Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe folgende amtliche Mitteilung zu machen: Für den aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Blumenfeld schlägt die Fraktion der CDU/CSU als ordentliches Mitglied den Abgeordneten Dr. Müller ({0}) vor, der bisher stellvertretendes Mitglied war. Als Stellvertreter benennt sie den Abgeordneten Dr. Carstens ({1}). Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 5 der gemeinsamen Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Gewandt, Lampersbach, Schmidhuber, Engelsberger, Stücklen, Hauser ({2}), Dr. Becker ({3}), Dr. Zeitel, Pohlmann, Schedl, Sick, Dr. Köhler ({4}), Dr. Köhler ({5}), Dr. Kraske, Eilers ({6}), Niegel, Biehle, Ey, Dr. Jobst, Dr. Kunz ({7}), Röhner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
- Drucksache 7/2049 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({8})
Ausschuß für Wirtschaft
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der 5. Legislaturperiode haben Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion einen Antrag zur Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts eingebracht. Zu Beginn dieser Diskussion stellte sich heraus, daß das Unterfangen von vielen Seiten des Hauses sehr kritisch beurteilt wurde. Wir können aber feststellen, daß am Ende der Beratungen ein einstimmiger Beschluß des Hauses zur Novellierung führte. Ich hoffe, daß das auch im Falle der jetzt vorliegenden Änderungsanträge möglich sein wird.
Das Ziel des Antrags ist die Verbesserung des Verbraucherschutzes und die stärkere Sicherung eines leistungsgerechten, fairen Wettbewerbs. Wir sind der Meinung, daß wir uns von diesem Ziel leider in starkem Maße entfernt haben. Es gilt, im Interesse des Verbrauchers zu garantieren, daß Handel und Handwerk leistungsfähig bleiben und somit zur optimalen Versorgung des Verbrauchers beitragen. Wir wissen alle, daß Handel und Handwerk sich immer noch in einer sehr dynamischen Phase der Wandlung befinden, so wie zu Beginn der Marktwirtschaft. Das bedeutet, daß jährlich immerhin etwa 10 000 Betriebe ausscheiden. 17 000 sind es insgesamt, davon werden etwa 7 000 durch neue Gründungen kompensiert. Demgegenüber stellen wir eine Verdoppelung der Einkaufszentren fest. Diese Konzentration im Handel hat zu einer Verödung der Konsumlandschaft geführt, insbesondere in weniger dicht besiedelten Gebieten. Wir kennen Beispiele aus Schweden und aus der Schweiz, in denen auch schon sehr viele Ortschaften ohne ein Einzelhandelsgeschäft auskommen müssen. Dort gibt es dann natürlich ein Angebotsmonopol. Der Verbraucher ist, um seinen Bedarf zu decken, darauf angewiesen, weite Reisen anzutreten. In diesen Konzentrationssog ist nicht nur der berühmte Tante-Emma-Laden hineingezogen, dem viele eine Existenzberechtigung absprechen, sondern auch leistungsfähige Geschäfte von mehr als 100 qm Einkaufsfläche sind hineingekommen. Besonders deutlich wird es an einem Beispiel: eine so leistungsfähige Gruppe wie die Edeka mußte feststellen, daß sich in sieben Jahren ihre Verkaufsfläche um 10 000 qm verringert hat. Die Nahversorgung mit Lebensmitteln, die, wie ich bereits erwähnte, im Norden - in Schweden, Finnland, in Norwegen - und in der Schweiz problematisch geworden ist, wird auch bei uns problematisch. Es gibt Statistiken, aus denen hervorgeht, daß im östlichen Niedersachsen, in Teilen Hessens und Bayerns bereits einige tausend Ortschaften ohne eine Versorgung durch den Einzelhandel sind. Vor zehn Jahren konnten die Verbraucher in diesen Gegenden sich noch den Wettbewerb der einzelnen Geschäfte zunutze machen. Dieses ist heute leider nicht mehr möglich.
Wenn dieser Trend zum Ausscheiden von Wettbewerbern anhält, dann werden wir nicht nur um den Wettbewerb, sondern auch um eine angemessene Versorgung der Verbraucher fürchten müssen. Auch in anderen europäischen Ländern spielt diese
Frage eine Rolle und ist Anlaß zu gesetzgeberischen Erörterungen. Im Hintergrund steht also diese Situation und der Wunsch der Verbesserung des Wettbewerbs.
Natürlich könnte mit einer solchen Novelle nicht aus der Welt geschaffen werden, daß es für die angesprochenen Bereiche auch andere verheerende Auswirkungen gibt, nämlich der Inflationspolitik, die sich in Kostenexplosion und Gewinnkompression deutlich macht. Im übrigen wird die mittelständische Wirtschaft durch die Hochzinspolitik besonders hart betroffen.
Ich möchte nur kurz zwei Zahlen nennen, um die dramatische Entwicklung zu charakterisieren. Während in der Abkühlungsphase 1966/67 die Kostensteigerung etwa 1 % betrug, betrug sie im vergangenen Jahr 14 % bis 15 %. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis nach den Angaben des neutralen Instituts für Handelsforschung lag 1971 bei 1,4 %. Es ist im Jahre 1972 auf 1 °/o zurückgegangen, und es ist mit einem weiteren Abfall zu rechnen. Das Ifo-Institut schreibt dazu: Der Kostenanstieg ging weitgehend zu Lasten der Gewinnrate. Die Gesamtkapitalrendite dürfte bei den mittelständischen Unternehmen, insbesondere bei den Fachgeschäften, das Zinskostenniveau nicht mehr erreichen. Von einer Tendenzwende kann im Augenblick nicht mehr gesprochen werden. Dies ist eine besorgniserregende Verschlechterung der Lage im Handel und somit auch der Versorgung des Verbrauchers. Das ist aber auch ein Spiegelbild einer schlechten Konjunkturpolitik. Hinzu kommt der Verdrängungswettbewerb, der in zunehmendem Maße in vielen Bereichen zu einer Substanzauszehrung führt und der es gebietet, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen.
Nun wissen wir, daß bei der Verabschiedung des Kartellgesetzes, als das Thema der Preisbindung der zweiten Hand behandelt wurde und es zu ihrer Abschaffung kam, der Kollege Graf Lambsdorff im Namen seiner Fraktion und, wie wir meinten, auch der Regierungskoalition erklärt hatte, es würden flankierende Maßnahmen erfolgen. Von flankierenden Maßnahmen kann im Augenblick überhaupt nicht die Rede sein;
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sie sind ausgeblieben. Es zeigen auch weder die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers über den Ablauf der Legislaturperiode noch die Äußerungen aus der Koalition, daß wir irgendeinen Grund zu der Annahme hätten, daß flankierende Maßnahmen kämen. Ich möchte deshalb sagen, daß wir erwägen, gesetzgeberische Initiativen zu ergreifen, um den Nachteilsausgleich für den Mittelstand herbeizuführen.
Hinzu kommt, daß die Zurückhaltung des Bundesgesetzgebers dazu geführt hat, daß einzelne Länder, so das Land Bayern, sich bereits gezwungen sahen, Gesetze zu erlassen, die den Bereich des Mittelstandes betreffen - eine Förderung, kein Schutz. Ebenso wie in Bayern steht in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die Beratung eines solchen Gesetzentwurfes bevor. Ich begrüße die Initiativen, glaube aber, daß das eigentlich eine Sache des Bundesgesetzgebers wäre.
Wir haben auch leider recht behalten, als wir bei der Verabschiedung des Kartellgesetzes warnten, die unverbindlichen Verbraucherpreise beizubehalten. Damals hatten sowohl die Sachverständigen der Verbraucher als auch die des Handels und des Handwerks davor gewarnt. Heute muß das Kartellamt sehr starke Mißbräuche feststellen, die auch von den Verbrauchern gerügt werden. Vor diesem Hintergrund ist dieser Vorstoß zu sehen.
Ich möchte in aller Kürze die drei Schwerpunkte erläutern. Wir haben in diesem Gesetz zunächst eine Reform des Rechts der Aus- und Räumungsverkäufe vorgesehen. Dieses Thema ist schon seit 1896 aktuell. Es erreichte eine neue Aktualität, als Anfang des Jahrhunderts das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verabschiedet wurde. Die Rechtsprechung - damals auch des Reichsgerichtes - hat gewisse Gefahren verkannt, die in der Verbrauchertäuschung bei einem Mißbrauch der Räumungsverkäufe liegen. Es wurde versucht, diesem erkannten Übelstand auf dem Verordnungswege entgegenzutreten. Dazu fehlte jedoch die gesetzliche Ermächtigung. Deshalb haben wir hier eine Neuformulierung vorgesehen, weil offenbar auch der § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Mißstände nicht ausräumen kann. Wir stellen heute fest, daß es ein neues Gewerbe, nämlich das Gewerbe des Räumungsausverkaufes, gibt.
Wir wollen deshalb - um Mißverständnisse zu vermeiden - die §§ 7 und 7 c in der Weise ändern, daß der Grund für den Räumungs- und Ausverkauf nur der sein kann, daß der gesamte Geschäftsbetrieb oder eine Warengattung aufgegeben wird und dieses Geschäft eine bestimmte Zeit betrieben werden muß.
Um diese Verbesserung - auch zum Schutze des Verbrauchers - bemühen sich seit langem die verschiedensten Verbände. Allerdings hat ihnen die Bundesregierung mitgeteilt, daß sie das Problem erkenne, aber aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen. Wir haben uns die Mühe gemacht, hier dem Hohen Hause eine ausgereifte Formulierung vorzulegen.
Ein weiterer Kernpunkt unserer Novelle ist das Verbot der Werbung mit Mondpreisvergleichen. Preisgegenüberstellungen sind ein häufiges Werbemittel geworden, zum Teil, um die Preiswürdigkeit eines Unternehmens zu beweisen. In der Praxis hat sich gezeigt, daß häufig die Preiswürdigkeit nur vorgegaukelt wird, weil nur einzelne Preise herausgegriffen werden und diese mit exorbitanten Nachlässen dargeboten werden, um bei dem Verbraucher den Eindruck zu erwecken, als handele es sich hier um ein besonders preiswertes Geschäft. Ermittlungen der Staatsanwaltschaften haben ergeben, daß in einzelnen Fällen sogar festgestellt werden konnte, daß diese sogenannten verbilligten Preise höher liegen als die Preise in anderen Geschäften. Der Grundsatz unseres Wettbewerbsrechts ist Preiswahrheit und Preisklarheit, und mit diesen Prinzipien sind diese Methoden nicht zu vereinbaren.
Es ist nicht möglich, daß jemand Preisnachlässe vorgibt, obwohl er die Ware vorher niemals zu dem
anderen Preis geführt hat. Hierin liegt eine Täuschung, und diese Täuschung soll vermieden werden. Niemand kann einen Händler zwingen - das wäre auch verkehrt -, Preise, die er einmal führte, herabzusetzen. Das liegt in seiner Dispositionsfreiheit. Aber Preise, die er nie gefordert hat, die nur fiktiv sind, dürfen nach unserer Auffassung nicht in den Preiswettbewerb hineingebracht werden. Damit - so glaube ich - ist der Einwand ausgeräumt, daß das bewährte Absatzinstrument, nämlich die Preispolitik, in irgendeiner Weise eingeschränkt wird.
Wir wissen, daß sich die Mehrheit der ehrbaren Handwerker und Händler gegen diese Praxis wehren, weil sie damit alle in Mißkredit kommen. Auf der jetzigen rechtlichen Grundlage ist die Unlauterkeit der Werbung eben sehr schwer zu beseitigen. Deshalb haben wir hier eine neue Regelung vorgesehen, die, wie Sie aus der Presse wissen, die Zustimmung vieler einschlägiger Kreise gefunden hat, die sich gegen unseriöse Preisgestaltung wenden.
Der dritte Schwerpunkt der Novelle dient ebenfalls der Beseitigung unseriöser Methoden des Wettbewerbs durch Herausstellung von auffällig niedrigen Preisen für Produkte, die der Kaufmann nur in geringen Mengen vorhält und nur zu werblichen Zwecken. Auch hier wird nicht ein nennenswerter, sondern nur ein ganz geringer Anteil des Sortiments preiswert angeboten. Hier soll der Verbraucher über die Preiswürdigkeit des Unternehmens getäuscht werden. Deshalb ist eine Änderung des § 3 a vorgesehen. Es soll die werbemäßige Herausstellung von Verkäufen zum Einstandspreis oder unter dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer im Sinne des fairen Leistungswettbewerbs neu geregelt werden.
Es ist eingewandt worden, daß das weder im Interesse der Verbraucher noch des Handels läge. Aber das trifft nicht zu, da gerade aus diesen Bereichen der Wunsch zur Änderung der Bestimmungen laut geworden ist. Wir sind deshalb der Meinung, daß es sich weder um eine verbraucherfeindliche noch um eine mittelstandsfeindliche Aktion handelt, sondern daß lediglich die Seriosität im Geschäftsgebaren wieder eingeführt würde.
Ich möchte ganz kurz zitieren, daß beispielsweise der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes immer wieder eindeutig auf diesen Mißstand hingewiesen hat und daß er feststellt, daß bestimmte Produkte seines Sortiments als Lockvogel geführt würden und er nicht in der Lage sei, durch Mischkalkulationen auszugleichen. Das führt zu einer Verzerrung des Wettbewerbs, zu einer Marktbehinderung für Fachbetriebe für bestimmte Produkte.
Die Lage des Handels hat sich durch den Kostendruck, durch die Auswirkungen der Inflation, durch die Schrumpfung der Gewinne in dramatischer Weise zugespitzt. Wir bejahen den Wettbewerb, aber ich möchte noch einmal den Präsidenten der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels zitieren: Er wandte sich an einige Großunternehmen und bemerkte, daß die augenblickliche Wettbewerbspraxis der Sonderangebote in einigen Fällen hart an die Grenze des unlauteren Wettbewerbs stoße und daß hier eine Diskreditierung des seriösen Handels zu finden sei.
Nun, das zeigt, daß die Situation brisant ist. Auch dem ordentlichen und seriösen Handwerker und Händler geht es nicht darum, daß der Eindruck entsteht, er würde manipulieren. Diese Manipulation ist durch diese unseriösen Gebaren leider zu verzeichnen. Mit unserem Entwurf sind die Rechte auf Mischkalkulationen, auf unternehmerische Entscheidungen natürlich in keiner Weise beeinträchtigt.
Wir wollen durch diese Novelle den Verbraucher stärker schützen, und wir wollen unseriöses Gebaren unterbinden. Wir hoffen - so wie damals bei der Novelle, die wir im 5. Bundestag einbrachten -, daß die anfänglichen Bedenken ausgeräumt werden können und daß wir dann am Ende der Behandlung dieses Themas, nämlich in der dritten Lesung, so wie damals zu einer gemeinschaftlichen Auffassung des Hohen Hauses im Interesse des Verbraucherschutzes und im Interesse eines seriösen leistungsbezogenen Wettbwerbs kommen.
({1})
Der Antrag ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des UWG erkläre ich für die Fraktion der SPD:
Dieser Entwurf ist von 113 Abgeordneten der Opposition eingebracht worden. Daß sich die 113 Antragsteller über die Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion hinweggesetzt haben, verdient die besondere Beachtung dieses Hauses und der deutschen Öffentlichkeit, nicht in erster Linie wegen der Gründe der Ablehnung dieses Entwurfs durch die Mehrheit der Opposition, sondern deshalb, weil hier wieder einmal deutlich wird, daß es in der Opposition manchmal zwei, manchmal mehrere große Blöcke gibt, die gegeneinander stehen, zwischen denen eine Verständigung nicht möglich ist und die ein gemeinsames Handeln der CDU/CSU ausschließen.
({0})
Daraus ergibt sich erneut: Würden die Oppositionsparteien die Regierung zu stellen haben, so wären sie in den großen und in vielen kleinen Fragen unserer Zeit unfähig, etwas anderes zu tun, als ihre früher schon praktizierte Politik des Ausklammerns und Treibenlassens fortzusetzen.
({1})
Erlauben Sie mir noch eine allgemeine Bemerkung. In der Entwurfsbegründung wird die Rechtsprechung nicht weniger als viermal kritisiert. Dabei wird u. a. ausgeführt, früher sei beanstandet worden, der Wille des Gesetzgebers zum Ausver7590
kaufsrecht sei vom Reichsgericht vereitelt worden. Ähnliches gelte für die Rechtsprechung der zurückliegenden Jahrzehnte. Wir bestreiten nicht, daß auch die Rechtsprechung von politischer und parlamentarischer Kritik nicht freigestellt werden kann. Abgeordnete als Mitglieder der Legislative sollten dabei aber besondere Sorgfalt und kluge Zurückhaltung an den Tag legen. Inhalt und Form einer derartigen Kritik dürfen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie getragen ist von dem grundsätzlich gebotenen Respekt gegenüber der rechtsprechenden Gewalt. Vorwürfe in einer Gesetzesvorlage, die darauf hinauslaufen oder so verstanden werden können, als hätten die Gerichte den Gesetzeszweck vereitelt oder unterlaufen, verstoßen jedenfalls dann gegen dieses Prinzip, wenn für die Kritik keine ausreichende sachliche Grundlage gegeben ist. Festzuhalten ist nämlich, daß die Rechtsprechung zu den Preisvergleichen, den Sonderangeboten und den Aus- und Räumungsverkäufen sich an Wort und Geist, Sinn und Zweck der geltenden gesetzlichen Bestimmungen gehalten hat.
Noch eine dritte allgemeine Vorbemerkung kann ich Ihnen nicht ersparen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herr Kollege Gewandt, Sie haben von Inflationspolitik gesprochen. Mir ist nur eine Stabilitätspolitik der Bundesregierung bekannt.
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Was Sie mit Inflationspolitik meinen und wem Sie eine solche in die Schuhe schieben wollen, bleibt Ihnen überlassen. Ich muß mich dagegen auf jeden Fall aufs heftigste verwahren. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Sie gleichzeitig die Zins- und Kreditpolitik der Bundesbank, die Stabilitätszwecken dient, beklagen - ein Widerspruch, den Sie am besten selbst noch einmal aufzulösen versuchen.
Nun zu dem eingebrachten Gesetzentwurf selbst. In ihm wird vorgeschlagen, weitere Einschränkungen vorzunehmen für Preisgegenüberstellungen, für Sonderangebote und für Aus- und Räumungsverkäufe. Preisgegenüberstellungen, bei denen der tatsächlich geforderte Preis einem höheren gegenübergestellt wird, sollen zukünftig grundsätzlich unzulässig sein, es sei denn, der höhere Preis ist vom Anbieter selbst eine angemessene Zeit gefordert worden. Dieser Vorschlag läuft darauf hinaus, nicht nur irreführende Werbung zu verbieten, sondern generell solche Werbeaussagen, bei denen es hauptsächlich zu Irreführung kommt. Ein solcher Grundsatz, das Übel müsse auf Biegen oder Brechen beseitigt werden, selbst wenn ein paar Gerechte unter die Räder kommen sollten, widerspricht unserem Rechtsverständnis. Der Übergang zu ihm bedürfte auch wohl sorgfältigerer Begründung als im vorliegenden Gesetzentwurf geschehen.
Abgesehen davon fehlt in der Entwurfsbegründung jeder Beweis dafür, daß Preisgegenüberstellungen regelmäßig zur Irreführung benutzt werden. Preisvergleiche bzw. Preisgegenüberstellungen sind z. B. möglich und finden auch tatsächlich statt mit
Richtpreisen, empfohlenen Preisen und mit Marktpreisen. Wollen Sie, meine sehr geehrten Antragsteller, diese überhaupt ausschließen? Dann müssen Sie sich allerdings die Frage gefallen lassen, warum Sie dem Verbraucher solche für ihn interessanten Informationen verweigern und den Einzelhändlern einen solchen, den Preis regulierenden Wettbewerb untersagen wollen.
Hingewiesen werden muß auch auf eine mehr kuriose Konsequenz Ihres Vorschlags. Bei allgemeinen Preissenkungen würden alle Anbieter mit einem Hinweis darauf werben können, nur die nicht, die den höheren Preis noch nicht eine angemessene Zeit lang selbst gefordert hatten, z. B. weil sie die Ware erst kurz zuvor in ihr Sortiment aufnahmen. Wir denken, es sollte dabei bleiben, daß bei Preisgegenüberstellungen die Unlauterkeit der Werbung abhängig ist von der Wahrheit der Werbeaussage und nicht zusätzlich abhängig gemacht werden darf davon, ob der gegenübergestellte höhere Preis mehr oder weniger lange Zeit vom Anbieter selbst verlangt worden ist.
Nach der Auffassung der Initiatoren des hier zur Beratung anstehenden Gesetzentwurfs soll es darüber hinaus in Zukunft verboten sein, die Preiswürdigkeit einer Ware herauszustellen, die zum Einkaufspreis oder darunter angeboten wird, es sei denn, der Anbieter wird zu einem derartigen Verkauf durch besondere Umstände genötigt.
Verboten werden soll auch die werbemäßige Herausstellung von auffällig niedrigen Preisen für solche Waren, die nur in geringen Mengen vorrätig sind oder deren Verkauf mengenmäßig beschränkt wird. Das läuft im ersten Fall auf die Unzulässigkeit des Verkaufs zum Einstandspreis hinaus und nimmt den Verbrauchern eine jetzt gegebene Möglichkeit zu besonders preisgünstigen Einkäufen. Hier wird darüber hinaus ein Eingriff in die Freiheit der Unternehmer zur Gestaltung ihrer Preise gefordert.
Bemerkenswert ist ferner, daß nicht nur der Hinweis untersagt werden soll, es werde zum Einstandspreis verkauft, sondern bei Verkäufen zum Einstandspreis jeder Hinweis auf die Preiswürdigkeit.
Die Initiatoren des Entwurfs wollen den Eindruck erwecken, diese rigorosen, neuen Verbotsbestimmungen seien lediglich eine Ausfüllung oder Konkretisierung des allgemeinen Irreführungsverbots der UWG. Sie weisen dazu darauf hin, daß derartige Lockvogelangebote, wie sie sagen, beim Verbraucher unzutreffende Vorstellungen über die Preiswürdigkeit des Gesamtangebots hervorriefen. Unserer Auffassung nach kann nicht davon ausgegangen werden, der Verbraucher erkenne nicht, daß Sonderangebote - wie ihr Name ja schon deutlich macht - aus der übrigen Kalkulation des Unternehmens herausfallen. Auch für Sonderangebote sollte es deshalb dabei bleiben, daß nur das Kriterium der Irreführung zur Abgrenzung zwischen lauterem und unlauterem Wettbewerb geeignet ist.
Schließlich halten die Entwurfsverfasser eine Reihe zusätzlicher Einschränkungen bei Aus- und Räumungsverkäufen für notwendig. Zu diesen Forderungen ist festzustellen:
Erstens. Die für erforderlich gehaltene dreijährige Bestandsvoraussetzung schüttet das Kind mit dem Bade aus. Ein berechtigter Anlaß zu Aus- und Räumungsverkäufen kann auch dann gegeben sein, wenn das Geschäft bzw. die Verkaufsstelle noch nicht drei Jahre lang betrieben worden ist. Gerade bei Neueröffnungen kann sich sehr bald herausstellen, daß die kaufmännischen oder personellen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb nicht gegeben sind. Die Verweisung auf die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen in besonders begründeten Fällen wird dieser Sachlage nicht gerecht.
Zweitens. Die wertmäßige Beschränkung der bei einem Aus- bzw. Räumungsverkauf anzubietenden Ware auf einen Jahresumsatz überzeugt gleichfalls nicht. Der Grund für einen Aus- bzw. Räumungsverkauf kann doch gerade darin liegen, daß mangels ausreichenden Umsatzes das Lager mit nicht oder schwer absetzbaren Waren auf mehr als einen Jahresumsatz angewachsen ist. Auch hier ist die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen in besonders dringenden Fällen ein unzureichendes Trostpflaster.
Drittens. Die Ausdehnung der Sperrfrist für die Wiedereröffnung von ein auf zwei Jahre und des Sperrbezirks über den Ausverkaufsort hinaus auf Nachbargemeinden und angrenzende Gemeindeverbände stellt eine besonders einschneidende Verschärfung des geltenden Rechts dar, zumal unter dieses Verbot nicht nur der Geschäftsinhaber selbst fällt, sondern auch sein Ehegatte und nahe Angehörige wie Enkel, Großeltern und Geschwister. Durch die Sperrfrist und die Sperrbezirke sollen konkurrierende Unternehmer geschützt werden. Wieso dieser Schutz die Einbeziehung der Bereiche aller Nachbargemeinden und sogar der angrenzenden Gemeindeverbände erfordert, ist unerfindlich.
Viertens. Nicht akzektabel ist schließlich, daß bei der Prüfung, ob ein Grund für einen Räumungsverkauf vorliegt, nicht mehr - wie bisher - auf die allgemeine Verkehrsauffassung, sondern nur noch auf die kaufmännische Verkehrsauffassung abgehoben werden soll.
Die Antragsteller nehmen in Anspruch, unlauterer Werbung entgegentreten und damit die Verbraucher schützen zu wollen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist stets für diese Ziele eingetreten und wird ihre Bemühungen in dieser Richtung in der Zukunft weiter intensivieren. Es dreht sich aber auch darum, sicherzustellen, daß Wettbewerb überhaupt stattfindet und daß er nicht unter dem Deckmantel der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken zu Lasten der Verbraucher eingeschränkt wird.
Wir sehen sehr wohl, daß sich aus dem Zusammentreffen von klassischem Handel und neuen Vertriebsformen und -methoden Probleme ergeben. Diese Probleme verkennt, wer sie auf solche des unlauteren Wettbewerbs reduzieren möchte. Ihre Lösung ist mit den Mitteln des UWG nicht zu erwarten. Herr Kollege Gewandt, wenn Sie beklagen, daß Förderungsmaßnahmen für das, was Sie als Mittelstand zu bezeichnen pflegen, von der Bundesregierung nicht durchgeführt worden seien, so bitte ich Sie, doch nicht zu verschweigen, welche besondederen Förderungsmaßnahmen wir im Rahmen der Gewerbesteuerreform bereits durchgeführt haben.
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Wer andere Eindrücke erweckt, nämlich z. B. den, mit Mitteln des UWG zu Strukturproblemen etwas Positives beitragen zu können, setzt sich dem Verdacht aus, Effekthascherei zu betreiben und zur Problembewältigung nicht nur nichts beizutragen, sondern sie zu erschweren.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüdemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab:
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach unserer Auffassung nicht geeignet, den angeblich verbraucherfreundlichen Aspekt zu verwirklichen. Der Bundestag hat bei der Novellierung des UWG im Jahre 1969 alle hier vorgebrachten Initiativen geprüft und sie verworfen. Das geltende Recht genügt bei sachgemäßer Anwendung und besonders angesichts der vorliegenden Rechtsprechung vollauf, um dem Verbraucher den ihm zustehenden Schutz zu gewährleisten. Im einzelnen wenden wir uns aus folgenden Erwägungen gegen den Gesetzentwurf.
Erstens. In § 3 a soll die Werbung mit Preisgegenüberstellungen verboten und für zulässige Ausnahmen dem Werbenden die Beweislast aufgebürdet werden. Dazu besteht nach unserer Auffassung kein Anlaß; denn sogenannte Mondpreise sind schon nach dem geltenden Recht verboten. Darüber hinaus ist die vorgeschlagene Ausnahme, wenn der höhere Preis vom Anbieter selbst eine angemessene Zeit lang gefordert worden ist, dubios, weil niemand weiß, was „angemessene Zeit" etwa bei Erdbeeren oder Rasenmähern ist. Außerdem bedeutet die Möglichkeit, mit Preisgegenüberstellungen zu werben, einen Anreiz zu Preissenkungen, und den wollen wir nicht eingeschränkt sehen.
Zweitens. Ein Verbot der Werbung unter Einstandspreisen hat der Gesetzgeber 1969 zu Recht abgelehnt. Das irreführende Lockvogelangebot hat er mit Recht verboten. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 1973 zu Unrecht zitiert. Dieses Urteil bestätigt nämlich den Schutz des Verbrauchers vor Lockvogelangeboten in vollem Umfang.
Weiter ist es in vielen Fällen schwierig, den Einstandspreis, etwa bei Jahresabnahmeverträgen, jederzeit zu ermitteln. Außerdem gibt es Fälle, z. B. bei leicht verderblichen oder modischen Waren, bei denen der Verkauf unter Einstandspreis sinnvoll, ja, sogar notwendig sein kann. Auch Mischkalkulationen würden unmöglich. Die Werbung mit Sonderangeboten geringer Posten verstößt schon jetzt gegen die §§ 1 und 3 des UWG. Schließlich wäre das
angestrebte Verbot nicht geeignet, dem mittelständischen Handel zu helfen. Angesichts der durch Nachfragemacht bedingten Rabattpraxis könnte der mittelständische Handel durch ein solches Verbot sogar in eine mißliche Lage kommen. Zur Lösung des Problems der Nachfragemacht trägt der vorliegende Entwurf nichts bei.
Drittens. Der vorgeschlagenen Regelung des Aus- und Räumungsverkaufs können wir auch nicht zustimmen. Einzelne Mißstände im Handel mit Orientteppichen, wie sie die Begründung zum Gesetzentwurf zitiert, können nicht zu so weitreichenden Schlüssen verführen.
Eine Vorschrift, wonach ein Ausverkauf erst möglich wäre, wenn das Geschäft drei Jahre lang tatsächlich betrieben worden ist, würde das Risiko jeder neuen Geschäftsgründung erheblich erhöhen. Sie würden Newcomern den Marktzutritt erschweren und einen marktwirtschaftlich nicht gerechtfertigten Bestandsschutz darstellen. Eine solche Regelung wäre im wohlverstandenen Interesse des Mittelstandes schädlich.
Schon heute sind die täuschenden Praktiken etwa im Orientteppichhandel nach den §§ 3 und 4 des UWG zu verhindern. Durch die Forderungen im Entwurf, die Verwaltungsbehörde solle entscheiden, ob ein Ausverkauf gerechtfertigt sei oder nicht, werden unternehmerische Entscheidungen durch Verwaltungsakte ersetzt. Wir lehnen das strikt ab.
Meine Fraktion wird in den Beratungen der Ausschüsse dafür Sorge tragen, daß das Generalklauselprinzip im UWG nicht durch Einzelregelungen der hier vorgeschlagenen Art ausgehöhlt wird. Wir stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Lampersbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte nur ganz wenige Bemerkungen machen, nachdem der Kollege Gewandt nach meiner Auffassung mit seiner Einbringungsrede das wesentliche gesagt hat. Herr Kollege Dr. Emmerlich, Sie haben einige Vorbemerkungen gemacht, auf die ich jedoch in zwei Punkten erwidern möchte. Daß es bei uns in der Fraktion einer Gruppe möglich ist, einen Antrag zu ihr wichtig erscheinenden Dingen einzubringen, sollte sie eigentlich erfreuen; denn bei uns ist das eben auf Grund demokratischer Praktiken noch möglich.
({0})
Ich möchte Sie hier nicht so verstanden wissen - wie Sie es ausgedrückt haben -, daß nur noch einstimmige Beschlüsse, wie das bei Ihnen in der Fraktion praktiziert wird, gefaßt werden dürfen.
({1})
Bei uns wird der einzelne Abgeordnete jedenfalls nicht unter Pressionen gesetzt, wenn er glaubt, es sei notwendig, daß eine wichtige Sache hier auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Das zweite: Herr Kollege, Sie haben hier moniert, daß wir die Rechtsprechung mit angezogen haben. Wir sind seinerzeit bei den Vorberatungen zur ersten Änderung des UWG 1969 davon ausgegangen, daß eine Straffung gerade bei den Kammern notwendig sei, weil wir - auch nach Anhörung von Richtern - festgestellt haben, daß bei einer Reihe von Kammern eben die Praxis eines Leistungswettbewerbs von den Richtern nicht immer richtig gesehen und erkannt wurde. Das ist kein Vorwurf. Das ist einfach eine Frage der Praktizierung eines sich verschärfenden Wettbewerbs.
Herr Kollege Dr. Emmerlich, was Ihnen ebenfalls völlig unbekannt ist, sind die Überlegungen, die über Monate mit Sachverständigen über die Frage angestellt worden sind: Wann setzt ein Verdrängungs- und wann ein Vernichtungswettbewerb ein? Das sind Fragen, die man eigentlich nur nachträglich beantworten und entscheiden kann. Uns kommt es darauf an, in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung die Mißstände so weit wie eben möglich einzuengen, ohne Gefahren für den Markt, d. h. für den Hersteller, Verkäufer oder Verbraucher, heraufzubeschwören.
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- Warten Sie es doch ab! Ich habe Sie ja auch aussprechen lassen. Sie bekommen auf alles noch eine Antwort. Die Strukturpolitik gehört hier gar nicht oder nur am Rande mit hinein. Dies ist eine zweite Überlegung. Bei dem Sachverstand, den ich bei Ihnen voraussetze, müßten Sie das eigentlich wissen.
({3})
- Das ist natürlich möglich, Herr Kollege. Aber das können Sie in der Koalition wahrscheinlich besser untersuchen und beantworten.
Ich möchte noch zwei Dinge ansprechen, die von den Rednern der Koalition hier vorgetragen worden sind. Meine Damen und Herren, auch uns liegt daran, daß wir einen freien Wettbewerb haben und behalten und daß der Wettbewerb nicht aufgehoben wird. Dieser freie Wettbewerb ist nach unserer Auffassung die entscheidende Voraussetzung für ein Funktionieren des Marktes überhaupt. Wir glauben, daß der Wettbewerb das einzig richtige und vernünftige Regulativ ist, um den Fluß von Waren im Interesse aller Beteiligten in der richtigen Weise sicherzustellen. Das schließt natürlich nicht aus, daß wir Überlegungen im Hinblick auf den Fall anstellen müssen, daß einige Außenseiter auf Kosten der Allgemeinheit, auf Kosten der sich vernünftig Verhaltenden persönliche Vorteile aus diesem Marktgeschehen herauszuschlagen versuchen. Es ist seinerzeit sehr intensiv darüber diskutiert worden, ob wir etwa ein generelles Verbot, das in § 1 des französischen Gesetzes, das in etwa mit unserem UWG zu vergleichen ist, enthalten ist, einführen sollten. Wir haben uns seinerzeit dagegen ausgesprochen, weil wir es für viel zu kompliziert halten, im einzelnen den Nachweis erbringen zu lassen, was denn nun Einstandspreise usw. sind. Wir glauben aber,
daß es gerade im Interesse der Verbraucher und der Verbraucheraufklärung notwendig ist, daß hierbei nicht manipuliert wird. Meine Damen und Herren, wir wissen doch alle, daß vielfach sogenannte Preisgegenüberstellungen in der Form erfolgen, daß zunächst zu hohe Preise angesetzt werden, diese dann durchgestrichen und durchaus noch vernünftig kalkulierte Preise als neue, sogenannte herabgesetzte Preise hingestellt werden. Dies wollen wir auf jeden Fall verhindern, denn hierin sehen wir eine bewußte Täuschung der Verbraucher. Wir befürchten, daß solche schlechten Beispiele gute Sitten verderben können.
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- Herr Dr. Emmerlich, das ist es eben nicht. Die Praxis zeigt, daß die Spielregeln hier von Zeit zu Zeit überprüft werden müssen und entsprechende gesetzliche Konsequenzen zu ziehen sind.
Hier ist auch über die Einschränkung der Ausverkäufe gesprochen worden. Das geltende Wettbewerbsrecht enthält eine Fülle von Ausnahmemöglichkeiten, die auch durch den Gesetzentwurf, den Ihnen eine Gruppe von Abgeordneten der CDU/ CSU vorgelegt hat, nicht eingeschränkt werden. Es besteht z. B. zweimal im Jahr die Möglichkeit, ordnungsgemäße Ausverkäufe durchzuführen. Dann können die Lagerräumungen, die Sie hier angesprochen haben, ohne Schwierigkeiten und ohne Schaden für alle Beteiligten durchgeführt werden. Das muß man doch einfach wissen. Auch die weniger sachverständigen Kollegen und Kolleginnen müssen es wissen, damit ihnen der Sachverhalt' klar wird.
Das gleiche gilt für sogenannte leicht verderbliche Ware, die schon immer und zu allen Zeiten keiner einengenden Preisgestaltung unterworfen war. Ich glaube, die heute bestehende Fülle von Ausnahmeregelungen, die oft auch voll ausgeschöpft werden, sollte für uns Anlaß sein, die Dinge erneut zu überprüfen. Dies ist sicherlich ein Thema, das wenig Veranlassung geben sollte, parteipolitische Schwierigkeiten gegeneinander auszuspielen. Wir hoffen deswegen auf eine sehr sachliche und sachverständige Beratung im Ausschuß. Wir würden uns freuen, wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich unseren Überlegungen anschließen könnten. Wir werden sicherlich noch die eine oder andere Modifizierung vornehmen müssen, aber insgesamt dürfte unser Gesetzentwurf eine, wie ich glaube, sinnvolle Verbesserung und Ergänzung des 1969 eingeführten neuen UWG darstellen.
({5})
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Aussprache und schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend - zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 36 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgeseztes ({0})
- Drucksache 7/2098 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/2289 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Althammer
bb) Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2})
- Drucksache 7/2279 - Berichterstatter:
Abgeordneter Vogelsang Abgeordneter Dr. Fuchs Abgeordneter Möllemann
({3})
b) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
- Drucksache 7/2099 Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({4})
- Drucksache 7/2279 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogelsang Abgeordneter Dr. Fuchs Abgeordneter Möllemann ({5})
Ich danke den Berichterstattern - für den Haushaltsausschuß dem Abgeordneten Dr. Althammer, für den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft den Abgeordneten Vogelsang, Dr. Fuchs und Möllemann - für ihre Schriftlichen Berichte.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Es ist interfraktionell vereinbart, mit einer allgemeinen Aussprache zu beginnen. Die Berichterstatter wollen und brauchen das Wort nicht mehr zu nehmen; sie haben ja schriftlich berichtet.
Ich erteile das Wort in der Aussprache dem Abgeordneten Dr. Fuchs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes parlamentarisch - zumindest in den Ausschüssen - behandelt wurde, entspricht in keiner Weise den Mindestanforderungen, auf die eine solche zum Teil weit- und auch tiefgreifende und zudem differenzierte Materie Anspruch hat. Auch die Kollegen der Regierungskoalition haben mehrmals zu erkennen gegeben, daß sie über den Zeitdruck, unter dem die
Beratung zu leiden hatte, alles andere als glücklich sind.
Obwohl die CDU/CSU-Fraktion bereits im Frühsommer vorigen Jahres die Bundesregierung aufgefordert hatte, dem Bundestag rechtzeitig den angeforderten Bericht zu erstatten, um anschließend sofort mit der Novellierung des Gesetzes beginnen zu können, mußte nun das Gesetz in einer einzigen Sitzung des federführenden Ausschusses von der Bestellung der Berichterstatter bis zur Schlußabstimmung erledigt werden.
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Sie gestatten mir diesen etwas saloppen Ausdruck,
aber er entspricht leider der Tatsache.
Daß noch wenige Tage vor dieser Sitzung den Ausschußmitgliedern durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft mehrere Stellungnahmen, neue, komplizierte Ubergangs- und Terminregelungen, die deswegen notwendig geworden waren, weil sonst die Durchführung des Gesetzes gar nicht mehr möglich gewesen wäre, ja daß noch neue, bis dahin im Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht erörterte Bestimmungen zugeleitet wurden, wirft ein bezeichnendes Licht auf dieses ganze Verfahren.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß Probleme, deren Lösung sowohl von der CDU/CSU-Fraktion als auch von der Koalition schon bei der Verabschiedung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes 1971 und bei der Verabschiedung des ersten Änderungsgesetzes 1973 als dringlich vorgemerkt worden sind, erneut unter den Tisch gefallen sind. Dieses Hinausschieben bestimmter Härteregelungen ist aber alles andere als erfreulich, ich meine, für die Betroffenen jedenfalls mehr als ärgerlich. Das lateinische Sprichwort
„bis dat, qui celeriter dat" - doppelt gibt, wer rechtzeitig und schnell gibt - wird jedenfalls zum Schaden dieser Betroffenen sträflich vernachlässigt.
Die CDU/CSU-Fraktion erwartet, daß bei der mit Sicherheit zu erwartenden weiteren Novellierung des Gesetzes ein Zeitplan eingehalten wird, der die Ausschußarbeit nicht zu einer Zustimmungs- und Ablehnungsmaschine, ja, man könnte fast sagen: -guillotine, degradiert.
Meine Damen und Herren, in dieser Ausschußsitzung wurden fast alle Anträge der CDU/CSU-Fraktion mit geringen Ausnahmen von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Dies gilt für die Anpassung der Freibeträge an die Einkommensentwicklung, dies gilt für die Änderung der Darlehensregelung, für die weitere Öffnung der Förderung des Studiums in außereuropäischen Ländern, für die Gleichstellung der Förderung im Bereich des zweiten Bildungsweges, für die dringend notwendige Erhöhung des Waisenfreibetrages, für die Verbesserung der Förderung von Alleinstehenden mit anspruchsberechtigten Kindern, also von Gruppen, die es im Leben schwerer haben als andere. Die sachliche Berechtigung dieser Anträge wurde von der Koalition zum größten Teil anerkannt; die Ablehnung erfolgte fast ausschließlich unter finanziellen Gesichtspunkten.
Wir halten es nicht für sinnvoll, diese Anträge bei einer so eindeutigen Festlegung der Koalition erneut zu stellen. Wir nehmen zur Kenntnis, daß sich die SPD-FDP-Koalition offensichtlich nicht in der Lage sieht, sachlich für gerechtfertigt gehaltene Verbesserungen bei der Ausbildungsförderung zu finanzieren. Es ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß dadurch die Gefahr entsteht, daß Kinder aus wirtschaftlich schwachen Schichten in ihren Ausbildungschancen behindert werden.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es der CDU/ CSU-Fraktion nicht möglich, allen gesetzlichen Einzelregelungen ihre Zustimmung zu geben. Ich bitte deshalb den Herrn Präsidenten, über Art. 1 Nr. 14 und Nr. 22 gesondert abstimmen zu lassen.
Ich darf noch eine Bemerkung zum Schluß machen. Ich möchte den Mitarbeitern des Ausschußsekretariats einen aufrichtigen und herzlichen Dank für die in der letzten Woche und über das letzte Wochenende geleistete Arbeit aussprechen. Wir meinen, daß diese Arbeit zum Teil, so wie es beim Gesetzgebungsverfahren überhaupt gewesen ist, wenigstens für das Ausschußsekretariat fast unzumutbar gewesen ist. Gerade deswegen, glaube ich, gebührt ihm ein besonderer Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Vogelsang.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich dort beginnen, wo Herr Dr. Fuchs geendet hat: Auch ich möchte dem Ausschußsekretariat im Namen unserer Fraktion für die intensive Arbeit recht herzlich danken.
({0})
Herr Dr. Fuchs, ich glaube, in einigen Punkten, die Sie hier vorgetragen haben, muß Ihnen widersprochen werden, denn sie scheinen mir widersprüchlich zu sein. Sie sagen, da seien einige Probleme unter den Tisch gefallen. Ich glaube, kein Problem ist unter den Tisch gefallen, denn wir haben gemeinsam eine Entschließung gefaßt, die die Regierung mit allem Nachdruck auffordert, solche Regelungsvorschläge für die nächste Novellierung vorzubereiten und vorzutragen. Wir wollen somit die Probleme durchaus nicht unter den Tisch fallen lassen, sondern sie trotz ihrer Schwierigkeit - sonst wären es ja keine Probleme - einer Lösung zuführen.
Zweitens sagen Sie, es sei kaum möglich gewesen, alles intensiv zu beraten, da nur eine Ausschußsitzung zur Verfügung gestanden habe. Das ist richtig. Durch die Vielzahl der Anträge Ihrer Fraktion wird aber doch deutlich, daß allen Fraktionen in ausreichendem Maße Zeit zur Verfügung gestanden hat, sich mit der Materie insgesamt zu beschäftigen. Wir wollen doch nicht verheimlichen, Herr Dr. Fuchs, daß der Bericht der Regierung nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes schon seit dem 13. September vorigen Jahres vorliegt und daß wir, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, diesen Bericht hier bereits am 15. März diskutiert haben.
Seitdem war doch zumindest den Fachleuten bekannt, daß wir mit einer Änderung dieses Gesetzes zu rechnen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
({0}) - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Fuchs!
Herr Kollege Vogelsang, haben Sie auch den Eindruck, daß im Ausschuß genügend Zeit zur gründlichen Erörterung dieser teilweise doch schwierigen Probleme zur Verfügung gestanden hat?
Herr Dr. Fuchs, eigentlich sind doch die Ausschußberatungen - wenn ich Ihnen auch einräume, daß das, was geschehen ist, nicht unbedingt zur Regel werden muß - geradezu ein klassisches Beispiel für Diskussionen gewesen, in denen wir Sachprobleme miteinander gegen die Probleme einer möglichen Finanzierung abgewogen haben. Denn ich muß darauf hinweisen, daß Sie, selbst wenn wir aus finanziellen Gründen, wie Sie eben richtig gesagt haben, einen Teil Ihrer Anträge ablehnen mußten, nachher doch bereit waren, auch unseren Argumenten bezüglich der nicht möglichen Finanzierung zuzustimmen; denn die Ausschußvorlage ist doch einstimmig verabschiedet worden.
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Dr. Fuchs, auch dafür, daß Sie anerkennen, daß dieses Gesetz tiefgreifende Veränderungen im Bundesausbildungsförderungsgesetz bringt. Mit diesem zweiten Änderungsgesetz liegt dem Parlament in der zweiten Lesung ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der, so darf man sagen, von den Betroffenen voll angenommen worden ist. Das, glaube ich, zeigt sich am besten dann, wenn man sich einmal die Breitenwirkung dieses Gesetzes vor Augen führt. Während 1971, bei Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes, 34 % der Studenten gefördert wurden, waren es 1974 47 %, und im Jahre 1975 werden es 48 % sein, also nahezu die Hälfte aller Studenten.
Bei den Schülern ist die Entwicklung ähnlich gewesen. Während im Jahre 1971 20 % der Schüler aefördert wurden, waren es 1974 41 %, und im Jahre 1975 werden es 43 % sein.
Das, so meine ich, gibt auch die Breitenwirkung dieses Gesetzes wieder. Und wir wehren uns mit aller Entschiedenheit gegen Vorstellungen und Vorschläge. diese Breite zu beschneiden und dafür in der Höhe, d. h. also für wenige, mehr zu leisten. Wir als Sozialdemokraten meinen, daß diese Breitenwirkung des Gesetzes unbedingt erhalten bleiben muß.
Bemerkenswert aber erscheint uns auch, daß hier ein Gesetz beschlossen werden soll, dessen finanzieller Aufwand sich von diesem Jahr zum nächsten Jahr um nahezu 50 °/o erhöht. Wir werden in diesem Hause nur selten Leistungsgesetze zu verabschieden haben, die solch eine finanzielle Dimension haben; hier nämlich werden die Aufwendungen von bisher 2,1 Milliarden DM auf 3,2 Milliarden im nächsten Jahr steigen.
Nun könnte man aus dieser Entwicklung unter Umständen die Vermutung ableiten, in der Vergangenheit sei da zu wenig geschehen. Man muß aber darauf hinweisen, daß sich ja die finanziellen Aufwendungen von 1969 bis 1973 vervierfacht haben, so daß die Begründung, es könne vielleicht an den Fehlern der Vergangenheit liegen, hier nicht relevant ist.
Nun glaube ich aber, daß allein die Zahlen hinsichtlich des finanziellen Aufwands nicht dazu ausreichen, eine wirkungsvolle Bilanz darzustellen. Ich meine auch, daß nicht nur der - sehr wesentliche - Grund der Breitenwirkung ein Beweis für den bildungspolitischen Effekt dieses Gesetzes ist, sondern daß auch noch ein weiterer Beweis angeführt werden kann. Es hat sich nämlich nach einer Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr ergeben, daß die Arbeiterkinder mit 30,6 % an der Spitze der Geförderten stehen. Das, meine ich, ist ein sehr wichtiger bildungspolitischer Effekt des Gesetzes.
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- Ich räume Ihnen gern ein, daß die Angestellten mit 28 % ebenfalls sehr weit oben gelegen haben. Aber Tatsache ist, daß die Arbeitnehmerkinder mit über 50 % im Kreis der Geförderten liegen, und das ist eigentlich genau das gewesen, was wir als Väter des Gesetzes erreichen wollten.
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Ich darf Ihnen vortragen, welche wesentlichen Änderungen das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes enthält. Die erste wesentliche Änderung wird die Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge sein. Sie werden im Durchschnitt um 20 % erhöht. So steigt der Förderungshöchstbetrag bei Schülern von 400 auf 480 DM, bei Studenten von 420 auf 500 DM. Der Freibetrag der Eltern erhöht sich von 800 auf 960 DM, und - was wir besonders vermerken wollen - für Alleinstehende erhöht sich der Freibetrag von 500 auf 640 DM, also um nahezu 30 %. Hier liegt auch in erster Linie der finanzielle Aufwand des Gesetzes.
Eine zweite, in meinen Augen sehr wesentliche Änderung ist die Einführung eines sogenannten Grunddarlehens für Studenten. Um Mißverständnissen vorzubeugen: dieses Grunddarlehen betrifft nur Studenten und nicht die Schüler. Wer sich die finanzielle Entwicklung der Ausgaben vor Augen hält, die ich soeben darzulegen versucht habe, muß zwischen dem politisch Wünschenswerten und dem finanziell Möglichen entscheiden. Hier liegt die Begründung dafür, daß wir der Einführung eines Grunddarlehens zustimmen. Wir dürfen auch daran erinnern, daß bereits im Jahre 1970 im Kabinett ein Beschluß herbeigeführt worden ist, der die Möglichkeit einer Wiedereinführung eines Grunddarlehens durchaus ins Auge gefaßt hat. Die Darlehensgewährung seit Inkrafttreten des Gesetzes war auf bestimmte Bereiche begrenzt, nämlich vorrangig auf die Möglichkeiten einer Zweitausbildung, und zwar
auch dann, wenn die Förderungshöchstdauer überschritten war. Nunmehr werden alle Studenten eine Darlehenskomponente hinnehmen müssen, die unverzinslich ist.
Eine dritte Neuerung des Gesetzes ist, daß die elternunabhängige Förderung erweitert wird. Sie betrifft diejenigen, die schon einmal finanziell auf eigenen Füßen gestanden haben oder von einem bestimmten Lebensalter an gefördert werden. Dabei wird das Einkommen der Eltern nicht berücksichtigt bzw. die Freibeträge der Elterneinkommen werden verdoppelt, so daß es in der Praxis nahezu nicht mehr anrechnungsfähig ist.
Die vierte Verbesserung ist, daß die Einkommen der Rentner bei der Einkommensermittlung in Zukunft so behandelt werden wie alle übrigen Einkommen auch.
Eine fünfte Verbesserung besteht in der Ausweitung der Förderung für ein Studium im außereuropäischen Ausland. Bisher war es nur dann möglich, ein Studium im außereuropäischen Ausland zu fördern, wenn es im Rahmen der Ausbildung erforderlich war. Dies wird nunmehr auf die Punkte erweitert: wenn es im Rahmen eines Studienprogramms erfolgt und wenn es für die Ausbildung und den Ausbildungsstand förderlich ist.
Eine sechste Verbesserung ist, daß ab 1. Januar 1975 auch die auswärts untergebrachten Schüler bereits ab Klasse 10 eine Förderung erfahren können.
Aufgenommen wird als siebter Punkt, daß auch die Teilnehmer an Veranstaltungen von Ausbildungsstätten, die einem Schulversuch dienen, gefördert werden können. Und achtens wird eine bessere verfahrensrechtliche Regelung eingeführt.
Wir haben in dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute in der Ausschußfassung vorlegen, nicht den Vorschlag der Bundesregierung verwirklicht, den Förderungsbereich entsprechend dem Prinzip der horizontalen Gliederung des Schulwesens nach Schulstufen zu ordnen. Das haben wir nicht deshalb nicht getan, weil wir meinen, daß dieses Anliegen insbesondere im Hinblick auf den Bildungsgesamtplan nicht berechtigt und begründet gewesen wäre, sondern einfach, um das rechtzeitige Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht zu gefährden. Uns war bekannt, daß sowohl die Opposition hier im Bundestag als auch die Mehrheit im Bundesrat hiergegen opponieren würden, und wir wollten nicht riskieren, daß der Bundesrat in diesem Punkte den Vermittlungsausschuß anrufen würde. Hier ließ einfach der politische Zwang, unsere politische Überzeugung ein bißchen in den Hintergrund treten. Damit meine ich nicht den Hintergrund überhaupt, sondern den zeitlichen Hintergrund; denn wenn wir hier in diesem Hause dem Bildungsgesamtplan zustimmen, werden wir nicht daran vorbeikommen, in diesem Gesetz die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Sicherlich - Herr Kollege Fuchs hat es soeben schon getan - kann man auch den zeitlichen Ablauf der Werdung dieser Novelle kritisieren. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir uns sicherlich alle, die wir unmittelbar mit dem Zustandekommen dieses
Gesetzes befaßt waren, seit dem 13. Dezember bzw. seit dem 15. März darauf eingerichtet haben. Wir wollten mit diesem leichten zeitlichen Druck nichts gefährden, sondern wir wollten unser Versprechen aus der ersten Lesung einlösen. Wir hatten nämlich allen Begünstigten versprochen, uns darum zu bemühen, dieses Gesetz so rechtzeitig zu verabschieden, daß es zum 1. August 1974 bzw. zum 1. Oktober 1974 in Kraft treten kann.
Wir sind uns darüber im klaren, daß nicht alle Wünsche, die zu diesem Gesetz von der politischen Opposition und auch von außerhalb des Bundestages an uns herangetragen worden sind, erfüllt sind. Nur - darauf habe ich bereits hingewiesen - mußten wir bei aller sachlichen Abwägung und allem bildungspolitischen Wollen auch darauf achten, daß wir hier nicht Hoffnungen erweckten, deren Erfüllung nachher nicht finanzierbar gewesen wäre. Wir wollten ein auch in dem Sinne seriöses Gesetz machen, daß es finanzierbar ist und bleibt. Für einige Vorschläge und Wünsche sind keine Finanzierungsvorschläge gemacht worden. Ich will aber auch nicht verschweigen, daß insbesondere von außerhalb dieses Hauses Vorschläge zur Finanzierung gemacht worden sind, die sich jedoch ein bißchen stereotyp darauf beschränkt haben zu sagen: Nehmt das Geld aus dem Haushalt der Verteidigung!
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß ich die Diskussion im Ausschuß als eine typische, echte Diskussion - nämlich mit dem Messen der Argumente - empfunden habe: wir haben bildungspolitisches Wollen und finanzielle Möglichkeiten miteinander abgewogen. Der Bericht des Haushaltsausschusses gibt Ihnen die Gewähr, daß dieser Gesetzentwurf mit der Haushaltslage vereinbar ist.
Uns war bei den Beratungen nicht neu, daß, je mehr man gibt, um so größer die Zustimmung derer ist, die davon begünstigt werden. Nur, das konnte nicht unser Gesichtspunkt sein. In unserem Gesichtsfeld standen nicht nur die, die nach diesem Gesetz die Empfänger der Leistungen sein werden, sondern zu berücksichtigen war auch der Kreis derer, die die Gebenden sein würden.
Ich darf noch einmal sagen: Dieses Gesetz ist trotz der enormen Ausweitung seines Finanzvolumens finanziell abgesichert. Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben und damit die Gesetzesvorlage des Bundesrats für erledigt zu erklären.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Köster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist ein Markstein am Wege des Ausbaus unseres sozialen Rechtsstaates - ohne jeden Zweifel. Unter der Regierung Kiesinger ist es als Ausbildungsförderungsgesetz entstanden und 1971 unter Einbeziehung des Honnefer Modells zum Bundesausbildungsförderungsgesetz erweitert worden. Die Praxis mit diesem Gesetz hat nun Fragen aufgewor-
fen, die ohne neue Informationen seitens der Regierung nicht zu lösen sind.
Daher hat der Ausschuß einstimmig an den Bundestag den Antrag gestellt, die Bundesregierung aufzufordern, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. März 1975 einen Bericht vorzulegen, in dem a) das Zusammenwirken von Leistungen nach dem Kindergeldgesetz, nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und von steuerlichen Entlastungen durch auswärtige Unterbringung dargestellt wird, in dem b) festgestellt wird, welche Spitzenbelastung für je 100 DM Mehreinkommen in verschiedenen Einkommensschichten hingenommen werden müssen, die Steuern, Soziallasten und die Mehrbelastung durch auslaufende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bewirken, und in dem c) Vorschläge unterbreitet werden, wie soziale Härten - z. B. Regelungen für Empfänger von Waisengeld und Waisenrente, Alleinstehende mit unterhaltspflichtigen Kindern und Schwerbehinderte - durch die weitere Gesetzgebung gemildert werden können.
Meine Damen und Herren, jedes Leistungsgesetz, das wir uns beim Ausbau einer gerechteren sozialen Ordnung geben, fordert von uns die Entscheidung, ob eine Leistung als Ergänzungshilfe angeboten oder als Leistung - unabhängig von der Einkommenshöhe - gewährt wird. Einkommensunabhängige soziale Leistungen wie das Kindergeld werfen letztlich bezüglich ihrer Finanzierung nur Probleme auf, die die allgemeinen Steuertarife - Einkommensteuer und Mehrwertsteuer - betreffen. Einkommensabhängige Sozialleistungen haben für die Begünstigten den Charakter einer Hilfe, den einer Sonderbelastung für den, dessen Einkommen die Freibeträge übersteigt. Diese Sonderbelastung ist für Spitzeneinkommen kein Problem. Diejenigen aber, deren Einkommen die Freibeträge nur wenig übersteigt, sehen sich allmählich in eine Dunstglocke von Mehrbelastungen gedrängt, die durch das Auslaufen einkommensabhängiger Sozialleistungen auf Grund einer Vielzahl von Gesetzen entsteht und die für den Betroffenen und den Gesetzgeber in ihren Auswirkungen immer weniger durchschaubar werden
({0})
und Härten mit sich bringen, die wir alle nicht wollen. Hier sind zu nennen das Sparprämiengesetz, das Wohnungsbauprämiengesetz, das Dritte Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung, das Wohnungsgeldgesetz, das Bundessozialhilfegesetz, das Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Die Spitze der Ungereimtheit - man möchte sagen: der Unsinnigkeit - liegt darin, daß es Familienväter gibt, die ein so niedriges Einkommen haben, daß sie die vollen Bedarfssätze des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in Anspruch nehmen können, außerdem aber noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz haben, weil ihr Einkommen geringer ist als das vom Bundessozialhilfegesetz festgesetzte Existenzminimum, der Staat aber von diesem Arbeitseinkommen noch Lohnsteuer verlangt. Es ist mit jeder vernünftigen
Steuer- und Sozialgesetzgebung unvereinbar, wenn Situationen entstehen, in denen aus dem Bundessozialhilfegesetz einerseits Leistungen erbracht werden - und damit feststeht, daß das Existenzminimum nicht erreicht ist - und andererseits von diesem Existenzminimum noch Steuern gezahlt werden.
Solche Situationen sind dann besonders grotesk, wenn es sich bei dem Beispiel, das mir vor Augen steht, um einen Bediensteten der öffentlichen Hand, der Bundesbahn handelt, dessen Einkommen aus dem öffentlichen Dienst nach allgemeiner Auffassung doch ausreichen sollte. Familien mit einem Einkommen oberhalb der Freibeträge - und das sind Familien, die dieses Mehreinkommen gerne für die Ausbildung ihrer Kinder ausgeben - müssen erleben, daß der Staat diese Leistung für ihre Kinder nicht nur nicht honoriert, sondern steuerlich belastet. Diese Ungerechtfertigkeit ist offenkundig.
Ein Ehepaar, das sich entschließt, seine Kinder studieren zu lassen, wird durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz verpflichtet, den Bedarf ganz oder zum Teil selbst zu zahlen. Diese gesetzliche Unterhaltsverpflichtung für studierende Kinder wird steuerlich im besten Fall als Freibetrag in Höhe von 1200 DM jährlich anerkannt. Eine andere Familie, die sich nicht entschließen kann, ihre Kinder studieren zu lassen, und sich statt dessen etwa entscheidet, mit der freien Kapitaldecke Bausparbeiträge zu leisten, kann nach dem beschlossenen Einkommensteuergesetz hohe Beträge mit 22 % von der Steuerschuld abziehen. Auf der einen Seite eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung für den Familienvater, wobei die Zahlung aus dem versteuerten Einkommen erbracht werden muß; dort eine gewiß erwünschte Vermögensbildung, die steuerlich berücksichtigt wird. Es ist zu untersuchen, ob das mit dem Auftrag des Grundgesetzes in Art. 6, die Familie besonders zu schützen, vereinbar ist.
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Dieselbe unbefriedigende Situation kommt dann zum Ausdruck, wenn man überlegt, was aus einem Hundertmarkschein eines Manne, dessen einziges Kind auswärts an einer Hochschule studiert, wird, den er infolge einer Beförderung oder Mehrleistung bekommt. Es ist nicht einzusehen, daß der Ertrag für eine Mehrleistung eines Unterhaltsverpflichteten zu 70 % und mehr vom Staat als Steuern oder als erhöhter Beitrag für den Bedarf eines Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes verwendet wird. Ein derart leistungsfeindlicher, aufstiegsfeindlicher Einkommensbereich breitet sich in den Nebel auslaufender Vergünstigungen von Geldleistungsgesetzen mit Einkommensgrenzen aus. Wir haben alle Ursache, diese Dunstglocke zu durchstoßen, und zwar gemeinsam zu durchstoßen, und zu klaren Vorstellungen zu kommen, welche Auswirkungen die Bündelung von auslaufenden Vergünstigungen von Einkommensgesetzen für die Betroffenen hat.
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Ein anderes Problem ist so alt wie das Ausbildungsförderungsgesetz selbst, nämlich das Problem der Anrechnung von Waisengeldern als eigenes Einkommen der Studierenden auf die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Wir alle werden sicher aus unseren Wahlkreisen von Fällen gehört haben, in denen eine Familie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezog, nach dem Tode des Vaters aber trotz verringerten Gesamteinkommens der Familie häufig eine empfindliche Minderung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hinnehmen mußte. Aus ernst zu nehmenden Gründen wird das Waisengeld als eigenes Einkommen der Waisen und Halbwaisen betrachtet. Die Tatsache, daß es eigenes Einkommen ist, schützt den Anspruch der Waisen und Halbwaisen auf die auszuzahlenden Beträge. Als eigenes Einkommen allerdings muß es nach den Bestimmungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auf den Bedarf angerechnet werden.
Um diese schwierige Situation ein wenig zu mildern, haben in der vergangenen Wahlperiode Frau Schanzenbach, Herr Krall und ich im Einvernehmen mit unseren Fraktionen schon 1970 einen Gesetzentwurf eingebracht, der einem Waisen einen Freibetrag von 70 DM monatlich sicherte. Dieser Betrag hat sich immer wieder als ungenügend erwiesen und wurde auf wiederholte Anträge der CDU/CSU schließlich auf 120 DM erhöht. Die Witwen und Erziehungsberechtigten haben jedoch immer wieder darauf hingewiesen, daß auch dieser Betrag nicht ausreiche.
Es ist natürlich nicht möglich, daß das Bundesausbildungsförderungsgesetz dazu dient, Aufbesserungen der Witwenrenten zu finanzieren. Aber ich glaube, daß die Situation nicht so einfach zu sehen ist. Im Augenblick des Todes des Familienvaters besteht nach wie vor der Wunsch und die Notwendigkeit, die Familie als Familie weiterbestehen zu lassen. Eine Familie besteht als Lebensgemeinschaft auch dann weiter, wenn einige oder alle Kinder der Witwe auswärts studieren. Das Gesetz darf einfach nicht unterstellen, daß die Witwe mit ihrer kleinen Rente noch für ein Kind oder mehrere Kinder Unterkunft und Verpflegung bereitstellen kann, jedenfalls für die Ferien und für die Wochenenden. Es muß sichergestellt werden, daß mehr als 120 DM bei der Anrechnung des Waisengeldes auf das Einkommen der Studierenden unberücksichtigt bleiben, wenn das Einkommen der Mutter geringer ist als die Höhe der ihr zustehenden Freibeträge.
Um mich klarer auszudrücken: Wenn eine Witwe drei Kinder hat, die studieren, müßte nach dieser Überlegung ein höherer Freibetrag als 120 DM von den Waisengeldern freibleiben, wenn ihr Einkommen geringer ist als 820 DM. Der neue Freibetrag für die Witwe beträgt nach dem jetzt zu beschließenden Gesetz 640 DM, der Freibetrag jür jedes der studierenden Kinder 60 DM, so daß sich dann diese 820 DM ergeben. Das ist notwendig, damit sie ,so viel Geld zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft zur Verfügung haben kann, wie es das Gesetz für Höherverdienende als Freibetrag anerkennt.
Schließlich wirft die Einführung der Grunddarlehen für Studenten, die im Bericht ausführlich behandelt worden ist, für den Familienpolitiker unabhängig von den Beratungsergebnissen im Ausschuß das Problem auf, daß bei dieser Darlehensregelung die Armut der Eltern den Kindern nachläuft. Einkommenstarke Eltern werden durch das Gesetz verpflichtet, den vollen Bedarfssatz zu zahlen. Kinder einkommenschwacher Eltern erhalten 500 DM vom Staat, aber 80 DM als Darlehen. Unabhängig von den Auffassungsunterschieden zwischen Koalition und CDU/CSU-Fraktion wäre es denkbar, die Darlehenshöhe als Prozentsatz der Leistung der Eltern festzusetzen. Bei einkommenschwachen Elffern würde also der volle Betrag ohne Darlehen ausgezahlt, bei einkommenstarken Eltern würde die volle Höhe der Darlehenshöhe erreicht. Es muß zugegeben werden, daß auch hier um der isozialen Gerechtigkeit willen eine neue Grauzone zusätzlicher Belastungen entstehen würde.
Meine Damen und Herren, wir sind bereit, nach der Erstellung des Berichts der Bundesregierung im März dieses Gesetz im Interesse eines weiteren Schrittes zu größerer sozialer Gerechtigkeit weiter intensiv zu beraten.
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Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache der zweiten Beratung.
Ich rufe nunmehr auf Art. 1. Der Herr Abgeordnete Dr. Fuchs hat beantragt, über Art. 1 so abstimmen zu lassen, daß über die Nummern 14 und 22 gesondert abgestimmt wird. Ich habe dazu keinen Widerspruch gehört, also kann 'so verfahren werden.
Ich komme also zur Abstimmung über Art. 1 - den einleitenden Satz des Art. 1 sowie die Nummern 1 bis 13, wozu das Wort nicht gewünscht wird. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen so beschlossen.
Ich rufe nunmehr die Nr. 14 auf. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe die Nummern 15 bis 21 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe'. - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Nr. 22. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu den Nummern 23 bis 48. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Vizepräsident Dr. Jaeger
Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. 2 - Einleitung und Überschrift - auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen heute vor einer Entscheidung, von der ich weiß, daß mancher in diesem Hause - und das trifft auf alle Fraktionen zu - sie um weitere Punkte angereichert sehen möchte. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist ein Kernstück der Sozialpolitik im Bildungsbereich. Gerade deshalb habe ich Verständnis dafür, daß trotz der wesentlichen Fortschritte im Ausbau der Ausbildungsförderung noch eine Reihe weiterer, vor allem die soziale Ausrichtung dieses Leistungssystems berührender Fragen im Ausschuß und auch heute hier im Plenum behandelt worden ist. Ich bin mir aber - ich nehme an, der Zustimmung aller hier - sicher, wenn ich hervorhebe, daß die Bilanz des bisher in der Ausbildungsförderung Erreichten beachtlich ist.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist von Schülern und Studenten in erheblichem Umfang in Anspruch genommen worden, so daß heute fast 50 % der Schüler in den allgemeinbildenden und den berufsbildenden Schulen der Oberstufe und ein gleicher Anteil der Studenten gefördert werden. Das sind insgesamt rund 800 000 junge Bürger in unserem Lande.
Der Mitteleinsatz von Bund und Ländern hat sich beträchtlich erhöht. 1971 wurden knapp 800 Millionen DM aufgewendet, 1974 werden es fast 2,2 Milliarden DM und 1975 rund 3,2 Milliarden DM sein.
Bemerkenswert scheint mir zu sein, daß die Entwicklung der Ausbildungsförderung auch ein Beleg dafür ist, daß wichtige Zielwerte des Bildungsgesamtplans aus gegenwärtiger Sicht eher schneller als geplant verwirklicht werden. Der Bildungsgesamtplan hatte mit 206 000 Schülern der Oberstufe gerechnet, die im Jahre 1975 Ausbildungsförderung erhalten sollen. Die aber tatsächlich erreichte Zahl beträgt 1974 schon rund 384 000; das sind mehr als 80% mehr, als seinerzeit für 1975 geplant. Die entsprechenden Zahlen für die Studenten lauten: vorgesehen nach dem Bildungsgesamtplan 252 000 für 1975, demgegenüber 360 000 erreicht im Jahre 1974. Das sind heute über 40 % mehr, als für 1975 geplant.
Der Mehrbedarf für das Ihnen hier vorliegende Zweite Änderungsgesetz des Bundesausbildungsförderungsgesetzes beträgt - auf ein ganzes Jahr bezogen - über 1 Milliarde DM; das entspricht fast 50 % der Gesamtleistungen im Jahre 1974. Die Freibeträge und die Bedarfssätze werden um je 20 % erhöht. Beim einzelnen Schüler oder Studenten werden aber erheblich höhere Mehrbeträge als diese 20 % ankommen, weil ,die Freibeträge und Bedarfssätze gleichzeitig angehoben werden. Hierdurch werden sowohl die Familien entlastet als auch die Geförderten selbst erheblich bessergestellt.
Eine eindeutige Verbesserung im Sinne des Ausgleichs regionaler Benachteiligungen ist auch die Vorschrift, ab 1. Januar 1975 die auswärts untergebrachten Schüler der 10. Klasse in die Förderung einzubeziehen.
Von den Ergänzungen und Änderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes durch diese Novelle will ich außerdem die Erweiterung der eiternunabhängigen Förderung für ältere Auszubildende und die Erweiterung der Förderung bei einer Ausbildung im außereuropäischen Ausland nennen.
Der Absicherung des bisher Erreichten dient auch die Erhöhung der Pauschalen für die soziale Sicherung nach Maßgabe des § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes.
Neben diesen Verbesserungen berücksichtigt die Novelle eine Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen, denen die von den Ländern bei der Ausführung des Gesetzes gemachten Erfahrungen zugrunde liegen und für die sich die Länder bei den Vorbereitungsarbeiten des Entwurfs der Bundesregierung mit Nachdruck eingesetzt haben.
Herr Kollege Dr. Fuchs, ich kann und will auch nicht bestreiten, daß die Beratungen dieses Gesetzentwurfs nach einem sehr gedrängten Zeitplan stattgefunden haben und daher erhebliche Anforderungen insbesondere an die Mitglieder des Bildungsausschusses gestellt worden sind. Ich habe um Verständnis für diesen Zeitdruck zu bitten. Ich hielt ihn allein 'dadurch für gerechtfertigt, daß die Betroffenen mit Beginn des neuen Bewilligungszeitraums die erhöhten Leistungen erhalten sollen; das ist für die Schüler der 1. August und, wie hier schon gesagt wurde, für die Studenten der 1. Oktober dieses Jahres. Ich möchte daher den Mitgliedern der zuständigen Ausschüsse und auch den Mitarbeitern der Sekretariate ausdrücklich dafür danken, daß sie dazu beigetragen haben, daß die Auszahlung der Leistungsverbesserungen rechtzeitig möglich geworden ist.
({0})
Diesen Dank spreche ich besonders nachdrücklich aus, weil ich, Herr Kollege Dr. Fuchs, keineswegs verhehlen will, daß auch nach meiner Auffassung künftig durchaus weitere Strukturprobleme behandelt werden müssen, ,die sich im System der Ausbildungsförderung stellen. Das System befindet sich noch in der Entwicklung. Wachsende Schüler- und Studentenzahlen und wachsende Leistungsansprüche wirken in Zukunft darauf ein. Bei einem sich finanziell und auch sozial so ausweitenden Leistungssystem müssen wir große Anstrengungen machen, um es langfristig finanziell abzusichern, d. h. dieses
System in die Leistungsfähigkeit 'des Bundes und der Länder unter Berücksichtigung anderer, ebenfalls wachsender bildungspolitischer Anforderungen einzupassen. Das ist für alle Beteiligten, auch für ,die Mitglieder dieses Hohen Hauses, wie ich meine, keine leichte Aufgabe. Das mag auch derjenige berücksichtigen, der heute in dem einen oder anderen Punkt kritische Anmerkungen zu machen hat. Mir scheint, daß wir bei unserer heutigen Entscheidung davon ausgehen können, daß wir das jetzt Mögliche auch unternommen und auf den Weg gebracht haben.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll gleichzeitig ein Einstieg in einen Ausgleich der Kostenbelastung, die durch die Ausbildungsförderung entsteht, gleichsam zwischen den Generationen geleistet werden. Studenten sollen in Zukunft einen Teil der Förderung als Darlehen erhalten. Die Generation der Eltern wird, wenn die ersten Tilgungsbeträge zurückfließen - das wird etwa ab 1980 der Fall sein können -, um diesen Teil der Förderung entlastet. Die junge Generation übernimmt somit selbst einen Teil ihrer Ausbildungskosten. So verständlich der Wunsch der Jüngeren ist, während des Studiums voll durch Zuschüsse gefördert zu werden, so sehr verdienen nach meiner Meinung die Älteren Verständnis, die viele der Chancen nicht hatten, von denen die heutige junge Generation ausgehen kann.
Bei der Frage, wie dieser Kostenausgleich langfristig im einzelnen zu organisieren ist, ergibt sich
- da stimme ich dem Kollegen Köster zu - für die Zukunft eine Vielzahl komplizierter Probleme, die wir sicherlich noch eingehend diskutieren werden. Dabei werden wir uns an dem Anspruch sozialer Gerechtigkeit orientieren.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist nur
- das darf ich in diesem Zusammenhang anmerken - eines der Elemente sozialer Sicherung für die Studenten und für den Bildungsbereich. Der erste Schritt zu einer besseren sozialen Sicherung ist in der vergangenen Legislaturperiode mit der Vorlage des Gesetzes zum Ausbau der Unfallversicherung. für Schüler und Studenten eingeleitet worden. Es war ein Gesetzentwurf, der strukturpolitische Bedeutung für den sozialpolitischen und den bildungspolitischen Bereich hatte. In Kürze wird die Bundesregierung darüber hinaus mit einem Entwurf zur Neuregelung der studentischen Krankenversicherung einen weiteren Schritt unternehmen. Vorgesehen ist die Pflichtversicherung bei den gesetzlichen Kassen mit Befreiungsmöglichkeiten. Die Studenten sollen einen eigenen Anspruch erhalten, wodurch vor allem auch der Schutz ihrer Familienangehörigen verbessert wird. Durch einen Bundeszuschuß soll sichergestellt werden, daß die Beiträge sozial tragbar sind. Der Bund wird dafür 60 Millionen DM aufbringen. Vorgesehen ist ferner eine zusätzliche Entlastung der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten Studenten.
Meine Damen und Herren, ich führe diese sozialen Leistungen für die Studenten, die über die in dieser Debatte behandelte Ausbildungsförderung hinausgehen, deshalb an, weil wir heute nicht mehr die einzelnen Leistungen für den Hochschulbereich isoliert voneinander betrachten können. In Wahrheit müssen wir unseren Blick auf die Gesamtaufwendungen richten, die vom Hochschulbau, den personellen und sachlichen Kosten der Hochschulen, die im wesentlichen von den Ländern aufgebracht werden, über die soziale Sicherung und die Ausbildungsförderung bis hin zum Studentenwohnraum-bau reichen. Sie stimmen sicherlich mit mir darin überein, daß man hinsichtlich der Leistungen für die Studenten und 'die Hochschulen die eine Sache nicht zu Lasten der anderen betreiben kann, sondern im Sinne ausgewogener und langfristiger Planung die Einzelanforderungen in Gesamtzusammenhänge bringen muß.
Gestatten Sie mir schließlich noch eine Bemerkung mehr allgemeiner Natur. Der vorliegende Gesetzentwurf wird im Bundestag in einer Zeit debattiert, in der über die Bildungsfinanzierung draußen im Land meist eher besorgt und skeptisch gesprochen wird, in einer Zeit überdies, in der geprüft werden muß, wie die Entlastung der Steuerzahler durch die Steuerreform ab 1. Januar 1975 in den öffentlichen Haushalten ausgeglichen werden kann. Meine Damen und Herren, gerade in diesem größeren Zusammenhang ist es politisch bemerkenswert, daß Bund und Länder mit diesem Gesetz sozial- und bildungspolitischen Leistungswillen beweisen.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort zum Inkrafttreten des Gesetzes sagen. Die Bundesregierung hat im Benehmen mit den Ländern eine Übergangsfrist und Inkrafttretensregelung für die Novelle erarbeitet, durch die ermöglicht wird, daß die erhöhten Leistungen ab 1. August bzw. 1. Oktober 1974 an gezahlt werden, ohne daß es zu Zahlungsunterbrechungen kommt. Die Länder sind zudem ermächtigt worden, die erhöhten Bedarfssätze und Freibeträge sowie die angehobenen Pauschalen für die soziale Sicherung nach § 21 Abs. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bereits im Juli 1974 als Grundlage für die Berechnung der Leistungen für den Monat August 1974 anzuwenden. Die Bundesregierung ist auf Grund dieser getroffenen Regelung und in Kenntnis der dankenswerterweise schon weit vorangetriebenen Vorarbeiten in den Ländern davon überzeugt, daß es im wesentlichen gelingen wird, Übergangsschwierigkeiten zu vermeiden. Ich möchte auch den Ländern besonders dafür danken, daß sie es trotz der Kürze der Zeit kooperativ möglich gemacht haben, daß dieses Gesetz bereits vom August 1974 an vollzogen werden kann.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist erst knapp drei Jahre alt. Trotzdem ist es bereits zum Meilenstein auf dem Wege zur Chancengleichheit geworden. Es stellt ein wichtiges Instrument im Rahmen der individuellen Ausbildungsförderung dar. Aus der heutigen sozialen und bildungspolitischen Wirklichkeit ist es nicht mehr wegzudenken. Rund 300 000 Schüler und 322 000
Studenten waren im Jahr 1973 Nutznießer der Bundesausbildungsförderung. Bei Einführung des Gesetzes im Jahre 1971 lag die Zahl der geförderten Studenten noch bei 34 % und die der Schüler ab Klasse 11 bei 20 %. Ab 1975 werden jeder zweite Student - genau gesagt: 48 % - und 43 % der Schüler von dieser materiellen Ausbildungsförderung profitieren.
Mit der Ausweitung des Kreises der Berechtigten sind natürlich auch die für die Ausbildungsförderung aufgewendeten Mittel in einem Maße gestiegen, das alle Vorausschätzungen weit übertrifft. 1971 betrugen die Gesamtausgaben noch 290 Millionen DM, wobei der Bund mit rund 190 Millionen DM beteiligt war. 1975 steigen die Aufwendungen auf 3,2 Milliarden DM.
Die heute zu beschließende Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge belastet den Bund mit einem zusätzlichen Betrag von 150 Millionen DM. Neben der eben schon erwähnten Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um 20% wird es eine Reihe struktureller Verbesserungen geben. Dazu gehören unter anderem die verbesserte Förderung des Studiums im außereuropäischen Ausland, die Aufnahme von Schülern der Klasse 10 im Falle einer für die Ausbildung nötigen auswärtigen Unterbringung, die Anhebung der pauschalierten Absetzungsbeträge für die soziale Sicherung und die Erweiterung der elternunabhängigen Förderung.
Bei dieser zweiten Novellierung mußte die Bundesregierung die finanzpolitischen Realitäten des Haushalts berücksichtigen. So wird bei der Förderung im Bereich der Akademien, höheren Fachschulen und Hochschulen eine Darlehenskomponente eingeführt. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich bekenne, daß auch bei uns Diskussionen über diese Darlehenskomponente geführt wurden. Die Ausgaben für ein modernes Bildungswesen müssen schließlich erst einmal von Steuerzahlern aufgebracht werden, denen diese weitreichenden Ausbildungshilfen nicht zur Verfügung standen. Wir halten also die Einführung des Grunddarlehens im Rahmen der Ausbildungsförderung der Studenten für angemessen, schon deshalb, weil dann diejenigen, die persönliche Vorteile aus der Förderung mit öffentlichen Mitteln ziehen, auch zur teilweisen Rückzahlung herangezogen werden. Qualifizierte Ausbildung heißt gleichzeitig längere Ausbildung. Eine solche verbesserte Ausbildung zahlt sich später aber noch immer durch ein höheres Einkommen aus.
Das vorgesehene Darlehen soll zinslos gewährt werden. Die Rückzahlung soll drei Jahre nach Beendigung der Ausbildung beginnen und eine Laufzeit von 20 Jahren haben. Sicherungen sozialer Art sind vorsorglich in den Gesetzentwurf eingebaut worden.
Einen Vergleich mit ,der Situation in anderen Ländern brauchen wir nicht zu scheuen: Der Darlehensanteil beträgt beispielsweise in Holland 40 % und im Sozialstaat Schweden sogar 82 %. Außerdem ist die Ausbildungsförderung bei uns gezielter als bei unseren Nachbarn.
Die Einführung des Darlehens wird, langfristig gesehen, ansehnliche Finanzrückflüsse zur Folge haben. Diese Finanzmittel werden wir zur kontinuierlichen Fortführung der Ausbildungshilfen benötigen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah eine Umstellung auf das Stufenprinzip des Bildungsgesamtplanes vor. Die Förderung, die den Abschluß von mindestens zehn aufsteigenden Schuljahren voraussetzt, fand im Ausschuß aber keine Mehrheit. Ob das 10. Schuljahr nach jetziger Zählung als allgemeinbildendes letztes Schuljahr der Sekundarstufe I oder als Berufsgrundbildungsjahr und damit als erstes Jahr der Berufsausbildung und der Sekundarstufe II anerkannt wird, ist ein Streitpunkt mit den Ländern. Vor einer Umstellung sollte hier die Zustimmung aller Beteiligten vorliegen.
Das Gesetz betont in seiner Grundsatzbestimmung des § 1 sehr deutlich die Zielrichtung. Es besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende individuelle Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden 'die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.
Die vorliegenden statistischen Auswertungen beweisen, daß das Gesetz die Chancengleichheit verbessern konnte. Bei 31 % der Geförderten war der Vater Arbeiter, 30 % der Kinder kamen aus Angestelltenhaushalten, 14 % waren Kinder von Beamten und 13 % von Selbständigen. Wir wollen Chancengleichheit für die Kinder sozial schwächerer Familien. Chancengleichheit vom Gesetz her garantiert jedoch nicht die Ermunterung des Elternhauses zur Erlernung eines qualifizierten Berufes. Mädchen werden auch heute noch auf die Versorgungsinstitution Ehe hin erzogen. Ihre Berufswünsche werden unter diesem Gesichtspunkt von vornherein eingeschränkt. Rund 90 0/0 der in der Industrie tätigen Frauen üben eine an- oder ungelernte Tätigkeit aus. Die Bundesregierung muß alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, um das Recht auf Berufsausbildung mit Ernst und Nachdruck zu verwirklichen.
Meine Damen und Herren, die hier zur Verabschiedung vorliegende zweite Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes betrachten auch wir nicht als Ideallösung. Die Novelle bedeutet jedoch einen weiteren Schritt nach vorn hin zur Chancengleichheit.
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Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, habe ich hier folgendes mitzuteilen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Beratung des Antrags des Rechtsausschusses über den Antrag der Landesregierung Baden-Württemberg vom 20. Juni 1974 beim Bundesverfassungsgericht auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts, Drucksache 7/2301, die jetzt verteilt wird. - Ich
Vizepräsident Dr. Jaeger
höre keinen Widerspruch; dann ist das Haus mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden. Der Zusatzpunkt wird im Anschluß an die Beratung dieses Punktes behandelt werden.
Wir fahren in der Aussprache fort. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das zweite Änderungsgesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz, das vor der endgültigen Verabschiedung steht, hat ein doppeltes Gesicht. Es bringt auf der einen Seite Verbesserungen, die von der CDU/CSU-Fraktion begrüßt werden; es läßt auf der anderen Seite aber auch erhebliche und gerechtfertigte Wünsche erneut offen. Ich darf auf das verweisen, was ich bei der zweiten Lesung zum Ausdruck gebracht habe. Ich erinnere noch einmal an die Waisenversorgungsregelung, an Alleinstehende mit Kindern, an die Gleichstellung des zweiten Bildungsweges und an die Förderung im außereuropäischen Bereich.
Unbefriedigend erscheint der CDU/CSU-Fraktion die im Gesetz vorgesehene Darlehensregelung. Sie ist aufwendig in der Verwaltung, trägt in den nächsten Jahren nichts zur Entlastung des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte bei, und auch die spätere finanzielle Entlastung wird bei weitem nicht das erbringen, was man sich davon erwartet. Die späte Rückzahlung und die Inflationsrate werden dazu führen, daß mit Sicherheit weniger als die Hälfte des realen Wertes der Darlehen in die Kassen des Bundes und der Länder zurückfließt. Ob unter diesen Gesichtspunkten die schädlichen Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit für wirtschaftlich schwache Gruppen in Kauf genommen werden können, ist sehr ernsthaft zu bezweifeln. Die CDU/ CSU ist jedenfalls der Meinung, daß ihr Vorschlag, die beiden letzten Semester der Höchstförderungsdauer von 1976 ab mit 250 DM Darlehen pro Monat zu fördern, eine sachgerechtere Entscheidung und auf jeden Fall das geringere Übel gewesen wäre.
Auf der anderen Seite begrüßt die CDU/CSU-Fraktion, daß die Bundesregierung und die Koalition bei den Ausschußberatungen auf die Umstellung auf das Prinzip der Stufenbezeichnungen im Schulwesen verzichtet und damit einer wesentlichen Forderung des Bundesrates und der Bundestagsfraktion der CDU/CSU entsprochen haben, denn über das Bundesausbildungsförderungsgesetz darf durch die Hintertüre keine Änderung in der Gliederung des Schulwesens eingeschleust werden. Hier liegt die Kompetenz eindeutig bei den Bundesländern, und es entspricht eben auch nicht den Tatsachen, daß allein schon mit dem Bildungsgesamtplan einer Änderung zugestimmt worden wäre. Es heißt immer wieder „in der Regel", handelt sich also nicht um eine ausdrückliche Zustimmung.
Meine Damen und Herren, mit dem Beschluß über die Schulbezeichnungen ist auch die bildungspolitisch von der CDU/CSU-Fraktion ebenso wie vom Bundesrat, auch von SPD-geführten Bundesländern, für besonders wichtig gehaltene spätere Förderung der 10. Klasse der Berufsfachschule nach wie vor möglich, auch wenn im Gesetz leider noch kein Termin für das Inkrafttreten vorgesehen ist. Die Alternative ist für diese Eltern nicht: Besuch einer allgemeinbildenden Schule oder Besuch der Berufsfachschule, sondern die Alternative dieser Eltern und dieser Kinder besteht darin: Besuch einer wirklich qualifizierenden berufsbildenden Stätte oder eben Übertritt ohne entsprechende qualifizierte Ausbildung in das Berufsleben. Gerade unter dem richtigen Zeichen, daß man der Berufsbildung erhöhte Bedeutung beimißt, sollte an dieser Möglichkeit der Förderung der 10. Klasse der Berufsfachschule durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz festgehalten werden.
Meine Damen und Herren, es wird auch nicht verkannt, daß mit einer Förderung des Studiums im außereuropäischen Ausland, was besonders für das Studium in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada ins Gewicht fällt, ein gewisser Durchbruch erzielt wurde, auch wenn unserer Auffassung nach diese Lösung noch nicht voll befriedigt.
Ebenso wird von der CDU/CSU die Einbeziehung der Klasse 10 bei auswärtiger Unterbringung in die Förderung nachdrücklich begrüßt. Hier sehen wir eine Möglichkeit, unterschiedliche Gegebenheiten zwischen den Ballungsgebieten und den ländlichen Räumen etwas auszugleichen.
Auch die sachgerechtere Behandlung und Handhabung der familienunabhängigen Förderung in besonderen Fällen, die insbesondere bei Studierenden, die über den zweiten Bildungsweg den Hochschulzugang erreicht haben, eine Erleichterung bringt, ist ein
Positivum. Hier werden allerdings mit Sicherheit erneut Verbesserungen und Korrekturen erforderlich sein, für die sich die CDU/CSU-Fraktion bei einer nächsten Novellierung erneut einsetzen wird.
Während die Anhebung der Bedarfssätze um 20 % der Erhöhung der Lebenshaltungskosten gegenüber dem Sommer 1971 in etwa noch entspricht, ist dies bei der Anhebung der Freibeträge um 20 % mit Sicherheit nicht der Fall. Die Einkommensteigerung beträgt in den drei Jahren, die zu berücksichtigen sind, wie der Bericht der Bundesregierung nach § 35 ausweist, zirka 35 °/o. Da aber leider in den letzten beiden Jahren bei einer etwa 10%igen Einkommensteigerung pro Jahr keine reale Verbesserung der materiellen Existenzverhältnisse eingetreten ist, bedeutet die Erhöhung der Freibeträge um nur 20 % eine eindeutige Verschlechterung der finanziellen Lage von Familien, die Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Der Stand von 1971 wird somit nicht gehalten. Diese Wahrheit muß gesehen werden; nur die Wahrheit macht frei zu unbefangener Analyse und für spätere Korrekturen.
Wenn dem entgegengehalten wird, daß durch dieses Gesetz 1975 für den Bundeshaushalt etwa 680 Millionen DM Mehrausgaben entstehen, so ist dies eine sehr ernste Überlegung und ein sehr gewichtiges Argument. Nur muß man wissen, daß diese Steigerung in erster Linie auf das starke Ansteigen der Zahl der Anspruchsberechtigten, auf den höheren Grad der Inanspruchnahme und auf die inDr. Fuchs
flationäre Entwicklung der Lebenshaltungskosten zurückzuführen ist.
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Für den einzelnen Berechtigten wird somit, wie ich eben schon bemerkte, der Stand von 1971 nicht gehalten werden können. Dies sollte im übrigen Anlaß sein, die Gesamtpolitik so zu gestalten, daß nicht die sozial Schwachen die Zeche bezahlen müssen.
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Die CDU/CSU-Fraktion erkennt aber weiter mit Befriedigung an, daß zahlreichen Änderungsanträgen, die durch den Bundesrat eingebracht wurden und die vor allem die Durchführung des Gesetzes betreffen, die von der Bundesregierung entweder gleich bei ihrer Stellungnahme oder nach erneuter Prüfung Rechnung getragen wurde und daß diese Anträge im Ausschuß einstimmig gebilligt wurden.
Diese im ganzen positive Bilanz macht so - wie bereits im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - für die CDU/CSU-Opposition eine Zustimmung zum Gesetz möglich.
Die CDU/CSU-Fraktion erwartet aber auch, daß in dem für den 1. März 1975 vom Ausschuß auf Antrag der CDU/CSU-Mitglieder einstimmig geforderten Bericht der Bundesregierung über das Zusammenwirken des Kindergeldes, der Ausbildungsförderung, der steuerlichen Entlastungen und bezüglich der finanziellen Belastung von Familien, die auf Grund ihres Einkommens aus der Förderung herauswachsen, ein Ansatz für eine dringend erforderliche Harmonisierung der Leistungen gefunden wird.
Es muß aber, meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit der dritten Lesung des Gesetzes erneut und mit Nachdruck auch darauf hingewiesen werden, daß man bei den Schülern ab der 11. Klasse, also ab mindestens 17 Lebensjahren, und bei den Studierenden mit Recht zum Teil auch höhere Leistungen erwarten kann und erwarten muß, als es zum Teil heute der Fall ist. Der Leistungsnachweis als Treppe zum sozialen Aufstieg ist sicher der gerechteste Weg, den es gibt. Nur über diesen Weg der Leistung wird auf die Dauer aber auch vermieden werden können, daß wegen der erheblichen Zahl derer, die zu Unrecht gefördert werden, diejenigen nicht ausreichend gefördert werden können, die dies verdienen.
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Unabdingbare Voraussetzung dafür ist aber, daß keiner den seiner Begabung und seinem Leistungswillen entsprechenden Bildungsweg deswegen nicht begehen kann, weil es an einer ausreichenden Förderung fehlt. Hier ist ein Kernpunkt der sozialen Gerechtigkeit; das dürfen wir gerade im weiteren Verfolg der Entwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht vergessen. Gerade Sie, Herr Bundesminister, sind, glaube ich, besonders aufgerufen, dieses Ziel der Bildungspolitik mit äußerstem Nachdruck zu verfolgen, da Sie sich in Ihrer bisherigen politischen Arbeit vor allem Fragen der sozialen Gerechtigkeit gewidmet haben.
Zum Abschluß darf ich noch der Hoffnung und der Erwartung Ausdruck geben, daß erstens auf
Grund des Berichts zum 1. März 1975 und zweitens auf Grund des Berichts, der in § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes verankert ist und der im Herbst 1975 fällig ist, wie Herr Kollege Dr. Meinecke, der Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, zu Recht festgestellt hat, die Mängel, die noch im Gesetz sind, soweit es irgendwie möglich ist, endgültig beseitigt werden können. Ich gebe vor allem der Erwartung Ausdruck, daß der Bericht 1975 im Herbst so rechtzeitig vorgelegt wird, daß die Beratungen eines erneuten Gesetzes nicht unter demselben Zeitdruck stehen, wie das bei dem jetzt zu verabschiedenden Gesetz der Fall gewesen ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hatte drei Schwerpunkte, und mit diesen will ich mich befassen; die einzelnen Detailprobleme haben bereits einige Kollegen ausführlich dargestellt.
Ich nenne erstens die Erhöhung der Freibeträge, Bedarfssätze, Vomhundertsätze und Höchstbeträge bei den Freibeträgen vom Elterneinkommen; diese wurden von 800 auf 960 DM erhöht, also um 20 %, die Bedarfssätze in der Spitze von 420 auf 500 DM. Zweitens nenne ich die Umstellung auf die Stufengliederung des Bildungswesens entsprechend dem Bildungsgesamtplan und drittens die Einführung einer Darlehenskomponente für den tertiären Bereich, also die Akademien, höheren Fachschulen und Hochschulen: ein Anteil von 70 bzw. 80 DM künftig als Darlehen.
Wir haben diese Punkte im Laufe der Beratungen eingehend behandelt, obwohl diese Beratungen, das muß man dem Kollegen Fuchs zugeben, wirklich in einem sehr hohen Tempo durchgeführt werden mußten. Sicherlich wäre wünschenswert, daß das nicht immer so ist; ich glaube, das wäre im Interesse aller im Parlament Tätigen besser.
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- Ja, Herr Kollege, eben weil auch ich das als besser empfinde, sage ich das hier. Von daher können Sie damit rechnen, daß ich mit dazu beitragen werde, daß wir, wo das möglich ist, künftig dies mit etwas mehr Zeit machen werden.
Aber hier kommt eine zweite Überlegung hinzu. Der Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen, daß die beschleunigte Beratung deswegen notwendig war, weil es nicht um die Beratung an sich ging, sondern darum, die Begünstigten in den Stand zu setzen, möglichst bald von der neuen Regelung den Gewinn zu haben.
Auf die Umstellung auf die Stufengliederung des Bildungswesens analog dem Bildungsgesamtplan haben wir im Verlaufe der Beratungen nicht etwa
deshalb verzichtet, weil wir diese Umstellung sachlich nicht für angemessen hielten - die innere Logik ist gegeben -, sondern deswegen, weil wir wußten, daß bei Beibehaltung dieses Ansatzes mit dem Widerspruch des Bundesrates zu rechnen gewesen wäre. Damit wäre das rechtzeitige Inkrafttreten des Gesetzes in Frage gestellt worden. Bei einer vernünftigen Abwägung schien uns das die Sache nicht wert zu sein.
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Zur Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze möchte ich ebenfalls einige Worte sagen. Die Analyse des Studentenwerkes und auch die der Bundesregierung haben deutlich gemacht, daß eine stärkere Anhebung von der Sache her durchaus vertretbar gewesen wäre. Das haben auch die zuständigen bildungspolitischen Arbeitskreise der beiden Koalitionsfraktionen festgestellt. Allerdings sind wir zu der Auffassung gekommen, daß die Erhöhung auf 520 DM und 1 200 DM, die uns sinnvoll erschienen war, finanzpolitisch nicht möglich war. Denn es gibt bei dieser Frage nicht nur die Sicht der Betroffenen, sondern auch die Konkurrenz-Situation zu den Ansprüchen anderer gesellschaftlicher Gruppen.
Wenn man das abwägt, muß man auch sehen, in welchem Ausmaß die Aufwendungen für die Ausbildungsförderungen innerhalb der letzten vier Jahre gestiegen sind. Diese Steigerung geht, wie bereits erläutert wurde, von 800 Millionen DM im Jahre 1971 über 1 700 Millionen im Jahre 1973 bis zu 3 200 Millionen DM im Jahre 1975. In kaum einem anderen politischen Bereich ist eine vergleichbare Steigerungsrate zu beobachten. Ich meine, dieses sollte auch die CDU/CSU als einen Ausdruck unseres Willens akzeptieren, der Ausbildungsförderung einen vorrangigen Platz einzuräumen.
Die anderen Gruppierungen, die sich in den Fraktionen repräsentiert wissen, werden darauf hinweisen, daß sie nicht beredt sind, noch stärker auf eigene Ansprüche zu verzichten, wenn in diesem Bereich schon eine so drastische Steigerung vorhanden ist. Die Bildungspolitiker aller Fraktionen halten daher eine kritische Revision der Struktur des Ausbildungsförderungsgesetzes in der nächsten Zeit für sinnvoll und notwendig.
Die Zahlen, die ich nannte, stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem dritten Schwerpunkt des . Gesetzes, nämlich mit der Einführung einer Darlehenskomponente. Bei aller Skepsis, die wir gegenüber diesem strukturell veränderten Ansatz an den Tag gelegt haben, muß doch gesagt werden, daß es - dies gilt jedenfalls für die Mehrheit meiner Fraktion - drei Überlegungen gibt, die zu diesem Ergebnis geführt haben: Erstens der schon angesprochene ständig steigende Finanzbedarf, dem wir anders nicht mehr gerecht werden können und zweitens der Versuch, zu einer vernünftigen Beteiligung der Nutznießer dieses Gesetzes zu kommen. Hierzu möchte ich mit Genehmigung der Präsidentin einen Absatz aus der Begründung des Gesetzes zitieren, weil mir dieser zutreffend zu skizzieren scheint,
worum es hier geht. Es heißt dort:
Für die Einführung einer Darlehenskomponente sprechen u. a. folgende am Gesamtsystem der institutionellen und individuellen Förderung orientierte Gründe:
- Die steuerliche Belastung durch einen steigenden Finanzbedarf für ein besseres und gerechteres Bildungswesen wird heute zu einem großen Anteil gerade von denjenigen getragen, die selbst diese Möglichkeiten nicht hatten. Es erscheint deshalb nur gerecht, daß ein Teil dieser Belastung wiederum von denen übernommen wird, die nun in besonderem Maße von dieser Leistung der Gesellschaft persönlichen Nutzen ziehen. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, daß auf Grund der besseren Ausbildung später in der Regel auch ein besseres Einkommen erzielt wird. Dem Auszubildenden wird durch die Gemeinschaft auch die Chance geboten, das von ihm persönlich angestrebte Ausbildungs- und Berufsziel zu verwirklichen,.
Soweit die Begründung der Bundesregierung. Ich meine, sie ist in sich schlüssig.
Darüber hinaus aber hat die Wiedereinführung der Darlehenskomponente drittens das positive an sich, daß man natürlich auf dieser Grundlage gegenüber den von mir vorhin genannten anderen Anspruchsgruppen besser auftreten und weitere Anteile am Gesamtvolumen des Haushalts für diesen Aufgabenbereich beanspruchen kann. Ich glaube, daß eigentlich alle Fraktionen zu einem positiven Votum zur Einführung der Darlehensförderung gekommen sind, weil sie innerhalb der Fraktionen gesehen haben, daß sie sonst für ihre gewünschten Mehrausgaben keine Mehrheiten bekommen. Dies gilt jedenfalls für meine Fraktion.
Insgesamt gesehen sprichtsich die FDP-Fraktion dafür aus, dem Antrag des Ausschusses zu entsprechen und dieses Gesetz anzunehmen.
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Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir haben nun noch über die weiteren Vorschläge des Ausschusses abzustimmen. Wer der Ziffer 1 des Ausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ziffer 2! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
Ziffer 3! Die Gesamtabstimmung hat bereits stattgefunden.
Vizepräsident Frau Funcke
Können wir über die Ziffern 4, 5 und 6 zusammen abstimmen?
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Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt auf:
Beratung des Antrags des Rechtsausschusses ({1}) zu dem Antrag der Landesregierung Baden-Württemberg vom 20. Juni 1974 beim Bundesverfassungsgericht auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts
- Drucksache 7/2301 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lenz ({2})
Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Dr. Lenz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, hat die Landesregierung von Baden-Württemberg beim Bundesverfassungsgericht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zum Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts beantragt, um das Inkrafttreten des Gesetzes aufzuschieben bzw. die Verkündung des Gesetzes bis zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auszusetzen.
Der Antrag der Landesregierung Baden-Württemberg ist dem Deutschen Bundestag vom Bundesverfassungsgericht mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung zugeleitet worden. Der Bundestag hat in diesem Verfahren ein Recht zur Äußerung bzw. zum Verfahrensbeitritt. Die mündliche Verhandlung findet heute nachmittag um 17.00 Uhr statt. Es ist deshalb notwendig, daß dieses Haus jetzt darüber entscheidet, ob es dem Verfahren beizutreten wünscht.
Der Rechtsausschuß empfiehlt entsprechend der bisherigen Übung einstimmig, von einer Äußerung zu einem Verfahrensbeitritt abzusehen. Diese Entscheidung beeinträchtigt nicht das Recht des Bundestages, dem Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beizutreten.
Namens des Rechtsausschusses darf ich um Zustimmung zu unserem Antrag bitten.
Meine Damen und Herren. Wird dazu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die soeben vorgeschlagene Lösung: Der Rechtsausschuß empfiehlt einstimmig, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt abzusehen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt. Meine Damen und Herren, ich berufe das Haus auf Montag, den 1. Juli 1974 zu einer gemeinsamen Sitzung des Bundestages und des Bundesrates auf 10.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.