, die Landwirtschaft insgesamt durch eine volle Anpassung der Vorsteuerpauschale an die tatsächlich zu zahlende Vorsteuer zu entlasten. Die allgemein inflationäre Entwicklung, die Energiekrise und die Situation auf einigen wichtigen landwirtschaftlichen Märkten haben dazu geführt, daß sich die Preis-Kosten-Relation im Jahre 1973/74 zuungunsten der Landwirtschaft verschlechtert hat. Während die Preise für Betriebsmittel um fast 10 % stiegen, blieben die Erzeugerpreise insgesamt praktisch unverändert. Auf Grund der geschilderten Preisentwicklung sind die Pro-Kopf-Einkommen in der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1973/74 schwächer angestiegen als im Durchschnitt der übrigen Wirtschaftsbereiche. Die besonders günstige Aufwärtsentwicklung der landwirtschaftlichen Einkommen in den beiden Vorjahren setzte sich damit nicht fort. Problematisch ist die Einkommenssituation im laufenden Wirtschaftsjahr 1974/75. Aussagen über die voraussichtliche Entwicklung der Pro-Kopf-Einkommen liegen noch nicht vor. Selbst unter Berücksichtigung der guten Getreideernte und einer sich vermutlich abschwächenden Preissteigerung bei den Betriebsmitteln dürfte der Einkommensanstieg 1974/ 75 jedoch nur wenig größer sein als 1973/74. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat es sich - weiß Gott - nicht leicht gemacht, diese Entscheidung zu treffen. Ich meine aber, der Bundesminister Ertl Ihnen zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf kann sich insgesamt sehen lassen. ({5}) Die vorgesehenen Maßnahmen sind sowohl steuerals auch agrarpolitisch ausgewogen und stellen einen Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Land- und Forstwirte dar. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, das Haus hat die Einbringungsrede zur Kenntnis- genommen. Ich eröffne die Aussprache in der ersten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete von Alten-Nordheim. von Alten-Nordheim ({7}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß der Herr Bundeslandwirtschaftsminister diesen längst überfälligen Akt der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, die Vorsteuerpauschale der gestiegenen Vorsteuerbelastung der deutschen Landwirtschaft anzupassen, voller Stolz begleiten würde. Es muß aber recht verwunderlich stimmen, daß bei der Einbringungsrede des Herrn Bundesernährungsministers kein Agrarpolitiker seiner Partei im Plenum ist. ({8}) Er muß sich aber auch sagen lassen, daß die Bundesregierung bisher alle Versuche der Opposition, die mehr als überfällige Anpassung vorzunehmen, durch ihre Verzögerungstaktik unterlaufen hat. Sie hat damit den Grundsatz, Gerechtigkeit zu üben gegen jedermann, verletzt. Nun muß es im Aufgalopp wieder im Eilverfahren gehen. Die Pauschalierungsregelung des § 24 des Umsatzsteuergesetzes verfolgte bei der Einführung der Mehrwertsteuer im Jahre 1968 den Zweck, die Land- und Forstwirtschaft in das Mehrwertsteuersystem einzubeziehen. Danach wird die auf den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und Dienstleistungen ruhende Mehrwertsteuer, die sogenannte Vorsteuer, in einem Prozentsatz im Verhältnis zum Umsatz festgesetzt. In gleicher Höhe wird der Steuersatz, den die Landwirte von ihrem nächsten Abnehmer verlangen können, festgestellt. Auf diese Weise gleichen sich Vorsteuer und Steuer aus; Steuererklärungen an das Finanzamt. sind entbehrlich. Die Umsatzsteuer wird wie bei allen übrigen Unternehmern weitergewälzt. Steigt nun durch die inflationäre Entwicklung das Preisniveau der landwirtschaftlichen Betriebsmittel, so zahlt der Landwirt absolut und im Verhältnis zu seinem Umsatz mehr Mehrwertsteuer, als dies vom Gesetzgeber ursprünglich beabsichtigt war, wenn nicht die Vorsteuerpauschale angeglichen wird. Diese mißliche Entwicklung wird dann noch verschärft, wenn, wie in der Vergangenheit, die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sinken. Eine höhere Vorsteuerbelastung als die Pauschale muß also für die Landwirte zu unmittelbaren Einkommensminderungen führen. Dies ist nun bei allen pauschalierenden Land- und Forstwirten seit Jahren der Fall, weil die Vorsteuerbelastung der Land- und Forstwirtschaft nach den Berechnungen des Bundeslandwirtschaftsministers seit 1969/70 von ursprünglich 5 % auf heute 5,8 % gestiegen ist, die Vorsteuerpauschale aber lediglich 5% betrug. Man könnte nun meinen, diese Steigerung um 0,8 Prozentpunkte im Durchschnitt der letzten vier Jahre sei nicht so erheblich und schlage nicht so stark zu Buche. Vergegenwärtigt man sich aber die Steuermindereinnahmen von 410 Millionen DM, von denen die Bundesregierung bei Anhebung der Vorsteuerpauschale um 1 Prozentpunkt für die Landwirtschaft im Jahre 1975 ausgeht, so wird man überschlagen können, daß die Land- und Forstwirtschaft in der Vergangenheit hier mit einigen hundert Millionen DM Steuern zuviel belastet worden ist, und das bei einer ohnehin angespannten Ertragssituation der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren, die sich aus dem Auseinanderklaffen der Preis-Kosten-Schere ergibt. Mit höchst zweifelhaften Argumenten versuchte der Bundesfinanzminister bisher, diesen Vorwurf zu widerlegen und sich der gesetzlichen Verpflichtung zur Anpassung der Vorsteuerpauschale an die Vorsteuerbelastung zu entziehen. Er ignorierte die sehr viel genauere mikroökonomische Berechnungsart, die sich auf die exakten und repräsentativen, auch für die Agrarpolitik maßgeblichen Erhebungen in den Testbetrieben für den Agrarbericht der Bundesregierung stützt. Die Bundesregierung verschanzte sich nicht nur hinter der im EG-Bereich mangels eines Testbetriebsnetzes angewendeten makroökonomischen Berechnungsart, in der der letzte Schrebergarten mit allen Fehlerquellen einer Schätzung in diesem Bereich einbezogen wird; sie versteckte sich auch hinter anfechtbaren rechtlichen Bedenken, die angeblich aus dem EG-Recht abgeleitet sein sollen. Der Herr Bundesfinanzminister wird sicherlich nicht dazu in der Lage sein, eine EG-Rechtsgrundlage zu benennen, nach der zwingend geboten ist, nur die makroökonomische Berechnungsmethode anzuwenden. Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen, indem man für die Berichterstattung des Agrarberichts die Ergebnisse der Testbetriebe zugrunde legt, für die Berechnung der Vorsteuerbelastung diese Ergebnisse aber nicht heranzieht. Wenn die Ergebnisse in einem Fall nicht gelten sollen, können sie es wohl im anderen Falle auch nicht. Das zweite Argument des Herrn Bundesfinanzministers: Er bezog ungerechtfertigt - der ursprünglichen Intention völlig zuwiderlaufend - die seit Beginn des Mehrwertsteuersystems 1968 erfolgte Freistellung der Landwirtschaft von der Investitionssteuer nun neuerdings in die Vorsteuerberechnung mit ein. Das drückt die Vorsteuerbelastung. In diesem, von der Sache her völlig unhaltbaren Falle werden nicht nur Äpfel und Birnen zusammengeworfen, sondern sie werden auch noch von Alten-Nordheim addiert. Kein Wunder, wenn sich die Landwirte übervorteilt fühlen und jegliches Vertrauen verlieren müssen, zumal hier Parallelen zum Brüsseler Spektakulum von Anfang Oktober deutlich werden, wo es um 1% Agrarpreisanhebung ging. Wenn sich nun die Bundesregierung der viel zu späten Anpassung der Vorsteuerpauschale rühmt - ich bin sicher, daß die Redner der Koalitionsfraktionen ebenfalls voll des Lobes sein werden, um sich gegenseitig die Federn an die Hüte zu stekken -, müssen sich aber alle Beteiligten sagen lassen, wie hartleibig und zäh sich die Bundesregierung wieder einmal einen längst fälligen Akt der Steuergerechtigkeit de f a c t o abringen läßt; ganz im Gegensatz zu der im Land auf und ab von ihr verbal verkündeten Reformfreudigkeit und Steuergerechtigkeit. Hier wird wieder deutlich, wie wenig Ankündigung und Ausführung häufig übereinstimmen, wie mager oft große Vorhaben ausfallen, wie Enttäuschung an die Stelle geweckter euphorischer Erwartung tritt. Das jüngste Beispiel ist die so viel gerühmte und von allen Fachleuten als so mager bezeichnete Steuerreform. Der Wähler hat das gemerkt und quittiert es seit dem Frühjahr dieses Jahres in allen Bundesländern. Die SPD/FDP-Koalition behauptet draußen fälschlicherweise immer wieder, daß die Opposition keine Alternativen habe. Dadurch, daß man ständig auf so etwas Falschem herumtrommelt, wird es auch nicht richtiger. So wenig das für die Steuerreform zutrifft - wo von unserer Seite mit unserem Inflationsentlastungsgesetz der Bürger von den heimlichen, inflationsbedingten Steuererhöhungen lange schon hätte befreit werden können -, so wenig trifft das auch für den hier zu behandelnden Sachverhalt der Anhebung der Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft zu. Im Mai dieses Jahres hatte die CDU/CSU-Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Aufwertungsausgleiches vorgelegt. Dieser Entwurf wurde nicht beraten, weil SPD und FDP die Behandlung mit geschäftsordnungsmäßigen Mätzchen bis nach der Sommerpause des Parlaments und damit auch nach der Ernte verzögert haben. Gegensätzliche Berechnungen im Bundesministerium der Finanzen und im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben das übrige zu einer Verzögerung beigetragen. In einer Geschäftsordnungsdebatte im Ernährungsausschuß fühlten sogar zwei Abgeordnete der Koalition ihr Gewissen so unüberhörbar schlagen, daß sie wild-verwegen, allen Direktiven zum Trotz, mit der Opposition stimmten, was ihnen einen Koalitionsrapport beim großen Boß einbrachte; so streng sind da die Bräuche! ({9}) Dem Gesetzentwurf der CDU/CSU brachte dies trotzdem die Verzögerung bis zum Herbst ein. Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien brauchten reichlich lange, um selber einen Entwurf vorlegen zu können, der nun dafür wieder überall im Eilgalopp durchgepaukt werden muß. Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, daß durch das nun zum 1. Januar 1975 beabsichtigte Inkrafttreten des Gesetzes gegenüber dem Vorschlag der CDU/CSU mit einem Inkrafttreten zum 1. Juli 1974 200 Millionen DM für den Bund gespart werden sollten, und das über eine ungerechtfertigte Steuerzahlung der Bauern, wobei auch noch ständig fälschlicherweise der Eindruck erweckt wird, es handle sich hier um eine Agrarsubvention. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird bei den Ausschußberatungen diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen; denn er ist ja schließlich ihr Kind. Daran ändert auch eine Kindesentführung nichts. ({10}) Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu, weil mit ihm eine längst fällige Steuergerechtigkeit wiederhergestellt wird. Wir melden aber auch erhebliche Bedenken gegen das Haushaltsvorhaben der Bundesregierung an, 0,2 Prozentpunkte dieses einen Prozentpunktes Anhebung der Vorsteuerpauschale dem Agrarhaushalt, dem Einzelplan 10 anzulasten und damit die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstrukturverbesserung und Küstenschutz um 80 Millionen DM zu kürzen, womit die Kürzung de facto 133 Millionen DM betragen wird, weil nämlich, wenn der 60%ige Bundesanteil entfällt, auch der 40%ige Länderanteil nicht gezahlt wird. Hier wird wieder einmal der Versuch eines unaufrichtigen Vorhabens deutlich. Der alte, plumpe Trick, mit der einen Hand etwas zu geben, was mit der anderen Hand wieder genommen werden soll, wird immer wieder probiert. Doch ich glaube schon, die Wähler haben diese Praktiken inzwischen gemerkt, und auch die Bauern lassen sich nicht mehr für dumm verkaufen. ({11}) Dieses Vorgehen bewirkt eine wesentliche Schwächung der Investitionen in ländlichen Räumen - und das muß hier ausdrücklich gesagt werden -, die ohnehin unter der von der Bundesregierung mit zu verantwortenden Konjunkturschwäche leiden. Praktisch läuft das Verfahren darauf hinaus, die von der Bundesregierung eingeleiteten konjunkturellen Maßnahmen im Rahmen der 950 Millionen DM zu kürzen. Wir können nur hoffen, daß bei einem zukünftigen weiteren Steigen der Vorsteuerbelastung - und man braucht kein großer Prophet zu sein, um das voraussagen zu können - ein Berufsstand nicht wieder so hart um Steuergerechtigkeit auch für sich ringen muß. ({12}) Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({13}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich wegen der vorgeschrittenen Zeit bemühen, mich etwas kürzer zu fassen. ({0}) Müller ({1}) In seiner Sitzung am 18. September dieses Jahres hat das Bundeskabinett beschlossen, daß die Vorsteuerpauschale der Mehrwertsteuer für die deutsche Landwirtschaft von 5 auf 6% und für die Forstwirtschaft von 3 auf 4 % angehoben werden soll. Nachdem der Bundesrat den mit besonderer Eilbedürftigkeit zugeleiteten Entwurf eines entsprechenden Änderungsgesetzes gebilligt hat, ist es nun unsere Aufgabe, für eine zügige Beratung und Verabschiedung zu sorgen. Der Gesetzentwurf hat zum Ziel, durch Änderung des Umsatzsteuergesetzes die Durchschnittssätze und die Vorsteuerpauschalen sowohl für Landwirte als auch für Forstwirte um jeweils 1 % anzuheben. Das Umsatzsteuergesetz sieht für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft eine Pauschalierungsregelung vor. Die Pauschale zur Abgeltung der Vorsteuern, die auf dem Einkauf von Betriebsmitteln und dem Bezug sonstiger Leistungen beruht, bemißt das Gesetz seit 1968 auf 5% des Nettoumsatzes für die Landwirtschaft und. auf 3% für die Forstwirtschaft. Die tatsächliche Vorsteuerbelastung ist jedoch längst über diese Pauschalwerte hinaus angestiegen. Das führt bei den pauschalierenden Land-und Forstwirten zu umsatzsteuerlichen Nachteilen. Die Anhebung der Pauschale dient also der steuerlichen Gerechtigkeit, sie dient aber auch der Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommen, der Kostenentlastung und der Verbesserung der Wettbewerbsstellung. Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erkläre ich, daß die Initiative der Bundesregierung unsere uneingeschränkte Unterstützung findet. Denn schließlich geht diese Anhebung der Vorsteuerpauschale auf eine Initiative zurück, die der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Martin Schmidt ({2}) bereits vor zwei Jahren ergriffen hat. ({3}) Damals waren die Voraussetzungen für eine Anhebung gegeben. ({4}) Die weitere Verfolgung einer solchen Maßnahme blieb in der von der Opposition organisierten Parlamentskrise stecken. ({5}) Nach den jetzt vorliegenden Berechnungsunterlagen ist der Zeitpunkt für eine Anhebung der Pauschale jetzt gekommen. ({6}) Selbstverständlich ist, daß in einer Zeit der erzwungenen Sparsamkeit besonders behutsam über öffentliche Mittel verfügt werden muß. Selbstverständlich ist, daß besondere Maßnahmen, die Geld kosten - hier in der Form von Mindereinnahmen -, einer äußerst sorgfältigen Prüfung und Beratung zu unterziehen sind. Es ist nicht angebracht, darüber zu debattieren, ob die tatsächliche Vorsteuerbelastung der Landwirtschaft nach der makro- oder mikroökonomischen Methode zu berechnen ist. Natürlich gibt es keinen zwingenden EG-rechtlichen Grund, der zur Anwendung der makroökonomischen Berechnung verpflichtet. Dies ist eine Gepflogenheit in der Gemeinschaft, der wir uns nicht einfach dann verschließen können, wenn es uns gerade zweckmäßig erscheint. Die Opposition, die ihre EG-Frömmigkeit allerorten kundtut sollte bei ihrer Kritik berücksichtigen, daß man solche Gepflogenheiten nicht einfach über Bord kippen kann, wenn es für einzelne Gruppen im nationalen Bereich plötzlich zweckmäßig erscheint. Im übrigen ist zu beachten, daß die Anhebung um 1 v. H. nicht das zwingende Ergebnis der von der Opposition angegriffenen makroökonomischen Erhebungen ist, denn dann wäre kein volles Prozent herausgekommen. Vielmehr ist das glatte Prozent sozusagen ein Kompromiß aus beiden Berechnungsmethoden, und wir sollten dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Interesse der Landwirtschaft nicht zerreden, sondern als eine glückliche Hilfe für die deutschen Landwirte mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Immerhin kostet diese Maßnahme den Staat jährlich 410 Millionen DM. Umgekehrt fließen 410 Millionen DM jährlich mehr in bäuerliche Taschen. ({7}) Da mag die Opposition beklagen, daß nicht die ganze stolze Summe den Steuereinnahmen entzogen wird, sondern auch der Einzelplan 10 über die Gemeinschaftsaufgaben bei der Finanzierung helfen muß. Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Alten-Nordheim?

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich möchte meine Gedanken zu Ende führen, so wie Sie, Herr Kollege. Wir sind jedenfalls froh, einen vernünftigen Weg zur Finanzierung gefunden zu haben. Jedermann hier weiß, daß dies die letzte und einzige Möglichkeit war, ein volles Prozent durchzusetzen. Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung zu der Klage, der Landwirtschaft sei ein Verlust von 200 Millionen DM dadurch entstanden, daß die Anhebung der Vorsteuerpauschale nicht zum 1. Juni in Kraft getreten ist. ({0}) - Ich komme gleich darauf, Herr Kollege. Ein Herumjonglieren mit solchen Zahlen ist nicht in Ordnung. Wenn wir anfangen, Teilberechnungen einzuführen, dann müssen wir jedes Jahr folgerichtig prüfen, wie hoch die Vorsteuerbelastungen der Landwirtschaft sind. Wer weiß - wissen Sie es, meine Damen und Herren von der Opposition? -, ob im nächsten Jahr die heute gültigen Zahlen noch gelten? ({1}) Müller ({2}) Setzten wir Ihr Spiel mit den Teilberechnungen fort, dann könnten wir plötzlich zu dem Ergebnis kommen, daß die Landwirtschaft zu günstig gestellt ist. Wollen Sie dieses Risiko eingehen? Zum Wohle der Landwirtschaft sicher nicht! ({3}) Also vergessen Sie Ihr propagandistisches Zahlenspiel, und wecken Sie nicht schlafende Hunde! Bezeichnend ist im übrigen, daß auch der Bundesrat einer zeitlichen Vorverlegung nicht zugestimmt hat. In jenem Gremium haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Mehrheit. ({4}) Sollen wir daraus schließen, daß die Union mit gespaltener Zunge redet, oder wollen wir nicht besser annehmen, im Bundesrat habe die agrarpolitische Vernunft der Union gesiegt? Wir jedenfalls sind dankbar, daß der Bundesrat den Gesetzentwurf der Regierung ohne Verzögerung und Retuschen weitergeleitet hat. ({5}) Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf wird unsere Zustimmung finden; denn er beweist, daß wir die bedrängte Landwirtschaft nicht im Stich lassen und unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten den begründeten Forderungen der deutschen Landwirte entgegenkommen, wenn immer es geht. ({6}) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in erster Lesung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 13. November 1974, 13.30 Uhr ein.