Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/27/1974

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht der Bundesregierung betr. Umweltradioaktivität - Drucksache 7/2510 dem Innenausschuß - federführend -, dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, dem Ausschuß für Forschung und Technologie und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 21 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes - Drucksache 7/2496 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0}) Innenausschuß Rechtsausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Karl Ravens (Minister:in)

Politiker ID: 11001785

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärungen vom 17. Mai 1974 und vom 18. Januar 1973 haben für die Reformpolitik dieser Legislaturperiode drei Vorhaben in den Mittelpunkt gestellt: die Steuer- und Kindergeldreform, das neue Mitbestimmungsgesetz und die Verbesserung des Bodenrechts durch die Novellierung des Bundesbaugesetzes. Nachdem die Steuer- und Kindergeldreform am 1. Januar 1975 in Kraft tritt und das neue Mitbestimmungsgesetz derzeit in den Ausschüssen des Bundesrates beraten wird, legt die Bundesregierung heute dem Deutschen Bundestag den Entwurf der Novelle des Bundesbaugesetzes vor. Die Bundesregierung ist also mit ihren wichtigen Reformvorhaben dieser Legislaturperiode voll im Fahrplan. Die inneren Reformen, 1969 begonnen, werden konsequent fortgeführt. Reformpolitik zur Sicherung und Verbesserung der Lebensqualität für die Bürger unseres Landes war, ist und bleibt ein Hauptanliegen der sozialliberalen Koalition. Der Entwurf zur Novellierung des Bundesbaugesetzes, meine Damen und Herren, ist weder ein theoretisch-abstraktes, noch ein ideologisches Machwerk. Er verarbeitet Erfahrungen; er hat seinen Vorläufer: das Städtebauförderungsgesetz von 1971. Auf seinen guten Erfahrungen wird aufgebaut. Der Entwurf zum Bundesbaugesetz steht also in der Kontinuität, auch der Arbeit des Bundestages. Am 4. Dezember 1968 hat der Deutsche Bundestag über den damaligen Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes der Großen Koalition beraten. Dieser Entwurf konnte damals nicht verabschiedet werden; er scheiterte an den politischen Gegensätzen. Erst in der sozialliberalen Koalition konnte das Städtebauförderungsgesetz als ein erster Schritt zur Verbesserung des Bodenrechts, des Planungsrechts der Gemeinden und des Mitwirkungsrechts der Bürger verabschiedet werden. Bei der Verabschiedung dieses Gesetzes waren sich dann alle im Bundestag vertretenen Parteien einig, daß diesem ersten Schritte die Ablösung des Bundesbaugesetzes von 1960 folgen müsse, um dieses neue planungs- und bodenrechtliche Instrumentarium in das allgemeine Baurecht zu übernehmen. Dieser Schritt wird mit der Novelle zum Bundesbaugesetz getan. Ich sagte, meine Damen und Herren, das Städtebauförderungsgesetz habe sich bewährt. Es hat maßgeblich dazu beigetragen, daß der Entscheidungsprozeß auf gemeindlicher Ebene und beim Entwicklungsbereich auch auf übergemeindlicher Ebene für die städtebauliche Planung und Veränderung frühzeitig und unter breiter politischer Meinungsbildung in Gang kommt. Ich bin der Auffassung, daß heute und in Zukunft Stadtplanung ohne die bürgerschaftliche Mitwirkung nicht mehr möglich ist. Zweitens. Die im Gesetz vorgesehenen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen haben in den betroffenen Gemeinden auf die Notwendigkeit der frühzeitigen Koordination der Investitionen, und zwar der unterschiedlichen Fachbereiche, hingewirkt. Diese kurze und mittelfristige Bindung und Bündelung der Haushaltsströme verschiedener Planungsebenen werden mit Recht - neben der Bodenwertabschöpfung - als der bedeutendste Effekt des Städtebauförderungsgesetzes bezeichnet. Hier wird schon ein Stück konkreter Entwicklungsplanung praktiziert. Drittens. Hier möchte ich das Instrumentarium zur Verwirklichung von Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nennen, die das Städtebauförderungsgesetz geschaffen hat. Es steht im Zusammenhang mit der Abschöpfung des Bodenwertzuwachses, der durch die Planung der Gemeinde entstanden ist. Dies alles hat eine aktive Städtebaupolitik ermöglicht, allerdings nur für die Zeitdauer und für die Gebiete, in denen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden. Es liegt auf der von dieser Bundesregierung von Anfang an verfolgten Linie, wenn die Novelle zum Bundesbaugesetz nunmehr die Grundgedanken des Städtebauförderungsgesetzes aufgreift und sie in das allgemeine Städtebaurecht übernimmt. Die Novelle verfolgt vor allem zwei Ziele: Zum einen will sie die leistungslosen Steigerungen und Anhäufungen von Vermögenswerten bei Grund und Boden bekämpfen. Nach geltendem Recht fließen Wertsteigerungen von Grund und Boden bei Änderung der Nutzung ohne jede Anstrengung und ohne jedes Risiko den Eigentümern zu. Das verstößt gegen das Leistungsprinzip; denn diese Wertsteigerungen beruhen auf Planungsentscheidungen der Gemeinden und auf Investitionsleistungen der Gemeinschaft. Sie werden von allen Steuerzahlern bezahlt. Es entspricht dem Gebot der Gerechtigkeit, wenigstens einen Teil dieser Wertsteigerungen für die Gemeinschaft wieder heranzuziehen. Das ist der eine Ansatzpunkt der Novelle. Zum anderen ist die Klage über die Fehlentwicklung in vielen unserer Städte und Gemeinden nicht mehr zu überhören. Das geltende Bundesbaugesetz gibt unseren Gemeinden im wesentlichen nur die Möglichkeit, im Bebauungsplan die zulässige Nutzung der Grundstücke durch Bestimmung des Gebietscharakters festzusetzen. Wir kennen aber alle aus eigener Anschauung die Resultate dieses Mechanismus: der Versicherungspalast verdrängt im Zweifel die Gastwirtschaft, der Supermarkt das Wohnhaus, das Appartment-Gebäude die Freifläche, und die öffentliche Hand zieht dabei fast immer den kürzeren, z. B. bei Grundstücken für Schulen, für Kindergärten, für Krankenhäuser, für Straßen. Vernünftig aber ist es, daß die Apotheke dort gebaut wird, wo sie der Bürger erreichen kann, der Kindergarten nicht dort steht, wo die Gemeinde noch gerade ein Grundstück erwerben konnte, sondern dort, wo die Kinder ihn gefahrlos und auf kurzem Wege erreichen können. Stadtentwicklung, meine Damen und Herren, darf nicht von mächtigen Einzelinteressen bestimmt sein. Ziel der Stadtentwicklung muß es vielmehr sein, daß wir, die Bürger selbst, als Gemeinschaft über die Gestaltung und Entwicklung in den Gemeinden bestimmen und unsere Städte und Gemeinden dadurch menschlicher machen. Daher verbessert die Novelle das Planungsrecht der Gemeinden und stärkt die Beteiligung der Bürger an dieser Planung. Stadtplanung, so meinen wir, soll nicht länger über die Köpfe der Bürger hinweggeschehen. Die Gemeinden werden deshalb verpflichtet, die Bürger über die Grundlagen der Planung, über die Ziele, Zwecke und Auswirkungen frühzeitig in geeigneter Weise zu unterrichten. Der Bürger wird damit in die Lage versetzt, sich zur Planung zu äußern, Bedenken vorzutragen und Anregungen zu geben. Er kann sich also aktiver an der Gestaltung seiner Gemeinde beteiligen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit erhalten, die Nutzung der Grundstücke im Interesse einer geordneten, städtebaulichen Entwicklung konkreter als bisher festzulegen. Sie sollen bestimmen können, wo Flächen für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus freigehalten werden, sicherstellen können, daß alte Mitbürger mit ihren Wohnungen nicht an den Rand der Siedlungen und der Städte gedrängt werden; sie sollen dafür Sorge tragen, daß kinderreiche Familien Platz für ihr Familienheim finden, und sie sollen das Recht bekommen, drohenden Umweltschäden vorzubeugen. Aber wir wissen auch, meine Damen und Herren, daß die beste Planung, daß der beste Plan häufig nur Papier bleibt. Deshalb sollen die Gemeinden in Zukunft auch durchsetzen können, was sie planerisch beabsichtigen und beschlossen haben. ({0}) Plan und Wirklichkeit sollen nicht wieder auseinanderklaffen. Um das zu verhindern, werden die Gemeinden Bau-, Nutzungs- und Modernisierungsgebote erlassen können und mit Hilfe von Abbruchgenehmigungen und deren Versagung erhaltenswerte Bausubstanz in unseren Städten und Gemeinden sichern können. Wie im Städtebauförderungsgesetz wird das Enteignungsverfahren beschleunigt und vom Entschädigungsverfahren getrennt. Sozialplan und Härteausgleich sollen nachteilige Auswirkungen für die Betroffenen bei Umstrukturierungen als Folge eines Bebauungsplanes vermeiden oder mildern. Das gemeindliche Vorkaufsrecht wird erweitert. Mit den Instrumenten des neuen Bundesbaugesetzes erworbene Grundstücke sind von der Gemeinde wieder zu veräußern, soweit sie nicht für unabweisbare Zwecke der Gemeinschaft benötigt werden. Dies trägt zur Eigentumsbildung breiter Schichten der Bevölkerung bei. Neu geregelt - und dies sage ich mit dem Blick auf die Landwirtschaft - wird das Bauen im Außenbereich. Nun soll auch derjenige, der inzwischen aus der Landwirtschaft ausgeschieden ist, sein Gebäude weiterhin nutzen können, anders nutzen können und dann, wenn es notwendig ist, auch erneuern können. Ein Kernpunkt der Novelle, meine Damen und Herren, betrifft die Behandlung von Wertsteigerungen, die durch Nutzungsänderungen auf Grund neuer gemeindlicher Planungen entstanden sind. Hier wird ein Grundsatzproblem angesprochen, nämlich das Problem der Bodenpreisbildung. Die Lösung dieses Problems ist ein entscheidender Bestandteil einer Neuordnung des Bodenrechts. Ich bin froh, heute anders als noch vor wenigen Jahren sagen zu können: hier stimmen alle politisch und fachlich interessierten Kreise überein. Wertsteigerungen des Grund und Bodens, zu denen der Eigentümer weder durch Kapitaleinsatz noch durch Eigenleistung beigetragen hat, die also durch Investitionsleistungen der Gemeinde ausgelöst werden, müssen der Gemeinde wenigstens zum Teil wieder zugeführt werden. ({1}) Ich sage noch einmal, das ist einfach ein Gebot der Gerechtigkeit, und ich bin sicher, daß damit auch eine preisdämpfende Wirkung ausgelöst wird. Für Wertsteigerungen des Grund und Bodens bei Nutzungsänderungen schlägt die Novelle vor, 50 % als Ausgleichsbetrag der Gemeinde zufließen zu lassen. Der Ausgleichsbetrag trägt damit zur Finanzierung der von den Gemeinden zu schaffenden Gemeinschaftseinrichtungen bei. Entsprechend werden bei Enteignungsentschädigungen und beim preislimitierenden Vorkaufsrecht nur 50 % der planbedingten Wertsteigerungen berücksichtigt. Mit dieser Lösung, meine Damen und Herren, wird das Gleichgewicht im Recht wiederhergestellt. Planungsverluste wurden im alten Bundesbaugesetz dem Eigentümer entschädigt, Planungsgewinne wurden im alten Gesetz dem Eigentümer belassen. Wir wollen dieses Ungleichgewicht nunmehr ausräumen. Am 26. Juni dieses Jahres hat sich der Bundesrat mit der Novelle zum Bundesbaugesetz befaßt. Er hat dabei den Zielen der Novelle weitgehend zugestimmt. Er hat darüber hinaus eine große Anzahl von Anregungen und Empfehlungen gegeben. Wie Sie der Vorlage entnehmen, ist die Bundesregierung überall dort, wo sie glaubte, es mit der Zielrichtung des Gesetzentwurfes vereinbaren zu können, diesen Vorschlägen gefolgt. In einigen grundsätzlichen Punkten sind abweichende Meinungen bestehengeblieben. Ich erwähne zunächst den Sozialplan. Hier ist die Bundesregierung im Gegensatz zum Bundesrat der Auffassung, daß auch im Städtebaurecht gelten muß, was in anderen Fällen einer tiefgreifenden Umstrukturierung schon selbstverständlich geworden ist. Ich erinnere an die Sozialpläne in der Wirtschaft, z. B. im Bergbau bei Zechenstillegungen, und ich erinnere an die Maßnahmen der Bundesregierung in der Agrarsozialpolitik, z. B. die Landabgaberente. Was im beruflichen Bereich für Wirtschaft und Landwirtschaft selbstverständlich ist, das können wir bei ähnlich schwerwiegenden Veränderungen im wohnlichen Bereich nicht einfach unterlassen. Die Gemeinde muß nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten dort individuelle Hilfen geben, wo Veränderungen im Wohnungsbereich die Möglichkeiten des einzelnen zur Selbsthilfe übersteigen. Der Sozialplan muß deshalb Bestandteil jedes umfassenden Bebauungsplanverfahrens sein. Der Bundesrat wendet sich weiter gegen die vorgesehene Ausdehnung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten dieser komplizierten Materie eingehen. Aber wir sind der Auffassung, die Gemeinde muß die Möglichkeit haben, ausreichend Grundstücke zu erwerben, um Eigentümern, deren Grundstücke im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen in Anspruch genommen werden, Austausch- oder Ersatzland anbieten zu können. Auf der anderen Seite muß dann die Gemeinde aber auch verpflichtet werden, hierfür oder für öffentliche Zwecke nicht mehr benötigtes Land wiederum dem einzelnen Bürger zu Eigentum zurückzugeben, und dies, um auch so zu einer breiten Streuung des Eigentums an Grund und Boden beizutragen. Der Bundesrat stellt schließlich auch die vorgesehene Regelung über Ausgleichsbeträge, die Bemessung von Enteignungsentschädigungen und das festzulegende Entgelt bei Ausübung des limitierenden Vorkaufsrechts wegen angeblich fehlender Praktikabilität in Frage. Dieser Einwand wäre ernst zu nehmen. Ich halte ihn aber nicht für begründet. Wir haben bereits in der Praxis bewährte Vorbilder, 7. B. aus dem Umlegungsverfahren. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Bewertung hier ohne große Schwierigkeiten möglich ist. Die Gutachterausschüsse haben auf dem Gebiet der Bewertung gute Arbeit geleistet, und sie sollen deshalb auch die Planungswertabschöpfungen nach dem neuen Gesetz errechnen. Die Bundesregierung ist aber durchaus bereit, im weiteren Gesetzgebungsverfahren ernsthaft zu prüfen, ob die vorgeschlagene Lösung noch praktikabler gestaltet werden kann. Meine Damen und Herren, ich wiederhole: der Planungswertausgleich ist ein Kernstück des neuen Bundesbaugesetzes. Aber er ist nicht das einzige Kernstück. Er darf vor allen Dingen nicht isoliert, für sich allein gesehen werden. Denn er steht in einem unmittelbaren, in einem nicht auflösbaren Zusammenhang mit dem erweiterten Planungsinstrumentarium der Gemeinden, etwa dem Baugebot, dem Modernisierungsgebot, der Abbruchgenehmigung. Er steht aber ebenso wie das Planungsinstrumentarium in unmittelbarem und nicht auflösbarem Zusammenhang mit den Bestimmungen, die eine stärkere Beteiligung des Bürgers am Planungsverfahren regeln. Wer dem Bürger die frühzeitige Planungsbeteiligung ermöglichen will, muß sicherstellen, daß Bodenwertspekulationen, die auf eine frühzeitige Bekanntgabe gemeindlicher Interessen zurückgehen, ein Riegel vorgeschoben wird. ({2}) Dem dient der Planungswertausgleich. Wenn es den Planungswertausgleich gibt, dann kann man ohne Gefahr der Bodenspekulation die Gemeinden in die Lage versetzen, mit einem verbesserten Instrumentarium gründlicher zu planen und diese Planung auch zu verwirklichen. Dem dienen etwa Modernisierungsgebot, Baugebot, Abbruchgenehmigung. Wenn aber die gemeindliche Planungskompetenz auf der anderen Seite so erweitert wird, muß es als Gegengewicht eine verstärkte Einschaltung des Bür8038 gers und der Öffentlichkeit zur Kontrolle geben. Hinzu kommen müssen dann Sozialplan und Härteausgleich. So gesehen, sind dies die drei tragenden Grundgedanken und damit die Pfeiler im Aufbau der Novelle. Einen Pfeiler hier einzureißen, hieße das gesamte Gebäude der Novelle zum Einsturz zu bringen. In dieser Frage bin ich auf die Haltung der Opposition gespannt. Erst vor wenigen Tagen hat sich die CSU auf ihrem kommunalpolitischen Kongreß voll zum Planungswertausgleich bekannt. Sie liegt damit auf der Linie der Bundesregierung. Ich begrüße das. Ich bin allerdings gespannt, wie sich diese Haltung mit den von der CDU vertretenen Auffassungen vereinbaren läßt, die sich gegen den Planungswertausgleich ausspricht. Lassen Sie mich abschließend noch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Einige werfen der Bundesregierung immer wieder vor, zu wenig für die Städte und Gemeinden zu tun. Die Novelle des Bundesbaugesetzes bringt, so denke ich, den Gegenbeweis. Sie setzt die Städte und Gemeinden in die Lage, ihre heutigen Aufgaben, die sie vor schwierige strukturelle Probleme stellt, besser als bisher lösen zu können. Andere behaupten, dieses neue Gesetz nehme dem kleinen Mann sein Eigentum, vertreibe den Bauern von seinem Acker. Genau das Gegenteil ist wahr: Wir wollen niemand vertreiben. Das Eigenheim bleibt, wird vom Planungswertausgleich überhaupt nicht berührt. ({3}) Der Bauer soll weiter auf seinem Hof bleiben, selbst dann, wenn er aus der Landwirtschaft ausscheidet. Lassen Sie mich fragen, meine Damen und Herren: Muß man bei solchen Unterstellungen nach bekannter Art nicht den Verdacht haben, daß damit die Ängste der Kleinen mobilisiert werden sollen, damit ungerechtfertigte Privilegien einiger weniger erhalten bleiben können? ({4}) Wahr ist doch, daß die Bundesregierung einen Schritt auf das Ziel zugeht, die Schere zwischen geschriebener Verfassung und Verfassungswirklichkeit zu schließen. Sie tut das in Übereinstimmung mit einer breiten öffentlichen Meinung, wie sie etwa in der Denkschrift der beiden Kirchen zur Bodenreform in einer Weise formuliert ist, der ich nichts hinzufügen kann. Es heißt dort: Keine erdachte oder realisierte Bodenordnung kann ohne kritische Prüfung Anspruch auf prinzipielle Gültigkeit haben. Mit jeder verbindet sich Macht von Menschen über Menschen. Jede muß sich von den Kriterien der Distanz, der Relativität und der Teilhabe in Frage stellen lassen. Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, um eine sachbezogene, sorgfältige, aber auch zügige Beratung in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses; denn die Lösung der schwierigen Probleme unserer Städte und Gemeinden vertragen keinen weiteren Aufschub. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke dem Herrn Bundesminister. Das Wort in der Aussprache hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Im Bau- und Bodenrecht findet unsere freiheitliche und demokratische Eigentumsordnung ihren unmittelbarsten Ausdruck. Schon die Reichsverfassung der Paulskirche, vor 125 Jahren verabschiedet, nahm zum erstenmal die Eigentumsfreiheit in einen Grundrechtskatalog des deutschen Volkes auf. Unser Grundgesetz und damit unser Bodenrecht stehen somit in der Tradition der ersten demokratischen Verfassung unseres Volkes. In der Tat, das Bodenrecht ist in hohem Maße politisches Recht; es ist für unsere Gesellschaftsordnung von grundlegender und prägender Bedeutung. Seine geschichtliche Entwicklung ist untrennbar mit der Verfassungsgeschichte unseres Volkes verknüpft. Der Novelle zum Bundesbaugesetz kommt daher ein hoher gesellschaftlicher Rang zu. Das neue Bundesbaugesetz wird sich in dem Maße als sozialer und politischer Fortschritt bewähren, als sein Inhalt unsere Eigentumsordnung nach Art. 14 des Grundgesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sachgerecht ausfüllt. Meine Freunde und ich bleiben bei der Auffassung, zu der sich auch die Bundesregierung noch im 6. Deutschen Bundestag bekannt hat, daß es zur Lösung der bodenpolitischen Probleme keineswegs einer Änderung der gegenwärtigen Eigentumsordnung bedarf. Vielmehr muß es darum gehen, den verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmen des Art. 14 des Grundgesetzes voll auszuschöpfen. ({0}) Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber aufgerufen, den sozialstaatlichen Ausgleich zwischen Privatwohl und Gemeinwohl herbeizuführen. Das gemeinsame Bau-Boden-Memorandum der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland vertritt gleichermaßen die Auffassung, daß die Bestrebungen, den Baubodenmarkt zu reformieren, mit der verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsordnung und dem Instrumentarium unserer Wirtschaftsverfassung in Einklang zu bringen sind. Eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt dazu, die Interessen der Allgemeinheit am Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen. Meine Freunde und ich bekennen uns zu diesen Wertungen des Bundesverfassungsgerichts und sind entschlossen, bei den anstehenden Ausschußberatungen alle Gesetzesnormen mit diesem Maßstab zu messen und nach diesen Grundsätzen zu beurteilen. Wir sind uns durchaus bewußt, daß das Grundgesetz dem Gesetzgeber für die Bestimmung des Eigentumsinhalts in Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsbereich eingeräumt hat. Wir werden aber ebensosehr darauf beharren, daß - wie es ebenfalls das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht hat - die gesetzlichen Eigentumsbindungen von dem geregelten Sachbereich her geboten sein müssen. Sie dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Diese Grenze wäre nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dann überschritten, wenn der Erwerb von Grund und Boden deshalb schlechthin verboten wäre, weil es sich für den Erwerber am eine Kapitalanlage handelt. Ich hebe diesen Gesichtspunkt eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts deshalb besonders hervor, weil in dem Entwurf eines kommunalpolitischen Grundsatzprogramms der SPD, am 8. Juli zugestellt von Herrn Kollegen B ö r n e r , der Satz zu finden ist: Die Anforderungen an ein neues Bodenrecht bestehen für die Kommunen insbesondere darin, einen Bodenmarkt herzustellen, der Anreize für die städtebaulich erwünschte Nutzung der Grundstücke bietet, - dem ist zuzustimmen dagegen den Erwerb von Grundstücken nur zum Zweck der Vermögensanlage ausschließt. Dieser Satz ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang zu bringen. Die Inhaltsbestimmung des Eigentums muß nach dem Grundgesetz die freie Entfaltung der Persönlichkeit beachten. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums im Zusammenhang mit der Entwicklung des deutschen Bau- und Bodenrechts zu bestimmen. Dabei hat er sich im Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des einzelnen und den Belangen der Allgemeinheit für das Wohl der Allgemeinheit zu entscheiden. Der Gesetzgeber unterliegt freilich - und das wird sich an mehreren Stellen des vorliegenden Gesetzentwurfs zeigen - dem rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit. Auf das grundrechtlich geschützte Eigentum darf im Wege der Enteignung nur zurückgegriffen werden, wenn das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient. Die Enteignung muß ultima ratio bleiben. Meine Damen und Herren, mit dieser ersten Beratung eröffnen wir die parlamentarische Diskussion über die Fortentwicklung des Bau- und Bodenrechts. Dabei halten wir es für unverzichtbar, zu prüfen, ob sich das Bundesbaugesetz aus dem Jahre 1960 bewährt hat. Unsere Frage lautet dazu: Inwieweit wird das Bundesbaugesetz den Anforderungen nicht mehr gerecht, die die tiefgreifenden Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft an die baulichen Strukturen der städtischen und ländlichen Gemeinden stellen? Läßt das geltende Recht eine zeitgemäße Stadt- und Gemeindeentwicklung zu und enthält es ausreichende Handhaben, die es unseren Städten und Gemeinden ermöglichen, in dem gebotenen Maß auf die Verwirklichung eines Bebauungsplans Einfluß zu nehmen? Der Bundesgesetzgeber wollte vor 14 Jahren neben der Sichtung, Zusammenfassung und Vereinfachung des Baurechts ein Rechtsinstrument schaffen, das den Zielsetzungen neuzeitlichen Städtebaus gerecht wird. Den Gemeinden wurde die Planungshoheit übertragen. Inhalt und Schranken des Eigentums wurden nach Art. 14 und 20 GG in baurechtlicher Hinsicht festgelegt. Das Bundesbaugesetz beseitigte den Preisstopp für unbebaute Grundstücke und überführte den Grundstückmarkt in die soziale Marktwirtschaft. Heute haben wir zu fragen, ob sich die damals gehegten baulandpolitischen Hoffnungen erfüllt haben. Eine zutreffende Antwort kann nur gefunden werden, wenn wir die seither eingetretenen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen und gesellschaftspolitischen Veränderungen mit in Betracht ziehen. Das Bundesbaugesetz ist primär Ordnungsrecht. Es darf nicht als preispolitisches Instrumentarium mißverstanden werden. Bodenrechtliche Bestimmungen können politische Entscheidungen nach dem Stabilitätsgesetz nicht ersetzen. Deshalb wäre es auch verfehlt, mit dem nunmehr vorgesehenen neuen bodenrechtlichen Instrumentarium die Erwartung zu verknüpfen, damit könnten der Bodenmarkt mit seinen vielfältigen Strukturen und marktwirtschaftlichen Abhängigkeiten beruhigt und der Preisauftrieb zum Stillstand gebracht werden. Aus heutiger Sicht und Beurteilung darf festgestellt werden, daß sich das Bundesbaugesetz insgesamt bewährt hat. Die Anwendung des Bau- und Bodenrechts, die konkrete Gestaltung unserer bebauten Umwelt, ist in das fachliche Können und die politische Verantwortlichkeit der Architekten und Stadtplaner und nicht zuletzt der Kommunalpolitiker gelegt. Die Bundesregierung ist für ihre apodiktische Behauptung, das Bundesbaugesetz lasse in seiner gegenwärtigen Fassung eine zeitgemäße Stadt- und Gemeindeentwicklung nicht zu, den Beweis schuldig geblieben. CDU und CSU treten für die Fortentwicklung unseres Baubodenrechts auf der Grundlage folgender Ordnungsziele ein: Sicherung der planungsgerechten Nutzung des Bodens; Vermehrung und Mobilisierung des Baulandangebots und damit Senkung des Bodenpreisniveaus; Beseitigung von Anreizen, die zu einer überhöhten Bodennachfrage oder zur Zurückhaltung von Boden führen; Inanspruchnahme der durch öffentliche Planungsmaßnahmen hervorgerufenen Wertsteigerungen; Abbau der bestehenden Steuerprivilegien für Grund und Boden; Verbesserung der Qualität und mehr Kontinuität der gemeindlichen Planungs- und Entwicklungspolitik. Unserem sozialen Bodenrecht sind nicht nur baurechtliche Aufgaben gestellt, soll es seine soziale und wirtschaftliche Funktion erfüllen. Das Bodenrecht soll den Bodenmarkt ordnen, die Bodenpreise und die Bodenspekulation dämpfen, bessere gemeindliche Planungen für eine humane städtebau8040 liche Entwicklung ermöglichen und ihre Durchführung erleichtern. Gesellschaftspolitisches Ziel sind dabei der Zugang breiter Bevölkerungsschichten zu Grund und Boden, die angemessene Versorgung mit Wohnraum und die zweckentsprechende Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Den anstehenden parlamentarischen Beratungen sind jahrelange theoretische Diskussionen, Untersuchungen, Expertisen und kritische Betrachtungen vorausgegangen. Alle Parteien haben bodenpolitische Beschlüsse gefaßt, Modelle entworfen und der öffentlichen Diskussion zugeführt. Die Parteitagsbeschlüsse der CDU vom November 1973 und der CSU vom September 1973 haben in der Offentlichkeit eine breite und nachhaltige Resonanz gefunden. Sie bilden für die CDU/CSU-Fraktion die Grundlage bei den weiteren Beratungen der Baugesetznovelle. Es gibt kaum einen Verband von gesellschaftlicher Bedeutung, der sich zu unserem heutigen Thema nicht geäußert hat. Das vom federführenden Ausschuß vorgesehene Planspiel wird den Beratungsstoff zusätzlich erweitern und neue Erkenntnisse zu Tage fördern. Nicht zuletzt erwarten wir von dem geplanten Hearing zu diesem Gesetzentwurf wertvolle Entscheidungshilfen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der federführende Ausschuß die in den Jahren 1958 bis 1960 bei der Beratung des Bundesbaugesetzes geübte Praxis wieder aufnehmen könnte, Sachverständige der Länder und Gemeinden hinzuzuziehen. Damals fanden sogar gemeinsame Sitzungen des federführenden Ausschusses und des korrespondierenden Bundesratsausschusses statt. Durch diese Arbeitsmethode - das geht aus dem damaligen schriftlichen Ausschußbericht hervor - sind die Beratungsergebnisse in gleicher Weise gefördert worden wie durch die Sachverständigen der kommunalen Spitzenverbände. Die bodenpolitischen Zielsetzungen der Unionsparteien sind in den Grundzügen im Regierungsentwurf berücksichtigt. Wir halten ihn mit Ausnahme des abgaberechtlichen Teils für eine brauchbare Diskussionsgrundlage. Es muß zugestanden werden, daß im Laufe einer langen leid- und wechselvollen Entstehungsgeschiche aus dem Regierungsentwurf zahlreiche Bestimmungen entfernt worden sind, die wegen ihres sozialistischen Inhalts im Widerspruch zu unserer privatrechtlichen Eigentumsordnung gestanden hätten. ({1}) - Ich will gleich den Beweis für diese Behauptung antreten. Dies gilt vor allem für die Streichung der eigentumsrechtlich bedenklichen Vorschriften in den früheren Referentenentwürfen; ich meine den damaligen § 29 Abs. 1 und den § 89 Abs. 4. Diese Bestimmungen hätten den Grundsatz der Baufreiheit beseitigt bzw. die Veräußerungspflicht der Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen in ein Veräußerungsverbot umgewandelt. Daß der jetzige Entwurf diese Bestimmungen nicht mehr enthält, ist nach unserer Auffassung ein Fortschritt in Richtung des besseren Weges. Meine Damen und Herren, überhaupt zeigt der Vergleich des Regierungsentwurfs mit den früheren Referentenentwürfen, daß an zahlreichen Stellen erhebliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Dies gilt z. B. für die Teilabschöpfung beim Planungswertausgleich in Höhe von 50 v. H. an Stelle einer ursprünglich diskutierten und dann in Höhe von 80 % geplanten Abschöpfung. Dies gilt für die ursprünglich nicht vorgesehene Plangewährleistungsfrist im Planungsschadenrecht - § 44 Abs. 1 Nr. 2 -, und dies gilt für eine ganze Reihe anderer Vorschriften. Meine Damen und Herren, die Regierungsvorlage klammert die Probleme des Erschließungsrechts aus und ist insofern unvollständig. Sie wissen, daß gerade die kommunalen Spitzenverbände darauf drängen, den Umfang des Erschließungsaufwands klarer festzulegen. Sie drängen auch auf eine Erweiterung der Erschließungstatbestände. Auf diese brennende, aktuelle, kommunalpolitisch hochwichtige Frage geht der Regierungsentwurf überhaupt nicht ein. Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion sind die Erschließungstatbestände zeitnah zu erfassen und die Erschließungsbeiträge so zu verbessern. Offensichtlich hält die Bundesregierung eine Vollnovellierung des Bundesbaugesetzes in dieser Legislaturperiode nicht mehr für durchsetzbar und greift deshalb zunächst nur bodenpolitisch besonders dringliche und voraussichtlich zu bewältigende Probleme auf. Der Gesetzentwurf ist also auch insoweit eine Lex imperfecta. In diesem Zusammenhang muß noch auf einen weiteren wesentlichen Mangel hingewiesen werden. Der Regierungsentwurf enthält keine Regelung über die Zulässigkeit, die Wirksamkeit und den Inhalt der sogenannten Folgekostenverträge. Diese Unterlassung ist um so bedauerlicher, als das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. Juli 1973 mit beachtenswerten Gründen zur Gesamtproblematik einer möglichen Abhängigkeit, also der Kopplung von Planung und Übernahme der Folgekosten durch Bauträger, Stellung genommen hat. Bei den Folgekosten geht es, was immer an weiter eingrenzenden Merkmalen hinzukommen mag, um Aufwendungen, die den Gemeinden jenseits der beitragsfähigen Erschließung als Folge neuer Ansiedlungen für Anlagen und Einrichtungen des sozialen und kulturellen Gemeinbedarfs entstehen. Vorausgesetzt ist damit stets, daß es sich hier um Aufwendungen handelt, die an sich die Gemeinden aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu tragen hätten. Wenn das Bundesverwaltungsgericht dabei nicht prinzipiell den Vorwurf gegen derartige Verträge, es bestünde insoweit die Gefahr eines Verkaufs von Hoheitsakten, zurückweist, so wird gleichwohl aus dem gesamten Inhalt dieser Entscheidung das Unbehagen des Gerichts hinsichtlich derartiger Verträge erkennbar; denn das Gericht räumt ein, daß die zunehmende Praxis der Kommunen, ihre Aufgabe zur Bereitstellung des sozialen und kulturellen Gemeinbedarfs auf Bauträger abzuwälzen, sowohl planungs- wie abgabenrechtlich bedenklich ist, da wegen der Gefahr eines Verstoßes gegen das Verkoppelungsverbot oder der Ausnutzung einer besonderen Machtstellung die Grenze zu einem Mißbrauch des Planungsermessens leicht überschritten wird. Die Praxis der Gemeinden, bisher Folgekostenverträge abzuschließen, mag zwar wegen der besonderen finanziellen Notlage der Kommunen verständlich gewesen sein; bei den weiteren Ausschußberatungen darf indessen die zukünftige Behandlung derartiger Verträge nicht ausgeklammert bleiben, nachdem Erhebung und Bemessung von Ausgleichsbeträgen für planungsbedingte Bodenwertsteigerungen nach der Regierungsvorlage auf die Begriffe der Neugestaltung und Entwicklung eines Gebietes bezogen werden, das Institut der Ausgleichsbeträge nach allgemeinem Verständnis also auch die Folgemaßnahmen mit einbezieht. Meine Damen und Herren, mangelhaft und unbrauchbar ist die Regierungsvorlage im abgabenrechtlichen Teil, dem Kernstück der Baugesetznovelle. Die Vorschriften über die Ausgleichsbeträge sind unausgegoren und unvollständig. Das für die vorgesehene Ausgleichsabgabe zentrale Problem der Wertermittlung ist nicht gelöst. Die vorgeschlagene Abgabe ist unpraktikabel und genügt weder den Anforderungen der Rechtssicherheit noch entspricht sie, was die Ausgestaltung der ihr zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage anbetrifft, rechtsstaatlichen Erfordernissen. Die vorgesehene Regelung ermöglicht keine einwandfreie Trennung zwischen planungsbedingten Wertsteigerungen und den übrigen Wertsteigerungen. Die für die Wertermittlung vorgesehenen Gutachterausschüsse sind nach Ausstattung und Organisation einer solchen Mehrarbeit nicht gewachsen. Sie haben vielmehr nur einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand mit entsprechenden Mehrkosten zur Folge. Die Wertermittlung durch die Gutachterausschüsse muß bei den Kreisen und Gemeinden zwangsläufig zu Kollisionen mit den Bewertungsstellen der Finanzbehörden führen. Dabei kann das Eingeständnis mangelnder Praktikabilität durch die Bundesregierung selbst darin erblickt werden, daß die zentralen Bewertungsfragen durch Verordnungen - in Art. 3 des Gesetzentwurfs sind Ermächtigungen vorgesehen - geregelt werden sollen, ohne daß konkrete Vorstellungen über die Ausgestaltung der Verordnungen bekannt wären. Bundesminister Dr. Vogel hat deshalb Pressemeldungen zufolge bereits im April in diesem Zusammenhang unter Umständen eine Prozeßflut befürchtet. In Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Parteigremien von CDU und CSU ist die Teilabschöpfung von planungsbedingten Bodenwertsteigerungen im Grundsatz zu bejahen. Die Ausgestaltung des Wertausgleichs im Regierungsentwurf entspricht aber aus den dargelegten Gründen weder den Grundsätzen des Bewertungsrechts noch bietet sie eine Handhabe für einen reibungslosen, also praktikablen Verwaltungsvollzug. Es kann insbesondere nicht hingenommen werden, daß ein und dasselbe Grundstück hinsichtlich der einheitswertabhängigen Steuern durch die Finanzämter, bezüglich des Wertausgleichs aber durch eigene kommunale Stellen bewertet wird. Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Einlassung des Bundesrates geht hervor, daß sich die Bundesregierung offensichtlich dieser Mängel in ihrem Gesetzentwurf durchaus bewußt ist. Ich deute auch die eben gemachte Berner-kung von Minister Ravens in dieser Richtung. Die CDU/CSU-Fraktion bietet ihre konstruktive Mitarbeit zur Lösung dieser Probleme an. Im Regierungsentwurf ist die Anrechnung der Erschließungskostenbeiträge auf den Wertausgleich vorgesehen. Dies begrüßen wir. Die Unionsparteien treten diesem Vorschlag deshalb bei. Sie sind aber der Auffassung, daß im Interesse einer sozial gerechten und wirtschaftlich vernünftigen sowie verfahrenstechnisch sinnvollen Abwicklung dieser Verfahren Freigrenzen vorgesehen werden müssen. Auf diese Weise können geringe Wertsteigerungen, die den Verwaltungsaufwand nicht lohnen, von der Ausgleichsabgabe von vornherein freigestellt werden. Des weiteren treten wir dafür ein, eine Regelung zu finden, nach der Grundstücke von der Ausgleichsabgabe ausgenommen werden, die nach den Kriterien des Zweiten Wohnungsbaugesetzes förderugswürdig sind. Ohne eine solche Regelung stünde der Wertausgleich einer breiten Streuung von Eigentum im Wohnungswesen entgegen. Die Novelle zum Bundesbaugesetz bringt entgegen den Erwartungen keinesfalls die lange und von der Bundesregierung immer wieder versprochene Neuordnung des Bodenmarkts; denn die Baugesetznovelle regelt nicht die zur Erreichung dieses Zieles notwendigen Fragen des Bodensteuerrechts. Insbesondere wird die seit langem diskutierte Verlängerung der Spekulationsfrist bei der Einkommensteuer nicht geregelt. Dies wäre ein Thema bei der Steuerreform gewesen, natürlich nicht ein Thema bei der Baugesetznovelle. Aber ich spreche hier von einer komplementären Gesetzgebung, um das bodenpolitische Ziel, Mobilisierung des Bodenmarkts, zu erreichen. Die Novelle regelt auch nicht die Aufhebung der Grunderwerbsteuer. Sie wissen, daß die Grunderwerbsteuer in vielfacher Hinsicht, gerade was den Wohnungsmarkt anlangt, von großer Bedeutung ist. Sie regelt nicht ein zeitgemäßes Bewertungsrecht. Wir bedauern außerordentlich, daß der jetzige Bundeskanzler noch als Bundesfinanzminister die Arbeiten an dem neuen Bewertungsgesetz hat einstellen lassen. Und durch dieses Gesetz ist auch das Problem einer zeitnahen Grundsteuer nicht zu lösen. Erst wenn diese vier Regelungsbereiche den Zeiterfordernissen angepaßt sind, kann das Bau- und Bodenrecht seine bodenpolitische, städtebauliche und wohnungspolitische Funktion erfüllen. Ohne diese komplementäre Gesetzgebung muß die Fortentwicklung des Bau- und Bodenrechts Bruchstück bleiben. Daß die Bodenwertzuwachssteuer, die nach früheren Koalitionserklärungen gleichzeitig mit der Einigung über die Bundesbaugesetznovelle beschlossen werden sollte, nunmehr den 7. Deutschen Bundestag nicht mehr erreichen wird, halten wir gewiß nicht für einen Mangel. Die Unionsparteien sind sich dar8042 in einig, daß die Bodenwertzuwachssteuer im Gesamtsystem unserer Wirtschafts- und Finanzordnung ein Fremdkörper, ein sozialistischer Parasit wäre. Die Bodenwertzuwachssteuer sollte nach dem Reformstufenplan der SPD als zweiter Schritt nach der Novellierung des Bundesbaugesetzes verwirklicht werden. Als dritte Stufe war die Aufspaltung des Eigentums in ein Verfügungs- und Nutzungseigentum vorgesehen. Aus dem eben bereits zitierten Papier „Entwurf Kommunalpolitisches Grundsatzprogramm der SPD" - es steht zur Beratung und Verabschiedung in meiner schönen Heimatstadt Nürnberg vom 11. bis 13. Oktober an - steht der Satz, der mir aus dem bodenpolitischen Grundsatzpapier der SPD vom 20. Juli 1972 so vertraut klingt. Ich darf diesen Satz zitieren; er verdient bestimmt die Aufmerksamkeit dieses Hohen Hauses und der deutschen Offentlichkeit: Die Anforderungen an ein neues Bodenrecht bestehen für die Kommunen insbesondere darin - und der Gesetzgeber wird daraufhin angesprochen -: „Jede Gemeinde muß die Entscheidung über die Nutzung ihres gesamten Bodens erhalten. Ob dieses Ziel durch eine Aufspaltung des Eigentums an Boden in ein Verfügungs- und Nutzungseigentum oder durch die Schaffung eines neuen, ausgeweiteten und flexibleren Erbbaurechts besser erreicht wird, ist eine Frage der Praktikabilität ({2}) und nicht zuletzt der politischen Durchsetzbarkeit. ({3}) - So ist es! Ausgezeichnet, Herr Kollege Waltemathe! Im Klartext heißt diese im Ton gelehrter Juristen abgefaßte Stelle: Wenn wir in diesem Hause die Mehrheit haben, werden wir unser Eigenturn in ein Verfügungs- und Nutzungseigentum aufspalten. Ich räume ein: Dieses Verfügungs- und Nutzungseigentum hat seiner Rechtsnatur nach mit dem Recht, mit dem sich diese Novelle des Bundesbaugesetzes befaßt, überhaupt nichts zu tun. Das ist ein Aliud. Wir bewegen uns innerhalb der Grenzen des Art. 14. Dieses Nutzungseigentum ist nur im Rahmen des Art. 15 möglich. Der jetzige Justizminister, Herr Dr. Vogel, hat denn auch - an kompetenter Stelle - in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" im Herbst 1972 - ich kann auch die Seite nennen - festgestellt: Dieses Gesetz - daß Sie anstreben - wäre einzuführen im Wege eines einfachen Gesetzes auf der Grundlage des Artikels 15. Art. 15 sieht die Vergesellschaftung unter bestimmten Voraussetzungen vor. Freilich sieht Art. 15 auch vor, daß der vergesellschaftete Eigentümer einen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung nach Maßgabe des Eigentumsartikels 14 hat. Meine Damen und Herren, dies ist nicht die Stunde, über die weitreichenden bodenpolitischen Pläne der SPD zu reden. Ich muß allerdings sagen, was die Praktikabilität oder die politische Durchsetzbarkeit betrifft, so muß man Roß und Reiter nennen. Hic Rhodos, hic salta! Hier heißt es, Farbe bekennen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn im Laufe dieser Debatte jemand hier heraufkäme und erklärte: Wir von den Sozialdemokraten halten das für ein Papier, das irgendwelche ideologische Himmelsstürmer aufgestellt haben; wir distanzieren uns davon! ({4}) Denn als die Debatte auf Ihrem Parteitag in Hannover heftig hin- und herging, ob es denn noch sinnvoll sei, das Bundesbaugesetz überhaupt zu novellieren oder eine Bodenwertzuwachssteuer einzuführen, erklärte Minister Vogel, als er in einiger Diskussionsbedrängnis war, weil allzu stürmische Herren von ihm verlangten, man solle doch jetzt gleich das Verfügungs- und Nutzungseigentum einführen: Genossen, ihr wollt den dritten Schritt vor dem ersten tun! Ich bin der Meinung, daß wir uns im Rahmen der Beratungen über das vorliegende Gesetz mit dieser Materie nicht weiter zu befassen haben. Es war aber wichtig, den politischen Rahmen auszuleuchten, in den diese Diskussion hineingestellt ist. Am Beginn der parlamentarischen Beratungen der Baurechtsnovelle sollten sich alle Beteiligten bewußt sein, daß der Gesetzgeber nicht selbst plant und baut, daß die Vision der menschengerechten Stadt durch ihn nicht verwirklicht werden kann. Der Gesetzgeber ist aber dazu berufen und verpflichtet, rechtliche Instrumente zu schaffen, mit denen die Gemeindepolitiker in Stadt und Land besser als mit den bisherigen werden arbeiten können. Der Städtebau, das wurde längst erkannt, ist eine grundlegende und interdisziplinäre Aufgabe der Politik und Wissenschaft. An seiner Verwirklichung und Vollendung müssen alle mitwirken, die aus öffentlicher oder beruflicher oder privater Verantwortung dem Menschen seine Umwelt bauen. Wer eigentlich greift in unser Leben unmittelbarer und nachhaltiger ein als derjenige, der unsere Umwelt plant und baut! Dieser Frage nachzuspüren, sie tiefer und breiter auszuloten wird die Aufgabe der nächsten Monate sein. Die Rechts- und Sachmaterien des Bundesbaugesetzes berühren in der Tat letzte Fragen der menschlichen Existenz; sie sind allen gestellt, jedem Bürger in unserem Lande, jedem Hausbesitzer und Mieter, jedem Grundeigentümer und Pächter. Das neue Bodenrecht - soweit der vorliegende Entwurf diesen anspruchsvollen Titel verdient - wird nur dann seine Bewährungsprobe bestehen können, wenn es folgende Aufgaben erfüllt: 1. Es muß den Lebens-, Arbeits- und Erholungsraum der Menschen erweitern und seine Qualität verbessern. 2. Es muß die Stadt als politischen Raum begreifen und die gestaltende Mitwirkung der Bürger sicherstellen. 3. Es muß einen sozial gerechten, wirtschaftlich vernünftigen und gesellschaftspolitisch tragbaren Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen und dem Gemeinwohl gewährleisten. 4. Es muß für Erhaltung, Modernisierung und Sanierung unserer Städte verbesserte Instrumente bringen und die Eigeninitiative der Bürger durch öffentliche Hilfen stärken. 5. Es muß die gemeindliche Selbstverwaltung stärken und gegen die Zerstörung geschichtlicher Stadtstrukturen einen rechtlichen Schutzwall aufbauen. 6. Es muß so angelegt sein, daß die örtliche Bauleitplanung mit den regionalen und überregionalen Landes- und Raumordnungsplanungen harmoniert. 7. Die vorliegende Novelle bedarf der steuerrechtlichen Ergänzung und bewertungsrechtlichen Präzisierung. 8. Langfristig ist anzustreben, den Bodenmarkt neu zu ordnen, damit er wieder nach den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft funktioniert. 9. Bei allen gesetzlichen Regelungen muß gewährleistet werden, bestehendes Eigentum zu erhalten und den Zugang zu neuem Eigentum breiten Bevölkerungsschichten zu eröffnen. CDU und CSU sind entschlossen, mit allen politischen Kräften dieses Hauses in einen Weltstreit um ein sozialpflichtiges Bodenrecht einzutreten. Wir sind zu konstruktiven Beratungen und zur sachlichen Mitarbeit bereit. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wir leiden nach meiner tiefsten Überzeugung in der Hauptsache in unserem Volke an der falschen Bodenpolitik der vergangenen Jahrzehnte." So sagte Konrad Adenauer als Oberbürgermeister der Stadt Köln 1920. ({0}) „Rettet unsere Städte jetzt!" ruft uns der Städtetag 50 Jahre später zu. Die Fehlentwicklungen in unseren Städten sind unübersehbar. Die Menschen werden aus den Innenstädten verdrängt. Preisgünstige Altbauwohnungen werden bei Kahlschlagsanierungen durch unverkäufliche Eigentumswohnungen ersetzt. Die Umweltbelastung nimmt zu. Das Klima verschlechtert sich, auch das Klima zwischen den Menschen. Bodenspekulation und Bodenwucher setzen sich unbekümmert um das Wohl der Allgemeinheit durch, und die Alten, die Kranken, die kinderreichen Familien, die ausländischen Mitbürger sind die Leidtragenden. In unseren Städten nehmen die Aggressionen zu, die Menschlichkeit nimmt ab. Mit Recht hat Konrad Adenauer die Frage des Bodenrechts als eine „sittliche Frage" bezeichnet, so wie Adolf Damaschke wußte, daß „die Kraft eines staatsbürgerlich gebildeten Volkes nur in sozialer Gerechtigkeit wurzeln kann". Es genügt deshalb nicht, wenn heute landauf, landab die Unwirtlichkeit und die Unmenschlichkeit unserer Städte beklagt werden, und wenn alle heute einstimmig eine liebenswerte, menschenfreundliche Stadt fordern. Die humane Stadt wollen wir alle; aber wir werden sie nur erreichen, wenn wir dazu die notwendigen Instrumente schaffen. An deren Spitze steht die Reform des Bodenrechts. ({1}) Wir haben gemerkt, wie stark die Gegner dieser Reform waren, beim Städtebauförderungsgesetz und bei den Steueränderungsgesetzen, und wir werden wieder sehen, wie stark die Interessenten sind. Wer die phantastischen Wertsteigerungen kennt, die jahrzehntelang durch Planung und öffentliche Investition ohne eigene Leistung in die Taschen weniger geflossen sind, der versteht natürlich, daß diese Interessen jetzt schon einiges Geld lockermachen können, wenn es darum geht, zu verteidigen, was ihnen lieb und vor allem teuer ist. ({2}) So hat ein Grundstückshändler in Stuttgart im Landtagswahlkampf 1972 eine einzige ganzseitige Anzeige für 30 000 DM für die CDU und gegen die SPD aufgegeben, und er wußte ja wohl warum. ({3}) Auch bei der Novellierung des Bundesbaugesetzes wird wieder von der kalten Verstaatlichung, vom gefährdeten Eigentum des kleinen Mannes geredet werden, und wie bei jedem Eingriff in die Rechte der Großen wird auch hier wieder die Verfassung bemüht werden und zuletzt der Gang nach Karlsruhe angetreten. Da wird nicht an die Urteilskraft der Bürger appelliert, sondern an Vorurteile und Angst. Wir gehen optimistisch in diese Gesetzesberatung; denn die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte sind so offenkundig, so unübersehbar, daß die Öffentlichkeit heute nachdrücklich wirkungsvolle Schritte verlangt. Wir, SPD und FDP, haben diese Diskussion begonnen, und viele gesellschaftliche Gruppen haben sie aufgenommen: Die Kirchen, die Gewerkschaften haben Vorschläge gemacht. Auch die CDU/CSU hat sich dieser Diskussion schließlich nicht entziehen können. Herr Kollege Dr. Schneider hat im Mai dieses Jahres angekündigt, die Opposition werde bis zur Vorlage der Novelle des Bundesbaugesetzes eine einheitliche Konzeption finden, und es war auch von einem eigenen Entwurf die Rede. Leider hat Herr Kollege Schneider nicht recht bekommen. Hier wie bei anderen Fragen hat die Opposition kein gemeinsames konkretes Konzept, hier wie bei anderen Fragen steht sie im mosernden Abseits". ({4}) Das ist eben Ihr innerer Widerspruch: ({5}) Sie haben zwar qualifizierte Fachleute, Sie haben Politiker, die wissen, wie dringend notwendig diese Reform ist, bespielsweise in den beiden Bodenrechtskommissionen der CDU und CSU, deren Vorstellungen mit den unseren weithin identisch sind; aber wenn es dann zum Schwur kommt, wenn Sie hier abstimmen müssen, dann bestimmen andere, wie Sie zu entscheiden haben, dann entscheiden bei Ihnen nicht Sachverstand und soziale Verantwortung, sondern Einfluß und Geld, dann geben die „Fincken" den Ton an. ({6}) Schließlich sind wir optimistisch, weil diese sozialliberale Koalition in langen, manchmal harten, aber immer fairen Verhandlungen einen Kompromiß gefunden hat, der ihre Konsens- und Handlungsfähigkeit erneut unter Beweis stellt. Dabei haben beide Partner von ihren Vorstellungen nachgeben müssen. Mein Bundesbaugesetz sähe sicher anders aus. Aber es gehört eben auch zum Lernprozeß einer Koalition, daß keiner mit dem Kopf durch die Wand kann, sondern daß wir das Realisierbare anpacken und das Wünschbare dabei im Auge behalten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Schneider, gerne.

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Conradi, ist Ihnen bei meiner Rede entgangen, daß ich für die Fraktion der CDU/CSU erklärt habe, daß wir bereit sind, einer Lösung zuzustimmen, die die Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertsteigerungen vorsieht, und daß sich unsere Kritik gegen das jetzt vorgesehene technische Verfahren richtet? ({0})

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Schneider, Sie haben im Mai dieses Jahres eine geschlossene Konzeption Ihrer beiden Parteien angekündigt. Sie haben sich bisher nicht über den Planungswertausgleich verständigen können. Sie wissen ganz genau, daß Baden-Württembergs und Hessens Christdemokraten entschieden gegen den Planungswertausgleich sind, d. h., Sie haben jetzt einen vordergründigen Kompromiß gefunden, wie Sie hier verfahren, ({0}) aber die eigene Konzeption, die eigene Antwort der Unionsparteien auf diese Fragen haben Sie hier nicht gegeben, die können Sie nicht geben, weil in Ihrer Partei darüber keine Einigkeit besteht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmöle?

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Conradi, ist Ihnen bekannt, daß in der gesamten Fachwelt die jetzt vorliegende Konzeption des Planungswertausgleiches als kaum praktikabel angesehen wird und daß in der Frage des Wie der Abschöpfung bis heute noch keine einzige Stelle eine ganz klare Lösung hat vorschlagen können?

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, über das Wie können wir streiten; aber Sie müssen sich doch erst einmal untereinander über das Ob einigen; ({0}) denn Sie schieben doch hier wie bei anderen Fragen einfach das Wie vor, um sich um das Ob zu drücken. ({1}) Es ist doch ganz eindeutig, daß Ihre Kollegen aus Hessen, diese Gruppe Adel, Banken, Gewerbe und Medizin, und daß die baden-württembergischen Christdemokraten entschieden gegen jeden Planungswertausgleich sind. Lesen Sie doch, was die Herren publizieren! ({2}) Sie müssen sich erst einmal in Ihrer Partei über das Ob einigen, und dann können wir sehr gerne über das Wie reden. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn ich jetzt fortfahren dürfte. Die Reform des Planungs- und Bodenrechts geschieht sicher nicht in einem Jahrhundertgesetz. Das haben wir bei der Steuerreform und bei der Strafrechtsreform gelernt: die Materie ist viel zu komplex, und die Legislaturperiode ist zu kurz. Wir müssen hier wie dort die Reform in einzelne aufeinander abgestimmte Teilschritte auflösen. Das Städtebauförderungsgesetz war der erste wichtige Durchbruch nach jahrelanger Stagnation. Sein bodenpolitischer Teil hat sich bewährt. In vielen Städten hat allein die Tatsache, daß der Rat vorbereitende Untersuchungen beschlossen hat, dämpfend auf die Preisentwicklung eingewirkt. Der vorliegende Entwurf baut auf den Erfahrungen des Städtebauförderungsgesetzes auf. Er ist der zweite notwendige und wichtige Schritt, nun das 'besondere Recht der Sanierungs- und Entwicklungsgebiete auf alle Baugebiete auszudehnen. Wir haben, Herr Dr. Schneider, bei der Reform der Grundsteuer, der Vermögen- und Erbschaftsteuer die steuerliche Behandlung des Bodens angepackt, und wir sind uns darin einig, daß der nächste notwendige Schritt eine Reform des Bewertungsrechts sein muß. Wir brauchen ihn steuerrechtlich, wir brauchen ihn auch planungsrechtlich, denn alle Fachleute wollen langfristig ein einheitliches Bewertungssystem für Steuer und Planung. Die Bodenwertzuwachssteuer, die Sie hier als „sozialistischen Parasiten" bezeichnet haben, hat sich auch in die Göb-Kommission der CDU/CSU eingeschlichen. Ich habe gerade noch einmal in einer Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung nachConradi geschlagen; darin ist die Bodenwertzuwachssteuer enthalten. Der „Parasit" hat offenbar auch andernorts überzeugt. ({0}) Über die Bodenwertzuwachssteuer müssen wir sicher noch sehr ernsthaft diskutieren. Es wäre nicht sinnvoll, eine Bodenwertzuwachssteuer vor einer Neuordnung des Bewertungsrechts anzugreifen. Wenn man Wertzuwächse besteuern will, dann muß man erst einmal Wertzuwächse 'haben, nämlich in regelmäßigen Abständen Bewertungen vornehmen können. Deshalb hat die Bundesregierung schon bei der Regierungserklärung am 18. Januar 1973 erklärt, die Bodenwertzuwachssteuer werde nur vorbereitet, aber in dieser Legislaturperiode nicht eingeführt; konkret angekündigt hat sie die Reform des Bewertungsrechts. Und schließlich werden wir in einigen Jahren vor der Aufgabe stehen, die ganze breite Materie des Boden- und Planungsrechts einschließlich des Bodensteuerrechts zusammenzuschreiben. Was über Dutzende von Einzelgesetzen verteilt ist - in der Erbbaurechtsverordnung, im BGB, im Flurbereinigungsrecht, im Bundesfernstraßengesetz, im Wasserhaushaltsgesetz -, muß langfristig - ähnlich wie beim Sozialgesetzbuch - in einem überschaubaren Gesetzeswerk zur Stadt- und Landesplanung zusammengeschrieben werden. Wo liegen nun die Schwerpunkte dieses Gesetzentwurfs und was bedeuten sie für unsere Städte? Die Bauleitplanung wird in den größeren Zusammenhang der Stadtentwicklungsplanung gestellt. Das Bundesbaugesetz von 1960 überließ die Stadtentwicklung weitgehend dem sogenannten „freien Spiel der Kräfte" und beschränkte die Stadtplanung dann darauf, das nachzuvollziehen, was private Interessen und Initiativen eingeleitet hatten. Dabei haben sich dann natürlich meistens die finanziell Stärkeren - die Investoren und Spekulanten - oft reichlich hemdsärmelig gegen eine oft ohnmächtige Stadtverwaltung durchgesetzt. ({1}) Daß das so ist, läßt sich rein optisch an unseren Städten erkennen. Der Regierungsentwurf macht den Gemeinden nunmehr eine umfassende 'Entwicklungsplanung zur Pflicht. Denn ob Arbeitsplätze oder Krankenhausbetten, Grünzonen oder U-Bahnen, Schulen oder Dienstleistungszentren: dies alles muß von der Gemeinde langfristig geplant und mit der Landesplanunq und Raumordnung verzahnt werden. Die Bauleitplanung ist dann der physische Niederschlag dieser Entwicklungsplanung. Aber damit verschieben sich die Gewichte: Stadtplanung wird zukünftig nicht mehr die Ziele bestimmter geld- und einflußreicher Interessenten nachvollziehen, sondern sie wird die Entwicklungsziele im Interesse aller Bürger setzen ({2}) und damit den Rahmen, in dem dann private Initiativen und Interessen tätig werden können. Nicht mehr die Investitionen werden die Stadtplanung lenken, sondern - umgekehrt - die Stadtplanung wird die Investitionen lenken. Entscheidend für die Stadtplanung ist die Möglichkeit zur Nutzungsbestimmung des Bodens. Überläßt man die Allokation der Bodennutzung, die Nutzungszuweisung allein dem Markt, dann setzt sich immer der potentere Bewerber durch, derjenige, der die größere Rendite erwirtschaften kann: die Bank gegen das Wohnhaus, das Kaufhaus gegen das kleine Café, der Parkplatz gegen den Spielplatz; dann wird die Stadt zwangsläufig zur Profitopolis. Eine rein administrative Nutzungsbestimmung ohne Markt hingegen würde einmal zu einer phantastischen Bürokratie führen und zum anderen eine unökonomische Nutzung des wertvollen Gutes Boden nach sich ziehen. Deshalb müssen wir einen Mittelweg finden: die Stadtplaner und die politisch Verantwortlichen legen die Nutzungsart fest, und zwar detaillierter und genauer als bisher, und innerhalb einer festgelegten Nutzungsart sollen dann Marktmechanismen entscheiden, wer den Boden nutzt. Dies wird dann ein sinnvoller Markt sein, sinnvoll, weil nicht ungleiche Marktpartner konkurrieren - nicht das Großkaufhaus gegen den Tante-Emma-Laden oder der Baulöwe von LuxusAppartements gegen die Baugesellschaft für sozialen Wohnungsbau , sondern weil dann gleiche Partner konkurrieren. Der Markt wird also nicht außer Kraft gesetzt, er wird nur bereinigt, und er wird durch die Vorgabe der Bauleitplanung so bestimmt, daß er sich nicht mehr zum Schaden der Allgemeinheit auswirken kann. Dazu gehört auch die Möglichkeit, vorhandenes, nicht ausgeübtes Baurecht nach einer Schutzfrist herunterzusetzen. In vielen Städten werden wir zu gesünderen Lebensbedingungen nur kommen, wenn wir altes Baurecht, das nicht ausgenützt ist, ohne Entschädigung auf ein Maß herabsetzen können, das den heutigen gesundheitlichen, sozialen und planerischen Erkenntnissen entspricht. Der Regierungsentwurf gibt uns die Möglichkeit, in den Städten die Nutzungsmöglichkeiten, vor allem die Nutzung für den sozialen Wohnungsbau, differenzierter als bisher festzulegen. Er wird uns auch helfen, in den Städten mit den Geboten des Städtebauförderungsgesetzes weiterzukommen, von denen die Praktiker wissen, daß sie kaum angewendet werden. Ihre Stärke liegt nicht darin, daß sie angewendet werden, sondern ihre Stärke liegt darin, Herr Dr. Prassler, daß sie angewendet werden können. Und das Wissen um diese Möglichkeit der Stadtverwaltung beeinflußt natürlich das Verhalten der Eigentümer und der Bauherren. Die Forderung „Mehr Demokratie wagen" hat in unseren Städten ein breites Echo gefunden. Tausende von Bürgerinitiativen beschäftigen sich mit der Stadtplanung. Manchmal ist das für die Verwaltung sehr lästig; Demokratie kostet Zeit und Kraft. Beide, Stadtverwaltung und Bürgerschaft, müssen mühsam lernen, wie man in der Planung sinnvoll zusammenarbeitet. Dabei wird auch deutlich, daß nicht jede Bürgerinitiative das Interesse der Allgemeinheit verfolgt, sondern daß manche Bürgerinitiativen ganz eindeutig Privilegien be8046 Conrad! stimmter Gruppen verfolgen. Aber das gehört mit dazu. Dann müssen eben Stadtväter und Stadtverwaltung auch einmal hinstehen können und das Gesamtinteresse einer Stadt gegenüber dem Partikularinteresse durchzusetzen. Lange Jahre ist die Stadtplanung von einflußreichen Gruppen, von Grundbesitzern und Gewerbesteuerzahlern beeinflußt worden. Wir wollen ein Gesetz, das die Beteiligung aller Bürger sichert durch frühzeitige Information, durch breite Erörterung, vor allem auch durch die Vorlage von Alternativen. ({3}) Die Bürger haben in den letzten Jahren gezeigt, daß ihnen ihre Stadt nicht gleichgültig ist. Sie haben in vielen Fällen Sachverstand bewiesen, und in einigen Fällen haben sie verhängnisvolle Fehlplanungen gestoppt. Wir Sozialdemokraten glauben weder an die Allwissenheit der Verwaltung, noch glauben wir an die soziale Verpflichtung privater Investitionen. Für uns ist Bürgerbeteiligung nicht wie für Herrn Goppel der Anfang eines Rätesystems, sondern Ausdruck lebendiger und wirkungsvoller Demokratie. ({4}) Hierzu gehört auch die Frage der rechtlichen Überprüfung von Bebauungsplänen im Normenkontrollverfahren. Wir brauchen Rechtssicherheit im doppelten Sinne. Einmal muß das Recht des Bürgers erhalten werden, im Normenkontrollverfahren einen Bebauungsplan anzugreifen. Es liegt aber auch im Interesse der Bürger, daß ein Bebauungsplan nicht zeitlich unbeschränkt anfechtbar ist, sondern nach einer Frist rechtsverbindlich und unanfechtbar wird. Ich habe den Eindruck, daß wir in den Ausschußberatungen darüber noch reden müssen. Vielleicht finden wir dafür noch eine bessere Formulierung als der Regierungsentwurf. Bei den großen Neubauprojekten der vergangenen Jahrzehnte haben wir vor allem auf der grünen Wiese geplant und gebaut, und die Betroffenen, die Verplanten, sind erst gekommen, wenn der Bau fertig war. Heute geht es um Sanierung, Erneuerung, Modernisierung der Stadt. Dort hat fast jede Planung soziale Auswirkungen, auf das Rentnerehepaar, auf die junge Familie, auf den Milchhändler, auf die kleine Druckerei. Oft werden diese von den Planierraupen der Investoren nur allzu schnell hinweggeschoben. Deshalb übernimmt der Regierungsentwurf aus dem Städtebauförderungsgesetz nun das Instrument des Sozialplans. Mir ist dieser Sozialplan heute noch zu defensiv, noch viel zu oft „Rote-Kreuz-Station für die Planungsgeschädigten". Er muß zum aktiven Sozialplan werden, der von vornherein der Planung soziale Ziele setzt, statt hinterher nur soziale Schäden reparieren. Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, bei der Ausschußberatung diesen Charakter eines aktiven Sozialplans stärker herauszuarbeiten. ({5}) Der Planungswertausgleich im Zusammenhang mit dem preislimitierenden Vorkaufsrecht und der herabgesetzten Entschädigung ist ein zusammenhängendes Konzept. Wir wollen endlich den unerträglichen Zustand beseitigen, bei dem Planungsschäden von der Gemeinschaft ersetzt werden und Planungsgewinne in die privaten Taschen gehen. Wir wollen die Kommunen an den Wertsteigerungen beteiligen, die sie selber durch Planung, Aufschließung und Infrastruktur bewirken. In meiner Heimatstadt wendet die Kommune für einen Quadratmeter Nettobauland über 100 DM aus öffentlichen Mitteln auf, von der Hauptaufschließung bis zum Klärwerk, von der U-Bahn bis zum Kindergarten, - Investitionen, durch die Ackerland überhaupt erst bebaubares Land wird. Die Wertsteigerung aber, die beispielsweise der Stuttgarter Flächennutzungsplan für bisher nichtbebaute Grundstücke in 15 Jahren nach sich zieht, beträgt für 600 ha 1,2 Milliarden DM auf 6 000 Eigentümer. Da ist es nur gerecht, wenn wir alle Bürger der Stadt, die diese Wertsteigerungen mit ihren Steuermitteln bewirken, daran beteiligen und wenn wir den Städten damit neue Finanzierungsquellen für ihre Investitionen erschließen. ({6}) In vielen Gemeinden ist es ja heute aus finanziellen Gründen gar nicht mehr möglich, neues Bauland zu erschließen. Wenn die Gemeinden an diesen Wertsteigerungen beteiligt werden, dann werden sie mehr Bauland erschließen und damit das Baulandangebot erhöhen können. Das wird mit Sicherheit auch preisdämpfend wirken. Wir rechnen auch damit, daß der Bodenmarkt den Planungswertausgleich berücksichtigen wird. Der Käufer wird angesichts der späteren Ausgleichsbeträge nicht mehr jeden beliebigen Preis zahlen, sondern er wird gegebenenfalls auf andere Grundstücke mit geringeren Ausgleichsbeträgen ausweichen. Den Preisforderungen der Verkäufer werden Grenzen gesetzt. Dies wird preisdämpfend wirken. Der Planungswertausgleich ist unter Fachleuten keine grundsätzliche Frage mehr. Die Probleme liegen in der Praktikabilität. Will man einen Angebotsdruck auf dem Bodenmarkt erzeugen, dann muß man an sich die Ausgleichsabgabe möglichst weit nach vorne nehmen, nämlich lange vor die Bebauung. Damit würden aber in vielen Fällen Verdrängungswirkungen hervorgerufen, es würden nicht bauwillige oder noch nicht baufähige Bauherren von ihrem Grundstück verdrängt. Wir haben uns entschieden, den Ausgleichsbetrag spät zu erheben, nämlich dann, wenn die neue Nutzung realisiert ist, und schaffen damit auch die Parallelität zum Planungsschaden, der ja auch erst entschädigt wird, wenn er eingetreten ist. Wir sind uns darüber im klaren, daß damit die angebotsfördernde Wirkung der Ausgleichsabgabe schwächer wird und ihre Überwälzbarkeit größer. Dennoch erscheint uns dies als das kleinere Übel. verglichen mit der möglichen Verdrängungswirkung gerade auf kleine Eigentümer bei einer frühen Erhebung der Ausgleichsabgabe. In der Bewertung sehen wir kein Problem. Die Gutachterausschüsse haben sich bewährt bei der Umlegung, auch beim Planungsschaden. Sie werden auch die neue Aufgabe bewältigen. Die Zahl der Bebauungspläne wird sowieso in den kommenden Jahren geringer sein als in der Vergangenheit. Langfristig wollen wir - das habe ich gesagt - ein einheitliches Verfahren für die steuer- und planungsrechtliche Bewertung. Aber dies, Herr Dr. Schneider, ist nicht Aufgabe des Bundesbaugesetzes, sondern Aufgabe eines neuen Bewertungsrechts. Die 50 %ige Abschöpfung ist von der reinen Theorie her sicher ein schwerwiegender Mangel. Sie wird auch Probleme bei der Bewertung aufwerfen. Aber wir sind hier kein Bodenrechtsseminar, sondern wir müssen das politisch jetzt Realisierbare tun. Eine hohe Abschöpfung, etwa eine 100 %ige, würde - wie das englische Beispiel zeigt - erhebliche Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen und die Baufähigkeit manchen kleinen Eigentümers einschränken. Die SPD-Fraktion bejaht deshalb das vorgeschlagene Verfahren der Ausgleichsabgaben als einen im Grundsatz richtigen Schritt. Das Vorkaufsrecht schließlich machen wir praktikabel. Es wird auch in Zukunft davon abhängen, daß ein öffentliches Interesse vorliegt. Aber wir werden die Abwendungsmöglichkeiten sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer stärken. Wir werden das Vorkaufsrecht im Interesse einer langfristigen Bodenvorratspolitik der Gemeinde auf zukünftige Baugebiete ausdehnen. Sie muß ja in vielen Fällen Ersatzland stellen können. Wir halten es für schonender, in eine vorhandene Verkaufsabsicht einzugreifen, als einen Grundeigentümer zu enteignen, der gar nicht verkaufen will. Damit habe ich die Schwerpunkte dieses Reformvorhabens abgesteckt. Wir werden in den Ausschüssen noch über manches Detail streiten. Ich wünsche mir, daß sich die Opposition, wenn sie schon kein eigenes Konzept hat, dann wenigstens der Mitarbeit an dieser Aufgabe nicht entzieht und uns hilft, dieses Gesetz noch praktikabler und wirkungsvoller zu machen. Es geht hier nicht um Ideologie. Es geht darum, unseren Beitrag dafür zu leisten, daß unsere Städte lebenswert bleiben. Dabei zeigt sich aber auch die enge Verflechtung von Bund und Gemeinden. Es wird sehr deutlich, daß Kommunalpolitik eben nicht eine Sache von unpolitischen Fachleuten ist - sozusagen über dem Zank und Hader der Parteien -, ({7}) sondern daß wir im Deutschen Bundestag Politik für Kommunen machen; nicht um sie zu gängeln, nicht um ihnen die Selbstverwaltung zu nehmen, sondern gerade um ihnen die Werkzeuge zu geben, mit denen sie vernünftig arbeiten können. Damit wird auch die Grenze unseres Tuns hier deutlich: Wir schaffen Werkzeuge; ob sie angewendet werden, wie sie angewendet werden, wird in der Gemeinde entschieden. Die Reform des Bodenrechts -- da machen wir uns nichts vor - schafft nicht automatisch eine humane Stadt, ({8}) so wie ein besseres Werkzeug in der Hand eines Bauarbeiters ja auch nicht automatisch zu einem besseren Haus führt. ({9}) Deshalb wird entscheidend sein, ob und wie die Kommunalpolitiker dieses Gesetz anwenden. ({10}) In ihrer Hand wird es schließlich liegen, ob unsere Städte wieder wohnlich werden, ob unsere Kinder dort gut und gerne leben, ob das Wort von der „menschlichen Stadt" eine leere Phrase bleibt oder ob es Wirklichkeit wird. Lassen Sie uns alles dazu tun, den Gemeinden diese Möglichkeit zu geben. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Böger.

Dr. Rolf Böger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000214, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen, meine Herren! Nachdem meine Herren Vorredner über die Historie des Entwurfs das Nötige - wenn auch verständlicherweise aus differenzierter Sicht - gesagt haben, möchte ich darlegen, weshalb eine Überarbeitung des Bundesbaugesetzes aus der Sicht der Freien Demokraten notwendig ist. Es sind vor allem drei Gründe. Erstens. Das derzeitige Bundesbaugesetz kann die Anforderungen nicht mehr erfüllen, die die tiefgreifenden Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft an die baulichen Strukturen der städtischen und auch der ländlichen Gemeinden stellen. Die Zusammenballung von Menschen in unseren Stadtregionen mit dem dadurch notwendigen Zwang, nicht nur zu planen, sondern auch die Planung durchführen zu müssen, die Zersiedlung der Landschaft, die hohe Ansprüche an die Infrastruktur stellt, die technische Entwicklung, die Ansprüche des einzelnen und die Erfordernisse der Allgemeinheit verlangen ,eine Anpassung des Bodenrechts. Ich glaube, Herr Dr. Schneider, die Erfahrungen beweisen, daß das Bundesbaugesetz aus dem Jahre 1960 in seinem bodenrechtlichen Teil nicht mehr den heutigen Anforderungen genügt. ({0}) Die Bauleitpläne sollen eine sozial gerechte Bodennutzung gewährleisten. Die Bedürfnisse in unseren Städten und Gemeinden nach Kindergärten; Altenheimen, Straßen und Krankenhäusern - um nur einiges zu nennen - sollen befriedigt werden. Ebenso sollen die Bauleitpläne - dafür haben wir uns sehr eingesetzt - auch der Eigentumsbildung im Wohnungswesen dienen. Eine zeitgemäße Stadtbzw. Gemeindeentwicklung, die zu einer ausreichenden und den Ansprüchen - und die sind nicht gering, wie wir alle wissen - genügenden Infrastruktur führen soll, ist notwendig. Nutzbarer Boden für alle gewünschten und erwünschten Zwecke ist aber knapp und teuer. Die Handhaben der Gemeinden, in dem erforderlichen Maße auf die Verwirklichung ,der aufgestellten Bebauungspläne Einfluß zu nehmen, sind nach unserer Auffassung in dem bisherigen Gesetz zu gering und müssen deshalb verstärkt werden. Zweiter Grund: Der Verstärkung der Rechte der Gemeinden muß eine verstärkte Beteiligung der Bürger an der Aufstellung der Bauleitplanung gegenüberstehen, da die jetzigen Mitwirkungsmöglichkeiten unserem heutigen Demokratieverständnis nicht mehr gerecht werden. Drittens. Als besonders schwerwiegender Mangel wird allseits empfunden, daß solche Wertsteigerungen von Grund und Boden, ;die auf städtebaulichen Maßnahmen beruhen, wenigen einzelnen zugute kommen, obwohl die Allgemeinheit diese Wertsteigerung einzelner Grundstücke durch ihre Steuerzahlungen überhaupt erst bewirkt hat. Es kommt hinzu, daß demgegenüber - das klang schon an - die auf Grund notwendiger Planänderungen der Gemeinden eintretenden Nachteilsausgleichsregelungen in bezug auf einzelne Eigentümer immer der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Zwar hat das Städtebauförderungsgesetz einige Unzulänglichkeiten des Bundesbaugesetzes in seinem Geltungsbereich beseitigt oder wenigstens entschärft; aber eben nur - um es einmal allgemein zu sagen - für Sanierungsgebiete und außerdem nur zeitlich begrenzt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen vor allem Grundsätze des Städtebauförderungsgesetzes in das allgemeine Städtebaurecht übertragen, die bodenpolitische Situation der Gemeinden verbessert und die von allen Seiten beanstandeten Bodenspekulationsgewinne abgeschöpft werden. Der Teil der Steigerungen im Wert der Grundstücke, die durch Planungen und Investitionen der öffentlichen Hand, d. h. auf Kosten der Allgemeinheit, zuwachsen, soll nicht dem zufälligen Eigentümer allein zugute kommen, sondern der Allgemeinheit insofern, als diese Wertsteigerungen zur Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen herangezogen werden. Lassen Sie mich zu einigen Schwerpunkten der vorgesehenen Neuregelung Stellung nehmen. Planung und Möglichkeiten der Durchsetzung der Planung: Nach unserer Auffassung ist jede Reform des Bodenrechts zum Scheitern verurteilt, wenn den Gemeinden nicht die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen an die Hand gegeben werden, sachlich notwendige und von der Allgemeinheit gewünschte Maßnahmen zu planen, das heißt Bebauungspläne aufzustellen, vor allem aber die vom Rat beschlossenen Bebauungspläne auszuführen bzw. durchzusetzen. Daran mangelt es bisher, und diesem Bedürfnis trägt die Novelle Rechnung. Bauleitpläne einer Gemeinde, die ja nur einen kleinen Bezirk der Gemeinde betreffen, haben sich künftig in die städtebauliche Entwicklungsplanung der gesamten Gemeinde einzufügen. Diese Entwicklungsplanung bedeutet nicht eine Konzentration aller das Gemeindegebiet umfassenden Planungen einschließlich der Fachplanungen bei den Gemeinden. Die Gemeinde setzt aber einen Planungsrahmen. Das heißt, der räumlich kleine Bebauungsplan eines Gemeindebezirks darf nicht für sich allein betrachtet werden, sondern es muß auf die Entwicklung der ganzen Gemeinde Rücksicht genommen werden. Beispiel: Vorgesehene Straßenbaumaßnahmen können nicht nur für einen Teilbebauungsplan aufgestellt werden. Gemeindebedarfsflächen müssen im Hinblick auf die Interessen der gesamten Gemeinde ausgewiesen werden: wo ein Krankenhaus hinkommen muß, wo eine Schule, wo ein Kindergarten. Im Bebauungsplan selber soll die Gemeinde das Recht erhalten, die Art und Weise der Nutzung der Grundstücke konkreter, detaillierter und differenzierter auszuweisen, als es bisher möglich ist. Ohne dieses Recht läßt sich nach unserer Auffassung eine planvolle Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Gemeinde und eine Weiterentwicklung der Infrastruktur nicht durchführen. Stärkeren Befugnissen der Gemeinde müssen aber nach Auffassung der FDP stärkere Einwirkungsmöglichkeiten und Kontrollmöglichkeiten der Bürger gegenüberstehen. Im Gesetz ist deshalb Vorsorge getroffen, daß der einzelne Bürger über die Planungen früher als bisher informiert wird und daß er stärker als bisher mitwirken kann. Die Gemeinden müssen - darauf haben wir in der Formulierung Wert gelegt - nach dem neuen Gesetz ihre Planungsabsichten frühzeitig und in geeigneter Weise öffentlich zur Diskussion stellen, und sie müssen auch, wo immer möglich, Alternativen vorlegen. Das Ergebnis der Planungen muß auch für Laien verständlich sein. Die Erfahrungen der letzten Jahre machen diese Forderung besonders deutlich. Daher sind diese Planungsergebnisse in einem jedem Bürger zugänglichen Bericht darzustellen. Ein Bebauungsplan darf aber nicht nur auf dem Papier stehen. Er muß auch den Gemeinden die Möglichkeit geben, den Plan in die Tat umzusetzen. Denn das erwarten die Bürger ja schließlich. Um die Planung durchzusetzen und zu sichern, werden die Gemeinden nunmehr mit dem vom Städtebauförderungsgesetz her bekannten Instrumentarium ausgestattet. Dazu gehören das Baugebot, das Modernisierungsgebot, das Erhaltungsgebot, das Abbruchgebot. Es können auch Gebiete festgelegt werden, in denen der Abbruch von Gebäuden der Genehmigung bedarf. Grund: Sicherung erhaltenswerter Bausubstanz, vor allem in der Innenstadt, sozial gerechte Steuerung von Umstrukturierung, Modernisierung in den älteren Vierteln der Stadt, Vermeidung von Stadtkahlschlag. Dabei legen wir Wert darauf, daß die Eigentumsrechte des einzelnen nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Die Anwendung der verschiedenen Gebotsregelungen soll außerdem nicht eine breite Eigentumsstreuung verhindern. Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, daß die Gebote, die die Gemeinde auferlegen kann, insbesondere das Baugebot und das Nutzungsgebot, nur dann ausgesprochen werden dürfen, wenn in jedem Einzelfall die alsbaldige Bebauung und die alsbaldige bauliche Anpassung im öffentlichen Interesse erforderlich sind. Zum Planungswertausgleich: Es ist schon verschiedentlich hier ausgeführt worden, daß er ein Kernstück des Gesetzes ist. Der bebaubare Boden ist insbesondere in den Verdichtungsgebieten knapp und teuer. Ein marktgerechtes Verhältnis von Angebot und Nachfrage besteht nun mal nicht - jedenfalls in sehr vielen Orten nicht. Das Angebot ist knapp. Und warum ist es knapp? Weil es sich lohnt, in Erwartung von Wertsteigerungen sein Geld in Grundstücken anzulegen. Aus demselben Grund ist die Nachfrage stark. Ergebnis: Laufende und erhebliche Preissteigerungen bei Grundstücken vor allem in der Innenstadt, die dann leicht ein Objekt der Spekulation werden. Die Steigerungen des Wertes der Grundstücke beruhen nun zu einem Teil unmittelbar oder mittelbar auf Maßnahmen der öffentlichen Hand, die dafür - das dürfen wir nicht verkennen - ja allgemeine Steuermittel einsetzt. Die Allgemeinheit ist daher nach unserer Auffassung auch berechtigt, einen Teil der Wertsteigerung der Grundstücke zur Finanzierung des Gemeindebedarfs in Anspruch zu nehmen. Die FDP hatte ursprünglich die Absicht, die auf Neugestaltung und Entwicklung des Gemeindegebiets beruhenden Wertsteigerungen - die planungsbedingten Wertsteigerungen - auf steuerlichem Weg abzuschöpfen. Dies konnten wir beim Koalitionspartner nicht durchsetzen. Wir haben uns dann in der Koalition zusammengerauft und uns auf den Planungswertausgleich geeinigt, und zwar auf unseren Wunsch hin mit der Maßgabe, daß die Hälfte dieser Wertsteigerung dem Grundstückseigentümer verbleibt. Wir wollten dadurch unter anderem erreichen, daß der kleine Hausbesitzer nicht zu stark belastet wird und dadurch die Gefahr vermieden wird, daß er aus seinem Eigentum verdrängt wird. Wir halten eine Abschöpfung von nur 50 °/o der Wertsteigerung auch deshalb für angemessen, weil die Neugestaltung und Entwicklung des Gemeindegebiets und damit auch die Wertsteigerung der Grundstücke zu einem erheblichen Teil auf der privaten Initiative und den privaten Investitionen der Bürger - hier der Grundstückseigentümer - beruhen und weil durch die privaten Investitionen die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden wesentlich mitgetragen wird. Der Grundsatz des Planungswertausgleichs soll in dreifacher Weise verwirklicht werden: bei der Enteignung durch einen um den halben Betrag der planungsbedingten Werterhöhung reduzierte Enteignungsentschädigung; bei Ausübung des Vorkaufsrechts von seiten der Gemeinde durch eine dem Entschädigungswert entsprechende Preislimitierung; in den übrigen Fällen durch Erhebung einer Ausgleichsabgabe in Höhe der Hälfte des Wertes der planungsbedingten Wertsteigerung. Zur Zahlung des Ausgleichsbetrags ist - dafür haben wir uns mit Erfolg eingesetzt - der Eigentümer aber nur und erst dann verpflichtet, wenn er die dem Bebauungsplan entsprechende Nutzung verwirklicht hat. Ausgleichspflichtig ist demnach, um ein Beispiel zu nennen, nicht der Eigentümer eines Einfamilienhauses, der nach Änderung des Bebauungsplanes ein mehrstöckiges Haus errichten dürfte, von diesem Recht aber keinen Gebrauch macht. Außerdem - und das darf man nicht vergessen - sind auf den Planungswertausgleich die vom Eigentümer zu zahlenden Erschließungsbeiträge mindernd anzurechnen. Zu der Ausgestaltung des Planungswertausgleichs hat - Herr Minister Ravens hat es bereits ausgeführt - der Bundesrat Bedenken angemeldet. In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung dem zwar widersprochen, jedoch eine Überprüfung dieses Regelungsbereichs in Aussicht gestellt. Dazu gehört auch, Herr Dr. Schneider, die zugegeben schwierige Frage der Wertermittlung. Es soll nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die Vorschriften noch praktikabler gestaltet werden können. Wir hoffen dabei auf konkrete Vorschläge von seiten der Opposition, ({1}) und wir sind der Auffassung - das ist für uns besonders bedeutungsvoll -, daß dem gesellschaftspolitisch erwünschten Ziel einer möglichst unbehinderten Mobilität von Grund und Boden noch besser entsprochen werden kann. Ein Wort zur Enteignung. Ich darf vorweg sagen, Herr Dr. Schneider: Daß mit dem harten Instrument der Enteignung vorsichtig umgegangen werden muß, ist auch unsere Auffassung. Ich habe aber den Eindruck, daß in der Novelle auch nichts Gegenteiliges enthalten ist. Aber die Kompliziertheit und die lange Dauer von Enteignungsverfahren verzögern häufig dringende öffentliche Vorhaben in untragbarer Weise. Anlagen, die unter hohem Aufwand weitgehend hergestellt wurden, können oft nicht vollendet werden, weil einzelne Eigentümer durch juristische Mittel die Enteignung verzögern. Die Furcht vor langwierigen und langfristigen Enteignungsverfahren verleitet die Stadtverwaltungen dazu, für einzelne Grundstücke überhöhte Preise zu zahlen und so zur Überhitzung des Bodenmarktes beizutragen. Deshalb mußte das Enteignungsverfahren verbessert werden. ({2}) Über die Notwendigkeit der Vereinfachung und Beschleunigung des Enteignungsverfahrens - insbesondere dessen Trennung in ein Verfahren über den Enteignungsgrund und ein Verfahren über die Entschädigungshöhe - besteht wohl innerhalb dieses Hauses Einigkeit. ({3}) Hierdurch soll sichergestellt werden, daß der notwendige Fortschritt des gemeindlichen Planungsprozesses nicht unnötig gehemmt wird, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war. Auf der anderen Seite sollen die Rechte des Grundstückseigentümers aus seinem Entschädigungsanspruch nicht geschmälert werden. Im übrigen darf ich darauf verweisen, daß die Arten der Entschädigung erweitert werden. Mit Einverständnis der Betroffenen kann die Entschädigung auch etwa in Miteigentum an einem Grundstück oder in Immobilienfonds-Anteilen erfolgen. Für die Entschädigungshöhe gilt die bereits erwähnte sogenannte 50 %-Klausel. Damit komme ich zum Vorkaufsrecht. Die FDP ist der Ansicht, daß das Vorkaufsrecht in seiner geltenden Form nicht ausreicht, um den bodenpolitischen Bedürfnissen der Gemeinde in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Bei seiner Erweiterung muß jedoch berücksichtigt werden, daß eine notwendige sachliche, räumliche und zeitliche Ausdehnung des Vorkaufsrechts nicht zu mobilitätshemmend wirken darf und daß die Gemeinden nicht im Übermaß Bodeneigentümer werden sollen. Zeitlich darf der Schwebezustand für den Eigentümer nicht zu lange dauern. Auf der anderen Seite muß die Gemeinde Zeit haben zur Prüfung der Frage, ob sie das Vorkaufsrecht auch tatsächlich ausüben will. Die jetzt vorgesehene Frist von zwei Monaten, auf die wir uns geeinigt haben, dürfte in diesem Zusammenhang wohl angemessen sein. Die Rechtsstellung des Verkäufers, in dessen Vertrag die Gemeinde beim Vorkaufsrecht eintritt, darf nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Wir sind der Meinung, daß die vorgesehene Ausdehnung des Vorkaufsrechts den Gemeinden eine bessere - allerdings auch absolut notwendige - Grundlage für eine vorausschauende Bodenvorratspolitik gibt. Künftig hat die Gemeinde für alle bebauten und unbebauten Grundstücke dort das Vorkaufsrecht, wo ein Bebauungsplan besteht oder seine Aufstellung rechtswirksam beschlossen worden ist. Die Gemeinden haben auch ein Vorkaufsrecht für Grundstücke in baulichen Entwicklungsgebieten, die durch Satzung festgelegt sind, die sie als Austauschland oder als Entschädigung benötigen. Die Gemeinde hat das Vorkaufsrecht nach dem Entwurf aber dann nicht - und das scheint mir ein sehr wesentliches Moment zu sein -, wenn der Käufer sich verpflichtet, das Grundstück entsprechend den rechtlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes zu nutzen, d. h. die zulässige Nutzung selbst zu verwirklichen. Daß der Verkäufer das Recht hat, vom Kaufvertrag zurückzutreten, möchte ich nur am Rande erwähnen. Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn das Grundstück auch enteignet werden könnte oder wenn es für eine Umlegung benötigt wird. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechtes hat die Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis, den im Vertrag zwischen Eigentümer und Kaufinteressenten vereinbarten Preis auf den Entschädigungswert herabzusetzen. Dies ist das vielbesprochene preislimitierende Vorkaufsrecht. Unsere Absicht ist, das preislimitierende Vorkaufsrecht an die Enteignungsvoraussetzungen zu knüpfen. ({4}) Die bereits erwähnte, von der Bundesregierung angekündigte Überprüfung der Auswirkungen des Planungswertausgleichsystems wird in den weiteren Beratungen ergeben, ob und wie vermieden werden kann, daß durch das preislimitierende Vorkaufsrecht die allerseits gewünschte Mobilität von Grund und Boden zu stark beschränkt wird. Das für November vorgesehene Planspiel wird uns sicher Anschauungsmaterial dazu liefern. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes ist an die spezielle Voraussetzung gebunden, daß das Wohl der Allgemeinheit diesen Kauf rechtfertigt. Dadurch soll einer mißbräuchlichen Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Gemeinde zur Hortung von Grundstücken begegnet werden. Auf derselben Linie liegt die von uns erreichte Regelung, daß auch in innerstädtischen Zentren die Reprivatisierung bzw. Privatisierung unter gleichzeitiger Berücksichtigung weiter Kreise der Bevölkerung durchgeführt werden soll, es sei denn, die Grundstücke werden für öffentliche Zwecke oder als Austauschland benötigt. Eine Vorschrift, aus der man hätte schließen können, daß das Eigentumsrecht nicht mehr das Recht zur baulichen Nutzung umfasse, wurde aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Es muß nach unserer Auffassung auch jeder Anschein vermieden werden, der die Annahme hätte aufkommen lassen können, mit dem Bundesbaugesetz solle der Eigentumsbegriff in ein Verfügungseigentum und ein Nutzungseigentum aufgespalten werden. ({5}) Das Anliegen der FDP ist es, die privaten und die öffentlichen Interessen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. In dieser Beziehung sind wir uns mit Ihnen, Herr Dr. Schneider, und Ihren Freunden völlig einig. Dieser Ausgleich ist für die Freien Demokraten deshalb so besonders wichtig, weil der einzelne einerseits ein Teil der Allgemeinheit ist und er als Glied dieser Allgemeinheit bekanntlich Wert darauf legt, daß die Interessen der Allgemeinheit in erforderlichem Maße berücksichtigt werden. Das heißt, er will, daß genügend Straßen, Krankenhäuser, Kindergärten usw. zur Verfügung stehen. Andererseits reagiert der gleiche Bürger dann mit Recht empfindlich, wenn er befürchtet, daß von oben her über Gebühr in die Rechte an seinem Grundstück eingegriffen wird, denn das Grundeigentum, sein Haus, das er oft unter Konsumverzicht erworben hat, sieht der Bürger als das Eigentum schlechthin an, das ihm und seiner Familie mehr als schnell verbrauchte Konsumgüter langfristige Sicherheit gibt. Wir glauben, daß der vorliegende Entwurf diesem Ziel des Ausgleichs recht nahekommt. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Prassler.

Dr. Helmut Prassler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001745, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß Kollege Conradi, der hier vorhin für seine Fraktion grundsätzliche Ausführungen zu dieser Gesetzesnovelle gemacht hat, uns bereits verlassen hat. ({0}) Offenbar sind seine Wahlkampfverpflichtungen als Kandidat für die Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl wichtiger, obwohl er hier als Ihr erster Sprecher aufgetreten ist. ({1}) Ich muß einige seiner Bemerkungen hier aufgreifen. Er sprach von der Unmenschlichkeit der Städte und bezog sich gleichermaßen auf Äußerungen Konrad Adenauers wie seinerzeitige Überlegungen Damaschkes und anderer. Wer von der Unmenschlichkeit der Städte spricht, der kann nicht außer acht lassen, wer in diesen Städten in diesen ganzen Jahren Verantwortung getragen hat, ({2}) und zwar unterschiedslos nach den Mehrheiten der politischen Parteien. Ich spreche hier alle an. Man kann dies nicht außer acht lassen. Und ich sage dazu, daß in deren Zuständigkeit schon nach bisher geltendem Recht die Frage nach der Gestaltung von Flächennutzungsplänen, die Frage nach der Aufstellung von Bebauungsplänen, nach qualifizierten Bebauungsplänen, gelegen hat und damit die Frage der Mitwirkungsgestaltung der Bürger bisher schon möglich war, ohne daß es dazu solcher gesetzlicher Einzelbestimmungen bedurft hätte. ({3}) In weiten Bereichen wurde dies überspielt durch sogenannte Schubladenpläne, deren sich nur diejenigen bedienten, über deren Wissen dies dann nur in bestimmte Kreise dringen konnte, wodurch Bodenspekulationen spezieller Art möglich war, was vielleicht gar nicht erforderlich gewesen wäre. ({4}) Auch dies muß einmal an dieser Stelle gesagt werden. ({5}) -- Ich möchte keine Einzelbeispiele nennen. Aber unser Ausschuß hat anläßlich einer Ausschußbereisung letztes Jahr in München die Frage der Entwicklung eines neuen Stadtteils an Ort und Stelle demonstriert bekommen, und dort ist klar ausgeführt worden, daß das Problem des Grunderwerbs, also der Bodenvorratspolitik, nach geltendem Recht nur deshalb so schwierig war, weil die ersten Grunderwerbsverhandlungen für die dort tätige Entwicklungsgesellschaft - ich nenne auch hier keinen Namen - mit etwa 40 DM pro Quadratmeter, mit 35 DM pro Quadratmeter begonnen, aber nach rund zwei Jahren dieser Grunderwerbstätigkeit bei 240 DM geendet hätten. Hier stellte sich doch zwangsläufig die Frage, ob die Stadt nicht gut beraten gewesen wäre, dieser Gesellschaft mindestens ein kurzfristiges Darlehen zum Grunderwerb freizumachen, um zu vertretbaren Preisen größere Flächen aufkaufen zu können und nicht warten zu müssen, bis am Ende die Preise davongelaufen waren. Auch dies wäre nach geltendem Recht und bei sinnvoller Planung durchaus schon möglich gewesen. Insofern glaube ich also sehr wohl, daß Kollege Schneider recht gehabt hat, wenn er hier generaliter sagte, es hätte durchaus mit dem bisherigen Bundesbaugesetz erfolgreiche Arbeit geleistet werden können. Herr Kollege Conradi, ich freue mich, daß Sie wieder da sind. Ich nehme einen versteckten Vorwurf, Sie seien schon zum Wahlkampf nach Stuttgart abgereist, wieder zurück. Sie haben ja uns angesprochen, und deshalb sehe ich mich auch veranlaßt, Sie wieder anzusprechen. Sie haben insbesondere aus der Sicht Baden-Württembergs natürlich die badenwürttembergische CDU hier angesprochen, sie habe kein Alternativkonzept. Da ich selbst damals der Hauptverfasser des Entwurfs und der Veranlasser unserer beiden Parteitagsbeschlüsse war, sage ich Ihnen klipp und klar, daß Sie dies hier falsch aussagen, wir hätten kein Konzept oder keine Alternative. Wir haben nur ein anderes Konzept und eine andere Alternative dagegengestellt, und es ist bisher von niemandem bestritten worden, daß es mehrere Wege zur Erreichung der Ziele geben kann, und bisher ist noch niemand, auch bei Ihnen nicht, konsequent überzeugt, daß das, was Sie vorschlagen, der allein mögliche Weg wäre. ({6}) Hier werden vielmehr, wie Sie selbst ausgeführt haben, sehr wohl Mängel in Kauf genommen, und wir müssen uns noch sehr gründlich darüber unterhalten, wo denn die größeren Mängel liegen oder wo vielleicht doch die wirksameren Möglichkeiten mit etwas weniger Mängeln zum Ziele führen könnten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte!

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Prassler, die Oppositionssprecher haben vorhin gesagt, es ginge beim Planungswertausgleich nur um die Frage des „Wie". Wollen Sie bestreiten, daß Baden-Württembergs CDU zusammen mit Hessens CDU ganz entschieden beim „Ob" nein gesagt hat?

Dr. Helmut Prassler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001745, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Kollege Conradi, dieses eben nicht. Ich hätte ohnedies diesen Satz jetzt sofort ausgeführt; hier steht nämlich die Frage „Ob und Wie", wie Sie sie angesprochen haben. Es ist nicht die Frage des Ob, wie ich eben schon auszuführen versuchte. Die Frage des Ob ist für uns völlig klar entschieden. Nur die Frage des Wie nicht. Und hier kann man sehr wohl verschiedener Meinung sein. ({0}) Herr Kollege Conradi, es gibt zweifellos auch andere Wege, und ich muß hier insofern ausdrücklich auch darauf verweisen - was Kollege Schneider schon in seinen grundsätzlichen Ausführungen gesagt hat -, daß eben mit einer Novellierung des Bundesbaugesetzes die Kardinalfrage des Bodenrechts nicht so umfassend gelöst werden kann, sondern nur das Gebiet, das mit dem Instrumentarium Planungsrecht, planakzessorische Instrumente, Vorkaufsrecht, Enteignungsentschädigung und allem, was dieses Gesetz umfassen kann, lösbar ist. Die Frage des Verhaltens an unserem Grund und Boden - und dies ist doch auch Ihr Anliegen in Ihren Überlegungen, die politisch in eine ganz andere Lösungsrichtung zielen - ist eine permanente Frage und kann nach unserer Auffassung nicht mit einem einmaligen Einzelinstrument zu einem einzigen Zeitpunkt gelöst werden, ({1}) sondern hier bedarf es begleitender Instrumente, die die gesamte Zeitdauer auch im Baubodenrecht insoweit in den Griff nehmen, daß hier ein gemeinsames Interesse aller an diesem Verhalten am Bauboden generell entstehen und auch durchgehalten werden kann. Insoweit sind wir der Meinung, daß die Frage der Bewertung nicht nur eine Sachfrage als Voraussetzung zur Lösung eines bestimmten steuerlichen Problems, wie Sie es ansehen, ist, etwa mit der Einführung einer Bodenwertzuwachssteuer als Ergänzung zu einem Planungswertausgleich nach Ihrem Parteikonzept, an dem Sie ja selbst maßgeblich mitgewirkt haben, sondern daß es eine Grundsatzfrage ist, wie der Grund und Boden entsprechend seiner Entwicklung ständig bewertet und danach auch steuerlich veranlagt und in Ergänzung dazu bei Veräußerungsfällen oder bei Erwerbsfällen steuerlich behandelt oder mit Begünstigungen versehen wird. Nur in dieses Gesamtpaket kann man die Frage der Wertveränderungen des Grund und Bodens überhaupt einbauen und dann noch nach Teillösungen Ausschau halten, die sich ergänzend auswirken können. ({2}) Herr Kollege Conradi, Sie haben in diesem Zusammenhang auch die neuen Finanzierungsquellen auf diesem Weg für die Gemeinden angesprochen. Wir sind nicht der Meinung, daß dies neue Finanzierungsquellen für die Gemeinden ergibt. Ich bin hier gespannt auf unser angestrebtes Anhörungsverfahren im Ausschuß, wenn wir die kommunalen Spitzenverbände dazu hören. Ich kenne schon ganz andere Aussagen zu diesem Problem. ({3}) Auch im Vorblatt des Gesetzentwurfs wird auf diese Wertsteigerungsabgabe an drei Stellen hingewiesen. Diese Mittel sollen nämlich zur Finanzierung herangezogen werden; an anderer Stelle heißt es, sie sollen zur Finanzierung der Infrastruktur herangezogen werden. Es ist doch immerhin merkwürdig, daß die Bundesregierung selbst die Finanzierung der Infrastruktur im Vorblatt des Gesetzentwurfs anführt, so daß also etwaige Vorwürfe gegen Überlegungen, die bei uns angestellt wurden im Hinblick auf eine Lösung für einen Infrastrukturbeitrag, sicherlich nicht mehr in dieser Form aufrechterhalten werden können. Denn die Zielrichtung scheint doch offensichtlich von allen Seiten ähnlich zu sein. Nur frage ich mich, und darauf ist ja heute mehrfach hingewiesen worden, daß es nicht die Absicht sei, denjenigen, der Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser oder vielleicht auch soziale Mietwohnungen errichtet, mit diesen Abgaben zu belasten -: Was bleibt denn dann zur Finanzierung von Infrastruktur übrig? Hier muß ich wiederum aus dem Lande Baden-Württemberg eben doch ein kleines Beispiel zitieren. Nach den jüngsten Statistiken über die Kaufpreise bei Baulandveräußerungen im Lande Baden-Württemberg - mir stehen nur diese neuesten Zahlen aus dem Jahre 1973 zur Verfügung; die anderen sind noch nicht alle veröffentlicht - beziehen sich über 50 Prozent dieser Grundstückskäufe oder -Verkäufe auf baureife Grundstücke zu Preisen unter 30 DM pro Quadratmeter. Über 50 Prozent, und zwar in einer Zahl von rund 10 000 Fällen - damit auch diese Zahl in der Offentlichkeit bekannt wird. Unter diesen Umständen können wir durchaus über den Rest von einigen hundert Fällen, die dann zwischen hundert und fünfhundert DM gelegen haben, reden. Aber wenn Sie mit uns das Ziel des Eigentumserhalts, der neuen Eigentumsgründung verfolgen, dann können wir nicht mehr von den dann aufkommenden Abschöpfungsmitteln aus einem Planungswertausgleich oder einer anderen Abgabe reden, mit denen nicht diese vielen Fälle getroffen werden können, weil Sie ja auch nach Ihrem Gesetzentwurf den Beitrag zu den Erschließungskosten darauf anrechnen wollen. Bei solchen Kaufpreisen geht das also mit Sicherheit unter dem Strich mit Null aus, und dann bleiben nur noch wenige Fälle übrig. Dann sollten wir uns ehrlicher- und gerechterweise darüber unterhalten, ob es dazu einer Lösung bedarf, die voraussetzt, daß zunächst alle bewertet und berechnet werden müßten, um am Ende die wenigen greifen zu können. Diese Frage darf ich doch wohl in diesem Zusammenhang stellen. Wir wollen dies durchaus sachgerecht tun und daran mitwirken. ({4}) Wenn Sie aber z. B. im Vorblatt des Gesetzentwurfs der Regierung noch lesen, daß die Mehrkosten der Gemeinden durch erhöhten Verwaltungsaufwand durch zusätzliche Einnahmen, die dem gegenüberstünden, gedeckt werden könnten, stelle ich das zumindest wegen des soeben Gesagten etwas in Frage. Ich glaube, auch darüber sollte noch näher nachgedacht werden. Herr Minister Ravens hat in seinen Darlegungen heute auf den anstehenden Gesetzentwurf sehr sachlich und nüchtern Bezug genommen. Herr Bundesminister, ich muß Ihnen allerdings ergänzend auch folgende Frage stellen. Ihr Vorgänger im Amt hat uns als den Mitgliedern des zuständigen Fachausschusses ein Programm für diese Wahlperiode vorgelegt, in dem der vom Kollegen Schneider politisch angesprochene Stufenplan des Gesamtkonzepts der Sozialdemokratischen Partei nach ihren Beschlüssen insofern nicht unerheblich seinen Niederschlag gefunden hat, als uns auch dort amtlich - das ist das Protokoll Nr. 1 unserer ersten Ausschußsitzung - von Ihrem Hause mitgeteilt wurde, die Gesamtabsicht sei, diese Novelle als ersten Schritt auf alle Fälle in dieser Wahlperiode durchzuführen und in einer zweiten Stufe daneben die Voraussetzungen für die Einführung einer BodenDr. Prassler wertzuwachssteuer dadurch zu schaffen, daß ein neues Bewertungsrecht in Angriff genommen werde. So sagte Herr Minister Vogel als Vorgänger in Ihrem Amte. Am Ende sollte dann - voraussichtlich in der nächsten Wahlperiode oder später - überlegt werden, wie das Ganze durch die Einführung neuer Eigentumsformen abgerundet werden sollte, über die wir uns inzwischen auch im Ausschuß an Hand anderer Gesetzgebungsvorhaben schon konkret unterhalten konnten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns in Ergänzung dessen sagen würden, ob Sie diese Arbeitsprogrammatik insgesamt von Ihrem Vorgänger unverändert übernommen haben und weiterführen wollen, ob es also bei Ihrer Gesamtüberlegung des Konzepts geblieben ist, so daß wir uns nach wie vor auch über die Stufen 2 und 3 unterhalten müssen, wenn wir über Stufe 1 konkrete Entscheidungen zu fällen haben; denn das Ganze kann nur im Zusammenhang gesehen werden. Ich glaube, es ist nicht nur das Recht, sondern die außerordentliche Pflicht der derzeitigen Oppositions-Fraktion CDU/ CSU, auf diese Zusammenhänge in allen Teilen und auch in vielen einzelnen Teilen des Gesetzes hinzuweisen, ({5}) so z. B. auch in dem Schwerpunkt, der heute so herausgestellt wird, einer Inanspruchnahme planungsbedingter Wertsteigerungen, die also nicht durch eigenes Zutun entstanden sind für die Finanzierung öffentlicher Infrastruktur- oder Allgemeinwohleinrichtungen. Ich glaube, dies ist unsere Aufgabe, und ich sage dazu noch einmal ausdrücklich: Die CDU/CSU ist nicht nur bereit, sondern sie legt Wert darauf, an einer solchen Gesetzgebung in dem von uns konzipierten Sinn aktiv mitzuwirken, und wartet deshalb zunächst gespannt auf die Möglichkeit der Anhörung weiterer Sachverständiger zum Gesamtkomplex sowie auf die Möglichkeit, im Planspiel alle diese Fragen daraufhin zu untersuchen, wie sie sich überhaupt praktikabel gestalten lassen. Daraus werden wir unsere weiteren Schlüsse ziehen und unsere entsprechenden Änderungsanträge im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens stellen. ({6}) Präsident 'Frau Renger: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat. Dieses bekannte Zitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Januar 1967 soll in Erinnerung rufen, um was heute die Debatte geht. Zu den in der Verfassung garantierten Grundrechten gehört das Recht auf Eigentum. Hierauf bauen die Konservativen unseres Landes ihre dogmatische Ideologie auf und betrachten fast jede einschränkende Inhaltsbestimmung als Angriff auf die geheiligten Güter der Nation. ({0}) So, wie die Kirchen in ihrer Denkschrift zum Baubodenrecht aber das Eigentum nicht als Letztwert bezeichnen, geht auch das Grundgesetz davon aus, daß, zumal beim Grund und Boden, die soziale Einbindung und die Interessen des Gemeinwohls eine ebenbürtige Rolle zu spielen haben. Dieses Spannungsverhältnis ist für konkrete Gestaltungen des Gesetzgebers der permanente dynamische Verfassungsauftrag. Wir Sozialdemokraten denken deshalb darüber nach, wie der gemeinschaftsschädigende Mißbrauch von Eigentum abgebaut oder aufgehoben werden kann. Wir nehmen also das verfassungsrechtliche gebotene Sozialstaatsprinzip ernst, welches in dem eben genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1967 auch schon dadurch zum Ausdruck kam, als ausgeführt wurde, daß beim Grund und Boden jedenfalls das freie Spiel der ökonomischen Kräfte mit Einschränkungen versehen werden müsse. Herr Kollege Dr. Schneider, es war natürlich zu erwarten, daß Sie wie schon im vorigen Jahr am 4. Oktober 1973 in diesem Hause das Problem einer eigentumsrechtlichen Lösung der Bodenfrage hochspielen würden, ({1}) obwohl wir uns heute eigentlich über die Novelle zum Bundesbaugesetz unterhalten. Sehen Sie: Das deutsche Volk wurde und wird als Volk der Dichter und Denker bezeichnet, und die parlamentarische Arbeitsteilung scheint mir nun darin zu bestehen, daß Sie uns das Denken und sich selbst das Dichten - besser gesagt, das Andichten - überlassen. ({2}) Es ist nämlich immer wieder die gleiche Platte, meine Damen und Herren: Der Sozialdemokratie soll angedichtet werden, daß sie „Omas klein Häuschen" enteignen will. ({3}) Dabei wird unterstellt, daß wir die verfassungsmäßige Ordnung auf den Kopf stellen wollen. Das Gegenteil, Herr Kollege, ist aber der Fall. Bei unseren Überlegungen können wir darauf verweisen, daß beispielsweise der Bundesverfassungsrichter Professor Leibholz bereits vor einigen Jahren die Trennung des Eigentums an Grund und Boden und den darauf stehenden Gebäuden ganz generell als verfassungskonformes Denkmodell vorstellte. Wenn jetzt gerade der 50. Deutsche Juristentag zu Ende geht, so darf idh vielleicht daran erinnern, daß vor zwei Jahren der 49. Deutsche Juristentag in Düsseldorf mit 83 zu 8 Stimmen - nur damit klar ist, wieviel „ideologische Himmelsstürmer" es gibt; die deutschen Juristen, Herr Dr. Schneider, „ideologische Himmelsstürmer" ! - einen Beschluß angenommen hat, der darauf abzielt, eine Fortentwicklung des Eigentumsbegriffs zu prüfen. In diesem Zusammenhang solle auch untersucht werden, ob die Nutzerposition durch ein besonderes Nutzungseigentum gesetzlich zu begründen sei. ({4}) Meine Damen und Herren, zum einen geht es um das Problem der Gerechtigkeit und des Leistungsprinzips, das Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit und der einzelnen Bauwilligen ohne irgendeine Leistung oder irgendein Risiko des zufälligen Bodeneigentümers ausschließen sollte, zum anderen brauchen wir aber auch rechtliche Instrumentarien, um in unseren Städten Mehrfachnutzungen ein und desselben Grundstücks in verschiedenen Geschoßebenen und Höhenlagen in Griff zu bekommen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schneider?

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Waltemathe, da Sie meine gegenteilige Meinung zu den beabsichtigten Plänen der SPD, ein Verfügungs- und Nutzungseigentum einzuführen, mit einer konservativen, wenn nicht reaktionären Gesinnung in Verbindung gebracht haben, frage ich Sie, ob auch der Bundesregierung Brandt /Scheel von 1969 bis 1972 eine reaktionäre Gesinnung zu unterstellen ist, wenn sie im ersten Städtebaubericht 1970 behauptet, zur Lösung bodenpolitischer Probleme bedürfe es nur der Ausschöpfung des Gestaltungsraumes des Art. 14, keineswegs aber einer Änderung unserer bestehenden Eigentumsordnung. Das ist der Standpunkt, den wir, die CDU/CSU, heute nach wie vor einnehmen.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Schneider, wenn Sie Art. 14 des Grundgesetzes zitieren, so denken Sie offensichtlich immer nur an den ersten Absatz. ({0}) Wir glauben - und Sie müssen Art. 15 dazunehmen, wenn Sie den verfassungsrechtlichen Rahmen sehen wollen -, daß wir die Verfassung tatsächlich ausschöpfen und daß wir uns im Rahmen der Verfassung bewegen werden. ({1}) Es gibt, meine Damen und Herren, einen engen Zusammenhang zwischen der Eigentumsgarantie und dem Eigentumscharakter baulicher Nutzungsrechte. Wenn früher natürliche Beschaffenheit und Lage eines Grundstücks, beispielsweise die Lage innerhalb der Stadtmauern, beispielsweise die Erreichbarkeit eines Grundstücks mit Pferd und Wagen, praktisch die Bebaubarkeit eines Grundstücks bereits bestimmten, so ist in unserem heutigen Zeitalter doch theoretisch wie technisch jedes Grundstück bebaubar. Ob es aber tatsächlich bebaut werden darf, ist eine Frage der Dichte, der notwendigen Grün- und Erholungsflächen, des Klimas, der öffentlichen Infrastruktur. Bebauungsrechte erhalten damit sozusagen den Charakter von Zuteilungsgutscheinen unter raumordnerischen und gesamtplanerischen Gesichtspunkten. Solche Zuteilungen oder ihre Versagung haben aber für den einzelnen zufälligen Eigentümer erhebliche positive oder negative finanzielle Folgen und widersprechen vom Prinzip her - wenn kein Ausgleich stattfindet - sowohl dem Verfassungsprinzip der Gleichbehandlung als auch dem der Verhältnismäßigkeit. Gleichzeitig ist es ein Problem unserer Zeit und der Zukunft, daß Bebauungsrechte dispositionsfähig bleiben müssen, um spätere Entwicklungen und Bedürfnisse nicht unabänderlich zu verbauen. Wer soziale Gerechtigkeit und eine humane Stadt will, muß sich, meine Damen und Herren, damit auseinandersetzen, ob einmal verliehenes Baurecht ein ewiges Recht, ein starrer Bestandteil des Bodeneigentums sein soll oder ob nicht sowohl die notwendige Veränderung als auch die notwendige Erhaltung städtischer Strukturen nach einem Baurecht verlangen, das von der Gemeinschaft zugeteilt, ausgestaltet, befristet und vom einzelnen, vom Privaten ausgenutzt und möglicherweise bezahlt wird. Nun geht der vorliegende Gesetzentwurf nicht den Schritt der befristeten Nutzung, aber er ist mit der entschädigungsfrei bleibenden Herabsetzung nicht ausgeübter Baurechte auf dem richtigen Weg, und auch diesen Weg hatte uns unter anderem der 49. Deutsche Juristentag aufgezeigt. Für einen Bremer ist es im übrigen ein leichtes, darauf hinzuweisen, daß beispielsweise in unserem Hafenbereich der größte Teil des Grund und Bodens der Stadtgemeinde gehört, während Speicher, Produktions- und Lagerstätten der hafengebundenen Wirtschaft in deren Eigentum stehen. Dies ist bereits seit der Jahrhundertwende der Fall und ein Beispiel dafür, daß die aufgeregte Polemik gegen eigentumsrechtliche Vorstellungen keinen Beitrag zu einer sachgerechten Bewältigung städtebaulicher Strukturprobleme darstellt. ({2}) Im übrigen: Das Hochspielen der noch nicht abgeschlossenen Denkergebnisse innerhalb der sozialdemokratischen Partei soll natürlich ein Ablenkungsmanöver von der Schwäche der Opposition sein, die zur Frage, um die es heute eigentlich geht, keine einheitlichen Vorstellungen hat ({3}) und demgemäß - wie bei anderen wichtigen Reformprojekten auch - keine Alternativen aufzuzeigen in der Lage ist. ({4}) Es ist natürlich peinlich, Herr Kollege Dr. Jahn, wenn im September 1973 die CSU, die manchmal auch etwas Vernünftiges schreibt, ({5}) ausführt, durch den Kollegen Dr. Schneider ausführen läßt - vor heute genau 52 Wochen -, ihr Parteitag könne die CSU-Reformvorschläge nur als Ganzes verabschieden, da es sich um eine in sich abgestimmte und schlüssige Einheit handele. In dieser schlüssigen Einheit stelle der Planungswertausgleich den Kern der CSU-Reformthesen dar. Und ausdrücklich betont Herr Dr. Schneider: Ohne seine - nämlich des Planungswertausgleichs Verankerung im neuen Bau- und Bodenrecht wären alle anderen Vorschläge zur Fortentwicklung des Bodenrechts hinfällig. Die CDU dagegen hat knapp zwei Monate später auf ihrem 22. Bundesparteitag im Hamburg eben dieses Kernstück eines Vorschlagpakets ausdrücklich abgelehnt. Ich kann auch feststellen, daß die von Herrn Dr. Schneider in den Gesellschaftspolitischen Kommentaren vom 15. Dezember 1973 angekündigte selbständige Gesetzesinitiative ausgeblieben ist. Beim tapferen Schneiderlein kamen sieben auf einen Streich; hier kommt noch nicht einmal eins auf einen Streich. ({6}) Diese Alternative ist also bis heute noch nicht auf den Tisch des Hauses gelegt worden. Es ist gut, daß die C-Parteien sich in der Opposition befinden, weil es verhängnisvoll wäre, wenn wir im Städtebaurecht nicht ein gutes Reformstück weiterkämen. Wenden wir uns nun der in Erster Beratung anstehenden Novelle zum Bundesbaugesetz zu. Der in Zeiten absoluter CDU/CSU-Mehrheit hier im Hause zuständige Wohnungsbauminister Lücke nannte seinerzeit in der Dritten Beratung zum Bundesbaugesetz am 20. Mai 1960 vier Ziele, die mit dem Bundesbaugesetz verfolgt werden sollten: erstens rechtliche Handhabung für eine zukunftweisende Wohnungsbau- und Städtebaupolitik einschließlich der notwendigen Sanierung der Gemeinden und Städte, zweitens die Zusammenfassung der zersplitterten baurechtlichen Bestimmungen in einem Bundesgesetz und Anpassung dieser Bestimmungen an die Grundsätze unseres Grundgesetzes, drittens Festlegung der Inhaltsbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 14 des Grundgesetzes und viertens Beseitigung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke und Überführung des Grundstückmarktes in die soziale Marktwirtschaft, gleichzeitig Einbau von Bestimmungen, die sicherstellen sollten, daß dem Bodenwucher wirksam entgegengetreten wird und ein Markt entsteht, der Bauland zu gerechten Preisen anbietet. Wir können heute längst feststellen, meine Damen und Herren, daß von diesen Verheißungen - mit Ausnahme der Rechtsvereinheitlichung - in der Praxis nicht viel übriggeblieben ist. ({7}) Die Ungerechtigkeit der Sozialisierung von Wertverlusten und der privaten Aneignung von Wertsteigerungsgewinnen ist zunehmend von der Bevölkerung empfunden worden und schreit nach einer Korrektur. ({8}) - Wir sind seit 1969 in der Regierung. Wir haben 1971 das Städtebauförderungsgesetz gemacht und machen jetzt das Bundesbaugesetz, Herr Kollege. ({9}) - Herr Niegel, hören Sie schön zu! Nach 1960 hat sich das Baulandangebot nicht vermehrt, sondern vermindert. Nach einer Untersuchung des Deutschen Städtetages sind die Preise der Baugrundstücke seit 1960 trotz des Inkrafttretens des Bundesbaugesetzes um ein Vielfaches stärker gestiegen als die Kosten für Lebenshaltung, die Baupreise und das Einkommen. Von 1960 bis 1969, in einem Zeitraum von zehn Jahren, sind die Preise für baureifes Land auf das Vierfache gestiegen, seit 1950 sogar auf das Zwölffache, und wenn man auch noch die Wertsteigerungsgewinne durch Planung einschließt, sogar auf das 27fache. Der Deutsche Städtetag hat errechnet, meine Damen und Herren, daß allein in den ersten zehn Jahren seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes durch Umwidmung von Ackerland in Bauland nicht durch Leistungen des Eigentümers bedingte Wertzuwächse von rund 50 Milliarden DM entstanden sind und daß diese privat vereinnahmten Wertsteigerungsgewinne höher waren als die von Bund, Ländern und Gemeinden gewährten öffentlichen Mittel für den Wohnungsbau. Diese und ähnliche Punkte haben gleichzeitig verhindert, den mündigen Bürger in die Planungsprozesse als Mitwirkenden einzubeziehen, weil jedes Bekanntwerden von Planungsabsichten das Spekulationskarussel in Bewegung setzte. Die Novellierung des Bundesbaugesetzes verfolgt das Ziel, erstens in Zusammenhang mit der Kappung von Spekulationsgewinnen mehr Demokratie und mehr Transparenz bei der Planung unserer bebauten und bebauungsfreien Umweh einzuführen, zweitens mehr Möglichkeiten für die Gemeinden zu schaffen, Planungsabsichten differenziert und detailliert zu offenbaren, möglicherweise auch in Alternativen zu offenbaren, drittens ein Stück mehr Gerechtigkeit bei der Festsetzung von Entschädigungen und bei der Heranziehung von Planungswertgewinnen zur Finanzierung öffentlicher Investitionen zu üben und viertens durch das Zusammenspiel eines Gebotskatalogs, durch verbesserte Vorkaufs- und Enteignungsmöglichkeiten - bei Wahrung eines vollen Rechtsschutzes für den betroffenen Bürger - eine zügigere Durchführung beschlossener Planungen zu bewirken. Zum Abschluß ein Zitat: Man könnte zum Beispiel durch eine Ausgestaltung des Enteignungsrechts Sorge tragen dafür, daß der Grund und Boden zu einem annehmbaren Preise erworben wird. Heute sind wir an der ganzen Peripherie der Stadt blockiert von Grundstücksspekulanten, die den Grund und Boden sehr teuer bezahlt haben wollen und denen es gar nicht einfällt, ihn zu einem billigen Preis abzugeben. Wenn wir aber das Enteignungsgesetz weiter ausbauen, so könnten diese Leute enteignet werden im Interesse der Allgemeinheit, und dann bekommen wir den Grund und Boden zu einem annehmbaren Preise. Diese Worte sprach ein Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft in einer Debatte am 5. November 1902, zu einer Zeit also, als wir noch das Achtklassenwahlrecht hatten, also als man sich für Eigentum auch noch Stimmrechte kaufen konnte. Dieser zitierte Abgeordnete wurde erster Reichspräsident der Weimarer Republik und hieß Friedrich Ebert. ({10}) Mit der Bundesbaugesetz-Novelle, 72 Jahre später nach dieser Rede, soll zwar nicht ausschließlich oder auch nur vorwiegend die Enteignung geregelt werden. Aber die Probleme von damals sind zum großen Teil auch heute noch aktuell. Es geht darum, Voraussetzungen zu schaffen für menschlichere Stadtplanung, für größere Verfügbarkeit von Grund und Boden und für gerechtere Preisgestaltung. In den Ausschußberatungen werden wir zweifellos die Probleme der Praktikabilität im Auge behalten. In erster Linie aber wird es darauf ankommen, was wir politisch wollen. Dabei wird die Opposition allerdings Farbe bekennen müssen. ({11}) Ich hoffe, daß das nicht die Trauerfarbe Schwarz sein wird. ({12})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß der vorliegende Entwurf nicht alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Bodenrechtsreform stellen, beantwortet. Er kann diese Fragen auch gar nicht alle beantworten, weil hier die steuerliche Problematik nicht ihren richtigen Platz hätte. Wir werden uns sicherlich in der Zukunft mit einer Verlängerung der Spekulationsfrist befassen müssen. Auch wir sind dezidiert der Meinung, daß in einem neuen System des Bodenrechts die Grunderwerbsteuer keinen Platz mehr hat. ({0}) Wir müssen uns aber wohl in dieser Stunde darauf beschränken, jetzt das Notwendige, aber gleichzeitig Mögliche zu tun. Das wiederum wird um so besser möglich sein, wenn wir die Zeit nicht darauf verschwenden, immer erneut, Herr Kollege Dr. Schneider, diese Bundesregierung mit irgendwelchen Parteitagsbeschlüssen eines Koalitionspartners zu befassen. Wir haben uns damals an dieser Stelle - und auch wir persönlich - anläßlich der Aussprache zur Großen Anfrage Ihrer Fraktion zum Städtebau sehr eingehend mit der Frage des Verfügungs- und des ' Nutzungseigentums auseinandergesetzt. Von dieser Stelle aus ist die klare Antwort der Bundesregierung durch den zuständigen Ressortminister erteilt worden, daß ein derartiges System nicht zur Programmatik und nicht zu den Absichten dieser Bundesregierung gehöre. Was seitens der Freien Demokraten von mir hier zu diesem Thema gesagt wurde, war wohl auch klar genug. Warum halten wir uns also mit Parteitagsbeschlüssen auf, die ein sehr interessanter Diskussionsbeitrag sein mögen, ({1}) die aber, wie Sie genau wissen, zumindest in einem System der Koalitionsregierung unter unserer Beteiligung jedenfalls nie durchsetzbar sein werden! ({2}) Mir erscheint es - und das ganz ernstlich - jetzt wichtiger, bei den Beratungen eine Antwort der Union auf die gestellten Fragen zu erhalten. ({3}) Sie müssen den Versuch machen, in diesem Lande endlich mit einer Zunge zu sprechen. Denn das ist ja genau der Zwiespalt, meine Damen und Herren von der Opposition: während Sie, Herr Kollege Dr. Schneider, von dieser Stelle aus vorhin dem System der Abschöpfung derjenigen Wertsteigerungen, die allein planungsbedingt sind in einer modifizierten Form das Wort geredet haben ({4}) - hier meinetwegen die Meinung der Fraktion vorgetragen haben -, hat mir ein Kollege Ihrer Landesgruppe zugeflüstert, man berate hier etwas, was völlig überflüssig sei; das ganze Gesetz habe keinen Sinn und in unserer Zeit keinen Platz. ({5}) - Mir fällt der Name im Moment nicht ein, Herr Kollege. ({6}) - Ja, Ihr Passauer Kollege, der Kollege Fuchs war es. Aber mir geht es gar nicht darum, hier jemanden zu denunzieren. Ich werde gleich einen weiteren NaEngelhard men eines Kollegen nennen, der jetzt leider weggegangen ist; denn es ist bis heute, Herr Kollege Dr. Schneider, ja undementiert, daß Sie sich mit Ihrer Auffassung auf dem Münchener Parteitag der CSU den Zwischenruf des Kollegen Niegel eingehandelt haben, der Sie bei dieser Gelegenheit als Sozialisten bezeichnet haben soll, ganz einfach deswegen, weil Sie - jedenfalls im Ansatz - einer Reform unseres Bodenrechts das Wort geredet haben. ({7})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmöle?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß dann, wenn eindeutige Parteitagsbeschlüsse und auch ein Beschluß der Frakti on vorliegen, daß planungsbedingte Wertsteigerungen abgeschöpft werden sollen, das auch als verbindliche Meinung der CDU/CSU zu akzeptieren ist, ({0}) und sind Sie bereit, darüber hinaus zuzugestehen, daß der Weg zur Abschöpfung dieser planungsbedingten Wertsteigerungen in der gesamten Fachdiskussion umstritten ist und es dazu eine Reihe von Möglichkeiten gibt?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich habe soeben meinen Beitrag sehr abgewogen formuliert und deswegen das Verfahren beiseite gelassen. Weichen Sie nicht bereits wieder auf das Verfahren aus. Wenn Sie Fraktionsbeschlüsse haben und das die Beratungen fördern wird, begrüßen wir das. ({0}) Ich muß mit aller Deutlichkeit - Herr Kollege, lassen Sie mich bitte aussprechen - sagen, daß diese Doppelzüngigkeit zur Stunde noch Ihr Problem ist; denn während Sie hier - meinetwegen als Fraktion und nicht in Einzelbeiträgen ({1}) und als Partei - Ihre Bereitschaft vortragen, laufen draußen Ihre Parteifreunde im ländlichen Raum - auch Kollegen aus diesem Hause - herum, von Versammlung zu Versammlung, von Stammtisch zu Stammtisch, um den Bauern, für die dieses Problem nach der vorgesehenen Gesetzgebung nie aktuell werden wird, einzureden und weismachen zu wollen, jetzt sei die Stunde gekommen - der zweite Schritt ist ja sowieso die angebliche totale Enteignung -, wo als erster Schritt jeder Verkauf von Bauland künftig von der öffentlichen Hand in einer Weise herangezogen würde, daß unter dem Strich kein Pfennig bliebe. Ich glaube, das muß deutlich gemacht werden. Das ist Ihr Problem, und damit müssen Sie fertig werden. Wir wollen nicht von Einzelfällen ausgehen; aber wenn sich das in der Breite zeigt, dann ist hier ganz deutlich, daß Sie mit diesen Problemen parteiintern - und möglicherweise fraktionsintern - einfach noch nicht fertig geworden sind. ({2}) Ich möchte nun zu einigen Fragen, die bereits angesprochen worden sind, die wir als Freie Demokraten aber für besonders wichtig halten und für deren Bewältigung wir uns auch im Vorfeld der Entstehung des Entwurfs bereits nachdrücklich eingesetzt haben, einige Bemerkungen machen. Es ist ganz sicherlich ein Kernübel des geltenden Rechts, daß das zulässige, aber noch nicht verwirklichte Baurecht einen nahezu absoluten Schutz genießt. Das ist von den Auswirkungen her für unseren Städtebau verheerend. Hier werden Planungen von heute ganz einfach blockiert von den Vorstellungen voll vorgestern, ohne daß bei knapper Finanzmasse und der Notwendigkeit, ja alles und jedes zu entschädigen, planerisch eine Ausweichmöglichkeit besteht. Umgekehrt wird man aber - und darauf haben wir aus mehreren Gründen großen Wert gelegt - dafür sorgen müssen, daß einmal getroffene Planungsentscheidungen einen gewissen Bestandschutz genießen. Deshalb haben wir mit Nachdruck für die Hereinnahme einer vierjährigen Vertrauensschutzfrist in den § 44 gesorgt, und dies aus zwei Gründen: Zum einen muß der Eigentümer zumindest über einen bestimmten Zeitraum disponieren können und in den Bestand einer einmal getroffenen Entscheidung sein Vertrauen setzen können. Zum anderen muß die einzelne Gemeinde auch mit finanziellen Mitteln gezwungen werden, sorgfältig zu planen und nicht heute diese und morgen, weil man etwas übersehen hat und es jetzt anders besser gefällt, jene Entscheidung zu treffen. Hier muß auch auf die Gemeinde ein gewisser Druck ausgeübt werden. Für den ländlichen Bereich und die Landwirtschaft sind einige Bestimmungen des Entwurfs vor sehr großer Bedeutung. Ich beschränke mich hier darauf, nochmals auf § 35 in seiner neuen Fassung zu verweisen, wo dem Strukturwandel im ländlichen Raum und den damit verbundenen veränderten Belangen innerhalb der Landwirtschaft in einer meines Erachtens ausgezeichneten Weise Rechnung getragen wurde. Ich glaube, an dieser Stelle sollte es gesagt werden, daß hier dem Bundeslandwirtschaftsminister der besondere Dank dafür gebührt, daß er schon während der Vorberatungen und nicht erst in den Ressortabstimmugen besonders nachdrücklich tätig war und dafür gesorgt hat, daß hier eine Lösung gefunden wurde, die der veränderten Situation innerhalb der Landwirtschaft angemessen ist. Zur Frage der Ausgleichsbeträge will ich hier nichts über das Verfahren und auch nichts über die Problematik sagen, ob eine steuerrechtliche oder beitragsähnliche Lösung gewählt werden soll; damit werden wir uns noch im einzelnen auseinanderzusetzen haben. Aber ich will etwas zur Höhe des Abschöpfungssatzes sagen. In der Öffentlichkeit ist manchmal der Eindruck entstanden, die Frage lasse sich mit dem Satz beantworten: 50 % sind eben die Hälfte von 100 %. Rechnerisch ist das richtig. Was stand hinter dem Satz? Es stand hinter ihm die Vermutung, daß man zwar an leistungslose Gewinne herangehen wolle, aber eben nur ein bißchen. Die einen hätten 100 % verlangt und die anderen etwas weniger, und dann habe man sich ganz einfach jenseits der Sache schließlich auf 50 % geeinigt. Ich glaube, eine derartige Annahme wäre grundfalsch. Insofern, Herr Kollege Conradi, wird man auch nicht von dem politisch Durchsetzbaren sprechen können, sondern ich glaube, mit dem Abschöpfungsprozentsatz von 50 ist auch die fachlich und in der Sache richtige Entscheidung getroffen worden. Ich will hier nur zwei Gründe erwähnen. Dort, wo erstmals durch Bebauungspläne Grünfläche zu Bauland wird, haben wir es doch mit dem Problem zu tun, daß sich bei einem Abschöpfungsprozentsatz von 100 nach einiger Zeit Erwartungswerte nicht mehr bilden würden. Das wäre eine Benachteiligung der betroffenen Bauern; sie könnten durch den Verkauf nicht mehr den Wert erlösen, der sie instandsetzen würde, an anderer Stelle neue landwirtschaftliche Grundstücke zu erwerben. Zum anderen wird natürlich durch einen reduzierten Abschöpfungssatz das ganze Problem auch vom Verfahren her etwas praktikabler gemacht. Die Vielzahl der zu erwartenden Prozesse wird reduziert, und es wird vor allem verhindert, daß sich ein Kartell aller Eigentümer gegen die Planer bildet, weil bei einer Abschöpfung von 100 % der gesamte Wert bis zum letzten Pfennig herangezogen würde und hier seitens der Eigentümer eine wirtschaftlich durchaus verständliche Obstruktion zu erwarten wäre. Bei bebauten Grundstücken würde sich die Frage stellen, ob bei einer Heranziehung zu einem sehr hohen Prozentsatz die planerischen Zielsetzungen überhaupt noch realisiert werden könnten. Ganz einfach deswegen: Wo für den Eigentümer kein Anreiz bestände, von der erhöhten Nutzungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, so daß er lediglich mit den Schwierigkeiten und auch dem Risiko eines größeren Neubaus belastet wäre, gäbe es wenig Anlaß für ihn, dein Signal der Planer zu folgen und entsprechend den Festsetzungen von der Möglichkeit, höher und größer zu bauen, tatsächlich Gebrauch zu machen. Eine ganz zentrale Frage im Zusammenhang dieses Entwurfs ist für uns die der Bürgerbeteiligung. Diese Novelle bringt, wie immer wir sie konstruieren, einen ganz wesentlichen Kompetenzzuwachs für die Gemeinden. Nun stellt sich die Frage, wie dieser Machtzuwachs einer entsprechenden Kontrolle unterworfen werden soll. Wir haben heute überall Mitwirkungsrechte: am Arbeitsplatz, im staatsbürgerlichen Bereich, im Bereich der Schule. Was läge näher, als auch innerhalb des Entwurfs dieser Novelle dafür zu sorgen, daß der Bürger in seinem ureigensten Wohnbereich, im Bereich seiner eigenen Gemeinde, künftig ein notwendiges und gewichtiges Wort mitzureden hat? Zunächst einmal muß am Anfang eine umfassende Information stehen. Uns wäre zum Thema der Bürgerbeteiligung eine etwas konkretere Fassung sicher lieber gewesen. Wir können aber nicht übersehen - das ist in der Begründung zutreffend ausgeführt -, daß wir uns hier noch in einem gewissen Experimentierstadium befinden und daß das Verfahren ins Kommunalrecht eingreift und wir als Bundesgesetzgeber uns deshalb einige Zurückhaltung auferlegen müssen. Nach unserer Meinung muß die Bürgerbeteiligung aber zwingend festgelegt werden. Hier darf nicht mit Sollvorschriften gearbeitet werden. Wenn der Bundesrat darauf verweist, daß eine Sollvorschrift im Fall einer gerichtlichen Nachprüfung eine geringere Gefahr der Aufhebung eines Bebauungsplans beinhaltet, dann müssen wir dazu sagen: Genau dies ist beabsichtigt! Denn spätestens durch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Bebauungsplan des Europäischen Patentamts in München ist deutlich geworden, daß die bestehenden Vorschriften nicht einmal von Großgemeinden gesetzmäßig gehandhabt worden sind. Damit muß Schluß gemacht werden. Die Gemeinden müssen angehalten werden, hier der Bürgerbeteiligung Tür und Tor zu öffnen und Gelegenheit zu entsprechender Mitwirkung zu geben. Damit müssen wir auch deutlich machen, daß die öffentliche Hand ja nicht immer nur die Rolle des Freundes und Helfers des Bürgers gespielt hat. Nicht allein private Spekulation, sondern auch die Mitwirkung der öffentlichen Hand hat eine Stadt wie Frankfurt ruiniert. Das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden. Deswegen müssen wir dem Kompetenzzuwachs der Gemeinden ein Modell entgegenstellen, das den Bürger befähigt, in wirksamer Weise ein gewichtiges Wort mitzureden. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Mick.

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin lange genug in diesem Hohen Hause, um zu wissen, was man diesem Hohen Hause an einem Freitag zumuten kann. Ich bin aber auch lange genug in diesem Hohen Hause, um zu wissen, was man meinen Freunden und mir zumuten kann. Ich spreche hier konkret den Kollegen Waltemathe an, der hier unseren früheren Kollegen Minister Lücke in einer Weise angegriffen hat, die ich für unsachlich halte. ({0}) Ich stelle hier ausdrücklich fest, daß unter Minister Lücke eine gewaltige Aufbauleistung in unserem Lande vollzogen worden ist, ({1}) auf die nicht nur wir stolz sind, ({2}) sondern auch sozialdemokratische Oberbürgermeister, ({3}) sozialdemokratische Ministerpräsidenten - alle Demokraten. ({4}) Es muß also an dieser Politik etwas dran gewesen sein! ({5}) Es ist mir ein Bedürfnis, unserem Freund Paul Lücke für seine Leistung ausdrücklich unseren herzlichen Dank und unsere Anerkennung auszusprechen. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henke.

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich will es in der gebotenen Kürze machen. Ich glaube, daß die gestrige Fraktionsentscheidung innerhalb der CDU /CSU für den Planungswertausgleich zu begrüßen ist. Ich beglückwünsche ausdrücklich den Kollegen Schneider, der das sicherlich mit der ihm eigenen Sachkenntnis und Überzeugungskraft hat durchsetzen können. Dennoch, Herr Kollege Schneider, werden Sie natürlich den sozialdemokratischen Rednern zugestehen müssen, daß sie diese schwere Geburt, diesen langen Werdegang, diese überaus vielfältige Diskussion in Ihren Reihen hier noch einmal angesprochen haben, so wie wir es Ihnen nicht verdenken können, wenn Sie immer wieder glauben, im Problembereich „Verfügungs- und Nutzungseigentum" herumbohren zu müssen. Das gehört zur politischen Diskussion und muß so sein. Sie haben das Bewertungssystem angesprochen, Herr Kollege Schneider. Wir stimmen Ihnen darin zu, daß die jetzt im Entwurf stehende Lösung sicherlich noch einer gründlichen Durcharbeitung bedarf, und ich hoffe sehr darauf, daß uns die parlamentarischen Beratungen hier vielleicht ein praktikableres Instrumentarium an die Hand geben werden. Ihre Bemerkungen zur Bodenwertzuwachssteuer, Herr Kollege Schneider - mein Kollege Conradi hat das ebenfalls erwähnt; Sie haben in dem Zusammenhang von „sozialistischen Parasiten" gesprochen -, kann man nicht unwidersprochen stehenlassen. Jeder, der sich mit der Materie beschäftigt hat, Herr Kollege Schneider, weiß, daß es Wertzuwächse an Grund und Boden nicht nur durch Planungsentscheidungen der Kommunen gibt - das wollen wir ja über die Ausgleichsbeträge regeln , sondern insbesondere auch durch Investitionen der Kommunen. ({0}) Wenn eine Fußgängerzone eingerichtet ist, wenn eine neue, günstigere Verkehrsanbindung auf Kosten der Gemeinschaft, auf Kosten der Kommune geschaffen wird, dann führt das in aller Regel zu sehr wesentlichen Preissprüngen bei den so begünstigten Gebieten, und es ist schlechthin nicht einzusehen, daß die Gemeinde daran keinen Anteil haben soll. ({1}) - Auch das unter Umständen, aber die Grundsteuer langt natürlich nicht, um diese Wertzuwächse abzuschöpfen. Und von daher, Herr Kollege Schneider, finde ich es völlig in der Ordnung, daß wir uns auch Gedanken darüber machen, wie Wertzuwächse an Grund und Boden, die durch Investitionen der öffentlichen Hand entstanden sind, künftig besser in den Griff bekommen werden können. Auf meinem Platz liegt das Buch der KonradAdenauer-Stiftung, der sogenannten Göb-Kommission, und ich habe eben hineingeschaut, nachdem Sie sich so kritisch mit der Bodenwertzuwachssteuer beschäftigt haben. Da steht drin, daß aus diesen Gründen die Bodenwertzuwachssteuer durchdacht und eingeführt werden muß. Daß damit eine Menge von Problemen zusammenhängen, die zum Teil noch nicht völlig ausdiskutiert sind, darüber besteht Einmütigkeit. Aber wir werden uns sicherlich in der nächsten Legislaturperiode sehr intensiv auch diesem Bereich zuwenden müssen. Der Herr Kollege Prassler ist auf meinen Kollegen Conradi eingegangen und hat die Frage gestellt: Wer hat denn in den Städten die Verantwortung für diese Entwicklung zur unmenschlichen Stadt hin getragen? Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Prassler, daß - wenn man etwa das Frankfurter Beispiel nimmt; das ist ja auch vom Kollegen Engelhard kurz angesprochen worden - hier natürlich das geltende Bodenrecht nicht in vollem Umfange ausgeschöpft worden ist, und viele Fehlentwicklungen, die wir im Frankfurter Westend beklagen, ({2}) hätten durchaus auch mit dem Bundesbaugesetz von 1960 verhindert werden können. Dies ist unstrittig. Aber sie werden doch generell nicht bestreiten können, daß das geltende Bodenrecht, daß die finanziellen Möglichkeiten der Kommunen für die Gemeinden einfach unzulänglich waren und schlimme Fehlentwicklungen nicht verhindern konnten. Das derzeitige Instrumentarium - sonst brauchten wir diese Diskussion doch nicht seit Jahren zu führen - ist doch unzulänglich. Das ist doch, wie ich glaube, in diesem ganzen Hause und in allen Parteien, die hier vertreten sind, ein unstrittiger Tatbestand. ({3}) - Natürlich nicht! Auch anderes war nicht verboten. Ich habe es ja gesagt. Aber das bisherige Instrumentarium war unzulänglich, und viele der Fehlentwicklungen - ich glaube, der Kollege Conradi hat das sehr eindrucksvoll dargestellt - waren mit dem bisherigen Bodenrecht einfach nicht in den Griff zu bekommen. Wenn Sie meinten, hier noch einmal darstellen zu müssen, daß eben doch ein einheitliches Konzept der CDU/CSU vorgelegen hat - seit gestern gibt es das vielleicht -, dann muß hier doch die strittige Diskussion darüber erlaubt sein: Wie war das denn mit dem Infrastrukturkostenbeitrag, den Sie in Hamburg beschlossen haben? Wie war es mit dem Planungswertausgleich, den die CSU beschlossen hat, wenngleich sich natürlich die Hintergründe der CSU-Diskussion etwas anders darstellen als die Dinge, die der Kollege Schneider hier zum Ausdruck gebracht hat. Ich will das jetzt aber nicht vertiefen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Henke, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundestagsfraktion der CDU/CSU sich gestern abend nicht für den Planungswertausgleich ausgesprochen hat, sondern den Grundsatzbeschluß gefaßt hat, daß planungsbedingte Wertsteigerungen abgeschöpft werden sollen und daß das Wie zurückgestellt werden soll, bis uns von Experten in einem Hearing gesagt worden ist, wie man das am besten macht?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jahn, ich bin für diese Korrektur sehr dankbar. Diese Feststellung berechtigt aber natürlich noch mehr zu der Kritik, wie sie hier von den Kollegen Conradi und Waltemathe angebracht worden ist. ({0}) Wir hatten in der Tat geglaubt, Sie hätten den Graben gestern übersprungen. Der Streit ist nun aber nach wie vor da, und wir müssen uns zu Recht mit dieser Sache beschäftigen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmöle?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön!

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Henke, sind Sie bereit, zuzustimmen, daß in der gesamten Fachdiskussion über die Frage des Wie der Abschöpfung betont wird, daß die Inanspruchnahme durch einen Infrastrukturkostenbeitrag durchaus eine entsprechende Inanspruchnahme ist und daß eben planungsbedingte und durch Infrastrukturmaßnahmen hervorgerufene Wertsteigerungen nicht nur auf dem Wege über den Planungswertausgleich abgeschöpft werden können, sondern auch durch eine solche andere Maßnahme, wie ich sie gerade genannt habe?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmöle, natürlich ist mir diese Diskussion bekannt. Mir ist aber auch bekannt, daß gerade in der Diskussion unter Fachleuten im Endergebnis festgestellt wurde, daß der Infrastrukturkostenbeitrag wegen der Schwierigkeiten in der räumlichen, sachlichen und zeitlichen Abgrenzung völlig unpraktikabel ist. Daraus kann man natürlich auch weiter folgern: Wer für den Infrastrukturkostenbeitrag ist, will in Wahrheit gar keine echte Reform, Herr Kollege Schmöle. ({0}) Eine letzte Bemerkung zum Herrn Kollegen Mick, der hier auf den Beitrag des Kollegen Waltemathe etwas erregt erwidern zu müssen meinte. Herr Kollege Mick, ich kenne Ihr persönliches Engagement und Ihre persönliche Einstellung in dieser Frage. Ich verstehe, daß Sie sich hier persönlich betroffen fühlen. Ich meine aber, Sie müßten Verständnis dafür haben, daß wir uns hier mit der früheren Politik, die nun sehr stark durch den ehemaligen Minister Lücke personifiziert worden ist, kritisch auseinandersetzen. Im Gegensatz zu der Auffassung, die Sie hier vertreten haben, gibt es in unserer Partei sehr herbe Kritik an den politischen Vorstellungen des Herrn Lücke und an den politischen Ergebnissen, die er zustande gebracht hat. Ich erinnere beispielsweise nur an das Mietrecht. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Henke, sind Sie der Meinung, daß Sie dem eigenen Leistungsnachweis dadurch entgehen können, daß Sie nur die Vergangenheit kritisieren?

Erich Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000866, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß ja den Raum kritisieren, Herr Kollege Mick, in dem Sie politisch Verantwortung getragen haben. Das war die Vergangenheit. Heute tragen wir die Verantwortung. ({0}) Ich darf zum Schluß kommen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen; Sie haben selbst auf den Freitag hingewiesen. Ich möchte Herrn Kollegen Schneider ausdrücklich dafür danken, daß er seine Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit an diesem Gesetz hier formuliert hat. Ich bin sicher, daß wir alle das Notwendige tun werden, um eine zügige Beratung dieses Gesetzes zu gewährleisten, damit dieses längst überfällige Instrument endlich in die Hände der Kommunen kommt und Fehlentwicklungen am Bodenmarkt, die wir alle bedauern, künftig nicht mehr möglich sein werden. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister Ravens.

Karl Ravens (Minister:in)

Politiker ID: 11001785

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich am Schluß dieser Debatte ein paar Feststellungen mache. Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß es einem Bundesminister nicht ansteht, Zensuren zu erteilen. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wenn ich Dank sage für diese Debatte, die sich durch ein so hohes Maß an Sachlichkeit und an Sachbezogenheit ausgezeichnet hat. Ich hoffe, daß das, was wir heute hier miteinander bei diesem schwierigen Problem in so sachlicher Weise diskutiert haben, auch dann seinen Niederschlag findet, wenn wir draußen nicht unter Fachleuten über unser Problem zu reden haben. Denn auch dort sollten wir uns zurückhalten, mit Unterstellungen zu arbeiten. Diese Debatte hat geholfen zu zeigen, daß es in wesentlichen Bereichen Übereinstimmung über die Notwendigkeit, über den Umfang der Veränderungen in dieser Novelle gegeben hat. Bei alien Unterschieden über das Wie einer Planwertabschöpfung, die auch heute hier wieder deutlich geworden sind, ist die Tatsache der Abschöpfungsnotwendigkeit nicht mehr umstritten. ({0}) Ich denke, daß wir dies als einen der wichtigen Punkte in der politischen Diskussion festhalten sollten. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich darf hinzufügen: Dann muß dies auch heißen, daß wir in der Debatte draußen im Lande uns nicht mehr gegenseitig unterstellen, daß Planwertabschöpfungen Schritte auf dem Wege zur kalten Sozialisierung seien. ({1}) Ich möchte erinnern an die so heftigen, an die so schwierigen Debatten in den Jahren 1968/69 in diesem Hause, die sich mit diesen Fragen beschäftigt haben. Wir haben alle miteinander den Eindruck: in all diesen Jahren hat uns die Wirklichkeit in den Städten gelehrt, daß wir neue Wege gehen müssen, daß wir den Mut zu neuen Schritten haben müssen. Auch das ist Ausdruck der heutigen Debatte gewesen. Die drei tragenden Grundpfeiler, die ich in der Debatte genannt habe, sind bestätigt worden: das Nicht-Auseinanderreißen von Bürgerbeteiligung im Planungsprozeß, Verhinderung von Bodenspekulation und Verbesserung des Planungsinstrumentariums unserer Gemeinden. Auch dies kann eine wesentliche Grundlage für die Arbeit in den Ausschüssen sein. Hier ist die Frage des Bewertungsrechts noch einmal diskutiert worden. Herr Kollege Schneider, ich sage ausdrücklich: Es wäre ein idealer Zustand, wenn wir es in kurzer Zeit leisten könnten, ein Bewertungsrecht für den Gesamtbereich des Grund und Bodens zu haben, das für alle Vorgänge im Verkehr mit Grund und Boden und in der Besteuerung von Grund und Boden von einem durchgehenden Wert ausgehen könnte. Aber Sie wissen wie ich, welch mühsamen Prozeß, welch langen Weg das bedeutet. Wenn wir heute vorschlagen, daß um der Lösung der dringlichen Aufgaben willen die Gutachterausschüsse diese Aufgabe zu übernehmen haben, dann erstens, weil wir wissen, daß sie über ein hohes Maß an Erfahrung im Bewertungsverfahren verfügen, und zweitens, weil wir auch wissen, daß wir nicht warten dürfen und daß wir dieses so umstrittene Prinzip des Abschöpfen-Müssens solcher Wertsteigerung, um zu besseren Ergebnissen im Bereich unseres Städtebaues zu kommen, nicht noch Jahre zurückstellen dürfen. ({2}) Sie werden in mir immer einen aufgeschlossenen Gesprächspartner finden. Ich verkneife mir jetzt, auf ein paar Dinge im Zusammenhang mit der hier auch angeschnittenen Frage eines Infrastrukturkostenbeitrags näher einzugehen. Nur eine Frage, die man vielleicht diskutieren und über die man nachdenken sollte: Wie kann man eigentlich einer geschlossenen Siedlung von Altenwohnungen den Kindergarten zurechnen? ({3}) Ich weiß das nicht ganz genau; ich sage es hier nur am Rande und nicht als einen Einstieg in die Sache; so war es nicht gemeint. ({4}) Der Herr Kollege Prassler hat mich gefragt, wie es mit dem Arbeitsprogramm unseres Hauses sei. Und Sie, Herr Kollege Schneider, haben darauf hingewiesen, daß in die Novelle zum Bundesbaugesetz einige Bereiche - wie das Erschließungsrecht, das Umlegungsrecht, die Fragen der Bemessung von Entschädigungen bzw. von Heranziehungen zu Erschließungskosten - nicht aufgenommen worden sind. Die Bundesregierung hat sich hier in dieser Aufgabenstellung bewußt auf das beschränkt, was in dieser Legislaturperiode geleistet werden muß und geleistet werden kann. Ich denke, es ist gut, wenn wir Zeit behalten, miteinander nüchtern und ohne Zeitdruck weiter die so schwierigen Fragen des Erschließungsrechts, des Umlegungsrechts, aber auch des Bewertungsrechts miteinander zu diskutieren. Sie gehören als ein nächster Schritt zu unserer Aufgabenstellung. Hierzu gehört auch das Bewertungsrecht. Ich bedauere es, Herr Kollege Prassler - dies ist nicht die Schuld des Ausschusses, aber auch nicht die Schuld des Ministers -, daß wir bisher aus der Geschäftslage des Ausschusses heraus noch nicht die Gelegenheit hatten, über die weiteren Vorstellungen meines Hauses zu diskutieren. Wir haben nunmehr für die übernächste Sitzungswoche einen solchen Termin vorgesehen. Wir werden dann ausreichend Zeit haben, über alle Fragen zu sprechen, wie es nach diesem Schritt weiterzugehen hat, welche Arbeiten unserem Hause vorliegen. Inson8062 derheit auch, was die Fragen des Bewertungsrechts und die Diskussionen über Nutzungsrechte angeht. Denn das Städtebauförderungsgesetz schreibt uns hier einiges vor, worauf wir Antworten zu geben haben. Wir werden Gelegenheit haben, alle diese Fragen sorgfältig miteinander zu diskutieren. Ich stehe dem Ausschuß zur Verfügung. Ich denke, es ist gut, wenn wir viele der anstehenden Fragen auch auf der Ebene des Ausschusses gemeinsam klären können. Es tut mir leid, aber manchmal habe ich den Eindruck, am Freitagvormittag könnte man eigentlich eine Ausschußsitzung gleich hier beginnen. ({5}) Meine Damen und Herren, ich weiß, daß viele unserer Kollegen ihre Aufgaben auch heute zu erfüllen haben. Der Stil dieser heutigen Debatte hat trotz der Besetzung des Hauses deutlich gemacht, wie wichtig die Aufgabe ist, die wir uns vorgenommen haben, nämlich unseren Städten und Gemeinden ein Instrumentarium an die Hand zu geben, mit dem sie besser als in der Vergangenheit die drängenden Fragen ihrer Bürger nach einer menschenwürdigen Stadt beantworten können. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - federführend -, und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Rechtsausschuß, den Finanzausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir sind damit am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 9. Oktober, 13.30 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.