Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 2. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ott und Genossen betr. Äußerungen des Herrn Bundesaußenministers vom 6. Januar 1971 - Drucksache VI/1726
beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/1808 verteilt.
Ich rufe Punkt II der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 ({0})
- Drucksachen VI/1100, zu VI/ 1100, Ergänzung zu VI/ 1100 Berichte des Haushaltsausschusses ({1})
Und zwar behandeln wir zunächst: Einzelplan 10
Geschäftsbereich des Bundesministers für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Drucksachen VI/1740, zu VI/ 1740 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bülow, Abgeordneter Müller ({2})
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? - Herr von Bülow!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Einzelplan 10, sieht für das Jahr 1971 Ausgaben in Höhe von knapp 7 Milliarden DM vor. Vergleicht man die Ansätze des Einzelplans 10 in den vergangenen Jahren, so ergibt sich eine Steigerung von 2,068 Milliarden DM im Jahre 1960 über 4,586 Milliarden DM im Jahre 1965 auf fast 7 Milliarden DM in diesem Jahr.
In der unkritischen Öffentlichkeit ist der Eindruck weit verbreitet, als sei dies ausschließlich der Topf, aus dem sich die deutsche Landwirtschaft Subventionen holen könne. Aber diese 7 Milliarden DM gliedern sich auf in Ausgaben, die im nationalen Bereich verwandt werden, und solche, die nach Brüssel fließen, die also für die Europäischen Gemeinschaften eingesetzt werden und die Landwirtschaft Europas von der Nordseeküste bis zum Stiefel Italiens finanzieren helfen. Diese supranationalen Mittel haben im Jahre 1971 einen Anteil von 2,8 Milliarden DM. Nur etwa 30 % davon werden für Marktinterventionen und -struktur verwandt. Man könnte also allenfalls einen Betrag von 800 Millionen DM der deutschen Landwirtschaft anlasten, wenn man diese Betrachtungsweise überhaupt übernimmt.
Aber auch die Mittel, die in Kap. 10 02, dem Kapitel der nationalen Agrarpolitik, zur Verfügung gestellt werden, stehen der Landwirtschaft nicht ausschließlich als Subventionen zur Verfügung. Hier müssen abgezogen werden: die Mittel für den Aufwertungsausgleich, die Mittel für die Befreiung der landwirtschaftlichen Betriebe von der Mineralölsteuer, die Mittel für den Küstenschutz in Höhe von 120 Millionen DM, für die Fischerei in Höhe von 30 Millionen DM und weiter die 120 Millionen DM für die Wasserwirtschaft. Im Endeffekt können also knapp 2 bis 2,2 Milliarden DM für Maßnahmen zugunsten der deutschen Landwirtschaft bereitgestellt werden.
Die Etatansätze 1971 lassen sich nur in einem Vergleich mit 1970 und 1969 verstehen. Deshalb erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick auf das Jahr 1970.
Im vergangenen Jahr sind die Haushaltsansätze für Einzelplan 10 um knapp 40 % gestiegen. Die Gründe für diese Anhebung im vergangenen Jahr waren zum ersten die Steigerung der Marktordnungsausgaben, d. h. der auf Brüsseler Konto zu verrechnenden Maßnahmen, um 1,5 Milliarden DM oder 77 % und zum zweiten die Entschädigung der Landwirtschaft für die Folgen der D-Mark-Aufwertung um insgesamt 1,8 Milliarden DM, davon im Einzelplan 10 eingestellt 920 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, wenn heute und in den nächsten Tagen in Brüssel von Preiserhöhungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse gesprochen werden kann, so liegt das außer an den gestiegenen Kosten in ganz Europa - in anderen Ländern sind diese Kostensteigerungen ja wesentlich größer als
bei uns - auch daran, daß wir im vergangenen Jahr mit dem Einsatz von etwa 800 Millionen DM das Anwachsen des Butter- und Weizenberges verhindert und sogar eine nicht unbeträchtliche Abschreibung dieser beiden Berge erreicht haben.
Um welche Größenordnung je Produkteinheit es sich hier handelt, soll am Beispiel der Butter kurz aufgezeigt werden. Wir müssen den Erzeugerpreis für Butter von 6,40 DM um 5 DM auf etwa 1,40 DM verbilligen, um diese Butter überhaupt auf dem Weltmarkt verkaufsfähig zu machen.
Nach diesem Rückblick auf das Haushaltsjahr 1970 ein kurzer Überblick über den Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahre 1971. Nachdem wir im vergangenen Jahr infolge auch der EWG-Ausgaben eine fast exorbitant hohe Steigerungsrate zu verzeichnen hatten, sinken in diesem Jahr die Aufwendungen für die europäischen Marktordnungen wieder leicht ab, so daß aus diesem Grunde eine Senkung des Gesamtplafonds von 9 % zustande kam. Dies war zwar Anlaß zur Kritik; ich 'bin jedoch der Auffassung, daß diese Kritik nicht berechtigt ist. Man kann nicht auf der einen Seite ständig und mit Vehemenz fordern, die Ausgaben für die EWG-Marktordnungen müßten aus dem Landwirtschaftsetat verschwinden, weil sie die Öffentlichkeit irreführten, und auf der anderen Seite dann, wenn Vorteile herauszuschlagen sind, so tun, als müßte dieser Topf ausschließlich der nationalen Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Wir werden nachher im Detail noch auf diese Probleme zu sprechen kommen.
Wichtig ist allein, daß in diesem Jahr für die nationale Agrarpolitik aus den Mitteln des Bundes 4,029 Milliarden DM gegenüber 3,851 Milliarden DM im Jahre 1970 zur Verfügung stehen und daß abzüglich des Aufwertungsausgleichs im Jahre 1971 588 Millionen DM mehr für die nationale Agrarpolitik zur Verfügung gestellt werden, als die mittelfristige Finanzplanung der vorigen Regierung vorgesehen hatte.
Ich kann es mir ersparen, auf die Details des Haushalts 1971 einzugehen. Erwähnt seien nur die wichtigsten Positionen in ihren Änderungen, die sie durch den Haushaltsausschuß erfahren haben.
Die Mittel für die Verbesserung der Agrarstruktur erhöhen sich im Jahre 1971 um 56 Millionen DM auf 1,154 Milliarden DM. Die Modernisierung der betrieblichen Ausstattungen wird mit 64,92 Millionen DM dotiert. Hinzu kommen 249 Millionen DM für die besonderen Agrarstrukturmaßnahmen.
Wichtig erscheint, daß die landwirtschaftliche Sozialpolitik die Milliardengrenze mit 980 Millionen DM nur noch knapp verfehlt. Hierunter fällt die Altershilfe mit 675 Millionen DM - das ist ein Mehr von immerhin 36 Millionen DM - und die Unfallversicherung mit 260 Millionen DM, die ihrerseits eine Erhöhung durch den Haushaltsausschuß von 80 Millionen DM gegenüber dem Regierungsentwurf erfahren hat. Die Rente für Landabgabe, deren Bedingungen entscheidend verbessert worden sind, wird mit 25 Millionen DM veranschlagt. Hinzu kommt noch ein kleinerer Posten im Bereich der Sozialpolitik für die Landwirtschaft: die erstmalige Einführung eines Zuschusses für diejenigen ausscheidenden Landwirte, die sich nach Übernahme einer außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung in die gesetzliche Rentenversicherung nachträglich einkaufen wollen. Ein weiterer großer Brokken ist die Rationalisierung der Vermarktung, die mit 217 Millionen DM im Jahre 1971 gegenüber 196 Millionen DM im Jahre 1970 gefördert wird.
So weit mein Bericht über den Einzelplan 10.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Struve. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 20 Minuten erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während meiner über 20 jährigen Mitgliedschaft in diesem Hohen Hause war ich bemüht, zur Gestaltung der staatlichen Agrarpolitik beizutragen, wenn auch nur zu einem geringen Teil. Ich gebe zu, daß die Bewältigung dieser Aufgaben in einer von der Industrie maßgeblich beeinflußten Volkswirtschaft nicht immer leicht gewesen ist. Heute komme ich zu der Feststellung, daß die deutsche Landwirtschaft zu meinen Lebzeiten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nur noch I einmal in einer so hoffnungslosen Lage war wie heute. Das, meine Damen und Herren, war die Zeit an der Wende der 20er und 30er Jahre. Ich ziehe diesen Vergleich von damals zu heute in dem Bewußtsein, daß damals die gesamtwirtschaftliche Situation eine völlig andere war als heute. Einst waren die Verhältnisse durch den wirtschaftlichen Niedergang der gesamten Volkswirtschaft gekennzeichnet. Heute hingegen geht es einigen Bereichen der Wirtschaft gut; andere wiederum sind von tiefer Sorge betroffen. Dennoch zeigen sich einige wichtige, parallel laufende Erscheinungen. Damals wie heute gehen die Bauern zu Tausenden auf die Straße. Sie tun dies nicht etwa, weil sie wissen, daß sie ein paar Prozent weniger verdienen als Menschen in anderen Wirtschaftsbereichen. Sie tun es vielmehr, weil sie von echter Existenzangst befallen sind.
({0})
Kaum anderthalb Jahre SPD/FDP-Regierung haben dazu geführt, daß das Vertrauen der deutschen Landwirtschaft zur Bundesregierung restlos erschüttert ist.
({1})
Wir stehen heute agrarpolitisch vor einem Trümmerhaufen.
({2})
- Hören Sie sich doch bitte die Begründungen an, die zu dieser Feststellung Veranlassung geben.
Es ist bedauerlich, daß die Bundesregierung die Landwirtschaft in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 1971 mit keinem Wort erwähnt hat. Es bedurfte erst Ihrer Ausführungen während dieser Debatte, Herr Kollege Müller-Hermann, um den Bundeskanzler und den Wirtschaftsminister mit mehr oder weniger nichtssagenden Bemerkungen zu Fragen der Landwirtschaft überhaupt Stellung nehmen zu lassen. Der Herr Bundeslandwirtschaftsminister schwieg sich jedoch ganz aus.
Wir als Politiker müssen doch die Frage stellen: Warum sind die Bauern so außerordentlich beunruhigt? In den letzten Tagen ist hier schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß sich die PreisKosten-Verhältnisse für die Landwirtschaft in der jüngsten Zeit laufend erheblich verschlechtert haben. Im Dezember 1970 lagen die Erzeugerpreise nach Aussagen des Statistischen Bundesamtes 12,6 % niedriger als im Dezember 1969. Die Kostenpreise sind im gleichen Zeitraum im Durchschnitt um 4,4 % gestiegen. Wir wissen natürlich, daß diese Durchschnittszahlen nicht immer gerade das zum Ausdruck bringen, was die Betroffenen besonders bewegt. In dem wichtigen Bereich der Bau- und Maschineninvestitionen sind die Preise z. B. um rund 10 °/o gestiegen. In einzelnen Bereichen beträgt die Kostensteigerung sogar bis zu 15 %.
Bei diesem ungünstigen Preis-Kosten-Verhältnis ist noch nicht berücksichtigt, daß die Löhne in der Landwirtschaft binnen eines Jahres um 8 % gestiegen sind und daß sich die Zinsbelastung bei dem hohen Fremdkapitaleinsatz in der Landwirtschaft im Jahre 1970 um rund 400 Millionen DM erhöht hat.
({3})
Meine Damen und Herren, das ist die Situation auf dem Preis-Kosten-Sektor. Nichts ist weggelassen, auch nichts hinzugefügt. Heute ist es so, daß selbst gut geführte, strukturell gesunde landwirtschaftliche Betriebe, die den Mansholtschen Idealvorstellungen bereits entsprechen, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
({4})
Die Mitglieder der Bundesregierung lassen nun nicht nach, darauf hinzuweisen, daß die Landwirtschaft ja einen Aufwertungsausgleich erhalte. Einige verschweigen dabei geflissentlich, daß der Aufwertungsausgleich degressiv gestaltet ist und ab 1. Januar 1974 einkommenswirksam wegfällt. Der Bundeswirtschaftsminister sieht die Dinge schon anders. Er zeigte in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht auf, daß der Aufwertungsausgleich noch drei Jahre weitergezahlt wird. Wir als CDU/CSU-Fraktion fragen die Bundesregierung mit der Landwirtschaft: Was kommt dann?
({5})
Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten. Es ist daher zu verständlich, daß sich bei solchen Erscheinungen in der Landwirtschaft die Resignation breitmacht. Angesichts der derzeitigen Lage und der zukünftigen Preis-Kosten-Erwartungen läßt schon heute die Investitionsneigung sehr stark nach.
Das bedeutet aber weniger Anwendung von technischem Fortschritt.
({6})
Was das in der heutigen Zeit zu bedeuten hat, kann, glaube ich, jeder aus eigener Erfahrung beurteilen.
Nun versucht die Bundesregierung, die verheerende agrarpolitische Lage zu verharmlosen. Als Ersatz für preispolitische Abstinenz bietet sie beispielsweise ihr Förderungsprogramm an. Manch einem Mitglied der Bundesregierung dürfte noch gar nicht klargeworden sein, daß dieses Förderungsprogramm das schlechteste ist, was jemals an land-wirtschaftlicher Investitionsförderungspolitik angeboten worden ist.
({7})
Einerseits bietet es den Bauern bei einer derart miserablen wirtschaftlichen Situation mit der 4%igen Zinsverbilligung keine echte Hilfe für den Einzelbetrieb.
({8})
Andererseits muß man feststellen, daß in manchen Bundesländern überhaupt nur noch 5 bis 10 % der landwirtschaftlichen Betriebe an dieser so bescheidenen Investitionsförderung teilnehmen können. Agrarkulturelle Maßnahmen hingegen - das wissen wir alle - wirken nur langsam und langfristig. Sie sind kein Ersatz für eine aktive Markt- und Preispolitik.
Die staatliche Agrarpolitik ist heute mehr darauf ausgerichtet, etwas für diejenigen zu tun, die aus der Landwirtschaft ausscheiden, als darauf, etwas für jene zu tun, die in der Landwirtschaft bleiben wollen und auch bleiben müssen. Übrigens ist die finanzielle Ausgestaltung des sogenannten Ertl-Programms ungenügend.
Die Bundesregierung war wohl der Auffassung, daß mit Ausgleichszahlungen im Rahmen der Aufwertung der D-Mark alle Probleme gelöst seien. Dies hat sich als Trugschluß herausgestellt. Die Bundesregierung hat die Bindung der Agrarpreise an die EWG-Rechnungseinheit zuwenig beachtet. Landauf, landab fordern unsere Bauern die Beseitigung dieser Rechnungseinheit, sehr wohl mit dem Gefühl, daß hier die Unsicherheit im ganzen Preisgebäude in der Bundesrepublik erst ausgelöst wurde.
Eines ist heute sicher: mit den vorhandenen agrarpolitischen Gegebenheiten ist die Bundesregierung nicht fertig geworden. Bis vor zwei Jahren galt die EWG-Rechnungseinheit als Integrationsklammer in der EWG. Heute ist sie zu einem Sprengsatz in der EWG geworden.
({9})
Das scheint der Herr Bundeskanzler noch gar nicht erkannt zu haben. Er hat hier vor Tagen ausgeführt, daß die Rechnungseinheit nicht ohne weiteres zu beseitigen sei. Eine brauchbare Alternative wußte der Kanzler allerdings auch nicht anzubieten. Als völlig untaugliche Maßnahme zur Behebung der
jetzigen prekären Lage verweist er auf die einseitige Strukturverbesserung.
Die Bindung der Agrarpreise an die EWG-Rechnungseinheit und die agrarpolitischen Maßnahmen dieser Bundesregierung haben dazu geführt, daß die EWG-Agrarpolitik ihre Rolle als integrierender Bestandteil schon heute fast verloren hat.
({10})
Wie anders sollte man es denn bewerten, wenn beispielsweise in Frankreich das nominale und reale Agrarpreisniveau steigt, in der Bundesrepublik dagegen das nominale und reale Agrarpreisniveau sinkt?
({11})
Die anderen europäischen Mitgliedsländer der EWG sind heute in der Lage, aus dem niedrigen deutschen Agrarpreisniveau erhebliche Vorteile für ihre Produzenten zu ziehen. Dies trifft verstärkt für den Veredlungssektor zu. Ich möchte hier nur als Beispiel an die schlechte wirtschaftliche Lage der deutschen Geflügelwirtschaft erinnern. Der aufwertungsbedingte Druck auf die deutsche Veredlungswirtschaft wird übrigens durch die Ausgleichszahlungen nicht voll ausgeglichen.
Das alles ist unerträglich. Die Aussagen der Minister der Bundesregierung und der Kollegen aus den Koalitionsparteien zur agrarpolitischen Lage sind auch sonst widersprüchlich. Die einen, zu denen Bundesminister Ertl und sein Staatssekretär Logemann gehören, versuchen, der Landwirtschaft vorzumachen, daß sie für ein höheres Agrarpreisniveau eintreten. Andere wiederum, wie beispielsweise der Kollege Wienand, bezeichnen die Forderung nach höheren Preisen als politische Klimaverschlechterung. Der Herr Bundeskanzler selbst weiß mit der derzeitigen Lage der Landwirtschaft, für die er letztlich verantwortlich ist, auch nichts Rechtes anzufangen. Zu seiner Entschuldigung versucht er auch, der CDU/CSU die Schuld in die Schuhe zu schieben, die aus seiner Sicht angeblich 20 Jahre hindurch eine so schlechte nationale Agrar- und EWG-Politik betrieben hat.
({12})
- Hören Sie mir mal zu! Es kommt auch hierfür noch eine Begründung.
Ich möchte hier einmal ganz deutlich festhalten, daß sich diese Regierung nicht damit herausreden kann, sie habe ein agrarpolitisch ungeeignetes EWG-Instrumentarium übernommen. Ich muß leider feststellen, daß diese Regierung mit diesem Instrument nicht umzugehen verstand.
({13})
Die CDU/CSU erwartet von der Bundesregierung, daß sie endlich echte agrarpolitische Initiativen ergreift, bevor es zu spät ist. Dazu gehört u. a., daß, wie es die Landwirtschaft verlangt, das Problem der Rechnungseinheit in Brüssel zur Diskussion und Disposition gestellt wird.
({14})
Auf die Gründe dafür habe ich bereits hingewiesen.
Ganz bestimmt können wir nicht bis zur Vollendung der Währungs- und Wirtschaftsunion warten. Sofern es nämlich nicht gelingt, die europäische
Wirtschafts- und Währungsunion rasch zu verwirklichen, muß die starre Bindung der Agrarpreise an die EWG-Rechnungseinheit zunächst aufgehoben oder gelockert werden.
({15})
Die deutsche Landwirtschaft hat auch Anspruch darauf, von der Bundesregierung zu erfahren, was nach 1973 geschehen soll,
({16}) wenn der Aufwertungsausgleich fortfällt.
({17})
Wir fragen: werden wir dann endlich wieder gleiche Agrarpreise innerhalb der EWG haben?
Weiterhin erwartet die CDU/CSU-Fraktion, daß das in Verbindung mit der Aufwertung ausgehandelte degressiv gestaffelte Aufwertungsausgleichssystem wegen der schon jetzt gestiegenen und weiterhin steigenden Kostenpreise durch ein nationales Programm ergänzt wird. Dem Herrn Bundeskanzler wollen wir sagen, daß die CDU/CSU-Fraktion die Forderung der Landwirtschaft nach einer zehnprozentigen Anhebung der Erzeugerpreise anerkennt. Er und die Bundesregierung sind aufgefordert, nun endlich etwas zu tun. Die für die deutsche Landwirtschaft notwendigen, im Ministerrat aber nicht durchsetzbaren Preiserhöhungen sind durch nationale einkommenswirksame Maßnahmen auszugleichen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat im übrigen zum Haushalt 1971 Anträge eingebracht, die von meinem Kollegen Röhner näher erläutert werden. Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, die Realisierung dieser Anträge, die auch ohne Ausweitung des Haushalts möglich ist, bildet keinen Ersatz für das völlig gestörte Preis-Kosten-Verhältnis in der Landwirtschaft.
({18})
Übrigens ist das sogenannte Förderungsprogramm der Bundesregierung ebensowenig in der Lage, einen solchen Ersatz darzustellen.
In der Konjunkturausgleichsrücklage sind bereits mehrere Milliarden DM angesammelt. Die CDU/CSU fordert die Bundesregierung auf, bei einer Auflösung dieser Rücklage die Landwirtschaft gebührend zu berücksichtigen. Dabei ist vor allem eine wirksame Entlastung der Kostenseite dringend erforderlich. Die Wiedereinführung der 15%igen Investitionsbeihilfe wäre z. B. eine solche entlastende Maßnahme. Auf diese Art und Weise könnten wenigstens die stark rückläufigen Investitionen in der Landwirtschaft neu belebt werden. So wie die Agrarpolitik im Augenblick von der Bundesregierung betrieben wird, kann ihr kein Erfolg beschieden sein. Die Bundesregierung hat versagt.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Peters. Für ihn hat seine Fraktion eine Redezeit von 20 Minuten beantragt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede von Herrn Kollegen Struve kann der unvoreingenommene Beobachter den Eindruck gewinnen, daß die CDU/CSU nicht 15 Monate, sondern 15 Jahre in der Opposition ist und sich für nichts verantwortlich zu fühlen braucht.
({0})
Die CDU/CSU hat die Verantwortung für die jüngste Vergangenheit, und zwar für die EWG-Agrarpolitik mit der Rechnungseinheit, den Grünen Dollar, für die Kostenentwicklung in der Landwirtschaft und ebenfalls für die Höhe der Agrarpreise. Es sollte jedem klar sein, daß die Rechnungseinheit das Kernstück der EWG-Agrarpolitik und damit der Zoll- und Marktpolitik der EWG bildet. Herr Bewerunge, diese Rechnungseinheit und diese EWG-Agrarpolitik sind im wesentlichen mit von Ihnen konzipiert worden.
({1})
Die Bundesregierung bemüht sich, in Verhandlungen mit der EWG und mit den Partnerländern auf dem schnellsten Wege zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zu kommen, auch wenn bei diesen Verhandlungen Stockungen eintreten werden, wenn es vielleicht nicht so schnell geht, wie wir Deutschen es möchten. Aber niemand kann der deutschen Bundesregierung absprechen, daß sie gerade in diesem Bereich initiativ geworden und vorgestoßen ist.
In Ihrem CDU-Programm von Düsseldorf haben Sie auch darüber einiges gesagt, und zwar sagen Sie im Punkt 83:
Die europäische Agrarpolitik muß durch eine rasche Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ergänzt werden.
({2})
Anderenfalls muß die starre Bindung der Agrarpreise an die im Vorgriff auf eine gemeinsame Währungspolitik geschaffene EWG-Rechnungseinheit zunächst aufgehoben oder doch gelockert werden.
Hier sagen Sie also: Die Wirtschafts- und Währungsunion ist vordringlich, und erst wenn sie nicht erreichbar ist, soll die Rechnungseinheit aufgelöst oder zeitweise aufgehoben werden.
({3})
Im Lande verkünden Herr Lemke und Herr Stoltenberg die sofortige Auflösung des Grünen Dollars und wollen damit bei den Bauern den Eindruck erwecken, daß sie durch eine nationale Agrarpolitik automatisch höhere Preise bekämen. Ihnen ist so gut wie uns bekannt, daß dann, wenn die Rechnungseinheit aufgehoben wird, nach dem EWG-Vertrag nationale Preise nach gemeinsamen Kriterien an die Stelle
treten. Auch dann können wir also nicht autonom die Preise festsetzen, sondern müssen sie ebenfalls mit Genehmigung des Ministerrats festsetzen.
({4})
Damit, meine Damen und Herren, haben Sie nach meiner Meinung einen ganz üblen Propagandafunken in die Landwirtschaft hineingeworfen. Auch Sie selber könnten dieses Problem nicht lösen, wenn Sie an der Regierung wären.
Zum zweiten Punkt, zur Kostenentwicklung. Sie können nicht abstreiten, daß Sie die Verantwortung für die Kostenentwicklung tragen. Sie wissen genau, daß die allgemeine Konjunkturentwicklung die Daten für die Kostenentwicklung gesetzt hat, und Sie wissen, daß Sie im Jahre 1969 dafür voll mitverantwortlich waren.
({5})
- Wir werden das so lange vorbringen, bis Sie das begriffen haben.
({6})
Als dann die binnenwirtschaftliche Entwicklung fortschritt und weitere Kostensteigerungen mit sich brachte, als die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen zu Maßnahmen griffen, um das einzudämmen, haben Sie sich, nachdem Sie vorher kluge Worte gebraucht hatten, im entscheidenden Moment der Stimme enthalten.
({7})
Durch Ihr Inflationsgerede zu dem Zeitpunkt haben Sie gleichzeitig das Feuer gelegt, um diese Entwicklung zusätzlich zu schüren.
({8})
Die Verantwortung für die allgemeine Preisentwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise werden Sie ebenfalls nicht bestreiten können. An der Agrarpreisangleichung innerhalb der EWG - bezogen auf 1967 - haben Sie 1964 entscheidend mitgewirkt. Ich sehe Herrn Schmücker hier sitzen. Er ist das lebende Beispiel für diese Tat.
({9})
Anschließend haben Sie auch den Ausgleich, den die Bauern für die Preissenkungen erhalten sollten, nicht durchgeführt. Das sind die Daten, die Sie sich selber vor Augen halten müssen.
({10})
Nun nehmen Sie die neueste Preisentwicklung, Herr Struve. Von Januar bis September 1970 sanken die Preise durchschnittlich um 2 %. Gegen die Preissenkung sind der Ausgleich von 6,5 % Mehrwert5590
Peters ({11})
steuer und der Flächenausgleich aufzurechnen. Netto ergibt sich also eine Preisanhebung von 4,5 %, Dieser Entwicklung stand in demselben Zeitraum eine Kostenerhöhung von ebenfalls 4,5 % gegenüber. Bis September 1970 war die Entwicklung befriedigend. Daß sie ab Oktober besorgniserregend geworden ist, bestreitet niemand.
({12})
Wir haben volles Verständnis dafür, daß der Bauernverband heute an die Öffentlichkeit tritt und sich wehrt.
({13})
- Die Preisrückgänge haben mit der Aufwertung und dem Aufwertungsausgleich nichts zu tun. Der Schweinezyklus ist völlig unabhängig von der Aufwertung und vom Ausgleich entstanden.
({14})
Der Schweinezyklus hat die Erlöse aus Schweinen um 20 % sinken lassen und eine starke Sogwirkung auch auf die Rinderpreise ausgeübt, so daß die Preise im gesamten für das letzte halbe Jahr mit 7,5 % und für die letzten beiden Monate November und Dezember, für die uns Daten vorliegen, mit 10 bis 12,5 % nach unten gezogen worden sind. Das wird niemand bestreiten. Aber man muß auch den Ursachen nachgehen. Wir sind der festen Überzeugung, daß der Schweinezyklus keine Dauererscheinung sein wird, sondern daß sich auch hier allmählich wieder eine andere Entwicklung ergeben wird.
({15})
Regierung und Koalition sind bemüht, innerhalb der EWG Preiserhöhungen durchzusetzen und bis an die Grenze der Verhandlungsmöglichkeiten zu gehen. Ich habe nichts davon gehört, daß Sie, als Sie in der Regierungsverantwortung waren und den Bundeskanzler stellten, überhaupt solche Vorsätze gehabt haben.
({16})
Heute sagen Sie: „Jetzt hauen Sie auf den Tisch und bringen unabdingbar etwas durch!" - Ich kann Sie nur fragen: Wo waren Sie denn damals mit dem Auf-den-Tisch-Klopfen? Sie waren nirgends zu finden!
({17})
Die Bundesregierung hat die Verhandlungen um die Erhöhung der Agrarpreise nicht bloß so lose in die Welt gesetzt, sondern hat in diesem Zusammenhang mit den deutschen Kommissaren Gespräche geführt und alles versucht, damit von seiten der Partnerländer ihr Vorhaben unterstützt wird. Wir sind der festen Überzeugung, daß bei diesen Verhandlungen ein positives Ergebnis herauskommen wird, auch wenn es den Wünschen der deutschen Landwirtschaft nicht voll entsprechen wird. Das wird man aber sehr wahrscheinlich nicht in einer Verhandlungspause erreichen können.
Herr Struve, daß Sie heute von preispolitischer Abstinenz reden, obwohl Ihre ganze Regierungszeit von einer solchen Abstinenz gezeichnet war, finde ich in der Formulierung leicht übertrieben.
({18})
Es ist auch bei den sozialpolitischen Maßnahmen nicht so, daß nur etwas für die aus der Landwirtschaft Ausscheidenden getan wird. Es ist vielmehr so, daß die Pflichtkrankenversicherung zusammen mit der Gratisversicherung für die landwirtschaftlichen Rentner eine echte, starke Entlastung für die landwirtschaftlichen Betriebe darstellt.
({19})
- Auf die Altershilfe komme ich auch noch zu sprechen.
Nun zum Haushalt 1970. Ich will dazu nur ein paar allgemeine Bemerkungen machen, weil mein Kollege Gallus des näheren darauf eingehen wird. Wir haben 1970 zu der mittelfristigen Finanzplanung von Herrn Strauß und Herrn Höcherl 520 Millionen DM zusätzlich in den Etat gebracht.
({20})
Wir haben zusätzlich 240 Millionen DM, die in der Marktordnung frei wurden, für die Sozial- und Strukturpolitik hereingebracht, und im Haushalt 1971 sind weitere 160 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Wir haben allerdings nicht einen so vielseitigen Warenhauskatalog vorgelegt, wie Sie das mit dem Antrag auf 343 Millionen DM getan haben, von denen Sie teilweise noch gar nicht wissen, wie Sie sie verwenden sollen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß die Mittel, die in Kap. 10 03 nicht gekürzt sind, im Ablauf des Haushaltsjahres 1971 für die Landwirtschaft verwendet werden sollen, wie das im vorigen Jahr geschehen ist.
({21})
Wir sind auch der Meinung - das soll hier gesagt werden , daß die Marge, wieviel man 1971 zusätzlich für die Landwirtschaft wird tun müssen, im wesentlichen vom Verhandlungsergebnis über die Agrarpreise in der EWG abhängt.
Dabei scheinen mir zwei Dinge vordringlich zu sein: zunächst eine Zinsverbilligung für landwirtschaftliche Investitionen, und zwar auch dann, wenn sie schon vor einigen Jahren durchgeführt worden sind. Damit würden wir in erster Linie solchen Betrieben helfen, die nur von der Landwirtschaft leben und die heute auf Grund der Preis-Kosten-Schere in die größten Schwierigkeiten gekommen sind. Ich möchte Sie aber daran erinnern, daß sich dasselbe Problem schon vor einigen .Jahren gestellt hat und Sie die sogenannte Altschuldenverbilligung aufgePeters ({22})
hoben haben. Herr Kollege Stoltenberg war damals im Haushaltsausschuß einer der Hauptgegner solcher Zinsverbilligungen. Heute zieht er damit durchs Land. Vor Jahren war er, wie gesagt, im Haushaltsausschuß gegen diese Aktion.
({23})
Ein weiteres Problem, das sich hier stellt und auf das ich durch einen Zwischenruf hingewiesen wurde, ist die Verbesserung der landwirtschaftlichen Altershilfe. Auch an dieses Problem, meine Damen und Herren, werden wir herangehen,
({24})
allerdings nicht so leichtfertig, wie Sie es in Ihrem Antrag getan haben, sondern erst dann, wenn wir es nach dem Ergebnis von Brüssel und nach Prüfung der Haushaltslage genau übersehen können.
({25})
- Einen Moment! Von 1 % redet keiner. Wenn Sie in Brüssel verhandelten, könnte ich mir das natürlich vorstellen. Wir werden jedenfalls zu anderen Prozentzahlen als zu 1 % kommen.
Zusammenfassend stelle ich fest, daß die jetzige Bundesregierung die Aufwertung und den Ausgleich für die Aufwertung korrekt vollzogen hat, daß sie für das Jahr 1970 in einzelnen Sparten Preiserhöhungen vorgeschlagen und damit Preissenkungen in der EWG, die noch im Jahre 1970 durchgeführt werden sollten, verhindert hat. Ich stelle weiter fest, daß diese Bundesregierung die erste Bundesregierung ist, die sich wirklich um Preiserhöhungen in der EWG bemüht
({26})
und dafür bei den Partnerländern und den Kommissaren alle nur denkbaren Schritte unternommen hat.
({27})
Ich stelle darüber hinaus fest, daß Sie zwar viel über Sozialpolitik geredet haben, daß aber diese Bundesregierung die Pflichtkrankenversicherung mit der Gratisversicherung für die Rentner in ihr Gesetzgebungsprogramm aufgenommen hat und das entsprechende Gesetz ab 1. Januar 1972 wirksam werden wird.
({28})
Wir verschließen uns auch nicht den Maßnahmen zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Altersrente, sind jedoch nicht so leichtfertig, heute schon die genaue Höhe und den Zeitpunkt festzulegen.
({29})
Meine Damen und Herren, wir wissen, wie schwierig das Amt des Landwirtschaftsministers in jeder Bundesregierung ist.
({30})
Wir wissen aber auch, daß der jetzige Landwirtschaftsminister Verständnis im Kabinett findet und vor allem die volle Unterstützung des Bundeskanzlers genießt.
({31})
Das Wort hat der Abgeordnete von Bülow. Auch für ihn hat seine Fraktion eine Redezeit von 20 Minuten erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte am Beginn meiner Rede aus einem Artikel zitieren, den der Herr Kollege Klinker, Vorsitzender des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes, im Jahre 1966 geschrieben hat:
Das geringe Ernteergebnis, die starken Kostenerhöhungen im Zuge der Lohn- und Preisentwicklung in der Bundesrepublik sowie die sehr einschneidenden Kürzungen in den Bundes- und Länderhaushalten, die aus Gründen der wirtschaftlichen Stabilisierung erfolgt sind, werden nicht ohne Auswirkungen auf die gesamte Ertrags- und Einkommenslage der Landwirtschaft bleiben.
Es hat also auch in früheren Zeiten erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Diese Schwierigkeiten wurden damals zu Lasten der deutschen Landwirtschaft dadurch beseitigt, daß man Haushaltskürzungen bei den nationalen Agrarausgaben vorgenommen hat. Ich sage das nur, damit Sie heute in Ihrer Argumentation etwas bescheidener werden.
({0})
Gestatten Sie mir einige Ausführungen zum Einzelplan des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus der Sicht meiner Fraktion. Die Landwirtschaft aller europäischen Industriestaaten steht vor den gleichen Schwierigkeiten, Schwierigkeiten, die man mit vielfältigen Methoden und Ansatzpunkten und nicht mit Patentrezepten angehen muß. Auch der Schlachtruf nach höheren Preisen allein ist nicht ausreichend, um diese Probleme zu lösen. Zu den zu bewältigenden Aufgaben zählen namentlich die überkommene und änderungsbedürftige Agrarstruktur, die moderne Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die hierbei anzustrebende Sicherung eines entsprechenden Anteils der Landwirtschaft an dieser Vermarktung. Hinzu kommt die Aufgabe, der Landwirtschaft über die Erzeugerpreise ein angemessenes Einkommen zu verschaffen, das sie in den Stand setzt, die notwendigen Investitionen zu erwirtschaften.
({1})
Es muß eine gezielte Sozialpolitik getrieben werden, und es müssen schließlich in ausreichender Zahl neue Arbeitsplätze in ländlichen Regionen geschaffen werden, die den aus der Landwirtschaft ausscheidenden Arbeitskräften ein ausreichendes Einkommen in der gewerblichen Wirtschaft sichern.
Der Landwirtschaftsetat spiegelt in konkreten Zahlen die Aufgaben, die bewältigt werden müssen. Die Strukturpolitik versucht die landwirtschaftlichen Produktionsfaktoren in den einzelnen Betrieben so kostengünstig wie möglich auszurichten. Hier steht im Visier der einzelne Betrieb mit seiner Ausstattung an Boden, Kapital und Arbeitskräften. Auf diese drei Faktoren ist das neue Einzelbetriebliche Förderungsprogramm zugeschnitten. Es wind zum erstenmal der Versuch unternommen, die Fehlstreuung der Mittel, die in der Vergangenheit zu so zahlreichen Fehlinvestitionen geführt hat, einzudämmen, nicht nur zugunsten der Staatskasse und des Steuerzahlers, sondern im wohlverstandenen Interesse des einzelnen Landwirts, dem man keinen Anreiz geben sollte, für die Zukunft zu investieren und sich zu verschulden, wenn keine Möglichkeit besteht, das Betriebseinkommen entscheidend zu verbessern.
Ich hoffe, daß diese Zielsetzung auch in den Ländern mitgetragen wird. Es gibt einzelne Länder, die in ihrer Landesplanung noch eine Bevölkerungsquote der Landwirtschaft von 12 % im Jahre 1980 anstreben. Wer das tut, der plant die sich vergrößernde Disparität mit ein.
Diese neue Landwirtschaftspolitik, wie sie im Einzelbetrieblichen Förderungsprogramm zum Ausdruck kommt, ist mutig, weil sie nicht Illusionen und Selbsttäuschungen begünstigt, sondern den einzelnen Betriebsinhaber zu einer selbstkritischen Überprüfung seiner Situation zwingt und ihn dabei berät, ihm aber auch die Alternativen seiner bisherigen wirtschaftlichen Existenz aufzeigen will.
Die Opposition hat die Behauptung aufgestellt, das neue Einzelbetriebliche Förderungsprogramm sei finanziell nicht genügend ausgestattet, auch seien die Förderungsbedingungen schlechter als die bisherigen. Hierzu ist zu sagen, daß es dieser Regierung zusammen mit den Koalitionsfraktionen gelungen ist, die Ansätze für die nationale Landwirtschaftspolitik sowohl im vergangenen Jahr als auch in diesem Jahr gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung Kiesinger-StraußHöcherl um mehr als 500 Millionen DM anzuheben.
({2})
Wie Sie wissen, hat der frühere Landwirtschaftsminister Höcherl in seinem Buch „Landwirtschaft zwischen Hunger und Überfluß" aus dem Jahre 1969 die Forderung erhoben, 500 Millionen DM mehr in die mittelfristige Finanzplanung einzustellen. Sie sehen, daß das zu mehr als 100 % erfüllt worden ist.
Hinzu kommt, daß im Laufe des Jahres 1970 weitere 200 Millionen DM aus Einsparungen bei den Marktordnungsausgaben in die Agrarstruktur, als da sind Flurbereinigung, Wirtschaftswegebau, Molkereiwirtschaft, Küstenschutz usw., geflossen sind. Früher mußten bei der nationalen Landwirtschaftspolitik die Mittel eingespart werden, die bei den Brüsseler Marktordnungen fehlten. Die neue Regierung hat diesen Haftungsverbund zu Lasten unserer Landwirtschaft aufgehoben und sogar die Möglichkeit eröffnet, Einsparungen bei den übernationalen Marktordnungen für Zwecke der Agrarstruktur Jahr für Jahr freizugeben.
({3})
Die Herren von der Opposition haben, wie man sieht, diese Möglichkeit dankbar, wenn auch voreilig, ergriffen. Ich denke, daß wir möglicherweise auch in diesem Jahr wieder mit einer Übertragung von Einsparungen rechnen können.
Hinzu kommt, daß die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen und Betriebe auch unter Ihrer Regierung von Jahr zu Jahr geringer geworden ist. Diese Tendenz wird sich fortsetzen. Die nun seit einer Reihe von Jahren zur Verfügung stehenden Beträge können auf immer weniger Betriebe verteilt werden. Wenn man dann noch die Beschränkung der Förderung auf die Gruppe der entwicklungsfähigen Betriebe im Auge behält, dann sollten die vorgesehenen Finanzmassen reichen, das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm wie vorgesehen zu finanzieren.
Natürlich kann man darüber streiten - nein, man kann an sich nicht darüber streiten , ob die Zinsverbilligung um 4 % angesichts des heutigen Zins- und Kostenniveaus ausreicht.
({4})
Aber ich glaube, diesen Fragen werden wir uns widmen müssen.
({5})
- Sie müssen etwas lautere Zwischenrufe machen, wenn ich darauf eingehen soll.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege, könnten Sie uns an Hand von ein paar Beispielen erläutern, wie die Finanzierung des Ertl-Planes gesichert sein soll?
Ja, warten Sie bitte ab.
({0})
- Sie können später lachen, wenn ich Ihnen die Zahlen vorlesen.
Ich glaube, man wird sich über das Problem der Zinsverbilligung ernsthaft Gedanken machen müssen, wenn die Brüsseler Preisgespräche abgeschlossen worden sind. Daß aber die Förderungsbedingungen schlechter als bisher seien, kann fairerweise nicht behauptet werden, obwohl die Opposition landauf, landab mit diesen Behauptungen zu Felde zieht.
Hier sind einige Bedingungen. Früher wurde die Althofsanierung mit öffentlichen Darlehen in Höhe von 50 000 DM gefördert. Nach dem neuen Programm sind es 60 000 DM. Hinzu kommt, daß auch die Mindestinvestitionssumme von 50 000 DM auf 20 000 DM herabgesetzt worden ist.
Bei Aussiedlungen treten folgende Verbesserungen in Kraft. Die Garantie für die Anrechnung der Altstelle wird von 55 000 auf 60 000 DM erhöht. Die Erschließungsbeihilfe wird von 30 000 DM auf 40 000 DM erhöht.
({1})
- Ja, aber Sie argumentieren immer, daß es zu wenig Mittel wären, weil die Kosten gestiegen sind. Jetzt wird in diesem Programm der Kostenrechnung Rechnung getragen, und nun schreien Sie weiter.
Die Erschließungsbeihilfe wird von 30 000 DM auf 40 000 DM erhöht, desgleichen werden die öffentlichen Darlehen von 100 000 auf 120 000 DM erhöht. Die Beihilfe für Maßnahmen zur Modernisierung des Wohnhauses, das sogenannte Bäuerinnenprogramm, wird von 1600 auf 2700 DM erhöht. Ebenso liegen die Dinge bei der Zinsverbilligung. Während früher nur 66 2/3 % des Investitionsvolumens förderungswürdig waren, sind es jetzt 85 %.
({2})
- Das werden wir sehen! - Wie schon erwähnt werden die Mittel gebündelt auf die Betriebe verteilt, die entwicklungsfähig sind. Ich glaube, daß, alles zusammengenommen, die Mittel, die für dieses Programm zur Verfügung stehen, ausreichen werden, um das durchzuführen.
({3})
Die Mittel für die Flurbereinigung belaufen sich auf 245 Millionen DM, womit eine Fläche von 300 000 ha bereinigt werden soll.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege, würden Sie mir bitte einen Tip geben, was ich den Bauern - etwa 85 % der Leute in meinem Wahlkreis - raten soll, die nicht die Förderschwelle erreichen?
({0})
Das können Sie im Einzelbetrieblichen Förderungsprogramm im Detail nachlesen, was mit diesen Betrieben geschehen kann.
({0})
Heir Petersen, um das ganz ehrlich zu sagen, ich halte es für eine Betrügerei an nicht entwicklungsfähigen Betrieben, wenn Sie jetzt noch auf eine
Reihe von weiteren Jahren die bisherige Praxis fortführen, sie zu Investitionen anreizen, sie in Verschuldung und damit in eine ökonomische Abhängigkeit hineinbringen, die nicht zu vertreten ist.
({1})
Die Landwirtschaftspolitik sollte sich davor hüten, auf diese Art und Weise Investitionsanreize aufrechtzuerhalten. Ich bin der Meinung, daß es ehrlicher ist, diesen Leuten rechtzeitig eine Alternative in Form eines betrieblichen Arbeitsplatzes zur Verfügung zu stellen,
({2}) als weiterzumachen wie bisher.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte, wenn mir das nicht auf die Redezeit angerechnet wird; denn sie ist sehr knapp.
Nein, nein.
Herr von Bülow, Sie sind sich darüber klar, daß das in meinem Wahlkreis etwa 80 % der Betriebe betrifft, und denen würden Sie das sagen?
({0})
Ich würde Ihnen sagen, Herr Petersen, das Problem ist sehr unterschiedlich. Das ist in Norddeutschland völlig anders als in Nordrhein-Westfalen und in Bayern.
({0})
- Herr Niegel, wenn Sie immer dazwischenrufen: Die bayerische Landesregierung plant für das Jahr 1980 in ihrer Landesplanung einen Anteil von 12 % der Bevölkerung ein, der in der Landwirtschaft tätig ist. Wenn Sie das tun, während man in modernen Industriestaaten die Agrarproduktion mit 4 bis 5 % der Bevölkerung schafft und sich das Einkommen auf diese 4 oder 5 % verteilt, dann planen Sie in Bayern die Disparität für alle Ewigkeit mit ein.
({1})
Wir müssen darauf sehen, daß wir in diesen Gebieten gewerbliche Betriebe ansiedeln, die alternativ Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können.
({2})
- Ich möchte jetzt keine weiteren Fragen zulassen, sondern in meinen Ausführungen fortfahren.
({3})
- Nein, das hat mit Unsicherheit nichts zu tun. Sie haben aber System in den Zwischenfragen.
({4})
Man kann gern einige Fragen zulassen, aber wenn
das zum System wird, nach dem bekannten Muster,
das Sie hier in der Haushaltsdebatte gezeigt haben, dann muß man davon Abstand nehmen.
Die Mittel für die Flurbereinigung belaufen sich auf 245 Millionen DM, wie ich schon sagte. Allerdings ist folgendes dazu zu sagen. Die Flurbereinigung wird gemeinhin als das wirksamste Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur angesehen. Wenn man sich das aber im Detail anschaut, sind die Aufwendungen so horrend, so kostspielig, daß man sich fragt, ob wir auf die Dauer in diesem Umfang auf diesem Wege weitergehen können und ob es nicht billigere Methoden gibt.
Auf die Rationalisierung der Vermarktung kann ich in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen. Sie wird mit 217 Millionen DM, d. h. mit 21 Millionen DM mehr als im Vorjahr, gefördert. Hier muß erwähnt werden, daß die Molkereiwirtschaft im vergangenen Jahr aus Einsparungen in den Marktordnungen gegen Ende des Jahres zusätzlich noch einmal 70 Millionen DM erhalten hat. Es wäre einer Diskussion wert, wie man die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte im Interesse des Landwirts verbessern könnte. Ich möchte nur auf die Unterschiedlichkeit der Milchauszahlungspreise in der Bundesrepublik hinweisen. Das Betriebsergebnis der Molkereien und damit der Auszahlungspreis, den der Bauer erhält, hängen wesentlich u. a. auch von der Fähigkeit der Betriebsleitung ab, besonders gefragte und gut bezahlte Produkte in seiner Angebotspalette zu halten. Manche Betriebe produzieren oft nur oder zum größten Teil für die Intervention. Es gibt Molkereien, die ihren Landwirten 40, 50, in Einzelfällen sogar 80 Pf für den Liter Milch zahlen.
({5})
- Schauen Sie sich die Statistik an, und schauen Sie sich den Fall der „Südmilch" in Stuttgart an! - Das sollte mehr als bisher unter die Landwirtschaft getragen werden, damit auch von dort ein Druck erzeugt und das Marktangebot der Molkereiwirtschaft verbessert wird.
Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft hat zur Zeit mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie ist in eine nicht unbeträchtliche Preis-Kosten-Schere hineingekommen. Die Preise sind in den letzten drei Monaten erheblich abgesunken. Gleichzeitig sind die Betriebsmittelkosten erheblich gestiegen. Es ist völlig klar, wenigstens für den objektiven Betrachter, daß die Ursachen für diesen Preisrückgang vielfältig sind. Die Aufwertung hat hierbei eine Rolle gespielt. Die Schäden, die durch die Aufwertung verursacht worden sind, sind durch entsprechende Gegenmaßnahmen in Höhe von 1,7 Milliarden DM ausgeglichen worden.
Wenn die Differenz zwischen den Einnahmen der Landwirtschaft und ihren Ausgaben
({6})
- jetzt hören Sie doch einmal zu, Herr Müller-Hermann! - bei etwa 9 Milliarden DM liegt, ist eine Entschädigung von 1,7 Milliarden DM eine nicht zu verachtende Leistung, auch wenn sie nicht unmittelbar über den Preis zustande kommt.
Ein weiterer Grund für den Rückgang der Preise - das hat Herr Kollege Peters hier schon ausgeführt - ist der Produktionszyklus bei Schweinefleisch in der EWG. Wir haben zum erstenmal einen in der EWG gleichlaufenden Schweinezyklus, der uns infolge der Ausweitung der Produktion in den Niederlanden, Belgien und zum Teil auch in der Bundesrepublik zu schaffen macht. Dieser Rückgang des Schweinefleischpreises zieht den Preis für Rindfleisch in gewissem Umfang mit sich. Hinzu kommen besondere Preisrückgänge bei Kartoffeln, Obst and bei Gemüse, die jeweils besondere, zum Teil vorübergehende Ursachen haben.
Die Kostenentwicklung beschäftigt die gesamte europäische Landwirtschaft gemeinsam. Die Kostensteigerungen sind in unseren Nachbarländern wesentlich größer. Sie haben dazu geführt, daß die Bauernverbände Europas nahezu einstimmig für die Anhebung der Erzeugerpreise eintreten.
Im Land draußen wird die Meinung verbreitet und den Bauern die Auffassung suggeriert, als ob die Bundesregierung sozusagen nur auf 'den Knopf drücken müsse, damit die Landwirtschaft erheblich bessere Preise erziele. Das ist natürlich nicht der Fall. Was im nationalen Bereich zu tun ist, bezieht sich insbesondere auf die Milch. Hier hat die Bundesregierung bereits konsequent gehandelt.
Als Mitglied des Haushaltsausschusses möchte ich auch darauf hinweisen, daß es nicht ungefährlich ist, in Europa die Preise anzuheben. Denn eine Erhöhung der Preise bringt eine Erhöhung der Interventionskosten mit sich. Von daher stehen wir vor der ganz beträchtlichen Gefahr, daß uns bei den finanziellen Mitteln, die wir brauchen, um unseren Landwirten helfen zu können, die Luft ausgeht.
Wer den Landwirten ,die Auffassung nahelegt oder in seinen Forderungen stillschweigend davon ausgeht, die Bundesregierung müsse nur wollen, dann werde es der Landwirtschaft sozusagen über Nacht besser gehen, mißbraucht die Gutgläubigkeit unserer Landwirte.
Den Einfluß auf die Erzeugererlöse hat die CDU, als sie in der Regierung war, aus der deutschen Verantwortung nach Brüssel abgegeben. Der Grüne Dollar, den die CDU nach ihrem neuesten Parteiprogramm und nach der Rede von Herrn Struve wieder abschaffen will, ist ihr Kind, nicht unseres oder das dieser Regierung.
({7})
Damals hatten wir noch Einfluß darauf, wie der gemeinsame Agrarmarkt Europas ausgestaltet werden sollte. Heute ist die deutsche Landwirtschaft der Leidtragende dieser Konstruktion. Es genügt nicht, die Abschaffung des Grünen Dollars zu verlangen; denn wir wissen alle, daß es Länder gibt, die von der von Ihnen geschaffenen Konstruktion profitieren und die ihre Vorteile mit Macht verteidigen.
({8})
- Ich frage mich manchmal, Herr Müller-Hermann,
ob Sie damals, als Sie das Preisinstrument aus der
Hand gegeben haben, gewußt haben, was auf Sie zukommt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
von Alten-Nordheim ({0}) : Herr von Bülow, wären Sie bereit, einer Einladung zu einem längeren Informationsaufenthalt in der Landwirtschaft zu folgen, der mir nach Ihren Ausführungen dringend erforderlich erscheint?
({1})
Herr Kollege, ich habe eine ständige Diskussion mit Landwirten, und die Landwirte sind inzwischen zu der Auffassung gekommen, daß ihnen von den früheren Regierungen nicht das Beste in den Schoß gelegt worden ist.
({0})
Sie sind damals vor den Butter- und Weizenbergen gewarnt worden. Sie haben die Warnungen in den Wind geschlagen. Sie haben damals Preissenkungen zu Lasten der Landwirtschaft zugestimmt. Bei Weizen waren es bekanntlich 10 %.
({1})
Ich möchte nicht auf die einzelnen Umstände eingehen, unter denen das zustande gekommen ist. Es gibt inzwischen eine wissenschaftliche Abhandlung über die Rolle des ehemaligen Landwirtschaftsministers Schwarz und des Staatssekretärs Hüttebräuker in Brüssel, die ich jedem zum Lesen empfehle, der sich in die christdemokratische Landwirtschaftspolitik einfühlen möchte.
({2})
Ob Sie gewußt haben, was aus der Aufgabe der Preisregulierung aus nationaler Hand werden kann, kann ich nur annäherungsweise nachträglich aus der Lektüre eines Artikels des Herrn Kollegen Klinker im Deutschland-Union-Dienst entnehmen, der jetzt nach den Methoden der El-Fatah die Bauern aufruft, auf die Straßen zu gehen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen das vorlesen. Dort heißt es:
Die natürlichen Produktionsbedingungen der deutschen Landwirtschaft, von Klima und Boden her gesehen, kann man allenfalls als durchschnittlich bezeichnen. Sie sind gekennzeichnet durch eine relativ kurze Vegetationszeit, durch überwiegend hängiges Gelände, größtenteils arme, d. h. sandige, flachgründige, steinige und anmoorige Böden mit mäßiger und geringer Fruchtbarkeit sowie schließlich durch eine verhältnismäßig hohe Niederschlagsmenge von
durchschnittlich 750 mm im Jahr. Diese Verhältnisse bedingen schon den relativ hohen forstwirtschaftlichen Anteil von rund 1/4 der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Nach dieser an Cäsars „De bello Gallico" erinnernden Darstellung zieht Herr Klinker die Schlußfolgerung:
Die allgemeine Wirtschaftsentwicklung vollzieht sich nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, denen sich auch die Landwirtschaft anpassen muß, wenn sie an der allgemeinen Aufwärtsentwicklung teilhaben will. Diese Zielsetzung hat auch durch die Bildung ,des gemeinsamen europäischen Marktes keine Änderung erfahren.
Schlußfolgerung für den unbefangenen Leser dieser Zeilen, die im Jahre 1966 geschrieben wurden: Ein großer Teil der deutschen Landwirtschaft, ausgestattet mit einer so miserablen natürlichen Ausgangsbasis, muß nach ökonomischen Gesetzen, denen sich auch die Landwirtschaft - so Klinker - nicht entziehen könne, aus der Produktion ausscheiden, da an anderer Stelle Europas billiger produziert werden kann. Diese Schlußfolgerung zieht natürlich Herr Klinker nicht, trotz dieses Anlaufs zur Ehrlichkeit. Der schleswig-holsteinische Präsident des Bauernverbandes -
Herr von Wrangel möchte gern eine Zwischenfrage stellen.
Ich würde das gern im Zusammenhang zu Ende bringen.
({0})
Der Präsident ,des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes fährt nun aber fort - und das sollten die Landwirte, die sich mit CDU- rund CSU-Verbandsführern in der Vergangenheit in manchen Landstrichen so gerne umgeben haben, sich merken -:
Je stärker die EWG-Beschlüsse die landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen in der Bundesrepublik drücken,
- 1966! um so größer wird zwangsläufig ihr Bestreben sein, in die Mengenproduktion auszuweichen.
Meine Damen und Herren, das ist im Jahre 1966 geschrieben worden; ich wiederhole es.
({1})
Es ist bemerkenswert, weil all die Probleme, die unsere Bauern heute so unglaublich bedrücken, als Folge u. a. der EWG-Politik früherer Bundesregierungen vorausgesehen wird.
({2})
Die CDU hat also bis zur bittersten Konsequenz gewußt, was mit der EWG-Agrarpolitik auf die deutsche Landwirtschaft zukommen mußte, und ich finde
es reichlich abgeschmackt, wenn sie die Uninformiertheit der Landwirte dazu benutzt, gegen die jetzige Regierung zu hetzen und dieser Regierung die Folgen der Versäumnisse vergangener CDU-Regierungen in die Schuhe zu schieben.
({3})
Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluß.
Hierfür nur das Beispiel eben desselben Herrn Klinker in einem Aufsatz aus dem Jahre 1969. Dort heißt es:
Wenn die Erfinder des „Grünen Dollars" dies alles nicht begreifen wollen, werden wir in Zukunft
({0}) - jetzt hören Sie doch bitte ruhig zu nicht nur gegen den „Grünen Dollar", sondern auch gegen die Personen kämpfen, die dieses untaugliche Instrument der EWG-Politik gegen den Lebenswillen der deutschen Landwirtschaft aufrechterhalten wollen.
({1})
Jetzt wird auf einmal gekämpft, auch gegen Personen. Herr Klinker sollte am besten einmal gegen Personen in der eigenen Partei kämpfen, die diese EWG-Agrarpolitik mit vollem Bewußtsein gegen die Interessen der deutschen Bauern mit konstruiert haben.
({2})
- Meine Damen und Herren, ich freue mich, daß ich Sie auch ein bißchen aufregen kann.
({3})
Sind Sie noch nicht aus dem Stadium der El-Fatah hinaus? Beruhigen Sie sich!
({4})
Ich möchte noch auf die Sozialpolitik eingehen, weil ich diese in der Zeit des Übergangs zu einer modernen Agrarstruktur für außerordentlich wichtig halte. Auf diesem Gebiet sind erhebliche Verbesserungen erreicht worden. Die Mittel für die Altershilfe wurden auf 675 Millionen DM, für die Unfallversicherung auf 260 Millionen DM erhöht.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß!
({0})
Ich bin gleich am Ende. Ich werde diesen Teil meiner Rede abkürzen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß die Sozialprobleme, die von Ihnen in der Vergangenheit so stark vernachlässigt worden sind, nur unter Zuhilfenahme erheblicher Finanzmassen gelöst werden können. Um über diese Finanzmassen zu verfügen, brauchen wir wiederum Zeit; das ist nicht in ein, zwei Jahren zu schaffen. Wir werden die Probleme lösen. Nächstes Jahr wird die Krankenversicherung für Landwirte kommen, und zwar mit einem Zuschuß in Höhe von 320 Millionen DM für die Altenteiler.
({1})
Die Zuschüsse werden auf 420 Millionen DM steigen. In naher Zukunft werden wir uns auch mit dem Problem des Altersgeldes zu befassen haben.
Ich glaube, daß die Landwirtschaftspolitik, insgesamt gesehen, mit den vier Säulen „Einzelbetriebliches Förderungsprogramm", „Förderung der Marktstruktur", „soziale Sicherung" sowie - nicht zu vergessen - „regionale Aktionsprogramme" und dem Versuch, in Brüssel höhere Erzeugerpreise zu erreichen, ein abgeschlossenes Ganzes bildet.
Ich bitte Sie jetzt zum drittenmal, zum Schluß zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Einzelplan 10 zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Röhner. Auch für ihn sind 20 Minuten Redezeit erbeten worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mit ganz wenigen Sätzen auf das eingehen, was der Herr Kollege Peters hier vorgetragen hat, und auch ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Herr von Bülow anfügte.
({0})
Herr Kollege Peters, nachdem ich Sie, seit Sie mit Ihrer Partei in der Regierungsverantwortung sind, hier wiederholt zu agrarpolitischen Problemen sprechen hörte, fühle ich mich einfach veranlaßt, Sie einmal folgendes zu fragen: Wie lange wollen Sie sich in Ihren Aussagen zur Agrarpolitik hier noch darauf beschränken, die Vergangenheit zu verteufeln, obwohl Sie agrarpolitisch zum Teil auch mit Verantwortung trugen? Wie lange wollen Sie sich noch darauf beschränken, mit der Zukunft zu spekulieren und dabei den Versuch zu machen, das ganze Haus und die Öffentlichkeit darüber hinwegzutäuschen, daß Sie für den heutigen Zustand und
für die Gegenwart die Verantwortung zu tragen haben?
({1})
Ich glaube, es wäre viel zweckmäßiger und besser gewesen, wenn Sie hier an dieser Stelle Ihre Redezeit dazu genutzt hätten, uns zu sagen, wohin die agrarpolitische Reise nach Ihrer Meinung in den Jahren 1971, 1972 und in den folgenden Jahren geht.
({2})
Eine kurze Bemerkung auch zu dem, was der Kollege Herr von Bülow hier sagte. Es wurde einmal mehr - Herr von Billow, wenn ich mich recht erinnere, geschah das Ihrerseits nicht zum erstenmal - rühmend hervorgehoben, daß diese Regierung in der mittelfristigen Finanzplanung für die nationale Agrarpolitik entgegen dem Voranschlag der alten Regierung 500 Millionen DM mehr Förderungsmittel eingesetzt hat. So weit, so gut. Herr von Bülow, Sie wissen doch aber ganz genau - Sie kennen den Vorgang doch; wenn Sie ihn nicht kennen, erkundigen Sie sich bei Ihrer Fraktion und Ihren Kollegen -, daß die alte Regierung, an der Sie auch beteiligt waren, im Hinblick auf die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung ausdrücklich festgestellt hatte, daß im nationalen agrarpolitischen Teil ab 1970 eine Fortschreibung in Höhe von mindestens 500 Millionen DM erfolgen muß und erfolgen wird. Man wollte aber vor der Bundestagswahl und bevor eine neue Regierung installiert wird, diese in gar keiner Weise präjudizieren. Es war klar und eindeutig von der alten Regierung, an der Sie beteiligt waren, festgelegt worden, daß diese Maßnahme erfolgen sollte.
Und ein Zweites noch zu Ihren Ausführungen: Sie haben so ein bißchen salopp, möchte ich fast sagen, darauf hingewiesen, daß in einer Reihe von einzelnen Förderungsmaßnahmen - Flurbereinigung und Bäuerinnen-Programm wurden erwähnt - die Förderungssätze um Hunderte, in einigen Fällen auch um Tausende von Mark angehoben worden sind. Herr von Bülow, fügen Sie doch bitte ehrlicherweise hinzu, daß trotz dieser da und dort verbeserten Einzelansätze bei weitem nicht das Volumen der Maßnahme erreicht werden kann, das wir mit einer geringeren Summe in den Jahren 1968 und 1969 erreicht hatten!
({3})
Ein Drittes noch! Auch Sie rechneten mit der Vergangenheit ab, und Sie sprachen in diesem Zusammenhang von den Warnungen vor den Getreide- und Butterbergen, die doch frühzeitig genug hätten bekannt gewesen sein müssen und aus denen hätten Konsequenzen gezogen werden müssen. Hier kann ich Ihnen nur den einen Rat geben: Erkundigen Sie sich einmal in den Archiven Ihrer Fraktion, welche Vorschläge Ihre Fraktion vor drei, vier und fünf Jahren zur Vermeidung dieser sogenannten agrarischen Berge gemacht hat, und setzen Sie sich mit diesen Argumentationen auseinander!
({4}) Das wäre konstruktiv.
Ich möchte mich nunmehr - wir befinden uns ja immerhin in einer Haushaltsdebatte -- etwas konkreter mit dem Agrarhaushalt 1971 befassen. Herr von Bülow hat seine Ausführungen mit einem Zitat aus dem Jahre 1966 begonnen. Ich möchte auch mit einem Zitat beginnen, aber, Herr von Billow, mit einem Zitat vom September 1970. Dieses Zitat, das ich dem Hohen Hause in Erinnerung bringen will, stammt vom amtierenden Bundesfinanzminister. Finanzminister Möller sagte bei der Einbringung des Haushalts 1971 im landwirtschaftlichen Teil seiner Ausführungen wörtlich:
Auf Grund des tiefgreifenden strukturellen Anpassungsprozesses ... drohen hier
- er meinte: im landwirtschaftlichen Bereich -erhebliche soziale Härten. Das erfordert eine verstärkte Fortführung der struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen des Bundes, ...
Diese Erkenntnis, Herr Bundesminister, ist ganz bestimmt nicht neu. Sie ist dennoch löblich, wenn dieser Feststellung auch die entsprechenden Taten folgen, z. B. dann, wenn Sie den Agrarhaushalt 1971 konzipieren, hier einbringen und dann entsprechend fahren. Wenn die notwendigen Konsequenzen gezogen würden, wäre man durchaus in der Lage, etwas von dem wegzunehmen, was sich heute an täglich wachsender Unruhe und - was noch schlimmer ist - an Resignation im landwirtschaftlichen Bereich breit macht, Diese Konsequenzen würden endlich einmal die vielfachen Beteuerungen dieser Bundesregierung glaubwürdiger machen, als sie bisher gemacht werden konnten.
({5})
Wie sieht unter diesen Prämissen nun der Agrarhaushalt 1971 aus, und wie ist er einzustufen? - Eine Besonderheit zeichnet ihn auf jeden Fall aus - leider keine positive: Es ist dem Hohen Hause bekannt - ich darf es hier nur noch einmal im Zusammenhang darstellen -, daß der Gesamthaushalt 1971 um mehr als 12 % höher liegt als im Vorjahr. Alle Ressorts haben an den Steigerungsquoten einen, allerdings unterschiedlichen, Anteil, nur der Landwirtschaftsetat nicht. Er ist nicht einmal gleichgeblieben, sondern gegenüber dem Vorjahr 1970 um 719 Millionen DM geringer.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, da genügt es mir nicht, wenn dieser Rückgang mit gesunkenen EWG-Marktordnungskosten und dem Wegfall aufwertungsbedingter Mehrausgaben im Jahre 1970 scheinbar gerechtfertigt wird. Entscheidend ist vielmehr, daß dieser Agrarhaushalt 1971 in eine Landschaft und in eine Landwirtschaft hineingestellt ist, in der sich infolge der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung die Preis-KostenSchere in einem Ausmaß geöffnet hat wie noch niemals zuvor in der gesamten Nachkriegszeit.
({7})
Das sind die Fakten, das sind die Tatsachen.
Hier darf ich noch einmal ganz kurz auf das zurückkommen, was Herr von Bülow angeschnitten
hat, allerdings aus einer ganz anderen Sicht. Ich meine - wir alle wissen es -, daß in der zurückliegenden Zeit häufig steigende EWG-Aufwendungen zu Lasten der nationalen Agrarmittel gedeckt werden mußten. Jetzt ist der Zeitpunkt, jetzt ist die Möglichkeit, das ganz real zu kompensieren und ins Lot zu bringen. Es wäre deshalb konsequent und sachgerecht, wenn die bei den Marktordnungen einzusparenden Mittel nicht kassiert oder sonst irgendwie im Zwielicht gehalten würden, sondern wenn sie, so wie es der Bundesfinanzminister bei seiner Einbringungsrede selber als Maxime aufgestellt hat, für eine zielstrebige Struktur- und Sozialpolitik im nationalen Bereich zur Verfügung gestellt würden.
({8})
Das wäre eine konstruktive, eine aufbauende Politik, Herr Bundesfinanzminister. Damit hätten Sie Ihrem Ministerkollegen Ertl wenigstens - ich will es vorsichtig ausdrücken - die Spur einer Chance gegeben, sein vielfach angepriesenes Förderungsprogramm zu finanzieren, d. h. zu realisieren.
Herr von Bülow nannte vorhin dieses Programm ein mutiges Programm. Wo ist denn da der Mut, wenn ich ein Programm aufstelle und nicht das notwendige Geld zur Verfügung stelle, um es zu realisieren? Dann ist es eben nur Papier, dann ist es eben nur Programm.
({9})
Ich bin der Meinung, das wäre ein Verhalten und wäre jene in unseren Tagen und Wochen so bitter notwendige Ermunterung für unsere bäuerlichen Menschen draußen im Lande. Das wäre jener Auftrieb und jene Ermunterung, die gerade unsere heutige Landwirtschaft so notwendig hätte. Eine Landwirtschaft, eine Wirtschaftsgruppe, die - ich muß es hier noch einmal wiederholen, ich habe es früher schon bei anderer Gelegenheit ausgesprochen - die Zahl ihrer Betriebe in den letzten achtzehn bis zwanzig Jahren um 31 % verringert hat, die die Zahl ihrer Vollerwerbskräfte um 57,4 % verringert hat und die dennoch die Nahrungsgüterproduktion für unser Volk um 75 % und damit ihre Produktivität um über 300% gesteigert hat.
({10})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Struve ging bereits darauf ein, daß die Erzeugerpreise dieser Landwirtschaft - jetzt zitiere ich einmal die Zahlen von Herrn Staatssekretär Logemann - im Oktober 1971 um 8,4 % niedriger und ihre Betriebsmittel um 5 % höher liegen als im Vorjahr. So weit der Herr Staatssekretär Logemann. Herr Kollege Struve hat hier schon einiges richtiggestellt und korrigiert. Er hat neuere, spätere Zahlen zum Vergleich angeführt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Legen Sie aber diesen Tatbestand zugrunde, und rechnen Sie zu dieser Öffnung der Preis-Kosten-verständlich, die unsere bäuerlichen Menschen heute erfüllt, daß dieser Strukturwandel möglicherweise zu einer Erosion werden könnte, wenn diese Preis-Kosten-Situation nicht ganz rasch und langfristig bereinigt wird. Hier klang in den Worten meiner Vorredner etwas der Hinweis an - der Herr Kollege Peters sagte es -: Ihr mit eurem Inflationsgerede! Herr Kollege Peters, dazu möchte ich Ihnen etwas sagen. Es war der Präsident von Heereman, der erst vor sehr kurzer Zeit in Berlin „diese Inflation" - das sagte er wörtlich - für die Unruhe und für die Resignation in unserer Landwirtschaft verantwortlich gemacht hat. Es war Herr von Heereman, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, der wörtlich hinzufügte, man solle diese Inflation nicht immer nur mit dem Wort „inflatorischer Prozeß" umschreiben wollen. Er wollte damit auf die Fakten, auf die Tatsachen, auf diese Inflation hingewiesen haben.
Schere noch die allgemeine Inflationsquote hinzu, dann kommen Sie auf die tatsächliche Einkommenssituation unserer heutigen Landwirtschaft und ihr derzeitiges Leben. Dann wird doch auch die Angst
Ich möchte noch zu einem zweiten Punkt, nämlich zum zweiten Teil des Agrarhaushaltes, einige Bemerkungen machen und hier insbesondere die Ansätze für die nationalen Förderungsmaßnahmen ansprechen. In den letzten Wochen und Monaten hat sich die Bundesregierung vielfältig in manchen Verlautbarungen gerühmt, daß trotz der Plafondkürzung im Agrarhaushalt die Mittel für die nationale Agrarpolitik gegenüber dem Vorjahr angehoben worden seien. - Jawohl, sie sind für 1971 so „angehoben" worden, daß sie, wenn man den Getreidepreisausgleich und die Gasölbeihilfe außer acht läßt, gerade den Stand von 1969 erreichen und damit immer noch 100 Millionen DM unter dem Niveau von 1968 liegen. So sieht die „Verbesserung" tatsächlich aus!
({11})
Es war der Haushaltsausschuß - und damit das Parlament -, der diese Bilanz dadurch etwas verbessert hat, daß er insgesamt 67,5 Millionen DM von Kap. 10 03 nach Kap. 10 02, also in den nationalen Bereich hinein, umgruppiert hat.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann muß man doch fragen dürfen: was bleibt von den Versprechen auf „verstärkte Fortführung der Struktur- und der sozialpolitischen Maßnahmen" übrig, wenn z. B. für ein Sofortprogramm der großen Hochseefischerei, gegen das wir ganz bestimmt nicht sind, als Deckung für eine Bindungsermächtigung ausgerechnet 10 Millionen DM von den landwirtschaftlichen Strukturmitteln herangezogen werden? Was soll man von diesen Versprechungen halten, wenn diese Regierung im Voranschlag 1971 den Ansatz für die landwirtschaftliche Altershilfe um 15 Millionen DM niedriger einbringt, als im vergangenen Jahr für diese Altershilfe effektiv benötigt worden sind? Was soll man von diesen Versprechungen auf sozialpolitischem Gebiet halten,
({12})
wenn für die Unfallversicherung im Jahre 1971 nur 180 Millionen DM veranschlagt werden, obwohl diese Regierung wußte, daß im zurückliegenden Jahr 1970 215 Millionen gebraucht worden sind? Auch hier hat der Haushaltsausschuß mit einer AufstokRöhner
kung um 80 Millionen versucht, das zu korrigieren. Und wenn hier die sozialpolitischen Dinge stärker angesprochen worden sind, wenn der Herr Kollege Peters die Absicht der Regierung, die Krankenversicherungsfrage anzugehen und zu lösen, gerühmt hat, dann muß ich schon fragen: wo steht in diesem Agrarhaushalt 1971 auch nur eine Mark für diese bäuerliche Krankenversicherungsregelung?
({13})
Fast möchte ich sagen, Herr Bundeskanzler - er ist leider nicht hier -, damit ist einfach das Maß dessen überschritten, was man einer Bundesregierung an Übertreibung gerade noch zubilligen kann, wenn sie immer wieder behauptet, daß bei ihr die Agrarpolitik nach wie vor ein Schwerpunkt der Regierungspolitik sei.
({14})
Und es stünde dieser Koalition gut an, wenn sie - wir werden später darüber noch zu reden haben - unsere dem Hohen Hause vorliegenden Aufstokkungsanträge für die nationale Agrarpolitik in Anbetracht der aufgezeigten Entwicklung in der Landwirtschaft unterstützen würde. Im Ausschuß, meine sehr verehrten Kollegen, konnten Sie sich dazu nicht durchringen. Wir werden Ihnen heute Gelegenheit geben, das zu revidieren, und zwar auf einer guten Basis, mit einer guten Deckung.
Aber in diesem Zusammenhang muß ich mich noch einmal an den Herrn Finanzminister wenden. Herr Bundesfinanzminister, das Papier, das Sie am 19. Januar 1971 dem Haushaltsausschuß zum Haushaltsausgleich vorgelegt haben, ist mindestens in einem Punkte materiell falsch. Die Minderausgaben für die Europäischen Gemeinschaften belaufen sich gegenüber den Ansätzen des Haushaltsentwurfs nicht, wie dort angegeben, auf 256,8 Millionen DM, sondern auf 438,5 Millionen DM. Die Zahl 256,8 Millionen DM ist offensichtlich dadurch zustande gekommen, daß bereits andere Mehrausgaben saldiert wurden. In Wirklichkeit nämlich belaufen sich die auszugleichenden Mehrausgaben nicht auf 770 Millionen DM, sondern auf 951,7 Millionen DM. Um so mehr war ich verwundert, Herr Bundesernährungsminister, daß Sie in Ihrer darauf folgenden Presseerklärung vom 20. Januar 1971 von einer Herabsetzung der Ansätze für die Europäischen Gemeinschaften um nur 256,8 Millionen DM gesprochen haben. Es ist doch Ihr legitimes Recht, über die Ansätze Ihres Ressorts auch dem Finanzminister gegenüber so zu wachen, daß der deutschen Landwirtschaft nicht, aber auch gar nichts, was einmal veranschlagt ist, verlorengehen muß.
({15})
Herr Bundesfinanzminister, es wäre gut, wenn Sie
sich auch im Interesse der Haushaltsklarheit heute
noch einmal gerade zu diesem Punkt hier äußerten.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Abschluß kommen. Ich möchte zusammenfassend noch folgende Feststellung treffen: Der Agrarhaushalt dieser Bundesregierung für das Jahr 1971 nimmt auf keinen Fall auch nur annähernd ausreichend Rücksicht erstens auf die unerträglich werdende Einkommens- und Ertragssituation unserer Landwirtschaft, zweitens auf ihre übergroßen strukturellen und sozialpolitischen Notwendigkeiten im Anpassungsprozeß und drittens auf ihren bisherigen Opfergang für die europäische Integration und für ihren lückenlosen Beitrag zur Stabilität in diesem Land.
({16})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Auffassung, diese deutsche Landwirtschaft hätte wahrhaftig im Jahre 1971 einen besseren Agrarhaushalt verdient. Wir lehnen diesen Etat ab.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Gallus. Auch für ihn hat seine Fraktion 20 Minuten Redezeit erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Freitag abend hatten wir einen Punkt in der Auseinandersetzung in diesem Hause erreicht, der sehr wohltuend war; denn da wurde in einer sehr sachlichen Atmosphäre über die Probleme des Einzelplans 09 gesprochen. Ich glaube, wir sollten auch bei der Beratung des Einzelplans 10 zu dieser Sachlichkeit zurückkehren.
({0})
Ich bin, Herr Kollege Röhner, der Meinung - ({1})
- Bitte sehr!
Herr Kollege Gallus, wenn ich Ihnen in Ihrer Feststellung zustimme, sind Sie dann der Meinung, daß es von Herrn Kollegen Bülow richtig war, hier von ElFatah-Methoden zu reden?
({0})
Herr Kollege, ich spreche hier nicht für andere, sondern für mich selber, und ich für meine Person will mich an das halten, von dem ich glaube, daß es diesem Haus guttut.
({0})
Zunächst einmal, meine sehr verehrten Herren Kollegen, bin ich der Meinung, daß man das Problem des Verhältnisses von Kap, 10 03 zu Kap, 10 02 nicht in der Art und Weise hochspielen sollte, wie das Herr Röhner hier getan hat. Man könnte das tun, wenn nicht diese Bundesregierung und der Haushaltsausschuß, ihr folgend, im September bzw. Oktober tatsächlich die Mittel des Kap. 10 03 auf Kap. 10 02 überführt hätte, und es gibt überhaupt keine Beweise dafür, daß nicht auch in diesem Jahr in völlig gleicher Weise verfahren werden kann. Das Haushaltsgesetz als solches läßt diesen Weg
offen. Ich bin der festen Überzeugung, Herr Kollege, daß, wenn die Dinge überschaubar und absehbar sind, der Herr Landwirtschaftsminister zum richtigen Zeitpunkt seinen Vorschlag unterbreiten wird.
({1})
Sie werden doch nicht glauben, Herr Kollege Dr. Jenninger, daß die Koalitionsfraktionen Ihrem Änderungsantrag auf Umdruck 125 bezüglich der Verteilung von 343 Millionen DM am heutigen Tage zustimmen werden, um damit Gefahr zu laufen, daß alles, was auf diesem Sektor eventuell noch in diesem Jahr auf uns zukommen wird, in Frage gestellt wird!?
({2})
Mehr möchte ich zu dieser Frage nicht sagen. Aber in einem Punkt muß ich den Kollegen Röhner widerlegen. Er hat so getan, als ob die Erhöhung von 80 Millionen DM für die landwirtschaftliche Unfallversicherung nur eine Errungenschaft des Haushaltsausschusses und damit vielleicht letzten Endes sogar der Opposition gewesen wäre. Ich bin der Auffassung, daß sich die Koalitionsfraktionen ganz entscheidend um diese Fragen bemüht und sie auch gelöst haben.
Über diese Tatsache hinaus, Herr Kollege Röhner, sprechen Sie davon, daß in dieser Debatte nicht von der Vergangenheit ausgegangen werden sollte, sondern daß man sich um die Probleme zu mühen hat, wie sie sich heute ergeben. Folgerichtig haben die Sprecher der Opposition - an der Spitze Herr Struve - davon gesprochen, daß das Preisproblem das Problem Nummer 1 sei. Ich stimme mit Ihnen nicht überein, wenn Sie hier die Situation der deutschen Landwirtschaft so zeichnen, als ob sie in Kürze vom Erdboden verschwände, weil die Situation durch diese Regierung völlig unerträglich geworden sei.
({3})
Zur Frage der Preise. Wie sind die Dinge gelaufen? Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind nicht müde geworden, dieser Regierung in den letzten Monaten vorzuwerfen, daß sie keine einheitliche Auffassung in den Fragen der Preise im Blick auf die EWG habe
({4})
und daß sie andererseits nicht in der Lage sei, die Maßnahme, über die sie überhaupt noch habe verfügen können, nämlich die Anhebung des Trinkmilchpreises, durchzuführen. Ich stelle fest: Zwei Tage später, als die Entscheidung wirksam geworden war, die durch die Verordnung der Bundesregierung getroffen worden war, blieb es am letzten Mittwoch der CDU/CSU-Fraktion - vertreten durch eine Ihrer Kolleginnen - in der Fragestunde vorbehalten, die Frage - ich zitiere - in den Raum zu stellen:
({5})
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um
der Verteuerung der Trinkmilch entgegenzutreten, die auf Grund der Freigabe des Endpreises für Trinkmilch ab 1. Februar 1971 zu erwarten ist?
({6})
Ich stelle fest: Bei der ersten Entscheidung im Hinblick auf Preiserhöhungen, die noch in nationaler Zuständigkeit lag,
({7})
hat diese Regierung funktioniert, während die Opposition in dieser Frage ein sehr zwiespältiges Bild an den Tag gelegt hat.
({8})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Griesinger?
Bitte schön!
Herr Kollege Gallus, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß Sie, wenn Sie schon ankündigen, zur Versachlichung der Atmosphäre beizutragen, Ihren Vorsatz auch in Ihrer Rede ausführen sollten und deutlich machen müßten, daß es sich nicht um eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion handelte, sondern daß eine einzelne Kollegin in der Fragestunde die Frage stellte, die in diesem Zusammenhang übrigens gar nicht ohne weiteres angeführt werden kann, weil sie einen anderen Fragenkomplex betraf?
({0})
Aber Frau Kollegin, Sie werden doch von mir nicht erwarten, daß meine Sachlichkeit so weit geht, daß ich die Frage der CDU/CSU entschuldige.
({0})
Nun zum zweiten Komplex, mit dem wir uns sehr intensiv auseinandersetzen müssen.
({1})
Das ist die Frage der EWG-Preise. Dazu brauche ich keine weiteren Ausführungen zu machen, weil ich der Meinung bin, daß diese Regierung im Blick auf Brüssel angetreten ist, das zu revidieren, was die Entwicklung der vergangenen Jahre uns im Zusammenhang mit den europäischen Marktordnungen beschert hat. Ich glaube, daß man dieser Regierung nicht im voraus bescheinigen sollte, sie habe nicht den Mut, die Dinge so anzusprechen, wie es im Namen der deutschen Landwirtschaft notwendig sei. Warten wir doch einmal ab!
({2})
Vielleicht rennen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier offene Türen ein.
Gestatten Sie mir, daß ich die Zwiespaltigkeit der Opposition auch auf einem anderen Gebiet etwas an den Tag bringe; es handelt sich um das Gebiet der Agrarsozialpolitik. Sie sind ja draußen sehr darum bemüht darzulegen, daß Sie eigentlich mit dieser „übertriebenen" Strukturpolitik, mit diesem Ertl-Programm, gar nichts zu tun haben wollen. Ich errate schon die Zeit voraus, daß Sie sich umgekehrt darum bemühen werden, einmal festzustellen, daß Sie die Erfinder dieses Programms gewesen sind. Bis dahin müssen wir von den Regierungsparteien noch einiges ertragen.
({3})
Sie haben zur Sozial- und Strukturpolitik in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Nachversicherung landwirtschaftlicher Unternehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung wörtlich ausgeführt - Drucksache VI/438; ich habe mir diese Drucksache extra aufbewahrt - :
Dieser Vorschlag beruht auf der Erwägung, daß der Strukturwandel der deutschen Landwirtschaft in den letzten Jahren aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen - vor allem durch die vorzeitige Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarktes - ausgelöst worden
- jetzt müssen Sie hinhören! und im Interesse des weiteren Wachstums der industriell-gewerblichen Wirtschaft zu beschleunigen ist.
Das war die Begründung von seiten der CDU. Ich bin der Auffassung: Wenn das so ist, mit welchem Recht steigt dann hier auch nur e i n Redner auf das Podium, um das Programm zur künftigen Strukturentwicklung, das sogenannte Ertl-Programm, zu verdammen?
Ich bin im Gegensatz zu Herrn Röhner der Auffassung, daß wirklich Mut dazu gehört hat und auch in der Zukunft Mut dazu gehören wird,
({4})
in der deutschen Agrarpolitik einmal zu differenzieren, damit diejenigen, die davon betroffen sind, endlich wissen, in welcher Umwelt wir uns angesichts der Entscheidungen befinden, die nicht heute getroffen werden, sondern die im Jahre 1957 von diesem Parlament und anderen Parlamenten Europas getroffen wurden
Machen Sie es sich nicht so einfach, wenn Sie hier von der Abschaffung des Grünen Dollars sprechen; denn die Passage in Ihrem CDU-Programm, in der diese Frage behandelt wird, hat einen Vorsatz. Dieser Vorsatz lautet:
Die Europäische Agrarpolitik muß durch eine rasche Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ergänzt werden.
({5})
Andernfalls muß die starke Bindung der Agrarpreise an den EWG-Dollar beseitigt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen dazu folgendes sage: Haben Sie doch auch den Mut - ich habe ihn! -,
({6})
den Bauern draußen zu sagen - Ihr Sprecher zum Einzelplan 09 hat es am Freitagabend hier von dieser Stelle aus verkündet -, daß der Marsch in diese Wirtschafts- und Währungsunion keinen Spaziergang ins Paradies darstellt, sondern daß es ein sehr harter und steiniger Weg sein wird.
({7})
Sagen Sie doch auch, daß dieser Marsch nicht in einem Jahr und auch nicht in zwei Jahren zurückgelegt werden kann.
({8})
Diesen Mut müssen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aufbringen, um der Wahrheit Rechnung zu tragen; denn immerhin führen Sie die Bezeichnung „christlich" in Ihrem Wappen, und sonst keine Partei in diesem Hohen Hause!
({9})
Gestatten Sie mir, einen weiteren Widerspruch in Ihren Vorstellungen aufzuklären. Es handelt sich um die Preise und die Frage, inwieweit sie den Konjunkturschwankungen, z. B. bei den Schweinen, unterworfen sind.
({10})
Sie haben in Ihrem Programm der Mengenregulierung abgeschworen. Ich könnte Ihnen aber Dutzende von Persönlichkeiten der CDU aus dem agrarpolitischen Bereich nennen, welche die Mengenregulierung mit Überzeugung verteidigen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das auf einen Nenner bringen, nämlich das, was Ihre Kollegen im süddeutschen Raum wünschen, und die Streichungen, die Sie in Ihrem Programm vorgenommen haben?
Ich sehe noch einen weiteren Widerspruch. Wir von den Koalitionsfraktionen sind draußen die Prügelknaben in bezug auf das Eigentum - auch das spreche ich hier einmal an -, weil wir uns darum bemühen, einen tragbaren Kompromiß zu finden zwischen dem Auftrag des Grundgesetzes, das Eigentum zu schützen einerseits, und der Sozialverpflichtung des Eigentums andererseits. Dazu sollte auch die Opposition beitragen und nicht versuchen, die guten Ansätze dazu im Städtebauausschuß durch den Antrag auf Streichung von § 48 Abs. 5 wieder zunichte zu machen.
({11})
Nach diesen allgemeinen Ausführungen komme ich zur Begründung des Standpunkts, den wir zu den beiden Anträgen einnehmen, die von der Opposition eingebracht worden sind, Ich wende mich
zunächst dem Antrag auf Umdruck 134 *) zu, die Mittel aus dem Zweckvermögen der Rentenbank von 200 Millionen DM auf 250 Millionen DM aufzustokken. Diejenigen, die diesen Antrag befürworten, wissen genau, daß das ein Vorgriff auf die nächsten Jahre wäre. Wir wünschen, vielleicht im Gegensatz zu einigen Sprechern der Opposition, nicht, daß bei der Rentenbank irgendwelche Schwierigkeiten, insbesondere im Blick auf die Finanzierung des Ertl-Programms, auftreten, weil wir glauben, daß die Finanzierung gesichert und auch von der Kapitalseite her geregelt sein muß, wenn wir ein solches Programm vorlegen. Ich bin der Auffassung, daß wir gut daran tun, diesen Antrag abzulehnen.
Zu dem Antrag auf Umdruck 125 ({12}) **), die 343 Millionen DM zu verteilen, habe ich, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, schon eingangs meinen Standpunkt - ich glaube, das ist auch der Standpunkt der Koalitionsfraktionen - klipp und klar zum Ausdruck gebracht. Wir wissen durchaus, daß im Kap. 10 03 im Laufe oder am Ende dieses Jahres Mittel zur Verfügung stehen werden. Das wissen wir, Herr Röhner, das braucht man uns nicht extra zu sagen. Wir sind aber der Meinung, daß es der Regierung und den Koalitionsfraktionen vorbehalten bleiben sollte, sowohl den Zeitpunkt als auch den Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen zu bestimmen.
({13})
- Ich sage Ihnen noch eines: Ich bin kein Gegner einer Erhöhung des Altersgeldes.
({14})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Gallus, wären Sie bereit, im Interesse des Parlaments die Feststellung zu treffen, daß nicht Regierung und Koalitionsfraktionen, sondern das Parlament, d. h. auch die Opposition, über die Mittel entscheidet?
({0})
Herr Kollege Leicht, da ich diesem Hohen Hause erst seit fünf Monaten angehöre, bin ich bereit, insbesondere von Ihnen als dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses entsprechende Belehrungen entgegenzunehmen. Ich befinde mich auf diesem Sektor noch in einem Lernprozeß; das will ich gar nicht abstreiten. Insofern möchte ich Ihnen durchaus recht geben.
({0})
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, freuen Sie sich nicht zu früh! Ich glaube nämlich, daß diese Regierung und der Bundestag sehr viel schneller, als es in früheren Legislaturperioden der Fall gewesen ist, dazu übergehen werden, das
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
Altersgeld zu erhöhen. Denn als Sie die Mehrheit in diesem Hause hatten
({1})
und die CDU für die Agrarpolitik verantwortlich war, wurde das Altersgeld immer vor den Wahlen erhöht. Erinnern Sie sich einmal an die letzten fünf Legislaturperioden! Im Jahre 1957 wurde kurz vor den Wahlen das Altersgeldgesetz in einer Nachtsitzung recht und schlecht über die Bühne gebracht. Nach sieben Novellen ist es überhaupt erst brauchbar geworden.
({2})
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich am Ende meiner Ausführungen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Löffler. 20 Minuten Redezeit sind für ihn beantragt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die von Herrn Kollegen Struve mit großem Ernst vorgetragenen Äußerungen zur Lage in der deutschen Landwirtschaft möchte ich sagen, daß auch die Koalitionsfraktionen die Entwicklung in der Landwirtschaft mit Aufmerksamkeit und mit Sorge beobachten. Auch uns ist nicht entgangen, daß im Herbst vorigen Jahres die Preise für einige landwirtschaftliche Erzeugnisse gefallen sind und die Kosten keine ausgleichende Entwicklung durchgemacht haben; das Gegenteil war der Fall. Wir müssen auch feststellen, daß sich die Preis-Kosten-Schere weiter zuungunsten der Landwirtschaft geöffnet hat und dadurch die Ertragslage der deutschen Landwirtschaft in einem starken Maße geschmälert worden ist. Ich möchte hier auch die bereits erwähnten Leistungen, die die deutsche Landwirtschaft im Hinblick auf die Integration Europas und auf die Stabilität der Preise erbracht hat, ganz deutlich anerkennen.
Aber bei dieser Betrachtung muß man wahrscheinlich etwas differenzieren. „Die deutsche Landwirtschaft", das ist ein Begriff, der so häufig gebraucht wird und mit dem so häufig operiert wird, der aber den unterschiedlichen Verhältnissen in der Landwirtschaft nicht voll gerecht wird. Ich glaube, wir müssen uns schon um der politischen Ehrlichkeit gegenüber anderen sozialen Schichten in unserem Volke willen davor hüten, jeweils den Teil der Landwirtschaft herauszustreichen, dessen Verhältnisse unserer gegenwärtigen Argumentation entsprechen. Statistische Daten erlauben häufig nur globale Schlußfolgerungen, und es erhebt sich die Frage, ob man solche globalen Schlußfolgerungen als Grundlage für Überlegungen nehmen sollte, die zu zusätzlichen Maßnahmen führen sollen. Es kommt nach unserem Dafürhalten darauf an, daß dort geholfen wird, wo tatsächlich geholfen werden muß, und dabei denke ich in erster Linie an die Betriebe, die den notwendigen Prozeß der Anpassung an die moLöffler
derne Produktion vollziehen und gerade deshalb wegen der sich aus den Investitionen ergebenden Zinslast unter einem besonderen Kostendruck stehen.
Die Koalition ist sich - das muß einmal ganz klar gesagt werden - der Verantwortung für die deutsche Landwirtschaft bewußt. Ich verweise auf die agrarsozialen Maßnahmen, die bisher beschlossen worden sind oder über die man sich im Grundsatz bereits geeinigt hat. Diese Bilanz von wenigen Monaten kann sich, glaube ich, sehen lassen. Dennoch verkennen wir gar nicht, daß noch einiges getan werden muß, um das agrarpolitische Ziel zu verwirklichen, das der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung genannt hat. Ich glaube, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, diesem Ziel stimmen Sie ebenfalls zu. Da gibt es doch wohl keine Unterschiede. Wir werden unser aller Aufgabe, nämlich der Erreichung des vom Bundeskanzler genannten Ziels in der Agrarpolitik nur dann gerecht, wenn wir uns gerade in der Agrarpolitik bemühen, das Verhältnis von Koalition und Opposition auf jene sachlich berechtigten und politisch notwendigen Differenzen abzustellen, ohne die es in einer Demokratie keinen Fortschritt gibt, da die Demokratie nicht nach vorgefaßten, ideologisch untermauerten Vorstellungen an die Probleme herangeht.
Ich meine jedoch, Polemik, wie wir sie in den letzten Wochen gehört haben, hilft uns nicht und ändert auch die Situation in der deutschen Landwirtschaft nicht. Was nötig ist, ist eine genaue Beobachtung der Entwicklung, ein sorgfältiger Umgang mit den entsprechenden Daten und Fakten und Einfallsreichtum beim Einsetzen der helfenden Maßnahmen, und dazu ist jeder, selbstverständlich auch die Opposition, aufgerufen.
Die Koalition nimmt nicht für sich in Anspruch, im Besitz letzter Weisheiten zu sein, auch nicht, was die Agrarpolitik angeht.
({0})
Wir sind für Kritik offen, wünschen uns allerdings der Sache halber -- nicht, weil wir es nicht vertragen könnten -, daß die Kritik frei ist von Unterstellungen, sich an der Sache und den gegebenen rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten orientiert und sich in den Rahmen der Politik einpaßt, über die hier im Hause grundsätzlich Einverständnis besteht.
Was die Unterstellungen angeht, ein Beispiel. In den „Kieler Nachrichten" vom 15. Januar 1971 muß ich lesen: „Herr Stoltenberg warnte die SPD, mit ihrer bauernfeindlichen Propaganda in den Städten fortzufahren." Es tut mir leid, das hat mit Politik, wie ich sie verstehe, beim besten Willen nichts zu tun.
({1})
Ganz offensichtlich ist Herr Stoltenberg etwas unsicher im schleswig-holsteinischen Wahlkampf. Aber das gehört hier nicht her. Das ist seine Sache. Ich darf aber hier folgendes erklären: Richtig ist genau das Gegenteil. Gerade die SPD wirbt in den Städten
um Verständnis für die großen gesellschaftspolitischen Aufgaben auf dem Lande. Sie wird auch darin nicht nachlassen, denn ohne das Verständnis weiterer Bevölkerungsschichten sind diese Aufgaben in den ländlichen Regionen nicht zu bewältigen.
({2})
Ich darf mir in diesem Zusammenhang eine kleine Boshaftigkeit an alle studierten und gelernten Agrarier aller Fraktionen erlauben: Früher wurde häufig das Wort gebraucht: Krieg ist eine zu wichtige Sache, um sie den Generälen zu überlassen. Ich möchte das abwandeln und sagen: Die Gestaltung der Lebensverhältnisse in den ländlichen Regionen, einschließlich der Agrarpolitik, ist eine zu wichtige Sache, um sie nur den Agrariern zu überlassen.
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Löffler, glauben Sie, daß die Aussage des Herrn Wienand auch eine Werbung für die Landwirtschaft ist?
Ich habe zu der Aussage von Herrn Wienand jetzt nichts zu sagen, zumal mir der Text nicht vorliegt. Das beste ist, Herr Ehnes, Sie fragen Herrn Wienand selbst einmal dazu. Aber wenn Sie mir das genauer erklärten, würde ich auch dazu Stellung nehmen, wobei man allerdings nicht vergessen darf, daß sich Herr Wienand ad hoc äußern mußte.
({0})
Was die bauernfeindliche Propaganda angeht: Da kann man sich ja einmal orientieren, wie bauernfeindlich die SPD z. B. im Rahmen der Grünen Woche in Berlin Propaganda getrieben hat. Fragen Sie doch einmal Ihren Kollegen Ritz, der kann dazu vielleicht das eine oder andere sagen.
({1})
- Herr Kollege Ritz, dazu sind Sie doch in der Lage.
Ich darf ein Wort zum Haushalt sagen. Herr Röhner hat hier darauf hingewiesen, daß der Landwirtschaftsetat nicht so ausgestattet ist, wie es eigentlich notwendig wäre, und hat das an einigen Beispielen erläutert. Herr Röhner, da kann man evenuell auch noch einige andere Rechnungen aufmachen. Man muß nämlich bei der Betrachtung des Haushalts und seiner Ansätze mit bedenken, daß der Anteil der Landwirtschaft im Rahmen unserer Volkswirtschaft von Jahr zu Jahr abnimmt. Das betrifft sowohl die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte als auch die landwirtschaftlichen Nutzflächen in Hektar ausgedrückt. Wenn man diese Entwicklung berücksichtigt, sieht es tatsächlich etwas anders aus. Bezogen auf die landwirtschaftliche Arbeitskraft
wurden im Kap. 10 02 - nur das ist für uns jetzt interessant - im Jahre - ({2})
Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?
Entschuldigen Sie bitte, ich würde gerne erst die Zahlen nennen, Herr Kollege Röhner. Dann sind Sie sicherlich in der Lage, noch qualifizierter zu fragen, als Sie das ohnehin schon getan hätten.
Ich darf das erst einmal vorlesen. Bezogen auf die landwirtschaftliche Arbeitskraft wurden im Jahre 1965 1520 DM ausgegeben, 1971 werden es 1865 DM sein. Bezogen auf den Hektar waren es 1965 310 DM, und 1971 werden es 353 DM sein. Auch diese Rechnung muß man zur Kenntnis nehmen und mitwerten, um einen sachlichen Rahmen für die Bewertung abzustecken.
Bitte schön, Herr Kollege Röhner!
Herr Kollege, hätten Sie die Güte, bei diesem Vergleich mitzuerwähnen, daß trotz dieser verringerten Arbeitskräftezahl der Abstand zum vergleichbaren Einkommen pro Vollarbeitskraft in der Landwirtschaft gerade in den Jahren 1970 und 1971 noch größer geworden ist, und würden Sie zum zweiten noch hinzufügen, daß die von der Landwirtschaft einzubringende Arbeitszeit, an Arbeitsstunden gemessen, noch umfangreicher geworden ist?
Herr Kollege Röhner, ich komme auf dieses Problem nachher noch einmal zurück. Das sehen wir vielleicht etwas anders, aber Sie haben es ja jetzt bereits dargelegt, so daß ich darauf nicht mehr einzugehen brauche.
Mir liegt jetzt eine neue Meldung vor, die besagt. daß Landwirte mit Treckern an der deutsch-dänischen Grenze aufgefahren sind und dort den gesamten Verkehr zum Erliegen gebracht haben. Ich möchte diese Handlung der schleswig-holsteinischen Landwirte nicht werten. Ich will sie tatsächlich nicht werten. Ich weiß nur, daß in diesem Hause einhellige Empörung herrscht, wenn man Verkehr in anderen Zusammenhängen lahmlegt und Unschuldige mit teilhaben läßt oder spüren läßt, wenn in der Politik irgend etwas nicht so läuft, wie es soll. Ich hoffe, daß das eine einmalige Situation ist und daß sich das nicht wiederholen wird, daß sich daraus keine größeren Aktionen entwickeln. Ich jedenfalls bin der Meinung, daß das sicher nicht das richtige Mittel ist. Dieses Mittel ist ganz bestimmt nicht geeignet, in weiten Schichten der Bevölkerung mehr Verständnis für die besondere Situation der deutschen Landwirtschaft zu wecken. Hoffentlich geht da keine Drachensaat auf, deren Sämann man vielleicht bei Gelegenheit einmal nennen muß.
Hier ist schon einiges zum europäischen Agrarpreissystem gesagt worden. Ich will jetzt gar nicht die Frage aufwerfen, wer für dieses System verantwortlich ist, wer es uns eingebracht hat. Das ist Geschichtsbewältigung, während wir es hier jetzt mit der Gegenwart zu tun haben.
Herr Kollege Struve, wir haben uns ganz energisch die Frage zu stellen: Wollen wir das heutige europäische Agrarpreissystem beibehalten, oder wollen wir es abschaffen? Dabei können wir, so schwer es mir persönlich auch fällt, nicht allein den Maßstab einer Agrarpolitik anlegen, sondern da sind auch einige andere Punkte zu berücksichtigen. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß der gemeinsame Grüne Dollar bei allen Schwierigkeiten ein wesentlicher Bestandteil für die sich immer stärker anbahnende europäische Integration ist.
Aber eines, glaube ich, Herr Kollege Struve, geht nicht: wenn von diesem Platz aus am 28. Januar Ihr Fraktionsvorsitzender an den Bundeskanzler die Frage richtet, ob nicht eventuell in Paris eine Schmälerung gemeinsamer europäischer Interessen eingetreten ist, und die gleiche Fraktion auf der anderen Seite fordert, jetzt sollte man diesen Grünen Dollar doch abschaffen und zu einem Grenzausgleich übergehen, von dem wir ja wissen - der Kollege Peters hatte in einer Zusatzfrage in der vorigen Woche darauf hingewiesen -, daß er noch nicht automatisch zur Erhöhung der Agrarpreise führt. Wir müssen uns auch die Frage stellen: Was kommt dann, wenn wir den Grünen Dollar abschaffen? Wir können nicht der raschen Forderung des Tages rasch Genüge tun und uns damit vielleicht gewisse Aussichten für die Zukunft verbauen.
Sicher, auch wir sind nicht ganz glücklich über das, worauf Sie hingewiesen haben, Herr Kollege Struve: daß in Frankreich das Agrarpreisniveau steigt und in Deutschland sinkt. Aber wir ziehen daraus die Schlußfolgerung - da hat diese Bundesregierung zweifelsohne von allen Bundesregierungen in den letzten zehn Jahren am meisten getan -, daß wir so schnell wie möglich zu einer verstärkten europäischen Einheit kommen müssen. Es muß unser aller Anliegen sein, bis zum Erreichen der Wirtschafts-und Währungsunion in Europa die deutsche Landwirtschaft in den Stand zu versetzen, diese Spanne durchzustehen.
Ich darf ein Wort zu dem Aufwertungsausgleich sagen, der in den agrarpolitischen Debatten in diesem Hause immer wieder angeschnitten wird. Ich frage mich, was mit den Kosten in der Landwirtschaft eigentlich geschehen wäre, wenn sich die Regierung im Herbst 1969 nicht zur Aufwertung entschlossen hätte. Zweifelsohne wären die Kosten stärker gestiegen, und die Landwirte hätten jetzt auch unter einer Regierung eines CDU-Kanzlers nicht die Möglichkeit, die gestiegenen Kosten über die Preise weiterzugeben und sie dadurch wieder hereinzuholen.
Deshalb eine Bitte zur Versachlichung der ganzen agrarpolitischen Debatte. Bitte, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union, werten Sie die Aufwertung nicht weiter als ein Alibi für Ihre eigene Agrarpolitik! Wir stehen alle in der Verantwortung, ohne daß wir das im einzelnen aufLöffler
rechnen wollen. Der Deutsche Bauernverband hat durch seinen Präsidenten mehrfach erklären lassen, daß für die heutige Lage in der deutschen Landwirtschaft nicht in erster Linie diese Regierung verantwortlich zu machen ist. Bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis, ob es gefällt oder nicht: Es geht bei diesen Debatten auch um die Ergebnisse Ihrer eigenen Agrarpolitik.
({0})
In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Struve, möchte ich in aller Form, aber dennoch deutlich die Behauptung zurückweisen, daß anderthalb Jahre Regierung der SPD/FDP-Koalition das Vertrauen in der deutschen Landwirtschaft restlos erschüttert haben. Das können nicht die anderthalb Jahre gewesen sein. Ich möchte Sie bitten, u. a. einmal in die letzte Nummer von „Public" hineinzugucken; da hat Herr Geiersberger einen Artikel über den jetzigen Bundesernährungsminister geschrieben. Darin befindet sich eine sehr schöne Passage, die eine Wertung Ihrer Agrarpolitik, wenn auch nach meinem Urteil etwas überspitzt, so doch zumindest nicht ungenau wiedergibt. Sie haben das sicherlich schon gelesen.
Herr Müller-Herrmann hat am 2. Februar von den angeblich verheerenden Folgen dieser Konjunkturpolitik für die Landwirtschaft gesprochen. Nun, Sie haben wahrscheinlich global die gesamte Zeit der SPD/FDP-Regierung gemeint. So verheerend, Herr
Müller-Hermann, kann das nicht sein. In einer Steilungnahme des Deutschen Bauernverbandes zum
Jahresgutachten heißt es - ich bitte Sie, jetzt gut
zuzuhören -:
Es wird von seiten der Landwirtschaft nicht bestritten, daß im Wirtschaftsjahr 1969/70 die Landwirtschaft dank einer günstigen Entwicklung auf den Märkten,
- die Bundesregierung hat ja eine Menge getan, um diese günstige Entwicklung auf den Märkten einzuleiten -ihrer Produktivitätssteigerung, einer günstigen Ernteentwicklung und dank des Aufwertungsausgleichs der Bundesregierung
- jetzt müßte eigentlich „Hört! Hört!' von Ihrer Seite kommen ihre Einkommen hat verbessern können.
Hier wird also gesagt, die Landwirtschaft habe im Wirtschaftsjahr 1969/70 ihr Einkommen verbessern können. Erstmalig seit Jahren hat sich die Disparität zu den Einkommen anderer Berufsgruppen - Herr Dr. Reinhard, ich hoffe, ich spreche deutlich genug, weil Sie sich mir so interessiert zuwenden - nicht nur nicht verschlechtert, sondern sogar leicht verbessert.
({1})
- Ich darf noch einen Satz sagen und Sie dann bitten, Ihre Frage zu stellen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard? - Bitte!
Herr Kollege, der Herr Bundesminister wird uns bei der Einbringung des Agrarberichts sagen, daß es von 1969/70 besser geworden sei. Aber Sie wissen ganz genau, daß es von da an wesentlich schlechter geworden ist, und das unter Ihrer Verantwortung!
({0})
Herr Dr. Reinhard, ich habe Sie ja gebeten, mir noch die Möglichkeit zu geben, einen einzigen Satz zu sagen. Dann hätten Sie sich vielleicht Ihre Aufregung ersparen können. Oder, Herr Dr. Reinhard, Sie müssen jetzt hier nachweisen, daß die Preiseinbrüche im letzten Quartal des vorigen Jahres unmittelbar auf Maßnahmen der Bundesregierung zurückzuführen sind. Ich meine: so kann man es doch nicht sehen, daß man auf der einen Seite sagt „Wir haben einen freien wirtschaftlichen Unternehmerbereich", aber auf der anderen Seite so dirigistisch denkt, daß man jeden Preisabfall den Regierenden in die Schuhe schieben will. Da müssen wir uns doch einfach mal entscheiden, wie wir denken wollen und ob wir uns bemühen wollen, eine vernünftige Politik zu machen.
({0})
- Entschuldigen Sie bitte, daß ich mich aufgeregt habe. Das war eigentlich nicht meine Absicht. Ich wollte unterkühlt bleiben. Aber, Herr Dr. Reinhard, da Sie sich auch leicht echauffiert haben, werden Sie mir das sicherlich nachsehen.
({1})
Noch ein kurzes Wort zu den Preisvorschlägen in Brüssel. Ohne einer genauen Prüfung dieses Dokuments vorgreifen zu wollen, würde ich von mir aus sagen: die von uns gewünschte Hilfe für die deutsche Landwirtschaft bringen diese Vorschläge nicht. Eine solche Feststellung entbindet uns aber alle nicht davon, uns auch mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die aus Brüssel gekommen sind und diese Preisvorschläge begleiten. Dort wird gesagt: Preiserhöhungen helfen nicht den kleinen Betrieben; sie erschweren die laufenden Erweiterungsverhandlungen mit anderen Ländern, und sie fördern eine Überproduktion. Ich will mir diese Argumentation gar nicht zu eigen machen, obwohl sie auch in der wissenschaftlichen Literatur häufig auftritt. Aber wir werden uns mit diesen Argumenten auseinandersetzen müssen, und wir werden uns auch auf dem flachen Lande damit auseinandersetzen.
Wir hoffen und wünschen, daß gemäß der Entschließung von SPD und FDP auf Umdruck 90 Verbesserungen noch möglich sind. Allerdings habe ich da durchaus eine gewisse Skepsis, aber bitte, so liegen jetzt einmal die Verhältnisse. Es wäre jetzt billig, höhere Agrarpreise zu fordern; als wenn das in der Kompetenz der Bundesregierung läge! Man kann nicht supranationale Verbindungen schaffen
wollen und gleichzeitig sehr penibel Kompetenzen in Anspruch nehmen, die längst schon auf höhere Stellen übergegangen sind. Da würde ich Sie doch bitten, Herrn Professor Hallstein zu befragen. Er spricht ja ab und an darüber.
({2})
Herr Müller-Hermann hat in der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht die Bundesregierung mit allem Nachdruck aufgefordert, das Gesetz der sozialen Symmetrie nun auch für die deutsche Landwirtschaft gelten zu lassen. Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft. Sie selber wissen, was wir getan haben. Ich will das jetzt gar nicht alles aufzählen. Ich will auch nicht in die Polemik um das Förderunsprogramm eingreifen, das hier als das bisher schlechteste bezeichnet wurde. Ich weiß bloß, daß ein Großteil der befragten Wissenschaftler das ganz anders gesehen hat, und ich darf an Sie die Aufforderung richten, doch zunächst einmal die Erfahrungen abzuwarten. Verbesserungen sind immer möglich.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den in der Landwirtschaft unselbständig Tätigen. Wir werden uns bemühen, auch im kommenden Haushaltsjahr den Landarbeiterwohnungsbau weiterhin zu fördern. Wir erkennen gegenüber der Landwirtschaft dankbar an, daß den Landarbeitern eine Lohnerhöhung von 43 bis 46 Pf pro Stunde zugestanden wurde. Wir werden uns bemühen, für die vom Strukturwandel in der Landwirtschaft betroffenen Landarbeiter Möglichkeiten zu finden, die ihnen das Überwechseln in andere Berufe erleichtern.
Herr Müller-Hermann, ich könnte jetzt in Anknüpfung an Ihre Bemerkung, das Gesetz der sozialen Symmetrie müsse nun endlich auch in der deutschen Landwirtschaft angewendet werden, polemisch schließen. Ich könnte etwa in der Weise polemisch schließen - ich will das nur einmal andeuten, ohne Näheres dazu auszuführen -: Diese Aufforderung hätten Sie vielleicht an frühere Regierungen richten müssen; dann wären wir jetzt ein Stückchen weiter.
({3})
Aber, wie gesagt, so habe ich es nicht formuliert. Ich wollte das nur einmal andeuten. Ich möchte die Bemerkung von Herrn Müller-Hermann aufgreifen und sie als Aufforderung an uns alle verstehen, Agrarpolitik in sachlicher Gegensätzlichkeit mit Eifer, aber ohne Polemik zugunsten der deutschen Landwirtschaft zu betreiben.
({4})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Ertl.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei allen, die hier das Wort ergriffen haben, sehr herzlich bedanken und nun von mir aus einige Probleme ansprechen.
Die Aussprache steht natürlich im Zeichen der Wahlkämpfe. Insofern hat der Kollege Struve mit dem Kollegen Klinker Arbeitsteilung betrieben. Der Kollege Struve betreibt hier Wahlkampf, und der Kollege Klinker tut dies bei der Traktordemonstration an der dänischen Grenze. Das ist die Situation.
({0})
- Herr Kollege Haase, ich will Ihnen nur eines sagen. Ich klage an - Sie haben mich dazu provoziert: wenn Sie wollen, werde ich deutlich und gehe gleich wieder ins volle -, daß diejenigen, die z. B. als CDU-Bauernverbandspräsident bei der Getreidepreissenkung geschwiegen haben, heute so laute Töne von sich geben.
({1})
Das muß ich einmal in aller Deutlichkeit sagen. Wenn Sie ins volle gehen, gehen wir auch ins volle. Das müssen Sie wissen.
({2})
Wir werden die Karten aufdecken. Wir befinden uns immer noch in einem Prozeß der Wiedergutmachung von früher Geschehenem.
({3})
Vor einem .Jahr haben Sie - in gleicher Weise wie
jetzt - versucht, im Zusammenhang mit dem Aufwertungsausgleich Angst zu verbreiten. Lesen Sie die Protokolle von vor einem Jahr nach! Jetzt gehen Sie wenigstens so weit, zu sagen: Im Wirtschaftsjahr 1969/70 hat es geklappt. Auch ich beklage den jetzigen Preisverfall. Ich werde dazu auch noch etwas sagen. Aber so einfach, wie es hier geschehen ist, darf man es sich nicht machen.
Ich will Ihnen einmal die Ergebnisse des Jahres 1969/70 verlesen:
Die Zunahme der Wertschöpfung je Vollarbeitskraft
- Herr Reinhard, Sie haben mit der Ihnen eigenen Weitsicht erahnt, daß ich das bei der Agrardebatte sicherlich auch wieder sagen werde
in der Landwirtschaft war im Wirtschaftsjahr 1969/70 mit rund 11 % relativ ebenso stark wie die Zunahme der Wertschöpfung je Erwerbstätigen in den übrigen Wirtschaftsbereichen. Das Betriebseinkommen je Vollarbeitskraft in den landwirtschaftlichen Testbetrieben stieg im Wirtschaftsjahr 1969/70 gegenüber 1968/69 ebenfalls um 11 %.
({4})
- Ich bin eben kein christlich-sozialer oder christlich-demokratischer Politiker. Ich habe noch nicht die Weitsicht bis zum 1. Juli 1971. Ich freue mich, daß Sie diese Weitsicht schon haben. Aber das ist ja Ihre Eigenart.
({5})
Mit dieser Ihrer Eigenart verbreiten Sie permanent Angst.
Mit der Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich Herrn Präsidenten Heereman zitieren. Ich werde in der Agrardebatte noch einiges mehr zitieren.
({6})
- Sie können sich hernach alle noch melden, Herr Rawe. Ich stehe Ihnen zur Diskussion gern zur Verfügung.
({7})
Aber bitte, wenn Sie die Debatte hier verlängern wollen!
({8})
- Ich bin sehr ruhig.
({9})
- Wissen Sie, von Geist zeugt diese Bemerkung nicht gerade. Ich habe schon Besseres gehört und bin von der Opposition auch Besseres gewöhnt.
({10}) Ich zitiere:
Er stellte aber auch gewisse Erfolge der einjährigen Tätigkeit als Präsident des DBV heraus. Der Aufwertungsverlust sei aufgefangen worden. Der Trinkmilchpreis werde ab 1. Februar 1971 erhöht, und auf dem Sozialsektor seien große Erfolge wie Anhebung der Unfallrenten um 20 % und Übernahme der Krankenversicherungskosten der Altenteiler bei der privaten und Pflichtversicherung zu verzeichnen.
({11})
Ich muß sagen: ich wäre jenen Kollegen wirklich dankbar, wenn sie das, was der Berufsstand schon anerkennt, der weiß Gott nicht mit der Regierung in Übereinstimmung sein muß - weder mit dieser Regierung noch mit einer anderen -, fairerweise dann wenigstens nicht in der Form herunterzögen, wie es hier versucht worden ist.
({12})
Das muß ich hier sagen. Das ist das einzige, Herr Kollege Haase, was mich stört. Ansonsten können Sie kritisieren, soviel Sie wollen; es wäre schlecht, wenn Sie es nicht täten. Sie wissen ganz genau, daß ich das sehr gut vertrage. Man muß aber bei allen diesen Dingen - und ich meine, das müßte eigentlich zum Wesen der christlich-demokratischen Oppositionspolitik gehören - die Kirche im Dorf lassen
({13})
und der Wahrheit die Ehre geben.
Damit hier angesichts der auch in diesem Raum spürbaren Wahlkämpfe die Wahrheit zur Ehre kommt, will ich Ihnen nun vortragen, wie sich die Ertragslage nach den Ergebnissen der Ertrags-Aufwands-Rechnung gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes für landwirtschaftliche Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland seit 1959/60 entwickelt hat. Ich tue das bewußt sehr ausführlich - das sage ich Ihnen ganz offen -, damit einmal in aller Öffentlichkeit in der Dokumentation über diese Debatte diese Zahlen genannt werden, damit man endlich einmal nicht mit falschen, sondern mit wahren Zahlen operiert. Die Ergebnisse dieser Rechnung lauten. folgendermaßen: Abstand zum Vergleichsertrag; Betriebe unter 20 ha: 1959/60 minus 26 %, 1960/61 minus 25 %, 1961/62 minus 32 %, 1962/63 minus 28 %, 1963/64 minus 23 %, 1964/65 minus 24 %, 1965/66 minus 30 %, 1966/67 minus 28 %, 1967/68 minus 26 %, 1969/70 minus 24 %. Das sind die Zahlen bei den Betrieben mit weniger als 20 ha.
Ich werde Ihnen auch die Zahlen bei den anderen Betrieben bekanntgeben. Das ist dann der Maßstab; danach muß dann gemessen und gewertet werden. - Betriebsgröße zwischen 20 und 50 ha: 1959/ 60 - und dann in der Folge 1960/61, 1961/62 usw.; ich will es ein bißchen abkürzen -: minus 16 %, minus 15 %, minus 27 %, minus 17 %, minus 11 %, minus 14 %, minus 25 %, minus 24 %, minus 18 %, minus 18 % und - 1969/70 minus 17 %.
Betriebe über 50 ha - wiederum angefangen mit dem Jahr 1959/60 -: minus 4 "/o, minus 5 %, minus 20 %, minus 6 %, plus 1 %, minus 3 %, plus 10 %, minus 15 %, minus 15 %, minus 4 % und - wiederum 1969/70 - minus 7 %.
Wer dahergeht und behauptet, so schlecht, wie dieses Wirtschaftsjahr abgeschnitten hat, sei es noch nie gewesen, der muß ich sagen - widerspricht dieser ganzen Statistik, die sich aus den Aussagen der gesamten Buchführungen ergibt.
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Das möchte ich in aller Form hier und vor der deutschen Öffentlichkeit richtigstellen, ohne den Versuch zu machen, die derzeitigen Schwierigkeiten der Landwirtschaft in irgendeiner Form zu verniedlichen. Ich weiß das; ich leide vielleicht am meisten von Ihnen allen unter dieser Situation. Aber das muß man der Wahrheit zu Ehren einmal feststellen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Struve?
Herr Bundesminister, würden Sie nicht dem Hohen Hause gegenüber klarstellen, daß Sie hier die sich aus den Grünen Berichten ergebenden Abschlüsse vorgetragen haben, die sich jeweils auf die Wirtschaftsjahre vom 1. Juli bis zum 30. Juni erstrecken, während sich das, was wir heute von seiten unserer Fraktion vorgetragen haben, beschäftigt mit der Entwicklung seit dem 1. Juli 1970 und bezogen ist auf die Gegenwart und auf die Entwicklung, die sich von Monat zu Monat verschärft?
({0})
Herr Kollege Struve, genau diese Taktik haben Sie vor einem Jahr auch beim Aufwertungsausgleich angewandt. Da haben Sie nämlich genauso gesagt: Wir wissen ja, wie das in diesem Wirtschaftsjahr wird, wir wissen das ganz genau. - Sie wußten auch bereits bei der letztjährigen Haushaltsdebatte, wie das Wirtschaftsjahr
abschneidet. Nun muß ich Ihnen leider sagen: Sie haben sich gründlich geirrt; das Wirtschaftsjahr schneidet besser ab, als Sie damals vorhergesagt haben.
Ich bestreite nicht, daß wir zur Zeit einen erheblichen Kostenanstieg und einen beachtlichen Preisverfall haben. Aber ich werde Ihnen auch dazu etwas sagen. Ich könnte Ihnen dazu sogar die Statistik zeigen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß wir uns in bezug auf Rinderpreise bereits wieder in einer günstigen Situation befinden, was das Angebot am Markt betrifft, und bei Schweinen die Bauern in der neuesten Ausgabe der Viehhandelszeitung jetzt bereits aufgefordert werden, weiterhin Sauen belegen zu lassen, damit wir nicht in einen umgekehrten Zyklus eintreten?
Herr Gallus, Sie sprechen die reine Wahrheit, im Gegensatz zu den Sprechern der Opposition.
({0})
Ich werde das sogar an Hand von Zahlen belegen, meine Herren von der Opposition. Ich gebe Ihnen viel Material; das ist ja meine Aufgabe. Ich habe Gott sei Dank viel Material.
({1})
- Ja, Herr Rawe, passen Sie gut auf, das ist gut für Ihre Allgemeinbildung.
Schweinezyklus und Indexzahlen für Schweinepreise sind sehr wesentlich. Es gibt im Augenblick drei wesentliche Faktoren - ich nehme an, daß das in der Opposition nicht bestritten wird -; der augenblickliche Verfall der Schweinepreise und der Preise bei Obst und Gemüse und die außerordentlichen Rückgänge bei Kartoffelpreisen sind die drei Hauptpunkte. Bei Schweinepreisen hatten wir z. B. 1963/64 einen Index von 110 im Vergleich zu einem Index von 100 1961/62. 1964/65 war der Index 99,6; wir hatten ein zyklisches Tal. Herr Kollege Struve, ich nehme an, daß wir uns darüber einig sind. 1967/68 hatten wir wiederum ein Tal mit einem Index von 93,8, während er im Jahr vorher 112,9 war. Im Wahljahr waren wir wieder bei 100,8. Das ist immer Ihr Glück gewesen; hoffentlich ist es diesmal unser Glück. Ich wünsche mir, daß mir der Zyklus genausoviel Freude macht, denn dann habe ich wahrscheinlich bei der Wahl ein leichteres Dasein als im Augenblick. Das gebe ich gern zu; Sie haben bisher mit dem Schweinezyklus immer Glück gehabt.
({2})
Das sind die Zahlen, und das sind die Fakten, ohne daß ich hier den Versuch machen möchte, die Problematik der Landwirtschaft zu bagatellisieren oder gar die Schwierigkeiten zu verharmlosen. Aber das läßt sich nur gemeinsam lösen - meine Damen und Herren von der Opposition, da appelliere ich an Sie -, wenn wir uns mit offenen und klaren Argumenten begegnen und nicht versuchen, das zu einer permanenten Hysterie zu mißbrauchen. Das muß ich hier einmal sagen.
In dem Zusammenhang ein weiterer Punkt. Ich will auf das Thema Aufwertung nicht eingehen. Wir haben uns darüber oft und lange unterhalten. Allerdings müssen der Herr Müller-Hermann und der Herr Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Barzel, einmal klar bekanntgeben, wie es in diesen Fragen in Europa steht. Man kann dieser Regierung, wenn sie oder der Landwirtschaftsminister in Brüssel hart auftritt, nicht den Vorwurf machen, sie sei gar nicht europäisch gesinnt, sie gehe möglicherweise sehr auf nationalen Kurs zurück, und gleichzeitig fordern, einen nationalen Weg einzuschlagen.
({3})
Da muß man klar Farbe bekennen. Sie dürfen nicht in Europadebatten anders sprechen als in Agrardebatten. Das geht nicht.
({4})
Sie müssen sich das klar überlegen und müssen dann hier klar sagen, ob Sie von dem bisherigen System weg wollen, das übrigens nicht wir erfunden haben. - Herr Müller-Hermann, bevor Sie zu Ihrer Frage kommen, darf ich Ihnen noch einen Satz geben; dann können Sie vielleicht noch präziser fragen. Aus Ihren Reihen kommt das Konzept: wir das Industriegeschäft, die anderen das Agrargeschäft. Das ist das Argument Ihrer Seite gewesen. Davor haben andere Leute lange gewarnt. Da können Sie heute nicht so leichtfertig hergehen und sagen, nun soll das ruhig alles in die Luft gehen, wir werden das mitverantworten. Sie müßten einmal klar sagen, daß Sie das mitverantworten. Sie können in Europa nicht anders reden als hier in diesem Hause, und Sie können vor Bauern nicht anders reden als vor der übrigen Bevölkerung.
({5})
Herr Bundesminister gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller-Hermann?
Herr Bundesminister, ich will jetzt nicht auf die Vorgeschichte eingehen, wie es zu der Agrarmarktordnung gekommen ist.
({0})
Ich möchte Sie fragen: Herr Minister, muß man nicht, wenn man über die Problematik der Aufwertung mit den schwierigen Folgen für die deutsche Landwirtschaft spricht, fairerweise hinzufügen, daß die Situation der deutschen Landwirtschaft durch die Abwertung in Frankreich zusätzlich erschwert worden ist?
({1})
Das verneine ich gar nicht, und das habe ich auch noch nie verneint. Ich bin sogar so weit gegangen und dafür bin ich aus Ihren
Reihen kritisiert worden -, das ich gesagt habe, das System der Agrarmarktordnungen sei für mich keine heilige Kuh. Aber ich stimme mit Ihren Politikern überein: wer jetzt in dieser Frage den Versuch macht, die Dinge radikal zu ändern, der muß dann die Dinge auch durchdenken, und dieses Durchdenken bedeutet dann das Heraufbeschwören einer großen europäischen Krise, so leid es mir tut,
({0})
weil Frankreich das möglicherweise für sich als einen Fall betrachten würde, wo es sagt: wir müssen die Zusammenarbeit in der bisherigen Form einstellen. - Da müssen Sie also klar Farbe bekennen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition. So einfach können Sie es sich nicht machen.
Ich komme zu einem zweiten Punkt, und auch da müssen Sie sich einmal klar die Zahlen vor Augen führen. Es wird so dargestellt, als würde diese Regierung - das Wort ist wieder gefallen - bewußt eine inflationäre Politik betreiben, denn natürlich weiß man genau, daß in unserem Volk mit Recht - und ich teile diese Sorge - ein Trauma hinsichtlich inflationärer Entwicklungen besteht. Aber ich habe mir nur einige Zahlen herausgeben lassen, und ich nehme an, Herr Müller-Hermann, als versierter Wirtschaftsmann kennen Sie die auch. Im Jahre 1951/52 hatten wir einen Anstieg der Lebenshaltungskosten von 7,4 %, im Jahre 1962/63 von 3,1 %, im Jahre 1965/66 von 4,0 %. Und jetzt mache ich einen ganz weiten Sprung, meine sehr verehrten Anwesenden. Wo blieben denn die CDU und ihre verantwortlichen Agrarpolitiker, um bei dem damaligen Kostenanstieg in der Landwirtschaft zu sagen: wir brauchen einen anderen, zinsverbilligten Kredit? Wer hat denn mehr Mittel gefordert? Sie haben geschwiegen!
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht korrekt. Dann kann man nicht einfach hergehen und hier behaupten, das sei eine einmalige - ({2})
- Wie? Na, schauen Sie sich einmal den Preisindex von damals an. Da werden Sie sich wundern. Sie müssen mehr die Statistiken lesen.
({3})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?
Bitte, Herr Kollege Leicht!
Herr Bundesminister, würden Sie freundlicherweise zugestehen, daß Sie Vergleiche mit den Lebenshaltungskosten allein in den von Ihnen angesprochenen Zeiträumen nicht anstellen können, sondern die Gesamtpreissituation sehen müssen, weil nur daraus die für die Landwirtschaft sich ergebenden Daten richtig erkennbar sind?
Ich will Ihnen darauf sogar eine Antwort geben, und zwar eine sehr präzise. In den Jahren 1957 bis 1961 hatte die CDU/CSU in diesem Hohen Hause die absolute Mehrheit, und das war genau die Zeit, in der die sterilste Preispolitik für die Landwirtschaft überhaupt betrieben wurde. Das können Sie nachlesen!
({0})
Das können Sie nachlesen, und bitte sehr - liefern Sie mir doch den Gegenbeweis! Denn die erste Preiserhöhung ist erst eingetreten, als wir mit Ihnen in der Koalition waren und wir Sie damals zu dieser Milchpreiserhöhung veranlaßt haben.
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Ertl, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ja, bitte!
({0})
- Ja, ich weiß, das ist die Taktik: viel fragen. Aber mir soll es recht sein.
Herr Bundesminister, sind
I Sie nicht mit mir der Meinung, daß wir der Landwirtschaft einen besseren Dienst erweisen würden, wenn wir von der heutigen Lage ausgingen?
({0})
Denn auch Ihnen ist bekannt, daß im Jahre 1950 die Arbeitsstunde bei Reparaturen nur 1,50 DM ausgemacht hat.
({1})
Herr Kollege Ehnes, ausnahmsweise bin ich mit Ihnen einer Meinung. Dann dürfen Sie allerdings nicht vorher solche Redner mit solchen Behauptungen an dieses Pult schicken!
({0})
Denn dann kann man nicht dieser Regierung vorwerfen, sie würde preispolitische Abstinenz betreiben. Das darf man dann nicht sagen, Herr Kollege Ehnes, denn fest steht, diese Regierung und - ({1})
- Ich habe bisher in der Opposition noch niemanden gefunden, der mich bei den Verbrauchern unterstützt hat. Ich habe vielmehr gefunden, daß man mich dabei sehr allein gelassen hat. Ich habe auch jetzt nicht das Gefühl, daß man mich seitens der Opposition beim Milchpreis sehr unterstützt. Ich habe noch nicht die Erklärung gehört, daß die Opposition voll hinter dem Landwirtschaftsminister steht und ihn trägt und dem Verbraucher dies zumutet. Nein, nein, im
Gegenteil, der Herr Kollege Gallus hat recht gehabt. Die erste Anfrage dazu kam von einer verehrten Kollegin aus Ihren Reihen, zwar sicher von ihr als Person, aber doch bestimmt mit Duldung der Fraktionsführung. Man kann doch nicht bei den Verbrauchern so und bei den Erzeugern so reden. Das ist natürlich eine wunderschöne Methode!
({2})
Sehen Sie, diese Art von Opposition haben wir nie betrieben. Wir haben uns vor den Verbraucher genauso hingestellt wie vor den Erzeuger, und ich bitte Sie, daß auch so zu machen.
({3})
Wir haben beispielsweise den Korrektivbetrag bei der Butter beseitigt. Wer hatte diesen Korrektivbetrag denn eingeführt? Den hat doch nicht diese Regierung eingeführt! Wir haben den Korrektivbetrag beseitigt, was per Saldo einen Pfennig für den Erzeuger ausmacht. Das war das erste, gleich nach der Aufwertung.
Was das zweite angeht, so haben wir jetzt das Milchpreisproblem aufgegriffen, ein schwieriges Problem mit sehr vielen Komplikationen. Wir haben die letzte Möglichkeit, die uns national zusteht, ergriffen. Sie wissen doch genauso wie ich, daß im Bereich von Brüssel Beschlüsse nur dann herbeigeführt werden können, wenn alle zustimmen.
Aber ich darf hier auch noch etwas anderes sagen. Vor einem Jahr ging es darum, ob man Preissenkungen durchführe. Sie sind dann nicht erfolgt, und zwar deshalb, weil diese Regierung und dieser Minister in Brüssel nichts getan haben.
Selbst Sie waren doch vor einem Jahr noch der Meinung, daß man um gewisse Preiskorrekturen nicht herumkomme. Ihr Sprecher auf europäischer Ebene, der Herr Kollege Lücker, den ich sehr schätze, hat für Getreide Vorschläge unterbreitet. Lesen Sie es doch selber nach! Sie können sich die CDU/CSU-Korrespondenz holen. Es ging damals bei der Milch um einen Beitrag von einem Pfennig. Geschehen ist nichts, es ist keine Senkung erfolgt.
Im Gegenteil, zum erstenmal, seitdem wir in Brüssel Agrarpolitik machen, schlägt auch die Kommission Preiserhöhungen vor. Und dann geht man her und sagt, diese Regierung sei völlig inaktiv. Nein, meine Herren, so einfach dürfen Sie es sich nicht machen. Dazu haben Sie in Ihrer eigenen Verantwortung nicht die Qualifikation erworben.
({4})
Da haben Sie leider viel zu lange und viel zu sehr gepaßt.
Ich will nun auf das Problem der Rechnungseinheiten eingehen. Ich habe sie nicht erfunden. Ich halte sie auch nach wie vor nicht unbedingt für das Klügste der gesamten Konzeption. Aber Sie wissen doch genauso wie ich: Diese Rechnungseinheit ist genau jenes Instrument, an dem unsere Partner festhalten, und zwar mit Zähnen und Klauen festhalten, weil sich daraus die finanzielle Solidarität ableitet. Das haben wir hingenommen, weitgehend sogar alle.
Der Herr Kollege Peters hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Sie draußen immer für die Abschaffung des Grünen Dollars eintreten. In Ihrem Programm haben Sie das nicht getan. Dort steht das in einem Nebensatz, weil das Programm nicht oder nur von wenigen gelesen wird. Aber hier ist der Generalsekretär der CDU. Die CDU muß erklären, ob sie wirklich der Auffassung ist, erstens daß es politisch zu verantworten ist und daß es realisierbar ist, zuvor ,den Grünen Dollar abzuschaffen, und zweitens daß sie auch bereit ist, dann mit uns die ganzen politischen Konsequenzen in Europa hinzunehmen. Das müssen Sie hier und heute sagen.
({5})
Sonst wird draußen ein Problem permanent diskutiert, das nicht lösbar ist, und werden Hoffnungen geweckt, die in keiner Weise realisierbar sind. Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Menschen aus großen Sorgen letzten Endes an der Glaubwürdigkeit der Parteien und somit auch dieses Hohen Hauses verzweifeln.
({6})
Sie dürfen mir glauben, daß ich mir schon sehr oft Gedanken gemacht habe und permanent mache, ob es eine Ersatzlösung gibt. Aber Sie werden mir sicher in dem Punkt recht geben: diese Ersatzlösung ist, wenn sie überhaupt durchzuführen ist, nur in einem langwierigen Verhandlungsweg mit allen gemeinsam zu erzielen. Einen Alleingang wird es hier nicht geben, es sei denn, es käme zu schwierigen Situationen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard?
Herr Minister, würden Sie so freundlich sein, einmal die Frage zu beantworten, wie nach Ihrer Vorstellung der Grüne Dollar noch bestehen soll, wenn es wieder mal eine Währungsparitätsänderung gibt, etwa bei Italien oder Frankreich?
Herr Kollege Reinhard, das kann ich beantworten. Sie haben meine Rede in Berlin gehört, und in der habe ich eine klare Antwort darauf gegeben.
({0})
- Nein, ich denke nicht daran. Ich kann so kurz antworten, wie es mir paßt.
({1})
Ich schicke sie Ihnen zu, verehrter Herr Kollege, damit Sie eine gute Lektüre bekommen.
({2})
Herr Kollege MülLer-Hermann, Sie müssen auch erklären, wie Sie sich die Stabilitätspolitik vorstellen, welche einzelnen Phasen Sie sehen. Ich nehme an, Sie sind mit mir der Meinung, daß wir alles tun müssen, um wirklich bald zu stabileren Verhältnissen zu kommen.
({3}) Wir haben gehandelt.
Aber ich frage Sie auch: Wie wollen Sie bei dem Festhalten an der freien Wirtschaft - darauf legen Sie doch großen Wert; wir mit Ihnen beispielsweise auf die Tarifpartner einwirken? Herr Kollege Ehnes hat gerade mit Recht gesagt, er bedauere, daß auch die Preise für die Dienstleistungen sehr anstiegen. Sie müssen uns doch klare Antworten geben und können nicht einfach erklären, die Regierung würde nichts machen.
Ich freue mich über Ihre Anregung bezüglich der Konjunkturrücklage. Ich glaube, daß die Regierung sicherlich daran denken wird, wenn es einmal zur Auflösung kommt. Wir werden uns gemeinsam bemühen, Lösungen zu finden.
Ich will dem Kollegen Peters eine Antwort geben auf die Frage, die er an den Kollegen von Bülow gerichtet hat. Erstens weiß jedermann, daß die Förderungsfähigkeit und Lebensfähigkeit eines Betriebes nicht von der Größe, sondern im wesentlichen von der Produktionsleistung abhängt. Zweitens will ich Ihnen folgendes sagen. Wer das Programm überhaupt ernstlich gelesen hat, weiß, daß das Programm drei wesentliche Bestandteile hat. Ich gebe zu, ein Teil ist die Vorarbeit meines Vorgängers. Auch ich habe damals als Oppositionssprecher seinem Programm zugestimmt. Er hat mir damals gesagt, offensichtlich falle mir nichts Besseres ein. Ich gebe zu, daß der Opposition damals nichts Besseres eingefallen ist. Jetzt haben wir es fortentwickelt.
Folgende Bestandteile hat das Programm. Erstens. Die Förderung des entwicklungsfähigen Betriebes. Zweitens. Die sozialen Alternativen - das können Sie Ihren Freunden sagen -, sei es die Nachversicherung mit 70 % Zuschuß des Staates zur Rentenversicherung oder sei es die Landabgaberente. Das wird ja allgemein begrüßt. Drittens. Wir haben den Überbrückungskredit geschaffen. Wir haben also eine dreiteilige Palette. Und ich kann nur sagen, wenn ich das Echo so höre: im großen und ganzen gibt es viel Zustimmung.
Ich glaube, das gilt auch bezüglich der sozialen Komponente. Ich wiederhole es noch einmal: Für die 600 000 Betriebe, die aufgegeben worden sind, sowie für die drei Millionen, die vor meinem Amtsantritt aufgegeben worden sind, hat es diese sozialen Alternativen nicht gegeben. Das muß man auch einmal in aller Deutlichkeit sagen, damit nicht wieder permanent Irrtümer entstehen.
({4})
Es wurde gleichzeitig nach den Konditionen gefragt. Ich kann nur folgendes feststellen. Die Investitionsbeihilfe ist ab 15. März 1969 ausgesetzt; übrigens durch Beschluß der alten Regierung. Zinsverbilligung früher 4 % für 60 % der Investitionssumme, jetzt 4 % für 85 % der Investitionssumme. Althofsanierung - darauf wurde schon hingewiesen - früher 50 000 DM Darlehen, Grünlandbetrieben 50 000 DM Darlehen, Aussiedlung 100 000 DM öffentliche Darlehen. Jetzt im neuen Programm: 80 000 DM für Grünlandbetriebe, normal 60 000 DM, Aussiedlung 120 000 DM Darlehen. Sie werden doch nicht bestreiten können, daß das eine Verbesserung ist. Man kann sagen, das reicht noch nicht. Darüber läßt sich diskutieren. Aber eine Verbesserung ist das doch.
Im übrigen wurde ab 15. März 1969 für das Investitionsbeihilfeprogramm ein Antragstopp verfügt. Wer war denn zu dieser Zeit, am 15. März 1969, als der Antragsstopp verfügt wurde, Landwirtschaftsminister? Der Antragsstopp erfolgte, Herr Kollege Struve, weil die Mittel in dem damaligen Haushalt nicht ausreichten. Wer hat damals die finanzielle Verantwortung getragen?
({5})
Das ist die Situation; ich muß es Ihnen leider sagen.
Nach dem 15. März 1969 bestand daher die einzelbetriebliche Förderung bei neuen Anträgen, soweit sie nicht die Aussiedlung und Althofsanierung betrafen, nur noch in einer Zinsverbilligung von 4 % für 60 % des Investitionsvolumens. Wir dehnen die Zinsverbilligung jetzt auf 85 % des Investitionsvolumens aus. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.
In diesem Zusammenhang noch einige Worte zum Haushalt als solchem. Es ist unbestritten, daß mein Haushalt gegenüber dem Vorjahr eine Reduzierung um 9,3 % erfahren hat. Allerdings ist er im Vorjahr auch um 34 % gestiegen. Wenn Sie den Saldo der ganzen Periode, in der diese Regierung für den zur Diskussion stehenden Sektor die Verantwortung trägt, ermitteln, kommen Sie auf rund 25 % Steigerung.
Wem das immer noch nicht genug ist, dem lasse ich gern die Briefe der zuständigen Verbände geben; vielleicht wird denen etwas geglaubt. Die Verbände haben sich alle bedankt und mir erklärt, es sei ein sehr großzügiges Verfahren der Bundesregierung gewesen, daß man ihnen in dieser Form wegen der Aufwertung finanziell geholfen habe. Auch das muß hier einmal erwähnt werden, weil es so ausschaut, als sei überhaupt nicht der Wille vorhanden, hier soweit wie möglich zu helfen.
Es wurde weiter gefragt, ob die Mittel für das einzelbetriebliche Förderungsprogramm ausreichten. Ich will mich nicht als Prophet betätigen; ich hoffe und wünsche es. Wir haben eine Berechnung angestellt, und die Damen und Herren des Ernährungs- und des Haushaltsausschusses kennen die Zahlen. Wir haben berechnet, daß im Jahre 1971 beispielsweise bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung 18 970 Betriebe bedient werden können, beim Ergänzungsprogramm 9600 Betriebe 1972: 23 000 -.
Das wird ja eine Gemeinschaftsaufgabe werden. Ich möchte sagen, daß ich in dieser Hinsicht sehr neugierig bin. Ich habe das Gefühl, daß sich manche, die heute so gern davon reden, daß dieses Programm nicht vollziehbar und finanzierbar sei, bei den Gemeinschaftsaufgaben gar nicht so gern an ihre finanziellen Verpflichtungen erinnern werden.
Vom Kollegen Röhner wurde der Vergleich mit 1968 angestellt. Auch dazu muß ich zur Wahrheitsfindung einiges vortragen. Im Jahre 1968 standen der Milchpfennig und die Mittel für das EWG-Anpassungsgesetz noch im nationalen Haushalt. Wie Sie selbst wissen, ist die Laufzeit des EWG-Anpassungsgesetzes auch mit Ihren Stimmen befristet worden. Das ist aus der Konstruktion der Getreidepreissenkung heraus so vorgenommen worden.
Dazu kann ich Ihnen ganz klar sagen: Das Gesetz über den Einkommensausgleich läuft ja über das Jahr 1973 hinaus weiter. Über Dotierung und Durchführung der Maßnahmen nach 1973 wird man sich noch unterhalten müssen. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Da Sie immer so sicher sind, daß Sie bis dahin wieder die Regierung übernommen haben - woran ich zweifle -, bin ich neugierig, was Sie dann an Stelle dieses Einkommensausgleichsgesetzes machen werden. Auf jeden Fall werde ich Sie dann, wenn es wider Erwarten so weit kommen sollte, beim Wort nehmen; darauf können Sie sich verlassen.
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Ich hätte Sie sehen mögen, wenn ich damals gefragt hätte: Was machen Sie aus dem EWG-Anpassungsgesetz? - Wir wollten damals eine Verlängerung, und das haben Sie strikt abgelehnt. Das EWG-Anpassungsgesetz ist im Gegenteil gekürzt worden. Das darf man nicht ganz vergessen. Ich habe nicht bemerkt, daß sich damals bedeutende Mitglieder der CDU gemeldet haben; man hat das hingenommen.
Ich gebe zu, daß wir sicherlich Probleme haben bezüglich der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung, daß wir möglicherweise da und dort noch zu stärkeren nationalen Hilfen greifen müssen. Ich glaube aber sagen zu können, daß wir die Möglichkeiten, die wir hatten, genutzt haben, auch die Möglichkeit, Einsparungen bei Marktordnungsausgaben vorzunehmen, also Mittel von Kap. 10 03 nach Kap. 10 02 zu übertragen. Das ist uns mit Hilfe des Haushaltsausschusses, einschließlich der Opposition gelungen. Ich möchte dem Haushaltsausschuß dafür extra danken. Ich bin sehr glücklich darüber, daß das möglich war. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß das auch ein Entgegenkommen des Finanzministers gewesen ist.
Ich komme nun zum Antrag des Kollegen Röhner. Diese Frage stand schon bei der Beratung des Haushaltsausschusses an. Ich wurde damals nach meiner Meinung gefragt. Ich habe gesagt, ich könnte mir angesichts der derzeitigen Lage am Markt und angesichts der Überschußsituation vorstellen, daß wir wiederum Mittel frei bekämen. Aber es ist doch selbstverständlich, daß ich über diese Mittel erst verfügen kann, wenn sie frei sind. Ich kann doch nicht im vorhinein über Mittel verfügen, die ich noch gar nicht habe. Denn wenn ich vorher darüber verfüge und wider Erwarten a) durch neue Marktordnungen, b) möglicherweise auch durch neue Preisfestsetzungen zusätzliche Investitionslasten aufgebürdet bekomme, muß wiederum der Bundesfinanzminister einspringen. Sie würden uns dann kritisieren und uns vorwerfen, daß wir leichtfertig gehandelt hätten. Selbstverständlich muß ich mich in dieser Frage zunächst abwartend verhalten, um zu sehen, was mit Sicherheit eingespart werden kann. Erst dann kann ich gemeinsam mit Ihnen einen Vorschlag erarbeiten. Ich werde das natürlich sobald wie möglich tun. Aber das Fell kann ich erst verteilen, wenn die Kuh geschlachtet ist, und ich kann das Geld erst verteilen, wenn ich es habe.
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Das ist immer so gewesen, und so wird es auch bleiben.
Zum Schluß möchte ich dem Haushaltsausschuß für seine Mitarbeit und allen Sprechern, auch denen der Opposition, für ihre Mitwirkung danken. Ich glaube, wir nutzen der Landwirtschaft in der jetzigen sicherlich sehr schweren Situation am ehesten dadurch, daß wir die Situation nicht zu dramatisieren, aber auch nicht zu bagatellisieren versuchen, sondern die Probleme offen und ehrlich anpacken. Das können wir aber nur dann, wenn wir uns an die Wahrheit und an die Gegebenheiten halten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ritz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die ja wohl spätestens Mitte März stattfindende Grüne Debatte möchte ich es mir ersparen, jetzt, was vielleicht gut und notwendig wäre, im Detail auf viele der Aussagen einzugehen, die der Herr Minister, aber auch die Sprecher der Koalition gemacht haben. Ich möchte nur auf wenige Tatbestände aufmerksam machen, die heute eine Rolle gespielt haben.
Ich möchte zunächst - ich sage das sehr ruhig, ruhiger, als ich innerlich eigentlich dabei bin - Herrn Bülow bitten, einen bösen Satz aus seiner Rede zurückzunehmen, nämlich den Satz, der sich auf meinen Kollegen Klinker bezog und der da hieß: . . der jetzt" - nämlich der Kollege Klinker - „nach den Methoden der El-Fatah die Bauern aufruft . . ." Ich halte es für unerträglich, daß ein solcher Satz in diesem Hause fällt,
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ohne daß dem widersprochen und er zurückgenommen wird.
Meine Damen und Herren, wir sind uns natürlich darüber im klaren - das hat Herr von Bülow gesagt, das hat der Herr Minister gesagt, und das haben die anderen Sprecher gesagt -, daß Agrarpolitik nicht nur aus Preispolitik besteht, sondern daß selbstverständlich die Strukturpolitik, die Sozialpolitik, die Marktpolitik und die MarktstrukturDeutscher Bundestag 6. Wahlperiode Dr. Ritz
politik entscheidende Elemente der Agrarpolitik sind, Elemente, an denen wir arbeiten und auf die wir auch einzugehen haben. Aber, meine Damen und Herren, es kann doch keinen Zweifel darüber geben, daß nun einmal in dieser Situation etwas anderes im Vordergrund steht.
Verehrter Herr Minister Ertl, wir sprechen nicht über das Wirtschaftsjahr 1969/70, sondern wir sprechen über die Entwicklung, die sich seit Herbst vergangenen Jahres vollzieht, eine Entwicklung, die nicht aus einzelnen Indizes besteht, sondern die sichtbar macht, daß es hier eine bestimmte Tendenz gibt. Es kann keinerlei Zweifel geben - wir werden es in den nächsten Tagen genauer wissen -, daß die Zahlen von Januar noch schlechter sind als die von Dezember. Hier ist also eine Tendenz sichtbar, die dazu geführt hat, daß zur Zeit die Frage der Preispolitik eine entscheidende Rolle spielt, eben weil die augenblickliche Situation deutlich macht, daß die Probleme mit Strukturpolitik allein nicht zu bewältigen sind, wie bisher viele auch in diesem Hause meinten, wie vor allem auch viele sozialdemokratische Kollegen meinten.
({1})
Meine Damen und Herren, wir haben gehört, daß die sowohl von der Fläche als auch vom Kapital her gesehen bestausgestatteten Domänen im Lande Niedersachsen in die roten Zahlen kommen. Aus diesem Landwirtschaftsministerium, dem ein Mann Ihrer Couleur vorsteht, hören wir von diesen roten Zahlen, und wir wissen, daß leistungsfähige, große Betriebe in Schleswig-Holstein in die roten Zahlen geraten. Das alles zeigt doch, daß Strukturpolitik allein nicht mehr ausreicht, sondern preispolitische Maßnahmen eine entscheidende Rolle spielen.
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Meine Damen und Herren, nun kennen auch wir die Ursachen. Natürlich sind es auch zyklische Entwicklungen. Nur muß man sehen, daß diese zyklischen Entwicklungen gegenwärtig dadurch verstärkt werden, daß infolge der Aufwertung etwa die Niederländer heute stärkeren Druck auf unseren Markt ausüben, ja, daß sie Exporte, die bisher nach Italien gingen, in die Bundesrepublik umleiten, weil es hier eben leichter ist, auf dem Markt Fuß zu fassen.
Herr Kollege Dr. Ritz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Löffler?
Ja, gern.
Herr Kollege Ritz, würden Sie bitte so freundlich sein, uns darzulegen, welche preispolitischen Maßnahmen der Bundesregierung zur Verfügung stehen?
Herr Kollege Löffler, eine Maßnahme, über die wir gesprochen haben, ist geschehen, nämlich bei der Trinkmilch. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Diese Maßnahme haben wir für notwendig und richtig gehalten. Dazu will ich auch sagen: Wenn hier eine Kollegin von uns, meinetwegen auch im Namen vieler Hausfrauen, die Frage nach den Konsequenzen stellt, dann ist das meiner Meinung nach ihr legitimes Recht, und wir werden es ihr auch nicht beschneiden. Dennoch sind wir der Auffassung, daß diese Entwicklung notwendig und richtig war.
Aber - und jetzt kommt der Punkt - natürlich
ist das, was jetzt bleibt, eine Aufgabe in Brüssel.
({0})
Meine Damen und Herren, hier geht es jetzt darum, daß die Regierung - verzeihen Sie, ich sage es noch einmal - mit einer Sprache spricht, um nicht die Positionen für Verhandlungen von vornherein zu schwächen.
({1})
Das ist doch die Lage. Herr Ertl, Herr Logemann sagen - wir stimmen ihnen zu -: alles tun, was drin ist. Der Kollege Schiller sagte vorige Woche hier: Es ist überlegenswert, daß man wieder in die Marge von 7 % kommt. Meine Damen und Herren, das ist doch keine Linie dieser Regierung! Ich will jetzt die Aussage von Herrn Wienand ganz beiseite lassen. Darum geht es, daß wir hier mit einer klaren Marschroute für die Verhandlungen nach Brüssel gehen und wissen, was wir selber wollen.
({2})
Nehmen wir z. B. Bezug auf das, was Herr Minister Leber selber einmal hier sagte, als es um die Erhöhung der Gebühren ,bei Post und Bahn ging: „Kein Unternehmen kann auf einen grünen Zweig kommen, das bei steigenden Kosten, denen es nicht ausweichen kann, davon abgehalten wird, seine Preise entsprechend den gestiegenen Kosten anzupassen!" Sehr wahr, kann ich nur sagen. Genau das ist die Situation.
({3})
Meine Damen und Herren, ich will gleich einer Legendenbildung vorbeugen, die offensichtlich zur Zeit von Herrn Kollegen Peters betrieben wird.
({4})
- Ich hebe mir auch etwas auf. Ach, verehrter Herr Kollege Schmidt, was meinen Sie, was wir noch für die Agrardebatte haben! Ich spreche nur zu Dingen, verehrter Herr Kollege Schmidt, die von Ihren Sprechern und von den Sprechern der FDP angerissen worden sind. Sonst lasse ich alles draußen vor, weil ich weiß, daß wir in der Tat im März die Möglichkeiten voll nutzen werden.
Aber Herr Kollege Peters ist dabei, eine Legende neu zu bilden, nämlich unter dem Leitwort: Dies ist die erste Bundesregierung, die höhere Preise durchgesetzt hat. Ja, meine Damen und Herren, haben wir denn schon vergessen, daß in einer Zeit, als alle Partnerländer außer der Bundesrepublik gegen eine Aufbesserung der Futtergetreidepreise waren, es Kollege Höcherl gewesen ist, der 1968 eine Anhebung der Futtergetreidepreise geschafft hat? Gut, wir waren alle nicht zufrieden, er auch nicht. Aber die Signalwirkung, die davon ausgegangen ist, kann doch nicht bestritten werden.
Meine Damen und Herren, wir werden - das müssen wir allerdings später tun - einmal sehr ernst über die Probleme sprechen müssen, die mit Erzeuger- und Verbraucherpreisen zusammenhängen. Es ist gar nicht so, wie es leider auch von den Verbraucherverbänden oft dargestellt wird, daß sich eine Anhebung der Erzeugerpreise als unzumutbare Belastung auf die Verbraucher niederschlägt. Wir haben inzwischen eine Entwicklung, die im Grunde nur deutlich macht, daß Erzeugerpreisverbesserungen nur sehr wenig, ja, minimal für den Verbraucher als Preissteigerungen wirksam werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege Dr. Ritz, würden Sie so freundlich sein und diesem Hause mitteilen, um wieviel Prozent die Preise bei Futtergetreide zu Zeiten von Herrn Kollegen Höcherl angehoben worden sind?
Sicher, 2 %. Ich habe gesagt, wir waren alle nicht zufrieden. Wir haben von der Signalwirkung gesprochen. Aber schaffen wir erst einmal diese 2 % generell.
Herr Kollege Gallus, lassen Sie mich zu den großen Leistungen, die Sie angeblich erbracht haben und erbringen das kommt ja heute in der Debatte sehr stark durch -, folgendes sagen: Im Vergleich zu dem, was früher die gleiche FDP und die gleichen Sprecher der FDP gefordert haben, ist das alles sehr bescheiden, so daß ich fast an einen Spruch erinnert bin, den ich kürzlich hörte ich bitte, ihn wirklich als Scherz zu nehmen -: Komm, Herr Ertl, sei unser Gast und gib uns die Hälfte von dem, was du uns einmal versprochen hast! Aber bitte, ich habe das jetzt nur als Scherz gesagt, und bitte, das auch so zu nehmen.
Herr Kollege Dr. Ritz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bülow?
Ja, gerne.
Wenn Sie von Signalwirkung bei 2 % Erhöhung der Futtergetreidepreise sprechen: Welches war denn die Folge dieser Signalwirkung, das von der Signalwirkung ausgelöste Ereignis?
Herr Kollege von Bülow, die Folge dieser Signalwirkung war, daß schon, als Herr Höcherl noch Minister war, weit über dieses Land hinaus auch innerhalb der EWG eine weitere Anhebung der Erzeugerpreise in der EWG als notwendig erachtet worden ist. Es ist doch gar kein Zweifel, daß auch die Wissenschaftler außerhalb der Bundesrepublik diese Forderung voll übernommen haben und wir damit keineswegs alleine stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Wort, weil es hier eine Rolle spielte, zur EWG-Rechnungseinheit. Wir wollen hier gerne über Verantwortung sprechen. Wir haben damals im Vorgriff auf eine gemeinsame Währungspolitik diese Rechnungseinheit geschaffen. Wir alle haben uns erhofft, daß es als Folge dieser gemeinsamen Währungseinheit für die Agrarmärkte nun sehr schnell zu einem Vollzug der Währungs- und Wirtschaftsunion komme. Das ist nicht geschehen, weder durch unsere noch durch Ihre Schuld. Hier geht es nicht um Schuld; das ist eben nicht passiert.
Jetzt sagen aber selbst Sie, Herr Minister Ertl - das ist doch der Punkt; wir müssen doch einfach über die Dinge so reden, wie sie sind - eine neue Paritätsänderung wird dieser Agrarmarkt nicht überleben. So Ihre Ausführungen in Berlin. Ja, dann kann ich nur noch fragen: Welche Konzeption entwickeln wir denn, um eben dann doch damit fertig zu werden, wenn diese Situation auf uns zukommt?
({0})
Darum geht es. - Gut, das brauchen wir hier nicht auf dem Markt auszutragen. Kommen Sie zu uns in den Ausschuß, informieren Sie uns über Ihre Konzeption, die Sie ganz konkret haben, informieren Sie uns zum Beispiel wenigstens vertraulich darüber, mit welchen Preisvorstellungen Sie nach Brüssel wollen, wenn Sie schon glauben, daß es nicht gut ist, das auf den Markt auszutragen. Ich habe dafür Verständnis. Das haben wir beim Kollegen Höcherl auch oft gehabt. Bis heute sind wir aber nicht einmal vertraulich - ich sage noch einmal: vertraulich - von Ihnen im Ausschuß über diese gravierende, die weitere Entwicklung des Agrarmarktes in höchstem Grade tangierende Frage informiert worden. Wir können daraus nur schließen: Sie haben kein Konzept, und das können wir nur bedauern.
({1})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters?
Ja, gerne.
Herr Kollege Dr. Ritz, würden Sie die Freundlichkeit haben, uns zu informieren, was Ihre verschwommenen Sätze aus dem Düsseldorfer Parteiprogramm in bezug auf die Rechnungseinheit effektiv besagen?
({0})
Auch das will ich gerne tun, Herr Kollege Peters. Sie haben es selbst zitiert. Wir sind für eine rasche Verwirklichung der Währungs- und Wirtschaftsunion. Natürlich gilt es jetzt, eine Position für den Fall aufzubauen, daß wir tatsächlich 10 Jahre oder gar länger auf den Vollzug der WähDr. Ritz
rungs- und Wirtschaftsunion zu warten haben. - Aber ich habe versprochen, meine Zeit einzuhalten. Ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt noch einige wenige letzte Bemerkungen mache.
Meine Damen und Herren, wir haben auf der einen Seite von den Preisen gesprochen, aber auch von den Kosten. Ich glaube, wir haben heute hier die Möglichkeit, durch die Annahme unseres Antrages wenigstens einen kleinen Beitrag zu leisten, auf der Kostenseite gewisse Entlastungen herbeizuführen. Wir werden über weitere Möglichkeiten sprechen müssen, die hier schon angeklungen sind, etwa die Konjunkturausgleichsrücklage. Ich denke hier an viele Möglichkeiten, die wir haben, etwa im Bereich der Wasserlasten, der Flurbereinigungslasten und vieles mehr. Aber all das werden wir vertiefen. Ich meine nur, daß wir uns angesichts der derzeitigen Lage früh genug überlegen müssen, was wir tun können, sowohl hinsichtlich der Preiserhöhung als auch hinsichtlich der Kosten, um mit dieser schwierigen Lage fertig zu werden und den Landwirten, gerade den tüchtigen Landwirten wieder Hoffnung zu geben für ihre weitere Entwicklung auf ihren Höfen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsdebatte zu Einzelplan 10 hat zwei Aufgaben, einmal die Debatte über den Haushalt selbst und zweitens eine politische Debatte über die Agrarpolitik dieser Regierung. Ich fühle mich durch einige Bemerkungen meines verehrten Nachfolgers veranlaßt, hier einige Feststellungen zu treffen.
Was wir hier hätten erwarten müssen, war etwas ganz anderes, nicht ein dürftiges Plädoyer für einen ungenügenden Haushalt, sondern eine Konzeption zur Lösung von Schwierigkeiten, die in der Landwirtschaft im letzten Vierteljahr eingetreten sind.
({0})
Herr Kollege Ertl, der Finanzminister hat den Haushalt zur Unzeit vorgelegt, in einer Zeit, wo konjunkturpolitisch eine Steigerung von 12 % nicht gerechtfertigt war. Die minus 9,3 % bei der Landwirtschaft haben zu der schlechten Signalwirkung überhaupt nichts beigetragen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Bülow?
Herr Kollege Höcherl, sind Sie nicht bereit, zuzugeben, daß diese, wie Sie sagen, vorzeitige Vorlage des Bundeshaushalts damit zusammenhängt, daß eine gesetzliche Bestimmung besteht, wonach der Haushalt in der ersten Tagungswoche nach den Sommerferien vorzulegen ist?
Herr von Bülow, Sie sind noch nicht so lange im Geschäft. Ich will Ihnen das erklären. Sie hätten nämlich unserer Anregung folgen müssen, einen geteilten Haushalt vorzulegen;
({0}) dann wäre es damals richtig gewesen.
({1})
Aber hier geht es darum - das lege ich Ihnen gar nicht zur Last, Herr Kollege Ertl; das liegt beim Wirtschaftsminister, beim Finanzminister und bei der Gesamtpolitik der Regierung -, daß in der Zwischenzeit sowohl auf dem Preissektor wie auf dem Kostensektor totale Veränderungen eingetreten sind. Die Geschäftsgrundlage für den Agrarhaushalt 1971 wurde durch diese Entwicklung völlig verändert.
Sie sollten sie jetzt hierher stellen und bei Ihrem großen Einfluß, dessen Sie sich rühmen - Sie sind ein bedeutendes Gründungsmitglied dieser Koalition -, vor diesem Hause etwas zu diesem einzigen Sektor sagen, der die Last allein zu tragen hat. Alle anderen Sektoren haben sich erholt, sei es über die Preise, sei es über die Löhne, und zwar weit über die Produktivität hinaus. Im Agrarsektor haben wir administrierte Preise, die in Brüssel gemacht werden; das weiß jeder von uns. Es ist Ihre Aufgabe, fortgesetzt zu drängen. Es gibt bilaterale Vorbereitungen. Ich habe aber kein einziges Wort darüber gehört.
Sie schauen dieser Entwicklung zu. Sie begnügen sich mit dem - schon damals - absolut unzulänglichen Haushalt. Heute ist er in seinen Lösungsmöglichkeiten noch viel schlechter geworden, weil diese beiden Elemente von der Kosten- und der Preisseite dazugekommen sind. Sie sollten hier Vorschläge machen und Ihren Einfluß geltend machen, den Sie im Kabinett angeblich haben. Darum geht es, um sonst nichts.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) ?
Herr Kollege Höcherl, ist es nicht ein bißchen Futterneid, wenn Sie sehen, daß Kollege Ertl von seinem jetzigen Finanzminister weitgehende Zugeständnisse bekommen hat, während Sie von Ihrem damaligen Finanzminister Strauß so kurzgehalten worden sind?
Von Futterneid kann gar nicht die Rede sein.
({0})
Wir haben in den Jahren, die wir zu verantworten haben, eine zunehmende Verbesserung gehabt. Das beste Jahr, das die Landwirtschaft in ihrer ganzen Nachkriegsgeschichte erlebt hat, war 1968/69; das ist die Wirklichkeit.
({1})
Aber wir werden es ja sehen.
Ich will noch einige andere Bemerkungen machen. Herr Kollege Ertl, Sie stellen sich ad personam fortgesetzt an diesen Tisch und klagen die EWG und die Getreidepreissenkung an. Sie können doch hier keinen persönlichen anti-europäischen Tanz aufführen! Das ist doch die Lage. Es geht um eine gemeinsame Politik, und wir müssen die Schwierigkeiten gemeinsam überwinden.
Im Aufwertungsausgleich haben sie einen prinzipiellen Fehler gemacht. Warum? Sie haben gesagt: Die 1700 Millionen, degressiv auf vier Jahre beschränkt, das wäre die Lösung. Ihr grundsätzlicher Irrtum besteht darin, daß Sie sich bei der Mehrwertsteuer-Lösung nicht durchsetzen konnten. Sie haben es zwar mit 3 % geschafft. Sie wollten mehr haben, konnten sich aber schon in den Flitterwochen der damaligen Koalition nicht durchsetzen, obwohl damals Ihr Einfluß wie der einer jungen Braut doch sehr erheblich war. Nein, über die Mehrwertsteuer-Lösung wäre es so weit gekommen, daß jeder einzelne Verkaufsvorgang so abgegolten worden wäre, wie die Ausgleichsdifferenz war, und damit hätte der Einbruch von der anderen Seite in diesen Markt nicht geschehen können. Wir hätten für die gemeinsame Währungspolitik etwas erreichen können, weil der Druck, über die Rechnungseinheit zu der Ausführung des Werner-Plans zu kommen, viel intensiver gewesen wäre.
({2})
Heute wird zwar ein Währungsausgleich bezahlt. Das bestreitet niemand. Aber die fünf Partner von uns waren an der Aufwertung so interessiert, daß man mit einigen Konzessionen die Mehrwertsteuer-Lösung hätte erreichen können. Das ist versäumt worden. Das haben Sie zu Hause und in Brüssel versäumt.
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?
Ja, ja.
Herr Kollege Höcherl, würden Sie der Wahrheit halber hier wenigstens zugestehen, daß maßgebende Agrarpolitiker der CDU und des Deutschen Bauernverbandes überhaupt nicht den vollen Ausgleich über die Mehrwertsteuer wollten?
Das spielt ja gar keine Rolle. Es geht um die sachliche Richtigkeit einer Maßnahme.
({0})
Herr Kollege Ertl, Sie sagen, wir hätten während unserer Zeit das Glück mit dem Schweinezyklus gehabt und Sie hätten das Unglück mit dem Schweinezyklus. Sie wußten aber aus allen Daten, daß der Schweinezyklus im Kommen war und der Aufwertungsvorgang eine zusätzliche Rolle spielt, weil nämlich unsere potenten Partner jenseits des Rheins diese Gelegenheit nutzten, unseren Markt noch zusätzlich zu beschicken und zu überlasten. Dem
hätten Sie vorbeugen sollen. Das war Ihre Aufgabe.
Sie beklagen sich über die inflationäre Politik. Wenn die Presseberichte richtig gewesen sind, haben Sie auf der Grünen Woche selbst die inflationäre Politik angegriffen und gefordert, daß die Landwirtschaft nicht der Lastenträger dieser inflationären Politik sein darf.
({1}) So war es doch.
({2}) - Genau so war es.
({3})
Nein? Herr Wienand? - Sie sind doch gar nicht dabei gewesen. Sie haben sich doch in der Zeit irgendwoanders herumgetrieben, anstatt die Grüne Woche zu besuchen.
({4})
Herr Kollege Ertl, Sie haben über die Preispolitik gesprochen. Wir haben Preiserhöhungen durchgesetzt in der Zeit, in der Mansholt Preissenkungen vorgeschlagen hat. Wenn er jetzt selbst Preiserhöhungen vorschlägt, ist es ja keine Kunst, ja zu sagen. So ist doch die Lage. Wir haben den Rinderorientierungspreis, haben den Futtergetreidepreis usw. angehoben in einer Überschußsituation, die viel schwieriger war als die heutige. Sie beschwören hier immer die Wahrheit. Ich möchte sagen, bleiben Sie doch selber bei dieser Wahrheit! Das ist doch der einfachste Weg.
({5})
Nun zum Ertl-Programm. Korrekterweise haben Sie festgestellt, daß ein großer Teil schon von unseren fleißigen Mitarbeitern erarbeitet war. Aber Ihre Richtlinien! Anderthalb Jahre brauchen Sie mit Ihren Richtlinien. Die sind doch bei der Mannschaft, die Sie bekommen haben, in 14 Tagen zu machen. Eineinhalb Jahre, das ist doch nichts anderes als eine kunstvolle fiskalische Verzögerung. Sie haben sie ausgespart.
Sie sagen: Die Investitionshilfe sei bei uns gestoppt worden. - Ja, weil wir 150 Millionen hatten. Mehr als Sie jemals bekommen werden und mehr als Sie in zwei Jahren zur Verfügung stellen konnten! Das war doch der Grund.
Die Zinsverbilligung. Es ist richtig: 4 %. Aber wir haben doch nicht so verrückte Zinsen gehabt, wie Sie sie jetzt haben müssen, weil Sie in der Konjunkturbekämpfung die Bundesbank allein auf den Turnierplatz geschickt haben.
({6})
So war es doch. Natürlich helfen 4 % nicht, wenn sonst 8, 9, 10 und 11 % zur Debatte stehen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?
Ja.
Herr Kollege Höcherl, geben Sie zu, daß Ihre Koalitionsfraktion bis dato noch kein Alternativprogramm zum Ertl-Programm vorgelegt hat?
Das gebe ich ohne weiteres zu. Wesentliche Teile dieses Programms haben wir nämlich selbst erarbeitet. Wesentliche Teile waren schon längst der Öffentlichkeit übergeben. Das vorliegende Programm ist nur eine kümmerliche, zeitlich verzögerte Ergänzung dessen, was wir erarbeitet haben.
({0}) - So ist es halt; ich kann es nicht ändern.
({1})
Eine weitere Zwischenfrage.
Sind Sie - wenn es so ist, wie Sie sagen, daß nämlich dieses Programm, das Sie auf der einen Seite loben und auf der anderen Seite geißeln, schon zu Ihrer Zeit in Auftrag gegeben worden ist- mit mir der Auffassung, daß man dieses Programm dann von Ertl-Programm in Höcherl-Programm umtaufen kann?
Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden, Herr Kollege Gallus.
({0})
Der Herr Kollege Ertl hat hier eine ernste Befürchtung ausgesprochen. Er hat eingangs seiner Ausführungen den Wahlkampf erwähnt. Ich glaube nicht, daß in diesem Saal das Wort „Wahlkampf" am Platz ist. Wenn jemand vor Wahlkämpfen Angst hat, dann sind das Ihre Leute, doch nicht wir! Wir kommen doch glänzend aus diesen Wahlkämpfen heraus.
({1})
Sehen Sie sich vor, daß die miserable Situation der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein, wo es wirklich gärt, und in Rheinland-Pfalz Ihnen nicht etwas anderes beschert. Das ist doch die Wirklichkeit. Lassen Sie doch diese Floskeln weg?
Herr Kollege Höcherl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Höcherl, glauben Sie, daß es einen Ausweg aus der Agrarpreissituation bedeutet, wenn Staatssekretär Logemann erklären läßt, noch ein Drittel der in der Landwirtschaft Tätigen müsse in den nächsten Jahren ausscheiden, wenn die Preishebungen über die EWG nicht ausreichten? Glauben Sie nicht, daß dies Resignation ist oder einer Kapitulation gleichkommt?
Herr Kollege Gleissner, ich habe es mir versagt, die Äußerungen von Herrn Logemann und Herrn Ertl in ihrer Oppositionsrolle aus der Vergangenheit zu zitieren. Wie Bettelmusikanten sind sie wegen der Preise usw. durch dieses Haus gezogen.
({0})
So war es doch damals. Aber wir wollen die Vergangenheit gar nicht aufrühren.
({1})
- Ich will Ihnen eines sagen. Sowohl die Ostpolitik als auch die Wirtschaftspolitik, die Sie betreiben, beruht auf der Basis, die wir geschaffen haben. Sonst hätten Sie sich überhaupt nicht bewegen können. So war es doch.
({2})
Sie wollten 1949 eine sozialistische Wirtschaft einführen.
({3})
Dann wären wir heute alle im Armenhaus!
({4})
Zehn Jahre haben Sie gebraucht, um überhaupt zu begreifen, worum es geht, nachdem es der letzte begriffen hatte. Der Herr Bundeskanzler hat im Rahmen seiner Ausführungen über die Ostpolitik hier gesagt, die Leistung Adenauers sei zu ihrer Zeit historisch richtig gewesen. Auf diesem Boden steht er heute. Sie haben sie damals aber bekämpft. Ohne diese Leistung hätten Sie heute überhaupt keine Basis. Seien Sie froh, daß die CDU/CSU 20 Jahre die Regierung trug. Jetzt können Sie das Erbe wenigstens etwas verspielen.
({5})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schäfer?
Herr Kollege Höcherl, wenn unsere Politik auf der Grundlage, die Sie geschaffen haben und von der Sie eben sprachen, aufgebaut ist, kann sie doch auch nach Ihrer Auffassung nicht so schlecht sein, wie Sie sie eben darstellen.
Herr Kollege Schäfer, das ist nur die Basis, auf der Sie stehen. Was Sie daraus machen, ist eine Perversion.
({0})
Herr Kollege Ertl, am Schluß ein versöhnliches Wort. Die Situation der Landwirtschaft ist ernst,
({1})
Wir legen nicht alles Ihnen zur Last. Ein einzelner
allein hat nicht alles zu verantworten. Die gesamtpolitische Entwicklung, an der Sie Ihren Anteil ha5618
ben, ist entscheidend. Wir sind bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie eine Konzeption vorlegen. Aber das, was Sie vorgelegt haben, war leeres Papier und wenig Geld.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Ertl.
Mein verehrter Amtsvorgänger und Freund Hermann Höcherl hat es wieder einmal geschafft, Ost-, Wirtschafts-, Konjunktur-, Agrarpolitik, Höcherl-Programm, Ertl-Programm, alles zusammen, abzufertigen. Das ist eben seine große Kunst. Dabei möchte ich ihm doch ein Zitat mitgeben: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden." Das sollte er in Zukunft nicht ganz vergessen. Und Selbstlob, na, das riecht.
({0})
Das darf ich nur sagen.
Dem Kollegen Gleissner will ich allerdings in aller Deutlichkeit sagen: wer so lange in diesem Haus geschwiegen hat - bei dem Strukturwandlungsprozeß, der sich vollzogen hat - wie er, hat heute nicht das Recht, in dieser Form zu fragen,
({1})
Das muß ich einmal in aller Deutlichkeit sagen. Denn hier sind 600 000 Betriebe aufgegeben gewesen; da ) gab es nicht diese Regierung. Und 3 Millionen Menschen sind aus der Landwirtschaft ausgeschieden. Ich habe aber nie einen Kollegen Gleissner hier vorne gesehen, geschweige denn reden hören.
({2})
Aber ich habe ihn draußen in den Landen polemisieren hören.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gleissner? - Bitte schön!
Glauben Sie nicht, daß es etwas zuviel ist, Ihnen das Urteil zu überlassen, wann und wo ein Abgeordneter sich einsetzt und gegen Fehlentwicklungen kämpft?
Nein. Aber ich verlange von einem Abgeordneten,
({0})
der draußen permanent Polemik treibt, daß er wenigstens den Mut hat, sich hier zu stellen. Das verlange ich, und sonst gar nichts.
({1})
Ich verlange auch, daß er nicht mit falschen Zahlen operiert.
Nun, Kollege Höcherl, das war ja wieder ein brillantes Feuerwerk, das Sie abgezogen haben. Das war so richtig die Höcherl-Show mit der ganzen Fülle seiner Möglichkeiten; darüber gibt es gar keinen Zweifel. Nichtsdestoweniger, Kollege Höcherl - es tut mir leid, ich muß es doch noch einmal sagen -, wenn überhaupt jemand eine historische Chance gehabt hätte, den Aufwertungsausgleich mit der Mehrwertsteuer voll abzudecken, wären Sie und Ihre Regierung es gewesen, der Sie doch angehörten. Denn hätten Sie rechtzeitig aufgewertet - ich will jetzt das Problem des Kostenanstiegs gar nicht bewerten
({2})
- Herr Kollege Windelen, Sie sollten einmal aufpassen. Das tut Ihnen gut; das ist auch eine christliche Tugend: anderen zuhören.
({3})
- Ja, Sie dürfen sich sogar hier melden. Sie wissen, ich bin sehr antwortfreudig. Ich will Ihnen nur einmal sagen:
({4})
ich habe Ihnen bereits mindestens ab November 1968 - das können Sie nachlesen - geraten, die Frage nicht auf die lange Bank zu schieben.
({5})
Das habe ich Ihnen bereits damals geraten. Und ich habe später einigen Verantwortlichen gesagt: Wenn Sie jetzt aufwerten, können Sie vielleicht mit einem Aufwertungssatz von 4 bis 5 % durchkommen. Später wird es ein höherer Satz. Und bei einem Aufwertungssatz von 4 bis 5 %o hätten Sie das voll mit der Mehrwertsteuer - das war übrigens unser Vorschlag; Sie können die Protokolle nachlesen; ein Kollege hat dazu gesprochen - voll abdecken können. Einen Aufwertungssatz von 8,5 % konnten Sie
- wo es Fachleute gibt, und zwar ernsthafte Leute, die sagen, daß er sogar zu niedrig war - nicht mehr voll durch die Mehrwertsteuer abdecken.
Im übrigen, Herr Kollege Höcherl, da Sie ein führender Mann in Ihrer Gruppe sind, ein sehr bedeutsamer Mensch in diesem Parlament, wissen Sie sicherlich, daß Ihre Leute im Finanzausschuß sogar Bedenken gegen den 3%igen Mehrwertsteueranteil hatten und daß es bedeutender Anstrengungen bedurfte, um überhaupt die 3 % durchzusetzen. Dann aber hierherzugehen und zu sagen: Ein anderes Konzept muß her - meine Damen und Herren, so lasse ich die Wahrheit nicht umdrehen. Das geht nicht, das ist zu billig.
({6})
- Für die Wahrheit kämpfe ich leidenschaftlich. Wissen Sie, ich bin kein Scheinheiliger.
({7})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Herr Kollege Ertl, nachdem Sie hier jetzt immer so viel von Wahrheit reden: wären Sie wenigstens bereit, wenn Sie die Einstellung der Kollegen von der CDU/CSU im Finanzausschuß hier apostrophieren, dazuzusagen, daß wir eben für mehr für die Landwirtschaft und für den Grenzausgleich waren.
({0})
Sehr verehrter Herr Kollege Althammer, dazu kann ich Ihnen nur folgendes sagen. Sie hätten das ja alles machen können. Sie haben doch die Devisenkurse freigegeben, Sie haben doch nicht gehandelt, Sie haben doch gewartet, bis Frankreich uns in Zugzwang gebracht hat.
({0})
- Herr Dr. Stark, das können Sie doch nicht abstreiten. Es gibt selbst in Ihren 'Reihen Kollegen, die sagen: Wir haben uns geirrt. Wir haben uns alle schon einmal geirrt. Daß Sie in dieser Frage im Parlament und in der Regierung dasjenige Element waren, das durch die Verzögerung die schwierige Situation ausgelöst hat, können Sie nicht abstreiten; darüber gibt es keinen Zweifel.
({1})
Ich will auch die Frage nach dem Grenzausgleich beantworten. Ich bin sehr froh, daß ich diese Frage einmal beantworten kann. Ich habe mir das sehr genau überlegt. Bei diesem Grenzausgleich, den wir für drei Monate durchgesetzt haben, den wir möglicherweise für ein Jahr hätten durchsetzen können, wäre bei der Situation und den Preisvorschlägen, die ich übernommen habe - damit auch das nicht vergessen wird; es tut mir leid, ich werde immer herausgefordert -, die Gefahr gewesen, verehrter Herr Kollege Althammer, daß die Kommission den Vorschlag gemacht hätte, die Preise, die sich aus der Senkung des Fonds und aus der Aufwertung der D-Mark ergeben, letzten Endes in der Mitte anzugleichen. Genau das wollte ich vermeiden, weil ich der Meinung war und auch heute noch bin, da sind die verbrieften viermal 1,7 Milliarden DM sicherer, weil sich in diesem Zeitpunkt die Politik fortentwickeln kann und man möglicherweise wirklich neue Lösungen finden kann, als daß ich in diese Zwangslage kommen wollte, in die einmal ein Amtskollege von mir bei der Getreidepreissenkung gekommen ist. Wir alle haben dies als eine der mißlichsten Erinnerungen im Gedächtnis.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott?
Herr Kollege Ertl, da Sie vorher soviel von Wahrheit sprachen, ist Ihnen nicht bekannt, daß im November 1968 die Ersatzaufwertung von 4 % deshalb durchgeführt werden mußte, weil der zu Ihrer Regierung gehörige Wirtschaftsminister Schiller damals gegen eine höhere Aufwertung war?
Herr Kollege Ott, mir ist nur bekannt, daß der Bundeskanzler die Richtlinien bestimmt. Wenn Sie also alle dafür gewesen wären, hätten Sie es notfalls sogar in der Koalition durchsetzen können. Offensichtlich war Ihr Bundeskanzler nicht in der Lage, sich durchzusetzen. Wenn dem so ist, dann nehme ich es zur Kenntnis. Ich kann das nicht beurteilen. Es ist Ihr eigenes Problem, wie Sie sich in der Koalition durchgesetzt haben.
({0})
Das kann man an den Fakten bewerten. Ich bewerte es an dem Faktum, weil der Kollege Ott hier den Versuch macht, das so darzustellen. Da muß ich Ihnen sagen, daß der Bundeskanzler seine Richtliniengewalt nicht benutzt hat. Ich habe in Erinnerung, daß derselbe Bundeskanzler gesagt hat: Solange ich im Amt bin, gibt es keine Aufwertung. - Das war ein grundlegender wirtschaftspolitischer Irrtum, den das ganze deutsche Volk jetzt zu bezahlen hat.
({1})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine zweite Frage des Herrn Abgeordneten Ott?
Herr Kollege Ertl, hätten Sie es in der von Ihnen erwähnten Situation für richtig gehalten, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn er nicht einverstanden gewesen wäre, seinen Hut genommen hätte und gegangen wäre?
({0})
Herr Kollege Ott, ich bin der Meinung, das ist eine Frage, die zu beantworten sich für mich gar nicht lohnt; ich gebe Ihnen auch keine Antwort darauf.
({0})
Das ist eine Angelegenheit, bei der jeder tun und lassen kann, was er will, einschließlich eines Fragestellers.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner?
Herr Bundesminister, würde Ihre Agrarpolitik heute nicht anders aussehen bei allen Schwierigkeiten, die wir kennen -, wenn wir sie daran messen, was Sie verbal hier im Haus und draußen verkündet haben, und sind Sie mit mir einig, daß wohl kein früherer Minister eine stärkere politische Stellung im Kabinett hatte als Sie - weil das Kabinett von Ihnen wohl
1 entscheidend abhängig ist -, um eine gute Agrarpolitik zu betreiben?
Dazu kann ich Ihnen folgendes sagen, Herr Kollege Gleissner. Jeder tut sein Bestes. Ich bemühe mich. Ich bin da sehr bescheiden: ich bemühe mich. Nur erwarten Sie offensichtlich von mir, daß ich alles mache, was ich vor einem Jahr als Aufgabe übernommen habe. Da muß ich Ihnen allerdings sagen, ein Herkules bin ich nicht. Das will ich auch gar nicht sein.
({0})
- ich freue mich, daß die Opposition zustimmt. Bescheidenheit ist eine Tugend, die man pflegen sollte, auch in Regierung und Opposition. Das möchte ich Ihnen auch sagen.
Nun, Herr Kollege Höcherl, noch zu etwas anderem, was Sie so schön gesagt haben. Ich darf Ihnen, wenn die Frau Präsidentin es gestattet, etwas zitieren, hier z. B. eine Stelle aus dem „Bauernblatt" von Schleswig-Holstein, wo es heißt:
Die oben dargestellte Preisentwicklung ist eine Folge des kräftigen Angebotsdrucks aus der Eigenerzeugung, dem eine relativ kräftig verminderte Einfuhr gegenüberstand. Trotzdem ist die Mehrerzeugung mit 61 000 Tonnen Rindfleisch deutlich größer als der Einfuhrrückgang mit 36 000 Tonnen. Wenn trotzdem die Rindfleischpreise keine größeren Einbußen zeigten als die genannten, verdanken wir das einerseits den Bemühungen des Bundesernährungsministeriums
- so, wie gesagt, im „Bauernblatt" vom 22. August 1970 -und andererseits der Kauflust, um nicht zu sagen der Kaufwut der Verbraucher, die im ersten Halbjahr 1970 bis zu 10 v. H. mehr Geld für Rindfleisch ausgegeben haben als 1969.
Und dann heißt es weiter:
Schiller erhalte uns diese Kaufkraft, kann man hier nur kommentieren.
({1})
- Ah, fein! Sehen Sie, wir werden uns immer noch einiger. Man muß die Dinge nur länger ausdiskutieren.
Nun, verehrter Herr Kollege Höcherl, ich habe Ihnen ja schon gesagt, Sie haben mit dem Gipfel des Schweinezyklus immer vor der Wahl Glück gehabt. Ich wünsche mir, daß ich auch Glück habe. Das wünsche ich mir, und bei meiner großen Glaubenskraft bin ich sogar überzeugt, daß ich dieses Glück haben werde. Und dann werden wir sehen! Das wollte ich nur noch bemerken.
Dann darf ich noch folgendes in Erinnerung bringen. Fest steht - und damit will ich die Verdienste des Hohen Hauses, insbesondere des Haushaltsausschusses, in keiner Weise schmälern -, daß seit meinem Amtsantritt für die nationale Förderung, verglichen mit der früher vorgesehenen mittelfristigen Finanzplanung, mehr als 500 Millionen DM mehr zur Verfügung gestellt worden sind. Und wenn Sie sagen, Sie hätten das auch getan, kann ich nur antworten: Sie hätten es getan, wir haben es getan. Das ist der Unterschied.
({2})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard?
Ja, bitte!
Darf ich noch eine ganz kleine Frage stellen, Herr Minister. Sie sprechen immer davon, die Landwirtschaft habe 1,7 Milliarden DM ersetzt bekommen.
({0})
Der Verlust betrug 2,2 Milliarden. Wo sind die 500 Millionen geblieben, die der Landwirtschaft durch Senkung der Kosten zugute kommen sollten?
Herr Kollege Reinhard, ich bin gern bereit, Ihnen durch mein Haus einmal die verschiedenen Unterlagen über die tatsächlichen Verluste zuzuleiten. Dann werden Sie sehen, daß Ihre Frage sachlich nicht berechtigt war.
({0})
Aber das nur nebenbei. Man soll also auch bei diesen Dingen wiederum nach dem alten Motto verfahren und die Kirche im Dorfe lassen.
({1})
Zu den Richtlinien und auch zu dem Wunsch nach mehr Vertraulichkeit, Herr Kollege Ritz, muß ich auch etwas sagen. Ich bin zu mehr Vertraulichkeit bereit. Aber ich muß Ihnen auch einiges sagen: dann erwarte ich, daß es wirklich vertraulich zugeht. Es muß hier einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden, was ich in diesem Jahr - ich habe das in einem anderen Zusammenhang schon einmal gesagt - gelernt habe: daß man mit intellektueller Redlichkeit nicht rechnen kann. Mir ist folgendes widerfahren. Ich habe den ersten Referentenentwurf dieses Programms das ja, wenn es gut ist, natürlich von der CDU, und wenn es schlecht ist, von mir stammt; das ist ja ganz klar, aber ich werde mich damit abfinden, denn das macht mir nichts aus - hinausgegeben, und ich wollte eine breite Diskussion. Ich mußte feststellen, daß dieser Referentenentwurf dann sehr schnell über eine Fraktionsstelle, wie ich erfahren konnte - ich konnte allerdings keine Namen erfahren und kann deshalb keine Beweise liefern, aber ich weiß, daß es über eine Fraktionsstelle lief -, an die Öffentlichkeit gegeben wurde, und dann wurde natürlich in breitem Umfang eine Polemik veranstaltet. Sie können sich alle daran erinnern, was während des bayerischen Wahlkampfs hier alles gesagt, was an Verdächtigungen alles ausgestreut worden ist. Da muß ich Ihnen sagen: wenn dem so ist,
soll ich dann vertrauen und vertrauliche Gespräche führen?
({2})
Dann müßte ich wirklich erwarten, daß Dinge, die vertraulich behandelt werden sollen, auch vertraulich bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren!
({3})
Aber ich habe allen Grund, eben daran zu zweifeln, Herr Kollege Ritz. Wenn Sie mir das garantieren, werden Sie von mir aus jede vertrauliche Basis haben.
({4})
Aber diese Garantie will ich haben! Denn hier bin ich bitter enttäuscht worden, und das war für mich der Anlaß, zu fragen, warum ich den Weg der mühsamen öffentlichen Diskussion gehen soll.
Herr Kollege Höcherl, ich betrachte das als einen Vorteil. Man kann über die Agrarpolitik dieses Jahres denken, was man will. Sie wird sicherlich nicht nur Gutes haben. Es gibt keine nur gute Politik. Ich bin auch nicht so vermessen, das von mir zu behaupten; noch nicht einmal draußen behaupte ich das. Aber eines, glaube ich, haben mir die Bauern hoch angerechnet: daß ich das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm in aller Öffentlichkeit habe diskutieren lassen, weil ich die Meinung der Betroffenen hören wollte. Das halte ich für richtig. Wenn dann die Richtlinien ein Jahr dauern, ist das nicht so schlimm. Im übrigen sind die Richtlinien im Januar in Kraft getreten, so wie vorgesehen. Ich wünsche mir nur, daß die Länder einschließlich des Landes Bayern genauso mitmachen, auch bei der Gemeinschaftsaufgabe. Aber die wollen ja schon wieder bremsen. Nicht die Bayern in toto, damit hier keine Mißverständnisse entstehen!
Ich habe auch immer erklärt: wir werden sehen, was positiv und was negativ ist. Ich bin bereit, die positiven Dinge fortzusetzen und negative Dinge zu korrigieren. Auf jeden Fall glaube ich sagen zu können, daß das Konzept auf dem Förderungssektor steht. Auf dem EWG-Sektor ist es unserem ständigen Drängen und Verlangen gelungen, im letzten Jahr Preissenkungen, die von allen Vier für notwendig und sogar für sicher gehalten wurden, zu verhindern. Das ist sicher. Außerdem ist es nicht zuletzt auf unsere Initiative zurückzuführen, daß die Kommission zum erstenmal von sich aus Preisvorschläge macht. Das ist immerhin ein Schritt nach vorne. Er mag nicht genügend sein, aber er ist ein Schritt nach vorne. Das darf ich mir erlauben in aller Deutlichkeit hier festzustellen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Niegel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ganz kurz ein Wort zu Ihnen. Sie sprechen ständig von Wahrheit, Wahrheit und Wahrheit. Wer ständig das Wort „Wahrheit" in den Mund nimmt, muß, der Meinung bin ich, irgendwie mit der Wahrheit nicht zurechtkommen.
({0})
Bezüglich des Förderungsprogramms sprechen Sie von Vertraulichkeit. Dieses Förderungsprogramm wurde offiziell von Ihnen herausgegeben, und Sie haben dazu Darlegungen gemacht. Erst als ich die Anfrage im Bundestag stellte, wurden von uns Kommentare dazu gegeben, nicht eher. Da können Sie doch nicht vom Bruch der Vertraulichkeit sprechen.
Meine Damen und Herren, ich habe mich zu Wort gemeldet wegen der Ausführungen des Herrn Gallus. Auch Herr Gallus spricht von Wahrheit und von Sachlichkeit.
({1})
Wollte er etwa sachlich sein, als er uns vorwarf, wir hätten den § 48 Abs. 5 des Städtebauförderungsgesetzes, der angeblich zugunsten der Landwirtschaft ist, in Frage gestellt? Dieser Vorwurf stimmt wiederum nicht. Herr Gallus hätte sich selber richtig informieren müssen. Dann hätte er auch sagen müssen, wie der § 48 Abs. 5 heißt. Es heißt darin, daß der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen ermächtigt wird, mit Zustimmung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Vorschriften über die Mindesthöhe des Verkehrswertes landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke im städtebaulichen Entwicklungsbereich zu erlassen, allerdings nur auf der Basis des § 20 des Entwurfs eines Städtebauförderungsgesetzes. Jeder, der mit der Verwaltung zu tun hat, weiß, daß man in einer Verordnung oder in Ausführungsvorschriften nicht über den Inhalt eines Gesetzes hinausgehen kann. Im Gesetz aber ist festgelegt, daß die Preisentwicklung nach oben beschnitten wird. Darüber kann man in der Verordnung, wie sie festgelegt werden soll, nicht hinausgehen.
Wenn Sie, Herr Gallus, bei der Wahrheit bleiben wollen, müssen Sie das draußen, wo Sie wie alle FDP-Redner durchs Land ziehen, auch den Bauern richtig sagen. Und wenn Sie es den Bauern sagen, werden Sie wahrscheinlich etwas anderes hören. Sie ziehen mit Märchen durch das Land, und zwar nur um Ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, das Sie auf dem Gebiet der Eigentumspolitik haben.
({2})
Meine Damen und Herren, ich habe im Ausschuß für Städtebau die Vertreter des Bundesstädtebauministeriums einschließlich des Herrn Ministers und des Herrn Staatssekretärs wiederholt gefragt, wie der § 48 Abs. 5 nach ihrer Vorstellung ausgefüllt werden soll.
Herr Kollege Niegel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?
Herr Kollege Niegel, hat denn die Oppositionsfraktion der CDU/CSU eine Alternative für den § 48 Abs. 5 im Städtebauausschuß angeboten?
Herr Gallus, diese Alternative ist angeboten. Ich bin der Meinung, Sie haben nicht einmal die Drucksache VI/434 gelesen; das ist unser Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes. Dort heißt es ganz eindeutig, daß wir die Bewertung nach dem Stichtagprinzip vornehmen wollen.
Zum zweiten - das will ich Ihnen auch ganz klar sagen - haben wir im Ausschuß eindeutig zu Protokoll gegeben, daß wir genauso den Bundesratsbeschluß unterstützen können, der von Bauerwartungsland spricht. Das ist unsere Konzeption; entweder das Stichtagprinzip oder das Bauerwartungslandprinzip.
({0})
Wenn Sie bei der Wahrheit bleiben wollen, müssen Sie sich informieren und nicht durch die Lande gehen und dann immer von Wahrheit, Wahrheit und nochmals Wahrheit sprechen.
({1})
Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Gallus. Wenn Sie schon für das Eigentum eintreten, dann sagen Sie Ihrem Kollegen, der Mitglied des Ausschusses ist, daß er unsere Vorschläge unterstützen soll; denn unsere Vorschläge beruhen auf der Basis der Sozialbindung des Eigentums.
({2})
Wir wollen keine Spekulation. Wir wollen aber, daß Eigentum nach wie vor Eigentum bleibt. Ihr Vertreter hat von § 12 über § 15 bis § 20 immer mit der SPD gestimmt. Das Abstimmungsergebnis lautete immer 13 : 12.
({3})
Sagen Sie das einmal den Leuten draußen in der Landwirtschaft. Dann werden sie sehen, wie es mit der Eigentumsfreundlichkeit der FDP auf diesem Gebiet aussieht. Noch haben Sie aber die Möglichkeit, ihre Eigentumsfreundlichkeit unter Beweis zu stellen.
({4})
Meine Herren und Damen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir haben fünf Änderungsanträge vorliegen. Sie überschneiden sich in den Etatpositionen nicht. Wir können sie daher der Reihe nach behandeln.
Ich rufe den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 134 *) auf. Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. von Nordenskjöld.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche
*) Siehe Anlage 2 Bundestag hat mit seiner einstimmigen Entschließung vom 26. Juni 1969 die Bundesregierung aufgefordert, ein Abschlußprogramm für die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Landwirte durchzuführen. Auch in der Regierungserklärung vom 18. Oktober 1969 wird die Vollendung der notwendigen Eingliederungsmaßnahmen für die Vertriebenen und Flüchtlinge angekündigt.
Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen. Der vorliegende Antrag bedeutet keine Belastung des Haushaltes, auch nicht in künftigen Jahren. Ich habe im Haushaltsausschuß seinerzeit einen entsprechenden Antrag gestellt, der aber mit der Maßgabe zurückgestellt wurde, daß sich die beteiligten Ressorts hierüber abstimmen sollten. Die Abstimmung ist inzwischen erfolgt. Das Bundesfinanzministerium hat einer Erhöhung der Anleihe zu Lasten des Zweckvermögens um 50 Millionen DM zugestimmt, und zwar mit der Auflage, daß diese ausschließlich für die Aufstockung des Siedlungsprogramms und hier wieder vorrangig für die vertriebenen und geflüchteten Landwirte verwendet werden sollte. Diese Auflage - darauf möchte ich besonders hinweisen - ist auch mit Rücksicht auf die bevorstehende Ankunft der Aussiedler aus Polen zu begrüßen. Sie steht im Einklang mit der Erklärung der Bundesregierung, alle erforderlichen Maßnahmen für die Eingliederung dieses Personenkreises zu treffen.
Wenn nun eingewandt wird, daß es zu einer gesamtwirtschaftlichen Belastung und zu einer Belastung des Kapitalmarktes kommt, möchte ich dazu sagen, die Anleihen können nur mit Zustimmung der für die Zulassung von Anleihen zuständigen amtlichen Stellen, von der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank, aufgenommen werden. Auch das Wirtschafts- und das Finanzministerium haben hier noch mitzureden. Es handelt sich also ausschließlich um eine Ermächtigung für das BML.
Bei diesem Ergänzungsantrag handelt es sich nicht um eine Angelegenheit, mit der sich eine Fraktion dieses Hauses Lorbeeren erwerben kann oder will. Ich weiß, daß auch in anderen Fraktionen Überlegungen bestanden, einen derartigen Antrag einzubringen. Diesem hätten ich und meine Freunde unsere Unterstützung nicht versagt.
Ich bitte Sie daher sehr, diesem Antrag zuzustimmen; denn hier haben Sie einmal eine gute Gelegenheit, wenn auch nur auf einem kleinen Sektor, eine Zusage des Regierungsprogramms in die Wirklichkeit umzusetzen.
({0})
Wird das Wort gewünscht? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Gallus.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ja bereits bei meinen allgemeinen Ausführungen gegen diesen Antrag gesprochen, weil ich der Auffassung bin, daß seine Verwirklichung einen Vorgriff in das Zweckvermögen der Rentenbank darstellt. Wir sind der Meinung, daß die Verfügung über den Betrag von 200
Millionen DM am Kapitalmarkt genügt, um der gestellten Aufgabe gerecht zu werden.
Es ist nicht so, wie Herr Nordenskjöld es hier dargelegt hat, als ob diese Mittel auch zur Ansiedlung von aus Polen vertriebenen Deutschen gebraucht würden. Es ist bekannt, daß dafür Sondermittel zur Verfügung gestellt werden und daß auf der anderen Seite diese Mittel in erster Linie zur Erstellung von Nebenerwerbssiedlungen gedacht sind. Ich glaube nicht daran, daß gerade diejenigen, die in den nächsten Monaten aus Polen zu uns kommen, sofort mit dem Bau von Nebenerwerbssiedlungen beginnen werden. Das ist einfach eine Verdrehung der Tatsachen, die so nicht hingenommen werden kann. Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 134 die Zustimmung geben will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es bestehen Zweifel. Wer dem Antrag zustimmen will, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag der Fraktionen der SPD, FDP auf Umdruck 127 *). Wünscht jemand das Wort zur Begründung? - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Änderungsantrag auf Umdruck 127 der Koalitionsfraktionen darf ich wie folgt begründen. Auf der Grundlage der Verordnung 159/66/EWG können die Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse in der Bundesrepublik für bestimmte Erzeugnisse intervenieren und erhalten dann festgesetzte Rücknahmepreise aus dem EWG-Fonds zurückvergütet. Bisher wurden in der Bundesrepublik 52 Erzeugerorganisationen gegründet, von denen etwa 30 % der vermarktungsfähigen Ware erfaßt werden.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat aber gezeigt, daß für solche Erzeugnisse Interventionen erforderlich sind, die nicht der EWG-Erstattung unterliegen. Die hierfür erforderlichen Interventionsmittel für diese Erzeugnisse müssen zur Zeit, aber auch für die Zukunft, die Erzeugerorganisationen selbst aufbringen. Zur Erleichterung der Aufbringung der Mittel können nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung 159/66/ EWG die Mitgliedstaaten unmittelbar Darlehen zu besonderen Bedingungen gewähren. Hiervon haben bereits einzelne Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Gebrauch gemacht. Die Bundesrepublik hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, weil bislang Haushaltsmittel nicht zur Verfügung standen. Angesichts der Ertragslage in der Obst- und Gemüsewirtschaft in den letzten fünf Jahren ist ein Tätigwerden der Bundesregierung nunmehr dringend erforderlich. Dies zeigt - hier verweise ich auf die bisherige Debatte -, daß diese Bundesregierung nicht aus einem vorhandenen Zinsenstand wirtschaften kann, sondern alte Hypotheken abtragen muß. Hierzu dient nunmehr der vorlie-
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 3 gende Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Umdruck 127. Zur Starthilfe für die Gründung des Interventionsfonds ist ein Bundesdarlehen in Höhe von ca. 5 Millionen DM erforderlich. Die weiteren Mittel werden für die Zukunft durch das eigene Beitragsaufkommen der Erzeugerorganisationen aufgebracht.
Zur Vollziehung dieser Maßnahmen ist die Änderung des Haushalts 1971 erforderlich, wie Sie aus dem Umdruck 127 ersehen können. Eine Erhöhung der Titelansätze ist mit dieser Änderung nicht verbunden, da der Bedarf innerhalb der Titelansätze durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit aufgebracht werden kann.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, um Annahme dieses Änderungsantrags bitten.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege Röhner!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich mitteilen, daß wir den Antrag auf Umdruck 127 ablehnen, nicht etwa, weil wir gegen das Anliegen und gegen die Sache selbst sind, sondern weil wir der Auffassung sind, daß Ziffer 8 unseres Änderungsantrags zur gleichen Sache auf Umdruck 125 ({0}) dieselbe Zielsetzung hat, in der Sache aber weitergeht. Weil er weitergeht, sind wir für unseren Antrag, und deshalb können wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Meine Herren und Damen, wenn Zweifel darüber bestehen, ob es hier Überschneidungen gibt, bitte ich, jetzt den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 125 ({0}) ") zu begründen. Wir können dann über die Anträge der Reihe nach abstimmen.
Zur Begründung des Antrags hatte sich Herr Abgeordneter Röhner gemeldet.
Ich möchte zur Begründung lediglich sagen, daß dieses Anliegen im Haushaltsausschuß angesprochen und quer durch die Fraktionen hindurch als wichtig anerkannt und behandelt worden ist. Die CDU/CSU-Haushaltsgruppe hat sich deshalb in Übereinstimmung mit unserer Fraktion entschlossen, diesen Antrag einzubringen. Mehr möchte ich auch aus zeitökonomischen Gründen jetzt zur Begründung nicht sagen.
Haben Sie damit den Änderungsantrag auf Umdruck 125 ({0}) insgesamt begründet?
Nein, Frau Präsidentin. Ich habe - um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen - nur die Ziffer 8 unseres Antrags auf Umdruck 125 ({0}) begründet. Die übrigen Ziffern dieses Umdrucks werden zu einem späteren Zeitpunkt noch eigens begründet werden.
Wünscht jemand hierzu das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir ab über die Ziffer 8 des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 125 ({0}) .
Wer dieser Ziffer 8 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es hilft auch nichts, wenn wir aufstehen. Wir müssen auszählen.
({1})
Ich bitte, den Saal zu räumen. Meine Herren und Damen, eine Berichtigung zur Abstimmung. Es handelt sich nicht um die Ziffer 8 des neuen Umdrucks, über die abgestimmt wird, sondern um die Ziffer 10.
Wir können mit der Auszählung beginnen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich darf das Ergebnis der Auszählung bekanntgeben: Mit Ja haben 209, mit Nein 220 Mitglieder des Hauses gestimmt. Keine Stimmenthaltungen. Der Antrag ist also abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag Umdruck 127 der Fraktionen der SPD und der FDP auf. Der Antrag ist begründet. Wünschen Sie noch das Wort? - Bitte, Herr Kollege Hermsdorf!
Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung über diesen Antrag.
Es ist namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 127 der Fraktionen der SPD und der FDP zur zweiten Beratung des Einzelplans 10 beantragt. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß der Antrag hinreichend unter- stützt ist. Das ist der Fall. - Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Rösing das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag, der nunmehr zur Abstimmung steht, zustimmen. Deswegen bitte ich den Antragsteller, der die namentliche Abstimmung beantragt hat, seinen Antrag zurückzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, die Antragsteller halten den Antrag aufrecht. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Einsammeln der Stimmkarten zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 127 bekannt. Mit Ja haben 422 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 20 Berliner Abgeordnete, mit Nein hat ein Mitglied des Hauses gestimmt. Zwei Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Insgesamt haben sich also 445 Mitglieder des Hauses an der Abstimmung beteiligt. Der Antrag ist mit 442 Ja-Stimmen angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 425 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 420 und 20 Berliner Abgeordnete Nein: 1 und - Berliner Abgeordnete Enthalten: 2 Abgeordnete
Ungültig: 2 Abgeordnete
Gierenstein
Glüsing ({0})
Dr. Gölter Gottesleben
Dr. Gruhl
Freiherr von und zu Guttenberg
Haase ({1})
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser ({2})
Dr. Hauser ({3})
Dr. Heck
Hein ({4})
Frau Dr. Henze
Dr. Hermesdorf ({5}) Höcherl
Hösl
Horten
Dr. Hubrig Hussing Dr. Huys
Frau Jacobi ({6})
Dr. Jaeger Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Frau Klee Dr. Klepsch
Dr. Kley
Dr. Kliesing ({7})
Köster
Krammig Krampe Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Lemmrich Lensing Dr. Lenz ({8})
Lenzer
Link
Dr. Luda
Lücke ({9})
Majonica
Dr. Marx ({10})
Dr. Mende
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Arnold Dr. Bach Baier
Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becher ({11})
Dr. Becker ({12})
Becker ({13}) Berberich
Berding Berger
Bewerunge Biechele Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck
Bittelmann Blank
Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme Breidbach Bremer
Bremm
Burger
Dr. Czaja Damm
van Delden Dichgans Draeger
von Eckardt
Engelsberger
Erhard ({14}) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Freiherr von Fircks
Franke ({15})
Dr. Franz Dr. Freiwald
Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Gerlach ({16})
Gewandt
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Mick
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Müller ({17}) Müller ({18})
Mursch Niegel
Dr. von Nordenskjöld Orgaß
Petersen
Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger
Dr. Pohle
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Preiß
Dr. Probst
Rainer Rawe Reddemann
Dr. Riedl ({19})
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser Ruf
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schlee Schedl Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt ({20}) Schmitt ({21})
Dr. h. c. Schmücker Schneider ({22})
Dr. Schneider ({23}) Dr. Schober
Frau Schroeder ({24}) Dr. Schröder ({25}) Schröder ({26}) Schröder ({27}) Schulhoff
Schulte ({28}) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Siemer
Solke Spilker Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark ({29})
Storm Strauß Struve Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar Vogel Vogt
Volmer
Wagner ({30})
Dr. Wagner ({31})
Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber ({32})
Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker
Windelen Winkelheide
Wissebach Dr. Wörner Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel
Ziegler
Zink
Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Benda
Dr. Gradl
Dr. Kotowski Müller ({33}) Frau Pieser
Schmitz ({34}) Wohlrabe
SPD
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt ({35})
Dr. Arndt ({36})
Baack
Baeuchle
Bäuerle
Barche
Dr. Bardens Batz
Bauer
Dr. Bechert ({37}) Becker ({38})
Dr. Beermann Bergmann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Brandt
Brandt ({39})
Bredl
Brück ({40}) Brünen
Buchstaller
Buschfort
Dr. Bußmann Collet
Corterier Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm
Dr. Eppler Esters
Dr. Farthmann
Fiebig
Dr. Fischer Folger
Franke ({41})
Frehsee
Frau Freyh Fritsch
Geiger
Dr. Geßner Glombig
Gnädinger Grobecker Dr. Haack Haar ({42})
Haase ({43}) Haehser
Halfmeier
Hansen Hansing Hauck Dr. Hauff
Henke
Frau Herklotz
Herold Hirsch Hohmann ({44})
Hörmann ({45}) Hofmann
Horn
Frau Huber
Dr. Hupka
Jahn ({46})
Jaschke Junghans
.Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann
Krockert
Kulawig Langebeck
Dr. Lauritzen
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Lotze
Maibaum
Marquardt
Marx ({47})
Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke ({48}) Meinike ({49}) Metzger
Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller ({50})
Dr. Müller ({51}) Müller ({52})
Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann
Neumann
Dr. Nölling
Offergeld
Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter Pensky Peters ({53})
Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Rohde Roß
Säckl
Sander
Dr. Schachtschabel
Dr. Schäfer ({54}) Scheu
Schiller ({55})
Frau Schimschok
Schlaga
Dr. Schmid ({56}) Schmidt ({57}) Dr. Schmidt ({58}) Dr. Schmidt ({59}) Schmidt ({60}) Schmidt ({61}) Schmidt ({62})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle Schollmeyer
Schonhofen
Schulte ({63})
Seibert Seidel
Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta
Dr. Sperling
Spillecke
Staak ({64})
Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak Vit
Walkhoff
Dr. Weber ({65})
Wehner Welslau Wende Wendt Westphal
Dr. Wichert
Wienand Wilhelm Wischnewski
Dr. de With
Wittmann
Wrede Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({66})
Bartsch Heyen Frau Krappe
Liehr
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Dr. Seume
Sieglerschmidt
FDP
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Frau Funcke
Gallus Geldner Genscher
Graaff Grüner Helms Jung
Kienbaum
Kirst
Kleinert Krall
Freiherr von Kühlmann-Stumm
Logemann
Mertes Mischnick
Moersch Ollesch
Peters ({67}) Schmidt ({68}) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Nein
CDU/CSU Leicht
Enthalten
CDU/CSU Brück ({69})
SPD
Frau Dr. Focke
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf Umdruck 106 ({70}) *) auf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt auf Umdruck 106 ({0}) ein Antrag vor, den ich hier begründen möchte. Es ist sicher dankbar zu begrüßen, daß sich der Bund in den wirtschaftlich schwach entwickelten Räumen an den Erschließungsprogrammen der Länder durch verschiedenartige Regionalprogramme angemessen beteiligt. Ein geglücktes Beispiel der Intensivierung und Koordinierung einer Strukturpolitik stellt das jetzige System des regionalen Aktionsprogramms zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur ländlicher und entwicklungsbedürftiger industrieller Gebiete dar. Es wurde ein relativ exaktes regionales Entwicklungskonzept verwirklicht, das vor allem Regional- und Agrarpolitik aufeinander abstimmt und belebt.
Nun ist das Gebiet des Emsland-Programms ein Teil des regionalen Aktionsprogramms Nord-West-
Niedersachsen, und das Gebiet des Nord-Programms ist sowohl Teil des regionalen Aktionsprogramms Schleswig-Unterelbe als auch des regionalen Aktionsprogramms Holstein. Daher ist es unter Berücksichtigung der soeben skizzierten Zusammenhänge nur folgerichtig, in die Erläuterungen sowohl zum Emsland- als auch zum Nord-Programm den Hinweis aufzunehmen, daß auch die dort eingesetzten Mittel für Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Grundsätze des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung eingesetzt werden können, weil diese Richtlinien Grundlage für die Vergabe der für die regionale Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehenden Bundesmittel im Rahmen des regionalen Aktionsprogramms sind.
Inzwischen haben alle, die mit der Situation dieser Räume vertraut sind, eingesehen, daß die Gesamterschließung - auch angesichts der Notwendigkeit, in schnellerem Tempo als bisher die Agrarstrukturverbesserung durch die Schaffung nicht landwirtschaftlicher Dauerarbeitsplätze zu erreichen - nur möglich ist, wenn zusätzliche Hilfen durch Bund und Land gewährt werden.
Ich bin darüber erfreut, daß es gelungen ist, die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und die
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6
Kolleginnen und Kollegen des Koalitionspartners dafür zu gewinnen, die Mittel des Emsland-Plans und des Nord-Programms 1971 nochmals für die Infrastrukturmaßnahmen entsprechend den Grundsätzen des regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung in Anspruch nehmen zu können.
Wir haben die Ihnen auf Umdruck 106 ({1}) vorliegende Fassung gewählt, weil wir glauben, daß mit dieser Fassung eine effektive Wirtschaftsförderung möglich ist. Hohe Investitionsanreize für die gewerbliche Wirtschaft werden weitestgehend unwirksam bleiben, wenn sie unkonzentriert auf die Fläche verteilt werden. Deshalb teilen wir die Auffassung der Bundesregierung - die im Strukturbericht 1970 ihren Niederschlag gefunden hat -, daß die hohen Aufwendungen für die erforderliche Infrastruktur zur Konzentration auf die in den regionalen Aktionsprogrammen ausgewiesenen Schwerpunkte zwingen. Diese Schwerpunkte werden ihrerseits sicherlich auch wieder auf das Umland belebend wirken. Nur eine Konzentration der Mittel wird in den schwach entwickelten Gebieten dazu beitragen, wachstumsfähige Wirtschaftszentren zu schaffen. Ferner sind auch nur so vorhaltende Erschließungsinvestitionen der öffentlichen Hand zu rechtfertigen.
Die Fassung des Antrags der CDU/CSU auf Umdruck 113 trägt diesen Überlegungen nicht Rechnung. Ferner bezieht sich dieser Antrag nur auf das Emsland, nicht auch auf das Nord-Programm. Ich bitte daher im Namen der Regierungsparteien, den Antrag Umdruck 106 ({2}) anzunehmen und den Antrag der Opposition auf Umdruck 113 abzulehnen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zu beiden Anträgen kurz Stellung zu nehmen, sowohl zu dem Antrag der Koalition auf Umdruck 106 ({0}) als auch zu dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 113 **).
Ich möchte es zunächst durchaus begrüßen, daß die Koalitionsfraktionen ganz offensichtlich ihre bisher negative Haltung in dieser Frage aufgegeben haben
({1})
und nunmehr bereit sind, den ablehnenden Beschluß des Haushaltsausschusses vom Dezember 1970 zu korrigieren. Wir halten unseren Antrag aufrecht. Er enthält im wesentlichen das gleiche Ziel, nämlich die Gesamterschließung eines ländlichen Raums wiederherzustellen, geht aber erheblich weiter, weil die Mittel nicht nur in Industriestandorten eingesetzt werden können.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir die bewährte ursprüngliche Fassung der Erläuterung wiederhergestellt wissen wollen. Unser Antrag hat bereits den Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestags
passiert, er ist dort angenommen worden. Unser Antrag wird auch von der niedersächsischen Landesregierung unterstützt, die gerade in den letzten Tagen noch an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags appelliert hat, die ursprüngliche Zweckbestimmung wiederherzustellen, und unser Antrag wird auch von den betroffenen emsländischen Kreisen unterstützt, Aus diesem Grunde bitte ich dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 113 zuzustimmen, weil dieser Antrag gewährleistet, daß die bewilligten Mittel so effektiv wie möglich eingesetzt werden. Ich wäre außerordentlich dankbar, Herr Präsident - wenn ich mir die Anregung erlauben darf -, wenn Sie über diesen Antrag zunächst abstimmen ließen, weil er in der Sache weitergeht und wir bei einer Ablehnung unseres Antrags unter Umständen bereit wären, auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.
({2})
Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge begründet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 113. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe!
- Stimmenthaltungen? - Im Präsidium herrscht Einvernehmen, daß das letztere die Mehrheit war; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 106 ({0}). Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Danke. Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen?
- Bei einer Stimmenthaltung angenommen. Ich stelle fest, daß damit der Antrag 106 ({1}) angenommen ist.
Wir kommen nun zu dem Antrag auf Umdruck 125 ({2}) zurück. Die Ziffer 10 unter I dieses Antrags ist bereits beschieden. Zur Begründung hat sich der Abgeordnete Röhner zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich die Einzelbegründung unserer verschiedenen Abänderungsanträge vornehme, möchte ich drei grundsätzliche Bemerkungen vorausschicken.
Erstens. Unsere Anträge wollen und können bei den angesprochenen Maßnahmen auf keinen Fall als Ersatz für eine absolut unzureichende Erzeugerpreispolitik aufgefaßt und betrachtet werden.
Zweitens. Unsere Anträge haben das Ziel, sowohl in ihrer sozialen wie in ihrer investiven Forderung, das im letzten Jahr zuungunsten der Landwirtschaft noch größer gewordene Gefälle wenigstens etwas zu verbessern.
Drittens. Wir offerieren eine solide Deckung für unsere Anträge, und insofern sollte es der Koalition leichtgemacht sein, unser Vorhaben zu unterstützen, zumal der Herr Bundeskanzler am vergangenen Mittwoch hier von dieser gleichen Stelle aus ausdrücklich forderte, den Bauern draußen nichts anderes zu versprechen als das, was man halten könne. Hier kann gehalten werden.
({0})
Nunmehr zu unserem Antrag im einzelnen. Zu Kap. 10 02 Tit. 656 51 beantragen wir, die Zuschüsse zur Förderung der landwirtschaftlichen Altershilfe um 120 Millionen DM zu erhöhen. Damit soll erreicht werden, daß das landwirtschaftliche Altersgeld ab 1. Juli 1971 auf monatlich 240 bzw. 160 DM für Witwer und Witwen erhöht werden kann. Ich glaube, es gibt in diesem Haus wohl niemanden, der die dringende Notwendigkeit dieser Verbesserung der landwirtschaftlichen Alterssicherung bestreiten würde. Der Bundeshaushalt 1971 trägt der erforderlichen Anpassung der landwirtschaftlichen Alterssicherung an die allgemeine Entwicklung aber in keiner Weise Rechnung.
Diese Anpassung scheint uns um so mehr erforderlich und dringend geworden zu sein, als infolge der Lohn- und Gehaltssteigerungen in allen anderen Wirtschaftsbereichen entsprechende Angleichungen der Renten erfolgt sind. Wir sind der Auffassung, daß die Altenteiler der Landwirtschaft nicht von diesen notwendigen Anpassungen und Verbesserungen des Jahres 1971 ausgeschlossen werden dürfen. Wir wissen uns hier in guter Gesellschaft mit dem Herrn Bundesernährungsminister Ertl, der erst vor kurzem in Brüssel wörtlich festgelegt hat: „Die Grenzen der sozialen Zumutbarkeit sind erreicht, wenn nicht gar überschritten."
({1})
Ich darf zum anderen den Kollegen Gallus an den Beschluß der FDP-Agrarier erinnern. Unter Ihrem Vorsitz, Herr Kollege Gallus, haben Ihre Parteifreunde kürzlich ausdrücklich auch eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Altershilfe beschlossen.
({2})
Zweitens darf ich eine zusammenfassende Begründung für unsere folgenden Aufstockungsanträge auf Umdruck 125 ({3}) unter I zu Kap. 10 02 geben. Ziffer 2: Tit. 88212 - Flurbereinigungsmittel , Ziffer 3: Tit. 882 14 - Mittel zur Förderung des Wirtschaftswegebaus -, Ziffer 4: Tit. 893 11 Förderung der ländlichen Siedlung -, Ziffer 5: Tit. 882 15 - wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Maßnahmen -, Ziffer 6: Tit. 882 22 - Küstenschutz - und Ziffer 8: Tit. 882 20 - Zuweisungen von zusätzlich 10 Millionen DM für die von Natur benachteiligten Gebiete -.
Es handelt sich hier um längst eingeführte und vielfach bewährte Förderungsmaßnahmen im nationalen Bereich. Die allgemeine Kostenentwicklung hat es mit sich gebracht, daß in diesem Bereich trotz zum Teil verbesserter Haushaltsansätze im Jahre 1971 das alte Bauvolumen bei weitem nicht erreicht werden wird. Die seit 1969 eingetretenen Baukostensteigerungen beliefen sich - darüber wurde heute schon diskutiert - im zurückliegenden Jahr auf über 20 %. Im Jahre 1971 wird die Steigerungsrate voraussichtlich 30 % betragen. Das hat zur Folge, daß im Jahre 1971 in der Landwirtschaft rund 30 %
weniger an Bauvolumen ausgeführt werden kann als im Vergleichsjahr 1969. Es steht außer Zweifel, daß der Erfolg langjähriger Entwicklungen und damit der notwendige Anpassungsprozeß in der deutschen Landwirtschaft in diesem Bereich überhaupt in Frage gestellt würde, wenn diese Aufstockungen nicht vorgenommen werden könnten.
Als Drittes eine besondere Bemerkung zu I Ziffer 7 des Antrags auf Umdruck 125 ({4}). Bei diesem Tit. 682 01 wollen wir eine Erhöhung der Zuschüsse an den zentralen Fonds zur Absatzförderung in Höhe von 10 Millionen DM. Zur Begründung darf ich ganz kurz folgendes bemerken. Durch die schwierigen, langwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Bemessungsgrundlage zum Fonds entstanden Zeitverzögerungen, und das beschwor die Situation herauf, daß die deutsche Landwirtschaft nunmehr - im Jahre 1971 - quasi zwei Jahresbeiträge auf einmal zu entrichten hat. Mit dieser Aufstockung wollen wir wenigstens einen Teil dieser Last mildern.
Viertens eine Bemerkung zu I Ziffer 9 des Antrags auf Umdruck 125 ({5}), nämlich zu Tit. 882 32! Hier handelt es sich um eine Verbesserung der Investitionsbeihilfen um 10 Millionen DM. Zur Begründung muß hier sicherlich nicht viel gesagt werden. Die starken Preissteigerungen insbesondere im Bereich der für das Wachstum der Einzelbetriebe notwendigen Investitionsgüter können bei der heutigen Ertragslage der Landwirtschaft einfach nicht verkraftet werden. Ich erinnere daran, daß bei all den unterschiedlichen Meinungen im Verlauf des öffentlichen Hearings im Ernährungsausschuß in einem Punkte alle Gutachter und Sachverständigen übereinstimmten. Sie waren nämlich der Meinung, daß bei der augenblicklichen Preis-Kosten-Situation, bei den augenblicklichen Steigerungsraten der Preise für Investitionsgüter nur mit Hilfe einer ganz erheblich verbesserten Förderung der Landwirtschaft dieser überhaupt weitere Investitionen zugemutet und von ihr verantwortet werden können. Die im Haushalt 1971 dafür vorgesehenen Mittel sind absolut unzureichend. Sie reichen für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe nicht aus.
Die Ziffer 10 unter I unseres Änderungsantrags Umdruck 125 ({6}) ist durch die vorausgegangene Abstimmung erledigt. Ich habe dazu keine weiteren Bemerkungen mehr zu machen.
Ich darf nunmehr aber ein. Wort zur Begründung des Deckungsvorschlags für unsere Anträge sagen. Was den haushaltstechnischen Teil betrifft, verweise ich auf die Ziffer 11 unseres Änderungsantrags Umdruck 125 ({7}) und auf den Teil II unseres Antrags zu Kap. 10 03 - Marktordnung - und die dort ausgebrachte Begründung.
Ergänzend darf ich dazu folgendes feststellen. Zumindest die Mitglieder des Haushaltsausschusses
kennen die Zusammenhänge zwischen Kap. 60 06
überstaatliche Zusammenschlüsse - und Kap.
10 03 - Marktordnung -. Kap. 10 03 enthält national zu finanzierende und international zu finanzierende Ausgaben. Die national zu finanzierenden
Ausgaben werden von Änderungen des Kap. 60 06
nicht berührt. Anders ist es mit den international zu finanzierenden Ausgaben. Hier ergeben sich allerdings Rückwirkungen nicht aus einer Änderung des Saldos, sondern aus der Änderung der von Brüssel zu erwartenden Rückflüsse, die nach dem Bedarf berechnet sind. Insofern handelt es sich um zwangsläufige, EG-rechtlich begründete Ausgaben. Die Rückflüsse sind in Kap. 60 06 Tit. 686 11 als Minderausgaben in Höhe von Mittelzuweisungen ausgewiesen. Wenn dieser Ansatz in Kap. 60 06 richtig berechnet ist, müssen ihm die international zu finanzierenden Ansätze für neue Maßnahmen in Kap. 10 03 zahlenmäßig voll entsprechen. Wenn also der Minderausgabentitel geändert wird, müssen sich die korrespondierenden Ansätze in Kap. 10 03 entsprechend ändern.
Im Haushaltsentwurf 1971 sind nun diese Rückflüsse in Kap. 60 06 um 343,4 Millionen DM herabgesetzt. Ist diese Veranschlagung richtig - davon muß nach den Aussagen der Bundesregierung ausgegangen werden -, dann müßten die Ansätze in Kap. 10 03 entsprechend herabgesetzt werden. Die Bundesregierung hat dies aber nicht getan. Sie hat dies auch nicht vorgeschlagen. Infolgedessen ergibt sich zwingend, daß in Kap. 10 03 eine Verfügungsmasse von 343,4 Millionen DM zur Verfügung steht.
In Anbetracht der Reduzierung des Agrarhaushalts 1971 gegenüber 1970, aber auch in Anbetracht der heute vielfach aufgezeigten, unbestrittenen, äußerst schwierig gewordenen wirtschaftlichen Situation in unserer einheimischen Landwirtschaft ist es nach unserer Auffassung nicht mehr als recht und billig, diesen Betrag in voller Höhe für die oben genannten Zwecke sofort im Haushaltsjahr 1971 zur Verfügung zu stellen. Ich weise noch einmal darauf hin: das Geld dafür ist da, es ist im Haushalt enthalten.
Aus diesem Grunde bitte ich die Koalitionsfraktionen dringend, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion ihre Zustimmung zu geben.
Ich stelle außerdem den Antrag auf namentliche Abstimmung.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete von Bülow.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Nerven des Plenums nicht länger mit Detailausführungen strapazieren.
Ich bitte Sie, den Antrag der CDU/CSU Umdruck 125 ({0}) abzulehnen. Auch wir sind der Meinung, daß durchaus im Laufe dieses Jahres Mittel aus den Marktordnungsausgaben erspart werden können und in den nationalen Bereich zur Verstärkung der Struktur und anderer Maßnahmen überführt werden können. Von 1960 bis 1969 unter den bisher von der CDU geführten Regierungen ist das nicht ein einziges Mal geschehen. 1970 sind zum erstenmal 200 Millionen DM an Einsparungen in den nationalen Bereich überführt worden. Wir warten darauf, daß möglicherweise auch in diesem Jahr wieder die Voraussetzungen hierfür gegeben sein werden.
Allerdings muß dazu gesagt werden, daß die ganzen EWG-Marktordnungsausgaben in einem Gesamtdeckungsverbund stehen. Dieser Deckungsverbund steht unter Risiken, ,die nur schwer im voraus abzuschätzen sind. So wissen wir nicht, wie die Ernte wird. Wir wissen nicht, welche Preise in Brüssel ausgehandelt werden, ob wir auf Grund der neuen Preise erhöhte Interventionsaufwendungen leisten müssen. Wir wissen nicht, ob sich die EG-Kommission mit ihrem Strukturprogramm durchsetzen wird. Ich halte es für falsch, jetzt schon der Landwirtschaft Versprechungen zu machen, die man möglicherweise auf Grund der Haushaltsrisiken nicht halten kann.
Wir sehen der Situation gelassen entgegen. Es gibt die Vorschrift des § 5 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes, wonach Einsparungen bei den Aufwendungen für Marktordnungen in Kap. 10 03 für Zwecke der nationalen Agrarpolitik verwandt werden können. Danach ist die Möglichkeit gegeben, Umschichtungen vorzunehmen, wenn sich Ersparnisse abzeichnen. Wir werden in den nächsten Monaten darüber diskutieren, heute aber unsere Zustimmung zu dem Antrag verweigern.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 125 ({0}).
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 125 ({1}) bekannt. Insgesamt wurden 446 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 205 Abgeordnete und 8 Berliner Kollegen, mit Nein 221 Abgeordnete und 12 Berliner Kollegen. Der Stimme enthalten haben sich keine Mitglieder des Hauses. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 427 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 205 und 8 Berliner Abgeordnete
Nein: 220 und 12 Berliner Abgeordnete
Enthalten : keine
Ungültig: 2 Abgeordnete
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein
Adorno
von Alten-Nordheim Dr. Althammer
Dr. Arnold
Dr. Bach
Baier
Balkenhol
Dr. Barzel
Dr. Becher ({2})
Dr. Becker ({3})
Becker ({4}) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge
Biechele
Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann
Blank
Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme Breidbach Bremer
Bremm
Brück ({5})
Dr. Burgbacher
Burger
Dr. Czaja Damm
van Delden Dichgans von Eckardt
Engelsberger
Erhard ({6}) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Freiherr von Fircks
Franke ({7})
Dr. Franz Dr. Freiwald
Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Gerlach ({8}) Gewandt
Gierenstein
Glüsing ({9})
Dr. Gölter Gottesleben
Dr. Gruhl
Freiherr von und zu Guttenberg
Haase ({10})
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser ({11}) Dr. Hauser ({12})
Dr. Heck
Hein ({13})
Frau Dr. Henze
Dr. Hermesdorf ({14}) Höcherl
Hösl
Horten
Dr. Hubrig Hussing Dr. Huys Frau Jacobi ({15})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley
Dr. Kliesing ({16}) Köster
Krammig Krampe Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Lemmrich
Lensing
Dr. Lenz ({17})
Lenzer Link
Dr. Luda
Lücke ({18})
Majonica
Dr. Martin
Dr. Marx ({19})
Dr. Mende
Mick
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Müller ({20})
Müller ({21})
Mursch Niegel Dr. von Nordenskjöld
Orgaß Ott
Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger
Dr. Pohle
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Probst
Rainer Rawe Reddemann
Dr. Riedl ({22})
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schlee Schedl Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt ({23}) Schmitt ({24})
Dr. h. c. Schmücker
Schneider ({25})
Dr. Schneider ({26})
Dr. Schober
Frau Schroeder ({27})
Dr. Schröder ({28}) Schröder ({29})
Schröder ({30}) Schulhoff
Schulte ({31})
Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Siemer
Solke Spilker
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark ({32})
Storm Strauß Struve Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar
Vogel
Vogt
Volmer
Wagner ({33})
Dr. Wagner ({34})
Frau Dr. Walz
Dr. Warnke Wawrzik
Weber ({35})
Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Windelen
Winkelheide
Wissebach Dr. Wörner Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel
Dr. Wulff Ziegler
Zink
Zoglmann
Berliner Abgeordnete
Amrehn Benda
Dr. Gradl
Dr. Kotowski
Müller ({36})
Frau Pieser Schmitz ({37})
Wohlrabe
Nein SPD
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt ({38})
Dr. Arndt ({39})
Baack
Baeuchle Bäuerle
Barche
Dr. Bardens Batz
Bauer
Dr. Bechert ({40}) Becker ({41})
Dr. Beermann
Behrendt Bergmann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Brandt
Brandt ({42})
Bredl
Brück ({43}) Brünen
Buchstaller
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet
Corterier Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler
Esters
Dr. Farthmann
Fiebig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke ({44})
Frehsee Frau Freyh
Fritsch Geiger Dr. Geßner
Glombig
Gnädinger
Grobecker
Dr. Haack
Haar ({45})
Haase ({46}) Haehser
Halfmeier
Hansen Hansing Hauck Dr. Hauff
Henke
Frau Herklotz
Herold Hirsch Höhmann ({47})
Hörmann ({48}) Hofmann
Horn
Frau Huber
Dr. Hupka
Jahn ({49})
Jaschke Junghans
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann
Krockert Kulawig Langebeck
Dr. Lauritzen
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Lotze
Maibaum Marquardt
Marx ({50})
Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke ({51}) Meinike ({52}) Metzger
Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller ({53})
Dr. Müller ({54}) Müller ({55})
Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann
Neumann
Dr. Nölling
Offergeld
Frau Dr. Orth
Pawelczyk Peiter
Pensky
Peters ({56})
Porzner
Raffert
Ravens
Dr. Reischl Frau Renger Rohde
Roß
Säckl
Sander
Dr. Schachtschabel
Dr. Schäfer ({57}) Frau Schanzenbach
Scheu
Dr. Schiller
Frau Schimschok
Schlaga
Dr. Schmid ({58}) Schmidt ({59}) Dr. Schmidt ({60}) Dr. Schmidt ({61}) Schmidt ({62}) Schmidt ({63}) Schmidt ({64})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle
Schollmeyer Schonhofen Schulte ({65})
Seibert
Seidel
Frau Seppi Simon
Dr. Slotta Dr. Sperling Spillecke
Staak ({66})
Frau Strobel Strohmayr Suck
Tallert
Dr. Tamblé Frau Dr. Timm
Tönjes
Urbaniak
Vit
Walkhoff
Dr. Weber ({67})
Wehner
Welslau
Wende
Wendt
Westphal
Dr. Wichert Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann
Wrede Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({68}) Bartsch
Heyen
Frau Krappe
Liehr
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Dr. Seume
Sieglerschmidt
Nein FDP
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Frau Funcke
Geldner Genscher Graaff
Grüner Helms
Jung
Kienbaum
Kirst
Kleinert Krall
Freiherr von Kühlmann-Stumm
Logemann
Mertes Mischnick Moersch 011esch
Peters ({69}) Schmidt ({70}) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Mit der Ablehnung über den Teil I des Antrags auf Umdruck 125 ({71}) entfällt die Abstimmung über den Teil II. Meine Damen und Herren, befinden wir uns hier in Übereinstimmung? - Das ist also in Ordnung.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 10.
({72})
- Ich habe mich doch wohl verhört. Es ist keine namentliche Abstimmung beantragt.
Wer dem Einzelplan 10, wie er sich jetzt nach den Ergebnissen der zweiten Beratung darstellt, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei 2 Stimmenthaltungen ist der Einzelplan 10 mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die Opposition angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Beratungen. Ich möchte das Haus nur noch darauf hinweisen - vielleicht wird das noch am Abend von den Fraktionsgeschäftsführern gebührend beachtet -, daß wir nach dem bisherigen Stand der Voranmeldungen für die zweite Beratung bereits bei Donnerstag, 2 Uhr, morgens, angekommen sind. Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie das im Hinblick auf die weiteren Beratungen berücksichtigten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 10. Februar, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.