Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Staatssekretär, können Sie mir eine Antwort auf die Frage geben, ob die Opfer überhaupt eine Entschädigung über die Sozialgesetzgebung zu erwarten haben, was ja in diesem Artikel verneint wird?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Es kommt immer auf den Einzelfall an, gnädige Frau.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, haben Sie die Antwort auf meine Frage zusammen mit dem Ressort für Arbeit und Sozialordnung erarbeitet? Besteht hier überhaupt ein Kontakt im Hinblick auf diese Fragen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Nein, gnädige Frau. Wir prüfen die Fragen seit einigen Wochen. Vorerst ist eine ganze Reihe auch juristischer Fragen zu klären, z. B. die Frage, ob der Bund überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet hat. Sobald wir - ich schätze, das wird in einigen Monaten der Fall sein - ein Ergebnis unserer Überlegungen und Prüfungen haben, werden wir an die beteiligten Ressorts, selbstverständlich auch an den Bundesminister für Arbeit, herantreten und Ihnen unsere Überlegungen und unser Prüfungsergebnis bekanntgeben.
Präsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, diese Überlegungen, Ermittlungen und Untersuchungen zu beschleunigen, da hier, wie Sie mir ja wohl zugeben, ein offensichtlicher Notstand vorliegt?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Selbstverständlich gnädige Frau. Ich bin der Meinung, daß unser Haus seine Prüfungen vielleicht noch in diesem Jahr abschließen kann.
Präsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß es nicht nur, wie Sie vorhin formuliert haben, von juristisch schwerwiegenden Tatbeständen abhängt, sondern auch von dem Schweregrad der Verletzung des einzelnen Unfallopfers, ob von irgendeiner Seite eine Hilfe notwendig ist?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Ganz selbstverständlich.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, würden Sie in Ihre Überlegungen die Frage einbeziehen, ob es möglich ist, eine nationale Stiftung zu
gründen, die für solche Fälle zuständig wäre und die in anderen Bereichen nicht unterzubringen ist?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Wir sind dabei, das Problem auch in dieser Richtung zu prüfen.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt; ich darf Ihnen, Herr Staatssekretär Dr. Bayerl, für die Beantwortung danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Hansen auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Bund, Länder und Gemeinden die gesellschaftliche Ruckgliederung von Straffälligen den Zufälligkeiten des Arbeitsmarkts und der Bereitwilligkeit der Arbeitgeber überlassen, obwohl von Regierungen wie Parlamentariern verstärkte Bemühungen zur Resozialisierung ehemaliger Strafgefangener gefordert werden?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Rohde.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich teile die Sorge um die Wiedereingliederung von Strafgefangenen in Beruf und Gesellschaft, die sich in Ihrer Frage ausdrückt. Auf diesem Gebiet sind Bemühungen erforderlich, die von einem auf Wiedereingliederung ausgerichteten Strafvollzug bis hin zum Abbau jener Vorurteile reichen müssen, die immer wieder die Bereitschaft zur Anstellung früherer Strafgefangener einschränken.
Um zu einer grundlegenden Reform des gegenwärtigen Strafvollzuges zu kommen, hat im Jahre 1967 der damalige Bundesjustizminister Dr. Heinemann eine Strafvollzugskommission berufen. Die Kommission hat Anfang dieses Jahres ihre Beratungen abgeschlossen. Nach ihren Vorschlägen soll die soziale Hilfe für Entlassene als eine gemeinsame Aufgabe des Staates und der Gesellschaft angesehen werden. Alle staatlichen und kommunalen Behörden sollen gesetzlich verpflichtet werden, jede Hilfe zur Eingliederung der Straffälligen zu leisten.
Soweit es die besonderen arbeitsmarktpolitischen Probleme angeht, ist vor allem die Bundesanstalt für Arbeit angesprochen. Sie stellt ihre Berufsberater und Arbeitsvermittler zur Verfügung, um bereits während des Strafvollzugs die Strafgefangenen über die Möglichkeiten ihrer beruflichen Wiedereingliederung zu beraten. Zugleich sollen Straffälligen so früh wie möglich die finanziellen Hilfen zur Arbeitsaufnahme nach dem Arbeitsförderungsgesetz erschlossen werden. Außerdem stehen die finanziellen Hilfen zur beruflichen Fortbildung oder Umschulung nach den allgemeinen Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes auch dem entlassenen Strafgefangenen offen.
Mein Haus bereitet im übrigen zur Zeit ein Gesetz zur Einbeziehung der Gefangenen in die Sozial- und Arbeitslosenversicherung vor. Damit soll ein weiterer Schritt zur Resozialisierung der Strafgefangenen getan werden, indem ihnen die Leistungen der Träger der sozialen Sicherung eröffnet werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Hansen.
Herr Staatssekretär, stellt die Bundesregierung im Augenblick konkrete Überlegungen an, um die Wiedereinstellung von Straffälligen in den öffentlichen Dienst vorzubereiten?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Diese Frage, Herr Kollege, wird der Herr Bundesinnenminister in dieser Fragestunde beantworten.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Glombig auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär Rohde.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Rollmann auf. -Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, darauf hinzuweisen, daß es nicht Sinn der Fragestunde ist, eine Frage zu stellen, ihre mündliche Beantwortung zu begehren und dann nicht anwesend zu sein.
({0})
In der vorigen Woche ist die Tatsache, daß zahlreiche Kollegen nicht anwesend seien, bereits sehr stark von Kollegen des Hauses gerügt worden. Ich möchte mich dieser Auffassung eindeutig anschließen. Ich wäre dankbar, wenn man darauf achtete: entweder wird eine Frage gestellt, und man ist da, oder man beantragt von vornherein die schriftliche Beantwortung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Härzschel auf:
Erwägt die Bundesregierung eine Initiative mit dem Ziel, die Zigarettenwerbung in den Massenmedien zu beschränken oder völlig zu verbieten, wie es in den Vereinigten Staaten vorgesehen ist?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig.
Herr Abgeordneter, in dem im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erarbeiteten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Bereinigung des Rechts im Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Erzeugnissen und Bedarfsgegenständen sind Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorgesehen, die es zum Schutz des Verbrauchers gestatten, die Art, den Umfang oder die Gestaltung der Werbung bei bestimmten Werbemitteln für Tabakerzeugnisse zu verbieten oder zu beschränken. Im übrigen sieht auch das amerikanische Gesetz vom
1. April 1970 nicht ein absolutes Werbeverbot für
Zigaretten in allen Massenmedien vor, sondern verbietet nur die Werbung in Rundfunk und Fernsehen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Härzschel.
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich habe gefragt, ob die Bundesregierung ein solches Verbot, auf dem Wege der Rechtsverordnung oder wie auch immer, erwägt.
Ich habe Ihre Frage dahin gehend beantwortet, Herr Abgeordneter, daß in dem Referentenentwurf eine Ermächtigung an den Verordnungsgeber vorgesehen ist, von Fall zu Fall und je nach der aktuellen Situation entsprechende Beschränkungen in den Werbemedien vorzusehen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Härzschel.
Herr Staatssekretär, die Fachleute sagen übereinstimmend aus, daß das Zigarettenrauchen sehr gesundheitsschädlich sei. Es wäre deshalb meiner Meinung nach notwendig, daß die Bundesregierung eine eindeutige Antwort gibt.
Herr Abgeordneter, ich habe mit Intendanten der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands sowie des Zweiten Deutschen Fernsehens vor kurzem Gespräche mit dem Ziel geführt, z. B. die Werbung im Fernsehen einzuschränken. Wir haben nach diesen Absprachen vor, alle Beteiligten, und zwar die Erzeuger, die Tabakindustrie sowie die Werbefirmen und die Rundfunkanstalten, noch im Laufe der nächsten Wochen an einen runden Tisch zu bitten, um mit ihnen zu prüfen, welche Möglichkeiten im Wege freiwilliger Vereinbarungen gegeben sind, um die Werbung hier weiter einzuschränken. Ich bin der Auffassung, daß dieser Weg der freiwilligen Kooperation, der freiwilligen Beschränkung vielleicht noch wirksamer ist als der des gesetzlichen Verbots.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordneter Dasch.
Herr Staatssekretär, erwägt die Bundesregierung, in ihrem Referentenentwurf zwischen den Zeitungen, bei denen man auswählen kann, und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu unterscheiden, die praktisch ein Monopol besitzen?
In meiner Antwort, Herr Abgeordneter,
habe ich darauf hingewiesen, daß die Verordnung vorsieht, die Werbung bei bestimmten Werbemitteln zu beschränken oder zu verbieten. Hier ist also bereits die ganze Skala der Möglichkeiten -vom Fernsehen über die Anzeigen in Zeitungen - berücksichtigt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Memmel.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung über diese freiwillige Kooperation hinaus nicht vielleicht auch einen sanften Druck ausüben, da sie mit ein Träger dieser Anstalten ist?
Diese Möglichkeit haben wir mit den Fernsehanstalten erörtert; sie besteht natürlich auch über die Abgeordneten, die in den Rundfunkräten vertreten sind.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Professor von Manger-Koenig, für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen auf, zunächst die Frage 7 des Abgeordneten Gnädinger:
Beabsichtigt die Bundesregierung, im Anschluß an die Vorlage des Städtebauförderungsgesetzes die Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der in Literatur und Öffentlichkeit gemachten Vorschläge zu einer abschließenden Lösung der Bodenfrage in der Bundesrepublik Deutschland?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens.
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, die von Ihnen angesprochene Kommission ist bereits vor einiger Zeit unter der Bezeichnung „Arbeitsgruppe Bodenrecht" in meinem Hause berufen worden. Die Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, unter Verwertung der vorliegenden Vorschläge sowie der im Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes enthaltenen Rechtsgedanken eine Konzeption zur Fortbildung des städtebaulichen Boden- und Planungsrechts zu entwickeln.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordneter Gnädinger.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß die Kommission nicht nur die Aufgabe hat, bisher schon vorhandene Vorschläge zu sammeln, sondern auch eigene Vorschläge für die Gestaltung des Bodenrechts in der Bundesrepublik vorzulegen?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Ja, Herr Kollege, so ist es.
Präsident von Hassel: Noch eine zweite Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Gnädinger.
Herr Staatssekretär, können Sie etwas über den Zeitpunkt sagen, bis wann dieses Gutachten vorgelegt werden soll? Hat die Bundesregierung der Kommission einen Auftrag gegeben, den Bericht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzulegen?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, die Arbeit dieser Kommission ist nicht befristet und nicht terminiert worden. Wir erwarten jedoch, daß die Arbeitsergebnisse der Kommission im Laufe der Legislaturperiode vorgelegt werden können.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Niegel auf:
Wer sind die Mitglieder der von der Bundesregierung eingesetzten Bodenrechtskommission, und nach welchen Grundsätzen wurden diese ausgewählt?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, die vom Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen einberufene Arbeitsgruppe „Bodenrecht" besteht aus folgenden Mitgliedern:
Prof. Dr. Zinkahn, Ministerialdirektor, Bonn ({0})
Prof. Dr.-Ing. Albers, München
Prof. Förster, Senatsdirigent, Berlin Lange, Beigeordneter, Köln
Stadtverwaltungsdirektor a. D. Pohl, Bonn Ltd. Regierungsdirektor Scharnberg, Hamburg Prof. Dr. Sendler, Bundesrichter, Berlin
Dr. Simon, Hauptgeschäftsführer, Köln Rechtsanwalt Tepper, Verbandsdirektor, Köln Dr. Walper, Geschäftsführer, Mainz
Die Mitglieder unterliegen bei ihrer Tätigkeit in der Arbeitsgruppe keinerlei Weisungen oder sonstigen Direktiven. Es handelt sich bei allen Mitgliedern um sachverständige Personen, die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Bodenrechts und des Städtebaus verfügen und die unserem Haus zum Teil schon seit vielen Jahren mit ihrem sachverständigen Rat zur Seite stehen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, befinden sich unter den genannten Personen auch anerkannte Verfassungsrechtler?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Wir haben Herrn Professor Sendler als Bundesrichter aus Berlin dabei.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Kann man sagen, daß die genannten Persönlichkeiten alle gesellschaftspolitisch relevanten Kräfte und Kreise unserer Gesellschaft vertreten?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, wir haben nicht Gruppenvertreter und Interessenvertreter ausgewählt, sondern wir haben uns bemüht, hier ein möglichst hohes Maß an Sachverstand an einen Tisch zu bekommen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf, zunächst die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Fuchs:
Ist die Bundesregierung bereit, trotz des Urteils des IV. Senats des Bundesfinanzhofes ({0}) in Übereinstimmung mit der Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde im Bundesministerium der Finanzen vom 10. August 1970 ({1}) auf meine entsprechende Frage sicherzustellen, daß für die Sonderabschreibungen Grenzland bis zum Wirksamwerden einer gesetzlichen Regelung die bisherigen Verwaltungsregelungen angewendet werden?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl!
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich kann Ihre Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Fuchs.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wie ist die Tatsache zu erklären, daß in der Beantwortung meiner mündlichen Frage von Ende Juli durch Herrn Staatssekretär Dr. Emde am 10. August auf dieses Urteil des Bundesfinanzhofs, das damals bereits über vier Wochen zurücklag, nicht Bezug genommen wurde?
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, einmal müßte ich dazu erst Feststellungen im Hause treffen, und zum anderen sagt das Datum eines solchen Urteils gar nichts. Wir haben z. B. manchmal Urteile, die in schriftlichen Verfahren ergangen waren, erst einen Monat später bekommen. Sie werden uns erst mit Begründung zugestellt.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Fuchs.
Herr Staatssekretär, sind durch das Bundesfinanzministerium bereits Anweisungen an die Finanzverwaltungen der Bundesländer ergangen, damit eine lückenlose Weiterführung dieser Sonderabschreibungen im Grenzland bis zur gesetzlichen Regelung möglich ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Es gab bisher schon einen Runderlaß und zwar schon während des Prozesses -, der ausdrücklich sagte, daß die bisherigen Vorschriften bis zum Inkrafttreten einer ohnehin beabsichtigten gesetzlichen Neuregelung auf jeden Fall weiterhin anzuwenden sind. In den nächsten Tagen wird ein weiteres Rundschreiben hinausgehen, das klarstellt, daß dieser Erlaß weiter anzuwenden ist. Das muß so klargestellt werden. Auf der einen Seite steht ja das Urteil, das sagt, es sei nicht mehr zulässig; auf der anderen Seite steht aber die Notwendigkeit, bis zu einer ohnehin in gleicher Form beabsichtigten gesetzlichen Regelung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, weil das ungerecht wäre. Das muß nun in der richtigen Formulierung zur Klarstellung an die Finanzbehörden hinausgehen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, wann ist mit der Vorlage eines Zonenrandförderungsgesetzes durch die Bundesregierung zu rechnen, nachdem der Gesetzentwurf der CDU/CSUFraktion bereits seit Mai vorliegt, und ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine gesetzliche Absicherung der Sonderabschreibung im bisherigen Umfang vorgesehen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nach meiner derzeitigen Kenntnis von dem Gesetzentwurf ist die Förderung weiter in der bisherigen Form vorgesehen, wobei es natürlich um einzelne Formulierungen gehen kann. Soviel ich weiß, soll der Entwurf in der nächsten Woche im Kabinett verabschiedet werden und dann den gesetzgebenden Körperschaften sofort zugeleitet werden, natürlich auf dem normalen Wege, also erst dem Bundesrat.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Dr. de With auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage gedruckt.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Roser auf. Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Zebisch auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, um nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs ({0}) die Weiterführung der Sonderabschreibungen für die Strukturpolitik im Grenzland und Zonenrandgebiet sicherzustellen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 24 und 25 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe auch die Frage 25 des Abgeordneten Zebisch auf:
Wird die Bundesregierung bei den Verwaltungen der bundeseigenen Unternehmen darauf dringen, mehr Investitionen als bisher in den Bundesfördergebieten vorzunehmen?
Bitte schön!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zu der ersten Frage: Die Bundesregierung beabsichtigt, im Rahmen eines Zonenrandförderungsgesetzes eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, die die bisherigen Verwaltungsregelungen über die Gewährung von Sonderabschreibungen bei Investitionen im Zonenrandgebiet ablöst. Die beabsichtigte gesetzliche Regelung soll es ermöglichen, die bisherige bewährte Verwaltungspraxis möglichst unverändert aufrechtzuerhalten. Sie soll zugleich sicherstellen, daß durch die Sonderabschreibungen unangemessene Auswirkungen künftig nicht eintreten können. Der Entwurf des Zonenrandförderungsgesetzes wird voraussichtlich schon im nächsten Monat vom Bundeskabinett beschlossen - ich meine jetzt natürlich Anfang des Monats; „in der nächsten Woche", sagte ich ja vorhin - und den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden. Zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit im Zonenrandgebiet infolge der gegenwärtigen ungewissen Rechtslage sind die Finanzverwaltungsbehörden schon vor einiger Zeit durch eine Übergangsregelung angewiesen worden, bis zum Wirksamwerden der vorgesehenen gesetzlichen Regelung Anträge auf Bewilligung von Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet noch nach den bisherigen Verwaltungsregelungen zu behandeln. Das Bundesfinanzministerium wird hierzu klarstellen, daß diese Übergangsregelung auch nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs unverändert weiter anzuwenden ist.
Ihre zweite Frage darf ich wie folgt beantworten:
Den industriellen Beteiligungsgesellschaften des Bundes sind die strukturpolitischen Zielvorstellungen der Bundesregierung bekannt. Sie sind diesen Aufgaben aufgeschlossen und weisen bereits eine Reihe von Schwerpunkten wirtschaftlicher Tätigkeit in Bundesförderungsgebieten - in Niedersachsen, in Bayern und im Saarland - auf. Die Bundesgesellschaften investieren dort im Rahmen ihrer unternehmerischen Planungen in zunehmendem Umfang und tragen damit zur Weiterentwicklung dieser Räume maßgeblich bei.
Die grundlegende Verbesserung der industriellen Struktur der Bundesförderungsgebiete ist allerdings
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
eine vorrangige Aufgabe der allgemeinen regionalen Strukturpolitik, deren Grundlagen und Wirksamkeit in den letzten Jahren laufend verbessert wurden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zebisch.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, daß also auch auf dem Verwaltungswege eine Anordnung dahin gehend getroffen wurde, daß durch dieses Urteil niemand im Zonenrand- und Grenzgebiet geschädigt wird?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe vorhin schon gesagt, Herr Kollege, bisher ist eine Verwaltungsanweisung für die Dauer des Prozesses dagewesen, die übrigens nicht auf die Dauer des Prozesses beschränkt, sondern ausdrücklich bis zum Inkrafttreten eines zukünftigen neuen Gesetzes befristet war. Wir werden, damit jetzt draußen keine Schwierigkeiten entstehen, in den nächsten Tagen eine neue Anweisung herausgeben, die ausdrücklich klarstellt, daß die bisherigen Verwaltungsanweisungen trotz des Urteils weiter anzuwenden sind.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Zebisch.
Herr Staatssekretär, besteht die Möglichkeit, daß Sie mir eine Zusammenstellung der bundeseigenen Unternehmen, die sich in der Zwischenzeit im Grenzland und Zonenrandgebiet angesiedelt haben, zur Verfügung stellen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das können Sie gern schriftlich haben, Herr Kollege.
Recht herzlichen Dank.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, ist nicht auch Ihnen bei der Beantwortung der Fragen von Herrn Dr. Fuchs und vom Herrn Kollegen Zebisch aufgefallen, daß im Umfang der Beantwortung unterschiedlich vorgegangen wird? Man hat fast den Eindruck, als ob die Kollegen von der Koalition bei der Beantwortung bevorzugt würden.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, dein muß ich entgegentreten. Der Herr Kollege Dr. Fuchs hatte gefragt, ob die Bundesregierung bereit ist, sicherzustellen, daß das weiterhin so bleibt. Daraufhin konnte ich ganz einfach mit Ja antworten, weil das ja geschehen ist. Als dann näher gefragt wurde, habe ich Ihnen auch nähere Auskunft gegeben. Die Antwort, die ich jetzt dem Kollegen Zebisch vorgelesen habe, hätte ich an sich dem Kollegen
Dr. de With geben müssen, der aber nicht da ist. Dann hätte ich nämlich von da an immer Bezug nehmen können. Aber beim Kollegen Dr. Fuchs -ich glaube, das wird mir auch der Kollege selber zugeben - war das Ja die richtige Antwort; denn er hat gefragt, ob wir alles tun wollen, damit das bleibt.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Löbbert auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß immer mehr Nahverkehrs-Gesellschaften ihre Tarifgestaltung nicht mehr nach dein Prinzip der Wirtschaftlichkeit betreiben, statt dessen aber immer lauter und eindringlicher mach einer finanziellen Unterstützung durch Bund, Länder und Gemeinden ruten und daß diese Einstellung der Nahverkehrs-Gesellschaften durch die verschiedenen Protestaktionen der Vergangenheit mit beeinflußt wurde?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Bundesregierung ist der in der Frage dargestellte Sachverhalt im Grundsatz bekannt, soweit sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit hierin Einblick hat.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Löbbert.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Subventionierung oder die Teilsubventionierung der Nahverkehrsbetriebe durch die Gemeinden die Finanzkraft der Städte übersteigt, wenn es bei der jetzigen Tarifgestaltung bleibt, und daß schon im Jahre 1973 Beträge dafür erforderlich werden, die fast dein entsprechen, was den Gemeinden aus der Finanzreform zugeflossen ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Bundesregierung ist dieser Sachverhalt bekannt, soweit sie die Zahlen zur Verfügung hat. Sie ist ja in diesem Fall nicht selber der Verkehrsträger.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Löbbert.
Die zweite Frage ist noch nicht klar beantwortet. Darf ich folgende Frage stellen: ist seitens der Bundesregierung nicht damit zu rechnen, daß die Gemeinden zusätzliche Gelder für die Nahverkehrsbetriebe erhalten?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das ist Ihre zweite Frage, Herr Kollege. Die wollte ich in diesem Fall getrennt beantworten.
Präsident von Hassel: Die zweite Frage ist noch nicht mit aufgerufen. Soll ich sie mit aufrufen? Dann können Sie die Zusatzfragen gemeinsam anschließen. - Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, gleich zu antworten? - Dann rufe ich die Frage 27 des Abgeordneten Löbbert auf:
Präsident von Hassel
Besteht seitens der Bundesregierung die Absicht, eine Teiloder Vollsubventionierung der Nahverkehrsbetriebe durch den Bund einzuführen, oder empfiehlt sie, die Tarifgestaltung den gestiegenen Einkommen anzugleichen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Bund hat 1967 bis 1969 zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden Investitionszuschüsse für Verkehrswege des öffentlichen Personennahverkehrs in Verdichtungsräumen in Höhe von 998 Millionen DM geleistet. Für 1970 sind weitere 552 Millionen DM im Bundeshaushalt vorgesehen. Bis zum Jahresende 1970 wird der Bund also durch Investitionszuschüsse von insgesamt mehr als 1,5 Milliarden DM zur Entlastung der Betriebe des öffentlichen Personennahverkehrs beigetragen haben. Diese Hilfen sollen auch nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fortgesetzt werden, dessen Entwurf von der Bundesregierung eingebracht wurde.
Eine Subventionierung von Nahverkehrsbetrieben durch Betriebszuschüsse des Bundes wurde demgegenüber - abgesehen von Bundesbahn und Bundespost - bisher stets abgelehnt. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, solche Zuschüsse, gleichgültig in welcher Form, einzuführen. Für den sozialbegünstigten Schienen-Personenverkehr seines Unternehmens Deutsche Bundesbahn wird der Bund 1970 jedoch beispielsweise Betriebszuschüsse von 860 Millionen DM leisten.
Es ist nicht Sache des Bundes, für die Tarifgestaltung im öffentlichen Personennahverkehr, der von den Ländern oder den Gemeinden getragen wird, Empfehlungen auszusprechen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. - Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Die Frage 28 wird vom Bundesminister für Wirtschaft beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf, zunächst die Frage 9 des Abgeordneten Hansen:
Ist die Bundesregierung bereit, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß straffällig gewordene Arbeiter, Angestellte und Beamte nach Verbüßung ihrer Haftstrafen wieder in den öffentlichen Dienst eingestellt bzw. dort weiter beschäftigt werden?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dorn.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Hansen, das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes enthält keine Vorschriften, die der Neueinstellung, Wiedereinstellung oder Weiterbeschäftigung straffällig Gewordener als Angestellte oder Arbeiter entgegenstehen. Es steht somit im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungen und Betriebe, zu beurteilen, ob eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung nach Art und Umfang der Strafen und nach den spezifischen Erfordernissen des Arbeitsplatzes verantwortet werden kann. Hierbei werden die Personalstellen sicher nicht die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 15. Januar 1970 außer acht lassen, die Resozialisierung Straffälliger sei auch eine Aufgabe der öffentlichen Hand und müsse von den öffentlichen Rechtsträgern betrieben werden.
Das geltende Beamtenrecht steht einer Resozialisierung ebenfalls nicht im Wege. Es gibt - außer den in §§ 31 ff. StGB geregelten Fällen des befristeten Verlustes der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter - kein gesetzliches Wieder- oder Einstellungsverbot für Beamte, deren Beamtenverhältnis auf Grund eines strafgerichtlichen Urteils beendet worden ist oder die im Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt worden sind.
Bei der Entscheidung über eine spätere Wiedereinstellung werden die Einstellungsbehörden insbesondere die Art der Straftat, die Persönlichkeit des Täters, seine Motive und die sonstigen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Im übrigen führen nach den gesetzlichen Vorschriften nur schwere Bestrafungen zur Beendigung des Beamtenverhältnisses.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Praxis der Ermessensspielraum der Behörden bei Wiedereinstellung von straffälligen Arbeitern, Angestellten und Beamten meistens sehr eng ausgelegt wird?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist mir nicht bekannt. Ich meine, daß die Behörden sich bei der Wiedereinstellung an die Prinzipien halten sollten, die ich vorhin noch einmal vorgetragen habe, wobei eine eindeutige Abklärung des Vorgefallenen wie auch die Wertung der Persönlichkeit des Betroffenen eine entscheidende Rolle zu spielen haben.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Welche Vorteile sieht die Bundesregierung in den Plänen einiger Bundesländer, ire Rahmen von Katastrophenschutz-Zentren die Feuerwehr, die samaritären Hilfsorganisationen, das Technische Hilfswerk und den Erweiterungsteil des Katastrophenschutzes gemeinsam in einem Dienstgebäude unterzubringen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Enders, mein Haus hat seit einiger Zeit Überlegungen angestellt, Katastrophenschutzzentren auf Kreisebene für alle am Katastrophenschutz beteiligten Organisationen und Einheiten zu errichten. Diese Überlegungen beruhen einerseits auf dem Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes, das ein einheitliches Instrument für die Schadensabwehr im Frieden und im Verteidigungsfall zum Ziel hat, zum anderen auf Zweckmäßigkeitserwägungen.
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
Eine gemeinsame Unterbringung der Katastrophenschutzeinheiten bietet den beteiligten Aufgabenträgern eine Reihe von Vorteilen. Ohne Rücksicht auf die verschiedenen Träger wie Kommunen, Länder oder Bund können die Einheiten entsprechend den Einsatzerfordernissen untergebracht werden. Einsatzmittel wie Alarmierungs- und Fernmeldesysteme können gemeinsam benutzt werden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Angehörigen der verschiedenen Organisationen wird unter diesen Umständen auch gefördert. Nicht zuletzt ergeben sich auch wirtschaftliche Vorteile, weil gemeinsam nutzbare Einrichtungen wie Unterrichtsräume und Werkstätten rationell geplant und ausgenutzt werden können.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, Sie sehen es also auch als notwendig an, durch die Zusammenlegung von Notrufnummern bei einem Empfänger die Hilfeleistung schneller und wirksamer als bisher durchzuführen.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das könnte mit in den Bereich der Gesamtplanung fallen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich bei dem Ausbau der Hauptstützpunkte der Feuerwehren zu Katastrophenschutz-Zentren an den Bau- und Unterhaltungskosten anteilmäßig zu beteiligen und bald Haushaltsmittel für Modellfälle zur Verfügung zu stellen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Enders, wegen der angeführten Vorteile ist mein Haus sehr darum bemüht, daß bei neuen Baumaßnahmen in Zusammenarbeit mit den anderen Beteiligten derartige Zentren errichtet werden. Die Zweckmäßigkeit dieser Zentren ist nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen zu beurteilen. Eine zu große Entfernung der Wohnungen der Helfer zu den Unterkünften muß allerdings vermieden werden. In die künftigen Gesamtplanungen müssen die vorhandenen verwaltungseigenen und langfristig angemieteten Objekte einbezogen werden. Bei diesen örtlichen Prüfungen können die Stützpunkte der Feuerwehren eine günstige Basis für allgemeine Katastrophenschutzzentren bilden. Die Kostenaufteilung für derartige Zentren richtet sich nach der grundgesetzlichen Aufgaben- und Lastenverteilung, die auch in § 14 des Katastrophenschutzgesetzes ihren Ausdruck findet. Danach haben Bund und Länder - Entsprechendes gilt für eventuell weitere Beteiligte - die Kosten für den Katastrophenschutz im Verhältnis ihrer Anteile zu tragen. Bei den Katastrophenschutzzentren kann dabei eine anteilige Übernahme der
Investitionskosten oder die Übernahme der Baukosten durch einen der Beteiligten mit einer einmaligen oder laufenden Entschädigung für die Mitbenutzung durch die weiteren Beteiligten in Betracht kommen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, sind schon Modellfälle geplant, die vom Bund finanziell unterstützt werden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Modellfälle dieser Art sind bisher nicht geplant; die Überlegungen in unserem Hause beziehen aber Modellplanungen in die künftigen Förderungsmaßnahmen ein. Aus zwei Bundesländern liegen uns bereits konkrete Anträge dieser Art vor.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des „Münchner Merkur" vom 12. September 1970, daß das Organisationskomitee zur Vorbereitung der Olympischen Spiele München 1972 mit den zur Verfügung gestellten öffentlichen Mitteln „sorglos umgeht"?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Nein, Herr Kollege Dr. Riedl, die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Die Meldung des „Münchner Merkur" dürfte auf Prüfungsmitteilungen beruhen, die der Bundesrechnungshof, der Bayerische Oberste Rechnungshof und das Revisionsamt der Landeshauptstadt München im August 1969 gemeinsam vorgelegt haben. Gegenstand der Prüfungen waren die Einnahmen und Ausgaben des Organisationskomitees für die Spiele der XX. Olympiade München 1972 in den Jahren 1966 bis 1968. Die drei an der Finanzierung des Komitees beteiligten Gebietskörperschaften, Bund, Freistaat Bayern und Landeshauptstadt München, haben die Prüfungsmitteilungen nach Vorbehandlung im Finanzausschuß und im Vorstand des Organisationskomitees im Mai dieses Jahres beantwortet. Die Prüfungsmitteilungen bleiben im Rahmen der Beanstandungen, die sich aus örtlichen Prüfungen von Rechnungsprüfungsbehörden häufig ergeben. Den Vorwurf eines sorglosen Umgangs mit öffentlichen Mitteln rechtfertigen sie nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein erheblicher Teil der beanstandeten Geschäftsvorgänge in die frühe Aufbauzeit des Organisationskomitees fällt.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Riedl ({1}) auf :
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die im Organisationskomitee Beschäftigten qualifiziert sind, mit öffentlichen Mitteln so verantwortungsbewußt umzugehen, wie es im öffentlichen Dienst den Gepflogenheiten entspricht?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, die Bundesregierung teilt diese Auffassung.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, dann habe ich also Sie richtig verstanden, daß Ihre Auffassung insbesondere auch für den Präsidenten des Organisationskomitees, Daume, und den Generalsekretär dieses Komitees, Herbert Kunze, gilt.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Auffassung meines Hauses gilt für die Verantwortung tragenden Persönlichkeiten in München.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 14 des Abgeordneten Niegel auf:
Billigt die Bundesregierung die Aussendung von Interviews mit möglichen Verbrechern und Attentätern durch Fernseh- und Rundfunkanstalten, wie es z. B. in der Monitorsendung des WDR geschehen ist?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Niegel, die WDR-Monitorsendung „Tupamaros Westberlin" war bisher ein Einzelfall. Für die Überprüfung der Sendung des WDR ist die Bundesregierung nicht zuständig. Es sollte daher nicht Sache der Bundesregierung sein, vor einer Prüfung durch die zuständigen Stellen derartige Sendungen zu billigen oder zu mißbilligen. Sollten dabei strafrechtliche Bestimmungen nicht beachtet worden sein, wird die Justiz hierüber befinden müssen.
Wie Sie wissen, ist der Westdeutsche Rundfunk eine auf Landesrecht beruhende Rundfunkanstalt. Zur Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 des Grundgesetzes ist den Rundfunkanstalten in den einschlägigen Gesetzen eine weitgehende Selbstverwaltung und Selbstverantwortung eingeräumt worden. Der für die Gesamtleitung verantwortliche Intendant des WDR soll bereits in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister von Berlin darauf hingewiesen haben, daß die rechtliche Prüfung vor der Sendung weder einen Verstoß gegen Strafgesetze noch einen solchen gegen das Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk ergeben habe. Der Landesregierung obliegt nach § 24 des genannten Gesetzes lediglich eine beschränkte Rechtsaufsicht. Die Erörterung der Programmgestaltung auch dieser Sendung ist Sache der gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsorgane dieser Anstalt, also insbesondere des Rundfunkrats oder des von ihm gewählten Programmbeirats.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Niegel.
Kann man Ihrer Antwort jetzt folglich entnehmen, daß solche Sendungen der Bundesregierung genehm sind?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Niegel, die Bundesregierung wird sich nicht in der Lage sehen, hier die Position eines Zensors auszuüben.
Präsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Niegel.
Wird die Bundesregierung künftighin auch nichts unternehmen, damit solche Sendungen unterbleiben?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Niegel, die Bundesregierung kann auf Grund der Rechtslage, die ich Ihnen vorhin geschildert habe, von sich aus nicht verhindern, daß solche Sendungen durchgeführt werden. Es kann nicht in ihrer Absicht liegen, so etwas zu unternehmen.
Aber, Herr Präsident, vielleicht darf ich, um den Hintergrund der Frage noch etwas zu erhellen, aus dem Brief des Intendanten des WDR zu dieser Sendung, der veröffentlicht worden ist, eine Passage verlesen. Es heißt in diesem Brief:
Nachdem ich den Beitrag gesehen sowie den journalistischen Sachverhalt und dessen juristische Bewertung geprüft habe, billige ich die Entscheidung meiner Mitarbeiter, die den Bericht „Tupamaros - Westberlin" in der Monitorsendung vom 14. September 1970 als die Erfüllung einer publizistischen Pflicht ansehen. Es war an der Zeit, die Terroristen als das zu zeigen, was sie sind; nämlich als Verbrecher an der Gesellschaft. Die Sendung sollte den selbstgeschaffenen Nimbus, der bisher einigen Terroristen anhaftet, zerstören, um ihrer verbrecherischen Tätigkeit jede Anziehungskraft auf politisch leicht Verführbare zu nehmen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Memmel.
Herr Kollege Dorn, ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens eine Betrachtung dieses Sachverhalts überhaupt nötig?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe vorhin gesagt, Herr Kollege Memmel, daß sich die Justiz nach Prüfung durch die zuständigen Organe, wenn es erforderlich ist, mit dem Fall beschäftigen muß. Das ist keine Aufgabe der Bundesregierung.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Schulz ({0}) auf. Sie werden auf Bitten des
Präsident von Hassel
Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 17 des Abgeordneten Picard auf:
Welchen Wert mißt die Bundesregierung der Sendung XYungelöst" des Zweiten Deutschen Fernsehens bei der Aufklärung und Verhütung von Verbrechen zu?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Picard, die Bundesregierung sieht den Wert der Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens „Aktenzeichen XY - ungelöst" darin, daß der Bevölkerung beispielhaft deutlich gemacht wird, wie Straftaten aufgeklärt werden können, wenn der Polizei Hinweise auf den Täter durch die Bevölkerung gegeben werden. Daß die Sendung von der Bevölkerung auch in diesem Sinne verstanden wird, ergibt sich daraus, daß schon viele Straftaten auf Grund der Sendung durch Hinweise aus der Bevölkerung aufgeklärt wurden. Die Bundesregierung begrüßt die Sendereihe auch deshalb, weil sie versucht, der Öffentlichkeit bewußt zu machen, daß durch jede Straftat ein Mitbürger geschädigt wird. Sie weckt das Interesse für eine sachgerechte Kriminapolitik, die sich zum Ziele setzt, die Bevölkerung in möglichst großem Maße vor Straftaten zu schützen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Picard.
Herr Staatssekretär, gibt es eine gewisse Zusammenarbeit zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Leiter der Sendung „XY -ungelöst", von der man sagen kann, daß sie der Ermittlungstätigkeit des Bundeskriminalamts hilfreich ist?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe den letzten Teil Ihres Satzes akkustisch leider nicht verstanden.
Ob diese Zusammenarbeit -sofern sie vorhanden ist - die Ermittlungstätigkeit des Bundeskriminalamtes zu unterstützen geeignet ist.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister des Innern: Ich glaube, ich kann diese Frage eindeutig mit Ja beantworten Ich würde sogar weitergehen. Das bezieht sich nicht nur auf die Zusammenarbeit des Herrn Zimmermann mit dem Bundeskriminalamt, die sehr eng ist, sondern auch mit den in jedem Einzelfall betroffenen Polizeibehörden der Länder oder der Kommunen, die im Einzelfall angesprochen sind.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Picard.
Herr Staatssekretär, würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn die Sendung auch für die Zukunft beibehalten würde?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, in die Programme der einzelnen Sendeanstalten einzugreifen oder hier etwas Besonderes zu veranlassen. Aber die Sendung hat sich ohne Zweifel insgesamt sehr positiv ausgewirkt.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Picard auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Angriffe gegen diese Sendung sachlich nicht begründet und die angeführten Bedenken im wesentlichen nur vorgeschoben sind, um die eigentlichen Motive zu verdecken?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung kennt die gegen die Sendung „Aktenzeichen XY -ungelöst" vorgebrachten Bedenken und Einwendungen. Sie ist jedoch der Meinung, daß die diesen Bedenken und Einwendungen zugrunde liegenden Gesichtspunkte insbesondere deshalb keinen Anlaß gehen, die positive Stellungnahme zu der Sendung aufzugeben, weil durch die Ausgestaltung der Sendung etwaige Gefahren weitgehend ausgeräumt werden. So ist z. B. die Gefahr einer Personenverwechslung oder auch die Möglichkeit, daß der Verbrecher Hinweise auf Fahndungsmaßnahmen erhält, durch die Ausgestaltung der Sendung nicht größer als bei eigenen Fahndungsmaßnahmen der Polizei, bei denen die Bevölkerung um ihre Mithilfe gebeten wird. Wenn manche Kritiker die Sendung als Anstiftung zur Denunziation bezeichnen, so verkennen sie, daß in der Bundesrepublik als einem freiheitlichen Rechtsstaat die staatlichen Organe Maßnahmen gegen Dritte nur nach Recht und Gesetz einleiten und durchführen können.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Chefredakteurs Karl Heinz Böhm von der Zeitschrift „Die demokratische Gemeinde", daß es rechtliche Barrieren gibt, die die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in den kommunalen Eigengesellschaften erschweren oder gar unmöglich machen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Weigl, nach der geltenden Rechtslage stehen einer Einführung der paritätischen Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften - also Kapitalgesellschaften, deren Anteile sich überwiegend oder ausschließlich in kommunaler Hand befinden - in der Tat rechtliche Hindernisse entgegen. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft setzt sich, sieht man von der Montanmitbestimmung ab, zu zwei Dritteln aus Vertretern der Aktionäre und zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer zusammen. Dies ist
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
nach dem Betriebsverfassungsgesetz bindendes Recht und kann im Vereinbarungswege nicht abbedungen werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weigl.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung eine vom Präsidium des Deutschen Städtetags für notwendig gehaltene Änderung des kommunalen Verfassungs- und Organisationsrechts in die Wege leiten, um die bereits in mehreren Städten eingeführte paritätische kommunale Mitbestimmung zu legalisieren?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist zur Zeit nicht beabsichtigt.
Präsident von Hassel: Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weigl.
Haben Sie geprüft, Herr Staatssekretär, ob die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften mit der Gemeindeordnung der betreffenden Länder in Einklang gebracht werden kann?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, weil die Gemeindeordnungen, wie Sie wissen, sehr unterschiedlich sind. Aber die Bundesregierung ist im Grundsatz der Meinung, die ich vorhin geäußert habe, weil das zur Zeit die eindeutige Rechtsgrundlage ist.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung die Errichtung eines Vermögensbildungsfonds für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes für notwendig?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Weigl, die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Überlegungen zur Förderung der Vermögensbildung breiter Schichten der Bevölkerung, insbesondere auch der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die Frage erörtert, ob es zweckmäßig ist, als weitere mögliche Anlageform Vermögensbildungsfonds zu schaffen. Diese Erwägungen sind noch nicht abgeschlossen, sondern befinden sich noch im Stadium der Beratung und Prüfung.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Weigl.
Welche Gründe sprechen für diese Überlegungen, Herr Staatssekretär? Reicht unter Umständen das Angebot der Kreditinstitute
nicht aus, um die Angehörigen des öffentlichen Dienstes entsprechend zu bedienen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es gibt in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten, und solange sie noch nicht ausdiskutiert sind - weil sich das Für und Wider zur Zeit noch sehr die Waage hält -, sollten wir, meine ich, noch abwarten, in welcher Richtung die Erwägung nachher ihren Fortgang nehmen wird.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke auch Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dorn.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf, zunächst die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Pohle. - Ich sehe ihn nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann die Frage 30 des Abgeordneten Dasch:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der Geschäftsleitung des Volkswagenwerks bei der ordentlichen Hauptversammlung am 2. Juli 1970, „daß jedes Prozent DM-Aufwertung auf ein ganzes Jahr bezogen eine Belastung von etwa 75 Millionen DM bringt"?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Dasch, diese Zahl beruht auf der zu einfachen Rech-. nung, als ob 1 0/G DM-Aufwertung 1 % Rückgang im gesamten VW-Exportgeschäft bedeute. Das wäre genauso, als wenn wir die andere Vereinfachung dagegenrechnen würden, daß ceteris paribus die Aufwertung im ersten Halbjahr einen Rückgang von 338 Millionen DM im Exportgeschäft des VW-Werkes nach sich hätte ziehen müssen. Aber der Exporterlös ist nur um 46 Millionen DM zurückgegangen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß Sie hier eine falsche Antwort zu geben versucht haben? Denn die Geschäftsleitung wollte doch sicherlich aussagen, daß die 81/2%ige Verteuerung der Volkswagenexporte durch die DM-Aufwertung praktisch vom Werk in Deutschland zuungunsten ihres Betriebserfolges getragen werden mußte.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich glaube, die Gegenrechnung zeigt Ihnen, daß es nicht so ist. Ich kann Ihnen aber auch noch eine andere Zahl mitteilen: Insgesamt sind die deutschen Exportpreise trotz der Aufwertung um 4,2% gestiegen. Das zeigt, daß sie doch großenteils auf das Ausland überwälzt worden sind. Außerdem dürfen Sie bei der Aufwertung auch nicht Einkaufsvorteile außer Erwägung lassen, auch beim Volkswagenwerk.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei der Aufwertung bedacht, daß diese Betriebserschwernisse bei stark exportorientierten Betrieben wie beispielsweise dem Volkswagenwerk eintreten?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das hat sie bedacht. Aber uns scheint gerade, daß das Volkswagenwerk kein Sonderfall ist. Denn insgesamt ist die Aufwertung vorgenommen worden, um einen übertriebenen Export zeitweilig abzubremsen, und die Entwicklung hat uns ja Recht gegeben.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Ritz auf:
Treffen Pressemeldungen zu ({0}), nach denen der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Arndt, während der Leipziger Messe DDR"-Behörden ein Angebot zur Verminderung des Zahlungsdefizits der „DDR" gemacht hat, wonach die Bundesrepublik Deutschland bereit sei, große Mengen ,DDR"-Weizen zu EWG-Interventionspreisen aufzukaufen und die „DDR" im Gegenzug ihren Weizenbedarf zu Weltmarktpreisen aus Käufen in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern decken kann?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Ritz, die Pressemeldungen treffen nicht zu. Damit entfällt die Frage 32. Ich kann Ihnen aber mitteilen, daß selbst die Lieferwünsche der DDR in bezug auf Weizen unter dem Niveau von 1966 liegen.
Präsident von Hassel: Darf ich daraus schließen, daß die Frage 32 mit aufgerufen werden soll? - Dann ist auch die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Ritz aufgerufen:
Bei Bejahung der Frage 31: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß ein solches Angebot in Übereinstimmung mit dem Geist des EWG-Vertrages steht?
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Staatssekretär, da, wie Sie ausführen, diese Pressemeldungen nicht zutreffen, darf ich Sie fragen, ob und gegebenenfalls wann und in welcher Form die Bundesregierung diese Meldung dementiert hat, da es doch sicherlich eine sehr gravierende Meldung war.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, wenn sie noch nicht dementiert ist, dann habe ich sie hiermit dementiert.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Memmel.
Herr Kollege Rosenthal, ist Ihnen bekannt, daß wegen dieses in der zitierten Pressemeldung enthaltenen Sachverhalts - ich sage ausdrücklich Sachverhalt und nicht Tatbestand - auch Anfragen von holländischen Kollegen im Europäischen Parlament vorliegen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist mir nicht bekannt. Ich kann es aber verstehen. Deshalb habe ich auch ausführlich darauf hingewiesen, daß wir gerade im Hinblick auf die EWG auch in den Lieferwünschen auf diese Belange eingehen werden, und deshalb habe ich Ihnen ja auch mitgeteilt, daß selbst die Lieferwünsche der DDR unter dem Niveau von 1966 liegen. Damals betrugen sie meiner Erinnerung nach 74 Millionen Verrechnungseinheiten.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Damm.
Herr Staatssekretär, bedeutet die Tatsache, daß Sie auf die Frage meines Kollegen Dr. Ritz nach dem Dementi gesagt haben, Sie hätten es ja eben dementiert, daß Sie ein Dementi nicht herausgegeben hätten, wenn hier im Deutschen Bundestag keine Anfrage dieser Art gestellt worden wäre?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege, wenn die Bundesregierung alles dementieren wollte, was in irgendeiner Zeitung geschrieben steht, dann hätten wir weiter nichts zu tun, als nur zu dementieren.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht in der Problematik, die in dieser Frage steckt, einen besonderen Sachverhalt, der in jedem Falle die Bundesregierung zur sofortigen Richtigstellung veranlassen müßte, weil sonst bei der EWG Komplikationen eintreten, die bei späteren Verhandlungen die EWG-Partner veranlassen könnten, die DDR als Devisenausland für die Bundesrepublik zu betrachten?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Dasch, Sie sehen ja, daß ich Ihnen sogar mit Auskünften gedient habe, die Sie gar nicht verlangt hatten.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Wagner ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für Frage 34.
Frage 35 ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Baier auf:
Warum hat die Bundesregierung in diesem und in den beiden vergangenen Jahren zur Förderung von Maßnahmen zum Schutze
Präsident von Hassel
der Gewässer gegen Verunreinigung wesentlich weniger ziehe Mittel im ERP-Haushalt bereitgestellt als in früheren
Jahren, obwohl die Verschmutzung von Gewässern sich erheblich verstärkt hat?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, ich glaube, daß es sich hier um ein Mißverständnis handelt. Die ERP-Ansätze zur Förderung der Wasserwirtschaft sind zwar, wie Sie richtig sagen, seit 1967 geringer. Aber seit 1967 geben wir im Rahmen der Finanzierungshilfen für die Gemeinden insgesamt höhere Mittel für Maßnahmen zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung, so daß diese Mittel insgesamt gewachsen sind und nicht abgenommen haben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier.
Herr Staatssekretär, wenn dem so sein sollte, sind Sie in der Lage, mir zu sagen, wie groß der Prozentsatz der von Ihrem Hause oder von der Bundesregierung nicht zu bedienenden förderungsfähigen Anträge ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Diese Frage muß ich prüfen und Ihnen schriftlich beantworten.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier.
Herr Staatssekretär, wenn Sie auf Grund dieser Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollten, daß Jahr für Jahr ein größerer Teil der der Bundesregierung vorliegenden förderungsfähigen Anträge zur Förderung von Maßnahmen zum Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung nicht bedient werden kann, würden Sie dann dafür eintreten, daß die Mittel hierführ erhöht werden, wie ich in meiner zweiten Frage zum Ausdruck gebracht habe?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, ich darf Ihnen folgendes antworten. Die Kredite zur Förderung der Wasserwirtschaft betrugen 1966, also bevor die Zweiteilung stattfand, 60 Millionen DM. 1967 sind sie - aus diesen zwei Zuführungen - auf etwa 97 Millionen DM gestiegen. 1968 waren es etwa 78 Millionen und 1969 83 Millionen DM. Vielleicht zeigt Ihnen diese Antwort, daß die insgesamt für die Kanalisation zur Verfügung gestellten Mittel größer geworden sind.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Baier auf:
Ist die Bundesregierung bereit, für 1971 wesentlich höhere Förderungsmittel im ERP-Haushalt vorzusehen, um den vorliegenden förderungsfähigen Anträgen gerecht zu werden?
({0}) - Ist schon erledigt.
Dann rufe ich die Frage 38 des Abgeordneten Höcherl auf:
Billigt die Bundesregierung die schweren Vorwürfe des Ministerialdirektors Hankel auf der Pressekonferenz in Frankfurt/ Main am 9. September 1970 gegen die Geschäftspolitik der Realkreditinstitute, wobei er sich auf erkennbar unrichtiges Zahlenmaterial gestützt hat, und wäre es nicht richtiger gewesen, zunächst die für den 7. Oktober 1970 angesetzte Anhörung der betroffenen Fachverbände zu den Novellierungsvorschlägen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Realkredites erst einmal abzuwarten?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Höcherl, die Bundesregierung teilt die Kritik, die Ministerialdirektor Hankel auf der Pressekonferenz am 9. September 1970 gegen die Absatzstruktur am Pfandbriefmarkt geübt hat. Die Institute des Realkredits haben den Pfandbrief durch übermäßige Plazierung bei den Geschäftsbanken seiner ursprünglichere Zweckbestimmung weitgehend entfremdet. Er dient heute im Gegensatz zu früher nicht mehr so sehr dazu, echte Spargelder direkt vom Sparer an den Bauherrn zu vermitteln, sondern ist vorwiegend zu einem Instrument geworden, um kurzfristige Liquidität von den Geschäftsbanken in den Wohnungsbau zu lenken. Diese Entwicklung, die in marktstruktureller wie stabilitätspolitischer Sicht gleichermaßen bedenklich ist, hat Herr Hankel in der Pressekonferenz kritisiert. Dabei hat er durchaus zu Recht nicht nur die sogenannten Pensionsgeschäfte im engeren Sinn, sondern generell den Absatz von Pfandbriefen bei Kreditinstituten in die Kritik einbezogen. Richtig ist allerdings, daß diese Pensionsgeschäfte nicht 30 Milliarden DM ausmachen, sondern nur etwa 15 Milliarden DM, wie aus einer Mitteilung der Bundesbank hervorgeht.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß eine Überschätzung um 100 °/o ein ziemlich starkes Stück ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wenn es eine Überschätzung war und nicht lediglich ein Hinweis. Denn Herr Hankel hat ja nicht nur die 15 Milliarden DM kritisieren wollen, die in die Pensionsgeschäfte gehen, sondern er hat auch die 30 Milliarden DM kritisieren wollen, die insgesamt über die Kreditinstitute gehen. Denn der Pfandbrief ist ja - und da müßten wir eigentlich einer Meinung sein, Herr Höcherl - ein entscheidendes Mittel der Vermögensbildung, und wenn er dermaßen verfremdet wird, fällt er als Mittel der Vermögensbildung aus.
Präsident von Hassel: Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Staatssekretär, es geht ja nicht um Ihre und meine Meinung, sondern es geht um die Aussage von Herrn Hankel, und sind
Sie da nicht der Auffassung, daß diese Dinge in der Öffentlichkeit berichtigt werden müssen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Höcherl, ich habe sie hier ungefragt berichtigt, indem ich gesagt habe, daß es sich bei den Pensionsgeschäften nur um etwa 15 Milliarden DM handelt; ich glaube, die genaue Summe ist 14,7 Milliarden DM.
({0})
Fräsident von Hassel: Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Höcherl auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu der vom Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, Dr. Emminger, geäußerten Meinung ein ({1}), wonach Europa in Zukunft währungspolitisch mehr Distanz vom Dollar als Leitwährung gewinnen soll?
Diese Frage war ursprünglich beim Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen angehängt und ist dann auf Ihr Ressort übertragen worden.
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Höcherl, die Bundesregierung ist sich dessen bewußt, daß eine größere Flexibilität im internationalen Wechselkurssystem zu einer Auflockerung der Bindungen an den Dollar führen würde. Eine solche Auflockerung wird jedoch gerade auch von den USA selbst angestrebt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höcherl.
Sind Auflockerung und Entfernung nicht zwei verschiedene Dinge?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein, denn eine Auflockerung des Wechselkurssystems würde eine Entfernung vom Dollar nach sich ziehen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höcherl.
Ist die Entfernung gewollt oder nicht?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Höcherl, da müssen wir einbeziehen, wieweit wir in der Erreichung dessen, was wir in einem stabilitätsbewußten Europa erreichen wollen, Fortschritte machen. Das eine hängt von dem anderen ab.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dasch.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung auf Grund der von Ihnen gegebenen Antworten nicht der Meinung, daß es dringend geboten wäre, innerhalb der EWG einen Zeitplan zu entwickeln, um zu einer von der EWG genfeinsam gedeckten und verantworteten Währung zu kommen, um hier überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, eine europäische Leitwährung neben dem Dollar zu entwickeln?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung ist durchaus Ihrer Meinung und tut das bereits.
({0})
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär für die Beantwortung danken.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf, und zwar zunächst die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Dr. Zimmermann. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 48 des Abgeordneten Josten auf:
In welchem Umfang plant die Bundesregierung, die Förderung von Medizinstudenten im Rahmen der Studienförderung der Bundeswehr durchzuführen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen:
Die Bundeswehr betreibt zur Heranbildung von Nachwuchs für die Sanitätsoffizierslaufbahn f olgende Studienförderung von Medizinstudenten.
Erstens: Zur Heranbildung von Nachwuchs für die Berufssanitätsoffiziere werden jährlich etwa 40 Sanitätsoffizieranwärter im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit eingestellt, die eine Zulassung zum Studium erhalten haben. Diese Anwärter werden unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge bei gleichzeitiger Zahlung eines Ausbildungsgeldes zum Studium beurlaubt. Das monatliche Ausbildungsgeld liegt je nach Studienstand zwischen 666 DM und 1096 DM. Die Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten sowie die Beförderung zum Stabsarzt erfolgen mit Erlangung der Approbation.
Zweitens: Zur Heranbildung von Nachwuchs für die Sanitätsoffiziere auf Zeit werden jährlich etwa 75 Studienbeihilfen an Studierende der Medizin vergeben, die für eine spätere Verwendung als Sanitätsoffizier geeignet erscheinen und während eines vorausgegangenen Wehrdienstes zum Reserveoffizieranwärter ernannt worden sind. Es wird erwogen, auf die letzte Forderung künftig zu verzichten. Die monatliche Studienbeihilfe liegt etwa zwischen 300 und 450 DM. Mit Annahme der Studienbeihilfe verpflichten sich die Studierenden, nach Erlangung der Approbation acht Jahre Dienst als Sanitätsoffizier auf Zeit zu leisten.
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Weitergehende Studienförderungen von Medizinalstudenten durch die Bundeswehr sind zunächst nicht beabsichtigt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten .Josten.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß bei der Truppe die Meinung vertreten wird, der bestehende Mangel an Ärzten könne nur durch eine noch stärkere Förderung der Medizinstudenten behoben werden?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist mir bekannt, Herr Kollege Josten. Aber Sie müssen wissen, daß ein innerer Zusammenhang zwischen den zur Verfügung stehenden Studienplätzen und den Förderungsmaßnahmen besteht. Es hilft gar nichts, wenn wir mehr Geld zur Verfügung stellen, aber die Studenten keine Möglichkeit haben, an den Universitäten das Studium aufzunehmen.
Präsident von Hassel: Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen 49 und 50 des Abgeordneten Scheu. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Biehle auf:
Stimmt die in der DGB-Zeitung „Welt der Arbeit" Nr. 38 vom 18. September 1970 unter der Überschrift „Wehrpflicht in der Krise" als Zusammenfassung einer Meinungsumfrage u. a. herausgestellte Formulierung: „Wer einen Papa mit Beziehungen hat, aus besseren Verhältnissen stammt oder gut simulieren kann, der kommt völlig ungeschoren davon. Kein Zweifel: vor allem Arbeiterkinder sind die Dummen. Bei ihnen liegt der Anteil der Tauglichen überdurchschnittlich hoch, nämlich bei fast 70 %; und auch die Freistellungen, die mit Ausbildung oder Studium begründet werden, sind in dieser Gruppe viel geringer als in anderen Bevölkerungsschichten" mit den Tatsachen überein, und glaubt die Bundesregierung, den Flugblattext, den die ÖTV-Jugend hei einer Ausstellung der Bundeswehr am 6. Juni 1970 in Oberhausen verteilte, widerspruchslos hinnehmen zu können?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich beantworte die beiden Fragen im Zusammenhang folgendermaßen.
Präsident von Hassel: Ich rufe dann noch die Frage 52 auf:
Wenn nein, wird die Bundesregierung geeignete Aufklärung und Richtigstellung dieser verfälschten Darstellung liber die Bundeswehr und die Auswahlpraktiken für Wehrpflichtige unternehmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die in der DGB-Zeitung unter der Überschrift „Wehrpflicht in der Krise" geäußerten Vermutungen bezüglich der Behandlung von Arbeiterkindern im Zusammenhang mit der Einberufung treffen nicht zu. Es fehlt zwar
nicht an gelegentlichen Versuchen „beziehungsreicher Papas", das Musterungsergebnis zu beeinflussen, genauso wenig wie an Versuchen mancher Wehrpflichtiger aller Kreise, bei der Untersuchung gewisse Erscheinungen zu simulieren. Der Erfahrungsschatz der Musterungskommissionen reicht jedoch aus, um solchen Versuchen zu begegnen.
In diesem Zusammenhang mag interessieren, daß in den abschließend beurteilten Jahrgängen im Zeitpunkt der Musterung die Zahl der tauglich gemusterten Abiturienten stets höher war als der Prozentsatz an Tauglichen bei den übrigen Gemusterten, wobei es sich keineswegs immer um Arbeiterkinder handelt. Eine statistische Bezogenheit zum Beruf des Vaters des Wehrpflichtigen gibt es nicht.
Freistellungen für Ausbildung oder Studium gibt es ebenfalls nicht. In der Frage sind offenbar zeitlich begrenzte Zurückstellungen gemeint, die sich lediglich am Ausbildungsgang, nicht aber am Beruf des Vaters orientieren.
Um eine Richtigstellung in Zahlen geben zu können, müßte der Bundesregierung bekanntgegeben werden, wie die Basis der Meinungsumfrage und der Umfang der Befragten ausgesehen haben. Aufklärung über Probleme und Entwicklungszahlen zum Wehrersatzdienstwesen hat die Bundesregierung in ihrem „Weißbuch 1970" gegeben. Die Richtigstellung der Angaben in dem angezogenen Artikel wird sicher die Presse selbst geben, die die Äußerungen der Bundesregierung in der Fragestunde erfahrungsgemäß sehr sorgfältig verfolgt.
Über das in Oberhausen verteilte Flugblatt - es handelt sich um eine rein örtliche Aktion - möchte ich sagen: Sie sollten örtlichen Aktionen jugendlicher Radikaler oder jugendlicher Idealisten, die ja immer wieder vorkommen, keine allzu große Bedeutung beimessen.
Im übrigen weiß ich aus persönlichen Gesprächen, daß die Soldaten, die sich in der ÖTV organisiert haben, versuchen werden, mit den Jugendlichen der gleichen Gewerkschaft ein Gespräch zu führen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß für die Richtigstellung nicht die Basis der Umfrage interessant ist, sondern die Tatsache, daß eine Verwirrung und falsche Darstellung in die Öffentlichkeit hineingetragen wird und daß man sicherlich bei diesem Flugblatt nicht nur von Idealisten sprechen kann? Das Flugblatt ist nämlich offiziell mit „ÖTV-Jugend" gezeichnet gewesen. Weiterhin darf ich Sie noch fragen: Gehört nicht auch die ÖTV-Jugend zu den Jugendgruppen, die über den Bundesjugendplan in der politischen Bildungsarbeit gefördert werden? Glauben Sie, daß dieses Flugblatt mit dieser Arbeit in Einklang zu bringen ist? Und im übrigen darf ich Sie fragen: Sind Sie darüber informiert, daß nicht nur Flugblätter verteilt werden, sondern daß z. B. gegen die Bundeswehrausstellung in Osnabrück auch eine Brandstiftung festzustellen war?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Biehle, Sie haben vier Fragen gestellt. Sie werden verstehen, daß ich nicht alle vier Fragen behalten habe. Aber ich will Ihnen sagen, daß für den Bundesjugendplan nicht der Bundesminister der Verteidigung zuständig ist. Er maßt sich auch nicht an, in die Zuständigkeit seines Kollegen, der zufällig hier zur Rechten als Dame sitzt, einzugreifen. Sie müssen also diese Frage an Frau Kollegin Strobel oder ihren Parlamentarischen Staatssekretär, Herrn Westphal, stellen.
Zum anderen: Das Flugblatt haben Sie mir ja liebenswürdigerweise in Ablichtung übersandt. Es bleibt festzustellen, daß es sich nicht um die ÖTV-Jugend, sondern die ÖTV-Jugend Oberhausen handelt. Es ist ein mit der Schreibmaschine geschriebenes Flugblatt, welches abgezogen wurde. Es ist gar nicht sicher, ob diejenigen, deren Namen daruntergesetzt wurden, wirklich die Herausgeber sind. Ich jedenfalls habe keine Nachforschungen angestellt. Als Politiker wissen Sie, daß es die eigenartigsten Flugblätter gibt, und man weiß nie genau, woher sie kommen.
Ich kenne auch die anderen Attacken gegen die Ausstellungen. Ich habe eine Liste über diese Attacken hier. Dabei gibt es den Versuch einer Brandstiftung - das soll nicht bestritten werden -, aber es gibt auch sehr erfolgreiche Abläufe dieser Veranstaltungen, so daß ich davor warne, so etwas zu generalisieren. Darüber hinaus steht der Aufsatz „Wehrpflicht in der Krise" in der Zeitschrift „Welt der Arbeit" nicht im Zusammenhang mit dem Flugblatt der sogenannten ÖTV-Jugend Oberhausen.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende der Fragestunde angelangt. Die nächste Fragestunde findet morgen früh um 9 Uhr statt.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Einbringung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes 1971
- Drucksachen 11/ 1100, zu VI/ 1100 Ich darf, bevor ich dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort gebe, auf den Ablauf der Tagesordnung hinweisen und Ihnen folgendes mitteilen. Der Ältestenrat hat sich mit dem heutigen und dem morgigen Tagesverlauf beschäftigt. Wir werden im Anschluß an die Einbringungsrede mit den Punkten 4 bis 11 der Tagesordnung fortfahren und morgen früh, nach der Fragestunde um 9 Uhr, also um 10 Uhr, mit dem Punkt 3 a, b und c beginnen.
Ich erteile nunmehr zum Punkt 2 der Tagesordnung Einbringung des Haushaltsgesetzes - dem Herrn Bundesfinanzminister Möller das Wort.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor sieben Monaten, am 18. Februar dieses Jahres, trug ich an dieser Stelle den Entwurf des
Haushaltsgesetzes 1970 und den Finanzplan der Jahre 1969 bis 1973 vor.
Heute habe ich zum zweitenmal in diesem Jahr die Ehre, dem Hohen Hause das Ergebnis der Haushalts- und Finanzplanung der Bundesregierung vorzulegen. Die durch das neue Haushaltsrecht vorgeschriebene Vorlagefrist ist damit dank des großen Arbeitseinsatzes der Mitarbeiter der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums für den Haushaltsentwurf 1971 eingehalten. Wenn sich das Finanzkabinett im Monat Juni und die Bundesregierung abschließend am 9. Juli mit den Konzeptionen befaßt haben, so bleibt festzuhalten, daß wir dabei selbstverständlich immer davon ausgegangen sind, daß der neue Haushaltsentwurf das kommende Jahr betrifft.
Lassen Sie mich deshalb zu Beginn der parlamentarischen Beratungen mit Nachdruck darauf hinweisen, daß wir heute und morgen den Haushalt für das Jahr 1971 noch nicht zu verabschieden haben. Wir stehen nicht am Ende, sondern am Beginn der Beratungen. Im Verlauf der nächsten Monate wird die konjunkturelle Landschaft des Jahres 1971, die jetzt erst in Umrissen sichtbar ist, deutlichere Konturen gewinnen. Gerade weil der Haushalt 1971 auch konjunkturgerecht zu gestalten sein wird - eine Tatsache, die der Bundesregierung voll bewußt ist -, müssen wir über die konjunkturpolitische Feinabstimmung am Ende der Haushaltsberatungen entscheiden, nicht an ihrem Beginn. Schon in der Bundespressekonferenz am 9. Juli habe ich --- ausweislich des Protokolls, Seite 2 - nach einer Darstellung über die Gründe der Festsetzung eines Haushaltsvolumens von 100 Milliarden DM hinzugefügt:
Sollte sich die Beruhigung der Konjunktur verzögern, so wird das Kabinett dem Deutschen Bundestag die der Lage gemäßen Maßnahmen vorschlagen.
Der Finanzplanungsrat hat am 13. Juli 1970 eine Empfehlung ausgesprochen, in der es heißt:
Nachdem die öffentlichen Ausgaben in den letzten beiden Jahren hinter der Sozialproduktsentwicklung zurückgeblieben sind, ist für die kommenden Jahre ein stärkeres Wachstum der öffentlichen Ausgaben erforderlich.
Der Finanzplanungsrat empfiehlt daher für den Durchschnitt der Jahre 1971 bis 1974 eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben um jährlich rund 9 v. H. Für 1971 wird eine Zunahme von 12 v. H. als erforderlich angesehen. Dabei ist vorausgesetzt, daß mit den zusätzlichen konjunkturpolitischen Stabilisierungsmaßnahmen für die Verwirklichung des Nachholbedarfs im öffentlichen Bereich die gesamtwirtschaftliche Grundlage geschaffen wird. Anderenfalls sind weitere finanzpolitische Maßnahmen zur Schaffung dieser Voraussetzung unerläßlich. Daher wird sich der Finanzplanungsrat in der ersten Hälfte des Monats Dezember 1970 noch einmal mit den Grundannahmen beschäftigen.
So weit das Zitat.
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Diese Empfehlung ist gegen die Stimme des Freistaates Bayern und bei Stimmenthaltung der Länder Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und des Saarlandes beschlossen worden. In der mit diesen Ländern abgestimmten Pressemitteilung heißt es wörtlich:
Diese Länder sahen sich nicht in der Lage, angesichts der derzeitigen konjunkturellen Situation einem Ausgabewachstum des öffentlichen Gesamthaushalts von 12 v. H. in 1971 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, von diesen vier Ländern ist heute zu sagen, daß der Freistaat Bayern und das Saarland noch keine Haushaltsentwürfe für 1971 vorgelegt haben. Der Haushaltsentwurf 1971 des Landes Schleswig-Holstein weist gegenüber dem Soll 1970 eine Steigerungsrate von 12,2 v. H. auf,
({0})
der des Landes Baden-Württemberg sogar eine solche von 14 v. H.,
({1})
wenn man die vorgesehene Sperre berücksichtigt, eine Steigerungsrate von 12 v. H.
({2})
- Ich bin selbstverständlich schon aus Gründen der Objektivität bereit, die Gründe zu nennen.
({3})
Sie werden verstehen, daß ich mich insoweit salviere, als ich sie nicht aus meiner Sicht darstelle, sondern den Herrn Ministerpräsidenten Filbinger selbst zitiere. Ich hoffe, daß Sie damit zufrieden sein werden.
({4})
Dabei möchte ich hervorheben, daß der Finanzminister desselben Landes, Herr Kollege Gleichauf, elf Tage vorher - denn es liegt zwischen der Erklärung des Finanzplanungsrates und der Verabschiedung des Haushalts des Landes Baden-Württemberg nur eine Frist von elf Tagen eine Steigerungsrate von 12 v. H. nicht billigen konnte. Elf Tage: Welche Wandlung!
Der Ministerpräsident, Herr Dr. Filbinger, hat nach einer Pressemitteilung des Staatsministeriums vorn 24. Juli begründet, warum die Ausgaben seines Landes in 1971 gegenüber dem Haushalt 1970 um 14 v. H. ansteigen werden. Um den vom Finanzplanungsrat empfohlenen Rahmen so heißt es in der Pressemitteilung - von 12 v. H. nicht zu überschreiten, habe der Ministerrat für den Betrag von rund 218 Millionen DM eine Haushaltssperre beschlossen. Trotz dieser Sperre nun zitiere ich wörtlich - „liege das Wachstum des Haushalts deutlich über dem für 1971 erwarteten Wachstum des Bruttosozialprodukts von 7,5 v. H. Leider habe sich gezeigt" - ich zitiere immer noch -, „daß es den Ländern nicht möglich sei, einem konjunkturellen Hoch durch ein Ausgabentief entgegenzuwirken, wie es die Konjunkturtheorie forderte."
„Wir sind bestürzt,
- so sagte Herr Filbinger wörtlich wie stark die Konjunktur auf den Ausgabenbereich durchschlägt und wie wenig Manövrierraum in der Ausgabengestaltung verbleibt."
Dabei habe die Landesregierung den Haushalt - so heißt es nun in der Pressemitteilung keineswegs mutwillig erhöht, sondern einen sehr strengen Maßstab angelegt. - Bei 14 v. H. habe sie also einen sehr strengen Maßstab angelegt!
Sie können mir nicht übelnehmen, wenn ich feststelle: Dasselbe gilt für die Bundesregierung und ihren Haushaltsentwurf mit einer Zuwachsrate von 12,1 v. H.
({5})
Ich muß schon sagen, bei einer solchen Aussage eines in der Regierungsverantwortung stehenden Mitglieds der CDU ist das Verhalten der CDU/CSUBundestagsfraktion, den Vorschlägen der Bundesregierung von vornherein ein glattes Nein entgegenzusetzen, unverständlich.
({6})
Daher muß ich erklären: Wenn die Opposition einen sachlichen Beitrag zum vorliegenden Haushaltsentwurf leisten will, dann muß sie mit einer Prognose der konjunkturellen Entwicklung für das Jahr 1971 beginnen.
({7})
Sollten Sie zu einer Prognose nicht in der Lage sein, meine Damen und Herren von der Opposition, dann steht Ihre Kritik auf Sand. Dann wird um so deutlicher, daß Sie Ihre ich drücke mich sehr milde aus - Polemik nur zu dem einen Zweck ausrichten, die Bevölkerung zu verunsichern.
({8})
Das Herumreiten auf einem Preisindex, z. B. auf der Erhöhung der Lebenshaltungskosten für den Monat August gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat um 4,1 v. H., ist noch keine Konjunkturprognose für das Jahr 1971,
({9})
was niemand hier im Hohen Hause bestreiten kann. Zur Zeit spricht die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Phase der stürmischen konjunkturellen Aufwärtsentwicklung hinter uns liegt.
({10})
- Hochzuverehrender Herr Dr. Barzel, wenn ich sage, am Beginn Ihrer Kritik muß eine Prognose für das Jahr 1971 stehen,
({11})
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
dann müssen Sie mir erlauben, daß ich sage, was ich von der heutigen konjunkturellen Lage halte, weil das ein Ausgangspunkt für unsere Konzeption ist.
({12})
Und, Herr Kollege Dr. Barzel, ich weiß ganz genau, daß Sie damit nicht einverstanden sein dürfen.
({13})
Ich sage, die Lage ist zwar nach wie vor durch erhebliche Anforderungen an die Kapazitäten gekennzeichnet;
({14})
es gibt aber Merkmale für das Andauern eines ganz allmählichen Entspannungsprozesses. So läßt vor allem die laufende Nachfrage bei der Industrie aus dem In- und Ausland deutliche Beruhigungstendenzen erkennen. Zum ersten Male seit 1967 lag im Juli der Auftragseingang sogar unter dem Niveau des Vorjahres. Die Auftragsbestände nahmen in realer Betrachtung seit Juni leicht ab. Eine ähnliche Entspannung zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt. Noch immer liegen allerdings die Preise erheblich über dem Preisniveau vor Jahresfrist.
({15})
Aber auch hier verläuft in der Betrachtung von Monat zu Monat die Entwicklung differenzierter. So hat sich insbesondere - trotz der hohen Preisrate im August - der Anstieg des Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte seit Frühjahr verlangsamt.
Ich will damit ganz sicher nicht sagen, daß alle Klippen bereits umschifft sind - vor allem nicht auf dem Gebiet der Preise. Was aber an Entspannungszeichen sichtbar wird, das ist nur durch eine Stabilisierungspolitik erreicht worden, für die seit der Verbesserung der D-Mark-Parität - der Grundlage aller weiteren Maßnahmen - diese Bundesregierung verantwortlich zeichnet und einsteht.
({16})
Unsere Politik mußte leider gegen eine Opposition
durchgesetzt werden, die - solange sie die Macht
dazu hatte - rechtzeitiges Handeln verhindert hat.
({17})
- Meine Damen und Herren, es handelt sich hier nur um die historische Wahrheit.
({18})
Wir mußten unsere Politik leider gegen eine Opposition durchsetzen, die den Begriff der Stabilität überhaupt erst in der Opposition wiederentdeckt hat.
({19})
Wir mußten leider unsere Politik gegen eine Opposition durchsetzen, die zwar immer von der Stabilität spricht, als es im Juli dieses Jahres aber zum Schwure kam,
({20}) in Enthaltung verfallen ist.
({21})
Hinzu kommt der schwerwiegende Vorwurf, daß die CDU/CSU versucht, die Zusammenhänge zwischen der inneren und der äußeren Stabilität zu verschleiern.
({22})
Niemand darf bei der Beantwortung der Frage, warum das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gegenwärtig noch nicht erreicht werden konnte, übersehen, daß unsere Volkswirtschaft in besonders hohem Maße mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung verflochten ist.
({23})
In fast allen unserer Partnerländer sind die Preise schneller als bei uns gestiegen.
({24})
Dazu will ich Ihnen die letzten Daten des Statistischen Bundesamtes vortragen. In anderen Ländern haben sich die Verbraucherpreise gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat wie folgt erhöht:
({25})
- Wenn Sie das alles wissen, Herr Heck, dann seien Sie mit Ihren Außerungen, die Sie in der „Bild-Zeitung" veröffentlichen, in Zukunft vorsichtiger!
({26})
- Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal etwas sagen: wenn Sie glauben, tage- und wochenlang in der unfairsten Form
({27})
der Bundesregierung und der Koalition gegenüber
({28})
mit Unterstellungen auf einem Gebiet arbeiten zu können,
({29})
für das das deutsche Volk, wie Sie wissen, ganz besonders empfindlich ist,
({30})
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
dann müssen Sie in Kauf nehmen, daß man von der richtigen Stelle aus - und das ist diese Stelle hier im Deutschen Bundestag - Ihnen antwortet.
({31})
Vielleicht bereuen Sie noch einmal im Ablauf der weiteren Debatte, daß Sie durch Ihre Beifallskundgebungen zugegeben haben, daß auf diesem Gebiet der Erörterung - der Geldentwertung, der Inflation - unser deutsches Volk besonders empfindlich ist.
({32})
Erinnern Sie sich an die beiden Inflationen, die wir wirklich durchgemacht haben,
({33})
nämlich die beiden Inflationen nach den zwei großen Weltkriegen! Sie werden in Ihren Behauptungen sicherlich nicht so weit gehen,
({34})
hier darzustellen, daß diese beiden Weltkriege mit den darauffolgenden Inflationen von der SPD zu verantworten sind.
({35})
I Die, die diese Weltkriege und die darauffolgenden Inflationen zu verantworten haben, stehen Ihnen geistig naher als der SPD.
({36})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren - ({37})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch bitten, daß wir zurückfinden zu der Rede des Herrn Bundesfinanzministers,
({38})
diese anhören und dann morgen und in den zwei darauffolgenden Wochen die Möglichkeit zur Aussprache haben.
Bitte, Herr Bundesfinanzminister, kehren Sie zu Ihrem Redemanuskript zurück.
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Meine Damen und Herren, wenn es sich jetzt um einen Boxkampf handelte, würde ich sagen: der Gegner ist ausgezählt.
({39})
Präsident von Hassel: Herr Bundesfinanzminister, darf ich auf folgendes aufmerksam machen. Ich habe auf Fragen der Opposition vorher jede Zwischenfrage abgelehnt, weil ich dieses hier als die Einbringung einer Regierungserklärung ansehe und damit Zwischenfragen nicht zulasse. Das setzt voraus, daß sich auch der Redner der Regierung entsprechend dieser Situation anpaßt.
({40})
Ich darf Sie bitten, zu Ihrer Rede zurückzukommen.
({41})
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, ich bin überzeugt, daß ich im weiteren Ablauf des Vortrags meiner Rede Ihren Hinweis sehr sorgfältig beachten kann.
({42})
Präsident von Hassel: Ich bitte, Platz zu nehmen.
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen:
Ich habe gesagt, in anderen Ländern haben sich die Verbraucherpreise gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat wie folgt erhöht: Norwegen 9,9 % im Vergleich zu Juni, Japan 8,5 % im Vergleich zu April, Schweden 7,0 % im Vergleich zu Juni, Portugal 6,8 % im Vergleich zu Juni, Großbritannien 6,7 % im Vergleich zu Juli, Dänemark 6,1 % im Vergleich zu Mai, Frankreich 6,1 % im Vergleich zu Juli, USA 5,8 % im Vergleich zu Juli, Italien 5,0 % im Vergleich zu Juni, Luxemburg 5,0 % im Vergleich zu Juli, Niederlande 5,0 % im Vergleich zu Juli, Österreich 4,5 % im Vergleich zu Juli, Schweiz 4,0 % im Vergleich zu August, die Bundesrepublik 3,9 % im Vergleich zu Juli und 4,1 % im Vergleich zu August.
Hätte die Bundesregierung im Herbst 1969 die D-Mark nicht aufgewertet, so wäre inzwischen bei den Verbraucherpreisen zweifellos eine Anpassungsinflation eingetreten. Ich muß daher vor diesem Hohen Hause und vor unseren Bürgern draußen im Lande mit allem Nachdruck die Behauptung zurückweisen, diese Bundesregierung betreibe eine inflationistische Politik.
({43})
Präsident von Hassel: Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion?
({44})
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Bitte!
Herr Kollege Möller, sind Sie bereit, den Satz, der vorhin unseren Protest ausgelöst hat - und den ich hier nicht wiederDr. Barzel
holen möchte sind Sie bereit, diesen Satz zurückzunehmen?
({0})
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Ich weiß nicht, ob Sie den Satz genau im Gedächtnis haben. Ich habe ihn hier frei gesprochen. Ich will ihn, da er Ihnen wehetut, nicht wiederholen. Aber sehen Sie sich bitte das unkorrigierte Stenogramm an. Ich glaube, Sie können den Satz, wenn Sie ihn dann in Ruhe lesen, wirklich nicht beanstanden.
({1})
Sie ziehen also diesen Satz nicht zurück, Herr Kollege Möller. Ich bedauere diese Entwicklung und bitte nachher um Gelegenheit, Herr Präsident, nach § 36 der Geschäftsordnung eine Erklärung abgeben zu dürfen.
({0})
Präsident von Hassel: Herr Bundesminister, fahren Sie fort!
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Meine Damen und Herren, ein Tief in der politischen Argumentation hat die CSU mit ihrer Wahlanzeige „SPD gleich Inflation" erreicht. Der als unbestechlicher Stabilitätsanhänger geltende Redakteur der Süddeutschen Zeitung Walter Slotosch kommentiert die Anzeige in seiner Zeitung am 15. September 1970 mit dem Hinweis, daß er schon vor acht Jahren eine Sonderseite veröffentlich habe mit dem Titel: „Die Mark ist nur noch 66 Pfennig wert". Wörtlich schreibt er und ich zitiere nun -:
„Auf dieser 1962 veröffentlichten Sonderseite fand sich eine graphische Projektion der Geldentwertung bis zum Jahre 1972. Es ist geradezu erschreckend, wie genau die für 1970 dabei vorausberechnete Entwertungsrate tatsächlich erreicht wurde. Nein, die Deutsche Mark ist in den zwanzig Jahren der CDU/CSU-Regierung wirklich nicht stabil geblieben."
Walter Slotosch trifft die Feststellung:
„Es gehört wahrhaftig eine ziemliche Unverfrorenheit dazu, jetzt so zu tun, als hätte die Aufweichung der stabilen Mark erst vor zehn Monaten begonnen."
({1})
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal, wer dieses Inserat „SPD gleich Inflation" mit dem begleitenden Text gelesen hat, der so eindeutig und so ohne Wenn und Aber ist, der darf sich nicht wundern, daß man an die zwei Weltkriege und die darauf folgenden Inflationen erinnert hat
({2})
und daß man hinzufügt - und das habe ich getan -, daß sich die SPD weniger in der geistigen Nähe derer befindet, die schuld an Weltkrieg und Inflation waren, als die CDU/CSU.
({3})
Das war, wie ich meinen möchte, eine sehr vorsichtige Formulierung.
Dieselbe Kennzeichnung, die Herr Walter Slotosch getroffen hat, gilt auch für die „Bild"-Rechnung des Herrn Generalsekretärs der CDU, Heck. Ich muß die ganze Rechnung gleich welchen Ausgangsbetrag man zugrunde legt -- schon vom Ansatz her ablehnen, weil sie den Tatbestand, um den es sich handelt, in einer unzulässig vereinfachenden Weise wiedergibt. Diese Simplifizierung läßt z. B. völlig unberücksichtigt, daß erstens die Verzinsung auch der Spareinlagen höher geworden ist, und berücksichtigt zweitens alle jene Leistungen nicht, die den Sparern aus der staatlichen Sparförderung in Form von Sparprämien und Steuerersparnis zufließen. Ich muß sagen, es ist unglaublich, daß in einer demokratischen Partei der Oppositionsfanatismus solch traurige, für unser ganzes Volk zu bedauernde Triumphe feiern kann.
({4})
Meine Damen und Herren, wie lange man gegen die Preissteigerungen, die eine Spätfolge des zu einer Zeit außer Kontrolle geratenden Booms sind, in der die CDU/CSU noch stärkste Regierungspartei war, mit nachfragedämpfenden Maßnahmen vorgehen kann, muß sehr sorgfältig überlegt werden. Wenn die Entspannung auf der Nachfrageseite sich fortsetzt, so hängt die schnelle Wiedergewinnung der Stabilität immer mehr davon ab, daß die Unternehmen in ihrem Preisverhalten und die Tarifvertragsparteien bei ihren lohnpolitischen Vereinbarungen diesen Klimawechsel früh genug berücksichtigen. Entscheidungen, die die Stabilisierungspolitik der Bundesregierung unterstützen, sind in dieser Lage die Voraussetzung dafür, daß es nicht zu einer Preisentwicklung kommt, die durch Gewinn- und Kostenaufblähungen bestimmt wird und die damit den Zusammenhang mit der realen Konjunkturentwicklung verliert.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß wir erst jetzt den Zeitpunkt erreicht haben, in dem sichtbare Auswirkungen der von der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank getroffenen Dämpfungsmaßnahmen überhaupt erwartet werden können. Es ist unbestreitbar, daß konjunkturpolitische Entscheidungen immer eine längere Zeit brauchen, ehe sie Ergebnisse zeigen. Das gilt auch für die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen, die entweder erst bis Mitte des Jahres durchgeführt worden oder vor kurzem in Kraft getreten sind.
1. So war die Bildung der Konjunkturausgleichsrücklage, zu der der Bund sich Anfang des Jahres verpflichtete, in voller Höhe von 1,5 Milliarden DM, wie vorgesehen, Ende Juni abgeschlossen. Auch die Konjunkturausgleichsrücklage von rund 1 Milliarde DM, die die Länder auf Veranlassung des Bundes
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
gebildet haben, wurde zu diesem Zeitpunkt voll eingezahlt. Die 2,5 Milliarden DM sind ab 1. Juli 1970 zinslos bei der Deutschen Bundesbank und damit kredit- und liquiditätspolitisch wirksam stillgelegt worden.
2. Der auf Vorschlag der Bundesregierung von diesem Hohen Hause mit Wirkung vom 1. August 1970 für einen Zeitraum von elf Monaten beschlossene Konjunkturzuschlag in Höhe von 10 v. H. auf die Einkommen- und Lohnsteuerschuld, die über 100 DM monatlich liegt, läuft ebenfalls praktisch erst jetzt an. Auf Grund dieser einschneidenden konjunkturpolitisch restriktiv wirkenden Maßnahme werden etwas mehr als 5 Milliarden DM in der Zeit vom 1. August 1970 bis 30. Juni 1971 dem gesamtwirtschaftlichen Kreislauf entzogen. Die Beträge sind laufend in voller Höhe auf einem Sonderkonto bei der Deutschen Bundesbank stillzulegen und später von der Bundesbank aus zu dem noch zu bestimmenden Zeitpunkt, spätestens am 31. März 1973, zurückzuzahlen. Im August gingen nur geringe Beträge - unter 50 Millionen DM - bei der Deutschen Bundesbank ein. Für September rechnen wir bereits mit rund 500 Millionen DM. Dadurch wird unbestritten in den kommenden Monaten der Anstieg der Verbrauchernachfrage in entsprechendem Umfang eingeengt.
3. Die Aussetzung der degressiven Abschreibung in der Zeit von Juli 1970 bis 31. Januar 1971, mit der die Investitionsgüternachfrage eingeschränkt wird, beginnt auch gerade jetzt ihre ersten Wirkungen zu zeigen.
4. Quantifiziert man die restriktive Wirkung der fiskalpolitischen Maßnahmen, so ergeben sich für die Zeit von Anfang 1970 bis Mitte 1971, d. h. dem Zeitpunkt des Ablaufs der Zahlung des Konjunkturzuschlags, folgende Summen:
Konjunkturausgleichsrücklagen 2,6 Milliarden DM
Konjunkturzuschlag 5,0 Milliarden DM
Tilgung von U-Schätzen und Kassenobligationen 1,0 Milliarde DM
Zusammen macht das 8,6 Milliarden DM
aus, die durch die Finanzpolitik dieser Bundesregierung dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden. Hinzu kommen die Maßnahmen der Deutschen Bundesbank von Anfang 1970 bis Oktober 1970:
Mindestreserveerhöhung
vom 1. Januar 1970 2,4 Milliarden DM
Mindestreserveerhöhung
vom 1. Juli 1970 3,0 Milliarden DM
Zuwachsreserve
ab 1. September 1970 etwa 3,0 Milliarden DM
Offenmarktgeschäfte
der Bundesbank mit
restriktiver Wirkung, nämlich: Verkauf von U-Schätzen
an Nichtbanken
1,5 Milliarden DM
Verkauf von öffentlichen Anleihen aus Interventionsbeständen
0,5 Milliarden DM 2,0 Milliarden DM Das sind insgesamt 10,4 Milliarden DM.
Bundesregierung und Bundesbank entziehen damit dem Wirtschaftskreislauf 19 Milliarden DM. Diesen 19 Milliarden DM muß das Aufkommen aus der vorgesehenen Bildungsanleihe von i Milliarde DM zugerechnet werden, soweit es bei der Deutschen Bundesbank stillgelegt wird.
Die genannten restriktiven Maßnahmen lassen erwarten, daß in Verbindung mit den Gewinnrückgängen in der privaten Wirtschaft als Folge der Kostenentwicklung eine kontinuierliche Dämpfung der Investitionen im gesamten Unternehmensbereich, auch in der Bauwirtschaft, eintritt und damit gerade in den kommenden Monaten die Fortsetzung von Preissteigerungen mehr und mehr erschwert wird. Auf jeden Fall muß jedoch - darüber besteht zwischen Bundesregierung und Bundesbank Einigkeit - eine zu starke Drosselung der Wirtschaftskraft vermieden werden.
Klar zeigt die Summe von rund 19 Milliarden DM, die schon stillgelegt sind oder noch stillgelegt werden, daß gegenüber dieser Größenordnung die Beträge, um die nach Ansicht der Kritiker der Etat zu kürzen wäre, für die Konjunkturentwicklung jedenfalls nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Dies ist um so weniger der Fall, als. für die Haushaltsfinanzierung, soweit sie nicht durch Steuern oder andere Einnahmen erfolgt, keine Notenbankkredite, also kein zusätzlich geschaffenes Geld, in Anspruch genommen werden, sondern beabsichtigt ist, diese Finanzierung langfristig über den deutschen Kapitalmarkt und damit liquiditätsneutral durchzuführen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun sehr deutlich sagen, warum die Bundesregierung für 1971 einen Haushalt mit einem Volumen von 100 Milliarden DM vorschlägt und warum wir uns gegen Unterstellungen wehren, die nicht nur mit dem CSU-Wahlkampf in Bayern zu erklären sind.
Aufgabe der Finanzpolitik war früher ausschließlich die Finanzierung der vom Staat erwarteten Leistungen. Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft hat der Finanzpolitik die weitere Verpflichtung auferlegt, die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Dafür gibt es zwei Wege: die Ausgabenwirtschaft und die Steuerpolitik. Beide Wege haben im Gesetz und in der konjunkturpolitischen Praxis gleichen Rang und im Endeffekt auch die gleiche Wirkung. Ich erinnere daran, daß sich die Maßnahmen zur Überwindung der Rezession keineswegs nur auf die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte beschränkt haben.
Die Bundesregierung kann und wird keine der beiden Aufgaben der Finanzpolitik vernachlässigen, weder den Stabilisierungsauftrag noch die VerpflichBundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
tung, in diesem Land für eine angemessene Infrastruktur zu sorgen.
({5})
Gerade diese doppelte Aufgabenstellung erfordert aber, daß wir die Prioritäten ständig neu durchdenken. Wir sind dabei im Frühsommer zu folgendem Ergebnis gekommen: Der von allen anerkannte Rückstand bei den vom Staat zu Recht erwarteten Leistungen erfordert, daß nach zwei Jahren konjunkturbedingter Ausgabeneinschränkungen nunmehr die allmähliche Erfüllung des Nachholbedarfs wieder den gebührenden Platz erhält.
Es ist dem Bürger dieses Landes auf die Dauer nicht zuzumuten, daß die Erfüllung dringender öffentlicher Aufgaben im Bildungsbereich, bei Wissenschaft und Forschung, in der Verkehrspolitik, im Krankenhauswesen, im Wohnungsbau, im Umweltschutz und in anderen wichtigen Bereichen von einer Bundesregierung ständig und von vornherein nur als „Eventualität" angesehen wird;
({6})
denn, meine Damen und Herren - und das sollte sich insbesondere die Öffentlichkeit merken -, genau das steckt hinter der Empfehlung, schon jetzt den Etat 1971 in einen Kernhaushalt und einen Eventualhaushalt aufzuspalten.
({7})
Wer ständig die Konjunktur nur über die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte stabilisieren will, der „stabilisiert" damit gleichzeitig den Nachholbedarf unserer Gesellschaft an öffentlichen Investitionen auf seinem derzeitigen Niveau und damit die Armut unseres Gemeinwesens.
({8})
Die Stabilitätspolitik darf und soll nicht vernachlässigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Bundesregierung im Frühsommer den Einsatz der finanzpolitischen Instrumente des Stabilitätsgesetzes neu orientiert. Die Ausgabenwirtschaft wird dadurch von einer allmählich unerträglichen Bürde entlastet, von der Bürde nämlich, wichtige öffentliche Aufgaben weiter unerfüllt zu lassen, Aufgaben, auf deren Erfüllung die Bürger unseres Landes ein Recht haben.
({9})
Dies, meine Damen und Herren, ist der Grundgedanke der Kabinettsbeschlüsse vom Beginn des Sommers. Wer als Kritiker meint, damals habe die Bundesregierung den Steuerzahler zur Kasse gebeten, und nun gebe sie selbst so viel Geld aus - es gibt Beispiele aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion, daß so etwas behauptet und uns unterstellt wird , der übersieht, daß der Steuerzahler lediglich vorübergehend zu einem vertretbaren privaten Konsumverzicht veranlaßt wurde, damit der Bürger als Vater schulpflichtiger und in der Ausbildung befindlicher Kinder, als kranker Mensch und als Verkehrsteilnehmer nicht noch länger auf die Bereitstellung der notwendigen Einrichtungen warten muß.
({10})
Bevor die Kritiker daran Anstoß nehmen, sollten sie sich wenigstens bemühen, dieses Konzept gedanklich nachzuvollziehen. Mißbilligen können sie es dann immer noch. Das müssen Sie, meine Damen und Herren von der abwesenden Opposition - Verzeihung Herr Kollege Rasner, Sie sind der Repräsentant der Opposition ,
({11}) dann aber auch öffentlich erklären.
Ein Bundeshaushalt mit einem Volumen von 100 Milliarden DM ist kein Übermut staatlicher Stellen und keine manische Sucht der Bundesregierung, eine Ausgabenflut in Bewegung zu setzen, so wie man das uns unterstellt.
({12})
Er ist allein Ausdruck unseres Bemühens, die Bürger dieses Landes endlich mit einem angemessenen Angebot an öffentlichen Leistungen zu versorgen, was nur über die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte geschehen kann. Es beweise mir ein anderer mal das Gegenteil! Das gibt es nicht! Es gibt keinen anderen Weg. Für die Stabilitätspolitik steht uns dagegen immer noch eine Anzahl Instrumente zur Verfügung.
Die politischen Angriffe der letzten Wochen - und niemand soll sich wundern, daß man sich darüber aufregt, daß man das nicht einfach alles runterschlucken kann - haben in bedenklicher Weise einer Vernebelung in diesem Punkte Vorschub geleistet. Ich bedaure diese Art von Polemik, weil die öffentliche Meinung unter dem schrecklichen Druck unerträglicher Verhältnisse bei der Entwicklung unserer Infrastruktur doch ein ganz realistisches Gefühl dafür bekommen hat, wie notwendig es ist, mit jenen öffentlichen Investitionen wieder Anschluß an die private Wohlstandsentwicklung zu gewinnen, ohne die in Zukuntt ein höherer Lebensstandard der Bürger unseres Landes einfach nicht mehr denkbar ist.
({13})
Selbst der Entwurf der CDU-Programmkommission für die Fortschreibung des Berliner Programms läßt in vielen Passagen eine solche realistische Einstellung erkennen. Ich hoffe, daß diese Passagen auch nach der jetzt neu einsetzenden Diskussion bleiben werden. Urn so eigenartiger muß es wirken, wenn sich die Opposition heute über „innere Reformen" lustig macht, wann immer dieses Wort fällt. Wir kleben nicht an einem Wort; aber wir verfechten die Sache, um die es dabei geht.
({14})
Daß nicht jede Reform Geld kosten muß, hat diese Bundesregierung bereits bewiesen. Der Bundesverteidigungsminister zeigt im „Weißbuch 70" der3688
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
artige Reformen für seinen Bereich auf. Im .Justizwesen wurden bereits der erste Teil der Strafrechtsreform und die Reform der Rechtsstellung des nichtehelichen Kindes durchgeführt; das Ehescheidungsrecht steht zur Änderung an. - Ich will hier gar nicht darauf eingehen, wie das alles aussähe, wenn ein CSU-Kollege Justizminister wäre. - Gesellschaftspolitisch von Bedeutung sind die Vorbereitungen zur Schaffung eines umfassenden Sozialgesetzbuches und zur Reform des Arbeitsrechts. Die Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes, die dem Kläger schneller zu einer Entscheidung verhilft, die Einführung von Kontoauszügen in der Rentenversicherung, die dem einzelnen einen ständigen Überblick über seine Versorgungsansprüche geben und damit größeres Vertrauen schaffen, sind weitere Beispiele dafür, daß wir einen Teil der Reformen auch ohne großes Geldausgeben verwirklichen. Eine zeitgemäße Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes wird die Arbeitswelt und damit das Leben unserer Arbeitnehmer im gleichen Umfang verändern wie viele Maßnahmen, die ihren Niederschlag im Bundeshaushalt 1971 gefunden haben.
Trotzdem müssen wir auch stärker in jene Bereiche vorstoßen, die nun einmal Geld kosten. Das hat seine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Es scheint an der Zeit, klar auszusprechen, daß es nicht darum geht, diese Bundesregierung zu bereichern, sondern darum, dringend Notwendiges für die Bürger zu tun, ganz gleich, ob sie nun CDU, CSU, SPD oder FDP oder noch etwas anderes oder gar nicht wählen.
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Wir müssen endlich herunterkommen von der kleinkarierten Unterstellung, als wirtschafte sich diese Koalition die vorgesehenen Mehrausgaben in die eigene Tasche.
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Auch das kann man nachlesen. Wer einer solchen Betrachtungsweise Vorschub leistet, der versucht, das positive Verhältnis, das die Bürger der Bundesrepublik - von Ausnahmen abgesehen, die gibt es immer ({17})
zu ihrem Staat haben, zu beeinträchtigen.
Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland in keiner „Gesellschaft im Überfluß" und sind auch keine „Zukunftsgesellschaft, die sich nur noch mit der Verteilung des Überflusses zu beschäftigen hat". Es gibt eine Schere zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut.
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Sie wird sich dann noch weiter öffnen, wenn diese Regierung nicht versucht, die Versäumnisse jahrzehntelanger CDU/CSU-Vorherrschaft zu überwinden.
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Meine Damen und Herren, da die Bundesregierung den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten nach ihrem Amtsantritt im Oktober vorigen Jahres auch durch eine restriktive Ausgabenpolitik Rechnung tragen mußte, konnte sie nicht sofort alle drängenden Reformmaßnahmen in dem notwendigen Ausmaß in Angriff nehmen. Dennoch hat sie für das Jahr 1970 unverzüglich wichtige Entwicklungen eingeleitet, um unseren sozialen Rechtsstaat weiter auszubauen. Ich erinnere nur an folgendes: Der Beitrag der Rentner zur Krankenversicherung wurde abgeschafft. Die Kriegsopferversorgung wurde dynamisiert. Die Ausgabenansätze des Bundes für Bildung und Wissenschaft wurden gegen-über dem Vorjahr um mehr als ein Drittel erhöht. Der Begünstigungsrahmen für vermögenswirksame Leistungen wurde von 312 auf 624 DM verdoppelt. Die Kindergeldleistungen werden ab 1. September 1970 angehoben. Der Kreis der vom Bund zu fördernden Hochschulen wurde auf die Fachhochschulen erweitert. Schon dieser Katalog zeigt Anstrengungen, die für sich selbst sprechen. Aber wir stehen erst am Anfang.
Der dem Hohen Hause vorgelegte Haushaltsentwurf 1971 und der Finanzplan bis 1974 sind unter Zielsetzungen gestellt, von denen ich die wichtigsten nennen möchte:
1. Weiterer Ausbau des Bildungswesens von der Vorschule über Fach- und Hochschulen bis zur Erwachsenenfortbildung.
2. Schutz der Gesundheit durch Verminderung der Gefährdung unserer Umwelt und beschleunigter Aus- und Neubau von Krankenhäusern.
3. Weiterführung des Wohnungsbaus zu tragbaren Bedingungen besonders für die einkommensschwächeren Familien.
4. Zügiger und bedarfsgerechter Ausbau des Verkehrswesens.
5. Weitere Verbesserung der nationalen Agrarstruktur.
6. Im Verteidigungshaushalt Beginn der im „Weißbuch 70" vorgesehenen Reformen.
Zu verschiedenen Bereichen, die für die Konzeption von Haushalt und Finanzplan beispielhaft sind, will ich mit einigen Anmerkungen Stellung nehmen.
Zunächst zu Punkt 1 - weiterer Ausbau des Bildungswesens -: Die Entschlossenheit der Bundesregierung, Prioritäten zu setzen, wird besonders deutlich im Einzelplan 31. Für Bildung und Wissenschaft sollen 1971 wenigstens 1,2 Milliarden DM mehr als 1970 ausgegeben werden. Wenn die Opposition den Bundeshaushalt 1971 kürzen möchte, wird sie deswegen gar nicht darum herumkommen, auch bei Bildung und Wissenschaft Streichungen vorzunehmen. Wollen Sie das aber nicht, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß sich eine Steigerungsrate der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft von fast 43 v. H. gegenüber 1970 naturgemäß in der Wachstumsrate des gesamten Bundeshaushalts niederschlägt.
Diese Bundesregierung will die Bildungsreform für ein Land, in dem der Anteil der Gesamtausgaben für Bildung und Wissenschaft am Bruttosozialprodukt auch heute noch unter 5 v. H. gegenüber z. B.
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
7,2 v. H. in Frankreich und 9,8 v. H. in den USA liegt. Unser Bildungswesen, das in früheren Jahren in einigen Bereichen Vorbild für andere Länder war, ist im internationalen Vergleich zurückgefallen. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben für die schulische Bildung liegt in der Bundesrepublik um mehr als ein Viertel niedriger als in Großbritannien oder Japan; er beträgt weniger als die Hälfte des entsprechenden Wertes für Schweden. Der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung liegt wesentlich niedriger als in vergleichbaren Ländern.
Wollen Sie diese Lücke mit privaten Investitionen schließen? Wenn das nicht geht - und es geht nicht , was soll das Gerede von der Gefahr wachsender Staatsausgaben? Und sind diese Staatsausgaben - längerfristig gesehen nicht gerade für die Entwicklung unserer Wirtschaft notwendig, die immer mehr auf möglichst viele gut ausgebildete Menschen und auf uns weiterführende Forschungsergebnisse angewiesen ist?
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Auf dem Bildungssektor sind hohe Steigerungsraten des Einzelplans 31 unerläßlich. Der Hochschulbau - er steigt um 200 Millionen DM, wenn man
die Bildungsanleihe außer acht läßt - erfaßt nun
auch die sogenannten Fachhochschulen. Die Ausgaben für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell werden um mehr als die Hälfte der Vorjahresansätze auf nunmehr 182 Millionen DM erhöht. Für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sind erstmals 56,5 Millionen DM vorgesehen. Versuchs- und Modelleinrichtungen im Bildungsbereich, Forschungsarbeiten und Informationssysteme für die Bildungsplanung sollen mit nahezu 100 Millionen DM finanziert werden; das ist mehr als das Doppelte der Ausgaben dieses Jahres. Die Förderung der Hochschulforschung und der großen Wissenschaftsorganisationen muß erheblich verstärkt werden: um 100 % bei den Sonderforschungsbereichen im Rahmen der deutschen Forschungsgemeinschaft, um 36 % bei der Max-PlanckGesellschaft.
Diese Bundesregierung will die Rückkehr unseres Landes in die Spitzengruppe im Bereich von Wissenschaft und Forschung.
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In vielen für die wissenschaftlich-technische Entwicklung wichtigen Schlüsseltechnologien liegt die Bundesrepublik heute hinter anderen Industrieländern weit zurück; Computersprachen zum Beispiel stehen
- wie jeder weiß - bei uns erst am Anfang. Die Ausgaben für die Meeresforschung, der für die Nahrungs- und Rohstoffversorgung dieser Erde eminente Bedeutung zukommt, waren im vergangenen Jahr in Großbritannien etwa dreimal und in den USA mehr als dreißigmal so hoch wie bei uns.
Um den wissenschaftlichen Rang der Bundesrepublik im internationalen Vergleich zurückzugewinnen, wollen wir die Weltraum- und Luftfahrtforschung mit mehr als einer halben Milliarde DM fördern. Die Ausgaben für die Datenverarbeitung sollen 1971 auf nahezu 235 Millionen DM - das sind
fast 175 % mehr als in diesem Jahr - erhöht werden.
In Kernforschung und Kerntechnik hat die Bundesrepublik - wie alle wissen - beachtliche Ergebnisse aufzuweisen. Um den Erfolg der begonnenen Arbeiten zu sichern - überhaupt nur zu sichern, meine Damen und Herren! -, hält die Bundesregierung eine Steigerung der Förderungsmittel auf 1,181 Milliarden DM für notwendig.
Solche Beispiele machen die Anstrengungen deutlich, die diese Gesellschaft, dieser Staat für Reformen und für notwendige Erweiterungen im Bereich von Bildung und Wissenschaft zu übernehmen hat. Die Ausgaben des Bundes für Bildung und Wissenschaft werden deswegen bis 1974 im Vergleich zu den anderen Einzelplänen des Bundeshaushalts den größten Zuwachs aufweisen.
Dennoch werden wir nicht alles tun können, was getan werden müßte: Die durch frühere Versäumnisse entstandenen Lücken sind eben zu groß. Nach dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung sollen z. B. die Ausgaben für Ausbau und Neubau von Hochschulen wie ich schon ausgeführt habe - um mehr als 200 Millionen DM auf mehr als 1 Milliarde DM anwachsen. Aber schon heute ist erkennbar - und zwar nicht zuletzt durch den Druck der Länder, nicht zuletzt durch den Druck der von der CDU und CSU beherrschten Länder -, daß dieser Betrag einfach nicht ausreichen wird. Die Bundesregierung will deshalb Baumaßnahmen im Hochschulbereich, die Voraussetzung für die Überwindung des Numerus clausus sind, auch aus dem Aufkommen der Bundesanleihe für Bildungszwecke finanzieren.
Es werden trotzdem weitere Wünsche unerfüllt bleiben, so im Bereich der Weiterbildung und bei einzelnen Forschungseinrichtungen: Die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt kann 1971 mit technischen Einrichtungen und Gerät leider nicht so ausgestattet werden, wie wir es uns vorstellen und wie es auch notwendig ist.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die Unterlagen verweisen, die ich den Mitgliedern des Hohen Hauses zur Erleichterung der Beurteilung des Haushaltsentwurfs und des fortgeschriebenen Finanzplans zugestellt habe. Wenn Sie sich die Entwicklung des Ausgabebedarfs des Bundes von 1970 bis 1974 nach den Einzelplänen objektiv ansehen, dann bitte ich, insbesondere die Spalten „Soll 1970" und die nach den Verhandlungen der Ressorts mit dem Bundesfinanzministerium aufrechterhaltenen „Anforderungen" mit den Zahlen des Haushaltsentwurfs und des Finanzplans zu vergleichen. Das können Sie jetzt alle, weil Sie die Unterlagen haben. Sie werden dann zweierlei feststellen: Erstens, daß es keineswegs gelungen ist, mit unseren Vorlagen aus ihrer Sicht berechtigte Vorstellungen aller Ressorts zu erfüllen. Sie werden zweitens - nehmen wir als Beispiel den Einzelplan 12 ({22}) - selbst ermitteln können, daß die Steigerungsraten in keiner Weise den vorliegenden und erkennbaren Erfordernissen entsprechen. Das ist die nackte lautere Wahrheit.
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Meine Damen und Herren, eine Zukunftsaufgabe von hohem Rang ist der Schutz der Menschen vor den Risiken für die Gesundheit, die durch Technisierung und Automatisierung entstehen. Infolge der zunehmenden Verschmutzung von Luft und Wasser und der wachsenden Belästigungen durch Lärm besitzt der Umweltschutz Vordringlichkeit. Die Bundesregierung hat daher Grundlinien für ein Umweltschutzprogramm entwickelt und ein Sofortprogramm beschlossen. Im Vordergrund steht eine Reihe von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr; es soll aber auch mehr als bisher dem Gedanken der Vorsorge Rechnung getragen werden. Schwerpunkte dieses Programms liegen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung, der Lärmbekämpfung, der Wasserreinhaltung, der Abfallbeseitigung und auf dem Gebiet des Natur- und Landschaftsschutzes.
Der Umfang der zu leistenden Arbeit ist erheblich. Das Sofortprogramm kann nur ein erster Schritt bei der Bewältigung der hier bestehenden Probleme sein. Um die Förderung der Forschung, Entwicklung und Erprobung in diesem Gebiete zu intensivieren, werden im Bundeshaushalt 1971 höhere Mittel zur Verfügung gestellt und die einzelnen Maßnahmen des Sofortprogramms koordiniert.
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Im Gesundheitswesen wurden die Ausgabeansätze für die Krankenhausfinanzierung deutlich angehoben. Daneben sind Mittel für die Einleitung und stärkere Förderung einer Reihe kleinerer aber wichtiger Maßnahmen bereitgestellt worden, wie zum Beispiel gesundheitliche Aufklärung auf dem Gebiet der Rauschgiftbekämpfung und Hilfe für behinderte Menschen.
Meine Damen und Herren, ein anderes wichtiges Kapitel: Wohnungswesen und Städtebau, die in besonderem Maße unser Zusammenleben beeinflussen, bilden ein Kernstück der inneren Reformen. Diese Bundesregierung sieht es als ungerecht an, daß nach zwanzig Jahren des Wiederaufbaus noch rund 800 000 Menschen in schlechten Wohnverhältnissen leben müssen. Schuld daran ist aber nicht die Konjunktur von 1970, sondern die Tatsache, daß die CDU/CSU während ihrer Regierungszeit die Mieten zu früh freigegeben
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und die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau zu schnell - trotz unserer immer wieder vorgetragenen Warnungen - gesenkt hat.
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Meine Damen und Herren, niemand kann doch im Ernst leugnen, daß Mietpreissteigerungen in erster Linie widerspiegeln, daß auf dem Wohnungsmarkt noch immer eine ungedeckte Nachfrage besteht. Als entscheidendes Mittel zur Bekämpfung weiterer Preissteigerungen will die Bundesregierung durch gezielte Förderung das Angebot an Wohnungen vergrößern.
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Im Haushaltsentwurf ist für das Jahr 1971 eine Aufstockung der Förderungsbeträge für den Wohnungsbau um rund 50 v. H. auf insgesamt 650 Millionen DM vorgesehen. Darin sind erstmals Mittel enthalten für das in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigte langfristige Wohnungsbauprogramm. Mit Hilfe dieses langfristigen Wohnungsbauprogramms wollen wir in den kommenden Jahren jährlich bis zu 250 000 Neubauwohnungen - also rund 100 000 mehr als in den vergangenen Jahren - öffentlich fördern und weitere 50 000 Altbauwohnungen modernisieren. Dabei sollen kinderreiche und junge Familien, alte und alleinstehende Menschen sowie Körperbehinderte besonders berücksichtigt werden.
Wir werden künftig mehr als die Hälfte des gesamten Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln fördern und damit zur Normalisierung des Wohnungsmarkts und zu einer Beruhigung der Mietbewegungen beitragen.
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Durch ein auf die regionalpolitischen Zielsetzungen abgestimmtes Wohnungsbauprogramm sollen die Raumordnungs- und die Strukturpolitik der Bundesregierung unterstützt werden. Außer auf den Wohnungsbau ist auf die wesentlichen Verbesserungen des Wohngeldgesetzes hinzuweisen, für das im Jahre 1971 allein der Bund 668 Millionen DM aufbringt. Weiter wird eine gerechtere Belegung der Wohnungen im sozialen Wohnungsbau angestrebt. Mit diesen wohnungspolitischen Maßnahmen will die Bundesregierung erreichen, daß künftig insbesondere den einkommensschwächeren Familien ein angemessenes Wohnen unter zumutbaren Bedingungen ermöglicht wird. Ich frage die Opposition, wo sie hier Streichungen für möglich und für erforderlich hält.
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Meine Damen und Herren! Einen Vorrang hat die Bundesregierung dem Verkehrsbereich zuerkannt. Die hierfür vorgesehenen Mittel wurden gegenüber dem Finanzplan 1969 bis 1973 jährlich um 1 bis 11/2 Milliarden DM erhöht. Sie erreichen 1971 rund 12 Milliarden DM und steigen auf fast 14 Milliarden DM 1974, gegenüber rund 10,5 Milliarden DM im Jahre 1970.
Ich möchte dazu im einzelnen folgendes bemerken. Der Straßenbau als eine der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen kann nicht weiter gedrosselt werden, ohne unser Wirtschaftswachstum und die Produktivität der Wirtschaft ernstlich zu gefährden.
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Das Verlangen der Oppositionsfraktion nach Ausgabenkürzungen steht im krassen Widerspruch zu den täglich beim Herrn Bundesminister für Verkehr eingehenden Schreiben von Kollegen der Oppositionsfraktion, die mehr Investitionsmittel für den Straßenbau in ihrem örtlichen Bereich verlangen.
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Gleiches gilt für das Ersuchen einiger Bundesländer, zum Beispiel von Bayern. Eine Ausgabenkürzung würde zur Zurückstellung dringender Vorhaben im Autobahn- und Bundesfernstraßenbau
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
sowie zur Verzögerung bereits begonnener Baumaßnahmen führen. Wenn die Opposition also Ausgabenkürzungen verlangt, muß sie konkrete Vorschläge machen, welche Straßenbaumaßnahmen zurückgestellt werden sollen.
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Die Deutsche Bundesbahn erhält trotz notwendiger höherer Liquiditätszuwendungen Investitionszuschüsse von 500 Millionen DM zur Fortführung der eingeleiteten Modernisierung und Rationalisierung. Angesichts der Anforderungen an die Transportkapazität hat sich auch die zwingende Notwendigkeit zu kapazitätserweiternden Investitionen ergeben. Ein Abbau wäre für die Deutsche Bundesbahn und für die gesamte Volkswirtschaft unvertretbar.
Die Entwicklung des Luftverkehrs erfordert schnelle und kostspielige Maßnahmen, weil sonst in naher Zukunft die Flugsicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Der Ausbau der Flugsicherung beruht auf einer Konzeption des Jahres 1965, die veraltet ist. Ein auf den heutigen Stand der Technik gebrachtes System wird ab 1971 in Angriff genommen, insbesondere die Ausdehnung der Radarkontrolle auf den gesamten Luftraum und die notwendige Integrierung des militärischen und zivilen Luftverkehrs. Erforderlich ist eine Steigerung der Ausgaben von 160 Millionen DM 1970 auf rund 240 Millionen DM im Jahre 1971. Es handelt sich um Ausgaben für die Sicherheit, die meines Erachtens nicht unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten bewertet werden können. Oder wollen Sie es verantworten, meine Damen und Herren von der Opposition, daß unserer Bevölkerung diese Sicherheit vorenthalten bleibt?
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Die Regierungserklärung nennt als Ziel unserer Agrarpolitik, daß sich die Landwirtschaft zu einem gleichrangigen Teil unserer Volkswirtschaft entwickeln soll, und zwar so entwickeln soll, daß sie an der allgemeinen Einkommenssteigerung teilnimmt. Deshalb widmet die Bundesregierung diesem Bereich nach wie vor ihre besondere Aufmerksamkeit. Auf Grund des tiefgreifenden strukturellen Anpassungsprozesses - insbesondere durch den beschleunigten Fortschritt im EWG-Raum - drohen hier erhebliche soziale Härten. Das erfordert eine verstärkte Fortführung der struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen des Bundes, um der deutschen Landwirtschaft die Entwicklung zu einem wettbewerbsfähigen Partner auf dem europäischen Agrarmarkt zu erleichtern.
Die Marktsituation der Gemeinschaft setzt bekanntlich der Agrarpreispolitik enge Grenzen. Deshalb sind für 1971 im Bereich der nationalen Agrarpolitik die Ausgaben für Flurbereinigung und vordringliche Agrarstrukturmaßnahmen, Verbesserung der Verbundwirtschaft, Wasserwirtschaft, Kulturbau und Küstenschutz gegenüber 1970 erhöht und auf diesem höheren Niveau bis 1974 fortgeschrieben. Für sozialpolitische Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft - Altershilfe, Landabgaberente, Alterssicherung bei Landabgabe, Unfallversicherung - sind 1971 Mittel in Höhe von 950 Millionen DM
- steigend auf 1072 Millionen DM im Jahre 1974 - vorgesehen.
Die in den Finanzplan für die nationale Agrarpolitik eingestellten Beträge ergeben eine tragfähige Grundlage für den notwendigen Umstellungsprozeß in der Landwirtschaft. Sie ermöglichen auch die Durchführung eines landwirtschaftlichen Förderungsprogramms, das die einzelbetriebliche Investitionsförderung zukünftig auf den langfristig entwicklungsfähigen Betrieb konzentriert. Können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es wirklich vertreten, daß diese Maßnahmen nicht mindestens im genannten Umfang durchgeführt werden?
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Im EWG-Agrarbereich wurde mit der Ratsverordnung 729 vom 21. April 1970 zusammen mit der Festlegung der endgültigen Finanzverfassung der Gemeinschaft zugleich die Endregelung der Agrarfinanzierung beschlossen. Das geplante Inkrafttreten setzt allerdings voraus, daß die Ratifizierungsverfahren der Mitgliedstaaten zur Übertragung eigener Mittel auf die Gemeinschaft von den Parlamenten aller Mitgliedsländer rechtzeitig beendet werden. Wegen dieser Ungewißheit sind die notwendigen haushaltsmäßigen Auswirkungen der Neuregelung im Haushalt 1971 zunächst nur im Rahmen einer Übergangslösung berücksichtigt. Für das Haushaltsjahr 1972 sind wir zur Zeit damit befaßt, für den Bundeshaushalt eine endgültige Regelung zu erarbeiten.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Verteidigungshaushalt machen, der für den Zeitraum bis 1974 gegenüber dem am 23. Januar 1970 von der Bundesregierung beschlossenen alten Finanzplan im sachlichen Gehalt unverändert bleibt. Wir wollen mit dem Ihnen vorliegenden Verteidigungshaushalt der in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 dargestellten Sicherheitspolitik und den sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen wirksam entsprechen. Die Bundesregierung hat die Absicht, die bisher in der Finanzplanung vorgesehenen Aufwendungen für den Verteidigungshaushalt weder zu vermehren noch zu kürzen.
Die aus dem Entwurf sich ergebende Steigerung für das Jahr 1971 gegenüber dem Haushaltsgesetz 1970 beträgt 10,4 v. H. Man muß jedoch bedenken, daß von der für 1970 anerkannten Obergrenze von rund 20,3 Milliarden DM ein Betrag von 1,1 Milliarden DM aus konjunkturellen Gründen gestrichen worden ist. Außerdem werden im Zusammenhang mit den Besoldungsverbesserungen 1970 im öffentlichen Dienst zusätzliche Personalausgaben zu Lasten des Einzelplanes 60 in Höhe von 640 Millionen DM erforderlich sein. Wenn man auf Grund dieser Vorgänge den Einzelplan 14 für 1970 methodisch umrechnet, so beträgt die effektive Steigerung in 1971 nur 4,7 v. H. Diese Steigerung hat wenig zu tun mit den Aufwendungen, die sich aus der Verwirklichung der im „Weißbuch 70" vorgesehenen Reformen ergeben. Die Mittel dafür sollen vielmehr durch innere Umschichtung im Verteidigungshaushalt aufgebracht werden.
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich ein Wort zu den Stationierungskosten sagen, da der Ablauf des geltenden Abkommens mit den USA am 30. Juni 1971 seine publizistischen Schatten schon vorauswirft. Die Bundesregierung ist noch nicht in der Lage zu übersehen, ob und welche zusätzlichen Belastungen sich aus den Verhandlungen über einen Ausgleich der Kosten für die Stationierung befreundeter Truppen in der Bundesrepublik ergeben. Diese Truppen dienen der Sicherung des Friedens in Europa. Ihre Stationierung in der Bundesrepublik Deutschland bleibt ein wesentlicher Bestandteil unserer Sicherheitspolitik.
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Die Bundesregierung ist deshalb fest entschlossen, die demnächst anlaufenden Gespräche zu einem beiderseits befriedigenden Verhandlungsabschluß zu führen. Sie hofft, daß hinsichtlich bestimmter Kostenkategorien oder Kostenanteile für die Stationierung der amerikanischen Truppen in Europa erstmalig das wünschenswerte Prinzip einer europäischen Lösung vereinbart wird. Darauf legt die Bundesregierung im Interesse der Festigung des Bündnisses großen Wert. Voraussichtlich am 1. Oktober werden die Verteidigungsminister der europäischen NATO-Staaten gemeinsam über diese Frage beraten. Die bilateralen Gespräche mit den USA können erst nach Abschluß der multilateralen Erörterungen beginnen. Wir haben ebenso wie unsere amerikanischen Partner den festen Willen, sie zu einem Ergebnis zu führen, das der vitalen Bedeutung entspricht, welche die amerikanische Truppenstationierung auf unserem Boden für die Sicherheitspolitik beider Länder und des ganzen westlichen Bündnisses besitzt.
Auf weitere Ausführungen zu Einzelplänen verzichte ich aus Zeitgründen und weil ich sicher bin, daß wichtige Bereiche in der Debatte ausreichend angesprochen werden.
Meine Damen und Herren! Ich wende mich jetzt noch der Einnahmeseite zu. Die Steuereinnahmen, die das Rückgrat jeder Finanzierung öffentlicher Aufgaben bilden, sind im Bundeshaushalt 1971 in Höhe von 92,75 Milliarden DM ausgewiesen. Das entspricht einer Zunahme gegenüber dem für 1970 veranschlagten Betrag um rund 6,3 Milliarden DM oder 7,3 v. H. In den Folgejahren ist mit Steueraufkommen von
98,60 Milliarden DM für 1972, 105,60 Milliarden DM für 1973 und 112,80 Milliarden DM für 1974
zu rechnen.
Die diesen Schätzungen entsprechenden Zuwachsraten bleiben hinter dem Wachstum des Bruttosozialprodukts zurück mit Ausnahme des Jahres 1973, in dem Zuwachsrate der Steuereinnahmen und Wachstum des Bruttosozialprodukts in etwa gleich sind. Der Grund dafür sind Steuermindereinnahmen, die nach dem geltenden Steuerrecht und in Folge bereits angekündigter Änderungen eintreten. Ich erinnere an den Abbau und das Auslaufen der
Investitionsteuer, an die Gewährung von Investitionszulagen, die zum Teil, soweit sie in Verordnungen festgelegt sind, in gesetzliche Regelungen umgewandelt und die verstärkte Förderung der Vermögensbildung. Die Steuereinnahmen werden vom Arbeitskreis „Steuerschätzungen" vor der 2. Lesung des Bundeshaushalts 1971 nochmals überprüft.
Lassen Sie mich kurz auf die volkswirtschaftliche Steuerquote eingehen. Sie ist bekanntlich eine Kennzahl, die zum Ausdruck bringt, wie sich die Summe der Steuereinnahmen aller Gebietskörperschaften zum Bruttosozialprodukt verhält. Wenn behauptet wird, daß die Bundesrepublik mit der volkswirtschaftlichen Steuerquote in der Spitzengruppe der Industrieländer der westlichen Welt liegt, so ist genau das Gegenteil richtig.
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Ich darf auf den Finanzbericht 1971 verweisen. Aus der Übersicht 12 der Anlage V ist zu ersehen, daß die Bundesrepublik Deutschland in der Gruppe der dort angeführten 13 Industriestaaten die viertletzte Stelle einnimmt. Die volkswirtschaftlichen Steuerquoten betragen:
1969 24,17 v. H.
1970 23,67 v. H.
1971 23,75 v. H.
1972 23,73 v. H.
1973 23,96 v. H.
1974 24,05 v. H.
Gegenüber dem geltenden Steuerrecht sind dabei als Änderungen. bei der Steuerschätzung lediglich berücksichtigt die Verlängerung der Mineralölsteuern auf Heizöle über den 30. April 1971 hinaus als Mehreinnahmen und die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages bei der Lohnsteuer sowie die Erhöhung der Freigrenzen bei der Ergänzungsabgabe ab 1. Januar 1972 als Mindereinnahmen.
Das Problem, das nicht nur mich, sondern auch die Finanzminister der Länder beschäftigt, besteht darin, wie die volkswirtschaftliche Steuerquote auf dem Stand des Jahres 1969 gehalten werden kann. Berechnungen in meinem Hause haben ergeben, daß durch die dargelegte mittelfristige Entwicklung der volkswirtschaftlichen Steuerquote - also allein wegen des Zurückbleibens hinter dem Stand von 1969, und diese Zahlen muß man einmal kennenlernen - Bund, Ländern und Gemeinden in den Jahren 1970 bis 1974 Steuerausfälle von insgesamt 12,6 Milliarden DM entstehen würden.
Ich habe sehr aufmerksam Äußerungen von seiten der Opposition zu diesem Thema zur Kenntnis genommen. Ich zitiere aus dem Entwurf der Programmkommission für die Fortschreibung des Berliner Programms der CDU:
Soweit die wachsenden Einnahmen des Staates nicht für die Finanzierung unserer vorrangigen Reformvorhaben ausreichen, ist ein steigender Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozialprodukt in einem sozial und gesamtwirtschaftlich vertretbaren Ausmaß notwendig.
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Mit diesen Hinweisen zur volkswirtschaftlichen Steuerquote wollte ich Sie auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen, die sich bei der Fortschreibung der Einnahmeseite des mehrjährigen Finanzplans ergeben werden. Alle Parteien beginnen - das zeigen mir die zahlreichen Stellungnahmen -, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen.
Ich möchte nun noch einige Bemerkungen zu den Kreditansätzen im neuen Finanzplan machen. Der Nettokreditbedarf liegt bis 1973 in allen Planungsjahren unter den Ansätzen des vorigen Finanzplans. Er entwickelt sich von 2,7 Milliarden DM in 1971 über 5,3 und 7,2 Milliarden DM in den Jahren 1972 und 1973 auf 9,4 Milliarden DM im letzten Planjahr.
Für den fünfjährigen Planungszeitraum ist eine Verschuldung von insgesamt 24,2 Milliarden DM vorgesehen. Die Planung 1968 bis 1972, die unter der Verantwortung des Kollegen Strauß erfolgte, sah einschließlich des aus dem Jahre 1967 in das Jahr 1968 hineinreichenden Konjunkturprogramms 22,5 Milliarden DM und ohne die Konjunkturprogramme 21 Milliarden DM Kreditaufnahmen vor. Es waren also fast die jetzt vorgesehenen Größenordnungen, wobei zu bedenken ist, daß inzwischen alle anderen ökonomischen Größen zum Beispiel das Sozialprodukt - wesentlich höher liegen.
Trotz dieser Nutzung des Kreditmarktes durch den Staat wird der Bund in den Jahren 1970 bis 1974 nur etwa 4,5 v. H. seiner Ausgaben durch Kredite finanzieren. Bei allen Gebietskörperschaften zusammen ist der Anteil noch etwas niedriger.
Die Verschuldung der Gebietskörperschaften bis 1974 führt zu keiner Erhöhung des Schuldenstandes im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt. Das sollte man sich auch in der öffentlichen Kritik endlich einmal merken.
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Es tritt vielmehr ein leichter Rückgang von 19 v. H. im Jahre 1969 - in einigen Jahren lag die Quote höher als 19 v. H. - auf 18,6 v. H. im Jahre 1974 ein.
Im Hinblick auf die geübte Kritik muß ich einige grundsätzliche Bemerkungen anschließen. Mit den Äußerungen der Deutschen Bundesbank zu diesem Komplex wird Mißbrauch getrieben: Die Bundesbank kritisiert nicht die politische Entscheidung, Reformen und Infrastruktur voranzutreiben und dafür mehr als bisher auszugeben. Sie kritisiert auch nicht, daß zur Finanzierung dieser erhöhten Ausgaben Kredite aufgenommen werden sollen, statt die volkswirtschaftliche Steuerquote zu erhöhen. Ihre Skepsis bezieht sich einzig und allein darauf, daß in den Jahren bis 1974 - insbesondere aber im Jahre 1974 - nicht genügend Ersparnisse anfallen könnten, um diese Neuverschuldung ohne Preissteigerungen zu finanzieren.
Wer heute sagt, dies werde nicht möglich sein, und auch derjenige, der das Gegenteil mit absoluter Sicherheit behaupten wollte, muß im Besitz einer zuverlässigen Vorausschau auf die Geldvermögensbildung sein. Selbst eine solche Geldvermögensrechnung erlaubt es kaum, das letzte Zuverlässige über die Jahre 1973/74 auszusagen.
Gerade wegen dieser Ungewißheit ist uns gesetzlich auferlegt, den mittelfristigen Finanzplan alljährlich zu überarbeiten und im Lichte der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse zu überprüfen. Der gesamte mittelfristige Finanzplan ist kein vollzugsverbindliches Programm, sondern nichts anderes als eine politische Absichtserklärung der jeweiligen amtierenden Regierung.
Die weniger wohlmeinende Kritik greift die Bundesregierung einfach wegen der Tatsache an, daß sie die Absicht einer solchen Kreditfinanzierung überhaupt bekanntgegeben habe. Man erklärt, durch die anspruchsvollen Pläne, die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommen, würde einer Inflationsmentalität verhägnisvoller Vorschub geleistet. Wer aus den Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung solche Gefahren ableitet, legt nicht gerade ein Zeugnis dafür ab, daß er verstanden hat, worum es in Wirklichkeit geht. Die Finanzplanung enthält nicht nur Zahlen, sondern auch Bedingungen. Sie geht von der Annahme eines gleichgewichtigen Wachstums der Wirtschaft aus, was wiederum voraussetzt, daß die Finanzierung dieser Vorhaben inflationsfrei erfolgt.
Die zuversichtlichen Erwartungen der Bundesregierung hinsichtlich der Ersparnisbildung in den kommenden Jahren gründen sich vor allem auf die hinlänglich bekannten Maßnahmen, die zur Förderung der Sparbildung, und zwar endlich und gerade auch der Sparbildung der unteren und mittleren Einkommensgruppen, ergriffen worden sind.
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Den Effekt dieser Maßnahmen können wir heute noch nicht für einen fünfjährigen Zeitraum quantifizieren. Wir wissen aber, daß sie in der richtigen Richtung wirken. Wir werden bei der Aufstellung einer Geldvermögensrechnung nach bestem Wissen und Gewissen prüfen, ob diese Maßnahmen im Zusammenspiel mit den vielen anderen Faktoren, die nun einmal in einer dynamischen Volkswirtschaft zusammenwirken, unsere Erwartungen erfüllen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Bundesregierung will „innere Reformen" nicht nur in dem Bereich, in dem es um staatliche Leistungen für den einzelnen geht, sondern Gegenstand der Reform soll umgekehrt auch die Leistung sein, die der einzelne als Steuer für die Allgemeinheit zu erbringen hat. Unser Abgaberecht stammt in wesentlichen Teilen noch aus den dreißiger Jahren und kann in vielen Punkten den Anforderungen der heutigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht mehr genügen.
Die Bundesregierung sieht also als eine ihrer wichtigsten innenpolitischen Zielsetzungen an, durch eine grundlegende Reform unseres Steuerrechts ein gerechtes, möglich einfaches und überschaubares Steuersystem zu schaffen. Sie will damit das Verfassungsgebot eines sozialen Rechtsstaats erfüllen und zu einer breit gestreuten Vermögensbildung
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
beitragen, die eben so, wie wir sie uns vorstellen, nur im Rahmen einer grundlegenden Steuerreform ermöglicht werden kann.
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Das erste Steuerreformgesetz betrifft das allgemeine Steuerverfahrensrecht; der erforderliche Gesetzentwurf wird noch in diesem Jahr Bundesrat und Bundetag zugeleitet.
Das zweite Steuerreformgesetz, das die Bundesregierung möglichst im Herbst nächsten Jahres vorlegen will, soll sich mit der Neugestaltung der Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie der Prämiengesetzgebung befassen. Hier liegt das Kernstück der Reform des materiellen Steuerrechts.
Das dritte Reformgesetz wird sich mit den Verkehrs- und Verbrauchsabgaben befassen, wobei vor allem zu prüfen ist, ob kleinere Verkehr- und Verbrauchsteuern abgeschafft werden können. Zum Stand und zu den einzelnen Zielsetzungen der Arbeiten an diesen Gesetzen darf ich auf den Ihnen vorliegenden ersten Bericht der Bundesregierung über die Steuerreform verweisen.
Unsere Steuerordnung wird unglaubwürdig, wenn sie keine Abwehr dagegen schafft, daß der Anspruch auf eine gleichmäßige Besteuerung durch Verlagerung von Einkommen und Vermögen ins steuerbegünstigte Ausland ausgehöhlt wird.
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Die Erscheinungen und Vorgänge, die gemeinhin mit „Steuerflucht" bezeichnet werden, stehen im Widerspruch zu den Vorstellungen der breiten Öffentlichkeit von einer leistungsgerechten Besteuerung und widersprechen auch der sozialen Gerechtigkeit.
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Der Bundesfinanzminister hat daher die Absicht, in Kürze einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Besteuerung der ins steuergünstige Ausland reichenden Interessen auf eine neue Grundlage stellt. Dabei geht es vor allem darum, dem Gebot einer gerechten und gleichmäßigen Verteilung der Steuerlast zu genügen und Wettbewerbsverzerrungen durch Verlagerung von Einkommen und Vermögen ins Ausland zu beseitigen.
Wenn in der öffentlichen Diskussion der letzten Zeit verschiedentlich behauptet worden ist, eine Gesetzgebung mit einer solchen Zielsetzung beeinträchtige die internationale Freizügigkeit, so muß ich dazu feststellen, daß die Bundesregierung die Freizügigkeit als einen tragenden Grundsatz unserer Außenbeziehungen betrachtet. Unter steuerlichen Gesichtspunkten geht es lediglich um die Frage, ob wir es weiterhin zulassen, daß man sich durch gezielte Ausnutzung des internationalen Steuergefälles einer Verpflichtung entziehen kann, die den anderen, also der großen Masse der inländischen Steuerzahler und Unternehmen, auferlegt ist.
({41})
Noch ein letztes Wort zu unseren internationalen Steuerbeziehungen. Die in jetziger Sicht entstandenen Aufgaben müssen in unserem nationalen Steuerrecht gelöst werden. Wir sehen keine Grundlage, auf andere Staaten einzuwirken - das lassen Sie mich hier einmal sagen , ihr Steuersystem so einzurichten, daß steuerlich motivierte Verlagerungen von Einkommen und Vermögen in ihr Gebiet uninteressant werden. Hiervon ist aber die Entscheidung zu trennen, ob und wieweit die Besteuerung nach deutschem Recht durch internationale Steuerabkommen aufzuheben ist oder aufgehoben bleiben darf, wenn eine unangemessene zusätzliche Belastung durch die deutsche Besteuerung nicht zu besorgen ist. Hieraus ergeben sich Ziel und Rahmen der laufenden Revision unserer Doppelbesteuerungsabkommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schon bei der Einbringung des Haushalts 1970 habe ich auch heute meine Ausführungen nicht mit Details belasten wollen. Wichtiger erschien mir, Ihnen die Gesamtkonzeption der Bundesregierung darzulegen. Die öffentliche Finanzwirtschaft muß nach unseren Vorstellungen zum tragenden Fundament einer konstruktiven Politik werden, die bereit ist, die großen Probleme unserer Zeit bald und würdig zu meistern.
({42})
Meine Damen und Herren, damit ist der Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1971 eingebracht. Über den weiteren Fortgang der Debatte entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat ist das Hohe Haus bereits unterrichtet.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({0})
- Drucksache VI/1009 Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Überweisungsvorschlag an den Rechtsausschuß - federführend und an den Innenausschuß - mitberatend - liegt Ihnen vor. Weitere Vorschläge werden nicht gemacht? - Dann ist so beschlossen.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes
- Drucksache VI/1156 - Das Wort wird nicht begehrt.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Finanzausschuß zu überweisen. Andere Überweisungsvorschläge liegen nicht vor. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 6 der heutigen Tagesordnung:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Durchführung von Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr
- Drucksache VI/611 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({1})
- Drucksache VI/ 1158Berichterstatter: Abgeordneter Schollmeyer ({2})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6, Einleitung und Überschrift auf. - Keine Gegenstimmen. Keine Enthaltungen. - Dann ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.
Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Ich stelle keine Gegenstimmen fest. Keine Stimmenthaltungen. - Damit ist das Gesetz in dritter Beratung beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 7 der heutigen Tagesordnung:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. September 1969 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vereinigten Republik Tansania, der Republik Uganda und der Republik Kenia sowie zu dem Internen Durchführungsabkommen
- Drucksachen VI/725, zu VI/725 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({3})
- Drucksache VI/1159 Berichterstatter: Abgeordneter Kaffka ({4})
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird von dem Herrn Berichterstatter nicht gewünscht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. -Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Keine Stimmenthaltungen. - Damit ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Wir müssen noch über den Antrag des Ausschusses befinden, den Sie auf Seite 3 unter b in der Drucksache VI/1159 finden:
Der Bundestag wolle beschließen,
b) die Verordnung Nr. 1584/70 des Rates vorn 27. Juli 1970 - Drucksache VI/619 - und den Vorschlag der EG-Kommission - Drucksache VI/1102 - zur Kenntnis zu nehmen.
Ich stelle fest, daß das Haus davon zustimmend Kenntnis nimmt.
Ich rufe Punkt 8 der heutigen Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bolivien über den Luftverkehr
- Drucksache VI/935 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5})
- Drucksache VI/ 1162 Berichterstatter: Abgeordneter Mursch ({6})
({7})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Entwurf in der zweiten Beratung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Keine Gegenstimmen. - Keine Stimmenthaltungen. - Einstimmige Annahme.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen! - Ich stelle fest, daß das Haus auch diesem Gesetz in der Schlußabstimmung einstimmig zugestimmt hat.
Ich rufe nunmehr die Punkte 9 und 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({8}) über die von der Bundesregierung erlassene Neununddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz Vierzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksachen VI/946, VI/ 1112, VI/ 1161 - Berichterstatter: Abgeordneter Wüster
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({9}) über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({10})
- Drucksachen VI/ 1066, VI/1160 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das Haus hier nur von den Berichten des Ausschusses für Wirtschaft Kenntnis zu nehmen hat. Ich frage, ob einer der Herren Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Ich empfehle dem Haus, von den Berichten Kenntnis zu nehmen. - Ich stelle fest, daß das der Fall ist.
Jetzt rufe ich Punkt 11 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden ({11})
- Drucksache VI/1117 Für die Bundesregierung wird Herr Bundesminister Leber den Entwurf begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Begründung und Erläuterung des vorliegenden Entwurfs keine lange Rede halten, sondern ich möchte mich lediglich auf ein paar Anmerkungen beschränken.
Am 8. Dezember 1966 hat der Deutsche Bundestag in einer Entschließung der Bundesregierung den Auftrag erteilt, in die künftige Gesetzgebung eine Sondersteuer von 3 Pf pro Liter verkauften Kraftstoffs aufzunehmen und die daraus erwachsende Summe den Gemeinden zur Lösung ihrer Verkehrsprobleme zweckgebunden zur Verfügung zu stellen. Nach Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes 1966 sind dann die Richtlinien im Benehmen mit dem Bundesrat erlassen worden. Danach haben wir drei Jahre gearbeitet. Die jetzige Vorlage soll die bisher geltenden Richtlinien, die der Bundesrat erlassen hat, ablösen.
Mit den Maßnahmen, die das Hohe Haus damals beschlossen hat, sind insbesondere der innergemeindliche Straßenbau und der Bau von Zubringern zum überörtlichen Fernstraßennetz gefördert worden. Sie sind eine wesentliche Hilfe für den Bau und den Ausbau von Anlagen gewesen, die dem öffentlichen Personennahverkehr dienen. Nach drei Jahren Praxis mit diesen Richtlinien und mit dem, was der Deutsche Bundestag damals gewollt hat, kann ich hier berichten: Diese Regelung hat sich erstens bewährt, und sie ist zweitens eine wichtige und große Hilfe für die Gemeinden gewesen, die damals auch gerade zur rechten Zeit gekommen ist. Wenn diese Maßnahme damals nicht ergriffen worden wäre, wäre nach unserer Kenntnis der Situation,
die beweisbar ist, eine große Zahl sehr aufwendiger, notwendiger Baumaßnahmen, die im Gange waren, nicht fortgeführt worden. Sie wären steckengeblieben, weil ihre Finanzierung nicht mehr gesichert war. Eine große Reihe wichtiger Bauvorhaben, die zum Teil Hunderte von Millionen D-Mark kosten und die sich über Jahre erstrecken, hätten gar nicht in Angriff genommen werden können, oder ihre Lösung wäre viel später - wenn überhaupt - möglich geworden. Ich kann also hier berichten, die Regelung hat sich in der Praxis bewährt, und weil sie sich bewährt hat, soll sie nach Auffassung der Bundesregierung auch die Grundlage sein, auf der dieses Gesetz aufbauen kann. Ich möchte mir aber erlauben, hier wenigstens einige wichtige Punkte hervorzuheben, durch die sich der jetzt vorliegende Gesetzentwurf von den Richtlinien, nach denen wir bisher gearbeitet haben, unterscheidet.
Erstens. Wir haben als förderungswürdig in dem Gesetzentwurf auch den Bau von Park-and-ride-Parkplätzen aufgenommen. Das ist insbesondere deswegen wichtig, weil wir hier in einer nahtlosen Form den Autoverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr aufeinander synchronisieren können. Der Reisende kommt mit seinem Pkw aus irgendeiner Vorstadt oder vom Landgebiet an und stellt das Auto auf einem Parkplatz, den wir mit fördern helfen wollen, bei der ersten Station einer neu errichteten Schnellbahn ab, fährt dann mit einem öffentlichen Verkehrsmittel durch Vorstadt und Innenstadt und entlastet somit den innerstädtischen Verkehr.
Die zweite Neuerung, die vorgesehen ist, ist die Senkung der sogenannten Bagatellgrenze von 500 000 DM auf 200 000 DM. Damit wird es möglich, auch kleinere Vorhaben zu fördern und vor allen Dingen auch solche Vorhaben in Angriff zu nehmen, die nicht in Großstädten, sondern in kleineren Städten und in Gemeinden liegen, von denen wir wissen, daß es auch dort erhebliche innergemeindliche Verkehrsprobleme gibt, die über die Lösungsmöglichkeiten und finanziellen Voraussetzungen der Gemeinden hinausgehen.
Die dritte wesentliche Neuerung dieses Gesetzes besteht darin, daß noch einmal durch den Gesetzgeber manifestiert wird, daß das, was bisher dem Willen des Parlaments und dem Versprechen der Bundesregierung analog war, hier aufgenommen wird, und zwar daß diese 3 Pf Kraftstoffsondersteuer, die jetzt wieder vorgesehen sind, zweckgebunden, ausschließlich und nur für diesen vom Gesetzgeber gewollten Zweck zur Verfügung stehen und daß eine anderweitige Verwendung auch künftig nicht in Frage kommen soll.
Viertens. Wir haben eine Verschiebung der Quoten vorgenommen. Bisher waren 60 % für den gemeindlichen Straßenbau und 40 % für die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs vorgesehen; künftig sollen nach dem vorliegenden Entwurf 55%, also 5 % weniger, für den innergemeindlichen Straßenbau zur Verfügung stehen, dafür statt 40% nunmehr 45 % zur Förderung von Investititionsvorhaben im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Dies ist deswegen notwendig geworden, weil
heute in so gut wie allen deutschen Großstädten der Bau von U-Bahnen, S-Bahnen, Schnellbahnen, Stichbahnen, und wie sie alle heißen, in Angriff genommen ist. Alle diese Bauvorhaben kosten Hunderte von Millionen Mark. Sie sind zum großen Teil im Gange und müssen zügig fortgeführt werden. Ihre Hinausschiebung und spätere Fertigstellung ist ein wesentlicher Punkt von Unproduktivität, und damit werden auch die Verkehrsprobleme erst später gelöst. Sie sind so kostspielig, daß wir uns im Rahmen der gesamten zur Verfügung stehenden Mittel bereit finden müssen, sie allmählich höher zu dotieren, als das bisher vorgesehen war. Damit wird den Gemeinden für den Straßenbau an sich nichts genommen. Es geht ja in den öffentlichen Personennahverkehr. Das Ganze geht auch nicht im Wege einer Kürzung der Mittel für die Straßenbaumaßnahmen der Gemeinden, sondern die Mittel wachsen ja jährlich an, so daß vom Wachstum der künftigen Jahre ein etwas größerer Prozentsatz für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung gestellt wird. Da wir das Ganze sowieso ursprünglich einmal so gedacht hatten - das war ja auch einmal die Lesart -, daß es eine Hilfe für die Lösung der Verkehrsprobleme in den Ballungsräumen sein soll, bleibt der Deutsche Bundestag, glaube ich, auch bei der Grundformel, die damals einmal aufgestellt worden ist, ohne die anderen Aufgaben zu vernachlässigen, die sich noch daraus ergeben. Die Förderung - dies ist eine weitere Bestimmung des Entwurfs - soll im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs künftig nur dann erfolgen, wenn die Gemeinden, natürlich im Benehmen mit den Ländern, langjährige Bauprogramme vorlegen, so daß auch langfristig überschaubar ist, wie hoch der Investitionsaufwand ist.
Wir haben in den letzten drei Jahren im ganzen für diesen Zweck 2337 Millionen DM aufgewandt. Einschließlich des Jahres 1970 beträgt die Hilfe, die hier beschlossen worden ist, 3237 Millionen DM. Mit diesen 3,2 Milliarden DM sind Baumaßnahmen in Gang gesetzt worden, die ich mit 10 Milliarden DM wahrscheinlich noch zu niedrig einschätze, weil sie in der Regel über fünf und mehr Jahre laufen.
Ich möchte dem Hohen Hause auch nicht verschweigen, daß sich bei den Erfahrungen, die wir in der Praxis gemacht haben, auch negative Feststellungen ergeben haben. Als wesentlichste negative Feststellung habe ich hier zu berichten, daß, so gut und so wirkungsvoll die Hilfe auch gewesen ist, der Bedarf wesentlich höher ist, als er mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, gedeckt werden kann. Die Gemeinden sind außerstande, aus eigener Kraft eine höhere Finanzierung zu bewirken. Die Länder haben sich ebenfalls als nicht in der Lage erwiesen, den Gemeinden mehr zu helfen, als sie es tun. Die Decke des Bundes ist mit einer Summe umschrieben, die sich etwa zwischen 800 Millionen DM und einer Milliarde DM für die Laufdauer der nächsten Jahre bewegen wird. Was 1966 geschehen ist, war ein wichtiger Anfang. Ich würde aus der Sicht der heutigen Kenntnisse sagen: es wäre gut gewesen, wenn damals nicht 3 Pf beschlossen worden wäre, sondern 5 Pf. Ich sage das hier ohne Vorwurf. Ich habe einmal eine Diskussion auf einem
Parteitag meiner Partei miterlebt. Dort sind 5 Pf beschlossen worden. Das ist nachher 1966 in einem Antrag der Koalition hier im Bundestag leider nicht verwirklicht worden.
Die Bundesregierung ist sich dieser Lage bewußt, sie nimmt die Aufgabe sehr ernst, vor der wir stehen, und sie wird das Problem nicht ungelöst lassen. Wir haben zuwenig Mittel für die Gemeinden zur Verfügung und müssen ihnen mehr helfen, als es dieser Gesetzentwurf mit der Finanzmasse, die jetzt auf ihn bezogen ist, möglich macht. Wir sind im Gespräch darüber, wie den Gemeinden mehr geholfen werden kann und wie wir den Finanzrahmen, den ich heute mit diesem Entwurf dem Hohen Hause darstellen darf, schon in absehbarer Zeit erhöhen und vermehren können. Ich bitte das Hohe Haus allerdings um Verständnis dafür, daß diese Überlegungen noch nicht abgeschlossen sind. Es kommt für mich auch darauf an, zunächst einmal den Verlauf der Haushaltsberatungen hier im Bundestag abzuwarten. Nach Klärung der jetzt noch nicht ganz abgerundeten Fragen wird der Bundesverkehrsminister in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister dem Kabinett seine Vorschläge unterbreiten. Ich hoffe, daß dann auch ein geneigtes Parlament in der Lage sein wird, dem zuzustimmen. Bevor wir andere Wege beschreiten, sollten wir klären, ob der Weg, den ich soeben angedeutet habe, nicht gangbar ist. Ich warne davor, Wege zu versuchen, die nicht begehbar sind, ohne daß Schaden angerichtet wird. Ich sage das hier ohne kritischen Vorwurf, sondern ganz einfach deshalb, weil ich es für falsch halte, etwas anderes zu versuchen.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang mit ein paar Worten gegen die Vorlage der CDU/CSU, die mit zur Beratung steht, wenden. Ich verkenne nicht, daß sich auch die CDU/CSU mit ihrer Vorlage mit tiefem Ernst auf die Problematik stürzt, mit der wir es hier zu tun haben und die „finanzielle Enge" heißt. Wir brauchen auch nicht in einen Streit über die Richtigkeit von Steuerschätzungen einzutreten. Die Schätzungen in der Vorlage der Regierung gehen von einem etwas niedrigeren Verbrauch aus als die Schätzungen der CDU/CSU. Unsere Schätzung ist dafür etwas risikoloser, weil sie sich auch mit allen anderen Überlegungen deckt, die anderwärts angestellt werden. Man kann heute nicht schlüssig und zwingend voraussagen, wieviel Liter Kraftstoff 1980 verbraucht werden. Da bleiben immer irgendwo Dunkelzonen. Ich widerspreche dem gar nicht, daß die CDU von einem höheren Verbrauch ausgeht. Nur geht man mit einer höheren Schätzung des Verbrauchs als der Schätzung seitens der wissenschaftlichen Institute ein höheres Risiko ein, nicht nur in dem, was man sich selber vorstellt; denn darauf müssen langfristige Investitionsentscheidungen gegründet werden, die unter Umständen finanziell nicht risikolos abgedeckt werden können.
Wenn ich aber rechnerisch auf die Schätzung der CDU eingehe - in Wirklichkeit wird für diesen Zweck ausgegeben, was tatsächlich hereinkommt, so daß das immer im Nebel theoretischer Erwägungen bleibt -, steht der Regierung nach diesem Ge3698
setzentwurf ein Betrag von 17,9 Milliarden DM statt 17,3 Milliarden DM zur Verfügung. Dann liegen wir um etwa 600 Millionen DM auseinander, soweit das Aufkommen in Betracht kommt. Die Differenz, die dann noch besteht, beträgt rund gerechnet 3 Milliarden DM, die die CDU mit ihrem Entwurf mehr zur Verfügung stellt als die Regierungsvorlage. Diese 3 Milliarden DM - das sage ich ohne Vorwurf - kommen durch einen Kunstgriff zusammen, den ich für falsch halte. Die CDU greift nämlich dem Bundesfernstraßenbau in der Größenordnung von etwa 3 Milliarden DM in die Tasche. Meine Damen und Herren, wir können uns bei einer Decke, die ohnedies zu kurz ist - sie ist für den Bundesfernstraßenbau zu kurz, und sie ist bei den Gemeinden zu kurz -, nicht dadurch aushelfen, daß wir sie je nach Bedarf in eine andere Richtung ziehen - diese Decke wird nie alles abdecken - und damit beim Bundesfernstraßenbau ein viel größeres Loch aufreißen, als wir gegenwärtig noch haben.
Wer will, daß den Gemeinden für 15 Jahre ein zusätzlicher Betrag von 3 Milliarden DM aus Mitteln gegeben wird, die jetzt nach dem Gesetz dem Bundesfernstraßenbau zur Verfügung steht, der muß bereit sein, zu sagen, welche Autobahnen er nicht gebaut haben will. Ich kann ihm solche nennen, für die er sich entscheiden muß.
({0})
Für 3 Milliarden DM bekommt man beispielsweise zwei Autobahnen wie die von München nach Deggendorf, die von uns in Auftrag gegeben worden ist. Dort wird demonstriert, hier werden Fragen gestellt, ob die Autobahn nicht früher fertig werden kann, und gleichzeitig mutet man dem Verkehrsminister zu, daß er zwei solcher Autobahnen in den nächsten 15 Jahren nicht baut. Dann müssen Sie ganz konkret sagen, was auf der Liste steht - Sie kennen die Planung, die dem Bundestag in einem Gesetzentwurf vorliegt - und was dann nicht gebaut werden kann. 3 Milliarden DM können Sie nicht verschleiern.
({1})
Ob das auf der anderen Seite hilft, 3 Milliarden DM für 15 Jahre Sie tun so, als sei das viel mehr -, daran zweifle ich sehr. Mit dieser Summe bewegen Sie die Probleme in den Gemeinden auch nicht. 3 Milliarden DM geteilt durch 15, das gibt ungefähr 250 Millionen DM pro Jahr, die mehr zur Verfügung stünden. Was wir brauchen, ist eine höhere Summe.
({2})
Ich verschweige nicht, daß wir zu wenig Mittel haben. Das ist jedem hier im Hause bekannt. Ich wehre mich nur dagegen, daß Mittel auf eine Weise beschafft werden sollen, die der Entwicklung nicht zuträglich ist. Ich habe vorhin angekündigt, die Bundesregierung wird dem Hohen Hause Vorschläge machen, wie den Gemeinden mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden können, ohne den Bundesfernstraßenbau zu schmälern. Ich hoffe dabei auch auf Ihre Zustimmung. Ich warne aber davor, daß Sie jetzt mit einem Kunstgriff die Gelder da wegnehmen, wo sie nicht weggenommen werden dürfen.
Im übrigen bitte ich das Haus um geeignete Behandlung und um Beschlußfassung.
({3})
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bewältigung des Verkehrs in unseren Städten und Gemeinden stellt - das wurde wohl auch durch die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers etwas angedeutet - eine der großen Aufgaben unserer Tage dar. Dabei geht es erstens um die Funktionsfähigkeit unserer Städte schlechthin, die im Verkehrsgewühl ersticken und das jedem Bürger täglich mehr Zeit abfordert, die er eigentlich für seine Erholung benötigt, und es geht zweitens um die Verkehrssicherheit, um den Schutz des menschlichen Lebens, da sich zwei Drittel der Verkehrsunfälle in den Städten und Gemeinden ereignen.
Wenn unsere Städte ihr anziehendes Gesicht behalten sollen, kann es eine autogerechte Stadt nicht geben, weil dazu weite Teile unserer Innenstädte niedergerissen werden müßten. Zur Lösung der Verkehrsprobleme in den Städten und Gemeinden sind daher schienengebundene Bahnen unerläßlich. Das ist ja jetzt wohl auch eine gesicherte Erkenntnis. Dies kann aber nicht bedeuten, daß der Ausbau der städtischen Straßennetze vernachlässigt werden darf. Wer sich einmal Paris und London anschaut, der weiß, daß es sich hier um zwei gleichwertige Instrumente zur Lösung derselben Aufgabe handelt. Unter diesem Aspekt muß man meines Erachtens auch die Quotenneuverteilung sehen. Wir werden Anlaß haben, das im Ausschuß noch genau zu erörtern.
In den mittleren und kleinen Städten mit ihren zahlreichen Verkehrsengpässen können die auch dort gravierenden Verkehrsprobleme nur durch den Bau von Straßen gelöst werden.
Als letzten Bereich sollte man die ländlichen Gemeinden nicht übersehen. Für sie stellt der Ausbau des kommunalen Straßennetzes eine Lebensfrage dar. Die dort lebenden Menschen wandern nur dann nicht ab, wenn sie ihren Arbeitsplatz in einer Stadt oder in einem zentralen Ort auf guten Straßen schnell erreichen können. Die Straßen haben deswegen große Bedeutung, weil das Straßennetz natürlich viel enger als das Bahnnetz geknüpft ist und weil es beträchtliche ländliche Bereiche gibt, in
denen keine Bahn benutzt werden kann, weil keine vorhanden ist. Hier sind Verkehrs-, Struktur- und Gesellschaftspolitik eng verzahnt.
Als Probleme ergeben sich beim Verkehrsausbau in den Gemeinden erstens die Planung, zweitens der Grunderwerb, drittens die Finanzierung. Die Finanzierung dürfte wohl das schwierigste Problem darstellen. Es war damals die Initiative der CDU/ CSU, der Antrag des Kollegen Müller-Hermann und von mir, der für den Verkausausbau in den Gemeinden durch die Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf die notwendige Finanzquelle erschloß. Durch diese Maßnahme wurden Mittel, die weitgehend in den Konsum flossen, in den Investitionsbereich für die Infrastruktur umgeleitet. Die SPD benutzte damals diesen unseren Antrag, um im Landtagswahlkampf 1966 in Bayern polemisch gegen uns zu Felde zu ziehen nach dem Motto: Bonn will uns alle schröpfen. Das können Sie, die Kollegen der SPD, in den Großanzeigen Ihrer Partei von damals schön nachlesen. Deswegen bin ich etwas verwundert, wenn der Herr Bundesminister für Verkehr sagt, ein SPD-Parteitag habe eine Erhöhung um 5 Pf beschlossen, und es wäre dann alles ein bißchen anders gelaufen. Anscheinend ist mir das entgangen. Jedenfalls liegen uns die Äußerungen der SPD-Kollegen bei der Beratung unseres Antrags im Bundestag vor, und wir wissen, was der hochverehrte Kollege Dr. Apel, Vorsitzender des Verkehrsausschusses, damals am 25. Mai 1966, gesagt hat. Er hat damit operiert, daß die Erhöhung wegen der Konkurrenzsituation für die Seehäfen gar nicht möglich sei. Unlängst hat er ja etwas Ähnliches gesagt. Herr Kollege Apel, vielleicht lesen Sie es im Protokoll nach. Der Kollege Seifriz hatte die Erhöhung ebenso entschieden abgelehnt; es sei der bequeme Weg, den wir hier zu gehen versuchten. Das ist alles nachzulesen; deswegen will ich es nicht zitieren. Soweit die Haltung, die die SPD hier eingenommen hatte.
Ich habe deswegen mit Interesse gehört, was der Bundesverkehrsminister jetzt und hier dazu gesagt hat. Ich werde darauf noch einmal zu sprechen kommen.
Nun, am Ende hat trotz dieser Polemik die SPD mit uns gemeinsam die Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf verabschiedet. Bei dem Wähler ist dadurch die Glaubwürdigkeit der SPD, die sie ja jetzt noch mehr strapaziert, angekratzt worden.
In Anbetracht des großen Finanzbedarfs für die Lösung der Verkehrsprobleme der Gemeinden war damals allerdings jedem Sachkenner klar, daß es sich nur um einen ersten Schritt handeln konnte. Zwar flossen von 1967 bis 1970 3230 Millionen DM aus dem Mineralölsteuermehraufkommen in die Gemeinden, doch es stellt sich die Frage: Reichen diese Mittel aus?
Wenn ich und auch der Herr Bundesverkehrsminister diese Frage hier stellen - der Bundesverkehrsminister ist ja nun immerhin bald vier Jahre im Amt -, dann muß man das doch etwas
untermauern. Der Bedarf an Investitionsmitteln für den Verkehrsausbau der Gemeinden für zehn Jahre, von 1967 bis 1976, wurde vom Städtetag auf 95 Milliarden DM geschätzt. Inzwischen kommen nach heutigem Stand Preissteigerungen von mindestens 15% hinzu. Wir kommen also zum jetzigen Zeitpunkt zu einem Bedarf von ungefähr 110 Milliarden DM. Finanzierbar sind durch Gemeinden, Länder und Bund 65 Milliarden DM, wobei der Bund in diesem Zeitraum wenn man die mittelfristige Finanzplanung zugrunde legt und entsprechend fortschreibt - sich mit zirka 9,8 Milliarden DM beteiligen wird. Es bleibt also eine Lücke von mindestens 45 Milliarden DM, die geschlossen werden muß, wenn man der brennenden Probleme auch nur einigermaßen Herr werden will.
Natürlich wird immer argumentiert - und nicht zu Unrecht , daß die Finanzausstattung der Gemeinden Sache der Länder sei. Nun, wie ist die finanzielle Lage der Gemeinden und der Länder? - Der Herr Bundesverkehrsminister hat das hier dankenswerterweise auch angedeutet. Die Schul- und Hochschulaufgaben strapazieren die Kassen der Länder in außergewöhnlichem Maße.
Wir müssen aber auch an den Umweltschutz denken, in bezug auf den die letzte Regierungszeitungsanzeige einige kleine Fehler aufweist. Vielleicht wäre es gut, wenn die Bundesregierung ihren Schreibern sagte, daß die Probleme der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung in der alleinigen finanziellen Kompetenz der Länder liegen und daß das, was der Bund hier einmal auf dem Wege über entssrechende Maßnahmen in ländlichen Gemeinden gegeben hat, im Grünen Plan bereits abgebaut wurde. Solche kleinen Fehlerehen sollte man einmal ausmerzen, damit man nicht noch mehr in den Ruf kommt, es 'mit der Wahrhaftigkeit nicht so genau zu nehmen.
Diese Aufgaben strapazieren die Länderkassen in außerordentlichem Maße, so daß sie hier gar keinen Spielraum haben.
Die Finanzsituation der Gemeinden ist auch nicht rosig. Die Verschuldung der Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern betrug am 31. Dezember 1966 22 761 Millionen DM; sie betrug am 30. Juni 1970 32 650 Millionen DM. Das ist also in dreieinhalb Jahren eine Zunahme der Verschuldung um ein Drittel oder, in runden Zahlen, um zirka 10 Milliarden DM.
Diese Sachverhalte machen deutlich, daß sich der Bund auch hinsichtlich der Verstärkung der Finanzmittel Gedanken machen muß. Es war für uns interessant, vom Herrn Bundesverkehrsminister zu hören, daß man sich hier Gedanken mache. Nun, Herr Bundesverkehrsminister, Sie sind nun fast vier Jahre im Amt - eigentlich keine kurze Zeit, um sich Gedanken über diese Sache zu machen.
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- Von dem, was bei Herrn Seebohm war, reden wir
dann noch bei der Behandlung des Fernstraßengeset3700
zes, dessen Entwurf wir bekommen werden. Jedenfalls, Herr Kollege Faller, Sie werden hier doch nicht ernstlich sagen wollen, daß der jetzige Herr Bundesminister für Verkehr an der Erhöhung der Sachmittel um 3 Pf irgendeinen Anteil gehabt hat. Sein Vorgänger ist durchs Land gezogen und hat gesagt: Diese 5 Pf - er hat das Fünfpfennigstück vorgewiesen - möchte ich für die Gemeinden haben. Sie wissen das so gut, wie ich es weiß, und Sie kennen auch die Probleme, die damit zusammenhängen, Probleme, die Sie heute in ähnlicher Weise haben, wie wir sie damals in diesem Bereich gehabt haben.
Eines muß man jedenfalls sagen, wenn man von diesem Sachverhalt ausgeht, daß die jährlichen Steigerungsraten, wie sie jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung stehen, im Schnitt der Jahre 1970 bis 1974 ca. 5% ausmachen. Die Preissteigerungsrate lag im letzten Jahr und liegt im Augenblick - das ist sogar noch niedrig gegriffen - bei 15 %. Das heißt also, daß der Zuwachs erst einmal für die nächsten drei Jahre durch die Preissteigerung aufgefressen wird. Das heißt ferner, daß in den nächsten Jahren nicht mehr, sondern erst einmal weniger Bauleistungen erbracht werden.
Wenn ich hier die Frage erörtere, ob die Mittel reichen oder nicht reichen, wird natürlich an mich die Frage gerichtet: Wie sieht es denn nun mit der Konjunktur aus? Wenn Mittel verstärkt werden sollen, ist das natürlich auch eine Frage der Konjunkturpolitik, und der Verkehrsausbau in den Gemeinden ist natürlich nicht konjunkturneutral. Die Konjunktur ändert sich; das ist eine alte Erfahrung, die wir alle gesammelt haben. Dieses Gesetz sollte jedoch ein langfristiges Gesetz sein. Wenn die Konjunktur überschäumt und für mehr Geld weniger Bauleistung erbracht wird, so ist die Dämpfung Sache des Stabilitäts- und des Haushaltsgesetzes und sicherlich nicht Sache eines langfristig angelegten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes.
Wer nun die Ankündigung der führenden Regierungsparteien in Sachen Verkehrsausbau kennt, muß eigentlich bei der Vorlage dieses Gesetzes erwarten, daß auch zur Frage der Verstärkung der Finanzierungsmittel konkrete und eindeutige Vorschläge gemacht werden, zumal uns einige Zitate potenter Herren hierzu vorliegen. So hat z. B. Herr Bundeskanzler Brandt als Vorsitzender der SPD vor einiger Zeit auf einer SPD-Verkehrskonferenz erklärt:
Meine Freunde waren dafür und sind dafür, daß die Zweckentfremdung der Mineralölsteuer beseitigt wird. Wir fordern mehr Hilfe für den Straßenbau in den Städten und Gemeinden. Wir unterstützen die Forderung des Deutschen Städtetages nach einer 15%igen Beteiligung am Mineralölsteueraufkommen.
Nun, der Herr Bundeskanzler Brandt bestimmt die Richtlinien der Politik. Es liegt ihm also nichts im Wege, um diese eigene Forderung zu realisieren. Das wäre bei einem Mineralölsteueraufkommen - dabei ist die Heizölsteuer bereits abgezogen - von 11 Milliarden DM im Jahre 1971 ein Betrag von 1650 Millionen DM.
Im SPD-Regierungsprogramm 1969, das Sie vielleicht alle noch gedruckt zu Hause haben - es ist immer nett, wenn man so etwas einmal nachlesen kann -, heißt es: „Die Lösung der gemeindlichen Verkehrsprobleme hat einen besonderen Rang." - Ist es ein „besonderer Rang", wenn die Mittel für den gemeindlichen Verkehrsausbau in der mittelfristigen Finanzplanung im Schnitt jährlich um 5%, der Gesamthaushalt aber nach dieser Planung im Jahre 1971 um 12 %, 1972 um 8,5 %, 1973 um 8,25 % und 1974 um 8 % steigen? Hier muß ich ernsthaft fragen: Wo bleibt der „besondere Rang", den man angekündigt hat? Oder handelt es sich hier wieder nur um das schlechte Gedächtnis der führenden Regierungspartei, um nichts zugeben zu müssen, daß man den Wähler wie in vielen anderen Dingen wieder einmal hinters Licht geführt hat?
({1})
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes ist bis auf einige Dinge, die der Herr Bundesminister für Verkehr hier dargelegt hat, die zwar von Bedeutung, aber meines Erchatens nicht so gravierend sind, im großen und ganzen nichts anderes als ein Umgießen der bisherigen Richtlinien über die Verteilung der 3 Pf Mineralölsteuermehraufkommen in Gesetzesform. Über die entscheidende Problematik der Finanzierung - und entscheidend bleibt sie - steht nichts darin.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat es bei der Einbringung seines Gesetzentwurfs für opportun gehalten, sich auch noch mit unserem Entwurf zu befassen, weil er damals, als unser Entwurf eingebracht wurde, sicherlich zeitlich verhindert war. Dazu möchte ich feststellen: Wir gehen davon aus, daß die für den Zweiten Ausbauplan der Bundesfernstraßen vorgesehenen 93 Milliarden DM nicht angetastet werden, sondern daß im Gegenteil für Fernstraßeninvestitionen noch ein Anteil hinzu kommt, weil wir § 5 a - Ausbaumaßnahmen in den Gemeinden - aus den Bundesfernstraßenaufgaben herausgenommen haben. Wir haben eine andere Regelung als die im Regierungsentwurf vorgesehen. Wir müssen uns darüber unterhalten, welches die zweckmäßigere Lösung ist.
Es wurde gesagt, wir würden dem Bundesfernstraßenbau um 3 Milliarden DM in die Tasche greifen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das trifft so nicht zu. Wir werden Anlaß nehmen, diese Zahlen im Ausschuß zu erörtern. Eines ist jedenfalls sicher, nämlich daß die von uns vorgelegten Zahlenschätzungen aus einer außergewöhnlich seriösen Quelle stammen, einer Quelle,
({2})
deren Zahlenschätzungen sich immer als zutreffend erwiesen haben.
Als damals unser Antrag auf Erhöhung der Mineralölsteuer zum Zwecke des Verkehrsausbaus in den Gemeinden im Bundestag behandelt wurde, sagte im Namen der SPD-Fraktion der Kollege Börner:
Aber die Regierung und die Koalition sollen nicht so tun, als sei das, was sie jetzt in der Finanzierung dieses Haushalts verankern, eine Sache, die außerhalb der Diskussion steht, und als dürften zusätzliche Mittel für den Straßenbau, wie es verschiedene Abgeordnete in der Koalition wollen,
- das war damals die andere Koalition nur durch die Erhöhung der Mineralölsteuer gesucht werden. Es gibt - das müssen Sie sich sagen lassen.
- wir haben es uns sagen lassen - auch andere Wege.
Das ist ausgezeichnet. Aber jetzt hätten wir doch ganz gern gewußt, welche die anderen Wege sind. Der Kollege Börner ist ja inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr. Wir hätten also sehr gern erfahren, welches diese anderen Wege, die er am 25. Mai 1966 angekündigt hat, nun konkret sind. Aber ich muß zu seiner Ehrenrettung natürlich zugestehen, daß der Bundestag dann einen Antrag der SPD an den Ausschuß überwies - dort ist er irgendwie gestorben, denn wir haben nichts mehr davon gehört -, in dem steht, daß die Mineralölsteuer-Zweckbindung ab 1. Januar 1967 auf 55 % und ab 1. Januar 1968 - da war Minister Leber bereits Bundesminister für Verkehr - um weitere 10 % auf 65 % anzuheben sei und daß das Gesamtaufkommen für zusätzliche Zuwendungen an die kommunalen Baulastträger zu verwenden sei.
Ich muß ernsthaft fragen: Wenn Sie das alles damals so gut wußten und uns damit kräftig attackierten, wo bleiben dann Ihre Vorschläge? Der Bundesminister für Verkehr sagt: Das müssen wir alles noch überlegen, das muß noch geprüft werden. Damals wußten Sie doch alles sehr genau. Wo bleiben Ihre Ideen heute? Oder waren damals, als Sie diese mit viel Überzeugung vorgebrachten Anträge vorlegten, diese Anträge etwa doch nicht so gut durchdacht? Das könnte natürlich sein. Das kommt ja bei dieser Regierung öfters vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Entwurf der Regierung und unser Entwurf, der dem Bundestag schon vorliegt, haben manches gemeinsam. In manchen Dingen unterscheiden wir uns, sogar grundlegend; darüber werden wir verhandeln. Wir wollen eine möglichst gute Lösung, die wohl alle in diesem Haus wünschen. Wir unterscheiden uns nicht nur in der Finanzierungsfrage, wir unterscheiden uns in der gesetzlichen Verankerung des Planungsausschusses und in einigen Dingen, die hier vorgetragen worden sind.
Die derzeitige Bundesregierung hat immer erklärt, daß der Verkehrsausbau zu den Aufgaben mit besonderem Vorrang gehöre. Für den Verkehrsausbau in den Gemeinden gilt das, wenn man die mittelfristige Finanzplanung und diesen Gesetzentwurf anschaut, jedenfalls nicht. Die CDU/CSU hat dieser Aufgabe immer besonderen Vorrang eingeräumt.
Das begann mit unserem Antrag, ein Sachverständigengutachten anzufordern, das eine sehr gute Grundlage bildete, führte zu unseren Anträgen über die Mineralölsteuer-Lösung bis zu unserem jetzigen Gesetzentwurf.
Die jetzige Bundesregierung erweckt den Eindruck, sie sei die Regierung der großen Reformen und auch der Verkehrsausbau gehöre dazu. Regierung der großen Reformen? Die Anfangsbuchstaben können wir stehen lassen; wir müssen aber sagen, daß es die Regierung der großen Redensarten ist.
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- Herr Wehner, ich freue mich, daß Sie hier einmal lustig sind; das ist eh so selten.
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Am fröhlichsten habe ich Sie eigentlich auf dem Bild Ihrer letzten Reise gesehen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch mit dem vorgelegten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wird diese Regierung diesem ihrem großen Anspruch nicht gerecht.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine bewußte, mit Konsequenz und System zu betreibende Verkehrspolitik schließt den Grundgedanken ein - darin sind wir uns vermutlich einig, Herr Kollege Lemmrich -, daß der Ausbau und die Modernisierung des innerstädtischen Verkehrs staatlich gesichert und weiter verstärkt wird.
Ich will auf die sehr negativen Dinge gar nicht eingehen.
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Ich hätte in Ihren Ausführungen eigentlich etwas mehr in bezug auf Sachvorschläge erwartet. Ich war sehr daran interessiert, von Ihnen einiges zum Thema „Verkehrsdichte", zum Thema „Verkehrssicherheit" zu hören, und nicht zuletzt war es für uns alle interessant, festzustellen, wie Sie „Planung", „Grunderwerb" und „Finanzierung", soweit es sich um die Nahverkehrsbereiche handelt, hier als erstrangig dargestellt haben.
Dazu darf ich nur eine Feststellung treffen: Wenn in den letzten vier Jahren eine Steigerung der Ausgaben und damit natürlich auch eine zusätzliche Verschuldung der Gemeinden eingetreten ist, dann wohl auch deshalb, weil durch die Entscheidungen
Haar ({1})
dieses Parlaments und durch den Leber-Plan die Gemeinden jetzt erst durch die festgelegten Zuschüsse in der Lage waren, Planungen, die anderhalb Jahrzehnte haben auf sich warten lassen, in Anspruch zu nehmen, und weil sie dadurch ermutigt wurden, etwas anzupacken. Darauf kommt es wohl an.
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Herr Abgeordneter Haar, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich? - Bitte!
Herr Kollege Haar, können Sie mir sagen, wo im sogenannten Leber-Plan etwas über Finanzierung des Verkehrsausbaus in Gemeinden steht?
Wir haben im Zusammenhang mit den Entscheidungen über den LeberPlan eine neue Entwicklung eingeleitet, die als Gesamtkonzept dieser Vorstellungen der sozialdemokratischen Fraktion auch die Finanzierung der Vorhaben in den Gemeinden miteinschließt.
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Ich will eine zweite Feststellung treffen, von der ich meine, daß sie ebenso wichtig ist. Hier ist mit Formulierungen und mit Zitaten aus Sachdiskussionen, die vier, fünf Jahre zurückliegen, so getan worden - auch mit der Tonart, die Sie hier angeschlagen haben, und mit dem Ausdruck, den Sie Ihren Worten gegeben haben; ich habe Ihnen heute einiges nicht abnehmen können; das sage ich Ihnen ganz offen -, als ob der Wähler mit dieser Vorlage wieder hinters Licht geführt worden sei. Ich meine: da hätten Sie wirklich für die letzten zwei Jahrzehnte, auch in bezug auf die Verkehrspolitik Ihrer Partei, einmal mit sich selber ins Gericht gehen und sich im Spiegel ansehen müssen, was da alles versprochen und was in zwei Jahrzehnten von Ihnen praktiziert worden ist, auch in einem Zeitraum, in dem Sie Verantwortung zu tragen hatten.
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In diesen zehn Monaten, denke ich, ist einiges angepackt worden. Dabei räumen wir ein, daß in den drei Jahren unserer Zusammenarbeit
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Weichenstellungen erfolgt sind, bei denen wir uns in der sachlichen Arbeit vermutlich wieder im Ausschuß treffen werden.
Ich darf eine letzte Bemerkung zu Ihrer Gesamtbetrachtung machen, in der Sie versucht haben, hier manches negativ darzustellen. Wir haben - das wissen Sie, Herr Kollege Lemmrich - im Haushaltsausschuß zwei Sitzungen gebraucht, um allein die Planstellen für die Wissenschaftler im Verkehrsministerium zu bekommen, die Hochrechnungen anstellen, um künftig falsche Investitionen, gleich in welchem Bereich des Verkehrs, zu vermeiden. Ich denke, auch das gehört zu der Verantwortung, die wir gemeinsam in diesem Parlament tragen: daß nach einer Konzeption, auf die wir uns auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeiten einigermaßen verlassen können, entschieden werden kann, was unter welchen Aspekten künftig unterstützt wird.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden regeln und damit die Richtlinien über Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden ablösen. Die Regierungsvorlage, die, wie Ihnen bekannt ist, bereits den Bundesrat passiert hat, betreibt keine Augenwischerei mit scheinbaren Steigerungsquoten. Grundlage sind die Mittel, die sich gemäß Art. 8 § 4 des Steueränderungsgesetzes vom 23. Dezember 1966 aus der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf pro Liter ergeben. Diese Regelung sollte auch nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beibehalten werden. Neben diese Finanzmasse treten noch jene Mittel, die sich gemäß § 5 a des Fernstraßengesetzes ergeben und die ja schließlich auch den Gemeinden zugute kommen; denn auch sie können nur noch zum Bau oder Ausbau von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen verwendet werden.
Wir sind uns darin einig, daß gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden notwendig sind, um diese Aufgaben in der Zukunft zu bewältigen. Dabei sollen aber Länder und Gemeinden nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Die Richtlinien über Bundeszuwendungen haben sich bewährt. Sie sollten daher nach unserer Auffassung in ihren Grundzügen erhalten bleiben. Ausgehend von der Erkenntnis, daß die innerstädtischen Nahverkehrsverhältnisse nur durch eine optimale Zusammenarbeit von öffentlichem Personennahverkehr und Individualverkehr verbessert werden können, ist in den Katalog der zu fördernden Maßnahmen das System von Park-and-rideParkplätzen mit aufgenommen worden. In Verdichtungsräumen kann dieses System zu einer wesentlichen Verbesserung der Zusammenarbeit der Verkehrsträger führen.
In engem Zusammenhang mit dieser Ausweitung steht auch die Änderung des Teilungsverhältnisses zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs, auf den nunmehr 45 % der Mittel entfallen sollen. Zwar hatte der Bericht der Sachverständigenkommission zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden noch von einer Teilung im Verhältnis 60 zu 40 gesprochen, wir aber meinen, daß sich seit dem Erscheinen des Berichts auch einiges verändert hat. Immer mehr ist die Erkenntnis in den Vordergrund getreten, daß die städtischen Verkehrsprobleme nur durch einen verstärkten Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel gelöst werden können. Dem ist im vorliegenden Gesetzentwurf durch die Neuaufteilung Rechnung getragen. Die heutige
Haar ({3})
Ankündigung des Verkehrsministers, daß mit einem baldigen Abschluß laufender Gespräche und Verhandlungen gerechnet werden kann, läßt uns hoffen, daß wir zu Lösungen kommen, die uns weiterführen.
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Dabei ist zu beachten, daß die Deutsche Bundesbahn ein entscheidender Träger des öffentlichen Nahverkehrs ist. Auch diesem Umstand ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf Rechnung getragen worden.
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Dies sind aber alles Dinge, zu denen wir in den Ausschußberatungen noch einiges zu sagen haben und die dabei gründlich ausdiskutiert werden sollten.
Ich darf noch einige Bemerkungen zum Entwurf der Opposition machen. Zur Begründung wurde dort mit Rechenexempeln und Zahlenspielerei so getan, als würden den Gemeinden Mittel zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse vorenthalten. Sie haben das heute mit einigen Formulierungen wiederholt. Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden müssen - darüber sollten wir einig sein - zumindest auf einer soliden Grundlage stehen und nicht unnötige Hoffnungen wecken, wie das viele Jahre hindurch unter Ihrer Verantwortung der Fall gewesen ist.
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Die Opposition vergleicht Finanzhilfen, die sich nach der amtlichen Schätzung der Mineralölsteuer von 1968 ergeben können, mit einer nichtamtlichen Schätzung und argumentiert dabei mit Zahlen, die einem Kunststück ähnlich sind. Über Belastungen des Fernstraßenhaushalts und des allgemeinen Haushalts, die sich aus diesem Vorschlag ergeben würden, haben Sie sich auch schon in der ersten Begründung Ihres Entwurfs einfach hinweggesetzt. Wird aber das Mineralölsteueraufkommen der nächsten Jahre tatsächlich die letzten amtlichen Schätzungen übertreffen - das räumt ja auch der Verkehrsminister ein , werden automatisch auch die Finanzhilfen für die Gemeinden höher werden können. Zudem ist der § 5 a des Fernstraßengesetzes nunmehr so gefaßt worden, daß diese Mittel jetzt ausschließlich für Vorhaben im kommunalen Bereich verwendet werden dürfen. Das bedeutet eine weitere Begünstigung der Gemeinden.
Im übrigen denke ich, Sie bestreiten heute nicht mehr - wir hatten Gelegenheit, darüber auch persönlich zu sprechen - die Ähnlichkeit Ihrer Vorlage, Ihres Entwurfes, mit der Grundkonzeption des Regierungsentwurfes, auch wenn Sie heute im Schlußwort noch einmal von etwa da und dort bestehenden grundsätzlichen Unterschieden der Betrachtung oder der Beurteilung sprachen.
Der vorliegende Entwurf der Regierung ist nach unserer Auffassung eine solide Basis, auf der in Zukunft die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden weiter verbessert werden können. Wir werden den
Gemeinden -- auch dem Deutschen Städtetag - zu den Möglichkeiten und den Chancen, natürlich auch zu den Grenzen der Leistungsfähigkeit die Wahrheit sagen, und wir werden gut dabei fahren.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute die Debatte über ein durch einen Gesetzentwurf angesprochenes Problem, das wir Ende April in fast ebenso ausführlicher Breite behandelt haben, wie es heute anscheinend geschieht; damals ging es um den Entwurf der CDU/CSU-Fraktion zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Im Grunde genommen haben sich die Argumente bis heute nicht verändert. Es sind keine Fakten hinzugekommen, die Anlaß geben könnten, in der Debatte weit über das hinauszugehen, was schon am 28. April gesagt wurde.
Herr Kollege Lemmrich, es scheint mir aber doch notwendig zu sein, heute, an dem Tage, an dem wir die Regierungsvorlage behandeln, ein paar Ausführungen zu Ihren Bemerkungen zu diesem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu machen. Sie haben davon gesprochen, daß der Straßenbau und die Regelung unserer Verkehrsverhältnisse im Lande wie auch in den Gemeinden „eine der großen Aufgaben unserer Zeit" sei. Ich widerspreche Ihnen nicht, stelle aber fest, neben dieser „großen Aufgabe unserer Zeit" gibt es ein ganzes Dutzend anderer, ebensolcher oder noch größerer Aufgaben unserer Zeit, die alle Probleme aufwerfen, die zu lösen sind, zu deren Lösung wir aber des Einsatzes verstärkter finanzieller Mittel bedürfen. Ich frage mich dann immer, was das hier eigentlich alles soll, wenn Sie uns, der Bundesregierung, den Fraktionen, die diese Bundesregierung tragen, andererseits vorwerfen, daß wir eine Politik betrieben, die geradewegs in die Inflation führe oder schon geführt habe.
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Sie wollen den Gemeinden mehr Geld zur Regelung ihrer gemeindlichen Verkehrsprobleme geben, und Sie führen zur Untermauerung Ihrer Ansprüche an, daß die Unfallzahlen in den Gemeinden ganz besonders hoch seien und von daher ruhig zu Lasten des Fernstraßenbaues etwas mehr für die Gemeinden getan werden könnte. Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß beispielsweise der Bau der westlichen Umgehungsautobahn bei Hamburg sicherlich mehr dazu beitragen wird, die Unfallziffern in der Stadt Hamburg zu senken, als wenn wir der Stadt Hamburg einige Millionen DM mehr für den Ausbau ihrer innerstädtischen Verkehrswege gäben. Herr Lemmrich, das kann doch nicht bestritten werden. Deswegen weigere ich mich, se aus der Hand heraus Zahlen entgegenzunehmen, die bestimmte Verteilungsquoten untermauern sollen.
Oder, Herr Kollege Lemmrich, wie sehr gemeindefreundlich hätten sich die Verantwortlichen verhal3704
ten, wenn sie in der Vergangenheit dafür gesorgt hätten, daß der Autobahnring um München schon heute da wäre und nicht erst noch gebaut werden müßte!
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Das Problem können Sie, Herr Kollege Lemmrich, halt nicht dadurch regeln, daß Sie von dem zu erwartenden Mehraufkommen bei der Mineralölsteuer von 7,5 Milliarden DM den größten Teil zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden verwenden.
Nun ist es auch nicht so, daß der Straßenbau oder seine Förderung das geborene Anliegen einer bestimmten Partei oder Fraktion ist. Wir sind doch einfach gezwungen, Straßen zu bauen, wenn nicht das wirtschaftliche Leben hier bei uns und in der ganzen Welt zusammenbrechen soll. Sie können doch nicht überzeugend darlegen, daß Sie oder ein anderer in der Vergangenheit, heute oder in Zukunft mehr tun als die Regierung, die ihre Vorschläge macht, oder die Fraktionen, die hinter der Regierung stehen.
Es war sicherlich auch nicht ein Programmpunkt der CDU/CSU, daß man zur Lösung der Probleme des Verkehrs in den Gemeinden eine so einfache Lösung findet wie die Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf je Liter, die der Kraftfahrer zahlt. Der Kraftfahrer, Herr Kollege Lemmrich, und nicht die CDU/ CSU hat im Grunde genommen dafür gesorgt, daß die Gemeinden bisher fast ausreichend ausgestattet werden konnten und in Zukunft ausgestattet werden können.
Es ist einfach eine Frage, Herr Kollege Lemmrich, ob man glaubt, daß es zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Konjunktur zumutbar ist, solche einfachen Lösungen so schnell zu finden.
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- Natürlich waren wir dagegen, und zwar weil man in Zeiten nachlassender Konjunktur keine Steuern erhöht. Das ist ein alter Grundsatz, dem wir damals anhingen.
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Ich glaube, zu den allgemeinen Einführungen ist genug gesagt. Der Regierungsentwurf löst die Richtlinien ab. Wir behandeln ja heute gar nichts umwälzend Neues, es hat sich im Grunde genommen gar nicht viel verändert. Die Gemeinden erhalten aus den 3 Pf ihre Zuwendung für die Lösung ihrer örtlichen Probleme.
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Dieser Gesetzentwurf hätte sehr schnell verabschiedet werden können, weil er nicht einen Zustand
verändert, sondern ihn nur in andere gesetzliche Bestimmungen einpaßt.
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- Ja, wir kommen einem Auftrag nach, der zwingend ist. An die Stelle der Richtlinien tritt nun ein Gesetz.
Wenn wir uns die beiden Entwürfe anschauen, stellen wir fest, daß sie sich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. Sie versuchen, zu Lasten des Fernstraßenbaues etwas mehr hineinzupacken, indem sie eine feste Beteiligungsquote an dem Mineralölsteueraufkommen vorsehen und den Gemeindepfennig einbeziehen. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß es bei den bisherigen 3 Pf bleibt. Der Gemeindepfennig nach § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes soll erhalten bleiben, mit dem ja die Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen bezuschußt werden.
Die Gemeinden werden dadurch mehr erhalten, daß das Mineralölsteueraufkommen steigen wird. Daran ist gar kein Zweifel. In den nächsten Jahren werden sie mehr erhalten. Das ist gewollt. Daß sie durch Ihren Entwurf ausreichende Beträge erhalten, Herr Kollege Lemmrich, das werden Sie mir nicht beweisen können. Weder bei Ihrem Vorschlag noch bei unserem können Sie die Behauptung ganz klar untermauern, daß diese Beträge ausreichend seien.
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Aber sie dienen dazu, die Verkehrsverhältnisse zu verbessern. Strittig ist - und hierüber gibt es unterschiedliche Auffassungen - in beiden Entwürfen die Aufteilung der für die Gemeinden vorgesehenen Mittel. Hier sieht der Regierungsentwurf eine stärkere Förderung der Vorhaben für den öffentlichen Nahverkehr vor, eine Maßnahme, die den Freien Demokraten begründet zu sein scheint. Auch diese Zahl ist gegriffen. Ob das bisherige Verhältnis 60 : 40 ausreichend ist oder ob es besser ist, 55 : 45 % aufzuteilen, ist eine Frage, die nicht bis ins Letzte beweiskräftig entschieden werden kann. Man kann den Trend hier nur in eine bestimmte Richtung hineinlenken. Hier sieht die Regierungsvorlage eine stärkere Berücksichtigung der Förderung des Personennahverkehrs vor.
Im Grunde genommen gibt es dann noch kleine Meinungsunterschiede, welche Vorhaben in die Förderung einbezogen werden können; ob ein besonderes Gremium geschaffen werden muß, das über die Verteilung der Mittel nachdenkt und dem Bundesverkehrsminister Vorschläge macht. Es gibt noch abweichende Meinungen darüber, von welcher Größenordnung an finanziell gesehen - die Vorhaben der Gemeinden gefördert werden sollen. Diese geringen Abweichungen in den beiden Vorlagen schienen mir - das habe ich eingangs gesagt - im Grunde genommen nicht ausreichend dafür zu sein, daß wir uns zweimal über einen verhältnismäßig langen Zeitraum mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen.
Die Freien Demokraten stimmen der Überweisung dieses Gesetzesantrags an die zuständigen Ausschüsse zu.
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Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an Finanzausschuß, Innenausschuß und Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Es werden keine weiteren Anträge gestellt. Dann ist so beschlossen.
Wir stehen damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 24. September 1970, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.