Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 21. Mai 1974 die nachfolgenden Gesetze bestätigt:
Fünftes Gesetz zur Reform des Strafrechts ({0})
Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes ({1})
Seine Schreiben werden als Drucksachen 7/2151 und 7/2152 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern mit Schreiben vom 7. Mai 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dürr, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Kirst und Genossen betr. „Computer-Kriminalität" - Drucksache 7/1949 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 7/2067 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 16. Mai 1974 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Schröder ({2}), Frau Dr. Walz, Weber ({3}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Beraterverträge bei den vom Forschungsministerium geförderten Forschungsinstituten und Forschungszentren - Drucksache 7/1705 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/2122 verteilt.
Ich rufe auf: Fortsetzung der
Zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1974 ({4})
- Drucksachen 7/1100, 7/1504 - Wir kommen zum Einzelplan 08:
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen
- Drucksache 7/1918 Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
in Verbindung mit Einzelplan 32: Bundesschuld
- Drucksache 7/1933 - Berichterstatter: Abgeordneter Blank
und Einzelplan 60:
Allgemeine Finanzverwaltung - Drucksache 7/1937 Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
Abgeordneter Dr. Dübber Abgeordneter Hoppe Abgeordneter Löffler
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Grobecker das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat den Einzelplan 08 mit nur geringfügigen Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage verabschiedet. Diese Änderungen sind in dem Ihnen vorliegenden Bericht im einzelnen aufgeführt.
Mir liegt daran, bevor es, wie es parlamentarischer Brauch ist, über den Einzelplan 08 zu einer allgemeinen Finanzdebatte kommt, einige Anmerkungen zu dem vorliegenden Bericht zu machen und ihn zu ergänzen.
In diesem Jahr rücken die Beteiligungen des Bundes an industriellen Unternehmen stärker in den Mittelpunkt des Interesses. Das hat seine guten Gründe und selbstverständlich auch Auswirkungen im Einzelplan 08. Um unsere begrenzten nationalen Möglichkeiten im Ölbereich optimal zu nutzen, wurde im Dezember 1973 vom Bund die Aktienmajorität an der Gelsenberg AG erworben. Die dazu notwendigen 672 Millionen DM wurden vom Haushaltsausschuß überplanmäßig bereitgestellt. In der Erkenntnis, daß die bisherige Zersplitterung der deutschen Mineralölgruppe nicht länger tragbar ist, sollen noch in diesem Jahr die beiden großen Mineralölkonzerne VEBA und Gelsenberg zu einer den Maßstäben des Weltmarktes entsprechenden handlungsfähigen Unternehmenseinheit zusammengefaßt werden. Dies geschieht im Interesse einer Belebung des Wettbewerbs auf dem von den internationalen Konzernen beherrschten Mineralölmarkt und damit im Interesse unserer Verbraucher.
Auch die meisten anderen im Besitz des Bundes befindlichen Unternehmen oder solche, an denen der Bund beteiligt ist, haben ihre Kapitalstruktur den Erfordernissen des Marktes angepaßt. Der Bund als Aktionär kann sich in diesen Fällen seinen Verpflichtungen nicht entziehen. Nur von gesunden Bundesunternehmen kann auch ein Anstieg auf der
Einnahmenseite des Bundeshaushalts erwartet werden.
Gestatten Sie mir, hier folgendes einzuschieben: Die Abteilung VIII des Bundesministeriums der Finanzen, die diesen größten industriellen Beteiligungsbesitz der Bundesrepublik verwaltet, ist übrigens Deutschlands kleinste und sparsamste Konzernspitze. Sie verfügt über 25 Mitarbeiter. Dies ist für mich ein vorbildliches Beispiel für sparsame Haushaltsführung.
Meine Damen und Herren, auf eine für die Betroffenen bedeutsame Veränderung in den Kap. 08 04 und 08 07 möchte ich noch aufmerksam machen. Es handelt sich dabei um die Maßnahmen zur Modernisierung von Bundesdienst- und Bundesmietwohnungen. Bei den Dienstwohnungen ist zur Beschleunigung der Modernisierung der Ansatz um 2 Millionen DM erhöht worden. Für die Mietwohnungen sind aus dem Sonderprogramm der Bundesregierung 20 Millionen DM zugelegt worden.
Durch das Haushaltsgrundsätzegesetz - ein furchtbares Wort -, das 1969 von diesem Haus verabschiedet worden ist, ist der Bund verpflichtet, eine Kassenkonzentration vorzunehmen. Unter anderem erfolgt auch die Kassenkonzentration von den Länderkassen auf den Bund. Dadurch werden bei den Finanzverwaltungen der Länder Kapazitäten freigesetzt, auf die der Bund keinen Zugriff hat, während der Bund für sich durch diesen gesetzlichen Auftrag und durch die damit verbundenen neuen Aufgaben für diese Kassenkonzentration neue Stellen benötigt. Die notwendige restriktive Haltung des Haushaltsausschusses gegenüber Stellenneuschaffungen führt zu einer Verzögerung dieses gesetzlichen Auftrages.
Meine Damen und Herren, ein letzter Satz noch. In der Tagung zur Lage der Zollverwaltung am 15./16. Oktober 1973 in der Bonner Beethovenhalle haben Vertreter der Zollverwaltung aus dem ganzen Bundesgebiet sowie Vertreter der Gewerkschaften, des Hauptpersonalrats beim Bundesministerium der Finanzen und von Industrie und Handel in einer eindrucksvollen Debatte die Lage der Zollverwaltung analysiert. Das Ergebnis dieser Tagung wird demnächst als Grünbuch zur Lage der Zollverwaltung veröffentlicht. Inzwischen läuft ein neues Programm zur Umorganisation der Zollverwaltung auf der örtlichen Ebene. Durch Zulassung weiterer Vereinfachungen für die Zollabfertigung, durch Einsatz von EDV-Anlagen und durch die Änderung der Verwaltungsstruktur paßt sich auf Grund dieses Programmes die Zollverwaltung der laufenden fachlichen Aufgabenstellung an. Der Haushaltsausschuß wird diese Umorganisation, die zu Einsparungen führen soll, mit Interesse begleiten. Wir werden im nächsten Jahr bei den Beratungen darauf achten, daß diese Umorganisation auch personell ihren Niederschlag findet.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst besonders herzlich diejenigen Kolleginnen und Kollegen begrüßen, die vergangene Nacht bis Viertel nach 2 Uhr mit mir ausgehalten haben. Ich möchte es mir versagen, schon jetzt einige weitere Anmerkungen an die Art der Haushaltsberatung der vergangenen Nacht zu knüpfen; nur eine Hoffnung möchte ich anschließen - das geht jetzt an alle Fraktionen -: vielleicht ergibt sich die Chance, daß wir im kommenden Jahr einmal ordentliche Haushaltsberatungen über mehrere Tage führen können,
({0})
bei denen dann die einzelnen Etats entsprechend ihrer Bedeutung und ihrem Volumen auch gebührend behandelt werden können.
Eine zweite Vorbemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Nachdem der Herr Bundeskanzler erklärt hat, daß er die Verantwortung für diesen Haushalt 1974 übernehme, habe ich mich bei meinen Ausführungen vorwiegend mit dem Bundeskanzler Schmidt befaßt. Vielleicht kann der Herr Parlamentarische Staatssekretär oder sonst jemand veranlassen, daß der He rr Bundeskanzler davon unterrichtet wird.
({1})
- Ah ja, ich freue mich außerordentlich. - Dem neuen Bundesfinanzminister, der bereits drei Tage nach seiner Ernennung genötigt ist, diesen Etat zu vertreten, wollen wir noch eine Lernfrist einräumen. Herr Minister, wir werden uns in einem geeigneten Zeitraum über Ihre Fortschritte in der Haushaltspolitik erkundigen und dann entsprechend die Auseinandersetzung führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den vergangenen Tagen ist von seiten einiger Regierungsvertreter und auch einiger Kollegen der SPD immer wieder betont worden, man möchte nun Alternativen und konstruktive Vorschläge sehen. Das ist entweder mit einer etwas mehr bedauernden Stimme wie vom Herrn Kollegen Ehrenberg gesagt worden oder vom Herrn Bundeskanzler selbst mit einigen harten, peitschenden Sätzen.
Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, daß ich Ihnen hier vortrage, daß die Fraktion der CDU/CSU Ihnen zum Bundeshaushalt 1974 einen Kürzungsantrag über 2 Milliarden DM auf der Drucksache 7/2142 ({2}) vorlegt. Es sollen die bisher eingesetzten globalen Minderausgaben von 500 Millionen DM auf 2,5 Milliarden DM erhöht werden. Wir haben uns erlaubt, diesen unseren Kürzungsantrag in Höhe von 2 Milliarden DM auch im einzelnen zu begründen. Dabei haben wir uns nicht mit dem Hinweis begnügt, etwa zu sagen, bei einem Etatvolumen von 136 Milliarden DM müßte mit einer globalen Ausgabesperre von 5 % oder 10 % eine solche Summe von 2 Milliarden DM erwirtschaftet werden können, sondern wir haben auf einige ganz konkrete Punkte hingewiesen.
Wir haben darauf hingewiesen, daß z. B. bei den Personalausgaben mindestens eine Reserve von 300 Millionen DM vorhanden ist.
({3})
Diese Ausgaben steigen um 13,6 %, von 21 Milliarden auf 24 Milliarden.
Wir haben auch darauf hingewiesen, daß im Haushaltsausschuß festgestellt worden ist, daß auch z. B. beim Kindergeld - im Anschluß übrigens an die finanzielle Entwicklung im Vorjahr - eine ganz erhebliche Reserve, etwa von 100 Millionen DM, vorhanden ist.
Ein weiterer zentraler Punkt ist eine mögliche Reserve bei dem Hochschulausbau- und -neubautitel, wo wir im Verhältnis zu der 50%igen Länderbeteiligung damit rechnen können, daß etwa 300 Millionen DM bis eventuell sogar 600 Millionen DM nicht ausgegeben werden können. Eine ähnliche mögliche Minderausgabe zeichnet sich auch z. B. bei den Heizölkosten ab, die vom Bund zu leisten sind.
Wir haben diesen unseren Kürzungsvorschlag vor allem aber auch deshalb gemacht, weil uns die Erfahrungen des vergangenen Jahres dazu berechtigen. Im vergangenen Haushaltsjahr hat unsere Fraktion einen Streichungsantrag von 2,4 Milliarden DM auch mit einzeln begründeten Punkten gemacht. Seitens der Regierung und der Koalition hat man uns gesagt, dies sei völlig irreal, hier sei für eine Streichung in einer solchen Größenordnung keine Masse vorhanden. Als das Haushaltsjahr abgelaufen war, waren nicht 2,4 Milliarden DM übriggeblieben, sondern 4,5 Milliarden DM.
({4})
- Herr Kollege Leicht, Sie haben völlig recht. Vielleicht hatten wir mit unseren Berechnungen an manchen Stellen auch besonderes Glück. Es war jedenfalls genau in den Bereichen, die wir damals für mögliche Reserven schon angesprochen hatten.
({5})
Wenn man aber nun die Erwartung gehabt hätte, daß etwa der Herr Bundesfinanzminister Schmidt damals noch diese Chance nun wenigstens nachträglich - nach Abschluß des Haushaltsjahres - wahrgenommen hätte, um einen Stabilitätsbeitrag zu leisten, dann sieht man sich getäuscht. Der Bundesfinanzminister Schmidt hatte nichts anderes und Eiligeres zu tun, als diese 4,5 Milliarden DM in einem Schnellverfahren unter Ausschaltung des Parlaments möglichst schnell noch zu verteilen.
({6})
Dabei kam es zu so grotesken Szenen, daß z. B. ein Vorsitzender eines bundeseigenen Unternehmens nachts um drei Uhr mit dem Telefon geweckt und ihm die Frage gestellt wurde, ob er noch 100 Millionen DM in seinem Unternehmen unterbringen könne. Sie können sich vorstellen, daß der angesprochene Herr natürlich darauf antwortete, mit solchen Nachrichten könne man ihn öfters wecken.
Mit dieser Verhaltensweise ist aber nicht nur eine Chance vertan worden, Stabilitätspolitik zu leisten, sondern damit ist - Herr Bundeskanzler, ich sage das jetzt im vollen Bewußtsein dessen, was ich sage - vom Bundesfinanzminister Schmidt eine Gesetzesverletzung begangen worden.
({7})
Die Ausschaltung des Deutschen Bundestages - das müßte eigentlich auch die Abgeordneten der Koalition interessieren - widerspricht § 37 der Bundeshaushaltsordnung. Es heißt dort - ich zitiere wörtlich -.
Eine Unabweisbarkeit
- denn diese 4,5 Milliarden wurden über- und außerplanmäßig ausgegeben mit der Begründung, diese Ausgaben zum Jahresende in dieser Höhe seien unabweisbar liegt insbesondere nicht vor, wenn die Ausgaben bis zur Verabschiedung des nächsten Haushaltsgesetzes oder des nächsten Nachtrages zum Haushaltsgesetz zurückgestellt werden können.
Nun haben wir - Herr Kollege Möller, Sie erinnern sich - bei der Haushaltsrechtsreform 1969 das Grundgesetz in der Weise geändert, daß Nachtrags- und Ergänzungshaushalte in einem beschleunigten Schnellverfahren durch das Parlament gehen können, damit dieser Unfug der über- und außerplanmäßigen Ausgaben in Milliardenhöhe endlich einmal aufhört. Dies aber ist nicht geschehen, sondern statt dessen hat man diese 4,5 Milliarden unter Umgehung des Parlaments noch schnell an den Mann gebracht. Man hat es offenbar deshalb getan, weil man die Diskrepanz des Zuwachses des Haushaltes 1974 gegenüber dem von 1973 nicht noch höher als 12 % erscheinen lassen wollte.
({8})
Diese Frisierung des Haushalts ist offenbar dem Herrn Bundesfinanzminister Schmidt wichtiger erschienen als die Möglichkeit, einen solchen spürbaren Stabilitätsbeitrag zu leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Hoffnung, daß der Bundesrechnungshof diese Handhabung des Rechts zu überplanmäßigen Ausgaben einer genauen Prüfung unterziehen und uns sobald wie möglich sein Votum zur Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme geben wird.
Wir haben hier an einem Einzelbeispiel erlebt, warum es dieser Regierung offenbar nicht möglich war und auch nicht möglich sein wird, eine wirksame Stabilitätspolitik zu leisten. Ich möchte das zusammenfassend so definieren, daß es dieser Regierung - damals mit dem Finanzminister Schmidt, heute mit dem Bundeskanzler Schmidt - offenbar nicht möglich ist, eine Stabilitätspolitik aus einem Guß zu machen.
({9})
Es ist ihr offenbar nicht möglich, die Instrumentarien einer solchen Stabilitätspolitik zusammenzufassen. Das ist aber besonders wichtig, wenn man davon ausgeht, daß natürlich die Ziele der Vollbeschäftigung und eines angemessenen Wachstums auch bei der Stabilitätspolitik nicht entscheidend verletzt werden dürfen. Wenn man diese Ziele
sehen muß, wenn man hier keinen Einbruch erzielen darf und auch keinen Einbruch erzielen will - und das ist unstreitig, meine sehr verehrten Damen und Herren; auch die CDU/CSU will natürlich Vollbeschäftigung und Wachstum der Wirtschaft nicht antasten -, wenn das so ist, dann wäre es notwendig, die verbleibenden Instrumentarien gleichgerichtet und massiv zusammenzufassen.
Ich möchte hier die zwei wesentlichen Instrumente herausnehmen. Das eine ist das Instrument einer staatlichen stabilitätsgerechten Fiskalpolitik, und das andere ist das monetäre Element, das insbesondere die Bundesnotenbank zur Verfügung hat. Diese beiden wichtigen zentralen Instrumente sind gleichgerichtet und zusammengefaßt in Richtung Stabilität anzuwenden. Was aber in den letzten Jahren passiert ist, ist dies: daß der restriktiven Geldpolitik der Deutschen Bundesbank eine expansive Ausgabenpolitik dieser Regierung entgegengestanden hat. Das ist eine der wesentlichsten Wurzeln, warum die Inflationspolitik von Anfang an so gelaufen ist und warum es dieser Regierung nicht möglich war und, wie ich noch zeigen werde, offenbar auch nicht möglich sein wird, eine Stabilitätspolitik gleichgerichtet mit allen Instrumenten zu machen.
({10})
Ich möchte das noch mit einigen rückschauenden Bemerkungen begründen. Der Herr Kollege Barzel hat vorgestern schon auf eine Zwischenfrage hin erklärt, daß der entscheidende Schritt - und nach meiner Überzeugung auch der erste, aber entscheidende falsche Schritt - nach der Regierungsbildung 1969 getan worden ist. Anstatt daß man in Anlehnung an die Wahlkampfparolen der SPD im Wahlkampf 1969, es drohe eine Preislawine bei uns im Lande, neben die erfolgte Aufwertung noch eine binnenländische Stabilitätspolitik - ein Stabilitätsprogramm in der Bundespolitik - gestellt hätte, hat man durch die Regierungserklärung und durch die vielfachen Versprechungen, die dort gemacht worden sind, die Schleuse hochgezogen, man hat hier den entscheidenden Schritt in Richtung Inflationspolitik getan.
Ich darf daran erinnern, daß wir damals von Anfang an vor einer solchen Entwicklung gewarnt haben und daß wir mit unserem Angebot schon damals, zu helfen und Stabilitätspolitik mit zu machen, nicht gehört worden sind.
Die Entwicklung ging dann so weiter: Im Frühjahr 1970 hat die Deutsche Bundesbank - Herr Kollege Möller kennt die Dinge sehr genau - der Regierung ein Dreipunkteprogramm zur Stabilität dringend empfohlen. Dieses Dreipunkteprogramm ist durch eine entsprechende Erklärung der CDU/ CSU-Fraktion durch den Kollegen Stoltenberg damals aufgenommen worden. Wir erinnern uns noch an die sehr plastischen und blumenreichen Vergleiche, die der damalige Wirtschaftsminister Schiller gebracht hat, wo er gesagt hat, nun werde er mit diesem Stabilitätsprogramm seine Schlacht am Skagerrak schlagen. Nachdem er im Kabinett und in der SPD-Fraktion war, stellte sich heraus, daß dies sein erstes Waterloo gewesen war. Der siegreiche General dieser Schlacht war in erster Linie der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt.
({11})
Dabei wäre es in diesen Jahren - 1970 und auch 1971 - bei einer noch einigermaßen tragbaren Preissteigerungsrate von 3 bis 4 % möglich gewesen, mit weniger einschneidenden Mitteln eine Wende zur Stabilitätspolitik einzuleiten. Weil immer wieder dieses Argument kommt, die CDU/CSU zeige keine Alternativen auf, sie mache keine Vorschläge, leiste keine konstruktiven Beiträge, möchte ich daran erinnern, daß wir damals den Vorschlag des Eventualhaushalts gemacht haben. Dieser Vorschlag wurde von der Koalition zunächst abgelehnt. Ein Jahr später wurde er realisiert. Im darauffolgenden Jahr haben wir dann gefordert, die Schattenhaushalte zu beseitigen. Das wurde von Finanzminister Schmidt zunächst als barer Unsinn bezeichnet. Ein Jahr später hatte man die Schattenhaushalte wenigstens zum Teil beseitigt.
Das erinnert mich an die Äußerung eines französischen impressionistischen Malers, der in seinem Kampf gegen die Akademiemaler einmal erklärt hat: Zuerst erschießen sie uns, und dann plündern sie uns die Taschen aus.
Nun, wir haben gesehen, daß diese Entwicklung nicht zur Stabilität geführt hat. Die nächste Markierungslinie war dann die Auseinandersetzung, die der Finanzminister Alex Möller geführt hat und die schließlich zu seinem Rücktritt als Finanzminister geführt hat. Was Alex Möller damals befürchtet hatte, war auch prompt eingetreten. Während nämlich auf der einen Seite von der Regierung der erste Versuch gemacht wurde, durch Belastungen der Bevölkerung ein Stabilitätsprogramm zu realisieren, hat man in der gleichen Woche einen neuen Bundeshaushalt mit einer Steigerungsrate von 14 % im Kabinett beschlossen.
({12})
Das war der Keulenschlag, der die anderen Versuche zur Stabilität wieder zunichte gemacht hat.
({13})
Das ist genau die gleiche Linie, daß man auf der einen Seite eine monetäre Restriktionspolitik gemacht hat, die die deutsche Wirtschaft sehr hart und empfindlich getroffen hat, daß man durch Konjunkturabgaben die Bevölkerung belastet hat und gleichzeitig eine expansive Haushaltspolitik betrieben hat. So aber war eine Stabilitätspolitik nicht zu leisten. Es zeigte sich vielmehr, daß sich allmählich Dauerschäden abzeichneten, die sich darin äußerten, daß Wirtschaft und Staatsbürger unter einer wachsenden Steuerlast zu leiden haben, daß die reale Wachstumsrate unserer Wirtschaft zurückgeht und sich auch eine längerfristige Gefährdung der Arbeitsplätze und andauernde Kurzarbeit in bestimmten Bereichen herausstellt.
Ich möchte noch einmal verdeutlichen, was unsere Alternative zu dieser Art von Stabilitätspolitik ist. Wir verlangen nicht mehr und nicht weniger, als daß
die öffentliche Hand, der Staat eine Stabilitätspolitik der leeren Taschen betreibt.
({14})
Ich darf eine persönliche Bemerkung anfügen. Ich glaube, Herr Bundeskanzler, daß auch die Taktik der Steuerrücklagen in Milliardenhöhe auf die Dauer kein wirksamer Stabilitätsbeitrag sein wird, weil sich gezeigt hat - wir haben im Haushaltsausschuß darüber eine sehr ausführliche Debatte geführt daß auch diese sogenannten stillgelegten Gelder in Wirklichkeit volkswirtschaftliche Wirkungen auslösen.
Deshalb kommt nun unsere klare Alternative: erstens sofortige steuerliche Entlastungsmaßnahmen, zweitens Einsparungen bei den Ausgaben schon für das Haushaltsjahr 1974.
({15})
Das ist das, was ich als die Stabilitätspolitik der leeren Taschen bezeichnen möchte.
Nachdem der erste unserer Vorschläge, nämlich eine sofortige steuerliche Entlastung, bereits abgelehnt worden ist, wird sich zeigen, ob Sie auch unseren zweiten Antrag hier und heute ablehnen werden, ob für Sie also weiterhin die Erklärung gilt, daß Stabilität nur so ein Modewort sei.
Ich möchte dann noch um eines bitten. Wenn wir hier ganz klare Anträge stellen, ganz klare Alternativen der CDU/CSU vorlegen, sollte man endlich mit diesem Geseufze aufhören, wir machten keine
konktruktiven Vorschläge, wir legten keine Alternativen vor.
({16})
Ich hatte nun, als Helmut Schmidt sehr überraschend zum Bundeskanzler gewählt wurde, eigentlich erwartet, daß der neue Bundeskanzler vielleicht die Chance nutzen würde, noch im Haushalt 1974 einen ersten Stabilitätsbeitrag zu leisten. Es wäre ihm möglich gewesen, die zweite und dritte Lesung dieses Bundeshaushalts bis nach Pfingsten anzuhalten und -- um das, da der Haushalt schon im Parlament ist, auch juristisch abzusichern - auf dem Weg über die Koalitionsfraktionen hier eine deutliche Marke in Form von Zurücknahme von Ausgaben zu setzen. Das ist nicht geschehen, meine Damen und Herren, sondern der neue Bundeskanzler hat die deutsche Öffentlichkeit darauf vertröstet, daß das im Jahre 1975 geschehen werde - genauso, wie die Regierung erklärt hat, daß auch Steuersenkungen erst 1975 realisiert würden. Am Anfang der neuen Regierung steht also bereits wieder die Vertröstung auf ein kommendes Jahr.
({17})
Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt uns etwas bekannt vor. Wir erinnern uns an seinen Amtsvorgänger, Bundeskanzler Brandt, der gesagt hatte, bei 4 % werde die Lage ernst, bei 5% werde er sich selber um die Wirtschaftspolitik kümmern, und nun haben wir 7,6 %, und der Bundeskanzler ist zurückgetreten.
({18})
Wir werden sehen, ob der neue Bundeskanzler ein ähnliches Schicksal vor sich hat. Die erste Schlacht jedenfalls in der Stabilitätspolitik auf der steuerpolitischen Seite hat er bereits abgelehnt, er hat sie damit verloren. Die zweite Schlacht wird heute mit dem Kürzungsantrag von 2 Milliarden DM geschlagen, und wir werden sehen, wie sich die Regierung und die Koalition darauf einstellen. Es ist immer noch die Möglichkeit, auf den Boden unseres Streichungsantrages zu treten.
Es wird sich hier aber die Frage ergeben, ob der neue Bundeskanzler überhaupt der Fiskalpolitik, der Einnahmen- und Ausgabenpolitik, diesen Stellenwert bei einer Stabilitätspolitik einräumt. Wir haben da gewisse Zweifel, Herr Bundeskanzler. Denn Sie haben sich sowohl bei der Einbringungsrede im vorigen Jahr als auch bei der Wirtschaftsdebatte wieder in einem etwas verschwommenen Sinn geäußert. Sie haben immer wieder betont, daß die staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik natürlich dazu zu dienen 'habe, öffentliche Bedürfnisse zu erfüllen, und daß auch - das ist sehr interessant - die Umverteilungsfunktion hier eine wesentliche Rolle spielt. Beides ist natürlich richtig. Das kann aber nicht dazu führen, daß man der stabilitätspolitischen Bedeutung des Bundeshaushalts und der gesamten öffentlichen Einnahmen- und Ausgabenpolitik deshalb einen verminderten Rang zuweist. Das ergibt sich nicht allein aus dem Zahlenvolumen eines Bundeshaushalts von nach der neuesten Vorlage jetzt immerhin 136 Milliarden DM, sondern das ergibt sich auch aus der Leitfunktion, die der Bund gegenüber allen anderen öffentlichen Vermögensträgern in dieser zentralen Frage hat.
Ich möchte hier noch zu einem anderen Punkt kurz Stellung nehmen, und zwar zu dem Einwand, daß wir es beim Bundeshaushalt doch zu 80 % bis 90 % mit festgelegten und nicht verfügbaren Ausgabeblöcken zu tun hätten. Herr Bundeskanzler, auch hier sehe ich eine sehr wichtige Aufgabe, nämlich die, den Versuch zu machen, diese Ausgabenblöcke, wo das irgend möglich ist, aufzulockern. Ich möchte Ihnen hier mit dem berühmten Block der steigenden Personalausgaben ein Beispiel vorführen.
Es ist natürlich nicht damit getan, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß man sowohl 1973 wie 1974 erklärt, man wolle in einem Falle 2000 Stellen, im anderen Falle 1400 Stellen im Laufe des Haushaltsjahres einsparen, wenn man gleichzeitig weiß, daß über § 15 des Haushaltsgesetzes im Jahr dann laufend Nachschiebelisten kommen, die das wieder völlig ausgleichen oder in der Bilanz im Endergebnis sogar noch zu mehr Personalstellen führen, als vorher vorhanden waren. Darum haben wir auch den Antrag gestellt, den § 15 zu streichen,
({19})
um damit die Regierung zu veranlassen, endlich den Weg des Ergänzungs- oder Nachtragshaushaltes zu gehen
({20})
und damit dem Parlament das ihm zukommende Recht wieder zuzugestehen, nämlich hier die Endentscheidung zu treffen.
({21})
Ich möchte eine zweite Anmerkung dazu machen. Es geht meines Erachtens auch nicht an, nun die Arbeit der Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes zum Prügelknaben einer Inflationsentwicklung zu machen, die sich natürlich auch bei den Personalkosten niederschlägt. Es wäre - vielleicht sollte auch der Herr Schüler hier einen Moment zuhören; ich wollte jetzt nämlich wieder einen Vorschlag machen, über den die Regierung nachdenken könnte. - Es wäre meines Erachtens sehr lohnend, sich die Frage zu stellen, ob nicht von der Gesetzgebungs- und Verordnungsseite her ein Versuch gemacht werden könnte zur Entbürokratisierung. Müssen alle Formulare in fünffacher Ausfertigung, mit zehn Unterschriften usw. in allen Bereichen herausgehen? Sollte man nicht rigoros unter rationellen Gesichtspunkten, so wie das in der freien Wirtschaft der Fall ist, fragen, ob das vorhandene Leistungspotential des öffentlichen Dienstes - und wir haben ein bedeutsames Leistungspotential unserer öffentlich Bediensteten - nicht vernünftiger, rationeller eingesetzt werden könnte?
({22})
Wenn wir uns allerdings das Beispiel ansehen, das auf diesem Gebiet im Bundeskanzleramt zutage getreten ist, werden wir etwas skeptisch. Ich muß dieses Beispiel nun doch anführen, weil sich Herr Ehmke 1969 und 1970 immer dahin verbreitet hatte, daß bis zu seinem Amtsantritt im Bundeskanzleramt vorsintflutliche Zustände geherrscht hätten. Man habe von Planungstechnik, von Computern nichts gewußt; so quasi, als ob bis 1969 nur Neandertaler im Bundeskanzleramt gewesen wären. Und nun kam also der „große Sprung nach vorne": Aus 146 Beamtenstellen wurden 231 - eine Steigerungsrate von 58,2 % -, und es wurde eine Planungsabteilung aufgebaut, es wurden Computer beantragt und bewilligt.
Nun stellen wir nach vier Jahren schlicht die Frage: Was ist eigentlich im Kanzleramt bei der ganzen Geschichte herausgekommen? Ich glaube, selbst der wohlwollendste Beobachter wird nicht behaupten können, daß die Leistungsfähigkeit dieses Amtes dadurch effektiver geworden sei. Im Gegenteil: Man hat immer wieder gehört, daß die Leute über ihre eigenen Beine oder gegenseitig übereinander gestolpert sind. Der Bericht des Bundesrechnungshofes zu diesem Punkt im Kanzleramt ist geradezu vernichtend.
In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen nun doch noch einmal die personalpolitischen Aspekte der Einstellung eines Bewerbers wie des Herrn Guillaume vor Augen führen. Das ist, auch vom Prinzip her gesehen, eine schwerwiegende Sache. Wer von uns sich die Mühe macht, sich einmal in Bonn mit Bediensteten zu unterhalten, wird feststellen, daß viele Leute verbittert darüber sind, wie in diesen Jahren Qualifikation und Leistung zurückgestellt worden sind gegenüber Parteibuchkarrieren.
({23})
Es ist ein Skandal, wenn für solche Positionen Personen eingestellt werden, die aber auch keinerlei fachliche Qualifikation für eine solche Tätigkeit haben. Man darf sich dann nicht wundern, daß öffentlich Bedienstete, die sich den alten Prinzipien eines Dienens für den Staat als solchen - ohne Parteibuchkarriere - verpflichtet fühlen, verbittert sind, wenn sie immer wieder feststellen müssen, daß der qualifiziertere Mann zurückgestellt und jemand, der keine Qualifikation, keinen Leistungsnachweis hat, aus parteipolitischen Gründen in diese Position gebracht wird.
Lassen Sie mich zu dem Thema Entbürokratisierung in Form einer Fragestellung nur eine letzte Anmerkung machen. Hier ergibt sich die grundsätzliche Frage, ob das sozialistische System überhaupt geeignet ist, einen solchen Weg zur Entbürokratisierung zugehen;
({24})
ob es nicht systemimmanent ist, daß die Meinung, man müsse alles verwalten, man müsse dem einzelnen in jedem Lebensbereich staatliche Beglükkung zuteil werden lassen, automatisch zu einer immer fortschreitenderen Verbürokratisierung führt. Ich glaube, daß hier die Position der CDU/CSU, die für den einzelnen Staatsbürger Freiheitsräume schaffen will, die ihn dort, wo das möglich ist, unbehelligt von staatlicher Bevormundung lassen will, besser geeignet ist, zu einem positiven Ergebnis zu kommen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, ob Stabilitätspolitik bei der staatlichen Einnahmen- und Ausgabenpolitik, so, wie die Juso-Vorsitzende in ihrer ersten Erwiderung auf den Herrn Bundeskanzler meinte, zum Tod von Reformen führen müßte. Die Juso-Vorsitzende hat ja ihren ersten Schuß gegen den neuen Bundeskanzler damit begonnen - ich zitiere -, daß sie gesagt hat:
Der Versuch Schmidts, Inflation über die Einschränkung der öffentlichen Ausgaben zu beschränken, die Ankündigung, bei den Reformvorhaben drastisch zu sparen, und die Nichtdurchführung der SPD-Steuerparteitagsbeschlüsse, die Steuerlastquote durch eine schärfere Besteuerung der höheren Einkommen und der großen Vermögen anzuheben, bedeutet das Eingeständnis, daß SPD-Reformpolitik in Phasen des verlangsamten wirtschaftlichen Wachstums nicht machbar sei. Schmidts Regierungskonzept könne mit Freude eigentlich nur von den Konservativen aller Schattierung begrüßt werden.
Nun, ich habe keine Zweifel daran, daß dieselbe Juso-Vorsitzende, falls den gegenwärtigen Kanzler ein ähnliches Schicksal ereilen würde wie seinen Vorgänger, auch wieder behaupten würde, daß finstere Machenschaften radikaler oder kapitalistiDr. Althammer
scher Rechtsgruppen hier einen Bundeskanzler gestürzt hätten.
({25})
Zur Sache selber aber möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, daß der Satz, daß man bei Stabilitätspolitik keine Reformen machen könne, natürlich falsch ist. Leider hat sich der Herr Bundeskanzler früher auf ähnlichen Gebieten mit Scheinalternativen bewegt. Bekannt ist sein Satz: Lieber 5 Prozent Preissteigerung als 5 Prozent Arbeitslosigkeit. Wohl jeder weiß, daß auch das eine falsche Alternative ist. Genau so falsch ist die Alternative, daß mit Stabilitätspolitik keine Reformen gemacht werden könnten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wirkliche Reformen sind nur finanzierbar bei stabilen Verhältnissen.
({26})
Wenn Stabilität nicht erreicht wird, dann bedeutet der Versuch, Reformen zu machen, nur ein Hinterherlaufen mit immer höheren Ausgaben gegenüber Teuerungswellen, die man doch niemals einholen kann.
Der Bundeskanzler hat unter dem Stichwort „Konzentration" nun eine Reihe von hockgesteckten Reformzielen zurückgenommen; er wird vielleicht sagen: nur zeitlich verschoben. Aber immerhin, es bleibt die Frage, ob er dann die Chance wahrnehmen kann, nun wirklich den Anfang einer Stabilitätspolitik zu machen, eine Tedenzwende herbeizuführen. Ich habe Ihnen vorher dargelegt, daß die ersten Chancen und Möglichkeiten, dies zu tun, leider bereits vergeben worden sind; auf dem steuerlichen Gebiet dadurch, daß die Entlastung von inflationsbedingten Mehrsteuern nicht jetzt, sondern - wie man uns sagt, vielleicht nur bis zur nächsten Wahl in Niedersachsen - erst im nächsten Jahr eingeführt werden soll. Wir werden sehen, wie sich die Koalition und die Regierung zu unserem Kürzungsantrag über 2 Milliarden verhalten. Jedenfalls, nach dem bisherigen Start mit dem Verschieben auf das nächste Jahr sehen wir leider keine Chance, daß eine Wende in der Frage der Reformpolitik eingeführt wird. Wir betonen aber, daß das Schicksal und die Erfolge oder Mißerfolge dieser Regierung daran gemessen werden müssen, ob es ihr gelingt, hier eine Wende herbeizuführen und wieder Stabilität zu erreichen.
Ich darf noch einmal unterstreichen, was unser Fraktionsvorsitzender gesagt hat: Wir haben uns im Grundsätzlichen und im Konkreten bereiterklärt, bei einer guten, richtigen und tatkräftigen Reformpolitik mitzumachen. Es liegt an der Regierung und der Koalition, diesen Weg nun zu beginnen.
({27})
Das Wort hat Herr Bundesminister Apel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn
Kollegen Althammer Stellung nehmen, um so mehr, als wir weder Schon- noch Lernfristen brauchen. Wir setzen die Arbeit fort, und wir sind durchaus in der Lage, Herr Kollege Althammer, zu den Bemerkungen, die Sie hier gemacht haben, Stellung zu nehmen.
({0})
Lassen Sie mich eine zweite Vorbemerkung machen. Herr Kollege Althammer, ich habe zu oft in diesem Hause von Ihnen das Argument der Parteibuchkarrieren gehört,
({1})
als daß ich das nach Kenntnis der Akten noch überhaupt akzeptieren kann.
({2})
Und da ich in meinem eigenen Hause auch dabei bin, mit den Abteilungsleitern zu sprechen, kann ich Ihnen sagen: Dort wie überall geht es nach Qualität. Wie das früher gewesen ist, darüber will ich mir gar kein Urteil anmaßen. Bei uns ist das jedenfalls so. Und nun hören Sie endlich mit diesen albernen Verdächtigungen zu dieser Frage auf!
({3})
Wenn ich richtig mitgezählt habe, hat der Kollege Althammer im wesentlichen 7 Punkte aufgegriffen, in denen er meinte, die Finanzpolitik des Bundes anläßlich der Debatte zum Einzelplan Finanzen in der zweiten Lesung kritsieren zu sollen. Lassen Sie mich zu diesen 7 Punkten Stellung nehmen, damit deutlich wird, Herr Kollege Althammer, wo wir uns unterscheiden und wo vielleicht partiell auch Übereinstimmungen sein mögen.
Ich beginne mit dem Punkt Nr. 1, der sicherlich auch in der allgemeinen Debatte noch eine Rolle spielen wird: mit dem Antrag der CDU/CSU zur Erhöhung der globalen Minderausgabe um 2 Milliarden DM. Ich habe mir die Begründung, die Sie mitgeliefert haben, sehr genau durchgelesen. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Althammer: Diese Begründung ist unsolide, diese Begründung ist konstruiert, diese Begründung ist so gewählt, damit Sie nicht völlig nackend dastehen. Dennoch muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß diese Begründung nicht stichhaltig ist.
Sie haben auf das Haushaltsjahr 1973 hingewiesen.
({4})
- Sofort, Herr Kollege Leicht. - Ich muß Sie auf den Unterschied zwischen dem Haushalt 1974 und dem Haushalt 1973 aufmerksam machen: Der Haushalt 1974 - darauf wird noch zurückzukommen sein - wird in einer anderen konjunkturpolitischen Landschaft gefahren, und damit wird auch von den Steuereinnahmen her der Weg ein anderer sein. Das begrüße ich gar nicht, aber das stelle ich als Finanz6850
minister in mein Kalkül für die Führung und für das Fahren des Haushalts 1974 mit ein.
Bitte, Herr Leicht!
Herr Apel, wollen Sie mit Ihrer Begründung, das sei alles unsolide, sagen, daß die Herren Regierungsvertreter im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages bei den Zahlenangaben - beim Hochschulbau über 300 Millionen DM, beim Kindergeld über 100 Millionen DM - den Ausschuß falsch oder, wenn Sie wollen, unrichtig unterrichtet haben?
Lieber Herr Kollege Leicht, der Witz bei der Geschichte ist doch der, daß Sie eine globale Minderausgabe einsetzen und dann eine Begründung mitliefern, daß Sie aber nicht den Mut haben, Änderungsanträge zu stellen. Wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher sind, stellen Sie doch zu den einzelnen Haushalten Anträge! Nennen Sie Roß und Reiter, damit man draußen weiß, was Sie wollen!
({0})
So aber geht es doch nicht, lieber Herr Kollege Leicht. Sie sagen: wir wollen, wir denken und wir meinen!, aber nicht die Gruppen verprellen wollen, an denen Sie interessiert sind.
({1})
Sagen Sie doch bei den Haushalten: wir wollen dieses, wir wollen jenes, wir kürzen hier, wir kürzen dort!
({2})
- Sofort, Herr Kollege Althammer.
({3})
Wissen Sie, dies ist eine allgemeine Goodwill-Erklärung nach der Devise: Gesündigt wird nicht; Details folgen nach 22 Uhr. So geht das nicht.
Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage?
Herr Minister, würden Sie dieses Urteil über die Möglichkeit globaler Minderausgaben dann genauso aussprechen gegenüber der Bundesregierung, die vor zwei Jahren genau diesen Weg gegangen ist?
Ich sagte Ihnen schon, Herr Kollege Althammer: Das Problem ist, daß wir 1974 - das werden wir alle zusammen noch erleben - wirklich ein Haushaltsjahr vor uns haben, das sich wesentlich von den Haushaltsjahren vergangener Jahre unterscheidet. Deswegen -- und das wird einer meiner nächsten Punkte sein - müssen wir hier sehr genau aufpassen, was wir uns vornehmen, was wir versprechen, was wir uns zumuten können. Ich gebe Ihnen zu:
Das ist ein bewährtes Instrument; nur kann man in dieser Haushaltssituation so nicht verfahren.
({0})
Lassen Sie mich zu dem Punkt Nr. 2 kommen. Sie, Herr Kollege Althammer, haben den Vorwurf erhoben - ich habe mir das hier mitgeschrieben -, der Finanzminister habe Ende des Jahres 1973 noch 4,5 Milliarden DM verpulvert - so haben Sie, wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, wörtlich gesagt -,
({1})
- ich komme gleich darauf zurück - um Kosmetik zu betreiben, nämlich um die Haushaltssteigerung 1974 geringer erscheinen zu lassen, als das lieb sein konnte.
Dieses ist eine falsche Argumentation. Ich will diese Debatte einmal ein bißchen auseinandernehmen, damit wir auf die Kernpunkte kommen. Wenn Sie sich einmal die Ausgaben anschauen, werden Sie mir zweierlei zugeben. Erstens. Von den von Ihnen beanstandeten 4,5 Milliarden DM ist bis Dezember 1973 fast die Hälfte geleistet worden, nämlich zwei Milliarden DM. Das heißt, es war also keine Nacht-und Nebelaktion am Ende des Jahres, sondern es handelte sich durchaus um Ausgaben im Laufe des Haushaltsjahres. Wir wollen hier also relativieren; wir wollen feststellen, Herr Kollege Althammer: Rund die Häfte ist im Laufe des Haushaltsvollzugs ausgegeben worden. Das ist, wie es sich gehört, entweder mit den Obleuten oder mit dem Haushaltsausschuß abgesprochen worden. Bei einigen ganz dicken Brocken, Herr Kollege Althammer, sind Sie als Obmann der Opposition im Haushaltsausschuß - ebenso wie natürlich der Herr Vorsitzende - unterrichtet worden.
Wir wollen uns jetzt die einzelnen Punkte anschauen, um die es geht; ich nehme nur einmal die größeren Positionen. Können Sie ernsthaft bestreiten, daß es vernünftig und notwendig war, mit der Schaffung eines nationalen Erdölkonzerns zu beginnen und dafür 672 Millionen DM auszubringen? Können Sie das bestreiten?
({2})
Ich komme auf die formale Seite nachher zurück.
Können Sie bestreiten, daß es notwendig war, der Bundesbahn eine Liquiditätszuwendung von 1,35 Milliarden DM zu geben? Ich kann das nicht bestreiten.
Herr Kollege Althammer, jetzt komme ich direkt in Ihr Gehege: Wollen und können Sie vor Ihrem Wählerkreis bestreiten, daß es vernünftig war, 480 Millionen DM als Darlehen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu geben, um dem Mittelstand zu helfen, einer Gruppe, die in der Regierungserklärung ausdrücklich ihren Anspruch gefunden hat?
({3})
Wir wissen, daß - wie der Herr Bundeskanzler
ausgeführt hat - diese Gruppe unserer VolkswirtBundesminister Dr. Apel
schaft von zentraler Bedeutung für den Wettbewerb, für die Produktivität, für den Fortschritt und die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ist.
Ich stelle fest: 1. Nur die Hälfte der Ausgaben sind am Ende des Haushaltsjahres getätigt worden; 2. die wesentlichen Punkte - ich bin auch bereit, über andere Punkte zu sprechen - können Sie von der Sache her gar nicht ablehnen. Dies können Sie gar nicht bestreiten. Sie müssen sagen: Jawohl, das ist in Ordnung, hier hat die sozialliberale Koalition ihre Pflicht getan.
Es bleiben formale Fragen. Dazu muß ich sagen: Hier haben wir - das ist unsere feste Überzeugung - in jedem Einzelfall genau geprüft, wie es rechtens ist, wie es nach Art. 112 des Grundgesetzes zu gehen hat. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen: Dieses ist alles rechtens, es ist alles in Ordnung. Der Haushaltsausschuß ist in den meisten Fällen unterrichtet worden. Im übrigen hat dieses Hohe Haus alle Informationen erhalten, damit dieses Parlament in jedem Fall weiß, was die Bundesregierung mit dem Geld der Steuerzahler tut.
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß auch der Bundesrechnungshof in einer vorläufigen Äußerung im Haushaltsauschuß erklärt hat, daß mindestens bei einem Teil der Ausgaben die Rechtsvorschriften offensichtlich nicht eingehalten worden sind, die Rechtsvorschriften, die dahin gehen, daß nicht nur zu unterrichten ist, sondern daß das Parlament ein Ausgabebewilligungsrecht hat?
({0})
Lieber Herr Kollege Althammer, bei allem Respekt vor dem Bundesrechnungshof und bei allem Respekt vor Bemerkungen von der rechten Seite des Hauses - ich meine die Opposition ({0})
nehme ich Bemerkungen von Ihnen, die in diese Richtung gehen, nur mit äußerster Vorsicht entgegen; denn wir haben hier schon einmal erlebt, wie sich der Kollege Todenhöfer die Hosen hat herunterziehen lassen. Da bin ich also sehr zurückhaltend.
({1})
Wir kommen darauf zurück.
({2})
-- Faule Ausrede? Dieses ist so! Oder wollen Sie bestreiten, daß Sie in der Debatte über die Gawi eine Figur gemacht haben, die schlechter nicht hätte sein können? Wollen Sie das bestreiten?
({3})
Nun ein letztes Argument zu diesem Punkt. Ich bin eigentlich nicht dafür, daß wir in die Geschichte einsteigen; aber es bleibt mir wohl nicht erspart. Und so habe ich das Finanzministerium gebeten, mir einmal aufzuschreiben, wie es früher mit den über- und außerplanmäßigen Ausgaben gewesen ist. Dabei muß ich feststellen - ja, Herr Kollege Althammer, jetzt lachen Sie, weil Sie natürlich wissen, was kommt;
({4})
- ja, ja, das ist peinlich für Sie,
({5}) aber das ist so -:
({6})
den Rekord bei den über- und außerplanmäßigen Ausgaben von 1963 bisl 1973 hält das Jahr 1968. Das war das Haushaltsjahr, für das der Herr Kollege Strauß verantwortlich war. Dagegen ist das, was jetzt passiert ist, wirklich nur Kükenfutter gewesen.
({7})
- Ja, ja.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege, weil wir diesen Punkt noch einmal aufgreifen müssen, darf ich Sie fragen, ob Sie wissen, daß in dem von Ihnen angezogenen Haushaltsjahr 1968 lediglich Übertragungen vom außerordentlichen in den ordentlichen Haushalt vorgenommen wurden.
({0})
Hier steht davon überhaupt nichts.
({0})
Ich habe hier nur diese Zettel, Herr Kollege Althammer. Ich lehne es sowieso ab, Reden vorzulesen.
({1})
Lieber Herr Kollege Althammer, wir stellen also, um diesen Punkt abzuschließen, übereinstimmend fest - das ist sehr wichtig -: Erstens, die Ausgaben waren unabweisbar, sie lagen im Interesse der Konjunkturpolitik, im Interesse der Liquidität der Deutschen Bundesbahn und im Interesse einer Reihe anderer Einnahmeempfänger von großer Bedeutung. Dieses haben Sie nicht bestritten. Wir stellen zweitens fest, daß die Hälfte der Ausgaben eben
nicht bei Nacht und Nebel, sondern vor Dezember 1973 stattgefunden haben. Bitte, überstrapazieren Sie dieses Argument nicht; es lohnt nicht!
Ich komme jetzt zu dem dritten Punkt, einem Thema, über das wir bereits gestern debattiert haben, nämlich zu der Frage, ob der Vorwurf wirklich gerechtfertigt ist, wir hätten im Jahre 1973 und auch im Jahre 1974 die Bundesbank, die Kreditpolitik, bei der Stabilitätspolitik, die der Bund zu treiben hat, alleingelassen. Ich darf Sie daran erinnern, meine Kollegen, daß Stabilitätspolitik, soweit sie von der öffentlichen Hand und von der Bundesbank gemacht werden kann, in drei Bereichen stattfindet. Das sind erstens die außenwirtschaftliche Absicherung - Sie haben das Floaten, die schwankenden Wechselkurse immer bekämpft und abgelehnt; dennoch haben wir sie durchgesetzt und tun es auch noch heute -, zweitens die Fiskalpolitik und drittens die Kreditpolitik.
Herr Kollege Althammer, haben Sie eigentlich den Jahresbericht der Bundesbank überhaupt nicht gelesen? Kennen Sie die Zitate nicht, die hier stehen? Soll ich Ihnen die Zitate noch einmal vorlesen? Ich will mich nur auf eines beschränken.
({2})
- Ja, ich habe hier eine ganze Sammlung, wie Sie sich vorstellen können. Ich will mich, wie gesagt, auf eines beschränken, das mir beim Durchlesen des Berichts schon weit vor meiner Zeit als Finanzminister aufgefallen ist, nämlich die Feststellung auf Seite 29 unten - dort können Sie sie nachlesen -, daß das zu Recht der konsequenteste Stabilisierungsversuch gewesen ist, der je in der Nachkriegszeit unternommen wurde.
({3})
- Ja, die Ergebnisse sind danach, natürlich! Die Ergebnisse sind hervorragend. Sie sind hier dargestellt worden.
({4})
Wir haben im Jahre 1973 - sehr grob gesprochen, Herr Kollege Althammer - folgende Stabilisierungspolitik gemacht, die unter das Rubrum Fiskalpolitik fällt: Kürzung der Haushaltsansätze durchgesetzt, Stabilisierungsabgabe, stillgelegte öffentliche Mittel, Reduzierung der Investitionszulagen in der Regionalförderung, Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen. Herr Kollege Althammer, hören Sie mal eine Sekunde zu! Diese Punkte sind geblieben. Die Stabilitätsabgabe wird noch erhoben und dann stillgelegt. Wir haben die Regionalförderung nicht aufgebessert, die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen ist beibehalten worden.
Aber nun muß ich Sie fragen, Herr Kollege ,Althamer: Empfehlen Sie uns - legen Sie dann bitte Ihre Alternative hier auf den Tisch -, daß wir die Investitionssteuer hätten beibehalten sollen? Das war Teil der Fiskalpolitik. Hätten wir die Abschreibungsbeschränkungen, die wir früher eingeführt haben, beibehalten sollen? Hätten wir die Streckung der Gemeinschaftsaufgaben beibehalten sollen? Hätten wir die Streckung der ERP-Mittel beibehalten sollen? Hätten wir auf die Sonderprogramme für die strukturschwachen Gebiete verzichten sollen? Wenn Sie dies alles wollten, wäre das eine Alternative, und ich würde das dann gerne vom nächsten Debattenredner hören. Ich sage Ihnen nur eins: dann betreiben Sie die Politik des Herrn Schmücker, indem Sie den Arbeitnehmern Angst machen wollen und auf diese Art und Weise Stabilitätspolitik versuchen.
({5})
Lieber Herr Kollege Althammer, ich muß Ihnen sagen, wir sind da vorsichtiger. Wir machen, soweit es in der Wirtschaftsordnung geht, in der wir leben und zu der wir uns bekennen - darauf komme ich noch zurück -, eine Feinsteuerung, wir versuchen das wenigstens mit den Mitteln, die wir haben, indem wir die globale Kreditpolitik der Bundesbank begrüßen, aber dort, wo wir können, helfend eingreifen.
({6})
Lassen Sie mich zu einem vierten Punkt kommen, der sich relativ schnell abhandeln läßt, nämlich Ihre Bemerkungen zum angeblichen Inflationsbeitrag des Haushaltes 1973 und auch des Haushalts 1974. Ich meine, Herr Kollege Althammer, für den Haushalt 1973 können wir uns das relativ einfach machen. Die Zahlen sprechen gegen Sie: Haushaltssteigerung 9,6 %, nominales Sozialprodukt 11,6 %, d. h. hier bleibt also der Bundeshaushalt zurück. Daß der Herr Carstens hier anders rechnet, ist bereits dargestellt worden und brauche ich wegen der Peinlichkeit des Fehlers, der ihm unterlaufen ist, nicht zu wiederholen.
({7})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Minister, genau zu diesem Punkt wollte ich eine Frage stellen: Wäre es nicht förderlich, wenn wir endlich wieder dazu zurückkämen, vom realen Wachstum des Bruttosozialprodukts zu sprechen und dabei immer gleich den Inflator mit berücksichtigen würden? Das ist nämlich der eigentliche Bezugspunkt, und insofern waren auch die Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden richtig.
({0})
Ich finde es ja rührend von Ihnen, daß Sie versuchen, dem Herrn Carstens aus der Bredouille zu helfen.
({0})
Das finde ich nett von Ihnen. Alle Anerkennung,
à la bonheur! Das ändert aber nichts an der TatBundesminister Dr. Apel
sache, daß das schlicht und ergreifend ökonomischer Unsinn war, was hier geredet worden ist.
({1})
- Lieber Herr Kollege Carstens, dieses ist doch ökonomischer Unsinn! Ich bin aber gerne bereit, in der Bibliothek des Deutschen Bundestages nachzuschauen, ob es ein Buch gibt, das Ihnen hilft, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen.
({2})
Man kann ja auch nicht alles wissen.
Lassen Sie mich zum Haushalt 1974 ganz offen sagen, wie das ist, Angefangen hat die Bundesregierung bei der Vorlage des Bundeshaushalts mit einer Haushaltssteigerung von rund 10,5 %. Wir sind nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses bei 12 °/o gelandet, und dazu bekennt sich die Bundesregierung ausdrücklich. Ich muß aber erneut zurückfragen: Ist das nicht eine unabweisbare Steigerung, oder, Herr Kollege Althammer, wollen Sie auf die 900 Millionen DM für die Sonderprogramme für strukturschwache Gebiete verzichten? Soll das nicht gemacht werden? Wollen Sie den Bürgern sagen: „Die Heizkostenhilfe können wir nicht zahlen, weil uns das nicht in die Statistik paßt"? Oder wollen Sie bei der Streckung der Gemeinschaftsaufgaben bleiben? Dieses sind doch - neben dem öffentlichen Dienst - im wesentlichen die zusätzlichen 2 Milliarden DM, und zum öffentlichen Dienst haben Ihre Herren ja erklärt, daß das eigentlich ein hervorragender Abschluß gewesen sei. Dieses sind doch die Fakten, und da muß ich Ihnen sagen - auch angesichts der konjunkturellen Situation -, daß das mit diesem Bundeshaushalt in Ordnung ist.
Ich komme zu einem fünften Punkt. Sie haben gesagt, Sie verlangten von uns die Politik der leeren Taschen. Die Politik der Steuerrücklagen, wie wir sie betrieben hätten, sei keine vernünftige Politik. Als Ökonom kann ich dies nicht akzeptieren - als Politiker auch nicht. Wenn Fiskalpolitik einen Sinn haben soll, muß sie ja wohl von den Realitäten ausgehen, und die Realitäten sind, daß es für den Bund, für die Länder wie für die Gemeinden einen hohen Prozentsatz von unabweisbaren Investitionen, Personalausgaben und Staatsverbrauch gibt. Gut.
Wenn das so ist, muß man es im Boom so machen, wie wir es gemacht haben - was unbequem ist -, nämlich überschüssige Steuereinnahmen - auch eine Stabilitätsanleihe - abschöpfen und stillegen. Sie können doch in einem Boom nicht eine andere Politik wollen. Dies ist die richtige Politik: Stillegen von Liquidität, die dem Staat auf Grund boomartiger Entwicklungen zufließt, nicht Ausgabe dieses Geldes. Dies hat die Bundesregierung zusammen mit den Ländern getan; es liegen 9 Milliarden DM still.
Und hier mache ich eine Fußnote. Ich bin dadurch, daß diese 9 Milliarden DM stilliegen, sehr beruhigt, denn das ist eine beruhigende Kasse, mit der man rechnen kann.
({3}) Lieber Herr Kollege Stücklen, Sie wissen ganz genau, wie das mit den Konditionen des Zugreifens ist. Und das ist gut so. Wir denken nicht daran, an diese Kasse zu gehen; aber es ist gut, sie zu haben.
Nun möchte ich gerne wissen - und damit bin ich eigentlich wieder bei der globalen Minderausgabe -, wie das denn gehen soll, lieber Herr Kollege Althammer. Hier hätte ich gern Ihre Alternative gehabt. Sie sagen, wir verlangen die Stabilitätspolitik der leeren Taschen. Aber dann muß ich sagen: Roß und Reiter nennen, konkret werden, sagen, wo das sein soll, und nicht mit zweierlei Maß messen.
({4})
- Lieber Herr Stücklen, Sie sind mir sehr symphatisch, weil sie immer zur Erheiterung des Hauses beitragen, allerdings nicht zum sachlichen Gehalt der Debatte.
({5})
Lieber Herr Kollege Althammer, sprechen wir vom sechsten Punkt, von den steigenden Personalausgaben. Dazu ist hier sehr viel gesagt worden. Ich glaube, wir sollten das wiederholen, damit es hier in dieser Runde klar ist.
Von 1962 bis 1969 hat das Personal beim Bund um 4,2 %, bei den Ländern um 2,7 % zugenommen. Inzwischen hat sich dieses Verhältnis völlig umgedreht. Beim Bund ist der Personalzuwachs sehr viel geringer geworden. Nun will ich gar nicht an meine Brust klopfen und sagen, dies sei eine großartige Leistung. Natürlich ist mir durchaus bewußt, daß die Länder, wenn sie - teilweise, so im Bereich des Hochschulbaus, mit Hilfe des Bundes - im Bereich der Bildung tätig werden, selbstverständlich personelle Folgekosten zu tragen haben. Insofern muß man auch aufpassen, ob die Rate der Staatsinvestitionen, gemessen am Bruttosozialprodukt, ökonomisch immer eine wirkliche Aussagekraft hat.
({6})
- Bitte schön!
Herr Minister, Sie haben eben gesagt, die Steigerungsrate beim Bund
- 4,8 %, glaube ich, von 1962 bis 1968 - sei inzwischen sehr wesentlich zurückgegangen. Wie hoch ist die Steigerungsrate, die Personalzuwachsrate beim Bund von 1969 bis 1974 gewesen?
({0})
Er hilft mir da, sonst müßte ich in die Akten schauen. 2 % also.
({0})
- Ach, lieber Herr Kollege Althammer, Sie können doch nicht bestreiten, daß wir wirklich eine restriktive Personalpolitik geführt haben, bei der Sie, wenn Sie in den Ministerien Verantwortung hätten
- ich hoffe, das wird lange nicht der Fall sein -,
merken würden, daß es hier knirscht und daß wir wirklich sehr viel energischer sind als die Länder. Ich würde mich freuen, wenn es anderswo auch so wäre.
({1})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein anderes Argument zu sprechen kommen, das mich schon bei den Bemerkungen von Herrn Carstens gestört hat und das bei Ihnen ein wenig angeklungen ist, nämlich auf das Argument, daß es, wenn die Steuerlastquote steige - sie ist nicht in dem Maße gestiegen, wie das einige Institute ausgerechnet haben, aber sie ist gestiegen -, wenn also der Anteil der Steuern am Bruttosozialprodukt von gut 22 oder 23 % auf etwas über 24 °/o ansteige, ein Zeichen für Verbürokratisierung und Sozialisierung sei. Dies ist ja wohl ein merkwürdiges Argument, das Sie, Herr Kollege Althammer, nach meiner Überzeugung, wenn Sie darüber nachdenken, kaum beibehalten können.
Gehen wir einmal vom Jahre 1975 aus, dann werden wir doch folgende Situation haben: Das Kindergeld - ein hoher Betrag - wird erst einmal voll über die Steuereinnahmen in die öffentlichen Kassen übernommen und dann über die Arbeitsämter an die Begünstigten zurückgegeben. Bisher war das nur zum Teil so; bisher wurde ein wesentlicher Teil der Fürsorge des Staates für die Kinder gleich direkt beim Steuerzahler belassen. Er hat gar nicht erst Steuern bezahlt, sondern erhielt über die Kinderfreibeträge Steuerermäßigung.
({2})
- Aber doch nur in einem sehr viel bescheidenerem Maße, Kollegin Wex. Gut.
({3})
- Aber nun hören Sie doch einmal zu Ende, damit Sie begreifen, daß Sie hier auf dem falschen Dampfer sitzen; ich will Ihnen doch nur helfen. Aber wenn Sie es nicht wollen, dann hören Sie auch nicht zu. In jedem Falle muß ich Ihnen darstellen, wie es ist.
({4})
Das ist also die Situation heute: der gut Verdienende hat hohe Kinderfreibeträge, der weniger gut Verdienende hat geringe, wer kein Einkommen hat, erhält überhaupt nichts für seine Kinder - das ist im übrigen Ihre Steuerpolitik gewesen, die wir ändern werden -, und natürlich geht auf diese Weise die Steuer gar nicht erst beim Staat ein, weil sie beim Privaten verbleibt.
Das wird in Zukunft anders. In Zukunft geht das voll beim Staat ein und wird zurückerstattet, und natürlich, Herr Kollege Dr. Carstens, kann und wird dadurch die Steuerlastquote steigen; rein optisch wird sie steigen. Das leuchtet ja wohl ein, und damit ist der Maßstab „Steuerlastquote" insofern überhaupt keiner. Man muß nämlich dann fragen: Was macht ihr denn mit dem Geld, wenn das Geld auf diese Art und Weise zurückfließt? Dann ist also selbst eine Anhebung der Steuerlastquote auf Grund des neuen Familienausgleichssystems überhaupt kein Beweis für dieses oder jenes, sondern nur ein Beweis dafür, daß hier einiges sozial gerechter geworden ist, und dies wollen wir.
({5})
Lieber Herr Kollege Althammer, wenn Sie dieses als sozialistisches System bezeichnen, will ich Sie nicht daran hindern, nur sagt das nichts; das ist eine Überschrift, und ich habe etwas gegen Überschriften in der Politik.
({6})
Ich komme zum letzten Punkt. Sie haben hier auf Bemerkungen in der Presse hinsichtlich der Regierungserklärung hingewiesen und diese Bemerkungen wiedergegeben. Sie haben auf Frau Wieczorek abgehoben. Ich habe mir das auch angesehen, und ich habe festgestellt: in diesem Punkte gibt es frappierende Übereinstimmungen zwischen der Argumentation der CDU/CSU und von Frau Wieczorek.
({7})
- Ja, das ist so! Frappierende Übereinstimmung insofern, als alle zusammen, die so argumentieren, eines nicht begriffen haben.
({8})
- Fast hätte ich mir einen Ordnungsruf geholt, aber das wollte ich nicht so gerne.
({9})
Nun ist es gut. Dieses ist hier kein Kabarett, sondern jetzt lassen Sie mich zur Sache kommen.
({10})
Ich will das auch begründen. Man lernt, wenn man Volkswirtschaft studiert, zweierlei: daß die Konsumausgaben und die Investitionsausgaben gleich 100 zu setzen sind und daß 110 nicht auszugeben ist. So ist das schlicht und ergreifend, und so gilt das auch für Sie.
({11})
Wer also über Steuersenkungen die Konsumausgaben fördern will, kann sich nicht auf der anderen Seite über fehlende oder ungenügende Staatsausgaben beschweren. Das geht nicht, das ist unlogisch. So gilt das auch für die Bemerkungen, die hier von einer Parteikollegin von mir gemacht worden sind.
({12})
Der muß man auch klipp und klar sagen: Die Privatinvestitionen und die staatlichen Investitionen können nur so hoch sein, wie der Staatsverbrauch und der private Verbrauch es zulassen. Hier gibt es
unübersehbare Wechselwirkungen. Wer bei dem einen mehr will, muß bei dem anderen Einschränkungen akzeptieren, und dies hat die Regierungserklärung in eindeutiger Klarheit deutlich gemacht.
({13})
Dies müssen Sie sich auch alle zusammen hinter die Ohren schreiben lassen. Es ist unsolide, einen anderen Eindruck zu erwecken. Wir werden dafür sorgen, daß Konsum Staat, Konsum privat, Investitionen Staat und Investitionen privat gleich 100 sind und nicht gleich 110.
({14})
Bitte, Herr Althammer!
Herr Minister, wird Ihr Herr Bundeskanzler dann auch das SPD-Langzeitprogramm dementsprechend umschreiben?
Es wäre ja sehr gut gewesen, Herr Althammer, Sie hätten das mal gelesen.
({0})
- Dann hätten Sie bestimmt was gelernt. Da steht nämlich folgendes darin - ich bin stellvertretender Vorsitzender der Kommission gewesen-: wenn wir, was ich für richtig halte, den Anteil der öffentlichen Infrastruktur ausweiten - wir haben das den „öffentlichen Korridor" genannt -, dann müssen wir einfach in der volkswirschaftlichen Gesamtrechnung ehrlich genug sein, daß andere Sektoren zurückgefahren werden, z. B. der Staatsverbrauch, z. B. auch der private Verbrauch, nicht die privaten Investitionen; denn die Regierungserklärung hat ja wohl deutlich gemacht, welchen Stellenwert sie haben. Dieses steht darin, lieber Herr Kollege Althammer. Wenn man das genau liest, ist es quasi ein Lehrbuch für die Finanzpolitik in den nächsten Jahren, damit man merkt, wie es ökonomisch gehen kann, aber wir bleiben nicht verbal. Ich würde Ihnen empfehlen, es noch einmal sehr genau durchzulesen. Wir wollen dann darüber reden. Vielleicht kann ich Ihnen da noch einige Tips geben.
({1})
Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen. Es ist nicht mein Verdienst, wenn ich hier feststellen kann, daß der Haushalt 1974 solide finanziert ist, daß er konjunkturneutral ist, daß er in die ökonomische Landschaft paßt, daß er die Verantwortung der sozialliberalen Koalition für Preisstabilität, aber Sicherung eines hohen Beschäftigungsgrades ausdrückt. Diese Operation ist die erste, die wir zu machen haben. Wir werden nach Pfingsten die zweite machen, wenn wir hier über Steuerreform reden. Dann werden wir in diesem wesentlichen Bereich der Steuer- und der Finanzpolitik einen wesentlichen Schritt weiter sein auf dem Wege zu den Zielen, die wir uns gesteckt haben. Dafür danke ich meinem Vorgänger im Amt. Ich werde mir alle Mühe geben, genauso tüchtig zu sein wie er.
({2})
Das Wort hat. der Herr Abgeordnete Dr. von Bülow.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 1974 wird heute mit Ausgaben in Höhe von 136,4 Milliarden DM ohne die beantragten globalen Minderausgaben beschlossen. Die Frage an diesen Haushalt lautet: Wie paßt er in die soziale, wirtschaftliche, gesellschaftspolitische Landschaft des Jahres 1974? Wie wird dieses Jahr 1974 verlaufen? Ist eine Steigerungsrate der Bundesausgaben in Höhe von 12,1 % zuwenig, zuviel oder vertretbar? Niemand, der an dieser Stelle zu den aufgeworfenen Fragen antwortet, sollte sich die Aufgabe zu leicht machen.
Aber dieser Haushalt - lassen Sie mich darauf noch kurz eingehen; das hat gestern in der Debatte um die Regierungserklärung eine große Rolle gespielt - steht in einem weiten währungs-, wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmen, der auch durch starke internationale Einflüsse bedingt ist. Hingegen tut die Opposition so, als seien wir eine rein national bestimmte Insel und als könne man das Schifflein für sich allein lenken und trage deshalb dafür auch allein die Verantwortung. Die Wirklichkeit sieht wesentlich komplizierter aus.
Wenn wir uns einer Art Wettbewerb unter den modernen Industriestaaten um die beste Währungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik unterziehen würden, dann würde vermutlich die Bundesrepublik von den Schiedsrichtern einstimmig zu den Spitzenreitern gezählt werden. Die Bundesrepublik - ich will das wiederholen - hat die niedrigste Preissteigerungsrate der gesamten westlichen Welt; die jüngste OECD-Statistik weist dies unter 24 Staaten nach. Sicher wäre es schöner und richtiger, wir hätten eine Preissteigerungsrate unter den gegenwärtigen 7,1 %. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, sagen Sie uns doch mal, wie wir das unter den ungeheuren weltwirtschaftlichen Verflechtungen, die unsere Volkswirtschaft eingegangen ist, durchsetzen wollen. Unsere Ausfuhr mit einem Wert von fast 200 Milliarden DM - gleich 19,2 % des Bruttosozialprodukts - oder die Einfuhr in Höhe von fast 150 Milliarden DM, das ist der Gegenwert der internationalen Verflechtung. Die Rohstoffe sind in den letzten zwölf Monaten für die Bundesrepublik urn 90 % teurer geworden; das heißt, der Rohstoffeinsatz für das, was wir an Industriewaren produzieren, hat sich um 90 % verteuert. Das 01 ist um 200 bis 300 % teurer geworden. Nun sagen Sie, meine Herren von der Opposition: wie will man dieser Teuerung mit fiskalpolitischen Maßnahmen begegnen?
({0})
Dies ist ein Griff in die Taschen unserer Volkswirtschaft. Unsere vergleichbaren Produktionskosten werden dadurch erhöht, und das geht in die Preissteigerungsrate hinein. Es gibt kein Mittel, mit nationalen Maßnahmen sich diesem Zugriff zu entziehen, es sei denn eine Aufwertung. Aber die kann man ja bekanntlich nicht in dieser Größenordnung
durchführen, auch nicht durch floatende Wechselkurse.
Ich komme aus einem Wahlkreis, der Textilwaren produziert. Die Baumwolle ist innerhalb eines Jahres um 80 % teurer geworden; das macht bei den Produkten dort eine Kostensteigerungsrate von 15 % aus, vorneweg allein auf Grund der Baumwollpreise. Sowohl Herr Strauß wie Herr Carstens werden zugeben müssen, daß Baumwolle in der Bundesrepublik ja weiß Gott nicht produziert wird, sie muß eingeführt werden. Bei den Halbfertigwaren sind ähnliche Raten zu verzeichnen. Ich will darauf nicht weiter eingehen, will nur darlegen, wie schwierig das Problem geworden ist, die Preissteigerungsrate in den Griff zu bekommen.
Erstens: wie gesagt, Preissteigerungsrate am untersten Ende der gesamten westlichen Welt.
Zweiter Punkt, als Positivum: Die Bundesrepublik kann mit einem Handelsbilanzüberschuß von 33 Milliarden DM diese gestiegenen Rohstoffkosten nahezu als einziges Industrieland der westlichen Welt durch Deviseneinnahmen bezahlen.
Drittens. Die Bundesrepublik hat höhere Währungsreserven als jeder andere Staat.
Viertens. Den Schwierigkeiten, denen wir ausgesetzt sind, begegnen wir nahezu als einziger Staat der gesamten westlichen Welt mit marktwirtschaftlichen Methoden. Das muß gesagt werden gegen Ihre ständigen Behauptungen, diese Marktwirtschaft werde abgebaut. Im Gegenteil! Schauen Sie nach den USA, schauen Sie, wohin Sie wollen: überall wird mit anderen Methoden versucht, der Probleme Herr zu werden.
Fünftens. Die Bundesrepublik verfügt - auch das ist ein Unikum in der ganzen westlichen Welt - für den Fall von Rezessionen über Einsatzreserven in Höhe von 10 Milliarden DM, die jederzeit mobilisiert werden können. Auch das ist ein sicheres Polster.
({1})
- Nicht jederzeit, sondern nach Eintritt der entsprechenden Bedingungen; ich habe gesagt: für den Fall einer Rezession.
Alle objektiven Beobachter, sämtliche ausländischen Beobachter gestehen dies zu. Im französischen Wahlkampf hat die deutsche Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik eine große Rolle gespielt. Vor allen Dingen der Kandidat Mitterand hat dem Kandidaten und jetzigen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing vorgeworfen, daß er nicht eine entsprechend harte Währungs- und Wirtschaftspolitik wie diese Bundesregierung durchgeführt habe und deshalb die Preissteigerungsrate in Frankreich wesentlich höher gewesen ist.
Ich will Sie nicht mit den vielen Zitaten aus ausländischen Zeitungen langweilen, aber ich appelliere an Sie, an den objektiven Beobachter, diese Tatbestände zuzugeben und hier einzuräumen.
Wir haben eines der höchsten Lohnniveaus der westlichen Welt.
Es kommt ein weiteres hinzu, worauf Bundeswirtschaftsminister Friderichs bereits hingewiesen hat: wir haben das soziale System in einer Weise ausgebaut, die uns den sozialen Frieden in dieser Bundesrepublik garantiert. Deutsche, die im Ausland sind und mit Ausländern diskutieren, werden bei der Frage: „Wie macht ihr das in eurem Lande?" ständig - und selbst die Unternehmer tun das - auf diesen Ausbau des sozialen Systems hinweisen. Man kann diesen an der Zahl der Streiktage ablesen, die wir zu verzeichnen haben. Daß in der Bundesrepublik der soziale Friede herrscht, hängt mit dem stetigen Ausbau dieses sozialen Systems zusammen, an dem die Regierung und die sozialliberale Koalition Jahr für Jahr weiter arbeiten.
Das steht im übrigen ganz im Gegensatz zu dem, was sich die Opposition im Jahre 1969 vorgenommen hat, die ja davon ausging, daß das soziale System inzwischen einen Standard erreicht habe, daß ein weiterer Ausbau überhaupt nicht notwendig sei.
({2})
- Soll ich es Ihnen zitieren? Ich habe es dabei. - Natürlich kann man keine Sprünge machen. Aber eine jährliche Zahlung von 17 Milliarden DM an die Rentenversicherung, von 10 Milliarden DM an die Kriegsopferversorgung, wie sie in diesen Haushalt eingestellt sind, können sich sehen lassen. Mitbestimmung, Betriebsverfassung, Kündigungsschutz, Unverfallbarkeit der Renten im Falle des Konkurses, Möglichkeit der Mitnahme des betrieblichen Pensionsanspruchs bei Arbeitsplatzwechsel, Erstattung des Lohnausfalls, Bezahlung eines Krankengeldes für die Mutter, die bei Erkrankung ihres Kindes oder ihres Mannes die häusliche Pflege übernimmt, - all das sind Beispiele für die Schritte auf dem Wege zum Ausbau des Systems der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik.
Das bedeutet natürlich, daß Haushaltsjahr für Haushaltsjahr Gelder zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir können uns dabei nicht übernehmen. Es kann nicht all das, was noch ungerecht und unbillig ist, innerhalb von drei, vier oder fünf Jahren gelöst werden. Da bleiben langfristige Aufgaben übrig. Insofern stimmen gerade wir Haushaltsleute voll mit dieser Regierungserklärung und ihrer Betonung der Kontinuität und der Konzentration überein.
Die Bundesregierung gibt inzwischen für die Einbeziehung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in die soziale Sicherung - gestern abend oder gestern nacht war davon die Rede -, die die übrige Bevölkerung schon längst genießt, erhebliche Gelder aus. Fast die Hälfte des Landwirtschaftsetats entfällt inzwischen auf die soziale Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung.
Es gibt, soweit ich sehe, nur wenige Länder der westlichen Welt, die den Strukturwandel in der Landwirtschaft so systematisch und so umfassend absichern. Seit 1969 wurden durch die regionalen Aktionsprogramme - das ist auch eine Zielrichtung, um die landwirtschaftliche Strukturproblematik zu lösen - 513 000 neue Arbeitsplätze in den strukturDr. von Bülow
schwachen Gebieten geschaffen. In Niedersachsen sind es allein 141 000 Plätze, in Bayern 124 000, in Schleswig-Holstein 50 000 Arbeitsplätze. Das Investitionsvolumen hierfür hat insgesamt 37 Milliarden DM betragen. Es gibt in der Bundesrepublik nicht den Umfang der Landflucht, den wir aus Südfrankreich, Süditalien oder anderen Ländern kennen. Diese Bundesregierung läßt sich von Strukturkrisen nicht treiben, sondern sie greift sie aktiv an und betreibt deren Lösung.
Lassen Sie mich nun etwas zum Haushalt 1974 und dessen Einpassung in die konjunkturelle Landschaft sagen. Die Opposition hat der Bundesregierung vorgeworfen, sie heize mit einem gegenüber dem Vorjahr um 12 % erhöhten Ausgabevolumen des Bundeshaushalts die Konjunktur in unvertretbarer Weise an. Zunächst einmal ist hierzu festzustellen, daß die Bundesausgaben in diesem Jahr zwar um 12 %, jedoch die Ausgaben der Gemeinden um 13 % und die der Länder um 15 % steigen werden. Diese Steigerungsrate der öffentlichen Haushalte, meine Damen und Herren, ist ja vom Finanzplanungsrat gutgeheißen worden, der sich auf Grund der Begutachtung der konjunkturellen Situation für die Durchhaltung dieser Steigerungsraten, für die Verwirklichung der Haushalte in der vorgesehenen Größenordnung ausgesprochen hat. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß die Finanzminister der CDU/CSU-Ministerpräsidenten Goppel, Stoltenberg, Kohl, Roeder und Filbinger allesamt diese Steigerungsrate des Bundeshaushalts in Höhe von 12,1 % für richtig halten.
({3})
Wenn die Opposition eine derartige Steigerung der öffentlichen Haushalte für falsch halten sollte, dann müßten Sie sich mit Ihren Parteifreunden, mit den Finanzministern der Länder, übrigens auch mit der Bundesbank zusammensetzen, um hier eine Änderung zu bewirken.
In Wirklichkeit kann diese 12%ige Ausgabensteigerung angesichts der gegenwärtigen konjunkturellen Landschaft durchaus vertreten werden. Wir haben seit der Einbringung des Haushalts im September 1973 eine deutliche Abschwächung der Konjunktur zu verzeichnen. Die Preisentwicklung bei Rohöl hat einen Entzugseffekt von 15 bis 18 Milliarden DM auf unsere Volkswirtschaft. Die Auftragsbestände bei der Bauindustrie, bei der Textil- und Lederindustrie, nicht zuletzt auch bei der Automobilindustrie sind stark zurückgegangen. Deshalb hat sich diese Regierung entschlossen, zwar nicht ihre generell restriktive Konjunkturpolitik aufzugeben, dafür jedoch ein spezielles Instrumentarium für die Behandlung einiger Problembranchen und Problemgebiete zur Verfügung zu stellen. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie die 600 Millionen DM für die strukturschwachen Gebiete und die Problemgebiete versagen wollen und daß Sie für Kürzungen im Investitionsbereich des Hoch- und Straßenbaues sein werden.
Ich muß Sie auch - Herr Professor Carstens, auch das gehört dazu, daß man hier etwas ehrlicher und offener miteinander umgeht - auf folgendes hinweisen: Wenn Sie jetzt eine andere Konjunktureinschätzung haben, so steht das im krassen Widerspruch zu dem, was Sie noch im Dezember und Januar hier in diesem Hause vertreten haben.
({4})
Sie haben noch im Dezember ein Arbeitsplatzsicherungsprogramm eingebracht und für die Aufhebung der Ausgabenkürzung bei den Gemeinschaftsaufgaben, für die Wiederherstellung des Investitionszulagengesetzes plädiert. Sie haben eine unverzügliche Erhöhung der ERP-Mittel beantragt, Sie haben die Wiederbelebung des Wohnungsbaus, das Vorziehen koordinierter staatlicher Konjunkturprogramme, die sofortige Erarbeitung neuer Investitionsprogramme, die Überprüfung der Schuldendeckelverordnung, die Aufhebung von Importerleichterung usw. beantragt - eine Fülle von Maßnahmen, die Sie im Grunde genommen, was die konjunkturpolitische Beurteilung angeht, in dasselbe Boot setzt wie die Regierung, wobei die Bundesregierung sogar noch wesentlich restriktiver vorgegangen ist.
({5})
Und jetzt, nachdem einige Forschungsinstitute irgendeine Erklärung abgegeben haben, versuchen Sie, sich wieder davonzustehlen. Aber hier sind die Dokumente - und ich kann Ihnen noch weitere vorlesen -, die nachweisen, daß Sie von derselben besorgten Beurteilung der konjunkturellen Landschaft ausgegangen sind, so daß Ihnen diese Schwarz-Weiß-Malerei nicht gut ansteht. Der Ausgabenzuwachs von 12,1 % beim Bund ist konjunkturell durchaus vertretbar.
Ich möchte auf die Staatsverschuldung der Bundesrepublik eingehen; denn da werden von seiten der Opposition die größten Nebelwolken erzeugt, die größten Angstkomplexe bei der Bevölkerung angesprochen. Würde man Franz Josef Strauß Glauben schenken, so stünde diese Republik kurz vor dem Zusammenbruch ihrer Staatsfinanzen. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus.
Der frühere Finanzminister Helmut Schmidt hat dem Bundeskanzler Helmut Schmidt ein durchaus geordnetes Haus hinterlassen.
({6})
Hierauf möchte ich in einer nüchternen Bestandsaufnahme eingehen. Die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland ist im internationalen Vergleich äußerst geringfügig.
({7})
- Herr Stücklen, dann machen wir das einmal im Postverwaltungsrat, da können wir uns gern darüber unterhalten, da können wir auf die anderen Postunternehmen der westlichen Welt eingehen, z. B. auf die Schweizer Post, die jetzt anfängt, in ein Defizit hineinzulaufen. Ich bin gern dazu bereit. Sie sind
Postminister gewesen, unter Ihrer Zeit ist ein Teil dieser Schuld mit aufgelaufen.
({8})
Die Staatsverschuldung ist im internationalen Vergleich äußerst niedrig. Die Gesamtschuld aller öffentlichen Gebietskörperschaften, d. h. von Bund, Ländern und Gemeinden, betrug im Jahre 1973, gemessen am Bruttosozialprodukt, 5,8 %, d. h. also 5,8 % der jährlichen Wertschöpfungen, die in der Bundesrepublik erarbeitet werden. Die Vergleichszahlen - und das ist ja interessant, Herr Stücklen - lauten für 1962: Bundesschuld - gemessen am Bruttosozialprodukt -: 7,2 %. Sie ist 1972 auf 6,2 % zurückgegangen, und sie liegt 1973 bei ganzen 5,8 % des Bruttosozialprodukts.
({9})
Natürlich, klar, und zwar deshalb, weil das ein Unternehmen ist. Herr Stücklen, Sie müssen doch davon ausgehen, daß wir wissen, daß Bundesbahn und Bundespost Unternehmen sind, wenngleich teilweise durchaus problematische.
Ein anderer sehr wichtiger Bezugspunkt ist der Jahreshaushalt. 1973 machte die gesamte Schuldenlast nicht mehr als 45 % eines Jahreshaushalts aus. Wenn Franz Josef Strauß die Staatsverschuldung beklagt, so muß man ihn darauf hinweisen, daß die Staatsverschuldung unter früheren Regierungen, gemessen am jährlichen Bundeshaushalt, höher war. Die Verschuldung betrug 1962 52 % eines Jahreshaushalts; sie ist jetzt zurückgegangen auf 47 %. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland ist seit 1969 äußerst solide finanziert und steht im Verhältnis zu den Vorjahren sogar noch besser da.
Für dieses Jahr ist eine Neuverschuldung von 7,6 Milliarden DM vorgesehen, die angesichts der zur Zeit zurückhaltenden Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die private Wirtschaft durchaus vertretbar ist. Ob die Verschuldung in dieser Größenordnung tatsächlich eingegangen werden muß, ist fraglich. Sie kann und wahrscheinlich niedriger liegen.
Ein Beispiel für die sehr zurückhaltende Verschuldenspolitik der Bundesregierung bietet das Jahr 1973. In der mittelfristigen Finanzplanung aus dem Jahre 1969 für die Jahre bis 1973 war für das Jahr 1973 eine Schuldaufnahme von 8 Milliarden DM vorgesehen. Franz Josef Strauß hatte in seiner internen Fortschreibung der Finanzplanung für 1973 sogar eine Schuldaufnahme in Höhe von 12 Milliarden DM vorgesehen. Diese 8 Milliarden DM - oder 12 Milliarden DM - wurden reduziert durch die mittelfristigen Finanzplanungen der laufenden Jahre, schließlich auf ein Soll von 2,7 Milliarden DM im Jahre 1973. Daraus ist dann tatsächlich eine Schuldaufnahme in Höhe von 1,2 Milliarden DM geworden. Statt 8 Milliarden DM, wie ursprünglich in der mittelfristigen Finanzplanung von 1969 vorgesehen, ist eine tatsächliche Schuldaufnahme von nicht mehr als 1,2 Milliarden DM geworden.
({10})
Für Schwarzmalerei und Katastrophenstimmung ist deshalb nicht der geringste Anlaß gegeben. Ganz im Gegenteil: Die Bundesrepublik ist ein Staat mit außerordentlich zurückhaltender Verschuldenspolitik. Nehmen Sie internationale Zahlen zum Vergleich; die letzten, die vorliegen, stammen aus dem Jahre 1971. Danach machen die Staatsschulden in Frankreich 224 % eines jährlichen Haushalts aus. In den Niederlanden sind es 219 %, in Großbritannien 181 % eines Jahreshaushaltes, in der Schweiz 112 %, in Schweden 75 %. Vergleichen Sie damit unsere 47 % eines Jahreshaushalts, um daran zu sehen, wie niedrig die Schuldenlastquote der Bundesrepublik ist.
Einige Worte zu den Personalvermehrungen! Auch da kursieren die wildesten Gerüchte. Prozentzahlsteigerungen allein geben nichts her. Wenn Sie die prozentualen Steigerungen des Personals im Kanzleramt seit 1969 ansprechen, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß z. B. das gesamte Bundesratsministerium in den Personalkörper eingegliedert worden ist. Ähnliches können Sie beim Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft feststellen. Dort sind die Abteilungen für berufliche Bildung aus dem Arbeitsministerium und aus dem Wirtschaftsministerium eingegliedert worden. In das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist der ganze Apparat für die Kapitalhilfe aus dem Bundeswirtschaftsministerium übernommen worden. Wenn Sie da Prozentzahlen ausrechnen, sind sie natürlich völlig irreführend.
({11})
Nun möchte ich gerne auf eine der vielen falschen Zahlen eingehen, die der Oppositionsführer Professor Carstens im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich seiner Rede gebracht hat. Er hat behauptet, die Steigerung der Personalstellen habe von 1969 bis 1974 12 % ausgemacht. Die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Die Wirklichkeit verzeichnet einen Personalstellenzuwachs von 2 %. Das ist eine Fehlerquote in Ihrer Annahme, Herr Professor Carstens, von 600 %.
({12})
Die Opposition stiehlt sich auch etwas aus der Verantwortung, wenn sie die hohen Personalkosten, die hohen Stellensteigerungen anklagt. Es ist nämlich festzustellen - wir haben das nachgerechnet -, daß etwa 90 % aller Stellen einvernehmlich zwischen allen Fraktionen beschlossen werden.
({13})
Wenn Sie die Prozentzahlen haben wollen - ich nannte sie schon -: Steigerung der Personalstellen seit 1967 etwa 2 %. Die Zahlen früherer Jahre lauten folgendermaßen: 1952 bis 1957 114 % Steigerung der Personalstellen. Natürlich war das die Zeit des Aufbaus der Bundeswehr. 1957 bis 1962 hatten wir eine Personalstellenvermehrung von rund 60 %, 1962 bis 1967 eine Steigerung von 12 %; da hat wahrscheinlich der Oppositionsführer zu-und danebengegriffen. Für uns interessant ist natürlich die Steigerung von 1969 bis 1974, und da haben wir eine Steigerungsrate von 2% zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, jetzt gehe ich auf die letzten beiden Jahre ein. 1973 und im laufenden Jahr werden wir praktisch keine Personalstellenausweitungen mehr haben. 1973 wurden im Haushalt etwas über 2 000 Stellen bewilligt. Gleichzeitig wurden im Verlauf des Haushaltsjahres 2 000 Stellen eingespart. Es bleibt ein Zuwachs von rund 50 Stellen bei einer doch riesigen Bundesverwaltung. 1974 hat der Haushaltsausschuß 1 490 Stellen bewilligt. 1 400 Stellen werden im Laufe des Haushaltsjahres eingespart, so daß es auch da wiederum zu keiner wesentlichen Vermehrung der Stellen kommen wird.
Nun muß man auch ein wenig auf das eingehen, was mit diesen Stellen gemacht worden ist. Ein wesentlicher Schwerpunkt in den letzten Jahren lag beim Ministerium des Innern. Völlig einvernehmlich mit der Opposition haben wir die Ausgaben und die Stellen für die innere Sicherheit ausgebaut. Das Bundeskriminalamt ist wesentlich mit Personal versehen worden; das gleiche gilt für den Bundesgrenzschutz. Ich nenne das Umweltbundesamt, das mit Stellen versehen worden ist, das Bundesgesundheitsamt. Ich nenne das Bundeskartellamt. Wenn wir heute eine sehr viel aggressivere Haltung des Bundeskartellamts zu verzeichnen haben, einen Trend zur Sicherstellung des Wettbewerbs in dieser von unendlich vielen Absprachen gezeichneten Wirtschaft, dann ist das nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Haushaltsausschuß einvernehmlich zwischen allen Fraktionen die entsprechenden Stellen genehmigt hat.
({14})
Man kann eben in vielen Bereichen nicht die Qualität der Staatsleistungen wesentlich anheben und gleichzeitig die Stellen verweigern wollen;
({15})
das geht Hand in Hand. Das gilt genauso für die Länder. Es ist gar kein Zweifel: wer eine bessere Versorgung unserer Kinder mit Lehrern haben will, muß die entsprechenden Lehrerstellen schaffen. Wer 70 % eines Jahrgangs in die Kindergärten lassen will, muß die entsprechenden Kindergärtnerinnenstellen bewilligen.
Das heißt also, daß wir natürlich auf die Dauer um eine gewisse Erweiterung des Staatsapparats nicht herum kommen. Gleichwohl ist der Haushaltsausschuß einvernehmlich zwischen allen Fraktionen dafür, eine sehr harte Politik zu treiben. Wir sind dafür, weiterhin dafür zu sorgen, daß netto nach Möglichkeit in den nächsten Jahren keine Ausweitung des Personalkörpers des Bundes mehr eintritt.
({16})
Lassen Sie mich zum Schluß noch etwas über die Öffentlichkeitsarbeit sagen, die im Laufe der Debatte wahrscheinlich noch von den Rednern der Opposition aufgegriffen werden wird; ich will dazu von vornherein Stellung nehmen.
Die Opposition tut so, als würden die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit ausschließlich für Schriften verwandt, die zum höheren Ruhme dieser Regierung erstellt oder verteilt werden. In Wirklichkeit muß in unser aller Interesse in vielen Bereichen eine sehr starke aktive Aufklärungsarbeit durchgeführt werden. Wenn wir z. B. aus dem Einzelplan 10 Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - in bestimmten Regionen den Ausbau von Ferienwohnungen auf Bauernhöfen fördern, dann muß sich natürlich eine konzentrierte Aufklärung der Öffentlichkeit anschließen, um auf dieses neuartige und sehr interessante Angebot in der Öffentlichkeit hinzuweisen.
Oder nehmen Sie die Anleitung für die älteren Menschen, den sogenannten „Roten Faden". Hier wird eine Fülle von sehr wertvollen Hinweisen für ältere Bürgerinnen und Bürger gegeben, wie sie ihren Lebensabend einrichten, auf was sie gesundheitlich zu achten haben, wer ihnen Hilfe in der Not bringen könnte.
Es gibt eine ganze Fülle von neuen Gesetzen, die den unmittelbar Berechtigten noch völlig unbekannt sind; das neue Mietrecht z. B., das schon in den wenigen Monaten, seit es in Kraft getreten ist, dazu geführt hat, daß die Mietpreissteigerungen wesentlich unter denen der Vergangenheit liegen, ja sogar niedriger sind als der Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Das ist auf das neue Mietrecht zurückzuführen, das diese sozialliberale Koalition beschlossen hat. Um die Mieter über ihre Rechte aufzuklären, mußten natürlich Hunderttausende von Schriften in die entsprechenden Haushaltungen gebracht werden. Denn sonst kann kein Mensch wissen, welche Rechte er nach diesem neuen Recht hat.
Ein anderes Beispiel wird das neue Abzahlungsgesetz sein. Ich habe noch und noch Eingaben von Amtsgerichten aus meinem Wahlkreis, doch endlich in der Frage des Abzahlungskaufs etwas zu unternehmen. Diese Koalition hat das getan. Jeder Amtsrichter weiß ein Lied davon zu singen, wie es einigen redegewandten Verkaufskünstlern in der Vergangenheit gelungen ist, Fernlehrkurse auf Raten, Wunderwaschmaschinen auf Raten, enzyklopädische Lexika auf Raten und dergleichen mehr zu verkaufen. Was auch immer man in den Haushalten teilweise nicht gebrauchen kann, wurde aufgeschwätzt, zum Teil an der Haustür oder auf der Straße. Jeder unter uns kennt aus seiner Familie einen ähnlichen Fall. Wir haben Schluß damit gemacht. Ab Sommer dieses Jahres wird es ein Rücktrittsrecht für derartige Ratenzahlungskäufe geben. Und das muß natürlich in einer breit angelegten Kampagne unter die Bevölkerung gebracht werden.
({17})
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zwingen uns ja gerade dazu, mehr für Öffentlichkeitsarbeit zu sorgen, durch die Angstkampagnen, die Sie in allen Bevölkerungskreisen ständig aufs neue entfachen, ob es sich nun um die Reform der beruflichen Bildung handelt oder um das einzelbetriebliche Förderungsprogramm des Landwirtschaftsministeriums. Was haben wir da alles gehört: „Programm zum Untergang der deutschen Landwirtschaft". Das war doch das Gerede in sämtlichen Landwirtschaftsversammlungen, und wir
haben uns zwei, drei Jahre damit herumzuschlagen gehabt. Inzwischen ist das völlig verstummt.
({18})
Überall muß Aufklärungsarbeiet geleistet werden. Sie malen allen wirtschaftlichen und sonstigen Gruppen den Ruin an die Wand. Wenn dann die Reformvorhaben durchgesetzt worden sind und sich die Beteiligten an die jeweiligen Bedingungen gewöhnt haben, bricht diese Angstkampagne in sich zusammen, und Sie wenden sich einem neuen Thema zu, um dort eine neue Angstkampagne hochzuziehen. Um Ihnen das Hochputschen von Gefühlen in diesem Umfang nicht möglich zu machen, muß Aufklärungsarbeit geleistet werden. Es ist hervorragend angelegtes Geld, wenn man der Bevölkerung, den Menschen im Betrieb, mehr Rechte einräumt oder dem Verbraucher mehr Schutz zuwendet und ihn gleichzeitig über die Veränderung seiner Rechtslage aufklärt.
({19})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Althammer, sofort. - Daß dabei dann natürlich auch klar wird, was diese sozialliberale Koalition im einzelnen für den Bürger geleistet hat, ist ein Nebenprodukt, das wir sehr gerne in Kauf nehmen.
({0}) - Herr Althammer, bitte schön!
Herr Kollege von Bülow, ist Ihnen bekannt, wie negativ die Fachleute der eiznelnen Ministerien und das Bundespresseamt ihre gegenseitige Arbeit auf diesem Gebiet beurteilt haben?
({0})
Herr Kollege Althammer, es gibt sehr geglückte Aufklärungsschriften. Ich halte z. B. den „Roten Faden" für eine ganz hervorragende und wichtige Schrift, die in die Hand eines jeden älteren Menschen gehört. Es gibt noch andere. Es gibt auch Dinge, die nicht so ganz geglückt sind. Da ist gar kein Zweifel.
({0})
Das muß dann auch verbessert werden. Sie können sicher sein, daß wir uns darum bemühen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Opposition befindet sich, was den Haushalt 1974 und die zukünftige Entwicklung anbelangt, in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite halben wir einen Katalog von Anträgen auf Steuermindereinnahmen, um bestimmten Gruppen unserer Bevölkerung den Hof zu machen, auf der anderen
Seite Anträge auf Mehrausgaben. Wenn man das alles addiert, was von Stoltenberg bis Goppel, von der Bundestagsfraktion bis zum Präsidium der Bundes-CDU so alles gefordert, in die Öffentlichkeit gebracht und natürlich nach draußen verkauft wird, dann macht das einen Gesamtwert von 40 Milliarden DM aus, der natürlich in keiner Weise mit einer realistischen Finanzpolitik in Einklang gebracht werden kann.
({1})
Um diese ganze Schizophrenie zu erkennen, muß man weiterhin sehen, daß im Haushaltsausschuß die Sachverständigen der CDU/CSU - da sitzen ja die sachverständigen Haushaltsleute der CDU - Streichungsanträge in Höhe von 20 bis 30 Millionen DM und gleichzeitig Erhöhungsanträge mit einem Volumen von etwa 50 Millionen DM gebracht haben. Das war der Beitrag der Opposition zum Bundeshaushalt 1974, wie er von den Experten geleistet worden ist. Das, was jetzt hier in der Öffentlichkeit geschieht, ist ein Schattenboxen.
Wie gesagt: Diese Mehrausgaben auf der einen Seite, dieses Angebot der globalen Minderausgabe in Höhe von 2 Milliarden DM auf der anderen Seite, während es gleichzeitig der Finanzplanungsrat für richtig hält, daß die Steigerungsrate verwirklicht wird - all das läßt sich nicht miteinander in Einklang bringen.
Das erinnert mich an eine Passage der Regierungserklärung von Bundeskanzler Kiesinger aus dem Jahre 1966, wo es heißt:
Zu große Nachgiebigkeit gegenüber Interessengrupepn und Überschätzung unserer Möglichkeiten haben dazu verführt, Jahr für Jahr neue, fortlaufende Ausgaben und fortwirkende Einnahmeverminderungen zu beschließen, ohne ihre Folgen für die Zukunft genügend zu bedenken.
Bei dieser Politik, die Bundeskanzler Kiesinger in seiner Eröffnungserklärung gegeißelt hat, ist die Oppostion bis heute geblieben: allen möglichen Gruppierungen unseres Volkes alles mögliche zu versprechen, ohne Bezug zu nehmen auf das, was machbar und möglich ist.
({2})
Wir konzentrieren uns auf die Aufgaben, die wir uns für die nächsten zwei Jahre vorgenommen haben. Das ist ein nicht überzogener Rahmen, der sich wird durchhalten lassen. Die Opposition bietet keine Alternative für die Finanzpolitik dieser Regierung.
Ich bitte Sie, dem Einzelplan 08 zuzustimmen. ({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Etatberatung ist in den Sog der Aussprache über die Regierungserklärung geraten. Das muß nicht notwendigerweise nachteilig sein. Im Gegenteil: die Atkualisierung hätte die Debatte
beleben können. Das hätte andererseits allerdings verlangt, alle Reden den veränderten Verhältnissen anzupassen. Alte Reden zu neuen Tatbeständen wirken nun einmal fad. Aber das kann man nicht der neuen Regierung zum Vorwurf machen.
Der Dialog über eine mögliche Kooperation in Sachen Stabilitätspolitik ist leider im Ansatz stekkengeblieben. Die Opposition wird aber sehr bald Gelegenheit haben, konstruktives Verhalten unter Beweis zu stellen. Die Steuerreform und der Haushalt 1975 werden schnell zu Stunden der Wahrheit.
Meine Damen und Herren, Haushaltsdebatten in diesem Zeitraffertempo sollten allerdings nicht zur Regel werden.
({0})
Andernfalls wird die Ausübung des Budgetrechts durch dieses Parlament zur reinen Farce.
({1})
Darüber, so meine ich, besteht in diesem Hause Einvernehmen.
So sehr wir der Opposition dafür zu danken haben, daß sie diesmal mit diesem Verfahren einverstanden war, so sollte sie andererseits anerkennen, daß die Koalitionsfraktionen zu umfassender Etatberatung auch schon diesmal bereit gewesen sind. Wiederholen, so meine ich, sollte sich dieser Vorgang allerdings wirklich nicht.
Solange hier nicht eine grundlegende Änderung eingetreten ist, können alle Forderungen nach der Vorlage von Nachtragsetats - man stelle sich das einmal plastisch vor! - doch wirklich nur als schwarzer Humor betrachtet werden;
({2})
denn noch weitere Etatberatungen bei diesem Arbeitsrhythmus unterzubringen, ist ja wohl einfach undenkbar.
Hier müssen wir miteinander zu einem anderen System kommen. Dazu gehört dann allerdings auch eine rechtzeitige Verabschiedung, damit die Synchronisation zwischen Haushalt und Wirtschaftsjahr wenigstens annähernd gewahrt ist.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie, daß ich noch einemal mit einigen Strichen die bisherige Debatte über die Regierungserklärung und den Etat nachzeichne, die wir bisher durchstehen mußten. Gestern vormittag hat der finanzpolitische Sprecher der Opposition, Herr Kollege Strauß, unerbittlich zugeschlagen. Dabei traf er allerdings den Führer der Opposition, mindestens mit erheblicher Splitterwirkung. Denn wenn Herr Strauß meinte, die Redner der Koalitionsfraktionen sollten sich nicht, wie es geschehen ist, mit den Ausführungen des Oppositionsführers beschäftigen, sondern sich mehr an die Regierung halten, dann kann ich das nur so verstehen, daß er die Aussagekraft der Rede des Kollegen Carstens
({3})
für so unbedeutend hält, daß es nicht lohnenswert sei, sich damit auseinanderzusetzen. Für mich
war es dann einfach entwaffnend, Herr Carstens, daß auch Sie sich dann selbstkritisch stark „reduziert" haben. So bescheiden sollten Sie nun doch nicht sein. Suchen wir stärker als bisher die Aussprache miteinander! Deshalb können Sie eigentlich erwarten, daß wir Ihre Argumente ernst nehmen und darauf eingehen.
({4})
Herr Carstens, in Ihrem gestern mit dem Bundeskanzler geführten Dialog haben Sie dann Maß genommen und geprüft, ob der Bundeskanzler in den Anzug des Regierungschefs paßt. Nun, diese Sorge brauchen Sie, meine ich, nicht zu haben. Sie werden noch spüren, wie gut er diesen Anzug ausfüllt, und der Opposition wird das schon sehr bald unangenehm werden.
({5})
Ich will jetzt nicht sagen, daß die Form der Auseinandersetzung, Herr Kollege Carstens, die Sie dabei gewählt haben, wie Sie es formuliert haben, „mies" war. Aber, ich meine, es war mindestens eine mißratene Attacke, die Sie in diesem Zusammenhang gegen den Bundeskanzler und die Minister Eppler und Apel zu reiten versucht haben. Ich weiß nicht, wen Sie sich für diese Form der Auseinandersetzung zum Vorbild genommen haben. Ich darf Ihnen in aller Zurückhaltung vielleicht mit Schopenhauer raten: Für sein Tun und Lassen soll man keinen anderen zum Muster nehmen; sonst paßt das, was man tut, nicht zu dem, was man ist. Wenn Sie so weitermachen, könnte es passieren, daß Sie bald Ihren Anzug wechseln müssen.
({6})
Meine Damen und Herren, die Stoßrichtung der Kritik ist nur zu deutlich. Wenn Sie den neuen Finanzminister zum Propagandisten einer Volksfront machen wollen, dann ist nicht zu erkennen, welche Landschaft Sie dem Wahlvolk vorzaubern wollen: Volkfrontfreunde dort, Schwächlinge in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus hier; was Wunder, daß wir dem Untergang entgegen-taumeln! So haben wir dann auch erwartungsgemäß gehört, daß eine direkte Linie von der inflatorischen Haushaltspolitik über die verfehlte Wirtschafts-, Steuer- und Konjunkturpolitik zu systemverändernden Entscheidungen führt, die dann solche staatsgefährdenden Vorgänge wie den Spionagefall Guillaume produzieren.
Mit einer solchen Strategie - und ich bedaure das sagen zu müssen - überschreitet die Opposition die Grenzen der Seriosität. Meine Damen und Herren, Sie verlassen damit zugleich den Boden jeder Gemeinsamkeit unserer demokratischen Abwehrfront, die wir bei der Verfassungsdebatte noch als übereinstimmenden Konsens der politischen Kräfte in diesem Staat glaubten feststellen zu können. Aber Sie wollen jetzt offensichtlich im Trüben fischen. Das mag aus parteiegoistischen und wahltaktischen Gründen noch verständlich sein, es schwächt aber die Position der Bundesrepublik in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt, und damit
wird letztlich den Gegnern dieses Staates in die Hände gespielt.
Meine Damen und Herren, niemand bestreitet der Opposition das Recht, mit aller Konsequenz und unnachsichtiger Härte auf eine Klärung des Spionagefalls zu drängen. Mit dem, was sich hier in den letzten Tagen abgespielt hat - ich nenne da nur den Kollegen Reddemann; er steht für eine Methode, die so eine Mischung aus Karl May und Ian Fleming bringt -,
({7})
nährt die Opposition selbst ständig Zweifel an unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Mit dem Rösselsprung von einer Verdächtigung zur anderen und der Ankündigung sensationeller Tatbestände als Beweismittel gegen die alles vertuschende Regierung wird der sonst so gepriesene Kontrollapparat einer unabhängigen Justiz - gewollt oder ungewollt - in Zweifel gezogen. Wer soll in diesem Staat eigentlich noch an die Wirksamkeit der Rechtspflege glauben, wenn die Opposition dieses Hauses nicht mehr bereit ist, die Ermittlungsergebnisse abzuwarten und sich bis dahin mit Wertungen und Würdigungen zurückzuhalten. Es ist fatal, wenn Sie den Eindruck vermitteln, als könne nur noch eine parteipolitische Selbstjustiz Ordnung in diesen Staat bringen. Es klage niemand über den Verfall der Staatsautorität, der selbst mit derart vordergründigen Methoden das Vertrauen des Bürgers in seine rechtsstaatlichen Organe untergräbt!
({8})
Meine Damen und Herren, wer schon nicht ausreichende intellektuelle Hemmungen gegenüber solchen Methoden mobilisieren kann, sollte wenigstens einen Hauch von jener Fairneß verspüren, die die Solidarität der Angegriffenen verlangt. Angriffsobjekt war hier zwar der Bundeskanzler, gemeint war aber letztlich unser Staat und unsere freiheitlichdemokratische Ordnung.
({9})
Nutzen wir deshalb die Aussprache zur Selbstbesinnung, setzen wir die Selbstzerfleischung nicht länger fort
({10})
Es gibt für die parlamentarische Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung genug Gegenstände, die einen sachlichen Meinungsstreit verdienen.
({11})
Hüten wir uns aber davor, in einem uns hier anempfohlenen bayerischen Kurzschluß zu politischen Fehlschlüssen über die Inhalte der Verträge von Moskau, Warschau und des Viermächteabkommens zu gelangen. Meine Damen und Herren, die Vertragswerke wegen des Spionagefalls jetzt nachträglich zu verdammen, hieße, die zutreffende Wertung und eingehende Würdigung in der Parlamentsberatung zu leugnen und sich von ihr zu distanzieren. Nein, auf diesen Leim werden wir der Opposition nicht gehen. Über die Methoden dieser Politik können Sie mit uns reden, über ihren Inhalt nicht.
({12})
Eine seltsame Wiederbelebung jener Argumente wird hier erkennbar, die Sie an anderer Stelle als längst überwunden bezeichnen oder zumindest von dem einen und anderen Sprecher so darstellen lassen.
In dieser Aussprache haben Sie eigentlich nur noch einmal Ihre sterile Position in der Deutschlandpolitik aus der Zeit vor dem Moskauer Vertragswerk klinisch blankgeputzt.
Meine Damen und Herren, in der Aussprache haben die Kollegen Carstens, Katzer und zuvor auch Herr Barzel beklagt, daß der Regierungspolitik die geistigen Grundlagen fehlten. Nun, Herr Kollege Barzel, Sie selbst haben offenbar nicht nur Sorgen geäußert, sondern, wenn ich es recht verstanden haben, eigene leidvolle Erfahrungen mitgeteilt. Wenn ich mich aber richtig erinnere, standen Sie selbst nicht gerade im geistigen Zentrum der CDU/CSU früherer Jahre. Es ist deshalb - lassen Sie mich das sagen - etwas komisch, wenn der eine Macher den anderen Macher einen Macher schilt.
Aber, meine Damen und Herren, wenden wir uns tatsächlich dem zu, was notwendig und machbar ist! Dazu muß ich allerdings eingangs feststellen, daß sich die von Herrn Althammer angebotene und angepriesene Alternative als ein bunt aufgeblasener Luftballon entpuppt, der dann mit einem Knall zerplatzt, wenn man kritisch draufpickt.
Gerade weil wir uns mit der Situation des Jahres 1973 und dem Haushaltsvollzug so eingehend auseinandergesetzt haben, wissen die Kollegen der Opposition genau, daß sich die Landschaft von 1973 nicht einfach auf den Etat 1974 fortschreiben läßt. Wenn Sie es dennoch tun wollten, würden Sie eine nach Ihrer Meinung fehlerhafte Entwicklung von 1973 kurzerhand auch auf 1974 projizieren. Genau das geht nicht! Die notwendigen Konsequenzen sind nämlich schon gezogen.
Meine Damen und Herren, Ihr Antrag entspricht nicht den Realitäten. Der Haushaltsausschuß hat den Entwurf 1974 in monatelangen Beratungen in allen 'Positionen eingehend geprüft. Dabei sind auch eine Reihe zwangsläufiger Mehrausgaben in den Haushaltsentwurf eingestellt worden, die sich seit dem Herbst des vergangenen Jahres ergeben haben. So mußten die erforderlichen Mittel für das einmalige Sonderprogramm für strukturschwache Gebiete, für das Energieforschungsprogramm, für die Wohngeldnovelle sowie für höhere Besoldungsaufwendungen der Tarifrunde 1974 eingestellt werden.
Bei den Sparprämien hat der Haushaltsausschuß eine Kürzung um 1 Milliarde DM beschlossen, und dies hat eine Verminderung der im Regierungsentwurf vorgesehenen globalen Minderausgabe um 1 Milliarde auf 500 Millionen DM ermöglicht.
Der Haushaltsentwurf 1974 entspricht nach Abschluß der gründlichen Beratungen des Haushaltsausschusses damit der derzeitigen Lage. Es kann nicht erwartet werden, daß im Rahmen der Haushaltsführung über die notwendigen 500 Millionen DM hinaus weitere Einsparungen erzielt werden können.
({13})
1m übrigen waren wir uns im Haushaltsausschuß doch weitgehend darüber einig, daß wir uns in unserer Haushaltspolitik endlich zur Bildung klarer Ansätze bekennen. Dies ist von allen gewollt. Wir sollten deshalb das Spiel mit großen Unbekannten aufgeben und gemeinsam darauf hinwirken, von %der Veranschlagung von Minderausgaben wegzukommen.
Meine Damen und Herren, der Hinweis auf das Haushaltsjahr 1973 ist - darauf habe ich bereits aufmerksam gemacht - doch sehr vordergründig. Aus der Ausgabenentwicklung 1973 kann nicht auf das Jahr 1974 geschlossen werden. 1973 war die Ausgabenentwicklung bestimmt durch die Stabilitätsbeschlüsse der Bundesregierung vom Februar und vom Mai, aus denen sich Minderausgaben von über 1 Milliarde DM ergeben haben. Durch die vom Haushaltsausschuß jetzt beschlossene Herabsetzung des Ansatzes bei den Sparprämien um 1 Milliarde DM werden sich die dort 1973 entstandenen Minderausgaben nicht wiederholen. Die Ansätze bei den Personalausgaben im Haushaltsentwurf 1974 entsprechen dem sich aus der Tarifrunde 1974, aus der Wehrsolderhöhung und aus einigen strukturellen Verbesserungen ergebenden Bedarf.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns darüber im klaren sein, daß das Thema Personalkosten große Anstrengungen und gemeinsame Entscheidungen verlangt, und auch die Opposition wird hier Farbe bekennen müssen. Seit Jahren reden wir in allen Parlamenten der Länder und hier des Bundes darüber, daß die Personalkosteninflation unsere Bewegungsfreiheit langsam so einengt, daß Haushaltsund Finanzpolitik, daß Investitionspolitik nicht mehr getrieben werden kann. Wenn das so ist, wird das Parlament endlich die Verantwortung für diesen Bereich, auch für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst, erkennen müssen. Dann müssen wir bereit sein, auch diese Entscheidungen in das Parlament 2u ziehen. Wir dürfen uns nicht länger zum schlichten Buchhalter dessen machen lassen, was die Regierungen in seltsam geübter Tarifhoheit an fixen Daten setzen und den Parlamenten zum Vollzug geben.
Meine Damen und Herren, etwaige Minderausgaben beim Kindergeld müssen in vollem Umfang für die schon 1974 anfallenden Anlaufkosten der Bundesanstalt für Arbeit und für die Neuregelung des Familienlastenausgleichs in Anspruch genommen werden.
Die Ausgaben beim Hochschulbau sind eher knapp veranschlagt, wenn man berücksichtigt, daß daraus überwiegend die im Einzelplan 31 veranschlagte globale Minderausgabe von 315 Millionen DM erwirtschaftet werden muß. Die Ansätze für die Heizölkostenzuschüsse sind im Einvernehmen mit den Ländern gebildet. Es liegt keine zuverlässig begründete Annahme dafür vor, daß sich bei diesen Mitteln Minderausgaben ergeben.
({14})
Meine Damen und Herren, bei dem Thema Hochschulbau sollte die Opposition mit der Doppelstrategie etwas zurückhaltender sein. Hier schlagen Sie uns eine Minderung des Ansatzes vor, um uns dann morgen aus den Ländern den Vorwurf zu machen,
({15})
wir behinderten die Investitionstätigkeit der Länder, weil wir ihnen hier im Bund die notwendigen Mittel streichen würden.
({16})
Meine Damen und Herren, die Einsparung von 1400 Stellen im Haushaltsjahr 1974 bedeutet die Fortsetzung der Bemühungen der Bundesregierung, den Zuwachs des Personals zu begrenzen. Eine Erhöhung dieser Zahl würde die Erfüllung der Aufgaben der Ressorts beeinträchtigen und wäre deshalb nicht vertretbar. Ich glaube, es ist gut, auch hier reale Politik zu treiben und auf dem Teppich zu bleiben.
Auch bei den anderen Ansätzen sind Kürzungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Vertreter der Opposition im Haushaltsausschuß Kürzungsanträge gestellt haben, die weit unter der Grenze von 40 Millionen DM gelegen haben.
Meine Damen und Herren, im übrigen muß in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Opposition zurückgewiesen werden, daß die 1973 bewilligten überplanmäßigen Ausgaben von 4,5 Milliarden DM in verfassungsrechtlich bedenklicher Form oder, wie Herr Althammer heute gesagt hat, in Form eines Verfassungsrechtsbruchs verwendet worden seien und daß die für die Haushaltsüberschreitung notwendige Genehmigung des Parlaments in einem Nachtragshaushalt eingeholt worden sei. Der Bundesfinanzminister, so meine ich, hat ohne Ausnahme die Voraussetzung des verfassungsrechtlich verankerten Notermächtigungsrechts eingehalten. Im übrigen sind dem Haushaltsausschuß des Parlaments, wie es das Gesetz fordert, alle wichtigen Fälle zur Zustimmung vorgelegt worden. Ich leugne keineswegs, daß wir hier unter dem Gesichtspunkt verfassungspolitischer und haushaltspolitischer Erwägungen an einem kritischen Bereich sind. Wir sollten durchaus prüfen, ob wir nicht zu einer anderen Praxis, zu einer stärkeren Kontrolle und zu einem stärkeren Zugriff des Parlaments gelangen können, damit nicht in diesem erheblichen Umfang Haushalts- und Finanzmassen im Wege des Haushaltsvollzugs bewegt werden können, ohne der parlamentarischen Beschlußfassung zu unterliegen.
Den Vorwurf, daß 1973 mit der vorhandenen Finanzmasse leichtfertig und stabilitätswidrig verfahren worden sei, muß ich allerdings zurückweisen.
({17})
Hier ist etwas geschehen, was ständiger Haushaltspraxis in deutschen Landen entspricht und was jeder Finanzminister in Übereinstimmung mit seinem Parlament so handhabt: wenn er nämlich in einer finanz- und stabilitätspolitisch ausbalancierten Haushaltslage zur Entlastung des nächsten angespannten Haushaltsjahres noch jene Etatansätze bedient, die zwingend bedient werden müssen. Daß das bei den hier in Rede stehenden Positionen tatsächlich der Fall war, daß weitgehend auch nach den Gesichtspunkten, die die Opposition in ihrer Kritik in den Vordergrund gerückt hat - nämlich der Arbeitsplatzsicherung - gehandelt wurde, das steht, glaube ich, außer Zweifel.
Zusammenfassend ist also festzustellen, daß die Ansätze im Haushaltsentwurf 1974 nach dem zu erwartenden Bedarf veranschlagt sind. Sie tragen dem Gedanken einer sparsamen und stabilitätsgerechten Haushaltsführung damit in vollem Umfange Rechnung.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sprung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 1974 erfordert zum Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben eine Kreditaufnahme von 13 Milliarden DM. 1973 waren es nur 4,9 Milliarden DM. Die Nettokreditaufnahme beläuft sich auf rund 7,6 Milliarden DM. Das ist gegenüber dem Vorjahr 1973 mit einer Nettokreditaufnahme von 1,9 Milliarden DM eine Vervierfachung und zugleich die höchste Kreditaufnahme, die je für einen Bundeshaushalt erforderlich geworden ist.
Nun kann man sich Situationen vorstellen, in denen es durchaus in die konjunkturelle Landschaft paßt, wenn der Bund in einem solchen Ausmaß zur Finanzierung seiner Ausgaben auf den Kapitalmarkt zurückgreifen muß. Aber in diesem Jahr haben wir eine solche Situation ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, man kann sich keine ungünstigere Lage für eine solch starke Inanspruchnahme des Kapitalmarktes vorstellen als die gegenwärtige. Auf diesem Markt will der Bund - allein der Bund; von den anderen öffentlichen Haushalten, von Bahn und Post ganz zu schweigen - einen Kreditbedarf von 13 Milliarden DM decken. Glaubt die Bundesregierung wirklich, daß das Stabilitätspolitik ist?
Natürlich kann die Bundesregierung einwenden, daß man bisher noch nicht an den Kapitalmarkt herangetreten sei, daß man auf eine Entspannung warte. Aber das geht ja bei einem effektiven Zinssatz von 11 % im Augenblick wohl auch kaum. Denn der Bundesfinanzminister, d. h. nicht der derzeitige, sondern sein Vorgänger, hat öffentlich auf dem Bankentag im März erklärt - ich gehe davon aus, daß auch sein Nachfolger sich dahinterstellt -, er werde keinen Zinssatz von 11 % für Bundesanleihen akzeptieren. Doch wie kann der Bundesfinanzminister glauben, daß sich die Verhältnisse im weiteren Verlauf dieses Jahres verbessern werden, wenn die Bundesbank an ihrer restriktiven Geld- und Kreditpolitik und an einem hohen Zinsniveau festhält bzw. festhalten muß, wenn die Lohnerhöhungen weiterhin zweistellig sind, wenn schließlich der wichtigste aller Gründe weiter besteht, die Inflation weiter galoppiert? Wie kann der Finanzminister dies glauben, wenn die volle Wucht der Nachfrage der öffentlichen Hände auf den Kapitalmarkt erst noch zukommt?
Die Aussichten für den Kapitalmarkt sind alles andere als rosig. Bei Zinssätzen von nahezu 11 % für festverzinsliche Wertpapiere befindet sich der Kapitalmarkt in einem desolaten Zustand. Bei Zinssätzen von 11 % fällt der Kapitalmarkt für die Wirtschaft weitgehend aus, von den Wirkungen auf die finanzielle Situation vor allem der mittelständischen Unternehmen einmal ganz abgesehen.
Zu welchem Zinssatz wird der Bundesfinanzminister die nächsten Bundesanleihen auflegen? Denn, meine Damen und Herren, mit Schuldscheindarlehen wird er sich nicht ewig behelfen können. Bleibt er bei seinem Versprechen, daß es eine 11%ige Bundesanleihe nicht geben wird? Und wer soll sich zurückhalten, wenn der Bund gezwungen ist, Anleihen zu begeben? Dabei hat der Bundesfinanzminister darauf Rücksicht zu nehmen, daß neben ihm auch noch andere öffentliche Haushalte an den Kapitalmarkt herantreten werden. Der Nettokreditbedarf aller öffentlichen Haushalte wird sich im Jahre 1974 nach Schätzungen der Bundesbank auf den in keinem früheren Jahr erreichten Betrag von 21 Mililarden DM belaufen.
Was hier zu tun ist, hat der Präsident der Bundesbank ja gestern deutlich zum Ausdruck gebracht. Meine Damen und Herern, so finanzierte Haushalte sind eindeutig expansiv. Sie sind kein Beitrag zur Rückgewinnung der Stabilität, sondern sie heizen die Inflation weiter an.
({0})
Das sagt auch die Bundesbank. Jawohl, Herr Minister, das sagt auch die Bundesbank. Auch wir kennen die Zitate. Ihr Zitat aus dem Bundesbankbericht über die konjunkturellen Wirkungen des Bundeshaushalts betrafen ausschließlich das Jahr 1973. Über das Jahr 1974 sagt die Bundesbank etwas völlig anderes aus. Ich zitiere - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -, was im Monatsbericht April dieses Jahres zu lesen ist. Da heißt es:
Im Jahre 1974 werden von den öffentlichen Haushalten expansive Impulse auf den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf ausgehen, eine Entwicklung, die bereits im Jahre 1973 begonnen hat. Das Defizit in den Haushalten der Gebietskörperschaften wird sich sehr kräftig ausweiten. Insgesamt gesehen ist danach im laufenden Jahr beim Staat mit einem expansiv wirkenden Anstieg des Defizits von etwa 11 Milliarden DM zu rechnen, während sich umgekehrt im Jahre 1973 ein kontraktiven Saldenumschwung von knapp 10 Milliarden DM ergeben hatte.
Und weiter:
Tatsächlich verändern sich die vom Staat ausgehenden konjunkturellen Impulse im laufenDr. Sprung
den Jahr mit Vergleich zu 1973 noch mehr, als dies in der Entwicklung der Kassensalden deutlich wird.
Und schließlich ein letzter Satz:
Der Anstieg der Defizite in den Haushalten der Gebietskörperschaften wird sich voraussichtlich vor allem auf den Bundeshaushalt konzentrieren.
Meine Damen und Herren, das sind klare Ausführungen, das sind klare Worte, und das heißt, Herr Minister, daß Sie nicht recht haben, wenn Sie sagen, dieser Haushalt des Jahres 1974 sei konjunkturpolitisch neutral und stabilitätsgerecht. Er ist es nicht.
({1})
Warum nimmt es im übrigen die Bundesbank ohne Kommentar hin, daß die öffentliche Hand ihre Stabilitätspolitik unterläuft? Warum bringt sie nicht klar zum Ausdruck, daß dies eine unmögliche Politik ist? Wir sind von Sorge erfüllt, daß die mahnende Stimme der Bundesbank immer leiser wird.
Man kann aber schon erkennen, wie sich der Bundesfinanzminister voraussichtlich aus der Schlinge ziehen will. Schon im vergangenen Jahr zeigte sich Ihr Vorgänger, Herr Minister, befriedigt darüber, daß die Kreditaufnahme erheblich unter dem vorgesehenen Betrag gehalten werden konnte. Für das laufende Haushaltsjahr erklärte Herr Staatssekretär Haehser, daß auch in diesem Jahr die Deckung der Finanzierungslücke von 7,6 Milliarden DM im Bundeshaushalt unproblematischer sein werde als bisher angenommen. Er erinnerte an die Erfahrungen der vergangenen Jahre, in denen die Finanzierungslücke am Jahresende jeweils kleiner war als bei der Aufstellung des Haushalts, weil das Steueraufkommen stets zu niedrig eingeschätzt worden war. Auch für das Jahr 1974 sei die jüngste Steuerschätzung vom Februar - so Herr Haehser - möglicherweise zu pessimistisch ausgefallen.
Warum ist das denn so gewesen? Weil wir eine Inflation und wegen dieser erhöhte Steuereinnahmen haben. Die heimlichen Steuererhöhungen sind es, die faule Frucht der Inflation, die dies bewirken.
({2})
Darauf kann man wahrhaftig nicht stolz sein. Das ist doch nicht das Ergebnis einer klugen und sparsamen Haushaltsführung, sondern rührt vom genauen Gegenteil her, von der Unfähigkeit, die Inflation in den Griff zu bekommen. Kann es, meine Damen und Herren, ein trostloseres Ergebnis der massiven Preissteigerungen geben als Steuereinnahmen, die stärker steigen als vorgesehen?
Das ist die eine Seite der Medaille des enorm hohen Kreditbedarfs: die außergewöhnlich hohe Beanspruchung des Kapitalmarkts und die Folgen für die Nachfrage auf diesem Markt. Die andere Seite der Medaille ist noch düsterer. Sie ist ein Trauerspiel, ja, mit Verlaub gesagt, mehr als ein Trauerspiel. Um nicht mißverstanden zu werden: Ich bestreite überhaupt nicht die Notwendigkeit einer straffen Geld- und Kreditpolitik, wie sie die Bundesbank betreibt, wenn man es mit dem Stabilitätsziel ernst meint. Unmöglich aber ist es, meine Damen und Herren, wenn die Bundesbank bremst, während die öffentliche Hand Gas gibt.
({3}) Genau das geschieht in diesem Jahr.
Warum verschweigt eigentlich die Bundesbank diesen Aspekt in ihren Monatsberichten so schamhaft? Warum schreibt sie im Jahresbericht 1973 über 1974 nur - und im Aprilbericht 1974 erneut , daß die öffentlichen Haushalte erheblich expansiv wirken werden? Warum weist sie nicht auf den eindeutigen Widerspruch hin, der sich daraus für ihre eigene Politik ergibt? Warum sagt sie nicht klar und deutlich, daß sich dieser Haushalt in keiner Weise stabilitätspolitisch rechtfertigen läßt? Wo ist der Männerstolz vor Ministerthronen geblieben, der die Bundesbank bisher auszeichnete?
({4})
Das Trauerspiel, von dem ich spreche, ist der enorme, einmalig hohe, durch Inflation und die inflationsbedingte Entwicklung des Kapitalmarkts und der Zinsen entstandene Substanzverlust, den Millionen von Sparern und Wertpapierbesitzern erlitten haben und weiter erleiden. Diese Verluste übersteigen die normale Vorstellungskraft. Dazu nunmehr einige nüchterne Zahlen, Zahlen, die Sie sämtlich dem Bundesbankbericht entnehmen können.
Ende 1973 betrugen die Geldwerte von Privaten und Unternehmern ohne Einzahlung an Bausparkassen und Lebensversicherungen rund 650 Milliarden DM. Davon waren 280 Milliarden DM Spareinlagen. Außerdem befanden sich festverzinsliche Wertpapiere über rund 240 Milliarden DM im Umlauf. Das Aktienvermögen der Gesellschaften, deren Aktien an Börsen notiert werden, belief sich Ende 1973 auf rund 125 Milliarden DM.
Betrachten wir nur die Spareinlagen und die festverzinslichen Wertpapiere, so ergaben sich im Jahre 1973, also in einem einzigen Jahr, meine Damen und Herren, folgende Verluste: Verluste bei den Spareinlagen bei 7 % Preissteigerung 19 Milliarden DM, Verluste bei festverzinslichen Wertpapieren bei 7 % Preissteigerung 15 Milliarden DM. Die Verluste infolge Kursverfalls können nur geschätzt werden. Geht man von einem Anstieg der Rendite im Jahresdurchschnitt 1972 auf 1973 von 8,2 auf 9,5 % aus, so dürfte der Verlust rund 32 Milliarden DM betragen haben.
({5})
Die Verluste nur bei Spareinlagen und festverzinslichen Wertpapieren beliefen sich mithin in einem einzigen Jahr auf 66 Milliarden DM.
({6})
Rechnet man, meine Damen und Herren, außerdem die Verluste beim Aktienvermögen hinzu, nämlich 33 Milliarden DM Kursverluste und 9 Milliarden DM Verluste infolge von Preissteigerungen - vergessen wir doch nicht, daß es in diesem Land
immerhin 4 Millionen Aktionäre gibt, darunter solche mit kleinem und kleinstem Einkommen -,
({7})
so ergibt sich für diese drei Gruppen der phantastische Verlust im Betrage von 108 Milliarden DM.
({8})
Nur für Spareinlagen, festverzinsliche Wertpapiere und Aktien!
({9})
- Das sind Zahlen, die ich dem Bericht der Bundesbank entnommen habe.
({10})
Aber selbst die Nettorechnung ergibt eine Riesensumme. Rechnet man die Zinseinnahmen gegen, so verbleibt bei den Spareinlagen ein Minus von 4 Milliarden DM und bei den festverzinslichen Wertpapieren ein Minus von mindestens 32 Milliarden DM. Das sind zusammen 36 Milliarden DM, wohlgemerkt, in der Nettorechnung. Nimmt man außerdem die Nettoverluste von 37 Milliarden DM beim Aktienvermögen hinzu, ergibt sich ein Nettoverlust von insgesamt 73 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, was sind dagegen 5 Milliarden DM Vermögensbildung, die es - zumindest vorläufig - noch nicht einmal geben wird?
({11})
Was sind dagegen selbst jene 10 bis 12 Milliarden DM nach der sogenannten Steuerreform? In einem einzigen Jahr sind Vermögensverluste in Höhe von 73 Milliarden DM zu verzeichnen!
Meine Damen und Herren, das sind die wahren Größenordnungen der Inflation. Das sind Vermögensverluste, die Millionen von Bürgern in diesem Lande zu tragen hatten und haben. Unter ihnen sind Millionen mit kleinem und kleinstem Einkommen. Diese Verluste sind ein Skandal!
({12})
Sie sind von denen zu verantworten, die die Inflation zugelassen haben und sich zu einer Stabilitätspolitik erst entschlossen, als es zu spät war.
({13})
Meine Damen und Herren, es ist eine unmögliche Situation, wenn der Gesetzgeber für Schutzbedürftige die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren vorschreibt, die Regierung aber nicht in der Lage ist, die Substanz zu erhalten. Es ist eine Groteske, daß die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Stabilitätsanleihe - man beachte den Namen; er klingt wie Hohn - auflegt, die heute nur noch zum Kurs von 86 notiert. Diejenigen, die diese Anleihe gezeichnet haben, durften darauf vertrauen - und sie haben es auch getan -, daß mit der Stabilitätsanleihe das erreicht wird, was ihr Name bezeichnet, nämlich Stabilität. Vielleich haben sie sogar geglaubt, daß der Kurs der Anleihe stabil bliebe. Wenn sie im letzten Jahr 100 DM für diese Anleihe bezahlt haben, müssen sie heute nun erleben, daß sie nur noch 86 DM zurückerhalten, wenn sie die erworbenen Wertpapiere veräußern müssen. Das Geld, das sie zurückerhalten, ist im Wert inzwischen um 7 % gesunken. So ergibt sich ein Verlust von 21 % in einem Jahr.
({14})
Ist es nicht verständlich, wenn dabei das Vertrauen verlorengeht und der private Sparer Staatsanleihen künftig mit äußerster Zurückhaltung begegnet? Hier wird, so meine ich, ein Schaden angerichtet, der nur äußerst schwer wieder zu beheben sein wird: der Verlust des Vertrauens in die Zusagen des Staates.
Besonders schlecht sind alle diejenigen dran, die früher Anleihen und sonstige festverzinsliche Wertpapiere mit einem Zinssatz von 6 % und darunter gekauft haben. Diese Anlagen notieren heute teilweise nur noch zu einem Kurs von 60 DM. Meine Damen und Herren, das bedeutet, wer vor Jahren für seine Alterssicherung Anleihen kaufte und heute dieses Geld benötigt und deshalb die Wertpapiere verkaufen muß, erhält für 100 DM, die er einst bezahlte, nur noch 60 DM zurück, und zwar D-Mark, die heute nur noch etwas mehr als die Hälfte dessen wert ist, was sie einst wert war.
({15})
Ich möchte auf das eingehen, was die Bundesbank in ihrem Jahresbericht 1973 hierzu unter der Überschrift „Soziale Härten durch hohe Kursverluste am Rentenmarkt" sagt. Das Thema „Kaufkraft" und „Vermögens- und Kursverluste" ziehen sich im übrigen wie ein roter Faden durch alle Bundesbankberichte der letzten Zeit. Es gebührt der Bundesbank im Namen der Millionen von Betroffenen Dank dafür, daß sie sich dieses Themas so nachdrücklich annimmt.
({16})
Was die Bundesbank dazu sagt, sollte sich die Regierung ins Stammbuch schreiben. Ich zitiere die Bundesbank mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Andererseits brachte der starke Zinsanstieg am Rentenmarkt für die Besitzer umlaufender Wertpapiere - darunter viele Privatpersonen -empfindliche Kapitalverluste. Diese Sparer werden von der inflatorischen Entwicklung doppelt benachteiligt. Zum einen ist der Realwert ihres Kapitalertrages bei den relativ hohen sehr gering und unter Umständen sogar negativ. Zum anderen mindert sich durch die Kurseinbußen auch der bei einer Veräußerung erzielbare Wert ihres Vermögens. Besonders für die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen älteren Personen kann hierin eine ernste soziale Härte liegen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der umlaufenden Rentenwerte mit einem nominalen Zinssatz von 6 % -({17})
- Ich zitiere die Bundesbank, Herr Ehrenberg. Lesen Sie den Jahresbericht 1973 der Bundesbank nach!
({18})
... und weniger dürfte sich in solchen Händen befinden.
Ich bin gleich beim Schluß. Sie werden dann dazu etwas sagen können.
({19})
Die Bundesbank fährt dann fort, meine Damen und Herren - ich bin gerade beim Zitieren -:
({20})
- nun lassen Sie mich doch den Gedankengang mal zu Ende führen; das ist wichtig jetzt; Sie werden gleich die Schlußapotheose hören, meine Damen und Herren; Sie werden sie hören, sie wird Ihnen nicht angenehm in den Ohren klingen; da bin ich sicher Was bei der Erörterung dieses Komplexes in der Öffentlichkeit oft übersehen wird, ist, daß die Gewinner, die den Rentenbesitzern als den Verlierenden gegenüberstehen, letztlich jene Schuldner sind,
({21})
die früher die vergleichsweise billigen Darlehen der Emissions-Institute aufgenommen haben, für die sie nun Zinsen zahlen, die erheblich unter der Rate der Geldentwertung liegen. Unter diesen Schuldnern
- d. h. unter den Gewinnern spielen der Wohnungsbau und der öffentliche Kreditnehmer eine besondere Rolle.
So weit die Bundesbank, meine Damen und Herren.
Dies ist ein vernichtendes Urteil: Der Staat, ein Inflationsgewinnler auf Kosten der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen älteren Personen.
({22})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling?
Bitte schön, Herr Sperling.
Herr Kollege, würden Sie uns bitte jetzt angesichts Ihrer großartigen Vorbereitungen - was die Zahlen angeht - die Seite vortragen, auf der die Vergleichsziffern für England, Frankreich und die USA stehen, und das, was die dortigen Banken dazu gesagt haben?
({0})
Herr Sperling, wir sprechen hier über den Bundeshaushalt, über die Verhältnisse in der Bundesrepublik, und dazu habe ich das Nötige gesagt.
({0})
Meine Damen und Herren, hier muß Abhilfe geschaffen werden, und zwar sofort. Diese Abhilfe kann aber nur derjenige schaffen, der davon in erheblichem Umfang profitiert, nämlich der Staat.
({1})
- Der Staat! Ich habe es vorgelesen. Lesen Sie bitte nach! Diese Hilfe ist unter sozialen - und ausschließlich unter sozialen - Gesichtspunkten zu sehen und abzuwickeln und könnte auf Härtefälle beschränkt bleiben. Tun Sie etwas für die wirklichen Härtefälle, Herr Minister! Tun Sie es bald!
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß es dem Staat und den öffentlichen Händen insgesamt so glänzend gehen soll, wenn Preise marschieren, vermag ich eigentlich nicht einzusehen. Ich habe es in meiner früheren Tätigkeit immer stark bedauert, wenn etwa Baupreise in die Höhe gegangen sind und sich dann herausstellte, daß die Einnahmen weniger Leistungen ermöglichten. Also, so ganz ist der Staat sicherlich nicht der Inflationsgewinnler, wie Sie, Herr Sprung, es dargestellt haben.
Und dann noch ein anderes. Sie haben hier ein 1 finsteres Bild gezeichnet, ein finsteres Bild der Unsolidität usw.
({0})
- Ach hören Sie doch mit dem - - Entschuldigung, sonst bekomme ich hier Ärger. Aber es ist trotzdem so gemeint.
Sie haben hier ein Bild gemalt, das jeden Sparer völlig verschrecken müßte. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Diskussion. Wenn Sie sich immer wieder über die Bildung und Anheizung von Inflationsmentalität beschwert haben, Herr Sprung, dann haben Sie es durch diese Rede, wenn sie ernst genommen würde, kräftig getan.
({1})
Nun zurück zu den eigentlichen Problemen, die Sie im Anfang angesprochen haben, nämlich die Ausgabenwirtschaft - oder: die Schuldenwirtschaft des Bundes -, wenn man es einmal so pauschal bezeichnen kann. Sie wissen sicherlich ebenso wie ich, daß ursprünglich nur eine Nettokreditaufnahme von 2 335 Millionen DM vorgesehen war. Demgegenüber sind allerdings 6,8 Milliarden DM ein ganz beachtlicher, stolzer Betrag. Sie haben allerdings übersehen - oder jedenfalls nicht ausgeführt; ich ergänze Sie gerne darin -, daß in diesem ursprünglichen Betrag von 2,3 Milliarden DM bereits 1,6 Mil6868
liarden Umbuchungen stecken, die sogenannten Seitenfinanzierungen oder Schattenhaushalte, wenn man es etwas weniger freundlich bezeichnet. Das heißt, diese Dinge sind dorthin gekommen, wohin sie unter anderem auch Ihre Fraktion immer gefordert hat, und das sollten wir freudig zur Kenntnis nehmen.
Im übrigen war jedem Kenner der Materie und jedenfalls den Haushaltsleuten im Herbst bereits bewußt, daß sich dieser Betrag von 2,3 Milliarden erhöhen würde. Damals standen bereits die Überlegungen und die Wünsche der Bundesländer ins Haus, wonach eine für sie günstigere Aufteilung des Steueraufkommens erfolgen sollte. Gegenüber der früheren Rechtslage sind das 2 v. H. mehr oder in absoluten Zahlen 1,1 Milliarden zugunsten der Länder und nochmals Finanzzuweisungen an die Finanzschwachen in Höhe von 825 Millionen. Diese rund 2 Milliarden kann der Bund das war jedenfalls die Auffassung des Haushaltsausschusses, und da ist auch nicht viel polemisiert worden - nur durch eine höhere Kreditaufnahme aufbringen.
Im übrigen muß man bei diesem Punkt einmal auf folgendes hinweisen. Wenn Sie eben gesagt haben, es sei gefährlich, eine derart hohe Nettokreditaufnahme zu machen, dann verstehe ich nicht ganz, wie Ihre Freunde zum gleichen Zeitpunkt dafür sorgen möchten, wenn wir sie nur ließen, die Nettokreditaufnahme noch kräftiger zu erhöhen, nämlich durch entsprechende Einnahmeausfälle. Ich denke an die vorgezogenen Steuerminderungen. Dann würde sich das Bild allerdings schwierig darstellen, so schwierig, wie das in 1975 zu bewältigen ist, und zwar bereits in 1974. Ob das sinnvoll ist - da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Sprung -, das kann man jedenfalls in 1974 nicht so sagen.
Nun zurück zur Nettokreditaufnahme. Diese 2 Milliarden, die zusätzlich aufzubringen waren, haben sich allerdings nur mit 1,4 Milliarden ausgewirkt, weil 600 Millionen für das Konjunktursonderprogramm aus Auflösungen von Rücklagen der Steuermehreinnahmen 1973 gedeckt werden konnten. Zu den verbleibenden 1,4 Milliarden, die dann unter dem Strich da sind, kommt eine weitere Erhöhung der Nettokreditaufnahme von 2 Milliarden. In dieser Höhe das war zur Zeit der Beratungen, und ich glaube, es wäre verfrüht, davon abzugehen
- sind unseres Erachtens möglicherweise auch
Ihres Erachtens - Steuermindereinnahmen zu erwarten. Im übrigen verweise ich auf das Votum des Finanzplanungsrates vom 25. März 1974; sicherlich Ihnen bekannt. Er hat, entgegen den Vorstellungen, die Sie entwickelt haben, empfohlen, den Haushalt so zu fahren, wie er nach den Beratungen im Haushaltsausschuß aufgestellt worden ist. Aus diesen Gründen scheint die Nettokreditaufnahme in Höhe von 7,64 Milliarden DM vertretbar und gemessen an der derzeitigen Situation auch geboten. Allerdings
- sie verwiesen auf Herrn Staatssekretär Haehser
- ist es denkbar, daß sich die Einnahmeentwicklung
im Verlauf dieses Jahres günstiger darstellen wird als bei den Beratungen noch unterstellt. Es ist möglich, daß die Nettokreditaufnahme deshalb nicht in vollem Umfang kassenmäßig erforderlich ist, daß sie realisiert werden muß. Ich vermute allerdings und da gibt es auch einige Hinweise -, daß von der Gesamtneuverschuldung von 18 Milliarden - so habe ich es im Sinn, nicht von 21 Milliarden - ({2})
- Die Bundesbank verfügt da offenbar über andere Unterlagen. Aber sei's drum! Es geht um 18 bis 20 Milliarden. Sie wissen, daß die gemeindlichen Kreditaufnahmen zur Zeit, sowohl als diese Überlegungen angestellt wurden, als auch als der Bericht der Bundesbank gemacht worden ist, noch gar nicht da waren. Viele Gemeinden verabschieden ihre Haushalte relativ spät, so daß die neuesten Zahlen bei der großen Zahl von Gemeinden nicht immer greifbar sind. Es sind also 18 bis 20 Milliarden.
Es ist zu vermuten, daß diese Gesamtnettokreditaufnahme in Bund, Ländern und Gemeinden nicht ganz erforderlich ist. Ich fürchte allerdings, daß nach dem Anwachsen der gemeindlichen Steuermittel, die wir bereits in den vergangenen zwei, drei Jahren zu beobachten hatten, die Gemeinden stärker daran profitieren werden als der Bund. Die Verkürzung wird sich also eher auf dem Sektor der gemeindlichen Verschuldung günstig bemerkbar machen als auf der Seite des Bundes. Das spricht aber gegen Ihren flammenden Protest gegen die Nettokreditaufnahme des Bundes, wie sie einräumen werden.
Im übrigen meine ich, daß man diese Chancen und die Tatsache, daß man auch andere Mittel, nämlich die Buchkredite in Anspruch nehmen kann, und das in einem ganz erheblichen Umfang ({3})
- Nein, das kann noch weiter geschehen. Da sind noch durchaus Möglichkeiten darin. Ich möchte jedenfalls meinen - darüber könnten wir uns wahrscheinlich einigen, Herr Sprung -, daß dem Bundesfinanzminister anzuraten ist, solange und in dem Umfang, wie es möglich ist, so zu verfahren, und zwar weniger deshalb, weil es etwa Schwierigkeiten gäbe, an die entsprechenden Mittel auf dem Kreditmarkt heranzukommen, sondern weil sie einfach sehr teuer sind. Ich meine, wir sollten aus haushaltspolitischen Erwägungen dem Bund diese Kosten möglichst ersparen.
Ich möchte aber in dem Zusammenhang doch noch einmal auf die Beseitigung der sogenannten Seitenfinanzierung oder der Schattenhaushalte eingehen; sie haben ja die Debatten in den vergangenen Jahren immer wieder bestimmt. Dabei ist offenbar übersehen worden, daß das eine Angelegenheil ist, die fast schon eine ehrwürdige Tradition hat Nämlich bereits seit 1955 hat die Offa nach dem damaligen Verkehrsfinanzierungsgesetz im Auftrage des Bundes wegen der scheinbar flexibleren Finanzierungsmöglichkeiten Kreditmarktmittel zum Bat von Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen aufgenommen. Später sind dann die Wasserstraßenbaumaßnahmen und die Krankenhausfinanzierunger hinzugekommen. Diese Handhabung - das ist da eigentliche Problem - ist an sich haushaltsrechtlich durchaus akzeptabel und legal und wurde dementsprechend auch von den Parlamenten seit 1955
immer wieder gebilligt. Trotzdem begrüßen wir es - ich glaube, der gesamte Haushaltsausschuß tut es -, daß die Bundesregierung nach dem Anfang über die Medaillen im letzten Jahr nun den größeren Bereich aufgenommen hat und daß in den Einzelplänen finanziert wird, in denen es richtigerweise und wegen der Haushaltsklarheit geschehen sollte. Ich hoffe, daß die Bundesregierung auch künftig auf dem nunmehr mutig beschrittenen Pfad haushaltsrechtlicher Tugend wandeln wird, auch dann, wenn - das kann ja passieren - es einmal schwerfallen sollte. Aber es ist nun einmal so: Nur in der Stunde der Versuchung kann sich die Tugend bewähren.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang der Behandlung von Einzelplan 32 noch folgende Bemerkung. Sie wissen ja, daß die Schulden des Bundes von einer fachlich weisungsfreien Bundesbehörde, nämlich der Bundesschuldenverwaltung, verwaltet werden. Das Kontrollorgan dieser Behörde ist ein Gremium, das unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundesrechnungshofs mit parlamentarischen Vertretern des Bundes und Ländervertretern seine ihm kraft Gesetzes zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt. Die Bundesschuldenverwaltung - das ist ein Punkt, den man im Auge haben sollte - bietet den Gläubigern des Bundes, insbesondere den langfristigen Gläubigern, dafür Gewähr, daß ihre verbrieften und nicht verbrieften Forderungen unbeschadet politischer Implikationen ausschließlich nach Recht und Gesetz verwaltet werden. Ich stelle fest - obwohl man das auch nicht überbewerten sollte -, daß der Kredit des Bundes auch auf dieser Regelung, auf dieser übrigens althergebrachten und schon fast 150 Jahre alten Regelung beruht.
An diesem Ort möchte ich dem langjährigen Präsidenten dieser Behörde, Herrn Dr. Ernst, der kurz vor dem Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand steht, aber auch seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein herzliches Dankeschön ausrichten, insbesondere auch dafür, daß sie sich - das erfreut den Haushaltsmann außerordentlich -, was die Personalgestaltung angeht, immer sehr zurückhaltend verhalten haben.
In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, folgendes mit auf den Weg geben: Sie werden in Ihrem Ministerium Verwaltungsvorlagen auf Referenten- oder Abteilungsleiterebene über einen Gesetzentwurf vorfinden, der mit der fachlichen Weisungsfreiheit dieser Institution ein Ende machen will. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit deshalb darauf lenken, weil ich es als Praktiker nicht für sinnvoll halte, der reinen Lehre einer lückenlosen Ministerverantwortlichkeit die fachliche Autonomie einer Institution zu opfern, die seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, also seit fast 25 Jahren, das Vertrauen der Bürger gehabt und verdient hat.
Ich meine, man sollte das überdenken. Vielleicht schauen Sie einmal hinein und überlegen sich insbesondere, was praktisch dabei für Sie herauskommt. Ich glaube nämlich: nicht sehr viel.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Schröder ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß zunächst einmal noch auf die Ausführungen des neuen Bundesfinanzministers Apel zurückkommen, obwohl ich gestehen muß, daß ich von einem Bundesminister selten eine so unbeschwerte und von Sachverstand wenig getrübte Rede gehört habe wie die hier heute morgen.
({0})
Das sollte nicht einmal ein Vorwurf gegen den neuen Finanzminister sein; denn wir haben das von ihm gar nicht erwartet. Aber er hätte sicher besser getan, sich entweder vorher zu informieren oder aber hier zu schweigen.
In bezug auf das Problem der Minderausgaben - Sie meinten, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit profunder Sachkenntnis aus den Angeln heben zu können - muß ich einige Punkte richtigstellen. Ich kann das um so mehr, als Ihnen Ihr durch Sachkenntnis ausgezeichneter Parlamentarischer Staatssekretär Haehser bestätigen kann, daß ich selber kein ausgesprochener Freund der Minderausgaben bin. Aber, Herr Apel, Sie haben erstens offensichtlich nicht gewußt oder verschwiegen, daß im Entwurf Ihrer Bundesregierung selber eine Minderausgabe von 1,5 Milliarden DM vorgesehen war. Was dem einen recht ist, soll offensichtlich auf einmal den anderen nicht billig sein.
({1})
Sie haben hier zum zweiten verschwiegen, daß diese Minderausgabe nicht aus der hohlen Hand gekommen ist,
({2})
sondern Sie haben systematisch in den zurückliegenden Haushaltsjahren eine Vielzahl von - Herr Bülow, ich wage sogar zu behaupten: offensichtlich häufig bewußten - Fehleinschätzungen in den Bundeshaushalt eingebracht. Ich darf hier noch einmal die drei gröbsten Fehlschätzungen aus dem Haushaltsjahr 1973 in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Bei den Sparprämien haben wir eine Minderausgabe von sage und schreibe 1,6 Millionen DM zu verzeichnen gehabt. Bei den Personalverstärkungsmitteln waren es allein 800 Millionen DM. Bei den Hochschulbauten, die Sie, Herr Kollege Hoppe, erwähnen zu müssen glaubten, haben wir im vergangenen Haushaltsjahr eine Minderausgabe von allein 378 Millionen DM gehabt.
Wie gesagt: Unabhängig davon, ob dies bewußte oder unbewußte Fehleinschätzungen waren, es läßt sich einfach nicht von der Hand weisen, daß Minderausgaben in dieser Größenordnung vorgekommen sind. Von daher hat dieser Antrag durchaus seine haushaltspolitische und haushaltsrechtliche Berechtigung.
Herr Minister Apel, Sie haben schließlich gesagt: „Wolltet ihr denn nicht dieses und jenes, was gegen Ende des Jahres in Höhe von 4,5 Milliarden
6870 Deutscher Bundestag --- 7. Wahlperiode Schröder ({3})
DM an zusätzlichen Ausgaben getätigt wurde?" Ja, wenn Sie so sehr von der Notwendigkeit und Richtigkeit dieser Ausgaben überzeugt gewesen sind, dann frage ich Sie: Warum haben Sie diese Ausgaben dann nicht schon in den Entwurf des Haushaltsplans eingestellt, oder warum haben Sie dann nicht eine termingerechte Vorlage an den Haushaltsausschuß gegeben?
({4})
Nein, meine Damen und Herren, wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß man hier ganz offensichtlich, Herr Kollege von Bülow, das Recht des Haushaltsausschusses und damit des Bundestages beschneiden wollte. Als Argumente gegen den Antrag der CDU/CSU reichen diese Behauptungen wahrlich nicht aus.
Ich wollte hier ein anderes Problem ansprechen, das Herr Kollege von Bülow bereits behandelt hat, allerdings in einer nicht sehr überzeugenden und fundierten Weise. Die Sparsamkeit soll ja nach den Aussagen des neuen Bundeskanzlers offensichtlich nicht nur das Gebot der Stunde, sondern geradezu die Leitmaxime dieser neuen Bundesregierung sein. Vorsichtig, wie es sonst gar nicht seine Art ist, datiert der neue Bundeskanzler allerdings den Beginn der Sparsamkeit auf das Haushaltsjahr 1975, wohl wissend, Herr Kollege von Bülow, daß der Haushalt des Jahres 1974 diesem Anspruch in keiner, aber auch in gar keiner Weise Genüge tut.
({5})
Ganz anders äußerte sich jedoch der neue Finanzminister. In profunder Kenntnis der Materie liegt für ihn - so ist einem Interview der „Welt am Sonntag" vom 19. Mai zu entnehmen - das Konzept der Sparsamkeit bereits mit dem Haushalt 1974 vor. Wenn dies ernsthaft die Auffassung des neuen Bundesfinanzministers sein sollte, hat die deutsche Öffentlichkeit allerdings herzlich wenig zu erwarten;
({6})
denn gerade der Haushalt 1974 führt die Ausgabenpolitik der Verschwendung in wesentlichen Bereichen, die das Kennzeichen der Regierung Brandt/ Scheel gewesen ist, zu einem neuen Höhepunkt,
({7})
und zwar in Bereichen, wo man es selber unmittelbar in der Hand hat, ob und in welchem Ausmaß Haushaltsausgaben ausgeweitet werden.
Herr Kollege Gallus!
Herr Kollege Schröder, wollen Sie diesem Hohen Hause vielleicht einmal Ihre Haltung zu den von der Bundesregierung zur Behebung von Sturmflutschäden an der Nordseeküste bereitgestellten 45 Millionen DM, die Sie als Ihre Errungenschaft verkauft haben, darlegen und uns erläutern, wie Sie das mit Ihren Ausführungen hier in Einklang bringen wollen, nachdem Sie in der örtlichen Presse erklärt laben, daß diese Mittel auch dazu dienten, die Deiche in Niedersachsen in Ordnung zu bringen, und laut verkündet haben, daß das nunmehr möglich geworden sei. Sie haben dabei allerdings etwas auf sich bezogen, was eine Leistung der Bundesregierung war.
({0})
Jetzt reden Sie plötzlich von Sparen. Glauben Sie denn, daß es richtiger gewesen wäre, wenn diese ;45 Millionen DM nicht zur Verfügung gestellt worden wären?
Herr Kollege Gallus, ich glaube, Sie schreien hier auf dem falschen Bein hurra. Die CDU/CSU-Fraktion hat mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung unsere Initiative,
({0})
zum Ausgleich der Sturmflutschäden auch einen Beitrag aus dem Bundeshaushalt zu leisten,
({1})
bis zu einem gewissen Grade Rechnung getragen hat. Im übrigen ist die Beseitigung der Sturmflutschäden ganz sicher kein Beispiel für Verschwendung.
({2})
Warten Sie erst mal ab, was ich dazu sagen werde.
Lassen Sie mich nun einmal einige Beispiele bringen. Unter dem Eindruck der schlechter werdenden Resonanz in der deutschen Öffentlichkeit - Herr Kollege von Bülow, Sie haben sich ja mit dieser Frage schon befaßt - hat man sämtliche Mittel für die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, und zwar nicht etwa nur die in den offiziellen Titeln für die Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Bundesministerien, gegenüber dem Ist-Ergebnis des vergangenen Haushaltsjahres 1973 um sage und schreibe 19 % erhöht. Herr Kollege Gallus, das ist doch wohl ein markantes Beispiel für die Verschwendung öffentlicher Gelder.
({3})
Allein der entsprechende Titel im Einzelplan 08 - die Verantwortung dafür trägt der frühere Finanzminister Helmut Schmidt - wurde von 550 000 DM im Jahre 1973 - Herr von Bülow, ich weiß ja, daß Sie das nicht so gerne hören - auf 950 000 DM im Jahre 1974 erhöht, also fast verdoppelt. Eine ähnliche Ausweitung hat der Etat des Wohnungsbauministeriums für Öffentlichkeitsarbeit erfahren. Hier ist seit dem Jahre 1969, seitdem Sie also Öffentlichkeitsarbeit betreiben, eine Steigerung um sage und schreibe 289 % festzustellen.
({4})
Herr Kollege Gallus, ich frage Sie: Ist das keine öffentliche Verschwendung?
Herr Abgeordneter Schröder ({0}), Sie können natürlich nicht ein Mitglied dieses Hauses fragen. Aber ein Mitglied des Hauses möchte Sie gern etwas fragen.
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Schröder, sind Sie der Auffassung, daß die Bundesregierung die Aufklärungsarbeit der Opposition bzw. - bei den Gemeinschaftsaufgaben - den Ministern der Bundesländer überlassen sollte?
({0})
Herr Kollege Gallus, mein Kollege Haase hat gestern schon deutlich gemacht: wenn es nur um Aufklärungsarbeit ginge, wären wir durchaus bereit, dafür einen angemessenen, nicht verschwenderischen Anteil des Bundeshaushalts zur Verfügung zu stellen. Aber hier wird ja keine Aufklärung, sondern hier wird Vernebelung betrieben.
({0})
Herr Abgeordneter Schröder ({0}), gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fellermaier? Er steht zu Ihrer Linken.
Nein, meine Damen und Herren, ich möchte jetzt fortfahren. Lassen Sie mich im übrigen eines zur linken Seite hin sagen: Sie wollen hier mit Ihren Zwischenfragen nicht zur Erhellung eines Problems beitragen.
({0})
Zwischenfragen haben den Sinn, eine Angelegenheit durch Sachaufklärung zu vertiefen. Was Sie in den letzten drei Tagen demonstriert haben, ist kein Beitrag zur Sachaufklärung, sondern billige Polemik gegen die Opposition.
({1})
Sie sollen auch einmal merken, daß wir den Stil Ihres Fraktionsvorsitzenden zwar nicht erwidern, aber auch nicht hinnehmen.
({2})
Nach den katastrophalen Wahlergebnissen vom Anfang dieses Jahres erfaßte die Koalitionsabgeordneten offensichtlich sogar die Panik in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Mitten in den Beratungen des Haushaltsausschusses
({3})
- Herr Kollege Simon, Sie waren dabei - erhöhte man den ohnehin gestiegenen Ansatz des Bundesarbeitsministeriums um weitere 3 Millionen DM von 1,5 Millionen auf sage und schreibe 4,5 Millionen DM. Herr Kollege Gallus, ich frage Sie: Ist das nicht eine maßlose Verschwendung öffentlicher Gelder? Aber verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sollte offensichtlich das Allheilmittel zur Rettung der Regierung Brandt /Scheel sein.
Herr Kollege Gallus, ich will mich hier aber nicht nur mit den Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen. Genauso wie man die Mittel erhöht hat, hat man auch die Stellen für die Öffentlichkeitsarbeit ausgeweitet. In dem schon erwähnten Arbeitsministerium wurden nach einer offiziellen Aufstellung des BMF die entsprechenden Stellen des höheren Dienstes von 1969 bis 1974 von 6 auf 9, im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - jetzt kommen Sie wieder - zur Verbreitung Ihrer schlechten Agrarpolitik sogar von 2 auf 6 erhöht.
({4})
Selbst im Bundeskanzleramt, dem ja das Bundespresseamt unmittelbar unterstellt ist und wo man bis zum Jahre 1969 demgemäß eigene Beamte für Öffentlichkeitsarbeit logischerweise nicht beschäftigt hatte, wurden zusätzlich neben dem Bundespresseamt zwei Beamte des höheren Dienstes und zwei weitere Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit eingestellt. Dies, meine Damen und Herren, ist ein ganz besonders typisches Beispiel dafür, wie sinnlos in den zurückliegenden fünf Jahren der Beamtenapparat aufgebläht worden ist.
({5})
Das gleiche Beispiel bietet sich auch bei der Stellenausstattung der Leitungsbüros der Ministerien, also nicht nur der Presse- und Öffentlichkeitsreferate, sondern auch der übrigen persönlichen Stäbe
({6})
wie persönliche Referenten, Kabinetts- und Parlamentsreferenten und dergleichen. Hier ergibt sich einschließlich des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung von 1969 bis 1974 ein Anstieg von sage und schreibe 20 % Aber, meine Damen und Herren, nicht nur das: während die persönlichen Referenten in früheren Jahren bis zum Jahre 1969 noch durchweg im Range eines Regierungsrates mit der Besoldungsgruppe A 13 standen, werden die heutigen persönlichen Referenten zumindest als Regierungsdirektoren nach A 15, häufig aber sogar als Ministerialrat nach A 16 eingestuft. Auch das ist wieder ein Beispiel, Herr Kollege Gallus, für die Verschwendung öffentlicher Mittel.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas zur allgemeinen Stellenausweitung sagen, weil man den fadenscheinigen Versuch machte, auch an dieser Stelle die Glaubwürdigkeit unseres Fraktionsvorsitzenden zu erschüttern.
({7})
- Herr Kollege von Bülow, was Sie und andere dazu gesagt haben, ist wieder einmal am eigentlichen Sachverhalt vorbeigeredet.
({8})
Sie können doch nicht, wenn der Fraktionsvorsitzende von Äpfeln spricht, mit Birnen antworten oder konkret: wenn der Fraktionsvorsitzende die Anzahl der gestiegenen Beamtenstellen hier als Beispiel anführt, mit einem Mal mit den Stellen sämtlicher öffentlicher Bediensteter, d. h. auch der Angestellten und Arbeiter, operieren.
({9})
Schröder ({10})
Um es ganz klarzumachen, wie richtig die Zahl von Herrn Professor Carstens gewesen ist - Sie können das in Ruhe nachlesen -, darf ich hier noch einmal die Zahlen nennen: Die Stellenzahl der Beamten im Bundesdienst ist von 1969 bis zum Jahre 1974 von 102 988 auf 115 594 gestiegen. Meine Damen und Herren, das entspricht einer Steigerung von 12,2 %. Herr Professor Carstens war lediglich so großzügig und hat die 0,2 % weggelassen. Im Fünfjahreszeitraum davor von 1964 bis 1969 war der Anstieg demgegenüber bei den Beamtenstellen wesentlich geringer. Er betrug nämlich in diesem gleichen Zeitraum von fünf Jahren 7,4 % - im Vergleich zu 12,2 % unter Ihrer Verantwortung. Ich meine, auch von daher, Herr Kollege Gallus, ist der Vorwurf des Fraktionsvorsitzenden, daß hier eine überflüssige Aufblähung des Beamtenapparats und demgemäß eine Verschwendung öffentlicher Gelder betrieben worden ist, absolut gerechtfertigt.
({11})
Herr Kollege Gallus, lassen Sie mich das durch einige konkrete Beispiele noch erhärten.
({12}) Ich will das einmal - ({13})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas Ruhe. Wir müssen ja heute irgendwann mit dieser großen und langwierigen Beratung zu Ende kommen. Und wenn Sie keine Zwischenfragen stellen,
({0})
so bitte ich Sie, auch die Zwischenrufe etwas zu bremsen.
Ich will das hier einmal am Beispiel des Wohnungsbauministeriums verdeutlichen, damit auch konkret sichtbar ist, wie hier in den zurückliegenden Jahren, um es vornehm auszudrücken: expandiert worden ist. Nach dem offiziellen Finanzbericht dieser Bundesregierung verfügte das Wohnungsbauministerium im Jahre 1969 - jetzt kommen nicht nur Beamte, sondern auch Angestellte und Arbeiter - über 328 Stellen. Rechnet man die 120 Stellen der Bundesbauabteilung aus dem damaligen Finanzministerium und die 41 Stellen der Raumordnungsabteilung des früheren Innenministeriums hinzu, kommt man im Vergleich auf 489 Stellen. Im Entwurf des Haushaltsplans 1974 sind gegenüber diesen 489 Stellen, meine Damen und Herren, 1121 Stellen ausgewiesen.
({0})
Das ist mehr als das Doppelte.
({1})
Nach diesen Einzelbeispielen nimmt es nicht wunder, daß der Personalapparat unter der haushaltspolitischen Verantwortung von Helmut Schmidt in den zurückliegenden Jahren eine kräftige Aufblähung erfahren hat,
({2})
wobei selbst lautstark verkündete Stelleneinsparungen - wie im vergangenen Haushaltsjahr - durch Nachforderungen - mein Kollege Althammer hat das schon deutlich gemacht -, die still und unauffällig im Haushaltsausschuß durchgesetzt wurden, überrollt worden sind.
Und was, meine Damen und Herren, ist das weitere konkrete Ergebnis dieser Stellenausweitungspolitik?
({3})
Der einstmals vorhandene Stellenkegel wurde praktisch auf den Kopf gestellt. So sitzen heute in den Ministerien 60 % der Beamten des gehobenen Dienstes in der höchsten Stufe, nämlich in A 13. Geradezu grotesk nehmen sich die Zahlen für den höheren Dienst aus. Die Zahl der Ministerialräte stieg von 1636 im Jahr 1969 auf 2270 im diesjährigen Entwurf und die der Ministerialdirigenten im Vergleichszeitraum sogar von 31 auf 536. Nun frage ich Sie, Herr Kollege Gallus: Ist das keine unnötige, überflüssige Aufblähung - insbesondere in der oberen Kategorie - und damit ein Auf-den-Kopf-Stellen des Stellenkegels?
Herr Abgeordneter Schröder ({0}), der Herr Abgeordnete Simpfendörfer wünscht Ihnen eine Frage zu stellen.
Bitte schön; jetzt durchbreche ich meinen Grundsatz.
Herr Kollege Schröder, darf ich als Berichterstatter für den Einzelplan 25, den Sie gerade eben angesprochen haben, an Sie die Frage richten, ob Sie heute morgen gegen 1.45 Uhr, als ich genau diesen Punkt, auf den Sie zu sprechen kamen, anschnitt, nicht mehr da waren? Denn sonst hätten Sie wissen müssen, daß bei den von Ihnen angegebenen Zahlen auch noch die Bundesbaudirektion
({0})
einschließlich der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung umgesetzt wurde und daß dies die 540 fehlenden Stellen ausmacht.
({1})
Ich habe ja umgesetzten Abteilungen gesprochen, Herr Kollege Simpfendörfer.
({0})
Aber was immer Sie dazu auch gesagt haben: es ändert nichts an den Fakten, die ich hier vorgetragen habe.
Schröder ({1})
Im übrigen, meine Damen und Herren, hoffe ich, daß die Sparsamkeit, die ja nun der Leitsatz der neuen Regierung sein soll, nicht nur bei der Personalstellenausweitung - und hier vor allen Dingen bei der Ausweitung im oberen Bereich -- Platz greift. Denn zu dem Argument, mit dem Sie draußen immer kommen - „auch die öffentlichen Aufgaben sind größer geworden" -, können wir nur sagen: Natürlich, das wissen wir auch, daß die öffentlichen Aufgaben zugenommen haben. Aber wenn Sie einmal in die Verwaltungsbereiche hineingehen, dorthin, wo der Bürger im unmittelbaren Kontakt zu einer Behörde steht und wo er von den wahrgenommenen Aufgaben profitieren will, werden Sie sehen, daß es dort im Grunde genommen kaum wesentliche Ausweitungen gegeben hat.
({2})
Oben an der Spitze, da hat man die Aufblähung des Apparats vollzogen!
({3})
Herr Abgeordneter Schröder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer?
Herr Präsident, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir noch zwei Minuten geben könnten. Ich komme zum Schluß.
({0})
- Nein.
So hoffe ich denn, meine Damen und Herren, daß die Sparsamkeit nicht nur in diesem Bereich, nicht nur im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, die ich hier erwähnt habe, einkehren wird, sondern auch noch bei einem letzten Punkt: den vielen Sonder- und Beraterverträgen in den einzelnen Ministerien. Meine Damen und Herren, wie hier in den letzten Jahren mit den Geldern geaast wurde, das spottet doch im Grunde genommen jeder Beschreibung!
({1})
Das sogenannte Büro Harpprecht mit einer jährlichen Dotation von 180 000 DM sowie 16 Honorarangestellte im Kanzleramt sind doch nur die Spitze eines Eisbergs. Unter dem Eindruck dieser Fakten, meine Damen und Herren, fällt es uns schwer, das ständig wiederholte Klagelied der politischen Linken von der öffentlichen Armut ernst zu nehmen. Wir haben vielmehr den Eindruck, daß dieses Lied nur den einen Zweck verfolgt, dem kleinen Mann angesichts seiner ungeheuren Steuerlast Sand in die Augen zu streuen.
({2})
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wie nie zuvor, meine Damen und Herren, seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist es unter der Regierung Brandt/Scheel mit dem Finanzminister Schmidt zu einer Expansion öffentlicher Ausgaben gekommen. In manchen Bereichen muß man, wie ich es an drei
Bereichen darzulegen versucht habe, sogar von einer öffentlichen Verschwendung sprechen.
({3})
Deshalb, meine Damen und Herren, steht die Opposition den starken neuen Worten der Sparsamkeit, die da so plötzlich auf uns herniederprasseln, mit einer gewissen Skepsis gegenüber.
({4})
Die Worte hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Fünf zurückliegende Jahre, meine Damen und Herren, besagen leider das Gegenteil, und deshalb gilt gerade an dieser Stelle stärker und deutlicher als an jeder anderen der Leitspruch unseres Fraktionsvorsitzenden: Nicht an ihren Worten, sondern an ihren konkreten Handlungen und Taten werden wir sie messen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schröder ({0}) - „Lüneburg" muß ich wohl anführen, damit es keine Verwechslung mit all den ehrsamen Schröders gibt, die es noch in diesem Hause gibt -,
({1})
daß Sie sich dazu hergegeben haben, diese Rede hier jetzt zu halten, finde ich nun wirklich allerhand. Wissen Sie, wir haben immer geglaubt, Sie seien ein ehrbares Mitglied des Haushaltsausschusses, hanseatischer Bankkaufmann.
({2})
Ich hoffe nicht, daß ich meine Auffassung von einem hanseatischen Kaufmann korrigieren muß.
({3})
Ich hoffe, daß dies ein Einzelfall bleibt.
Herr Abgeordneter, wir gehen davon aus, daß alle Mitglieder dieses Hohen Hauses ehrbar sind.
Ja, selbstverständlich, ganz klarer Fall! Herr Schröder auch.
({0})
Gut, dann besteht keine Meinungsverschiedenheit zwischen uns.
Meine Damen und Herren, das, was wir hier eben gehört haben, ist Lüneburger Sand in die Augen dieses Hauses gestreut. Ich finde nicht, daß wir das mitmachen können.
({0})
Obwohl - das hat Herr Schröder ausdrücklich gesagt - der Kollege von Bülow und der Kollege
Hoppe heute morgen sehr ausführlich die Zusammenhänge im Detail hier dargelegt haben,
({1})
hat Herr Schröder seine vorbereitete Rede hier halten müssen; denn er wollte selbstverständlich nicht auf diesen ganz offensichtlichen Versuch verzichten, den Plenarsaal zur Wahlkampftribüne für Niedersachsen zu machen.
({2})
Wissen Sie, das war so plump und so penetrant,
({3})
daß es für uns völlig ungefährlich war, Herr Schröder. Wir lassen uns auch gar nicht darauf ein; denn wir lassen uns nicht provozieren, die Haushaltsdebatte auf diesem Niveau fortzusetzen.
({4})
Herr Schröder, Sie unterschätzen die niedersächsischen Wähler.
({5})
Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal wiederholen, was Herr von Bülow heute morgen gesagt hat.
({6})
Darf ich vorher fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Ich möchte das zu Ende bringen, damit wir das auf diese Weise hier nicht unnötig verlängern.
({0})
Gut!
Ich darf noch einmal wiederholen, was Herr von Bülow heute morgen schon gesagt hat. Der Personalzuwachs von 1967 bis 1973, meine Damen und Herren: Wir hatten 1967 293 449 Beamte und Angestellte in den Bundesverwaltungen, und wir haben 1973 304 621. Für 1974 haben wir überhaupt nur so viel bewilligt, wie abgegangen sind. Das bedeutet einen Personalzuwachs in den Jahren von 1967 bis 1973 von 2 %.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeitsarbeit ist natürlich ein beliebtes Thema. Das nehmen wir Ihnen auch gar nicht krumm. Es ist nur so, daß wir nicht dazu beitragen, unsere Minister daran zu hindern, die Politik auch klarzumachen, um die es hier geht, und die Bürger aufzuklären.
({0})
Viele dieser Gesetze haben Sie ja mitgemacht, da haben Sie zugestimmt. Ich verstehe gar nicht, wieso Sie uns jetzt verweigern wollen, den Bürgern klarzumachen, was in diesen Gesetzen steht. Ich verstehe das nicht.
({1})
Beim Personal geht es um die tatsächlichen Zuwächse in den Bereichen Innere Sicherheit, Verteidigung - Herr Althammer! -, Umweltschutzamt in Berlin, deutsche Botschaft in China, Flugsicherung. Da reden Sie davon, wir hätten nur in den oberen Bereichen vermehrt; das ist doch unsinnig. Flugsicherung ist doch kein oberer Bereich, Innere Sicherheit ist doch kein oberer Bereich, Verteidigung, Umweltschutzamt, - ich weiß nicht, Herr Schröder, wie Sie den Mut haben, dies hier so zu erzählen.
Im übrigen: wenn diese Rechnung so aufgemacht wird, dann ist sicher, daß in den nächsten Wochen irgendwann in der Zeitung steht, daß das Verkehrsministerium nun wieder aufgebläht ist, weil die Post dahingegangen ist, oder so. So eine einfache Rechnung machen Sie hier auf. Das geht nicht. Sie haben das mit dem Städtebauministerium eben erwähnt. Es muß Ihnen nicht noch einmal klargemacht werden, daß es da natürlich Zuwächse gibt, wenn man eine Abteilung von einem Ministerium in das andere bringt.
Auch das muß Ihnen noch gesagt werden: die Personalvermehrung bedeutet nicht unbedingt und sofort mehr Geld. Mehr Geld liegt auch an der Struktur. Sie haben das gesagt mit dem Kegel. Wenn wir Ihren Intentionen bei der Behandlung des Zweiten Besoldungs-Neuregelungsgesetzes gefolgt wären, hätten wir eine ungleich größere Explosion in den öffentlichen Personalkosten gehabt. Wirken Sie, Herr Schröder, bitte auf Ihre Kollegen im Innenausschuß ein, damit sie uns mit ihren Anträgen im Haushaltsausschuß nicht dauernd auf den Wecker fallen. Es ist die Initiative der Koalition gewesen - da waren Sie ja dabei im Haushaltsausschuß -, auch für diesen Haushalt 1974 und für künftige Haushalte auf die Personalvermehrung mäßigend einzuwirken. Ich finde nicht, daß Sie eine sachdienliche Debatte hier geführt haben, die dazu beiträgt, das Personalproblem endgültig zu lösen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wohlrabe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Grobecker, es ist bekannt, daß man die Wahrheit im Umgang mit Steuermitteln nicht so sehr gern hört. Wir haben anläßlich der ersten Lesung bereits einige Erfahrungen gemacht, auch durch die Bemerkungen Ihrer Fraktion. Nur, Ihre Bemerkungen werden nicht dadurch besser, daß Sie sagen, der
Herr Kollege Schröder habe nicht zur Sache geredet. Fest steht, daß die Zahlen, die hier von unserem Kollegen Schröder vorgetragen worden sind, hieb- und stichfest und für jeden, der ehrlich ist, auch nachprüfbar sind.
({0})
Zweite Bemerkung! Ihren Vergleich bei den Personalkosten hätte ich nicht gezogen! Es ist üblich, Herr Kollege Grobecker, wenn wir Personalkosten vergleichen, daß dann auch die gleichen Zeiträume zugrunde gelegt werden. Es hat nämlich keinen Wert, wenn jeder von einer anderen Basis ausgeht. Die Basis, von der der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU und auch der Kollege Schröder ausgegangen sind, ist der Zeitraum 1969 bis 1974, ein Zeitraum, den Sie zu verantworten haben. Sie reden aber vom Zeitraum 1967 bis 1973. Sie vermischen die Verantwortlichkeiten. Wir beginnen dort, wo Ihr Beginn war. Nämlich beim Jahr 1969, auf das Sie so stolz sind. Wenn Sie diese Zahlen von 1969 bis 1973 zugrunde legen, dann ist das, was der Kollege Schröder und auch Herr Professor Carstens gesagt haben, vollkommen richtig.
Die dritte Bemerkung. Jede Regierung und auch jede sie tragende Koalition wehrt sich natürlich, wenn ihr Verschwendungssucht im Öffentlichkeitsbereich vorgehalten wird. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, daß keine Öffentlichkeitsarbeit sein soll. Nur ist zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda ein großer Unterschied.
({1})
Wir haben bereits darüber diskutiert; ich erinnere nur daran. Wenn im Propagandaetat des Arbeitsministeriums ein 430%iger Zuwachs ist, dann ist dies unangemessen; um es deutlich zu sagen und um nicht zu sagen: Verschwendung.
({2}) Dies nur kurz vorweg.
Im Einzelplan 60 und in den hier aufgerufenen Einzelplänen sind unter anderem die Zahlungen an die DDR angesprochen; sie sind dort etatisiert. Es sind Kosten, die zum großen Teil im innerdeutschen Bereich entstehen. Die einzelnen Ausgaben und Vergünstigungen für die DDR sehen, wenn man sie aufzählt, wie folgt aus:
1,4 Milliarden DM in den Jahren 1970 bis 1973 aus dem Bundeshaushalt, aus dem Haushalt Berlin sowie aus dem Haushalt Bundespost als Pauschalabgeltung gemäß Transitabkommen, Erstattung von Visagebühren und Straßenbenutzungsgebühren. Rund 300 Millionen DM erhält die DDR im gleichen Zeitraum von der Wirtschaft und von Privatpersonen für ähnliche Zwecke. Darin sind unter anderem enthalten rund 120 Millionen DM aus dem Mindestumtausch im Besucherverkehr, wobei die Mehreinnahmen durch den Zwangsumtausch, der nunmehr 20 DM pro Person ausmacht, nicht enthalten sind. 620 Millionen DM zinsloser Bundesbankkredit stehen der DDR im Rahmen der bis Ende 1975 laufenden Swing-Vereinbarung für Warenbezüge aus der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. 800 Millionen DM macht der Aktivsaldo der Bundesrepublik I Deutschland im innerdeutschen Handel im Jahre 1969 aus. In den Jahren 1970 bis 1973 erhöhte sich dieser Aktivsaldo auf die Summe von nunmehr rund 1,7 Milliarden DM. Hinzu tritt noch eine Summe von 800 Millionen DM, die der deutsche Steuerzahler aufgebracht hat; er subventionierte nämlich durch die geltende Umsatzsteuervergünstigung die Warenbezüge aus der DDR.
Wenn Sie alles zusammenfassen, sind dies Zahlungen und Vergünstigungen, die - ich beziehe mich hier auf eine Antwort des innerdeutschen Ministeriums - rund 4 Milliarden DM zugunsten der DDR ausmachen. Rund 1,7 Milliarden DM davon
und das ist die Summe, über die ich eine Bemerkung machen möchte - flossen in bar in die Kasse der DDR. Dies ist, wie wir meinen, ein stattlicher Betrag. Dazu kommen die zinslosen Bundesbankkredite in Höhe von 270 Millionen DM in 1969, 387 Millionen DM in 1970, 413 Millionen DM in 1971, 539 Millionen DM in 1972 und rund 600 Millionen DM in 1973; also ständig steigende Tendenz. Ferner kommen hinzu die Schulden der DDR im innerdeutschen Handel von rund 1,7 Milliarden DM und die auf Mehrwertsteuerpräferenzen beruhenden indirekten Einnahmen der DDR von rund 800 Millionen DM in den letzten vier Jahren.
Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Zahlungen als solche; ich möchte das mit aller Deutlichkeit betonen. Sie richtet sich vielmehr gegen Barleistungen, also gegen jene rund 1,7 Milliarden DM, die an die DDR zur freien Verfügung unmittelbar gezahlt werden. Bisher ging ein geringerer Teil der Gelder, z. B. die Bahn- und Postzahlungen, auf das Unterkonto 3 bei der Deutschen Bundesbank, das zur Tilgung der DDR-Schulden dient. Beträchtliche Summen fließen ohne jede Zweckbindung der Außenhandelsbank der DDR zu. Ein weiterer großer Teil der Gelder steht bei der Bank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt der DDR zur Verfügung.
Diese DM-Devisen, über die die DDR in der Bundesrepublik verfügt, können von ihr ohne jeden Umweg für ihre Auslandsarbeit, die sich bekanntlich immer wieder gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet, und für subversive Zwecke auch in unserem eigenen Lande eingesetzt werden. Es ist also auch möglich - dies nur in Parenthese -, daß z. B. Aufwendungen, die der Fall Guillaume erbracht hat, daraus bezahlt werden.
({3})
Ich frage an dieser Stelle, welche Erkenntnisse bei der Bundesregierung über die Verwendung derjenigen Mittel vorliegen, die die DDR zur freien Verfügung erhalten hat, und ob die Bundesregierung bereit ist, diese Kenntnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen.
Aus diesen meinen Worten, meine Damen und Herren, ist deutlich, daß es uns von der CDU/CSU- Fraktion weniger darum geht, daß die Bundesregierung zahlt, als vielmehr darum, daß unser Geld nicht ausgerechnet gegen den deutschen Steuerzahler eingesetzt wird. Namens der CDU/CSU-Fraktion setze ich mich für eine Zweckbindung der Mittel ein.
Die Benutzungsgebühren für die Transitwege sollten von der DDR für die Verbesserung und den Ausbau dieser Verkehrsadern eingesetzt werden; denn sie sind, wie wir wissen, in einem sehr schlechten Zustand.
Nicht nur die Autostraßen, sondern auch die Schienenwege durch die DDR befinden sich in einem erbärmlichen Zustand. Es wäre beispielsweise möglich, in dreieinhalb Stunden von Berlin nach Hannover zu fahren, wenn die Schienenwege nicht so verrottet wären. Sie sind seit 1945 nicht stark erneuert worden, wie wir wissen. Ähnliches gilt für die Wasserwege und die Schleusen. Ich erinnere auch an den geplanten Autobahnbau Berlin-Hamburg. Es wäre gut, wenn insbesondere durch den Bundesverkehrsminister entsprechende Initiativen für eine positive Regelung erarbeitet werden könnten.
Im kommenden Jahr steht die Frage der Neufestsetzung der Transitgebühren an. Diese Gebühren sind nach dem Transitabkommen nur für vier Jahre festgesetzt worden, und zwar auf 234,9 Millionen DM, jeweils seit 1971. Die DDR wird versuchen, diesen Betrag auf Grund des gestiegenen Verkehrsaufkommens auf den Transitwegen zu erhöhen. Wir plädieren dafür, zu Beginn der Verhandlungsrunde die Zweckgebundenheit der Mittel in die Diskussion einzuführen. Die Bundesregierung muß versuchen, eine Änderung zu erwirken. Es sollte erreicht werden, daß Bundesmittel nicht mehr zur freien Verfügung des SED-Regimes gehen. Eine Zweckbindung sollte erreicht werden, und zwar auch für Maßnahmen innerhalb der DDR, insbesondere für Ausbesserungs- und Neubaumaßnahmen auf den Transitwegen für Straßen, Schienen- und Wasserwege.
({4})
Wir wären sehr dankbar, wenn die Bundesregierung entsprechend tätig werden könnte. Wir bitten zu bedenken, daß die Millionen DM, die an die DDR gezahlt werden, vom deutschen Steuerzahler aufgebraucht werden. Er hat ein Anrecht, daß die Mittel einer soliden Verwendung zugeführt werden. Die Zahlungen dürfen sich nirgendwo und an keiner Stelle gegen ihn unmittelbar richten.
({5})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die verbundene Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 08 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen -. Änderungsanträge liegen hierzu nicht vor. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 32 - Bundesschuld -. Auch hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung -. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2141 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
({0})
- Wir sind schon in der Abstimmung!
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt.
Zum Einzelplan 60 liegt ein weiterer Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2142 ({1}) vor.
({2})
- Sie möchten noch einmal das Wort haben? Ich kann Sie nicht hindern, wenn zu diesem Antrag noch nicht gesprochen worden ist. Nach den hier sonst üblichen Usancen werden die Änderungsanträge gleich zu Anfang begründet. Ich konnte also davon ausgehen, sie seien schon begründet. Wenn Sie aber der Meinung sind, sie seien noch nicht begründet worden, so kann ich Ihnen das Wort nicht verwehren.
({3})
- Nein, wenn die Anträge noch nicht begründet worden sind, hat der Herr Abgeordnete das Recht, hier zur Begründung zu sprechen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, ich bin hier vorn gemeldet gewesen und möchte kurz zu der Drucksache 7/2142 ({0}) Stellung nehmen und den Änderungsantrag begründen.
Ich meine, daß der zuständige Finanzminister eben in keiner Weise beweisen konnte, daß die Argumente, die wir hier vorgebracht haben, nicht richtig sind. Es geht darum, daß wir die globale Minderausgabe von 2 Milliarden DM auf 2,5 Milliarden DM erhöhen wollen. Herr Finanzminister, Sie wollen doch wohl in keiner Weise ernsthaft behaupten, daß die Ansätze z. B. bei den Personalausgaben nicht um etwa 300 Millionen bis 400 Millionen DM herabgesetzt werden könnten oder daß beim Kindergeld am Jahresschluß nicht 100 Millionen DM übrigbleiben.
Und auch Sie, Herr Hoppe, werden feststellen, daß von den Mitteln für den Neu- und Ausbau von Hochschulen am Jahresschluß sicherlich 300 Millionen DM übrigbleiben werden. Ich bin auch davon überzeugt, daß die Heizölkostenzuschüsse und anderes mehr nicht voll zur Ausgabe kommen können. Meine Damen und Herren, denken Sie bitte noch an den Rest, der im Haushalt 1973 übriggeblieben ist; es waren 4,5 Milliarden DM. Die Aufstockung des Titels der globalen Minderausgaben soll verhindern, daß die Bundesregierung die zu erwartenden MinderausgaCarstens ({1})
ben abermals zu Haushaltsüberschreitungen verwendet.
Stimmen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD und FDP, diesem unseren Antrag zu und beweisen Sie dadurch, daß die Koalition den Mut zu echten Einsparungen bei den Staatsausgaben hat; denn das ist der echte, wirkliche Anfang einer tatsächlichen Inflationsbekämpfung.
({2})
Meine Damen und Herren, es liegt hier offensichtlich ein Mißverständnis vor. Denn nach den Richtlinien, nach denen der Haushalt hier ansonsten beraten wird und die im Präsidium und wohl auch anderswo schriftlich verteilt sind, werden zuerst die Änderungsanträge begründet, woran sich dann die allgemeine Aussprache anschließt.
Ich bin deshalb, als ich hier abgelöst habe, davon ausgegangen, die Änderungsanträge seien schon begründet. Das ist aus irgendeinem Versehen heraus nicht geschehen. Es ist natürlich klar, daß sie nun noch begründet werden können bzw. daß man dazu noch das Wort ergreifen kann.
Das Wort hat demgemäß der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Ablehnung des soeben begründeten Änderungsantrages darf ich mich im Interesse einer Beratungsökonomie auf den Teil meiner Ausführungen zum Einzelplan 08 beziehen, in dem ich mich eingehend mit den einzelnen Faktoren Ihres Änderungsantrages auseinandergesetzt habe.
Eine ergänzende Anmerkung darf ich zu der wiederholt vorgetragenen Behauptung über die Ausweitung der Personalstellen und der Personalkosten machen. Auch dadurch, daß die Herren Kollegen Schröder und Wohlrabe immer wieder auf die explosionsartige Stellenvermehrung in den Jahren 1969 bis 1972 hinweisen, wird die Behauptung noch nicht richtiger. Meine Damen und Herren, ich nehme den Hinweis des Kollegen Wohlrabe gern auf, daß die Angaben nachprüfbar seien. Gerade weil sie es sind, stellt man auch fest, daß die Behauptungen so falsch sind.
({0})
Sie verwerten für Ihre Behauptung die Umwandlung von Angestelltenstellen in Beamtenplanstellen und kommen dann auf diesem Umweg zu Ihrem sensationellen Ergebnis. Die Wirklichkeit ist in der Tat anders, sie ist sehr viel nüchterner. In den Jahren 1969 bis 1972 hat es im Bund eine Vermehrung von 1,8 °/o, in den Ländern von 4,5% und in den Gemeinden von 3,7 °/o gegeben. Ich meine, daß sich der Bund in dieser Reihe von Sündern mit seiner „Stellenplanmißgestaltung" noch sehr vornehm ausnimmt. Daß wir dem entgegenzuwirken haben, wird niemand leugnen. Ich bin nur nicht bereit, die Schuldgerade bei der Bundesregierung abgeben zu lassen, die diesen einseitigen Vorwurf wahrlich nicht verdient.
({1})
Wünscht hierzu noch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2142 ({0}) abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 60 in der Fassung des Haushaltsausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Damit kommen wir zu Punkt 1I/28: Haushaltsgesetz 1974
- Drucksachen 7/1938, 7/2026, 7/2027 -Berichterstatter: Abgeordneter Kirst
Abgeordneter Leicht
({1})
Offenbar verzichtet das Haus auf einen Bericht.
Dann rufe ich in zweiter Beratung die §§ 1, 2 und 3 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wünscht hierzu noch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Ich rufe § 4 und dazu den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2143 auf. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Text des Änderungsantrages sagt dem Laien an sich nichts. Es heißt nur, daß eine Zahl - 531 - gestrichen werden soll. Dahinter verbirgt sich folgendes Problem: In früheren Jahren war die gegenseitige Deckungsfähigkeit bis zu 25 % bei den allgemeinen Geschäftsausgaben gegeben. Nun hat diese Bundesregierung vor einigen Jahren einen neuen Dreh erfunden, indem sie den Propagandatitel - das ist der Tit. 531 - auch in diese 25 %ige Dekkungsfähigkeit einbezogen hat. Das heißt, wenn bei Telefonkosten Geld übrigbleibt, kann damit Propagandamaterial finanziert werden. Das wollen wir nicht. Darum bitten wir, diesen Antrag anzunehmen.
({0})
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unter Ziffer 1 der Drucksache 7/2143. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den
Vizepräsident Dr. Jaeger
bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Ich rufe nunmehr die §§ 5 bis 13 auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Ich komme zu § 14 und gleichzeitig zu Ziffer 2 des schon aufgerufenen Änderungsantrages der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2143.
Das Wort zur Begründung hat Herr Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um die einzusparenden Stellen im Haushalt 1974. Sie sehen, wir wollen statt 1 400 Stellen 2 500 einsparen. Diese schlüsseln sich dann entsprechend auf. Nach dem, was wir bisher gehört haben, habe ich keinen Zweifel, daß die Koalition auch diesem weitergehenden Stelleneinsparungsvorschlag nicht zustimmen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Bülow.
Nachdem sich die Opposition bei den Zuwachsraten der Personalstellen derart eklatant geirrt hat - Carstens 12 %, in Wirklichkeit 1,8 % -,
({0})
muß dieser Antrag abgelehnt werden.
({1})
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU unter Ziffer 2 auf Drucksache 7/2143 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ick komme zur Abstimmung über § 14 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Sozusagen mit der umgekehrten Mehrheit angenommen.
Ich komme zu § 15 und zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU unter Ziffer 3 der schon aufgerufenen Drucksache 7/2143.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es han delt sich hier um die Möglichkeit, im Nachschiebeverfahren Planstellen vom Haushaltsausschuß ohne Befassung des Deutschen Bundestages bewilligen zu lassen. Wir haben gesehen, daß diese Möglichkeit in den letzten Jahren in einer Weise überzogen worden ist, die wir als skandalös bezeichnen. Deshalb wollen wir für die Zukunft nicht mehr dieses Nachschiebeverfahren, sondern im Rahmen eines abgekürzten Nachtragshaushaltsverfahrens den Deutschen Bundestag mit solchen Stellenneubewilligungen befassen. Wir bitten deshalb, diesen Antrag anzunehmen.
({0})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Streichungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 15 der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 16 bis 25, Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Damit ist die zweite Beratung des Bundeshaushalts abgeschlossen.
Ich komme nunmehr zu Punkt III:
a) Beratung der Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 7/2055 -
b) Beratung der Sammelübersicht 20 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 7/2087 Ich nehme an, daß das Wort nicht gewünscht wird.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt IV:
Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses ({2})
zu dem Bericht der Wahlkreiskommission für die 7. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Bundestagswahlrecht
Drucksachen 7/1379, 7/867, 7/2063 Berichterstatter: Abgeordneter Wittmann
({3})
Abgeordneter Berger Abgeordneter Dr. Hirsch
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Ich danke Ihnen für den schriftlichen Bericht.
Ich rufe zugleich auf einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2132 und erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Berger.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 7/2132 zum Antrag des Innenausschusses zu dem Bericht der Wahlkreiskommission und zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung begründen.
Es handelt sich bei dem ersten Antrag darum, die Verteilung der Wahlkreise auf die einzelnen Länder entsprechend dem Vorschlag der Wahlkreiskommission dem Bevölkerungsstand anzupassen.
Die vom Bundespräsidenten nach § 3 Bundeswahlgesetz ernannte Wahlkreiskommission hatte schon in ihrem Bericht für die 6. Wahlperiode des Deutschen Bundestages auf die Notwendigkeit der Anpassung der Wahlkreise an die veränderte Bevölkerungszahl hingewiesen. Der Innenausschuß hatte in der 6. Wahlperiode diese Anpassung nicht vorgeschlagen, aber - ich zitiere - die Erwartung ausgedrückt, in der 7. Wahlperiode die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum 8. Deutschen Bundestag von Grund auf zu überdenken und dabei insbesondere die Wahlkreisverteilung an die Länder entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerungsentwicklung zu überprüfen.
Der Innenausschuß des 7. Deutschen Bundestages hat sich in seiner Sitzung am 14. Februar 1973 diese Erwartung zu eigen gemacht.
Nun schlägt uns die aus sieben unabhängigen Sachverständigen unter Vorsitz des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes stehende Wahlkreiskommission mit überzeugenden Gründen eine Anpassung bei der Verteilung der Wahlkreise auf die einzelnen Länder entsprechend der Bevölkerungsentwicklung vor, und SPD und FDP sagen dazu nein. Dabei weist die Kommission ausdrücklich darauf hin, daß sie ihren Vorschlägen nicht nur den Bevölkerungsstand an einem bestimmten Tage, nämlich am 1. Januar 1973, zugrunde legt, sondern sorgfältig geprüft hat, ob sich ein Trend, der seit Jahren besteht und sich verstärkt hat, vielleicht in Zukunft umkehren könnte. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus dem Bericht der Wahlkreiskommission ({0}) zitieren: „Eine Umkehr des Trends ist nach Auffassung der Kommission nicht zu erwarten. Auf Grund dieser tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung ist die bestehende Wahlkreiseinteilung änderungsbedürftig geworden" - und hier folgt eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts -, „weil offenkundig ist, daß sie mit der gegenwärtigen Bevölkerungsverteilung nicht mehr im Einklang steht und nicht mehr erwartet werden kann, daß die heutige Diskrepanz sich wieder ausgleicht." So das Bundesverfassungsgericht ({1}), zitiert im Bericht der Wahlkreiskommission.
Wer im Bericht der Wahlkreiskommission die Begründung der Vorschläge in der Bundestagsdrucksache 7/1379 auf Seite 7 und 8 liest, wird sicherlich dem Antrag der CDU/CSU seine Zustimmung nicht versagen können. Nach unserer Auffassung muß die Anpassung erfolgen im Hinblick auf den Grundsatz der gleichen Wahl und seine Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Mai 1963 ({2}).
Die Wahlkreiskommission hat sich in ihrem Bericht auch mit dem Gesichtspunkt möglichster Kontinuität der Wahlkreiseinteilung auseinandergesetzt, aber mit Recht dennoch dem Grundsatz der gleichen Wahl angesichts der gegebenen Bevölkerungsentwicklung den Vorrang eingeräumt, da sonst das Entstehen von Überhangmandaten nicht auszuschließen wäre.
Mit welchen Gründen sprechen sich nun SPD und FDP gegen die Vorschläge der Wahlkreiskommission aus? Sie tun es, weil, wie .es in dem Bericht heißt, eine Verschiebung - einzelner Ländergrenzen im Zuge der nach Art. 29 Abs. 3 GG bis zum 31. Mai 1975 gebotenen Volksentscheide „nicht auszuschließen ist" und der Art. 29 Abs. 1 GG insgesamt eine Neugliederung des Bundesgebietes verlangt. Grundsätze der gleichen Wahl für die nächste Bundestagswahl lassen sich meines Erachtens nicht zurückstellen mit dem Hinweis darauf, daß vielleicht in der Zukunft irgendwann als Folge von Volksentscheiden oder einer Neugliederung des Bundesgebietes im Jahre 1980 Verschiebungen einzelner Ländergrenzen nicht auszuschließen sind.
Noch für viel weniger überzeugend halte ich die von den Koalitionsparteien vertretene Auffassung, die von der Wahlkreiskommission vorgeschlagene Neuverteilung - ich zitiere aus dem Bericht Seite 3 - bedeute neben einem erheblichen administrativen Aufwand auch eine außerordentliche Belastung der Parteiorganisationen. Offenbar wurde dabei übersehen, daß ja die Wahlkreiskommission in ihrem Bericht vom 7. Dezember 1973 von den Vorschlägen der Länder, die im Einvernehmen mit den Parteien gemacht worden sind, und von der Neuverteilung der Wahlkreise auf die Länder bereits ausgeht, also höchstens umgekehrt Verwaltungsaufwand entsteht, wenn der Bundestag die Vorschläge der Wahlkreiskommission nicht übernimmt.
Bei dem zweiten Änderungsantrag der CDU/CSU handelt es sich um ein altes Anliegen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung. Die zur Diskussion stehende Bundestagsdrucksache 7/867 beginnt wie folgt - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -:
Der Deutsche Bundestag hat mit Entschließung vom 9. Juni 1972 ... die Bundesregierung ersucht, ... eine befriedigende Lösung in dieser Frage zu unterbreiten.
Und dann heißt es: Zu a)
Die Bundesregierung hält ebenso wie der Deutsche Bundestag die gegenwärtige Regelung des
Wahlrechts der im Ausland lebenden Deutschen zum Deutschen Bundestag für unbefriedigend.
Es folgen dann Hinweise auf die verschiedenen Stellungnahmen der Bundesregierung, und es wird insbesondere auch auf den Vorschlag der Bundesregierung selbst verwiesen, das aktive Wahlrecht allen in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft lebenden Deutschen zu verleihen.
Nun möchte ich mich für zwei aufgezeigte Lösungsmöglichkeiten bedanken, vermute aber, daß dieser Dank weder der Bundesregierung noch dem Innenminister gebührt; wahrscheinlich gebührt er höchstens den zuständigen Beamten des Innenministeriums, die nach wiederholten Wünschen von uns im Innenausschuß pflichtgemäß diese beiden Lösungsvorschläge dann doch vorlegten, aber auch pflichtgemäß darauf hinwiesen, daß diese beiden Lösungsmöglichkeiten nicht die Zustimmung des Herrn Innenministers gefunden haben.
Meine Damen und Herren, wir schlagen Ihnen das Kombinationsmodell vor, nach dem das Wahlrecht auf Deutsche im Ausland ausgedehnt werden soll, die entweder in den europäischen Gebieten der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft leben oder seit nicht mehr als fünf Jahren in einem Nichtmitgliedstaat oder in außereuropäischen Gebieten der Europäischen Gemeinschaft leben und in beiden Fällen unmittelbar vor ihrem Wegzug mindestens drei Monate im Geltungsbereich des Bundeswahlgesetzes gewohnt oder sich gewöhnlich dort aufgehalten haben. Entsprechendes soll auch für Seeleute auf Schiffen gelten, die nicht die Bundesflagge führen, sowie für die Angehörigen ihres Hausstandes.
In diesem Fall geben nun SPD und FDP für die Ablehnung unseres Antrages so gut wie gar keine Begründung, sondern verweisen lediglich darauf, daß für 1980 angestrebt wird - so hat es ja der Kollege Liedtke insbesondere in den „Informationen der sozialdemokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag" vom 24. April 1974 zum Ausdruck gebracht -, den Erwerb des Wahlrechts im Wohnsitzland vorzusehen.
Meine Damen und Herren, das Ziel eines europäischen Bürgerrechts, das unter Umständen ein Wahlrecht im jeweiligen Wohnsitzland für jeden Europabürger ermöglichen würde, liegt in der Zielrichtung einer europäischen politischen Union. Die Verwirklichung dieses Ziels und damit die Möglichkeit einer Einräumung des Wahlrechts auf der Grundlage der Gegenseitigkeit ist jedoch beim gegenwärtigen Standpunkt der politischen Entwicklung leider noch nicht abzusehen. Versuche zu konkreten Initiativen gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften in der von der Ausschußmehrheit angesprochenen Richtung sind bisher überhaupt nicht bekanntgeworden.
Unter diesen Umständen muß die Berufung auf eine in unbestimmter Zukunft liegende europäische Regelung als wenig überzeugender Vorwand erscheinen, um die mit Beschluß vom 9. Juni 1972 gemeinsam eingenommene Haltung zu verlassen und
die hier und heute mögliche Lösung zu verweigern.
Ich bitte um Zustimmung zum Änderungsantrag der CDU/CSU.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Wittmann ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Berger machen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß der Bundestag weder in der 5. noch in der 6. Legislaturperiode der Empfehlung der Wahlkreiskommission gefolgt ist. In der 5. Legislaturperiode sollte Rheinland-Pfalz einen Wahlkreis an Baden-Württemberg abgeben. Der Bundestag folgte dieser Empfehlung nicht. Daß es richtig war, zeigte sich schon im Jahre 1970, in der 6. Legislaturperiode; denn damals ergab sich bereits wieder ein neues Bild. Damals sollte auf Grund der Empfehlung Nordrhein-Westfalen einen Wahlkreis an Hessen abgeben. Der bisherige Status sollte also wieder verändert werden. Bereits drei Jahre später hat die Wahlkreiskommission den früheren Empfehlungen nicht folgen können. Sie hat nun vorgeschlagen, eine Umverteilung nicht in Richtung Hessen, sonddern in Richtung Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg vorzunehmen.
Herr Berger, Sie wissen genau: Wenn man z. B. einen späteren Stichtag genommen hätte - ich erinnere daran: die Wahlkreiskommission ist vom 1. Januar 1973 als Stichtag ausgegangen -, dann hätte im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung Rheinland-Pfalz, obwohl es einen Einwohnerzuwachs zu verzeichnen hatte, einen Wahlkreis an Hessen abgeben müssen. Bereits die Verlegung des Stichtags auf den 30. September hätte das Bild verändert.
({0})
Meine Kollegen, das macht doch die Problematik sehr deutlich. Ich erinnere an die Diskussion im Innenausschuß, als von den Kollegen die berechtigte Frage aufgeworfen wurde, ob man nicht die Ausländer bei der Zählung berücksichtigen sollte. Wir wissen doch, daß die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen gerade mit den Gastarbeitern sehr viel Betreuungsarbeit leisten. Wenn man diese Gastarbeiter bei der Bevölkerungszählung berücksichtigt hätte, hätte sich schon wieder ein völlig neues Bild ergeben.
({1})
- Herr Dr. Miltner, wir wollen festhalten, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Freien Demokraten zu dem Ergebnis gekommen sind, im wesentlichen den Empfehlungen der Wahlkreiskommission zuzustimmen. Aber der Anregung, daß bei der Bundestagswahl 1976 Hamburg einen
Wittmann ({2})
Wahlkreis und Nordrhein-Westfalen zwei Wahlkreise abgeben soll, können wir nicht folgen.
Wir gingen bei unseren Überlegungen davon aus, daß im ganzen Bundesgebiet eine Wahlkreiseinteilung anzustreben ist, die für mehrere Wahlperioden Bestand hat, und zwar schon im Interesse der gewachsenen Beziehungen zwischen den. Bürgern und den Abgeordneten. Bei einer Neuverteilung müßten in den betroffenen Ländern fast alle Wahlkreise neu geschnitten werden. Man muß berücksichtigen, daß die Diskussion um die Neugliederung des Bundesgebietes - der Kollege Berger hat das ja auch angesprochen - voll im Gange ist. Der Meinungsbildungsprozeß in dieser Frage isollte möglichst bald abgeschlossen werden. In den Gebieten, in denen es nach der Neubildung der Länder zu einem Volksbegehren gekommen ist, ist der Gesetzgeber nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes verpflichtet, spätestens bis zum 31. Mai 1975 diese Volksentscheide durchzuführen.
({3})
- Bis zum 31. Mai 1975 müssen diese Volksentscheide durchgeführt werden.
({4})
- Sie müssen bis zum 31. Mai 1975 durchgeführt werden. Dieser Zeitpunkt ist sehr nahe. Das heißt, wenn man die Chancen der Volksentscheide Rheinhessen /Montabaur zu Hessen, Koblenz/ Trier zu Nordrhein-Westfalen, Oldenburg und Schaum burg-Lippe sollen selbständig werden - abwägt, dann ist eine Verschiebung einzelner Ländergrenzen nicht auszuschließen.
({5})
- Sie werden sich wundern, wie die Dinge im nächsten Jahr laufen. Wir können uns dann nachher wieder unterhalten. Ich halte es für durchaus möglich, daß die Volksentscheide eine Veränderung bringen. Auch ist zu berücksichtigen, daß in einzelnen Bundesländern die Gebiets- und Verwaltungsreform noch nicht abgeschlossen ist. In fast allen Fällen ist ein Neuzuschnitt der Wahlkreise erforderlich. Bei der Prüfung aller dieser Faktoren muß man zu dem Ergebnis kommen, daß eine Neuverteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig sinnvoll ist.
Es bleibt also nur die Frage zu prüfen, ob eine Umverteilung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu erfolgen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in keinem Land ergibt sich aus den Berechnungen ein ganzer Wahlkreis, d. h., es steht keinem Land zusätzlich ein ganzer Wahlkreis zu. Denn nur Stellen hinter dem Komma gaben der Wahlkreiskommission Anlaß, eine Umverteilung vorzuschlagen. Eine absolute Gerechtigkeit wäre nicht zu erzielen gewesen, weil mehr Länder - und ich habe das z. B. auf Hessen bezogen gesagt - einen rechnerischen Anspruch auf einen weiteren Wahlkreis hätten, als Wahlkreise zur Disposition stünden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berger?
Wenn Sie sagten, Herr Kollege Wittmann, daß eine absolute Gerechtigkeit damit nicht zu erzielen ist, würden Sie zugeben, daß zumindest eine größere Gerechtigkeit erreicht würde, wenn man den Vorschlägen der Wahlkreiskommission folgte?
Kollege Berger, ich habe das an den Beispielen Hessen und Rheinland-Pfalz erläutert. Ich darf hier die Zahlen nennen: Bei Hessen heißt die Zahl 22,67, d. h. Hessen hätte mit 0,67 Anspruch auf einen 23. Wahlkreis. Die entsprechende Zahl für Rheinland-Pfalz heißt 15,67. Rheinland-Pfalz müßte zugunsten Hessens, obwohl eine geringe Differenz auf 16 hin zugunsten Rheinland-Pfalz besteht, einen Wahlkreis abgeben. Damit ist doch auch schon wieder bewiesen, daß das absolut ungerecht wäre. Deshalb meinen wir, solange mit Zahlen hinter dem Komma operiert wird, ist der Zeitpunkt für eine Änderung nach unserer Auffassung nicht gegeben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerster?
Die Diskussion haben wir im Innenausschuß gehabt. Ich glaube, die brauchen wir hier nicht zu wiederholen.
({0})
Bei dieser Gelegenheit möchte ich gerne daran erinnern, daß insgesamt gesehen keine Partei einen Schaden, bzw. einen Nachteil erleidet, da bei der Mandatsverteilung auf die Länder die Zweitstimmen den Ausschlag geben. D. h. also, wenn z. B. Bayern keinen zusätzlichen Wahlkreis bekommt, so ergeben sich dennoch für die Parteien in diesem Land keine Nachteile, weil die Zweitstimmenanteile letztlich für die Zuteilung von Mandaten den Ausschlag geben. Das weiß jedermann. Damit ist auch diese Frage klar.
Meine Damen und Herren, wir hatten dann noch zu prüfen, ob die Beibehaltung der bisherigen Zahl von Wahlkreisen in Hamburg und Nordrhein-Westfalen zu Überhangmandaten führen könnte. Für Nordrhein-Westfalen war das völlig auszuschließen. In Hamburg ist nach Auffassung der Fachleute die Wahrscheinlichkeit eines Überhangmandats kaum gegeben. Es war davon die Rede, daß Stimmenverschiebungen in Größenordnungen von etwa 16 bis 20 %erfolgen müßten. Wir wissen doch, daß das Entstehen von Überhangmandaten nicht von der Größe des Wahlkreises, sondern von der Wählerstruktur abhängt. Nachdem das Bundeswahlgesetz die Möglichkeit des Überhangmandats vorsieht, braucht es auch nicht als gesetzwidrig angesehen zu werden.
Aus all diesen Gründen werden die Koalitionsfraktionen den Antrag der CDU/CSU auf Neuverteilung der Wahlkreise ablehnen.
Meine Damen und Herren, nun komme ich zu dem zweiten Komplex des Antrages. Die Frage zur Aus6882
Wittmann ({1})
weitung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag für nicht im Wahlgebiet wohnende Deutsche wurde sehr eingehend diskutiert. Dabei stand insbesondere der Vorschlag des Bundesinnenministeriums zur Debatte, der besagte,
({2})
das Wahlrecht allen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebenden Deutschen zu gewähren, die das Bundesgebiet nicht länger als fünf Jahre verlassen haben. Nun müssen wir doch sehen: Die Fünfjahresgrenze bedeutet, daß einer, der auswandert, noch einmal ein Wahlrecht hat und dann ebenfalls ausgeschlossen ist.
({3})
Ferner wäre allen Auslandsdeutschen, die in den europäischen Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft leben, ein unbefristetes Wahlrecht, sowie allen übrigen Auslandsdeutschen, die am Wahltag nicht länger als fünf Jahre die Bundesrepublik Deutschland verlassen haben, ein befristetes Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.
Dann gab es noch zwei Vorschläge, die wiederum eine Eingrenzung vorsahen. Ich möchte sie in Erinnerung bringen: Es gab den Vorschlag, ein unbefristetes Wahlrecht für bestimmte Gruppen unter den im Ausland lebenden Deutschen zu gewähren, wie z. B. die deutschen Bediensteten bei den Europäischen Gemeinschaften und die deutschen Bediensteten über- und zwischenstaatlicher Organisationen, oder nur für d i e deutschen Bediensteten über- und zwischenstaatlicher Organisationen, die für dieses Dienstverhältnis von einem Dienstherrn in der Bundesrepublik Deutschland beurlaubt sind, und ein unbefristetes Wahlrecht für die Bediensteten über- und zwischenstaatlicher Organisationen sowie ein befristetes Wahlrecht für alle übrigen im Ausland lebenden Deutschen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Wahltag mindestens drei Monate einen Wohnsitz im Wahlgebiet hatten, einzuräumen.
Keines der beratenden Modelle, meine Damen und Herren, brachte eine befriedigende Regelung. So waren die Koalitionsfraktionen der Auffassung, daß man die Entwicklung in Europa abwarten sollte. Vielleicht kann das von uns angestrebte Ziel erreicht werden, daß die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft künftig in dem Land ihr Wahlrecht ausüben, in dem sie sich niedergelassen haben. Vielleicht gelingt in Europa doch noch der Durchbruch. Deshalb sind wir der Auffassung, daß diese Frage bis zum Wahljahr 1980 zurückzustellen ist.
Wir lehnen auch diesen Antrag ab.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der gebannten Aufmerksamkeit des Hauses und der sorgfältigen Darlegungen meines Herrn Vorredners glaube ich mich kurz fassen zu können.
({0})
Es ist ja in der Tat in der Begründung des Antrags nichts wesentlich Neues über das hinaus gesagt worden, worüber wir uns, Herr Kollege Berger, im Innenausschuß lange unterhalten haben. Und die sicherlich interessante Frage, wie weit man der absoluten Gerechtigkeit in diesem Leben überhaupt zur Verwirklichung helfen kann, sollten wir nicht hier und nicht jetzt ausdiskutieren.
({1})
- Mehr Gerechtigkeit, ja, da finden Sie das ganze Haus immer auf Ihrer Seite.
({2})
Nun ist es gerade beim Wahlrecht einer der wesentlichsten Gesichtspunkte, daß man Änderungen wahlrechtlicher Regelungen doch tunlichst nur dann vornehmen sollte, wenn sich dafür eine möglichst breite Mehrheit des gesamten Hauses findet. Man sollte solche Regelungen nur dann streitig machen, wenn ganz zwingende, exorbitante Gründe vorliegen. Dies sollte uns zur Zurückhaltung mahnen, und es gibt doch in der Tat eine ganze Reihe wesentliche, von der Wahlkreiskommission vorgeschlagene Positionen, auf die wir uns geeinigt haben.
Dazu gehören auch die Grundsätze, nach denen man Wahlkreisgrenzen festlegen oder verändern sollte; ich denke an Wahlkreiseinteilungen, die für mehrere Wahlperioden Bestand haben, an Wahlkreise, die räumlich ein Ganzes sind, die die Grenzen der Städte und der Landkreise einhalten,
({3})
die nicht unnötig von alten Wahlkreisen abweichen, und ich denke daran, sie so zu schneiden, daß sie sich nach Möglichkeit mit den Landtagswahlkreisen decken.
Nun ist es doch ganz unstreitig, daß in einer Reihe von Ländern die Voraussetzungen der Gebiets- und Verwaltungsreform nicht abschließend gegeben sind
({4})
- doch, natürlich - und daß sich im Zusammenhang mit der Neugliederung des Bundesgebietes auch Verschiebungen der Landesgrenzen selber ergeben können, für wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich man sie auch halten möge.
({5})
Aber solche Änderungen können vorkommen, und
sicher bedeutet die Verschiebung von Wahlkreisen
zwischen den Ländern eine gewaltige Operation. Sie würde nämlich dazu führen
({6})
- auch das, Herr Kollege Miltner, werden Sie nicht bestreiten können -, daß man in immerhin fünf Bundesländern die Grenzen fast aller Wahlkreise neu zuschneiden müßte. Dies möchten wir nur dann tun, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, daß wir dann eine Regelung haben, die lange halten wird.
({7})
- Ja, wir warten dabei auch darauf, was die Ministerpräsidenten der Länder dazu sagen werden;
({8}) wir sind da außerordentlich neugierig.
({9})
Der Bericht der Sachverständigenkommission zur Neugliederung liegt ja auf dem Tisch, und die Uhr in Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes läuft. Es ist hochinteressant, das abzuwarten; das kann man in aller Ruhe tun.
({10})
- Welche Uhren ablaufen, darüber werden wir uns nach 1976 unterhalten!
({11})
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage .des Herrn Abgeordneten Berger?
Aber bitte!
Der Kollege Hirsch kann sicher eine Meldung vom vorgestrigen Tage bestätigen, nach der die Diskussion über die Neugliederungsfrage noch nicht so weit gereift ist, daß eine Entscheidung des Innenministeriums möglich wäre. Und stimmt es, daß das Innenministerium nun weiterhin auf den erforderlichen Konsens, der derzeit noch nicht erreichbar ist, wartet?
Herr Kollege Berger, ich kenne diese Meldung nicht.
({0})
Aber sicherlich sind wir uns darin einig, daß sich Bund und Länder gemeinsam - d. h. nicht nur der Bundesinnenminister, sondern auch die Ministerpräsidenten der Länder - um dieses große Problem der Neugliederung mit Intensität bemühen müssen, nicht nur wegen der Frist der Volksentscheide - bis zum 31. Mai 1975 sind ja einige fällig -, sondern auch deswegen, weil wir, wie Sie wissen, schon vor längerer Zeit z. B. den Vorschlag, einen Südweststaat zu bilden, vorgelegt haben. Darüber müssen wir dann doch einmal ernsthaft reden - im Interesse des Föderalismus und des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik, der mir genauso wie Ihnen sicherlich auch am Herzen liegt.
Also gut, das ist der eine Punkt: Wenn man die Wahlkreiseinteilung verändert, muß das halten.
Wir haben uns von den Verfassungsrechtlern überzeugen lassen, daß jedenfalls kein verfassungsrechtlicher Anspruch eines Landes besteht, einen weiteren Wahlkreis zu bekommen. Sie haben das in Ihrem Antrag erwähnt. Dem sehen wir in Ruhe entgegen.
Die Gefahr der Überhangmandate ist nie auszuschließen.
({1})
Daß Überhangmandate nichts Positives sind, darin sind wir einig, aber Überhangmandate sind nach unserem Wahlrecht möglich, sie sind rechtlich zulässig. Sicherlich ist das ein Punkt, bei dem man sich damit zufrieden geben kann, zu sagen, daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht drohen.
Zu der Frage des Wahlrechts der Deutschen im Ausland. Beide Modelle, die sozusagen zur Auswahl vorlagen, haben Vor- und Nachteile. Ich persönlich bin ein großer Anhänger der Idee, den Deutschen im Ausland das Wahlrecht zu geben, gar keine Frage.
({2})
Nur ist auch das ein Punkt, den man mit großer Sorgfalt und, wie ich meine, mit großer Mehrheit in diesem Hause erledigen sollte, insbesondere dann, wenn zwei Fragen offen sind. Sie haben eine angesprochen: die Frage einer Art europäischen Bürgerrechts. Dieses liefe bei der Verleihung des Wahlrechts zu den nationalen Parlamenten darauf hinaus, das Wahlrecht von der Staatsangehörigkeit zu trennen. Das ist ein großes Thema, das, meine ich, noch nicht ausdiskutiert ist. Kann man also auch denjenigen unserer Mitbürger das Wahlrecht geben, die bei anderer Staatsangehörigkeit die Möglichkeit haben, sich der Folgen ihrer eigenen Wahlentscheidung zu entziehen? Dies ist ein Thema, das meiner Meinung nach nicht ausdiskutiert ist.
Wenn aber ein Teil des Hauses der Auffassung ist, daß hierin ein Ansatzpunkt gesehen werden könnte für ein Mehr an europäischer Integration - eine Hoffnung, die ich persönlich in diesem Punkt nicht teile -, dann meine ich, muß man diesem Gedanken Raum geben und verfolgen, ob er sich verwirklicht. Deswegen sind wir der Meinung, daß es tragbar ist, diese Entscheidung jetzt noch nicht zu treffen, sondern dann endgültig zu entscheiden, wenn es Zeit ist, unsere Regeln für das Jahr 1980 zu bestellen. Ich meine also nicht, daß diese Entscheidung erst im Jahr 1980 getroffen werden kann, sondern so rechtzeitig, daß wir klare Verhältnisse sowohl bei der Frage der Wahlkreiseinteilung als auch bei der Frage des Wahlrechts der im Ausland lebenden Deutschen zur Wahl 1980 geschaffen haben und, wie ich hoffe, dann mit einmütiger Zustimmung dieses Hauses.
({3})
6884 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kempfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei relativ kurze Bemerkungen zur Frage der Wahlkreisänderung, insbesondere der Verteilung der Wahlkreise unter den Ländern.
Wenn man eine schwierige Rechenaufgabe hat, dann wird man guttun, die Probe zu machen, und wenn man ein Gesetz macht, das so kompliziert ist wie eine Wahlkreisverfassung, dann wird man guttun, wenn man sich die Folgen in der Praxis vor Augen hält und untersucht, ob diese sinnvoll, wünschenswert, erfreulich oder abzulehnen sind. Hier kann ich feststellen, daß möglicherweise - ich sage: möglicherweise - ein Überhangmandat entsteht. Das allein würde schon nach dem Bundesverfassungsgericht ausreichen,
({0})
um eine Wahlkreisänderung gegebenenfalls notwendig zu machen.
({1})
Aber ich darf auf eines hinweisen, was nicht möglich, sondern was sicher ist, nämlich daß Bayern eine Art „Unterhangmandat" bekommt - eine Sprachschöpfung von mir, Herr Schäfer ({2})
- danke! -, daß die Bevölkerung, die einem Wahlkreis entsprechen würde - etwa 183 000 bis 190 000 Einwohner - ohne eigenen Wahlkreis bleibt, und es ist bestimmt richtig, wie der Herr Kollege Wittmann ausgeführt hat, daß das auf die Stimmabgabe und auf die Stimmwertung keinen Einfluß hat. Aber es hat doch eine Wirkung auf die Betreuung des Wahlkreises in jeder anderen Hinsicht. Es ist nicht gleichgültig, ob ein ganzer Wahlkreis nicht von einem eigenen Abgeordneten betreut werden kann, sondern auf andere aufgeteilt werden muß.
Die Aufteilung auf andere aber schafft in einem Gebiet, das auch der Kollege Wittmann vertritt, nämlich in Niederbayern, möglicherweise völlig unmögliche Zustände, nämlich Wahlkreise von der größten Fläche von allen Wahlkreisen im Bundesgebiet und außerdem von einer Bevölkerungszahl, die über den Durchschnitt hinausgeht. Daß solche Wahlkreise - drei wären es mindestens - von einem Abgeordneten nicht mehr ordnungsgemäß betreut werden können, ist doch wohl klar. Das würde auch nicht dem entsprechen, was der Innenausschuß dem Innenministerium vorschlägt, nämlich die Wahlkreise nach den sozialbedingten und verkehrspolitischen Gegebenheiten zu schneiden, sondern es wäre das genaue Gegenteil bewirkt.
Ein zweiter Punkt! Es ist viel davon geredet worden, daß die Stellen hinter dem Komma nicht dazu führen könnten, die Wahlkreise zu verändern, und daß nur die Stellen vor dem Komma letztlich maßgebend sind. Ich bin der Auffassung, daß dann, 1 wenn aus Zahlen Rechtsfolgen abgeleitet werden, die Stellen hinter dem Komma genausoviel Wert haben wie die Stellen vor dem Komma. Wo kommen wir hin, wenn wir das nicht berücksichtigen!
({3})
Wenn wir diesen Gedanken, nämlich Nichtberücksichtigung der Stellen hinter dem Komma, konsequent zu Ende denken, dann kommen wir zu grotesken Ergebnissen, z. B. zu dem, daß der neue Staatspräsident Giscard d' Estaing überhaupt nicht rechtmäßig gewählt ist, weil er auch nur mit einer Stelle hinter dem Komma gesiegt hat.
({4})
Meine Damen und Herren! Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, dem Antrag meiner Freunde zuzustimmen.
({5})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, Drucksache 7/2132. Wir müssen über zwei Ziffern getrennt abstimmen, nämlich zunächst über die Ziffer 1.
Wer der Ziffer 1 des Änderungsantrages, Drucksache 7/2132, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Ziffer 1 des Antrages ist abgelehnt.
Ich rufe die Ziffer 2 des gleichen Antrages auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit gleicher Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Das ist die Drucksache 7/2063. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Ich rufe Punkt V der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien ({6})
-Drucksache 7/1878 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 7/2082 -Berichterstatter: Abgeordneter Haehser
b) Bericht und Antrag des Innenausschusses ({8})
- Drucksache 7/2081 Berichterstatter: Abgeordneter Spillecke
Abgeordneter Dr. Miltner
Abgeordneter Dr. Hirsch
({9})
Deutscher Bundestag -- 7, Wahlperiode Vizepräsident von Hassel
Ich danke den Berichterstattern. Wünschen Sie zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. - Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache in zweiter Lesung.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe auf Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig so angenommen.
Ich eröffne die
dritte Lesung.
Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die dritte Lesung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich sehe weder Enthaltungen noch Gegenstimmen. Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Wir müssen noch über den Ausschußantrag befinden; den finden Sie auf der Drucksache 7/2081. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Es ist so beschlossen.
Punkt VI der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes
- Drucksache 7/1490 Bericht und Antrag des Innenausschusses ({10})
- Drucksache 7/2040 Berichterstatter: Abgeordneter Gerster
({11})
Abgeordneter Spillecke
({12})
Ich danke den Berichterstattern. Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer dem Gesetz in den Artikeln 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht begeht. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir haben noch über den Ausschußantrag abzustimmen; Sie finden ihn auf Seite 3 der Drucksache 7/2040. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt VII der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
({13})
- Drucksache 7/2098 -Überweisungsvorsthlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissensnchaft ({14}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
- Drucksache 7/2099 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissensnchaft ({15}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Ich eröffne die Aussprache. Zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Vogelsang das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hause liegen zwei Gesetzentwürfe zur Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vor, der eine ein Entwurf der Bundesregierung, der andere ein Entwurf des Bundesrates. Der Gesetzentwurf des Bundesrates beschränkt sich auf die Anpassung der Freibeträge und der Bedarfssätze.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht über die Anhebungen der Leistungen und der Freibeträge hinaus. Man darf vielleicht alles weitere in folgende Komplexe zusammenfassen: Neben diesen Erhöhungen sieht der Entwurf eine Förderung auswärts untergebrachter Schüler ab der zehnten Klasse, eine Gleichstellung von Rentnern und anderen Einkommensbeziehern bei der Einkommensanrechnung und eine Erweiterung der Förderung im außereuropäischen Ausland vor. Ein weiterer Komplex: Erweiterung der elternunabhängigen Förderung für ältere Auszubildende, Berücksichtigung von Schulversuchen und eine nicht unwesentliche Komponente, die des Darlehnsanteils. Darüber hinaus werden einige wichtige verfahrensrechtliche Veränderungen vorgenommen, und es soll eine Umstellung auf das Stufenprinzip nach dem Bildungsgesamtplan erfolgen.
Wir wissen, daß wir damit nicht alle Wünsche der Betroffenen erfüllen und daß wir bei einigen Punkten - z. B. was die Darlehenskomponente angeht - sogar auf Ablehnung stoßen. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, daß die Kosten für ein besseres und gerechteres Bildungswesen heute von denen erbracht werden müssen, die die Chancen nicht hatten. Wir stimmen deshalb auch der Regierung bezüglich der Darlehen zu, wenn sie sagt:
Es erscheint deshalb nur gerecht, daß ein Teil
dieser Belastungen wiederum von denen über6886
nommen wird, die nun in besonderem Maße von dieser Leistung der Gesellschaft persönlichen Nutzen ziehen.
Wir verkennen dabei auch nicht, daß es sich bei dieser Änderung um einen wesentlichen finanziellen Aufwand handelt, daß sich nämlich die Leistungen innerhalb von fünf Jahren vervierfacht haben und daß allein die Leistungsverbesserung, wie sie jetzt vorgesehen ist, bezogen auf das Jahr 1974 50 % ausmacht.
Trotz allem können wir feststellen, daß wir im internationalen Vergleich sowohl bei der Förderung als auch bei der Darlehensgewährung gut dastehen. Wir glauben deshalb auch diese 'Darlehensregelung vertreten zu können.
Wir werden im Ausschuß alle Wünsche ernsthaft prüfen. Wir sind bereit, bildungspolitische Wünsche an den finanziellen Möglichkeiten zu orientieren und das, was möglich ist, möglich zu machen.
Im Auftrage der SPD-Fraktion erkläre ich, daß wir der Überweisung zustimmen. Wir versprechen eine zügige Beratung, um die vorgesehenen Termine einhalten zu können.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Zur Abgabe einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Fuchs das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung des Regierungsentwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erfolgt so spät, daß eine ausreichende und intensive Beratung in den Ausschüssen kaum mehr möglich ist, wenn das Gesetz vor der Sommerpause in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden soll. Jetzt rächt sich, daß die Bundesregierung den Bericht nach § 35 trotz mehrfachen Drängens der CDU/CSU-Fraktion, beginnend bereits vor einem Jahr, erst Mitte Dezember vorlegte. Nur mit sehr schlechtem Gewissen kann die Bundesregierung erwarten, daß die Ausschüsse den gesamten Gesetzentwurf, der eine ganze Reihe von neuen Regelungen enthält, in einem HauRuck-Verfahren berät.
Außerdem steht zu befürchten, wie übrigens ein einstimmig angenommener Entschließungsantrag des Kulturausschusses des Bundesrats feststellt, daß wegen der kurzen Zeit bis zum Inkrafttreten in zahlreichen Fällen eine Unterbrechung der Zahlungen erfolgen muß, weil die technischen Voraussetzungen einfach nicht zeitgerecht getroffen werden können. Wahrscheinlich wird es dadurch zu einem doppelten Verwaltungsaufwand kommen, weil vor der endgültigen Regelung erst Abschlagzahlungen geleistet werden.
Es ist dringend zu wünschen, daß die Bundesregierung in ähnlichen Fällen eine realistischere Zeitplanung verfolgt, weil sonst die Arbeit in den Ausschüssen, in den parlamentarischen Gremien, ad absurdum geführt wird. Das kann man, glaube ich, bestimmt nicht unter der Devise „mehr Demokratie" verstehen.
Die Gefahr einer überhasteten Beratung ließe sich vermeiden, wenn man zunächst den Gesetzentwurf des Bundesrats behandeln würde, der ebenfalls zur ersten Lesung hier vorliegt und der die Leistungsanpassung vorsieht. Leider wurde ein Antrag der CDU/CSU im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, der dies ermöglicht hätte, abgelehnt. Aber vielleicht kommen die Vertreter der Koalition im Laufe der Beratung doch dazu, daß es der bessere, der solidere und der für alle Berechtigten nützlichere Weg ist. Dabei könnte ja immer noch die Frage der Darlehen mit einbezogen werden.
Bevor ich zu ganz wenigen Kernpunkten noch Stellung nehme, möchte ich auf eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers bei der Regierungserklärung eingehen. Er spricht hier im Zusammenhang mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz von „wenig verantwortungsvollen Anträgen" der Opposition. Der Herr Bundeskanzler macht es sich hier aber allzu leicht. Er vergißt offensichtlich, daß es der Herr Bundesminister von Dohnanyi gewesen ist, der die Abgeordneten mehrmals aufgerufen hat, weitere Verbesserungen durchzusetzen. Er sollte daran denken, daß Kollegen seiner eigenen Fraktion gesagt haben: Das, was von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, kann und wird nicht das letzte Wort sein,
({0})
daß andere Kollegen der FDP-Fraktion die Berechtigung dieser Anliegen ebenso dargelegt haben. Im übrigen ist auch im Ausschuß für Kurlturfragen im Bundesrat eine Initiative in der gleichen Richtung, wie die CDU/CSU sie ergriffen hat, unternommen worden.
Dann darf ich darauf hinweisen, daß gerade der Kollege von der SPD, der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, für das Studentenwerk doch selber auch einen solchen Vorschlag gemacht hat. Bei all diesen Forderungen soll ausgerechnet die Opposition es sein, die hier nicht ihre Forderungen, die berechtigt sind, auf den Tisch des Hauses legt?! So kann der Bundeskanzler, glaube ich, das parlamentarische Spiel nicht verstehen.
({1})
Und im übrigen, meine Damen und Herren, geht es ja nicht um Leistungsverbesserungen, sondern es geht darum, daß der Stand von 1971 erhalten bleibt, und das ist, glaube ich, unter sozialen Gesichtspunkten keine unbillige Zumutung.
({2})
Nun zu ganz wenigen wesentlichen Bestimmungen des Gesetzentwurfes. Wir erkennen an, daß -mit einer zeitlichen Verzögerung von einem Jahr - eine gewisse Anpassung der Sätze und der Einkommensgrenzen erfolgt, wenn sie auch hinter der Entwicklung, der inflationären Entwicklung zurückbleibt.
Auch die Einbeziehung der Förderung der zehnten Klassen von Schülern, die außerhalb des Elternhauses untergebracht sind, wird von uns begrüßt.
Ebenso begrüßt wird die Tatsache, daß Berechtigte, die schon selbständig gewesen sind und für den eigenen Lebensunterhalt gesorgt haben, dann, wenn sie später an die Hochschule gehen, auch eine etwas familienunabhängigere Förderung bekommen. Auch das, glaube ich, ist der richtige Weg.
Ähnliches gilt für die Förderung des Studiums im außereuropäischen Ausland, wenn ich auch sagen muß, daß der Schritt, der dazu gemacht worden ist, auf Grund der gesamten hochschulpolitischen Lage, wie wir sie heute bei uns in der Bundesrepublik Deutschland vorsehen, sicher unzureichend ist. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich bemühen, hier gezielte Verbesserungen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, keine Zustimmung allerdings kann die CDU/CSU-Fraktion der eigenmächtigen Änderung in der Systematisierung und in der Bezeichnung der Schultypen geben. Denn das, meine Damen und Herren, läuft auf eine Änderung des Schulsystems hinaus, und da sind nach unserer Verfassung die Bundesländer zuständig. Ich hoffe nur, daß sich - im Gegensatz zu der Gegenäußerung der Bundesregierung die Bundesregierung und die Koalition dann bei der Beratung im Ausschuß von diesem falschen Anspruch loseisen lassen.
({3})
Die SPD /FDP-Koalition hat 1969 der Bildungspolitik eine erste Priorität eingeräumt. Doch bald öffnete sich zusehends eine Kluft zwischen Ankündigung und Wirklichkeit. Heute ist diese Priorität, wie ja auch die Regierungserklärung bewiesen hat, offensichtlich völlig im grauen Nebel verschwunden. Das gilt leider auch für die soziale Komponente in der Bildungspolitik.
Bei einer Steigerung der Nominaleinkommen von 1969 bis 1972, die ja Grundlage für die heutige Berechnung der Ausbildungsförderung sind, um 36 % bedeutet eine Anhebung der Freigrenzen um 20 % eindeutig eine gravierende Verschlechterung. Wenn wir auch wissen, daß die finanziellen Möglichkeiten beschränkt sind, so sind wir doch der Meinung, daß gerade in der Frage der Freigrenzen eine vertretbare Anhebung erfolgen muß, auch wenn damit das an sich berechtigte Ziel noch nicht erreicht werden sollte. Sonst werden wir bereits im Herbst dieses Jahres vor der Tatsache stehen, daß zahlreiche Kinder von Familien mit schmalem Einkommen, die weiterführende Schulen besuchen und an den Hochschulen studieren, eine geringere Ausbildungsförderung erhalten, als sie sie zur Zeit bekommen; ganz zu schweigen von der Tatsache, daß diese Frage nächstes Jahr so gravierend werden wird, daß wir diese Sache erneut als unbewältigtes Problem vor uns haben.
({4})
Nun zu den Grunddarlehen, wie sie im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen sind. Gegen die Darlehen haben wir im Grunde nichts einzuwenden. Nur ist der Lösung, wie sie hier vorgesehen ist, unserer Auffassung nach mit größten Bedenken zu begegnen. Denn erstens werden ganz erhebliche Mehrkosten für den Verwaltungsaufwand entstehen; mindestens 15 bis 20 %, sagen die Fachleute. Zweitens. Es ist keine Entlastung für den Bundeshaushalt für die nächsten Jahre zu erwarten.
Weiterhin müssen wir daran denken, daß nur etwa 70 % der Studienanfänger das Ziel des Studiums erreichen. Was geschieht dann mit den Darlehen derjenigen 30 %, die das Studienziel nicht erreichen? Ich glaube, wir müssen uns in diesem Falle eine andere Lösung einfallen lassen.
Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß vom bildungspolitischen Aspekt her eine solche Darlehensförderung mit Sicherheit ein falscher Weg ist. Das haben ja die SPD und die FDP früher aus bildungspolitischen Gründen selber ausdrücklich immer wieder anerkannt.
({5})
Ich verstehe, daß die finanzpolitischen Überlegungen in eine andere Richtung weisen. Aber da gibt es andere Wege, um vermehrte Ausgaben zu verhindern. Erst einmal sollte die Verzahnung der Bundesausbildungsförderung mit der Kindergeldregelung wirklich ab 1. Januar 1975 durchgeführt werden; denn bei beiden Leistungen ergibt sich eine große Überlappung. Da ist die Bundesregierung aufgefordert, die richtigen Wege zu gehen.
Zweitens darf die CDU/CSU darauf hinweisen, daß der Leistungsgedanke an den Schulen und an den Universitäten und Hochschulen stärker als bis jetzt in den Mittelpunkt gerückt werden muß. Das würde bedeuten, daß die großen Zahlen, die ja die großen Zahlungen mit sich bringen, eben nicht mehr dieses Übergewicht hätten.
({6})
Es wäre auch keine Benachteiligung der Kinder aus sozial schwachen Schichten, wenn diejenigen, die begabt sind, tatsächlich eine ausreichende Förderung erhalten. Ich glaube, das sollte das bildungspolitische und das finanzpolitische Ziel sein. Die CDU/ CSU-Fraktion wird sich dafür einsetzen.
Meine Damen und Herren, mit diesen wenigen Bemerkungen mag es sein Bewenden haben. Wir werden an die Beratungen im Ausschuß selbstverständlich zügig herangehen. Aber ich mache abschließend noch einmal darauf aufmerksam: Wir sollten all die komplizierten Regelungen, die hernach wirklich eine Erschwerung in der Verwaltung mit sich bringen und nicht rechtzeitig durchgeführt werden können, zunächst beiseite legen, um sie gründlich zu beraten und so das Notwendige vor den Parlamentsferien zu erreichen.
({7})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.
({8})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich werde es kürzer machen als mein verehrter Herr Vorredner.
Für die Fraktion der FDP darf ich zur heutigen ersten Lesung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des Bundesausbildungsförde6888
rungsgesetzes - das entsprechende Kürzel „2. BAföGÄndG" hat schon für sich einen Reiz, wie der Präsident vorhin festgestellt hat - und zum dazugehörigen Gesetzentwurf des Bundesrates folgende Erklärung abgegeben.
Beide Gesetzentwürfe stimmen zunächst in dem Vorhaben überein, sowohl die Bedarfssätze für Schüler und Studenten, als auch die Freibeträge vom Einkommen der Eltern oder des Ehegatten des Auszubildenden zu erhöhen. Die Obergrenze soll zukünftig bei 500 DM monatlich, was die Bedarfssätze angeht, und bei 960 DM monatlich, was die Freibeträge vom Einkommen der Eltern angeht, liegen.
Die FDP begrüßt, daß somit Verbesserungen für die in der Ausbildung Befindlichen angestrebt werden. Wir wissen, daß aus der Interessenlage der Betroffenen heraus sowohl ein früherer Zeitpunkt für die Erhöhungen als auch eine stärkere Anhebung in beiden genannten Bereichen notwendig erscheinen. Allein aus der isolierten Betrachtung der Lage der Betroffenen heraus lassen sich deren fordernde Argumente auch nicht widerlegen. Dies ist im Grunde unumstritten, oder, anders gesagt, wir Bildungspolitiker haben uns mit unseren bekannten Argumenten nicht durchsetzen können, als wir 520 DM und 1200 DM gefordert bzw. angeregt haben.
Unser Problem ist es - wie in anderen Bereichen, so auch hier -, das Gesamtvolumen der für den Bereich der Ausbildungsförderung aufgewendeten Beträge in eine vertretbare und politisch auch durchsetzbare Relation zu anderen Aufgaben zu bringen. Hier ist natürlich andererseits eindrucksvoll, wenn man sieht, daß - das fristgerechte Inkrafttreten dieses Gesetzes, von dem wir wohl ausgehen können, vorausgesetzt - der Mittelbedarf und die Ausgaben für die Ausbildungsförderung nach dem BAföG von 290 Millionen DM im Jahre 1971 auf 3,2 Milliarden im Jahre 1975 steigen; dies ist fast eine Verzwölffachung. Oder um eine andere Zahl zu nennen, die zugleich diese außergewöhnliche Steigerungsrate wesentlich begründet: Im Jahre 1971 wurden ca. 200 000 Studenten gefördert, 1975 werden es 390 000 sein; also fast eine Verdoppelung. Bei den Schülern ist der Anstieg von 160 000 auf 430 000 noch stärker und finanzpolitisch noch folgenreicher.
Dies muß so deutlich gesagt werden, um die großen Anstrengungen der Koalition auf diesem Gebiet zu verdeutlichen. Gegenüber den an sich berechtigten Wünschen der Betroffenen noch einer noch stärkeren Erhöhung soll hiermit erklärt werden, daß angesichts einer solchen Steigerungsrate die Abwägung gegenüber anderen Interessen und Ansprüchen nicht automatisch bei deren Vertretern zur Zurückstellung der subjektiv ebenso berechtigten Erwartungen führt -, die alte Prioritätenfrage also, die für mein Verständnis allerdings noch nicht befriedigend beantwortet ist!
Die Gesetzesvorlage der Bundesregierung enthält aber auch eine Reihe struktureller Verbesserungsvorschläge, über die wir nicht hier, sondern in den
Ausschüssen einzeln beraten werden. Die herausragenden Neuerungen bestehen in der Wiedereinführung eines Darlehnsanteils an der Förderung sowie in der Umstellung auf das Stufenprinzip.
Meine Fraktion akzeptiert mehrheitlich die von der Regierung für die Darlehnsförderung dargelegte Begründung, daß es einerseits gerecht erscheine, daß ein Teil der durch Ausbildungsförderung der Gesellschaft entstehenden Belastungen wiederum von denen übernommen werden sollte, die daraus persönlich Nutzen ziehen, und daß darüber hinaus auf diese Weise eine Ausweitung auf weitere Gruppen und eine weitere Verbesserung der ProKopf-Leistungen möglich und vertretbar würden. Über die Modalitäten im einzelnen müssen wir also im Ausschuß noch sprechen. Die Umstellung auf das Stufenprinzip entspricht der Konstruktion des Bildungsgesamtplans und sollte allein schon deshalb realisiert werden.
Lassen Sie mich abschließend fünf Punkte nennen, mit denen wir uns besonders zu befassen haben werden.
1. Übernahme der Kosten für Praktika und Examensarbeiten als besondere bzw. außergewöhnliche Aufwendungen.
2. Förderung der Studenten des zweiten Bildungsweges. Von diesen wird insbesondere das Verfahren der sogenannten Anhörung der Eltern als problematisch empfunden.
3. Die spezielle Problematik der Förderung des Diplomstudiums im Anschluß an Lehramtsprüfungen.
4. Die Anrechnung der Waisenrente.
5. Die Veranschlagung eines veränderten Wohngeldanteils im Bedarfssatz.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion unterstützt die Auffassung der Bundesregierung, daß durch eine sehr zügige Beratung in der neuen oder erneuerten Konzentration noch vor der Sommerpause die Verabschiedung dieses Gesetzes gesichert werden sollte, damit die Betroffenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Genuß der angestrebten Verbesserungen kommen können.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Sie sehen die Überweisungswünsche und Vorschläge in der Tagesordnung ausgedruckt. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist in erster Lesung so beschlossen.
Wir behandeln nunmehr die Punkte VIII sowie X bis XVI. Punkt IX rufe ich gesondert auf, weil dazu Erklärungen abzugeben sind.
Punkt VIII der Tagesordnung:
Erster Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen
Vizepräsident von Hassel
des Bundesversorgungsgesetzes ({1}) - Drucksache 7/2121 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({2})
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Punkt X der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg
- Drucksache 7/2069 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Punkt XI der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe
- Drucksache 7/2071 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Punkt XII der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller ({3}), Frau Schroeder ({4}), Frau Stommel, Dr. Götz, Frau Hürland, Burger und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Förderung sozialer Hilfsdienste
- Drucksache 7/2085 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({5}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Punkt XIII:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft ({6})
- Drucksache 7/1991 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({7})
Finanzausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Punkt XIV:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Schiffsvermessungsübereinkommen vom 23. Juni 1969
- Drucksache 7/2054 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr
Punkt XV:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Agrarberichterstattung ({8})
- Drucksache 7/1990 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Punkt XVI:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1974 ({9})
- Drucksache 7/1979 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({10}) Haushaltsausschuß
Es handelt sich dabei im wesentlichen um Vorlagen, die von Mitgliedern des Hauses, vom Bundesrat oder von der Bundesregierung vorgelegt worden sind.
Das Wort wird, soweit ich sehe, nicht gewünscht. Ich glaube, Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich vorschlage, die vom Ältestenrat vorgelegten und in der Tagesordnung ausgedruckten Überweisungsvorschläge anzunehmen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich komme zurück zu Punkt IX der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des EntwicklungshilfeSteuergesetzes
- Drucksache 7/2094 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({11})
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort dazu hat der Abgeordnete Schedl erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 7/2094 hat die Bundesregierung am 14. Mai 1974 dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes vorgelegt. Das Entstehen dieses Gesetzentwurfs ist für diese Regierung ebenso bezeichnend wie die Tatsache, daß er nun endgültig zu einem Zeitpunkt eingebracht wird, in der in diesem Hause ein Drittes Steuerreformgesetz, das von dieser Regierung als die große Steuerreform bezeichnet wird, in einem kaum mehr zu überbietenden Eilverfahren behandelt werden muß, weil von seiten der Koalition politische Termine eingehalten werden sollen. Trotz jahrelanger Überlegungen war es nicht möglich, diesen Gesetzentwurf hier frühzeitiger, rechtzeitiger einzubringen.
Das bisherige Entwicklungshilfe-Steuergesetz ist am 31. Dezember des letzten Jahren abgelaufen. Lange vorher, verstärkt im letzten Jahr, hat die CDU/CSU ihre Vorstellungen dazu vorgebracht und immer wieder darauf hingewiesen, wie notwendig
Schedl
es sei, hier keine Lücke in der gesetzlichen Regelung eintreten zu lassen.
Auch auf diesem Gebiete der Politik, auf dem viele Reformversprechungen in allen Bereichen verkündet werden, sind die öffentlichen Leistungen der Entwicklungshilfe deutlich zurückgegangen. Das wäre ein ausschlaggebender Grund gewesen, die privaten Leistungen der Wirtschaft mindestens gleichbleibend zu halten oder sie durch mehr Anreize so zu steigern, daß in der Addition das Gesamtvolumen zumindest nicht abnimmt. Dem Vernehmen nach war dies aber erst vor einer Reise von Bundeswirtschaftsminister Friderichs nach Brasilien möglich; dies soll der letzte entscheidende Anlaß für einen Kabinettsbeschluß gewesen sein, der offensichtlich die Grundlage für diese nun auf dem Tisch liegende Vorlage gebildet hat.
Es wäre natürlich interessant, in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinzuweisen, daß es in dieser Frage ein sehr langes Tauziehen zwischen den einzelnen damit befaßten Ressorts gegeben hat.
In dem nun vorliegenden Gesetzentwurf sind auch einige Punkte aus den Leitlinien der CDU/CSU zu dieser Gesetzgebung, die im Juni vorigen Jahres veröffentlicht worden sind, übernommen worden. In einigen Punkten allerdings weicht der vorgeschlagene Gesetzentwurf von diesen unseren grundsätzlichen Überlegungen ab.
Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen, nämlich die Absicht, in der Zukunft eine Staffelung der Rücklagen - zum einen in Höhe von 80 %, zum anderen in einer Höhe von 40 % - nach zwei Ländergruppen durchzusetzen. Auch wir sind der Auffassung, daß eine differenzierte Förderung sinnvoll ist. Dies bedeutet, daß wir im Bereich der 800/o mit Ihnen übereinstimmen. Bezüglich der übrigen Länder sollten wir aber zumindest die bisherigen Möglichkeiten der Rücklagenbildung beibehalten.
Die CDU/CSU-Fraktion will, daß mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes ein Gesetz geschaffen wird, das im Sinne einer verfahrensneutralen steuerlichen Förderung von Direktinvestitionen in der Zukunft eine deutliche Stärkung der Möglichkeiten in diesem Bereich mit sich bringt.
Die CDU/CSU begrüßt die spät, aber nun doch noch gekommene Vorlage. Sie behält sich allerdings vor, bei den jeweiligen Beratungen entsprechende Änderungsanträge einzubringen.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Huonker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung zu dem, was mein Herr Vorredner gesagt hat. Sie wissen so gut wie wir, daß bei allen Fraktionen die Steuerreform, verbunden mit einer Steuerentlastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die erste Priorität hat. Daran arbeiten wir. Deswegen ist es für Sie genauso klar wie für mich, daß das
Entwicklungshilfe-Steuergesetz dem zeitlich nachgeordnet werden muß, zumal ein nahtloser Anschluß an das alte Entwicklungshilfe-Steuergesetz dadurch gewährleistet ist, daß dieses Gesetz rückwirkend in Kraft treten, wird.
Im übrigen sind Sie jeden Beweis dafür schuldig geblieben, daß auch nur eine einzige Privatinvestition in einem Entwicklungsland deshalb unterblieben ist, weil dieses Gesetz im Augenblick noch nicht in Kraft ist.
Angesichts der Terminlage werden Sie mir sicher zustimmen, wenn ich darauf verzichte, jetzt über die Bedeutung und die Gefahren von Privatinvestitionen zu sprechen. Ich will ganz kurz die fünf wesentlichen Punkte dieses Gesetzes aus der Sicht der SPD-Fraktion hervorheben.
Erstens. Der Bewertungsabschlag wird gestrichen. Die steuerliche Förderung von Privatinvestitionen in Entwicklungsländern soll ausschließlich durch steuerfreie Rücklagen erfolgen; dies vor allem deshalb, weil bei erfolgreichen Investitionen in Entwicklungsländern der Bewertungsabschlag über das mit dem Gesetz verfolgte Ziel hinausgeht und bei fehlgeschlagenen Investitionen ein Vorteil sowieso nicht gegeben ist.
Zweitens. Durch die vorgesehene Staffelung der steuerfreien Rücklagen soll unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten ein besonderer Anreiz für Kapitalanlagen in den Entwicklungsländern geschaffen werden, die solche Investitionen am dringendsten benötigen, denen aber bisher deutsche Privatinvestitionen nur in völlig unzureichendem Umfang zugeflossen sind. Deshalb werden Kapitalanlagen in den 25 am wenigsten entwickelten Ländern und in Bangla Desch mit einer Rücklage von 80 % begünstigt, die übrigen mit einer Rücklage von 40 %.
Drittens. Entsprechend der Entwicklungsstrategie der Vereinten Nationen für die zweite Entwicklungsdekade und auch entsprechend der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesregierung sieht der Gesetzentwurf eine besondere steuerliche Begünstigung beschäftigungsintensiver Kapitalanlagen vor. Dies begrüßt die SPD-Fraktion ganz besonders, weil damit die Priorität in der Entwicklungspolitik anerkannt ist, nämlich Abbau der Arbeitslosigkeit in der Dritten Welt.
Viertens. Die Begünstigung von Privatinvestitionen im Bereich des Fremdenverkehrs, die schon durch die letzte Novelle zum EntwicklungshilfeSteuergesetz eingeschränkt wurde, wird nunmehr vollständig aus der steuerlichen Förderung herausgenommen. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil im Jahre 1971 mehr als zwei Fünftel, im Jahre 1972 sogar 62% aller durch das Entwicklungshilfe-Steuergesetz geförderten Privatinvestitionen nach Spanien und auf die Kanarischen Inseln geflossen sind, und zwar der Löwenanteil in lukrative Immobilienprojekte an den sonnigen Meeresküsten, und dies noch zumeist über sogenannte Abschreibungsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co KG. Wir sind der Meinung, daß eine weitere steuerrechtliche Förderung von FremdenverkehrsHuonker
projekten in Entwicklungsländern in Zukunft nicht mehr vertretbar ist.
Fünftens. Durch die Streichung des § 1 Abs. 6 sollen nunmehr auch beim Entwicklungshilfe-Steuergesetz die allgemeinen Bilanzierungsvorschriften beachtet werden müssen. Dies bedeutet, daß künftig die Vergünstigung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes nur noch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn zwischen dem Betrieb oder der Praxis des Investors und der Investition im Entwicklungsland ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
Meine Damen und Herren, die erneute Befristung der Geltungsdauer des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes auf fünf Jahre wird von der SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Die bisher mit dem Entwicklungshilfe-Steuergesetz gewonnenen Erfahrungen machen es unerläßlich, bis zum Ablauf der Fünfjahresfrist sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit das novellierte Entwicklungshilfe-Steuergesetz bewirkt haben wird, daß steuerlich begünstigte Privatinvestitionen, mehr als dies in der Vergangenheit der Fall war, im Endergebnis entwicklungspolitischen Zielsetzungen Rechnung tragen, und dies unbeschadet der eigenen Motivation des Investors. Dies vor allen Dingen deshalb - das möchte ich betonen -, weil wir die jährlichen Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe - die durch die Novelle zum Entwicklungshilfe-Steuergesetz um ein Drittel geringer werden, was wir begrüßen - nur dann für vertretbar halten, wenn die geförderten Kapitalanlagen in Zukunft stärker als bisher den Zielsetzungen des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes entsprechen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen wesentlichen Verbesserungen
({0})
gegenüber dem alten Gesetz. Ich will aber hier anmerken, daß einige Punkte dieses Entwurfs bei den Beratungen in den Ausschüssen aus unserer Sicht noch einer recht kritischen Diskussion bedürfen werden.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf im Namen der FDP-Fraktion folgende Erklärung abgeben.
Wir begrüßen den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes, und wir stimmen mit der Bundesregierung darin überein, daß die Privatinvestitionen der deutschen Wirtschaft in Entwicklungsländern die erwünschte stärkere Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit den Entwicklungsländern fördern und daß sie einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der internationalen Arbeitsteilung leisten.
Wenn diese Investitionen auch zur Sicherung der deutschen Energie- und Rohstoffversorgung beitragen, so ist das zu vertreten, wenn es gleichzeitig den Interessen der Entwicklungsländer entspricht. Das schließt nicht aus, daß uns ein anderer Name für dieses Gesetz lieber gewesen wäre.
Die steuerlichen Vergünstigungen sollen die besonderen politischen und wirtschaftlichen Risiken dieser Investitionen mildern. Wir begrüßen, daß der Mißbrauch im Bereich des Fremdenverkehrs ausgeschlossen worden ist. Wir begrüßen des weiteren, daß durch die besondere Berücksichtigung des Beschäftigungseffektes von Kapitalanlagen der Bedeutung, die der Verminderung der Arbeitslosigkeit in den Ländern zukommt, Rechnung getragen wird. Letztlich begrüßen wir die Staffelung der steuerfreien Rücklage und den damit verbundenen Anreiz zu Kapitalanlagen in den „least developed countries".
Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herr Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Augenblick nichts zu dem Gesetzentwurf sagen. Ich bin sicher, daß die Fraktionen bei der Beratung alles berücksichtigen werden, was nötig ist. Ich möchte nur für das Protokoll an einer Stelle Herrn Schedl widersprochen haben. Es ist nicht richtig, daß die öffentliche Entwicklungshilfe in den letzten Jahren Jahr für Jahr zurückgegangen ist. Sie ist vielmehr Jahr für Jahr gesteigert worden, absolut und im letzten Jahr auch relativ, d. h. bezogen auf das Bruttosozialprodukt.
({0})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Überweisungsvorschläge sind Ihnen aus der Tagesordnung bekannt. - Ich sehe keinen Widerspruch; damit ist auch Punkt IX erledigt.
Ich rufe nunmehr die Punkte XVII, XVIII, XIX, XX und XXI der Tagesordnung auf:
Punkt XVII.
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) über den Wahleinspruch des Ekkehardt Balnus, Emmerich, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/1952 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
({2})
Punkt XVIII.
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord6892
Vizepräsident von Hassel
nung ({3}) über den Wahleinspruch des Helmuth Manne, Frankfurt, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/1953 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
({4})
Punkt XIX.
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5}) über den Wahleinspruch des Hans Russ, Siegburg, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/1954 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
({6})
Punkt XX.
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({7}) über den Wahleinspruch des Hans Basekow, Siegen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/1955 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
({8})
Punkt XXI.
Beratung des Antrags des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({9}) über den Wahleinspruch des Dr. Klaus Schmiemann, Köln, gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vom 19. November 1972
- Drucksache 7/1956 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
({10})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die schriftliche Vorlage.
Zur Ergänzung hat der Berichterstatter Dr. Stark das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst feststellen, daß ich nicht als Berichterstatter spreche, sondern für den Wahlprüfungsausschuß. Wir legen Ihnen vom Wahlprüfungsausschuß heute die letzten fünf Entscheidungen über Wahlanfechtungen vor. Der Wahlprüfungsausschuß hatte beschlossen, daß mein Kollege de With, der bisherige Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, hierzu eine kurze Stellungnahme abgibt. Nachdem Herr de With inzwischen zum Parlamentarischen Staatssekretär erannt wurde, sind wir übereingekommen, daß ich als stellvertretender Ausschußvorsitzender die Stellungnahme abgebe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gingen insgesamt 40 Wahleinsprüche gegen die Bundestagswahl vom 19. November 1972 ein. In der 23. Sitzung vom 22. März 1973 haben wir Ihnen bereits 22 Wahleinsprüche gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 7. Deutschen Bundestag vorgelegt. In der 42. Sitzung vom 14. Juni 1973 waren es weitere 12 Wahleinsprüche.. Ein Einspruch wurde inzwischen zurückgezogen. Heute liegen Ihnen die letzten fünf Wahleinsprüche vor, die sich im wesentlichen mit dem wichtigen Problem der Scheinwohnwahlsitze von Berliner Bürgern beschäftigen. Wegen der Besonderheit und der Gewichtigkeit dieses Problems hat der Wahlprüfungsausschuß hier eine öffentliche Verhandlung durchgeführt, in der die Wahlanfechtenden Basekow und Schmiemann zu Wort kamen und in dem auch der Landeswahlleiter von Nordrhein-Westfalen und der Kreiswahlleiter des Wahlkreises 125 Siegen-Wittgenstein gehört wurden.
Ich darf Ihnen kurz das Ergebnis dieser öffentlichen Verhandlung noch einmal darlegen und im übrigen auf den Bericht auf Drucksache 7/1956 verweisen. Obwohl es durchaus möglich, ja, wahrscheinlich ist, daß in einigen hundert Fällen im Wahlkreis 125, Siegen-Wittgenstein, mit sogenannten Scheinwohnwahlsitzen gewählt wurde - also nicht ordnungsgemäß -, mußte der Wahlprüfungsausschuß feststellen, daß diese Wahlfehler keinen Einfluß auf die Zusammensetzung des Bundestages gehabt haben. Aus diesem Grunde mußten auch diese Wahleinsprüche zurückgewiesen werden.
Der Wahlprüfungsausschuß hat jedoch in diesem Zusammenhang klar zum Ausdruck gebracht, daß dies nicht so bleiben kann. Er hat deshalb eine Aufforderung an das Innenministerium gerichtet, alsbald gesetzliche oder verwaltungsmäßige Maßnahmen zu ergreifen, um einen solchen Mißbrauch des an und für sich bestehenden Wahlrechts der Berliner Bürger, wenn sie hier ordentlich einen Zweitwohnsitz haben, in Zukunft zu verhindern. Darauf kommt es uns im wesentlichen an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Wahlprüfungsausschuß hat sich mit diesen 40 Wahleinsprüchen sehr viel Mühe gemacht. Es muß einmal gesagt werden, daß hier, auf einem „nicht hochpolitischen Gebiet", aber in einem von der Geschäftsordnung und von der Verfassung her vorgeschriebenen Verfahren, sehr umfangreich und meines Erachtens auch sehr gründlich gearbeitet worden ist. Ich möchte an dieser Stelle dem bisherigen Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses, dem Kollegen de With, sehr herzlich danken für die loyale und allzeit sachgerechte Leitung des Ausschusses und auch für die gute Zusammenarbeit mit der Opposition. Ich darf , Ihnen, Herr de With, für Ihre weitere politische Tätigkeit in ihrem anderen Amt alles Gute wünschen.
({0})
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, möchte ich sowohl persönlich, als auch im Auftrag des bisherigen Vorsitzenden de With den Mitarbeitern des Wahlprüfungsausschusses, dem Sekretär und seinen Mitarbeitern, sehr herzlich für die umfangreiche Vorarbeit in diesen Wahlprüfungssachen danken.
({1})
Dr. Stark ({2})
Dies ist eine Arbeit - das sollten wir hier auch einmal sehen -, von der wenig nach außen dringt, die aber sehr viel Zeit und Mühe erfordert.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie zum Schluß bitten, den von uns vorgelegten Berichten und Entscheidungen, wie sie Ihnen in der grünen Mappe vorliegen, Ihre Zustimmung zu geben.
({3})
Vizepräsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ausschuß hat empfohlen, daß wir sämtliche Wahleinsprüche zurückweisen Ich glaube, wir können gemeinsam über alle aufgerufenen Tagesordnungspunkte abstimmen. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Wer dem Vorschlag auf Zurückweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ohne Gegenstimme so beschlossen.
Ich rufe den Punkt XXII der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Schröder ({5}), Frau Dr. Walz, Weber ({6}) und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Rationalisierung, Kosten- und Erfolgskontrolle im Bundesministerium für Forschung und Technologie
- Drucksachen 7/865, 7/1904 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Stavenhagen Abgeordneter Hoffie
Ich danke den Berichterstattern. Wünschen diese zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann stelle ich fest, daß wir gemäß dem Antrag des Ausschusses beschließen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt XXIII der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen ({7}) zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Benz, Engelsberger, Dr. Franz, Hösl, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Schröder ({8}), Frau Dr. Walz, Weber ({9}) und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Förderung der „Technologischen Forschung und Entwicklung" im Bundesministerium für Forschung und Technologie
- Drucksachen 7/890, 7/1972 Berichterstatter:
Abgeordneter Kern
Abgeordneter Engelsberger
({10})
Ich darf den Berichterstattern für ihren Bericht danken. Wünschen diese zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann darf ich feststellen, daß wir gemäß Empfehlung und Antrag des Ausschusses so beschlossen haben. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Leicht erbeten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Wichtigkeit der hier behandelten Gesetzesmaterie und bei allem Verständnis dafür, daß Fraktionen untereinander, daß Fraktionen zur Regierung hin miteinander reden müssen, wie eine Tagesordnung im Deutschen Bundestag abzulaufen hat, bin ich doch der Meinung, daß es der Öffentlichkeit unverständlich ist, daß wir einen Haushalt von 136 Milliarden DM unter diesen Umständen beraten müssen, wie wir das jetzt erleben.
({0})
Ich sage das unbefangen und mache keinem einzelnen in diesem Haus einen Vorwurf. Ich mache uns allen den Vorwurf, daß wir wahrscheinlich diese Frage nicht reiflich überlegt und nicht entsprechend dem Gewicht eingeschätzt, haben.
Wir haben gestern mittag um 14 Uhr mit der zweiten Beratung des Haushalts begonnen, wir haben, wenn ich mich richtig erinnere, bis heute nacht um halb drei Uhr unter zum Teil katastrophalen Umständen getagt, wir haben heute morgen um 9 Uhr die Beratung fortgesetzt, wir haben dann heute mittag etwa um 12.30 Uhr die Beratungen wieder unterbrochen, und wir werden vielleicht nachher um 16 oder 17 Uhr mit der dritten Beratung beginnen. Dann wird man den Kollegen, die zu einer solch wichtigen Sache reden sollen, wahrscheinlich noch sagen: Jetzt aber kurz, das muß schnell gehen, wir müssen bald fertig werden.
Ich stelle deshalb den Antrag -- ich hoffe, es unterstützen mich genügend viele Kollegen -, sofort mit der dritten Beratung des Haushalts zu beginnen.
({1})
Vizepräsident von Hassel: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben in der Geschäftsordnungserklärung den Antrag gehört, daß wir gleich mit der dritten Beratung des Haushalts beginnen sollten. Darf ich auf folgendes zur Geschäftslage verweisen.
Wir haben die Beratung des Haushalts zwischen zweiter und dritter Lesung zur Erledigung einer Fülle von Fragen, die fraglos dringend sind, auf bisher insgesamt eine Stunde und 30 Minuten unterbrochen. Es liegen, Herr Kollege Leicht, lediglich
Vizepräsident von Hassel
noch Tagesordnungspunkte vor, die in einer Minute erledigt sind, und dann könnte es eine Diskussion darüber geben, ob wir danach den Punkt XXVIII - Mietverhältnisse über Wohnraum - behandeln, bei dem man sich verständigt hatte, ihn vor die dritte Lesung zu nehmen, oder ob wir Ihrem Wunsche gemäß dann gleich - das wäre in allerhöchstens drei Minuten der Fall - die dritte Lesung aufrufen - die Meldungen zur Rednerliste liegen dazu vor -, und den Punkt XXVIII erst am Ende. Darüber gab es ein paar Diskussionen. - Mir, Herr Kollege Leicht, ist gesagt worden, daß zum Punkt XXVIII - Mietverhältnisse - insgesamt vier Wortmeldungen vorliegen, die alle nicht sehr viel länger als je fünf Minuten werden.
({2})
- Mir ist das gesagt worden.
Darf ich dann folgendes vorschlagen - Herr Kollege Leicht, ich glaube, darüber gibt es keinen Streit -: Die Punkte XXIV bis XXVI werden in einer Minute erledigt. Dann entscheidet das Haus darüber, ob es dem Vorschlag des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses folgt, sogleich in die dritte Beratung einzutreten, oder ob es dem interfraktionellen Vorschlag folgt, erst noch die Frage der Mietverhältnisse über Wohnraum - Punkt XXVIII - zu behandeln.
Bitte schön, Herr Kollege Schulte, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht wäre diese Diskussion nicht erforderlich gewesen, denn wir hatten uns verständigt, natürlich die dritte Lesung des Haushalts nicht nur so schnell wie möglich beginnen zu lassen, sondern ihr auch den gebührenden Rahmen und Raum hier im Hause einzuräumen. Das ist ganz selbstverständlich. Aber, Herr Kollege Leicht, es ist ja auch nicht so, daß wir nicht auch in der Vergangenheit eine gewisse Zäsur zwischen der zweiten und dritten Lesung des Haushaltes gehabt hätten, und aus ökonomischen Gründen haben wir gesagt: In diese Zäsur legen wir die anderen Punkte dieser Tagesordnung.
Ich mache jetzt den Vorschlag, den der Präsident schon angedeutet hat: wir erledigen die Restpunkte, zu denen es keine Diskussion geben wird, bis zum Punkt XXVIII, und diesen erledigen wir nach der dritten Lesung des Haushalts. Dann, glaube ich, werden alle zufriedengestellt sein.
Vizepräsident von Hassel: Ich sehe keinen Widerspruch.
Dann rufe ich die Punkte XXIV bis XXVI auf: Punkt XXIV:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({0})
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen
Teil-Zolltarifs ({1})
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({2})
- Drucksachen 7/1969, 7/1970, 7/2084 -Berichterstatter: Abgeordneter Suck Punkt XXV:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) zu den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kommission für
eine Verordnung ({4}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte raffinierte Erdölerzeugnisse
eine Verordnung ({5}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Polypropylen der Tarifstelle 39.02 C IV des Gemeinsamen Zolltarifs
eine Verordnung ({6}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für Acryl-Spinnfasern und Garne aus Acryl-Spinnfasern der Tarifstellen ex 56.04 A und ex 56.05 A des Gemeinsamen Zolltarifs
eine Verordnung ({7}) des Rates zur Einführung einer Genehmigungspflicht für die Einfuhr von Tonbandgeräten nach Italien mit Herkunft aus Taiwan
- Drucksachen 7/1745, 7/1994, 7/1771, 7/2083 Berichterstatter: Abgeordneter Suck Punkt XXVI:
Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({8}) zu dem von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({9}) des Rates über die Durchführung einer Erhebung über die Verdienste der ständig in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter
- Drucksachen 7/1708, 7/2086 -Berichterstatter: Abgeordneter Horstmeier
Den Berichterstattern danke ich für ihre Berichte. Wünschen Sie das Wort? - Das ist nicht der Fall. Sie sind damit einverstanden, daß wir zusammen abstimmen? - Das ist so beschlossen. Wir kommen zu der Abstimmung über die Ausschußanträge auf folgenden Drucksachen: 7/2084, 7/2083 und 7/2086. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Ich rufe nunmehr Punkt XXVII der Tagesordnung auf:
Vizepräsident von Hassel
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1974 ({10}) - Drucksachen 7/1100, 7/1504, 7/1911 bis 7/1938, 7/2027 Das Wort bekommt zunächst der Herr Abgeordnete Leicht. Bitte schön, Herr Abgeordneter Leicht!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst, wenn Sie es gestatten - was mir dann nicht auf meine Redezeit angerechnet wird -, als Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages ein herzliches Wort des Dankes nach Beendigung der zweiten Lesung zu Beginn der dritten Lesung an alle diejenigen sagen, die im Sekretariat des Haushaltsausschusses als Mitarbeiter mit uns zusammen in diesen letzten Monaten dem Streß und der Hektik ausgesetzt waren wie wir, die Kollegen des Haushaltsausschusses selbst. Lassen Sie mich auch ein Wort des Dankes sagen an die Mitarbeiter der Bundesregierung im Haushaltsausschuß, sicherlich eine Tausender-Zahl, der wir dort bei unseren Beratungen begegnet sind, für den Sachverstand und die Mithilfe, die es uns erleichtert haben, dieses große Werk von 136 Milliarden DM wenigstens einigermaßen zu durchdringen.
({0})
Lassen Sie mich als Vorsitzender des Ausschusses - ich darf das alles auch im Namen der Kollegen der SPD und der FDP sagen; ich habe mich dort bei den Obmännern erkundigt, das wird dort mitgetragen - aber auch noch ein ernstes Wort anfügen. Zunächst bedanke ich mich auch bei den Kollegen des Haushaltsausschusses, daß sie in monatelanger Arbeit unter einer ganz besonderen Atmosphäre und unter einem ganz besonderen Druck und ganz besonderer Hektik es fertiggebracht haben, diese Arbeit zu bewältigen. Die Kollegen wie ich auch haben seit dem vergangenen Herbst, als der Haushalt hier eingebracht wurde, ich muß sagen: leider - keine Möglichkeit gehabt, die hochinteressanten Auseinandersetzungen in diesem Parlament mitzuverfolgen. Sie haben die Gelegenheit bekommen, ab und zu zu namentlichen Abstimmungen in diesem Haus zu erscheinen, um dann sofort wieder in ihren Sitzungssaal zurückzukehren, um die Aufgaben zu bewältigen. Ich meine, hier muß sich das Parlament - hier ist mit Sicherheit in erster Linie der Ältestenrat angesprochen - etwas einfallen lassen, damit in Zukunft so etwas vermieden wird, denn es ist nicht zumutbar, daß Kollegen dauernd von dem, was hier im Plenum geschieht, außer, wenn die Haushaltsberatungen selbst stattfinden, Abstinenz üben müssen und sich dann noch besonders hinsetzen müssen, um ihren Wählern draußen auch mit all den Materien gegenübertreten zu können, die hier in diesem Bundestag behandelt werden.
({1})
Ich wäre also dankbar, wenn ich von allen Seiten
dieses Hauses Unterstützung bekäme, wenn es im
Ältestenrat darum geht, eine Regelung zu finden, die bessere Möglichkeiten eröffnet.
({2})
Lassen Sie mich jetzt noch das aufgreifen, was heute morgen bereits die Sprecher aus allen drei Fraktionen angedeutet haben. Es wäre gut, wenn wir in Zukunft für die zweite und dritte Lesung des Bundeshaushalts mehr Zeit und mehr Möglichkeiten hätten. Dann hätten wir auch Gelegenheit, so, manche Mißverständnisse, zu denen es durch die Hektik und den Zeitdruck kommt, zu vermeiden.
({3})
Es wäre z. B. ein Leichtes gewesen, sich hier über die Fragen der Personalvermehrung klar miteinander auseinanderzusetzen. Man hätte nur genau zuzuhören brauchen. Wenn man genau zugehört hätte, hätte man die Prozentsätze auch jeweils vergleichen können. Wenn man von den Beamten im Bundesdienst ausgeht, ist die Vergleichszahl eine andere, als wenn man von Beamten, Angestellten und Arbeitern im Bundesdienst ausgeht. Genaue Vergleiche sind natürlich nicht möglich, wenn man keine Zeit hat. Bis man die Unterlagen gefunden hat, ist das Thema in der Debatte längst abgehandelt, und es ist dann nicht mehr richtig, darauf zurückzukommen.
Ein zweites Beispiel. Es wäre im Gespräch sehr schnell möglich gewesen, Herr Minister Apel, Ihrem Einwand betreffend die überplanmäßigen Ausgaben 1968 zu begegnen. Man hätte durch Papiere klarstellen können, daß es sich damals zum großen Teil um Umbuchungen handelte und daß sich insofern nur ein Anteil von 1,4 % am Gesamthaushalt anstatt des von Ihnen genannten Anteils von 4,4 % - dieser Prozentsatz schließt die Umbuchungen ein - ergab.
Der Kollege von Bülow hat - das hat übrigens auch der Herr Bundeskanzler früher als Finanzminister einmal getan - die Verschuldung zum Bruttosozialprodukt in Beziehung gesetzt. Wenn man einmal nachgeschaut hätte, wenn man die Zeit gehabt hätte, wenigstens festzustellen, daß man nicht immer alles miteinander vergleichen kann, so hätte man sagen müssen, daß einem so geringen Haushalt wie dem von 1949 mit vielleicht 20 Milliarden DM bereits riesige Belastungen gegenüberzustellen waren - sogenannte Ausgleichsforderungen infolge der Währungsreform. In der Größenordnung von 19 bis 20 Milliarden DM - konstante Beträge bis heute - hatteni diese Belastungen damals natürlich einen viel höheren prozentualen Anteil des Gesamthaushaltes ausgemacht, als das heute der Fall ist. Zieht man diese Belastungen nicht in Betracht, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Verschuldungsanteil in den letzten Jahren - ich kritisiere das jetzt nicht - trotz Zurückhaltung in der Schuldenpolitik, z. B. in Bonn, doch erheblich gestiegen ist. Es wäre möglich gewesen, all dies miteinander aufzuklären, wenn man die nötige Zeit gehabt hätte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nach diesen Vorbemerkungen, die ich nachsichtig nicht unbedingt auf meine Redezeit anzurechnen bitte, zur dritten Lesung für meine Fraktion folgende Stellungnahme abgeben. Es ist den besonderen politi6896
schen Umständen zu verdanken, daß wir die dritte Lesung des Bundeshaushalts 1974 in unmittelbarem Anschluß an die Aussprache über die Regierungserklärung der zweiten sozialliberalen Regierung durchführen können. Als Sprecher meiner Fraktion bin ich in der glücklichen Lage, mich unmittelbar und in besonderer Weise an den neuen Bundeskanzler wenden zu können, weil er in den beiden letzten Jahren die Finanzpolitik der sozialliberalen Koalition entscheidend mit zu verantworten hatte und in Zukunft das Schwergewicht seiner Arbeit, wie sich aus der Regierungserklärung ablesen läßt, auf die Innenpolitik legen will.
Der Bundeskanzler sprach in seiner Regierungserklärung von den Erfolgen und der Kontinuität der sozialliberalen Politik. Bei allem Verständnis für die Schwierigkeiten, die der neue Bundeskanzler nach dem Rücktritt Brandts vorfindet, empfand ich persönlich - das ist eine Feststellung - es als, sagen wir einmal, anmaßend, zu behaupten, daß noch keine Regierung so viel geleistet habe wie die Regierung Brandt /Scheel.
({4})
Bei allem Respekt - Sie haben geklatscht - auch vor dem, was die alte Regierung wie frühere Regierungen ebenfalls - hier muß man ja immer eine gewisse Objektivität gelten lassen - geleistet ha- ben mag, scheint auch die neue Regierung eines nicht erkennen zu wollen, daß nämlich durch Parolen der Schwund an Wohlstand und Vertrauen nicht zu ersetzen ist.
({5})
Niemand draußen wird verstehen, warum ausgerechnet die „tüchtigste Regierung" zurücktrat. Man muß offenbar blind sein, um nicht mehr zu sehen, daß in der Welt ringsum - Sie merken: ich versuche, objektiv zu sein; ich verniedliche nicht, wie es die Regierung zum Teil tut - die Zeichen auf Inflation stehen, Europa politisch wie wirtschaftlich Tag für Tag um eine Hoffnung ärmer wird und daß auch die Entwicklung im eigenen Land nicht zum besten steht. Alle kompetenten Beobachter des wirtschaftlichen Geschehens sind sich in der Beurteilung der Lage einig: schwaches Wachstum, zunehmendes Beschäftigungsrisiko, unangemessen hoher Außenbeitrag, ein sich beschleunigender Preisauftrieb.
Es gibt - darin sind wir uns sicherlich alle einig - für diese Fehlentwicklung weltwirtschaftliche Gründe. Ganz ohne Zweifel haben sich das Rohöl und die übrigen Rohstoffe und Einfuhrgüter verteuert. Aber, Herr Bundeskanzler, es gibt auch - das muß man einfach deutlich sagen - ganz gewichtige binnenwirtschaftliche Gründe.
({6})
Es ist unbestreitbar, daß von der Bundesregierung zumindest nicht rechtzeitig - ich will nicht sagen: nicht; aber: nicht rechtzeitig - Entsprechendes dagegen unternommen wurde, daß sich diese Inflationsstöße im Inland ausbreiten konnten.
Auf dem Hintergrund der Entwicklung des letzten Jahres ist dieser Vorgang in dreifacher Hinsicht beachtenswert.
Erstens zeigt sich, daß Stabilitätspolitik nach wie vor möglich ist, und zwar entgegen so mancher verbreiteter Irrlehre.
Zweitens zeigt sich, daß die Stabilitätspolitik in dem Maße schmerzlicher wird, wie die Inflation voranschreitet.
({7})
Nur eine vergleichsweise kurze Bremsstrecke von Mai bis Dezember 1973 und nur ein gemäßigtes Maßnahmenbündel reichten aus, die Beschäftigung absinken zu lassen, ohne auch nur etwas für die Preisstabilität zu gewinnen. Das ist doch das, was uns bewegen muß und uns dazu veranlassen muß, zu suchen, wie man dem unter Umständen begegnen kann.
Drittens zeigt sich, daß die Stabilitätspolitik in dem Maße an Glaubwürdigkeit verliert, wie die Haushalts- und Finanzpolitik ihren Beitrag zu mehr Stabilität verweigert.
Der Bundeskanzler sprach in seiner Regierungserklärung von der Kontinuität der sozialliberalen Politik. Fürwahr, die Haushaltspolitik steht im Zeichen der Kontinuität. Der Bundeshaushalt 1974 ist wie seine Vorgänger Folge und Ursache einer gefährlichen Entwicklung, die auf die Dauer nicht spurlos an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung in diesem Land vorübergehen wird. Denn ebenso gefährlich wie die Verlockungen moderner Sozialschwärmer und Drohungen radikaler Gesellschaftsreformer ist die Inflation und ihre permanente Verharmlosung für den Fortbestand unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie.
({8})
Es ist die ständige Verharmlosung und Relativierung der Geldwertstabilität, die mir Sorge macht. Es ist schlimm genug, daß die Inflation ringsum als ein Mittel zur vermeintlichen Lösung von gesellschaftlichen Konflikten betrachtet wird. Wir alle wissen auch um die Gefahren, die einem Land erwachsen können, das um größere Stabilität bemüht ist. Nur, meine Damen und Herren von der Koalition, zumindest diesen Vorwurf können Sie nicht ernsthaft bestreiten: Sie waren es doch, die die Möglichkeiten der außenwirtschaftlichen Absicherung zum Teil - ich bin sehr vorsichtig - falsch eingeschätzt oder oft überschätzt haben, und zwar in der Erwartung, dadurch ein größeres Maß an fiskalpolitischer Handlungsfähigkeit für Ihre Politik der angeblichen inneren Reformen zu erhalten.
Die entscheidenden kritischen Phasen der Entwicklung der letzten Jahre - angefangen von den unzähligen Versprechungen über Reformpläne, steigende Staatsausgaben, Überlassen der Hauptlast der Bemühungen um Stabilität an die Bundesbank bis zum Haushalt 1973 und zum heutigen Haushalt 1974 - sind in den letzten beiden Tagen von meinen Kollegen zur Genüge deutlich gemacht worden.
1973 - und das ist ein Ausgangspunkt für 1974 - expandierte der öffentliche Gesamthaushalt - und den müssen wir auch sehen; ich will jetzt nicht nur den Bund nehmen - mit 13 °/o, und nur die inflationsbedingten Steuermehreinnahmen und SteuerLeicht
erhöhungen bewahrten ihn vor größeren Defiziten. Diese Entwicklung kennzeichnet die sogenannte Stabilitätspolitik der letzten Jahre. Sie mutet jedermann alles zu, der Staat selbst aber - und ich sage wiederum: der Staat - ging in die Vollen.
Widerspruchsvoll wie diese Politik sind ihre Auswirkungen. So stellen wir heute fest, daß die Stabilisierungslast auf den Schultern der Steuerzahler immer drückender wird, daß die öffentliche Hand - wiederum die gesamte öffentliche Hand - zwar Konjunkturrücklagen hat, an die sie nicht heran darf - aus den Gründen, die zum Teil im Gesetz liegen -, sich aber dennoch in diesem Jahr wie nie zuvor verschulden muß, daß wir in der außenwirtschaftlichen Absicherung die Grenzen erreicht haben, aber Exportüberschüsse in unangemessener Höhe verzeichnen. Und schon vernehmen wir wieder einmal das groteske Ansinnen, Exportüberschüsse mit einer schuldenfinanzierten Forcierung der Staatsnachfrage entgegenzuwirken.
Dieser Widerspruch kennzeichnet auch den gegenwärtigen wirtschaftlichen Kurs. Bei der Bundesbank stehen die Ampeln -- ich sage: noch; so muß ich jetzt sagen, da ja heute wohl eine Sitzung des Zentralbankrates stattfindet und ich auf Grund von Zeitungsmeldungen so manche Vermutung habe und ich nicht weiß, ob es noch so ist; aber vielleicht kann die Bundesregierung dazu etwas sagen - in der Geld- und Kreditpolitik noch auf Rot,
(
Bleibt sie auch!)
- sehr gut -, im Wirtschaftsministerium auf Gelb und im Finanzministerium, na, ich würde sagen, fast schon auf Grün. Es bleibt ein Geheimnis der Bundesregierung, den Widerspruch zwischen restriktiver Geldpolitik und expansiver Fiskalpolitik im Sinne der Zielsetzungen des Stabilitätsgesetzes zu lösen. Sie mag sich dabei noch eine Weile der Illusion hingeben, daß der Bürger die Ausgaben von Milliarden als einen Beweis für soziale Gerechtigkeit werte. Doch spätestens seit den letzten Landtags- und Kommunalwahlen habe ich persönlich die Hoffnung, daß Zweifel und Kritik wachsen, ob jene Riesensummen von Steuergeldern noch sinnvoll und sparsam zum Wohl des Bürgers verwendet werden.
Und wenn ich hier noch eine Zwischenbemerkung einschieben darf - ich habe es schon angedeutet -: Heute tagt der Zentralbankrat. Der Herr Bundeskanzler hat dankenswerterweise den Zuruf gemacht, da passiere nichts. Insofern kann ich hoffentlich etwas beruhigt sein. Mir scheint, daß alles, was gestern in diesem Haus gesagt worden ist, berücksichtigt werden muß, insbesondere auch das, was der Herr Bundeskanzler zur Frage der Doppelstrategie gesagt hat. Da eben die Befürchtung: Wird diese Doppelstrategie, nämlich harte Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank, auf der anderen Seite aber - zum Teil wurde gesagt: dort, wo es notwendig ist, strukturschwache Gebiete; das ist alles noch verständlich - eine expansive Finanzpolitik, durchgehalten werden können? Ich sage noch einmal: Der Zwischenruf beruhigt mich, daß da nicht heute auch schon grünes Licht gegeben worden ist.
Auch das muß einmal deutlich gesagt werden. (1 Und die kritische Beurteilung des Haushaltes 1974 muß an diesem Punkt ansetzen; denn dieser Haushalt 1974 ist ein weiterer Meilenstein auf dem abschüssigen und gefährlichen Weg, wie ich meine, in weitere Entwertung. Was sein Volumen, seine Finanzierung, seine Struktur und seine Bedeutung für andere Bereiche angeht, so trägt er das Zeichen der Inflation.
Nach außen erklärt man, es solle gespart werden. Aber wenn man einmal in die Einzelheiten einsteigt -- das ist nur ein kleines Beispiel; aber ich verstehe unter Sparen, auch schon bei Kleinigkeiten anzufangen -, dann wird man gleich viele Dinge sehen, dann wird man feststellen, daß allein bei den Propagandamitteln, bei den Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit eine Steigerung von 19 % erfolgt gegenüber dem Jahr 1973. Da muß man sich wirklich fragen: Ist denn das, was man nach außen als Sparen vertritt, wirklich geschehen?
Sie erinnern sich, daß der Haushalt mit 134,4 Milliarden DEM im Oktober 1973 eingebracht worden ist bei einer Nettokreditaufnahme von 2,3 Milliarden DM; vorbelastet mit einer Reihe von nicht berücksichtigten Mehrbelastungen, behaftet mit formalen Mängeln und versehen mit den Werbeargumenten „Kontinuität" und „Konjunkturneutralität".
Heute nun sieht der Haushalt ganz anders aus. Sein Volumen ist mit 136,4 Milliarden DM per Saldo um 2 Milliarden DM höher. Die Nettokreditaufnahme beträgt 7,6 Milliarden DM. Sehen Sie, hier könnte man sagen: So einfach ist Haushaltspolitik. Was fehlt, wird halt gepumpt. Und um plausible Begründungen ist man sicherlich nie verlegen. So wird die Bundesregierung auch hier argumentieren, daß sich diese unerwünschten
({0})
- das ist richtig, Herr Bundeskanzler; ich werde dazu gleich etwas sagen, warum Sie noch nichts gepumpt haben; aber Sie wollen es doch, Sie müssen es doch, nicht wahr, wenn man das sieht ({1})
Veränderungen auf Grund unvorhersehbarer Entwicklungen ergeben hätten: zwei Milliarden DM Neuverteilung der Umsatzsteuer an die Länder, zwei Milliarden DM Steuerausfälle auf Grund der neuesten Steuerschätzungen und zwei Milliarden DM infolge zwangsläufiger Mehrausgaben, insbesondere für die Besoldungsverbesserungen, Heizölkostenzuschüsse usw.
Einen Vorwurf muß sich die Regierung meiner Meinung nach aber mindestens gefallen lassen. Es ist nicht sauber, immer wieder den Anschein erwecken zu wollen, als seien nur andere Schuld daran, daß der Bund sein geplantes Ausgaben-Soll überziehen muß. Es ist nicht die Abweichung des Ist vom Soll, sondern die Art und Weise, wie beide im Zuge der Haushaltsplanung und Haushaltsführung unsauber miteinander verquickt werden - hier mit dem Fingerzeig auf die Länder, auf Ge6898 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode Leicht
werkschaften, auf Ölkrise -, unsauber deshalb, weil die Regierung auch schon im Oktober des vergangenen Jahres, als der Etat vorgelegt wurde und die Neuverteilung der Umsatzsteuer heranstand, um ihre Verantwortung gewußt hat, weil sie in früheren Jahren durchweg die in der Regel inflationsbedingten Steuermehreinnahmen recht unbekümmert schnell verausgabt hat, und nicht zuletzt auch, weil sie nichts unternommen hat, die Lohn- und Gehaltsforderungen im öffentlichen Dienst auf einem vertretbaren Maß zu halten.
Bei allem Verständnis für diese und jene Seite - dazu ist auch in der Regierungserklärung etwas gesagt worden, nämlich dazu, was sich bei den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst gezeigt hat -: Es ist nicht zu verkennen, daß sich der Inflationsprozeß - und daran muß man wieder anknüpfen, dann wird man vieles auch an Forderungen verstehen können - in allen seinen sozialen, politischen und ökonomischen Bezügen auf ein reines Machtproblem reduziert, wenn die Regierung aufhört, ihre gesamtwirtschaftliche Verantwortung zu tragen. Ich bedauere es außerordentlich, daß die Koalition sich nicht dazu aufraffen konnte, wenigstens den Versuch zu unternehmen, das von uns vorgeschlagene Inflationsentlastungsgesetz mit in die Tarifauseinandersetzungen einzubeziehen,
({2})
um auf diese Weise einen mäßigenden Einfluß auf die Tarifabschlüsse auszuüben. Ich sage bewußt: noch nicht mal den Versuch unternommen hat. Ich weiß gar nicht, ob es geglückt wäre, aber versuchen hätte man es müssen.
Die Abgabenlast des Bürgers hat inzwischen eine Höhe erreicht, die inflatorisch wirkt, sowohl weil sie höhere Geldlohnforderungen provoziert, die unter Vollbeschäftigungsbedingungen und entsprechenden Regierungsgarantien auf die Preise überwälzbar sind, als auch - das scheint mir unter dem Aspekt öffentlicher Haushalte noch wichtiger zu sein -, weil sie die Sparneigung drückt und so den stabilitätsnotwendigen Einschränkungen des privaten Konsums entgegenwirkt. Das ist doch der Punkt, meine Damen und Herren, der heute nach fünf Jahren der offenen und heimlichen Steuererhöhungen erreicht ist. Die heimlichen Steuererhöhungen machen für 1974 nach einer neueren Berechnung schon etwa 30 Milliarden aus; die offenen Steuererhöhungen - Branntwein, Tabak, zweimal Benzin und Dieselkraftstoff, Treibstoff, Wegfall des Zinsenabzuges bei den Sonderausgaben - weitere sieben Milliarden. Dazu kommen Substanzverluste der Sparguthaben und was weiß ich alles. Dazu hat mein Kollege Sprung das nötige gesagt. Wenn man das sieht, dann versteht man, was ich sagen will.
Das ist der Punkt, der heute nach fünf Jahren der offenen und der heimlichen Steuererhöhungen erreicht ist.
Die Zuwachsrate der Bundesausgaben beträgt nach offiziellen Angaben 12 v. H., ist jedoch methodisch, wie ich meine, noch immer nicht einwandfrei errechnet. Es entspricht der Kontinuität der Haushaltspolitik der Bundesregierung, die Kontinuität der Haushaltsgestaltung immer wieder ein wenig zu durchbrechen. Ich will die Dinge nicht dramatisieren, aber unterschlagen werden sollten die methodischen Unsauberkeiten auch nicht.
, Sosehr wir begrüßen, daß die bislang im Haushalt nicht eingestellten Mittel für Straßen- und Wasserstraßenbauvorhaben - also Öffa - und für die Krankenhausfinanzierung jetzt in den Haushalt aufgenommen worden sind - ich erkenne das bewußt an, weil es auch mit unser Verdienst war, das im Haushaltsausschuß durchzusetzen; der damalige Finanzminister und jetzige Bundeskanzler hat das in diesem Haushalt erreicht -, so sehr bedauern wir es aber auch, daß die erneut gestundeten Zuschüsse an die Rentenversicherung der Angestellten in Höhe von 650 Millionen DM nicht veranschlagt sind,
({3})
daß die Ergänzungszuweisungen an die finanzschwächeren Länder - Sie wissen, da gibt es sogar Divergenzen zwischen uns und CDU-regierten Ländern - in Höhe von 800 Millionen DM ebenfalls nicht veranschlagt, sondern als Mindereinnahmen von vornherein von den Einnahmen abgezogen werden, im nächsten Jahr - ich hoffe, das kann noch verhindert werden - mit der Herausnahme der Ausgaben für die Kohleverstromung ein neuer Schattenhaushalt, Nebenhaushalt oder wie Sie es bezeichnen wollen - ich sagte: hoffentlich kann es verhindert werden -, geschaffen wird, der am Haushalt vorbei geleistet und finanziert wird. Und wir bedauern nicht zuletzt auch, daß in der Finanzplanung für das nächste Jahr die sich ergebende Änderung bei der EG- Finanzierung nicht zu einer methodischen Umrechnung geführt hat. Aber ich nehme an, das wird erfolgen. Der Staat wird also auch in diesem Jahr überdurchschnittliche Ansprüche an das Sozialprodukt und an das Leistungsvermögen der Volkswirtschaft stellen. Ich habe auch hier wiederum bewußt vom Staat gesprochen.
Inflation kann das nur bedeuten, wenn dieses Mehr an öffentlichen Ansprüchen über Schulden finanziert wird. Mit Rekordsummen geht die öffentliche Hand - auch hier wieder: die öffentliche Hand -- in diesem Jahr an den Kapitalmarkt. Ich nenne die Bruttobeträge, einfach damit man sich einmal eine Vorstellung machen kann. Die Bruttobeträge sagen im Endeffekt auch mehr aus. Allen voran der Bund, der ohne ERP und Lastenausgleichsfonds einen Kreditbedarf von brutto 13 Milliarden DM eingeplant hat - im Vorjahr waren es 8,2 Milliarden DM -, dann die Länder mit 8 Milliarden DM - im Vorjahr 4,5 Milliarden DM. Es folgen die Gemeinden mit zirka 9 bis 10 Milliarden DM - im Vorjahr 10,5 Milliarden DM. Auf 8,5 Milliarden DM beläuft sich der Bruttokreditbedarf bei der Bundespost - im Vorjahr 6,2 Milliarden DM - und auf 3,2 Milliarden DM bei der Bundesbahn - im Vorjahr 2,3 Milliarden DM. Der Bruttokreditbedarf der öffentlichen Hand beträgt somit insgesamt 42 Milliarden DM - im Vorjahr 32 Milliarden DM.
Das sollte uns wirklich Sorgen machen, wobei man aber immer noch die Hoffnung haben kann, daß wiederum ein Teil durch mehr inflationsbeLeicht
dingte Steuern ausgeglichen wird. Niemand kann das im Augenblick absehen. Es gibt schon Stimmen, die sagen, die Steuerschätzung sei nicht mehr so, es sei mehr zu erwarten. Wir müssen uns da auf die Institute und Schätzungsinstanzen verlassen. Ich mache niemandem einen Vorwurf, wenn er diese Zahlen übernimmt. Das kann also vielleicht gemildert werden um 2, 3, 4 Milliarden DM. Ich will nur einmal so greifen; mehr ist da nicht drin. Dann bleiben immer noch fast 40 Milliarden DM übrig. Die Tilgungen belaufen sich auf knapp 17 Milliarden DM. Es bleibt eine Nettoneuverschuldung von 25 Milliarden DM. Nach den Rechnungen der Bundesbank sind es sogar noch 2 Milliarden DM mehr. Ich habe also hier nicht die Höchstbeträge genommien, sondern die Beträge, die wohl auch der Finanzminister seinen Vorstellungen zugrunde gelegt hat. Das entspricht fast einem Drittel - und das ist wiederum bezeichnend und sollte uns allen Sorge machen - der zu erwartenden Geldvermögensbildung, die im Vorjahr bei runden 78 Milliarden DM lag und in diesem Jahr hoffentlich höher ist. Es ist aber ein Drittel. Wenn ich von 40 Milliarden DM brutto ausgehe, werden wir also Glück haben, wenn das reicht.
Ich weiß nicht, aus welchen Quellen die Bundesregierung ihre Weisheit schöpft, solche Riesensummen über den Kapitalmarkt aufnehmen zu können, ohne gleichzeitig zinstreibend und preistreibend zu wirken. Herr Kollege Dr. Sprung hat auch dazu heute morgen vieles gesagt. Lassen Sie mich das nur noch ein bißchen ergänzen.
Zugestanden, die öffentlichen Hände, vor allem der Bund, haben sich im ersten Quartal dieses Jahres - Herr Bundeskanzler, jetzt kommt das - bei der Inanspruchnahme des Kreditmarkts noch ziemlich zurückgehalten. Dafür mußten sie in starkem Maße Kassenkredite aufnehmen. Das ist kein Vorwurf. Es war nämlich richtig, sich zurückzuhalten. Doch das geschah nicht aus Gründen der Enthaltsamkeit, sondern vielmehr aus Rücksicht mit Recht - auf die Schwäche des Kapitalmarktes.
({4})
- Ich sage es ja.
Es sind beinahe noch gestrige Ereignisse - und das kann man sich auch einmal in Erinnerung rufen -, daß bei einer ganzen Anzahl von öffentlichen Anleihen Stützungskäufe vorgenommen werden mußten, um größere Kurseinbrüche zu verhindern. So liegen doch die Verhältnisse. Es kann gar keinen Zweifel geben, meine Damen und Herren, daß 11 v. H. nicht die Obergrenze bleiben kann, wenn die Bundesbank einen restriktiven Kurs steuern und nicht eine weitere Liquiditätsvermehrung aus dem Ausland stillschweigend dulden will. Das gilt um so mehr, als bei einer fortschreitenden Konjunkturbelebung die enorme Kreditaufnahme der öffentlichen Hand zunehmend auf die Konkurrenz der Kreditnachfrage der privaten Wirtschaft trifft. Dieser Zwiespalt ist sehr, sehr problematisch. Sicherlich hat im Augenblick keiner ein Patentrezept dafür. Aber deshalb muß es uns um so mehr Sorge bereiten. Wenn die öffentliche Hand durch den Einsatz der angesammelten Sonderguthaben, also der Konjunkturausgleichsrücklagen usw., ihre stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit nicht vollends verspielen will, dann ist sie bei der geplanten Schuldenfinanzierung über den Kapitalmarkt darauf angewiesen, Ersparnisse zu mobilisieren. Sie ist dabei gegenüber der Privatwirtschaft insoweit im Vorteil, als sie ohne Rücksicht auf Rentabilitätsüberlegungen höhere Zinsen bieten kann. Wir haben die Fälle ja erlebt. Denken Sie an Bundespostanleihen und ähnliches vor einigen Jahren! Die Aufteilung der Ersparnisse zwischen öffentlichem und privatem Sektor ist daher auch in erster Linie eine politische Entscheidung. Entweder steigt das Zinsniveau so weit, daß die Kapitalversorgung der Privatwirtschaft gefährdet wird, oder aber die Bundesbank wird gezwungen, gegen ihren Willen und gegen die Erfordernisse der Konjunkturlage Liquidität freizugeben, um einen Zinsanstieg zu verhindern.
Der letzten Alternative steht es gleich, wenn die Bundesbank Devisen ankaufen muß, um die im Währungsverbund verbliebenen Währungen zu stützen, weil die Bundesregierung die notwendige Wechselkurskorrektur ablehnt. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Bundesregierung gerade deshalb am starren Wechselkurs - ich will jetzt nicht werten, ich stelle nur fest - im Gruppen-Floating festhält, um den Kapitalmarkt mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen und ihn damit für die Aufnahme hoher Kredite durch die öffentliche Hand vorzubereiten.
Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt?
Selbstverständlich.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie sich auch vorstellen können, daß die Bundesregierung in erster Linie aus sehr dringlichen europapolitischen Zwecksetzungen an dem Gruppen-Floating festhält?
Das kann ich mir auch vorstellen, Herr Bundeskanzler. Aber, Sie gestatten mir doch auch, in diesem Zusammenhang die Frage der Bewältigung der Kreditpolitik und der Möglichkeiten des Kapitalmarkts aufzuwerfen.
({0})
Auf die finanzielle Situation von Bundesbahn und Bundespost will ich nicht im einzelnen eingehen. Dazu hat mein Kollege Dr. Jenninger gestern -zwar in einem Kurzbeitrag, aber ich glaube, deutlich genug - schon etwas gesagt. Lassen Sie mich - und das gehört auch, glaube ich, zu unseren Überlegungen und zu den Sorgen, die wir haben müssen - nur folgendes feststellen. Ich darf daran erinnern, daß wir der Bundesbahn dieses Jahr, im Haushalt 1974, Zuschüsse in Höhe von 9,6 Milliarden DM geben müssen. Ob es dabei bleibt, weiß niemand; keiner kann heute schon sagen, ob nicht Ende des Jahres wiederum, wenn Geld vorhanden ist, die Möglichkeit genutzt wird, eben weil es not6900
wendig ist, noch mehr zu geben. Wenn das so weitergeht, wird die Bundesbahn schon in wenigen Jahren - das macht mir Sorge - so viel an Bundeszuschüssen schlucken wie heute die ganze Verteidigung.
({1})
Bei der Bundespost liegen die Dinge nicht sehr viel besser; denn auch hier zeichnen sich trotz dreier gewaltiger Gebührenerhöhungen bleibende Defizite ab, die in den kommenden Jahren Milliardenzuschüsse aus dem Bundeshaushalt erfordern könnten. Ich drücke mich vorsichtig aus; aber ich glaube, es ist eine nüchterne Feststellung. Ich sprach von bleibenden Defiziten: Die Bundespost geht mit Sicherheit trotz der Gebührenerhöhungen mit einem Verlustvortrag von über 4 Milliarden DM in das Jahr 1975. Die Ursache dieser Entwicklung ist, glaube ich, dieselbe wie im übrigen öffentlichen Bereich - darüber brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten -; es ist die Inflation, und es ist die überdurchschnittlich steigende Personalkostenlast. Ich will hier nicht werten. Man könnte auch noch viele andere Dinge anführen, z. B. die Frage der Rationalisierung usw.
Lassen Sie mich aber auch sagen, meine Damen und Herren, daß hier nicht nur der Bund angesprochen werden kann. Deshalb habe ich bewußt etliche Male unterstrichen: Es handelt sich um den öffentlichen Haushalt, es handelt sich um den Staat. Hier müssen auch die Länder und die Gemeinden angesprochen werden, denn auch sie müssen sich, wenn wir Stabilität wiedergewinnen wollen, in das einpassen, was die öffentliche Hand insgesamt zur Wiedergewinnung der Stabilität beitragen kann und muß, wenn es überhaupt dazu kommen soll.
({2})
Aber ich muß auch sagen: die Verantwortung für die Ausgabenhöhe der Länder und Gemeinden trägt letzlich die Bundesregierung mit. Ich muß das begründen.
Erstens: Die Länder und Gemeinden mit ihrem hohen Personal- und Investitionskostenanteil sind noch viel stärker Opfer der Inflation als der Bund.
Zweitens: Die Ausgaben der Länder und Gemeinden werden in erster Linie durch die Gesetzesbeschlüsse dieses Hauses, die oft von der Bundesregierung, aber - ich sage das bewußt - auch von diesem Hause inspiriert sind, und zwar durch die Programme, die hier gestaltet werden, bestimmt. Deshalb sollte dieses Haus bei seiner Gesetzgebung künftig besser prüfen, wie groß die finanziellen Auswirkungen auf Gemeinden und Länder sind, und eindeutig festlegen, wer die Kosten zu tragen hat.
In der Ausgabenpolitik besteht die unmittelbare Möglichkeit für jede Regierung, auf die wirtschaftliche Entwicklung Einfluß zu nehmen. Auch der neue Herr Bundeskanzler ist sich dessen bewußt. Er bezeichnet in seiner vertraulichen Studie die fortgesetzte Ausweitung des Staatsverbrauchs ungeschminkt - diese Meinung teile ich - als „Inflationsquelle". Die Glaubwürdigkeit des neuen Bekenntnisses zur konsequenten Unterstützung der Stabilitätspolitik durch die Haushaltspolitik wird allerdings zutiefst dadurch erschüttert, daß der Kanzler in seinen weiteren Ausführungen die Abwehr übertriebener Forderungen auf die Haushalte ab 1975 - so steht es, glaube ich, auch in der Regierungserklärung - beschränkt, also zunächst wieder auf die Zukunft verschiebt. Lassen Sie mich dazu ein offenes Wort sagen, Herr Bundeskanzler, weil wir schon einmal darüber gesprochen haben, daß man eigentlich härter sein müßte, wenn man in die Zukunft blickt. Aber das beginnt natürlich schon heute. Ich sage das nur, weil daraus vielleicht die eine oder die andere Lehre für die Zukunft gezogen werden kann. Es mag nicht gepaßt haben, und man mag sicherlich am einen oder anderen Kritik üben können, aber die Opposition hatte Ihnen heute angeboten - mehr oder weniger doch wohl begründet -, 2 Milliarden DM des Etatvolumens als Minderausgabe vorzusehen, und zwar nicht bei den Investitionen, ausgenommen im Hochschulbereich, wo, wie wir wissen, sowieso nicht alles verausgabt werden kann. Dieses Angebot ist leider abgelehnt worden.
Ich kann Ihnen noch ein kleineres Beispiel geben, wo man mit dem Sparen beginnen kann. Wenn Sie in der Regierung zwei Minister weniger haben, die nicht mehr bezahlt werden müssen, die keine persönlichen Referenten mehr brauchen, und wir stellen hier den Antrag, das nun auch haushaltsmäßig zu reduzieren, und das wird abgelehnt, dann muß man doch allmählich daran zweifeln, ob es wirklich ernst gemeint ist, wenn man vom Sparen spricht.
({3})
Sicherlich ist es für 1975 von Ihnen ernst gemeint, weil dort die Notwendigkeit, es ernst zu meinen, noch viel stärker als im Jahre 1974 hervortreten wird.
Ich möchte zum Schluß noch etwas zur mittelfristigen Finanzplanung sagen. Wir hören aus berufenem Munde, daß die Rückgewinnung der Stabilität nur noch auf mittlere Sicht möglich sei. Ich unterstreiche das, wobei ich „mittlere Frist" schon ein bißchen weiter hinausziehen möchte, bis die Stabilität wiedergewonnen werden kann. Gleichzeitig erfahren wir, daß sie von Jahr zu Jahr in weitere Ferne rückt. Wir alle kennen die negativen Erfahrungen teils selbstbetrügerischer Fehlplanungen, wir alle warten noch auf den Versuch, die finanziellen Möglichkeiten des Staates schonungslos offenzulegen. Für die Einsicht aller, deren Verhalten für die wirtschaftliche Entwicklung mitbestimmend ist, wäre schon viel gewonnen, wenn in der mittelfristigen Finanzplanung die Konturen des Möglichen und Unmöglichen deutlich gemacht würden. In der Regierungserklärung haben wir das eine oder andere gehört, aber ein bißchen deutlicher muß man die Dinge schon machen. Es geht vor allen Dingen nicht, daß man sagt: Wir bleiben bei dem, was den Leuten 1969 versprochen worden ist, wir müssen aber im einen oder anderen Bereich - ohne daß das genau gesagt wird - ein bißchen zurückstekken. Ich meine, hier wäre es richtig, in aller Offenheit zu beginnen. Unsere Bürger haben es viel lieber, wenn man ihnen heute sagt: wir hatten zwar guten
Willen, euch alle diese schönen. Dinge zu bringen, aber wir haben uns getäuscht; es hat sich gezeigt, es geht nicht, und jetzt muß vorübergehend zurückgehalten werden.
Da ich gerade dabei bin, will ich noch folgendes sagen: Ich erinnere mich, daß ich im Jahre 1972 - ich glaube, das war damals auch ein Beitrag zur Stabilität , als ichgefragt wurde, welches unser Beitrag zur Stabilität sei, neben vielen anderen Punkten, den öffentlichen Haushalten und dergleichen, den einen Punkt genannt habe: vorübergehender Verzicht auf reale Einkommensverbesserungen. Ich habe, wie ich heute sagen würde, für die damalige Zeit den Mut gehabt, zu sagen: vorübergehender Verzicht, wobei ich hinzugesetzt habe: „vorübergehend" wird dick unterstrichen. Es ,ging um vorübergehenden Verzicht auf reale Einkommensverbesserungen. Heute kann man sich überlegen, wie viele Millionen - ich sage bewußt: wie viele Millionen, nicht alle - haben im Jahre 1973 schon keinen realen Einkommenszuwachs mehr gehabt, und wie viele haben sogar weniger als vorher gehabt. Auch das muß überlegt werden, meine Damen und Herren.
Machen wir einmal kurz überschlägig die Rechnung für 1975 auf. Ich halte das für richtig, weil wir uns auf das einstellen müssen, was auf uns zukommt: Mehrbelastungen aus dem Dritten Finanzausgleichsgesetz zugunsten der Länder 2,7 Milliarden DM, Aufstockung der Personalverstärkungsmittel 1,1 Milliarden DM - rund 7 % vorausgesetzt; man kann darüber streiten, ob das reicht -, erhöhte Zuschüsse an den Berlinhaushalt 0,4 Milliarden DM, Erhöhung der Bundesbahnzuschüsse 0,8 Milliarden DM, Mehrbelastungen aus der Einkommensteuerreform in Höhe von 8,5 Milliarden DM - wenn die Länder bereit sind, 4 Milliarden DM davon auf ihr Konto zu übernehmen -, und dann haben wir rund 13,5 Milliarden. Und das sind, meine Damen und Herren, nur die dicksten Brocken der schon heute zu beziffernden Mehrbelastungen und Mindereinnahmen.
Weitere erhebliche Risiken stehen ins Haus; denn erfahrungsgemäß verschlechtert sich mit der Ausgangsbasis - hier 1974 - die haushaltswirtschaftliche Lage. Ob das im Finanzplan für 1975 enthaltene Plus im Bereich von Löhnen und Gehältern ausreicht, wissen wir nicht; aber wir wissen, was ein Prozent ausmacht. Der globale Verstärkungsansatz für neue und noch nicht konkretisierte Maßnahmen ist mit nur 600 Millionen DM erheblich geringer veranschlagt als im Jahre 1974, wo es immerhin noch 1,9 Milliarden DM waren.
({4})
Wir haben Steuerausfälle und außerdem noch den Ausgleich im Gesamthaushalt für Mehrbelastungen der Länder und der Gemeinden aus der Steuerreform, einen Ausgleich also für weitere 4 Milliarden. Es ist ein Risiko, über das noch nicht entschieden ist.
Erschwerend kommt hinzu, daß die haushaltspolitische Handlungsfähigkeit noch zusätzlich dadurch eingeschränkt worden ist, daß die Verpflichtungsermächtigung zu Lasten künftiger Rechnungsjahre mit 38 % gewaltig ansteigt. Die gestundeten Zuschüsse an die Rentenversicherung werden in den kommenden Jahren fällig, und schließlich soll der Bund nach dem Gesetz einmal die Defizithaftung beim Lastenausgleich übernehmen.
Die Ursachen der Inflation liegen in den Ansprüchen sozialliberaler Politik, nicht allein im Ausland und schon gar nicht in den völlig irrelevanten finanzwirksamen Anträgen, bei denen man uns immer vorwirft, sie gestellt zu haben.
Eine Regierung, meine Damen und Herren - ich sage das mit allem Ernst, und sicherlich wird man, wenn man es richtig überlegt, sagen müssen: da ist zumindest etwas dran -, wie sie auch heißen mag, die Jahr für Jahr zweistellige Steigerungsraten ihrer Ausgaben veranschlagt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Preissteigerungsraten in einer solchen Situation, in der wir uns jetzt schon jahrelang befinden, in allen anderen Bereichen der Wirtschaft zweistellig nachziehen.
({5})
Die Koalition lebte politisch von Anfang an aus ihren unendlichen Versprechungen. Sie stellte ungedeckte Schecks aus, die nunmehr, wie ich meine, nach und nach - um im Bilde zu bleiben - zu Protest gehen. Das Füllhorn der staatlichen Ausgabenpolitik ist, so möchte ich sagen - ich glaube, ich habe es vor zwei Jahren schon einmal gesagt -, zur Büchse der Pandora geworden, welche Inflation u n d Beschäftigungsrisiko oder aber Inflation oder Beschäftigungsrisiko beinhaltet. Je energischer man das eine Übel bekämpft, um so spürbarer wird das andere. Als Ausweg bleibt die Relativierung der Geldwertstabilität in der Weise, daß man es schon als einen Stabilitätserfolg erachtet - und auch das scheint mir bezeichnend zu sein -,
({6})
wenn man die 10-Prozent-Grenze - oder, wie der Bundesbankpräsident, wenn die Schlagzeilen einiger Zeitungen von heute stimmen, die 9-ProzentGrenze - nicht überschreiten wird.
({7})
Wohin sind wir gekommen, wenn wir heute schon sagen müssen: Wenn wir darunter bleiben, haben wir schon Stabilität?
({8})
Ich persönlich habe wenig Hoffnung, daß sich hieran in unmittelbarer Zukunft vieles ändert.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Schluß folgendes sagen: Ich habe heute folgendes gelesen, und das möchte ich zum Haushalt 1974 und zu seiner Charakterisierung auch als meine Meinung feststellen und es mit diesem Zitat aus der „Neuen Rhein-Zeitung /Neuen Ruhr-Zeitung" von heute bewenden lassen. Dort wird vom „Etat des Unbehagens" gesprochen, und man schreibt dort:
Auch der clevere Kanzler Helmut Schmidt, der
mit der Fahne der öffentlichen Sparsamkeit an6902
getreten ist, dürfte nur schwer eine gewisse Verlegenheit unterdrücken können ... Das Haushaltswerk - auch „Schicksalsbuch der Nation" genannt - ist 1974 sicher keine erbauliche Lektüre. Jedenfalls dann nicht, wenn man nach einem stabilitätspolitischen Happy-End sucht.
Ich bin derselben Meinung.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprecher der FDP und meiner Fraktion haben in der zweiten Lesung in ihren Einzelbeiträgen bereits deutlich gemacht, daß dieser Bundesetat 1974, der von der SPD/FDP-Regierung im vorigen Herbst durch den damaligen Bundesfinanzminister Helmut Schmidt eingebracht worden war, unsere volle Zustimmung verdient und erhalten wird. Damit geben wir der SPD/FDP-Regierung unter Führung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt die rechtliche und materielle Basis für ihre Arbeit.
Im April 1972 versuchte die Opposition, mit Hilfe des Etats den Bundeskanzler und die sozialliberale Regierung zu stürzen - vergeblich, wie nach der Auflösung des 6. Deutschen Bundestages das überzeugende Wahlvotum vom November 1972 bewiesen hat. Anders als damals, wo der Bundeshaushalt 1972 erst kurz vor Jahresende verabschiedet wurde, bewilligen wir heute nach nur knapp drei Wochen Unterbrechung der um- und neugebildeten Regierung Schmidt /Genscher den Bundeshaushalt 1974 und bestätigen damit die Leitworte der Regierungserklärung „Kontinuität und Konzentration". Die Kollegen der SPD- und der FDP-Bundestagsfraktion haben in der zweiten Lesung die Kritik der Opposition an diesem Bundeshaushalt 1974 mit der ihm zugrunde liegenden Zielsetzung unserer Finanzpolitik widerlegt mit überzeugenden und seriösen Argumenten, die der Union für ihre Scheingefechte nicht zur Verfügung stehen, wobei ich Herrn Kollegen Leicht ausdrücklich ausnehme, dessen Rede ich als wohltuend sachlich - auch in den notwendigen kritischen Passagen - empfunden habe. Aber eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer, und mehr zu dieser Rede zu sagen steht mir nicht zu, zumal ich sonst dem Kollegen Leicht Ungelegenheiten in der eigenen Fraktion besorgen würde, was mir natürlich völlig fern liegt.
({0})
Lassen Sie mich das Wichtigste für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion aus den in diesen Tagen geführten Debatten zusammenfassen.
1. Der Bundesetat 1974 trägt trotz seines Volumens von 136,4 Milliarden DM den Grundsätzen der sparsamen Verwendung von Steuermitteln Rechnung. Seine Steigerungsrate liegt - wie im Jahre 1973 - deutlich unter der von Ländern und Gemeinden.
2. Der Bundesetat 1974 ist konjunkturpolitisch zu verantworten, wobei ich darauf aufmerksam mache - auch im Hinblick auf eine Stelle in der Rede des Herrn Kollegen Leicht -, daß der Finanzplanungsrat am 25. März 1974 seine Stellungnahme wie folgt präzisiert hat:
Hinsichtlich der Gestaltung des Haushaltsablaufs 1974 gelangten die Vertreter des Bundes, der Länder und der Gemeinden ({1}) sowie der Deutschen Bundesbank einhellig zu der Auffassung, daß es zur Sicherung der Beschäftigung aus heutiger Sicht gerechtfertigt ist, die in den Haushaltsplänen veranschlagten Ausgaben - einschließlich der zusätzlich entstandenen Ausgabenverpflichtungen sowie der Sondermaßnahmen für regionale und sektorale Problembereiche - voll zu verwirklichen.
3. Durch die Abtretung von rund 2 Milliarden DM aus der Mehrwertsteuer an die Länder hat der Bund seine gesamtstaatliche Verpflichtung gegenüber den übrigen Gebietskörperschaften großzügig erfüllt und die Chancen für gleiche oder angenäherte Lebensbedingungen in allen Ländern der Bundesrepublik vergrößert. Dieser Hinweis gilt besonders für die Leistungen des Bundes an die finanzschwachen Länder, zu denen Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein zählen.
4. In diesem Zusammenhang ist auch die gegenüber dem extrem niedrigen Vorjahresstand höhere Schuldenaufnahme des Bundes in 1974 zu sehen, die keinen Grund zu finanzwirtschaftlicher Besorgnis gibt; denn gemessen an den Ausgaben und dem Sozialprodukt werden nicht einmal die entsprechenden Anteilssätze der Jahre 1969 bis 1972 erreicht.
5. Die 2 Milliarden DM Ausgabenerhöhung des von uns jetzt zu beschließenden Bundeshaushalts 1974 gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung vom Herbst 1973 geht auf einige Sonderfaktoren zurück, zu denen unter anderem die Ergebnisse der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst gehören.
Die Besoldungs- und Tarifbeschlüsse für den öffentlichen Dienst, die dieser Gruppe von Arbeitnehmern eine beachtliche Verbesserung ihres Einkommensniveaus bringen, führen aber für die öffentlichen Hände einschließlich Post und Bahn zu ernsten und fortdauernden Belastungen. Diesen Belastungen widersetzten sich übrigens die CDU/CSU- Verantwortlichen auf Landesebene keineswegs. Das hätten sie aber tun müssen, wenn sie konsequenterweise auf ihre Landeshaushalte diejenigen Rezepte anwenden würden, die die CDU/CSU der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag empfiehlt.
Herr Kollege Strauß hat gestern in seiner Rede folgendes erklärt:
Graf Lambsdorff, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen: Verbreiten Sie doch nicht einfach die Unwahrheit! Wir haben niemals die Forderungen Klunckers unterstützt, niemals.
Dem steht entgegen, daß sich zum Beispiel Herr
Ministerpräsident Filbinger laut „Stuttgarter ZeiDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
tung" vom 24. Januar 1974 vor Journalisten am 23. Januar 1974 wie folgt geäußert hat:
12 % Einkommensverbesserungen sind im öffentlichen Dienst eine interessante Marge.
Aber ich brauche mich nicht nur auf Herrn Filbinger zu beziehen. Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bezeichnete nach einem Gespräch mit dem Deutschen Beamtenbund am 11. Dezember 1973 - ich bitte, auf dieses Datum zu achten! - dessen Forderungen auf Besoldungserhöhungen von mindestens 12 % als „maßvoll". Positiv hat die Opposition weiter den Beschluß des Deutschen Beamtenbundes gewertet, wegen der - ich zitiere wörtlich - „inflationären Uberbesteuerung noch einen Zuschlag von 1 % zu fordern". Das sind also zusammen 13 %. Und das bereits am 11. Dezember 1973!
({2})
Woher nimmt nun eigentlich Herr Kollege Strauß den Mut, so mit Herrn Kollegen Graf Lambsdorff umzugehen? Ich frage dies, zumal er selbst noch in dieser seiner Rede den Satz hinzugefügt hat:
Ich habe bei der Besprechung im Bundeskanzleramt - einige Zeugen sind ja hier - gesagt: Herr Bundeskanzler, unter 11 % kommen Sie nicht weg!
Wenn Sie am 11. Dezember 1973 in Ihrem Gespräch mit dem Deutschen Beamtenbund bereit waren, eine Erhöhung der Beamtengehälter um 13 % als maßvoll zu bezeichnen, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Herr Kluncker dieses Gespräch mit dem Deutschen Beamtenbund vom 11. Dezember 1973, das ja veröffentlicht ist, bei seinen Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten berücksichtigt.
({3})
6. Zu den wichtigen Veränderungen, die der Haushaltsausschuß während seiner mehrmonatigen Beratungen gegenüber der Regierungsvorlage beschlossen hat, gehört vor allem das 600-MillionenSonderprogramm der Bundesregierung für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen. Mit ihm wird möglichen Beschäftigungsrisiken in bestimmten Regionen und Branchen entgegengewirkt.
7. Im Zusammenhang mit den weltweiten Veränderungen auf dem Erdölsektor sind im Bundeshaushalt 350 Millionen DM Zuschüsse bereitgestellt worden, um für leistungsschwächere Bevölkerungsgruppen die Heizölkosten zu vermindern. Außerdem werden im Bundeshaushalt ergänzend rund 150 Millionen DM zur Energieforschung eingestellt.
Von Bedeutung ist dié Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1 Milliarde DM für das Anschlußprogramm der geplanten nationalen Ölgesellschaft und für die Kooperation mit rohölfördernden Ländern. Der Bundesregierung wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, zügig und mit der erforderlichen haushaltsrechtlichen Absicherung über die ersten Stufen großer internationaler Projekte zu verhandeln.
8. Im landwirtschaftlichen Bereich übersteigen die sozialpolitischen Leistungen mit 2,3 Milliarden DM erstmals die 2-Milliarden-Marke. Sie wachsen gegenüber dem Vorjahr um 25,5 vom Hundert. Die Steigerungsrate ist damit doppelt so hoch wie die des Bundeshaushalts insgesamt. Der politische Schwerpunkt im Einzelplan 10 liegt bei den 400 Millionen DM für besondere agrarpolitische Maßnahmen. Sie ersetzen den ehemaligen D-Mark-Aufwertungsausgleich aus dem Jahre 1969, der auf Beschluß des EG-Rates ab 1974 nicht mehr gewährt werden darf.
9. Die Risiken im Regierungsentwurf 1974, die bei der Einbringung notwendigerweise noch vorhanden waren, sind inzwischen beseitigt. Die globale Minderausgabe von 1,5 Milliarden DM konnte durch gezielte Kürzung auf ein Drittel reduziert werden. Der Titel „Besondere Verpflichtungen" mit annähernd 2 Milliarden DM wurde für konkrete Ausgabenansätze im Rahmen des neuen Devisenausgleichsabkommens mit den USA, für den EG-Haushalt und für Personalverstärkungsmittel aufgelöst.
10. Ein zentrales Problem der Etatberatungen 1973, die sogenannten Schattenhaushalte, konnte im 1974er Haushalt befriedigend gelöst werden. Die Ausgaben der Offa für den Bau von Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen wurden voll in den Bundeshaushalt übernommen. Das gleiche gilt für die Krankenhausfinanzierung.
Die Opposition hat zum vorliegenden Etatentwurf keinen konstruktiven Beitrag geleistet und keine Konzeption entwickelt, um eigene Alternativen sichtbar zu machen. Im Haushaltsausschuß haben sich ihre Experten auf bescheidene Änderungsanträge mit Erhöhungen um rund 50 Millionen DM und konkreten Ausgabenkürzungen um rund 20 Millionen DM vor allem bei den Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, beschränkt. Der gestern vorgelegte Antrag der Union, die globale Minderausgabe um 2 Milliarden DM auf 2,5 Milliarden DM zu erhöhen, ist eine Politik mit doppelten Boden, wie die Sprecher der Koalition schon nachgewiesen haben. Ich will wegen der Zusammenfassung unserer Beratungsergebnisse nur einen Punkt wiederholen, nämlich auf die Liste der Forderungen und Anträge aus Kreisen der CDU/CSU verweisen, die inzwischen die stolze Summe von 40 Milliarden DM überschritten hat. Eine exakte Berechnung wurde vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Herrn Kollegen Porzner, im April dieses Jahres vorgelegt.
Die Union zieht sich auf ein globales Nein zum Etat 1974 zurück. Das mag legitimer Ausdruck politischer Opposition sein, trägt jedoch nicht dazu bei, dem Bundeshaushalt aus der Sicht der Opposition neue Strukturen zu geben und den Bürgern zu zeigen, wie man andere Wege beschreiten könnte. Damit macht sich die CDU/CSU auf dem Gebiet der Finanz- und Haushaltspolitik erneut unglaubwürdig. Sie predigt Sparsamkeit, stellt aber zugleich am laufenden Band in diesem Hohen Hause neue massive Forderungen an den öffentlichen Etat in Milliardenhöhe. Sie lockt mit erheblichen Steuersenkungen, die eine dringend nötige Steuerstrukturreform im Sinne der Regierungsvorschläge verhindern würde. Gleichzeitig erwarten die CDU- und CSU-geführten Länderregierungen vom Bund immer
noch eine Verstärkung und Verbesserung ihrer Länderfinanzen zu Lasten des 'Steueranteils des Bundes.
Während Sie z. B. vorschlagen, rund 10 Milliarden DM wahllos auf alle Steuerpflichtigen zu verteilen, und zwar nach dem alten Steuerrecht mit seinen Ungerechtigkeiten, wollen wir mit etwa der gleichen Summe die Steuerlast gezielt bei den Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen mildern. Es geht aber nur eines. Die Haushalte der Gebietskörperschaften können keine Doppelbelastung in der Größenordnung von etwa 20 Milliarden DM übernehmen.
Unabhängig von einer allgemeinen Strukturreform des überkommenen Steuersystems wird nun noch die Inflationsklausel im Steuerrecht gefordert. So hat z. B. Bayern - Bundesratsdrucksache 189/74 - in einem Gesetzentwurfeine Bestimmung vorgeschlagen, „die auf eine regelmäßige Anpassung der Einkommensteuer an die Preisentwicklung hinwirkt".
({4})
Die Mehrheit im Bundesrat hat entgegen den Empfehlungen des Finanzausschusses, die einmütig dahin gingen, einem solchen Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, inzwischen die Zustimmung erteilt und diese Indexklausel noch auf weitere Gebiete ausgedehnt.
Ich darf Sie deshalb auf einen zu diesem Thema in der „Welt der Arbeit" am 19. April dieses Jahres vom Steuerexperten des DGB, Hans Georg Wehner, geschriebenen Artikel verweisen, in dem es heißt:
Würde der Staat in diesem Jahr nur das reale, also preisbereinigte Einkommen mit Lohn- und Einkommensteuer belasten, so entstünde allein in diesem Jahr ein Steuerausfall von über 10 Milliarden DM. Um seine Aufgaben dennoch erfüllen zu können, müßte der Fiskus zum Ausgleich andere Steuern erhöhen. Das würde mit Sicherheit eine Heraufsetzung der Mehrwertsteuer und/oder einer der großen Verbrauchsteuern bedeuten.
Solche Erhöhungen der indirekten Steuern würden durch Überwälzung in die Preise zu noch stärkeren Preissteigerungen führen. Letzteres aber wäre wiederum Anlaß zu Steueranpassungssenkungen, und so ginge das immer weiter. Hier gerieten wir in einen Teufelskreis: Wir würden versuchen, mit Beelezebub den Teufel der Inflation auszutreiben.
Lassen Sie mich ein klares Wort hinzufügen. Wie die Bemühungen von Bundesregierung und Bundes' bank um eine wirksame Stabilitätspolitik zur Bekämpfung der Inflationsgefahr, des Krebsleidens der modernen Industriegesellschaft, beweisen, sind bei den wechselnden Konjunkturlagen innerhalb der internationalen Währungsgemeinschaft immer wieder neue Überlegungen und Maßnahmen erforderlich, um die richtige Medizin gegen die Gefahren dieser Krankheit anzuwenden.
Darum halte ich es für bedauerlich, daß die tonangebenden „Medizinmänner" auf diesem Gebiet, die Konjunkturforschungsinstitute und der Sachverständigenrat, bisher nicht viel mehr zu bieten hatten als die Wiederholung alter Rezepte oder zum Teil sogar den Rat, es doch einmal mit der Stabilisierungskrise und einigen hunderttausend Arbeitslosen mehr zu versuchen. Es ist eine Illusion anzunehmen, wir könnten die Inflationsgefahr allein von der Bundesrepublik aus bekämpfen. Und Illusion ist es, daß uns dabei einige hunderttausend vernichteter Existenzen und Arbeitsplätze helfen würden. So geht ès nicht.
Es geht auch nicht, daß - wie in letzter Zeit immer häufiger vorgeschlagen wird - wir das Netzwerk unserer Geldbeziehungen von den Löhnen bis hin zu den Spar- und Versicherungsverträgen mit einer Indexklausel ausstatten. Ein solcher Entschluß wäre nicht nur der Anfang vom Ende unserer Rechts-, Geld- und Finanzverfassung, es wäre auch die sicherste aller Methoden, das Inflationsproblem so zu verschlimmern, daß wir es überhaupt nicht mehr in den Griff bekommen könnten.
({5})
Jedes Stabilitätsbewußtsein und jede Stabilitätsverantwortung würden verkümmern. Die D-Mark, mit einer solchen Wertgarantie versehen, wäre eine dynamische Rente für den Scheich von Kuwait. Wir kämen aus den Überflutungskatastrophen, die bei flexiblen Wechselkursen zu ebenso permanenten Aufwertungserwartungen führen würden, nicht mehr heraus. Es ist mir unbegreiflich, daß ausgerechnet Gralshüter der Marktwirtschaft solche Vorschläge machen. Gerade sie sollten wissen, daß man Inflation nicht mit administrativen Tricks und Techniken, sondern nur mit klarer, durchdachter und illusionsfreier Politik bekämpfen kann, wie wir sie in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt bei objektiver Betrachtung feststellen.
({6})
Meine Damen und Herren, ich gehöre zu denen, die schon lange nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht auf der einen Seite durch ihre internationalen Handelsbeziehungen zu über 40 v. H. ihres Sozialprodukts -und zwar auf Grund ihrer Importe und Exporte - mit den Weltmärkten verflochten sein kann, um auf der anderen Seite monetär so zu tun, als ob sie allein auf der Welt lebt. Wir können nicht die Integration als allgemeine Wohlstandsquelle bejahen, anzapfen und kräftig sprudeln lassen, d. h. mit der Welt eine Markt- und Preisgemeinschaft auch zu unserem eigenen Vorteil eingehen, gleichzeitig aber ein eigenes Preis- und Zinsniveau anstreben, das jenseits aller internationalen Maßstäbe liegt.
({7})
Es kann, wenn Sie die soeben genannte Zielsetzung wirklich wollen - wir von der Koalition wollen sie jedenfalls, weil wir sie brauchen -, ökonomisch und politisch nur eine Konsequenz gezogen werden: mit unseren Partnern in Europa und in der übrigen Welt eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte und auf die wechselseitigen internen Strukturprobleme Rücksicht nehmende internationale Stabilitätspolitik betreiben. Dabei muß immer wieder der Versuch unternommen werden, die
Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die Erfolgschancen an der Binnenfront der Inflationsbekämpfung stark begrenzt sind, solange uns durchgreifende internationale Stabilitätsaktionen nicht gelingen, weil wir - und das wird in der öffentlichen Debatte, aber auch in der Diskussion in diesem Hause oft übersehen - unseren Partnern nichts befehlen können, sondern sie überzeugen müssen. Daran sollten Gewerkschaften und Unternehmerverbände, die Sprecher der Opposition und die ihnen nahestehenden Journalisten denken, wenn sie von einer Regierung Dinge verlangen, die sie mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln allein nicht mehr zu erfüllen vermag.
Einen hohen Beschäftigungsstand kann man bei entsprechenden Anstrengungen immer noch national erreichen, eine ungebrochene Stabilität des Geldwertes schon nicht mehr.
Von Kollegen der CDU/CSU-Fraktion ist die Bundesregierung aufgefordert worden, über die finanzielle Lage des Bundes Aufklärung zu geben. In dieser Forderung liegt wieder einmal die Unterstellung, die Bundesregierung würde das Parlament und die Öffentlichkeit unvollständig über die finanzielle Lage des Bundes informieren. Diese Anschuldigungen weise ich entschieden zurück.
Im vergangenen Herbst hat die Bundesregierung den Etatentwurf 1974 sowie den Finanzplan bis 1977 vorgelegt und damit das Parlament umfassend über die finanzielle Entwicklung unterrichtet. Natürlich änderte sich an den Zahlen im Zeitablauf einiges. Für den Bundeshaushalt 1974 wurde das inzwischen korrigiert. Der Etatentwurf befindet sich auf dem neuesten Stand, und zwar nach langen, eingehenden Beratungen im Haushaltsausschuß, dessen Mitgliedern ich für die mühevolle, von hoher Verantwortung getragene Arbeit am Bundeshaushalt 1974 im Namen der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ebenso zu danken habe wie ihren Mitarbeitern und den beteiligten Herren der Ministerien, insbesondere des Finanzministeriums.
({8})
Für den Finanzplan ist der Prozeß der jährlichen Überarbeitung voll im Gange. Sobald diese Arbeiten beendet sind, wird die Bundesregierung das Parlament hierüber selbstverständlich umgehend und in vollem Umfang unterrichten, und zwar - wie es das Gesetz vorschreibt zusammen mit dem Haushaltsentwurf 1975.
Lassen Sie mich auf dem Hintergrund der Debatten dieser drei Tage einige wenige Bemerkungen zur Problematik der Subventionen im Bundeshaushalt machen. Ganz offen möchte ich aussprechen, daß der alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorgelegte Subventionsbericht weder hier im Hause noch draußen in der Öffentlichkeit ausreichend beachtet wird.
({9})
Das ist um so erstaunlicher, als ich keinen wesentlichen Interessengegensatz zwischen denjenigen feststellen kann, die mehr staatliche Rahmenplanung für erforderlich halten, und denjenigen, die generell das Wachstum der öffentlichen Haushalte
beklagen. Vielleicht findet der Subventionsbericht deswegen nicht die notwendige Beachtung, weil er eine Bestandsaufnahme enthält und noch nicht auf die Zukunft, auf politische Zielsetzungen und Prioritäten ausgerichtet ist. An diesem Punkt wäre meiner Meinung nach neu anzusetzen, schon wegen der Steuerzahler, die eine Subventionspolitik in Höhe vieler Milliarden D-Mark finanzieren und wissen, daß hiervon jeweils nur ein begrenzter Kreis unserer Bürger Nutzen hat.
Dem Vierten Subventionsbericht, der die Jahre 1971 bis 1974 umfaßt, ist zu entnehmen, daß in diesem Zeitraum die Finanzhilfen auf mehr als 12 Milliarden DM, die Steuervergünstigungen, die auch die Länder- und Gemeindehaushalte belasten, auf 28 Milliarden DM gestiegen sind. Etwa 50 % der im Subventionsbericht erfaßten Subventionen dienen der Strukturerhaltung, weitere 43 % der Strukturanpassung und lediglich 7 % der Strukturförderung.
Es ist leicht einzusehen, daß unsere handels- und währungspolitischen Verbindungen mit der Welt, die ständiger Veränderung unterworfen sind, immer zwingender tiefgreifende Strukturanpassungen unserer Wirtschaft erforderlich machen, wobei ich auf den betreffenden Teil der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers verweise, der im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Vollbeschäftigung erklärt hat, inwieweit das Erreichen dieses Ziels auch ein Strukturproblem ist.
Erfahrungsgemäß werden aus befristet gegebenen Subventionen in aller Regel konstante Größen für die jeweiligen Teilmärkte. Statt dem ursprünglichen Zweck zu dienen, Strukturanpassungen zu erleichtern, tragen sie dazu bei, überholte Strukturen zu erhalten. Der hauptsächliche Grund für diese nicht gewünschte Entwicklung liegt darin, daß uns für eine konsequente Anpassungssteuerung die politisch zu setzenden Eckwerte noch fehlen. Es wäre daher ein Instrumentarium zu schaffen, daß der konstruktiven Neuordnung der staatlichen Subventionspolitik dient.
Um die staatlichen Subventionen systematisch ausbauen zu können, ist eine Bestandsaufnahme aller staatlichen Maßnahmen erforderlich, aus der sich dann eine zuverlässige Analyse ableiten läßt. Dadurch käme der Staat in die Lage, sich über die Wirkungsrichtung seiner strukturpolitischen Aktivitäten früh genug ein Bild zu machen. Von den eingesetzten Mitteln muß vorher bekannt sein, ob sie als wettbewerbsfördernd oder als wettbewerbsbeschränkend zu bewerten sind, ob sie wachstumsfördernd oder ob sie wachstumshemmend wirken, ob sie der Hebung der Lebensqualität oder lediglich der Sicherung bestimmter Einkommen dienen. Auf diese Weise entsteht eine neue, aber ganz sicher anzuerkennende Perspektive unserer Subventionspolitik
Innerhalb der öffentlichen Gesamthaushalte haben die Gesamtausgaben der Gemeinden in den Jahren seit 1962 um durchschnittlich jährlich 10,8 v. H. zugenommen, die der Länder um 9,2 v. H., die des Bundes nur um durchschnittlich jährlich 8,5 v. H. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Bund aus konjunkturpolitischen Gründen
mehrmals zu einem Restriktionskurs seiner Ausgabengestaltung gezwungen war. Man kann das natürlich unter dem Blickwinkel des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln begrüßen, muß aber andererseits einsehen, daß wichtige öffentliche Leistungen, deren Erfüllung über den Bundeshaushalt zu erfolgen hat, nicht auf die Dauer aus konjunkturpolitischen Gründen in ihrer Dynamik gebremst werden können.
({10})
Eine solche Entwicklung würde sich nicht mit dem Verfassungsauftrag vereinbaren lassen, nach dem die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat zu sein hat.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung folgendes festgestellt:
Die Bundesregierung tritt dafür ein, an diesem bewährten verfassungsrechtlichen Rahmen unverbrüchlich festzuhalten, den in ihm liegenden Auftrag zu erfüllen und unseren freiheitlichen Rechtsstaat zu einem ebenso freiheitlichen Sozialstaat auszubauen.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung darauf aufmerksam gemacht, daß die finanzpolitische Hauptaufgabe für die zweite Hälfte der Legislaturperiode darin besteht, die dringenden öffentlichen Aufgaben zu erfüllen und zugleich die Stabilitätspolitik konsequent zu unterstützen. Er fügt an anderer Stelle hinzu:
Die Bundesregierung wird alle verfassungsmäßigen und alle politischen Möglichkeiten voll nutzen, um Bund, Länder und Gemeinden auf eine sparsame Ausgabenpolitik ab 1975 zu verpflichten. Wenn 1975 die Steuerreform und der Familienlastenausgleich mit ihren Milliardenbeträgen an Entlastungen in Kraft getreten sind, können wir uns auf allen drei Ebenen - jedenfalls aus heutiger Sicht - die bisherigen hohen Zuwachsraten bei den öffentlichen Ausgaben nicht mehr leisten.
Es war, meine Damen und Herren, notwendig, daß der Herr Bundeskanzler weiter feststellte, nunmehr komme es auf ein solidarisches Verhalten aller Gebietskörperschaften unseres Bundesstaates an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion steht zu dieser Erklärung.
Welche Außenwirkungen dieser Teil der Regierungserklärung gehabt hat, geht aus einem Bericht des „Handelsblatt" vom 20. Mai hervor, der sich mit der Auffassung verschiedener Rentenmarktexperten beschäftigt, und in dem es zum Schluß heißt:
Sollte sich Regierungschef Schmidt mit seiner konsequenten Finanzpolitik auch bei den Bundesländern durchsetzen können, so würde der Rentenmarkt die neue Finanzpolitik mit steigenden Kursen honorieren.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß: Der Bundeshaushalt 1974 ordnet sich ohne Widerspruch in die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ein. Daß bei einem Volumen von über 136 Milliarden DM einzelne Kapitel und Titel umstritten sind, ist nicht erstaunlich, sondern liegt in der Natur der Sache. Daß die Opposition den Haushalt schlecht findet, wundert mich nicht, denn die Union glaubt unverändert, nur was von ihr kommt, gereiche dem deutschen Volk zum Nutzen.
({11})
Das Fehlen jeder vernünftigen Alternative bei der Union aber beweist, daß sie noch manches zu lernen hat.
Die der Union nahestehende Illustrierte „Quick" gab ihr in der Nr. 16 vom 11. April dieses Jahres den Rat, die Sünden zu unterlassen, die der Wähler auf die Dauer nicht verzeiht, und führte hierzu die folgenden sechs Gebote an, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere:
Erstes Gebot an die CDU/CSU: Du sollst deinem Volk endlich sagen, wer dein oberster Herr auf Erden ist: entweder Kohl oder Carstens oder Biedenkopf oder sogar Strauß.
({12})
Zweites Gebot der Zeitschrift „Quick" - was ich hier noch einmal unterstreichen möchte - an die CDU/CSU: Du sollst nicht so spießig sein, daß das Volk glaubt, du hättest auch im Sommer lange Unterhosen an.
Drittes Gebot an die CDU/CSU: Du sollst einsehen, daß die Gewerkschaften nicht vom Satan stammen - und daß du mit ihnen leben mußt.
Viertes Gebot: Du sollst laut sagen, was du wirklich glaubst - ohne Rücksicht auf deine reichen Freunde.
Fünftes Gebot: Du sollst verkünden, daß das Bewahren des Erreichten heute ein größerer Fortschritt ist als jedes fragwürdige sozialistische Experiment.
Sechstes Gebot: Du sollst nicht dauernd schimpfen. Du sollst es besser machen.
Ich empfehle Ihnen, sich dieser Gebote anzunehmen.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst den Dankesworten anschließen, die der Kollege Leicht in seiner Rede, wenn ich es so formulieren darf, an alle, die es angeht, gefunden hat. Ich möchte - man sollte das trotz aller politischen Gegensätze tun, die hier in den letzten drei Tagen ausgetragen worden sind - diesen Dank besonders auch auf die Kollegen der Opposition ausdehnen für ihre Bereitschaft, die es ermöglicht hat, daß wir in diesem Verfahren hier heute nachmittag den Haushalt 1974 endgültig verabschieden können.
({0})
Ich betrachte diesen Dank als einen Akt der Human relations in diesem Hause, die wir auch immer pflegen sollten.
Ich stimme auch dem zu, was der Kollege Leicht hier in der vergangenen Nacht in einer an sich wohl nicht beabsichtigten Einlassung gesagt hat und was wieder aufkam beim Kollegen Althammer. Es trifft absolut zu - ich habe mich daraufhin auch noch einmal erinnert -, daß wir seit 1971 - damah im Februar, ein erfreulich früher Zeitpunkt - eigentlich keine ausführliche Haushaltungsberatung in diesem Hause mehr gehabt haben. Wenn ich mir überlege, wieviel Unfug über den- Haushalt hier und dort - sehr viel auch draußen im Lande - geredet und geschrieben wird, meine ich, daß wir uns diesen Zustand auf Grund dieses Mangels vielleicht selber zuzuschreiben haben. Dabei sehen wir alle, daß in diesem Jahr, so wie die Dinge nun einmal lagen, ein anderes Verfahren sicherlich nicht möglich war.
Den Haushaltsausschuß trifft daran übrigens keine Schuld; das muß man noch einmal feststellen. Ihn trifft auch keine Schuld daran, daß die vorgesehene Haushaltsberatung in die erste Maiwoche fiel. Wir waren im Haushaltsausschuß Ende März mit den Beratungen fertig. Es lag dann natürlich an der Gestaltung des Sitzungsplans, der auch von Dingen beeinflußt wurde - z. B. das Osterfest -, die sich unserer Einwirkung entziehen.
Gerade deshalb, weil wir im Haushaltsausschuß Ende März fertig waren, mußten wir diesen Weg wählen. Es gilt für jeden Haushalt, gleichgültig, von welcher Regierung er vorgelegt worden sein mag: Wenn der Haushaltsausschuß nach den vielen Monaten seiner Arbeit seinen Bericht an das Parlament gibt, müßte er diesen Bericht eigentlich mit dem Stempel „begrenzt haltbar" versehen, wie es das bei manchen Verbrauchsprodukten auch gibt.
Wir wissen ja, daß jeder Haushaltsplan eine Momentaufnahme darstellt. Auch der Zustand, in den wir den Haushalt am Schluß unserer Beratungen im März gebracht haben, war nur eine Momentaufnahme. Wenn wir, was einmal, wie ich weiß, erörtert worden ist, erst Mitte oder gar Ende Juni den Haushalt hätten verabschieden wollen - weil wir auch den Steuerreformtermin nicht verschieben konnten -, hätte das die unweigerliche Konsequenz gehabt, daß wir im Haushaltsausschuß eine weitere Aktualisierung hätten vornehmen müssen. Das konnte sicherlich nicht zweckdienlich sein. Deshalb war diese weitere Verschiebung nicht möglich.
Dieser Begriff „Momentaufnahme" erklärt gewiß auch, daß Sie heute mit diesem Zahlenwerk - ich glaube, man kann das so formulieren, Kollege Leicht - Tausende von Änderungen gegenüber dem Regierungsansatz in Größenordnungen zwischen 1 000 DM - das ist so die kleinste Größe - und Milliardenbeträgen beschließen müssen. Der Haushalt, den wir Ihnen vorgelegt haben, entspricht insofern der Aktualität, bezogen auf Ende März.
Es hat in den Beratungen dieser Tage - wie konnte das anders sein! - die Frage der Zuwachsraten des Haushalts wieder eine wesentliche Rolle gespielt. Ich habe hier wiederholt davon gesprochen, daß ich diesen Zuwachsratenfetischismus nicht mitmache. Ich habe bei der ersten Lesung des Haushalts 1973, vielleicht ohne große Resonanz in diesem
Hause, aber --- wie ich mit großer Freude. festgestellt habe - mit einiger Resonanz außerhalb des Hauses, davon gesprochen, daß es gar nicht so sehr auf die quantitative als vielmehr auf die qualitative Betrachtung ankommt.
Seien wir uns doch darüber klar: Diese 600 Millionen DM, die jetzt in den Haushalt hineingekommen sind, sind konjunkturpolitisch viel relevanter - wir sind uns einig, daß sie erforderlich und richtig sind - als die Frage, ob wir das Volumen noch um 2, 3 oder 4 Milliarden DM hätten kürzen sollen. Das ist der wahre Zusammenhang dabei, nämlich daß die qualitative Betrachtung wesentlich wichtiger ist als diese Betrachtung der Zuwachsraten. Das scheint mir wichtiger zu sein als dieses Prozentspiel und als die Versuche haushaltstechnischer Kosmetik, die sicher - ich gebe das ganz offen zu - zum Instrumentarium aller Behörden und der in diesem Hause damit Beschäftigten gehört haben. Da gibt es gar kein Patent für die eine oder die andere Seite.
Zu dieser haushaltspolitischen, haushaltstechnischen Kosmetik gehört aber sicher auch der Antrag, den wir vorhin schon abgelehnt haben, der aber auch, wie ich glaube, bei Ihnen, Herr Kollege Leicht, noch eine Rolle gespielt hat. Ich meine den Antrag der Opposition bezüglich der zwei Milliarden DM globale Minderausgaben. Ich will nicht das wiederholen, was hier zur Sache selbst, zu der Operation Kürzung des Sparprämienansatzes und entsprechende Kürzung der globalen Minderausgabe, gesagt worden ist. Lassen Sie mich das, was ich in den letzten vier Jahren zu dieser Frage wiederholt gesagt habe, aus diesem aktuellen Anlaß mit den Worten wiederholen: Die Schlacht um die Stabilität - Anklänge daran fanden sich auch in Ihren Reden heute und in diesen Tagen - wird an anderen Fronten entschieden.
Die Haushaltsgestaltung der öffentlichen Hände - ich bin Herrn Leicht dafür dankbar, daß er heute betont immer wieder von der Gesamtheit der öffentlichen Haushalte gesprochen hat; das erleichtert die Diskussion, auch wenn die Auseinandersetzungen in anderen Punkten weitergehen - hat dabei nach meiner Auffassung nicht viel mehr als die Bedeutung eines Nebenkriegsschauplatzes, der sicherlich von der Opposition - ich sage: auch auf Grund Mangel an eigener Konzeption in den Grundfragen der Stabilität - in den letzten vier Jahren zum zentralen Punkt hochgespielt worden ist, weil das recht bequem war. Wenn ich darauf hinweise, daß wird immer noch auf stabilitätspolitische Beispiele der CDU-regierten Länder in diesem begrenzten Rahmen warten, dann sage ich das, obwohl, wie ich schon erwähnte, Kollege Leicht die Diskussion soeben erfreulicherweise ausgeweitet hat.
Ich darf noch ein paar weitere Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Leicht hinzufügen. Sie haben letzten Endes wieder davon gesprochen, daß die stabilitätspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung nicht ausgereicht hätten und zu spät getroffen worden seien. Ich will nicht davon sprechen, wie Sie sich in den letzten vier Jahren jeweils verhalten haben. Aber eines steht ja nun einmal
fest, nämlich daß eine wirkungsvolle Politik erst nach dem Maß an außenwirtschaftlicher Absicherung möglich war, das im Frühjahr vergangenen Jahres erreicht worden ist. Wenn Sie sich das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung ansehen, so zeigt es sehr deutlich, daß es haushaltspolitisch nur relativ gering gewichtet war, daß es aber - was sehr richtig war - auf den entscheidenden Punkt, nämlich auf die Nachfrage draußen im Lande, sei es die Nachfrage der Konsumenten, sei es die Nachfrage der Unternehmer nach Investitionen, ausgerichtet war.
Nur, Herr Leicht, Sie dürfen nicht sagen, durch dieses Programm sei keine Stabilität gewonnen worden. Die Zahlen für den Spätsommer mid den Frühherbst 1973 sprechen eine andere Sprache. Sie zeigen, daß das gesteckte Ziel - wir waren sehr bescheiden; wir haben den Erwartungshorizont nicht zu weit gesteckt -, eine Tendenzwende anzustreben, in erreichbarer Nähe war und aus den Gründen, über die wir hier wiederholt gesprochen haben - ich erinnere an die Entwicklung beim 01, bei den Rohstoffen und an die tarifpolitischen Entwicklungen Anfang des Jahres --- nur dort bleiben konnte.
Herr Kollege Leicht, niemand hat die Inflation, die Geldwertentwicklung, verharmlost. Aber ebenso gefährlich wie die Verharmlosung ist das ständige Aufputschen. Sie müssen nämlich wissen, daß Psychologie im Wirtschaftsablauf einen ganz entscheidenden Einfluß hat. Wer dauernd so redet wie Sie, der fördert im Grunde genommen eine Entwicklung, die wir alle gemeinsam nicht wollen.
({1})
Sie haben von der Entwicklung des Volumens aller öffentlichen Haushalte 1973 gesprochen. Die Steigerungsrate liegt bei 13 0/0. Ich darf jedoch in aller Bescheidenheit hinzufügen: beim Bund waren es 9,6 %.
Noch ein Wort, weil das immer wieder vorkommt, zum „Inflations-Entlastungsgesetz". Wir haben es anders bezeichnet. Ich würde es gerne als Steuerreform-Verhinderungsgesetz - ob gewollt oder ungewollt - bezeichnen.
({2})
Was mir imponiert, Kollege Leicht, das sind die ehrlichen Zweifel an den Wirkungsmöglichkeiten dieses Gesetzes, die Sie hier selbst zum Ausdruck gebracht haben. Sie haben gesagt, man hätte ja nicht wissen können, ob es funktioniere, man könne auch nicht ausschließen, daß es funktioniere. Von dem bedingungslosen Glauben an eine solche Operation, den wir bisher von Ihrer Seite immer zu hören bekommen haben, unterscheidet sich wohltuend das, was Sie heute hier gesagt haben, und ich hoffe, Sie schwächen es jetzt nicht ab.
({3})
- Ja, wir haben das immer bezweifelt, und die Erklärungen des einen Teils der Tarifpartner waren ja auch entsprechend. Daß die andere Seite der Tarifpartner aus geradezu egoistischen Gründen anders
argumentiert hat, ist absolut verständlich, wird dadurch aber nicht richtiger.
Noch eine letzte Bemerkung zu Ihrem Hinweis, Herr Kollege Leicht, auf die zwei Minister und deren Personal. Wir machen ja dafür den § 17 a, wie ich glaube, sogar mit Ihrer Billigung, so daß sich diese Dinge mit Einwilligung des Haushaltsausschusses regeln werden.
Wenn ich noch ein Wort zur Frage der Zuwachsraten sagen darf, dann möchte ich schon heute entschieden davor warnen, mit diesen Zuwachsraten im nächsten Jahr ein Satyrspiel zu treiben, und diese Warnung geht über dieses Haus hinaus. Wir wissen alle, daß der Bundeshaushalt 1975 aus den bekannten Gründen der Umstellung des Familienlastenausgleichs in einem mit den vergangenen Jahren nicht vergleichbaren Ausmaß rein optisch, rein zahlenmäßig wachsen wird. Eine solche Entwicklung, die die Relationen völlig verschiebt, zeigt auch wieder von dieser Seite, wie problematisch solche Diskussionen sind. Man müßte natürlich immer von bereinigten Haushalten ausgehen. Auch die Zuwachsrate 1974 wäre dann in gewissen Punkten, die Sie selbst genannt haben - der Einbeziehung der Schattenhaushalte oder eines Teils, wie wir offen sagen wollen -, zu berichtigen.
Nun sollte man vor allem die Kritik am Volumen des Haushalts hier und draußen nicht mit einer Verketzerung der öffentlichen Ausgaben und der öffentlichen Aufgaben verbinden. Da wird immer so gern ein unterschwelliges Unbehagen am Staat geschürt. Man muß immer wieder deutlich sagen, daß Haushalt keine Veranstaltung der Regierung oder der Koalition oder des Parlaments ist. Haushalt ist eine Angelegenheit aller Bürger des Staates, und hinter den vielen trockenen Zahlen dieses Haushalts stehen viele menschliche Schicksale, und hinter den Einnahmen steht die Leistung aller Steuerzahler, denen wir bei dieser Gelegenheit auch einmal danken sollten.
({4})
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit für den Redner.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe oft das Schicksal, kurz vor einer Abstimmung zu sprechen. Dann füllt sich der Saal langsam.
({0})
- Wenn er sich leise füllt, Herr Baier, ist der Vorteil größer. Man läuft ja im allgemeinen auch nicht mit dem Mund, sondern mit den Füßen.
Meine Damen und Herren, das Motto, man redet am besten über etwas, von dem man nichts versteht, trifft weitgehend auf die Haushaltskritik in der Öffentlichkeit, teilweise aber auch unter den Parlamentariern selbst zu. Ich möchte es Ihnen deshalb auch nicht ersparen, in dieser für den erwarteten Sitzungsablauf späten Stunde - aber daran tragen andere Schuld, die unbedingt vorbereitete Reden halten mußten - doch ein paar Worte über das zu
sagen, was wir heute inhaltlich entscheiden. Denn ich habe den Eindruck, daß auch in diesem Hause - und ich mache da gar keine Ausnahme, - manchmal wenig Kenntnis über den Inhalt, über die Struktur des Haushaltes besteht. Die Zahl von 136,4 Milliarden DM ist im allgemeinen bekannt. Wenn wir die Zusammensetzung einmal analysieren, werden wir aber feststellen, davon entfallen 29 Milliarden DM gleich 21 0/o, d. h. von jeder Mark 21 Pfennig, auf den Einzelplan 14: Verteidigung. Wer über den Haushalt redet und über das Volumen schimpft, sollte zunächst einmal diese Tatsache dabei bedenken.
({1})
Und damit es hier keine Mißverständnisse gibt: Ich halte dieses Ausmaß der Verteidigungsanstrengungen auf absehbare Zeit für absolut unvermeidlich. Nur muß man das wissen: Es ist der Preis der Freiheit und der äußeren Sicherheit, den wir mit diesen 21 % unseres Haushaltsvolumens zu zahlen haben.
({2})
Ich darf in diesem Zusammenhang vorweg gleich ein Wort zu dem Entschließungsantrag der Kollegen von der Opposition auf Drucksache 7/2146 sagen. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun - wobei ich nicht unbedingt unterstelle, daß Sie das gewollt haben -, diesen Antrag abzulehnen. Wir können ihn aber so, wie er formuliert ist, auch nicht annehmen. Wir bitten um Überweisung an die zuständigen Ausschüsse, damit wir dort gemeinsam zu einer vernünftigen Formulierung kommen. Denn es ist sicherlich - bei aller Anerkennung der verteidigungspolitischen Notwendigkeiten - falsch, hier eine solche prozentuale Festschreibung vornehmen zu wollen,
({3})
weil man ja gar nicht weiß, wie sich die Haushaltslage insgesamt entwickelt; der Anteil der Verteidigung kann ja auch einmal steigen müssen.
({4})
- Das kann sein. Und ganz abgesehen davon würde durch einen solchen Schritt generell für jedes Ressort einem Besitzstandsdenken Vorschub geleistet werden.
Meine Damen und Herren, der zweite große Block sind die 27,3 Milliarden - gleich 20 Prozent - im Einzelplan 11: Arbeit und Sozialordnung. Da muß man wissen, daß davon 99 Prozent gesetzlich gebunden sind. Das ist - in Analogie zu dem, was ich eben sagte - der Preis eines Teils der sozialen Sicherheit dieses Landes und damit für viele Bürger auch die Garantie materieller persönlicher Sicherung und Freiheit.
Dann kommt der Verkehr: 19,1 Milliarden gleich 14 Prozent. Herr Leicht hat eben selbst gesagt, daß davon aus Gründen, die wir jetzt nicht erörtern wollen, 9,6 Milliarden auf die Bundesbahn entfallen. Der Rest sind im wesentlichen zweckgebundene Mittel aus der Mineralölsteuer für Straßen, Autobahnen und Nahverkehr.
Man muß bei diesen Grundsäulen des Etats noch die Bundesschulden erwähnen. Denn wenn man Kredite aufnimmt - und seit 25 Jahren immer aufgenommen hat -, muß man dafür natürlich Zinsen und Amortisation leisten. Das sind 6,5 Milliarden oder 5 Prozent.
Und dann ein Posten, der leicht untergeht: 5 Milliarden oder 4 Prozent Hilfe - selbstverständliche Hilfe - des Bundes für Berlin.
Meine Damen und Herren, allein diese fünf Teile repräsentieren 60 Prozent des gesamten Ausgabenvolumens, und das zeigt, wie schwierig es ist, in einem solchen Haushalt massive Sparmaßnahmen durchzuführen.
({5})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas mehr Höflichkeit gegenüber dem Redner.
({0})
Privatgespräche können ja auch nach außerhalb des Saales verlegt werden. - Bitte!
Das zeigt, wie eng begrenzt der Spielraum einer Politik der Kürzungen ist. Wenn ich sage, daß diese 60 Prozent so sehr schwer zu beeinflussen sind, heißt das ja, daß dann, wenn jemand die Vorstellung hat, insgesamt 10 Prozent zu kürzen, von dem Rest von 40 Prozent 25 Prozent wegfallen. Und auch darin stecken doch noch Dinge, die mehr oder weniger zementiert sind, Ausgaben in Milliardenhöhe: Sparprämien, Wohnungsbauprämien, Wohnungsbauförderung, nicht zu vergessen die Agrarmarktfinanzierung und allerhand anderes.
Wenn man das alles sieht und weiß, muß ich dem Kollegen Schröder ({0}), der hier heute morgen seine Philippika gegen die Verschwendung im Staat gehalten hat,
({1})
sagen, weil er ja seine Ausführungen als Hinweise für mögliche große Sparmaßnahmen betrachtete: das war - und das müßte er eigentlich selbst begreifen - reichlich kleinkariert.
({2})
Ich will wegen der fortgeschrittenen Zeit das Thema Reformen hier nur noch ganz kurz ansprechen und doch noch einmal die Unterscheidung hervorheben, die wichtig ist, daß es Reformen mit und ohne Geld gibt, daß die ohne Geld oder ohne viel Geld oft genau so wichtig oder noch wichtiger sind. Reformpolitik darf deshalb nicht durch finanzpolitische Konsequenzen, die sie hat, diskreditiert werden; Reformpolitik darf aber auch kein Alibi für eine weitere Ausweitung der Staatsausgaben sein.
({3})
Ich muß noch ein Wort zur Frage der Kredite sagen. Sicherlich ist das die höchste vorgesehene - ich sage bewußt: vorgesehene - Nettokreditaufnahme seit vielen Jahren, zusammengenommen so viel wie
in den vier Jahren von 1970 bis 1973. Übrigens sprechen natürlich diese Ergebnisse 1970 bis 1973 für die Solidität der Ausgabenpolitik dieser Regierung seit 1970.
({4})
Außerdem sollte man immer wieder bedenken, daß Kreditaufnahme für den Bürger besser ist als Steuererhöhung, denn er bietet darin dem Staat das an, was er gespart hat, und braucht nicht mehr Steuern zu zahlen, die bekanntlich endgültig weg sind.
Lassen Sie mich hier aber noch eine persönliche Bemerkung einfließen, die, soweit ich das sehe, von Haushaltskollegen aller drei Fraktionen vielleicht geteilt wird. Ich bedauere es - ich sage das, wie ich weiß, im Widerspruch zu den Konjunkturpolitikern auch meiner eigenen Fraktion -, daß wir auf der einen Seite diese hohe Nettokreditaufnahme haben und auf der anderen Seite 2,5 Milliarden DM Stabilitätsanleihe weiter tot liegen lassen müssen - tot für uns, aber zinsbringend für die, die sie erfreulicherweise gezeichnet haben. Das muß man sehr deutlich sehen, und es muß bei Würdigung aller konjunkturpolitischen Momente einem Haushaltsexperten, einem Haushaltssprecher zumindest gestattet sein, auf diesen haushaltspolitischen Preis stabilitätspolitischer Konsequenz hinweisen zu dürfen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß - ({5})
- Wir sollten einmal hier einen Computer aufstellen, der feststellt, wer mehr überflüssige Reden in diesem Hause hält.
({6})
- Ich bin sicher, daß nicht nur ich, sondern meine ganze Fraktion dabei sehr gut abschneiden würde.
({7})
Meine Damen und Herren, „Parlament" kommt von „parlare", und das heißt reden. Grundsätzlich kann also Reden im Parlament nicht falsch sein.
({0})
Ich will gar nicht davon sprechen, wie gut es wäre, wenn wir hier einen Apparat hätten, der immer klingeln würde, wenn jemand hier etwas sagt, was nicht stimmt.
({0})
Solange ich als Präsident diesen Apparat nicht bedienen muß, habe ich nichts dagegen.
({0})
Vielleicht hätten wir diese eine Million DM für den Computer lieber für so etwas investieren sollen; dann würden die Debatten sicher viel kürzer werden.
Meine Damen und Herren, ich wollte zum Schluß doch noch eine politische Bemerkung für mich und meine Freunde zu unserer Rolle hier machen. Es ist ein Kennzeichen dieser Debatte gewesen, daß sich die verehrte Opposition in der gegenwärtigen politischen Phase wieder einmal auf die Freien Demokraten einschießt; das liest man auch so in den Zeitungen. Die Haltung dieser Parteien zu uns in den letzten 25 Jahren ist sehr wechselvoll gewesen. Sie ist eine Geschichte von Wechselbädern, von Zuckerbrot und Peitsche, von Sirenenklängen und Donnergrollen, lange Jahre des Versuchs des Aufsaugens, der Spaltung, das Katapultieren nicht zu vergessen, der Abwerbung und was wir alles gehabt haben und nach 1972 - ich sage das jetzt im Zeitraffer - eine gewisse Offensive des Lächelns, um nicht zu sagen, ein verstecktes Liebeswerben, das nun heute wieder von einer mehr oder weniger deutlichen Konfrontation abgelöst wird,
({0}) die wir in keiner Weise zu scheuen haben.
Meine Damen und Herren, wir sind uns dabei bewußt, daß die liberale Politik in einem Land mit der Struktur unseres Landes auf Dauer, über lange Zeiträume gesehen, immer eine Gratwanderung sein wird, eine Gratwanderung als Politik der Mitte.
({1})
Ich sage auch ganz deutlich, daß wir nach keiner Seite blind sind. Wenn ich von Gratwanderung spreche, um es bildhaft zu sagen, so sehen wir natürlich sehr links unten Gespenster und Nebel. Das sehen wir durchaus. Aber wir vergessen und übersehen auch nicht die Abgründe rechts, aus denen sich dieses Volk zweimal mit Mühe und Not wieder herausgekrabbelt hat.
({2})
Unser politisches Radarsystem wird funktionieren.
Meine Damen und Herren! Übermorgen wird in diesem Saal - lassen Sie mich damit diese Rede zur dritten Lesung dieses Haushalts abschließen - das 25jährige Bestehen des Grundgesetzes gefeiert. Ich will das hier nicht vorwegnehmen. Aber wir sollten am Ende dieser bewegten Wochen und am Ende dieser bewegten Debatten doch einmal gemeinsam sehen, daß unsere Politik erfreulicherweise davon ausgehen kann, daß dieser Teil unseres Landes 25 Jahre - wenn man die Umwelt sieht, sollte man es so formulieren - in der Gnade des Friedens, der Freiheit und eines wachsenden Wohlstands gelebt hat.
({3})
Die Politik der FDP in diesem Hause und überall in diesem Land wird es sein sicherzustellen, daß dies so bleibt. Weil dies für uns in dieser Koalition gesichert ist, stimmen wir diesem Haushalt als der
Grundlage der Politik dieser Koalition in diesem Jahre zu. Ich danke Ihnen.
({4})
Als letzter Redner in der allgemeinen Aussprache hat das Wort der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat in dieser Debatte viel Kritik der Opposition gegeben. Sie ist von den Vorrednern, dem Herrn Kollegen Möller insbesondere und dem Kollegen Kirst, zurückgewiesen und zurechtgewiesen worden. Ich brauche deshalb dazu nichts zu sagen. Ich möchte auch nichts zu der Polemik sagen, die heute im Laufe der Debatte eine Rolle gespielt hat. Wenn Sie diesen Stil wollen, dann ist das akzeptiert. Wir können das auch. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit sagen, Herr Kollege Leicht: ich möchte mich bedanken für den honorigen Stil Ihrer Rede.
({0})
Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte darf ich für die Bundesregierung und - so denke ich - auch für die Koalition feststellen, daß die Opposition in dieser Budgetdebatte keine Alternativen dargestellt hat. Sie sind uns die Auflösung von zwei Widersprüchen schuldig geblieben. Widerspruch Nummer Eins: Die Bundesausgaben sind Ihnen in manchen Bereichen nicht hoch genug, und die Gesamtausgaben sind insgesamt zu hoch. Widerspruch Nummer Zwei: Die Senkung der Steuern sollte eigentlich schon Mitte 1974 stattfinden; gleichzeitig kritisieren Sie die Höhe der Kreditaufnahme. Sie werden der öffentlichen Meinung in unserem Lande darzustellen haben, wie diese Widersprüche miteinander zu vereinbaren sind. Ich sage Ihnen: sie sind nicht miteinander zu vereinbaren! Insofern müßte die Opposition noch etwas dazulegen, um der öffentlichen Meinung klarzumachen, wo ihre eigene Position ist.
({1})
Wir gehen aus dieser Debatte gestärkt in der Überzeugung, daß der Bundeshaushalt 1974 den ökonomischen Gegebenheiten dieses Jahres entspricht, daß er solide finanziert ist.
Am Ende möchte ich mich dem Dank anschließen, insbesondere an den Vorsitzenden, Herrn Leicht, und die Obleute, an das Hohe Haus und an alle, die daran mitgewirkt haben, daß wir den Bundeshaushalt 1974 trotz der Umstände heute akzeptieren werden, denn davon bin ich überzeugt.
({2})
Die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart, daß vorerst nur über den Änderungsantrag Drucksache 7/2123 abgestimmt wird, daß dann die namentliche Schlußabstimmung stattfindet und daß dann erst über alle Entschließungsanträge - auch diejenigen, die zu Einzelplänen gestellt worden sind - abgestimmt wird. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann kann ich so verfahren.
Zu den Einzelplänen sind keine Änderungsanträge gestellt.
Ich rufe nunmehr das Haushaltsgesetz 1974 in dritter Lesung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 7/2123 ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP, der auf die Einfügung eines § 17 a abzielt, vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag auf Einfügung eines § 17 a in das Haushaltsgesetz zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Der Antrag ist angenommen.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz. Es ist interfraktionell namentliche Abstimmung vereinbart. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
({0})
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung liegt vor. Es haben 438 uneingeschränkt stimmberechtigte und 20 Berliner Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 261 uneingeschränkt stimmberechtigte und 13 Berliner Abgeordnete, mit Nein 177 uneingeschränkt stimmberechtigte und 7 Berliner Abgeordnete gestimmt. Enthaltungen lagen nicht vor.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 438 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 261 und 13 Berliner Abgeordnete, nein: 177 und 7 Berliner Abgeordnete.
Ja
SPD
Adams Ahlers Dr. Ahrens
Amling Anbuhl Dr. Apel
Arendt ({0}) Dr. Arndt ({1}) Augstein
Baack Bäuerle Barche Bahr
Dr. Bardens
Dr. Bayerl
Becker ({2}) Dr. Beermann Behrendt
Berkhan Biermann
Dr. Böhme ({3}) Börner
Frau von Bothmer Brandt ({4})
Bredl
Brück
Buchstaller
Büchler ({5}) Büchner ({6}) Dr. von Bülow Buschfort
Dr. Bußmann Collet
Conradi
Coppik
Dr. Corterier
Frau Däubler-Gmelin
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Frau Eilers ({7})
Dr. Emmerlich Dr. Enders
Engholm
Esters
Ewen
Dr. Farthmann Fellermaier
Fiebig
Dr. Fischer
Vizepräsident Frau Funcke Flämig
Frau Dr. Focke
Franke ({8}) Frehsee
Friedrich Gansel
Geiger
Gerlach ({9})
Gerstl ({10})
Gertzen Dr. Geßner Glombig Dr. Glotz Gnädinger Grobecker Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase ({11})
Haase ({12}) Haehser
Halfmeier Hansen Hauck
Dr. Hauff Henke
Herold
Höhmann Hofmann Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker Immer
Jahn ({13})
Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans Junker
Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Koblitz
Konrad
Kratz
Dr. Kreutzmann
Krockert Kulawig Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen Lautenschlager
Leber
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Löbbert
Dr. Lohmar Lutz
Mahne
Marquardt Marschall Matthöfer Frau Meermann
Dr. Meinecke ({14}) Meinicke ({15}) Metzger
Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h.
Möller
Müller ({16})
Müller ({17})
Müller ({18})
Müller ({19})
Dr. Müller-Emmert
Nagel
Neumann Dr.-Ing. Oetting
Offergeld Frau Dr. Orth
Freiherr
Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Dr. Penner Pensky
Polkehn Porzner
Rapp ({20}) Rappe ({21}) Ravens
Reiser
Frau Renger Reuschenbach
Richter
Frau Dr. Riedel-Martiny Rohde
Rosenthal Sander
Saxowski
Dr. Schachtschabel Schäfer ({22}) Dr. Schäfer ({23}) Scheffler
Scheu
Frau Schimschok Schinzel
Schirmer Schlaga Schluckebier
Dr. Schmidt ({24}) Schmidt ({25}) Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schonhofen Schreiber Schulte ({30}) Schwabe
Dr. Schweitzer
Dr. Schwencke
Seefeld
Seibert
Simon
Dr. Slotta Dr. Sperling
Spillecke
Staak ({31})
Stahl ({32})
Dr. Stienen Suck
Sund
Frau Dr. Timm
Tönjes
Urbaniak Vahlberg Vit
Dr. Vogel ({33}) Vogelsang
Walkhoff Waltemathe
Walther
Dr. Weber ({34}) Wehner
Wende
Wendt
Dr. Wernitz Westphal Dr. Wichert Wiefel
Wilhelm Wischnewski
Dr. de With Wittmann ({35}) Wolf
Wrede Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Dübber
Egert
Frau Grützmann Heyen
Löffler Mattick
Dr. Schellenberg
Frau Schlei Schwedler Sieglerschmidt Wurche
FDP
Dr. Achenbach
Baum
Dr. Böger Christ
Engelhard
Ertl
Gallus
Geldner Genscher Graaff
Grüner
Hölscher Hoffie
Jung
Kleinert Krall
Dr. Graf Lambsdorff Frau Lüdemann
Dr. Dr. h. c. Maihofer Mertes ({36}) Mischnick
Moersch Ollesch Opitz
Ronneburger
Scheel
von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Vohrer
Dr. Wendig
Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordneter Hoppe
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim Dr. Althammer
Dr. Arnold Baier
Dr. Barzel Dr. Becker
({37}) Frau Benedix
Benz
Bewerunge Biechele Biehle
Dr. Dr. h. c. Birrenbach Dr. von Bismarck
Dr. Blüm Blumenfeld
Böhm ({38}) Braun
Breidbach Bremer
Bremm
Burger
Carstens ({39})
Dr. Carstens ({40}) Dr. Czaja
van Delden Dreyer
Eilers ({41}) Entrup
Ernesti
Dr. Evers Ey
Dr. Eyrich
Freiherr von Fircks Franke ({42}) Dr. Frerichs
Dr. Früh
Dr. Fuchs Geisenhofer Gerlach ({43}) Gerster ({44})
Dr. Gölter Dr. Götz
Dr. Gruhl Haase ({45})
Dr. Häfele Dr. Hammans
von Hassel Hauser
({46}) Hauser ({47})
Dr. Hauser ({48}) Dr. Heck
Höcherl
Hösl
Dr. Hornhues Horstmeier Frau Hürland
Dr. Hupka Hussing
Dr. Jahn ({49})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Katzer
Kiechle
Kiep
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein ({50}) Dr. Klein ({51}) Dr. Kliesing Dr.Köhler ({52})
Dr. Köhler ({53}) Köster
Krampe
Dr. Kraske Dr. Kreile Kroll-Schlüter
Dr. Kunz ({54}) Leicht
Lenzer
Link
Löher
Dr. Luda
Vizepräsident Frau Funcke Dr. Marx
Dr. Mende
Dr. Mertes ({55}) Mick
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Milz
Möller ({56})
Dr. Müller ({57}) Müller ({58})
Dr. Müller-Hermann
Frau Dr. Neumeister Niegel
Nordlohne
Dr.-Ing. Oldenstädt
Orgaß Pfeffermann
Pfeifer Picard Pohlmann
Dr. Prassler
Rainer Rawe Reddemann
Frau Dr. Riede
({59})
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Röhner Rollmann
Rommerskirchen
Roser Russe Sauer ({60})
Sauter ({61})
Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schedl
Frau Schleicher
Schmitt ({62})
Dr. Schneider
Frau Schroeder ({63}) Dr. Schröder ({64}) Schröder ({65}) Schulte
({66})
Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Sick
Solke
Spranger
Springorum
Dr. Stark ({67}) Dr. Stavenhagen Frau Stommel
Stücklen
Susset
de Terra
Thürk
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Frau Tübler
Vehar
Frau Verhülsdonk Vogt
Volmer
Dr. Waffenschmidt
Dr. h. c. Wagner ({68}) Dr. Wagner ({69})
Dr. Wallmann
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber ({70}) Dr. Freiherr
von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Windelen
Wissebach
D. Wittmann ({71}) Frau Dr. Wolf
Dr. Wulff
Dr. Zeitel
Zeyer
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger ({72})
Kunz ({73})
Müller ({74})
Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe
Damit ist das Haushaltsgesetz in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu den Entschließungsanträgen, und zwar in der Reihenfolge der Einzelpläne. Es liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der CDU/ CSU auf Umdruck 7/2144 zum Einzelplan 09 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Professor Burgbacher!
Meine Damen und Herren! Ich werde es sehr kurz machen. Die Entschließung, die Ihnen vorliegt, war ursprünglich ein Änderungsantrag; er ist durch die verschiedenen parlamentarischen Gruppen erst zu einer Entschließung entwickelt worden. Sie soll eine kleine Hilfe sein für die zwingend notwendigen Investitionen im Steinkohlen- und Braunkohlenbergbau; nicht, wie das in dem Entschließungsantrag steht, im Pechkohlenbergbau - das ist ein Druckfehler -, sondern im Braunkohlenbergbau.
Es ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und das gibt mir Veranlassung, das Hohe Haus und auch die Regierung daran zu erinnern,
daß damit Energieprobleme nicht gelöst sind und die eigentlichen Lösungen immer noch offenstehen. Wir wissen, daß die Regierung an der Fortschreibung des Regierungsprogramms für die Energiepolitik arbeitet, und hoffen, daß wir es bald sehen werden.
Was uns aber schwerstens bedrückt, ist die Tatsache, daß die Anlagen, die heute nicht begonnen werden, in zehn Jahren nicht zur Energiedeckung zur Verfügung stehen, d. h. im Jahre 1984 nicht vorhanden sind. Wir meinen die Kernkraftwerke, die thermischen Kraftwerke, die Vergasungsanlagen für Steinkohle und Braunkohle und die Förderanlagen für Braunkohle und Steinkohle. Wenn das nicht geschieht, ist in der Mitte der 80er Jahre eine erneute Energiekrise unausweichlich.
Mir schien es wichtig genug, das Hohe Haus und die Regierung auf diese Tatsache höflichst aufmerksam zu machen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfram.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt 1974 berücksichtigt energiepolitische Notwendigkeiten wie kein Etat zuvor. Diese Bundesregierung und auch ihre Vorgängerin haben bewiesen, wie ernst sie eine planmäßige Rohstoff- und Energiepolitik betreiben. Der Herr Bundeskanzler Schmidt hat klare Aussagen zur Energiepolitik und zur Stellung der heimischen Kohle gemacht. Das fortzuschreibende Energiekonzept kommt dieses Jahr. In diesem Zusammenhang werden wir auch die finanziellen Auswirkungen zu behandeln und darüber zu entscheiden haben.
Im Namen der Koalitionsfraktionen beantrage ich deshalb, diesen Entschließungsantrag an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr begehrt.
Es ist beantragt, den Entschließungsantrag an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2145 zum Einzelplan 12. Wünscht dazu jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/2146 zum Einzelplan 14. Das Wort hat der Abgeordnete Damm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag meiner Fraktion hat folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung dafür zu sorgen, daß der Anteil der Verteidigungsausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes nicht weiter absinkt, solange die militärischen Kräfte des Warschauer Paktes in Mitteleuropa weiter wachsen und die Bemühungen um eine ausgewogene und kontrollierte Abrüstung nicht zum Erfolg geführt haben.
Mit diesem Antrag wollen wir erreichen, daß in der Zukunft eine ausreichende finanzielle Ausstattung unserer Verteidigung sichergestellt wird, nicht zuletzt um zu gewährleisten, daß unsere Soldaten auch morgen an modernen und ausreichenden Waffen ausgebildet werden können.
Wir wollen - zweitens - erreichen, daß die seit Jahren andauernde relative Verringerung des Verteidigungshaushalts gestoppt wird. Wenn Sie einen Augenblick zuhören wollen, können Sie den Zahlen, die uns die Bundesregierung selber zur Verfügung gestellt hat, entnehmen, wie diese Regierung plant, wie sich der Verteidigungshaushalt in den nächsten Jahren entwickeln soll: Steigerung von 1974 auf 1975 um 3,6 Prozent, von 1975 auf 1976 um 2,8 Prozent, von 1976 auf 1977 um 1,1 Prozent. Demgegenüber plant die Regierung für den Gesamthaushalt jährlich eine Steigerung um 8,5 Prozent. Die Regierung selber sagt - jedenfalls in einer Drucksache des Verteidigungsministeriums -, daß diese Mittel nur schwerlich ausreichen, die dort planerisch zur Verfügung gestellt werden.
Drittens wollen wir damit Schluß machen, daß wir uns selbst in die Tasche lügen und der Bevölkerung Sand in die Augen streuen, indem nämlich auf der einen Seite die Regierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung ein relatives Sinken des Etats projeziert, gleichzeitig aber ständig mit überplanmäßigen Ausgaben - jedenfalls in den letzten Jahren - kommt oder sogar - wie in diesem Jahr - den Etat des Verteidigungsministers noch während der Etatberatungen erhöhen muß, so daß auf diese Weise die planerischen Grundlagen ohnehin durch die Wirklichkeit ständig ,über den Haufen geworfen werden. Verteidigung ist eben nicht nur Soldatenzahl plus Rüstung, sondern militärische Stärke mal Verteidigungsbereitschaft. Verteidigungsbereitschaft aber verlangt eine ständige Bewußtseinsbildung unserer Öffentlichkeit. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, daß für die Öffentlichkeit sichtbarer gemacht wird, was in den nächsten Jahren für die Verteidigung notwendig ist.
({0})
Nun sagt unser Antrag, der Etat solle nicht weiter absinken unter zwei Bedingungen, erstens, solange die militärischen Kräfte des Warschauer Paktes in Mitteleuropa weiter anwachsen, und zweitens, die Bemühungen um eine ausgewogene und kontrollierte Abrüstung nicht zum Erfolg geführt haben. Insoweit ist das, was wir heute beantragen, das Gegenteil dessen, was auf dem Bundesparteitag der
SPD in Hannover im vergangenen Jahr in dem Antrag 2 des Bezirks Hessen-Süd beantragt worden ist. In der damaligen Debatte hat der Kollege Pawelczyk als Delegierter des SPD-Parteitages dringend davor gewarnt, dem Antrag aus Hessen-Süd zu folgen, und hat unter anderem ais Begründung angegeben, es sei nötig, daß der Verteidigungshaushalt jedes Jahr um 2 Milliarden steige, um allein die steigenden Personal- und Betriebskosten abfangen zu können. Nach der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung soll der Etat zum nächsten Jahr, also von 1974 auf 1975, um eine Milliarde steigen, von 1975 auf 1976 um 800 Millionen und von 1976 auf 1977 um 300 Millionen. Ich hoffe, daß wenigstens der Abgeordnete Pawelczyk unserer Forderung zustimmen wird.
({1})
Es ist die Frage zu stellen: Gibt es eine objektive Höhe für den Verteidigungshaushalt? Keiner kann für sich in Anspruch nehmen, zu wissen, wie hoch wirklich objektiv der Verteidigungshaushalt sein muß; das räume ich freimütig ein. Aber es ist sicherlich ebensowenig sachlich zu begründen, daß der Verteidigungshaushalt seit vielen Jahren ständig gegenüber dem Gesamthaushalt sinkt. Ich denke, wir haben allen Grund, diesen verhängnisvollen Abwärtstrend zu stoppen. Wir haben auch allen Grund, den Planern eine vernünftige Planungsgrundlage zu geben.
Wenn wir Finanzierungsmöglichkeiten und Verteidigungsnotwendigkeiten wirklich miteinander in Einklang bringen wollen, gibt es dafür außer der Hoffnung auf MBFR, also auf eine ausgewogene, beiderseitige Abrüstung, nur die tatsächliche europäische Kooperation. Das heißt: Schlußmachen mit dem Unsinn des nationalen Egoismus im Militär- und Rüstungswesen. Es gibt eine Fülle von Beispielen dafür, wie die freien Europäer nur deswegen unnütz doppelt, dreifach und noch häufiger Geld für militärische Aufgaben ausgeben, weil sie nicht in der Lage sind, ihre nationalen Egoismen zu überwinden. Ich verzichte darauf, Beispiele zu nennen.
({2})
Ich will lediglich sagen, daß es nicht zu verantworten ist, wenn etwa 12 Länder 13 verschiedene Panzerabwehrraketen entwickeln, obwohl nur zwei oder drei wirklich notwendig sind. Wir können, wie General Steinhoff vor wenigen Wochen gesagt hat, auf diesem Felde Milliarden sparen.
Ein Projekt, an dem, wie ich sehr hoffe, Milliarden gespart werden werden, obwohl es im Augenblick nicht so aussieht, ist das Projekt der NATO-Fregatte, ein Projekt, bei dem leider im Augenblick der Eindruck vorhanden ist, als fänden sich viele Länder auch hier aus nationalen Egoismen nicht bereit, dem Vorschlag der NATO zu folgen, diese Fregatte als Standard-Fregatte einzuführen.
Ich wünschte, meine Damen und Herren, die Regierung würde, was dieses Projekt und andere angeht, die internationalen Organisationen, in denen auch deutsche Parlamentarier sitzen, zum Nutzen europäischer Kooperation heranziehen und uns rechtzeitig und ausführlich über das orientieren, was
geplant ist und möglicherweise - im europäischen. Sinne - schiefläuft.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ollesch?
Ja, bitte.
Herr Kollege, haben Sie die Absicht, die Beratung über den Einzelplan 14 wieder aufzunehmen?
({0})
Nein, Herr Ollesch, ich habe diese Absicht nicht, sondern ich habe die Absicht, einen Antrag, der in der Tat für die künftige Haushaltsgestaltung von beträchtlicher, auch finanzieller Bedeutung ist, so zu begründen, daß ihn jeder verstehen kann und daß Sie uns nicht sagen werden: ihr legt etwas vor, zu dem ihr dann nicht einmal die notwendigen Erklärungen gebt.
({0})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sperling?
Aber natürlich.
Herr Kollege Damm, wenn Sie die Absicht nicht haben, warum handeln Sie ihr dann zuwider?
({0})
Herr Sperling, wir haben schon in der letzten Nacht von Ihnen einige sehr subjektive und unlogische - wie ich meine ({0})
Bemerkungen gehört, und Sie reihen nun eine neue daran. Warum wehren Sie sich dagegen, daß diese wenigen Minuten Zeit gegeben ist, nachdem wir die Haushaltsberatungen leider, wie wir heute ja miteinander feststellen mußten, in der Mittagspause um eineinhalb bis zwei Stunden unterbrochen haben? Wir hätten dieses Thema längst erledigt gehabt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich denke, daß dieses Parlament gut beraten ist, wenn es dem vorliegenden Antrag folgt, um Wege zu finden, den Verteidigungshaushalt so an die Entwicklung des Gesamthaushalts anzupassen, daß die für die Finanzierung der militärischen Friedenssicherung notwendigen Mittel auch in den nächsten Jahren tatsächlich vorhanden sein werden. Nur wenn wir das tun, bewahren wir uns die Chance auf eine mögliche beiderseitige, ausgewogene Abrüstung, und nur so bewahren wir uns die Möglichkeit, auch künftig unsere Freiheit militärisch zu sichern.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Würtz.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegt daran, eine Vorbemerkung zu machen. Herr Kollege Damm, ich finde es unfair, zu diesem Zeitpunkt die Kollegen der Koalitionsfraktionen, die hier in großer Zahl anwesend sind, durch einen Debattenbeitrag, der eine solche Zeit in Anspruch nimmt, so aufzuhalten. Wenn man - ich muß dies deutlich sagen --- die geringe Präsenz bei Ihnen anschaut - Sie sprechen immer so viel von Präsenz -, dann ist das einfach kein Stil.
({0})
Ich sage dies deshalb, weil eine ganze Reihe von Kollegen Ihrer Fraktion mit uns über den Stil der Haushaltsdebatte diskutiert haben.
Meine Damen und Herren, für die Koalitionsfraktionen darf ich erklären, daß wir um Überweisung des Antrags der CDU/CSU an die zuständigen Ausschüsse bitten. Ich will auch sagen, warum: weil wir der Auffassung sind, wie es der Kollege Kirst vorhin in seiner Rede schon gesagt hat, daß der sachliche Gehalt Ihres Antrags ein wenig verbessert werden sollte.
Die Koalitionsfraktionen gehen davon aus, daß die Bundesregierung auch künftig ihren Beitrag im Rahmen des Atlantischen Bündnisses leisten wird, damit das Kräfteverhältnis der beiden Militärblöcke in Mitteleuropa erhalten bleibt. Hierzu bedarf es auch weiterhin erheblicher finanzieller Anstrengungen des Bundes. Es steht außerhalb jeder Diskussion, daß die Bundesregierung dieser Notwendigkeit auch bei Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1975 und bei der Fortschreibung des Finanzplans bis 1978 Rechnung tragen wird.
Die von Ihnen genannten Zahlen, Herr Kollege Damm, sind richtig, was die mittelfristige Finanzplanung angeht. Aber ich muß natürlich auch hinzufügen: Wenn Sie sich einmal die erste mittelfristige Finanzplanung von 1967 angesehen hätten, dann hätten Sie bemerkt, daß es dort ebenfalls unterdurchschnittliche Steigerungsraten gab, denen nicht gefolgt wurde.
Wir sind der Auffassung, daß es einer Festschreibung des Anteilsverhältnisses der militärischen Ausgaben zu den Gesamtausgaben des Bundes einfach nicht bedarf. Dies führt nach meiner Auffassung nur dazu, daß auch für andere wichtige öffentliche Aufgaben - wie etwa Bildung, Umweltschutz oder Verkehr - feste Anteilsverhältnisse gefordert würden. Die Folge wäre eine Festschreibung der gegenwärtigen Ausgabengew. Althammer hat dies vorhin hier noch einmal betont -, die Immobilität des Haushalts würde damit nur weiter festgeschrieben.
Ich meine - der Kollege Dr
Wir sind der Auffassung - ich bitte darum, einmal diese Zahlen anzuhören -, daß seit 1971 eine Tendenzwende vorhanden ist.
({1})
Der Bundeshaushalt hatte in den Jahren von 1971 bis 1973 eine Steigerungsrate von rund 10 % jährlich aufzuweisen. Im Verteidigungshaushalt ist eine entsprechende Gewichtung festzustellen. Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, daß auch für das Jahr 1974 der Verteidigungshaushalt nahezu an die Steigerung des Gesamthaushalts herankommt.
Ich meine, wir sollten Ihren Antrag im Ausschuß noch einmal sachlich überarbeiten.
({2})
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Verteidigungsausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend beantragt. Wer dem zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen dann zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zum Einzelplan 15 auf Drucksache 7/2147. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es wird Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - beantragt.
Wer dem zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzentwurfs 1974 auf Drucksache 7/2148. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Punkt XXVIII auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum
- Drucksache 7/2011 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({0})
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
Zur Begründung, Herr Bundesminister Vogel.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, die unter meinem Amtsvorgänger, Herrn Kollegen Jahn, ausgearbeitete und von ihm eingebrachte Vorlage namens der Bundesregierung in aller Kürze wie folgt zu begründen.
Es handelt sich um eine Vorlage von besonderer sozialpolitischer Bedeutung. Sie berührt die elementaren Lebensinteressen eines erheblichen Teiles unseres Volkes, da rund zwei Drittel der Menschen in unserem Lande, d. h. rund 40 Millionen, zur Miete wohnen. Das Wohnraumkündigungsschutzgesetz hatte für die Frage, unter welchen Voraussetzungen Mietverhältnisse gegen den Willen des Mieters beendet und Mietpreise bei bestehenden Mietverhältnissen erhöht werden können, Lösungen gefunden, die die berechtigten Interessen beider Seiten zu einem vernünftigen Ausgleich bringen: Lösungen, die davon ausgehen, daß Wohnungen nicht Behältnisse zur Aufbewahrung von Menschen, sondern der Lebensmittelpunkt von Familien und des einzelnen sind, dessen Wechsel die Existenz der Betroffenen in ganz ähnlicher Weise berührt wie der Wechsel des Arbeitsplatzes.
Diese Lösungen haben sich im Grunde bewährt. Die Zahl der Räumungen und der Räumungsprozesse ist zurückgegangen, der Mietpreisanstieg hat sich verlangsamt, der soziale Frieden ist auf einem für die tägliche Wohlfahrt unserer Mitbürger entscheidenden Gebiet gestärkt und gefestigt worden.
Diese Regelungen sind jedoch bis zum Ende des laufenden Jahres befristet. Es ist deshalb an der Zeit, sie zum dauernden Bestand unserer Rechtsordnung zu machen und dadurch die Rechtssicherheit zu erhöhen. Dies ist das Ziel der Vorlage. Sie verbindet damit die Absicht, einige Detailregelungen auf Grund der zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen zu modifizieren und zu verbessern. Ich nenne insoweit nur die Erleichterung der Feststellung von Vergleichsmieten vor allem durch die Zulassung von Mietwerttabellen und Mietspiegeln, die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Modernisierung von Wohnungen und die Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf möblierte Wohnungen außerhalb der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung.
Im Zuge der Ausschußberatungen werden einige Anregungen des Bundesrates und eine Reihe weiterer Einzelfragen noch sorgfältig zu prüfen sein. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft dazu schon in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates erkennen lassen. Ich bekräftige diese Bereitschaft hier noch einmal.
({0})
Am Ende der Beratungen soll ein Gesetz stehen, das den Vermieter keineswegs verteufelt, sondern ihm die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Erhaltung seines Eigentums und den Anreiz für ein weiteres Engagement im Mietwohnungsbau beläßt, das aber mit der uns vom Grundgesetz aufgetragenen Sozialbindung eben dieses Eigentums Ernst macht und so den Schlußstein in das Gebäude eines sozialen Mietrechts einfügt.
In diesem Sinne wird dieses Gesetz ein Gesetz des inneren Friedens sein.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gnädinger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Fraktion darf ich zu dem von der Bundesregierung eingebrachten und soeben von Herrn Bundesminister Dr. Vogel begründeten Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum folgende Erklärung abgeben.
Die Regelung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter kann nicht der freien vertraglichen Vereinbarung allein überlassen werden. Der Mieter, der sich im Regelfalle dem Vermieter gegenüber in einer schwächeren Position befindet, bedarf des besonderen gesetzlichen Schutzes. Die wesentlichen Elemente dieses gesetzlichen Schutzes sind in dem gegen den Widerstand der CDU/CSU im Jahre 1971 verabschiedeten Wohnraumkündigungsschutzgesetz enthalten. Der Umstand, daß diese Regelungen bis zum 31. Dezember 1974 befristet sind, macht es notwendig, eine gesetzgeberische Entscheidung über deren Fortgeltung zu treffen.
Die SPD-Bundestagsfraktion ist mit der Bundesregierung der Auffassung, daß sich das soziale Mietrecht bewährt hat. Durch die Abschaffung des freien Kündigungsrechtes ist die Stellung des Mieters gestärkt worden, die Zahl der Wohnungskündigungen ist zurückgegangen, und der Mietanstieg hat sich deutlich verlangsamt. Die von den Sprechern der CDU/CSU-Fraktion damals bei der Verabschiedung des Gesetzes angekündigte Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter ist erwartungsgemäß nicht eingetreten,
({0})
im Gegenteil, das soziale Mietrecht hat sich als eine gute Grundlage, Herr Mick, für das von uns gewünschte partnerschaftliche Verhältnis der Mietvertragsparteien erwiesen.
({1})
Auch andere unheilvolle Prognosen der Opposition wie die eines beschleunigten Mietanstieges infolge der Gesetzgebung sind nicht eingetreten.
Wir begrüßen den vorliegenden Entwurf, mit dem der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts als Dauerrecht in das BGB übernommen und in einem besonderen Gesetz ohne Befristung die Begrenzung der Mietanstiege neu geregelt wird.
Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 hat der Gesetzgeber immer wieder besondere Schutzvorschriften zugunsten des Mieters erlassen müssen, weil ein Ungleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt zu Notlagen geführt hat. Die Schutzvorschriften waren jedoch immer - so auch im Wohnraumkündigungsschutzgesetz 1971 - zeitlich begrenzt und nur zur Steuerung der Notlage gedacht. Die Frage des Kündigungsschutzes für Wohnraum ist aber nicht nur im Zeichen von Wohnungsnot aktuell. Der Besitz einer Wohnung ist mehr als die Verhinderung von Obdachlosigkeit. Die Wohnung ist Lebensmittelpunkt des Menschen und ein Grundbedürfnis eines jeden Bürgers, ohne dessen Erfüllung eine menschenwürdige Existenz nicht denkbar ist. Es muß daran festgehalten werden, daß die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Dauerregelung für Kündigungsschutz quantitativ und qualitativ etwas anderes darstellt als die bisherigen für Notlagen gedachten Schutzrechte. Mit der jetzt vorgeschlagenen Regelung wird ein neuer Schritt zur Verwirklichung des Sozialstaats in diesem Lande getan. Damit wird auch endgültig von jener Politik des CDU-Wohnungsbauministers Lücke Abschied genommen, die bis auf eine unzureichende Sozialklausel und einige Kündigungsfristen dem Mieter jeglichen Schutz entzogen hat.
Ich möchte wegen der fortgerückten Zeit nicht auf die Einzelheiten eingehen. Einige kritische Anmerkungen wären vielleicht am Platz. Ich möchte schließen und sagen, meine Fraktion würde es im Interesse der Mieter in unserem Lande sehr bedauern, wenn die Opposition versuchen sollte, ihre Blockierungsmethoden zu wiederholen, die sie bei der Verabschiedung des sozialen Mietrechts im Jahre 1971 für angebracht hielt. Wir jedenfalls, meine Damen und Herren, sind entschlossen, die Beratungen so zügig voranzutreiben, daß der heute vorgelegte Entwurf bis zum 1. Januar 1975 Gesetz werden kann und somit der notwendige Schutz des Mieters ohne zeitliche Unterbrechung kontinuierlich gewährleistet ist.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauser ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die CDU/ CSU-Fraktion darf ich folgende Erklärung abgeben:
Um es gleich vorwegzunehmen, was unser Ziel für die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes ist, der heute zur ersten Lesung ansteht: dieses Wohnraumkündigungsschutzgesetz muß für Vermieter wie Mieter wirklich überschaubar und praktikabel sein. Es muß für beide Teile eine ausgewogene, für beide Seiten eine sichere, aber auch angemessene Regelung bringen, wobei dem Mieter seine Wohnung als Heimstatt gesichert, aber auch dem Vermieter seine ihm zukommenden Rechte erhalten bleiben müssen, ohne daß ihm unzumutbare Einbußen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit auferlegt würden. Gelingt dies nicht, so wird, befürchten wir, die Modernisierung von 1 Million Wohnungen, die Sie, Herr Minister, ja noch als Wohnungsbauminister als Großprogramm angekündigt haben, nicht durchgeführt werden können, und dann wird auf längere Sicht auch der Neubau von Mietwohnungen leider stagnieren.
Mit der Befürchtung, eine solche Auswirkung könne sich ergeben, wenn dieses Gesetz keine ausgewogene Form finden sollte, steht meine Fraktion keineswegs allein. Ich darf nur erwähnen, was Sie in Ihrer Eigenschaft als Wohnungsbauminister auf dem letzten SPD-Parteitag noch sagten: daß nämlich allein im Jahre 1972 80 bis 90 Milliarden DM von privaten Bauherren in den Wohnungsbau geflossen sind; und, so ergänzten Sie, man müsse sich schon Gedanken machen, wie man diese Summe anderweitig mobilisiert, wenn der Bauherr - das darf
Dr Hauser ({0})
ich von mir aus hinzufügen -- die Lust an der Anlage von Geld im Mietwohnungsbau verliert. Dies darf nicht die Auswirkung eines solchen Gesetzes werden.
Und auch unser Appell, Praktikabilität und Überschaubarkeit dieses Gesetzes zu gewährleisten, steht wirklich nicht allein, geht doch die Kritik am bisherigen Gesetz, das nun abgelöst werden soll, quer durch alle betroffenen Kreise der Wohnungswirtschaft bis hin zum Herrn Kollegen Dr. Hirsch, der dieses bisherige Gesetz als ein schlechtes Gesetz bezeichnet hat.
Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Minister, heute erneut im Einklang mit der Regierungserklärung die bisherige Parole beschworen haben, wie sehr sich dieses gegenwärtige Gesetz bewährt habe, wobei Sie diese Behauptung mit der Aussage begründen wollen, die Zahl der Räumungs- und Kündigungsprozesse habe beträchtlich abgenommen. Entschuldigen Sie, Herr Minister, diese Beschwörung leistet die gleichen Dienste wie die Laterne für jenen, der mit Schlagseite nach Hause geht; denn die Laterne dient in diesem Falle nur dem Halt, nicht der Erleuchtung.
({1})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege, würden Sie für den Abgeordneten des Wahlkreises 66 eine Frage beantworten: Beabsichtigt die CDU, zum Mietrecht des Herrn Lücke zurückzukehren, oder wie ist das zu verstehen?
Ich darf Ihnen dies nur eben darlegen; wenn Sie ein klein wenig Geduld haben, hören Sie die Antwort.
({0})
Ich greife nur dieses eine Beispiel, bei dem das Gesetz am wenigstens problematisch ist, heraus. Der Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, dem ja bekanntlich eine ganze Reihe von Wohnungsträgern angehört, die Ihnen näherstehen als uns, hat vor gut drei Vierteljahren dem Bundesjustizminister geschrieben, das Gesetz sei mit schwerwiegenden Mängeln behaftet; die Rechtsunsicherheit in Auslegung und Anwendung habe in zahlreichen Fällen zu sonst vermeidbaren Spannungen zwischen den Unternehmern und den Mietern geführt. Damit, Herr Minister, ist der Glorienschein, mit dem Sie das bisherige Gesetz umgeben wollen, wahrhaftig verblaßt. Denn diese Spannungen wurden gerichtlich nicht ausgetragen, und sie haben das Verhältnis zwischen den Unternehmen und ihren Mietern, die durch die Bank praktisch ein Dauermietrecht in Anspruch nehmen können, gewiß nicht gefördert. Ja, Herr Tepper, der Direktor dieses Gesamtverbandes, warf der Regierung Anfang März
vor, bei ihr habe sich der Blick für eine bedarfsgerechte und soziale Wohnungspolitik getrübt. Diese Kritik, meine Damen und Herren, können Sie wahrhaftig nicht mit leichter Hand beiseite schieben.
Wenn ich darüber hinaus die Rechtsprechung verfolge, die dieses Gesetz ausgelöst hat, dann bleibt nur festzustellen: an kein anderes Gesetz hat sich ein solcher Wirrwarr an Rechtsprechung angeknüpft wie gerade hier. Und dieses Gesetz preist der gewesene Justizminister gar noch als ein ganz besonders soziales Gesetz!
({1})
Kein Wunder, daß viele, auch gemeinnützige, Unternehmen dadurch abgeschreckt wurden, gerichtliche Schritte einzuleiten, selbst wenn sie nicht einmal die Vergleichsmiete, sondern nur die Kostenmiete anstrebten, und so, wie in der Denkschrift der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu lesen ist, als Folge Einbußen in der Wirtschaftlichkeit und eine Verminderung der Liquidität hinnehmen mußten, die das zumutbare Maß überschreiten.
Was hier die gemeinnützige Wohnungswirtschaft heftig beklagt, gilt um so mehr bei den einzelnen, auch den kleinen Hauseigentümern, die sich nicht so artikulieren können, wie dies ein Verband tun kann. Mit anderen Worten: das Argument, das bisherige Gesetz habe sich bewährt, sticht nicht. Oder wollen Sie bestreiten, daß dieses Gesetz klare Voraussetzungen vermissen läßt, in denen etwa ein Vermieter abmessen kann, wie er seinen berechtigten Erhöhungsanspruch nun auch zu realisieren vermag? Ist es nicht so, daß in 90 % aller einschlägigen Prozesse ein Erfolg versagt blieb, weil einfach die gesetzlichen Voraussetzungen völlig unklar gefaßt sind, und gibt dies nicht zu denken? Ich sage dies nur, um deutlich zu unterstreichen, wie wir hier mit Sorgfalt an die Beratung gehen müssen, um wirklich eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen, anders als bisher, wo man den Gerichten Steine statt Brot gegeben hat. Es ist doch erschreckend, wenn laut Umfrage anfangs April 34 % der Männer und 30 % der Frauen gegenüber unseren Gerichten viel Mißtrauen äußerten, woran auch die verworrene Rechtsprechung im Bereich des Miet- und Mietpreisrechtes ganz beträchtlichen Anteil hat. Die entscheidende Aufgabe, Herr Minister, für Sie als neuen Justizminister bleibt es, dieses Vertrauen zu unseren Gerichten wieder zu festigen und endlich von unausgegorenen sogenannten Justizreformen Abschied zu nehmen.
Nun zum einzelnen. Selbst wenn Sie die Übernahme des Kündigungsschutzes in das Bürgerliche Recht als Dauerrecht in das Credo der Regierungserklärung aufgenommen haben, gilt es trotzdem, diese Frage in den Ausschüssen eingehend zu erörtern. Es handelt sich nicht nur, Herr Kleinert, um eine psychologische Maßnahme, wie Sie vor kurzem meinten. Vielmehr wurden uns verfassungsrechtliche Vorbehalte entgegengesetzt, über die wir nicht einfach hinweggehen können. Die beiden anerkannten Verfassungsrechtler Professor Scheuner und
Dr Hauser ({2})
Professor Rupp, die mit uns völlig darin einig gingen, daß niemand die schrankenlose Kündigungsfreiheit eines Vermieters will, haben uns doch zu bedenken gegeben, ein Grundrecht dürfe nur so weit eingeschränkt werden, daß es noch verwertbar ist und damit der Restbestand dieses Grundrechtes hier auch noch die charakteristischen Merkmale der Eigentümerposition aufweist. Ob die soziale Bindung sachgerecht oder gezielt abgemessen sei, fragten die beiden Verfassungsrechtler, wenn der Mieter einfach zum Typus gemacht werde, und ob er in dieser allgemeinen Form wirklich eines besonderen Schutzes bedürfe, wo doch die Erfahrung lehre, daß er häufig der sozial viel Stärkere sei, denke man nur an die Fehlbelegung von Sozialwohnungen.
Aber nicht nur diese Frage ist klarzustellen. Es ist auch zu überprüfen, ob die Kündigungsvorschriften jetzt schon in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt werden sollen oder ob nicht doch weitere Erfahrungen gesammelt werden müssen und ob die erst zweieinhalb Jahre bestehende Vorschrift sich wirklich bewährt und dem Gedanken eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen den Mietparteien wirklich Rechnung trägt. Ist die Kündigungsbestimmung wirklich systematisch richtig eingeordnet?
Auf alle Fälle gilt es zu überlegen, ob die im Regierungsentwurf angegebenen Kündigungsgründe nicht allzu eng gefaßt sind und deshalb zu einer wohnungspolitisch unerwünschten Erstarrung des Mietgefüges führen könnten. Schon der Bundesrat empfahl zu Recht, den Katalog zu erweitern.
Fordert - danach darf ich auch fragen - der Gesetzentwurf nicht künftig in Räumungsprozessen dazu heraus, wieder schmutzige Wäsche zu waschen, was wir gerade mit dem sozialen Mietrecht abgeschafft haben? Wollen wir im neuen Scheidungsrecht nicht gerade auch dies vermeiden? Warum soll dies auf einmal hier nicht mehr gelten?
Auch zur Vergleichsmiete nur wenige allgemeine Bemerkungen! Daß dieser Komplex nicht auch für eine Hereinnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch vorgeschlagen wurde, wie dies noch im Referentenentwurf zu lesen war, ist wohl auf den Vorschlag der FDP zurückzuführen. Das ist auch gut so, denn hier zeigten sich vor allem die Unzulänglichkeiten am augenscheinlichsten, die nun in dem Regierungsentwurf ausgeglichen werden sollen. Wir danken insbesondere dem Bundesrat, daß er im ersten Durchgang noch entscheidende Änderungen angeregt hat, die allem Anschein nach die Bundesregierung zu übernehmen bereit ist, wie der Herr Minister eben äußerte. Hier muß die Ausschußdebatte ansetzen, wobei aber zu bedenken bleibt, ob in allen Fällen, so beim Altwohnungsbestand, die Vergleichsmiete in der Tat die beste Lösung bringt.
Diese Anmerkungen mögen, so hoffen wir, wirklich zu einer überschaubaren und praktikablen Lösung führen, gleichzeitig aber auch ein gerechtes Gesetz erbringen, denn die Gerechtigkeit bleibt das Entscheidende, eben jenes Prinzip, das einst Theodor
Wolff, der Kronjurist, als das kostbarste Juwel in der Krone freier Nationen bezeichnet hat.
({3})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die freie demokratische Fraktion des Hauses darf ich dieses Gesetz begrüßen. Ich darf es insbesondere begrüßen wegen seiner Ausgewogenheit. Ich darf es insbesondere deshalb begrüßen, Herr Hauser, weil der größte Teil der von Ihnen eben - meist zu Recht - dem früheren Gesetz angekreideten Mängel in den Vorberatungen bereits aus diesem Gesetz entfernt worden ist.
({0})
- Herr Stücklen, wir hatten sehr ausführliche, sehr faire Unterhaltungen unter den Koalitionspartnern. Ich schätze den Wert dieser Unterhaltungen nicht geringer als das, was der Bundesrat vielleicht in der einen oder anderen Frage auch noch an Erwägungen angestellt hat.
({1})
Ausgewogenheit --- entsprechend dem Sinn einer ersten Aussprache in sehr allgemeiner Form ins Auge gefaßt - sehen wir insbesondere darin - so hatte ich neulich meine Bemerkungen, die Sie eben noch einmal zitiert haben, aufgefaßt wissen wollen -, daß tatsächlich der Mieter hier in erster Linie ein psychologisches Bedürfnis hat. Das ist von den anderen Rednern mit anderen Worten gesagt worden. Er hat das Bedürfnis, sicher zu sein, daß er nicht ohne Grund, ohne daß er sich etwas zuschulden kommen läßt, aus der Wohnung heraus muß. Das ist ein psychologisches Bedürfnis, weil tatsächlich üblicherweise ein Vermieter nicht auf den Gedanken kommt, einem angenehmen, pünktlich zahlenden Mieter ohne irgendeinen Grund zu kündigen. Das ist auch der Vorwurf, der von einigen Seiten gegen die Einführung dieser Bestimmung ins BGB erhoben wird. Wir meinen jedoch, daß es ein so wichtiges Bedürfnis des Mieters ist, sich insofern sicherfühlen zu können, daß es also wichtig ist, gerade dieses psychologische Moment zu berücksichtigen, daß wir der Einfügung dieser Bestimmungen in das BGB zustimmen, obwohl wir davon ausgehen, daß die Zahl der Fälle, die tatsächlich dadurch heute noch bereinigt werden müssen, sehr klein ist.
Sie finden in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vorn 5. März 1974 eine sehr abgewogene und objektive Auseinandersetzung mit dem Entwurf in seiner jetzigen Form. Es wird auch dort gesagt, die Einfügung dieser Bestimmungen in das BGB würde wahrscheinlich niemandem, also auch dem Vermieter nicht, schaden. Ob sie nutzen werde, sei zweifelhaft. Eben an dieser Stelle setzt unsere Überlegung ein: Wenn das so ist, sollte man diese Bestimmun6920
gen lieber zur Sicherheit der betroffenen Mieter in das BGB aufnehmen.
Die andere Seite der Ausgewogenheit stellt sich so dar: In erster Linie hat doch der Vermieter - und zwar mit Recht - wirtschaftliche Interessen. Er soll diese Interessen auch weiter haben. Wir haben deshalb mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der wirtschaftliche Bereich in dem jetzt vorliegenden Entwurf keineswegs festgeschrieben worden ist, sondern daß gegenüber der bisherigen Regelung eine wesentliche Verbesserung erreicht worden ist, gerade in den Punkten, auf die Sie zu Recht hingewiesen haben, die zur Unsicherheit in der Rechtsprechung geführt haben. Auf diese Weise ist dem Vermieter erstmals eine Reihe von Vorteilen eingeräumt worden, so z. B. die Möglichkeit, eine pauschalierte Vorauszahlung für die überwälzbaren Nebenbelastungen zu verlangen, und die Möglichkeit, ohne daß eine Gleitklausel vorhanden sein müßte, Zinssteigerungen weiterzugeben und insbesondere auch die Verzinsung des Eigenkapitals zu berücksichtigen. Das sind erhebliche Vorteile auf wirtschaftlichem Gebiet für den Vermieter. Diese sollten in erster Linie gesehen werden, wenn dieses Gesetz von Vermieterseite aus betrachtet wird.
Sicher ist es gut, daß die Zahl der Räumungsstreitigkeiten - ich spreche nicht von den Prozessen über die Mietzinsen; dies ist ein Problem, das wir jetzt erst besser unter Kontrolle zu bekommen hoffen - schon unter der Geltung des alten Gesetzes erheblich zurückgegangen ist. Dies ist einerseits ein Verdienst des Gesetzgebers, der eine entsprechende Regelung getroffen hat. Es ist andererseits - darauf muß hier auch hingewiesen werden - natürlich ebenso ein Verdienst der Entwicklung auf dem Markt. Deshalb lassen wir Freien Demokraten auch gar keinen Zweifel daran, daß für uns das Allerwichtigste zur Vermeidung von Spannungen in diesem Bereich ein gesunder, funktionierender Wohnungsmarkt ist. Dann wird man unserer Auffassung nach auch auf jede Art von Reglementierung im Bereich der Mietpreise verzichten können. Das ist auch der Grund, warum wir uns dafür eingesetzt haben, die Frage der Mietpreisgestaltung in einem Sondergesetz zu regeln und damit in vollem Umfang zur Disposition des Gesetzgebers zu halten, im Blick auf den hoffentlich möglichst nahen Tag, an dem ein gesunder, gut funktionierender Wohnungsmarkt die Beseitigung derartiger Eingriffe in die freie Marktwirtschaft gestattet.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Auf Vorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Rechtsausschuß - federführend - und ,dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie dem Haushaltsausschuß - mitberatend - überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende einer langen Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 5. Juni 1974, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.