Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Am heutigen Tage feiert der Abgeordnete Professor Dr. Erhard seinen 74. Geburtstag. Wir wünschen von Herzen Glück!
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Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat am 2. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gewandt, Frau Tübler, Lampersbach, Dr. Warnke und Genossen betr. kommunale Wohnungsvermittlungsbüros - Drucksache VI/1708 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/ 1802 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat am 3. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Dr. Kreile, Niegel, Biehle, Wagner ({1}) und Genossen betr. umsatzsteuerliche Behandlung der Aufwendungen für die Beförderung von Schülern auf dem Schulweg - Drucksache VI/1714 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V1/1803 verteilt.
Wir setzen die Beratung des Tagesordnungspunktes XVII fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 ({2})
- Drucksachen VI/ 1100, zu VI/ 1100, Ergänzung zu VI/ 1100
Berichte des Haushaltsausschusses ({3})
Ich rufe auf: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
- Drucksache VI/1736 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jenninger Abgeordneter Picard
in Verbindung mit
Einzelplan 36
Zivile Verteidigung
- Drucksache VI/ 1755 Berichterstatter: Abgeordneter Picard
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Zum Wort hat sich Herr Abgeordneter Benda gemeldet. Es sind 50 Minuten Redezeit beantragt.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte heute morgen kann und sollte, wie ich meine, an das anknüpfen, was mein Kollege Dr. Wörner gestern mit Recht und, wie ich glaube, in vorzüglicher Weise in den Mittelpunkt unserer Diskussion gestellt hat; denn das zentrale Thema des innenpolitischen Teils der gestrigen Debatte war die Frage nach den inneren Reformen, die vorzunehmen diese Bundesregierung angekündigt hat. Bei dieser Frage ist der Minister, dessen Haushalt heute vormittag und wahrscheinlich auch noch heute nachmittag behandelt wird, natürlich eine zentrale Figur. Das ergibt sich aus seiner amtlichen Stellung, aus seiner Ressortzuständigkeit, das ergibt sich ganz gewiß auch aus der Person des derzeitigen Amtsinhabers.
Ich habe bereits in der Haushaltsdebatte vor einem Jahr gesagt, daß der Minister Genscher nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß Zustandekommen oder Fortbestand dieser Regierungskoalition entfiele: die Conditio sine qua non dieser Koalition. Von der Funktion her ist offensichtlich, daß die Zuständigkeit des Innenministers in die Bereiche anderer Ressorts übergreift, schon deswegen, weil er Verfassungsminister ist. Sie greift nicht nur in den Bereich der Außenpolitik über, sondern auch in den der Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Wir haben uns, Herr Minister Genscher, hier vor einem Jahr über Ihren Haushalt unterhalten. Sie werden sich erinnern, daß die Fraktion der CDU/ CSU damals mit einer Reihe von Bemerkungen, die vorzutragen ich die Ehre hatte, Ihrem Haushalt zugestimmt hat. Vor uns steht die Frage, ob wir dieses Urteil noch aufrechterhalten können.
Zunächst ein Blick nach draußen. In ,der Öffentlichkeit wird Herr Minister Genscher zunehmend als der Bremser der linksliberalen Regierungskoalition charakterisiert, auch karikiert. Die Partei, die sich als treibende Kraft im Wahlkampf vorgestellt hat, hat die geballte Wucht ihrer ganzen 5,8 % in das Bremserhäuschen verlegt und drückt und drückt,
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ohne Qualen, Herr Genscher, aber auch ohne „Qualen". - Ich nehme an, Sie haben es kapiert, die anderen vielleicht nicht.
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- Er hat es kapiert, und das reicht mir aus.
Nun lasse ich also offen, ob diese pauschale Bezeichnung „Bremser der Koalition" so zutrifft. Sie ist um eines Tatbestandes willen - er klang gestern immer wieder an - von Bedeutung. Diese Regierung beruht auf einem weitgehenden Consensus über Außen- und Deutschlandpolitik. Sie beruht nicht auf einer Übereinstimmung auf dem Gebiet der Innenpolitik im weitesten Sinne. Dies bei einer Regierung, die sich selbst als die Regierung innerer Reformen bezeichnet!
Ich finde es bemerkens- und begrüßenswert, daß der Bundesminister des Innern sowohl in der Frage des taktischen Vorgehens in der Ostpolitik als auch in der Frage der verfassungsrechtlichen Problematik der Ostverträge über deren Problematik nicht so leichtfüßig hinweggeht, wie es Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen tun.
Ich möchte auch wiederaufnehmen und dem zustimmen, was mein Kollege Dr. Barzel in der Debatte über den Bericht zur Lage der Nation anerkennend hervorgehoben hat, nämlich den Punkt, bei ,dem sich Herr Minister Genscher hinsichtlich der Änderung des Soldateneids in einer klaren, unmißverständlichen und, wie wir glauben, richtigen Weise verhalten hat. Die Bemerkungen, die der Verteidigungsminister in der Debatte zu diesem Thema gemacht hat, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Tatbestand, wie er seinerzeit in der Tageszeitung „Die Welt" mitgeteilt worden ist, bis zum heutigen Tage nicht dementiert und im übrigen Punkt für Punkt zutreffend wiedergegeben worden ist, wie niemand, der die Vorgänge kennt, ernsthaft wird bestreiten können.
Einige Bemerkungen zur Verfassungspolitik. Das vorige Jahr stand im Zeichen einer Fülle von verfassungsändernden Gesetzesvorlagen, die jeweils Teilbereiche des Verfassungsrechts betrafen. Wir haben bisher insgesamt sieben Grundgesetzänderungen in diesem Hause zum Teil verabschiedet; zum Teil befinden sie sich noch in parlamentarischer Beratung. Stichworte wie Wahlalter, Hochschulbauförderung, Petitionsausschuß, Besoldungsrecht, Tierschutz und anderes kennzeichnen die Materien, die Ihnen ja alle bekannt sind. Dazu darf ich den Standpunkt meiner politischen Freunde hier noch einmal zusammenfassend wie folgt darstellen.
Notwendig ist, zu einem verfassungspolitischen Gesamtkonzept zu kommen. Wir heben hervor, daß sich die auf dem Grundgesetz errichtete freiheitlichdemokratische Staatsordnung in den über 20 Jahren ihres Bestehens bewährt hat. Zugleich sagen wir, daß die raschen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in ihren Auswirkungen auf unsere Verfassungsordnung nicht übersehen werden können und sollten. Tiefgreifende Umwälzungen in wirtschaftlich-technischen, politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und Zusammenhängen müssen natürlich auch in der Verfassungsordnung berücksichtigt werden, weil es sonst untragbare Spannungen zwischen Verfassungsordnung und Verfassungswirklichkeit geben könnte.
Nach diesem Stand der Meinungen sind nach unserer Auffassung eine Überprüfung und eine Bestandsaufnahme notwendig, nicht eine Gesamtrevision. Das heißt, die Sache muß überdacht werden, und, soweit erforderlich - Herr Kollege Schäfer, ich freue mich über die Übereinstimmung in der prinzipiellen Frage , muß eine Anpassung oder Verbesserung des Grundgesetzes vorgenommen werden, um seine Kraft und Geltung ungebrochen zu bewahren.
Meine Fraktion hat diesem Hause vor geraumer Zeit vorgeschlagen, eine Enquetekommission zur Verfassungsreform einzusetzen. Da es sich um ein Minderheitsrecht handelt, mußte dem Antrag stattgegeben werden und ist ihm auch stattgegeben worden, wohl auch deswegen, weil wir, was ich begrüße, in der Sache übereinstimmten. Auf unsere Initiative ist diese Enquetekommission also eingesetzt worden, und zwar mit dem umfassenden Auftrag, zu prüfen, ob und inwieweit es erforderlich ist, das Grundgesetz gegenwärtigen und künftigen Erfordernissen unter Wahrung seiner Grundprinzipien anzupassen.
Wir bemerken kritisch - aber dies geht nicht an Ihre Adresse, Herr Minister Genscher, denn das Parlament hat auf unseren Vorschlag hin diese Sache in die Hand genommen; es geht also nicht gegen Sie -, daß wir sofort nach Beschlußfassung in diesem Hause, d. h, seit geraumer Zeit, seit vorigem Herbst, unsere Vertreter für diese Kommission benannt haben. Vor kürzerer Zeit ist dies auch in der FDP-Fraktion geschehen. Die Benennung der Kollegen der SPD steht, wenn dies nicht in den letzten drei Tagen geschehen sein sollte, meiner Kenntnis nach bis zum heutigen Tage noch aus. Ich habe den Eindruck, daß insoweit der Reformwille der großen „Reformpartei" begrenzt ist, jedenfalls aber von parteitaktischen Erwägungen abhängig gemacht wird.
Zweiter Punkt zum Thema der Verfassungsreform. Nach unserer Auffassung sind im Hinblick auf die Arbeiten der Enquetekommission vorgreifende Grundgesetzänderungen, also vor Durchführung und Abschluß dieser Arbeit, nur dann vertretbar, wenn sie zur Lösung eines dringenden Problems unbedingt notwendig sind. Wir beachten dabei sehr wohl, daß in der Rede von Herrn Wehner auf dem Kongreß der Jungsozialisten in Bremen, die wir ja gestern schon mehrfach, auch von Herrn Kollegen Wehner, zitiert bekommen haben,
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ein Satz enthalten ist, den man doch noch einmal zitieren und sorgfältig überdenken sollte.
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- Herr Hermsdorf, ich glaube, Sie werden nicht ohne die Jungsozialisten pleite gehen, sondern vielmehr mit ihnen!
In dieser Rede von Herrn Wehner ist der Satz enthalten, daß die heutige Bundesregierung möglichst viel tun muß, was irreversibel ist, bevor sie abtreten muß. Dieser Satz ist bemerkenswert. Er erklärt die Eile, die zu dem einschlägigen Thema gelegentlich an den Tag gelegt wird. Um so mehr bestehen wir darauf, daß uns konkret und im einzelnen, und zwar durch Vorlage entsprechender Gesetzentwürfe, die sachliche Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung hier in diesem Hause und in den Ausschüssen nachgewiesen und über den Inhalt der zu erlassenden Gesetze mit der CDU/CSU eine Verständigung herbeigeführt wird.
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Wenn Sie dann an die Gesamtverantwortung des Hauses appellieren, bedarf es bei uns „einer mikroskopischen Prüfung, um festzustellen, was Sie eigentlich damit meinen. Dann bedarf es für unsere Überlegungen der Verstärkung, damit wir die Neben- und Untertöne heraushören. Wir werden dabei aufpassen müssen, daß wir nicht, wie man so sagt, im täglichen Leben hereingelegt werden".
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- Ich habe soeben zitiert, was Herr Abgeordneter Wehner - und d e r hat ja wohl die Angst gehabt, Herr Kollege Schäfer - im November 1965 in diesem Hause zum Thema der Zustimmung der damaligen Opposition zu Verfassungsänderungen gesagt hat. Das ist ein treffliches Rezept, an das wir uns zu halten gedenken.
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU ist bereit, an notwendigen inneren Reformen mitzuwirken. Sie besteht dabei darauf, daß sie auch mitbestimmen kann. Sie wird, soweit es um Grundgesetzänderungen geht, der gegenwärtigen Regierung keinen Blankoscheck ausstellen, schon gar keinen, der vielleicht der Vorbereitung sozialistischer Gesellschaftsmodelle dienen kann.
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Diese Bemerkung ist deswegen nicht überflüssig - wir reden ja über den Haushalt des Bundesministers des Innern -, weil dieser doch wohl nicht nur aus Mangel an anderweitiger Beschäftigung in „Christ und Welt" am 13. November 1970 geschrieben hat - dem stimmen wir zu -:
Sozialismus ist eben nicht Fortschritt, sondern Rückfall in die Denkkategorien des 19. Jahrhunderts.
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Ich freue mich über die Übereinstimmung, die insoweit zwar nicht innerhalb der Koalition - das ist nichts Neues - besteht, aber jedenfalls zwischen dem, was Herr Genscher im November geschrieben hat, und dem, was mein Kollege Dr. Wörner gestern hier gesagt hat. Es gibt also eine bemerkenswerte Übereinstimmung in diesem Punkte.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht viel Zeit aufwenden, um hier eine Art Stilkritik - Herr
Kollege Genscher - vorzunehmen. Vielleicht genügen ein paar zarte Andeutungen zu dem, was ich eigentlich meine.
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- Herr Wehner, Sie haben ja noch gar nicht gehört, was ich nun sagen will. Aber in der Tat könnte man alles noch drastischer sagen.
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Herr Minister Genscher zeichnet sich - wie übrigens andere in dieser 'Regierung auch - durch eine Vielzahl von Ankündigungen, meist mit sehr großen und starken Worten, durch eine gewisse Neigung zur bombastischen Ausdrucksweise aus. Das ist nun eine Frage des Stils, die ich nicht im Detail kommentieren will, wie ich gesagt habe. Nur ist politisch von Bedeutung, daß das Bestreben dahintersteckt, den Eindruck zu erwecken, als könnten Probleme, die seit Jahrzehnten bestehen, plötzlich durch ein energisches Zupacken, durch einen verbal immer wieder demonstrierten Willen zur Tat gelöst werden nach dem Motto „Genscher kommt, und alles, alles wird sich wenden".
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Auch das Kommen geschieht meistens in dramatischer Weise. Die Niederkunft mit dem Hubschrauber ist ein beliebtes Stilmittel.
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So kann man beobachten, daß der Hubschrauber - den ich Ihnen, Herr Genscher, im übrigen herzlich gönne - weniger ein Verkehrsmittel als ein Statussymbol des Bundesministers des Innern darstellt.
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Zu den wichtigeren Bereichen des Innenressorts einige Detailbemerkungen. Zunächst zum Thema „Organisation der Bundesregierung". In der Regierung der Großen Koalition hat es bereits eine Projektgruppe zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung gegeben. Dieses Gremium ist durch Kabinettsbeschluß vom Oktober und November 1969 wiedererrichtet worden. Der Auftrag lautet - ich zitiere -:
... umgehend die erforderlichen Untersuchungen und die Vorbereitungen für umfassende Reformvorschläge mit dem Ziel zu veranlassen, bessere personelle und organisatorische Voraussetzungen für die Ausarbeitung und erfolgreiche Durchführung einer politischen Gesamtkonzeption zu schaffen.
Ich muß mit Bedauern feststellen, daß es um die Arbeiten dieser Projektgruppe merkwürdig still geworden ist. Ein Bericht ist bisher nicht veröffentlicht worden, obwohl seit geraumer Zeit zwei Berichte vorliegen. Warum eigentlich nicht, Herr Minister Genscher? Ich darf auch an die Verantwortung von Herrn Minister Ehmke auf diesem Gebiet erinnern, der sich ja in der Regierung der Großen Koa5376
lition in sehr energischer Weise um Mitwirkung in diesem zweifellos wichtigen Bereich bemühte. Vielleicht hat er jetzt nicht mehr die Zeit, vielleicht auch kein Interesse mehr, sich mit diesen Dingen zu befassen. Aber wenn es schon richtig ist, was der „Spiegel" in dieser Woche schreibt, nämlich daß Herr Ehmke „seine politischen Mißerfolge mit purer Geschäftigkeit kompensiert", dann würde dies zwar nicht hinreichen, die Arbeiten der Projektgruppe inhaltlich zu befruchten, ihnen vielleicht aber doch wenigstens einen Impetus im Verfahren geben.
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Im Augenblick habe ich den Eindruck - dies ist gewiß kein Vorwurf gegen die, wie ich glaube, sehr qualifizierten, sehr fleißigen, sehr bemühten Beamten aus allen Ressorts in dieser Projektgruppe -, daß die Effizienz der Projektgruppe zur Regierungs-
und Verwaltungsreform etwa auf dem Status eines Studentenparlaments angelangt ist. Das liegt - ich wiederhole es - nicht an den Beamten, sondern an denjenigen, die Richtlinien, Weisung und Impulse für diese Arbeit zu geben haben. Der einschlägige Kabinettsausschuß, dessen geschäftsführender Vorsitzender der Bundesminister des Innern ist, hat bisher, wenn ich nicht falsch unterrichtet bin, erst zweimal getagt, wobei der Zeitpunkt der Konstituierung - in der ersten Sitzung passierte nichts weiter als die Konstituierung - einberechnet ist.
Zum Thema „öffentliche Sicherheit, Polizeiwesen und Verbrechensbekämpfung" möchte ich jetzt nur ganz wenige Bemerkungen machen, weil es vor nicht langer Zeit in diesem Hohen Hause auf Grund einer Großen Anfrage meiner Fraktion diskutiert worden ist. Ich erinnere daran, daß das in der Regierungserklärung angekündigte Sofortprogramm zur Verbrechensbekämpfung erst im Eilverfahren vom Bundesinnenministerium aufgestellt wurde, nachdem wir im Ältestenrat auf die Behandlung unserer Anfrage gedrängt hatten. Auf diese Weise konnte das Reformprogramm dem Parlament vor der Debatte auch erst sehr kurzfristig und nach unserer Meinung nicht rechtzeitig zugeleitet werden. Ich wiederhole nochmals, daß personelle, organisatorische und technische Reformen und Neuerungen bei der Polizei dringend notwendig sind. Ich rede heute - aus den Ihnen bekannten Gründen - nicht materiell über die Besoldungsfragen. Ich nehme an, daß wir uns darüber einig sind, daß die Erörterung der Besoldungsfragen jener Gruppe, die gegenwärtig sehr intensiv und, wie ich hoffe, erfolgreich damit befaßt ist, überlassen werden sollte. Ich will mich inhaltlich also nicht dazu äußern.
Eine kurze Bemerkung zum Thema der einheitlichen technischen Ausrüstung der Polizei. Am 13. Dezember hat hier in Bonn-Beuel eine Veranstaltung der Aktion Widerstand stattgefunden. Es gab auch einen entsprechenden Polizeieinsatz. Der „Bonner General-Anzeiger" berichtete am darauffolgenden Tage, am 14. Dezember - gestatten Sie mir ein kurzes Zitat; es beleuchtet die Situation -:
Beide Gruppen
- nämlich die Demonstranten der einen wie der anderen Seite waren auf etwa 100 m durch Absperrgitter, Stacheldraht und Polizeikordon voneinander getrennt. Diese Trennung verlief nicht ganz reibungslos, denn es dauerte lange, bis sich die Verständigung zwischen einzelnen Polizeiabteilungen eingespielt hatte.
Jetzt kommt der entscheidende Satz:
Da die Ordnungshüter zum Teil mit verschiedenen Funk- und Fernsprechgeräten ausgerüstet waren, kam es vor, daß Einsatzleiter mit drei Funksprechgeräten zugleich durch die Gegend liefen.
Das ist genau der Punkt, den wir in der Debatte über die Verbrechensbekämpfung hier angesprochen haben. Wir haben in der entsprechenden Ziffer des Entschließungsantrags hierzu eine Bemerkung gemacht, und wir hoffen, daß man in dieser Frage weiterkommt. Da Herr Minister Genscher, ebenso wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Innenminister Weyer, die Vorgänge vom ersten Stock eines Gebäudes aus beobachten konnte und da sich Herr Genscher zweifellos ständig über die Entwicklung unterrichten ließ, hoffe ich, daß diese Herren in der Lage sein werden, aus der babylonischen Funksprechverwirrung der nordrhein-westfälischen Polizei möglichst umgehend praktische Konsequenzen zu ziehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich am Rande bemerken, daß ich es begrüße, daß die bayerische Staatsregierung sich entschlossen hat, die kommunale Polizei schrittweise zu verstaatlichen. Herr Schäfer, ich erinnere an die Diskussion im Innenausschuß zu diesem Thema. Baden-Württemberg hat nur noch in wenigen Großstädten eine kommunale Polizei. Auch auf diesem Gebiet liegt Hessen mit der größten Zahl kommunaler Polizeibeamten nach wie vor hinten.
Eine letzte Bemerkung zu diesem Sachkomplex. Herr Minister Genscher, ich komme zurück auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion betreffend die Untätigkeit der Frankfurter Polizei bei der Besetzung leerstehender Häuser. Ich sage ganz deutlich, die Antwort des Bundesinnenministers auf diese Kleine Anfrage verdient die schärfste Kritik. In dieser Antwort hat nach meiner Erinnerung erstmals ein Bundesminister des Innern seine Gesamtverantwortung für die öffentliche Sicherheit in Abrede gestellt. Es ging um die für unsere innere Ordnung so bedeutsame Frage, ob ein Polizeipräsident Hauseigentümer auf Selbsthilfe verweisen und ihnen raten darf, ihr Grundstück notfalls mit Stacheldraht zu umgeben. Eine solche Aufforderung zur Selbsthilfe muß, konsequent befolgt, zu schwersten Störungen des Rechtsfriedens führen.
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Dieser entscheidenden Frage ist der Bundesminister des Innern ausgewichen, obwohl er sich und seine Partei noch im hessischen Landtagswahlkampf als Garanten von Marktwirtschaft und Freiheit des Eigentums vorgestellt hat. Vergleichen Sie den bereits erwähnten Artikel in „Christ und Welt" vom 13. November 1970. Und um den Vorgang zu krönen: Für diese geradezu blamable Beantwortung
brauchte der Bundesminister dann noch eine Fristverlängerung; er benötigte für die Antwort fast auf den Tag genau zwei Monate. Herr Genscher, eine so kümmerliche Antwort hätten Sie, wenn ich die Schwierigkeiten in der Bürokratie einbeziehe, in maximal zwei Tagen erarbeiten können.
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Ich komme nun zum Thema Bundesgrenzschutz. Wir unterstützen nach wie vor die Notwendigkeit nicht nur des Bestehens, sondern auch des Ausbaus dieser vorzüglichen Polizeitruppe des Bundes.
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Wir begrüßen und unterstützen die Initiative unserer Kollegin Frau Tübler, die dieses Thema dankenswerterweise im Innenausschuß des Deutschen Bundestages aufgegriffen hat. Wir begrüßen, daß der Haushaltsplan 1971 insoweit eine Verstärkung der Haushaltsmittel vorsieht.
Wie notwendig der Bundesgrenzschutz auch gegenwärtig ist, ergibt sich aus dem Bericht über die Lage an der Zonengrenze. Herr Kollege Barzel ist in anderem Zusammenhang vor einigen Tagen darauf eingegangen. In der Zeitschrift „Die Parole", die in Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium herausgegeben wird, steht an einer Stelle, daß von der auf politischem Gebiet erstrebten Entspannung an der Demarkationslinie nichts zu spüren ist, daß im Gegenteil fast eine Verhärtung in der Verhaltensweise der DDR-Grenzsicherheitsorgane festzustellen ist:
In der Verhaltensweise der Grenztruppenangehörigen, insbesondere der Offiziere, zeichnete sich gerade nach den innerdeutschen Gesprächen in Erfurt und Kassel eine deutliche Verhärtung ab.
So weit das Zitat aus der „Parole". Auch diese Hinweise gehören - Herr Barzel hat ja darauf hingewiesen - zur Lage der Nation im geteilten Deutschland.
Ich darf also feststellen, Herr Minister Genscher, daß wir in der Sachfrage einer Meinung sind. Ich würde es - wenn ich das Wort noch einmal aufgreifen darf - nicht ganz so bombastisch sagen, wie Sie es tun. Wie war es auf Bühlerhöhe? - Wer die Hand an den Bundesgrenzschutz legt - ich bin versucht fortzufahren , dem möge sie verdorren! In Wirklichkeit hat ja niemand die Hand an den Bundesgrenzschutz gelegt, sondern nur den Mund; wenn der in dem Zusammenhang auch freilich ziemlich groß war. Davon, finde ich, sollte man sich nicht übermäßig irritieren lassen. Es besteht, wie ich sehe, eine breite Einigkeit - und das ist sehr erfreulich - in der Frage der Notwendigkeit des Bundesgrenzschutzes ganz gewiß in diesem Hause, und ich möchte meinen: in allen Fraktionen. Ich finde, es ist nicht notwendig, daß man immer wieder diese Einzeläußerung, die wohl eine Einzeläußerung bleiben wird, zum Anlaß immer wiederholter Beteuerungen nimmt. Es ist selbstverständlich, daß in der Lage des Bundesgrenzschutzes, wenn etwas geändert wird, eine Verbesserung, aber keine Verschlechterung eintreten wird.
Zum Thema Staatsschutz möchte ich eine Aussage des Bundesverfassungsgerichts aus seiner kürzlichen Entscheidung zu Art. 10 GG - Telefonabhören - in Erinnerung rufen. Ich zitiere das Bundesverfassungsgericht:
Im vorliegenden Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, daß die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland sich für die streitbare Demokratie entschieden hat. Sie nimmt einen Mißbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche Ordnung nicht hin. Verfassungsfeinde sollten nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen.
So vor ganz wenigen Wochen das Bundesverfassungsgericht - eine Aussage, der man vollinhaltlich und, wie ich hoffe, überall in diesem Hause zustimmen kann und zustimmen sollte. Aber ich habe den Eindruck, daß die Idee der streitbaren Demokratie, die dahintersteckt, in der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr den Stellenwert besitzt, wie dies von den Vätern des Grundgesetzes beabsichtigt war. Das erneute Bekenntnis des Bundesverfassungsgerichts hierzu ist daher um so wichtiger. Meine Fraktion mißt der Sicherung unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung eine ganze besondere Bedeutung zu. Wir werden daher im Rahmen dieser Debatte dieses Thema ausführlich behandeln. Mein Kollege Dr. Mildner wird unsere Gedanken, auch unsere Sorgen, zu diesem Thema im Laufe der Debatte noch ausführlich vortragen; ich will dem nicht vorgreifen.
Ich möchte mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß die bisherige Nichtveröffentlichung des Jahresberichts 1969 - 1969! - des Bundesamts für Verfassungsschutz, die zu Beginn des Vorjahres, also vor einem Jahr, fällig gewesen wäre, ein höchst bedauerlicher Tatbestand ist.
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Das ist meiner Erinnerung nach der erste Fall, daß der Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht innerhalb der ersten Monate des darauffolgenden Jahres veröffentlicht worden ist.
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Interessant ist dabei, daß es um einen Berichtszeitraum geht, der im wesentlichen unter die Verantwortung der vorigen Regierung fällt, über den aber nun die gegenwärtige Regierung zu berichten hat. Das führt zu der Frage, ob vielleicht die Erkenntnisse des Bundesamtes aus dem vorigen Zeitraum nicht in das politische Konzept der Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitraum hineinpassen. Hierzu wäre ein Aufklärung, Herr Minister Genscher, von hohem Wert, zumal da Sie in Ihrer Rede zum 20jährigen Bestehen des Bundesamtes erklärt haben - ich darf Sie zitieren -:
Ich halte nichts von der Theorie, daß man das Image eines Nachrichtendienstes dadurch erhöht, daß man auch Dinge geheimhält, die jeder ohne Schaden wissen kann. Das geht meist nur
so lange gut, bis das Mißtrauen der Öffentlichkeit das ganze Image des Geheimnisvollen zerstört.
Ich möchte meinen, daß Theorie und Praxis hier besser in Einklang gebracht werden könnten.
Wir sind vor allem auch sehr gespannt auf die Veröffentlichung des Jahresberichts 1970, die wohl in nächster Zeit erfolgen soll; wir haben Februar. Wir würden uns besonders freuen, wenn dieser Bericht auch etwas Näheres über den vom Bundeskanzler festgestellten - ich zitiere den Bundeskanzler - großangelegten Versuch einer rechten außerparlamentarischen Opposition enthielte. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz werden diese wichtigen Vorgänge ja sicherlich bekannt sein, wenn es sie geben sollte. Dies ist auch so ein bombastisches Wort, wie wir es von Mitgliedern dieser Regierung so oft zu hören bekommen.
Zum Thema öffentliches Dienstrecht möchte ich im Sinne meiner Bemerkungen, die ich in anderem Zusammenhang gemacht habe, wenig Inhaltliches sagen.
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In diesem Bereich gilt, wie mir scheint, der biblische Satz: Am Anfang war das Wort.
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Die Monatszeitung des Deutschen Beamtenbundes „Der Beamtenbund" hat, wie es ihre Aufgabe ist, regelmäßig über die Aktivitäten des Bundesinnenministers berichtet. Es ist ganz reizvoll, einmal die Überschriften des Januar und des November 1970 zu vergleichen. Im Januar zunächst Herr Genscher ganz großartig:
Die Bundesregierung wird sich auch im kommenden Jahr ihrer Verantwortung für den öffentlichen Dienst bewußt sein. Es gehört zur Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht, die Teilnahme des öffentlichen Dienstes an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung sicherzustellen.
In diesen Ausführungen fehlt natürlich auch nicht die Leerformel von den fühlbaren Besoldungsverbesserungen. Das hat der Beamtenbund begrüßt. Zeitschrift „Der Beamtenbund", Januar 1970. Da war ein Bundesinnenminister, der sich nicht scheute, noch vor der Abgabe der Regierungserklärung in einem Gespräch mit dieser Zeitung zu aktuellen Fragen des öffentlichen Dienstes Profil zu gewinnen. Herzlichen Glückwunsch, Herr Genscher! - Schlagzeile der Zeitschrift im November 1970: „Bundesregierung noch ohne Besoldungskonzept; Vertrauensvorschuß leichtfertig aufs Spiel gesetzt; erstes Dienstjahr für öffentlichen Dienst enttäuschend". Herzliches Beileid, Herr Minister Genscher! Aber diesmal wohlverdient.
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Wie war der Vorgang? Der Innenausschuß hat am 29. April 1970 das Innenministerium einmütig beauftragt, bis zum 1. Oktober 1970 eine Gesamtkonzeption für die Neuordnung des Besoldungsrechts vorzulegen. Der Termin wurde nicht eingehalten. Statt dessen hat die Bundesregierung unmittelbar vor Beginn der parlamentarischen Weihnachtspause Mitte Dezember 1970 einen völlig unzulänglichen Entwurf vorgelegt. Der Hintergrund des Vorgangs erklärt sich schlicht aus der Tatsache, daß der Bundesminister des Innern mit seinem Vorentwurf eines Dritten Besoldungsneuregelungsgesetzes auf die Nase gefallen ist. Diese Vorgänge sind dem Hohen Hause in frischer Erinnerung, und ich brauche das Thema nicht weiter zu vertiefen.
Aber in diesem Zusammenhing noch einige Bemerkungen zum Verfahren. Vor längerer Zeit ist von diesem Hause ein Auftrag gegeben worden, durch ein Gutachten die tatsächliche Höhe des Besoldungsrückstands festzustellen. Auch dies konnte nicht rechtzeitig zum Jahresende 1970 vorgelegt werden, obwohl gerade diese Feststellungen für die gegenwärtig in Beratung befindliche Neuordnung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern zwingend notwendig wären.
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- Ich rede über den Rückstand bei der Erfüllung dieses Auftrags durch die Bundesregierung. Die Entwicklung, den Inhalt dieses Berichts, Herr Kollege Arndt, wollen wir gerade erst wissen. Es ist der Sinn dieses Berichts, uns eine verläßliche Grundlage an Stelle der von Ihnen eben in diesem Zusammenhang im Lande wieder ausgestreuten Parolen zu liefern. Wir wollen keine Parolen hören, sondern die Fakten haben, mit denen man sich konkret auseinandersetzen kann.
({23}) Ihre Parolen hier sind nicht hilfreich.
Ich wiederhole, das ist ein Auftrag an eine Treuhandgesellschaft. Es kann billigerweise nicht dem Bundesminister des Innern abverlangt werden. Er kann diese Arbeit natürlich weder persönlich noch durch sein Haus tun, weil es ja gerade eine unabhängige Stelle sein soll. Aber bedauerlich bleibt es. Noch bedauerlicher ist, daß statt dessen in der Bundesregierung offensichtlich interne Papiere über den gleichen Vorgang kursieren, nämlich über die Höhe des Besoldungsrückstandes. Herr Minister, wir werden heute mittag in der Fragestunde, wie ich annehme, das Vergnügen haben, uns speziell über dieses Thema zu unterrichten. Jedenfalls ist eine einschlägige Frage, die heute aufgerufen wird, von mir eingebracht worden.
Noch in der vorigen Wahlperiode - am 4. Juni 1969 - hat dieses Haus die Bundesregierung aufgefordert, einen Härtebericht zum Thema „Gesetz zu Artikel 131 GG" vorzulegen. Großzügig wie immer hat der Bundesinnenminister Genscher unmittelbar nach Amtsantritt erklärt: Das brauchen wir nicht zum vorgeschlagenen Termin - Jahresende 1970 - zu machen, ich bringe das bis zum Herbst heraus. Ich glaube, Sie haben Oktober gesagt.
Das war ein Wort, und wir haben uns mit Vergnügen darauf gefreut. Im Herbst kam aber nichts. Als der Termin ablief, den dieses Haus gesetzt hat - 31. Dezember 1970 -, kam aber auch nichts. Es kam auch nicht eine Erklärung oder Entschuldigung, warum nichts kam. Es kam schlicht nichts.
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 97. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 4. Februar 1971 5379
Mehrere Kollegen - auch aus der Fraktion der SPD - brachten dann vor wenigen Tagen eine Anfrage in diesem Hause ein. Daraufhin haben wir gehört: Am 18. Januar 1971 ist der Bericht, der zum 1. Januar 1971 in diesem Hause vorgelegt werden sollte, der Bundesregierung zur Beschlußfassung zugeleitet worden. Uns interessiert gar nicht, wieviel Zeit die Bundesregierung intern braucht, sich darüber zu verständigen. Uns interessiert, ob der Bundesminister des Innern in der Lage und bereit ist, seine Berichte fristgerecht vorzulegen,
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zumal wenn er vorher großspurig und großzügig verkündet, er werde diese Frist nicht nur einhalten, sondern sie sogar unterschreiten.
Der Härtebericht duldet in der Sache auch keinen Aufschub; denn der betroffene Personenkreis stirbt aus. Hier arbeitet die Zeit gegen die ehemaligen Beamten, um deren Interessen und Lage es geht, und sie arbeitet für den Fiskus. Allein die bisher dargestellten drei Fristversäumnisse stellen nach meiner Auffassung eine nicht hinreichende Achtung der parlamentarischen Rechte dar.
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Ich muß im Detail auf einen Vorgang zurückkommen, der von größerer prinzipieller Bedeutung auch gerade für dieses Haus ist. Bereits vor längerer Zeit hat dieses Haus die Frage erörtert, ob es nicht endlich an der Zeit ist, dem Parlament Gesetzentwürfe der Bundesregierung spätestens zu dem Zeitpunkt zuzuleiten, in dem die interessierten und beteiligten Verbände sie auch bekommen. Auf Grund von interfraktionellen Anträgen hat der zuständige Ausschuß einen Bericht darüber vorgelegt. Es ist nicht ohne Interesse, daß der Berichterstatter des einschlägigen Teils der Herr Abgeordnete Genscher war, der damals unter dem Beifall des Hauses vorgeschlagen hat, die Regierung zu veranlassen, daß endlich das geschieht, was übrigens bereits seit mehreren Jahren Bestandteil des § 25 des zweiten Teils der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist, nach meiner Auffassung nach heutigem Recht also bereits möglich ist.
Am 13. Januar 1970 habe ich persönlich an den Bundesinnenminister einen einschlägigen Brief geschrieben. Herr Genscher, Ihr Haus hat mir später mitgeteilt, der Brief sei dort nicht eingetroffen. Ich erwähne, daß ich ihn geschrieben habe. Ich unterstelle, daß dort ein Irrläufer gewesen ist. Ich möchte daraus nicht irgendwelche Vorwürfe herleiten. Da ist irgend etwas in Ihrer oder in meiner Bürokratie - Ihre ist größer als meine; deswegen ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß es bei Ihnen war - schiefgelaufen. Das ist kein Gegenstand der Diskussion.
Im März habe ich dann diesen Vorgang moniert. Daraufhin ist mir gesagt worden, der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dorn würde mit mir darüber sprechen. Das ist auch geschehen, und zwar am 4. Juni 1970. Am 4. Juni 1970 hat mir Herr Dorn mitgeteilt, es würde nunmehr so verfahren werden, daß die Referentenentwürfe dem Bundestag, nämlich der Verwaltung, zugeleitet würden; ich glaube,
auf Grund der Bestimmung des § 25. Damit sei das Petitum, das ja in unser aller Interesse liege, nunmehr erledigt.
Einige Wochen später bekam ich auf meine Rückfrage bei der Bundestagsverwaltung, ob das der Fall sei, die Mitteilung -- ich habe den ganzen Vorgang hier -: Das ist nicht der Fall, wir bekommen keine Entwürfe.
Ich habe daraufhin - nun muß ich bitten, auf die Daten zu achten - am 1. Juli den Bundesminister des Innern erneut angeschrieben und ihn um Aufklärung gebeten, was da los sei. Bis zum 18. September habe ich auf diesen Brief nicht den geringsten Mucks gehört.
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Am 18. September habe ich diesen Brief angemahnt. Darauf habe ich eine klassische Antwort - nicht am 18. September, sondern am 5. Oktober - erhalten, von Herrn Genscher unterschrieben, dessen ersten und zweiten Satz ich an die Öffentlichkeit bringen möchte:
Ich bedauere sehr, daß bei Ihnen der Eindruck einer säumigen Bearbeitung Ihrer Anliegen entstanden ist. Als Ihr Schreiben vom 18. September zu der Frage der Übersendung von Referentenentwürfen bei mir einging, lag mir eine Antwort auf Ihren Brief vom 1. Juli 1970 zur Unterzeichnung vor.
Herr Genscher, mir ist es auch schon mal passiert, daß ich Briefe unterschrieben habe, die ich bei sorgfältigem Durchlesen nicht unterschrieben hätte. Ich will das nicht kritisieren. Darf ich Sie bitten, zu überlegen, ob dieser Teil der Antwort nicht nur keine Entschuldigung, sondern eine Frechheit ist. Wenn ein Abgeordneter dieses Hauses nicht als Bittsteller um eine mildtätige Gabe beim Bundesminister des Innern vorspricht, sondern darum bittet, daß ein vom Hause vor anderthalb Jahren einstimmig gefaßter Beschluß endlich durchgeführt wird, und dann zweieinhalb Monate lang nichts geschieht, wenn man dann als Rechtfertigung oder Entschuldigung nach zweieinhalb Monaten nicht mehr zu sagen weiß, als daß nach zweieinhalb Monaten der Entwurf einer Antwort auf dem Schreibtisch lag, dann, finde ich, ist dies eine Frechheit.
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Darf ich Sie fragen, Herr Minister, ob die mir im Wortlaut vorliegende Hausanordnung des Bundesministers des Innern vom Jahre 1967 eigentlich noch in Kraft ist oder aufgehoben worden ist, nach der jeder Abgeordnete Anspruch darauf hat, innerhalb einer Woche entweder einen Bescheid in der Sache oder, wenn dies nicht möglich ist, einen Zwischenbescheid auf seine Schreiben zu kriegen? Diese Frist kann mal überschritten werden - das ist mir auch passiert -, aber nicht um zweieinhalb Monate und dann mit einer solchen Antwort. In Wirklichkeit war es vom 1. Juli bis zum 5. Oktober.
Dann ist mir aber in diesem Brief angekündigt worden - nun zur Sache -, das Kabinett werde sich im Oktober mit der Angelegenheit befassen und das werde dann alles in Ordnung sein. Am 13. Novem5380
ber, also nachdem dieser Termin überschritten war, habe ich den Bundesminister des Innern wiederum schriftlich gefragt, was nun eigentlich ist, nachdem er die Verabschiedung in Aussicht gestellt hat. Am 4. Dezember kriegte ich dann wieder eine Antwort, die besagte: Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts, wir prüfen das Problem.
Meine Damen und Herren, dies ist die Leidensgeschichte eines einjährigen Briefwechsels, bei dem als Ergebnis eines Jahres festzustellen ist: geändert oder verbessert hat sich in der Sache nach den mir zugegangenen Mitteilungen bisher leider nichts, dies alles in einer Frage, die von einer erheblichen praktischen und grundsätzlichen Bedeutung nicht etwa nur für mich persönlich, sondern für jedes Mitglied dieses Hohen Hauses ist und die auf einen einstimmigen Beschluß dieses Hohen Hauses zurückgeht. Ich finde, das ist keine Art, mit dem Parlament umzugehen. Herr Minister, ich würde sagen, es ist höchste Zeit, in Ihrer näheren Umgebung - ich weiß daß Sie nicht alle Briefe und die Fristen selber kontrollieren können -, in Ihrer nächsten Umgebung einmal für Ordnung zu sorgen,
({28})
vielleicht etwas weniger herumzufahren und ein bißchen mehr in dem engeren Bereich der Führung Ihres Hauses dafür zu sorgen, daß die Dinge in Ordnung gebracht werden und daß sie schnell, klar und ordentlich erledigt werden. Hier fehlt es an vielen Dingen.
({29})
- Vom 4. Dezember, Herr Kollege.
({30})
- Das mag sicher gelegentlich bei Ihnen vorkommen. Ich bin zu jeder Auskunft, wenn Sie weitere brauchen, gern bereit.
({31})
Ich übergehe jetzt einmal das Thema des Umweltschutzes, weil ich mich nicht von einem anderen Punkt abhalten lassen möchte, der noch von Bedeutung ist. Meine Zeit läuft leider sehr bald ab.
In einer vor wenigen Tagen erschienenen Meldung der Deutschen Presseagentur über ein Pressegespräch des DGB-Bundesvorstandsmitglieds Waldemar Reuter heißt es auf Grund der Kontroverse, die zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesinnenminister war, der Bundeskanzler habe mitgeteilt, daß die Bundesregierung keine vorgefaßte Meinung über die Reform des Beamtenrechts habe und daß sie zu einer Diskussion bereit sei. Meine Frage geht nun weniger an Sie, Herr Genscher, als an den Bundeskanzler. Dies ist zwar nicht, wie der DGB mein, „natürlich" eine Richtlinienfrage, aber es wäre von hoher Bedeutung, hier einmal vom Chef der Bundesregierung zu hören, ob dieses so gesagt worden ist - ich muß mich ja auf diese Pressemeldung beziehen - und ob dies wirklich der Standpunkt der Bundesregierung ist. Ich glaube das von Ihnen eben bestätigt gesehen zu haben, Herr Genscher. Dann muß ich weiter folgendes sagen. Das ist wohl so zu interpretieren, daß die Bundesregierung noch keine Beschlüsse über die Reform des Beamtenrechts gefaßt hat. Sie hat aber in der Sache - Sie wissen das natürlich -, und zwar auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion zur Neuordnung des Beamtenrechts vom 16. Oktober 1970, neben anderem folgendes geäußert - ich zitiere die Antwort : Erstens:
Die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 4 und 5 GG stellt einen wesentlichen Bestandteil der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland dar, für die das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip im Sinne des Art. 20 GG wesensbestimmend sind.
Zweitens - und das war der konkrete Gegenstand
der Kontroverse zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Bundesminister des Innern -:
Das Streikrecht ist nach Auffassung der Bundesregierung
- doch nicht nur nach ihrer Auffassung, wie die Antwort es offenbar sagen will durch die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ... mit gewährleistete Tarifautonomie verfassungsrechtlich gesichert. ... folgert die Bundesregierung ...,
- ich ziehe es etwas zusammen daß das Streikrecht für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, d. h. Beamte, Richter und Soldaten, ausgeschlossen ist.
Ein Streik der Beamten
- ein wenig später würde zu einer erheblichen Desintegration in den vom Streik jeweils betroffenen Bereichen, aber auch darüber hinaus führen. Die latente Gefahr, daß die öffentliche Verwaltung durch Streiks ganz oder teilweise lahmgelegt werden könnte, würde ein Moment der Unsicherheit in unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und soziales Gefüge bringen, dessen Auswirkungen auch auf die Einstellung des Bürgers zum Staat nicht leichtgenommen werden dürfen.
Hier liegt also, meine Damen und Herren, eine völlig klare Aussage des Bundesinnenministers vor, der ich in der Sache mit meinen Freunden voll zustimme, von der sich der Bundeskanzler in seiner Antwort an das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Waldemar Reuter, zur Hälfte distanziert hat. Diesen Widerspruch aufzuklären, wäre Sache des Bundeskanzlers, zumal es sich beim DGB um eine Organisation handelt, die für Reformen auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts unstreitig von erheblicher Bedeutung ist.
Ich möchte insbesondere fragen: Ist nach Auffassung des Bundeskanzlers die Entscheidung der BunDeutscher Bundestag --- 6. Wahlperiode Benda
desregierung trotz der Antwort auf unsere Kleine Anfrage noch offen, oder ist sie offen nur für die Mitglieder der SPD innerhalb der Bundesregierung, oder ist sie offen nur für die Mitglieder der SPD in der Bundesregierung, die Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind? Es ist notwendig, daß einmal geklärt wird, wie die Meinung nicht nur des Bundesinnenministers, sondern der Bundesregierung ist.
Nach den inhaltlichen Äußerungen von Herrn Genscher ist es sicher, daß es derzeit und in der nächsten Zukunft in diesem Hause nicht einmal eine einfache Mehrheit für eine Einführung des Streikrechts in den öffentlichen Dienst für Beamte, Richter und Soldaten geben würde; nach der eindeutigen Haltung meiner Fraktion mit Sicherheit keine verfassungsändernde Mehrheit, d. h. eine Zweidrittelmehrheit. Nach Ziffer 1 der Antwort der Bundesregierung vom Oktober vorigen Jahres würde selbst eine verfassungsändernde Mehrheit nicht ausreichen, weil man sich auf den nach Art. 79 Abs. 3 einer Änderung nicht zugänglichen Art. 20 GG berufen hat. Darüber kann man streiten, wie ich Ihnen, Herr Arndt, zugebe. Aber das ist nicht meine juristische Einlassung, sondern die, die der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung, wie es in der Antwort heißt, abgegeben hat.
Ich muß zur Zusammenfassung und zum Schluß kommen.
({32})
Die angekündigten und verspätet oder überhaupt nicht vorgelegten Programme und Berichte im Bereich des Innenressorts habe ich mitgeteilt. Ich sage es noch einmal ganz kurz: Arbeitsergebnisse und Projektgruppe zur Reform der Struktur in Bundesregierung und Bundesverwaltung noch nicht veröffentlicht; Sofortprogramm zur Verbrechensbekämpfung erst vorgelegt, als die Große Anfrage meiner Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt war; Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz 1969 und natürlich 1970 nicht veröffentlicht; Gesamtkonzeption zur Neuordnung des Besoldungsrechts verspätet und inhaltlich völlig unzureichend vorgelegt; Gutachten über die Ermittlung des Besoldungsrückstandes nicht rechtzeitig vorgelegt; Härtebericht zum Gesetz nach Art. 131 nicht rechtzeitig vorgelegt; Änderung der Geschäftsordnung Teil 2 - Übersendung von Gesetzentwürfen an das Parlament in dem Zeitpunkt, in dem die Verbände sie bekommen trotz einer eineinhalbjährigen Leidensgeschichte bis zum heutigen Tage in der Sache nicht zu einem Ergebnis gebracht; schließlich das Thema der Enquete-Kommission.
Der Bundesregierung fehlt es an einem innenpolitischen Consensus auf den wichtigsten Gebieten. Die dem Bundesinnenminister, Herrn Genscher, vor allem von der Linken vorgeworfene Bremserfunktion innerhalb der Bundesregierung beruht wohl nicht nur auf der vielzitierten Profilneurose seiner Partei; ich meine, daß sie auch Ausdruck des Unbehagens und der Unsicherheit ist, daß der kleinere Koalitionspartner zwangsläufig in die Rolle eines Steigbügelhalters einer sozialistischen Alleinherrschaft unter Aufopferung der FDP geraten könnte.
({33})
Herr Minister Genscher, ich habe die späten Abendstunden des gestrigen Tages dazu benutzt
({34})
- ich habe sogar sehr gut geschlafen, Herr Konrad, wenn Sie schon Anteil an meinem persönlichen Wohlergehen nehmen; ich weiß, daß Sie immer innigen Anteil an meinem persönlichen Wohlergehen genommen haben, und ich bin Ihnen dafür aufrichtig dankbar -,
({35})
um mir die Symphonie Nr. 6, die „Pastorale" von Beethoven anzuhören. Sie paßt zum Thema. Herr Kollege Genscher, es hat alles so schön angefangen, nämlich im ersten Satz mit dem „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dein Lande". Das war schön, als die Regierung ihre Arbeit aufnahm.
({36})
Wir haben mittlerweile die „Szene am Bach" und das „lustige Zusammensein der Landleute" allmählich hinter uns gebracht.
Der nächste Satz, Herr Minister Genscher, ist überschrieben: „Gewitter und Sturm".
({37})
Fis kommen dann noch der etwas melancholische „Hirtengesang"
({38})
und freilich auch die „trohen und dankbaren Gefühle nach dem Sturm". Diese werden allerdings erst zu dem späteren Zeitpunkt kommen, zu dem die nächste Bundestagswahl stattfindet. Wer vor oder nach den Wahlen „frohe und dankbare Gefühle" hat, wird sich dann erst herausstellen.
({39})
Herr Minister Genscher, die Fraktion der CDU/ CSU wird sich nach dem, was ich gesagt habe, bei der Abstimmung über den Haushaltsplan 06 und bei dein hiermit in einem Sachzusammenhang stehenden Einzelplan 36 der Stimme enthalten.
({40})
Um es in der Sprache der Schule zu sagen: Dies ist noch nicht der Zeitpunkt, in dem über die „Versetzung" entschieden wird. Herr Minister Genscher, das ist eine Notiz, daß die „Versetzung" gefährdet sein könnte.
({41})
Meine Herren und Damen, ich möchte bekanntgeben, daß für diejenigen Kollegen, die an der Friedrich-Ebert-Gedenkfeier teilnehmen wollen, ab 10.40 Uhr am Eingang II und am Eingang VII Wagen bereitstehen. Gleichzeitig möchte ich anregen, unseren Zeitplan so einzuteilen, daß wir nicht erst um 10.45 Uhr, sondern vielleicht schon gegen 10.30 Uhr unterbrechen. Ich wäre dankbar, wenn sich die folgenden Redner entsprechend darauf einrichteten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Schäfer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute bei Herrn Kollegen Benda ganz neue Züge entdeckt. Ich wußte nicht, Herr Kollege Benda, daß Sie so musikalisch sind und daß Sie Ihr eigenes politisches Schicksal als Kurzzeitminister hier so treffend darzustellen vermöchten.
({0})
Immerhin habe ich dafür Verständnis.
Meine Damen und Herren, zum Gebiet der Innenpolitik, das Herr Kollege Benda umrissen hat, darf ich als Vorsitzender des Innenausschusses sagen, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses im Innenausschuß aus dem Sachwissen und der Sachverantwortung für die demokratische Grundordnung dieses Staates gemeinsam darum bemühen, bestmögliche Regelungen zu finden. Ich bin eigentlich sehr beruhigt darüber, daß Sie, Herr Kollege Benda, sich nur dort besorgt und erregt gezeigt haben, wo es nach Ihren eigenen Worten um die Organisation einer kleinen Ministerumgebung, also einer bürokratischen Einrichtung, geht, und daß Sie sich in keinem Punkt über die politische Tätigkeit dieser Koalition und dieses Ministers beklagen oder erregen mußten. Das ist immerhin sehr erfreulich. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion haben Anlaß, Herrn Minister Genscher für seine Arbeit zu danken, sie anzuerkennen und ihm zu sagen, daß wir auch in Zukunft in der gleichen vertrauensvollen Weise alle Fragen gemeinsam besprechen werden und daß er auf die SPD-Fraktion zählen kann.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist doch kein Geheimnis, daß Herr Genscher der FDP angehört und daß er nicht in allen Fragen von vornherein gleicher Meinung ist wie wir. Aber deshalb sind wir in einer Koalition, und wir einigen uns in gemeinsamer Erörterung auf die gemeinsame Linie. Wenn Sie nun, Herr Benda, dort, wo Sie nicht weiterwissen, jedesmal ein Phantom vom angeblichen Sozialismus aufbauen - ich weiß gar nicht, welchen Sie irgendwann ausgegraben haben -, das Sie dann glauben bekämpfen zu können, - so zeigt das Ihre eigene Hilflosigkeit in dieser politischen Situation. Damit brauche ich mich nicht zu beschäftigen.
Aber, Herr Benda, wenn Sie ernst genommen werden wollen, empfehle ich Ihnen nicht, sich das Schlagwort zu eigen zu machen, Sozialismus sei Rückschritt. Sozialismus, wie wir Sozialdemokraten ihn vertreten, ist Fortschritt und ist Festigung dieses Staates.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benda?
Herr Kollege Schäfer, ist Ihnen wirklich entgangen, daß ich ein Zitat aus dem Munde des Herrn Genscher gebracht habe, mit dem Sie eben Ihre Übereinstimmung bekundet haben?
Herr Benda, es ist mir nicht entgangen, welchen Unter- und Nebenton Sie dabei verwendet haben und wie Sie versucht haben, den Herrn Genscher als Kronzeugen für eine Sache zu nehmen, für die er gar nicht als Kronzeuge genommen werden kann, weil er nicht Ihrer Auffassung sein kann.
({0})
Nun, ich kann mich in meinen Ausführungen verhältnismäßig kurz fassen. Ich will nur auf einige wesentliche Dinge eingehen.
Wir sind gleicher Auffassung - und ich lege Wert darauf, das zu betonen -, daß sich das Grundgesetz bewährt hat und daß deshalb eine Gesamtrevision nicht notwendig ist. Wir sind trotzdem gemeinsam der Auffassung, daß es notwendig ist, z. B. das Bund-Länder-Verhältnis zu überprüfen, insbesondere auch mit Blick auf die EWG, die sich als anzustrebende bundesstaatsähnliche Ordnung über diesen Bundesstaat schiebt und damit wesentlichen Einfluß auf die Verfassungsordnung hat. Ich bedauere mit Ihnen, Herr Kollege Benda, daß die Enquete-Kommission noch nicht eingesetzt worden ist. Ich will mich darüber hier nicht verbreiten. Ich hoffe, daß man im Ältestenrat in Kürze eine Regelung findet. Diese Arbeit verlangt Zeit. Wir sollten sie so einrichten, daß notwendige Folgerungen aus unseren Erkenntnissen noch in dieser Legislaturperiode gezogen werden können. Das ist notwendig.
Sie sind dann auf einige besondere Gruppen eingegangen. Ich will dazu einige Worte sagen.
Die Projektgruppe: Ich habe dem Kabinettsausschuß angehört. Ich kenne die Arbeit deshalb so gut wie Sie, Herr Minister Benda, und das als ehemaliger Minister in diesem Fall durchaus begründet. Herr Kollege Benda, Sie wissen ganz genau, daß schon die Konzeption der Wirkungsmöglichkeit dieser Projektgruppe sehr verschieden beurteilt werden kann. Ich halte es für richtig, die Planungsarbeiten im wesentlichen beim Bundeskanzleramt zu konzentrieren, was aber nicht ausschließt, daß man in dieser Projektgruppe beim Innenministerium, die aber nicht der Weisung des Innenministeriums unterliegt - ich bitte, das deutlich festzuhalten; der Innenminister ist nicht der Sachvorgesetzte in dieser Frage;
Dr. Schäfer ({1})
deshalb kann man ihn hier nur bedingt zur Verantwortung ziehen, wenn man glaubt, es sei notwendig -, die weiteren Fragen behandelt. Wir haben uns Sie wissen das doch - im Innenausschuß darüber berichten lassen und die Überzeugung gewinnen dürfen, daß die Arbeiten zügig vorangehen, und wir haben die Überzeugung bekommen, daß dort eine gute und gewissenhafte Arbeit geleistet wird.
Zur inneren Sicherheit, Herr Kollege Benda, darf ich nur folgendes feststellen. Diese Koalition und dieser Innenminister haben alles das nicht nur angekündigt, wie Sie meinen, sondern zur Ausführung gebracht, wovon Sie wie auch Ihre CDU-Vorgänger im Amt des Innenministers jahrelang geredet haben. Wir sind diejenigen - wir freuen uns, daß Sie diese Arbeit aus Ihrer früheren Erkenntnis heraus unterstützen -, die die Fragen der inneren Sicherheit einer konkreten Fortentwicklung zugeführt haben. Sie haben davon gesprochen, daß man das Bundeskriminalamt verändern müsse, daß man es ausbauen müsse. Wir haben das eingeleitet und können ja wohl auch hoffen, daß Sie diese Arbeit unterstützen. Da gibt es kein Erstgeburtsrecht in diesen Dingen, wer zuerst den Antrag einbringt, sondern da gibt es eine gemeinsame Verantwortung. Für alle Fragen der inneren Sicherheit gibt es nur eine gemeinsame Verantwortung.
Hier muß ich Ihnen wiederum Ihr Beispiel, das Sie gebracht haben, zurückgeben, wenn Sie von dem
Babylon der Funkgeräte sprechen, Herr Benda. Wer
hat denn das so kommen lassen? Was für eine Situation haben wir denn auf diesem Gebiet geerbt?
({2})
Wer hätte denn so lange die Möglichkeit gehabt, das von vornherein zu koordinieren? Wer hat denn das Verwaltungsabkommen vom Oktober 1950 schludrig auslaufen lassen - schludrig auslaufen lassen! ({3})
und die Möglichkeiten der Vereinheitlichung auf dem Gebiet der Ausstattung der Polizei nicht wahrgenommen? Das ist doch jetzt erst wieder in Gang zu setzen. Die Länder haben gerade wegen der Nichteinhaltung der Leistungen des Bundes, auch unter Ihrer Ministerschaft, mit all den Folgen, die Sie jetzt ganz richtig darstellen, zur Eigenbeschaffung gegriffen. Das ist eines der wesentlichen Versäumnisse von Ihnen und Ihren Vorgängern, daß Sie die einheitlichen Führungsmittel der Polizei nicht gesichert haben.
Nun reden Sie hier von der Frankfurter Polizei, Herr Benda. Vorher sprachen Sie von der Verfassung. Ich unterschreibe jedes Wort, das Sie zur Verfassung gesagt haben. Sie dürfen sich aber jetzt hier nicht so hinstellen, als wollten Sie von Verfassung gar nichts mehr wissen, und reden, wie es Ihnen anscheinend gerade einfällt oder wie Sie glauben, diesen Minister gezielt angreifen zu sollen, und zwar ohne Rücksicht auf die Verfassungslage. Sie wissen ganz genau, daß die Bundesregierung nach
Art. 91 Abs. 2 erst dann ein Recht hat einzugreifen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.
({4})
- Ich kenne den Vorgang sehr genau, Herr Kollege Benda. Die Bundesregierung kann im Einzelfall nicht eingreifen, sondern nur, wenn die Voraussetzungen nach Art. 91 Abs. 2 gegeben sind.
({5})
- Wahrscheinlich haben Sie recht, daß ich keinen blassen Schimmer davon habe, was Sie hineininterpretieren und was Sie glauben, dieser Regierung unterjubeln zu können.
({6})
Das kann ich mir allerdings kaum vorstellen, da haben Sie recht. Von der Sache her - Sie sind Jurist genauso wie ich auch - -wissen Sie ganz genau, wie die Rechtssituation ist.
({7})
Jedes Wort, das man darüber redet, ist überflüssig.
Zum Bundesgrenzschutz: Da gibt es verschiedene Erörterungen. Wir haben vom Innenausschuß aus eine gemeinsame Besichtigung gemacht. Im Innenministerium wird ein Konzept vorbereitet. Die Fragen, die damit zusammenhängen, werden sehr sorgfältiger Prüfung bedürfen, aber über etwas müssen wir uns ganz klar sein: Wenn wir den Bundesgrenzschutz aufrechterhalten -- ich bin dafür - und wenn wir ihn ausbauen - ich bin dafür -, dann müssen wir alle Voraussetzungen und jede Vorsorge treffen, daß er eine wirkliche Polizeitruppe mit einer echten vollen Polizeiaufgabe ist. Das ist das eigentliche Problem. Sie sprechen auch hier von dem notwendigen Ausbau. Der notwendige Ausbau wurde von Ihren Vorgängern versucht, wurde von Ihnen versucht, mit sehr bescheidenem Erfolg. Diejenigen, die jetzt an das herangehen, was die CDU seit 1956 versäumt hat, sind wir.
({8})
Herr Benda, Sie wissen ganz genau, daß Sie 14 Jahre lang nicht gewagt haben, die Frage anzugreifen, die man regeln muß. Das sage ich denjenigen, die es nicht wissen.
1956 wurde der Bundesgrenzschutz in Anfangskader der Bundeswehr und in beim Bundesgrenzschutz Verbleibende geteilt. Damals hätte man dafür Sorge tragen müssen, daß der Bundesgrenzschutz eine wirkliche Polizeitruppe wird. Es gibt Länderpolizeien - ich habe daran in meinem Heimatland Baden-Württemberg mitgewirkt -, die die Brücke dazu bauen wollten und auch gebaut haben, damit Bundesgrenzschutzbeamte in den Polizeidienst übernommen werden können. Das war eine gute Sache. Man hat damals die Situation nicht richtig begriffen. Man hat den Bundesgrenzschutz in eine Zwitterstellung zwischen Zoll und Bundeswehr und eigentlicher Polizei hineinwachsen lassen.
({9})
5384 Deutscher Bundestag - G. Wahlperiode
Dr. Schäfer ({10})
Dann kam die sehr schwierige Frage des Kombattantenstatus. Keiner der CDU-Minister, keine CDU-Mehrheit in diesem Hause hat gewagt, diese Frage ordentlich zu regeln. Sie muß geregelt werden, Herr Kollege Benda. Wir rechnen mit Ihrer Unterstützung aus Ihrer Sachkenntnis heraus, damit wir im Endergebnis zu etwas Vernünftigem kommen.
Mir war interessant, Herr Kollege Benda, daß Sie hinsichtlich des öffentlichen Dienstrechts so nett sagten: Am Anfang war das Wort. Da Sie ein C in Ihrem Parteinamen führen, kennen Sie sich in der Bibel wahrscheinlich besser aus als ich.
({11})
Für mich bedeutet dieses Wort: Am Anfang war der Geist.
({12})
-- Vielen Dank, daß Sie uns und dem Herrn Minister Genscher also attestieren, daß am Anfang die Idee, der Geist, die Inspiration war, was hier nun eigentlich gemacht werden muß. Daran hat es seither auf diesem Gebiet allerdings sehr gefehlt. Wir hatten den Mut, dieses wichtige Gebiet anzufassen. Nun versuchen Sie, da einen Keil hineinzutreiben.
Herr Kollege Benda, die Erklärungen, die Sie jetzt im Zusammenhang mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage hinsichtlich der DGB-Schreiben zitieren, stehen alle unter dem Grundgesetz, und wir alle sind der Meinung, daß das Berufsbeamtentum erhalten bleiben muß. Aber nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern mit uns auch die Freien Demokraten sind z. B. der Meinung, daß das Berufsbeamtentum fortentwickelt werden muß, um den modernen Aufgaben zu genügen, d. h. daß es in der Verfassung verankert ist und daß wir es weiterentwickeln müssen.
Nun haben wir - Sie haben im Innenausschuß des Bundestages zugestimmt - angeregt, zur Vorbereitung der Prüfung dieser Fragen eine Dienstrechtskommission einzusetzen. Das Innenministerium hat sie eingesetzt. Sie ist breit gefächert zusammengesetzt. So sehe ich die Dinge: Wenn diese Dienstrechtskommission ihren Bericht vorgelegt haben wird, ist es Sache der Politiker, der Regierung, der Parteien, der Fraktionen, ein endgültiges Konzept über die Fortentwicklung des Berufsbeamtentums zu schaffen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Benda?
Herr Kollege Dr. Schäfer, darf ich Sie fragen, ob die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages in den einzelnen Punkten die Sachmeinung teilt, wie sie in der von Ihnen eben zitierten und Ihnen zweifellos bekannten Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zum Thema öffentliches Dienstrecht enthalten ist. Ich ware dankbar, wenn Sie mir sagen können: ist diese Position, die dort festliegt, auch Ihre Meinung? Falls nein: in welchen Punkten gibt es möglicherweise Differenzen?
Herr Kollege Benda, da müssen Sie zwischen dem, was bestehende Rechtsposition, und dem, was zukünftige politische Zielvorstellung ist, unterscheiden. Was Verfassungsrechtsposition und derzeitige Rechtsposition ist, so sind wir der gleichen Auffassung.
({0})
- Ich habe es nicht präzis vorliegen. Legen Sie mich jetzt bitte nicht ganz genau fest. Ich sage: was Verfassungsposition und Rechtsposition ist, ist ganz klar. Was politische Zielposition ist, werden wir prüfen und entwickeln, wenn der Bericht der Dienstrechtskommission vorliegt.
Nun, Herr Kollege Benda, nur noch ein Wort zum Besoldungsrückstand. Daß diese Frage überhaupt in dieser Weise aufkommen konnte, ist doch ganz bestimmt nicht durch diese Koalition verursacht. Daß die Frage des Besoldungsrückstands von den Beamtenverbänden so hart gestellt wird, ist doch zweifellos ein Ergebnis früherer politischer Entscheidungen, die wir Sozialdemokraten nicht in erster Linie zu verantworten haben.
({1})
Aber auch hier sind wir für Sauberkeit und Klarheit. Deshalb sind wir dafür - wir haben es hier angeregt, und es wurde so beschlossen -, daß eine neutrale Stelle, die „Treuhand", das prüft und diesem Hause und der Öffentlichkeit den Bericht darüber vorlegt. Das wird zu gegebener Zeit geschehen. Ich meine, der Bericht soll lieber etwas später kommen und zuverlässig und einwandfrei sein, als daß er oberflächlich und wertlos ist. Dasselbe gilt für den Bericht über die 131 er. Auch ich bedauere, daß dieser Bericht nicht vorliegt. Ich würde es für sehr nützlich halten, wenn wir jetzt zur gleichen Zeit, da wir über den Haushalt und über die Besoldung reden, diesbezügliche Überlegungen anstellen könnten. Ich habe hier ebenfalls den Eindruck, daß sich das Innenministerium darüber klar ist, daß der Bericht Folgerungen haben wird und daß man auch die Folgerungen in finanzieller Hinsicht überlegen und absichern muß. Damit ist in der Sache wiederum mehr geschehen, als wenn man nur stolz einen Bericht termingerecht vorlegte, mit dem nachher nichts anzufangen ist.
Ich darf abschließend und zusammenfassend feststellen: Wir haben unter der Leitung von Herrn Minister Genscher auf dem Gebiet der Innenpolitik wesentliche Fortschritte festzustellen. Wir haben festzuhalten, daß im Jahre 1971 einige große Gebiete ich will nur den Umweltschutz nennen -wesentlich weiter entwickelt werden müssen. Wir werden nicht nur diesem Haushalt gern zustimmen, sondern auch in enger Zusammenarbeit die Arbeit des Innenministers fördern.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Krall. Für ihn sind 20 Minuten Redezeit beantragt worden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedauere es
außerordentlich, daß der Herr Kollege Benda, statt sachliche Kritik zu üben, wieder in den Bereich der Polemik verfallen ist und hier meine Fraktion und meine Partei als Steigbügelhalter sozialistischer Politik apostrophiert hat. Herr Kollege Benda, Sie sind hier auf einem völlig falschen Parcours. Sie in der CDU/CSU sind es doch gewesen, die 1966 die Steigbügel gehalten haben! Heute wundern Sie sich, daß Sie aus dem Sattel gefallen sind.
({0})
- Ja, aus dem Sattel des Reiters, nämlich aus der Regierung.
({1})
Sie haben doch 1966 die SPD in die Regierung geholt, nicht wahr?
({2})
Wenn man ein guter Reiter sein will, muß man sich sehr vorsichtig ausdrücken.
Außerdem sind Sie ein schlechter Bootsfahrer. Sie haben sich nun in das Boot des Herrn Goppel begeben
({3})
und hier von sozialistischer Politik gesprochen.
({4})
Zeigen Sie mir einmal die Stelle in der Regierungserklärung, aus der Sie das erkennen können!
({5})
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie wissen ganz genau: solange die FDP in dieser Regierung sitzt, gibt es keine sozialistischen Experimente in diesem Staat.
({6})
- Auch keine Experimente!
({7})
- Seien Sie doch nicht so nervös, meine Damen und Herren!
({8})
- Ich komme gern zur Sache; aber der Kollege Benda reizt einen geradezu, auf diese Dinge zu antworten.
({9})
Ich werde jetzt ganz gern auf sachliche Dinge eingehen.
({10})
Im Haushalt des Bundesministers des Innern spiegeln sich wesentliche Teile des Reformprogramms dieser Regierung wider. Die Vielfalt der Aufgaben dieses Hauses hat dazu geführt, daß die notwendigen Ansätze überproportional gestiegen sind.
Gestatten Sie mir, daß ich nunmehr im einzelnen und hier sehr konkret, Herr Kollege Benda auf einige besondere Schwerpunkte eingehe.
Dieser Bundesregierung ist die innere Sicherheit ein ganz besonderes Anliegen. Dem trägt sie Rechnung, indem die Mittel für die verstärkten Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erfreulich erhöht worden sind. Hauptaufgabe des Bundesgrenzschutzes ist nach wie vor die Sicherung und Überwachung der Demarkationslinie zur DDR sowie der Grenze zur CSSR. Darüber hinaus hat sich jedoch in jüngster Vergangenheit wieder gezeigt, daß der Bundesgrenzschutz in Krisen- und Notsituationen auch eine wirkungsvolle Unterstützung der Länderpolizeien darstellt. So haben z. B. einige Bundesländer von der Möglichkeit, den Bundesgrenzschutz bei Schutzmaßnahmen zur Sicherung des zivilen Luftverkehrs einzuschalten, gern mit großem Erfolg Gebrauch gemacht.
Wichtige Aufgaben im Rahmen der inneren Sicherheit erfüllen auch Verfassungsschutz und Bereitschaftspolizisten. An dieser Stelle möchte ich aber auch den freiwilligen Helfern der Hilfsorganisationen danken, ohne deren Einsatz eine wirksame Zivilverteidigung nicht möglich ist.
Besonders begrüßenswert ist im Mittelansatz des Bundesministeriums des Innern die Erhöhung und Steigerung beim Bundeskriminalamt. Darin spiegelt sich die Intensivierung der Verbrechensbekämpfung im Rahmen des Sofortprogramms der Bundesregierung wider. Das Sofortprogramm der Bundesregierung sieht u. a. eine Verdoppelung des Personals des Bundeskriminalamts in den nächsten Jahren und eine wesentliche Verbesserung der technischen Ausstattung dieses Amtes vor.
Die Aufgaben des Bundesministeriums des Innern bezüglich der Sicherheit werden durch die Aufgaben der Lebenssicherung aller Menschen ergänzt. Die Freien Demokraten begrüßen die Bemühung des Innenministers, eine Konzeption zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bürger vor den steigenden Gefahren, die von der Umwelt ausgehen, zu entwickeln. Hier geht es um Maßnahmen von zentraler Bedeutung für die Lebenssicherung aller. An dem Umweltprogramm werden nicht nur Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch Industrie, Wissenschaft und Technik beteiligt. Projektgruppen erarbeiten hierzu ein Programm und eine Kostenvorstellung, um die uns bevorstehenden Aufgaben wirksam bewältigen zu können.
Auch im Bereich der sozialen Sicherung sind dem Innenministerium durch die Angliederung des Vertriebenenbereichs neue wesentliche Aufgaben zugefallen. Der Bewältigung der Kriegs- und Nachkriegsfolgelasten hat die FDP stets ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Eine zufriedenstellende Lösung dieser Fragen hat für die FDP besonderen Vorrang. Bei dieser Gelegenheit darf ich die 23. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz erwähnen, die am 1. Januar 1971 in Kraft getreten ist. Sie verwirklicht die langerstrebte Gleichstellung der Flüchtlinge aus Mitteldeutschland mit den Heimatvertriebenen. Weitere Verbesserungen sieht der Entwurf eines Ersten Änderungsgesetzes zum Flüchtlingshilfegesetz vor, der sich schon in der parlamentarischen Beratung befindet.
Die vorgesehene Verbesserung für die ehemaligen politischen Häftlinge, die nach Kriegsende in der DDR und in den Aussiedlungsgebieten aus ideellen Gründen Leben, Freiheit und ihre Existenz für das Ziel der Demokratie eingesetzt haben und deshalb langjährige Haftstrafen auf sich nehmen mußten, bringt endlich die Verwirklichung eines von meiner Fraktion jahrelang mit Entschiedenheit vorgetragenen Anliegens.
Weiterhin steht als große akute politische Aufgabe die Eingliederung der Deutschen vor uns, die im Rahmen der Familienzusammenführung auf Grund des Abschlusses des Vertrages von Warschau mit der Volksrepublik Polen in unser Land kommen. Es ist eine gern übernommene Verpflichtung dieses Staates, für die Eingliederung dieser Menschen in unsere Gesellschaft zu sorgen.
Von steigender Bedeutung für die Entwicklung unserer demokratischen Gesellschaft wird die Bewältigung der Probleme sein, die mit einer Förderung der außerberuflichen Interessen der arbeitenden Menschen zusammenhängen. Hier kommt dem Bundesministerium des Innern eine besondere Aufgabe bei der Förderung des Sports zu, der in seiner besonderen gesellschaftlichen und völkerverbindenden Funktion von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Der überwiegende Teil der zusätzlichen Mittel für Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen werden zur Unterstützung der Bundessportfachverbände bei der Finanzierung ihres Lehrgangs- und Wettkampfprogramms verwendet. Dadurch konnte insbesondere eine weitere Intensivierung auf dem Gebiet der Lehrgangsarbeit, der im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1972 naturgemäß eine besondere Bedeutung beizumessen ist, ermöglicht werden. Im Gegensatz zu den zuletzt in Deutschland ausgetragenen Olympischen Spielen im Jahre 1936 werden nunmehr erstmals in einem demokratischen Deutschland Olympische Spiele ausgerichtet.
({11})
Die Bundesrepublik wird alles nur Mögliche dazu beitragen, damit diese Olympischen Spiele im olympischen Geist, d. h. im Geist der Fairneß und Völkerverbindung, ausgetragen werden.
Auf dem Gebiet der dem Bund anvertrauten Pflege des deutschen Kulturbesitzes sind Mittel insbesondere für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Deutsche Bibliothek und die Förderung des Films - vor allem für die Förderung der Qualität des Films und für die Umkopierung wertvollen alten Filmmaterials - eingesetzt worden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Schaffung des deutschen Filmpreises zur Prämiierung des besten deutschen Spielfilms nicht unerwähnt lassen.
Auf dem Gebiet der Massenmedien ist weiterhin ein Ausbau der Rundfunkanstalten des Bundesrechts, nämlich des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle, deshalb notwendig, weil eine verstärkte Sendekapazität dieser Rundfunkanstalten - das ergibt der Vergleich mit den Rundfunkauslandsdiensten anderer Staaten - unumgänglich ist.
Der Entwurf des lange umstrittenen Presserechtsrahmengesetzes wird nunmehr in Kürze vorgelegt werden. In diesem Gesetz wird neben dem Ordnungsrecht für die Presse auch das Verhältnis von Verleger und Redakteur geregelt werden.
Die Reformpolitik dieser Regierung spiegelt sich auch in dem Bemühen wieder, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die gewachsenen Strukturen des Staates und der Gesellschaft entsprechend den Anforderungen unserer Zeit und der Zukunft kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Mit dem Ziel einer zeitgemäßen Neugliederung des Bundesgebietes hat der Bundesminister des Innnern eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die gemäß Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes darauf abzielen, Bundesländer zu schaffen, die nach ihrer räumlichen Abgrenzung, ihrer Bevölkerungszahl und ihrer Wirtschaftskraft ausgewogener als die jetzigen Bundesländer sind. Die Freien Demokraten hoffen, daß auf Grund der Vorschläge dieser Kommission nunmehr in absehbarer Zeit eine Lösung gefunden wird. Wir haben uns in der Vergangenheit mit Leidenschaft für die Lösung dieser dringenden Frage eingesetzt und mehrfach entsprechende Anträge gestellt. Um so mehr freut es uns, daß die Bundesregierung nunmehr die Initiative auf diesem Gebiet ergriffen hat.
Mit der Neugliederung des Bundesgebietes werden auch die Probleme der Raumordnung im Rahmen eines Bundesraumordnungsprogramms leichter zu lösen sein.
Der moderne Staat erfordert auch eine Verbesserung der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung. Deshalb hat die Bundesregierung die Arbeit der entsprechenden Projektgruppe aktiviert. Der Bedeutung der Information und des Informationsflusses für Staat und Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur entsprechend, hat die Bundesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe Datenbanksystem beim Bundesminister des Innnern gebildet.
({12})
- Auch für die Fraktion.
({13})
ausarbeiten die
Diese Gruppe wird Vorschläge
durch Nutzung elektronischer Datenverarbeitung und aller modernen Dokumentationstechniken eine Erfassung und Erschließung des Wissens ermöglicht.,
Lassen Sie mich noch zwei Sätze abschließend zur Besoldungssituation sagen, ohne daß ich hier Geheimnisse aus der Kommission verrate, der ich angehöre. Eine zufriedenstellende Lösung für die Besoldung im öffentlichen Dienst war dadurch erschwert, daß nach sehr hohen Tariflohnzuwachsraten in der Wirtschaft dem öffentlichen Dienst im Rahmen der Sicherung von Preisstabilität und stetigem Wachstum die Signalfunktion für zukünftige Tarifverhandlungen auferlegt wurde. Das Verständnis, das die Angehörigen des öffentlichen Dienstes dabei für die Belange des Gemeinwohls bewiesen haben, muß im Rahmen der Strukturverbesserungen für den öffentlichen Dienst honoriert werden.
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Meine Herren und Damen, wir unterbrechen jetzt die Sitzung. Sie wird um 14 Uhr mit der Fragestunde, um 15 Uhr mit der Weiterberatung dieses Einzelplanes fort) gesetzt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir beginnen mit Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksache VI/ 1781 Zunächst rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts auf. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Professor Dr. Ehmke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 127 des Abgeordneten Schedl auf:
Wie hoch beläuft sich der Betrag, den Kanzlerberater Leo Bauer im Haushaltsjahr 1970 aus dem Haushalt des Bundes erhalten hat, und wofür wurden die Beträge im einzelnen bezahlt?
Herr Abgeordneter, Leo Bauer hat im Haushaltsjahr 1970 Beträge für seine Mitarbeit an den Berichten zur Lage der Nation 1970 und 1971 erhalten. In einem Fall handelte es sich um Reisekosten, im anderen Fall um die Vergütung für die Mitarbeit. Die Beträge sind nicht höher als die der übrigen Mitarbeiter. Einzelbeträge darzulegen verbietet sich, glaube ich, weil wir hier nicht Aufgaben des Rechnungshofes übernehmen sollten.
Herr Bundesminister, darf ich die Zusatzfrage stellen, ob längere Verträge mit Herrn Leo Bauer als Berater des Bundeskanzlers bestehen.
Nein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 128 des Herrn Abgeordneten Riedel ({0}) auf:
Haben Vertreter der jüdischen Gemeinde in Warschau und des dortigen Rabbinats an der Kranzniederlegung durch den Bundeskanzler vor dem Ehrenmal teilgenommen, und ist diesen Vertretern gegenüber eine Entschuldigung oder Bitte um Verzeihung ausgesprochen worden?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Minister!
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst sagen, daß die Bundesregierung über diese Fragen verwundert ist, angesichts des geschichtlichen Hintergrundes, der das deutsche, das polnische und das jüdische Volk so schmerzlich verbindet.
Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt.
Einen Augenblick, Herr Minister! Ich hatte zunächst nur die erste Frage des Herrn Abgeordneten Riedel aufgerufen. Wenn Sie beide Fragen beantworten, müssen wir das im Einvernehmen mit dem Fragesteller machen. Herr Abgeordneter, sind Sie einverstanden,
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- Dann rufe ich auch die Frage 129 des Herrn Abgeordneten Riedel ({1}) auf:
Hat der Bundeskanzler bei den Gesprächen mit den polnischen Staats- und Parteifunktionären, gemäß der Verpflichtung unserer eigenen Gesetzgebung und der von uns eingegangenen internationalen Verträge - - insbesondere der Menschenrechtscharta der UNO --, die mitmenschlichen Belange der von den polnischen Kommunisten noch immer verfolgten Juden wahrgenommen?
Ob Vertreter der jüdischen Gemeinde in Warschau und des dortigen Rabbinats an der Kranzniederlegung durch den Bundeskanzler vor dem Ehrenmal teilgenommen haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls haben keine Gespräche mit ihnen stattgefunden. Der Herr Bundeskanzler hat sich auch bei seinen Gesprächen mit polnischen Staats- und Parteifunktionären ausschließlich auf die Probleme des deutsch-polnischen Verhältnisses konzentriert. Die Bundesregierng fühlt sich in all ihren Handlungen den Grundsätzen der Menschenrechtskonvention und ähnlichen internationalen Vereinbarungen, die für uns bindend sind, verbunden. Bevor sie jedoch mit Erfolg in der Lage sein wird, damit zusammenhängende spezielle Fragen bilateral mit der polnischen Regierung zu konsultieren, ist eine größere Annährung und Verbesserung des Verhältnisses zwischen Bundesrepublik und Polen
erforderlich. Der erste Schritt in Richtung auf eine solche Verbesserung lag in der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages vom 7. Dezember 1970.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Riedel.
Herr Präsident! Herr Bundesminister, wenn Sie schon glauben, daß es einem Abgeordneten gegenüber angebracht ist, Ihre Beantwortung mit einer Zensur zu beginnen, dann darf ich auch meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß Sie sich gewundert haben.
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- Jetzt darf ich meine Frage anschließen. Was soll denn eigentlich der Sinn einer solchen Zeremonie gewesen sein, wenn sie nicht der besonderen Beziehungen, die gerade uns in leidvoller Weise mit dem Judentum verbinden, und bei der Situation, in der sich die jüdische Volksgruppe in Polen befindet, und bei unseren Verpflichtungen, die wir mit internationalen Verträgen eingegangen sind -
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Riedel, Zusatzfragen in der Fragestunde müssen kurz gefaßt sein. Sie haben zunächst eine Einleitung gebracht; das habe ich hingenommen. Aber wenn Sie jetzt länger fragen, muß ich Sie bitten, besser weitere Zusatzfragen zu stellen.
Herr Präsident! ich bin schon dabei. - Wenn all das gegeben ist, was ich eben aufführte, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es der Situation gerade der jüdischen Bevölkerung Polens gegenüber entsprochen hätte, daß wir unseren Gesprächspartner auf diese Situation aufmerksam gemacht hätten?
Herr Kollege Riedel, es sollte Ihnen eigentlich klar sein, daß nach dem, was im Namen des deutschen Volkes unter einer braunen Partei an den Juden in Polen angerichtet worden ist - übrigens einer braunen Partei, der dieser Bundeskanzer nicht angehört hat -,
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es selbst für einen Bundeskanzler, der gegen dieses Regime gestanden hat, kaum möglich ist, sich jetzt anderen Völkern gegenüber zum Lehrmeister in Fragen der Behandlung dieser Dinge zu machen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Herr Minister, damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dorn zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner auf:
hält es die Bundesregierung mit dem grundrechtlich geschützten Recht auf Ehe und Familie vereinbar, eine verheiratete Beamtin gegen ihren Willen ins Ausland zu versetzen, ohne Rücksicht auf die berufliche Bindung des Ehemannes an den jetzigen Wohnort?
Der Abgeordnete ist im Saal. - Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Miltner, es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes, daß Beamte aus dienstlichen Gründen versetzt werden können. Eine Versetzung bedeutet daher in der Regel keine Verletzung der Grundrechte des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
Wie bei jeder dienstlichen Maßnahme, die in Rechte des Beamten eingreift, sind allerdings auch bei einer Versetzung im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn das dienstliche Bedürfnis und die persönlichen Interessen des Beamten gegeneinander abzuwägen. Dabei haben jedoch nach dem Willen des Gesetzes die dienstlichen Belange grundsätzlich den Vorrang, so daß nur ganz schwerwiegende persönliche Gründe oder außergewöhnliche Härten eine im dienstlichen Interesse angeordnete Versetzung als unzulässig erscheinen lassen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Miltner.
. Dr. Miltner ({0}) : Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es nach Art. 6 des Grundgesetzes geboten ist, nach Möglichkeit doch eine familienfreundliche Versetzungspraxis zu üben?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Miltner, wir haben es in dieser Frage ja nicht nur mit Art. 6, sondern auch mit Art. 33 des Grundgesetzes zu tun. Im Zweifelsfall wird der Arbeitgeber - also die öffentliche Hand - die Argumente, die gegen eine Versetzung vorgetragen werden, auf jeden Fall prüfen.
Das gilt natürlich auch für den anderen Fall, der viel häufiger vorkommt, daß ein Beamter versetzt wird, dessen Ehefrau in der Bundesrepublik z. B. ebenfalls berufstätig ist. Ich_ meine, insgesamt gesehen muß man versuchen, im Einzelfall zu einer vernünftigen Lösung und damit auch zu einer pragmatischen Entscheidung zu kommen.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Herr Staatssekretär, ist es nicht bemerkenswert, daß man auch in diesem Hohen Hause von dem Grundsatz der Gleichberechtigung anscheinend noch sehr wenig durchdrungen zu sein scheint?
Frau Kollegin, ich kann das nicht als Zusatzfrage zu der von Herrn Abgeordneten Dr. Miltner gestellten Frage anerkennen.
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Frau von Bothmer auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Verhütung vermeidbarer Abfallproduktion langfristig Priorität vor der gesetzlichen Regelung der Abfallbeseitigung zukommt?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin von Bothmer, die Bundesregierung ist in der Tat der Auffassung, daß die Verhütung vermeidbarer Abfallproduktion auf die Dauer wirksamer und erfolgversprechender ist als die Beseitigung der entstandenen Abfälle. Diese Festellung gilt grundsätzlich auch für andere Bereiche des Umweltschutzes. Es ist in jedem Falle besser und billiger, die Umweltbelastung an der Quelle zu vermeiden, als bereits aufgetretene Schäden zu beseitigen. Diese Erkenntnis darf aber nicht zu dem Schluß führen, daß die geplante gesetzliche Regelung der Abfallbeseitigung durch den Bund weniger dringlich wäre.
Abgesehen von den Mißständen, die durch die bisher übliche Praxis der Abfallbeseitigung in vielen Gemeinden entstanden sind, ist das jetzt geltende Recht der Abfallbeseitigung unzulänglich und zersplittert. So fehlen insbesondere unmittelbare Vorschriften über die unschädliche Lagerung und Ablagerung von Abfallstoffen, Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung dem Bundesrat am 8. Januar 1971 den Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes zugeleitet.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Berücksichtigt die Bundesregierung in ihren Überlegungen, daß man in Amerika den Gebrauch von sogenannten Einwegflaschen und Einweggläsern, die zwar die Produktion ankurbeln, aber Unlösbare Umweltprobleme mit sich bringen, inzwischen verboten hat?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Überlegungen und Erfahrungen, die in anderen Staaten bereits gemacht worden sind, werden mit Sicherheit auch Gegenstand der Entscheidung dieses Hauses sein.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Benda auf:
Trifft die Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20. Januar 1971 zu, in der eine interne Berechnung der Bundesregierung unter Angabe genauer Prozentsätze zitiert wird, nach der die Einkommen der Beamten in den Jahren 1965 bis Ende 1970 langsamer gewachsen sind als die Durchschnittsverdienste aller abhängig Beschäftigten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Benda, eine interne Berechnung der Bundesregierung der
in Ihrer Frage genannten Art gibt es nicht. Bei der Berechnung, die der Meldung der FAZ vom 20. Januar 1971 zugrunde liegt und auf die Sie sich beziehen, handelt es sich um die Ausarbeitung eines Referenten in einem für die Beamtenbesoldung nicht zuständigen Bundesministerium.
Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG als eine unabhängige Stelle mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage des Besoldungsrückstandes beauftragt. Vor weiteren Entscheidungen zur Frage des Besoldungsrückstandes wartet die Bundesregierung dieses Gutachten ab. Aus den in meinem Zwischenbericht an den Herrn Präsidenten des Bundestages vom 30. Dezember 1970 dargelegten Gründen wird die „Treuhand" das Gutachten erst in der zweiten Hälfte dieses Jahres vorlegen können.
Zu der eingangs erwähnten Ausarbeitung ist zu bemerken, daß diese für die Entwicklung der Beamtengehälter keine Aussagekraft besitzt. Man kann nicht, wie in der Ausarbeitung geschehen, einzelne, nicht repräsentative Modellfälle im Besoldungsbereich globalen Zahlen über die Entwicklung der Durchschnittsverdienste in der Privatwirtschaft gegenüberstellen und dabei die in der Zeit seit 1965 besonders vielfältigen strukturellen Änderungen in der Beamtenbesoldung unberücksichtigt lassen. Hierauf ist auch inzwischen in einem Nachtrag zu der oben angeführten Ausarbeitung hingewiesen worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht ein Papier, das die Überschrift „Sozialwirtschaftlich-Statistischer Dienst" und den Kopf „Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Abteilung I" trägt, mit mir als ein amtliches Papier bezeichnen, das, wenn es auch keine Berechnung der ganzen Bundesregierung ist, jedenfalls einen Anspruch darauf hat, der Prüfung und Beachtung durch die Bundesregierung und ganz gewiß der insbesondere für die Fragen der Besoldung zuständigen Ressorts gewiß zu sein?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Benda, das ist ja auch, nachdem die Dinge bekanntgeworden waren, sofort geschehen. Wir haben sofort entsprechende Verbindung aufgenommen, um festzustellen, wie die Prämissen für diese Errechnung zustande gekommen sind. Unter Haus hat sich also sofort mit dem zuständigen Ressort in Verbindung gesetzt. Das Ergebnis dieser Aussprachen und Vergleiche ist das, was ich Ihnen vorgetragen habe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie die Zahlen, die in dieser Berechnung - internen Berech5390
nung oder wie immer - enthalten sind, anzweifeln, oder muß ich Sie so verstehen, daß Sie die Schlußfolgerung, die aus den Zahlen gezogen wird, anzweifeln?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innnern: Herr Kollege Benda, die Zahlen, die der Ausarbeitung zugrunde gelegt worden sind, zweifle ich nicht an. Im Zusammenhang des Gesamtvergleichs zwischen der Besoldungsentwicklung des öffentlichen Dienstes und den angeführten Zahlen aus der Privatwirtschaft ergibt sich eben nur, daß die Voraussetzung vergleichbarer Größen nicht erfüllt ist, weil nach unserer Auffassung entscheidende Prämissen bei der Erstellung des Zahlenmaterials nicht berücksichtigt worden sind.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Benda auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diese Berechnung im Hinblick auf die bevorstehende weittragende Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Neuordnung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern zu veröffentlichen?
Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Aus meiner Antwort auf die erste Frage ersehen Sie schon, daß sich die Frage einer Veröffentlichung nach Meinung der Bundesregierung nicht stellen kann.
Eine Zusatzfrage!
Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es - bei allen Vorbehalten und Bedenken, die Sie in der Sache habe mögen - im Hinblick auf die konkret vor diesem Hause und dem Bundesrat stehende Aufgabe der Neuregelung der Besoldung von großer Bedeutung wäre, dieses Material, von mir aus mit allen Bemerkungen, die aus Ihrer Sicht dazu zu machen sind, mindestens dem Kreise der an der Entscheidung Beteiligten, also den Mitgliedern dieses Hohen Hauses, zugänglich zu machen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe keine Bedenken, daß das Zahlenmaterial den zuständigen Kollegen für den Ausschuß zugänglich gemacht wird. Sie können dann selber feststellen, welche Voraussetzungen dieser Berechnung zugrunde gelegen haben.
Eine letzte Zusatzfrage.
Wenn das dankenswerterweise geschehen wird, werden dann die Kollegen dieses Hauses denen das Material nach Ihrer dankenswerten Ankündigung zur Verfügung gestellt werden wird, es nur als eine vertrauliche Sache bekommen, oder werden sie in der Lage sein, hiervon
dem ihnen nützlichen erscheinenden Umfang Gebrauch zu machen, mit anderen Worten, es der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Benda, da das Ergebnis bereits in der Presse gestanden hat und diese Meldung Anlaß für Ihre Anfrage gewesen ist, bin ich sicher, daß sich eine weitere Geheimhaltung auf diesem Gebiet ausschließen läßt.
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Ich rufe die nächste Frage - Nr. 5 - des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zahlreiche junge Menschen aus Entwicklungsländern - insbesondere aus afrikanischen und asiatischen Staaten - in Unkenntnis des deutschen Rechts nur mit einem Touristenvisum versehen in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, um hier zu studieren oder zu arbeiten, hier aber erfahren müssen, daß eine Verlängerung ihres Visums nicht ohne weiteres möglich ist, und sie vielfach von der Ausländerpolizei nach drei Monaten ausgewiesen werden, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?
Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Apel, Ausländer, die vor der Einreise in das Bundesgebiet einen Sichtvermerk einholen müssen, haben im Antragsformular gegenüber der Auslandsvertretung den Aufenthaltszweck anzugeben. Das Formular unterscheidet ausdrücklich zwischen der Touristenreise und der Einreise zwecks Aufnahme eines Studiums oder einer Erwerbstätigkeit. Ein Touristenvisum wird nur dann erteilt, wenn auf Grund der Erklärung des Ausländers feststeht, daß er die Bundesrepublik nur als Tourist aufsuchen will.
Die Bundesregierung hält es daher für ausgeschlossen, daß zahlreiche Ausländer ein Touristenvisum erhalten haben, die zu Erwerbs- oder Studienzwecken einreisen wollen und dies im Sichtvermerksverfahren pflichtgemäß mitgeteilt haben. Sollte in einem Einzelfall entgegen dem angegebenen Einreisegrund irrtümlich ein Touristenvisum erteilt worden sein, so würde der Ausländer eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung erhalten können.
Ausländer, die entgegen ihrer ausdrücklichen Erklärung im Sichtvermerksverfahren von vornherein einen Aufenthalt zu Erwerbs- oder Studienzwecken anstreben, verletzen durch diese Täuschung die zwingenden deutschen Einreisebestimmungen. Diese Ausländer müssen daher das Bundesgebiet wieder verlassen. Ausnahmen können in diesen Fällen schon deshalb nicht zugelassen werden, weil hierdurch erfahrungsgemäß eine Vielzahl weiterer Ausländer zur illegalen Einreise verleitet würde. Das Massenproblem des illegalen Aufenthalts von Ausländern im Bundesgebiet würde sich hierdurch noch verschärfen.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, Sie hatten eine Zusatzfrage erbeten.
Herr Staatssekretär, da ein Großteil der Ausländer heute visumfrei als Touristen in das Bundesgebiet einreisen kann und infolge dessen die vom Kollegen Dr. Apel angeschnittene Problematik dann verstärkt auftritt, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bereit wäre, im Ausland werbend darauf hinzuweisen, daß diese deutschen Bestimmungen bestehen und daß auch derjenige, der ohne Visum als Tourist, nur mit dem Reisepaß einreist, die Folgen zu gewärtigen hat, von denen Herr Kollege Dr. Apel in seiner Frage gesprochen hat.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Arndt, ich sehe keine Schwierigkeit, daß die deutschen Auslandsvertretungen in den Ländern, wo sie sind, darauf noch einmal aufmerksam machen. Wir müssen aber auch deutlich sehen, daß diejenigen Staaten, bei denen eine Visumerteilung nicht erforderlich ist, in einem anderen Verhältnis zu uns stehen, auch was die vertraglichen Vereinbarungen zur Anwerbung von Arbeitskräften aus diesen Ländern betrifft.
Die nächsten Fragen Nr. 6 und 7 - der Herrn Abgeordneten Pfeifer und Dr. Gölter sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Picard Nr. 8 auf:
Trifft es zu, daß vor der Landtagswahl in einem Unterkunftsraum der Bundesgrenzschutzabteilung in Bad Hersfeld Wahlplakate einer Partei befestigt waren, und wird bejahendenfalls Sorge dafür getragen, daß sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt?
Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, es ist richtig, daß vor den letzten hessischen Landtagswahlen in einem Unterkunftsraum der Grenzschutzabteilung Bad Hersfeld Wahlplakate einer Partei befestigt waren. Der zuständige Hundertschaftsführer veranlaßte die sofortige Entfernung der Wahlplakate. Deshalb bedarf es vom Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr her keiner besonderen Vorsorgemaßnahme für die Zukunft.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht vielleicht doch die Notwendigkeit, wieder einmal darauf hinzuweisen, damit sich nicht in einem bald folgenden Wahlkampf ähnliche Ereignisse zeigen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, da der Vorgesetzte des Beamten dieser Dienststelle entsprechend gehandelt hat, kann man davon ausgehen, daß die Beamten des Bundesgrenzschutzes durchaus über das informiert sind, was zu ihren Pflichten gehört.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir über den konkreten Anlaß hinaus -der Meinung, daß es dienlich wäre, die Regelung dieses Bereichs der Tätigkeit des Beamten, soweit er politischen Bezug hat, in- und außerhalb des Dienstes, einmal wieder deutlicher klarzustellen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich sehe keine Schwierigkeit, das zu tun. Aber dies ist der einzige Fall, den wir in vielen Jahren erlebt haben. Daher besteht auch kein außergewöhnlicher oder besonderer Anlaß, die Angelegenheit anders zu beurteilen, als ich es vorhin dargestellt habe.
Ich hoffe, daß die Lektüre des „Parlaments" mit der heutigen Fragestunde auch eine Möglichkeit dazu bieten.
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Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Picard auf:
Ist es statthaft, daß - wie vor der Landtagswahl in Bad Hersfeld geschehen ein Bundesgrenzschutzbeamter politische Stellungnahmen in der Presse mit Namen, seiner Stellung in seiner Parteiorganisation und dem Zusatz „im Bundesgrenzschutz, 1. Hundertschaft" unterzeichnet?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, es trifft zu, daß ein Beamter des BGS vor den Landtagswahlen in Hessen eine politische Stellungnahme in der Presse mit seinem Namen und mit seiner Stellung in einer politischen Organisation sowie mit dein Hinweis auf seine Zugehörigheit zu einer bestimmten Grenzschutzeinheit abgegeben hat. Zur Frage der beamtenrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Verhaltens darf ich folgendes ausführen:
Auch für einen Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz ist das Recht der freien Meinungsäußerung gewährleistet, so daß es ihm wie jedem Staatsbürger freisteht, zu parteipolitischen Fragen in der Presse öffentlich Stellung zu nehmen. Allerdings ist er auch hierbei gehalten, auf die sich aus dem Beamtenstatus ergebenden Pflichten Rücksicht zu nehmen. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Beamter eine politische Meinungsäußerung in der Presse mit dem vollen Namen und seiner Amtsbezeichnung versieht. Für die Amtsbezeichnung gilt dies jedoch nur, wenn durch ihren Gebrauch nicht der Anschein erweckt wird, das Gewicht der Aussage solle durch die hinter der Amtsbezeichnung stehende Amtsautorität erhöht werden. Diese Gefahr bestand im vorliegenden Fall nicht, da es sich bei dem Beamten um einen Grenztruppjäger handelte, der bekanntlich der Besoldungsgruppe A 2 angehört.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Auch diese Frage, Herr Staatssekretär, hat, so scheint mir, einen etwas weitergreifenden Bezug. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es, da dies nicht der einzige Fall gewesen ist, sondern so etwas immer wieder vorkommt, dienlich wäre, auf das zu verweisen, was Sie soeben in Ihrer Antwort klar zum Ausdruck gebracht haben, da so etwas des öfteren vorkommt? Es ist nämlich in anderen Fällen genau der Eindruck erweckt worden, von dem Sie sagten, daß er in diesem Fall nicht habe erweckt werden können.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, ich kann nur auf das verweisen, was ich vorhin zu diesem Fall gesagt habe.
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Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard auf:
Entspricht es den Vorschriften des § 53 des Bundesbeamtengesetzes, daß - wie in Bad Hersfeld geschehen - ein hoher Beamter des Bundesgrenzschutzes einen Aufruf für einen Landtagskandidaten mit Namen und Dienstgrad im Bundesgrenzschutz unterzeichnet?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Reinhard, es trifft zu, daß ein Stabsoffizier des Bundesgrenzschutzes anläßlich des Wahlkampfes zu den hessischen Landtagswahlen im November vergangenen Jahres einen Wahlaufruf für einen Landtagskandidaten mit seinem Namen und seiner Amtsbezeichnung unterzeichnet hat. Dieses Verhalten entspricht aus folgenden Gründen nicht uneingeschränkt der Vorschrift des § 53 des Bundesbeamtengesetzes.
Ein Beamter ist zwar außerhalb seines Dienstes zu parteipolitischer Neutralität nicht verpflichtet. Es ist ihm deshalb unbenommen, einer politischen Partei beizutreten oder außerhalb des Dienstes für eine politische Partei 7.11 werben, wenn er sich hierbei die gebotene Mäßigung und Zurückhaltung auferlegt, die sich aus der Rücksichtnahme auf die Pflichten seines Amtes ergeben. Im vorliegenden Fall hätte es nahegelegen, auf den Gebrauch der Amtsbezeichnung als Zusatz zur namentlichen Unterzeichnung des Wahlaufrufs zu verzichten.
Zusatzfrage!
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß in diesem Fall der Dienstgrad vielleicht doch hinzugesetzt worden ist, um besonders zu werben?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich halte das nicht für ausgeschlossen. Deswegen habe ich in meiner Antwort vorhin auch die Einschränkung gemacht.
Keine weitere Zusatzfrage zu dieser Frage.
Frage 11 des Herrn Abgeordneten Reinhard:
Ist es den Beamten des Bundesgrenzschutzes erlaubt - wie vor der hessischen Landtagswahl in Bad Hersfeld geschehen in Uniform einen mit Wahlplakaten einer Partei beklebten PKW im Stadtverkehr zu fahren und diesen PKW, ohne die Wahlplakate abzunehmen, im Kasernenbereich abzustellen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es ist richtig, daß ein Beamter des BGS, wie ich vorhin schon sagte, ein Grenztruppjäger, vor der letzten hessischen Landtagswahl in Uniform mit seinem Privat-Pkw durch Bad Hersfeld gefahren ist und daß er am Heckfenster seines Wagens ein kleines Wahlplakat befestigt hatte. Es trifft auch zu, daß der Beamte sein mit dem Wahlplakat versehenes Fahrzeug mehrere Male in der Grenzschutzunterkunft geparkt hat.
Diese Verhaltensweisen sind nicht erlaubt. Die Rücksichtnahme auf die aus seinem Amt sich ergebenden Pflichten gebietet einem Polizeivollzugsbeamten im BGS, bei jeder parteipolitischen Betätigung, wozu auch die Werbung für eine politische Partei gehört, auf das Tragen der Uniform zu verzichten. Die Werbung für eine politische Partei innerhalb einer Grenzschutzunterkunft ist ebenfalls mit der Verpflichtung zur Zurückhaltung bei politischer Betätigung eines Beamten nicht zu vereinbaren.
Nach Bekanntwerden der beiden Vorfälle, die diese Frage zum Gegenstand hatte, wurde deshalb der Beamte von seinem Vorgesetzten aufgefordert, das Wahlplakat zu entfernen, was dann auch geschehen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Ist es nicht vielleicht zweckmäßig, Herr Staatssekretär, wenn ein allgemeiner Befehl erlassen wird, der auf diese Vorkommnisse hinweist und dafür sorgt, daß sich diese Fälle nicht wiederholen? Es sind ja in einem Standort vier Fälle, die heute in dieser Fragestunde zur Sprache gekommen sind.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Reinhard, ich bitte Sie, zu prüfen, ob Sie wirklich der Meinung sind, daß es sich hier um vier Fälle oder ob es sich nicht um einen Vorgang handelt.
Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Die Frage, ob etwas geschehen wird, ist nicht beantwortet. Das darf ich feststellen.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie haben eine Behauptung aufgestellt, zu der ich mich geäußert habe. Sie haben gesagt, es sind vier Fälle. Es sind nicht vier Fälle, sondern es handelt sich um denselben Vorgang. Es sind vier Fragen zu einem Vorgang.
Einen Augenblick, Herr Kollege Dorn. Der Herr Kollege Reinhard hat, wie das in diesem Hause versucht und auch von dem amtierenden Präsidenten gelegentlich hingenommen wird, zwei Probleme in einer Zusatzfrage zusammengefaßt. Der erste Teil der Zusatzfrage war nämlich, ob Sie das nicht zum Anlaß einer allgemeinen Belehrung machen würden.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, Herr Kollege Dr. Reinhard. Ich habe schon auf die Fragen des Herrn Kollegen Picard vorhin geantwortet, daß es sich um einen Fall handelt, und dieser eine Fall ist, wie ich auf die angesprochenen vier Fragen und auch auf die Zusatzfragen, die Sie vorgetragen haben, dargestellt habe, sofort an Ort und Stelle im zuständigen Standort des BGS durch den Vorgesetzten des Beamten im Einverständnis mit dem Beamten bereinigt worden. Ich meine also, wenn bei den vielen Wahlen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland permanent erleben, ein Fall dieser Art stattgefunden hat, sollte das nicht Veranlassung zu einem großen Aufruf an den BGS sein, in dem noch einmal in aller Deutlichkeit all das aufgegriffen wird, was Sie vielleicht wünschen. Die Erledigung dieses einen Falles hat eindeutig unter Beweis gestellt, daß sowohl der betroffene Beamte wie sein Vorgesetzter sofort die erforderlichen Konsequenzen gezogen haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Konrad.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß ministerielle Maßnahmen entbehrlich sind, wenn sich Vorgesetzte in der Lage zeigen, ihren Pflichten ausreichend nachzukommen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Konrad, ich bin in vollem Umfang Ihrer Meinung.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmude, auf:
Zieht die Bundesregierung in Erwägung, eine Änderung des § 25 des Parteiengesetzes einzuleiten, durch die es Spendern von Zuwendungen an Parteien unmöglich gemacht wird, ihre Identität mit Hilfe von Vereinigungen oder sogenannten Strohmännern zu verbergen?
Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Schmude, bisher waren die politischen Parteien erst zweimal, nämlich für die Rechnungsjahre 1968 und 1969, gehalten, Rechenschaftsberichte über die Herkunft ihrer Mittel dem Präsidenten des Deutschen Bundestages einzureichen. Infolgedessen wäre es zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, eine Neuregelung des § 25 des Parteigesetzes, der die Verpflichtung zur namentlichen Offenlegung der Parteispenden normiert, zu erwägen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch zu berücksichtigen, daß nach dem
Änderungsgesetz zum Parteiengesetz vom Juli 1969 die Parteien erstmals im Rechnungsjahr 1969 verpflichtet waren, Spenden, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr 20 000 DM übersteigt, unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen. Danach war es nicht mehr wie noch im Rechnungsjahr 1968 - zulässig, Spenden juristischer Personen erst dann in dem Rechenschaftsbericht anzuführen, wenn sie über 200 000 DM hinausgingen.
Eine inhaltliche Neuregelung der Verpflichtung zur namentlichen Offenlegung der Parteispenden könnte sich demnach fast nur auf Wahrnehmungen stützen, die sich aus den am 10. Dezember 1970 im Bundesanzeiger veröffentlichten Rechenschaftsberichten für das Rechnungsjahr 1969 ergeben. Diese Erfahrungen reichen für eine Änderung der erst vor weniger als zwei Jahren geänderten Regelung nicht aus. Ob sich § 25 des Parteiengesetzes als änderungsbedürftig erweisen wird, kann erst in einiger Zeit beurteilt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die verschiedentlich in der Öffentlichkeit vertretene Meinung, daß diese Spenden, die aus dem „Bundesanzeiger", den Sie zitiert haben, ersichtlich sind, unter Umgehung des Gesetzeszwecks des § 25 des Parteiengesetzes, nämlich der Offenlegung, von Einzelpersonen und Verbänden geleistet worden sind?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innnern: Ich weiß nicht, ob es primär Aufgabe der Bundesregierung ist, von sich aus als Prüfungsorgan die Rechenschaftsberichte der Parteien einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß nach den Bestimmungen des Parteiengesetzes die Parteien entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen so gehandelt haben, wie das im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die nächste Frage, die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen, wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Baier auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen eines wirksamen Umweltschutzes jenen Unternehmen eine Finanzhilfe zu gewähren, die bereit sind, moderne Anlagen zu erstellen, die den künftig zunehmenden Anfall an Autowracks beseitigen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Baier, ich habe den sachlichen Inhalt dieser Frage bereits in der Fragestunde am 18. März 1970 auf Fragen der Frau Abgeordneten Lauterbach in diesem Hause behandelt. Ich darf daher noch einmal auf die Antworten von damals verweisen und noch folgendes zusätzlich ausführen:
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
Die Bundesregierung wird im Rahmen des angekündigten Programms für den Umweltschutz auch ausführlich zur Frage der Lösung des Problems der Autowracks Stellung nehmen. Zur Vorbereitung dieser Arbeiten sind bereits Verhandlungen mit der deutschen Schrottwirtschaft geführt worden, die zusammengefaßt folgendes ergeben haben. Für die Beseitigung von Autowracks eignen sich am besten Schredder-Anlagen. In der Bundesrepublik Deutschland sind zur Zeit drei derartige Anlagen in Betrieb. Neun Anlagen sollen bis zum 1. April 1972 in Betrieb gehen. Die Errichtung von weiteren 21 Anlagen ist geplant.
Das Schrottaufkommen aus Autowracks in der Bundesrepublik, das sich durch die Zunahme von metallischem Sperrmüll noch verdoppelt, kann nach Errichtung der in Bau befindlichen und geplanten Schredder-Anlagen verarbeitet werden. Sollte das Angebot von Autowracks und metallischem Sperrmüll wider Erwarten größer sein, besteht nach Auffassung der deutschen Schrottwirtschaft kein Zweifel, daß weitere Anlagen errichtet werden, da dieser Schrott einen gesuchten Rohstoff darstellt.
Eine Finanzhilfe der Bundesregierung für die Errichtung der Anlagen ist im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit dieses Beseitigungsverfahrens nicht erforderlich.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, mir ging es in meiner Frage, wie Sie gelesen haben werden, nicht um die Bewältigung des Problems. Es ist bekannt, wie man das erreicht. Mir ging es darum, in welcher Weise die Bundesregierung bereit ist, mit finanziellen Hilfsmaßnahmen den Unternehmen zu helfen, die diese Aufgabe bewältigen wollen. Sie sind in Ihrem letzten Satz darauf eingegangen. Ich möchte Sie aber fragen, ob Ihnen die Mitteilungen dieser Unternehmen bekannt sind, wonach es eben nicht möglich ist, diese Anlagen bei den hohen Investitionen wirtschaftlich zu erstellen.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Baier, dann müssen Sie andere Informationen als die Bundesregierung haben. Die uns vorliegenden Informationen besagen eindeutig, daß dieses Verfahren wirtschaftlich gesund ist und deswegen Finanzhilfen der Bundesregierung nicht erforderlich sind.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, selbst wenn es auf lange Sicht kostendeckend sein sollte, darf ich Sie fragen, ob Ihnen nicht bekannt ist, daß die Errichtung dieser Anlagen hohe Investitionskosten verursacht und eben dafür billige Kredite oder sonstige Finanzhilfen gegeben werden sollten.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich glaube nicht, daß die
Bundesregierung, nachdem bisher noch nicht einmal Subventionsanträge aus dem Bereich der Schrottindustrie an die Bundesregierung herangetragen worden sind, von sich aus einem Gewerbe, das wirtschaftlich einigermaßen gesund ist, wenn man die Entwicklung im ganzen Bundesgebiet beobachtet, irgendwelche Subventionsangebote machen sollte. Ich sehe keinen Sinn darin.
Die Frage 15 des Abgeordneten Baier:
Hat die Bundesregierung Pläne, die darauf hinzielen, in einem Fonds in Form einer „Sterbekasse für Altautos" pro Auto einen bestimmten Betrag bereits bei der Neuanmeldung von Autos einzubeziehen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Baier, die Frage beantworte ich mit Nein. Eine Prüfung hat schon vor längerer Zeit ergeben, daß der Verwaltungsaufwand für dieses Verfahren zu aufwendig wäre. Im Hinblick auf die zu erwartende befriedigende Lösung zur Beseitigung von Autowracks sieht die Bundesregierung keinen Grund, derartige Pläne zu verwirklichen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, nachdem offensichtlich die Koordinierung innerhalb der Bundesregierung nicht klappt und Ihnen die Anträge auf Finanzhilfe, die bereits an die Regierung gerichtet wurden, nicht bekannt sind, darf ich Sie fragen, ob ich sie Ihnen zugänglich machen darf.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung ist für jede Unterlage, die aus dem Hohen Hause kommt, selbstverständlich dankbar.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Kollege Dr. Gruhl hat seine Frage, die Frage 16, zurückgezogen.
Der Herr Kollege Dr. Häfele hatte offenbar nur vorsorglich um schriftliche Beantwortung gebeten. Herr Kollege, ich rufe zunächst Ihre Frage 17 auf:
Wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine Neuabgrenzung der Bundestagswahlkreise vorschlagen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung beabsichtigt, ein Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz vorzulegen, das auch Änderungen der Wahlkreiseinteilung vorsehen. soll. Dabei wird es sich um die Übernahme von Vorschlägen des Berichts der unabhängigen Wahlkreiskommission handeln, der in Kürze als Bundestagsdrucksache vorliegen wird.
Was die Wahlkreisänderungen im einzelnen betrifft, möchte ich mich auf die wichtigsten Angaben beschränken. Dies ist um so eher möglich, als Einzelheiten der erwähnten Bundestagsdrucksache zu entnehmen sind. Ihr ist auch eine vergleichende Karte
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
von Änderungen der Wahlkreiseinteilung beigefügt. Nach den Vorschlägen der Wahlkreiskommission sollen von den 248 Wahlkreisen 151 in ihrem Gebietsstand unverändert bleiben. Die Grenzen von 34 Wahlkreisen sollen geringfügig verändert, '63 Wahlkreise sollen neu abgegrenzt werden.
Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich vornehmlich aus folgendem. In den vergangenen Jahren sind im Zuge von Verwaltungsreformen zahlreiche kommunale Grenzen geändert worden. Dadurch ergaben sich immer mehr Fälle, in denen Wahlkreisgrenzen die Gemeindegrenzen schneiden. Auch die Zahl der Landkreisdurchschneidungen hat auf diese Weise erheblich zugenommen. Die Folge davon war, daß die Zugehörigkeit der zu den einzelnen Wahlkreisen gehörenden Teile des Wahlgebiets immer unübersichtlicher geworden ist. Ohne Anpassung der Wahlkreisgrenzen an die geänderten kommunalen Grenzen wäre daher die ordnungsgemäße Durchführung der nächsten Bundestagswahl erheblich erschwert.
Ferner war zu berücksichtigen, daß die Bevölkerungsentwicklung im Wahlgebiet regional sehr unterschiedlich verlaufen. ist, woraus sich erheblich Abweichungen von der Durchschnittsgröße der Wahlkreise ergeben. Die Wahlkreise mit großen Abweichungen vom Bundesdurchschnitt nach unten waren fast ausschließlich großstädtische Wahlkreise, da aus den meisten Großstädten in den letzten Jahren bekanntlich in erheblichem Umfang Einwohner in das Umland verzogen sind. Umgekehrt nahm vor allem an den Rändern der großstädtischen Bevölkerungsballungen die Zahl der Wahlkreise mit stark überdurchschnittlichen Einwohnerzahlen ständig zu.
Bitte, Herr Kollege, eine Zusatzfrage!
Ist bei dieser Fortschreibung der Wahlkreise die Landkreisreform von Baden-Württemberg etwa noch nicht berücksichtigt?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auf das spezielle Anliegen Baden-Württembergs möchte ich bei der Beantwortung der nächsten Frage eingehen, Herr Kollege Häfele.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Picard.
Herr Staatssekretär, ist bei der von Ihnen angekündigten Novelle zum Bundeswahlgesetz auch daran gedacht, das Problem des Wahlrechts für Deutsche im Ausland wieder aufzugreifen und eventuell zu einer besseren Lösung als bisher zu kommen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, das steht nicht im Zusammenhang mit dem hier angesprochenen Problem. Hier steht allein der Bericht einer unabhängigen Kommission über die Neueinteilung der Wahlkreise zur Diskussion.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Riedl.
Herr Staatssekretär, berücksichtigen Ihre Vorschläge und Pläne auch die derzeit in Bayern diskutierten Vorschläge zu einer Gebietsreform?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Riedl, die Pläne und Vorschläge stammen nicht aus meinem Hause oder überhaupt von der Bundesregierung, sondern von einer unabhängigen Kommission, die die Frage der Gebietsreform natürlich mit zum Hauptbestandteil ihrer Überlegungen machen mußte. Das gilt nicht nur für Baden-Württemberg, sondern für alle Bundesländer.
Meine Damen und Herren, dieser Bericht wird Ihnen in wenigen Tagen schriftlich zugehen. Es muß nur noch der von der Verwaltung des Hauses veranlaßte Druck der Karten erledigt werden. Ich meine daher, wir sollten diesen Bericht in Ruhe abwarten und jetzt nicht den Ablauf der Fragestunde durch zahlreiche Zusatzfragen verzögern. Ich lasse noch zwei Zusatzfragen - der Kollegen Baier und Schäfer - zu; dann rufe ich die nächste Frage auf.
Herr Präsident, Sie haben eigentlich einen Teil meiner Frage vorweggenommen, nicht alles. Ich wollte nur fragen: Bis zu welchem genauen Termin wird das Gutachten der Kommission vorliegen, und bis zu welchem Termin glaubt die Bundesregierung einen Gesetzesvorschlag vorlegen zu können?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Baier, das liegt nicht mehr bei der Bundesregierung; die Unterlagen sind bereits bei der Bundestagsverwaltung. Es liegt jetzt einfach an der drucktechnischen Herstellung der Karten. Der Bericht an sich ist, soweit ich orientiert bin, Herr Präsident, bereits gedruckt.
Ja.
({0})
Sie haben keine zweite Zusatzfrage. - Bitte, Herr Kollege Schäfer.
Herr Staatssekretär, nach den bestehenden Gesetzen muß diese bekannte Kommission, von der Sie sprachen, ein Jahr nach jeder Wahl ihren Bericht vorlegen; das ist der Bericht, von dem Sie eben sprachen.
Meine Frage lautet: Nachdem wir uns zur Zeit in nahezu allen Ländern in einer Verwaltungsreform befinden und das Ziel immer gewesen ist, daß die Verwaltungsgrenzen, die Grenzen der Kreise und der Städte, mit den Wahlkreisgrenzen möglichst übereinstimmen, empfiehlt es sich da nicht - ich
5396 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Dr. Schäfer ({0})
hoffe, die Bundesregierung hat es schon angeregt -, daß die Wahlkreiskommission jetzt nicht nur diesen einen Bericht, ein Jahr nach der Bundestagswahl, vorlegt, sondern daß sie gehalten ist, nach jeder Gesamtverwaltungsreform in jedem Land ihren Bericht noch einmal daraufhin zu überprüfen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich halte es für denkbar, Herr Kollege Professor Schäfer, daß diese Frage im Laufe des nächsten Jahres geklärt werden kann, so daß wir früh genug vor den Bundestagswahlen zu einer endgültigen Bereinigung der Wahlkreiseinteilung unter Berücksichtigung der neuesten Entwicklung kommen können.
({1})
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Ist beabsichtigt, für die Bundestagswahl von 1973 die Wahlkreise in Baden-Württemberg neu zu schneiden und dabei die Ergebnisse der Landkreisreform in Baden-Württemberg zu berücksichtigen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Häfele, für das Land Baden-Württemberg wird es bei 36 Wahlkreisen verbleiben, so, wie es die bisherigen Unterlagen ausweisen. Zu einer umfassenderen Neuabgrenzung der Wahlkreise in Baden-Württemberg besteht keine Veranlassung, da übermäßige Abweichungen ihrer Einwohnerzahlen vom Bundesdurchschnitt nicht zu verzeichnen sind. Bei den Änderungen wird es sich deshalb im wesentlichen um Anpassungen an kommunale Grenzänderungen handeln.
Die Landkreisreform liegt als Entwurf vor und ist in der politisch interessierten Öffentlichkeit des Landes Baden-Württemberg bereits eingehend erörtert. Zur Zeit läßt sich noch nicht übersehen, in welchem Umfang sich Überschneidungen von Wahlkreisgrenzen und neuen Landkreisgrenzen ergeben werden. Die Wahlkreiskommission konnte die Volkszählung vom 27. Mai 1970 wegen ihrer Verpflichtung zur Berichtsvorlage bis 20. Oktober 1970 noch nicht voll auswerten.
Nach bisherigen Wahrnehmungen sind weitere kommunale Grenzänderungen in verschiedenen Bundesländern zu erwarten. Deshalb beabsichtigt die Wahlkreiskommission, diese Entwicklung noch zu beobachten und darüber der Bundesregierung Mitte 1972 einen ergänzenden Bericht zu erstatten. Diesem wird dann auch zu entnehmen sein, wieweit sich die bis dahin verabschiedeten neuen Abgrenzungen der Landkreise in Baden-Württemberg mit der Wahlkreiseinteilung in Übereinstimmung bringen lassen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Häfele.
Herr Staatssekretär, halten Sie es zeitlich noch für ausreichend, wenn dieser
Bericht erst Mitte 1972 der Bundesregierung vorgelegt würde, da die Bundestagswahl rund ein Jahr später stattfände?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bin der Meinung, daß es ausreicht, wenn die Berichte und Unterlagen 1972 vorliegen; denn diese Frage kann innerhalb dieses Hauses sehr kurzfristig geregelt werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind Sie der Meinung, daß noch genügend Zeit wäre, in dem Bericht die neuen Fakten zu berücksichtigen, wenn der Landtag von Baden-Württemberg etwa noch im Laufe dieses Jahres die Landkreisreform verabschiedete?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, ich halte das für denkbar.
Frau Kollegin Griesinger, Sie verzichten auf eine Zusatzfrage. Dann bleibt nur noch die Zusatzrfage des Herrn Kollegen Schäfer übrig.
Herr Staatssekretär, die Verwaltungsneugliederung in Baden-Württemberg wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einer Neuabgrenzung der Landtagswahlkreise führen. Es sind bislang 120 Landtagswahlkreise vorhanden, also ungefähr das Dreifache der Bundestagswahlkreise, die Sie nannten. Streben Sie an, jeweils zwei oder drei Landtagswahlkreise zusammenzufassen, damit sich Landtagswahlkreise und Bundestagswahlkreise ungefähr decken?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Rahmen der Möglichkeiten ist das bisher immer angestrebt worden, und dies ist auch mit den Mitgliedern der Wahlkreiskommission so besprochen worden. Es gibt Ausnahmefälle, bei denen es sich nicht realisieren läßt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Bundesminister Dr. Eppler zur Verfügung.
Frage 124 ist von Herrn Abgeordneten Josten eingebracht worden:
In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung die Aktion Gemeinsinn, die am 21. Januar 1971 eine Kampagne für die Entwicklungshilfe eröffnet hat?
Herr Kollege Josten, die Entwicklungshilfekampagne der „Aktion Gemeinsinn" in
diesem Jahr soll durch eine Reihe von Maßnahmen wie kostenlose Einschaltung von Anzeigen in der Presse, Verschicken einer Broschüre, die durch Coupons in den Anzeigen angefordert werden kann, in der Bevölkerung mehr Verständnis für Entwicklungshilfe wecken. Die „Aktion Gemeinsinn" wird dabei finanzielle und ideell von der Arbeitsgemeinschaft „Brüderlich teilen" - darin sind enthalten die Werke „Misereor", „Brot für die Welt" und „Deutsche Welthungerhilfe" - und meinem Ministerium unterstützt.
Das BMZ hat sich an der Kampagne der „Aktion Gemeinsinn" bisher mit 53 000 DM, die Arbeitsgemeinschaft „Brüderlich teilen" mit 40 000 DM beteiligt. Herr Kollege, diese Mittel dienen ausschließlich der technischen Durchführung der Kampagne, nämlich für den Druck und das Porto für den Versand der Broschüre „Vier Milliarden Nachbarn".
Der Gegenwert dieser Kampagne durch die kostenlose Einschaltung von Anzeigen - das ist immer die Hauptsache bei der „Aktion Gemeinsinn" - entspricht demgegenüber etwa 6 Millionen DM. Die Werbeagentur, die bei der Durchführung behilflich ist, arbeitet ebenfalls kostenlos.
Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie nannten die Broschüre „Vier Milliarden Nachbarn". Sehen Sie eine Möglichkeit, daß diese Broschüre, die eine gute Veröffentlichung der „Aktion Gemeinsinn" ist, mit Unterstützung Ihres Ministeriums gezielt verbreitet wird, z. B. an Ober-, Fach- und Hochschulen?
Herr Kollege Josten, vorläufig ist vorgesehen, daß die Broschüre an diejenigen versandt wird, die den Coupon einschicken. Wenn diese Broschüre einschlägt, können wir sie selbstverständlich auch so weiterverwenden, wie Sie angeregt haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, wären Sie bereit, in Verbindung mit dieser Kampagne für die Entwicklungshilfe in Ihrem Hause überprüfen zu lassen, ob die Werbung um mehr Verständnis für die Entwicklungshilfe, welche in der Bundesrepublik durch viele Organisationen und Institute vorgenommen wird, wirksamer koordiniert werden kann?
Herr Kollege, ich hatte erst vor wenigen Wochen alle Leiter der Organisationen, von denen Sie sprechen, bei mir, um mit ihnen über eine gemeinsame Linie in dieser Informationsarbeit zu sprechen. Ich bin gern bereit, diese Gespräche fortzusetzen.
Ich rufe die Frage 125 der Abgeordneten Frau Lauterbach auf:
In welcher Weise hat die durch den Machtwechsel in Uganda veränderte Lage Auswirkungen auf die deutsche Entwicklungspolitik und die Sicherheit unserer Entwicklungshelfer?
Frau Kollegin, die Bundesregierung betrachtet den Staatsstreich in Uganda als einen innenpolitischen Vorgang. Die Entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen Uganda und der Bundesrepublik Deutschland werden, soweit dies jetzt beurteilt werden kann, durch die veränderte Lage in Uganda unmittelbar nicht berührt. Die Bundesregierung sieht sich daher unter den gegebenen Umständen nicht veranlaßt, von ihrer bisherigen entwicklungspolitischen Linie abzugehen.
Die Bundesregierung hat die Entwicklung in Uganda im übrigen mit großer Sorgfalt verfolgt. Nach allen vorliegenden Informationen besteht bis jetzt kein Anlaß für einen Abzug der im Rahmen unserer Entwicklungshilfe tätigen Fachkräfte. Die deutsche Botschaft ist im übrigen gebeten worden, alle möglichen, auch präventiven Maßnahmen zur Sicherung des deutschen Entwicklungshilfepersonals zu treffen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, stimmen Sie mit mir überein, daß es auf Grund der diversen Diskussionen zum Thema Entwicklungshilfe nach den jüngsten Vorfällen in Afrika notwendig ist, klar und deutlich zu sagen, daß es sich hier um Sonderfälle handelt und daß keine Notwendigkeit besteht, die bisherige Entwicklungspolitik generell - nicht nur für Uganda - abzubrechen oder zu ändern?
Frau Kollegin, Staatsstreiche in der Art, wie wir sie jetzt in Uganda gesehen haben, hat es schon sehr häufig gegeben. Sie sind auch für die Zukunft nicht auszuschließen. Sie haben bisher unsere Entwicklungshilfe nicht tangiert. Ich sehe in diesem Zusammenhang keinen Anlaß, unsere Gesamtkonzeption zu ändern.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ist im Hinblick auf die Sicherheit der deutschen Entwicklungshelfer immer gewährleistet, daß die deutschen Botschaften alle in der Entwicklungshilfe Tätigen registriert haben?
Jawohl. Unsere in der Entwicklungshilfe Tätigen sind angewiesen, sich unmittelbar mit der deutschen Botschaft in Verbindung zu setzen, wenn sie in das Gastland kommen.
Herr Kollege Josten, Sie haben sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Herr Minister, teilen Sie meine Meinung, daß der berechtigte Wunsch unserer Bevölkerung nach mehr Sicherheit für Entwicklungshelfer bzw. Experten nur zu erfühlen ist, wenn es gelingt, durch internationale Vereinbarungen entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, und können Sie uns vielleicht etwas über das dieser Tage von Ihnen in Amerika mit U Thant geführte Gespräch sagen, in dem diese Frage doch sicher auch behandelt wurde?
Verehrter Herr Kollege, ich würde dies sehr gerne tun, wenn sich nicht die nächste Frage der Abgeordneten Frau Lauterbach darauf bezöge.
Herr Kollege Kliesing!
Liegen der Bundesregierung Nachrichten über militärische Aktionen von Nachbarstaaten auf dem Hoheitsgebiet von Uganda vor? Solche Aktionen könnten natürlich auch auf die Situation unserer Entwicklungshelfer Auswirkungen haben.
Herr Kollege, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie den Sachzusammenhang mit der Frage nur mühsam herstellen konnten. Aber wenn der Herr Minister Ihre Zusatzfrage beantworten kann, würde die Antwort das Haus und die Öffentlichkeit sicher interessieren.
Herr Kollege, Ihre Frage wäre eigentlich an ein anderes Ressort zu richten. Nach unseren Informationen sind solche Befürchtungen nicht berechtigt.
Dann rufe ich die Frage 126 der Abgeordneten Frau Lauterbach auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die von ihr in Erwägung gezogenen Verträge auf der Basis der UNDP-Entwicklungshilfe auch für deutsche Entwicklungshelfer zu verwirklichen, und gibt es Beispiele dafür bei Verträgen anderer Geberländer?
Frau Kollegin, die Bundesregierung bemüht sich um zusätzliche Sicherung ihrer Entwicklungsexperten. Da es sich dabei um bilateral entsandte Experten handelt, müssen konkrete Abmachungen auch bilateral angestrebt werden.
Solche bilateralen Bemühungen haben um so mehr Aussicht auf Erfolg, je stärker sie von multilateraler Seite, vor allem von den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen, unterstützt werden. Daher habe ich in meinen Gesprächen in New York
mit UN-Generalsekretär U Thant und - wesentlich ausführlicher noch - mit dem Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, Paul Hoffman, folgende Vorschläge gemacht.
Erstens habe ich vorgeschlagen, daß eines der UN-Gremien, möglicherweise der Verwaltungsrat der UNDP, des Entwicklungsprogramms, in einer Resolution Industrie- und Entwicklungsländer auffordert, für die in der Entwicklungshilfe tätigen Personen mehr Sicherheit zu schaffen.
Zweitens sollte es das Ziel solcher Maßnahmen sein, den bilateral entsandten Experten einen ähnlichen Schutz zu geben, wie er für UN-Experten bereits besteht.
Drittens sollten schon jetzt alle bilateralen Experten, deren Regierungen dies wünschen, auch beim sogenannten Resident Director, dem örtlichen Vertreter des UNDP, registriert werden.
Meine Gesprächspartner zeigten sich an den Vorschlägen sehr interessiert und sagten eine gründliche Prüfung zu. Paul Hoffman stimmte auch dem Gedanken der Registrierung - vorbehaltlich einer rechtlichen Prüfung - zu.
Der Administrator des UNDP, Paul Hoffman, bot überdies als Sofortmaßnahme an, daß die Experten aus der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie Kontakt mit den Resident Directors, den örtlichen Vertretern von UNDP, aufnehmen, dort jede Hilfe erhalten sollen, die in den Möglichkeiten des örtlichen Direktors liegt. Ich habe dieses Angebot dankbar angenommen.
Zum letzten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin, muß ich Ihnen mitteilen, daß die Bundesrepublik nicht auf bilaterale Verträge anderer Industrieländer mit Entwicklungsländern zurückgreifen kann. Soweit uns bekannt ist, enthalten die bilateralen Verträge anderer Länder keine Bestimmungen, die einen größeren Schutz gewähren als unsere Rahmenabkommen über technische Hilfe.
Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie in der Lage, mir mitzuteilen, ob die von Ihnen erwähnten UNDP-Resident-Directors in all den Ländern stationiert sind, in denen deutsche Entwicklungshelfer arbeiten, und sind jene UNDP-Vertreter auch kraft ihres eigenen Status in der Lage, die notwendige Unterstützung zu gewähren?
Frau Kollegin, in allen Ländern, in denen unsere Helfer und Experten tätig sind, gibt es einen Resident Representative oder, wie er jetzt heißt, Resident Director von UNDP. Die Stellung dieser Direktoren innerhalb des UN-Systems ist auf Grund der Ergebnisse der Jackson-Studie aufgewertet worden. Dies bedeutet nicht, daß sie für bilaterale Experten direkt zuständig sein können. Es bedeutet aber, daß ihr moralisch-politisches Gewicht groß genug ist, daß eine Hilfe von dieser Seite her wirksam werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, welche Möglichkeiten der Initiative erwägt die Bundesregierung noch außerhalb der Vereinten Nationen, z. B. auf bilateraler Basis, hinsichtlich der betreffenden Empfängerländer?
Ich habe Ihnen schon gesagt, Frau Kollegin, daß wir bilateral tätig werden, sobald wir multilateral die Unterstützung dafür haben. Aber ich kann hinzufügen, daß ich vorhabe, mich in allernächster Zeit einmal gründlich mit den Botschaftern der afrikanischen Länder in der Bundesrepublik über dasselbe Thema zu unterhalten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Josten.
Herr Minister, so erfreulich Ihre Mitteilung ist, darf ich Sie aber, da wir ja besondere Bedenken gegenüber Ost-Berlin haben, fragen: Wird in Ihrem Hause Material gesammelt, aus dem zu ersehen ist, inwieweit Ost-Berlin den Konflikt mit der Bundesrepublik in Afrika sucht?
Herr Kollege Josten, Sie wissen, daß dies nicht Aufgabe meines Hauses ist, sondern die Aufgabe des Auswärtigen Amtes.
l ch danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig zur Verfügung. Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Wuwer auf. - Der Herr Kollege ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist zu befürchten, daß ähnlich wie in den Vereinigten Staaten von Amerika auch in Deutschland Fischkonserven, insbesondere Thunfischkonserven, Quecksilber oder Quecksilberverbindungen enthalten?
Herr Abgeordneter, angesichts des weltweiten Handels mit Thunfischkonserven war zu erwarten, daß auch in der Bundesrepublik Partien mit einem erhöhten Gehalt an organischen Quecksilberverbindungen anzutreffen sind. Demzufolge hat das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit sofort nach Bekanntwerden der Untersuchungsbefunde in den USA die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörden fernschriftlich um Mitteilung gebeten, ob im Rahmen der Lebensmittelüberwachung bei Thunfischkonserven hier ebenfalls überhöhte Quecksilbergehalte festgestellt wurden. Die Untersuchungen
der im Handel befindlichen Thunfischkonserven sind inzwischen in verstärktem Maße angelaufen. Das Lebensmitteluntersuchungsamt in Münster - um ein Beispiel zu nennen - hat nach Mitteilung des zuständigen Landesministers bei der Untersuchung von 87 Thunfischkonserven festgestellt, daß bei 27 Proben ein Quecksilbergehalt von über 0,5 ppm also 0,5 mg auf 1 kg - vorlag. Nach Ansicht wissenschaftlicher Sachverständiger in den USA und auch nach Ansicht des Bundesgesundheitsamtes wird ein über 0,5 ppm hinausgehender Wert als nicht mehr duldbar angesehen. Über erhöhte Quecksilbergehalte bei anderen Fischereierzeugnissen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Markt befinden. liegen mir von seiten der Lebensmittelüberwachung bisher keine Berichte vor.
Zu dem Gesamtproblem der Umweltgefahren durch Quecksilberrückstände darf ich Sie auf die Antwort der Bundesregierung in der Drucksache VI/1304 hinweisen, die sie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hirsch, Dichgans, Mertens gegeben hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Ursachen sind eigentlich dafür verantwortlich, daß diese Konserven Quecksilber enthalten?
Es handelt sich um einen Quecksilbergehalt, der im Meer festzustellen ist und über die biologische Anreicherungskette und damit über den Stoffwechsel von den Fischen aufgenommen wird. Wir kennen ja eine ganze Reihe von chemischen Substanzen, die über die Stoffwechselassimilation in den tierischen Körper kommen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Welche Schädigungen würde ein überhöhter Quecksilbergehalt im menschlichen Körper auslösen?
Herr Abgeordneter, es wäre jetzt schwierig, Ihnen hier eine allgemeine Symptomatologie und Pathologie der Quecksilbervergiftungen zu geben. Aber es gibt eine ganze Reihe nicht unerheblicher körperlicher Schäden. Aus diesem Grunde ist auch in der Arbeitsschutzgesetzgebung den Fragen der Quecksilberintoxikation besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden .
Herr Kollege Dr. Gleissner, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sollten nicht aus den Ergebnissen, die Sie bekanntgegeben haben, Konsequenzen gezogen werden, und welcher Art werden diese Konsequenzen sein?
Ich hatte Ihnen soeben gesagt, daß 0,5 ppm die oberste zu tolerierende Grenze sind. Konserven, die mehr Quecksilber enthalten, müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Sie sind nicht verkehrsfähig.
Die Fragen 94, 95 und 96 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 97 und 98 des Abgeordneten Baeuchle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Land Baden-Württemberg zahlreiche Landwirte, deren Kinder landwirtschaftliche Fachschulen besuchen, mit ihren Anträgen auf Ausbildungsbeihilfe nach dem Ausbildungsförderungsgesetz von Landratsämtern und Landwirtschaftsämtern abgewiesen worden sind, mit dem Hinweis, man wisse bei den Ämtern noch nicht, ob überhaupt und von welchem Kostenträger Ausbildungsbeihilfen gewährt würden?
Steht dieses Verhalten der Ämter nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen des Ausbildungsförderungsgesetzes, wonach jedem Jugendlichen, der im Zuge der Berufsausbildung eine Fachschule besucht, ins Rahmen der festgelegten Einkommensgrenzen eine Ausbildungsbeihilfe zusteht, und ist die Bundesregierung bereit, aufklärend zu veranlassen, daß das Ausbildungsförderungsgesetz einheitliche Anwendung findet?
Herr Abgeordneter, die Landwirtschaftsschulen in Baden-Württemberg sind in dem Verzeichnis der Ausbildungsstätten, für deren Besuch Ausbildungsförderung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz zu leisten ist, als Fachschulen eingetragen. Der Bewilligungszeitraum ist vom Innenministerium des Landes im einzelnen festgelegt. Vereinzelt sind bei der Durchführung des § 2 Abs. 5 des Ausbildungsförderungsgesetzes Schwierigkeiten aufgetreten. Nach dem Ausbildungsförderungsgesetz wird der Besuch von Schulen gefördert, soweit er der Ausbildung dient. Nach den §§ 41, 47, 48 des Arbeitsförderungsgesetzes wird der Besuch von Schulen gefördert, soweit er der beruflichen Fortbildung und der Umschulung dient.
Da die Landwirtschaftsschulen sowohl der Ausbildung als auch der Fortbildung dienen, muß das zuständige Amt für Ausbildungsförderung nach dem Entwurf der Verwaltungsvorschriften zum Ausbildungsförderungsgesetz jeweils von sich aus prüfen, ob ein Anspruch auf Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz besteht. Hierzu ist in Zweifelsfällen eine Auskunft des Arbeitsamtes einzuholen. Wie hier bekannt ist, stehen Auskünfte von einzelnen Arbeitsämtern noch aus, weil von diesen Rückfragen bei dem Landesarbeitsamt und von dort bei der Bundesanstalt für Arbeit erfolgen. Die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit steht noch aus.
Zu Ihrer zweiten Frage: Das Verhalten der Ämter für Ausbildungsförderung steht nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des Ausbildungsförderungsgesetzes. Die Ämter für Ausbildungsförderung sind nach § 32 Ausbildungsförderungsgesetz verpflichtet, die Feststellungen zu treffen, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind. Hierzu gehört auch die Feststellung, ob ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach diesem Gesetz oder nach dem Arbeitsförderungsgesetz besteht. Die Bundesregierung hat mit der Bundesanstalt für Arbeit Verbindung aufgenommen, um eine baldige Abgrenzung der Zuständigkeit zu erreichen. Sie wird den Deutschen Bundestag vom Ergebnis ihrer Bemühungen so bald wie möglich unterrichten.
Danke schön. - Keine Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.
Wir nehmen die unterbrochene Beratung des Einzelplans 06, verbunden mit der Beratung des Einzelplans 36, wieder auf. Das Wort hat Herr Bundesminister Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Aussprache, die wir heute morgen hatten, hat Herr Kollege Benda einige Bemerkungen gemacht, die sich mit der Rolle der Freien Demokratischen Partei in der Regierungskoalition, in der Bundesregierung und auch mit meiner eigenen Position befassen. Ich denke, daß gerade eine Aussprache über den Haushalt des Innenministers dazu angetan sein kann, dazu etwas Grundsätzliches zu sagen. Vorweg, Herr Kollege Benda: Sie haben von der geballten Kraft der 5,8 O/o gesprochen, mit der wir tätig sind. Nicht auszudenken, wie das aussähe, wenn wir Ihre zahlenmäßige Stärke hätten.
Meine Damen und Herren, die gegenwärtige koalitionspolitische Situation in der Bundesrepublik Deutschland zeichnet sich durch den Umstand aus - ich halte das für einen Gewinn -, daß alle demokratischen Parteien dieses Hohen Hauses miteinander einmal regiert haben, daß sie miteinander Erfahrungen gesammelt haben, daß sie aus diesen Erfahrungen Schlüsse ziehen können, daß sie aber in dieser Zusammenarbeit, so glaube ich, auch gelernt haben, sich gegenseitig zu achten. Wenn wir als Lehre daraus mitnehmen, daß die demokratischen Parteien in diesem Hause in verschiedenen Zusammensetzungen miteinander regierungsfähig sind, so ist das auch ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie in unserem Lande, ein Beitrag, der sich heute morgen gezeigt hat, als sich in der Unterbrechung der Sitzung dieses Hohen Hauses Vertreter aller demokratischen Parteien bei der Feier zum Gedenken an den ersten Reichspräsidenten, Friedrich Ebert, versammelten und durch ihre Teilnahme ihm gegenüber ihre Position und ihre Wertschätzung zum Ausdruck brachten.
({0})
Es ist verständlich, daß es in der Regierungskoalition zwischen Sozialdemokraten und Freien Demokraten ein Maß an Übereinstimmung gibt, daß zwischen allen demokratischen Parteien vorhanden sein sollte und vorhanden ist. Es gibt darüber hinaus
Bereiche, in denen Sozialdemokraten und Freie Demokraten von vornherein übereinstimmen, und es gibt einen Bereich, in dem wir eine gemeinsame Grundlage gefunden haben, eine Grundlage, die ihren Ausdruck in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Herbst 1969 findet. Daneben gibt es einen Bereich, in dem die Sozialdemokraten ihre Meinungen und in dem wir unsere Meinungen haben. Das ist richtig so; denn wir sind ja nicht eine Partei, sondern wir sind eine Regierungskoalition aus selbständigen und unabhängigen Parteien.
Aber nicht allein die gemeinsame sachliche Grundlage, wie sie von vornherein vorhanden war, und nicht allein die Tatsache, daß wir uns in dieser Legislaturperiode für eine bestimmte Politik zusammengeschlossen haben, ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit, sondern es kommt ein Punkt hinzu, den herauszustellen ich für richtig halte, die Tatsache nämlich, daß sich beide Partner als Partner achten und daß sie in der Zusammenarbeit in der Bundesregierung nach dieser Einsicht handeln.
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Wenn man das weiß, kann man sich auch über unterschiedliche Positionen unterhalten. Indessen scheinen mir die Fälle, in denen Herr Kollege Benda glaubt, eine unterschiedliche Position erkennen zu können, dafür eigentlich keinen Stoff herzugeben.
Herr Kollege Benda, Sie haben Bezug genommen auf die Kontroverse, die zwischen mir in meiner Eigenschaft als Bundesminister des Innern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund entstanden war. Sie wissen, daß ich auf der Bühlerhöhe nicht mit bombastischen Worten gesprochen habe, sondern mit der mir eigenen einfachen Sprache,
({2})
mit der ich mich immer wieder verständlich zu machen bemühe. - Ich sehe, daß das auch Ihre wohlwollende Zustimmung findet.
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Ich habe dort vor einer Erscheinung im öffentlichen Dienst gewarnt, die uns alle mit Sorge erfüllen sollte, eine Erscheinung, die ich als eine Entsolidarisierung zwischen den verschiedenen Gruppen des öffentlichen Dienstes bezeichnen muß. Das führt dazu, daß durch eine Überbetonung der sicherlich in jeder Gruppe vorhandenen speziellen Interessen am Ende das Gesamtanliegen aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes leiden muß. Die Sorge darum verbindet uns alle.
Ich habe dem Deutschen Beamtenbund dem Sinne nach gesagt: Weil ich diese Entwicklung sehe, sind Sie - nämlich die Gesamtheit des Deutschen Beamtenbundes in Fragen des öffentlichen Dienstrechts mein Partner. Wenn ich demnächst vor dem Deutschen Gewerkschaftsbund sprechen werde, werde ich das dort in ähnlichem Sinne sagen.
Auf der Bühlerhöhe habe ich auch zur Frage des Berufsbeamtentums, zu dem ich mich bekenne, gesprochen sowie zu der Tatsache, daß ich persönlich ein Streikrecht für Beamte als nicht vereinbar mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums halte. Die Bundesregierung hat zu dieser Frage in der von
Herrn Kollegen Benda zitierten Antwort auf eine Kleine Anfrage ihre Position zum Ausdruck gebracht. Nur wäre es verfehlt, anzunehmen, daß der Bundeskanzler in dem Brief, den er am 29. Januar 1971 an Herrn Reuter gerichtet hat, davon in der Sache abgewichen sei.
Der Bundeskanzler hat an der hier wichtigen Stelle gesagt:
Über die Neuordnung des öffentlichen Dienstrechts hat die Bundesregierung noch keine Beschlüsse gefaßt.
({4})
Das ist eine sachlich richtige Darstellung, die sich übrigens mit dem deckt, was ich auch auf der Bühlerhöhe gesagt habe, nämlich daß es der Respekt vor den Arbeiten der Dienstrechtskommission verbietet, schon jetzt eine Würdigung ihrer Arbeitsergebnisse vorzunehmen, ohne daß man sie kennt. Man kann sie nicht kennen, weil die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Das zu diesem Sachverhalt.
Nun hat der Kollege Benda zu einer Frage Stellung genommen, die sich mit der verspäteten Vorlage des Gutachtens zum Besoldungsrückstand befaßt. Meine Damen und Herren, ich nehme für diese Regierung in Anspruch, daß sie die erste Bundesregierung ist, die überhaupt ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das die Höhe des Besoldungsrückstandes feststellen soll.
({5})
Wir sind es, die damit die sachliche Voraussetzung dafür schaffen, daß wir uns mit dem Phänomen der Diskussion über einen Besoldungsrückstand auseinandersetzen,
({6})
einen Besoldungsrückstand, von dem man weiß, daß er, wie hoch er immer sein mag, ganz sicher in der Zeit entstanden ist, in der Kollegen der CDU/CSU die Verantwortung im Innenbereich getragen haben. Meine Damen und Herren, ich kann gar nicht ausschließen, daß er sich in meiner Amtszeit möglicherweise noch erhöht hat. Das werden wir ja aus dem Gutachten erfahren. Nur glaube ich, daß bei der Entscheidung, ob man die Gutachter auffordert, eine übereilte Stellungnahme abzugeben, oder ob man ihnen die zeitliche Möglichkeit einräumt, eine gründliche Begutachtung dieses sehr schwierigen Sachverhalts vorzunehmen, man sich eindeutig für eine gründliche Begutachtung entscheiden sollte. Das ist der Grund, warum wir diesen Bericht nicht fristgemäß vorlegen konnten. Ich glaube, es wird im Interesse aller liegen, die im öffentlichen Dienst stehen.
Was den Härtebericht zum Gesetz nach Art. 131 GG angeht, so haben wir uns heute morgen, Herr Kollege Benda, bevor die Plenarsitzung begann, im Bundeskabinett mit dieser auch gar nicht so einfachen Frage befaßt. Die Bundesregierung hat von dem Bericht, den ich erstatten werde, zustimmend Kenntnis genommen.
Meine Damen und Herren, die Kritik an der Regierungsvorlage für ein Besoldungsvereinheitlichungsgesetz scheint mir nicht berechtigt zu sein. Im Interesse der Förderung der Zusammenarbeit in der interfraktionellen Arbeitsgruppe will ich mich jetzt nicht zu der Frage äußern, inwieweit das Arbeitsergebnis dieser Arbeitsgruppe von der Vorlage der Bundesregierung abweichen wird. Das wäre der Sache nicht nützlich. Wir werden darüber noch zu sprechen haben. Ich glaube aber ganz sicher, daß die Regierung auf dem richtigen Wege war, als sie im Herbst letzten Jahres den Versuch unternahm, in dem Besoldungswirrwarr, vor allem in dem Wirrwarr der Zulagen, der zwischen den einzelnen Bundesländern und zwischen den Bundesländern und dem Bund entstanden war, endlich zu einer Harmonisierung zu kommen. Wir konnten es auf die Dauer weder mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit noch mit den Grundsätzen einer vernünftigen Besoldung für vereinbar halten, daß dieselben Tätigkeiten in verschiedenen Bundesländern eine unterschiedliche Bezahlung erfahren. Das ist der Grund dafür, daß die Bundesregierung auch in diesem Bereich eine Verfassungsänderung vorgesehen hat.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zu dem Gesamtbereich der Verfassungspolitik der Bundesregierung. Es ist mit Recht festgestellt worden, daß das Parlament sich entschieden hat, eine Enquetekommission einzusetzen. Hierfür gibt es Anträge aller Fraktionen des Deutschen Bundestages. Diese Anregungen für eine Enquetekommission gehen auf eine Erklärung der Bundesregierung zurück. Es ist verständlich, daß die Regierung es lieber sieht, wenn in einer Frage, in der ohnehin alle tragenden Kräfte des Parlaments beteiligt werden müssen, eine Kommission des Parlaments statt einer Regierungskommission eingesetzt wird. Mir wäre es lieber gewesen, diese Kommission könnte heute schon arbeiten.
Nur meine ich, daß es unbeschadet der grundlegenden Arbeiten, die wir von dieser Enquetekommission erwarten, einfach unvermeidlich ist, daß wir vorher eine Reihe verfassungsändernder Gesetze beschließen. Der bayerische Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung von zentralistischen Bestrebungen gesprochen, die aus den Verfassungsänderungsanträgen der Bundesregierung sprächen. Meine Damen und Herren, den Vorwurf des Zentralisten muß ich mit allem Nachdruck zurückweisen. Gerade als Liberaler sehe ich im Föderalismus, und zwar in einem funktionsfähigen Föderalismus, ein ausgleichendes, ein gewaltenteilendes und damit ein die Demokratie stärkendes Element in unserem Staatsaufbau.
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Von daher gesehen wäre es falsch, wenn man die Frage, ob der Föderalismus in unserem Land gefährdet ist oder nicht, davon abhängig machte, welche Zuständigkeit beim Bund und welche bei den Ländern ist. Ist es denn nicht in der Tat so, daß z. B. die Bundeskompetenz für die Beamtenbesoldung eine von allen Fraktionen anerkannte Notwendigkeit darstellt, wenn wir nicht eine weitere Zersplitterung in der öffentlichen Besoldung hinnehmen
wollen? Ich glaube, das kann niemand bestreiten. Ich halte die Verfassungsänderung, die die Bundesregierung im Bereich des Verfassungsschutzes vorgeschlagen hat mit dem Ziel, uns die Möglichkeit zu geben, besser als bisher radikale Ausländergruppierungen zu überwachen, für ebenso notwendig und nicht im geringsten für einen Anschlag auf den Föderalismus. Das gleiche gilt für die Verfassungsänderungen, die sich mit der Bundeszuständigkeit für den Umweltschutz befassen sollen. Es gibt bestimmte Probleme im Bereich des Umweltschutzes, die wir heute kaum noch in nationalem Maßstab lösen können, ganz sicher aber nicht durch unterschiedliche Landesgesetzgebungen.
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Deshalb haben wir nicht einen Anschlag auf den Föderalismus vorbereitet, wenn wir auf diesem Gebiet die Bundeszuständigkeit wollen. In Wahrheit erstreben wir vielmehr eine Änderung in der Zuständigkeitsverteilung, die diesen unseren Staat in die Lage versetzen soll, die Aufgaben auch der nächsten Jahrzehnte zu erfüllen, und dazu gehört der Umweltschutz.
Bei der Beratung der einzelnen Verfassungsänderungen werden wir ganz sicher immer wieder an die Frage stoßen - der Herr Kollege Benda hat sie heute schon angeschnitten -, inwieweit im Zusammenhang mit der Abstimmung über eine Verfassungsänderung auch eine Kenntnis wenigstens der ersten, einfachen Gesetze und eine Entscheidung über diese Gesetze erforderlich ist. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß die Opposition in dieser Frage mitentscheiden will. Auf der anderen Seite müssen wir uns davor hüten, hier durch die Praxis Bestimmungen des Grundgesetzes zu verändern, die darin bestehen, daß Verfassungsänderungen der Zweidrittelmehrheit und einfache Gesetze der einfachen Mehrheit bedürfen. Es wird notwendig sein, in der parlamentarischen Praxis einen gesunden Mittelweg zu finden, wenn wir nicht eine neue Qualifikation für die Beratung solcher einfachen Gesetze bringen wollen. In dieser Frage ist ja auch ein gewisses Vertrauen zwischen den Fraktionen erforderlich; denn wenn wir uns über den Inhalt des einfachen Gesetzes einigen, geht die Minderheit im Hause wohl davon aus, daß das einfache Gesetz nach der Verfassungsänderung nicht in anderer Richtung geändert wird.
Meine Damen und Herren, daß niemand in diesem Hause eine totale Revision verlangt, scheint außer Zweifel zu stehen. Herr Kollege Schäfer hat das für seine Fraktion auch noch einmal sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.
Herr Kollege Benda hat im Rahmen seiner Kritik an meiner Amtsführung die Frage angeschnitten, ob denn die Beantwortung einer Kleinen Anfrage, die die Fraktion der CDU/CSU eingebracht hat -es ging um die Frankfurter Hausbesetzung - in Ordnung sei. Herr Kollege Benda, Sie werden sich aus der Kenntnis der Schriftlichen Antwort daran erinnern, daß ich dort einen Auszug aus der Stellungnahme des hessischen Ministers des Innern mitgeteilt habe, den man doch einmal hören muß, wenn
man zu einer objektiven Würdigung des Sachverhalts kommen will.
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In der Wiedergabe dieser Stellungnahme heißt es:
Von einer Untätigkeit der Polizei könne keine Rede sein. Das Haus Güntherstraße 26 in Frankfurt a. M.-Niederrad sei am 17. November 1970 ohne große Schwierigkeiten geräumt worden. Die angebliche Äußerung des Frankfurter Polizeipräsidenten sei „aus dem Zusammenhang gerissen" wiedergegeben worden. Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. Main habe unmittelbar nach der Besetzung des dritten Hauses in einer Pressekonferenz das Verhalten der Hausbesatzer und der sie tragenden politischen Kräfte scharf verurteilt. Er habe die Polizei angewiesen, durch geeignete Maßnahmen Hausbesetzungen zu verhindern.
Ich glaube, niemand sollte Anlaß nehmen, an der Richtigkeit dieser Auffassung des hessischen Innenministers zu zweifeln.
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Es ist im übrigen nicht die Möglichkeit, nicht die Sache und nach dem Aufbau unseres Staates auch sicherlich nicht die Pflicht der Bundesregierung, Polizeibehörden im einzelnen zum Einschreiten zu veranlassen oder ihnen Maßregeln zu geben. Daß die Bundesregierung auf der Grundlage des Schutzes
) des Eigentums steht, sollte für jeden schon deshalb klar sein, weil alle Mitglieder der Bundesregierung einen Eid auf die Verfassung und die Einhaltung dieser Verfassung geleistet haben.
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Das, Herr Kollege Schäfer, kam noch hinzu.
Der Herr Kollege Benda hat dann die Frage des Leidensweges eines Briefes angeschnitten, den er mir geschrieben hat. Ich habe darüber einen Vermerk in den Akten gefunden. Daraus geht hervor, daß diese Sache durch ein Gespräch, das der Kollege Dorn mit Ihnen, Herr Kollege Benda, geführt hat, erledigt gewesen sei.
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Aber wir wollen hier nicht über Briefe streiten, sondern wir wollen über die Sache sprechen, nämlich über die Frage, ob ein Abgeordneter Anspruch darauf haben soll, Gesetzentwürfe zu dem Zeitpunkt einzusehen, zu dem die Länder oder die Verbände diese Entwürfe bekommen.
Meine Damen und Herren, unabhängig davon, ob ich Mitglied der Bundesregierung bin oder Mitglied des Hauses, ohne Mitglied der Bundesregierung zu sein, vertrete ich die Auffassung, daß ein Abgeordneter sehr wohl zu einem sehr frühen Zeitpunkt Einblick in derartige Vorlagen bekommen sollte.
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Diese Meinung wird sicherlich von allen Seiten dieses Hauses geteilt. Dieser Meinung war übrigens auch eine frühere Regierung, nämlich die Regierung Kiesinger/Brandt, die am 2. November 1966 den Beschluß gefaßt hat, sicherzustellen, daß Bundestagsabgeordnete auf Wunsch Einsicht in einen Gesetzentwurf erhalten,
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sobald die einschlägigen Fachkreise oder Verbände davon in Kenntnis gesetzt werden. Meine Amtsvorgänger hätten, bis ich in das Amt kam, sehr wohl die Möglichkeit gehabt, aus dieser richtigen Erkenntnis und ohne eine Aufforderung durch den Bundestag bereits ihre Schlüsse daraus zu ziehen und eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung vorzunehmen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benda?
Bitte schön!
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß in Ihrem Hause unter dem Datum Februar 1967 eine Hausanordnung - Gruppe IX, Blatt 8 zur „Unterrichtung von Bundestagsabgeordneten über Gesetzentwürfe" ergangen ist? In dieser Hausanordnung hat der damalige Bundesminister des Innern das Haus angewiesen, in derartigen, nämlich in den im Bericht des Geschäftsordnungsausschusses angesprochenen Fällen entsprechend zu verfahren. Darf ich zusätzlich fragen, ob diese Hausanordnung bei Ihnen noch besteht und, falls ja, warum sie nicht praktiziert wird, wenn Kollegen, wie ich es z. B. getan habe, darum bitten.
Herr Kollege, ich habe diese Hausanordnung nicht aufgehoben. Mir geht es darum, eine Regelung für die gesamte Bundesregierung zu treffen. Sie werden zu Ihrer Zeit festgestellt haben, daß hier eine Reihe von Problemen zu lösen sind. Ich muß über diese Probleme auch im Rahmen des Kabinetts diskutieren. Es gibt durchaus achtbare Argumente für diese oder jene Regel und auch für die Praxis, wie man so etwas durchführt. Gehen Sie bitte davon aus, daß Sie sehr schnell eine entsprechende Entscheidung bekommen werden. Aber kritisieren Sie bitte nicht, wenn diese Regierung in kürzerer Zeit, als es früher der Fall war, zu einer abschließenden Entscheidung kommt.
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Was im übrigen den Vorwurf hinsichtlich meiner Umgebung betrifft, sage ich hier frank und frei, daß ich für diese meine Umgebung ein schwieriger und anspruchsvoller Minister bin und daß es auch vom zeitlichen Aufwand her gesehen keineswegs leicht ist, mit mir zusammenzuarbeiten. Wenn irgendwann einmal eine Verzögerung eintritt, liegt die Schuld daran ganz sicher nicht bei meinen Mitarbeitern. Es
liegt auch nicht an ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit oder am fehlenden guten Willen, sondern das wird allein von mir vor diesem Hohen Hause und auch vor der Öffentlichkeit verantwortet.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, obwohl wir noch über andere Probleme zu sprechen haben werden, etwas zu einem letzten Punkt sagen. Ich nehme an, daß wir nach den noch ausstehenden Beiträgen weiter darüber zu reden haben werden.
Herr Kollege Benda hat beanstandet, daß der Bericht über den Radikalismus, der früher in jährlichen Abständen erstattet wurde, für das Jahr 1969 noch nicht vorliege. Er meinte, daß es eigentlich schon Zeit für den Bericht über das Jahr 1970 sei, weil der Bericht immer am Anfang des Jahres erstattet worden sei. Ich habe mich belehren lassen, daß der Bericht, den der Kollege Benda für das Jahr 1968 vorgelegt hat, im September 1969 vorgelegt worden ist. Aber wir wollen nicht über Monate, sondern über die Sache reden.
Ich glaube, daß der Bundestagswahlkampf im Jahre 1969 und auch der Wechsel in der Regierung ein so einschneidender politischer Tatbestand waren, daß es nützlich ist, eine umfassende Schau über die Entwicklung des Radikalismus in Deutschland zu geben, einen umfassenden Überblick, der sich nicht auf eine Momentaufnahme zum 31. Dezember 1969 beschränkt, sondern in dem die Jahre 1969 und 1970 zusammen gewürdigt werden. Das wollen wir tun. Hier werden Sie einen umfassenden Bericht bekommen.
Eines allerdings, Herr Kollege Benda, war eine unbegründete Vermutung, nämlich die, daß diese Regierung mit dem Bericht des Verfassungsschutzamts nicht einverstanden gewesen sei. Es hat über den Inhalt der Berichtsentwürfe überhaupt keine Diskussion gegeben. Meine Damen und Herren, ich nehme nicht nur für mich, sondern ich nehme für die Regierung in ihrer Gesamtheit in Anspruch, daß ihre Absage an den Radikalismus von links und rechts mit dem Nachdruck und mit der Allgemeingültigkeit erfolgt, wie das von jeder demokratischen Partei in diesem Hohen Hause geschehen sollte.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miltner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist eine so bedeutende Aufgabe, daß sie auch im Rahmen der Haushaltsberatungen, wo die gesamte Politik dieser Bundesregierung angesprochen wird, ihren Platz haben sollte. Wer die rechts- und linksradikalen Umtriebe in den letzten Monaten verfolgt hat, wird die Notwendigkeit einer Debatte auch insofern bejahen, als darin die Wachsamkeit unseres Staates zum Ausdruck kommt und wir auch in der Lage sind, die Sicherheitsorgane in der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu unterstützen. Die Bevölkerung soll nämlich wissen, daß die von ihr gewählte Staatsgewalt gewillt ist, die Demokratie vor denjenigen zu schützen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausnutzen, um gegen unsere Verfassung zu kämpfen.
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Nur wer sich von Zeit zu Zeit selber einen Überblick über die Lage auf dem Gebiet des politischen Radikalismus verschafft, ist auch in der Lage, diesen politischen Radikalismus richtig zu beurteilen, d. h. ihn weder überzubewerten noch auch zu unterschätzen. Das gilt gleichermaßen für den Links- wie den Rechtsradikalismus.
Die rechtsextremen Bestrebungen in unserer Bundesrepublik sind heute in erster Linie durch die Aktivität der NPD und auch durch die publizistische Tätigkeit der „Deutschen Nationalzeitung" gekennzeichnet. Wir haben es in den vergangenen Jahren und besonders auch 1970 erlebt, daß die NPD Stimmenverluste erlitt und nicht mehr in einen Landtag einziehen konnte. In der Zwischenzeit hat diese Partei auch sehr hohe Verluste an Mitgliedern erlitten, und man kann sagen, daß sich in dieser Partei eine Resignation breitgemacht hat.
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Es gilt auch das, was früher vom Bundesinnenministerium festgestellt worden ist, daß neben diesen beiden, NPD und „Deutsche Nationalzeitung", andere rechtsradikale Organisationen an Bedeutung verloren haben.
Es wäre aber, glaube ich, gefährlich, wollte man daraus den Schluß ziehen, eine Partei wie die NPD würde bald in der Versenkung verschwinden. Denn es können immer wieder politische Konstellationen eintreten, die rechtsradikalen Kräften in unserer Bundesrepublik Auftrieb geben. Die Diskussion um die Ostpolitik dieser Bundesregierung war, wie Sie wissen, Anlaß für führende NPD-Politiker, die „Aktion Widerstand" ins Leben zu rufen. Aber man darf dabei feststellen, daß kein Vernünftiger in der Bundesrepublik die Bekämpfung der Ostverträge dieser Bundesregierung etwa als radikal oder rechtsradikal bezeichnen kann, sondern daß sich die „Aktion Widerstand" mit ihrem Auftreten, mit ihren verfehlten Parolen und Transparenten selbst einen rechtsradikalen Anstrich gegeben hat.
Nun haben diese Veranstaltungen der Aktion Widerstand auch Gegendemonstrationen hervorgerufen, und es sind auf beiden Seiten Ausschreitungen vorgekommen. Man kann, glaube ich, darüber streiten, ob es in jedem Falle richtig ist, eine Gegenaktion zu unternehmen, weil vielfach erst dadurch diese Aktion, die man bekämpfen will, Popularität erlangt.
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Das gilt, meine Damen und Herren, auch von rechtlich zweifelhaften Versammlungsverboten, die erst dann durch Presse und Massenmedien eine Publicity bekommen.
Ich glaube, wir sollten uns auf jeden Fall hüten, bei unfriedlichen Demonstrationen und bei ungenehmigten Demonstrationen mit zweierlei Maß zu messen. Sie sind, woher sie auch immer kommen,
gleich, von welcher Seite, gleichermaßen zu verurteilen, auch wenn ihre Motive und ihre Ziele so verschieden sind. Spektakuläre Gegendemonstrationen, die zu rechtswidrigen Ausschreitungen führen, dienen dem Ziel, nämlich der Bekämpfung des Radikalismus, oft weniger. Es ist schon vorgekommen, daß solche Aktionen auch zu Solidarisierungstendenzen führen.
Die Ernsthaftigkeit und die Glaubwürdigkeit des staatlichen Vorgehens sind nur dann gegeben, wenn ohne Ansehung der politischen Herkunft rechtswidrige Aktionen unterbunden werden. Ich glaube, wir können es uns vor der Öffentlichkeit einfach nicht leisten, daß sich bei Veranstaltungen sogar demokratische Kräfte nicht an die Auflagen der Polizei halten. Die Würzburger Vorgänge um die Aktion Widerstand und die darauf folgenden Veranstaltungen zeigen deutlich, daß wir mit halbherzigem Vorgehen und mit schwächlichem Dulden nichts erreichen, sondern eher noch die radikalen Kräfte ermuntern.
Die Glaubwürdigkeit unseres Staates rechts- und linksradikalen Kräften gegenüber ist nicht etwa dadurch größer geworden, meine Damen und Herren von der Koalition, daß Sie die Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts gegen die Warnungen Ihrer eigenen Polizeipräsidenten hier durchgesetzt haben.
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Was war denn eigentlich die Folge? Der NPD-Vorsitzende hat postwendend erklärt, daß sie genauso wie die Linken von dieser Liberalisierung profitieren werden.
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Meine Damen und Herren, wer die Vorgänge von Würzburg genauer analysiert, wird zu dem Ergebnis kommen, daß auf Grund dieser Liberalisierung des Demonstrationsrechts eine risikofreiere Beteiligung auch an ungenehmigten Demonstrationen mitgespielt hat.
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Zur Lage der Polizei, meine Damen und Herren, sind einige Äußerungen des hiesigen Polizeipräsidenten sehr aufschlußreich, der folgendes sagt -ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Wir sind an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden. Die Liberalisierung des Demonstrationsrechts erschwert die Arbeit der Polizei. Der Polizeibeamte fühlt sich nicht durch die Öffentlichkeit gedeckt. Wir bedauern diesen Zustand, weil wir sehen, wie extremistische Kräfte von rechts und links die Staatsautorität untergraben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Polizei ist eben durch diese Vorgänge in der Öffentlichkeit auch verunsichert worden, und es wäre schädlich für uns in unserem Land, wenn wir uns daran gewöhnten. Ich glaube, wir müssen den Bürgern und der Polizei den hohen Wert der inneren Sicherheit so darstellen, daß der einzelne Polizist auch noch den Wert und den Sinn erkennt, sich für diese Demokratie unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel auch einzusetzen.
({6})
Meine Damen und Herren, auf dem Gebiet des Ausländerradikalismus, der ja im April vergangenen Jahres Gegenstand einer Großen Anfrage unserer Fraktion war, haben die Terrorakte in der letzten Zeit erheblich zugenommen, so daß schnell und energisch gehandelt werden mußte. Noch 1969 hatten wir 65 Terrorakte im Bundesgebiet, und 1970 zählten wir schon 182. Wir müssen beachten, daß diese radikalen Ausländer nicht nur unsere eigene innere Sicherheit gefährden, sondern auch unsere auswärtigen Beziehungen beeinträchtigen können. Mit solchen Terrorakten werden nicht nur die Streitigkeiten der Herkunftsländer auf unserem Territorium ausgetragen, sondern es wird auch eine Propaganda entfaltet und zwar in deutscher Sprache -, die nicht zuletzt den Anschein erwecken kann, als ob sie von deutscher Seite gegen ausländische Staaten gerichtet sei. Hierbei spielen auch die Solidarisierungstendenzen mit radikalen linksextremen Gruppen deutschen Ursprungs eine Rolle.
Die radikalen Ausländergruppen haben heute überwiegend einen linksextremen ideologischen Hintergrund. Bei den Griechen, Spaniern und Türken sind es in der Hauptsache Gegner des Regimes, Kommunisten und Anarchisten. Die meisten arabischen Gruppierungen zeigen ebenfalls einen linksextremen Hintergrund, oft rotchinesischer und sowjetischer Art.
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Sie sind teilweise, so kann man sagen, auch national-arabisch gefärbt. Aber bemerkenswert erscheint mir in diesem Zusammenhang ihre antizionistische, antiisraelische Haltung. Hier überschneiden sich, glaube ich, linksextreme und rechtsextreme Zielsetzungen.
({8})
Problematischer ist es bei den Jugoslawen. Hier beobachten wir seit Jahren Terrorakte zwischen kroatischen und serbischen Exilorganisationen. Die Bundesregierung hat kürzlich in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage dazu Stellung genommen und sagen können, daß die Identität der Täter mit ziemlicher Sicherheit festgestellt worden sei. Es wäre für uns jedoch interessant gewesen, auch einmal zu erfahren, welche Hintermänner hinter diesen Aktionen stehen.
Wir anerkennen, meine Damen und Herren, daß in der Zwischenzeit, von uns auch durch die Große Anfrage begünstigt, die Ausländerüberwachung im Bundesamt für Verfassungsschutz und in den Landesämtern verstärkt aufgenommen worden ist und das Bundesverwaltungsamt durch entsprechende Datenverarbeitung in der Lage ist, die Ausländerbewegung im Bundesgebiet besser als vorher zu überwachen. Zur Zeit sind wir, wie Sie wissen, dabei, auf diesem Gebiet die rechtlichen Voraussetzungen zu verbessern.
Meine Damen und Herren, selbst wenn wir auf diesem Gebiet davon absehen, das noch junge Aus5406
Ländergesetz zu verschärfen, so sollte doch sichergestellt sein, daß dieses Gesetz auch erschöpfend gehandhabt wird. Allmählich hat sich bei den Ausländern nämlich die Auffassung durchgesetzt, daß die Bundesrepublik die politische Betätigung am liberalsten handhabt.
({9})
Die Bundesrepublik darf auf gar keinen Fall zum Tummelplatz der Ausländer werden, und sie darf auch nicht das schwächste Glied bei der internationalen Überwachung dieser radikalen Ausländer sein und bleiben.
Es fällt auf, daß von der politisch begründeten Ausweisung und Abschiebung von Ausländern wenig Gebrauch gemacht wird. So hat z. B. das Ausländeramt in München, einem Zentrum radikaler Ausländerumtriebe, bei rund 1 100 Abschiebungen und Ausweisungen nur fünf bis sechs Fälle politisch begründet.
Meine Damen und Herren, der Mannheimer Polizeipräsident hat in einem Artikel auch hierzu Ausführungen gemacht. Ich möchte sie mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gern zitieren. Er sagt:
Wenn man beispielsweise im Ausländerrecht einerseits den „liberalen Maxen" markiert und andererseits von der Polizei eine lückenlose und scharfe Kontrolle der Ausländer verlangt, muß es zu Komplikationen führen. Ein Staat muß in seinen Gesetzen, exekutiven Rechtsnormen, bei der Verfolgung und Ahndung von Straftaten eine einheitliche Linie haben, ganz gleich, ob sie weicher oder härter ist. Er muß in seiner Form und sich selbst treu bleiben. Sicherheitspolitik muß Charakter haben!
({10})
Diesen Forderungen kann man nur beipflichten.
Nun zu dem anderen Erscheinungsbild auf dem Gebiet des politischen Radikalismus, nämlich zum Linksradikalismus. Hier stellen wir die Aktivität der DKP und auch kleinerer Gruppen fest, die hauptsächlich an unseren Hochschulen agieren. Ein Vergleich mit dem Rechtsradikalismus ergibt, daß der Schwerpunkt des Radikalismus bei uns in der Bundesrepublik heute eindeutig auf dem linken Sektor liegt.
({11})
Das ergibt sich schon aus der zahlenmäßigen Stärke, zu der wir sagen können, daß der Linksradikalismus mit etwa 65 000 anzusetzen ist, der Rechtsradikalismus mit etwa 30 000.
({12})
- Mitglieder und Anhänger im engeren Sinne, Herr Professor.
({13})
Die Wahlen in der Bundesrepublik haben aber Gott sei Dank in den vergangenen Jahren gezeigt, daß die linksextremen Parteien wie die DKP, die DFU oder in Berlin die SEW einfach keine Chancen
haben. Aber gerade bei der DKP müssen wir beachten, daß eine ideologische und finanzielle Abhängigkeit vom Osten besteht und damit eine erhöhte Gefährlichkeit gegeben ist.
({14})
Nachdem seit der Gründung der DKP einige Jahre verstrichen sind, kann sich, glaube ich, eine Bundesregierung in ihrer Beurteilung nicht mehr darauf berufen, es handle sich um eine neue Partei, über die noch keine Erkenntnisse vorlägen.
({15})
Wir wissen heute, daß sich diese Partei ebenso auf die marxistisch-leninistische Ideologie beruft, wie das die verbotene KPD getan hat. Das Bundesverfassungsgericht hat bei dem Verbot dieser Partei besonders auf dieses Kriterium abgehoben.
Nichts liegt also näher, als die Bundesregierung zu fragen, ob sie die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der DKP weitergeführt hat, wie das die Regierung der Großen Koalition am 23. April 1969 beschlossen hat. Zu welchem Ergebnis kommt diese Bundesregierung? Mit großen Worten eine globale Verurteilung und Abgrenzung zum Kommunismus vorzunehmen, ist heute nicht schwer. Ich glaube, von dieser Bundesregierung muß man mehr erwarten, muß man substantiierte Äußerungen erwarten, etwa zu der Frage, ob die DKP als eine Nachfolgeorganisation der KPD, als eine Ersatzorganisation oder als eine neue Partei angesehen werden muß. Nach der Antwort auf diese Frage richtet sich die Zuständigkeit für ein mögliches Verbot.
({16})
Hat die Bundesregierung in diesem Sinne schon Gespräche mit unseren Bundesländern geführt? Dieses Kapitel müßte einmal geklärt sein.
Wenn wir diese Klärung nicht bekommen, wird weiterhin der Eindruck entstehen, als handle es sich bei der DKP um eine Partei, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Ich bin mir allerdings darüber im klaren, daß heute schon Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine Verfassungswidrigkeit dieser Partei hindeuten.
Als vor einigen Monaten der Herr Bundeskanzler von dem großangelegten Versuch einer rechten außerparlamentarischen Opposition sprach, haben wir hier in diesem Plenum nach substantiierten Erkenntnissen geforscht. Das Ergebnis war: Fehlanzeige. Im Bericht zur Lage der Nation hat der Herr Bundeskanzler wiederum auf den Rechtsradikalismus abgehoben und uns diese Fehlanzeige bestätigt, indem er sagte, daß es eine kleine Gruppe von Rechtsradikalen mit einer sehr großen Lautstärke gebe. Dieses Dementi des damaligen imaginären Versuchs einer großen außerparlamentarischen Opposition wäre heute an sich nicht erwähnenswert, wenn wir im Bericht zur Lage der Nation auch ein Wörtchen zum Linksradikalismus gehört hätten.
({17})
Warum, muß man sich fragen, ist denn diese Seite des Radikalismus nicht angeschnitten worden?
({18})
Klingt es unangenehm oder störend für diese Bundesregierung, wenn linksradikale Umtriebe zugleich in einer Rede mit Entspannungsbemühungen mit dem Osten behandelt werden müßten? Wäre es nicht zusätzlich notwendig und angebracht gewesen, zu den innenpolitischen Konsequenzen der Ostverträge, wie das die DKP und die SED fordern, Stellung zu beziehen und sie abzulehnen? Es gibt doch da eine Linie, die von Moskau über Ost-Berlin bis zu unserer DKP reicht. Hier fehlt einfach die Klarstellung dieser Bundesregierung.
Wenn wir die linksradikalen Bestrebungen klein schreiben, wenn wir sie an entscheidenden Punkten unerwähnt lassen, schwächen wir die Abwehrbereitschaft gegen den Linksradikalismus in diesem Volk. Diesem Verdacht sollte sich diese Bundesregierung nicht aussetzen.
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Die freiheitliche Grundordnung unseres Staates ist verankert worden, damit sich jede Bundesregierung danach richtet und auch danach bemessen werden kann. Eine innenpolitische Appeasementpolitik gegen den Linksradikalismus, sei sie außenpolitisch, sei sie sonstwie motiviert, würde uns in unserem Land nur schaden können.
Nun einige Bemerkungen zum Linksradikalismus bei unserer Jugend! Es scheint mir gefährlich, wenn es den radikalen Gruppen der neuen wie der alten Linken gelingt, an den Universitäten und in den Studentenvertretungen revolutionäre Stützpunkte zu schaffen. Es kann uns auch nicht gleichgültig sein, wenn marxistische, leninistische und maoistische Gruppen mit ihrem Ideengut unsere Jugend unterwandern. Es kann uns weiterhin nicht gleichgültig sein, wenn diese Kräfte sogar Kontakt zu unseren Schülern suchen. Es muß geradezu alarmierend sein, wenn es Roten Zellen gelingt, einer Fachschaft ihren Willen aufzunötigen, wenn es gelingt, für entscheidende Positionen die Sitze in den Studentenvertretungen zu erringen.
Ich meine, es ist nicht nur ein Einzelfall, sondern auch symptomatisch, wenn ein führendes Mitglied des Sozialdemokratischen Hochschulbundes offen erklärt, dieser stehe der Programmatik der DKP näher als der der SPD.
({20})
Es kann wohl auch nicht so einfach hingenommen werden, wenn an einigen Hochschulen Koalitionen zwischen dem sozialistischen Hochschulbund und dem Spartakusbund, der der DKP nahestehenden Studentenorganisation, eingegangen worden sind.
Nun müssen wir auch noch vor der Gefahr einer Unterwanderung unserer Jugendverbände warnen. Alles das ist Grund genug, in der Öffentlichkeit vor den Gefahren des Rechts- wie des Linksradikalismus zu warnen.
({21})
Herr Kollege, Sie gestatten die Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hauff?
Herr Kollege, angesichts Ihres Appells, den Links- wie den Rechtsradikalismus in diesem Lande abzuwehren, möchte ich Sie gern fragen, was Ihre Meinung zu der Tatsache ist, daß Mitglieder Ihrer Partei und der CSU mit der Deutschen Volksunion zusammenarbeiten, deren Vorsitzender der Herausgeber der von Ihnen zu Recht als rechtsradikal apostrophierten „Nationalzeitung" ist.
Ich muß zurückfragen, ob Sie dafür Beweise haben, Herr Hauff.
({0})
Meine Damen und Herren, daß der Bund „Freiheit der Wissenschaft" gegründet werden mußte, hätte die Bundesregierung viel früher und viel schärfer auf den Plan rufen müssen.
({1})
Was sich an unseren Hochschulen abspielt, ist eine glatte Verletzung des Grundrechts der Freiheit der Wissenschaft und Forschung. Hier muß, glaube ich, die Bundesregierung durch ihr Verhalten, ihre Stellungnahme und ihr Handeln mit die Voraussetzungen dazu schaffen, daß geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, um den Lehr- und Forschungsbetrieb an unseren Universitäten sicherzustellen. Niemand darf sich einbilden, daß radikale Gruppen wie die Roten Zellen und andere etwa mit bildungspolitischen Maßnahmen oder mit einem Finanzpaket zum Schweigen gebracht werden könnten. Schon zu lange haben wir es zugelassen, daß Rechtsverletzungen und Zerstörungen unter dem Deckmantel des Reformeifers geduldet werden.
({2})
Ich glaube, hier sind nicht Kräfte der Reform am Werke, sondern Kräfte der Revolution, die die Universität nur als erste Etappe auf dem Weg zum Sturz der parlamentarischen Demokratie betrachten.
({3})
Diese Bundesregierung sollte auch scharfe Maßstäbe anlegen, wenn Jugend- und Studentenorganisationen am Bundesjugendplan beteiligt werden wollen. Die ausweichenden Antworten auf Fragen nach der möglichen Subventionierung des VDS, die der Parlamentarische Staatssekretär Westphal in der Fragestunde gegeben hat, waren jedenfalls symptomatisch für diese Bundesregierung. Die Grenzen der Toleranz sind auf diesem Gebiet, glaube ich, überschritten, so daß wir jetzt die Konsequenzen ziehen müssen.
Meine Damen und Herren, in der gestrigen Debatte hat Herr Professor Schäfer den Versuch unternommen - ich möchte diesen Versuch als untauglich bezeichnen , die CSU mit dem Rechtsradikalismus in Verbindung zu bringen.
({4})
Wenn man schon eine solch ungeheure Behauptung aufstellt, sollte man wenigstens den leisen Hauch eines Nachweises erbringen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie, Herr Professor Schäfer, als Politiker meines Heimatlandes nicht in dieselbe Kerbe wie Herr Ulbricht drüben hauen wollten, um hier in der Bundesrepublik eine Polarisierung zu erreichen.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauff.
Herr Kollege, würden Sie freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, daß in der letzten Ausgabe der „National-Zeitung", in der über die Gründung der Deutschen Volksunion berichtet wird, auf der Titelseite ein Bild enthalten ist, aus dem deutlich wird, daß Herr Dr. Nowack, der Vorsitzende der Ortsgruppe Plochingen der CDU, Mitglied dieser neuen Union war,
({0})
und ist dies nicht ein bedenkliches Anzeichen dafür, wie sich innerhalb Ihrer Partei die Abwehrkräfte nach rechts aufweichen?
Herr Hauff, selbst wenn das der Fall wäre, müßte gesagt werden: Es handelt sich hier um einen Einzelfall. Ich werde Ihnen nachher einen Fall vortragen, aus dem man ebenfalls falsche Schlüsse ziehen kann. Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen.
Herr Kollege, gestatten Sie zunächst noch eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Jenninger?
Herr Kollege Miltner, würden Sie den Kollegen darüber informieren, daß Herr Nowack aus der Deutschen Volksunion längst wieder ausgetreten ist? Das war überall in den Zeitungen zu lesen, Herr Schäfer. Ich nehme an, daß auch Sie die Zeitungen gelegentlich lesen.
({0})
Ich möchte jetzt in meinem Vortrag fortfahren.
Einen Augenblick! Herr Kollege, ich muß Sie ordnungsgemäß fragen - es liegen noch zwei Zwischenfragen Ihrer Kollegen Wohlrabe und de With vor -, ob Sie diese beiden Zwischenfragen zulassen wollen.
Bitte schön!
Dann beginnen wir bei dem Kollegen Wohlrabe.
Herr Kollege Miltner, ist Ihnen bekannt, daß in einer namhaften und großen Berliner Tageszeitung vor zwei Tagen zu lesen war, daß die Tochter des sogenannten Bildungsexperten der SPD Deutschlands, Herrn Evers, nämlich Sabine Evers, nunmehr auf der Wahleröffnungsversammlung der Sozialistischen Einheitspartei West-Berlins ({0}) offen dazu aufrief, diese kommunistische Partei zu wählen?
({1})
Das ist mir bekannt, Herr Kollege.
Eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten de With.
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß die CSU im letzten Bayern-Landtagswahlkampf fast alles getan hat, die Wähler der zerbröckelnden NPD in ihre Reihen aufzunehmen?
({0})
Ich möchte Ihnen folgende Antwort darauf geben, Herr de With: Ist es nicht guter demokratischer Brauch, daß wir alle bemüht sind, die rechts- und linksradikalen Kräfte in der Bundesrepublik aufzulösen?
({0})
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit meinem Vortrag fortfahren!
({1})
Einen Augenblick! Es können keine weiteren Zwischenfragen an den Kollegen gestellt werden.
Ich würde auf gar keinen Fall unterstellen, daß die SPD etwa den Linksradikalismus tolerieren will. Aber lassen Sie mich einmal einen Vorgang schildern, aus dem man auch falsche Schlußfolgerungen ziehen könnte! Da hat der Herr Bundestagsabgeordnete Wienand am 12. September 1970 an einer Demonstration auf Pützchens Markt in Bonn teilgenommen. Auf diesem Platz standen Sozialdemokraten, Kommunisten, Marxisten und Leninisten herum.
({0})
- Moment! Es waren nur rote Fahnen zu sehen. Die „Internationale" wurde gesungen. Nach Herrn Wienand sprach ein Vertreter der Marxisten-Leninisten. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie würde das Bild ausgesehen haben, und was würden Sie dazu sagen, wenn etwa führende CDU-Politiker an einer NPD-Veranstaltung teilgenommen hätten?
({1})
Herr Kollege Dr. Miltner, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? Ich muß in diesem Zusammenhang nur sagen: Ich habe Ihnen wegen der Zwischenfragen schon eine gewisse Karenzzeit gegeben. Aber allmählich wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie zum Schluß kämen. Aber bitte, noch die letzte Zwischenfrage.
Würden Sie, verehrter Herr Kollege, die Freundlichkeit haben, das Haus auch darüber zu informieren, daß ich mich in der dort gehaltenen Rede, die im Wortlaut verbreitet wurde, scharf gegen die rechts- und die linksradikalen Gruppen abgegrenzt habe, daß also nicht der Eindruck entstehen konnte, den Sie hier zu vermitteln versuchen.
({0})
Aber sehen Sie, Herr Wienand, auf das Bild, das äußerlich abgegeben worden ist, nehmen doch auch Sie, meine Damen und Herren, vielfach Bezug und auch nicht auf den Inhalt der Reden.
({0})
Die Bevölkerung der Bundesrepublik hat, glaube ich, seit dem Bestehen dieses Staates dem politischen Radikalismus eine klare Absage erteilt, und wir sind es unserer Bevölkerung schuldig, daß wir die Grenzen des Radikalismus - auch des Linksradikalismus - überall sichtbar machen. Wer unsere freiheitliche Grundordnung untergraben will, sollte die volle Ablehnung der demokratischen Kräfte spüren.
({1})
Was soll man aber davon halten, wenn Meldungen zutreffen, daß der Regierende Bürgermeister von Bremen den Bezirksvorsitzenden Breidbach der bremischen DKP empfangen hat, um sich von einer Reise in die Sowjetunion berichten zu lassen? Oder was soll man davon halten, wenn Pressemeldungen zutreffen, daß der Parteivorstand der DKP von unserem Botschafter in Moskau empfangen worden ist? Da müssen Sie mir schon die Frage gestatten: Wollen wir durch eine solche Praxis die Gegner unserer parlamentarischen Demokratie hoffähig machen? Wo will diese Bundesregierung die Grenze im Umgang mit den links- und rechtsradikalen Kräften denn ziehen?
({2})
Aus dieser zu sorglosen Unbedachtsamkeit, meine Damen und Herren, sollte diese Bundesregierung erwachen. Unser gemeinsames Bekenntnis zu diesem Staat und zu unserer Verfassung gibt uns auch die gemeinsame Verantwortung für die innere Sicherheit in diesem Staate.
({3})
Meine Damen und Herren, das war die erste Rede des Kollegen Dr. Miltner in diesem Hohen Hause. Sie sehen, er ist mit dieser Rede gleich mitten in die parlamentarische Auseinandersetzung gekommen. Ich wünsche ihm eine erfolgreiche politische Arbeit.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Sieglerschmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, auf einen Beitrag einzugehen, der soviel unsachliche Polemik enthielt.
({0})
Das ist nicht der Ton, der in diesem Hause am heutigen Tage am Platze ist.
({1})
Ich werde mich zunächst mit den wenigen Sachpunkten, die Herr Kollege Miltner aufgegriffen hat, beschäftigen.
Herr Kollege Miltner, wenn Sie von dem Demonstrationsstrafrecht sprechen - um damit anzufangen - und wenn Sie die alte Legende, die wir im Innenausschuß doch lange genug erörtert haben, wieder aufwärmen, daß durch die Neufassung des Demonstrationsstrafrechts die Lage für radikale Gruppen erleichtert worden sei, dann kann man nur sagen: durch die Wiederholung wird das nicht richtiger.
({2})
Sie können hier Polizeipräsidenten zitieren. Hier handelt es sich doch nicht um eine Sache der Psychologie, sondern hier handelt es sich um eine Sache des Rechts. Das Polizeirecht gibt der Polizei mindestens die gleichen, wenn nicht noch bessere Möglichkeiten, gegen radikale Gruppen einzuschreiten, als das Recht, das wir - hundert Jahre war es alt - vor einem Jahr den heutigen Verhältnissen angepaßt haben.
({3})
- Es können doch nicht nur in der CSU Leute falsche Ansichten haben.
({4})
Ich möchte über ein Zweites sprechen. Sie haben von dem Verhältnis des Linksradikalismus und des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik gesprochen und haben gesagt, der Linksradikalismus sei viel schwergewichtiger.
({5})
Mein Kollege Schäfer hat mit Recht die Zwischenfrage gestellt: Mitglieder oder Anhänger, wie ist das intellektuelle und das emotionale Echo linksradikaler und rechtsradikaler Äußerungen? - Mir scheint, Herr Kollege Miltner, Sie haben zwei Sachen miteinander verglichen, die man insoweit ebensowenig miteinander vergleichen kann wie Äpfel und Birnen.
({6})
Herr Abgeordneter Sieglerschmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Herr Kollege Sieglerschmidt, darf ich in unser aller Gedächtnis zurückrufen, daß der Kollege Miltner die Unterscheidung im wesentlichen damit begründet hat, daß hinter den linksradikalen Kräften auswärtige Mächte mit ihrem Macht- und Geldapparat stehen.
({0})
Das ist gar nicht zu bestreiten, das wird auch gar nicht bestritten, Herr Kollege Lenz.
({0})
Nur, über die Frage, welche Wirkung diese Dinge im deutschen Volk haben, muß man ein bißchen subtiler nachdenken, und darüber muß man auch ein bißchen subtiler sprechen.
({1})
Überlegen Sie sich doch einmal, wie viele ständige Leser etwa die „Deutsche National- und Soldatenzeitung" hat, und vergleichen Sie das. Stellen Sie sich doch einmal die Frage: Wie kommt es denn, daß die rechtsradikalen Parteien in den letzten Jahren wesentlich mehr Wähler gehabt haben als die linksradikalen Parteien?
({2})
- Bitte, gern, sagen Sie es doch!
({3})
- Das will ich Ihnen genau sagen. Seien Sie doch froh, daß es eine Sozialdemokratische Partei gibt, die die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in diesem Lande so geführt hat, daß es eben nur eine Splittergruppe von Kommunisten gibt und es bei uns nicht so ist wie in Italien und wie in Frankreich. Das ist der Grund.
({4})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr von Thadden!
von Thadden ({0}) : Herr Kollege, sollen wir auch froh darüber sein, daß sich größere Organisationen der Jungsozialisten nicht an den Beschluß Ihrer Partei gebunden fühlen, jede Zusammenarbeit mit Kommunisten zu meiden?
Darauf komme ich gleich zu sprechen; darüber werden Sie noch einiges von mir hören.
({0})
- Nein, das wird nicht vergessen.
Ich möchte noch ein Wort zu dem sagen, was Sie zu der Frage eines verfassungsgerichtlichen Verbots der DKP, zur Frage einer Prüfung eines solchen Verbots nach Art. 21 GG gesagt haben. Herr Kollege Miltner, ich glaube, wir sollten beide froh darüber sein, daß die Frage eines Parteiverbots - nach welcher Seite auch immer - nach dem Opportunitätsprinzip zu entscheiden ist. Wir sollten uns sehr genau überlegen, wann wir das schwere Geschütz des Antrages auf Verbot einer radikalen, antidemokratischen Partei anwenden und wann nicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel?
Bitte schön.
Herr Kollege Sieglerschmidt, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Frage, ob die DKP eine Nachfolgeorganisation der KPD ist, nicht nach politischer Opportunität beantwortet werden kann, sondern ausschließlich nach dem Recht zu beantworten ist?
Das würde ich so ohne weiteres nicht sagen, Herr Kollege Vogel. Hier besteht kein Verfolgungszwang. Hier müssen die Kriterien festgestellt werden.
({0})
Im übrigen, Herr Kollege Vogel, wollen Sie diese Frage letzten Endes doch wohl auch nicht aus der politischen Entscheidung herausnehmen.
({1})
- Ich muß jetzt meinen Gedankengang weiterführen. Wir können diese Zwiegespräche nicht fortführen.
So wie es gute Gründe gibt, sich genau zu überlegen, wann der richtige Zeitpunkt für das in unserem Lande viel diskutierte NPD-Verbot gekommen ist - Herr Kollege Benda, Sie wissen ja ein Lied davon zu singen, was mit solchen Verbotsabsichten passiert -,so muß auch genau überlegt werden, wann der Zeitpunkt für das Verbot einer linksradikalen Partei gekommen ist oder nicht.
Lassen Sie mich zu der allgemeinen Problematik folgendes sagen. Die innere Sicherheit des demokratischen Staates beruht nicht in erster Linie auf der Stärke der Polizei, dem Informationsstand der Nachrichtendienste oder eines strengeren Staatsschutzstrafrechtes bzw. strengerer Strafgesetze. All das ist sicherlich notwendig. Aber entscheidend ist, daß die gesellschaftliche Ordnung dem inneren Frieden dient, daß Freiheit und soziale Bindung in ihrer Konkretisierung im Grundgesetz keine leeren Worte bleiben, sondern immer mehr zur Verfassungswirklichkeit werden.
Man hat gesagt - heute bestand ja gerade Anlaß, darüber nachzudenken -, die Weimarer Republik sei daran zugrunde gegangen, daß es in dieser
Demokratie zu wenig Demokraten gegeben habe, so daß die demokratischen Kräfte dem vereinten Ansturm der links- und rechtsradikalen Gruppen schließlich nicht mehr hätten standhalten können. Bonn ist insoweit Gott sei Dank nicht Weimar. Aber wir könnten in eine ähnliche Gefahrenzone geraten, wenn Vertreter demokratischer Parteien in diesem Lande fortfahren, den politischen Gegner der nationalen und demokratischen Unzuverlässigkeit zu bezichtigen, wie das seit Jahren in diesem Hause - und auch gestern - immer wieder geschehen ist.
({2})
- Sie haben sich gestern nach den Ausführungen meines Freundes Professor Schäfer darüber beschwert und sich beklagt, daß wir Sie in die rechte Ecke drängen wollten. Sie können sich doch nicht ernsthaft wundern, wenn es so aus dem Walde herausschallt, wie Sie hineingerufen haben.
({3})
Wer hat denn seit Jahren Verdächtigungen an die Stelle politischer Auseinandersetzung gesetzt? Wer hat denn seinerzeit Wahlkampfplakate mit jener niederträchtigen Parole „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau" geklebt?
({4})
Nachdem die Große Koalition Ihnen in dieser Taktik eine Zwangspause auferlegt hat, wollen einige von Ihnen - ich weiß, das sind Gott sei Dank nicht alle; es gibt Kollegen in Ihren Reihen, die diesen Kurs nicht mitmachen wollen - das alte Spiel wieder aufnehmen. Herr Kollege Wörner - er ist leider nicht da -, da können Sie sich doch nicht einfach mit der eingeschobenen Versicherung, Sie wollten die Ehrenhaftigkeit und die demokratische Zuverlässigkeit des Bundeskanzlers nicht in Zweifel ziehen, exkulpieren. Das kennen wir doch: „Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann." Wir haben das heute auch von Ihnen, Herr Kollege Dr. Miltner, wieder einmal gehört. Aber die Methode ist doch zu alt, um nicht durchschaut zu werden.
Nun komme ich auf Ihre Frage, Herr Kollege von Thadden. Sicher gibt es in einer großen Partei insbesondere auch jüngere Mitglieder, die Auffassungen vertreten, die niemand in diesem Hause billigen kann. Aber da brauchen wir Ihren erhobenen Zeigefinger nicht.
({5})
Das überlassen Sie nur uns, uns mit solchen Erscheinungen auseinanderzusetzen. Auf diesem Gebiet haben wir Erfahrungen.
Eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Sieglerschmidt, da Sie gerade von Randerscheinungen in großen politischen Parteien sprechen, möchte ich Sie fragen, ob
Ihnen bekannt ist, daß der Bezirksverband der CDU, dem auch Herr Benda angehört, sich vor wenigen Wochen genötigt gesehen hat, Leute auszuschließen, und zwar zwei Dutzend, die gleichzeitig das CDU-Parteibuch und das Parteibuch der NPD in der Tasche hatten?
({0})
Ich habe davon gehört, und ich begrüße es, wenn diese Ausschlüsse tatsächlich erfolgt sind.
Herr Abgeordneter Ott zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege, da Sie von Weimar sprachen, wie beurteilen Sie den Vorgang bei der bayerischen Landtagswahl, daß die Staatssekretärin Hamm-Brücher von dieser Bundesregierung in Nürnberg-Fürth unter einem Transparent gesprochen hat, das die Aufschrift trug „Liefert Huber an das Messer"?
({0})
Sieglerschmidt ({1}); Herr Kollege Ott, ich bin nicht der Zensor der Staatssekretärin Hamm-Brücher. Im übrigen sollten Sie nach dem, was ich gerade zitiert habe, nicht zu empfindlich sein.
({2})
Zu einer Zwischenfrage Herr Benda.
Darf ich Sie, Herr Kollege Sieglerschmidt, bitten, in Ihre Überlegungen einzubauen und gegebenenfalls zu berücksichtigen, erstens, daß, wie mein anderer fragender Kollege hier eigentlich wissen müßte, die CDU in Berlin überhaupt keinen Bezirks-, sondern nur einen Landesverband hat, zweitens, was wichtiger ist, daß es innerhalb des Landesverbandes Berlin der CDU, von dem offenbar die Rede war, keine NPD-Mitglieder gegeben hat, die zur gleichen Zeit das Parteibuch der CDU hatten, daß drittens der Landesvorstand der Berliner CDU vor etwa zwei Jahren einen Grundsatzbeschluß gefaßt hat, auch frühere NPD-Mitglieder, wenn überhaupt, erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren aufzunehmen, und viertens, daß wir es in der Tat in einem unserer Kreisverbände vor nicht langer Zeit erlebt haben, daß 40 bis 50 linksradikale Leute den allerdings, weil er ungeschickt angestellt war, fehlgeschlagenen Versuch unternahmen, diesen Kreisverband der Berliner CDU von links zu unterwandern, was ihnen, wie gesagt, nicht gelungen ist und ihnen ebensowenig wie den Rechtsradikalen gelingen wird?
({0})
Herr Kollege Benda, ich begrüße das.
Herr Abgeordneter, eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Schmidt ({0}).
Ja, eine noch.
Herr Kollege Sieglerschmidt, würden Sie bitte den Kollegen Ott auffordern, das Protokoll der Landtagssitzung mit der Regierungserklärung und der Aussprache nachzulesen, in der sich Frau Hamm-Brücher ausdrücklich von diesem Plakat distanziert hat?
({0})
Herr Kollege, ich finde es ausgezeichnet, daß von allen Seiten Erklärungen kommen, die genau in die Richtung gehen, die ich ansteuere: daß wir mit dieser Art der Auseinandersetzung Schluß machen sollten.
({0})
- Der Unterschied ist nur: wenn hier Zitate gebracht worden sind - der berühmte Griff in die Zitatenkiste -, so handelt es sich bei dem, was Sie erwähnten, meine Damen und Herren von der Opposition, hei uns allenfalls um Randerscheinungen, während hei Ihnen prominente Sprecher wie der Herr Dr. Strauß sich in einer Weise äußern, von der ich Ihnen gleich beweisen werde, daß sie sicherlich nicht der Festigung der Demokratie in unserem Lande dient.
({1})
- Wie man in den Wald hineinruft! Ich habe es
schon einmal gesagt: Sie wollen nicht in die rechte Ecke. Aber Herr Strauß schreckte z. B. nicht davor (zurück, die Koalitionsparteien in die Nähe der Nazis zu bringen, als er im Februar vergangenen Jahres in einem Interview mit dem sattsam bekannten „Deutschland-Magazin" im Zusammenhang mit einer Kritik an der Pressepolitik der Bundesregierung davon sprach, das Wort von der Gleichschaltung habe zumindest als ernsthafte und bedrängende Frage volle Berechtigung. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man nur darüber lachen.
Im Oktober ging es dann wieder in die umgekehrte Richtung. Im „Schlamm am Sonntag" gab Herr Strauß eine Vision zum besten, oder man könnte vielleicht, um im Vergleich zu bleiben, sagen, er ließ eine Sumpfblase steigen. Er sagte: Ich selbst bin überzeugt, daß die treibenden Kräfte dieser Bundesregierung bewußt auf eine sozialistische Gesellschaftsordnung in Deutschland zusteuern,
({2})
- sehen Sie, Sie setzen ja diese Art der Diffamierung fort - um diese Bundesrepublik zu einem sozialistischen Kernland einer sozialistischen Staatsgemeinschaft in Europa zu machen.
In dieser Tonart ließ sich der Vorsitzende der CSU das ganze Jahr über vernehmen: „eine Position nach der anderen zu Schleuderpreisen räumen" ; „die Bundesregierung hat sich auf den Boden der sowjetischen Deutschlandpolitik gestellt" ; „die sogenannten Bahr-Papiere sind in Wirklichkeit Kapitulationsurkunden und Volksbetrug" ;
({3})
„schauerliche Volksverdummung". Diese Sprache kennen wir doch alle aus Vergangenheit und Gegenwart nur zu gut.
({4})
Sie, meine Kollegen von der CSU, werden erwidern, das alles und noch viel mehr sei doch nur aus Sorge um Deutschland gesagt worden, man habe sich eben nur einer kräftigen Ausdrucksweise bedient, um dem Volk diese Sorge plastisch vor Augen zu führen. Aber selbst wenn ich bereit wäre, Ihnen diese gute Absicht zuzugestehen, müßte ich Ihnen dennoch mit allem Nachdruck entgegenhalten: auch der angegebene gute Zweck rechtfertigt nicht die Anwendung dieser Mittel.
Ich möchte dieses unerfreuliche Kapitel verlassen.
({5})
- Ja, es ist mir auch wohler dabei. Der heutige 100. Geburtstag von Friedrich Ebert
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
- ja, ich komme zum Schluß -- gibt Anlaß, sich auf den gemeinsamen Auftrag der demokratischen Kräfte in diesem Lande zu besinnen. Ich meine den Schutz und die Festigung der Demokratie. Dabei können auch exekutive Maßnahmen notwendig sein. Aber seien wir uns doch über eines klar: sie sind allenfalls - wenn ich einmal so sagen darf das Aspirin, das das Fieber herunterbringt; die Krankheit, die das Fieber hervorgerufen hat, ist damit aber noch keineswegs überwunden. Treten Sie mit uns in einen Wettstreit um die Weiterentwicklung unserer gesellschaftlichen Ordnung und nicht der Verdächtigung. Das ist der beste Schutz unserer verfassungsmäßigen Ordnung.
({0})
Meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich nach diesen Fragen und diese Antworten das Wort eines Mannes zitiere, der um den Schlaf gebracht wurde, wenn er in der Nacht an Deutschland dachte: Wenn du meinen Juden haust, dann hau ich den deinen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Althammer. Zehn Minuten!
Dr. Althammer CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, mich an der Debatte zum Einzelplan des Innenministeriums zu beteiligen; aber nachdem die Angriffe speziell gegen die CSU in dieser Weise zugenommen haben, ist es unabweisDr. Althammer
bar, zu diesen Problemen ein deutliches Wort zu sagen. Ich unterstreiche dabei das, was der Herr Präsident eben gesagt hat. Wir sollten uns in diesem Hause klar darüber sein, was eigentlich alle demokratischen Parteien verbinden sollte und wo die Grenzen sind,
({1})
die Grenzen sowohl nach links wie auch nach rechts.
({2})
Wenn hier bestimmte Dinge immer nur in einem Sinn hochgespielt werden, dann verweise ich auf das Ergebnis einer Meinungsumfrage, in der - nur als Beispiel - festgestellt wurde, daß genausoviel Prozent von der NPD zur SPD abgewandert sind wie zur CDU/CSU. Das sollten Sie sich auch einmal in Erinnerung rufen.
({3})
Lassen Sie mich noch ein Zweites sagen. Ich halte nicht viel davon, daß man Äußerungen, die irgendwo gefallen sind, gegeneinander aufrechnet.
({4})
Sie wissen, daß auch wir eine Liste aufmachen
könnten, angefangen bei Herrn Wehner bis zum
Herrn Bundeskanzler, der sich hier entschuldigt hat.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns über eines im klaren sein. Eigentlich müßte es jeden aufrechten Demokraten freuen, daß die CDU/CSU, der es gelungen ist, schwankende Randwählergruppen zu einer demokratischen Partei herüberzuziehen, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß die NPD weder in den Bundestag gekommen ist noch in die einzelnen Landtage wieder einziehen konnte. Damit hat die Agitation, die draußen in der Welt überall verbreitet war, ihren Boden verloren.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten sich, wenn Sie diese Dinge ansprechen, immer eines vor Augen halten, nämlich daß in der kommunistischen Propaganda eine Parole ausgegeben worden ist, die etwa lautet: Das Rechtskartell -({7})
- Herr Kollege Schäfer, ich sagte, Sie sollten sich bei Ihren Äußerungen vor Augen halten, daß es solche Parolen gibt und daß es nicht gut wäre, wenn sie dadurch an Boden gewinnen würden, daß demokratische Parteien oder demokratische Politiker, ob sie es nun im Moment wissen oder ob sie es unbewußt tun, in ähnliche Formulierungen verfallen.
Ich bitte Sie, sich das einmal sehr ernsthaft zu überlegen.
({8})
Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wenn sie mir nicht auf die Zeit angerechnet wird, Herr Präsident, ja.
({0})
Herr Althammer, dürfen wir annehmen, daß nicht nur Sie, sondern alle Ihre Parteifreunde sich in Zukunft nach dieser Erkenntnis, die ich durchaus mit Ihnen teile - ich hoffe, meinen Teil dazu beigetragen zu haben, daß sie auch Ihnen gekommen ist -, richten werden, wenn Sie glauben hier Jungsozialisten zitieren zu müssen?
({0})
Herr Kollege Schäfer, einer Ihrer Kollegen hat eine Zwischenfrage gestellt; er wollte wissen, was für eine Bedeutung die Deutsche Volksunion habe. Bitte, nehmen Sie zur Kenntnis, was in der Zeitung steht, nämlich daß sich die CSU davon ausdrücklich distanziert hat. Die CSU hat mißbilligt, was irgendein Parteimitglied XY getan hat.
({0})
Der Kollege Strohmayr weiß, daß ich es abgelehnt habe, an einer Veranstaltung teilzunehmen, weil die CSU-Landesleitung im Landtagswahlkampf die Verfügung herausgegeben hat, daß keiner von uns an NPD-Podiumsveranstaltungen teilnehmen solle. Bitte, nehmen Sie auch das zur Kenntnis! Wir wollen doch dazu kommen, ,daß wir alle sehen, wo die gemeinsame demokratische Ebene für uns ist.
({1})
Vor allem versagen Sie es sich, einen Politiker wie den Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß, der seit 1946 für die demokratische Entwicklung in der Bundesrepublik eintritt, dauern als rechtsradikal zu verdächtigen!
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks. - Er ist nicht anwesend. Dann gebe ich das Wort an den Abgeordneten Pensky.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß nach dieser aufgeregten Rede von Herrn Kollegen Althammer wieder etwas Ruhe in das Haus einkehrt. Jedenfalls stimmt das, was der Herr Präsident soeben sagte, nämlich daß der
Grundsatz: schlägst du meinen Hund, schlage ich deinen Hund, eine gewisse Bedeutung hat.
Ich habe mich eigentlich gewundert, Herr Kollege Benda - an Ihre Adresse möchte ich nämlich zunächst einige Worte richten -, daß Sie nach der Auseinandersetzung vom 4. November 1970 über Fragen der Verbrechensbekämpfung heute zwar etwas zurückhaltender gewesen sind, daß Sie es aber nicht lassen konnten, zu erwähnen, daß das Sofortprogramm zur Intensivierung der Verbrechensbekämpfung von der Bundesregierung erst auf Drängen der CDU/CSU in der Großen Anfrage vorgelegt worden sei.
({0})
- Nein, so war es nicht. Hier gibt es eine klare und kontinuierliche Linie in der Politik dieser Regierung und in der Politik der Sozialdemokratischen Partei. Ich darf daran erinnern, daß diese Bundestagsfraktion bereits in den sechziger Jahren - das ist an Hand der Protokolle dieses Hauses nachweisbar - die Initiativen ergriffen hat, die die Frage überhaupt in Gang gesetzt haben.
Darüber hinaus haben wir uns auch im Regierungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zur Bundestagswahl 1969 - auch das sollte man wieder einmal in Erinnerung rufen - ganz klar zu den Fragen der Verbrechensbekämpfung geäußert. Hier heiß es - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Die erfolgreiche Bekämpfung der steigenden Kriminalität ist eine wichtige Aufgabe deutscher Innenpolitik. Die Polizei muß hierzu besser ausgerüstet, organisiert sowie verstärkt werden. Eine sozialdemokratische Bundesregierung wird besonders zum Einsatz moderner Techniken wie Datenverarbeitung und Bildfunkstrecken mehr Initiative ergreifen.
Auch das finden Sie dann in der Regierungserklärung dieses Bundeskanzlers Willy Brandt wieder, wo nämlich das Sofortprogramm für die Verbrechensbekämpfung für 1970 angekündigt worden ist, und 1970 ist es nach sorgfältigen Vorbereitungen dann auch vorgelegt worden. Ich habe damals gesagt, Herr Kollege Benda: Sie hatten es etwas leichter; denn Sie hatten sich bei Ihrer Großen Anfrage nur an den Versäumnissen Ihrer Zeit zu orientieren.
({1})
- Nun, ich hätte gar nicht darauf hingewiesen, Herr Kollege Benda, wenn Sie es nicht noch einmal so akzentuiert hier vorgetragen hätten.
Ich habe mich aber darüber gefreut, Herr Kollege Benda - ich erinnere an die Diskussion, die wir später im Innenausschuß gemeinsam geführt haben - daß Sie vermelden können, daß sich die bayerische Staatsregierung zur Organisation der Polizei inzwischen entschlossen habe, die kommunalen Polizeien schrittweise aufzulösen. Das ist etwas durchaus Positives. Aber Sie konnten sich dann den Tritt nach hinten nicht verkneifen, nämlich gegen die sozialdemokratisch geführte hessische Landesregierung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Benda.
Darf ich mich nur eben vergewissern, Herr Kollege Pensky, ob es richtig ist, daß sich, wie ich aus Zeitungsberichten entnehme, die bayerische SPD sehr scharf gegen diese Pläne des bayerischen Innenministers, der der CDU angehört, gestellt hat?
({0})
Herr Kollege Benda, ich darf ihnen sagen, so ist es sicher nicht darzustellen.
({0})
Da müssen wir die Dinge schon in der Gesamtheit darstellen.
Nun aber, wie gesagt, zu dem Tritt nach hinten gegen die sozialdemokratisch geführte hessische Landesregierung. Herr Kollege Benda, hier ist doch ein wesentlicher Unterschied. Ich glaube, das ist in der Diskussion über diese Frage im Innenausschuß verdeutlicht worden. In Bayern liegt nämlich der große Mangel darin, daß der bayerische Innenminister zwar die Fachaufsicht hat, aber keine Weisungsbefugnisse hat, und das ist in Hessen entscheidend anders. Ich wollte in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen.
Für das Tätigwerden der Polizei ist die Frage entscheidend, inwieweit sie die Grenzen ihres eigentlichen Dienstbereichs überschreiten kann. Diese Dinge sind innerhalb der Länder weitgehend geregelt. Sie sind inzwischen auch durch das Abkommen über die erweiterte Zuständigkeit der Polizei der Bundesländer bei der Strafverfolgung vom 6. November 1969 geregelt. Wir haben nur festgestellt, daß wir diesem Länderabkommen durch einen Staatsvertrag mehr Rechtsqualität zukommen lassen wollen.
In diesem Zusammenhang muß ich auch noch erwähnen, daß gerade bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Stärkung des BKA eine personell ausreichende Ausstattung der Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung der Kriminalität mit überregionaler und internationaler Ausdehnung nicht gleichbedeutend ist mit der Schaffung eines deutschen FBI. Ich meine, ich sollte das hier an dieser Stelle sagen, Herr Innenminister; denn solche Töne waren seinerzeit gerade aus Bayern zu hören. Das ist keinesfalls gemeint worden. Ich stelle es deshalb richtig. Man sollte wissen, daß für die Polizei die Ortskenntnis und die Milieubezogenheit notwendig ist. Wir müssen auch wissen, meine Damen und Herren, daß der Superinspektor vom FBI mit Cadillac, Luxusvilla und uneingeschränkter Verfügungsgewalt über finanzielle Mittel, ein Mensch also, der mit angeborenem Spürsinn jedem Ganoven das Handwerk legt, für die kriminalpolizeiliche Praxis ebenso irreal ist wie die von mir immer wieder gern gesehene lustige Sendung der „seltsamen MePensky
thoden des Herrn Wanninger". Ich glaube aber, wir müssen bei der Diskussion diese Probleme auseinanderhalten.
Mir erscheint es wichtig, hier noch einiges zur Ausländerkriminalität zu sagen, damit das endlich einmal klar wird. Herr Kollege Professor Schäfer erwähnte schon in seinen gestrigen Bemerkungen, daß es gerade eine Reihe von Kleinen Anfragen, die in diesem Hause von der CDU/CSU-Fraktion in einer ganz bestimmten Tendenz an die Bundesregierung gerichtet wurden, notwendig macht, einiges zum Ausländerwesen und zur Ausländerkriminalität zu sagen. Wir müssen hier die allgemeine und die politisch motivierte Kriminalität von Ausländern säuberlich auseinanderhalten. Herr Kollege Dr. Miltner. Sie haben eben nur von den extremistischen Ausländergruppen gesprochen. Ich muß deshalb hier einmal klarstellen, daß die amtlichen Kriminalstatistiken ausweisen, daß die Ausländerkriminalität anteilmäßig nicht wesentlich über der Kriminalität deutscher Täter liegt. Wenn man die einzelnen Varianten in der Kriminalstatistik sieht, darf man feststellen, daß der Anteil der Kriminalität bei deutschen und nichtdeutschen Tätern im wesentlichen gleich ist.
Ich glaube, wir sollten uns aber auch eines aus der Kriminalstatistik merken. Die Tatsache, daß bei Tötungsdelikten und einigen Sittlichkeitsdelikten und bei gefährlicher oder schwerer Körperverletzung die Ausländer relativ stärker beteiligt sind als die deutsche Bevölkerung, ist dadurch zu erklären, daß die Ausländer aus einem anderen Lebenskreis kommen und ihr Handeln von einem uns fremden Sitten- und Ehrenkodex bestimmt ist. Viele dieser Straftaten begehen die Ausländer untereinander. Ich meine, gerade unter diesem Gesichtspunkt ist es notwendig, den Gastarbeitern zu helfen, daß sie sich in unserem Lande schneller zurechtfinden; denn schließlich helfen sie uns, das zustande zu bringen, was wir uns wünschen, nämlich Fortschritte in unserem Wirtschaftsablauf. Ich darf in diesem Zusammenhang ein Lob für eine Reihe von Gewerkschaftsgruppen aussprechen, die sich dieser Frage besonders angenommen haben.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Tatsache darf ich hier ausdrücklich betonen - und ich meine, das könnte in diesem Hause jeder unterschreiben daß es so gesehen kein Ausnahmerecht für Ausländer geben kann, damit wir nicht durch ein Ausnahmerecht zu einer modernen Sklaverei kommen.
({1})
Meine Damen und Herren, hier sollten wir uns einmal einen Satz aus der Preußischen Gesetzsammlung vor Augen führen. In der Ausländerpolizeiverordnung vom 27. April 1932 steht der bemerkenswerte Satz:
Jeder Ausländer ist zum Aufenthalt im preußischen Staatsgebiet zugelassen, solange er die in diesem Gebiete geltenden Gesetze und Verwaltungsvorschriften befolgt.
Ich meine, wenn wir von diesem Grundsatz ausgehen, den wir alle unterstreichen können, dann
werden wir nicht immer wieder in Diskussionen einzutreten brauchen, die durch ihre Fragestellung stets danach riechen, als müßten die Ausländer hier unter Ausnahmerecht gestellt werden.
Ich darf ausdrücklich sagen, daß ich selbst davon die politisch motivierte Ausländerkriminalität sehr unterscheide. Hier ist Kollege Miltner auf diese Frage eingegangen; ich kann auf statistische Zahlen verzichten. Wir müssen aber wissen, daß sich diese politisch motivierte Ausländerkriminalität vornehmlich gegen politische Feinde aus den Heimatländern richtet und nicht etwa gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ich darf auf die Schwierigkeiten hinweisen, die auf diesem Gebiete vorliegen, beispielsweise die Strafverfolgung über Interpol. Gerade wegen des politischen Charakters dieser Delikte sind hier Erschwernisse vorhanden.
Diese Bundesregierung hat, wie man sagen muß, diese Mängel schnell erkannt und alle Maßnahmen eingeleitet, um ihnen wirksamer begegnen zu können, als es bisher der Fall gewesen ist.
Es ist schon erwähnt worden, daß die Verfassungsschutzbehörden durch eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes ermächtigt werden, künftig auch sicherheitsgefährdende Bestrebungen bei Ausländern mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Diese Regierung hat also, sobald sie dazu in der Lage war, alles getan, um diesem Verbrechensphänomen zu begegnen. Meine Damen und Herren, gerade weil Sie immer wieder in diese Wunde hineinbohren wollen, muß man Ihnen sagen, daß Sie auf diesem Gebiet entscheidende Versäumnisse zu vertreten haben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Regierung übernahm bei ihrem Amtsantritt vor den Ost- und Mitteldeutschen die Hypothek, daß sie das für diese eigens vorhandene Ministerium auflöste. Es war ein Ministerium, das nicht nur die materiellen und sozialen Anliegen dieses Personenkreises vertrat, sondern bis hin ins Kabinett auch die politischen Sorgen seine eigenen nannte. Dieses Ministerium wurde in das Innenministerium eingegliedert. Aber nicht nur der allein für diesen Personenkreis zuständige Minister verschwand, sondern auch die Verwaltungsspitze wurde abgestuft, wodurch ihre Wirkungsmöglichkeiten in der Verwaltungsebene selbstverständlich gemindert wurden.
Zur Behebung des Widerspruchs machten der Bundeskanzler und der jetzt dafür zuständige Innenminister die Zusage, daß die Aufmerksamkeit für die Sorgen und Anliegen dieses Personenkreises in keiner Weise nachlassen werde. Diese Zusage wurde sogar mit der Betonung gemacht, im sozialen und im kulturellen Bereich werde eine noch stärkere Leistung erbracht werden.
Ich verzichte mangels Zeit auf die Widergabe von Ausführungen, die in der Regierungserklärung von
1969, in beiden Berichten zur Lage der Nation, aber mehr diversen Ansprachen bei Verbänden gemacht wurden. Es wäre vergeudete Zeit; denn wenn man diese Aussagen mit dem vergleicht, was heute als Ergebnis da ist, stellt man fest, daß kaum eine Deckung vorhanden ist.
Sie, Herr Bundeskanzler, standen ausdrücklich, Sie, Herr Innenminister, dem Sinne Ihrer Ausführungen nach im Wort: „nichts hinter dem Rücken der Vertriebenen!" Ich habe Ihnen, Herr Minister, vor Jahr und Tag sogar noch von diesem Platz aus dafür gedankt, daß Sie dafür Sorge getragen haben, daß die gewählten Vertreter diese Personenkreises Gelegenheit gefunden haben, ihre Anliegen vorzutragen. Aber, Herr Minister, „nichts hinter dem Rücken der Vertriebenen" heißt doch in unserem Sprachgebrauch und unserem Verständnis mehr als nur anhören. Es heißt nach unserem Sprachgebrauch: Ich werde nur in grundsätzlich, wenigstens minimal zu erzielender Übereinstimmung mit dem Personenkreis handeln. Sonst wäre es. Herr Minister, nichts mehr als eine steinerne Klagemauer gewesen, die man angeboten hat. Wenn es von Anfang an nicht anders gedacht und geplant war, dann war es für den Personenkreis eine Täuschung.
Wir aber haben danach ein Viertel Deutschlands verschenkt,
({0})
gegen den unveränderten Willen der Betroffenen und auch gegen den Willen der Mehrheit unseres Volkes, wie wir, glaube ich, täglich deutlicher spüren können. Das Erstaunliche ist, daß man einerseits dieses Geschenk macht und andererseits erklärt, daß man eigentlich für das, was man verschenkt, überhaupt nicht zuständig ist.
({1})
Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken, wie man so etwas im privaten Leben nennt.
Ich habe auf Ihre Zurufe ganz bewußt den von Emotionen freien Begriff des „Verschenkens" gewählt, und ich meine, daß er gar keinen emotionalen Beigeschmack hat. Jedenfalls wollte ich ihn von mir aus nicht haben.
({2})
Wir haben dafür nichts, aber auch gar nichts erlangt, weder für Deutschland noch für die Deutschen hier, ebensowenig für die 17 Millionen in der Zone und für die 1,2 Millionen in den Ostgebieten.
Sie von der Regierung haben auch nichts für die anderen 117 Millionen Europäer erlangt, nicht einmal für die Polen; denn sie sind - bis hin zu den Kirchen in diesen Räumen - durch diese Handlungsweise nur noch stärker in die Machtzange ihrer kommunistischen Parteien geraten, und die kommunistischen Parteien dieser Länder sind in eine noch totalere Abhängigkeit vom Kreml geraten. Eines haben wir vollbracht: wir haben die einzige frei gewählte deutsche Regierung, die auch den Polen das Recht
abspricht, eine Revision ihrer Ostgrenzen zu fordern. Auch das sollten wir einmal überlegen.
({3})
Sie werden von keinem Dank ernten, denn ganz Europa ist damit geschädigt worden!
({4})
Herr Minister, ich habe an Sie eine Frage. Sie haben nach eineinhalb Jahren Amtsführung noch nicht den einstimmigen Beschluß des 5. Deutschen Bundestages verwirklicht, einen Beirat, bestehend aus Vertretern der Länder, der Verbände und aus Abgeordneten dieses Parlaments, zu bilden. Ich frage mich, ob die Ignorierung dieses Beschlusses damit zusammenhängt, daß man ohne diesen Beirat sicherer war, Verträge unterschreiben zu können, in denen eben nichts steht von den Menschen, von den Gruppenrechten der Menschen, die in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten leben, von Fragen der Staatsangehörigkeit dieser 1,2 Millionen, die ja schließlich nach Art. 16 unseres Grundgesetzes deutsche Staatsangehörige sind wie Sie und ich und keine Klasse schlechter.
({5})
Ich meine, wenn man sagt, daß man primär Politik für die Menschen macht, sollte man nicht vertragliche Regelungen treffen, ohne diese menschlichsten Fragen ebenfalls vertraglich zu regeln.
({6})
Wenn Sie die beiden Berichte zur Lage der Nation von 1970 und 1971 durchsehen, finden Sie bestenfalls diese 1,2 Millionen erwähnt; eine Aussage darüber, wie ihr heutiges Schicksal ist, finden Sie in keinem der beiden Berichte dieser Regierung.
Herr Minister, noch eines: Wir vermissen eine klare Aussage darüber, was diese Regierung für die Menschen zu tun bereit ist, wenn sie jetzt in größerer Zahl kommen sollten. Was wird man tun, um ihre sprachlichen Schwierigkeiten zu überwinden? Was wird man in der Wohnungspolitik, in den Fragen der beruflichen Eingliederung und im schulischen Bereich tun? Ich will damit nicht sagen, daß ich die Meinung vertrete, Sie hätten sich darüber keine Gedanken gemacht. Aber es ist doch so, daß diese Menschen drüben, wenn sie vor der Entscheid dung stehen, entweder auszusiedeln oder dort zu bleiben, nicht wissen, wie das Angebot aussieht, mit dem man ihnen hier für den Fall begegnet, daß sie auf diesen Gebieten auf Schwierigkeiten stoßen. Ich meine, man müßte darüber nachdenken, nachdem die polnische Regierung diesen Menschen die polnische Information nicht zuleitet, ob man nicht darauf bestehen oder dafür sorgen müßte, daß ihnen von hier aus eine genügende Information über das gegeben wird, was sie vorfinden werden. Sie wissen auch nicht, welche Leistungen aus dem Lastenausgleich,
aus dem Rentenrecht sie entweder hier erwarten oder ihnen auf Grund von Verhandlungen dort zugute kommen werden, wenn sie sich entscheiden, dort zu bleiben. Wird sich diese Regierung auch dafür einsetzen, daß Leistungen aus dem Lastenausgleich und auf Grund der Rentengesetze an diese Menschen nicht wieder zu einem hohen Prozentsatz nur zu einer Devisenhilfe für den polnischen Staat werden, wie das ja bei den Teilrenten für die Kriegsopfer und Kriegsbeschädigten zu einem Teil der Fall ist? Werden diese Menschen auch dann das Recht behalten, deutsche Staatsangehörige zu bleiben, wenn sie nicht umsiedeln? Das ist zumindest nach einigen Gesprächen, die wir mit polnischen Parlamentariern führen konnten, durchaus in der Schwebe. Daß das ungeklärt ist, ist eine Sorge.
Alle diese Fragen stellen jene Menschen an sich selbst, wenn sie sich entscheiden müssen. Sie stellen diese Fragen aber auch ungehört an unsere Regierung. Man hat sie bisher ohne eine Entscheidungshilfe gelassen. Man ist sie ihnen seitens der Regierung schuldig geblieben.
Herr Minister, wir haben bisher auch nichts davon gehört, daß diese Menschen heute weniger als früher gezwungen sind, ihr Eigentum in kürzester Frist zu verschleudern. Auch da muß baldmöglichst etwas geschehen.
Nehmen wir all das zusammen, dann werden Sie, Herr Minister, meine Frage verstehen, ob Sie wirklich der Meinung sind, daß diese Bundesregierung in ihrer Regierungszeit sowohl den 10 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen in Fragen des Heimat- und Eigentumsrechts als auch den 1,2 Millionen Menschen drüben in der Frage der Informationen, aus denen sie Konsequenzen für ihre Entscheidung ziehen können, gerecht geworden ist. Ist die Bundesregierung da ihrer Obhutspflicht gerecht geworden?
({7})
Ich muß das verneinen und frage Sie, Herr Minister: Ist Ihre Rechtfertigung vielleicht, daß Sie Schlimmeres verhüten wollten und daß man von Ihnen bei dieser Konstellation in der Koalition nicht mehr erwarten konnte?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege von Fircks, da Sie hier dauernd von den Menschenrechten sprechen, möchte ich Sie nur fragen, ob Sie als ehemaliges Mitglied der SS und als Umsiedlungskommissar auch damals so intensiv für die Menschenrechte eingetreten sind?
({0})
Herr Kollege, die Wiederholung dieser mehrfach von Ihrer Seite an mich gerichteten Frage - Herr Kollege Hansen
hatte Ihnen das ja neulich schon vorweggenommen - bringt mich in keine größere Verlegenheit.
({0})
Sie dürfen über alles nachforschen. Ich will Ihnen nur ein. Beispiel nennen. Der von mir hochgeschätzte, leider verstorbene Ministerpräsident des Landes Niedersachsen Hinrich Wilhelm Kopf stand auf der Auslieferungsliste der Polen. Ich habe nicht auf ihr gestanden. Sie können sehen, wie die Schicksale der Menschen unterschiedlich sind
({1})
und daß sie aus Äußerlichkeiten,
({2})
die dem einen oder anderen Menschen in einem über 50jährigen Leben begegnet sind, keine falschen Schlüsse ziehen dürfen.
({3})
Es ist politisch unsauber, ohne sich die Mühe zu machen, sich Material zu beschaffen, zu versuchen, die Öffentlichkeit zu vergiften.
({4})
Eine kleine Pause bitte. Meine Damen und Herren, es ist der Name Hinrich Wilhelm Kopf genannt worden: Es wurde gesagt, er habe auf einer Auslieferungsliste der Polen gestanden. Ich kenne den Fall. Ich hatte die Ehre, sein Verteidiger vor dem englischen Militärgericht zu sein. Von der Anschuldigung ist nicht ein Haar hängengeblieben.
({0})
Das wollte ich nur sagen; denn es könnte immerhin da und dort die Meinung aufkommen, „etwas müsse doch schließlich daran gewesen sein".
Herr Präsident, ich bitte das im Protokoll nachzulesen, ich habe ausdrücklich gesagt: des von mir hochverehrten Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen.
({0})
Ich habe das gehört.
({0})
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rollmann.
Herr Kollege von Fircks, sind Sie vielleicht in der Lage, der sozialdemokratischen Fraktion zu erklären, wie viele ehemalige hohe HJ-Führer und SS-Mitglieder sich in ihren eigenen Reihen befinden?
Herr Kollege, ich bin dazu nicht in der Lage, weil ich mich nie für diese Dinge interessiert habe und mich auch nicht dafür interessieren werde.
({0})
Es kann sich jeder sicherfühlen, daß ich so nicht vorgehe.
({1})
Eine zweite Zwischenfrage.
Herr Kollege von Fircks, wenn dem so ist, wie Sie hier sagen, daß Sie sich dieses Tatbestandes nicht zu schämen brauchen, warum haben Sie dann bei Ihrer Einreise in das Land Israel Ihre Zugehörigkeit zur SS verschwiegen?
({0})
Sie sprechen wieder ich will versuchen, es parlamentarisch auszudrücken -- eine Unkorrektheit aus.
({0})
Bitte informieren Sie sich doch erst einmal genauer.
Dann werden Sie feststellen, was die Wahrheit ist.
({1})
Eine Zwischenfrage.
Herr Kollege von Fircks, würden Sie dem fragenden Kollegen bitte sagen, daß es nicht angemessen ist, in Frageform hier Verdächtigungen auszusprechen, gleichgültig ob jemand aus diesem Hause früher bei der SS, bei den Kommunisten oder sonstwo gewesen ist?
({0})
Meine Damen und Herren, ich lasse keine Fragen zu diesem Punkt mehr zu.
({0})
Ich möchte gar nichts dazu sagen. Ich habe mir nur das Meinige gedacht, wie die Kollegen, die jetzt diese Wäsche zu waschen versuchen, sich wohl gegenüber den Kollegen ihrer eigenen Fraktion vorkommen, die gestern in umgekehrter Form Stellung genommen haben, als ähnliche Fragen auftauchten.
({0})
Herr Minister, ich möchte jetzt nur noch einige Fragen zur Innenpolitik stellen. Zunächst eine allgemeine Frage. Herr Minister, was ist innenpolitisch außer dem unausweichlich Notwendigen, weil es im Gesamtbereich der Sozialgesetzgebung Platz gegriffen hat oder weil es von der Kostensteigerung der letzten Jahre erzwungen wurde, nun tatsächlich noch zusätzlich geschehen? Ich möchte Sie nodi einmal damit konfrontieren, daß Sie hier bei Regierungsantritt versprachen, mehr und Besseres als die vorhergehenden Regierungen zu tun. Ich will nicht vergessen, hier anzumerken, daß wir nach unserem Anstoß vom Dezember 1969 in der Gesetzgebung für die Sowjetzonenflüchtlinge während der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung selbstverständlich einen guten Schritt vorangekommen sind. Von einer vollen Gleichstellung kann allerdings noch nicht die Rede sein. Die volle Gleichstellung ist trotz der Zusagen bis heute nicht erreicht. Ich wünschte, Herr Kollege Krall, Sie sähen Ihren Irrtum ein. Es fehlen noch 40 %, und zwar 10 % Entwurzelungszuschlag und etwa 30 % Frühverzinsung. Die Zusicherung, daß die FDP großes Verständnis für die Sowjetzonenflüchtlinge habe, ist hoffentlich nicht in gleicher Weise in Zweifel zu ziehen wie die Richtigkeit Ihrer Aussage, daß die volle Gleichstellung der Flüchtlinge erreicht sei.
Herr Minister, wie ist es mit den noch nicht gelösten wichtigen Problemen der Dynamisierung der Unterhaltshilfe? Wie ist es mit der Klärung der verschiedenen Stichtagsfragen ich will sie hier nicht aufzählen, weil meine Zeit abläuft -, mit der Erfüllung der Zusage, die vor Jahr und Tag - genau am 18. April 1970 - der Kollege Frehsee für seine Fraktion, die SPD-Fraktion dieses Bundestages, vor den vertriebenen und geflüchteten Bauern in Bad Godesberg abgab? Wie ist es mit der Erfüllung der Zusage, daß im Jahre 1971 mit Sicherheit Mittel für 4000 Stellen bereitgestellt würden im Rahmen des vom 5. Bundestag einstimmig beschlossenen Gesamtplans für 20 000 noch zu schaffende Stellen in fünf Jahren? Wie ist es mit der Verbesserung des ERP-Kreditplafonds für die gewerbliche Wirtschaft, damit nicht jährlich um die Sommerzeit wieder Antragssperren eingelegt werden müssen? Wie ist es mit der Bereitstellung von ausreichenden Lastenausgleichsdarlehen für den Wohnungsbau? Sie wissen aus den jährlichen Berichten, daß auch da nicht immer ausreichende Mittel vorhanden waren.
Sind Sie, Herr Minister, bei all diesen noch ungelösten Aufgaben - der Katalog ist, wie gesagt, jetzt verkürzt worden - nicht doch der Auffassung, daß man sich zu oft die Sache zu leicht gemacht hat, indem man den Weg der Bedienung mit Worten gegangen ist statt des harten und konsequenten Einsatzes bei den Allgewaltigen im Finanzressort? Ich habe jedenfalls bei einigen Gelegenheiten -
Kommen Sie bitte zum Schluß! Ihre Zeit ist abgelaufen.
Verzeihung, ich las hier: „noch fünf Minuten".
Ich habe jedenfalls bei einigen Gelegenheiten miterlebt, daß Vertreter des Finanzressorts jede Aktivität abtötende Zahlen nannten und Vertreter Ihres Hauses dazu leider schwiegen.
Lassen Sie mich nur noch ein Letztes ansprechen: Wie ist es, Herr Minister, mit der zugesagten bevorzugten Förderung der Kulturarbeit noch in diesem Jahr? Ich möchte da nur einen Satz aus dem Bericht zur Lage der Nation zitieren: „Die Bundesregierung will diese kulturelle Arbeit zusätzlich pflegen helfen." Diese Zusage zieht sich ja wie ein roter Faden durch die ganzen letzten zwei Jahre. Aber es sind leider eben auch nur Worte. Denn die Möglichkeiten zur Erfüllung der Aufgaben nach § 96 BVFG in ihrer Gesamtheit sind während Ihrer Verantwortungszeit nicht besser geworden. Die zahlenmäßigen Verbesserungen in Ihrem Haushalt decken nicht einmal die Kostenerhöhungen, vielmehr ergibt sich am Ende eine Verschlechterung.
Kommen Sie bitte zum Schluß! Ihre Zeit ist abgelaufen.
Jawohl, Herr Präsident. Ich bin beim letzten Satz. Ich hatte hier „noch fünf Minuten" stehen.
Diese Regierung wollte Zeichen setzen. Positive Zeichen sind bisher nicht gesetzt worden. Wir hoffen, daß wir im nächsten Haushaltsjahr positivere Zeichen von Ihnen erhalten werden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Hofmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, der erste Teil der Ausführungen unseres Herrn Kollegen von Fircks hätte in der vorigen Woche gesprochen werden sollen. Mir ist unerklärlich, wieso das zum Haushalt des Innenministers gehören sollte.
({0})
- Gestatten Sie bitte! Auch mir steht das Recht zu, dazu etwas zu sagen.
Ich möchte noch folgendes ausführen. Ich bin Heimatvertriebener wie Herr von Fircks auch. Ich wurde wie er vertrieben. Ich weiß nur, daß ich meine Heimat verloren habe als Ergebnis einer Politik, die nicht diese Regierung, sondern eine andere Regierung betrieben hat.
({1})
Wenn es einen Unterschied zwischen Herrn von Fircks und mir gibt, dann vielleicht den, daß ich in dieser Zeit zu jenen gehört habe, denen der Begriff Heimatrecht sehr klar war. Ich halte es nicht für gut - weder für die Heimatvertriebenen noch für das Ansehen unseres ganzen Volkes -, wenn immer und immer wieder Forderungen im Hinblick auf das Heimatrecht ausgerechnet von jenen gestellt werden, die diesen Begriff gestern nicht kannten
oder vielleicht doch kannten, ihn aber eben jenen nicht zugestehen wollten, von denen sie heute dieses Heimatrecht als eine Art Gottesrecht fordern.
({2})
Meine Damen und Herren, wir sollten uns bei all diesen Debatten eines vor Augen halten: Daß der Kommunismus heute in der Mitte Europas steht, ist das Ergebnis einer Politik, die wir - wie ich einmal für alle sagen kann - 1933 leider nicht verhindern konnten. Dort liegen die Wurzeln für das Übel, das wir heute zu beklagen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Czaja?
Herr Kollege, wie würden Sie es dann erklären, daß Herr Breschnew Ende August 1970 wörtlich erklärt hat, daß 25 Jahre sowjetische Politik, zähe, ernste Politik, endlich im Jahre 1970 einen Erfolg gehabt hätten? Wie würden Sie das erklären?
Das bestätigt genau das, was ich gesagt habe, daß wir eben 1933 hätten verhindern müssen, daß Breschnew überhaupt zu einem solchen Wort kommen kann. Das ist eben nicht geschehen.
({0})
- Wenn sich alle so gewehrt hätten wie Herr
Brandt, dann müßten wir das heute nicht beklagen.
({1})
Gestatten Sie dem Abgeordneten Müller eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Hofmann, könnten Sie bitte Herrn Kollegen Czaja bestätigen, daß die Politik der Sowjetunion und der Kommunisten vor allem deswegen möglich war, weil die Nationalsozialisten ein Bündnis mit Stalin gemacht haben?
Herr Kollege Müller, ich nehme an, daß Herr Kollege Czaja das auch alles weiß.
Ich will damit diese Einführungsworte beschließen, die durch Herrn von Fircks heraufbeschworen worden sind, und ich komme zu dem Teil, den er etwas kürzer abgefaßt hat, der aber eigentlich der Hauptpunkt dieser Aussprache sein müßte, nämlich zum Bereich der Innenpolitik.
Herr von Fircks beklagt, daß das Vertriebenenministerium zum Innenministerium gekommen sei. Ich kann daraufhin als Mitglied des Innenausschusses sagen, daß die Sorgen der Vertriebenen von dem Zeitpunkt an geringer geworden sind. Herr von Fircks konnte eben auch nur anführen, was noch ansteht: das ist die Erhöhung der Hauptentschädigung, die Dynamisierung der Unterhaltshilfe. Da darf ich daran erinnern, Herr von Fircks, daß wir
im Ausschuß eine einstimmig verabschiedete Entschließung gefaßt haben, daß wir im Jahre 1971 von der Regierung eine Vorlage zur Schlußregelung der Unterhaltshilfe bekommen sollten. Es klingt ein bißchen komisch, wenn die Entschließung für das Jahr 1971 gilt und heute bereits gefragt wird, was denn nun damit passiert. Das ist bis zum 4. Februar ein bißchen kurzfristig.
Das zweite war der Wegfall der Vermögensgrenze beim Unterhaltshilfeempfänger. Auch da bin ich der Meinung, daß wir uns verstärkt darum bemühen sollten, daß dies wegfällt. Im großen und ganzen kann aber gesagt werden, daß wir auch bei der Stichtagsregelung, die Sie angeschnitten haben, eine Entschließung gefaßt haben. Das ist Ihnen alles bekannt. Auf die anderen Dinge wird wahrscheinlich der Minister noch eingehen, auf die Fragen, die Sie ihm persönlich gestellt haben.
Ich möchte nur noch einen Punkt aufgreifen, den Sie erwähnt haben, die Frage nach den Bemühungen um die Einsiedlung der Aussiedler aus Polen. Ich glaube, keinem in diesem Hohen Hause ist es entgangen, daß diese Bemühungen laufen - beinahe möchte ich sagen: auf Hochtouren laufen -, bei der Bundesregierung wie bei den Länderregierungen. Wir sollten nicht durch solche gezielte Fragen eine gewisse Unsicherheit in diese Leute bringen, die mit allen Hoffnungen hierherkommen.
({0})
Deshalb würde ich bitten, dieses Problem so ernst
zu nehmen, wie es tatsächlich ist, und nicht die
Sache durch Fragen noch zu belasten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dichgans. Er hat um fünf Minuten Redezeit gebeten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nachdem wir uns hier so eingehend mit der Frage beschäftigt haben, wie wir unsere parlamentarische Demokratie gegen Angriffe von rechts und links sichern können, möchte ich noch fünf Minuten auf die Frage verwenden, was wir selbst, die Mitglieder dieses Hauses, tun könnten, um das Ansehen der parlamentarischen Demokratie zu stärken.
({0})
- Ich glaube nicht, Herr Kollege Konrad, daß die Form der soeben vorgetragenen persönlichen Angriffe auf meinen Fraktionskollegen Freiherrn von Fircks zur Stärkung des Ansehens unserer parlamentarischen Demokratie beigetragen hat.
({1})
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, den ich zur Sprache bringen möchte. Wir alle wissen, daß die parlamentarische Demokratie, namentlich von jugendlichen Gruppen, die politisch interessiert sind,
oft kritisiert wird. Einer der wichtigsten Punkte der Kritik ist der Fraktionszwang, das Verhältnis der Gewissensfreiheit, oder ich sage auch nur: der Meinungsfreiheit zu der Fraktionsdisziplin.
Jeder von uns versteht, daß die Fraktionen in allen jenen Fragen für Geschlossenheit sorgen müssen, in denen sie sich in ihren Parteiprogrammen festgelegt haben, in denen ihre Wähler von ihnen ein einheitliches Verhalten erwarten. Aber das, was wir in der Regierungskoalition erleben, geht weit über das hinaus. Das gestrige Beispiel hat mich sehr erschreckt.
Ob der Direktor des Bundestages in die Besoldungsgruppe B 10 oder B 11 eingestuft werden soll, ist meines Wissens in keinem Parteiprogramm fixiert. Ich glaube auch nicht, daß sich irgendeiner unserer Wähler dafür interessiert.
({2})
-- Das ist ein wichtiges Problem, auf das ich hier zu sprechen komme. Die Fachleute im Haushaltsausschuß waren nach eingehender Diskussion ({3})
- ja, Herr Schäfer, das mag sein, die Sache ist mir aber trotzdem sehr wichtig - zu einer Entscheidung gekommen. Ich habe auch gar nichts dagegen, Herr Kollege Schäfer, daß sich die Mehrheit Ihrer Fraktion hier anders entscheidet. Was ich aber geradezu erschreckend finde, ist, daß Ihre Fraktion ihre Mitglieder des Haushaltsausschusses, die sich nacheingehender, sachlicher Beratung für eine andere Lösung entschieden hatten, gezwungen hat, gegen ihr eigenes Votum zu stimmen.
({4})
- Das habe ich gesehen. Das ist die totale Herrschaft der Fraktion.
({5})
- Ich habe in einer Reihe von Fällen - Herr Schäfer, Sie wissen das - gegen die Mehrheit meiner Fraktion gestimmt. Noch beim letzten Mal, als ich für diese Fraktion zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz gesprochen habe, konnte ich sagen: unsere Fraktion als eine liberale Fraktion gibt ihren Mitgliedern die Abstimmung frei.
({6})
- Ja, sicherlich, das ist in Ordnung.
Was wir im Augenblick erleben, sind Plenarabstimmungen als Einübungen im Akt des unbedingten Gehorsams gegenüber den Fraktionsoberen.
({7})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?
Bitte schön!
Herr Kollege Dichgans, glauben Sie nicht, daß wir uns über jede CDU-Stimme, die wir überzeugen können, freuen?
({0})
Sicherlich. Beide Seiten. Ich möchte, da ich die Redezeit von fünf Minuten nicht überschreiten will, folgendes fragen. Herr Kollege Genscher, ich spreche Sie als Minister und liberalen Kollegen an. Halten Sie dieses System überhaupt für vereinbar mit unserer Verfassung?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jung?
Bitte schön!
Herr Kollege Dichgans, ich stimme zwar mit Ihnen in der Beurteilung des Fraktionszwangs voll überein. Aber ich frage Sie: wie können Sie die Behauptung aufrechterhalten, daß Kollegen, die im Haushaltsausschuß - ich gehöre ihm nicht an - für diese Vorlage gestimmt haben, hier da) gegen gestimmt haben? Denn es war doch keine namentliche Abstimmung, außerdem gab es auch eine Reihe von Enthaltungen.
Ich habe mich umgesehen. Ich würde mich freuen, wenn ich mich geirrt hätte.
({0})
Ich habe niemanden in den Regierungsfraktionen gesehen, der so gestimmt hat, wie das im Ausschuß beschlossen worden war.
Herr Schäfer, wenn ich die Sache zur Sprache gebracht habe, so deshalb, weil ich Sie - damit komme ich zum Schluß -- fragen möchte, erinnern Sie sich an den Panzerkreuzer A?
({1})
Damals zwang die SPD-Fraktion ihren eigenen Reichskanzler Hermann Müller, als Fraktionsmitglied in der Plenarabstimmung gegen seine eigene Vorlage zu stimmen.
({2})
Es gibt Historiker, die von diesem Tage an, dem 16. November 1928, den unaufhaltsamen Niedergang der Weimarer Republik datieren. Der Parlamentarismus war unglaubwürdig geworden.
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer.
Herr Dichgans, sind Sie bereit, Ihre Erkenntnisse in Ihrer Fraktion durchzusetzen?
Ich bemühe mich sehr darum. Ich möchte Ihnen, allen Fraktionen dieses Hohen Hauses, einen konkreten Vorschlag machen. Der Parlamentarismus wird hier erst wieder glaubwürdig, wenn mindestens bei der Hälfte der Abstimmungen alle Fraktionen vorher erklären, daß sie zu dem betreffenden Punkt, weil er kein Grundsatzpunkt ist, die Haltung dem Sachurteil des einzelnen Abgeordneten freigeben. Dazu möchte ich alle auffordern.
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dorn.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dichgans, ich folge Ihren Vorstellungen in vollem Umfang. Nur würde ich Ihnen dringend empfehlen, daß Sie versuchen, diese Vorstellungen zuerst einmal in Ihrer eigenen Fraktion zu realisieren. Denn so, wie Sie es vorhin mit Ihrem Zwischenruf erkennbar machten, Herr Kollege Leicht, war es ja bei Ihnen leider nicht immer.
({0})
- Entschuldigen Sie, es kommt jetzt. Ich kann alles nur hintereinander schildern, nicht alles auf einmal. Jetzt will ich Ihnen den Fall bringen.
Als in diesem Hause über die Frage des RöhrenEmbargos entschieden wurde, haben Ihre Fraktionsgeschäftsführer vor der Tür gestanden, um Ihre Kollegen, auch die Kollegen, die im Wirtschaftsausschuß mit unseren Vertretern und mit den Vertretern der SPD gegen die Regierung gestimmt hatten, daran zu hindern, ins Plenum zu kommen, um auf jeden Fall die Beschlußunfähigkeit des Plenums herbeizuführen, weil sie genau gewußt haben, daß sonst eine gegen die Regierung gerichtete Entscheidung herbeigeführt worden wäre. Das ist ein praktisches Beispiel dafür, wie Sie sich hier in einer solchen Frage verhalten haben.
({1})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie dem Herrn Abgeordneten Ott eine Zwischenfrage?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Mit ganz besonderer Freude, ja.
Herr Staatssekretär Dorn, können Sie mir sagen, wieviel Freiheit am 14. März 1969 bei der FDP-Fraktion vorhanden war, als Ihr Fraktionsvorsitzender siebeneinhalb Stunden auf Ihre Wahlmänner in Berlin eingeredet hat, um ein einheitliches Ergebnis für die Bundespräsidentenwahl zustande zu bringen?
({0})
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Ott, ich habe so etwas Ähnliches schon erwartet. Deswegen habe ich mich darauf gefreut, daß Sie eine Zwischenfrage stellten. In einer liberalen Partei, Herr Kollege
({1})
- das wissen Sie viel zu genau, auch in diesem Hause durch praktische Erfahrungen -, hat es keine Beeinflussung in der Form gegeben
({2})
--- nun hören Sie doch bitte einmal zu; Sie wollen doch die Frage beantwortet haben -, daß jemand, der in der Sache völlig anderer Meinung war, diese Meinung nicht bis zuletzt hätte vertreten können und auch in der Abstimmung so verfahren ist. Ich gebe zu, daß Herr Kollege Mende und einige andere damals gesagt haben, wir sollten die Entscheidung so treffen und Herrn Heinemann als Präsidenten wählen. Er hat sich mit anderen dafür sehr engagiert. Wir haben diese Entscheidung dann in der großen Mehrheit unserer Fraktion so getroffen.
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die einzige Fraktionsgeschäftsordnung, die eine Regelung des sogenannten Fraktionszwanges kennt, die der CDU/CSU-Fraktion ist?
({0})
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist mir nicht bekannt; ich kenne die Fraktionsgeschäftsordnung nicht.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Marquardt?
Könnten Sie den Kollegen Ott daran erinnern, daß der Bundespräsident in geheimer Wahl gewählt wird und daß dabei die Durchsetzung des Fraktionszwanges eine eigene Sache ist?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bei einer geheimen Wahl, Herr Kollege, gibt es sowieso keinen Fraktionszwang. Das haben alle Fraktionen in diesem
Hause, zum Teil vielleicht in leidvoller Weise, selber erfahren müssen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Verständnis, daß ich jetzt nicht mehr auf Zwischenfragen eingehen möchte.
({0})
Es kommt mir auf einige Punkte an.
({1})
- Bitte schön, Herr Althammer, wenn Sie meinen, Sie können etwas richtigstellen.
Herr Staatssekretär, ich bitte um Entschuldigung, das war nicht gegen Sie gerichtet. Aber ich muß in diesem Fall versuchen, in der Form einer Frage Klarheit zu schaffen.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich zusammen mit dem Herrn Kollegen Schäfer darüber zu vergewissern, daß gerade die Regelung, wie die Freigabe der Abstimmung erfolgt, ein Beweis dafür ist, daß es bei uns eben nicht das Prinzip des Fraktionszwanges gibt?
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rösing?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich bitte um Verständnis. Ich kann doch hier nicht die Probleme der einzelnen Fraktionen dieses Hauses klären wollen.
({0})
Das müssen Sie schon selber miteinander regeln.
({1})
Ich möchte nun ,auf einige Sachbeiträge eingehen, die von den Vertretern der Opposition im Laufe des heutigen Tages vorgebracht wurden. Ich gehe zuerst auf das ein, was der Kollege von Fircks vorgetragen hat.
Herr Kollege von Fircks, Sie äußerten die Sorge, daß die Vertretung der Interessen der Vertriebenen auch durch die Herabstufung des Verwaltungsleiters der Vertriebenenabteilung in unserem Haus nunmehr gemindert sein könnte. Ich kann Ihnen sagen, daß das zu keiner Zeit eine Rolle gespielt hat und daß es auch in der Praxis nicht geschehen ist. Vielmehr ist die Vertriebenenabteilung in unserem Hause von Anfang dem Minister direkt unterstellt gewesen. Aus dieser Unterstellung mögen Sie erkennen, daß der Herr Bundesminister des Innern sich im besonderen Maße um diese Frage kümmern wollte und zum Ausdruck bringen wollte, daß die
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn Neueingliederung eines ganzen Ministeriums in unser Haus von ihm besonders beurteilt wird und die Interessenlage dieses früher selbständigen Hauses auch garantiert bleiben sollte.
Die Fragen, die Sie zum Teil angesprochen haben und die von Ihnen als nicht gelöst bezeichnet wurden, sind allerdings Fragen, die zum Teil seit zehn und mehr Jahren anstehen und nicht gelöst wurden. Dazu muß ich Ihnen, Herr von Fircks, allerdings eines sagen: Auch diese Regierung ist nicht in der Lage, in eineinviertel Jahren all das nachzuholen, was von ihren Vorgängern auch im Vertriebenenressort versäumt und nicht realisiert wurde.
({2})
Auf jeden Fall müssen Sie schon anerkennen, daß eine Reihe von. Vorschlägen, eine Reihe von gesetzlichen Lösungen im Laufe dieses Jahres in unserem Hause in einer Form geregelt worden ist, wie das kein Vorgänger in diesem Amt früher getan hat. Ich darf Sie an die Auswirkungen der 23. Novelle erinnern; ich darf Sie daran erinnern, daß für die Flüchtlinge aus der DDR von keinem Vorgänger in solchem Ausmaß gesetzmäßige Verbesserungen erreicht wurden wie von der Initiative, die Innenminister Genscher vorgelegt hat.
Nun fragen Sie, was getan wird, um die aus Polen zurückkehrenden Bürger in unserem Staate entsprechend zu etablieren. Ich kann Ihnen nur sagen, daß von dem Augenblick an, als diese Probleme aktuell wurden, der Bundesminister des Innern mit den Ministern, die auf der Landesebene in den einzelnen Bundesländern zuständig sind, sofort die Verhandlungen aufgenommen hat, um dafür zu sorgen, daß die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet werden.
Ich möchte nur noch ein Problem ansprechen, das Sie, Herr Kollege von Fircks, angeschnitten haben, und zwar ist das ein politisches Problem.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bitte schön!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß es die Entscheidung der Menschen drüben wesentlich erleichterte, wenn ihnen Informationen zu der Frage übermittelt würden, welche Eingliederungshilfe, wenn ich sie mal summarisch so nennen darf, sie hier bekommen werden? Das ist bisher nicht geschehen. Deshalb war es mein Hauptanliegen, diesen Gedanken an die Regierung heranzutragen.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege von Fircks, wir stehen doch erst am Beginn konkreter Verhandlungen, in denen wir zu Ergebnissen kommen wollen. Sie wissen doch, unter welch schwierigen Voraussetzungen der Start erfolgt ist. Er ist überhaupt erst durch eine politische Entscheidung dieser Bundesregierung ermöglicht worden. Sie wissen, daß
das Deutsche Rote Kreuz Gespräche mit dem zuständigen Roten Kreuz auf polnischer Seite aufgenommen hat, um erst einmal die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, damit das, was wir uns an menschlichen Erleichterungen für diejenigen Bürger wünschen, die aus dem Bereich Polens nunmehr in die Bundesrepublik kommen wollen, überhaupt realisiert werden kann. Wir können doch nicht zu Beginn der Verhandlungen eine Fülle von Maßnahmen ankündigen, wenn wir noch gar nicht wissen, ob überhaupt die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß die organisatorischen Maßnahmen anlaufen können.
Aber lassen Sie mich für die Bundesregierung noch ein Wort zu der politischen Bemerkung sagen, die Sie gemacht haben. Sie haben in einem Satz erklärt, diese Regierung und die sie tragenden Kräfte hätten sich nicht viel daraus gemacht, ein Viertel von Deutschland zu verschenken. - Sie bestätigen das jetzt erneut durch Kopfnicken. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Genau das ist der Beginn einer politischen Dolchstoßlegende, die hier mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden muß.
({0})
Ich möchte jetzt auf die Äußerungen eingehen, die der Kollege Dr. Miltner heute nachmittag gemacht hat. Herr Kollege Miltner, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß diese Bundesregierung viel intensiver als ihre Vorgängerinnen verschiedener Prägung gerade auf dem Sektor der Sicherheitspolitik eine Fülle von Initiativen nicht nur angekündigt, sondern auch ergriffen hat. Die Behauptung, daß das Sofortprogramm für eine zentrale Verbrechensbekämpfung erst angelaufen sei, nachdem im April des vergangenen Jahres die Große Anfrage der Opposition dem Parlament zugeleitet worden sei, wird auch durch dauernde Wiederholung nicht wahr. Ich kann Ihnen sagen, daß der Bundesinnenminister und die zuständigen Herren - ich selber habe an den Gesprächen teilgenommen - bereits im November des Jahres 1969 die Arbeit an diesem Sofortprogramm in Angriff genommen haben, also fast ein halbes Jahr bevor die Große Anfrage der CDU/CSU überhaupt auf unseren Tisch kam.
Es sollte für die Bundesregierung auch noch ein sehr deutliches Wort, wie Sie es verlangt haben, zu der Frage gesagt werden, ob es der Bundesregierung unangenehm sei, über den Linksradikalismus zu sprechen. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, daß es innerhalb der Bundesregierung keinerlei unterschiedliche politische Beurteilung der radikalen Kräfte links wie rechts gibt. Die Auseinandersetzung mit den politisch radikalen Kräften auf der Linken und auf der Rechten wird von der Bundesregierung mit der gleichen Schärfe geführt.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nun etwas zu einigen Zeitungsartikeln sagen, die in den letzten Tagen Angriffe gegen die Bundesregierung ausgelöst haben. Ich meine die Frage, die auch die bayerische Staatsregierung aufgegriffen hat, warum der Bund eigentlich bisher noch keine Mittel
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
für die Olympia-Bauten in Höhe von 50 % der Kosten zur Verfügung gestellt habe. Die bayerische Staatsregierung ist der Auffassung - diese kommt auch in einigen Zeitungsartikeln zum. Ausdruck -, daß hier noch nicht genügend Initiative entwickelt worden sei. Ich möchte den Kollegen Dr. Riedl hier im besonderen ansprechen, der weiß, wie sehr wir uns im Sportausschuß des Deutschen Bundestages immer wieder um dieses Fragen bemüht haben. Ich kann nur sagen, Herr Kollege Riedl, daß im Haushaltsplan des Bundes die Mittel für diesen Zweck eingestellt sind, daß aber - und das ist mit eine entscheidende Voraussetzung, die vom Haushaltsausschuß immer wieder einmütig gefordert worden ist, auch von den Kollegen Ihrer Fraktion - die Voraussetzungen in einem bestimmten Bereich noch nicht erfüllt sind. Wir haben zwar einen Konsortialvertrag vorbereitet. Wir haben uns auch über bestimmte Maßnahmen geeinigt, die jetzt durchgeführt werden sollen. Aber die Frage der Folgekosten, der Trägerschaft und der damit verbundenen Kosten, die demnächst entstehen werden, ist leider bis heute noch nicht abgeklärt. Ich hoffe, daß es gelingt, in den nächsten Wochen und Monaten durch Verhandlungen mit dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München zu einer Übereinstimmung und damit zum Abschluß dieses Vertrages zu kommen. Danach werden mit Sicherheit auch die Kollegen im Haushaltsausschuß bereit sein, ihr Votum in dem gewünschten Sinne abzugeben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bitte!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Abschlagszahlungen an den Freistaat Bayern und an die Landeshauptstadt München noch vor Abschluß dieser Verhandlungen schon unter besonderer Berücksichtigung des höheren Anteils des Bundes angewiesen werden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Riedl, das ist, wie ich mich inzwischen informiert habe, leider nicht möglich, weil der Haushaltsausschuß einen entgegengesetzten Beschluß gefaßt hat. Es ist in dieser Frage sowohl am 12. Oktober wie am 12. November in der Beratung des Haushaltsausschusses zu einer entsprechenden Entscheidung gekommen. Diese Frage wird erst noch einmal durch den Haushaltsausschuß gehen. Aber sie wird dem Haushaltsausschuß nach meiner Auffassung nicht eher zugeleitet werden können - denn sonst würden wir die Kollegen im Haushaltsausschuß überfordern -, bevor nicht eine Einigung zwischen den drei Partnern, die in München beteiligt sind, erzielt worden ist. Ich glaube also, hier sollten wir auch die Kollegen im Haushaltsausschuß nicht überfordern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon die Kosten der Olympiade ansprechen, darf ich in diesem Zusammenhang die Frage an Sie stellen: Bis wann kann denn das Haus damit rechnen, einmal präzise Unterlagen über die Kosten dieser Olympiade zu bekommen? Ich darf Sie daran erinnern, daß wir auch im Haushaltsausschuß darüber letztlich keine Entscheidung treffen konnten, weil die Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist, dem Hause darüber zu berichten.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Jenninger, da kann ich nur sagen: dann haben Sie einige Vorlagen der Bundesregierung wohl nicht richtig und bis zu Ende gelesen. Die Bundesregierung hat eindeutige Berichte auch über diesen Bereich vorgelegt. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß auch bei den wenigen Baumaßnahmen, die jetzt noch geplant und in der Finanzierung in Angriff genommen werden müssen, noch Kostenschwankungen auftreten können. Das kann man aber, so wie die Dinge auf dem Baumarkt nun einmal sind, nicht abschließend beurteilen, bevor nicht die letzte Abrechnung auf dem Tisch liegt. So ist nun einmal die Lage. Das gilt nicht nur für die Olympiabauten, sondern das gilt für den Bausektor allgemein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen und noch auf zwei Punkte eingehen, die der Kollege Benda heute morgen für seine Fraktion vorgetragen hat. Er hat die Frage gestellt: Wo sind denn eigentlich die inneren Reformen geblieben? Er meinte dann, es sei zu wenig sichtbar geworden von dem, was auch aus dem Bundesinnenministerium hätte kommen können. Er hat es sorgfältig vermieden, eigene Ideen oder Alternativvorschläge zu unterbreiten. Herr Kollege Benda, ich möchte doch an einem kleinen Beispiel sichtbar machen, wie sehr sich die Dinge gewandelt haben, seitdem diese Bundesregierung amtiert. Ich erinnere Sie daran, daß der jetzige Bundesinnenminister und ich in der vorigen Legislaturperiode hier in diesem Hause dafür plädiert haben, das aktive und das passive Wahlalter herabzusetzen. Wir waren damals, so glaubten wir wenigstens, in einer günstigen Ausgangsposition, weil die Christlichen Demokraten gerade auf ihrem Bundesparteitag einen entsprechenden Beschluß gefaßt hatten. Und dann mußten wir hier im Plenum erleben, daß man uns sagte, zwischen Parteitagsbeschlüssen und Entscheidungen der Fraktion sei natürlich ein großer Unterschied. Die heutige Opposition hat damals unseren Antrag abgelehnt.
Der erste Gesetzentwurf, Herr Kollege Benda, der aus unserem Hause gekommen ist,
({0})
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
war der, das Wahlalter herabzusetzen. Kaum war diese Regierung im Amt, war auch die jetzige Opposition bereit, unserem Antrag zuzustimmen. Ich meine, das ist doch eine gute Entwicklung. Überhaupt muß ich feststellen, daß es um die Arbeit dieser Bundesregierung
({1})
so schlecht nicht bestellt sein kann, wie Herr Dr. Heck das manchmal in der Öffentlichkeit erklärt;
({2})
denn immerhin, Herr Kollege Dr. Heck, mehr als 80 °,'o der Gesetze, die in diesem Hause verabschiedet worden sind, sind mit den Stimmen der Opposition verabschiedet worden. Wenn man das einmal nüchtern berachtet, ist die Regierungsarbeit doch besser, als die CDU zugibt.
Ich möchte mit dem musikalischen Gruß von Herrn Benda von heute morgen schließen: frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm,
({3})
Herr Kollege Benda - davon ist diese Regierung und diese Koalition überzeugt -, werden wir 1973 gegenüber unseren Wählern haben können, die dann unsere Arbeit entsprechend honoriert haben.
({4})
Wird noch weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Einzelplan 06 ab. Wer diesem Einzelplan seine Zustimmung geben will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - 4 Gegenstimmen. Enthaltungen? - Das erste war eindeutig die Mehrheit; einige Gegenstimmen, sehr viele Enthaltungen.
Wir stimmen nunmehr über den Einzelplan 36, Zivile Verteidigung, ab. Wer diesem Plan zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - 1 Gegenstimme. Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Plan angenommen.
Nunmehr rufe ich nach einer Vereinbarung der Fraktionen 14 auf:
Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesminister der Verteidigung
- Drucksachen VI/1744, zu VI/1744 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer Abgeordneter Haase ({0})
Herr Abgeordneter Haase hat das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte einige kurze Bemerkungen zum Einzelplan 14 und die Darstellung weniger Einzelheiten, von denen ich annehme, daß sie allgemein interessieren.
Die Beratungen des Verteidigungshaushaltes wurden einmal durch die Notwendigkeit beeinflußt, den frühzeitig aufgestellten Regierungsentwurf der erst jetzt erkennbaren Ausgabenentwicklung im Haushaltsjahr 1970 anzupassen, und zum anderen durch die in der Regierungsdenkschrift „Weißbuch 70" angekündigten Maßnahmen, die allerdings erst nach und nach konkretisiert werden können.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände und bei Beachtung des Sicherheitsbedürfnisses unseres Landes und der konjunkturpolitischen Lage war es erforderlich, gegenwartsnahen Erkenntnissen entsprechend Mittelverlagerungen vorzunehmen sowie die für vertretbar gehaltenen Einsparungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Andererseits mußte im Laufe der Beratungen aber auch der erkennbar gewordene höhere Mittelbedarf, in erster Linie durch die Kostenexplosion verursacht, Berücksichtigung finden.
Die erzielten Einsparungen belaufen sich auf 110 Millionen DM. Die Verpflichtungsermächtigungen des Bundes wurden um 597 Millionen DM gekürzt.
Insgesamt, meine Damen und Herren, beantragt der Haushaltsausschuß, für die Zwecke der deutschen Landesverteidigung 21,8 Milliarden DM zu bewilligen. Davon sind 8,6 Milliarden DM - gleich 39 % - für Personalausgaben vorgesehen.
Am Jahresbeginn --- auch das dürfte vielleicht interessieren - betrug die Stellenbesetzung 465 000 Soldaten, davon 250 000 Berufs- und Zeitsoldaten, 210 000 Wehrpflichtige und 1 500 Wehrübende. An zivilem Personal beschäftigte die Bundeswehr 22 000 Beamte, 61 000 Angestellte und 85 000 Arbeiter, zusammen etwa 170 000 Kräfte. Bei den Personalien wäre noch erwähnenswert, daß der Haushaltsausschuß zum Abbau des Beförderungsstaus in den Streitkräften für den Einzelplan 14 insgesamt 9 000 Soldatenstellen neu bewilligte, und zwar 2 350 Stellen für Oberstleutnante, 1 650 Stellen für Majore und 5 000 Hauptfeldwebelstellen.
2,3 Milliarden DM sind für sächliche Verwaltungsaufgaben und 8,4 Milliarden DM - gleich 38,6 % -für militärische Beschaffungen und Anlagen vorgesehen.
Die hier bewilligten Mittel dienen in erster Linie folgenden großen Beschaffungsvorhaben:
Beim Heer geht es um die Anschaffung des Schützenpanzers Marder, des fünften Loses des Kampfpanzers Leopard, einer größeren Anzahl 20-mm-Maschinenkanonen sowie der leichten Artillerie-Raketenwerfer.
Die Marine wird Neubeschaffungen von Unterseebooten und Schnellbooten vornehmen können.
Bei der Luftwaffe handelt es sich um die Nachbeschaffung von Mehrzweckflugzeugen der Typen F 104 G und G 91 T 3 sowie die Neubeschaffung von Aufklärungsflugzeugen des Typs RF 4 E Phantom. Der Zulauf dieser Flugzeuge hat bereits begonnen. Die ersten vier konnten vor einigen Wochen in Aufklärungsgeschwader der Luftwaffe eingegliedert werden. Weiterhin werden Transportflugzeuge und Hubschrauber beschafft werden können.
Haase ({0})
Bei Kap. 14 20 kürzte der Ausschuß die für die Entwicklung eines Luftwaffensystems eingeplanten Ausgaben um 140 Millionen DM und trug damit der veränderten Zeitplanung Rechnung.
Meine Damen und Herren, ich schlage dem Hohen Hause vor, den Einzelplan 14 für das Haushaltsjahr 1971 entsprechend dem Antrag des Haushaltsausschusses vom 21. Januar 1971 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Klepsch. Er hat um eine Redezeit von 35 Minuten gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für meine Fraktion, die CDU/CSU, Überlegungen zum Verteidigungshaushalt vorzutragen. Dabei bin ich mir bewußt, daß die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der FDP ungeachtet ergänzender Fragestellungen durch uns im Laufe des Monats März eine Verteidigungsdebatte in diesem Hohen Hause nach sich ziehen wird, die die Chance bietet, zahlreiche weitere Fragen eingehend zu erörtern.
Herr Minister Schmidt hat in seinem Diskussionsbeitrag zum Bericht zur Lage der Nation am 28. Januar 1971 sechs Eckpunkte unserer Politik bezeichnet, die sich, mehr oder weniger präzise gefaßt, mit den Grundlagen unserer Sicherheitspolitik auseinandersetzen. Wir stimmen voll mit ihm darin überein, daß unveränderte Grundlage unserer Sicherheit das NATO-Bündnis ist, daß die Erhaltung des Gleichgewichts in Europa Voraussetzung für eine erfolgreiche und funktionsfähige Friedenspolitik unseres Landes und der Allianz dargestellt und nur auf dieser Grundlage echte Fortschritte erreichbar sind, daß für uns die substantiell ungeschmälerte Präsenz der USA in Europa lebensnotwendig ist, weshalb wir die Erklärung Präsident Nixons über die Aufrechterhaltung der amerikanischen Präsenz für die Dauer seiner Amtszeit begrüßen.
Unterstreichen möchte ich die Notwendigkeit, die europäische Zusammenarbeit in politischer und sicherheitspolitischer Hinsicht im Rahmen der NATO und die Weiterentwicklung der europäischen Einigung zu verstärken und nachdrücklich zu fördern. Aber es ist notwendig, gerade auch auf dem Hintergrund der Darlegungen des Kollegen Wienand in der Debatte am 28. Januar,
({0})
einige Fakten und Faktoren ins Blickfeld zu rücken.
Es besteht sonst die Gefahr, daß diese im Rahmen
einer Entspannungseuphorie unterbewertet werden.
Erstens. Ein schwieriges Informationsproblem zeigt sich in der Öffentlichkeit bei der Begründung der Entspannungspolitik und bei der Art und Weise der Darlegung der Bemühungen um ausgewogenen Abbau der Streitkräfte und der Rüstung in Europa und um ein System der Friedenssicherung in Europa; denn es ist und bleibt eben notwendig, auf die unverändert bestehende, ja gestiegene Bedrohung hinzuweisen und damit die notwendige Übernahme der hohen Verteidigungslasten zu begründen.
Es bleibt notwendig, das gefährdete, aber erforderliche Gleichgewicht zu halten. Dabei geht es aber nicht an, wandelbare intentions für handfeste capabilities einzusetzen, wie das der Kollege Wienand anscheinend tut. Diejenigen, die konsequent auf diesen Sachverhalt hinweisen, werden heute als kalte Krieger und superkonservative Reaktionäre diffamiert oder abqualifiziert.
({1}) Das ändert aber nichts an den harten Tatsachen!
({2})
So heißt es in der Studie ADS 70 der NATO:
Gleichzeitig ist festzustellen, daß die sowjetische Stärke über die Gewährleistung der Sicherheit der Sowjetunion hinaus stetig wächst und einen eindrucksvollen Rückhalt für eine weitreichende Geltendmachung sowjetischen Einflusses und sowjetischer Präsenz darstellt, wobei sie immer wieder Fragen hinsichtlich der damit verbundenen Absicht aufwirft. Die unmittelbaren Verteidigungsausgaben der Sowjetunion sind von 1965 bis 1969 real jedes Jahr um durchschnittlich 5 bis 6 % erhöht worden, und alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Sowjetunion ihre Stärke immer weiter erhöht.
Zweitens. Diese Regierung tut sich schwer mit dem Begriff der Bedrohung. Die „Neue Zürcher Zeitung" vom 29. November 1970 beschreibt unter der Überschrift „Ernüchternde NATO-Bilanz" das Problem treffend - ich zitiere -:
Nun ist man sich aber bei der NATO darüber klar, daß im allgemeinen Sprachgebrauch nur solche Mächte als bedrohlich bezeichnet werden, die aggressive Absichten verfolgen. Eine solche Unterstellung wollten die NATO-Mitglieder - die mit den größten Entspannungshoffnungen nicht riskieren, da sie nicht nur im Gegensatz zu den Proklamationen ihrer eigenen Regierungsvertreter gestanden hätte, sondern ihnen auch geeignet schien, den zartbesaiteten Osten vom weiteren Entspannungsdialog abzuschrecken. Ernst zu nehmen wäre das Argument, daß der Osten damit Gelegenheit gefunden hätte, vor der Weltöffentlichkeit die „imperialistischen Mächte" wieder einmal der Kriegshetzerei zu bezichtigen. Davon abgesehen aber ist die Assoziation, welche der Durchschnittsbürger mit dem Ausdruck „Bedrohung" verbindet, von dem Gefühl der NATO-Militärs und -Politiker gar nicht so weit entfernt; denn ganz allgemein besteht der Eindruck, daß es schwer sei, für eine Fortsetzung des Rüstungsaufbaus im Osten eine andere Erklärung als aggressive Absichten zu finden.
Dieser Feststellung können wir nur zustimmen und zudem äußerst besorgt darauf hinweisen, daß über mehrere Jahre hinweg die Höhe des Verteidigungsaufwandes der europäischen Partner im Bündnis real um jährlich etwa 41/2 % gesunken ist. Natürlich besteht deshalb noch nicht die Gefahr, daß das
nächste Warschauer-Pakt-Manöver auf Korpsniveau in der DDR in einen militärisch durchaus möglichen konventionellen Überraschungsangriff auf die Bundesrepublik umfunktioniert würde. Aber die Sowjetunion hat zuletzt am Suezkanal gezeigt, daß sie bereit ist, jede taktische Expansionsmöglichkeit ohne Rücksicht auf die internationale Atmosphäre auszunützen,
({3})
wenn sie nicht mit untragbaren Risiken verbunden ist.
Ebenso muß man bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, daß sich die Sowjetmacht in Zentraleuropa jede Lücke der westlichen Verteidigungsgemeinschaft zunutze machen würde, und sei es auch nur für ein politisches Erpressungsmanöver. Das Schlagwort, mit dem diese Gefahr umschrieben wird, heißt - was ich für das finnische Volk nur bedaure - „Finnlandisierung Westeuropas".
Während der Herr Verteidigungsminister das militärische Gleichgewicht eben noch für gegeben ansieht, allerdings vor einer weiteren Schwächung warnt, falls nicht die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entspannungspolitik aufgegeben werden sollen, sieht Admiral Henderson, der Vorsitzende des Militärischen Ausschusses der NATO, die Lage weitaus kritischer an. Er fordert angesichts des veränderten Gleichgewichts der Kräfte die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Abschreckung.
Vier Schwierigkeiten kommen auf uns zu.
Erstens. Wenn bei einem Erfolg der SALT-Gespräche das nukleare Patt auf der Position des Gleichgewichts eingependet, eingefroren wird oder wenn die Sowjetunion auf dem nuklearen Rüstungssektor gegenüber den USA voll gleichziehen sollte, dann würde sich im konventionellen Bereich das Übergewicht der Warschauer-Pakt-Mächte in voller Schärfe widerspiegeln.
({4})
Daran ändert auch nichts, daß in Informationsschriften des Verteidigungsministeriums der Eindruck eines ausgewogenen Gleichgewichts auf dem konventionellen Sektor in Zentraleuropa erweckt wird. So heißt es in der Nummer vom 26. November 1970 der Mitteilungen für den Soldaten unter Beifügung einer graphischen Darstellung:
Vier Millionen unter Waffen. Die Sowjets wollen eine europäische Sicherheitskonferenz. Wollen sie auch mehr Sicherheit durch gleichzeitigen Truppenabzug? Das muß sich noch herausstellen. Europa ist derzeit hoch gerüstet. In den Ländern der NATO und des Warschauer Paktes stehen einander Heere mit einer Gesamtstärke von rund 4 Millionen Mann gegenüber, nicht eingerechnet die Sowjettruppen jenseits des Urals. Mit zusammen mehr als einer halben Million Mann sind die USA und die Sowjetunion in den Grenzländern der beiden Bündnissysteme vertreten. Ein fast gleichgewichtiger Abbau dieser beiden Kontinente wäre ein besonders überzeugender Beweis für den Entspannungswillen der Supermächte. Die amerikanische Bereitschaft hierzu ist sicher, schon allein aus finanziellen und innenpolitischen Gründen.
Das ist allerdings nicht die Darstellung, die Sie vorher im Weißbuch finden.
Zweitens. Wenn ein weiteres Absinken des westlichen Potentials einträte, dann würde die Ausgangsposition für erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen fortgesetzt geschwächt und eine Chance für einen erfolgreichen, ausgewogenen Truppenabbau nicht mehr gegeben sein.
({5}) Damit würde der Frieden gefährdet.
Drittens. Es bleibt die Frage nach den Absichten der Sowjetunion, die diese mit der fortgesetzten Aufrüstung insbesondere im europäischen Bereich verfolgt. Heute sind Begriffe wie politische Vorwarnzeit und Vorne-Verteidigung schillernd geworden. Es kann nicht bestritten werden, daß nach der Ausdünnung des westlichen Verteidigungsgefüges die Vorne-Verteidigung im alten Sinne heute nur noch eine Stolperdrahtfunktion innehat.
({6})
Viertens. Herr Gillessen hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 1. Februar 1971 freimütig und bemerkenswert festgehalten:
Der NATO-Botschafter eines unserer wichtigeren Verbündeten überschüttete seinen deutschen Gesprächspartner mit Kritik an der Bonner Ostpolitik; daß sie gemeinsame Anstrengungen für ein Entgegenkommen der Sowjetunion erschwere, daß sie Sorgen über die politischen Reiseziele der Bundesrepublik errege und daß sie der Sowjetunion den Weg zur Vertreibung Amerikas aus Europa ebne. Das Bemerkenswerteste war die Warnung, mit der er schloß: Wenn der deutsche NATO-Botschafter ihn im NATO-Rat offiziell nach der Haltung seiner Regierung frage, werde er das Gegenteil erklären . . .
Das Zitat spricht für sich. Der Bundesregierung bleibt es aufgetragen, unbedingt dafür zu sorgen, daß die vertrauensvolle Übereinstimmung in der Allianz erhalten bleibt.
Meine Damen und Herren, es ist die Aufgabe der Regierung, die volle Lagesituation zu schildern. Was der Verteidigungsminister in internationalen Gremien zur Analyse der gegenwärtigen Situation ausführte, fand und findet unsere volle Zustimmung. Wir hielten es aber für gut, wenn er diese Analyse in diesem Hause und besonders in der deutschen Öffentlichkeit stärker verdeutlichte. Es wäre auch gut, wenn er davon Abstand nähme, den Eindruck zu erwecken, als ob die Militärfachleute - die Generale, wie er sagte - die Sicherheitslage zu schwarz malten. Ich möchte hier noch einmal allen Politikern in der WEU dafür danken, daß sie einmütig und mit großem Ernst - wie auch die Generale aus ihrer Verantwortung heraus - eine ungeschminkte Analyse unserer Sicherheitslage vorgenommen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, Herr Kollege Schlaga!
Herr Klepsch, haben Sie denn wenigstens einen heißen Draht zur FAZ und inzwischen erfahren, welches dieses ominöse Land, das in diesem Artikel zitiert ist und von dem Sie sprachen, ist und wer darüber hinaus der NATO-Offizier sein soll, der dort ebenfalls genannt ist?
Herr Kollege Schlaga, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, daß es sich nicht um irgendeinen Offizier handelt, sondern, wenn ich Herrn Gillessen Glauben schenken kann, um den NATO-Botschafter eines Landes.
({0})
- Es ist nicht meine Aufgabe, die Quellen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nachzuprüfen.
({1})
Das machen Sie in der Regel. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei. Bisher habe ich in dieser Sache aber noch nichts Gegenteiliges gehört.
Meine Damen und Herren, was ist denn nun aber die Sorge der Opposition in diesem Zusammenhang? Es geht uns darum, die Aufrechterhaltung der inneren Bereitschaft zur Verteidigung in Armee und Volk zu gewährleisten, die Bedrohung deutlich zu machen und der deutschen Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Verteidigungslasten zu erklären. Was dies angeht, so muß ich freimütig bekennen, daß das dauernde Gerede darüber, daß sich die Armee in Frage stellen lassen muß, nicht dazu beiträgt, diese Aufgaben zu erfüllen.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pawelczyk?
Sofort, nach dem nächsten Satz.
Diese Diskussion trägt weder dazu bei, den Realitäten der gegenwärtigen Verteidigungslage Rechnung zu tragen, noch ist sie geeignet, die Effektivität und Attraktivität der Bundeswehr zu erhöhen.
({0})
Herr Klepsch, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das Weißbuch 1970 der erste überzeugende und umfassende Beitrag für die deutsche Öffentlichkeit war, sich realistisch mit den Problemen, die Sie angesprochen haben, auseinanderzusetzen?
Herr Kollege Pawelczyk, dieser Meinung bin ich nun wirklich nicht. In dem Weißbuch 1970 wurden der Öffentlichkeit erstmals Daten für ein weiteres Feld vorgelegt. Aber gerade Ihnen als ehemaligem Angehörigen der
Bundeswehr müßten ja die Vorgänger dieses Weißbuches bekannt sein, die sich ausschließlich mit dem Fragenkreis der internationalen außen- und verteidigungspolitischen Situation beschäftigten.
Meine Damen und Herren, auch solche Äußerungen wie die des sozialdemokratischen hessischen Kultusministers von Friedeburg, daß sich die Frage stelle, ob man den Verteidigungshaushalt nicht auf dem gegenwärtigen Stand einfrieren solle,
({0})
sind schwer verständlich und der Sache abträglich.
Zum anderen sehen wir die Gefahr, daß durch den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg, den Verteidigungshaushalt immer weiter umzuschichten, d. h. die Ausgaben für das Personal auf Kosten der Aufwendungen für eine moderne Ausrüstung zu verstärken, das für das Gleichgewicht erforderliche Minimum unterschritten wird.
Wir stimmen den Bemühungen von Minister Schmidt und der NATO um ein Zusatzprogramm zur Verstärkung der Allianz durchaus zu und hoffen, daß es dazu beitragen wird, den Abschreckungswert zu erhöhen.
Die CDU/CSU lehnt den Einzelplan 14 nicht ab; denn sie ist der Auffassung, daß die Verteidigung der Grund- und Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland eine Aufgabe ist, die unverändert die Anstrengung der Nation erfordert. Wir sind daher auch der Meinung, daß der Einzelplan 14 ein unentbehrlicher Bestandteil dieses Haushalts ist. Wir stimmen der Höhe des Einzelplans 14 in vollem Umfang zu und werfen nur die Frage auf, oh das Volumen auch voll ausreicht. Jedenfalls ist es unser Bemühen, die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen. Anstrengungen dürfen hierbei nicht gescheut werden.
({1})
Die CDU/CSU kann aber auch nicht mit Ja stimmen,
({2})
sondern sieht sich zur Stimmenthaltung gezwungen.
({3})
-- Hören Sie uns erst einmal an! Dann können Sie sich ja äußern, Herr Kollege Würtz.
Nach unserer Auffassung sind in diesem Etat auf den Gebieten der Beschaffung, der Betriebskosten, der Materialerhaltung und der militärischen infrastruktur ungedeckte Kostenrisiken enthalten, die die auch von uns begrüßte Verstärkung auf dem personellen Sektor aufheben, so daß der Haushalt im Endergebnis keine Verstärkung der Verteidigungskraft mit sich bringt.
Diese gefährliche Entwicklung der unzureichenden Dotierung bedeutender Sachgebiete setzt sich, wie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU betreffend Finanzplan und Verteidigungshaushalt für die Jahre 1971/72 klar ausweist, in den folgenden Jahren der Finanzplanung progressiv fort. Nicht nur, daß die SteigeDr. Klepsch
rungsraten auf den genannten Gebieten rückläufig sind, nein, sie sinken sogar unter die tatsächlichen Preissteigerungsraten ab.
Das ist u. a. darauf zurückzuführen, daß die Bundesregierung nicht vorgesehen hat, die zur Erhaltung der Verteidigungskraft notwendigen zusätzlichen Mittel aufzubringen, und daß sie die sogenannten Weißbuch-Maßnahmen auf den Gebieten der Fürsorge und Betreuung durch Umschichtung zu Lasten der Materialausgaben finanziert.
Die Bundesregierung berücksichtigt ferner die mit der zunehmenden Technisierung einhergehende Kostenexplosion nur in unzureichendem Maße. Durch diese Kostenexplosion wird der tatsächliche Kaufwert der zur Verfügung stehenden Mittel in bedrohlicher Weise herabgesetzt.
({4})
Damit reichen die im Jahre 1971 und in den folgenden Jahren vorgesehenen Mittel bei weitem nicht aus, um die von der Bundesregierung geplanten Beschaffungsvorhaben, vor allem die Infrastrukturmaßnahmen, zu finanzieren, so daß die Bundesregierung die von ihr selbst gesteckten Ziele nicht erreichen kann.
Wie der Herr Bundesverteidigungsminister dieses Problem zu meistern gedenkt, hat er in keinem seiner vielen Interviews und sonstigen Veröffentlichungen, soweit ich sehe, angedeutet. Diese Probleme können aber auch nicht länger verschwiegen werden. Oder muß er vielleicht diese Probleme verschweigen, weil er aus verständlichen innerparteilichen Gründen eine effektive Erhöhung der Verteidigungsausgaben nicht vorschlagen darf?
({5})
Er gefiel sich bisher immer in der Behauptung, daß er keine Mark mehr ausgeben könne, selbst wenn er es wollte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich.
Herr Dr. Klepsch, sind Sie so liebenswürdig, mir darüber Auskunft zu geben, wo und mit welchen konkreten Zahlen Sie eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts gefordert haben?
Herr Kollege Buchstaller, ich werde auf diese Frage noch eingehen.
({0})
Der Verteidigungsminister sagt, er habe keine entscheidungsreifen Vorhaben von seinen Vorgängern vorgefunden. Aber ist das richtig? Er hat zunächst wiederholt erklärt, daß er von seinem Vorgänger bei seiner Amtsübernahme keinerlei entscheidungsfertige Bauprojekte, auch keinerlei Beschaffungsprojekte vorgefunden habe. So habe er nicht gewußt, was er mit 1 Milliarde DM mehr in diesem oder im nächsten Jahr anders hätte anfangen sollen, als sie zurückzugeben.
Aber schon am 8. Oktober 1970 hat er eine lange Liste von Entscheidungen aufgezählt, die ihm offensichtlich vorgelegen haben muß. Er hat dann hinzugefügt, daß er weitere Entscheidungen bisher nicht habe treffen können, weil es keine weiteren entscheidungsreifen Vorlagen aus der Vergangenheit gegeben habe. Aber auch das trifft nicht zu. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf das Großprojekt der zweiten Kfz-Generation, das in diesen Tagen entschieden wurde und das, was den Zustand der Entscheidungsreife anbelangt, sich bei der Amtsübernahme von Herrn Schmidt im wesentlichen im gleichen entscheidungsreifen Zustand befand.
Bedauerlich bleibt auch die Empfindlichkeit gegen kritische Beiträge, wie den ernsten Hinweis des Kollegen Zimmermann, der auf eine im bisherigen Rüstungshaushalt bestehende, von Fachleuten errechnete Lücke von 5 Milliarden DM hinwies. Herr Schmidt bezeichnete diese Auffassung in einem Interview als ich zitiere - „an der Grenze zum groben Unfug" und sagte an anderer Stelle schlicht, die Aussage treffe nicht zu. Im Ausschuß haben dann später in Anwesenheit von Herrn Minister Schmidt die Fachleute wiederholt eingeräumt - ich zitiere -:
. . . auf der Grundlage der Anpassung der Rüstungsfragen an die veränderte finanzielle Situation, die durch die notwendigen Maßnahmen, die im Weißbuch ausgedrückt sind, entstanden ist, im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung ein Betrag von insgesamt von 5 Milliarden DM zugrunde gelegt wurde.
Das heißt auf deutsch, daß Rüstungsvorhaben in Höhe von 5 Milliarden DM gefallen sind. Es geht uns dabei nicht um kleinliche Rechthaberei, sondern um den Stil der Auseinandersetzung. Denn in der politischen Auseinandersetzung ist es Aufgabe, Recht und Pflicht des Parlaments, und insbesondere der Opposition, die von der Regierung betriebene Politik kritisch zu würdigen, und zwar wo, wann, wie sie es immer für richtig hält.
({1})
Dabei steht dem Minister nicht eine übergeordnete Zensorenrolle zu.
Was wir weiter bedauern, ist, daß der Minister bei kritischen Äußerungen häufig nicht auf die Sachargumente eingeht, sondern unzutreffende Pappkameradenbehauptungen aufstellt. So etwa, wenn der Minister vor dem Parlament behauptet, daß der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion die Bundeswehr dauernd durch den Dreck ziehe. Das war die ordinäre Ausfertigung seiner Formulierung, Er hat sie dann im geschriebenen Protokoll berichtigt
({2})
und sich auf die saloppe Äußerung, daß der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion die Bundeswehr dauernd durch den Kakao ziehe, zurückgezogen. Oder wenn er behauptet, daß der Kollege Marx oder ich behaupteten, er - Schmidt - verkaufe Deutschlands Sicherheit. Das haben weder mein Kollege Marx noch ich gesagt. Das wäre - das erkläre ich
freimütig - sachlich auch unbegründet. Ich bestätige ihm gern, daß er sich mit großem Einsatz um die schweren Probelme der Bundeswehr mit breiter öffentlicher Resonanz müht. Wenn er die abträglichen Formulierungen, die er für Herrn Acheson fand, allerdings mit Saloppheit entschuldigt, so entspricht das seinem Stil. Aber wer sich so äußert, sollte nicht so kritikempfindlich sein.
({3})
Es mußte zu harten Kontroversen kommen über das, was im allgemeinen Sprachgebrauch, auch von uns, mit Politisierung der Bundeswehr im Sinne einer propagandistisch einseitigen Beeinflussung bezeichnet wird und was sich vor allem in einer einseitigen Informationspolitik niederschlägt. Im Zusammenhang mit einer Frage des Kollegen Haase ({4}) über merkwürdige Methoden der Einladung zu Versammlungen der SPD hat Staatssekretär Berkhan ausdrücklich auf den § 15 des Soldatengesetzes hingewiesen. Dieser lautet - wir sollten ihn uns alle vor Augen halten -:
({5}) Im Dienst darf sich der Soldat nicht zugunsten oder zu Ungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen. Das Recht des Soldaten, im Gespräch mit Kameraden seine eigene Meinung zu äußern, bleibt unberührt.
({6}) Innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen findet während der Freizeit das Recht der freien Meinungsäußerung seine Schranken an den Grundregeln der Kameradschaft. Der Soldat hat sich so zu verhalten, daß die Gemeinsamkeit des Dienstes nicht ernstlich gestört wird. Der Soldat darf insbesondere nicht als Werber für eine politische Gruppe wirken, indem er Ansprachen hält, Schriften verteilt oder als Vertreter einer politischen Organisation arbeitet. Die gegenseitige Achtung darf nicht gefährdet werden.
({7}) Der Soldat darf bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen.
({8}) Ein Soldat darf als Vorgesetzter seine Untergebenen nicht für oder gegen eine politische Meinung beeinflussen.
So weit der § 15. Wenn wir auch mit dem Herrn Verteidigungsminister in der Analyse der Sicherheitslage und dem Bestreben um Verbesserung der Verteidigungskraft in vielen Punkten einig sind, so erfüllen uns doch eine Reihe von Ereignissen mit ernster Sorge und fordern unseren Widerspruch heraus. Wir haben Anlaß zu der Befürchtung, daß die Armee in zunehmendem Maße einseitig unterrichtet wird.
({9})
Am 25. Mai 1970 hat der Verteidigungsminister über AIG-Fernschreiben zum „Tag der Deutschen Einheit" angeordnet, daß den Soldaten ein Überblick über die Geschehnisse des 17. Juni 1953 sowie der Deutschlandpolitik der Bundesregierung zu geben sei. Unter Hinweis auf diesen Befehl wurde mit Fernschreiben des Generalinspekteurs angeordnet,
daß als Unterrichtsmaterial die am 13. Juni in den „Mitteilungen für den Soldaten" enthaltene Aufzeichnung des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen verwendet werden sollte.
({10})
Diese Aufzeichnung berücksichtigt nicht die Haltung der Opposition.
Ich stellte zu diesem Sachverhalt eine mündliche Frage. Die mir am 2. Juli 1970 gegebene Antwort „Den Unterrichtenden stand es frei, sich auch anderer Quellen wie z. B. der Tagespresse zu bedienen, die in ausführlichen Berichten über die Deutschland-Debatte des Deutschen Bundestages die Auffassung aller Parteien zum Ausdruck brachte" befriedigte nicht. Denn es war ja ganz klar, daß es sich um eine einseitige Maßnahme handelte.
Aber ich will Ihnen gern weitere Beispiele nennen. Am 19. November 1970 wurden in den „Mitteilungen für den Soldaten" unter der Überschrift „Historische Flurbereinigung - Aussöhnung mit Polen Anfang, unseren Frieden zu machen" die Warschauer Verhandlungen kommentiert. Abgesehen davon, daß auch in diesem Beitrag die Haltung der Opposition nicht berücksichtigt wurde, wurden auch aus der Presse nur zustimmende Kommentare zitiert.
Am 26. November 1970 stand in den „Mitteilungen für den Soldaten" zu lesen: „Nach den Landtagswahlen Bonner Politik gesichert.
({11})
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern sicherten der Bundesregierung weitere Handlungsfreiheit hinsichtlich der Aussöhnung mit den osteuropäischen Staaten."
({12})
Die in diesem Zusammenhang zitierten Pressekommentare stimmten zusammen mit dem auch zitierten Ostberliner ADN-Kommentar in einer kritiklosen Bejahung der Haltung der Bundesregierung überein. Auch in diesem Beitrag war die Haltung der anderen Hälfte der Mitglieder dieses Hohen Hauses mit keinem Wort erwähnt.
In den „Mitteilungen für den Soldaten" vom 10. Dezember 1970 ist unter der Überschrift „Problem 1970" dargetan, daß im Jahr 1970 die gegenwärtige Regierung im Vergleich zu den Regierungen in den vergangenen Jahren die Ziele des Stabilitätsgesetzes optimal erreicht habe.
({13})
Nur: Das Ziel der Preisstabilität war im Jahre 1970 nicht erreicht worden.
({14})
Diese rein statistische Interpretation unterläßt bewußt die Gewichtung der Ziele des Stabilitätsgesetzes. Eine Verletzung der Preisstabilität muß zur Verletzung aller übrigen Ziele des StabilitätsgesetDr. Klepsch
zes führen. Darin sind sich alle Sachverständigen, auch der Sachverständigenrat und die Bundesbank einig. Aber auch hier wird bewußt die Meinung der Opposition unterschlagen.
({15})
Wie aufmerksam unsere Soldaten diese Schlagzeilen der „Mitteilungen für den Soldaten", die der Kollege Pawelczyk nicht sieht, registrierten, läßt sich aus den Nummern vom 2. Dezember 1970 und 21. Januar 1971 entnehmen, in denen Soldaten gegen die einseitige Information und unrichtige Wiedergabe von Tatsachen protestieren. Bezeichnend war auch die Auseinandersetzung im Falle eines Obersten, dessen Maßregelung wegen seiner klaren und informativen Darstellung der Bedrohung von den Augsburger Jungsozialisten in einem veröffentlichten Briefwechsel gefordert wurde und der deshalb eine Belehrung erhielt, wie der Parlamentarische Staatssekretär Berkhan hier bestätigen mußte. Als wir das einer kritischen Würdigung unterzogen, erklärte Minister Schmidt angesichts dieses parlamentsbekannten Sachverhalts in einem Interview mit der „Welt", ihm sei kein solcher Fall bekannt.
({16})
Obwohl wir nie von einer Parteipolitisierung der Bundeswehr gesprochen haben, hat Minister Schmidt selbst im Sozialdemokratischen Pressedienst vom 3. Dezember 1970 geäußert:
Wenn es aber hie und da einige Heißsporne gibt, die glauben, man sollte in 12 Monaten alle Generale, die rechts von der Mitte stehen, in den Ruhestand schicken und dafür Sozialdemokraten zu Generalen machen, dann ist das im Ernst keine Diskussionsbasis.
({17})
- Hören Sie weiter zu, Kollege Haase, was jetzt kommt! Man muß sehen, daß eine moderne Personalpolitik, die sich auf die moderne Gesellschaft richtet, ein langer Prozeß ist. Der befindet sich aber auf gutem Wege.
({18})
Eine Regierungsperiode von vier Jahren ist dafür ein relativ kurzer Zeitraum. Aber allein schon wegen der historischen Aufgabe, einmal in der preußisch-deutschen Verfassungsgeschichte zu zeigen, daß eine deutsche Armee ihren gesellschaftlichen und militärischen Wert verbessert,
- hören Sie gut zu, Herr Kollege Haase!
indem sie sozialdemokratische Befehle befolgt, allein schon deswegen muß die Regierung Brandt/Scheel auch die letzten drei Jahre erfolgreich regieren.
({19})
Noch deutlicher äußert sich der Kollege Pawelczyk im Sozialdemokratischen Pressedienst vom 20. Januar 1971. Er erklärte:
Ich halte es aber für unumgänglich, daß in Zukunft bei personeller Veränderung Männer für bestimmte Positionen berücksichtigt werden, die von der Richtigkeit sozialdemokratischer Verteidigungspolitik überzeugt sind.
({20})
Politisch andersdenkende Staatsdiener, auch Soldaten, können erwarten, daß sie nicht in Ämter berufen werden, die sie in Konflikt zu ihrer eigenen Überzeugung bringen.
Soweit der Kollege Pawelczyk.
Es ist notwendig, daß diese Vorhaben und Ansichten, hier vom Bundestag und in der Öffentlichkeit besprochen, einen Riegel vorgeschoben erhalten.
({21})
Wir werden nicht müde werden, uns gegen diese Entwicklung mit aller Kraft zur Wehr zu setzen.
({22})
Denn wir halten es nach wie vor mit Fritz Erler, der gesagt hat:
Die Armee darf unter gar keinen Umständen so etwas Ähnliches wie das Eigentum der Regierung oder Regierungsparteien oder gar einer einzigen Regierungspartei werden.
({23})
- Eine Maxime, Kollege Haase, die seit Gründung der Bundeswehr Gültigkeit für uns alle hatte.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu den Bilderbüchern Helmut Schmidts „Report 70" und „Der Verteidigungsminister Helmut Schmidt - Die Zukunft, die ich meine" sagen. Diese im Abstand von knapp zwei Monaten produzierten Schriften wurden vom Bundesverteidigungsministerium hergestellt. Hier ist erstmals in der Geschichte der Bundeswehr der Versuch unternommen worden, in großangelegtem Stil ohne Rücksichtnahme auf die Kosten die Person Helmut Schmidts in einer Weise herauszustellen, die einen unerträglichen Personenkult befürchten läßt.
({24})
Mein Kollege Haase hat Ihnen durch eine kleine Darbietung des Inhalts dieser Schritten gestern bereits einen Eindruck verschafft. Ich kann es mir ersparen.
Ich bedauere auch, daß die bewährte Mitwirkung der Berufsverbände bei berufs- und statusrechtlichen Fragen zugunsten von der Leitung besonders bevorzugter Organisationen eingeschränkt wurde, angesichts der Struktur unserer Gesellschaft eine gefährliche Entwicklung. Auch die gewachsenen Spannungen zum Personalrat lassen sich nicht retuschieren.
Bereits in der Debatte über das Weißbuch 1970 am 2. Juni 1970 habe ich die zahlreichen Vorschläge, die darin zur inneren Konsolidierung der Bundeswehr gemacht wurden, begrüßt. Wir sahen und sehen darin die konsequente Fortführung der zahlreichen unter Minister Schröder vom 5. Deutschen Bundestag beratenen und verabschiedeten Gesetzesnovellierungen. Nicht weniger als 55 Gesetzesmaßnahmen sind damals ebenso einmütig, wie das bei diesem Fragenkomplex in der Verabschiedung auch heute noch der Fall ist, angenommen worden. Ich erinnere hier nur an das Eingliederungsgesetz, die zweite Novelle zum Unterhaltssicherungsgesetz, die zahlreichen Novellierungen zum Soldatengesetz - z. B. die Einführung der Strahlflugzeugführerlaufbahn - und an die Wehrsoldgesetzesnovellierungen. Die CDU/CSU-Fraktion hat in Fortführung dieser Politik zahlreiche Gesetzesinitiativen auch in diesem Bundestag im Herbst 1969 und im Frühjahr 1970 eingebracht. So hat sie die Initiative für das Weihnachtsgeld für Wehrpflichtige ergriffen. Zahlreiche ihrer Vorschläge sind im wesentlichen inhaltsgleich mit späteren sogenannten Weißbuchmaßnahmen. Was von letzteren im Ausschuß oder Plenum in Form eines Gesetzentwurfs zur Entscheidung kam, wurde von uns voll mitgetragen. Allerdings ist es bedauerlich, wenn die Verabschiedung von ihr eingebrachter Vorlagen mit Geschäftsordnungstricks verschleppt oder unter Verweis auf größere Regelungen im Verfolg des Weißbuches sogar abgelehnt wurden. Ich verweise nur auf die Einführung eines Prozentanteiles für Hauptfeldwebel in A 9, die bei Stimmengleichheit im Ausschuß verworfen wurde, während wir jetzt vielleicht im Gefolge des ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Harmonisierung des Besoldungsrechts mit Sicherheit keine bessere, aber eine um ein Jahr verzögerte entsprechende Regelung bekommen - nicht zum Vorteil der Betroffenen.
Wir haben die Gesetzentwürfe auf der Grundlage des Weißbuches auch dann mitgetragen, wenn wir uns wie beim Weihnachtsgeld eine bessere und gerechtere Lösung gewünscht hätten.
Wenn wir auch die spektakuläre Reformhektik nicht ohne jede Sorge betrachten, so erkennen wir doch gern die erzielten Fortschritte an. Allerdings muß bei aller Würdigung der zahlenmäßigen Bilanz auch die sehr unterschiedliche Gewichtung der in der Durchführung befindlichen Maßnahmen gesehen werden; denn die meisten der wirklich gewichtigen Vorhaben stehen noch aus. Die Erfolgsbilanz ist aufgefüllt mit Entscheidungen wie Umbenennung der Lazarette in Bundeswehrkrankenhäuser, Einführung der Barette, Übernahme von Saunabetriebskosten durch den Bund, Umbenennung des Truppenamtes in Heeresamt, Bau eines Boarding-Hauses in Bonn oder modischer Ausgehanzug. Auch nur in Kraft gesetzte, aber schon früher entschiedene Maßnahmen wie die Einführung der Laufbahn für Sanitätsoffiziersanwärter, die bereits durch eine Entscheidung im 5. Deutschen Bundestag präjudiziert war und die von Minister Schröder in Ausführung dieses Beschlusses in die Wege geleitet wurde, zieren die Erfolgsbilanz. Wir verkennen nicht die sehr unterschiedliche Gewichtung.
Die Verwendung des Begriffes Sofortmaßnahmen sollte auch von der geübten Hektik befreit werden. Wenn etwa die Leitung des Hauses im Juni davon sprach, ...
Präsident von Hassel: Herr Kollege, ich darf Sie bitten, zum Abschluß zu kommen. Ihre Zeit ist bereits um eine Minute überschritten. Finden Sie bitte einen schnellen Abschluß.
... daß der Bundestag im Herbst bei Rückkehr die zugehörigen Gesetzestexte in den Fächern finden würde, in denen dann nicht ein einziger zu finden war, so sahen wir das von Anfang an als publizistisch attraktive, aber unrealistische, allerdings viele unerfüllte Erwartungen weckende Erklärung an. Auch die 9000 Weißbuchstellen haben nur unter nachdrücklicher und unentbehrlicher Mitwirkung der Opposition durch das Parlament im Jahre 1970 noch das Licht der Welt erblickt.
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Wir haben dabei klargestellt, daß die Verwendung nun wirklich im vorgesehenen Sinne vorgenommen wird.
Präsident von Hassel: Herr Kollege, ich muß Sie bitten, mit einem Satz zum Abschluß zu kommen. Die Zeit, die angemeldet wurde, haben Sie überschritten.
Jawohl.
Die CDU/CSU wird jede Gelegenheit wahrnehmen, die Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren. Sie wird aber die Regierung in dem Bestreben um Verstärkung der Verteidigungskraft jederzeit unterstützen. Wir werden dann fortfahren, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um zum weiteren Ausbau unserer Bundeswehr entsprechend den sicherheitspolitischen Gegebenheiten und den Erfordernissen einer sich entwickelnden Leistungsgesellschaft beizutragen. Denn das Instrument Bundeswehr ist in hervorragender Weise eines, das für unsere ganze Gesellschaft steht und zu dem deshalb diese Gesellschaft stehen muß.
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bußmann. Die SPD-Fraktion hat 30 Minuten Redezeit angemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Klepsch, was für die Weißbuchmaßnahmen zutrifft, trifft auch etwas auf Ihre Rede zu: sie war von unterschiedlicher Qualität. Ich frage mich immer, warum Sie es nicht lassen,
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sich in Kleinigkeiten an diesem Verteidigungsminister zu reiben und irgendwelchen Zitatenschatz aus
Großmutters Kiste hervorzuholen, von dem Sie doch
genau wissen, daß er in der Truppe ohnehin nicht ankommt.
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Die Truppe ist im Gegenteil mit dieser Art Ihrer
Kritik durchaus unzufrieden; sie versteht sie nicht.
Wenn z. B. hier in kleinlicher Weise die Personalpolitik angegriffen wird
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- Moment, darf ich das eben zu Ende führen -, hat das natürlich den Erfolg und die Resonanz, daß sich viele, die auf Grund ihrer Lebenserfahrung, meinetwegen auch ihres jugendlichen Alters, und auf Grund ihrer Leistung in Positionen gekommen sind, einfach diskriminiert fühlen, weil man dem Minister insgesamt parteipolitisch gefärbte Personalpolitik unterstellt und weil damit ihre Beförderung gewissermaßen in Zusammenhang gebracht werden könnte.
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Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Herr Kollege Bußmann, haben Sie nicht die tiefe Sorge darüber gespürt, daß hier die Grundsätze des Berufsbeamtentums und eines parteiunabhängigen Dienens angesprochen sind, und zwar durch sehr gravierende Zitate?
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Herr Lemmrich, manche denken eben langsamer als Sie; Sie sind ja ein Schnelldenker.
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Ich darf jetzt zu der großen Sorge kommen, die der Kollege Klepsch insbesondere in bezug auf das Maß der Bedrohung geäußert hat. Dazu muß man aber doch einfach einige Zahlen auch in anderen Zusammenhängen bringen. Sie haben natürlich mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der NATO-Statistik, die Sie zitierten, die Rüstungskosten der UdSSR in den Jahren 1965 bis 1969 jährlich real um 5 bis 6 °/o gestiegen sind. Die unausweichliche Folge davon war eine erhebliche Verstärkung der Kampfkraft. Sie erklären nun, daß angesichts dieser Entwicklung die Politik, die diese Regierung auch in ihrer mittelfristigen Finanzplanung angelegt habe, auf lange Sicht gesehen dazu führen müsse, daß das militärische Gleichgewicht untergraben werde, weil einfach die finanzielle Basis angesichts der Zahlen, die Sie im weiteren Verlauf im einzelnen genannt haben, nicht ausreiche.
Wenn Sie schon die Vergleichszahlen von 1965 bis 1969 anführen, dann bringen Sie doch bitte auch die Vergleichszahlen bezüglich der Rüstungsanstrengungen, die in dieser Zeit von Regierungen unternommen worden sind, an denen Sie in jedem Fall führend und maßgeblich beteiligt waren. In der Zeit, in der Jahr für Jahr in der UdSSR ein Wachstum von 5 bis 6 °/o zu verzeichnen war, was niemand bestreiten kann, entwickelte sich der deutsche Verteidigungshaushalt wie folgt: von 18,22 Milliarden DM im Jahre 1963 auf 17,7 Milliarden DM im Jahre 1964, von 18 Milliarden DM im Jahre 1965 auf 18,2 im Jahre 1966, von 19,2 Milliarden DM im Jahre 1967 auf 17,3 Milliarden DM im Jahre 1968 und 18,8 Milliarden DM im Jahre 1969.
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In dieser Zeit gab es eine Steigerung von 18,2 auf 18,8 Milliarden DM. Damals trugen Sie zumindest durch den Bundeskanzler die politische Verantwortung, wenn auch die Sozialdemokraten während dieser Zeit immerhin drei Jahre an der Regierung beteiligt waren.
Die gleichen Sorgen, die Sie damals bei Ihren Bemühungen um den Haushalt hatten und die sich dann schließlich in den soeben genannten Zahlen niederschlugen, haben wir auch heute. Nur unterstellen Sie uns bitte nicht die böse Absicht oder den Willen, das Gleichgewicht zu untergraben. Wir sehen die gesamtpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge und versuchen, auf diesem Gebiet das Beste zu tun. Ich unterstelle auch Ihnen nicht, daß Sie damals den Verteidigungshaushalt bewußt über eine so lange Zeit haben stagnieren lassen, weil Sie die Sicherheit der Bundesrepublik und des westlichen Bündnisses untergraben wollten.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Petersen?
Bitte schön!
Herr Kollege Bußmann, wäre es nicht angesichts dieser Problematik für beide Seiten besser, wenn wir uns, statt daß diese Regierung die vorige oder umgekehrt die vorige diese beschuldigt, gemeinsam überlegten, ob nicht die Sorgen des Kollegen Klepsch in bezug auf diese Entwicklung - 5 % plus dort, 41/2 % minus bei uns - begründet sind und ob wir nicht gegebenenfalls gemeinsam entsprechende Beschlüsse fassen sollten?
Herr Kollege Petersen, das ist ein sehr sinnvoller Vorschlag. Allerdings muß man dann von einem abgehen, nämlich davon, die Diskussionsgrundlage - so nenne ich jetzt einmal die Planung für die nächsten vier Jahre -, die dann Gegenstand der Beratungen ist, von vornherein als
eine solche zu verdächtigen, die Vorleistungen erbringen will und die tendenziell darauf hinausläuft, dieses Bündnis zu schwächen.
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- Ja, aber wir haben in den letzten Tagen doch sehr häufig über die Untertöne gesprochen, die auch mitschwingen können. Untertöne sind zwar protokollarisch nicht zu erfassen. Aber Sie wissen, wie dann die Wirkung in der Öffentlichkeit draußen ist.
Aber ich will, weil wir gerade über Zahlen sprechen, auch noch einige andere Dinge nennen, die ich jetzt ebenfalls nicht in böser Absicht nenne, die Sie sich aber einfach ins Stammbuch schreiben lassen müssen. Von diesen relativ geringen Summen der Jahre 1965 bis 1969 sind ja auch nicht unbeträchtliche Beträge in nicht sehr sinnvoller Weise verwandt worden. Die Leidensgeschichte von Fehlplanungen in der Bundeswehr, von nicht weitergeführten Entwicklungen, von überproportionalen Kostensteigerungen, die zur Aufgabe von Projekten führten, muß wohl noch geschrieben werden. Wenn dann unter dem Strich herauskommt, wieviel verschwendet worden ist - Herr Kollege Wienand hat einmal von der großen Verschwendung gesprochen -, wird das auf der Minusbilanz nicht der Sozialdemokratischen Partei oder der Freien Demokraten erscheinen.
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Ich will das auch an einigen Projekten, die uns jetzt in den Ausschüssen noch beschäftigen, durchaus erläutern. Was haben wir an Millionen in dreistelliger Zahl - runde 400 Millionen für eine Entwicklung ausgegeben, die sich „Panzer 70" nannte, die wir dann sang- und klanglos aufgaben, weil diese Entwicklung weder militärisch zu vertreten war, solange die Struktur unserer Streitkräfte so ist, wie sie ist, noch kostenmäßig, unterhaltsmäßig und personalmäßig in bezug auf Ausbildung zu verkraften war! Man hat keine Zwischenanalysen gemacht, man konnte nicht vorher den jeweils neuesten gültigen Stand errechnen, - nein, hier mußte erst der Verteidigungsminister kommen, der nun einmal da ist, der die erste Bilanz aufmachte, wo dann unter dem Strich als Verluste diese 400 Millionen DM erschienen. Das gleiche können Sie natürlich für ein Projekt wie den Fla-Panzer sagen; ganz interessante Millionen, die da zusammengekommen sind. Das gleiche können Sie für eine Fehlplanung sagen, die länger zurückliegt, die uns aber jetzt noch Jahr für Jahr mit Ansätzen in den Haushalten beschäftigt, die Planung Transall. Sie wissen, mehr als 24 Millionen DM pro Maschine mal 50 macht insgesamt eine gute Milliarde D-Mark aus.
Hier sind einfach Minusbilanzen, die Sie zu verantworten haben. Wenn von Ihnen hier jemand vorrechnet, daß mangels Masse und finanzieller Beweglichkeit von dieser Seite des Hauses her die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird, ist diese Liste aufzumachen, und dann ist aufzurechnen, wer hier vor dem deutschen Volk und dem deutschen Steuerzahler für diese ganz große Verschwendung geradezustehen hat.
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Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Damm?
Herr Kollege Bußmann, wollen Sie mit Ihren Ausführungen zu diesen Entwicklungsprojekten sagen, daß die Sozialdemokraten im Laufe der Jahre, als diese Projekte begannen, finanziert und durchgeführt wurden, heftig dagegen protestiert haben, um sie zu verhindern, oder wollten Sie unerörtert lassen, daß Sie in Wirklichkeit diesen Projekten in diesen Jahren zugestimmt hatten?
Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Damm. Erstens trägt grundsätzlich in erster Linie die politische Leitung und die Regierung die Verantwortung. Aber damit will ich mich vor der Frage nicht drücken.
Zweitens ist es so, daß eine verantwortungsbewußte politische Leitung das tut, was etwa jetzt bei einem Großprojekt der Bundeswehr geschieht und geschehen ist, daß man in den Ablauf der Planungen die sogenannten Points of return einbaut, die uns die Möglichkeit geben, jeweils zu überprüfen, zurückzugehen, unsere Entscheidungen unter Minimalisierung von Verlusten zur Not zu korrigieren. Das ist doch in der Vergangenheit nicht geschehen, und das ist doch die Tatsache, vor der wir heute stehen und die Sie eines Tages auf Heller und Pfennig vorgerechnet bekommen.
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Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Damm?
Bitte sehr!
Herr Bußmann, nachdem Sie indirekt zugegeben haben, daß auch Ihre Freunde bei diesen Projekten nicht nein, sondern ja gesagt haben, darf ich Sie fragen: Könnte es nicht der von uns ja gemeinsam geteilten Kritik an einer Reihe von Entwicklungen der vergangenen Jahre für die Zukunft dienen, wenn wir uns auch über eines einig sind, daß man von vornherein damit rechnen muß, daß eine in Angriff genommene Entwicklung eben nicht zur Serienreife führt, eben nicht dazu führt, daß sie eines Tages in die Bundeswehr eingeführt wird, so daß der Hinweis darauf, beim Panzer 70 seien 400 Millionen DM vertan worden, insoweit unkorrekt ist, als man ja erst einmal prüfen mußte, was denn an einem solchen Plan wohl dran sein könnte?
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Sehr richtig, ich kann Ihnen uneingeschränkt zustimmen, Herr Damm. Nur haben Sie damit ein zweites Problem angepackt. Das zweite Problem ist, daß wir das, was wir damit erstreben, erst erreichen werden, wenn wir eine konsequente Durchforstung und Reorganisation des Rüstungs-, des Forschungs- und des Entwicklungsbereiches erreichen, wodurch das organisatorisch sichergestellt wird. Das ist genau das, was auch jetzt zum ersten Mal in einer großen Bestandsaufnahme endlich mit einem Kommissionsvorschlag gemacht worden ist, eine große Reorganisation, um endlich sinnvolle Planung, sinnvolle Verwendung von Mitteln und von vornherein einen Prozeß ständiger Erfolgskontrolle und Überprüfung sicherzustellen. Das war leider bis heute nicht, und das hat leider bis heute dazu geführt, daß wir häufig vor der negativen Bilanz stehen, vor der wir uns nun einmal heute befinden.
Es ist ja nicht nur als Beweis, als Beleg dafür anzuführen, was ich soeben hinsichtlich der Panzer gesagt habe. Nehmen Sie doch die anderen Dinge, vor denen der Minister stand. Herr Klepsch hat gesagt, es hätten kaum beschaffungsreife Vorhaben vorgelegen. Soweit es sich um Großprojekte handelt, lagen natürlich einige beschaffungsreife Großprojekte vor, aber Sie wissen doch, mit welchen Risiken und mit welchen Kostenprogressionen das verbunden war.
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Wir haben ja offen nie darüber diskutiert. Denken Sie einmal an die Fregatte 121, die mit 196 Millionen DM veranschlagt wurde und die schließlich in der Grobberechnung auf rund 400 Millionen DM kam. Natürlich stand der Minister in dieser Situation nicht nur vor der Notwendigkeit der Überprüfung, sondern auch der Streichung zugunsten einer Umkonzipierung in einer ganz anderen Planung für die Bundesmarine.
Oder nehmen Sie das andere Beispiel, die Flugkörperschnellboote, uns bekannt unter 143. Als ich noch nicht im Ausschuß war, wurden diese Flugkörperschnellboote mit einer Summe von 27 Millionen DM bewilligt. Die letzte Berechnung war ohne Mehrwertsteuer 78 Millionen DM, die grob vorausgeschätzte Summe rund 90 Millionen DM. Das war kein Ergebnis von Planung, Kostenrechnung und vernünftig angewandter Technik, das war das Ergebnis von organisatorischem Chaos und organisatorischem Wildwuchs. Jetzt hat die neue politische Leitung die Aufgabe, dieses organisatorische Chaos und diesen organisatorischen Wildwuchs zu beseitigen, damit wir zu einer sinnvollen Mittelverwendung kommen.
Herr Kollege Klepsch, sicherlich wird eines Tages
es wird sehr lange dauern - von Volkswirten die Berechnung aufgemacht werden, wieviel in dieser Periode, nämlich nach Durchrationalisierung des Betriebes, den wir von Ihnen unrationell übernommen haben, effektiver verwandt worden ist und inwieweit damit echte Einsparungen erzielt wurden.
Aber die Erbschaft, die wir übernommen haben, beschränkt sich nicht darauf. Wir werden in den nächsten Jahren - davon haben Sie nicht gesprochen - vor einer deprimierenden Tatsache stehen: die Unterhaltungstitel für das Material werden überproportional ansteigen.
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Das beruht zum guten Teil, Herr Kollege Klepsch, darauf, daß entsprechend den militärischen Planungen der Zulauf der Waffensysteme nicht so durchgeführt werden konnte, wie er ursprünglich vorgesehen war. Nehmen Sie die Marine, die nun genötigt sein wird, in den nächsten Jahren 20 Schnellboote, die eigentlich bis 1975 auszusondern wären, durch zusätzliche Erhaltungsmaßnahmen wiederum auf den Stand zu bringen, daß sie weitere drei, vier oder fünf Jahre halten. Das sind nicht einfache Generalreparaturkosten. Hier kommt ein Maß an Ausgaben auf uns zu, das uns natürlich die größten Kopfzerbrechen macht, insbesondere wegen der Frage, woher wir das Geld nehmen sollen.
Herr Kollege Zimmermann, Sie haben erstmals die Zahl von 5 Milliarden DM genannt. Es ist die Zahl, die in der Rüstungsplanung in bezug auf das Material gestrichen sein soll. Die Zahl stimmt in der Größenordnung ja nicht; denn in der bekannten Sitzung, aus der Herr Klepsch leider unvollständig zitiert hat, indem er das Datum nicht angegeben hat
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- ich glaube, es war die Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 13. Juli -, ist von Generalleutnant Büchs vorgerechnet worden, wie sich die zusätzlichen finanziellen Notwendigkeiten des Weißbuches und anderer finanzieller Notwendigkeiten in Zukunft bei der Rüstungsplanung niederschlagen. Das Ergebnis war jetzt einmal ganz grob gesprochen -: Etwa 5 Milliarden DM sind zusätzlich aufzufangen, 2,5 Milliarden DM davon zugunsten der Maßnahmen des Weißbuchs, 1,2 Milliarden DM davon für die Entwicklung des Flugzeuges MRCA und 1,08 Milliarden DM davon auf Grund von Streichungen, die dieses Haus mit übergroßer Mehrheit quer durch alle Fraktionen im Haushaltsausschuß angesichts der Konjunkturlage im vorigen Sommer einstimmig vorgenommen hat, als wir die Sperren in Kürzungen verwandelten. So gliedern sich diese 5 Milliarden DM auf. Das heißt, über 1 Milliarde DM Kürzung durch den Bundestag, 1,2 Milliarden DM für MRCA; dann bleibt ein Rest von 2,5 Milliarden DM, der wirklich in dem Sinne, wie es Herr Dr. Zimmermann getan hat, zur Debatte stehen kann.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klepsch?
Herr Kollege Bußmann, ist Ihnen entgangen, daß ich nicht von einer Sitzung mit dem Datum sprach, das Sie nannten, sondern von einer Sitzung vom Dezember des Jahres 1970? - Damit ist der Sachverhalt wohl klargesellt.
Das muß ich natürlich akzeptieren. Sie wissen, daß ich als vertretendes Mitglied nicht in allen Sitzungen bin. Nichtsdestoweniger bleibt meine Tatsachenfeststellung bestehen, daß im Juli genau diese Aufrechnung, die ich Ihnen jetzt vorgetragen habe, durch Herrn Generalleutnant Büchs im Ausschuß gemacht wurde.
Im Kern Ihrer Ausführungen stand schließlich das Problem: Tut die Bundesrepublik Deutschland genug für ihre Sicherheit, und wird sie mit den Ansätzen des Verteidigungsetats auskommen, die heute in der mittelfristigen Finanzplanung festgelegt sind? Auch hier muß an einiges erinnert werden. Meine Damen und Herren der Opposition, Sie wissen sicherlich sehr genau, daß die Zahlen für 1970, 1971 und 1972 voll denen der ersten Mifrifi von 1968 entsprechen, die ja unter Ihrer nicht unmaßgeblichen Beteiligung festgelegt wurde. Geringfügige Verschiebungen ergaben sich bei der Umstellung vom Netto- auf das Bruttoprinzip. Aber das spielt nicht die entscheidende Rolle.
Für die nächsten Jahre ist im Vergleich zu dieser ersten Planung ein überproportionales Ansteigen vorgesehen. und wir wissen natürlich genauso wie jeder andere, der sich intensiv mit der Verteidigungspolitik beschäftigt, daß wir uns Gedanken darüber machen müssen, ob etwa die Vorlage der Wehrstrukturkommission, die Vorlagen, die eines Tages für die Bildungsreform da sein werden, ob die Vorlagen, die im Rüstungsbereich noch kommen werden, alle im bisherigen Rahmen zu realisieren sind, oder ab hier eine realisistischere, neuere, den Tatsachen entsprechende Fortschreibung der Mifrifi erfolgen muß. Natürlich wissen wir, daß die mittelfristige Finanzplanung den Sinn hat, von Jahr zu Jahr Anpassung an die Gegebenheiten und Neuberechnung zu sein.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stahlberg?
Herr Kollege Dr. Bußmann, würden Sie bestätigen, daß das derzeitige Bild hinsichtlich der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung so aussieht, daß der proportionale Anteil der Verteidigungslasten am Gesamthaushalt, der bis jetzt bei ungefähr 28 % und mehr lag, in der mittelfristigen Finanzplanung - vorgesehen bis 1973 - auf 18,6 % gesunken sein wird? Meinen Sie, daß man mit diesem Anteil alle Preissteigerungen und ähnliches mehr auffangen sowie die Modernität der Bewaffnung sicherstellen kann?
Herr Kollege Stahlberg, Sie haben tendenziell recht. Sie machen in Ihrer Berechnung nur zwei Fehler. Erstens: Dieses Heruntergehen ist eine Fortschreibung der Entwicklung, die schon vorher eingetreten war. 1963 hatten wir 28 %, und 1969 hatten wir bereits 23,3 % erreicht.
Den zweiten Fehler machen Sie dadurch, daß Sie in der mittelfristigen Finanzplanung eben nur den Einzelplan 14 sehen und nicht die Personalverstärkungsmittel des Einzelplans 60, die in der Zuschreibung dann zu anderen Zuwachsraten führen würden. Tendenziell kann ich Ihnen allerdings gar nicht widersprechen.
Ich habe mich bemüht, hier in einer sachlichen Weise - in dieser Haushaltsberatung, die eine Haushaltsberatung über Dinge ist, die uns quer durch alle Parteien nicht zu leichtfertiger Handlungsweise treiben sollen, sondern die uns wirklich bewegen, in ehrlicher Darstellung einer finanziellen Sachlage bezüglich der vor uns stehenden Probleme unter Darlegung dessen, was wir als Hypotheken vorgefunden haben - das zu sagen, was im gegenwärtigen Augenblick zur Lösung der Probleme beigetragen werden kann.
Wir werden im März die große Verteidigungsdebatte haben, die natürlich zum guten Teil die Funktion haben wird, über eine Bilanz zu debattieren. Dann werden wir Gelegenheit haben, nachdem die verschiedenen Kommissionen des Verteidigungsministeriums ihre Bilanzen, ihre Bestandsaufnahme abgeschlossen haben, über das zu sprechen, was in der Vergangenheit positiv war, was versäumt wurde, was an drängenden Problemen vor uns steht. Dann werden wir darüber sprechen, ob der Minister, der heute dieses Ressort führt, die richtigen Wege einschlägt oder ob gar die Opposition bessere Wege anzubieten hat.
Bisher - das ist eigentlich bedauerlich - haben sich die offiziellen Beiträge der Opposition, soweit sie durch den Sprecher abgegeben wurden, in negativer und leider kleinlicher Kritik erschöpft.
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Es war zum guten Teil so, daß die Diskussion in den Ausschüssen sehr viel sinnvoller verlief. Hier, wo die Öffentlichkeit Teilnehmer der Debatte ist, muß festgestellt werden: kleinliche Kritik, die sich ausschließlich im Negativen erschöpft, hilft uns gerade bei dem Problem Verteidigungspolitik nicht weiter, weil wir auf diesem Gebiet ungeachtet aller sonstigen Meinungsverschiedenheiten an einem Strang ziehen sollten.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Jung. Für ihn hat die FDP-Fraktion 30 Minuten Redezeit beantragt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß wir in Kürze die Möglichkeit haben, die Probleme der Sicherheit und der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland in einer größer angelegten Wehrdebatte zu diskutieren. Ich möchte mich deswegen auf einige Punkte beschränken, die mir im Zusammenhang mit der Debatte über diesen Etat wichtig zu sein scheinen.
Herr Kollege Klepsch hat zu Beginn seiner Ausführungen von „harten Tatsachen" im Zusammenhang mit der NATO-Studie AD 70 gesprochen. Ich meine, Herr Kollege Klepsch, eine knallharte Realität, die
wir allen Überlegungen voranzustellen haben, ist die, daß das atomare Potential, das auf dieser Erde verfügbar ist, groß genug ist, diesen Erdball nicht nur einmal, sondern mehrfach in die Luft zu sprengen. Gerade in den letzten Tagen ist immer wieder auch in der Debatte in diesem Hause darauf hingewiesen worden, daß die Studie von Herrn von Weizsäcker darlegt - ich möchte mich auf das Gebiet der Bundesrepublik beziehen , daß nach dem Abwurf von 200 Atombomben von je etwa 2 Megatonnen die gesamte Bundesrepublik samt der dort lebenden Bevölkerung nicht mehr existieren würde.
Diese knallharten Tatsachen haben die politischen Führer in der Welt längst erkannt. Sie haben erkannt, daß Schießen keine Alternative gegenüber dem Verhandeln ist und daß deshalb Entspannung die einzige Möglichkeit ist, den Lebensraum des Menschen zu sichern. Diese Erkenntnis haben sich die Führer sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in der Sowjetunion angeeignet. Die SALT-Gespräche, die Kontakte der Vereinigten Staaten in Warschau zu China, die Pariser Vietnam-Verhandlungen beweisen dies für die USA, ebenso wie für die Sowjetunion die SALT-Gespräche und die Gespräche und Verhandlungen mit China beweisen. Auch den Vertrag zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik muß man hier mit einbeziehen.
Wir befinden uns in der Phase der beginnenden Entspannung, wenngleich Erfolge noch nicht greifbar sind. Aber es ist festzustellen, daß jeder als Voraussetzung für eine Entspannungspolitik noch versucht, seine Position zu stärken. Auch uns ist bewußt, daß Voraussetzung für die Entspannung die militärische Deckung ist. Die Abschreckungskraft der Rüstung muß groß genug sein, um militärische Abenteuer des anderen auszuschließen und Positionsverbesserungen zu verhindern. Entspannungspolitik ist also nur vor dem Hintergrund militärischer Sicherheit denkbar. Die Konsequenzen daraus haben Verteidigungsminister Schmidt ebenso wie Außenminister Scheel als verantwortliche Ressortminister und der Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik vertritt, aufgezeigt. Die Konsequenz ist, daß nicht einseitig abgerüstet werden kann, sondern nur im Rahmen eines Sicherheitssystems für Europa, indem beide Seiten abrüsten.
Herr Klepsch, Sie haben davon gesprochen, daß auf der Seite der NATO ein bedenklicher Rückgang der Aufwendungen für die Verteidigung zu verzeichnen sei. Sie sprachen von jährlich real 41/2 %. Mit Prozentzahlen kann man alles und auch nichts beweisen. Um das zu verdeutlichen, möchte ich ganz offizielle NATO-Zahlen bekanntgeben. Danach betragen die Aufwendungen der NATO, wobei allerdings die Gesamtaufwendungen der Vereinigten Staaten einbezogen sind, für die Verteidigung 357,5 Milliarden US-Dollar. Die Aufwendungen von seiten der Warschauer Paktstaaten betrugen 167,04 Milliarden US-Dollar. Zugegeben, dies sind die offiziellen Zahlen. Wir können durchaus unterstellen, daß in den Etats der Länder des Warschauer Paktes die Ausgaben für die Rüstung nicht so klar und wahrheitsgemäß angegeben werden wie bei uns. Aber selbst wenn man die Ausgaben der östlichen Seite
verdoppelt, bleibt festzustellen, daß, wie ich es anfangs sagte, ein Gleichgewicht der Aufwendungen - bei Zugrundelegung der gleichen Rechnungseinheit betragen die Aufwendungen im Westen 357,5 Milliarden US-Dollar und im Osten, wenn wir von dem verdoppelten Betrag ausgehen, 335 Milliarden US-Dollar - vorhanden ist.
({0})
- Das sind aber immerhin harte und nackte Zahlen, die belegt sind. Mit Prozenten kann ich so eine Rechnung eben nicht aufmachen, Herr Stahlberg.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stahlberg?
Ja, natürlich!
Herr Kollege Jung, sind Sie mit uns der Meinung, daß am Ende des Jahres 1970 alle Verantwortlichen in der NATO der Auffassung waren, daß wir im freien Westen hinsichtlich des Rüstungspotentials an der untersten Grenze des Möglichen angekommen seien?
Herr Kollege Stahlberg, ich habe an den Verhandlungen der NATO-Parlamentarierkonferenz in Den Haag teilgenommen, und ich entsinne mich natürlich noch der Einwendungen des Vorsitzenden des amerikanischen Verteidigungsausschusses Mendel Rivers oder des Senators Jackson. Sie sind der Meinung, daß wir im Rahmen der NATO mehr und sie weniger zu erbringen haben. Aber ich glaube, im Laufe dieser Debatte ist schon darüber gesprochen worden, daß man diese Forderungen natürlich auch immer unter gewissen Aspekten sehen muß, nämlich unter inneramerikanischen Aspekten. Deswegen würde ich bei den Verhandlungen nüchtern bleiben und sagen - ich habe das ja vorhin auch schon betont -: wir brauchen als Voraussetzung für Entspannung und gleichgewichtige Abrüstung natürlich die militärische Rückendeckung, aber die sowohl im Osten als auch im Westen erbrachten Aufwendungen - ich habe soeben die Zahlen genannt: auf jeder Seite werden immerhin zirka 350 Milliarden US-Dollar aufgewandt - sind auf die Dauer zu hoch. Darüber sind wir uns wohl alle einig. Schließlich stehen in all diesen Ländern soziale Probleme, Probleme der Bildung und des Umweltschutzes zur Lösung an. Es muß also unser Ziel sein, im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu einer gleichgewichtigen Abrüstung zu kommen. Dieses Thema muß auch hier in einer solchen Debatte sehr deutlich angesprochen werden.
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Meine Damen und Herren, wir müssen alle zugeben, daß dieser Entspannungswille nicht überall bewiesen wird, sei es in Berlin, im Mittelmeerraum, im Indischen Ozean oder in Südostasien. Die Konsequenz für die Bundesrepublik muß aber sein, den Willen zur Entspannung durch die derzeit von dieser sozialliberalen Koalition betriebene Außenpolitik
besonders deutlich zu dokumentieren. Dieser Wille setzt, wie ich soeben schon sagte, den Willen zur Verteidigungsbereitschaft voraus. Sonst würde der Entspannungspolitik mit Sicherheit der Boden entzogen werden. Daher sind das Bekenntnis zum westlichen Bündnis und die Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsbereitschaft unabdingbare Voraussetzungen. Das Bekenntnis zur NATO, die Integration in die NATO ist in der Bundesrepublik Deutschland vollzogen. Wir sind ein anerkannter und vollwertiger Partner in diesem westlichen Bündnis. Wir denken nicht daran, dieses Bündnis schwächen zu lassen. Die Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsbereitschaft aufrechtzuerhalten ist eine permanente Aufgabe. An dieser Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsbereitschaft muß sich die Zukunft der Bundeswehr orientieren. Die Bundeswehr muß ein Instrument sein, das den Erfordernissen der siebziger und achtziger Jahre gerecht wird.
Herr Klepsch, Sie hatten vorhin von. dem Infragestellen gesprochen. Nun, Sie sind Historiker. Ich habe mich ohnehin schon gewundert, daß es in Ihrer Fraktion so sehr viele Historiker gibt. Wären Sie Philosoph, hätten Sie wahrscheinlich mehr an Spinoza gedacht. Der sagte ja auch schon: „Cogito, ergo sum". Daß heißt: das Zweifeln, das Infragestellen beweist, daß man ist.
({1})
Ich meine, so muß man das sehen. In Frage stellen bedeutet nämlich in dem Zusammenhang, sich per) manent fragen, wie man die höchste Effizienz dieser Bundeswehr erreichen kann.
({2})
- Descartes natürlich, entschuldigen Sie.
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- Na ja, ich habe das gerade so eingeflochten.
Vielen Dank für den Hinweis.
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Ich meine also, daß sich die Bundeswehr permanent fragen muß, wie sie die höchste Effizienz erreichen und den siebziger und achtziger Jahren gerecht werden kann.
Dabei gilt es natürlich auch, zu berücksichtigen, daß neue Zukunftstechnologien dieses System noch viel effektiver machen können. Man muß demzufolge auch innerhalb der Bundeswehr - und das tun wir ja schon seit geraumer Zeit - solche Technologien fördern, um der Zukunft gerecht zu werden.
Aber nicht nur im Rüstungsbereich, sondern auch in der inneren Struktur muß die Bundeswehr bereit sein. Hier gilt es, die optimale Entfaltungsmöglichkeit des Menschen, der in der Bundeswehr seinen Dienst tut, zu erreichen, um die Schlagkraft maximal zu erhalten.
({5})
- Nein. Ich habe doch soeben, Herr Kollege Rommerskichen, sehr deutlich gesagt, was damit gemeint ist. Ich glaube, daß Herr Klepsch durch diesen Begriff, den er in die Öffentlichkeit getragen hat,
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der in dem Interview im „Deutschen Monatsblatt" so sehr deutlich zum Ausdruck kommt, die Öffentlichkeit verunsichert. Herr Kollege Klepsch, so kann man das einfach nicht machen. Man kann nicht mit ein paar Schlagworten versuchen, den derzeitigen politischen Gegner, mit dem man drei Jahre lang gemeinsam Verteidigungspolitik gemacht hat, nun unter der Gürtellinie anzugreifen.
Ich darf z. B. das Infragestellen mit der Tatsache zusammenbringen, daß Sie in diesem Interview Bedenken haben gegen die Reduzierung der Kampfkraft durch die Umrüstung auf Jägerbrigaden.
({7})
Herr Kollege Klepsch, Sie tun hier so, als ob das ein Konzept der SPD wäre. Ich darf Sie daran erinnern, daß dieses Konzept noch in der Großen Koalition erarbeitet und vor uns vorgetragen wurde, die wir damals in der Opposition waren.
({8})
- Sie tun aber bier in diesem „Deutschen Monatsblatt" so, als ob das eine Sache der SPD wäre, obwohl das von der CDU unter einem CDU-Minister konzipiert wurde.
({9})
- Hier steht es wortwörtlich.
({10})
Ich meine, so kann man es einfach nicht machen.
Genauso haben Sie die Studie, die als Vorstudie der Bildungskommission um Professor Ellwein in die Diskussion kam, schon in der Öffentlichkeit abqualifiziert, dann allerdings im Ausschuß jegliche Diskussion verweigert, weil Ihnen diese Studie angeblich bis dahin noch nicht genügend lange zur Verfügung gestanden habe, als daß Sie sich überhaupt ein Bild darüber hätten machen können.
({11})
Das ist doch keine Methode. Ich meine, damit dient man nicht der Sache, und damit dient man nicht der Bundeswehr.
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Wir sollten da nüchtern sein und uns davor hüten, auf dem Gebiete der Sicherheitspolitik draußen in der Öffentlichkeit mit Emotionen zu diskutieren.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biehle?
Herr Kollege Jung, ist Ihnen nicht aus den Ausschußsitzungen, wo es sehr deutlich gesagt worden ist, bekannt, daß den meisten Mitgliedern - man möchte fast sagen: bis auf ein Mitglied - die Studie erst am Dienstag zugegangen
ist und daß man dieses Werk, das in monatelanger Arbeit entstanden ist, nicht innerhalb von zwei Tagen so verdauen kann, daß man darüber diskutieren kann? Hier handelt es sich doch um Grundsatzfragen der Bundeswehr! Wissen Sie nicht, daß lediglich unser Kollege Dr. Klepsch diese Studie über die Fraktionsführung früher bekommen hat?
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Das ist zwar richtig, Herr Kollege Biehle, nur haben Sie nicht genau hingehört. Ich habe gesagt, eine solche Methode dient nicht der Sache, wenn man zuvor dieses Blatt ist ja zuvor erschienen und ich habe schon im Ausschuß darauf hingewiesen - in der Öffentlichkeit eine Diskussion um Dinge entfacht, die dann im Ausschuß überhaupt nicht behandelt werden können, weder von ihm, noch von Ihnen. Herr Dr. Klepsch hätte ja selbst etwas dazu sagen können,
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daß diese Studie den Mitgliedern in ihrer Gesamtheit eben zu kurze Zeit zur Verfügung gestanden habe. Dann, Herr Biehle, hätte ich es für richtiger gehalten, er hätte auch vorher geschwiegen. Dann wäre es in Ordnung gewesen. Aber so, meine ich, ist das eine falsche Methode. Ich möchte nicht aufputschen, sondern ich möchte versuchen, diese Differenzen, die aufgekommen sind, auf das Niveau herunterzuspielen, auf dem man sachlich miteinander diskutieren kann.
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Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten freuen uns, daß in der Zeit, in der wir in dieser Koalition mitwirken können, von dem liberalen Wehrkonzept, das ein Stück weiterentwickelt wurde, einiges schon verwirklicht worden ist. Daß noch sehr viele Dinge, die wir seit Jahren ansprechen, der Verwirklichung harren, ist natürlich richtig.
Herr Abgeordneter Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biehle?
Herr Kollege Jung, sind Sie nicht der Meinung, daß eine Infragestellung, wie sie der Kollege Dr. Klepsch vorgenommen hat, ein übliches Gebahren ist und daß man hier nicht davon sprechen kann, daß es zwei Fingerbreit unter der Gürtellinie sei, und ist es nicht bei allen Parteien üblich, daß bei Veröffentlichungen eines Ministeriums dazu eine erste politische Stellungnahme erfolgt?
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Herr Dr. Klepsch, natürlich habe ich eine Stellungnahme abgegeben, eine Stellungnahme, die sich sehr wesentlich von der Ihren unterscheidet, indem ich nämlich ganz objektiv gewichtet habe, und zwar die Probleme, die darin enthalten sind, ebenso wie die positiven Ansätze.
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Wenn Sie, Herr Dr. Klepsch, aber, ohne zu gewichten, einfach nach dem Motto „Zuerst den Mann und dann den Ball" den Autor und seine Mitarbeiter angreifen, ohne etwas zur Sache zu sagen, ist das natürlich keine politische Stellungnahme, wie ich sie wünsche; vielmehr ist das dann eine polemische Stellungnahme, und ich glaube, das muß man unterscheiden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stark? - Bitte schön, Herr Dr. Stark!
Herr Kollege Jung, wie erklären Sie sich eigentlich die mimosenhafte Empfindlichkeit dieser Regierung und ihrer Vertreter gegen Kritik, einer Regierung, die in der Regierungserklärung gesagt hat: Wir wollen mehr Kritik, wir wollen mehr Transparenz, wir sind keine Erwählten, sondern wir sind Gewählte, wir haben keinen Bedarf an gespreizter Würde? Wie erklären Sie sich diese mimosenhafte Empfindlichkeit gegenüber der Kritik der Opposition?
Herr Kollege Stark, ich habe nicht den Eindruck, daß diese Regierung eine mimosenhafte Empfindlichkeit hat. Ich persönlich habe sie gar nicht, sondern ich persönlich nehme Kritik sehr gern entgegen, weil ich aus der Kritik auch lerne. Nur, dort, wo diese Kritik nicht sachbezogen ist, Herr Dr. Stark, dient sie, meine ich, nicht der Sache, in diesem Fall nicht der Sache der Bundeswehr.
Herr Abgeordneter Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Horn?
Herr Kollege Jung, stimmen Sie nicht mit mir darin überein, daß gerade die CDU/ CSU-Fraktion im Ausschuß die Möglichkeit zu kritischen Einwendungen gehabt hätte, daß sie - nachdem sie die kritischen Einwendungen bereits vorher in der Presse veröffentlicht hat - im Ausschuß von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht hat und hier jetzt die Politik der toten Maus betreibt?
Das habe ich ja eben erläutert, Herr Kollege Horn. Ich hoffe aber, daß wir in einer der nächsten Ausschußsitzungen, nachdem die Opposition Zeit genug gehabt hat, mit sich zu Rate zu gehen, ihre sachbezogene Kritik an diesem Konzept zu hören bekommen.
Eines möchte ich doch sagen. Daß wir überhaupt zu einem so frühen Zeitpunkt mit denen, die betroffen sind, diskutieren konnten und diskutieren können, zeichnet doch diese Koalition aus. Genau das war es doch, Herr Stark, was diese Koalition
zu Beginn ihrer Tätigkeit in der Regierungserklärung zugesagt hat: mehr Demokratie zu wagen. Wo war denn während Ihrer Regierungszeit die Möglichkeit gegeben, mit Soldaten, mit Offizieren Maßnahmen zu diskutieren, die diese Personen später betreffen? Das ist doch neu. Das ist doch ein Stil, der durchaus zu befürworten ist. Sowohl die Kritik, die Sie erheben, als auch die Bedenken und berechtigten Forderungen, die sicher noch zu erheben sind, werden Eingang finden in das endgültige Konzept, das wir - und niemand anders - gemeinsam zu verabschieden haben.
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Ich will das erhärten. Seit Beginn der sozial-liberalen Koalition haben wir einige Schritte - wie ich schon sagte - in die Richtung getan, die unser liberales Wehrkonzept seit Jahren aufweist.
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Im Rüstungsbereich möchte ich nur einmal drei Punkte herausgreifen. Beschaffung en sind langfristig angelegt. Sie wissen, daß wir einen Rüstungsplan haben und daß dieser Rüstungsplan weitgehend von der CDU/CSU mit initiiert wurde, die sowohl in der Kleinen als auch in der Großen Koalition als auch zuvor in der Alleinregierung die Richtlinien der Politik bestimmte. Wir können jetzt den Rüstungsplan. nur permanent fortschreiben.
Diese sozial-liberale Koalition - dieser Minister - hat erst einmal eine Durchforstung vorgenommen - Herr Dr. Bußmann hat das vorhin auch erwähnt , um überhaupt festzustellen, ob sich das, was im Rüstungsplan steht, auch heute noch so darstellt und ob sich das auch realisieren läßt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klepsch?
Bitte schön!
Herr Kollege Jung, da Sie sich jetzt den Forderungen der FDP zuwenden, möchte ich Sie fragen: Werden Sie uns auch etwas sagen über die seinerzeit immer erhobene Forderung der FDP auf Erlaß eines Organisationsgesetzes im Verteidigungsministerium?
Ja, Herr Dr. Klepsch, ich komme gerne darauf zurück. Ich weiß, daß Sie das abgelehnt haben.
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Die Gegenfrage wäre natürlich: Wie stehen Sie heute dazu, Herr Dr. Klepsch? Würden Sie zustimmen?
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Ich habe Ihnen schon im Ausschuß gesagt, daß wir diese Forderung nie für geeignet gehalten haben. Aber Sie haben das Organisationsgesetz immer gefordert und beantragt. Wir warten nun schon seit Bildung dieser sozial-liberalen Koalition darauf, daß Sie sich irgendwann dazu äußern.
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Herr Dr. Klepsch, ich habe mich kürzlich im Ausschuß dazu geäußert. Wir stehen nach wie vor zu dem, was das Soldatengesetz fordert und vorschreibt: nämlich ein Organisationsgesetz zu verwirklichen. Wir stellen fest, daß unser damaliger Gesetzesvorschlag, der von Ihnen abgelehnt wurde, durch die neue Führung im Verteidigungsbereich teilweise schon verwirklicht wurde. Sie wissen, daß sich durch die Umstrukturierung und durch die neugeschaffenen Zuständigkeiten in Richtung auf den von uns geforderten durchgehenden Kommandostrang schon einiges zum Besseren gewendet hat, allerdings noch nicht in all den Punkten, die wir in unserem Entwurf eines Organisationsgesetzes angesprochen hatten. Aber wenn Sie meinen, wir sollten heute abend noch einmal die seinerzeitige Debatte über die Frage führen, inwieweit das Verteidigungsministerium mit seinem Umfang den Anforderungen unserer Zeit gerecht werden kann, dann kann ich auch hier wieder einen Erfolg liberaler Forderungen im Verteidigungsbereich verzeichnen. Denn die Umorganisation im Rüstungsbereich beweist ja, daß unsere Forderungen - Sie erinnern sich, daß auch die uralte Forderung der FDP nach dem Rüstungsstaatssekretär in unserer Vorlage enthalten war - in dieser Koalition erstmals verwirklicht werden und daß durch die Umgestaltung im Rüstungsbereich eine größere Effizienz und, wie wir hoffen, als Ergebnis auch eine größere Einsparung für den deutschen Steuerzahler erzielt wird.
Herr Kollege Klepsch hat vorhin auch davon gesprochen, daß die personellen Dinge, die er im übrigen aber begrüßt hat, zu Lasten der Beschaffungen forciert werden. In unserem Konzept stand immer der Mensch im Mittelpunkt. Da Herr Kollege Klepsch aber meinte, daß wir mehr für Rüstung ausgeben sollten, hätte er die Zwischenfrage von Herrn Buchstaller wieviel mehr - beantworten sollen. Herr Kollege Klepsch hat insgesamt 5 Milliarden DM genannt. Das war aber nur eine vage Andeutung, Herr Kollege Klepsch. Ich hätte wirklich gern gewußt, wieviel Sie hier mehr brauchen und wo Sie diese zusätzlichen Mittel einsetzen wollen.
Sie haben dann den Minister und den Staatssekretär für Rüstung darauf hingewiesen, daß diese Projekte hin und wieder einer Überprüfung bedürfen, und Sie haben gefordert, zu überprüfen, ob die Projekte denn überhaupt noch realisierbar sind. Ich darf doch darauf hinweisen, daß wir beide gemeinsam mit den Kollegen der SPD immer darauf dringen, daß alle Beschaffungen und alle Projekte uns immer wieder im Ausschuß vorgelegt werden, damit die Kontrollfunktion des Ausschusses gewahrt wird. Meine Damen und Herren, in einem verstehe ich Sie wirklich nicht. Beim MRCA wird z. B. festgestellt, daß der Preis für dieses Projekt - ursprünglich betrug der Ansatz 10 Millionen DM - in der Zwischenzeit auf einen Betrag geklettert ist, der um
mehr als das Zweieinhalbfache höher liegt, und
wenn eine solche Entwicklung linear weitergeht,
kann der Systempreis bis zur Einführung in den Jahren 1978 bis 1980 bei 35 Millionen DM liegen. Hier
frage ich mich, Herr Kollege Klepsch, ob man dazu unvoreingenommen ja sagen kann oder ob man nicht die Prüfung, die der Minister in der Zwischenzeit eingeleitet hat, permanent durchführen muß. Denn so, wie es in der Vergangenheit war, geht es ja nun wirklich nicht.
Kollegen Ihrer Doppelfraktion CDU/CSU waren ja z. B. auch seinerzeit bei der Entscheidung über „Phantom" durchaus anderer Meinung. Diese Beschaffung hat man zum Teil mit unehrlichen Argumenten durchgesetzt, indem man behauptet hat, man brauche dieses Flugzeug, weil man ein besonders großes Side-looking-airborn-Radar einbauen müsse. Dies ist aber bis zur Einführung dieses Flugzeugtyps überhaupt noch nicht vorhanden.
In der Frage, welche Nachfolgetypen eingeführt werden, müssen wir jetzt, Herr Minister, sehr bald zu einer Entscheidung kommen; denn das eine hängt von dem anderen ab, und diese, von uns aus gesehen, nicht richtige Vorentscheidung beeinflußt mit Sicherheit erheblich die weiteren Beschaffungen. Ich glaube, daß wir gut daran tun, hier eine gründliche Debatte zu führen, damit wir die richtigen Entscheidungen treffen und in der Zukunft die richtigen Waffen besitzen.
Herr Kollege Klepsch, Sie haben den Eindruck erweckt, als ob in dieser sozial-liberalen Koalition bzw. unter dem Minister Schmidt einseitig sozialdemokratische Offiziere und Beamte befördert würden.
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So habe ich das verstanden.
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Er hat hier Beispiele angeführt und hat gesagt, daß
diese Armee in zunehmendem Maße politisiert wird.
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- Gut, dann revoziere ich. Nur eines: Er hat dann
auch das Beispiel eines Obersten mit den entsprechenden Maßregelungen angeführt. Gerade Ihr Einwurf, Herr Kollege Petersen, erinnert mich an einen
anderen Fall. Sie wissen noch, daß vor etwa drei
Jahren ein Oberst, der den Mut hatte, über den
Starfighter einiges zu sagen, und der deswegen
auch mit gewissen Maßregelungen zu rechnen hatte,
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unter anderem durch Äußerungen von Ihnen.
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Ich wollte, Herr Kollege Klepsch, nur als zwischen der CDU und der SPD stehend etwas zur Neutralisierung beitragen.
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- Wir unterscheiden uns dadurch ein bißchen voneinander, daß ich ab und zu die Uniform trage und Sie nicht. Deswegen habe ich einen kleinen Einblick
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und kann Ihnen sagen, daß es nicht zutrifft, Herr Dr. Klepsch, daß unter diesem Minister Schmidt eine Politisierung in dem von Ihnen genannten Sinn Platz gegriffen hat.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Rommerskirchen?
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Herr Kollege, wenn Sie jetzt glauben unterscheiden zu sollen zwischen denen, die ab und zu in einer Übung den Rock tragen so wie Sie und ich, und den anderen und das mit qualifizierendem Ton sagen, dann muß ich Sie jetzt doch etwas fragen, was ich mir verkneifen wollte. Wenn Sie eben im Zusammenhang mit der Beschaffung der „Phantom" -({0})
- ich frage ja! von unehrlichen Argumenten
sprachen, die uns vorgetragen wurden, erinnern Sie sich dann, daß diese Argumente von Herrn Steinhoff ganz persönlich mit großer Verve vorgetragen wurden, und wollen Sie ihm wirklich Unehrlichkeit unterstellen?
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Herr Kollege Rommerskirchen, es würde sicher zu weit führen, wenn wir jetzt alles im Detail wiederholten. Aber in Stichworten: Die Beschaffung der „Phantom" - das wissen Sie ganz genau - wurde mit der Deckung der Aufklärungslücke begründet. Diese Beschaffung wurde damit begründet, daß aus verschiedenen Gründen nur dieses neue Flugzeug für die Installierung dieses SLAR geeignet sei. Die anderen genannten Typen wurden als für diesen Zweck ungeeignet erklärt. Dafür könnte ich den Kollegen Zimmermann als Zeugen aufrufen. Dies waren also neben anderen - etwa Reichweite und Tragekapazität - die Begründungen, vorwiegend aber, wie gesagt, dieses große SLAR. Hier ist insofern der Ausschuß nicht wahrheitsgetreu unterrichtet gewesen, als die Einführung dieses Geräts erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt erfolgen kann, weil es noch gar nicht entwickelt ist, Herr Kollege Rommerskirchen; das wird noch Jahre dauern! Die Einführung des Geräts kann also erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt erfolgen als die Einführung dieses Flugzeugtyps bei uns. Herr Kollege Haase hat ja vorhin auch schon darauf hingewiesen, daß die ersten Flugzeuge in der Zwischenzeit eingetroffen sind.
Eine Zusatzfrage.
Weil es mir um die Gediegenheit Ihrer Wertungen geht, frage ich noch einmal: Ist es nicht richtig, daß alles, was Sie erzählten, vornehmlich von Herrn General Steinhoff persönlich vorgetragen wurde?
Herr Kollege Rommerskirchen, ich kann das im einzelnen nicht mehr feststellen.
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- Entschuldigen Sie bitte, es hat eine ganze Reihe von Offizieren und Beamten des Ministeriums vorgetragen, und jeder hat die Dinge aus seiner Detailsicht an Hand von Kartenmaterial und Darstellungen erläutert. Ich glaube, so weit über die Materie unterrichtet zu sein, daß ich beurteilen kann, ob uns das von einem General oder vom Ministerium vorgetragen worden ist.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wegen der vielen Zwischenfragen - Herr Präsident, ich weiß nicht, wieviel Zeit mir jetzt noch zur Verfügung steht - werde ich natürlich nicht alle Punkte, die ich anführen wollte, zu Ende bringen können. Ich darf aber noch einmal auf das Konzept zurückkommen, das in der Öffentlichkeit angegriffen worden ist, ohne daß wir darüber im Ausschuß sachlich diskutiert haben. Ich meine, daß dieses Konzept in wesentlichen Punkten das bestätigt, was wir schon seit Jahren sagen, nämlich daß eine stärkere Verzahnung von Bundeswehr und zivilem Bereich erforderlich ist, daß man sich wechselseitig anerkennen und daß von daher gesehen innerhalb der Bundeswehr, was Bildung und Ausbildung betrifft, etwas Neues in Angriff genommen werden muß. Natürlich sind die erhobenen Bedenken hinsichtlich der Kosten nicht ganz unbegründet. Denken Sie aber bitte einmal daran, meine Damen und Herren, daß die Ausbildung eines graduierten Ingenieurs 18 000 DM, die Ausbildung eines Diplomingenieurs 38 000 DM und, wie uns gesagt wurde, die Ausbildung eines Offiziers 58 000 DM kostet. Ich meine also, daß es hier durchaus Ansätze gibt, um auch im Kostenbereich die Dinge in den Griff zu bekommen, ohne daß in der Zukunft eine Kostenexplosion zu erwarten ist. Es kommt also darauf an, diese Dinge künftig vernünftig zu koordinieren.
Wir begrüßen es, daß Barrieren beim Eintritt in die und beim Ausscheiden aus der Bundeswehr abgebaut werden, daß eine Verschränkung von zivilem und militärischem Lebensbereich erfolgt, daß für eine Überschaubarkeit und Kontinuität beruflicher, fachlicher und militärischer Aufgaben gesorgt wird und die Laufbahnen durchlässiger werden. Das ist sicherlich ebenso positiv wie die Erhöhung der Attraktivität der Bundeswehr durch individuell zu realisierende Anreize und durch Anpassung an allgemeine gesellschaftliche Wertvorstellungen.
Das Rahmenkonzept, über das wir eingehend miteinander diskutiert haben, enthält Regelungen, die weder einseitig auf die Deckung des Eigenbedarfs der Bundeswehr noch auf ausschließlich persönliche Wünsche des einzelnen Soldaten hinsichtlich seiner Entwicklung abzielen. Das ist, wie wir meinen, die richtige Kombination. Ich glaube, die Diskussion in der Öffentlichkeit ist bisher deswegen falsch gelaufen, weil man allzu einseitig die Offiziersausbildung gesehen und die großen Möglichkeiten, die große Palette, die im Bereich der Ausbildung und Weiterbildung der Unteroffiziere angeboten wird, in der öffentlichen Diskussion bislang völlig außer acht gelassen hat. Ich meine, hier muß der Schwerpunkt liegen, und hier ergeben sich völlig neue Ansätze. Deswegen sage ich bewußt, daß die jetzt erhobenen Forderungen liberalen Forderungen, die von uns seit Jahren nachdrücklich vorgebracht werden, sinngemäß entsprechen. Ich wiederhole z. B. noch einmal unsere permanent erhobene Forderung, Lizenzen, Patente, Prüfungen usw., die innerhalb der Bundeswehr erworben bzw. abgelegt werden, auch im zivilen Bereich anzuerkennen, wie es umgekehrt der Fall ist.
Daß noch eine ganze Reihe von Dingen diskussionsbedürftig sind, bestreiten wir nicht, und das habe ich auch sehr deutlich gesagt. Dazu gehört die Zuständigkeit der Länder für Fragen des Bildungswesens, insbesondere für den von mir soeben angesprochenen Bereich unterhalb der Hochschulebene, sowie die Frage, inwieweit eine militärische Tätigkeit im zivilen Leben verwendbar ist. Sind die Übergangsmöglichkeiten wirklich so zahlreich, wie es im Gutachten angedeutet wird?
Es müssen Alternativen geprüft werden, die zu zeitlichen Abläufen führen, die vertretbar sind und nicht, wie in der Öffentlichkeit bislang, als truppenfremd dargestellt werden. Der Unterführer und der Offizier im Truppenbereich müssen stärker berücksichtigt werden, und es muß natürlich besonders auch der bisher in der Bundeswehr Tätige berücksichtigt werden. Die FDP geht davon aus, daß all diese Dinge durchaus realisierbar sind und daß, insgesamt gesehen, dieses Gutachten als Vorstudie die gesamtgesellschaftlichen Zukunftsperspektiven berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, meine Zeit läuft ab. Ich möchte jedoch noch einige Worte an die letzte Untersuchung verwenden, die uns vorgelegt wurde, nämlich die Untersuchung der Wehrstrukturkommission bezüglich der Frage der Wehrdienstzeitverkürzung im Zusammenhang mit der Frage, wie man eine größere Wehrgerechtigkeit herbeiführen kann.
Es wird in den nächsten Tagen und Wochen bei uns im Ausschuß die Diskussion darüber geben, ob die Vorschläge dieser Kommission richtig sind. Es wird natürlich auch die Diskussion geben, ob nicht die Vorschläge, die schon die Adorno-Kommission unterbreitet hat, zu verwirklichen sind. Wir haben seit Jahren gesagt, daß zur Herbeiführung der Wehrgerechtigkeit erstens auch eingeschränkt Taugliche herangezogen werden müssen und daß zweitens bei einer Anhebung des Anteils länger dienender Zeit- und Berufssoldaten die Wehrpflichtzeit verkürzt werden muß, um einen größeren Teil Wehrpflichtige in kürzeren Zeiträumen in die Bundeswehr hineinzuführen und sie dienen zu lassen.
Die Kommission kommt an sich in der Tendenz zum gleichen Ergebnis. Sie schlägt allerdings 16 Monate vor. Aber in der Anlage ist festzustellen, daß dieses Problem damit in drei Jahren wieder vor uns steht, weil dann wieder geburtenstarke Jahrgänge herangezogen werden, und daß wir uns dann erneut Gedanken über die Wehrdienstzeitverkürzung machen müssen. Hier bitte ich Sie, meine Kollegen vom Verteidigungsausschuß, sich mit Gedanken zu machen, wie wir etwas erreichen und wie wir jetzt tatsächlich denn die Entscheidung liegt wiederum bei uns und in diesem Hause - Nägel mit Köpfen machen können. Wir, die Freien Demokraten, halten unsere bisherigen Vorstellungen aufrecht; denn wir glauben, nur so wird man in der Zukunft die Wehrgerechtigkeit herbeiführen können. Dabei setze ich allerdings das eingangs Zitierte voraus, nämlich die Einbindung in die NATO, und setze voraus, daß innerhalb der NATO auch die Fragen der Wehrdienstzeit miteinander geklärt werden können.
Ich darf Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß und ich glaube hier die Unterstützung aller zu haben - den Soldaten danken, die trotz zum Teil widriger Umstände, die wir permanent und gemeinsam auch in der Bundeswehr zu einer guten Lösung zu führen versuchen, Dienst geleistet und damit ihren Beitrag dazu erbracht haben, daß diese sozial-liberale Koalition und ihre Regierung in die Lage versetzt werden, ihre Außenpolitik so zu betreiben. Denn, wie ich eingangs schon sagte, die Sicherheitspolitik ist eine Funktion der Außenpolitik, und nur mit der Rückendeckung durch die Sicherheitspolitik ist diese Politik der Aussöhnung und des Friedens, wie sie von dieser Koalition derzeit betrieben wird, möglich.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst Herrn Dr. Bußmann und dem Kollegen Jung freundlichen Dank für die Klarlegung einer Reihe von Problemen sagen, die vorher angeschnitten worden waren. Dem Kollegen Jung darf ich sagen, daß es die Bundesregierung keineswegs etwa grundsätzlich ablehnen würde, sich dem Erlaß eines Organisationsgesetzes zuzuwenden. Sie ist durchaus bereit, darüber nachzudenken. Im Augenblick haben wir etwas drängendere Sorgen, wie Sie liebenswürdigerweise selbst auch hervorgehoben haben, im Augenblick haben wir auch die organisatorischen Probleme, die dringlich waren, gelöst oder lösen sie - zufällig kann man das in dieser Woche so sagen - am kommenden Wochenende, was die Rüstungsorganisation und die Rüstungsverfahren angeht.
Mit Interesse habe ich die allgemeinen Ausdrücke der Anerkennung meines Engagements für Fragen der Bundeswehr und meiner Analyse der strategischen Situation des Bündnisses gehört, die der Sprecher der CDU/CSU hier ausgesprochen hat. Ich habe ebenfalls mit Interesse die Zustimmung zu den Papieren gehört, die das Bündnis in Brüssel vor Weihnachten erarbeitet hat - AD 70 , auch mit Interesse die Zustimmung zu einigen Ausführungen gehört, die ich in dieser Richtung in der letzten Woche von diesem Pult aus gemacht habe. Es wäre ganz gut gewesen, wir hätten das in der letzten Woche von Herrn Dr. Barzel gehört, aber ich will einmal Ihr Wort, Herr Kollege, für das der Fraktion nehmen.
Sie haben allerdings eine Bemerkung gemacht, zu der ich etwas klarstellen muß. Ich will nicht sagen „zurückweisen", weil ich mir nicht ganz sicher bin, ob es sich um einen Lapsus in der Formulierung handelte oder ob Überlegung dahintersteckte. Sie haben gesagt, die Verteidigung des Bündnisses in Europa sei zusammengeschrumpft auf eine reine Stolperdrahtfunktion.
({0})
Sie müssen wissen, daß der Ausdruck „Stolperdraht" in der Diskussion der letzten 20 Jahre eine ganz bestimmte Bedeutung hat, und daß amerikanische Senatoren - zum Beispiel solche, die im Gegensatz zu Ihnen und zu uns den Rückzug der amerikanischen Truppen aus Europa betreiben so argumentieren, daß sie sagen, es genüge ein „Stolperdraht",
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mehr als ein Stolperdraht brauche nicht nachzubleiben. Ich will annehmen, daß Sie in Zitierung irgendwelcher Äußerungen von irgend jemand
Darf ich Ihnen einhelfen?
Aber gerne!
In diesem Falle ist der Generalinspekteur der Bundeswehr meine Quelle, der das in Ihrer Anwesenheit im Ausschuß der Verteidigung gesagt hat. Da können Sie die Kollegen fragen.
Nein, Herr Kollege, ich bin ganz sicher, daß ich vollständig ausschließen kann, ohne im Augenblick ein Protokoll vor mir zu haben, daß der Generalinspektour der Bundeswehr gemeint hätte, das Bündnis und die Bundeswehr erfüllten in Europa nichts anderes als eine Stolperdrahtfunktion. Das tut mir leid.
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Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, um ein Wortspiel aufzunehmen, daß Sie durch solche Bemerkungen, die in den nächsten Wochen und Monaten von den Soldaten gelesen werden, allerdings den militärischen Auftrag der amerikanischen, der
belgischen, der holländischen, der dänischen, der britischen und der deutschen Verbände auf deutschem Boden in Frage stellen. Das wollten Sie wahrscheinlich nicht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darüber nachdächten.
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Ich habe im übrigen nicht die Absicht, mich heute zur Politik oder Strategie des Bündnisses zu äußern, auch sonst keine Grundsatzrede zu halten. Ich muß nur auf ein paar Punkte eingehen, die heute in der Debatte eine Rolle gespielt haben.
Der Sprecher der CDU/CSU hat gemeint, es wäre notwendig, mehr Geld zur Beschaffung von Waffensystemen, für Material, für Unterhaltung, Betriebskosten, Infrastruktur usw. auszugeben. Ich muß wiederholen, was ich schon vor einem Vierteljahr im Verteidigungsausschuß gesagt habe: Ich bin bereit, konkrete Vorschläge der CDU/CSU-Opposition auf diesem Felde zu debattieren; sie müssen nur ein einziges Mal überhaupt gemacht werden.
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Allgemeine Aufforderungen, mehr Geld auszugeben - ich weiß, daß der Kollege Zimmermann heute abend noch sprechen wird, vielleicht bringt er die konkreten Vorschläge -, allgemeine Anregungen, für die Rüstung mehr Geld auszugeben, sind dem Interesse des deutschen Steuerzahlers genau entgegengesetzt.
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Im übrigen stehe ich zu meinem Wort, daß die heute abend, wie ich sicher bin, zwar mit Ihrer Stimmenthaltung, aber im übrigen von einer ansehnlichen Mehrheit des Bundestages zu beschließenden Mittel für den Einzelplan 14 für das Haushaltsjahr 1971 ausreichen. Ich stehe zu diesem Wort. Ich habe übrigens auch im letzten Haushaltsjahr keine Reste abgeliefert, was meine Amtsvorgänger in den letzten Jahren immer taten; sie haben immer große Beträge angefordert, sich hier beschließen lassen, und zum Schluß waren Hunderte von Millionen, manchmal mehr als nur Hunderte von Millionen übriggeblieben. Das ist bei mir nicht der Fall; wir haben sauber kalkuliert.
Es ist eine Bemerkung dahin gefallen, wir hätten Entscheidungen über Rüstungsmaterial verzögert. Ich hätte das gern konkret belegt gehabt. Sie haben nur einen Punkt genannt, Herr Kollege. Er bezog sich auf die sogenannte zweite Generation der Kraftfahrzeuge der Bundeswehr. Ich versichere Ihnen erstens, daß es sich hier um ein Projekt handelt, das in vielen Jahren stückweise verwirklicht werden muß, zweitens, daß es nicht zur Entscheidung anstand, als ich mein Amt übernahm, drittens daß die ersten Teilentscheidungen erst von der gegenwärtigen Bundesregierung - hier muß ich ganz besonders Herrn Staatssekretär Mommsen nennen - entscheidungsreif gemacht worden sind und daß die erste dieser Entscheidungen in diesen Wochen bevorsteht. Wenn Sie es besser zu wissen meinen, dann ziehen Sie Ihre Informanten aus gewissen Häusern an den Ohren; die haben Ihnen dann etwas Falsches gesagt.
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Ich darf hier ein Wort des Kollegen Dr. Bußmann aufgreifen. Mir machte es keine Schwierigkeiten ohne daß ich dabei jemanden besonders angucke und ohne daß ich etwa meinen Amtsvorgänger meine -, diesem Hause zu zeigen, wie übereilte Rüstungsentscheidungen in den letzten Jahren Ausgaben von mehreren Milliarden DM erfordert haben, von denen wir heute sagen müssen, daß sie nicht notwendig waren, daß sie auch nicht genützt haben -. wenngleich ich bei dem Standpunkt bleibe, daß man genau wie in der Automobilindustrie und in anderen Industrien auf dem Rüstungsgebiet wissen muß, daß man auch Entwicklungen zu betreiben hat, die hinterher nicht alle zur Serienreife führen können.
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Das habe ich hier schon einmal gesagt; ich wiederhole es. Aber Sie haben gehört, was ich sagte: Obwohl ich diesen Standpunkt einnehme - ({6})
- Ich sage nicht, an wem es gelegen hat, ich sage nur: Ich würde unschwer beweisen können, daß mehrere Milliarden DM wegen Übereilung bei der Entscheidung für neue Waffensysteme und deren Bestellung in den Sand gesetzt worden sind. Ich lasse mich, zumal wenn sie nicht konkret formuliert werden, von allgemeinen Antrieben zur Eile mit dem Geldausgeben nicht verleiten, ein einziges Projekt zu bestellen, das nicht reif ist.
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Herr Kollege Jung hat in dem Zusammenhang die Beschaffung der Phantom-Flugzeuge noch einmal kritisch unter die Lupe genommen. Herr Kollege, ich habe dazu nichts zu bemerken. Ich will mich in diese alten Kontroversen nicht hineinbegeben; das ist nicht mein Bier. Für mich handelt es sich urn eine vollzogene Tatsache, die zu ändern unglaubliche Beträge kosten würde. Sie müssen wie wir, wie jedermann mit diesen Tatsachen leben.
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- Auch mit den Konsequenzen müssen wir leben. Man kann nicht alles zurückdrehen wollen.
Kollege Petersen war so liebenswürdig - ich glaube, Herrn Dr. Bußmann oder Herrn Kollegen Jung unterbrechend -, an die Möglichkeit zu appellieren, in Zukunft gemeinsame Beschlüsse zu fassen. Herr Petersen, wir kennen uns lange genug, ich glaube 13 Jahre. Das habe ich aus Ihrem Mund als ernsthaft gemeint in mich mich aufgenommen und empfunden. Es gibt andere Kollegen hier im Saal, denen ich das genauso gern abnehmen würde. Aber es ist schwer, aus solcher kollegialen, freundschaftlichen Einstellung gegenüber einzelnen Kollegen eine allgemeine Einstellung gegenüber ihrer Fraktion dann werden zu lassen, wenn hervorragende
Wortführer ihrer Fraktion öffentlich z. B. folgendermaßen argumentieren. Ich darf, Herr Präsident, aus einem Aufsatz „Bundeswehr auf dem Weg zur Schweizer Garde" zitieren, erschienen im letzten Sommer. Ich muß das mal vorlesen, weil mir Empfindlichkeit für Kritik vorgeworfen wird. Da muß man die Kritik auch mal vorführen, die hier geboten wird, sehr substantiiert vorgetragen, außerordentlich gewichtig, geradezu wissenschaftlich.
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Aber ich muß erst einmal vorlesen dürfen:
Man beschreibt die vierfache maritime Überlegenheit des Warschauer Pakts in der Ostsee und streicht gleichzeitig das Fregattenprogramm. Man erkennt die sowjetische Luftüberlegenheit und schiebt die Entscheidung über das Luftabwehrsystem der Panzerverbände weiter hinaus, ohne die das Heer wie ein Krebs ohne Schale der gegnerischen Luftwaffe ausgeliefert ist. Hier klaffen unüberwindliche Widersprüche, die die Regierung vor den Soldaten und der Öffentlichkeit zu vertreten hat.
In demselben Aufsatz steht:
Hier wird das Verteidigungsweißbuch zum Verteidigungsweichbuch.
Alle solche Dinge stehen dort, und zwar gleichzeitig, da Sie, Herr Kollege, der Sie ja doch der Schattenverteidigungsminister der CDU/CSU sind - - Das sind Sie doch, nicht wahr?
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- Ich muß das annehmen. Oder ist es der Herr Zimmermann, und Sie sind sein zukünftiger Parlamentarischer Staatssekretär? Eins von beiden muß ich ja annehmen.
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-- Nein, Ihr habt ja noch nicht einmal einen Kanzlerkandidaten! Ihr könnt Euch auch dies noch überlegen. Ich empfehle sogar, es sich noch einmal zu überlegen.
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Aber, Herr van Delden, ich muß, solange der betreffende Kollege, dessen Namen ich bisher nicht genannt habe - ich will ihn auch nicht nennen -,
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im Ausschuß, in der Öffentlichkeit und im Plenum des Deutschen Bundestages in der Rolle des ersten verteidigungspolitischen Sprechers Ihrer Fraktion auftritt, solche mit seinem Namen gezeichnete Aufsätze ernst nehmen.
Wenn er uns vorwirft, Herr Dr. Barzel, wir hätten in Kenntnis der maritimen Überlegenheit der Sowjetunion gleichwohl die Fregattenprojekte gestrichen, müssen Sie und Ihre Fraktionskollegen außerhalb des Ausschusses wissen, daß es andere CDU/ CSU-Kollegen gibt, die in derselben Ausschußsitzung sagten: Na, Gott sei Dank, daß ihr sie gestrichen habt; der Strauß wollte sie schon lange streichen, er konnte sich beim Schröder nur nicht durchsetzen!"
Dazu müssen Sie wissen, daß diese Fregatten auf dem Papier inzwischen bei Stückpreisen von 330 Millionen DM angekommen waren. Wenn Sie die Bauzeit und die Preisentwicklung auf den Werften der Welt berücksichtigen, kommen Sie auf 400 Millionen DM pro Stück. Ursprünglich waren einige 120 Millionen DM, später einige 190 Millionen DM vorgesehen. Das heißt, für die vier Fregatten insgesamt könnten Sie, zu heutigen Preisen gerechnet, 25 bis 30 Hunderttausend-Tonnen-Tanker, die Deutschland dringend brauchte, kaufen. Ich wiederhole: 25 bis 30 Hunderttausend-Tonnen-Tanker.
Sie werden mir zugeben, ohne daß Sie oder ich von Marinefragen besonders viel verstehen müssen, daß hier das Verhältnis zwischen Aufwand auf der einen Seite und militärischem Erfolg auf der anderen Seite, den man erwarten konnte, so eindeutig ein Mißverhältnis geworden war, daß man nichts anderes tun konnte als das, was auch Herr Damm für richtig hielt, nämlich dieses Projekt zu beenden. Das halten auch Sie, Herr van Delden, seit Jahr und Tag für richtig. Bloß: Ihrem ersten Sprecher blieb es vorbehalten, öffentlich zu sagen, hier würden „unüberwindliche Widersprüche" klaffen, und obwohl die Sowjetunion in der Ostsee maritim viermal überlegen sei, mache man solche Dinge. Ich kann viele derartige Beispiele geben; ich habe hierzu entsetzlich dicke Akten; für heute verzichte ich auf sie.
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- Herr Kollege, ich muß mir noch etwas vorbehalten für den Fall, daß Sie eine Große Anfrage einbringen. Ich habe da noch eine ganze Menge auf der Pfanne.
({15})
Ich will hier eines aus dem Ausschuß öffentlich wiederholen, weil ich möchte, daß es in die Öffentlichkeit kommt. Es hat in Debatten des Ausschusses z. B. über dieses Problem einen Augenblick gegeben, in dem ich sorgfältig formulierend, das folgende ausgeführt habe. Ich darf, Herr Präsident, mit Ihrer Einwilligung, wie ich hoffe, aus dem Ausschußprotokoll, das in diesem Punkt nicht geheim ist, zitieren. Ich habe Anlaß gehabt, folgendes zu sagen:
Ich kann
- für die Sicherheitspolitik der Bundesregierung - eine Unterstützung,
- wie Herr Petersen sie angeboten hat und wie ich sie von Ihm akzeptiere die in das Gewand der Verdächtigungen der Motivationen der Bundesregierung gekleidet ist, nicht gebrauchen.
Dazu stehe ich!
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- Herr Rommerskirchen, dies war ganz gewiß das einzige scharfe Wort, das ich heute abend sprach, sofern es überhaupt scharf war. Ich finde, es war sehr deutlich.
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- Sehr verehrter Freund, Sie müssen sich nicht getroffen fühlen.
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Die Kollegen, die es angeht, wissen schon, daß es sie angeht.
({19})
Was den Stil der Auseinandersetzung angeht, von dem hier die Rede war, und was die einseitige politische Beeinflussung der Soldaten, die hier unterstellt wird, angeht, insbesondere im Zusammenhang mit dem Befehl, den der Generalinspekteur vor dem 17. Juni herausgegeben hat ({20})
- Bitte sehr, selbstverständlich mit meiner Billigung und in meinem Auftrag. Ich werde mich doch nicht davon zurückhalten, mich vor oder hinter, wie Sie es wünschen, den Generalinspekteur zu stellen.
Zu diesem Ihren Vorwurf liegt ja inzwischen ein rechtskräftiges Urteil vor. Das hat zwar der Herr Moderator jenes Fernsehmagazins, als er darüber im Fernsehen sprechen ließ
({21})
- aus Mainz kommt er ,
({22})
verschwiegen. Ich muß dann doch wenigstens zur Beruhigung des Kollegen, der die Sache hier vorbrachte, einige Sätze aus dem rechtskräftigen Urteil vorlesen:
Des Verlangen nach Unterrichtung der Soldaten über die neuere Entwicklung der Deutschlandpolitik gerade anläßlich des Gedenkens zum 17. Juni verstößt weder gegen die Grundsätze des § 33 des Soldatengesetzes, noch enthält es eine dem Sinngehalt des § 15 zuwiderlaufende Aufforderung, sich zugunsten einer politischen Richtung zu betätigen. Eine derartige Zielsetzung läßt sich dem beanstandeten Befehl nicht entnehmen.
An späterer Stelle des Urteils heißt es dann, daß dieser Erlaß auch keine Aufforderung enthält, sich von der referierenden Darstellung 'zu entfernen.
Ich füge hinzu: Eine Bundesregierung würde ihre Pflicht versäumen, wenn sie nicht denjenigen, die ihrem Befehl oder ihrer Weisung oder ihrer Anleitung unterliegen, klarmachen würde, worin und womit ihre Weisungen begründet sind. Befehle zu geben, die man nicht begründet, gehört in eine frühere Zeit, nicht mehr in diese Zeit.
({23})
Dann hat es heute abend eine Bemerkung gegeben, daß sich jemand gekränkt gefühlt hat, weil ich, zugegebenerweise ohne seinen Namen zu nennen, in der Debatte der vorigen Woche eine Bemerkung über ihn machte, von der ich auch einräume, daß ich sie im Protokoll etwas entschärft habe, weil ich im Grunde nicht zur Schärfe beitragen wollte. Aber manchmal entfleucht einem in später Stunde auch ein schärferes Wort. Er hat sich beklagt, daß gesagt worden sei, daß da jemand die Bundeswehr durch den Kakao ziehe. Dazu will ich mich jetzt äußern. Ich muß es ja belegen, wenn Sie den Beleg hören wollen. Ich komme in dem Zusammenhang auf Bemerkungen zurück, die Kollege .Jung über Äußerungen des Schattenverteidigungsministers der CDU/CSU
({24})
zu dem Rahmenkonzept, dem Kladdekonzept eines Gutachtens gemacht hat, das eine Bildungskommission erstatten soll, zum 1. April erstatten wird. Ich darf aus dem Protokoll des Verteidigungsausschusses, Herr Präsident, zitieren. Es sind sehr bemerkenswerte Ausführungen, denen ich, will ich von vornherein sagen, voll zustimme, von einem Ihrer Sprecher gemacht:
Wir sind sehr dankbar für die Erläuterungen, die wir bekommen haben,
--- das waren Erläuterungen von mir, von einigen Generalen, von Professor Ellwein die Sie uns zusätzlich zu dem übersandten Papier vorgetragen haben. Wir sind gern bereit, weitere Erläuterungen zu empfangen. Aber bei der Bedeutung des Gegenstandes würden wir es der Sache nicht für angemessen halten und auch der Arbeit, die geleistet worden ist bei der Ausarbeitung dieses Papiers, nicht für gerechtfertigt halten, wenn wir aus dem Handgalopp hier eine eingehende Diskussion etwa abhalten würden; sondern der Bedeutung der Sache entsprechend wird wohl dieser Ausschuß sich sehr sorgfältige Gedanken machen müssen und dann seine Meinung auszusprechen haben. Deshalb glaube ich, jedenfalls für meine Fraktion, daß der heutige Tag ein Tag ist, an dem wir das Papier zwar einbringen, daß wir aber in einem angemessenen Zeitraum - wir wollen uns durchaus bemühen, auch im Rahmen der Zeitplanung uns zu halten, die Sie selber gesetzt haben --, in einem angemessenen Zeitraum also, im März, wie wir meinen, in zwei Sitzungen uns damit befassen.
Alles gut! Großartig! Wir wollen ja aus der erwarteten Diskussion lernen.
({25})
Lieber Freund, ich habe vorweg gesagt, ich stimme jedem dieser Sätze zu.
({26})
- Ich verkaufe mich nicht unter Preis. Ich kann mich gut verkaufen, wenn ich will, Herr Rommerskirchen. Heute abend will ich gar nicht. Heute abend bin ich sachlich.
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-- Aber jetzt kommt es doch: Derselbe Mann, der das im Ausschuß geredet hat, hat zwei oder drei Tage vorher - vorher! - in der Zeitung, mit seinem Namen unterschrieben, dieses alles - ich habe gesagt -- durch den Kakao gezogen. Er hat außerdem übersehen, daß er dabei gleichzeitig mit seinen unqualifizierten Bemerkungen angriff: ernstens den bis dahin im Amt befindlichen Inspekteur der Luftwaffe, Mitglied dieser Kommission, zweitens den stellvertretenden Inspekteur der Marine, Mitglied dieser Kommission, drittens den stellvertretenden Inspekteur des Heeres, Mitglied dieser Kommission, viertens den General Dr. Wagemann, den Stabsabteilungsleiter für Innere Führung, Mitglied dieser Kommission, fünftens Generalarzt Dr. Stemann, sechstens den General Friedrich, Beauftragter für das Bildungswesen; insgesamt 24 ausgewiesene Männer aus dem Bereich der Wissenschaft, der Arbeitswissenschaft, der Gewerkschaften, der Unternehmerschaft, der Streitkräfte wurden abqualifiziert als
({28})
- Bitte, eine Zwischenfrage!
Herr Minister, wenn Sie das jetzt so anführen, qualifizieren Sie dann, wenn Sie über die Rüstungsvorhaben der Vergangenheit sprechen, nicht unentwegt und in Permanenz ähnlich hochstehende Persönlichkeiten ab,
({0})
qualifizieren Sie wirklich höchste Generale und höchste Beamte Ihres Hauses gleichermaßen ab, indem Sie von schludriger Arbeit, unverantwortlicher Information des Ausschusses, begehrlichen, aber durch nichts gerechtfertigten Forderungen usw. sprechen?
Es tut mir leid, Herr Kollege Rommerskirchen, mit Ihnen möchte ich mich nicht streiten. Ich glaube nicht, daß Sie irgendwo einen Beleg dafür finden, daß ich etwa meinen Amtsvorgänger oder dessen Amtsvorgänger schludriger Arbeit bezichtigt hätte. Sie mögen das irgendwo gelesen haben, aber das stammt nicht aus meinem Munde und nicht aus meiner Feder.
Herr Minister, bezweifeln Sie wirklich, daß es mir möglich wäre - wenn ich, wie Sie, die Möglichkeit hätte, plötzlich aus Wortprotokollen des Ausschusses zu zitieren - Schmidt, Bundesminister der Verteidigung: Die Protokolle stehen Ihnen genauso zur Verfügung wie mir.
- - zu belegen, daß ich tatsächlich solche Wertungen über die
Arbeit von Offizieren und Beamten aus Ihrem Mund gehört habe? Ich muß das leider Gottes sagen.
({0})
Herr Rommerskirchen, ich will die Zeit des Hauses nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Ich stelle es Ihnen anheim, solche Belege aus den Ausschußprotokollen herauszusuchen, icht stelle mich jederzeit einer Diskussion darüber.
({0})
- Es tut mir leid, Herr Damm, ich möchte jetzt zu Ende sprechen. Mir liegt daran, daß nicht nur die Damen und Herren aus dem Ausschuß, sondern auch die übrigen Mitglieder und besonders natürlich die Führung der Oppositionsfraktion zur Kenntnis nehmen, was ich hier darbiete. Mir liegt daran, hier zu verdeutlichen ,daß derselbe Mann, der, für seine Fraktion sprechend, auf der einen Seite sagt: Wir brauchen bis März Zeit, um das zu überlegen, auf der anderen Seite die Kommission folgendermaßen abqualifiziert
({1})
- ich muß ihn ernst nehmen -:
Schließlich brauchen wir keine Ausbildungs- und Bildungskommission für die Abschaffung der Armee.
Hier wird also der Generalität unterstellt, sie habe in einer Kommission einen einstimmigen Beschluß über die Abschaffung der Armee fassen geholfen. Dies ist bloße Polemik ohne jeden Gehalt, und das müssen Sie begreifen.
({2})
Ich will auf eine Reihe weiterer Anzapfungen nicht eingehen. Ich weiß schließlich, daß auch Herr Zimmermann noch sprechen wird, und es muß auch noch etwas für Herrn Berkhan übrigbleiben, der Herrn Zimmermann antworten wird, der Parlamentarische Staatssekretär demjenigen im Wartestand.
({3})
Ein Punkt liegt mir noch am Herzen, bei dem ich mich angesprochen fühle. Ein Sprecher der CDU/ CSU hat hier in sachlichen Worten, nicht in scharfer Tonart, aber immerhin deutlich ausgesprochen, ich hätte in einem bestimmten Punkt nicht die Wahrheit gesagt. Ich versichere Ihnen, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Ich habe damals auf einen bestimmten Vorhalt geantwortet: „Mir ist kein Fall bekannt". - Wenn Sie nachweisen, es habe einen Fall gegeben, den mein Kollege, Herr Berkhan, gekannt hat, so glaube ich Ihnen das. Aber ich habe nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv die
Wahrheit gesagt. Mir war der Fall nicht bekannt, und er ist mir auch heute noch nicht bekannt. Ich habe auf der Regierungsbank gerade zum erstenmal davon gehört. Es tut mir leid. So wichtig ist das ja auch gar nicht.
({4})
- Das mag ja sein, aber mir war er nicht bekannt. Ich war nicht dabei. Ich würde mich auch entschuldigen, wenn ich etwas Falsches gesagt hätte. Ich möchte nur ganz gern, daß Sie nicht mit dem Gefühl hinausgehen, Sie hätten mir gezeigt, daß ich die Unwahrheit gesprochen habe. Ich habe nicht die Unwahrheit gesprochen.
Nur wenn Sie mir allgemeine Vorwürfe im Hinblick auf die Personalpolitik machen, so kann ich dazu nur folgendes sagen. Die CDU/CSU-Fraktion hat im vorigen Sommer, am 1. Juli, eine Mitteilung herausgegeben: „Wie bereits angekündigt, wird die Fraktion spätestens am 1. Oktober 1970 das angesammelte Material veröffentlichen" nämlich das Material, das beweisen sollte, daß wir in der Armee eine politisierende Personalpolitik betrieben. Sie haben nichts veröffentlicht. Das mit dem 1. Oktober ist nun lange her. Ich habe Sie aufgefordert, Ihre Ankündigung nun wirklich wahr zu machen. Jetzt haben wir schon den 1. Januar und den 1. Februar hinter uns. Sie haben eine Reihe solcher Behauptungen in gedruckter Form in das Offizierskorps der Truppe infiltriert, ohne sie zu belegen, und schaffen damit Zweifel an der Lauterkeit und an der Verfassungsmäßigkeit dessen, was diese Regierung tut.
Es tut mir leid, ich muß da einmal aus der Schule plaudern: Mir ist von meinem Amtsvorgänger bei Amtsübergabe eine Reihe von Dingen ans Herz gelegt worden, z. B. auch die Entlassung einer bestimmten Person. Ich habe erwidert: Das kann wohl so sein, Herr Kollege; aber ich gucke mir das noch eine Zeitlang an. - Ich habe mir das ein halbes Jahr angeschaut, ehe ich den Rat befolgt habe, den Herr Dr. Schröder mir gegeben hat. Daß ich mir von Ihnen vorwerfen lassen muß, ich würde eine Parteipolitisierung der Personalpolitik betreiben, ist geradezu skurril.
Sie behaupten - das ist auch heute wieder angeklungen -, daß die Verjüngung der Generalität nur eine Art von Badehose sei, um in Wirklichkeit eine bestimmte politische Richtung bei der Personalpolitik zu bevorzugen. Ich muß Ihnen sagen, daß es schon seit Jahr und Tag eine Notwendigkeit aller Verteidigungsminister ist, eine bestimmte Zahl der älteren Generale vor Erreichen des 60. Lebensjahres in den Ruhestand zu schicken. Im Jahre 1968 z. B. - Sie erinnern sich, wer damals Verteidigungsminister war sind neben 13 Generalen, die kraft Gesetzes in den Ruhestand traten, 20 weitere Generale und Admirale vorzeitig in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Im Jahr davor, 1967, hatten nur sieben die Altersgrenze erreicht, sechzehn wurden vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Im Jahre 1969 hatten von 21 Generalen nur vier die Altersgrenze erreicht; die anderen wurden vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Bei den 46 Generalen,
die seit meinem Amtsantritt in den Ruhestand versetzt worden sind, beruhen 12 Zurruhesetzungen auf Entscheidungen meines Amtsvorgängers, die ich nicht angetastet, die ich nur durchgeführt habe; acht traten kraft Gesetzes in den Ruhestand.
Nun muß ich Ihnen auch noch etwas über das Durchschnittsalter der Generalität sagen. Es gibt gewisse Funktionen, da können Sie einen tüchtigen Mann über das 60. und das 65. Lebensjahr hinaus wirklich gut gebrauchen. Es gibt andere Funktionen - wie die Führung einer Brigade; die soll ja im Gelände, im Feld geführt werden --, da kann ich mir im Ernst einen 52jährigen Mann - das ist das Alter, das sich selber heute habe - als Führer einer Brigade, als Brigadegeneral, nicht mehr gut vorstellen, und Sie können das im Ernst auch nicht.
Nun muß ich Ihnen sagen, daß trotz meiner Bemühung um Verjüngung des Generalskorps das Durchschnittsalter der Generalität wie folgt gestiegen ist: Im Jahre 1965 betrug das Durchschnittsalter 54,4 Jahre, im Jahre 1966 54,6, dann schwankte es etwas, im Jahre 1969 betrug es 55,2 Jahre und im Jahre 1970 55,3 Jahre. Trotz der Bemühung um Verjüngung noch ein ansteigendes Durchschnittsalter! Das geht wirklich nicht.
Unter der vorigen Regierung war das Durchschnittsalter derjenigen Generale, die in den Ruhestand versetzt wurden, 57,6 Jahre. Gegenwärtig ist das Durchschnittsalter derjenigen, deren Zurruhesetzung ich zu verantworten habe, 58,2 Jahre. Die Zurruhesetzung erfolgt also im Durchschnitt um mehr als ein halbes Jahr später.
Ich bitte, das alles einmal zu bedenken und sich sorgfältig zu informieren - ich stehe ja zur Information zur Verfügung --, ehe man solche Vorwürfe andeutet oder sie gar außerhalb dieses Hauses schriftlich zum Ausdruck bringt.
Ich darf das Haus darauf hinweisen, daß zum erstenmal in der Bundeswehr durch Erlaß des Verteidigungsministers für alle drei Teilstreitkräfte und ebenso für den zentralen Bereich der Bundeswehr Personalausschüsse eingerichtet worden sind, in denen die führenden Offiziere der jeweiligen Teilstreitkraft selber zu beratenden, empfehlenden Beschlüssen kommen, ehe eine Personalentscheidung dem Minister auf den Tisch gelegt wird. Bitte sehr, Herr Kollege!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wörner?
Herr Minister, würden Sie dann bitte zu der von Herrn Klepsch zitierten Äußerung Ihres Kollegen Pawelczyk Stellung nehmen.
Würden Sie sie bitte noch einmal zitieren; ich habe sie nicht im Ohr.
Herr Pawelczyk hat im Sozialdemokratischen Pressedienst geschrieben:
Ich halte es aber für unumgänglich, daß in Zukunft bei personellen Veränderungen Männer für bestimmte Positionen berücksichtigt werden, die von der Richtigkeit sozialdemokratischer Verteidigungspolitik überzeugt sind.
({0})
Politisch andersdenkende Staatsdiener, auch Soldaten, können erwarten, daß sie nicht in Ämter berufen werden, die sie in Konflikt zu ihrer eigenen Überzeugung bringen.
Herr Kollege, ich selber würde die erste Hälfte des Zitats nicht so formuliert haben. Die zweite Hälfte des Zitats halte ich für absolut richtig. Kein Dienstherr darf Beamte oder Soldaten oder ihm Anvertraute in Ämter bringen, wo sie in Gewissenskonflikte kommen. Das ist eine abstrakt zutreffende Formulierung.
({0})
Sie wollen ja auch die zweite Hälfte nicht angreifen, Sie wollen die erste Hälfte angreifen. Nur haben Sie sich mit Herrn Pawelczyk auseinandersetzen wollen, weil Sie mir nichts anhängen konnten.
({1})
Was die erste Hälfte des Satzes von Herrn Pawelczyk angeht, habe ich Ihnen schon gesagt, ich würde es anders formulieren.
({2})
- Augenblick, ich muß auch einmal zu Ende reden.
Herr Kollege Wörner, ich würde allerdings auch nicht so formulieren wie dieser Kollege, den ich Ihnen jetzt zitieren darf:
Sollen denn wohl all diese Generale den linken Genossen in der SPD als Opfer vorgeworfen werden?
So würde ich auch nicht formulieren. Das war Herr Ernesti, damit Sie das Pendant haben.
({3})
-- Sie legen Wert auf das Fragezeichen, Herr Ernesti. Das würde ich auch machen. Ein ganz dickes moralisches Fragezeichen würde ich an diesen Satz setzen.
({4})
Herr Abgeordneter Damm!
Herr Kollege Schmidt, nachdem ich vorhin nicht dazu kam, Sie zu fragen, ob Sie auch hier in der Öffentlichkeit wiederholen würden, was Sie im Ausschuß gesagt haben, daß nämlich neben einigen wenigen qualifizierten Soldaten und Beamten der große Teil der Soldaten und Beamten im Verteidigungsministerium treu, fleißig und reinlich sei, möchte ich Sie fragen, ob es im Zusammenhang all dieser Dinge richtig ist und Sie es heute noch für richtig halten würden, zu sagen, daß
die Soldaten der Bundeswehr sozialdemokratischen Befehlen folgen sollen.
Zunächst zur ersten Hälfte der Frage. „Treu, fleißig, reinlich" war nicht abfällig gemeint.
({0})
- Nun lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden. Ich habe schon hier von diesem Pult aus ähnliche Äußerungen gemacht. Sie müssen da gar nicht erst ins Ausschußprotokoll steigen. Ich habe z. B. einmal gesagt: Im Durchschnitt sind die Menschen Durchschnitt; im Durchschnitt sind die Unternehmer Durchschnitt, die Abgeordneten Durchschnitt. Die Soldaten und die Beamten auch. Wenn Sie mehr hineinlegen wollen, Herr Damm, dann wissen Sie, daß Sie mir Unrecht tun. Sie wollten auch nur ein bißchen polemischen Ausgleich herbeiführen, mehr wollten Sie nicht.
Nun zur zweiten Hälfte, was sozialdemokratische Befehle angeht. Ich stehe zu dieser Formulierung. Jeder Bundesminister hat erstens die Verfassung, das Grundgesetz und die Gesetze zu beachten, zweitens die Beschlüsse seiner Regierung und die Richtlinien seines Bundeskanzlers. Er bleibt dabei ein Christdemokrat oder ein Freier Demokrat oder ein Sozialdemokrat. Ich bleibe ein Sozialdemokrat.
({1})
Was ich mich zu tun bemühe, ist sozialdemokratische Politik, einschließlich der Weisungen und Befehle, für die ich verantwortlich bin.
({2})
Gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Herr Schmidt, angesichts der Tatsache, daß es hier um eine sehr ernste Sache geht, würden Sie mir wenigstens insoweit zustimmen, daß das eine gefährliche Art der Interpretation ist und eine Äußerung, die in der Bundeswehr sehr mißverstanden werden könnte?
Sie sorgen durch Verbreitung Ihrer Interpretation dafür, daß sie möglichst häufig mißverstanden wird; ich habe das bemerkt.
({0})
Aber, Herr Damm, wenn Sie sie in Zukunft weiterverbreiten oder wenn Herr Ernesti es tut, bitte ich Sie, nicht zu überhören, was ich eben sagte: Ein Bundesminister hat das Grundgesetz und die Gesetze zu achten, die Beschlüsse des Kabinetts und die Richtlinien seines Bundeskanzlers.
({1})
- Aber selbstverständlich macht auch der Bundeskanzler sozialdemokratische Politik. Was denn sonst überhaupt?
({2})
- Gnädige Frau, wir sind doch keine Eunuchen. Was habt Ihr Euch denn gedacht?
({3})
- Herr van Delden, mit Ihnen kann ich mich nicht streiten.
Letzte Bemerkung, die zum Gang der Debatte zu machen ist: Der Sprecher der CDU/CSU hat beklagt
- er hat das auch geschrieben -, daß eine große Lücke bei den Unteroffizieren und Offizieren da sei. Wörtlich: „Die große Lücke beim Offiziers- und Unteroffiziersnachwuchs hat seit Amtsantritt des jetzigen Ministers ein erschreckendes Ausmaß angenommen."
({4})
- „Beim Offiziers- und Unteroffiziersnachwuchs." Ich schwindele doch nicht. Sie können das ja selbst nachlesen. Sie haben ja zu verantworten, was da gedruckt ist.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Zahl der Unteroffiziere unmittelbar nach meinem Amtsantritt im Dezember 1969 112 656 betrug, daß sie ein Jahr später als erster Teilerfolg dieses Bündels von Maßnahmen, das Sie und wir gemeinsam ins Werk gesetzt haben, 117 023 betrug, oder umgekehrt ausgedrückt: daß das Fehl an Unteroffizieren in diesem einen Jahr von 21 140 auf 16 773, d. h. um rund 20% gesunken ist. Wenn Sie außerdem noch bedenken, daß wir inzwischen rund 3000 Unteroffiziere zu Fachoffizieren gemacht haben, die in dieser Statistik fehlen müssen, werden Sie mir zugeben, daß sich das Fehl der Unteroffiziere um ein Viertel eingeschränkt hat. Wenn Sie außerdem noch wissen, daß wir jetzt erstmalig Wehrpflichtige, die bereits 12 Monate gedient haben, aber noch weiterdienen, in einem wachsenden Maße zu Unteroffizieren machen - nämlich im letzten Jahr 1600 -, dann werden Sie mir zugeben, daß wir - zwar nur mit Hilfe junger Unteroffiziere - dabei sind, die Lücke zu füllen und daß Ihre Bemerkung, die Unteroffizierslücke habe ein erschreckendes Ausmaß angenommen, im krassen Gegensatz zur wirklichen Entwicklung steht.
({5})
Ich muß das alles einmal sagen, weil ich diese Ihre falschen Informationen in Tausenden von Exemplaren in der Truppe wiederfinde und weil ich die Gelegenheit beanspruchen muß, zu Protokoll des Deutschen Bundestages klarzustellen, was daran wahr und was daran falsch ist.
Wir bemühen uns - ich bedanke mich dafür, daß der Sprecher der CDU/CSU darüber eine gewisse Anerkennung zum Ausdruck gebracht hat -, auf manchen Gebieten sehr langfristig zu planen. Die
schreckliche Arbeit, die ein Mann wie Mommsen oder der Führungsstab der Luftwaffe oder die Beamten machen, die die technischen Dinge in unserem Hause, die Beschaffung und die Entwicklung vorantreiben, oder ein Mann wie der General Büchs, der für die Planung der Bundeswehr verantwortlich ist, die schreckliche Arbeit, die wir z. B. in das eine Projekt MRCA stecken - das neue Kampfflugzeug, das wir übernommen haben von Minister Schröder und das ganz sicher ,am Ende dieser Legislaturperiode einer neuen Regierung und einem neuen Verteidigungsminister weitergereicht werden muß, die gilt einem ganz langfristigen Projekt. Es reicht bis an das Ende der achtziger Jahre, und wir stecken viel Kraft in dieses Projekt, das sollte doch zur Kenntnis genommen werden.
Das neue Marinekonzept wirkt sich aus bis an das Ende der achtziger Jahre.
({6})
Die Beschaffung ,der Ergänzungsflugzeuge, von denen gesprochen worden ist, wirkt sich aus bis an das Ende der achtziger Jahre. Die Ergebnisse der Bildungskommission, die zu einer weitgehenden Umgestaltung und Modernisierung des Ausbildungs- und Bildungswesens der Armee bestimmt sind, fangen überhaupt erst Ende der siebziger Jahre an, sich voll auszuwirken, und wirken über das Jahr 1990 hinaus; d. h. sie wirken auf die berufliche Qualifikation von Obersten ein, die heute als Offiziersanwärter eintreten und 1990 vielleicht noch nicht einmal Oberste sein werden.
Das heißt, wir bemühen uns, auf sehr lange Sicht zu arbeiten. Ich finde, Sie sollten sich das vor Augen führen und in Zukunft nicht mehr stillschweigen, wenn andere behaupten, wir hätten uns darauf eingestellt, die Armee innerhalb von drei Jahren abzurüsten.
Zum Schluß: Sie haben für die CDU/CSU-Fraktion zum Ausdruck bringen lassen, daß Sie die Brüsseler NATO-Rat-Papiere, das Papier AD 70 akzeptieren. Sie haben aus dem Papier über die Allied Defense in the Seventies - auf deutsch: die Verteidigung des Bündnisses in den 70er Jahren - sogar zwei Sätze zitiert. Ich war sehr dankbar; denn gerade für die beiden Sätze, die Sie zustimmend zitiert haben
- so ein bißchen mit dem Unterton: Da sieht man mal, was die Allianz wirklich denkt, und ihr in der Regierung tut ganz etwas anderes -, darf ich beanspruchen, daß ich sie selber formuliert habe. Da haben Sie Pech gehabt.
({7})
- Entschuldigung, jetzt bin ich mal dabei, den Gedanken zu entfalten. - Alles das, was Sie aus dem Papier AD 70 zitiert haben, ist veröffentlicht worden. Die militärische Bedrohung des westlichen Lagers ist veröffentlicht worden, obwohl die Vertreter einiger Regierungen gemeint haben, man sollte das lieber nicht öffentlich sagen. Aber es ist veröffentlicht worden, weil der deutsche Verteidigungsminister im NATO-Rat darum gebeten hat, daß das nicht verheimlicht, sondern öffentlich kund gemacht
werde. Überhaupt bloß deswegen können Sie es hier zitieren. Das verdanken Sie mir. Nun sagen Sie mal danke dafür! Sonst wäre es ja geheim geblieben.
({8}) Bitte sehr!
Herr Kollege Schmidt, sind Sie bereit, einzuräumen, daß Sie das bereits dem Ausschuß vorgetragen haben und daß ich in Kenntnis dieses Sachverhalts diesen Teil des AD 70 hier zitiert habe, damit es alle erfahren?
({0})
Herr Klepsch, man muß ja konziliant und tolerant sein. Ich bin bereit, die erste Hälfte einzuräumen. Ihre Motive kann ich aber hier nicht unterstreichen, die sind mir sehr zweifelhaft. Die erste Hälfte bin ich bereit einzuräumen: Jawohl, wir haben im Ausschuß darüber gesprochen, und zwar in einer gemeinsamen Sitzung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses unter gemeinsamem Vorsitz von Herrn Dr. Zimmermann und Herrn Dr. Schröder. Ich habe den ganzen NATO-Rats-Beschluß zu den politischen und strategischen Fragen ausführlich vorgetragen. Ich habe das ganze Papier AD 70 vorgetragen, aus dem Sie hier zitieren, und der Ausschuß hat es beraten. Der Ausschuß hat zum Ausdruck gebracht, daß er mit dem, was die Regierung dort gemacht hat, zufrieden ist.
({0})
- Schön, Sie sind nicht zu Ende gekommen. Wissen Sie, was mich nur gewundert hat? Das war alles vor Weihnachten. Daß Sie das Ende Januar, vor einer Woche, noch einmal in den Ausschuß verweisen mußten, weil Sie sich angeblich damit noch nicht ausreichend hätten befassen können, das hat mich sehr gewundert. Soviel zu den Ausschußberatungen.
({1})
- Jedenfalls haben Sie doch etwas Gutes gehört und haben Ihre Genugtuung zum Ausdruck gebracht.
({2})
- Ich will mich darüber nicht streiten. Aber wenn Herr Klepsch schon auf diese Ausschußberatung abhebt, muß er sich sagen lassen, daß sie vor mehr als sechs Wochen gewesen ist und daß Sie Zeit genug hatten, sich Ihr Urteil zu bilden. Er hat sich ja auch ein Urteil gebildet; denn er sagte doch, sein Motiv sei gewesen, diese richtige Sache hier zum öffentlichen Vortrag zu bringen. Also hat er doch ein Urteil.
({3})
Letztes Wort: Ich habe eine Bitte an gewisse Kollegen in der Oppositionsfraktion. Es muß auch über Verteidigungspolitik Streit sein.
({4})
- Das ist nicht zu vermeiden, Herr Wörner. Sie werden das eines Tages sehen, wenn Sie mal wieder - - Es wird noch lange hin sein, aber Sie werden es sehen.
({5})
Es ist nicht zu vermeiden. Das muß auch sein. Aber ich habe eine Bitte: Versuchen Sie, bei allen Formulierungen, auch wenn man mal im Temperament entgleist - ich gehöre zu denen, denen das bisweilen passiert , sich auf die politische Person des Ministers zu konzentrieren, und lassen Sie die Beamten und die Soldaten, die sich beide gleicherweise nicht wehren können und die bei den pauschalen Verdächtigungen der von Ihnen so genannten Ellwein-Kommission mit getroffen werden, bitte aus dem Spiel! Richten Sie Ihre Pfeile auf die Regierung und nicht auf andere!
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zimmermann. Es sind für ihn 30 Minuten angemeldet.
Herr Minister, gleich zu Ihrer letzten Bemerkung über Leute, die sich nicht wehren können! Soweit ich gesehen habe, hat Herr Ellwein sehr kräftig in die Diskussion eingegriffen. Er hat fast täglich Leserbriefe in irgendwelchen Zeitungen veröffentlicht, und ich habe aus Ihrem Hause gehört, daß ihm geraten worden sei, diesen Leserbriefkrieg einzustellen, weil Ihnen diese Art von Selbstverteidigung offenbar zuviel geworden ist. Vielleicht kann Herr Berkhan nachher noch sagen, ob das so war oder nicht.
Ich greife zuerst einige Dinge auf, die Herr Bußmann am Anfang dargestellt hat. Herr Kollege Bußmann, Sie haben Haushaltszahlen von 18,2 bis 18,8 Milliarden DM für einen Zeitraum von Jahren genannt. Absolute Haushaltszahlen in Sachen Verteidigung zu nennen, ist wenig sinnvoll, weil es nur zwei sinnvolle Relationen gibt. Die eine Größe ist das Verhältnis des Verteidigungshaushalts zum Gesamthaushalt, und die andere Bezugsgröße ist eine internationale Größe, nämlich das Verhältnis zum Bruttosozialprodukt. Lassen Sie mich die Zahlen für drei Jahre innerhalb des großen Zeitraums von genau zehn Jahren nennen, nämlich für 1964, 1971 - wo wir heute sind - und 1974.
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Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner. Privatgespräche können Sie auch außerhalb des Saales führen.
1964 betrug der Anteil des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt 30 %, 1971 ist er 21,5 %, und 1974 wird er nach der mittelfristigen Finanzplanung 18,7 % sein; von 30 auf 18,7%.
Der Anteil am Bruttosozialprodukt war 1964 5,5 %, 1971 3,9 % und wird 1974 3,3 % sein. Das bedeutet auch, daß wir derzeit schon weniger als Frankreich und Großbritannien für die Verteidigung ausgeben, auch bei der Berechnung der Pro-Kopf-Ausgabe.
Ich will das nicht vertiefen, sondern will nur zu dem, was Sie über die sowjetische Rüstung gesagt haben., die DDR anführen, wie sie sich in den letzten Jahren verhalten hat. Bei ihr war der Anteil für Verteidigung am Bruttosozialprodukt 1966 3,3 %, 1969 waren es 5,9 %, also fast 6%. Das ist eine erhebliche Steigerung im Laufe von wenigen Jahren, die nahe an 45 % herangeht.
Der zweite Gedanke, den ich mir bei Ihnen notiert habe, war die „große Verschwendung" in der Bundeswehr. Sie warfen einen Blick auf nicht weitergeführte Entwicklungen und nannten dabei den Panzer 70. Darf ich in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß diese Geschichte folgendermaßen begann. Eigentlich wollten und sollten die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zusammen einen neuen Hauptkampfpanzer entwickeln und bauen. Das gelang nicht. Die Franzosen machten ihren AMX und wir den Leopard, die Briten, nebenbei bemerkt, etwa zur gleichen Zeit ihren Chieftain. Das Ergebnis des nie stattgehabten Vergleichs zwischen diesen drei Typen fiel so eindeutig zugunsten des Leopard aus - wie jeder weiß , daß ich dazu weiter nichts zu sagen brauche.
Nachdem der Leopard fertig war und in einer ganzen Reihe von Armeen erprobt wurde, suchten die Amerikaner einen Partner für die Ersetzung ihrer Typen M 47, M 48 und M 60. Sie meinten, nach den Leistungen des Leopard könnte nur die Bundesrepublik Deutschland dafür in Frage kommen. So geschah es, daß sie uns den Vorschlag machten, gemeinsam einen Nachfolger des Leopard, einen Panzer der siebziger Jahre zu entwickeln. Das hat in der Tat einen Haufen Geld gekostet, und es ist nicht zu einem gemeinsamen Abschluß gelangt. Aber der Panzer, der als Leopard II oder als der verbesserte Leopard wohl im nächsten Generationswechsel den M 48 A 2 ablösen wird, besitzt viele Komponenten, die aus der Entwicklung des Panzers 70 gewonnen wurden, die in ihrer Wirksamkeit unschätzbar sind und die eigens hätten erforscht werden müssen, was wahrscheinlich nicht weniger gekostet hätte, als wenn es die Entwicklung des Panzers 70 nicht gegeben hätte. Auch die Amerikaner haben eine Fülle von Erkenntnissen aus der Entwicklung des Panzers 70 gewonnen. Eingestellt wurde sie nur deshalb, weil die Forderungen - das ist manchmal bei militärischen Forderungen der Fall - vielleicht ein bißchen zu perfekt gewesen sind, was Bewaffnung, Gewicht, Panzerung, ABC-Schutz, Infrarotfähigkeit und die Fähigkeit, mit einem voll stabilisierten Turm auch in voller Fahrt schießen zu können, anbelangt.
Der Verteidigungsminister ist selbst vorhin auf eine dieser Bemerkungen eingegangen, als er sagte: Entwickeln muß man; die Armee von heute muß existieren, funktionieren und kämpfen können, und um etwas in der Zukunft richtig zu machen, muß man Entwicklungsvorhaben durchführen, die Geld
kosten und die oft nicht zur Serie führen. Es ist das Normale bei einer militärischen Entwicklung, daß nur ein relativ kleiner Teil von Entwicklungen zur Serie führt. Es wäre eine Katastrophe, wenn jede Entwicklung zur Serie führte. Man brauchte nämlich dann einen Haushalt. der fünfmal so groß wäre, wie er jetzt ist. Deswegen, Herr Kollege Bußmann, verstehe ich eigentlich nicht ganz, was Sie mit „nicht weitergeführten Entwicklungen" und mit „Verschwendung" sagen bzw. angreifen wollten.
Es hat auf dem Sektor Senkrechtstarter unheimlich teure Entwicklungen gegeben. Die Luftwaffe hat mit Recht gesagt: Wir haben für die 70er Jahre noch keine Vorstellung. Auch die Effektivität - das Verhältnis: was leistet die Maschine, wie hoch ist ihre Nutzlast? - war noch nicht so, daß man dies in eine militärische Forderung hätte ummünzen können. Aber das Geld ist nicht vertan. Die 80er Jahre werden, dessen bin ich sicher, von senkrecht startenden Flugzeugen beherrscht werden, und die Entwicklungsarbeit, die wir auf diesem Gebiet geleistet haben, wird sich letztlich doch noch auszahlen. Niemand hat eine größere Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt als wir.
({0})
- Andere bauen die Flugzeuge, und wir entwickeln sie? Ich würde das so nicht sagen.
({1})
- In Serie baut heute noch niemand.
({2})
- Der „Harrier" ist ein Kurzstartflugzeug, er ist kein Senkrechtstarter; das ist der Unterschied. Die Entwicklung der 70er Jahre geht in Richtung Kurzstart und Kurzlandung. Der Senkrechtstarter wird die Entwicklung der 80er Jahre sein. Aber ich will das nicht zu einer technischen Debatte ummünzen, sondern nur soviel sagen: Ich bin davon überzeugt, daß das Geld auch für diese Entwicklung nicht vertan ist.
Als letztes erwähne ich das Beispiel der „Transall", das natürlich deshalb am eindrucksvollsten ist, weil Sie sagen können, daß der heutige enorme Stückpreis einer „Transall" eigentlich nicht gerechtfertigt ist. Hier gebe ich Ihnen recht. Aber wie ist die Geschichte der „Transall"? Das war nur eine deutschfranzösische Alternative zur amerikanischen „Hercules". Die damalige Regierung hat gewußt - es wurde, wie ich mich genau erinnere, von der damaligen Opposition gebilligt , daß man für dieses bilaterale Objekt einen gewissen politischen Preis würde zahlen müssen. Nachher wurde die Serie noch kleiner, und zwar dadurch, daß Frankreich weniger haben wollte, vor allem aber auch deswegen, weil die deutsche Luftwaffenführung nach der Korea-Krise und nach dem Bau der Mauer die Ersetzung der „Noratlas" durch eine sehr viel größere Anzahl von „Transall" vorschlug. Der Nachfolger des damaligen Inspekteurs der Luftwaffe erklärte dann aber: Nein, soviel brauche ich nicht. Das waren zwei Komponenten, die niemand vorausDr. Zimmermann
sehen konnte, als das bilaterale „Transall"-Projekt in die Beschaffung ging.
Ab einem bestimmten Moment gibt es bei jedem Waffensystem einen point of no return. Beim MRCA haben wir in diesem Jahr den vorletzten und werden im nächsten Jahr den allerletzten haben. Ab Herbst 1972 wird es, gleichgültig, wieviel Geld bis dahin ausgegeben sein wird, ob viel oder wenig, einen point of no return geben. Dann würde im Falle der Zustimmung das größte europäische Projekt auf dem militärischen Flugzeugsektor zu laufen beginnen und nicht mehr rückdrehbar sein.
Herr Kollege Bußmann, ich bin erstaunt darüber, daß Sie noch einmal die Geschichte mit der Kürzung von 5 Milliarden DM aufwärmen wollen. Es ist so eindeutig, daß ich hier das Richtige gesagt habe, daß ich Ihnen jetzt wirklich aus dem Ausschußprotokoll vom 10. Dezember 1970 nach der Tonbandaufnahme wörtlich zitieren muß, was der verantwortliche Rüstungsplaner des Verteidigungsministeriums gesagt hat:
Ich hatte damals darauf hingewiesen, daß es sich dabei nicht um eine Neuplanung des Rüstungsplans handelte
- er meinte den Zeitraum Frühjahr/Sommer 1970 -- dazu hatte die Zeit nicht ausgereicht -, sondern daß es von Seiten der Teilstreitkräfte erste Vorschläge waren, wie der bisher bestehende Rüstungsplan auf Grund der vorgegebenen Kürzungen im Programmzeitraum - wir hatten einen Betrag von insgesamt 5 Milliarden damals zugrunde gelegt - im Rahmen der bisherigen Planung aufgefangen werden konnte.
Dazu sagte ich in der gleichen Sitzung - ich muß mich selbst zitieren -:
Daraus ersehen Sie, daß wir für den Zeitraum von 1970 bis 1974
- so hatte zuvor der Rüstungsplaner gesagt ... 21,9 Milliarden Finanzvorgabe auf dem heutigen Stand der Rüstungsplanung zur Verfügung haben.
So also hatte vorher wörtlich der General ausgeführt. Dann sagte ich - dies mein Kommentar -: Wenn ich das vergleiche mit den Zahlen im Weißbuch, die ein paar Monate jünger gewesen sind als der 13. Juli, und zwar auf Seite 139, ({3}) : „Der fortgeschriebene Rüstungsplan sieht für die Jahre 1970 bis 1974 Aufwendungen von rund 27 Milliarden DM für Ausrüstung und Bewaffnung der Streitkräfte vor.
Herr Bußmann, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: aus diesem Tatbestand heraus war die Opposition berechtigt, in dem Zeitpunkt, in dem sie es getan hat, festzustellen, daß jetzt 5 Milliarden DM weniger drinstehen. Herr Bußmann, heute ist das schon wieder anders geworden, das weiß ich. Aber damals, vor einem halben Jahr, als diese Feststellungen das erste Mal getroffen wurden, waren es 5 Milliarden DM. Sie können das ganze Protokoll der Juli-Sitzung oder der Dezember-Sitzung des Verteidigungsausschusses durchblättern, Sie werden zum gleichen Ergebnis kommen müssen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bußmann?
Bitte sehr.
Herr Dr. Zimmermann, war es nicht so, daß die eigentliche Differenz zwischen uns darin bestand, daß Sie die Behauptung aufstellten, daß zugunsten von sozialen Maßnahmen und Weißbuchmaßnahmen eine Kürzung von 5 Milliarden DM bei der Rüstung vorgesehen war, während ich sagte: So trifft das nicht zu? Diese 5 Milliarden DM - das habe ich auch heute ausgeführt, das können Sie nachlesen - setzen sich zusammen aus 2,5 Milliarden DM echten Kürzungen für Weißbuchmaßnahmen, aus rund 1 080 000 000 DM für Kürzungen, die wir gemeinsam vorgenommen haben, und aus gut 1200 Millionen DM, die für die Entwicklung MRCA eingesetzt werden mußten. Dazu kamen noch etwa 200 Millionen DM für Erhaltung. Aber es ging darum, daß Sie den Vorwurf erhoben: Hier kürzt der Minister wichtige Rüstungsplanungen zugunsten von Sozialmaßnahmen, und das gefährdet auf die Dauer die Kampfkraft der Bundeswehr. Dem habe ich widersprochen.
Herr Dr. Bußmann, ich war nie so kindisch, Ihnen zu unterstellen, daß Sie den Betrag von 5 Milliarden DM, um den es sich hier gehandelt hat, etwa für Sozialmaßnahmen ausgeben wollen. Den Artikel, wo die 5 Milliarden DM das erstemal vorkommen, habe ich in „Wehr und Wirtschaft", also einer ausgesprochenen Fachzeitschrift, geschrieben, und der beinhaltete lediglich diese ganze Kürzung, wie sie damals vor uns stand. Wir sind dagegen angegangen. Wir haben dann argumentiert - das war für uns außerordentlich interessant -, daß in der Dezember-Sitzung des Verteidigungsausschusses der Verteidigungsminister - ich will es vorsichtig zitieren, das ist ein delikater Tatbestand - uns gesagt hat: Ich habe mittlerweile der NATO gewisse Dinge versprochen, und ich bin in manchen Positionen wieder flexibel nach oben gegangen. Ich will das nicht vertiefen. Wir haben das mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Da ist seit dem Sommer einiges passiert. Wir würden diese Behauptung - 5 Milliarden DM weniger - heute nicht mehr aufrechterhalten, weil sie heute nicht mehr stimmt. Aber sie hat im Sommer dieses Jahres gestimmt.
Herr Bundesminister der Verteidigung, darf ich mich jetzt Ihnen zuwenden. Verzeihen Sie mir, daß ich ein paar persönliche Bemerkungen an Ihre Adresse machen muß. Es fällt meinen Freunden und mir seit einiger Zeit auf, daß Sie Ihren üblichen Stil, den wir kennen, der brillant ist, der intellektuell ist, der rhetorisch glänzend ist, der dialektisch geschult ist, in zunehmendem Maße dazu verwenden, ein bißchen zu salopp zu werden.
({0})
- Ja, ich will das begründen meine Herren. Ich meine das ganz ernst. Ich sage das auch ganz freundschaftlich; Sie werden das gleich sehen. Das ist nicht so gemeint, daß wir uns jetzt über StilDr. Zimmermann
fragen unterhalten, aber ich muß hier ein paar Zitate vornehmen.
({1})
- Lassen Sie es mich doch tun, vielleicht mache ich es ganz gut. Sie werden es gleich sehen.
Sie haben vor einigen Monaten mehrfach mündlich und schriftlich beklagt, daß sich in der Bundesrepublik Deutschland die Rüstungsindustrie und die Abgeordneten, die damit zu tun hätten, zu häufig miteinander in Verbindung setzten oder daß die Abgeordneten zu viele Reisen dahin unternähmen usw. Sie haben da so einen Popanz „Rüstungslobby" an die Wand gemalt, ohne jemals etwas Konkretes darüber zu sagen. Sie haben einen Pappkameraden aufbauen wollen und wollten uns da so ein bißchen ins Gerede bringen.
Der Verteidigungsausschuß hat seine Reisen im Ausland und im Inland auch immer dazu verwandt, sich über die modernste Technologie für Marinegerät, für Luftwaffengerät und für Heeresgerät zu interessieren, und das muß er auch tun. Wenn ein parlamentarischer Ausschuß, bei dem viel Rüstung und Technik eine Rolle spielt und dem auf der Hardthöhe 5000 Köpfe gegenüber sitzen und im BWB in Koblenz mit Unterorganisationen 19 000 - das sind zusammen 24 000 -, darauf verzichtete, sich an Ort und Stelle, dort, wo Technologie gemacht wird und wo Technologie für heute, für morgen und für übermorgen gedacht wird, zu informieren, dann wäre er auch schon von der Information her Ihrem Haus und Ihrem Apparat - das gilt für jeden Minister, aber besonders für dieses Ressort - so hoffnungslos unterlegen, daß er sich in keiner einzigen Rüstungsfrage mehr ein Urteil erlauben könnte.
({2})
Sie haben in einem Interview am 1. Februar dem Interviewer des WDR folgendes gesagt:
Aber Sie haben auch recht mit der Feststellung - nun, ich will das Wort: „Ich leide darunter" so nicht übernehmen --, aber Sie haben recht mit der Feststellung, daß es natürlich in Wirklichkeit eine Schande ist, auf welchem Niveau und durch welche politischen Akteure die christlich-demokratische Opposition im Bundestag und in der Öffentlichkeit ihre Sicherheitspolitik vortragen läßt. Wenn man sich im Ernst vorstellt, daß der Kollege Dr. Klepsch im Bundestag mein Amtsnachfolger werden sollte, dann muß der Bundeswehr davor natürlich einigermaßen der Frack sausen.
({3})
-- Ich sehe, Ihnen gefällt das gut. Ich halte es nur nicht, wenn Sie mir das gestatten, für eine sehr ministrable Bemerkung.
({4})
Es handelt sich hier um die Kritik an einem Kollegen
({5})
- zunächst einmal der, der mit Namen genannt
ist -, der nur die halbe Zeit im Vergleich zum
Herrn Minister im Bundestag ist, der 15 Jahre jünger ist als der Herr Minister, der noch nicht die parlamentarische Erfahrung haben kann wie der Herr Minister.
({6})
- Das ist doch selbstverständlich. Hier so einen zweiten Popanz aufzubauen von wegen Amtsnachfolger und in dieser saloppen Art mit „Fracksausen", das erinnert so an den Stil von voriger Woche, wo der Herr Verteidigungsminister einen amerikanischen Außenminister von hohem Rang an Persönlichkeit und Namen ebenfalls auf seine Art und Weise qualifiziert hat und nachher dazu gesagt hat, seine Bemerkung sei salopp gewesen. Im Protokoll hat er das Wort „Dreck" durch „Kakao" ersetzt. Es wäre recht gut, wenn auch die Formulierung in diesem Interview vom 1. Februar noch in irgendeiner Art und Weise korrigiert werden könnte.
Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sperling?
Herr Zimmermann, könnten Sie Ihre Verteidigungsrede für den Abgeordneten Klepsch dadurch ergänzen, daß Sie ihn darauf hinweisen, er möge auch selber auf diesen Mangel an Erfahrung im Vergleich zum Verteidigungsminister Rücksicht nehmen, wenn er Äußerungen macht?
({0})
Ich überlasse es Ihnen, Herr Kollege, wen Sie aus Ihrer Fraktion oder - nach den Ausführungen des Verteidigungsministers von uns als künftigen Minister, als künftigen Parlamentarischen Staatssekretär oder in welcher anderen Funktion haben wollen; das überlassen wir alles Ihnen. Glauben Sie ja, daß das zu gegebener Zeit von den dafür zuständigen Leuten dieser Parteien und dieser Fraktion schon gemacht werden wird; das überlassen Sie besser uns. Es ist ein kindisches Spiel, das Sie hier betreiben wollen.
({0})
Den Äußerungen des Herrn Kollegen Schmidt über den Verteidigungsausschuß, über Kollegen der Opposition, über einen Staatsmann will ich noch eine hinzufügen, die er im Verteidigungsauschuß über seine Beamten gemacht hat. Er hat sie als „treu, fleißig und reinlich" bezeichnet. Das ist so ein Jargon, mit dem man in den zwanziger Jahren Zeugnisse über Dienstmädchen auszufertigen pflegte.
({1}) Auch das ist nicht untypisch.
Genauso wenig ist untypisch, daß der Verteidigungsminister in der Dezember-Sitzung des Verteidigungsausschusses sagte: Ich lasse mir in die Organisation meines Hauses nicht hineinreden. Er sagte es trotz der eindeutigen Rechtslage des Soldatengesetzes, das ein Organisationsgesetz für das BMVtdg ermöglicht, im Grunde sogar vorschreibt. Auch wenn man ein solches Gesetz nicht beabsichDr. Zimmermann
tigt, erfordert es eigentlich trotzdem Zurückhaltung mit solchen Redensarten.
Ich meine also, gerade wenn sich jemand intellektuell überlegen fühlt, sollte er ein Gefühl für mehr Fairneß anderen gegenüber, Gruppen gegenüber, der Opposition im ganzen gegenüber, ausländischen Politikern gegenüber, eigenen Beamten gegenüber haben. Es ist immer noch so, daß das Parlament zur Kontrolle der Regierung da ist, aber nicht ein Mitglied der Regierung zum Herumnörgeln am Parlament.
({2})
Herr Minister, am 24. Dezember 1970 hat „Die Welt" von Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und Ihrem Kollegen Genscher wegen der beabsichtigten Änderung der Eides- und Gelöbnisformel
„Bundesrepublik Deutschland" statt „deutsches Volk" - berichtet. Sofort nach den Weihnachtsfeiertagen sollen Ermittlungen durch das ES-Referat Ihres Hauses, das früher „Ermittlung in Sonderfällen" hieß und jetzt den Spitznamen „Indiskretionsreferat" trägt, eingesetzt haben, um festzustellen, wie „Die Welt" an einen diesbezüglichen Brief des Kollegen Genscher an Sie gekommen ist. Befragt wurden alle Bediensteten, durch deren Hand der Genscher-Brief gegangen war. Es mußten Erklärungen des Inhalts unterschrieben werden: a) daß der Bedienstete niemand über den Inhalt des Briefes unterrichtet habe und b) daß er keinen Mitarbeiter nennen könne, der als Informant in Frage komme.
({3})
Das letztere halte ich für eine ganz und gar unzulässige Handhabung; denn das ist praktisch eine Anstiftung zur Denunziation.
({4})
Am 16. Januar dieses Jahres hat „Die Welt" ausführlich über Kritik innerhalb des Verteidigungsministeriums am Rahmenkonzept für die Bildung, also am Ellwein-Papier, berichtet und dabei kritische Stellungnahmen Ihrer Hauptabteilungen VR und P erwähnt. Wir wissen, daß es darüber hinaus auch von Fü H eine ganze Serie kritischer Stellungnahmen gibt. Aber die beiden Stellungnahmen von VR und P wurden erwähnt. Das Ergebnis soll gewesen sein: erneute Ermittlungen durch das ES-Referat, wobei einige Bedienstete mehrfach durch meistens drei Vernehmende mit entsprechender Protokollführung verhört wurden. Die Betroffenen sollen angewiesen worden sein, von den Verhören niemanden zu unterrichten.
({5})
Herr Verteidigungsminister, jetzt zitiere ich Sie aus der Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 10. Dezember 1970. Sie sagten, als es um Indiskretionen aus Ihrem Hause ging:
Ich bin meiner Haltung nach zu vornehm, um im
Einzelfall die Indiskretion nachprüfen zu lassen.
Ich bitte Sie zu sagen, ob Sie noch der Auffassung vom 10. Dezember sind, daß Sie eigentlich zu vornehm sind. Oder führen diese pausenlosen Ermittlungen Leute durch, von denen Sie gar nichts wissen? Vielleicht hat irgendein anderer angeordnet,
in dieser Art und Weise, mit dieser Aufforderung zur Denunziation usw., vorzugehen.
({6})
Sie sagten vorhin, Herr Kollege Schmidt, daß die zwei Absätze, die der Kollege Klepsch aus dem NATO-Beschluß zitiert habe, genau die seien, die von ihnen stammten. Herr Minister Schmidt, wo kämen wir eigentlich hin, wenn in Zukunft jeder Verteidigungsminister der Allianz bei 12 oder 15 Punkten bei sich zu Hause im Parlament sagte: „Aber die Punkte 1 und 4, die sind von mir!".
({7})
Wenn die Verteidigungsminister von Großbritannien, der Vereinigten Staaten, Portugals und Islands so verfahren würden, wäre das gar kein gemeinsames Papier mehr, sondern es wäre ein Papier, unter das jeder Minister für einen bestimmten Absatz die eigene Unterschrift setzte. Ich halte das eigentlich nicht für einen richtigen Stil. Ein gemeinsames Papier sollte ein gemeinsames Papier bleiben, und niemand sollte für sich dies oder jenes in Anspruch nehmen, auch wenn es sich tatsächlich so verhält, Herr Kollege Schmidt, woran ich gar nicht zweifele. Es sollte nicht gesagt werden.
Herr Minister, Sie sagten vorhin in der Debatte: „Ich lasse mich nicht zu übereilten Geldausgaben drängen." Ich sage Ihnen hier, daß wir nicht daran denken, Sie zu übereilten Ausgaben zu drängen. Wenn ich mir den Haushalt dieses Jahres ansehe, und über den Haushalt sollten wir ja eigentlich
reden ({8})
- das tue ich ja gerade -, muß ich sagen: Dieser
Haushalt hat durchaus einen respektablen Umfang. Nur: es genügt ja nicht, allein den Haushalt 1971 anzusehen. Man muß auch die Jahre 1972, 1973 und 1974, also den ganzen Bereich der mittelfristigen Finanzplanung, ansehen.
({9})
- Einen Moment, Herr Kollege Pawelczyk, ich bin mitten in einem Satz; Sie entschuldigen, daß ich den Satz zu Ende führe.
Wenn Sie die zweite Hälfte Ihrer mittelfristigen Finanzplanung betrachten, dann sehen Sie, daß zwei Fünftel der Gesamtausgaben für zehn Jahre im ersten Zeitraum, in der Amtszeit dieses Ministers stecken, und daß er drei Fünftel für den nächsten Amtsinhaber übrig läßt. In diesem Verteidigungshaushalt ist ein Fünftel ein enormer Betrag. Ein Fünftel mehr für die nächste Periode sind zwischen 10 und 20 Milliarden DM mehr als für die erste Periode. Das heißt, nachher kommt beim Geld die große Ebbe und bei den Ausgaben die ganz große Flut; denn das Gros der Ausgaben für MRCA usw. befindet sich in der zweiten Periode.
Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, als werde das hier bewußt in Kauf genommen. Sie werden von mir keine Nadelstiche, kein kleinliches Herummäkeln an einer einzigen Zahl oder an irgendeinem Projekt hören. Ich beschränke mich auf diesen
ganzen Zeitraum. Sie werden mir schwerlich widerlegen können, daß man hier Sorgen haben muß.
Nun zu strategischen Problemen. Ich will zu den Rüstungsproblemen, zu denen man viel sagen könnte, nichts mehr sagen; meine Redezeit geht zu Ende. Außerdem haben wir in wenigen Wochen eine Debatte, in der wir uns darüber sehr ausführlich - ich hoffe: einen ganzen Tag lang unterhalten können.
Ich will noch ein paar Gedanken zum Rahmenkonzept für Bildung und Ausbildung in der Bundeswehr äußern. Wir hätten dem Institut einen besseren Start gewünscht, als es durch die Äußerungen einzelner seiner Mitglieder geglückt ist.
Der Wehrbeauftragte ist um Stellungnahme gebeten worden. An dieser Stelle muß ich eine juristische Einschließung machen. Es ist nicht in Ordnung, wenn das Verteidigungsministerium den Wehrbeauftragten unmittelbar um eine gutachtliche Stellungnahme zu irgendeinem Konzept des Hauses ersucht. Der Wehrbeauftragte ist das Hilfsorgan des Parlaments
({10})
und untersteht in seiner Aufgabenstellung dem Verteidigungsausschuß. Wenn in Zukunft ein solches Gutachten ,erbeten werden soll, was selbstverständlich immer möglich ist, wäre ich dankbar, wenn die Anforderung über das Parlament geleitet und nicht der Wehrbeauftragte unmittelbar um eine solche Stellungnahme gebeten wird.
Der Wehrbeauftragte hat die Stellungnahme abgegeben und am 7. Januar 1971 folgendes geschrieben:
Unüberlegte und unkontrollierte Äußerungen von Mitarbeitern des Vorsitzenden der Kommission sind nicht geeignet, das Vertrauen der Truppe in die Richtigkeit des Rahmenkonzepts und die Notwendigkeit seiner Verwirklichung zu stärken.
Das ist für den Wehrbeauftragten ein bemerkenswerter Satz. Ich habe dem wenig hinzuzufügen.
Es mag auch vertretbar sein, im stillen Kämmerlein abstrakte Überlegungen zu diesem Bildungskonzept anzustellen. Aber daß man ohne die geringste Rücksicht auf die Realisierbarkeit in zeitlicher, finanzieller und personeller Hinsicht solche Überlegungen in die Öffentlichkeit gibt, war sicher nicht der Weisheit letzter Schluß. Man hat unnötige Hoffnungen und Befürchtungen geweckt. Auch unnötige Befürchtungen! Eine umrißhafte Erwähnung der zeitlichen, personellen und finanziellen Anstrengungen wäre notwendig gewesen.
Wir werden uns im März mit dem Konzept im Verteidigungsausschuß auseinandersetzen. Wir werden uns in einer Verteidigungsdebatte im März mit den großen Fragen auseinanderzusetzen haben. Ich will nur, damit es noch mit einfließt in Ihre Überlegungen, die Sie im März abschließen wollen, noch einmal den Wehrbeauftragten zitieren:
Auch das Rahmenkonzept spricht davon, daß viele militärische Konzeptionen unmittelbar mit entsprechenden zivilen Tätigkeiten vergleichbar sind.
Er schreibt weiter:
Mir ist jedoch bisher keine systematische Übersicht jener militärischen Tätigkeiten bekannt, die diesen unmittelbaren Übergang in zivile Tätigkeiten garantieren. In den Forschungsergebnissen der von Ihrem Haus beauftragten Systemforschung heißt es hierzu, daß die Stellenpläne des Heeres nur relativ wenige Tätigkeiten ausweisen, die einen unmittelbaren Vergleich mit zivilen Tätigkeiten erlauben. Nur 4 % von 3097 befragten Zeitsoldaten der Heeres waren während ihrer Dienstzeit in einer Funktion verwendet worden, die mit ihrem zivilen Beruf etwas zu tun hatte.
An diesem einen Beispiel mag klarwerden, wie vorsichtig und subtil das Bildungskonzept und seine Auswirkungen zu beraten sein wird. Für mehr Bildung braucht man in dem Moment, wo das wirklich losgeht, mehr Ausbilder. Eine Verkürzung der Dienstzeit um zwei Monate bedingt wieder mehr Ausbilder. Wir haben also schon einige Komponenten, die alle in dieselbe Richtung gehen,
({11})
auch wenn es in diesem Jahr zu einer gewissen Verbesserung gekommen ist. Aber das macht uns allen Sorge.
Ich hoffe, daß wir die richtige Atmophäre für die Beratung dieses Konzepts haben und daß wir uns darüber klar sind, daß bei allen guten Absichten zunächst einmal die Schwierigkeiten in jeder Beziehung viel größer sind, als daß Jubel jetzt schon am Platze wäre.
({12})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf einen einzigen Punkt eingehen. Ich will hier niemandem etwas wegnehmen; aber es kann mir niemand abnehmen, auf diesen Punkt einzugehen, weil in der betreffenden Angelegenheit sonst niemand dabei war. Der Kollege Zimmermann wird sich daran erinnern, daß ich im Dezember im Auswärtigen Ausschuß und im Verteidigungsausschuß und auch in der Debatte in diesem Plenum in der letzten Woche, für die Bundesregierung sprechend, gesagt habe, daß die Bundesregierung den gesamten Inhalt beider Papiere für mit ihrer Politik übereinstimmend erklärt. Es kann also kein Zweifel bestehen, daß ich mir nicht bloß den einen oder anderen Absatz ausgesucht habe.
Der freundliche oder unfreundliche Zufall, Herr Zimmermann, hat es nun wirklich gewollt, daß just der Passus, den Ihr Kollege hier zitierte, in der Plenarsitzung des NATO-Rates ganz zum Schluß auf meinen Antrag noch einmal geändert wurde. Dies hier vorzutragen, wird auch in Zukunft mein Recht sein, und ich werde auch davon Gebrauch machen, wenn Sie mir wieder einmal ausgerechnet das vorhalten sollten, was von mir selbst stammt.
({0})
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden sicher nicht erwarten, daß die Debatte jetzt noch über Gebühr verlängert wird. Aber auf die Anstände, die der Kollege Dr. Zimmermann hier vorgebracht hat, muß doch von unserem Hause aus erwidert werden dürfen.
Gestatten Sie mir, daß ich zu einem Punkt, dei insbesondere in den Schlußbemerkungen des Kollegen Zimmermann eine Rolle gespielt hat, ein paar Bemerkungen mache. Ich meine die Frage des Rahmenkonzeptes der zukünftigen Ausbildung und Bildung von Soldaten.
Herr Kollege Zimmermann, Sie haben davon gesprochen, Sie hielten das Verfahren, eine so breite Öffentlichkeit in die Diskussion einzubeziehen, für falsch. Hier sind wir wirklich ganz verschiedener Auffassung. Wir glauben, daß die Umstellung der Ausbildung von Soldaten - gleichgültig, ob es sich um Unteroffiziere oder um Offiziere handelt - wirklich einen einschneidenden Akt darstellt. Darin sind wir mit Ihnen einer Meinung.
Wir meinen aber, daß das Verständnis besser geweckt wird und besser reifen wird, wenn in diese lange und breite Diskussion die Betroffenen und andere schon rechtzeitig eingreifen können. Daher waren wir bereit, schon die „Kladde", wie es hieß, im Verteidigungsausschuß zur Diskussion zu stellen. Wir sind bereit, mit dem Ausschuß das Konzept zu diskutieren. Wir sind bereit, mit anderen Institutionen, die sich mit Ausbildungs- und Bildungsfragen beschäftigen, über dieses Konzept zu reden. Ich glaube, Sie sollten Ihre Einstellung noch einmal überprüfen.
Ich weiß nicht, ob ich Sie an einem Punkt ganz richtig verstanden habe. Sie machten eine Bemerkung, daß auch noch in Zeitungen und auf Tagungen über das Rahmenprogramm bestimmte Bemerkungen sowohl zu früh als auch falsch und schlecht interpretiert zur Sprache gebracht worden seien. Ich habe hier eine Sonderinformation für Kommandeure vor mir, verfaßt vom Generalinspekteur der Bundeswehr und auch unterschrieben vom Generalinspekteur der Bundeswehr. Sie stammt vom 18. Januar. Ich will Sie damit nicht langweilen. Sie haben das Papier selbst. Ich möchte Sie aber daran erinnern, daß der Generalinspekteur sich die Mühe gemacht hat, sowohl mit dem einen Betroffenen, einem Offizier, als auch mit dem anderen Betroffenen, einem Beamten im nachgeordneten Bereich, zu sprechen. Er kommt dann zu dem Ergebnis, er habe sich von der Glaubwürdigkeit beider Herren überzeugt.
({0})
- Sie haben ja das Papier.
({1})
- Sie wissen ja, daß es bei solchen Auseinandersetzungen immer Mißverständnisse und Fehlinterpretationen gibt, hinsichtlich derer auch in späteren
gründlichen Untersuchungen nicht feststellbar sein wird, wer denn nun die Wahrheit gesagt hat.
Ich habe jedenfalls, um es ganz klar zu sagen, Herr Kollege, diese beiden Herren auch noch in meinem Dienstzimmer bei mir gehabt und mit ihnen gesprochen. Ich habe keinen Anlaß zu sagen: Ich vertraue diesem mehr als jenem. - Aber ich habe erst recht keinen Anlaß zu sagen: Dieser oder jener scheint es mir mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. - Da die Sache nicht zu klären ist, wie es meistens in solchen Fällen ist, ist es, glaube ich, das beste, wenn man endlich darüber schweigt und nicht immer Behauptungen aufstellt, die man doch nur sehr einseitig belegen kann.
Herr Kollege Zimmermann, Sie haben hier noch einmal gerügt, daß der Minister in einer vielleicht zu saloppen Form bestimmte Mitarbeiter qualifiziert hat. Ich gehe auf diesen Dreiklang nicht mehr ein. Sie meinten, hier wären Bezeichnungen verwendet worden, wie man sie in den 20er Jahren oder davor Dienstmädchen ins Zeugnis schrieb. Ich will Ihnen sagen: Wenn ich so durch die Landschaft sehe, wäre ich mitunter froh, wenn die nachwachsende Generation - jedenfalls ein Teil der nachwachsenden Generation - etwas treuer, etwas fleißiger, etwas
({2})
reinlicher wäre. - Danke schön, Herr Damm! Ich wollte diesen Dreiklang ja nicht nennen; ich habe hier nur als Ihr Echo gewirkt. Nur würde ich hier sagen, Herr Dr. Zimmermann: Auch da unterliegen Sie der Gefahr, daß Sie ein paar Bemerkungen, die einmal so gesprochen werden, in ein Licht bringen, welches nun zu grell die Sonne auf den „Größten" richtet.
({3})
- Ja, Herr Haase, Sie müssen uns schon zubilligen,
daß wir antworten, wenn wir hier gestellt werden.
({4})
Es tut mir leid, Herr Rösing, ich habe nicht zu verantworten, daß wir statt um 15 Uhr erst nach 17 Uhr drangekommen sind.
Herr Dr. Zimmermann, ich sage das hier mit großer Beklemmung und daher eben auch etwas salopp. Sie wissen genau, warum: weil mich zu dem Mann, dessen Parlamentarischer Staatssekretär ich bin, ein sehr enges menschliches Verhältnis bindet. Ich möchte nur sagen: Es ist nicht gut, wenn man ein falsches Bild des Verteidigungsministers in die Öffentlichkeit bringt.
Nun lassen Sie mich noch einmal folgendes sagen. Sie wollen mitwirken? - Wir sind dafür, daß Sie mitwirken.
({5})
- Muß es denn noch einmal sein? Das hat doch Herr Haase nun schon ausgeschlachtet.
({6})
- Das erste da oben? Das ist ganz richtig.
Schauen Sie mal hin! Dann können Sie vergleichen.
So sieht er aus. Genauso sieht er aus; das ist richtig.
Nun, Herr Dr. Zimmermann, man wirkt am allerbesten mit durch Gesetzentwürfe und Anträge. Aber
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
man wirkt am schlechtesten mit, -- - Entschuldigen Sie, Herr Kollege Damm, Sie wollten eine Frage stellen; ich habe das übersehen.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie in Kenntnis des Satzes hier in dem Bilderbuch über Herrn Schmidt, nämlich des Satzes - ich zitiere - : „Berkhans Seelenruhe wirkt auch lindernd auf Schmidts Temperament", jetzt so zurückhaltend sprechen
({0})
und ob Sie bereit sind, das gegenüber Ihrem Minister in die Praxis umzusetzen.
({1})
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Damm, ich weiß ganz sicher, daß Sie auf diese Frage keine Antwort erwarten. Es ist ja fast unmöglich, daß ich mich hier selbst qualifiziere. Ich könnte mich vielleicht disqualifizieren oder mich entschuldigen, aber ich kann dazu keine Stellung nehmen. Außerdem: Temperament muß ja nicht immer ein Fehler sein. Vielleicht ist es ein Fehler, wenn man so langweilig ist wie ich.
Lassen Sie mich fortfahren: Sie wirken am besten mit durch Beteiligung an Gesetzen und durch Anträge, aber auch dadurch, daß Sie fragen.
Sehen Sie, Sie haben hier beanstandet, daß das Referat ES jetzt zu einem „Indiskretions-Referat" geworden wäre. Es gibt nur den einzigen Fall, den Sie genannt haben. Dieser Fall ist nicht durch uns initiiert, vielmehr hat uns ein anderes, betroffenes Ministerium gebeten, doch einmal nachzusehen, was da los sei.
Darüber hinaus gibt es noch einen zweiten Anlaß: Einer unserer hohen Beamten - ich möchte ihn hier nicht mit Namen nennen; aber Sie kennen ihn hatte die Absicht, ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zu beantragen. Er wollte sich nämlich von dem Vorwurf befreien, er sei derjenige gewesen, der diese Indiskretion begangen habe. Dem mußten wir begegnen. Ich kann Sie beruhigen: Es gibt keinen „Genscher-Brief ". Sie können sich davon überzeugen. Bitte, besuchen Sie mich, dann zeige ich Ihnen den Schriftwechsel. Es gibt keinen GenscherBrief, sondern es gibt eben nur diese Indiskretion.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer?
Herr Staatssekretär, wie qualifizieren Sie denn diese Frage, ob einer der dort Befragten wisse, ob ein anderer, ein Dritter, dafür in Frage komme, eine solche Information gegeben zu haben? Wie würden Sie es qualifizieren, solche Fragen an Beamte und Offiziere zu stellen?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Diese Frage, Herr Kollege Althammer, ist durch die Rechtsabteilung des Hauses gepruft worden, und die hat keine Anstände darin gefunden. Juristen sind gefragt. Sie
fragen mich hier allerdings wahrscheinlich als Politiker.
({0})
-- Da muß ich Ihnen sagen: Es ist der erste Fall, den wir betrieben haben. Im Grunde genommen neigen wir überhaupt nicht dazu,
({1})
solchen Dingen nachzugehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hätte diese Frage nicht gestellt.
({2})
lch will Ihnen auch sagen, warum: weil ich einen anderen nicht auffordern würde, etwas anzuzeigen, wovon er Kenntnis hat.
({3})
Nichts desto weniger, Herr Althammer, müssen Sie zugeben - es wird Ihnen natürlich schwerfallen -, daß diese löcherige Hauptstadt Bonn dicht gemacht werden muß. Vielleicht ist das ein ungeeigneter Fall gewesen. Aber wir haben ein paar andere Beispiele, die Ihnen zeigen, daß wir alle gemeinsam hätten rechtzeitiger aufpassen müssen. Ich schließe die mit ein, für die ich politische Verantwortung trage.
Nun ein paar Bemerkungen, Herr Kollege Zimmermann, zu Herrn Ellwein. Herr Ellwein ist ein freier Mann. Er kann so viele Leserbriefe schreiben, wie er will. Herrn Ellwein steht es aber auch frei, einmal mit jemandem darüber zu reden, ob man das für zweckmäßig hält oder nicht. Z. B. habe ich einmal mit ihm über einen Leserbrief geredet. Jeder hat da so seine Meinung. Hier fühle ich mich nicht frei, ein privates Gespräch ganz offen darzulegen. Ich kann Ihnen nur sagen: er kann schreiben, was er will; er kann auch in Zukunft schreiben, was er will. Sie können über ihn auch schreiben, was Sie wollen. Nur müssen Sie sich dann sagen lassen, daß es schwierig ist, hier Namen von Leuten in die Diskussion zu bringen, die sich hier nicht selbst wehren können. Das ist immer das Problem, wenn Beamte oder Offiziere mit Namen genannt werden.
Da bin ich noch einmal bei Ihnen, Herr Kollege Klepsch. Es blieb Ihnen vorbehalten, noch einmal nachzufragen, was denn da eigentlich mit einem Oberst wäre, dessen Namen ich nicht nenne, weil ich ziemlich sicher bin, daß er in seinem letzten Dienstjahr steht. Dieser Herr hat einen Vortrag vor Reserveoffizieren gehalten, bei dem auch Pressevertreter anwesend waren. Es war eine gewisse Öffentlichkeit hergestellt. Dabei ist ihm ein kleiner Fehler unterlaufen, den ich hier nicht wiederholen will. Aber ich bin bereit, Ihnen das hinterher zu zeigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Aufmerksamkeit für den Staatssekretär. Ich bitte Herrn Kollegen Hermsdorf, nicht eine Konkurrenzrede zu halten.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Es tut mir leid, Herr Hermsdorf, ich höre Sie so gern reden. - Da ist ihm ein kleiner Formfehler unterlaufen. Dies wurde in einer Zeitung offenbar. Das war Anlaß für
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
seinen direkten Vorgesetzten, dessen Namen ich auch nicht nenne, ihn zu befragen und sich berichten zu lassen. Der wiederum hat an den nächsten Vorgesetzten weiterberichtet. Zwischenzeitlich ist dann auf Grund dieses Zeitungsartikels ein Brief der Jungsozialisten bei mir eingegangen. Aber schon vorher waren die Disziplinarvorgesetzten tätig.
Und nun zu diesem Wort „belehren", dafür kann ich gar nichts. Als man mir das für die Fragestunde in die Papiere geschrieben hatte, habe ich gesagt: Um Gottes willen, da wird doch mein Freund Klepsch kommen und sagen: da sieht man doch den alten Schulmeister. - Dann haben mich hohe Generale belehrt und haben gesagt: Das ist so üblich; ein Soldat wird eben belehrt. Nun haben wir diesen Fall doch hoffentlich endlich ausgestanden. Wenn Sie Zweifel haben, kommen Sie zu mir. Ich zeige Ihnen das. Ich mag es nur nicht, daß hier Namen von hohen Offizieren und hohen Beamten im Parlament genannt werden, die selbst nicht an dieses Podium treten können, um zu sagen, was ist.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Herr Abgeordneter Stahlberg!
Herr Staatssekretär, ist nun in dem Ausschuß, in dem man über Bildung und Ausbildung gesprochen hat, wirklich abgestimmt worden? Ich habe jetzt schon mehrfach vom Herrn Minister gehört, daß dies ein anständiges Votum gewesen sei. Ist meine Information falsch, daß in dem Ausschuß nicht abgestimmt worden ist?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Stahlberg, ich gehöre dieser Kommission nicht an. Sie reden jetzt wahrscheinlich wieder von dem Rahmenkonzept. Oder bin ich falsch informiert? - Sie reden von dem Rahmenkonzept. Ich gehöre dieser Kommission nicht an. Und kann Ihnen nicht sagen, ob abgestimmt wurde. Aber ich werde mich jetzt danach erkundigen. Nur will ich Ihnen sagen: aus meiner Lebenserfahrung weiß ich, daß man bei solchen Kommissionen und Sitzungen nicht unbedingt das Verfahren anwendet, welches förmlich für ein Parlament vorgeschrieben ist. Man ist verpflichtet, in einer solchen Kommission seine gegenteilige Meinung kundzutun, seine gegenteilige Meinung möglichst sogar als eine Minderheitsmeinung zu formulieren, damit sie in das Gutachten mit hineinkommt. Wir möchten ja gerne wissen, wenn jemand ganz anderer Auffassung ist. Ich bin erstaunt, so etwas von Ihnen zu hören. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihrem Informanten einmal sagen würden, es wäre dann allerdings an der Zeit, daß er sich bei seinem Minister oder bei mir oder, wenn er kein Vertrauen zu uns hat, bei einem anderen Herrn der Leitung meldet und einmal sagt, wie er denn das organisiert hätte. Wir sind ja begierig auf den Rat dieser Fachleute und sind gar nicht darauf aus, diesen Rat abzuwimmeln oder zu unterdrücken. Wir haben gar kein Interesse daran, von Anfang an eine einheitliche Konzeption durch eine Kommission vorgeschlagen zu bekommen, sondern wir möchten
durch eine lange und breite Diskussion ein besseres Konzept, das alles einschließt und Irrtümer möglichst gering hält, vorbereiten. Das ist die Situation, Herr Kollege Stahlberg; es liegt hier keine Unterdrückung vor.
Wieder zur Rede von Kollege Zimmermann. Wir werden also auf das Zahlenspiel eingehen, wahrscheinlich in der großen Debatte zur Anfrage der SPD bzw. zur Anfrage der CDU/CSU, die ich noch nicht gesehen habe. Aber ich will Ihnen nur eines sagen. Ich könnte natürlich mit ein paar anderen Zahlen aufwarten, weil wir immer davon ausgehen müssen, was man in die Zahlen hineinrechnet. Wenn wir die NATO als Ganzes betrachten, haben wir einen sehr guten Durchschnitt. Wir liegen genau in der Mitte, und ich glaube, wir können uns damit sehen lassen.
Lassen Sie mich abschließen. Ich möchte Ihnen sagen: Seien Sie nicht immer so empfindlich, wenn der Minister einmal ganz klar sagt, wie seine Position ist und dabei vielleicht eine andere Tonart anschlägt als ich oder ein anderes Mitglied dieses Hauses! Sie können deshalb nicht so empfindlich sein, weil Sie ja -- ich mache jetzt meine Kiste nicht mehr auf, Herr Klepsch; ich habe mich natürlich auch vorbereitet - immer davon ausgehen müssen, daß Sie auch nicht gerade vornehm mit uns umgehen. Da wurde z. B. weder die Behauptung aufgestellt, ich hätte die Zusage nicht eingehalten, die Gesetze lägen am Ende der Sommerferien auf dem Tisch des Hauses. Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Klepsch - ich könnte jetzt vorlesen, was da war -: dann muß man auch sein Fach leeren. -Nehmen Sie das nicht so ernst. - Man darf diese Arbeit nicht nur seinem Assistenten überlassen, sondern muß schon selber lesen und sich ansehen, was da ist. Prüfen Sie einmal nach, was wirklich da war! Ich kann Ihnen das zur Not schriftlich geben.
Das Angebot von Herrn Petersen nehmen wir gerne an. Sie können mit uns gemeinsam Grundfragen der Landesverteidigung und der Sicherheitspolitik nicht nur diskutieren, sondern auch hantieren und auch zu Beschlüssen kommen. Aber das setzt ein Mindestmaß an Zurückhaltung in der öffentlichen Diskussion voraus.
({0})
- Die Schrauben, das war ich.
({1})
Ja, das war etwas anderes.
Aber man kann doch aus seinen Fehlern lernen. Hoffentlich lernen Sie in einer langen Zeit der Opposition, wie man es in der Opposition besser macht. Ich wünsche Ihnen die Bänke der Opposition so lange, wie wir dort gesessen haben.
({2})
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 14 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Wir stehen am Ende der Beratungen. Nunmehr erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Klepsch zu einer persönlichen Bemerkung nach § 35 der Geschäftsordnung,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Minister der Verteidigung hat hier in der vorigen Woche gesagt, daß ich die Bundeswehr dauernd durch den Dreck ziehe. Er hat das verbessert in „durch den Kakao zieht". Er hat sich heute zu dieser Äußerung bekannt und dafür als Beweis meine Stellungnahme angeführt, die ich der „Welt am Sonntag" zugesandt habe und die sich angeblich aus Verdächtigungen höchst ehrenwerter Generale der Bundeswehr zusammensetzt.
Ich glaube, das Haus hat ein Recht darauf - da der Herr Minister es unterlassen hat, diese schrecklichen Verdächtigungen hier bekanntzugeben -, sie zu erfahren, Ich lese sie Ihnen aus der Zeitung im Wortlaut vor.
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- Ich zitiere aus der „Welt am Sonntag", in der sie
erschienen sind. Es handelt sich um eine Stellungnahme zum sogenannten Ellwein-Konzept. Sie lautet:
Im Ellwein-Konzept fehlt eine Untersuchung darüber, aus welchen Gründen sich Wehrpflichtige entscheiden, Zeit- oder Berufssoldaten zu werden. Das gilt sowohl für Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere.
Aus dem Ellwein-Konzept geht nicht hervor, in welchem Maße Bildung, Ausbildung und Berufsförderung in Einrichtungen außerhalb der Bundeswehr möglich sind, zum Beispiel Arbeitsverwaltung.
Das Ellwein-Konzept beachtet nicht, daß durch die Verstärkung und Verlängerung der Berufsförderung für Zeitsoldaten die Dienstzeit dieser Soldaten bei der Truppe verringert und dadurch in entscheidenden Bereichen die Kampfbereitschaft beeinträchtigt wird.
Aus dem Ellwein-Konzept sind nicht die finanziellen Folgen der Vorschläge ersichtlich. Es fehlt jeder Ansatz für eine auch nur globale Kostenschätzung.
Die Ellwein-Kommission hat nicht die gegenwärtige Sach- und Rechtslage geprüft, sondern nicht praxisbezogene Vorschläge unterbreitet.
Das Ellwein-Konzept steht ohne den notwendigen Bezug auf die noch zu erarbeitende Wehrstruktur.
Es ist bedauerlich, daß Helmut Schmidt, der die Truppe aufgefordert hat, zu dem Ellwein-Konzept Stellung zu nehmen, ihr so wenig Zeit für eine gründliche Prüfung eingeräumt hat.
Alle diese Positionen halte ich uneingeschränkt aufrecht, und wer sie lauter liest, wird feststellen, daß nicht die geringste Verdächtigung in ihnen enthalten ist. Soviel zu der Begründung des Herrn Verteidigungsministers für seine Formulierung, ich zöge die Bundeswehr dauernd durch den Dreck.
Nun komme ich zu einer zweiten Feststellung. Er hat mir hier aus einem Artikel - etwas aus dem Zusammenhang genommen - eine Formulierung von mir über die Fregatten aus dem Sommer des vergangenen Jahres vorgehalten. Ich darf sagen, daß ich in allen Punkten unverändert zu dem Inhalt dieses Artikels stehe, unverändert zu allem, was in diesem Artikel steht, mit dieser Ausnahme - ich will sie kurz begründen -: Damals war das noch das offizielle Konzept des Weißbuches, das der Herr Schmidt uns vorgelegt hat. Er hat sich dann anders entschieden. Ich hielt eben an dem Marine-Konzept, das uns vorlag, noch fest, wenn auch Kollegen meiner Fraktion, wie der Kollege van Delden, längst anderer Auffassung waren. Ich stehe nicht an, heute hier einzuräumen, daß ich in dieser Frage meine Meinung revidiert habe, wenn ich auch bedaure, daß bis zur Stunde das die Fregatten ersetzende MarineKonzept dem Hause noch nicht vorliegt.
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Zu einer persönlichen Bemerkung der Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lege Wert auf die Feststellung, daß Ausführungen, die ich heute abend gemacht habe und die den Kollegen Dr. Klepsch betrafen, sich nicht auf einen Aufsatz an einer unbestimmten Stelle bezogen haben, sondern auf seinen Aufsatz im CDU-Monatsblatt, in dem es wörtlich hieß:
Wir brauchen keine Ausbildungs- und Bildungskommission für die Abschaffung der Armee. ({0})
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag, 9 Uhr, ein. Sie beginnt mit der Fragestunde. Anschließend, wird um 10 Uhr der Einzelplan 08 behandelt.
Die Sitzung ist geschlossen.