Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. -- Dann ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Sodann liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit
Betr.: Umweltradioaktivität
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 22. Mai 1962
- Drucksache VI/907 -zuständig: Innenausschuß ({0}), Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Vorlage des Präsidenten des Europäischen Parlaments
Betr.: Entschließung zu den vom Rat der Europäischen Gemeinschaften festgelegten Bestimmungen
- zur Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten
durch Eigenmittel der Gemeinschaften
-zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rats und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksache VI/915 zuständig: Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundeskanzlers
Betr.: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1969 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet
Bezug: § 50 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
- Drucksache VI/950 -zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist. Dann ist so beschlossen.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat am 12. Juni 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Schmid-Burgk und Genossen betr. steuerliche Benachteiligung von Eltern verheirateter Kinder - Drucksache VI/900 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI '967 verteilt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde Drucksache VI/940
Wir beginnen, wie am Freitag üblich, mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe zuerst Frage 121 des Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm auf:
Wie war es möglich, daß die Bildzeitung Text und Inhalt des von Staatssekretär Bahr in Moskau ausgehandelten Gewaltverzichtsvertrages früher zur Kenntnis erhielt als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages?
Herr Staatssekretär Dr. Dahrendorf!
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Das Papier, das Staatssekretär Bahr auf Grund seiner Gespräche mit Außenminister Gromyko mitgebracht hat, ist ja inzwischen auf mannigfache Weise beschrieben worden. Ich will diesen Beschreibungen keine weiteren hinzufügen. Ein ausgehandelter Gewaltverzichtsvertrag ist es sicher nicht. Dennoch bedauert die Bundesregierung außerordentlich die Indiskretion, die in der Veröffentlichung von Teilen dieses Papiers liegt. Wir haben keine große Hoffnung, daß es uns gelingen wird, die Quelle dieser Indiskretion zu finden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, weitere Passagen des von Herrn Staatssekretär Bahr in Moskau verhandelten Absichtspapiers den Fraktionsvorständen und den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages zur Kenntnis zu geben, um zu vermeiden, daß diesen doch sehr wesentlichen Mitgliedern des Hauses weitere Indiskretionen durch die Presse zugänglich gemacht werden?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Zunächst bedauert die Bundesregierung außerordentlich, daß diese Veröffentlichungen in der Presse erfolgt sind. Die Bundesregierung ist bereit, wie schon bisher den zuständigen Ausschuß über die Genesis und den Inhalt der bisherigen Gespräche zu informieren. Da3376
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahrendorf
bei wird es selbstverständlich auch erforderlich sein, daß Passagen von etwa vorhandenen Texten vorgelegt werden. Es scheint jedoch in der gegenwärtigen Lage sehr viel wichtiger zu sein, daß man dabei Passagen ins Zentrum stellt, die in Zukunft zur Grundlage von Verhandlungen gemacht werden können.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Auffassung, daß es sich hier um Verhandlungen und Vorgänge von historischer Bedeutung für unser Land handelt und daß es besser ist, die Persönlichkeiten in der Bundesrepublik, die in diesem Parlament sitzen und die später verantwortlich über die Entscheidungen der Bundesregierung zu beraten und zu befinden haben, rechtzeitig voll ins Bild zu setzen, damit sie in der Lage sind, ihre Bedenken so rechtzeitig vorzutragen, daß die Bundesregierung ihnen in ihren weiteren Verhandlungen, die ja, wie ich heute lese, im Juli beginnen sollen, Rechnung tragen kann?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die Bundesregierung ist ganz entschieden der Auffassung, daß es sich um Fragen von außerordentlicher Tragweite für unser Land handelt. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung mehrfach - auch gerade in den letzten Tagen - erklärt, daß sie eine breite Mehrheit für ihre Verhandlungspositionen sucht. Eine solche breite Mehrheit kann selbstverständlich nur gefunden werden, wenn zuvor eine hinlängliche Information derer erfolgt ist, die eines Tages für eine mögliche Ratifikation verantwortlich sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, aus den Erfahrungen, die sie in diesem ganzen Komplex gewonnen hat, Konsequenzen hinsichtlich ihrer Informationspolitik gegenüber diesem Hohen Hause für die Zukunft zu ziehen?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, wird diese breite Mehrheit, die die Bundesregierung zu erringen wünscht, nicht dadurch nur erreicht werden können, daß die Bundesregierung den Vorschlägen und Bitten des Kollegen von Kühlmann-Stumm folgt und die Abgeordneten, jedenfalls in einem ausgewählten Kreis, rechtzeitig informiert?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Das war ein Teil meiner Antwort an Herrn Kollegen von Kühlmann-Stumm.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die beiden nächsten Fragen sind zurückgezogen. Wir kommen zur Frage 124 des Herrn Abgeordneten Draeger. - Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 125 des Herrn Abgeordneten Rommerskirchen auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den Artikel 6 im sowjetischtschechoslowakischen Vertrag vom 6. Mai 1970, nach welchem das Münchener Abkommen vom 28. September 1938 mit allen sich daraus ergebenden Folgen von Anfang an ungültig" sei?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die beiden Vertragspartner haben durch diese Formulierung einen Standpunkt bekräftigt, den sie im Prinzip seit langem eingenommen haben. Sie haben also nichts gesagt, was für uns grundsätzlich neu wäre.
Im übrigen kann es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, öffentlich Verträge zu interpretieren oder zu bewerten, die zwischen Dritten geschlossen worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rommerskirchen.
Herr Staatssekretär, besteht nicht dennoch die Gefahr, daß nunmehr nachträglich die Verletzung der Menschen- und Gruppenrechte derjenigen festgestellt wird, die nach der damaligen Rechtslage staatsbürgerliche Pflichten für Deutschland erfüllten, und besteht nicht damit die Gefahr, daß dementsprechend in der CSSR lebende Personen Repressalien ausgesetzt werden?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, die Haltung, die die vorhergehenden Bundesregierungen ebenso wie diese in der Frage des Münchener Abkommens eingenommen haben, schließt diese Gefahr aus. Sie würde erst bestehen, wenn von seiten der Bundesregierung eine entsprechende Abmachung getroffen würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, Sie wollten nicht einen Vertrag kommentieren, den andere Staaten miteinander schließen. Ich verstehe das; aber in diesem Vertrag werden vitale Probleme unseres Landes berührt. Sind Sie nicht bereit - und nur darum geht es -, diesen Teil zu charakterisieren, der die Forderung enthält, das Münchener Abkommen von Anfang an für null und nichtig zu erklären mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen? Darauf liegt der Ton.
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, natürlich zeigt dieser Vertrag, daß die Ex-nuncex-tunc-Frage noch nicht aus der Diskussion ist. Sicher werden auch wir noch einmal mit dieser Diskussion konfrontiert werden. Direkte Fragen dazu hätte ich - wenn ich das im Konjunktiv sagen darf - unter Hinweis auf die Stellungnahmen früherer Bundesregierungen wie auch dieser Bundesregierung beantwortet und damit klargelegt, wie wir hier unsere Absichten und Aufgaben sehen. Daß die Sowjetunion andere Absichten hat, geht noch einmal aus dem abgeschlossenen Vertrag hervor. So weit will ich in der Kommentierung gern gehen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß, wie soeben schon ausgeführt wurde, die betroffenen Bürger der Bundesrepublik, die jetzt das Schweigen der Bundesregierung hinnehmen müssen, dadurch die Obhutspflicht der Bundesregierung ihnen gegenüber als verletzt ansehen?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Kollege, ich glaube nicht, daß das Schweigen der Bundesregierung zu Verträgen zwischen Dritten als eine Zustimmung zu solchen Verträgen interpretiert werden kann. Die betroffenen Bürger brauchen die Stellungnahme oder Nichtstellungnahme der Bundesregierung nicht so zu verstehen, wie Sie es angedeutet haben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Staatssekretär, könnten nicht durch diesen Vertrag künftige deutsch-tschechische Verhandlungen insofern präjudiziert sein, als sich doch die Situation ergeben könnte, daß zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion vereinbart wird, daß deutsch-tschechische Verhandlungen über das Münchener Abkommen stattfinden, wobei eben die tschechische Regierung durch ihren Vertrag bereits so weit festgelegt wäre, daß praktisch für die deutsche Regierung in dieser Frage überhaupt kein Spielraum mehr bestünde?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Wenn die
von Ihnen geschilderte Situation eintreten sollte, könnten sich in der Tat Schwierigkeiten ergeben. Ich hoffe, daß sie nicht in dieser Form auftreten.
Herr Abgeordneter Reddemann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es überhaupt für möglich, im Augenblick unter diesen Umständen des sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrages Gespräche über das Münchner Abkommen mit der Regierung in Prag zu führen?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Der Ausdruck „im Augenblick" kann einen fast beliebig weiten Zeitraum decken. Ich würde sagen, es kann sehr wohl eine Situation entstehen, in der es möglich und sinnvoll ist, mit der Regierung der CSSR Verhandlungen aufzunehmen. Welche Rolle dabei das Münchner Abkommen spielt, ist eine zweite Frage. In diesem Augenblick werden solche Verhandlungen nicht eröffnet werden.
Ich komme damit zur Frage 126 des Abgeordneten Rommerskirchen:
Bestehen die in der deutschen Presse geäußerten Befürchtungen zu Recht, nach denen möglicherweise mit reparationsähnlichen Forderungen der tschechoslowakischen Regierung an die Bundesrepublik Deutschland gerechnet werden muß?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Reparationsforderungen sind von der CSSR uns gegenüber bisher offiziell weder erhoben noch angedeutet worden. Über die daher hypothetische Frage öffentlich zu spekulieren, ob solche Forderungen einmal erhoben werden könnten, erscheint mir wenig angebracht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ich habe sehr bewußt nach reparationsähnlichen Forderungen gefragt. Wie steht es damit?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich will hier keine Begriffsrabulistik betreiben. Aber, ich glaube, daß es richtig ist, etwas klarzustellen, auch im Hinblick auf eine noch folgende Frage: Es gibt Wiedergutmachungsforderungen, und es gibt Reparationsforderungen. Ich gehe davon aus, daß Wiedergutmachungsforderungen, die sich auf einzelne beziehen, nicht als reparationsähnliche Forderungen bezeichnet werden können. Ich gehe also davon aus, daß es sinnvoll ist, einen Unterschied zu machen zwischen Forderungen, die direkt von anderen Staaten erhoben werden, und solchen, die sich direkt auf einzelne Personen und die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts beziehen. Wenn ich diese Unterscheidung treffe, dann gilt das, was ich gesagt habe, auch für reparationsähnliche Forderungen.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wenn Sie von den Forderungen, die in bezug auf einzelne erhoben werden, ausgehen, würden Sie mir nicht beipflichten, daß die in Art. 34 des letzten Friedensvertragentwurfs der Sowjetunion für Deutschland enthaltene Definition das in einem sehr großen Umfang ausweiten würde?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich will Ihnen gern zugestehen, daß die Unterscheidung, die ich soeben getroffen habe, nicht in jedem Einzelfall so scharf zu ziehen ist. Aber ich meine, daß sie für alle bisher vorgelegten oder auch nur öffentlich erörterten Forderungen gilt.
Ich komme damit zur Frage 127 des Abgeordneten Dr. Klepsch:
Kann der Bundesaußenminister tatsächlich versichern, daß aus dem westlichen Bereich - auch nicht aus Luxemburg - keine reparationsähnlichen Forderungen gestellt wurden, bei denen darauf hingewiesen wurde, daß der uns bisher schützende Friedensvertragsvorbehalt des Londoner Schuldenabkommens durch gewisse Aktivitäten in der Ostpolitik ausgehöhlt wird?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident, die Frage des Kollegen Klepsch bezieht sich im Grunde genommen auf denselben gedanklichen Zusammenhang. Es ist richtig, daß die luxemburgische Regierung von der Bundesregierung seit mehreren Jahren Entschädigung für luxemburgische Staatsangehörige verlangt, die während des zweiten Weltkriegs zur deutschen Wehrmacht zwangsrekrutiert worden waren. Wir haben auch im Hinblick auf diese Forderung immer wieder auf Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens hingewiesen und unter Berufung auf diesen Artikel die Forderungen zurückweisen müssen, auch wenn, was ich durchaus erklären will, die Bundesregierung für die Forderungen im Grundsatz Verständnis hat. Wir sind zu einer solchen Haltung durch das Londoner Schuldenabkommen gezwungen und halten an ihr fest. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß die Schritte der deutschen Ostpolitik irgendwelche Konsequenzen für diese Forderungen, die Intensität und die Art, in der sie erhoben werden, gehabt haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie damit sagen, daß die in der „Welt" und in der „Welt am Sonntag" enthaltenen Aussagen nicht zutreffen?
Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.
Ich komme damit zur Frage 128 des Abgeordneten Hauff. - Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 129 ist zurückgezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, zuerst zur Frage 106 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) :
Kann die Bundesregierung - über ihre Aussagen vom 3. Juni 1970 hinaus - konkrete Angaben über die mittlerweile bekanntgewordenen, geheim durchgeführten Maßnahmen der SED machen, deren Ziel es war und ist, durch sogenannte Verwaltungsakte das Vermögen der Zonenflüchtlinge zu konfiszieren?
Herr Staatssekretär Herold.
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Präsident, ich möchte die Frage 106 des Kollegen Marx wie folgt beantworten. Herr Kollege Marx, ich habe in der Fragestunde am 3. Juni an dieser Stelle gesagt, das dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen vorliegende Material sei nicht vollständig und seine Auswertung sei noch nicht abgeschlossen. Das einzige Material, über das wir verfügen, ist eine Aufzeichnung von Herrn Dr. Barm, die vom 22. März 1970 datiert und uns Ende April zugegangen ist. Dieser Bericht, der inzwischen in spektakulärer Weise von einer Fernsehanstalt und von einer Illustrierten aufgegriffen worden ist, ist wenig präzise. Außerdem fällt auf, daß Dr. Barm unmittelbar nach seinem Übertritt in die Bundesrepublik im August 1969 von diesen Maßnahmen nichts berichtet hat. Um so mehr gehört es zur selbstverständlichen Sorgfaltspflicht der Regierung, daß sie versucht, für Material dieser Qualität Bestätigung von anderer Seite zu erhalten. Ferner mußten die Angaben von Dr. Barm daraufhin überprüft werden, wieweit sie tatsächlich Neues gegenüber den bisher bekannten Regelungen in der DDR brachten. Als Ergebnis der Prüfung läßt sich nur folgendes zusammenfassen.
Es gibt keine anderen Angaben als die von Dr. Barm über die angeblich 1969 getroffenen Maßnahmen der DDR. Das, was Dr. Barm über die Geheimmaßnahmen der DDR mitgeteilt hat, könnte den konsequenten Abschluß einer seit Jahren laufenden schleichenden Auszehrung des Flüchtlingsvermögens darstellen. Die von Dr. Barm geschilderten Maßnahmen müssen in folgendem Zusammenhang gesehen werden, auf den ich hier etwas näher eingehen muß, nachdem gegen mich der Vorwurf erhoben worden ist, ich hätte das Parlament nicht vollständig unterrichtet.
Das Vermögen von DDR-Flüchtlingen ist erstmals durch die Verordnung vom 17. Juli 1952 rückwirkend beschlagnahmt und praktisch enteignet worden. Daß es zuvor schon zahlreiche andere Enteignungsmaßnahmen wie Bodenreform, Kriegsverbrecherprozesse usw. gegeben hatte, brauche ich an dieser Stelle nicht besonders hervorzuheben. Die spezielle Beschlagnahmeverordnung von 1952 gegen das Vermögen von „Republikflüchtlingen" ist 1953 wieder aufgehoben worden, ohne daß aber wohl die enteignungsähnlichen Eingriffe rückgängig gemacht wurden. An ihre Stelle trat dann im Zeichen des sogenannten „Neuen Kurses" die Verordnung vom 1. Dezember 1953, die den Flüchtlingen, die die DDR nach dem 20. Juni 1953 verließen, ihr bewegliches Vermögen beließ und für das unbewegliche Vermögen grundsätzlich die freie Wahl eines Treuhänders vorsah.
1958 kam es dann wieder zu einer rigorosen Verschärfung. Die Verordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 führte zur staatlichen Zwangsverwaltung des Flüchtlingsvermögens. Das Flüchtlingseigentum wurde dadurch entscheidend eingeschränkt, daß der Eigentümer keine Verfügungen mehr treffen und keine Erträge aus dem Eigentum mehr ziehen konnte. Die Anweisung Nr. 30/58 vom 22. SeptemParlamentarischer Staatssekretär Herold
ber 1958 traf dazu detaillierte Einzelregelungen wie die Sicherstellung des Vermögens, die Anlegung von Vermögensverzeichnissen, die Bewertung nach Einheitswerten. Sie ordnete an, daß Hausrat und Kraftfahrzeuge der Flüchtlinge freihändig zu veräußern sind und daß Bank- und Sparkonten aufgelöst werden müssen. Diese Erlöse sind an den Rat des Kreises abzuführen. Der Treuhänder darf keinen Schriftwechsel mit dem Eigentümer führen. Dem Eigentümer sollen auch keine Auskünfte über sein Vermögen gegeben werden.
Das Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz, das hier 1965 verabschiedet worden ist, sieht unter dieser Zwangsverwaltung stehende Vermögen daher bereits als weggenommen an. Ihre Entschädigung im Rahmen der 23. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz ist im Augenblick in Vorbereitung, wie Ihnen bekannt ist. Alle diese in der Öffentlichkeit bekannten Regelungen, die wohlgemerkt aus dem Jahre 1958 stammen und in einer Veröffentlichung des Gesamtdeutschen Ministeriums aus dem Jahre 1962 abgedruckt sind, werden von Dr. Barm und auch von den anderen Publikationen nicht erwähnt. Das ist insofern besonders bemerkenswert, als die von Dr. Barm geschilderten Maßnahmen demgegenüber keine grundsätzliche Änderung der bisherigen Rechtslage bedeuten. Es scheint jedoch so zu sein, daß die DDR- Behörden mit ihrer Geheimaktion darangegangen sind, die bis dahin nur unzulänglich und unvollständig gehandhabte Zwangsverwaltung des Flüchtlingsvermögens konsequent und verschärft durchzuführen. Wenn die Angaben von Dr. Barm zutreffen, würden die Neubewertung der Vermögen unter den Einheitswerten und die geschilderte Berechnung überhöhter Verwaltungsgebühren eine Verschärfung der bisherigen Praxis bedeuten, obwohl auch bisher schon in der DDR die Erhebung von ungerechtfertigt hohen Gebühren durchaus die Regel war. Diese Feststellungen ändern natürlich nichts daran, daß auch die neuen Maßnahmen der DDR den Flüchtlingen selbstverständlich weiteres Unrecht zufügen.
Was die Durchführung der DDR-Maßnahmen anbelangt, so gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, ob über die administrative Vorbereitung wie Erfassung und Neuberechnung der Vermögenswerte und der Verbindlichkeiten hinaus das letzte Stadium der seit vielen Jahren verfolgten Liquidationspolitik in irgendeiner Form erreicht ist, nämlich die Veräußerung der Vermögenswerte. Die formelle Möglichkeit dafür hat eine Verordnung vom 11. Dezember 1968, die entgegen den Angaben von Dr. Barm in der DDR veröffentlicht worden ist, geschaffen. Sie legalisiert die schon bis dahin bestehende Praxis, daß der staatliche Treuhänder Vermögenswerte zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung freihändig verkaufen kann.
Dr. Barm hat nun, soweit aus den vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, behauptet, daß die Erfassungsaktion Mitte 1969 abgeschlossen worden sei. Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, daß danach das Eigentum der Flüchtlinge auch tatsächlich in großem Umfang veräußert und damit die eigentliche Liquidation durchgeführt worden ist. Es gibt wie in der Vergangenheit Hinweise auf einzelne Veräußerungen. Bisher sind aber massenweise Verkäufe nicht festzustellen, wobei man davon ausgehen muß,
daß sie auch hier nicht unbemerkt bleiben würden.
Der Sachverhalt - das darf ich noch einmal sagen, Herr Dr. Marx - ist äußerst kompliziert. Ich darf deshalb - ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident; ich mußte diese Frage so ausführlich beantworten; es ist ein umfassender und sehr komplizierter Komplex - zusammenfassend folgendes sagen.
Über eine geheime Erfassungsaktion der DDR in den Jahren 1968/69 liegen uns nur die Angaben von Dr. Barm vor. Eine Bestätigung war noch nicht zu erhalten. Unsere Überprüfungen laufen weiter. Der wesentliche Kern der Angaben von Dr. Barm besteht darin, daß die DDR mit den geschilderten Maßnahmen die bereits seit 1958 bestehenden Regelungen nunmehr konsequent und mit einer Verschärfung durchführt, offenbar mit dem Ziel, zu einer endgültigen Vermögensliquidation zu kommen. Dafür, daß diese Liquidation, d. h. die formelle Veräußerung des Eigentums, schon allgemein durchgeführt oder begonnen worden ist, gibt es noch keine Hinweise.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, indem ich ausdrücklich für die sehr ausführliche und auch historische Darstellung danke, frage ich zunächst: Ist es richtig, daß die „Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters des Vermögens von Eigentümern, die die DDR ungesetzlich verlassen haben" im Gesetzblatt der DDR Nr. 2 des letzten Jahres veröffentlicht worden ist?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich habe die Unterlagen hier. Ich müßte sie ganz kurz einsehen. Wir können sie ohne weiteres nachher gemeinsam überprüfen.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, da Sie sagen, es gebe keine weiteren Anhaltspunkte, möchte ich auch gerne fragen, ob die Verordnungen des Finanzministeriums in Ostberlin 13/68 und 14/68, deren Existenz man kennt, Ihrem Hause im Wortlaut bekannt sind, weil es sich offenbar um Ausführungsanordnungen zu der Verordnung, die Sie in Ihrer Antwort in der letzten Fragestunde erwähnt hatten, handelt.
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Dr. Marx, ich habe Ihnen alle Veröffentlichungen genannt. Wenn Sie über diese Informationen, die ich Ihnen bereits gemacht habe, noch spezielle Einzelheiten wissen wollen, bin ich gerne bereit, das zu überprüfen und zur Verfügung zu stellen. Wenn hier einzelne Gesetzesblätter der DDR oder Ver3380
Parlamentarischer Staatssekretär Herold öffentlichungen oder Richtlinien oder Anordnungen eines Ministeriums angezogen werden, ist es für mich schwierig, Ihnen das auf Anhieb aus der hohlen Hand heraus zu bestätigen oder zu verneinen. Da bin ich, ehrlich gesagt, überfragt.
Verzeihung. Aber der Abgeordnete, der sich diese Dinge besorgen will, ist Alleinunterhalter. Der Staatssekretär verfügt über den ganzen Apparat eines Ministeriums. Insofern wäre ich dankbar, wenn wir die Sache nachher klären könnten, Herr Staatssekretär.
Ich bitte, jetzt keine Erklärungen abzugeben, Herr Abgeordneter Marx.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, liegen Ihnen oder ihrem Hause Erkenntnisse über die Behandlung von Vermögen in der Zone von Personen vor, die die Zone auch nach den Vorstellungen der Zonenmachthaber legal verlassen haben?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Uns liegen selbstverständlich Berichte vor, wie zum Teil Vermögen behandelt wird. Es gibt auch Rentner, die ihr Vermögen in die Bundesrepublik mitnehmen können. Es gibt aber auch Berichte von Personen, die ihr bewegliches Vermögen nicht in die Bundesrepublik mitnehmen dürfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, nachdem diese Frage im Raum steht, verschafft sich die Bundesregierung neben der Feststellung für die Entschädigung der einzelnen eine Übersicht über den Gesamtkomplex, um gegebenenfalls den Gesamtkomplex gegenüber den Forderungen wegen angeblicher Schäden und Leistungen, mit denen die Zonenregierung uns gegenüber aufrechnen will, ins Gewicht bringen zu können?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich werde in meiner nächsten Antwort noch darauf zu sprechen kommen. Ich darf Ihnen, Herr Kollege, aber jetzt folgendes sagen. Selbstverständlich laufen Untersuchungen über das Gesamtvermögen. Ihre Ergebnisse sind aber zum Teil sehr widersprüchlich. Wir haben auch verschiedene Bundesinstitutionen eingeschaltet. Auf Grund des Beweissicherungsgesetzes von 1965, das ich vorhin angezogen habe, kommen z. B. Beträge zustande, die weit unter den Summen liegen, die in der Öffentlichkeit genannt werden. Weil die Ergebnisse dieser Untersuchungen noch nicht vorliegen, hüte ich mich, eine feste Zahl zu nennen. Es wäre für die Bundesregierung unverantwortlich, Beträge in die Diskussion zu werfen, die im Moment noch nicht begründet oder annähernd faßbar sind.
({0})
- Ja, natürlich.
Eine zweite Frage steht Ihnen nicht zu.
Herr Abgeordneter Damm zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß Sie dem Herrn Dr. Barm Unrecht getan haben mit dem Teil Ihrer Antwort vorhin, in dem es hieß, entgegen seinen Äußerungen sei die Verordnung vom 11. Dezember 1968 veröffentlicht worden und nicht geheim, nachdem wir ja wissen, daß Herr Dr. Barm in seinem Interview mit dem ZDF deutlich davon gesprochen hat, daß der Ministerrat in Ostberlin am 11. Dezember 1968 ein ganzes Paket von Rechtsnormen beschlossen hat, so daß anzunehmen ist, daß Teile davon veröffentlicht worden sind, andere Teile nicht? Ich wiederhole: Ist es möglich, daß Sie Herrn Dr. Barm Unrecht getan haben und daß damit der Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen könnte, alles, was er gesagt hat, sei falsch?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Das habe ich nicht gesagt und auch nicht behauptet. Ich habe nur festgestellt, daß diese Verordnung vom 11. Dezember 1968 veröffentlicht worden ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klepsch.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für bedenklich, wenn die Bundesregierung durch Sie den Ausdruck „Republikflüchtiger" in ihren Sprachschatz aufnimmt?
({0})
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich halte es überhaupt nicht für bedenklich. Es ist ein gängiges Wort.
({1})
- Natürlich, so wird es doch gesagt. Um es zu verdeutlichen, habe ich es hier so ausgedrückt, wie es drüben und auch hier bei uns ausgedrückt wird.
({2})
- Mein Gott, man kann das doch in keiner Weise ableugnen.
({3})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, würden Sie uns bitte mitteilen, welche Schlüsse die Regierung gezogen hat aus der „Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters des Vermögens von Eigentümern, die" - wie es in dem Papier vom 11. Dezember 1968 heißt - „die Deutsche Demokratische Republik ungesetzlich verlassen haben" gegenüber „Gläubigern in der Deutschen Demokratischen Republik", wie es wiederum in dem Papier heißt? Ich meine hier die Verordnung, die soeben schon in der Frage des Kollegen Damm eine Rolle spielte.
Herold, ,Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich darf Ihnen konkret sagen, daß die Bundesregierung jederzeit bereit ist, die betroffenen Personen entsprechend der Verpflichtung, die die Bundesregierung gegenüber dem Bürger hat, auch dann in Schutz zu nehmen, wenn es darum geht, sie vor irgendwelchen ungerechten Forderungen der DDR-Machthaber zu schützen. Ich komme darauf noch bei Beantwortung einer anderen Frage zu sprechen.
Ich komme dann zur Frage 107 des Abgeordneten Reddemann:
Weshalb ist es der Bundesregierung bisher nicht gelungen, sich eher die Enteignungsvorgänge in der ,,DDR" ausreichende Kenntnis zu verschaffen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Reddemann, aus der Veröffentlichung wissen Sie, daß es sich bei den von der DDR getroffenen Maßnahmen um geheimgehaltene Anweisungen handelt. Wenn Sie mir einen praktischen Weg nennen können, wie die Bundesregierung schneller und ausführlicher über geheime Beschlüsse der DDR- Regierung informiert werden kann, wäre ich Ihnen persönlich, Herr Reddemann, außerordentlich dankbar.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reddemann.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie, daß ich das nicht als Antwort annehmen kann. Aber muß ich daraus schließen, daß der damalige Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Herbert Wehner, und der heutige Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, nach der Veröffentlichung der jetzt mehrfach zitierten Verordnung über die Rechte und Pflichten der Verwalter nichts unternommen haben, um festzustellen, was hinter dieser Verordnung steckt?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich bin der festen Überzeugung, daß von Herrn Kollegen Wehner und auch von Herrn Minister Franke und dem Hause, das ich hier mit zu vertreten habe, alles getan worden ist, um weitere Informationen auf diesem Gebiet zu bekommen. Es waren im Augenblick keine weiteren zu bekommen. Ich habe das schon mehrmals hier betont.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Reddemann.
Herr Staatssekretär, Sie wissen noch besser als ich, daß in der jüngsten Vergangenheit Gespräche mit Ostberlin stattgefunden haben, die sich zwar teilweise auf andere Gebiete bezogen, sich aber immerhin auch mit Finanzfragen befaßt haben. Darf ich Sie fragen, ob in einem dieser Gespräche diese Verordnung und alles, was damit zusamenhängt, irgendwann besprochen worden ist?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: In jedem Fall sind bei diesen Gelegenheiten, auch bei Finanzgesprächen oder bei Gesprächen über Interzonenhandel, alle diese Probleme mit angesprochen worden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, könnte die Möglichkeit bestehen, daß bei dem Treffen in Erfurt und dem Treffen in Kassel diese Fragen nicht auch angesprochen worden sind?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich habe diese Frage bereits am 3. Juni hier beantwortet. Sie können bei diesen Gipfelgesprächen, wo es um den Austausch von grundsätzlichen Erklärungen geht, nicht schon Detailfragen behandeln. Wir wären sehr froh, wenn es zu diesen Gesprächen käme, wo in Kommissionen diese Dinge mit ausgehandelt werden können. Aber ich verstehe nicht, daß man in irgendeiner Form jetzt schon Dinge ansprechen soll, die ganz einfach vom Klima her noch nicht behandelt werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, nachdem Herr Stoph 100 Milliarden Mark gefordert hat, daß es sich hier um eine Detailfrage in einem solchen Komplex, wie wir ihn soeben erörtern, handelt?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich
Parlamentarischer Staatssekretär Herold
wiederhole meine Antwort vom 3. Juni. Der Bundeskanzler hat diese 100-Milliarden-Forderung strikt zurückgewiesen.
({0})
- Sie wissen genau: Herr Stoph hat die 100 Milliarden in den Raum gestellt, und der Herr Bundeskanzler hat diese Forderung nachdrücklich zurückgewiesen und nicht anerkannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit zuzugeben, daß ein Widerspruch zwischen Ihrer zunächst gegebenen Antwort, daß Sie keinerlei Möglichkeiten hätten, zusätzliche Informationen zu erhalten, und dem besteht, was Sie auf eine andere Frage geantwortet haben: daß selbstverständlich alle diese Fragen in den zitierten Gesprächen, Besprechungen und Verhandlungen angerührt worden seien, und wären Sie bereit, uns Auskunft zu geben, was diese Besprechungen an Informationen in dieser Frage ergeben haben?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Dr. Klepsch, ich sehe erstens keinen Widerspruch.
({0})
- Ich sehe keinen Widerspruch. Es bleibt Ihnen überlassen, ihn zu sehen oder zu konstruieren. Das habe ich nicht in der Hand. Ich sehe jedenfalls keinen Widerspruch. Ich möchte Ihnen nur sagen, daß wir zu jeder Zeit versucht haben, Informationen zu bekommen. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich bedaure es offen, daß man eine Information von Herrn Dr. Barm so in den Mittelpunkt der parlamentarischen Auseinandersetzung stellt.
({1})
Wenn wir, meine sehr geehrten Kollegen, jede Information, die uns, ganz gleich an welcher Stelle der Bundesregierung, über solche Kanäle erreicht, hier in dieser Breite behandeln würden - ich glaube, das könnte man im gegenseitigen Interesse nicht verkraften.
({2})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, wären Sie eventuell bereit und in der Lage, zur Abkürzung der Fragestunde - es sind ja noch andere Fragesteller im Raum - einigen Kollegen von der CDU/ CSU-Fraktion, die jetzt Zusatzfragen gestellt haben, Auszüge aus früheren Protokollen des Bundestages und andere Hinweise schriftlich zuzustellen, wo die gleichen Fragen schon beantwortet sind?
({0})
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich würde das jederzeit gern tun. Ich darf dazu sagen, Herr Kollege Moersch: wir sind ja auch ohne weiteres bereit, dieses Thema auch im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen ganz offen zu erörtern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit anzuerkennen, daß es uns tatsächlich nicht darum geht, irgendwelche Papiere, die wir nicht einmal kennen, eines Herrn Barm, den wir auch nicht kennen, zu verifizieren, sondern daß es uns um den Tatbestand geht, daß Vermögenswerte von dreieinhalb Millionen unserer Landsleute, die aus der DDR hierher geflüchtet sind, konfisziert werden sollen? Dies ist ein Problem, das dieses Haus mit Recht bespricht.
({0})
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Wenn Sie jetzt davon sprechen, Herr Kollege Marx, daß Sie das Papier nicht kennen, dann wundert mich Ihre Veröffentlichung in einem Pressedienst und einer Zeitung, wo sie von einem Papier mit 52 Seiten sprechen. Wenn Sie die Seitenzahl genau angeben, müssen Sie es ja auch kennen.
Meine Damen und Herren, in der Fragestunde ist es nur möglich, Fragen zu stellen und sie zu beantworten. Die Bewertung der Antworten, die Bewertung der Fragen, die Diskussion darüber muß zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen.
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Noch eine Zusatzfrage? - Nein.
Dann komme ich zur Frage 108 des Abgeordneten Reddemann:
Sind die zuletzt in der Illustrierten „Quick" vom 17. Juni 1970 veröffentlichten Einzelheiten über die Geheimaktion der SED nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen zutreffend?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Reddemann, ich habe vorhin bei der Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen Marx ausführlich dargelegt, daß außer dem Bericht von Dr. Barm, auf dem die „Quick"-Veröffentlichung beruht, keine zusätzlichen Informationen vorliegen und daß der Bericht selber die für die Beurteilung dieser Maßnahme wesentliche Vorgeschichte vernachlässigt. Deswegen meine umfassende Antwort auf die erste Frage von Kollegen Marx.
Parlamentarischer Staatssekretär Herold
In der Veröffentlichung der „Quick" wird der falsche Eindruck erweckt, als wenn es sich hier um völlig neue Maßnahmen zur Erfassung und Verwertung des Flüchtlingsvermögens handle, während in Wahrheit gesetzliche Grundlagen dafür schon länger als ein Jahrzehnt vorliegen. Die unrichtigen Behauptungen in der „Quick" zur Frage der Präsentierung von Forderungen und deren Durchsetzbarkeit nach einer völkerrechtlichen Anerkennung müssen von der Zeitschrift selbst verantwortet werden. Auf den Sachverhalt werde ich aber in der nächsten Frage - des Kollegen Damm - noch näher eingehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich, daß in einer Reihe weiterer Zeitschriften - ich darf hier einmal den „Volkswirt" erwähnen - sogar sehr konkrete Zahlen über das beschlagnahmte Flüchtlingsvermögen veröffentlicht worden sind?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Man kann niemanden daran hindern, daß er seine Informationen wertet und sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Ich möchte Ihnen nur sagen, Herr Kollege Reddemann, wenn ich überblicke, was in den letzten acht Tagen an Zahlen genannt worden ist, hielte ich es für unverantwortlich, nur eine Zahl zu erwähnen. Sie schwanken von 3 Milliarden bis 180 oder 200 Milliarden, und Sie können von einer Bundesregierung nicht verlangen, daß sie hei diesen Differenzen in irgendeiner Form leichtfertig Zahlen nennt.
Ich darf Ihnen sagen, daß wir auf Grund dieser Entwicklung schon seit Anfang Juni z. B. mit den verantwortlichen Herren des Bundesausgleichsamts in Verbindung stehen, um einmal eine Sichtung der Anträge vorzunehmen, die bis jetzt gestellt sind. Ich darf Ihnen nur sagen, Herr Kollege Reddemann, man hat nach dem Beweissicherungsgesetz etwa 800 000 bis 1 Million Anträge erwartet, und bis jetzt sind 270 000 eingegangen. Allein daran mögen Sie schon erkennen, wie schwierig es wird. Wir wissen auch, daß eine erhebliche Differenz in der Diskussion über diese Zahlen auch dadurch entstanden ist, daß ein Teil z. B. Berechnungen anstellt auf der Grundlage der Einheitsbewertungen von 1936, der andere Teil auf der Grundlage des jetzigen Verkehrswertes. Auch das muß berücksichtigt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, würden Sie noch einmal sehr deutlich sagen, daß es bei den Erhebungen des Beweissicherungsgesetzes keineswegs um Verkehrswerte nach dem Entschädigungsprinzip geht, daß das also ganz klar auseinandergehalten werden muß, was hier nach den Einheitswerten, nicht im Sinne des Grundgesetzes nach dem Entschädigungsprinzip, bewertet wird?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Dr. Czaja, das habe ich eben ganz klar gesagt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, haben die Institutionen, Einrichtungen und Forschungsstätten, die Sie unterhalten oder fördern oder mit denen Sie zusammenarbeiten, die die Entwicklung im anderen Teil Deutschlands fortgesetzt verfolgen, diesen Fragenkomplex, über den wir heute sprechen, in ihre Arbeit einbezogen, oder liegen Ihnen aus solchen laufenden Untersuchungen keine Feststellungen zu diesem Fragenkomplex vor?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Das können Sie unterstellen, Herr Kollege Dr. Klepsch.
({0}) Daß sie einbezogen sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, die Zeitschrift habe das selber zu verantworten, was sie da geschrieben hat, und Sie selber könnten es weder bestätigen noch darlegen, daß es nicht stimme, aber das alles sei nicht neu, möchte ich Sie fragen: müssen Sie nicht auch mit der Möglichkeit rechnen, daß die Darstellung in dieser Illustrierten eben tatsächlich zutrifft und daß infolgedessen die hier befürchteten Folgen für die Geflüchteten aus Mitteldeutschland eintreten können und entsprechende Vorkehrungen zum Schutze dieser Menschen zu treffen sind?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Damm, ich habe am 3. Juni hier ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß es zu unterstellen ist, daß solche Dinge von der Regierung der DDR weiterverfolgt und durchgeführt werden können.
Wenn Sie danach fragen, wie wir uns den Schutz dieser Menschen vorstellen, dann sage ich Ihnen nur: Grundlage Beweissicherungsgesetz, Grundlage 23. Novelle des Lastenausgleichsgesetzes, die uns dann verpflichtet, die Entschädigung dieser Menschen vorzunehmen, wenn das eintreten sollte, was hier jetzt diskutiert wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, besteht nicht doch eine erhebliche Schwie3384
rigkeit, sich auf diese Grundlagen zu stützen, weil ja die Frage der Anerkenntnis von der Beweismöglichkeit abhängig ist, die die einzelnen mitbringen? Sie wissen, daß ihnen die Mitnahme von Beweismöglichkeiten außerordentlich schwer gemacht wird. Müßte man hier nicht doch zwischen dem, was dann von hier aus in Vertretung der Rechte dieser Menschen gegenüber den Machthabern in der Zone getan wird, und der Entschädigung an die Einzelpersönlichkeit differenzieren? Sonst käme man, glaube ich, in eine falsche Situation.
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Natürlich ist das schwierig. Aber wir haben doch auch für unsere Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland, aus Otspreußen und auch aus Polen, die mit denselben Schwierigkeiten zu rechnen hatten, Lösungen gefunden. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, diese Dinge einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Renger.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß diese ausführliche Debatte, die jetzt hier geführt wird, an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang geführt werden muß, nicht aber in der Fragestunde, weil der Komplex viel zu umfangreich ist, als daß er hier im Frage- und Antwortspiel abgehandelt werden könnte?
({0})
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Frau Kollegin Renger, mir ist es untersagt, eine Beurteilung vorzunehmen. Ich bin hier für mein Haus gefordert und stehe zur Verfügung.
Ich rufe dann die Frage 109 des Abgeordneten Damm auf:
Stimmt die Bundesregierung der Darstellung von Richard Löwenthal im ZDF-Magazin vom 3. Juni 1970 zu, wonach als Folge einer völkerrechtlichen Anerkennung der „DDR" die dortigen Behörden nach erfolgter Enteignung der Geflüchteten diesen eine Fülle von Schuldforderungen präsentieren würden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gezwungen wären, Amtshilfe zu leisten?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Sehr geehrter Herr Präsident, meine Herren Kollegen! Die Frage gibt mir Gelegenheit, einige Dinge klarzustellen, die geeignet sind, Ansatzpunkte für die Beunruhigung von DDR-Flüchtlingen zu sein.
Theoretisch ist nicht auszuschließen, daß die DDR nach der abschließenden Liquidation der Flüchtlingsvermögen unter gewissen Umständen auch Ansprüche gegen in der Bundesrepublik lebende Flüchtlinge geltend machen wird. Eine weitere Frage ist, wie häufig solche Forderungen sein werden.
Dazu hat Herr Dr. Barm im ZDF-Magazin vom 3. Juni 1970 auf eine gezielte Frage mitgeteilt, daß praktisch alle Zonenflüchtlinge zu DDR-Schuldnern geworden sind. Damit widerspricht Barm seiner eigenen Aufzeichnung vom 25. März 1970, in der er schrieb, daß eine Reihe von Flüchtlingen mit dem Kuriosum rechnen müßten, daß ihnen der DDR-Staat eines Tages eine Rechnung präsentiert.
Das letztere erscheint in der Tat denkbar. Das erstere erscheint mir äußerst zweifelhaft. Die Diskrepanz zwischen beiden Aussagen innerhalb von wenigen Wochen unterstreicht die besondere Sorgfaltspflicht unseres Hauses bei der Überprüfung dieses Sachverhalts.
Diese angeblichen Forderungen der DDR haben in der öffentlichen Diskussion dadurch besondere Bedeutung gewonnen, daß behauptet worden ist, eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR würde logisch die Forderungen gegenüber Flüchtlingen durchsetzbar machen. Abgesehen davon, daß eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht zur Diskussion steht, wie gestern auch der Bundeskanzler wieder gesagt hat, ist diese Behauptung auch unter dem fälschlich vorgegebenen Aspekt unrichtig und juristisch nicht haltbar. Eine völkerrechtliche Anerkennung würde die DDR zum Ausland machen und allein dadurch die Durchsetzung von Ansprüchen gegen DDR-Flüchtlinge in der Bundesrepublik eher erschweren als erleichtern. Soweit es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche, z. B. Steuerforderungen oder Gebühren, handelt, wären diese überhaupt nicht vollstreckbar. Nach internationalem Recht können solche Ansprüche nur innerhalb des eigenen Territoriums verwirklicht werden. Zivilrechtliche Titel der DDR würden nach einer völkerrechtlichen Anerkennung den Erlaß eines Vollstreckungsurteils durch ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland erfordern; ein solches Vollsteckungsurteil ergeht nicht, wenn das ausländische Urteil den allgemeinen Grundsätzen des ordre public, d. h. den guten Sitten, widerspricht. Gegenüber etwaigen Klagen vor westdeutschen Gerichten hätte der beklagte Flüchtling nach wie vor die Möglichkeit, die Unrechtmäßigkeit von DDR-Maßnahmen geltend zu machen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, die Anerkennung eines Staates bedeute, daß man damit auch alle Maßnahmen dieses Staates als rechtmäßig anerkennt.
Ich möchte an dieser Stelle allen betroffenen Bundesbürgern versichern, daß diese Bundesregierung niemals irgendwelche Regelungen treffen wird, die die Durchsetzung solcher Forderungen in der Bundesepublik erlauben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie hier eingeräumt haben, daß unter gewissen Umständen die im ZDF-Magazin dargestellten Dinge zutreffen können, wobei Sie sich lediglich vorbehalten haben, daß es sich nicht um alle betroffenen Flüchtlinge handeln könnte, und da wir beide keine
Juristen sind, Herr Staatssekretär, möchte ich eine nicht juristische Frage stellen: Ist es denn möglich, daß ein Widerspruch zwischen der von der Bundesregierung erklärten Absicht, mit der Regierung in Mitteldeutschland zu einem Verhältnis zu kommen, das nicht diskriminierend sei, und der von Ihnen zum Ausdruck gebrachten Absicht bestehen könnte, auf keinen Fall Regelungen einzugehen, die die Bundesregierung zwingen könnten, Rechtshilfe bei der Eintreibung der dort drüben erfundenen Schulden auf unserem Gebiet zu leisten?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Damm, ich habe das ausdrücklich hier erklärt, daß dazu die Bundesregierung nicht bereit ist.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, in der Zeitung „Welt der Arbeit" von vorgestern, wenn ich mich nicht täusche, wird gesagt, man könne die Beitreibung der Schulden nur dann hier unterstützen und sei dazu gezwungen, wenn ein Rechtshilfeabkommen mit dem anderen Staat geschlossen sei. Teilen Sie diese Auffassung, und, wenn ja, wollen Sie mit Ihrer eben gegebenen Antwort ausschließen, daß die Bundesregierung bereit sei, bei einer doch auch von der Bundesregierung angestrebten Verbesserung der Beziehungen zu Ostberlin gegebenenfalls ein Rechtshilfeabkommen mit der anderen Seite zu schließen?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Bei diesem Rechtshilfeabkommen, wenn es in irgendeiner Form einmal zustande käme - man kann das nicht ausschließen; es gibt ganz wichtige Komplexe, wo wir ein Rechtshilfeabkommen im eigenen Interesse für gut und richtig halten würden , bleibt die Bundesregierung gegenüber diesen Menschen aber immer im Wort. Legen Sie bitte so auch das Beweissicherungsgesetz aus, das ich hier in der ersten Antwort bereits angesprochen habe, daß wir auch dort unterstellen, daß dieses beschlagnahmte oder enteignete Vermögen für den Bürger, der von drüben in die Bundesrepublik gegangen ist, praktisch nicht mehr existent ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx
Herr Staatssekretär, da, wie wir aus der Literatur wissen, dieses Problem sehr kompliziert und auch in den juristischen Konsequenzen sehr umstritten ist, frage ich, um diesen Teil der Diskussion abzukürzen, ob Sie oder Ihr Haus in der Lage wären, in der Form eines Rechtsgutachtens diese Frage erarbeiten zu lassen und dann dem zuständigen Ausschuß darüber eigens Vortrag zu halten.
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich werde Ihren Vorschlag aufnehmen. Wir werden das prüfen; ich komme auf Sie zurück.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Brand.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß wir hier nicht in einer Diskussion, sondern in einer Fragestunde sind und daß der Herr Präsident dem Sinn der Fragestunde nicht gerecht wird, wenn er durch unbegrenzte Zulassung von. Zusatzfragen - -({0})
- Beruhigen Sie sich, meine Herren! Beruhigen Sie sich! Sie müssen immer erst zuhören!
Herr Abgeordneter Brand, ich entziehe Ihnen das Wort!
({0})
Es steht Ihnen nicht zu, den Präsidenten zu kritisieren.
({1})
Außerdem hat der Präsident nach der Geschäftsordnung keine Möglichkeiten, Zusatzfragen auf ihren Inhalt zu prüfen.
({2})
- Herr Abgeordneter Brand, ich rufe Sie zur Ordnung!
({3})
Die nächste Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
({4})
- Ich bitte um Ruhe!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß Ihre einleitende Antwort auf die Frage des Kollegen Damm geeignet ist, die Zweifel an der Politik der Bundesregierung zu vertiefen, wenn Sie einerseits z. B. an die gestrige Antwort des Bundeskanzlers erinnert haben, wonach eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht in Frage kommt, Sie aber dann in Ihrer Antwort die Möglichkeiten erörtern, was nach einer völkerrechtlichen Anerkennung im einzelnen erfolgen könnte? Müssen nicht, wenn der Bundeskanzler dies ausschließt und Sie erörtern, wie es sein würde, die Zweifel, die tatsächlich unser Volk durchziehen, vertieft werden?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Schulze-Vorberg, ich bin etwas überrascht. In der letzten Fragestunde hat man nach außen die
Parlamentarischer Staatssekretär Herold
Auffassung vertreten, daß man schlecht informiert sei oder manches nicht sagen wolle. Heute gibt mein Haus durch mich die Gelegenheit einer umfassenden Information über einige in den Raum gestellte Behauptungen, die bis zur Stunde nicht bewiesen sind. Und dann wird hier der Vorwurf ausgesprochen, es liege ein Widerspruch vor. Ich kann das nicht akzeptieren.
({0})
Ich komme damit zur Frage 110 des Abgeordneten Damm:
Warum ist in dem Bericht über ,,Die Lage der Nation im gespaltenen Deutschland" kein Wort über die Konfiszierung des Flüchtlingsvermögens mitgeteilt worden, obwohl die Darstellung dieses Vorganges die wahre Lage im gespaltenen Deutschland besonders eindringlich gekennzeichnet hätte?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Damm, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat die Bundesregierung erst Ende April 1970 einen schriftlichen Bericht, der mit dem 25. März datiert ist, erhalten. Es war daher objektiv nicht möglich, die Maßnahmen bereits im Bericht über die Lage der Nation zu erwähnen, ganz abgesehen von der Notwendigkeit der Überprüfung und der sich daraus ergebenden Bewertung des Berichts von Dr. Barm.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Staatssekretär, wie paßt Ihre Antwort, daß die Regierung erst im April dieses Jahres unterrichtet worden sei, mit Ihren Antworten zusammen, die Sie hier heute mehrfach gegeben haben, daß es sich um überhaupt nichts Neues handle, daß dies ein Vorgang sei, der schon aus dem Anfang der fünfziger Jahre stamme, und daß man längst über diese Dinge im Bilde sei?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Wir sind nach dem Bericht des Herrn Dr. Barm gefragt worden.
({0})
Das, was ich hier - chronologisch aufgezählt - in der Antwort auf die Frage von Herrn Marx gesagt habe, trifft die gesamte Entwicklung hinsichtlich der Enteignung des Vermögens ab 1945.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.
Als zweite Zusatzfrage wiederhole ich die hier schriftlich abgedruckte Frage, um zum Ausdruck zu bringen, daß die eben gegebene Antwort des Staatssekretärs nicht zutrifft. Ich hatte nämlich gefragt:
Warum ist in dem Bericht über „Die Lage der
Nation im gespaltenen Deutschland" kein Wort
über die Konfiszierung des Flüchtlingsvermögens mitgeteilt worden, obwohl die Darstellung dieses Vorganges die wahre Lage im gespaltenen Deutschland besonders eindringlich gekennzeichnet hätte?
Da steht kein Wort, Herr Staatssekretär, von Herrn Dr. Barm.
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Ich habe die Frage beantwortet, Herr Kollege Damm. Uns ist diese Ausarbeitung im April dieses Jahres vorgelegt worden. Wir haben im Jahre 1969 von verschiedenen Stellen Informationen bekommen, die - wie es ebenso mit dem Bericht des Herrn Dr. Barm der Fall ist - in keiner Weise konkret waren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, nachdem dieser Sachverhalt heute eine recht ausführliche Erörterung erfahren hat, möchte ich Sie fragen, ob das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen bereit ist, diesen Komplex in der Öffentlichkeit ausführlich in der Weise darzustellen, daß Sie einmal die Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausnutzen, Anzeigen in den einschlägigen Tageszeitungen zu veröffentlichen, daß Sie zweitens den von diesem Hause um 500 000 DM erhöhten Ansatz für Publikationen dahin gehend ausnutzen, eine entsprechende allgemeinverständliche Publikation hauptsächlich für den betroffenen Personenkreis herauszugeben, daß Sie drittens eine Aufklärungsaktion in der zuständigen Fachpresse also beim Sowjetzonenflüchtlingsverband etc. - vornehmen, und daß viertens der erhebliche Etat des Bundespresseamtes mit dafür verwendet wird, eine Aufklärungsaktion in dem Sinne zu starten, daß jeder Bürger weiß, wie der Raubzug Ulbrichts in Zukunft aussehen soll?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Wie es in Zukunft aussehen soll, können Sie, Herr Wohlrabe, und auch unser Haus heute nicht beurteilen. Sie wissen, daß diese eine Information von einem Informanten ein derartiges Vorgehen nicht legitimiert. Ich würde sagen, die Bundesregierung würde dann sogar fahrlässig handeln. Es ist unmöglich, auf Grund einer Information - ganz gleich, wie die Quellen nun von Ihnen oder von uns zu bewerten sind -- eine Aufklärungsaktion in Gang zu bringen.
Ich muß Ihnen übrigens sagen, Herr Kollege Wohlrabe, wenn Sie sich die Antworten in den Fragestunden und die Publikationen der letzten zehn Tage in Erinnerung rufen: Mehr als das, was Sie durch Ihre Fragestellung an mein Haus hier in Gang gebracht haben, kann diese Bundesregierung nicht tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß die hier soeben gestellten Fragen und Darstellungen insofern keinen besonderen Neuigkeitswert haben, als schon mit den ersten Diskussionen über ein Beweissicherungsgesetz, an dem ja federführend auch Minister, die der CDU angehören, beteiligt waren, diese Fragen, vor allem nach dem Bau der Mauer, sehr intensiv behandelt worden sind und daß es den Kollegen von der CDU eigentlich leicht sein müßte, den hier anwesenden früheren Minister danach zu fragen?
({0})
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Das ist ohne weiteres richtig. Ich habe das ja auch in der Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Marx am Eingang der Diskussion hier ganz offen erklärt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wie verträgt sich die Antwort, die Sie auf die Frage des Kollegen Damm, die dann erneut als Zusatzfrage vorgetragen wurde, gegeben haben, damit, daß die Verordnungen, von denen Sie sprechen, ja bereits im Jahre 1969 veröffentlicht worden sind?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Dr. Klepsch, es mag an der Akustik hier liegen: ich verstehe Ihre Frage wirklich nicht.
({0})
Denn wir haben eindeutig zu diesen Dingen Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften ({0})
- Drucksache VI/75
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache VI/959 -Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf ({2})
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({3})
Drucksachen VI/917, zu VI/917 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Häfele ({4})
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Häfele, für seinen Schriftlichen Bericht. Wird eine Ergänzung gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur zweiten Beratung. Ich rufe Art. 1, - 2, - 3,-4, - 5, - 6 - sowie Einleitung
und Überschrift auf. - Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung bitte ich, die zweite und dritte Lesung des Steueränderungsgesetzes 1970 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
({0})
Zur Begründung darf ich folgendes erklären. In Ziffer 23 des Nachtrags zum Jahreswirtschaftsbericht 1970 hat die Bundesregierung angekündigt, sie werde nicht zögern - ich zitiere wörtlich -,
ihre Stabilisierungspolitik zu verschärfen, wenn sich der Preisauftrieb erneut beschleunigen sollte oder die Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank wegen der Entwicklung auf den internationalen Geld- und Kapitalmärkten entlastet werden müßte.
Soweit das Zitat.
Meine Damen und Herren! Die Preisentwicklung hat sich zwar in den letzten Wochen deutlich verlangsamt, es gibt aber auch Hinweise dafür, daß die Stabilisierung der Preise noch nicht endgültig gesichert ist. So zeigt z. B. der soeben veröffentlichte Ifo-Test für Mai 1970 bei den Preisen erstmals wieder einen Anstieg.
({1})
Auch der Auftrieb bei den Kosten hält noch immer an.
Die Deutsche Bundesbank hat nach der gestrigen Sitzung des Zentralbankrates für den 1. Juli 1970 eine Erhöhung des Mindestreservesatzes um zwischen 10 und 20 % angekündigt.
({2})
Damit will sie der Gefahr entgegenwirken, daß ihre restriktive Kreditpolitik durch die starken Devisenzuflüsse unterlaufen wird. Das genaue Ausmaß der angekündigten Mindestreservenerhöhung hat der Zentralbankrat abhängig gemacht von der dann am 1. Juli gegebenen Situation und von den Maßnahmen oder entsprechenden Absichtserklärungen der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren! Die bis jetzt vorliegenden neuen Konjunkturdaten zeigen noch kein einheitliches Bild. Die konjunkturelle Dynamik hat zwar nicht mehr die gleiche Stärke wie vor einigen Monaten, die Gefahren für die weitere Preis- und Kostenentwicklung sind jedoch noch nicht gebannt. Soviel ist aber jetzt schon sicher: Jeder prozyklische
Akzent muß in der gegenwärtigen Lage vermieden werden.
({3})
Deshalb hielt die Bundesregierung die Absetzung des Steueränderungsgesetzes von der heutigen Tagesordnung für notwendig. Für die weitere Konjunkturpolitik bleibt damit ohne Präjudiz der Weg für die Zukunft und in die Zukunft hinein offen. Jede Präjudizierung wird vermieden.
Diese Entscheidung bedeutet: die Aktivierung von rund 1,5 Milliarden DM Kaufkraft findet vorerst nicht statt.
({4})
Bei einem heutigen Beschluß des Steueränderungsgesetzes bestünde dagegen die Möglichkeit, daß die Aussicht auf Steuersenkungen schon jetzt bei den Kaufentscheidungen antizipiert würde.
Um hier jedoch, gerade meine Damen und Herren von der Opposition, nicht mißverstanden zu werden: aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages und die Korrektur bei der Ergänzungsabgabe sind notwendig. Sie sind ein Gebot der Gerechtigkeit, und sie werden deshalb kommen, sobald es konjunkturpolitisch vertretbar ist.
({5})
Jetzt geht es nur darum, eine prozyklische Einkommens- und Nachfrageentwicklung zu vermeiden. Wir können jetzt, falls der Bundestag so beschließt, in Ruhe erneut die Lage prüfen.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kollege Dr. Barzel, hat gestern im Deutschen Bundestag folgendes erklärt - was ich sinngemäß wiedergebe -. Falls die Regierungskoalition das anstehende Steueränderungsgesetz 1970 mit seinen Steuersenkungen in Kraft setzen würde, sehe die CDU/CSU-Fraktion sich nicht mehr in der Lage, ihre Offerte der Mitwirkung bei konjunkturpolitischen Maßnahmen aufrechtzuerhalten.
({6})
Wenn der Bundestag heute nun der Bitte auf Absetzung des Steueränderungsgesetzes 1970 folgt, wird also auch der Opposition wieder Raum gegeben.
({7})
Die Opposition kann ihre mehrfach bekundete Bereitschaft zur Unterstützung neuer konjunkturpolitischer Anstrengungen unter Beweis stellen.
({8}) Möge sie so verfahren.
({9})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich bemerken, daß dieser Punkt nicht mehr abgesetzt, sondern nur noch vertagt werden kann, weil wir bereits mitten in der Beratung stehen, und daß ferner der Antrag auf Vertagung nicht von der Bundesregierung, sondern nur aus der Mitte des Hauses gestellt werden kann.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich soeben die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers vernahm, fiel mir ein Vers ein, den ich vielleicht beinahe richtig zutieren kann, und der müßte heißen: Ob dieser Antwort des Kandidaten Jobses gab's ein allgemeines Schütteln des Kopses.
({0})
Aber entsprechend der geschäftsordnungsmäßigen Belehrung durch den Herrn Präsidenten darf ich mitteilen, daß sich die Opposition hier in den Dienst der Regierungspolitik von heute morgen stellt und ihrerseits den Antrag stellt, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen.
({1})
Wir wollen damit das für heute abend angeblich angesetzte Koalitionsgespräch erleichtern.
({2})
Zum zweiten ist mir offensichtlich aus irgendwelchen Gründen entgangen, daß innerhalb der Bundesregierung eine erhebliche Kompetenzveränderung stattgefunden hat. Es scheint, daß nunmehr der Herr Bundeswirtschaftsminister für Steuerfragen zuständig ist.
({3})
Die Fraktion der CDU/CSU hat die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers und diesen Antrag mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Sie verweist allerdings darauf, daß in der Sitzung des Finanzausschusses am 5. und 6. Juni Herr Kollege Pohle im Namen der Fraktion der CDU/CSU aus genau denselben Gründen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier genannt hat - und noch einigen mehr, es gibt noch einige dazu; aber ich habe volles Verständnis dafür, daß er seinen Auftritt heute so kurz wie möglich gestalten wollte -,
({4})
die Absetzung von der Tagesordnung und die Fortsetzung der Beratung nach den Parlamentsferien im Oktober beantragt hat.
({5})
Hier darf ich humorvoll fragen: Welche Erleuchtungen sind denn in der Zwischenzeit auf diese Bundesregierung niedergegangen?
({6})
Herr Kollege Schiller hat bei unserer humorvollen
Aussprache über die Regierungserklärung damals
nach dem Wahlkampf ein Gedicht von Ludwig Thoma zitiert. Ich habe kein solches Gedicht parat. Ich kenne nur die Geschichte Ludwig Thomas von dem Dienstmann, der nicht gern im Himmel sein wollte; er kam nämlich von München. Dieser Dienstmann hatte Ambrosia und Nektar und das HallelujaSingen gar nicht gern, weshalb er einen Sonderauftrag des lieben Gottes bekam, nämlich der bayerischen Staatsregierung unmittelbar göttliche Enthüllungen zu übermitteln. Leider scheint er einen neuen Auftrag bekommen zu haben, jedoch in den gleichen Fehler zurückgefallen zu sein. Er sollte diese Enthüllungen der Bundesregierung mitbringen. Aber in der Geschichte von Ludwig Thoma hat er zu lange Zeit im Hofbräuhaus verbracht, weshalb die Bundesregierung nicht rechtzeitig die göttliche Erleuchtung bekam.
({7})
So Ludwig Thoma, Herr Kollege Schiller.
Ich darf diese Geschichte, die nur an das anknüpft, was seinerzeit Herr Kollege Schiller nach dem Bundestagswahlkampf sagte, jetzt in bezug auf dieses Thema mit wenigen Worten erwähnen. Aber es handelt sich weder um eine göttliche Erleuchtung noch um neue Daten, es handelt sich schlechthin darum, daß man nicht den Mut hatte, vor den Wahlen in den drei Ländern dieses Gesetz zurückzunehmen.
({8})
Man hat, wie wir alle erlebt haben, in dieser Wahlauseinandersetzung noch bis zum Wahltag die Fiktion aufrechterhalten,
({9})
daß die steuerlichen Erleichterungen kämen, und hat damit Wählerstimmen gewonnen.
({10})
- Gestern noch hat der Fraktionsvorsitzende der SPD den gleichen Standpunkt eingenommen. Anscheinend ist diese Erleuchtung Ihnen nicht rechtzeitig mitgeteilt worden, Herr Kollege Wehner. Aber das ist eine mehr betriebsinterne Angelegenheit, die ich nicht zu vertreten habe.
({11})
Trotzdem muß ich die Frage stellen: Wie wird denn die Koalition mit dieser Kehrtwendung fertig?
({12})
Ich muß auch die Frage an den Herrn Bundesminister der Finanzen steilen, ob er auch heute noch den Mut hat, hier zu behaupten, daß von unserer Seite der Bundesbankpräsident, der Ihnen sicherlich nicht ganz fernsteht, von uns nicht in Anspruch genommen werden kann, weil er falsch zitiert worden sei.
({13})
Denn dasselbe, was Herr Klasen in dem nach gestriger Darstellung angeblich unrichtig wiedergegebenen Interview behauptet hat, steht doch in wesentlich schärferen Formulierungen in dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, der bereits gestern, Herr Kollege Möller, auch Ihnen vorgelegen hat; die Presse hat ihn doch schon seit einigen Tagen.
({14})
Mir scheint, daß hier eine neue Koalition in der Bildung ist. Die Koalition heißt Schiller/Klasen - die Kombination ist uns nicht neu - kontra Möller/Brandt/Koalition. Anders ist es kaum aufzufassen, wenn Worte überhaupt noch einen Sinn haben, wenn das hier kein Theater sein soll. Wenn man das heute so hört und gestern so gehört hat - einschließlich der Worte von Herrn Wehner -, dann fragt man sich, was in dieser Politik eigentlich noch an Sinn, an Logik, an Konsequenz, an Ratio, an Überlegung, an Vernunft steckt.
({15})
Es scheint dasselbe Gesetz in der Außen- wie in
der Innenpolitik zu herrschen, nämlich dem Sinnlosen eine optische Sinngebung verleihen zu wollen.
({16})
Ich darf die Chronologie dieses Gesetzentwurfs mit vier, fünf Stichworten erwähnen. Nach der Regierungserklärung und dem eingebrachten Regierungsentwurf war das Inkrafttreten ursprünglich zum 1. Januar 1970 vorgesehen und für den Rest zum 1. Januar 1971. Noch nicht zwei Monate nach Eingang des Entwurfs, nämlich Mitte Januar 1970, beschloß die Regierung eine Verschiebung: 1. Juli 1970 statt 1. Januar 1970 und für den Rest ein Jahr später, 1. Januar 1972. Dann kam der Brief vom 13. Mai an den Vorsitzenden des Finanzausschusses: formelles Inkrafttreten wie bisher, hieß es, aber Verfügungsmöglichkeit erst im Dezember; also formell der gleiche Termin, aber Verfügungsmöglichkeiten über zusätzliche Kaufkraft erst im Dezember. Dann kam der Beschluß des Kabinetts am 21. Mai, ein entsprechendes Schreiben des Finanzministers am 22. Mai: neuer Termin ein Monat später, Januar 1971, nicht Dezember 1970.
Die Begleiterläuterungen waren geradezu verwirrend. Herr Kollege Möller hat vor dem Bundestag am 26. November erklärt:
Die Bundesregierung hat auch die konjunkturellen Auswirkungen dieser Steuersenkung sorgfältig geprüft. Dabei hat sich ergeben, daß die Steuersenkung wirtschaftspolitisch unbedenklich ist, ... Eine langsam anlaufende Nachfragebelebung würde gut zu der erwarteten konjunkturpolitischen Entwicklung passen.
Das ist doch der Offenbarungseid für eine klassische Fehlprognose.
({17})
Oder es ist der Versuch, das tatsächliche Wissen über die Konjunkturentwicklung durch falsche Rechtfertigungen für ein leichtfertiges Wahlversprechen hier zu bemänteln.
({18})
Im Dezember 1969 hat Bundesminister Möller laut „Süddeutscher Zeitung" erklärt, daß nun der Bundestag entscheiden müsse, ob diese steuerlichen Maßnahmen konjunkturpolitisch vertretbar seien. Ein seltsames Armutszeugnis! Die Konjunkturpolitik muß, jedenfalls in der Führung, von der Bundesregierung gemacht werden. Wenn die Bundesregierung ein konjunkturpolitisch schädliches Gesetz einbringt, dann kann sie nicht hernach erklären: Jetzt soll der Bundestag entscheiden, oh die Bundesregierung recht gehabt hat oder nicht. Das entspricht doch nicht dem sonst so laut und kraftvoll vertretenen Führungsanspruch.
({19})
Nach der Verschiebung des Inkrafttretens Mitte Januar hat Herr Kollege Möller im Widerspruch dazu am 19. Januar 1970 im „Spiegel" und inhaltlich gleichlautend am 17. Februar 1970 vor dem Hohen Hause erklärt: Wir haben damals bei dieser Vereinbarung über die Steuersenkung keine konjunkturpolitischen Erwägungen im Auge gehabt. Da muß ich einmal fragen: Was ist denn Steuerpolitik auf diesem Gebiete anders als ein Stück Konjunkturpolitik? Es geht doch hier weder um Verbesserung noch um Verminderung der Einnahmen der öffentlichen Hand, es geht doch hier einerseits um ein Gebot der steuerlichen Gerechtigkeit, wie man sagt, aber andererseits um die überragenden Postulate der Konjunkturpolitik. Und Sie, Herr Kollege Schiller, haben vorhin erklärt, diese Maßnahme sei ein Gebot der steuerlichen Gerechtigkeit; aufgeschoben sei nicht aufgehoben.
Ich argumentiere gar nicht über die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages. Das wird dann eintreten, wenn wir noch einmal darüber zu sprechen haben, ob andere Maßnahmen nicht mehr erbringen;
({20})
dabei denke ich nicht unbedingt an die Mehrausgabe. Ich denke auch daran, daß z. B. die Anhebung des steuerlichen Existenzminimums oder eine Senkung eines Teils der Einkommen in der Proportionalzone oder ähnliches nicht ernsthaft hätte überprüft werden sollen. Aber wenn Sie sagen: Gebot der Gerechtigkeit auch bei der Ergänzungsabgabe, ist das doch nicht zu glauben, Herr Kollege Schiller.
({21})
Wenn Sie in Saarbrücken lauthals verkünden, nicht nur die Steuerlastquote sei kein Tabu mehr, sei keine heilige Kuh mehr, sondern ein Ochse, der den Karren der Versäumnisse herausziehen müßte - ich komme heute nicht darauf zu sprechen -, wenn Sie aber gleichzeitig erklären, daß der Plafond mindestens auf 60 % angehoben werden müßte und daß steuerliche Mehrbelastungen erfolgen müßten - Dinge, über die man durchaus nach wirtschaftlichen Grundsätzen und nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeit diskutieren kann -, dann ist es doch nichts anderes als eine widersinnige, augenauswischende, irreführende Maßnahme, zu behaupten, daß die Aufhebung der Ergänzungsabgabe ein Gebot der Gerechtigkeit sei, während man vorhat, denselben Personenkreis in absehbarer Zeit steuerlich erheblich mehr zu belasten,
als es die Ergänzungsabgabe mit sich gebracht hätte.
({22})
Zum selben Zeitpunkt, zu dem Steuersenkungen programmiert wurden, erwog der Bundeswirtschaftsminister erhebliche Steuererhöhungen zur Konjunkturdämpfung. Herr Kollege Schiller, Sie haben das doch am 17. Februar vor dem Deutschen Bundestag ausdrücklich angekündigt. Der Herr Bundeskanzler hat am selben Tag erklärt, daß hinter der Aussage voraussichtlicher Steuererhöhungen die Bundesregierung stehe. Also hat man damals, am 17. Februar 1970, schon eine einigermaßen richtige Ahnung vom Konjunkturverlauf gehabt. Warum hat man denn damals nicht dieses Gesetz abgesetzt und andere Maßnahmen ergriffen? Damals war die Regierung doch der Meinung, daß von der Sache her Kaufkraftabschöpfungen notwendig seien.
Ein Vertreter des Finanzministeriums hat im Bundestag erklärt, und zwar noch am 12. März, daß die Steuersenkung zum vorgesehenen Zeitpunkt konjunkturpolitisch vertretbar erscheine. Am 24. April wurde der Inkraftsetzungstermin vom 1. Juli 1970 von Finanzminister Möller bestätigt, der dann aber selbst am 13. Mai 1970 an den Vorsitzenden des Finanzausschusses schrieb, daß aus konjunkturellen Gründen die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags nicht im Juli, sondern erst im Dezember wirksam werden solle. Noch keine zwei Wochen später änderte er wieder seine Meinung und schrieb, daß es aus konjunkturpolitischen Gründen unerwünscht sei, den Erhöhungsbetrag noch in der Zeit vor Weihnachten zu berücksichtigen; deshalb dürfe der Ausgleich erst im Januar 1971 erfolgen.
Die von der Koalition im Finanzausschuß beschlossene Verschiebung des Wirksamwerdens ist jetzt wieder in eine Absetzung umgewandelt worden, weil erst heute abend in einem Koalitionsgespräch die kommende Marschrichtung festgelegt werden soll. Ich will mich jetzt hier nicht über koalitionsinterne Probleme unterhalten. Aber eines möchten wir gern wissen, Herr Kollege Schiller: Wären Sie bereit, diesem Hause zu sagen, welche Anträge Sie in der Koalitionssitzung heute abend stellen werden,
({23})
um die auch nach Ihrer Meinung fehlgelaufene konjunkturelle Entwicklung wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen?
({24})
Am 18. Juni hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt, daß er für erhöhte Steuervorauszahlungen sei, die später wieder angerechnet werden müßten. Das Thema steht nicht durch unsere Veranlassung auf der heutigen Tagesordnung. Wir, d. h. der Kollege Pohle, haben doch die Absetzung beantragt, und damit wäre uns das ganze Spektakulum erspart geblieben. Aber nachdem es auf Wunsch der Regierung unter Ausnutzung der Mehrheit der Koalition mit 17 : 16 Stimmen im Finanzausschuß auf die Tagesordnung gekommen ist, würde dieses Hohe Haus, bevor es heute in die Ferien geht, gern
wissen - ja, es hat sogar einen Anspruch darauf, dies von der Regierung zu erfahren , was sie auf diesem Gebiet jetzt, wo der hinter uns liegende Wahltermin wieder bessere Einsichten gebracht und anscheinend die Fähigkeit erneuert hat, die Wahrheit einzugestehen, tatsächlich vorhat.
({25})
Herr Kollege Schiller, Sie haben auf konjunkturelle Daten hingewiesen und gesagt, sie seien noch nicht klar und eindeutig. Haben wir das nicht schon viele Male gehört? Ich möchte jetzt keine Chronologie bieten. Man sollte doch endlich einmal sagen, welche Daten vorliegen müssen, von denen man glaubt, daß sie eindeutig seien.
({26})
Oder war es erlaubt zu sagen, daß sie nicht eindeutig seien? Von dieser Seite des Hauses - CDU/ CSU - ist dazu immer die gleiche Haltung eingenommen worden.
Herr Kollege Schiller, man hat oft einen Vergleich gezogen und zieht ihn auch heute noch, in der Sache zum Teil zu Unrecht, zu den Jahren 1965/66, in denen wir auch einen Konjunktureinbruch zu verzeichnen hatten. Ich möchte Sie hier nicht mit den so beliebten Zahlen aufhalten. Aber Sie wissen, daß wir im Jahre 1966 einen Anstieg der Verbraucherpreise von 3,7% und einen Anstieg der industriellen Erzeugerpreise von 1,7 % hatten. Sie wissen sicherlich, daß der Kurvenverlauf der industriellen Erzeugerpreise der Vorläufer der Verbraucherpreise ist. Während damals der Anstieg der industriellen Erzeugerpreise wesentlich unter dem Anstieg der Verbraucherpreise lag, weshalb der Anstieg der Verbraucherpreise sehr schnell wiederum auf Normal, zeitweise sogar auf Null, gebracht werden konnte, muß heute, wenn der Anstieg der industriellen Erzeugerpreise nicht angehalten wird, noch eine langanhaltende Welle von Verbraucherpreiserhöhungen folgen. Das ist der Unterschied zum Jahre 1965/66.
({27})
Man hat damals Erhard Untätigkeit und Unfähigkeit vorgeworfen. Hat nicht der damalige Bundeskanzler das Stabilitätsgesetz bekommen wollen, aber ist es ihm nicht damals durch die SPD verweigert worden? Haben nicht Sie, Herr Kollege Schiller, damals vorgeschlagen, daß statt einer Verfassungsänderung die Bundesregierung elf Staatsverträge mit elf Ländern wegen konjunkturell gleichartigen Verhaltens abschließen soll? Ich habe Ihnen damals gesagt, daß ich zwar ein Föderalist, aber kein Postkutschenföderalist sei.
Im Unterschied zu Erhards Zeiten haben Sie heute das Stabilitätsgesetz, und Sie haben den gleichen Anstieg der Verbraucherpreise. Wenn wir die letzten acht Monate nehmen und damit in die Zukunft hochrechnen, werden die 4 % überschritten, so wie es aussieht, und werden die 6,5 % bei den industriellen Erzeugerpreisen ebenfalls wesentlich überschritten. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen heute und damals.
Herr Kollege Schiller, es ist geradezu eine an Ludwig Thoma erinnernde Lektüre, wenn man liest, wie es damals hieß. Ein Vertreter der Regierungsseite hat damals gesagt, man könne von einer Regierung, die erst sieben Monate im Amt sei, noch keine fertigen Erbeitsergebnisse erwarten.
Dem stimme ich zu.
- So sagte damals Herr Schiller Aber man kann doch wohl sagen, nach diesen sieben Monaten sollte die Anlaufzeit der Regierung abgeschlossen sein. Mit der Verabschiedung des Haushalts 1966 sollte - so möchte ich sagen - das take-off
- zu Deutsch: der Startvorgang der Regierungsmaschine beendet sein. Das takeoff sollte stattgefunden haben; ... Höhenlage und Kurs der Regierungsmaschine sollten jetzt klar erkennbar sein. Mehr wollen wir eigentlich gar nicht. Oder um es noch anders zu sagen: Ist nach sieben Monaten der Kurs der Regierungsmaschine klar erkennbar, oder verliert er sich in der dunstigen Abenddämmerung der „formierten Gesellschaft"?
Ich muß heute fragen: verlieren sich nicht Höhenlage und Kurs der Regierungsmaschine in dem Abenddunst einer angeblich reformierten Gesellschaft?
({28})
Aber, Herr Kollege Schiller, ich billige Ihnen die richtige Erkenntnis und den richtigen Willen zu. In dem Fall liegt es, genauso wie Sie es damals gesagt haben, viel mehr am Piloten, am Bundeskanzler, als an dem dafür zuständigen Ressortminister.
({29})
Ich stelle die gleiche Frage wie damals. Die Frage hieß:
Wir fragen am Ende der Siebenmonatsfrist: Was ist in dieser Zeit nun wirklich beabsichtigt, was sind die klaren Aufgaben und Aufgabenstellungen, und was ist womöglich geschehen?
Es hieß weiter:
Meine Damen und Herren, eine solche Zwischenbilanz über die politische Planung . . . im Bereiche von Wirtschaft und Finanzen muß aus vielerlei Gründen gefordert werden. Einmal angesichts der in Bewegung geratenen Fronten zwischen Ost und West.
- Redaktionelle Anmerkung von mir: kein neues Thema! Unser Interesse an dieser Bewegung, unser gleichzeitiges tiefes Engagement im europäischen Integrationsprozeß,
- auch kein neues Thema alles das ist so weitgehend und wichtig, daß wir uns labile und unstete wirtschaftliche Verhältnisse schon allein unter diesem Aspekt nicht leisten können.
({30})
Unser Haus muß in Ordnung sein, damit wir den von außen an uns gerichteten Herausforderungen gerecht werden.
({31})
Ich kann nicht so gut formulieren, ich kann es nur zitieren. Den uns gestellten Forderungen, die in den Debatten der beiden letzten Tage ja lang und breit mit vielen Übertreibungen, positiven und negativen Akzenten dargestellt worden sind, können wir doch nur gerecht werden, wenn wir keine unsteten, labilen, inflationstendierenden wirtschaftlichen Verhältnisse haben. Genau dasselbe!
({32})
Schließlich sagten Sie noch, Herr Kollege Schiller - das hängt mit der konzertierten Aktion zusammen, die es damals nicht gab -:
Aber wir wissen doch, daß es Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt und daß man mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik einiges gegen diese Dinge machen kann. Da wissen wir nun, daß die oberste Verantwortung - da ist doch in diesem Hause kein Zweifel -- so hieß es damals für die Finanz- und Wirtschaftspolitik bei der Bundesregierung und in der Richtlinienkompetenz beim Bundeskanzler liegt, und wir wissen, daß die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik, Herr Bundeskanzler, wirklich nicht beim BDI, auch nicht beim DBG, auch nicht beim Bauernverband und auch nicht bei der moralischen Aufrüstung liegt.
({33})
Sie liegt bei der Bundesregierung, sie liegt beim Bundeskanzler.
Hierzu noch ein abschließendes Wort. Herr Bundeskanzler, gestern und vorgestern ist im Zusammenhang mit außenpolitischen Debatten von Kollegen Barzel und anderen der Ausdruck „Bundeskanzler der falschen Alternativen" gebraucht worden. Sie haben dieselben falschen Alternativen, die Sie auf dem Gebiet der Außenpolitik der Öffentlichkeit vorhalten, auch auf diesem Gebiet benutzt, nämlich: konjunkturpolitische Eingriffe bedeuteten Arbeitslosigkeit, und man wolle doch die Vollbeschäftigung erhalten. Sie haben Laufenlassen oder Arbeitslosigkeit als die möglichen Varianten und Alternativen bezeichnet. Genau das ist doch eine Irreführung der Öffentlichkeit. Laufenlassen oder Arbeitslosigkeit? Nein, Laufenlassen führt zur Arbeitslosigkeit!
({34})
Und das ausgedroschene Thema, ebenfalls in falscher Alternative: Wachstum oder Stabilität. Wir haben uns doch unzählige Male hier über dieses Thema und über die Relation zwischen Wachstum und Stabilität unterhalten, ich brauche das nicht mehr zu wiederholen. Oder: wir hätten heute die Wahl zwischen Vollbeschäftigung oder Arbeitslosigkeit, wir hätten die Alternative zwischen Inflation oder Rezession. Wenn es so weitergeht, werden wir nach
amerikanischem und englischem Muster Inflation m i t Rezession bekommen und nicht Inflation oder Rezession.
({35})
Und die ganzen schönen Mehrausgaben, über die man gestern gesprochen hat, wo man Herrn Wörner vorhielt, er habe das als Gefälligkeiten bezeichnet: Nein, diese Versprechungen waren Gefälligkeiten; aber es ist doch kein Zweifel, daß das, was man an Mehrausgaben auf sozialem Gebiet getätigt hat, durch die höhere Preisentwertungsrate wieder weggenommen worden ist.
({36})
Was man mit der rechten Hand segnend gegeben hat, hat man mit der linken Hand inflationär konfiszierend wieder weggenommen.
({37})
Über eins gibt es doch auch keinen Zweifel: daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit, sei es aus eigener Unzulänglichkeit, sei es aus Absicht, falsch informiert hat, wenn sie davon sprach, daß von den vier Zielen des Magischen Vierecks drei in Ordnung seien und es nur bei einem kritischen Zustände gebe. Keines der vier ist ganz in Ordnung. Das einzige, was noch in Ordnung ist, das ist das Wachstum, aber mit einem so großen Unterschied zwischen realem und nominalem Wachstum, daß das Wachstum in dieser Größenordnung um den Preis einer inflationär tendierenden Entwicklung erkauft ist.
({38})
Ich bin der allerletzte - Herr Kollege Schiller, Sie wissen es von früher -, der dem Fetisch Stabilität die Vollbeschäftigung und die soziale Gerechtigkeit zu opfern geneigt wäre. Ich habe unzählige Male erklärt, daß niemand daran denken kann, in den Fehler der Brüning-Zeit - Deflationspolitik mit ihren schauerlichen Folgen der sozialen Verelendung und der politischen Radikalisierung - zurückzufallen. Im Jahre 1967 haben wir gemeinsam tief in die Saiten gegriffen - 9 Milliarden zusätzliche Staatsverschuldung -, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, und das war richtig. Ich habe niemals die Geldwertstabilität als einen magischen absoluten Wert methaphysischen Charakters betrachtet, der ausschließlich zu beachten sei. Aber was uns verlorengegangen ist, das ist die Geldwertstabilität Wir haben auch keine Vollbeschäftigung, sondern haben eine Übervollbeschäftigung. Wir haben auch jetzt schon wieder keine ausgeglichene Zahlungsbilanz mehr. Ich wage das Wort nicht in den Mund zu nehmen, aber nach den Regeln des letzten Jahres müßte jetzt wieder etwas verlangt werden, was damals als das allein seligmachende Wundermittel gepriesen worden ist, was aber nicht gewirkt hat.
({39})
Wenn Sie nun Ihren Tisch anschauen, der auf vier Beinen steht, werden Sie feststellen, daß drei Beine zur Zeit wackeln und das vierte drauf und dran ist zu wackeln. Auf einem Bein kann der
Tisch nicht stehen. Darum stimmt die ganze Rechnung nicht, weder der Tisch noch das eine Bein.
({40})
Die Bundesbank nennt unter den Voraussetzungen des Stabilitätsgesetzes die Prämisse für das Eingreifen - Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, eingetreten oder sich abzeichnend, erhebliche Preiserhöhungen - und sagt dann, es dürfte unbestritten sein, daß diese Voraussetzungen gegenwärtig gegeben sind, und zwar mehr als in jedem der früheren Konjunkturzyklen.
({41})
Das ist doch das Unerhörte an diesem Vorgang, daß trotz des bereits geraume Zeit zurückliegenden Zeitpunkts des Inkrafttretens des Stabilitätsgesetzes die Bundesbank feststellt - nun berufe ich mich einmal auf die Bundesbank -, daß mehr als in jedem früheren Konjunkturzyklus heute das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Das macht doch den Unterschied zu dem, was man damals als die große Krise anprangerte, noch drastischer und macht das Versagen der Bundesregierung - ich muß hier sagen: leider, weil es um unser aller Sache geht - noch manifester.
({42})
Lassen Sie mich noch sagen: ich bin sogar der Meinung, Herr Kollege Schiller, daß Maßnahmen deshalb notwendig sind, weil die abermalige Verschärfung der Bundesbankmaßnahmen - um in einer Terminologie zu sprechen, die Ihnen geläufiger ist als mir - allmählich einen „self-defeating"-Charakter bekommt. Ich habe im Jahre 1965 beim Wirtschaftstag der CDU gesagt, damals mehr angefeindet als unter Beifall, daß sich Maßnahmen der Bundesbank, nach Länge und Härte überzogen, noch in einem Sinne auswirken werden, wenn man längst wieder den gegenteiligen Sinn der Maßnahmen haben will.
({43})
Die Fraktion der CDU/CSU erwartet ja von Ihnen nicht eine leichtfertige Politik. Ganz im Gegenteil! Sie erwartet Maßnahmen der Fiskalpolitik; ich sage es wieder in Ihrer Sprache: eine Änderung der policy mixed. Das eine Bein ist ja geschient und bewegt sich nicht, und das andere soll die ganze Last tragen. Lassen Sie beide Beine, sowohl die Monetärpolitik wie die Fiskalpolitik, die Last tragen. Je mehr in der Fiskalpolitik getan wird, desto eher ist es möglich, die gefährlichen Maßnahmen der Bundesbank, wenn sie nach Länge und Härte überzogen sind, abzubauen, zum Teil abzubauen.
({44})
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte auch gesagt sein angesichts der Tatsache, daß, wenn diese Bundesregierung rechtzeitig eingegriffen hätte, wenn sie sich nicht auf den Aberglauben verlassen hätte, daß die Aufwertung allein das Problem löse, die damals möglichen und notwendigen Maßnahmen wesentlich milder ausgefallen wären, als die Maßnahmen sind, die heute ergriffen werden müssen, wenn man die Dinge in den Griff kriegen will.
({45})
Rechtzeitiges Handeln ermöglicht sanfte Eingriffe; zu spätes Handeln verfehlt entweder das Ziel oder muß wesentlich schärfer und tiefer angesetzt werden.
({46})
- Ich sage Ihnen ja, Herr Kollege Mischnick, das ist ja doch der Aberglaube, dem auch Sie verfallen sind. Ich war nie so primitiv zu behaupten, daß die Nichtaufwertung alleinseligmachend und daß umgekehrt die Aufwertung nur schädlich sei. Ich habe immer, in unzähligen Reden, auch hier, gesagt, daß es darauf ankomme, die positiven und die negativen Faktoren miteinander aufzurechnen und dann zu sehen, was unter dem Strich herauskommt. Unbestritten dürfte heute sein, daß das, was mit der Aufwertung allein unter dem Strich herausgekommen ist, schädlicher war und nicht positiv war. Oder wollen Sie bestreiten, Herr Kollege Mischnick, daß wir - da ja Stabilität keine Angelegenheit eines einzelnen Landes ist - in die Länder unserer Haupthandelspartner, wo wir die Preise erhöhen mußten, wenn die D-Mark-Preise beibehalten werden sollten, Unstabilität exportiert haben? Wollen Sie bestreiten, daß sich die Wirtschaft dort, wo wir die D-Mark-Auslandspreise senken mußten, bei der starken Binnennachfrage die Kompensation in den Inlandspreisen geholt hat? Wollen Sie das bestreiten? Es ist doch von der Automobilindustrie und anderen öffentlich erklärt worden: „Verluste im Auslandsgeschäft zwingen uns zu Preiserhöhungen im Inlandsgeschäft." Das ist die „preisdämpfende" Wirkung Ihrer Aufwertung gewesen; wenn Sie schon darauf zu reden kommen.
({47})
Schließlich gibt es ja noch einen sehr sachkundigen Mitarbeiter des Herrn Bundeswirtschaftsministers, nämlich Ministerialdirektor Hankel. Der hat doch in der „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen" im November letzten Jahres die Prophezeiung verkündet, daß die Aufwertung zu einer fühlbaren Senkung des Zinsniveaus führen werde.
({48})
Genau das Gegenteil davon ist doch eingetreten. Wir wissen auch, warum. Normalerweise kann es so sein, wie es im Lehrbuch steht. Aber in dem Fall waren die Umstände anders, als es im Lehrbuch gestanden hat.
Herr Bundeswirtschaftsminister, wir sind bereit, Ihnen zu helfen. Aber das konnte Ihnen nicht erspart werden, sich das anzuhören, was heute hier von dieser Stelle gesagt worden ist. Wir sind bereit, Ihnen zu helfen, weil wir Angst haben, weil wir Angst haben vor wachsender Unstabilität, weil wir Angst haben vor einem immer schnelleren Drehen des Inflationskarussels, und weil wir Angst haben vor einer zunehmenden inflationären Mentalität.
({49})
Was ich hier sage, das laste ich nicht einseitig jemandem an. Das trifft auch bestimmte Kreise der Wirtschaft, die sich an diesem Spiel heute zu beteiligen beginnen.
({50})
Das sind diejenigen, die ihren Frieden mit dieser Politik zu schließen längst bereit sind. Das sind diejenigen, die sich durch keine Kreditkosten noch abschrecken lassen, Kredite aufzunehmen, weil sie wissen, daß die gestiegenen Kosten bei anhaltender Drehung des Karussels auf die Verbraucher abgewälzt werden können und daß das, was sie zurückzuzahlen haben, nach Ablauf der Kreditfrist trotz gleicher Ziffern einen geringeren Wert hat als damals, als sie den Kredit aufgenommen haben.
({51})
Wenn Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, in die nächste Sitzung der Konzertierten Aktion kommen, deren Termin ja ständig wieder verschoben wird, verweise ich auf das, was der zweite Vorsitzende der IG Metall, Eugen Loderer, als die richtige Antwort auf die gegenwärtige Wirtschaftslage in der Bundesrepublik in Solingen bezeichnet hat. „Geld ist genug da", meinte er; die Gewerkschaft werde sich davon bei der bevorstehenden Tarifbewegung einen ansehnlichen Teil für die Arbeitnehmer holen. Als politische Schizophrenie bezeichnete er Pläne, die auf eine neue Rezession abzielten. - Da haben Sie, Herr Bundeskanzler, wieder die Wirkung Ihrer bewußt falsch ausgestreuten Alternativen,
({52})
als ob die Pläne, die wir hatten, auf eine Rezession hinausliefen. Da muß ich fragen: Haben Sie vielleicht die Absicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, heute Pläne vorzulegen, die auf eine Rezession hinauslaufen? Aber diese Mentalität ist erzeugt worden, eine allgemeine inflationäre Psychose des Tanzes ums goldene Kalb und des Kampfes um den möglichst großen Anteil an dem Inflationskuchen.
({53})
Hier geht es nicht nur um die praktischen Maßnahmen. Hier geht es darum, in der Gesinnung, in den Grundsätzen und in der Mentalität das Fundament der Stabilität wiederherzustellen.
({54})
Hier allerdings auch, Herr Bundeskanzler, das muß ich Ihnen ins Stammbuch schreiben, hier auch, Herr Bundeskanzler, hätte man im Herbst letzten Jahres sagen müssen: wir haben nur eine Wahl, entweder wir versuchen, einen Teil unserer Wahlversprechungen und einen Teil unserer in der Regierungserklärung gegebenen Zusagen - „Wir schaffen das moderne Deutschland" - zu finanzieren, dann gibt es keine ausreichende Geldwertstabilität mehr; wenn ihr aber Geldwertstabilität wollt, dann begnügt euch damit, daß es im Wahlkampf für uns ausreichend war, es zu sagen, wir aber jetzt nicht können, wenn wir den Geldwert aufrechterhalten wollen. Das ist die Frage, vor der Sie standen.
({55})
Hier, Herr Bundeskanzler, hat die Inflation schon in den Versprechungen, in der Verwendung der Begriffe und in den Visionen eingesetzt, die Sie dem deutschen Volke versprochen haben, während wir heute keine Visionen mehr haben, sondern die Katerstimmung, in der der Herr Bundeswirtschaftsminister heute die Absetzung beantragt hat.
({56})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Dr. h. C. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Herrn Kollegen Strauß heute in einer neuen Eigenschaft bewundern können, nämlich als Seiltänzer.
({0})
Er hat das Seil unseres Vertagungswunsches benutzt,
({1})
um die gestern fertiggestellte Rede heute trotzdem halten zu können.
({2})
Sie haben gestern eine Rede ausgearbeitet, in der Annahme, wir würden heute über das Steueränderungsgesetz 1970 sprechen,
({3})
und Sie haben diese Rede gegen ein Steueränderungsgesetz und gegen ein Verhalten, das eben anders ist, als Sie, Herr Kollege Strauß, erwartet haben, gehalten.
({4})
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie besitzen nicht einmal die Eigenschaft, zuzuhören oder zuhören zu wollen.
({5})
Wenn Sie sich bemüht hätten, meinem Kollegen Schiller zuzuhören, und wenn Sie sich jetzt bemühten, mir zuzuhören, wüßten Sie, warum Herr Kollege Schiller und nicht ich dem Hohen Hause den Vertagungswunsch der Bundesregierung vorgetragen hat. Daß Sie sich darüber wundern, bedeutet nur, daß die Opposition nicht in diese Landschaft hineinpaßt.
({6})
Herr Kollege Schiller hat die konjunkturpolitischen
Gründe vorgetragen, die den Wunsch der Bundesregierung berechtigt erscheinen lassen, heute auf
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
eine Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes zu verzichten,
({7})
obwohl der Finanzausschuß den Gesetzentwurf so bearbeitet hat, daß die zweite und dritte Lesung zu einem vom Bundestag gewünschten Termin stattfinden kann. Es ist eine konjunkturpolitische Begründung gegeben worden. Sie haben ganz übersehen, was Ihr Herr Fraktionsvorsitzender gestern erklärt hat, was im übrigen auch einer im Dezember vorigen Jahres getroffenen Vereinbarung entspricht: nämlich in Verbindung mit der dritten Lesung des Bundeshaushalts 1970 auch über finanzwirksame Gesetze zu entscheiden, die sonst noch zur Entscheidung anstehen.
({8})
- Weil heute das Steueränderungsgesetz auf der Tagesordnung steht und weil gestern, Herr Kollege Müller-Hermann, ein außerordentlich wichtiger Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vorgelegt worden ist
({9})
Wenn Sie das mit Ah-Rufen begleiten, kann ich nur sagen: Wenn wir A sagen, sagen wir auch B. Das bedeutet, wir nehmen solche Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank ernst.
({10})
Meine Damen und Herren, das können Sie uns doch wahrhaftig nicht zum Vorwurf machen. Herr Kollege Strauß, das hat überhaupt nichts mit den Zitaten aus Reden und Interviews von Herrn Emminger oder von Herrn Klasen zu tun. Das, was hier zu diesen Zitaten gesagt worden ist, ist im Protokoll festgehalten. Ich bitte Sie um die Freundlichkeit, diese Protokolle zur Hand zu nehmen und festzustellen, ob und inwieweit richtig zitiert und richtig ausgelegt worden ist.
({11})
Vizepräsident Dr. Jaeger, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann?
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Bitte!
Herr Minister, wollen Sie mit Ihren Ausführungen eingestehen, daß die Tatbestände, die der neueste Bundesbankbericht darlegt, Ihnen bis heute nicht bekannt gewesen sind?
({0})
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Hier handelt es sich überhaupt nicht um ein Eingeständnis, sondern darum, daß die Bundesbank einen Monatsbericht vorgelegt hat und mit diesem Monatsbericht eine wichtige Analyse der konjunkturpolitischen Lage aus der heutigen Sicht verbunden hat.
({1})
- Nein, das steht in durchaus vernünftigem Verhältnis zum Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole noch einmal, daß Herr Kollege Schiller eine konjunkturpolitische Begründung für den Wunsch der Regierung vorgetragen hat. Wenn Sie durch Herrn Kollegen Strauß erklärt haben, daß Sie diesem Wunsche Rechnung zu tragen beabsichtigen, dann - das müssen Sie doch zugeben - paßt alles andere, was Herr Strauß vorgetragen hat, nicht mehr zu dem von Herrn Kollegen Schiller vorgetragenen Wunsch, das Steueränderungsgesetz nicht heute zu verabschieden, sondern auf einen anderen Zeitpunkt zu vertagen.
({2})
Warum es sich um eine konjunkturpolitische Begründung handelt, hat Herr Kollege Schiller dargestellt; daß fiskalisch die Situation genauso ist wie vordem, wird niemand hier im Hohen Hause bestreiten können. Im Gegenteil, fiskalisch ist die Begründung für das Steueränderungsgesetz heute noch durchschlagender als vor Monaten. Denn wenn Sie berücksichtigen, daß im Ablauf des Jahres 1970 das Lohnsteueraufkommen um 24 %, nämlich um 1,9 Milliarden DM höher ist als im vorangegangenen Jahr, die veranlagte Einkommensteuer um 7 % gleich 300 Millionen DM zurückgegangen ist und ebenso die Körperschaftsteuer um 9% gleich 250 Millionen DM zurückgegangen ist, dann müssen Sie doch zugeben, daß die Lohnsteuerpflichtigen konjunkturpolitische Steuererhöhungen haben in Kauf nehmen müssen und die Lohnempfänger im Jahre 1970 ein Steueraufkommen vorzuweisen haben, das eine Korrektur, eine Strukturkorrektur im Einkommensteuerrecht noch notwendiger und dringender macht, als das vor Monaten schon der Fall gewesen ist.
({3})
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang nun weitere konjunkturpolitische Ausführungen zu machen, die vielleicht gestern beim Einzelplan des Herrn Wirtschaftsministers oder beim Einzelplan des Finanzministers zweckmäßig gewesen sind, verstehe ich einfach nicht, wie auch weitere Unterstellungen nicht, die mit den Vorschlägen auf Abbau der Ergänzungsabgabe in Verbindung mit der Entwicklung eines Steuertarifs zusammenhängen, von dem wir noch nicht wissen, wie er aussieht, von dem Herr Strauß anscheinend mehr weiß als ich, weil er mit Unterstellungen arbeitet.
({4})
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Zunächst liegt noch kein Vorschlag vor, über den ernsthaft diskutiert werden könnte. Weder von der Steuerreformkommission noch von irgendeinem anderen Gremium ist ein Lohn- und Einkommensteuertarif vorgelegt worden, der Sie berechtigen könnte,
({5})
heute in dieser Debatte mit solchen Unterstellungen zu arbeiten.
({6})
Das haben wir hier im Bundestag in einer Debatte so klargestellt,
({7})
daß, Herr Kollege Strauß, auch Sie davon endlich einmal Kenntnis nehmen müssen.
({8})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie alle um Ruhe bitten, insonderheit aber diejenigen Damen und Herren, die stehen, sich zu setzen oder ihre Privatunterhaltungen nach außerhalb des Saales zu verlegen.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß nur noch einmal sagen: Herr Kollege Strauß, Sie haben eine Rede an der Sache vorbeigehalten
({0})
und einfach übersehen, daß wir uns mit dem von uns vorgetragenen Wunsch sachgerecht verhalten haben, und ein sachgerechtes Verhalten der Bundesregierung können Sie auch nach dem, was vorausgegangen ist und worauf ich hingewiesen habe, nun tatsächlich nicht beanstanden.
({1})
Ihnen ist aber nun leider einfach das Gehör abhanden gekommen für das, was eine Bundesregierung hier erklärt. Sie müssen Ihr Soll an Kritik und Unterstellungen erfüllen, ganz gleich, wie wir uns verhalten.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur zwei kurze Bemerkungen zu machen. Zunächst: Herr Kollege Möller, ich kann Ihnen bescheinigen, Herr Kollege Strauß hätte für den Fall, daß Sie unserer gestrigen letzten
Mahnung, dieses Gesetz zurückzustellen, nicht gefolgt wären, hier eine ganz andere Rede gehalten.
({0})
Ich möchte Ihnen sagen, Herr Kollege Möller, daß es unsere Pflicht ist - und deshalb stehe ich hier noch einmal -, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie bitte, wenn Sie die A bsicht haben sollten, nach diesem ersten Schritt, den wir begrüßen, mit dem Blick auf die Konjunktur und die Mahnungen der Bundesbank, die sich alle mit dem decken, was wir hier seit Monaten vortragen, etwas Konkretes zu tun, zur Kenntnis nehmen mögen, daß sich diese Fraktion der CDU/CSU heute mittag vertagt. Ich würde es für fair halten, uns nicht eines Tages aus der Presse wissen zu lassen: das ist unsere höhere Weisheit, sondern dem zu entsprechen, was ich gestern in zwei Punkten gesagt habe: Wer mit unserer Unterstützung rechnen will, muß vorher mit uns reden. Er muß dann nicht das tun, was wir vorschlagen - so haben wir ja auch Kooperation auf dem Gebiet der auswärtigen Politik nie verstanden -, sondern er muß nur mit uns reden und kann uns nicht einfach etwas hinsetzen und sagen, nun müßt ihr eigentlich diese Sache übernehmen und mitmachen.
Aus diesen Gründen hat Herr Strauß - ich wiederhole die Forderung - verlangt, daß dieses Haus informiert wird. Wenn das nicht öffentlich möglich ist, was an einem Freitag vor bestimmten Maßnahmen jeder begreift, dann sollte es in einem Gremium möglich sein. Wenn dies der letzte Tag des Hauses bis zum September ist, dann sollte es eben heute möglich sein, daß man nicht nur Kampfansagen, sondern im Interesse der Mitbürger und des Geldes hier ein Gespräch sucht, meine Damen und Herren.
({1}) Das ist das eine.
Das zweite. Ich möchte, nachdem das hier geschehen ist, was wir begrüßen, in Erinnnerung rufen, daß wir zuletzt einen Drei-Punkte-Vorschlag gemacht hatten. Den muß die Regierung vor Augen haben, wenn sie mit uns über Maßnahmen sprechen will. Der erste Punkt ist erfüllt. Er enthielt zwei Unterpunkte: die Forderung nach einem neuen Bericht des Sachverständigenrates und dann dazu die Forderung nach einem neuen, fortgeschriebenen Bericht der Bundesregierung zum Jahreswirtschaftsbericht. Beides liegt vor.
Der zweite Punkt - und auf den ist bisher überhaupt noch nicht geantwortet worden, weder aus dem Hause noch von der Regierung - hieß: Versuchen wir, uns zu verständigen über alle ausgabewirksamen oder einnahmemindernden Beschlüsse, unsere eigenen Anträge - ich nehme auf die Debatte von gestern Bezug - eingeschlossen.
({2})
Dieser Versuch ist noch nicht unternommen worden.
({3})
Gestern sind bei der dritten Lesung des Haushalts unsere Anträge wieder abgelehnt worden, die den notwendigen fiskalpolitischen Beitrag hätten darstellen können.
({4})
Das alles gehört zu diesem zweiten Punkt.
Und dann kommt - damit wir uns ganz klar darüber sind, wie wir hier verfahren - der dritte Punkt. Da haben wir erklärt: Wir sind dann, wenn die Regierung Vorschläge macht, wie es ihre Pflicht und Verantwortung nach dem Stabilitätsgsetz ist, bereit, diese Vorschlag konstruktiv aufzunehmen. Wir hatten Ihnen immer vorgeschlagen, dies auch
v o r den Wahlen zu tun und gemeinsam zu tragen, auch wenn es scheinbar unpopulär ist.
Es schien mir wichtig, dies zum Verfahren noch darzustellen. Ich würde mich freuen, wenn dieser Bundestag, nachdem die Einsicht der Regierung in das Notwendige angewachsen ist, mit einer solchen Geste auseinandergehen könnte und nicht mit den Schlußsätzen des Herrn Bundeskanzlers von gestern, den ich nur ermuntern kann, der Verantwortung gerecht zu werden, die ihm nach den hier vorgetragenen Sätzen - und es hatte doch einen guten Sinn, daß Herr Strauß sie vorgetragen hat; es hatte einen guten Sinn, daß die beiden Herren Minister durch sie Unterstützung haben - obliegt. Denn klar ist allein dies: Die Verantwortung für das, was jetzt geschieht oder nicht geschieht, trägt - nach dieser Einlassung der Opposition doppelt - allein der Mann, der die Richtlinien der Politik der Regierung der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der heißt Willy Brandt, und der sollte sich um diese Zusammenarbeit bemühen und seine lächerliche Kampfansage von gestern vergessen, meine Damen und Herren.
({5})
Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
({0})
Es ist der Antrag, soviel ich weiß interfraktionell, auf Vertagung gestellt. Wer dem Antrag auf Vertagung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einige Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch einige Enthaltungen. Der Antrag ist mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Zusatzpunkten, die Sie heute früh auf die Tagesordnung gesetzt haben. Der erste Zusatzpunkt:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung ({1})
- Drucksache VI/760 - Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache VI/961 - Berichterstatter: Abgeordneter Baier
f) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({3})
- Drucksache VI/960 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Schlei ({4})
Ich danke dem Berichterstatter, der Abgeordneten Frau Schlei, für ihren Schriftlichen Bericht. - Eine Ergänzung ist offenbar nicht veranlaßt.
Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, - 2 - sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
({5})
- Meine Damen und Herren, so können wir nicht weiter verhandeln. Ich bitte die Damen und Herren, die stehen, sich entweder zu setzen oder ihre Verhandlungen nach außerhalb des Saales zu verlegen. Wir müssen in dritter Beratung durch Aufstehen abstimmen. Es ist beim jetzigen Zustand unmöglich, einen klaren Eindruck zu gewinnen. Auch Herr Abgeordneter Dr. Luda und sein Gesprächspartner werden gebeten, sich zu setzen. Ich bitte allgemein, sich zu setzen oder den Saal zu verlassen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wünscht niemand das Wort? - Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
({6})
Ich rufe den zweiten Zusatzpunkt auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte
- Drucksache VI/945 Wird die Vorlage begründet? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Vizepräsident Dr. Schmid
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend -, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ist das Haus einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dritter Zusatzpunkt:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über die von dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erlassene Verordnung zur Aufhebung der Verordnung über die Beschränkung der Intervention auf in der Bundesrepublik Deutschland geerntetes Getreide vom 6. April 1970
Drucksachen VI/624, VI/962 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt ({1})
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, Sie verzichten auf mündliche Berichterstattung? - Wir haben hier keinen Beschluß zu fassen. Der Aufruf dient lediglich der Kenntnisnahme durch den Bundestag.
Meine Damen und Herren, damit treten wir erneut in Punkt 1 der Tagesordnung ein:
Fragestunde
- Drucksache VI/940 -Zunächst der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Glombig auf. Ist der Abgeordnete Glombig im Saal? - Das ist nicht der Fall. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß die Arbeitnehmer, die über den zweiten Bildungsweg durch besonderen Fleiß und Tüchtigkeit eine angesehene Position erreichten, trotz höherer Beiträge eine kleinere Rente erhalten als die, die auf dem normalen Bildungsweg zum Ziel kamen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich bitte, die beiden Fragen des Abgeordneten Varelmann zusammen beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also ferner die Frage 61 des Abgeordneten Varelmann auf:
Ist es zutreffend, daß Arbeitnehmer, die einen starken beruflichen Aufstieg hatten und dadurch im späten Alter ein höheres Einkommen verzeichnen, im Rentenalter gegenüber dem letzten Einkommen in ihrem Lebensstandard erheblich absinken?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, diese beiden Fragen hatten Sie bereits in der 5. Wahlperiode am 17. Mai 1968 im Bundestag gestellt. Sie wissen, daß nach geltendem Recht die Rente nach dem Durchschnitt des während des ganzen Arbeitslebens versicherten Entgeltes berechnet wird. Diese Rentenformel haben Sie, Herr Kollege, so gewollt. Allerdings bleiben im Interesse der Versicherten die während der ersten fünf Jahre entrichteten Pflichtbeiträge bei der Ermittlung des persönlichen Vomhundertsatzes regelmäßig außer Betracht. Die Durchschnittsberechnung kann dazu führen, daß bei Versicherten, die erst im vorgerückten Alter beruflich aufsteigen, die Rente im Vergleich zum letzten Arbeitseinkommen verhältnismäßig niedrig ist. Das trifft auch bei einem Teil der Versicherten zu, die ihr Berufsziel auf dem zweiten Bildungsweg erreicht haben, und zwar besonders dann, wenn der zweite Bildungsweg verhältnismäßig spät abgeschlossen worden ist. Daß die letztgenannten Personen im Vergleich zu anderen mit normal verlaufenem Bildungsweg trotz höherer Beitragsleistungen vielfach eine niedrigere Rente erhalten, ist eine Folge der geltenden Regelungen für die Ausfallzeiten.
Ich nehme an, Herr Kollege, daß Ihnen die von dem früheren Bundesarbeitsminister Katzer in Aussicht gestellten Ergebnisse von Untersuchungen dieses Problems nicht mitgeteilt worden sind, da Sie hier die Fragen vom Jahre 1968 noch einmal wiederholen. Der von Ihnen angeschnittene Fragenkreis hat vielfältige sozialpolitische Aspekte, die von der Bundesregierung ernst genommen werden. Die neue Bundesregierung wird einen Bericht über Unzulänglichkeiten im Rentenrecht vorlegen. Bei der parlamentarischen Behandlung dieses Berichtes wird der von Ihnen genannte Sachverhalt zu erörtern sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sobald wie möglich die Nachteile, die aus dem zweiten Bildungsweg erwachsen, zu beseitigen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich habe schon darauf hingewiesen, daß das eine Frage ist, die im Zusammenhang mit dem Problem der Unzulänglichkeiten in der Rentenversicherung erörtert werden soll.
Zweite Zusatzfrage.
Gelegentlich der Rentenreform wurde der Aufwand für die Vergünstigung der Anerkennung von Schulzeiten mit etwa 1,5 bis 1,6 Milliarden DM angegeben. Muß man heute nicht davon sprechen, daß es inzwischen 3,5 bis 3,7 Milliarden DM geworden sind, die daraus für die Rentenversicherung erwachsen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, diese Fragen werden wir ebenfalls im Zusammenhang mit dem Rentenbericht hinsichtlich der finanziellen Bewertungen für die Zukunft erörtern.
Nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht bedauerlich, daß derjenige, der in einer kinderreichen Familie geboren wurde und in einer armen Gegend seinen Berufsweg begann, darunter später noch zu leiden hat und daß sich damit Vorgänge, die 60 oder 70 Jahre zurückliegen, in der Rente noch auswirken?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Das ist damals bei der Rentenreform erörtert worden. Sie haben sich mit Ihrer Fraktion für die Formel, so wie sie ist, entschieden, und im Jahre 1968 hat der damals von Ihrer Fraktion gestellte Arbeitsminister im Grunde genommen noch einmal diese Position erhärtet. Ich will bei dieser Gelegenheit ganz offen sagen, daß Sie sich mit den von Ihnen vorgetragenen Gedanken wie auch in einer Reihe anderer Fragen, die Sie mir in den letzten Wochen gestellt haben, in Ihrer eigenen Fraktion nicht haben durchsetzen können. Ich könnte es heute als Kompliment gegenüber dieser Regierung empfinden, daß Sie von uns mehr soziale Gestaltungskraft erwarten und uns mehr soziale Gestaltungskraft zutrauen als den von Ihnen gestellten Arbeitsministern früherer Jahre. Aber ich füge auch offen hinzu: wir können nicht in wenigen Monaten alles das beseitigen, was sich in den vergangenen Jahren aufsummiert hat.
Herr Staatssekretär, war es nicht so, daß die Rentenreform ein außergewöhnlich großes Finanzvolumen zum Inhalt hatte und man noch nicht die vollen Auswirkungen übersah? Inzwischen sind aber die Verhältnisse so gereift, daß man zu neuen Entscheidungen kommen kann.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, die finanzwirtschaftliche Aufgabe, die Rentenfinanzen vorausschauend zu ordnen, stellt sich im Jahre 1970 genauso, wie sie sich im Jahre der Rentenreform 1957 gestellt hat.
Es werden keine Zusatzfragen mehr gewünscht.
Frage 62 des Abgeordneten Haase ({0}). - Der Abgeordnete ist nicht im .Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Für die Frage 63 gilt dasselbe.
Frage 64 des Abgeordneten Engholm:
ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch durchschnittlich der Anteil der Schwerbeschädigten an der Gesamtheit der Arbeitssuchenden in der Bundesrepublik Deutschland ist?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, die Bundesregierung ist auf Grund der von der Bundesanstalt für Arbeit geführten Statistiken in der Lage, den Anteil der Schwerbeschädigten sowohl an der Gesamtzahl der Arbeitssuchenden als auch an der Gesamtzahl der Arbeitslosen mitzuteilen. Am 30. April 1970 waren danach unter den insgesamt 249 650 Arbeitssuchenden 8267 Schwerbeschädigte; das sind 3,3 %. Unter den 120 550 Arbeitslosen waren 4941 Schwerbeschädigte; das sind 4,1 %. Der prozentuale Anteil der Schwerbeschädigten an der Gesamtzahl der Arbeitslosen ist im ersten Quartal 1970 auf den niedrigsten Stand seit Inkrafttreten des Schwerbeschädigtengesetzes abgesunken. Die absolute Zahl der schwerbeschädigten Arbeitslosen lag am 30. April 1970 nur noch geringfügig über dem bisherigen Tiefststand vom 31. Oktober 1965.
Werden Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Frage 65 des Abgeordneten Hansen:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den in ihren Arbeitsmarktchancen beeinträchtigten Schwerbeschädigten bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes zu helfen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das am 1. Juli 1969 in Kraft getretene Arbeitsförderungsgesetz enthält ein geschlossenes System von Förderungsmöglichkeiten, um Schwerbeschädigten und Behinderten bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes zu helfen. Dazu gehören:
1. Förderung der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung,
2. Einarbeitungszuschüsse an den Arbeitgeber, der einen Behinderten einstellt,
3. vielfältige Eingliederungshilfen, über die ich Sie gern schriftlich unterrichte, um die Zeit hier nicht dafür in Anspruch zu nehmen, sowie
4. Ausbildungszuschüsse an den Arbeitgeber, der Behinderte ausbildet oder umschult.
Über diese individuellen Hilfen hinaus ist die Bundesregierung im Rahmen des Aktionsprogramms zur Förderung der Rehabilitation bemüht, den Behinderten in Beruf und Gesellschaft weitere Chancen zu eröffnen. Dabei geht es in erster Linie um die Schaffung der notwendigen Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, um vor allem die Wartezeiten zwischen der medizinischen Behandlung und dem Beginn der Umschulung abzubauen. Ferner wird besonderes Gewicht darauf gelegt, die Umschulung auf zukunftsorientierte und qualifizierte Berufe auszurichten.
Im übrigen wird die Bundesregierung, wie in dem zitierten Aktionsprogramm angekündigt worden ist, eine Novelle zum Schwerbeschädigtengesetz vorlegen. Alle Behinderten sollen künftig unabhängig von der Ursache der Behinderung in den Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes einbezogen werden.
Für den Personenkreis, der trotz aller Rehabilitationsbemühungen wegen der Schwere der Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr unterkommen kann, sollen in Werkstätten für Behinderte Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Durch den § 61 des Arbeitsförderungsgesetzes ist die Bundesanstalt für Arbeit in der Lage, den Neuund Ausbau derartiger Werkstätten finanziell zu
Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
fördern. Das Ziel der Bundesregierung ist die Schaffung eines bundesweiten Netzes derartiger Werkstätten.
Tiber diese materiellen Hilfen hinaus erachten wir es als notwendig, in der Öffentlichkeit das Verständnis für die Belange der Behinderten zu stärken. Insbesondere sollen die Arbeitgeber mehr als bisher darüber unterrichtet werden, daß der Behinderte bei entsprechender beruflicher Vorbereitung durchaus in der Lage ist, seinen Arbeitsplatz auszufüllen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit - natürlich nur bei entsprechender Qualifikation -, Schwerbeschädigten einen Rechtsanspruch auf die Anstellung im öffentlichen Dienst zu geben, so wie es schon einmal nach dem ersten Weltkrieg im Reichsversorgungsgesetz geregelt war, allerdings da nur für Kriegsbeschädigte?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, diese Fragen werden im Zusammenhang mit der von mir angekündigten Novelle zum Schwerbeschädigtengesetz im einzelnen zu prüfen sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie Zahlen darüber, wieviel Schwerbeschädigte zur Zeit im öffentlichen Dienst beschäftigt werden?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ja, darüber gibt es Zahlen. Nur bitte ich um Verständnis dafür, daß ich sie Ihnen hier nicht im einzelnen mitteilen kann, schon wegen ihres Umfangs. Ich werde sie Ihnen gern schriftlich zukommen lassen.
Ich rufe die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Landesversicherungsanstalten und Sozialgerichte den Anspruch selbständiger Handwerker auf Übergangsgeld gemäß § 1241 RVO deswegen verneinen, weil das Erwerbseinkommen der Handwerker für die Anspruchszeit im Verhältnis dieser Zeit zum Jahreseinkommen berechnet und angerechnet wird?
Ist der Bundesregierung klar, daß nach diesem Berechnungsschema Ansprüche des weitaus grüßten Teils der selbständigen Handwerker auf Übergangsgeld nicht geltend gemacht werden können, und daß damit eine eklatante Benachteiligung dieser zwangsversickerten Handwerker gegenüber den unselbständigen gewerblichen Arbeitnehmern verbunden ist?
Die Fragen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Wagner ({0}) auf. - Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 69 des Abgeordneten Niegel auf:
Billigt die Bundesregierung die Werbeaktionen der Berliner Arbeitsverwaltung zur Abwerbung von Arbeitskräften in grenznahen Gebieten, wie z. B. im standortbenachteiligten oberfränkischen Zonengrenzgebiet, mit allen sich daraus ergebenden Folgen für die dortige Wirtschaft und Bevölkerung?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Niegel, ich stimme Ihnen zu, daß die Werbung für eine Arbeitsaufnahme in Berlin nicht zu einer wirtschaftlichen Schwächung der Zonenrandgebiete führen darf. Von diesem Grundsatz soll auch bei Werbemaßnahmen ausgegangen werden, die der Senat von Berlin in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit durchführt. Die Bundesanstalt für Arbeit sieht sich in Berlin einerseits und in den Zonenrandgebieten andererseits einer jeweils unterschiedlichen Aufgabe gegenüber: einmal Arbeitskräfte für die Berliner Wirtschaft zu gewinnen, zum anderen neue Arbeitsplätze für die Zonenrandgebiete zu schaffen. Dieser letzten Aufgabe hat sich, wie Sie sicherlich wissen, Herr Kollege, die Bundesanstalt mit erheblichen Geldmitteln angenommen.
Um Arbeitskräfte für Berlin zu gewinnen, wurden im Zonenrandgebiet Werbebusse eingesetzt. In dem von Ihnen besonders angesprochenen Raum sind jedoch, soweit ich erfahren konnte, die Arbeitsamtsbezirke Coburg, Hof, Schwandorf und Weiden von dieser Buswerbung vollständig ausgenommen. Erfaßt wurde lediglich der Bezirk Bayreuth, der aber nur teilweise zum Zonenrandgebiet gehört.
Ihre Frage werde ich allerdings zum Anlaß nehmen, die Art und Weise der Werbung in dem von Ihnen genannten Gebiet mit den zuständigen Stellen erörtern zu lassen. Ich darf ergänzend darauf hinweisen, daß ich auf Grund der von mir eingeleiteten Bemühungen gestern von der Bundesanstalt die telefonische Nachricht erhalten habe, daß auch im Arbeitsamtsbezirk Bayreuth inzwischen nicht mehr mit Bussen geworben wird.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, kann man aus Ihrer Antwort schließen, daß künftig solche Werbemaßnahmen in unserem Gebiet zurückgestellt werden?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich werde auf jeden Fall, auch auf Grund Ihrer Intervention, mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, mit dem ich in der nächsten Woche aus anderem Anlaß zusammentreffe, die Art und Weise der Werbung noch einmal erörtern.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, auch unter Berücksichtigung Ihrer letzten Antwort: Stimmen Sie mit mir überein, daß man diese Frage eigentlich grundsätzlich der Bundesanstalt - wegen ihrer besonderen Aufgabe - überlassen sollte
Müller ({0})
und daß man die Strukturen entsprechend den Notwendigkeiten mit Arbeitsplätzen versorgen sollte?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Meinen Sie jetzt die Strukturen im Zonenrandgebiet?
Die Strukturen überhaupt; dazu gehören Berlin, das Zonenrandgebiet und die übrigen Gebiete des Bundesgebietes.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Bundesanstalt die doppelte Aufgabe zu beachten hat, sowohl den Arbeitsmarkt in Berlin als auch die Wirtschaftsförderung in den Zonenrandgebieten zu sehen, und daß die Bundesanstalt wie andere Stellen diese beiden Aufgaben auch sieht. Aber in einem stimme ich Ihnen zu, wenn Sie das meinen, Herr Kollege: daß die beste Gewähr für eine unerwünschte Abwerbung von Arbeitskräften aus dem Zonenrandgebiet dann gegeben ist, wenn es gelingt, die Wirtschaftsstruktur dieses Gebiets nachhaltig zu verbessern. Das ist, wie Sie wissen, auch das Ziel der Bundesregierung. Sie hat deshalb die regionale Strukturpolitik durch die Erstellung von bisher zwölf regionalen Aktionsprogrammen besonders intensiviert.
Frage 70 des Herrn Abgeordneten Dr. Hermesdorf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich für die Schaffung eines internationalen Ausweises für Schwerbeschädigte einzusetzen, der es den Schwerbeschädigten ermöglichen soll, auch im Ausland Schutz und Hilfe zu finden?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, die Bundesregierung steht den Bestrebungen der Beschädigtenverbände, einen internationalen Ausweis für Schwerbeschädigte einzuführen, aufgeschlossen gegenüber. Dieses Vorhaben setzt jedoch eine vorhergehende Einigung darüber voraus, welcher Personenkreis diesen Ausweis erhalten soll. Es gibt, soweit ich sehen kann, noch keine international gültige Definition des Begriffs „Schwerbeschädigter", weder was den Personenkreis noch Art und Umfang der Beschädigung anbelangt. Daher müßten zunächst einheitliche Merkmale festgelegt werden, wobei auch Art und Methode der ärztlichen Begutachtung und andere Einzelfragen auf gesamteuropäischer Ebene neu geregelt werden müßten. Außerdem wären auch Art und Ausmaß der Hilfe, die den Inhabern dieser Ausweise im Ausland zuteil werden soll, näher zu umschreiben.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich der VdK in seinen Bemühungen um die Einführung eines internationalen Ausweises für Schwerbeschädigte schriftlich an die deutschen Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates gewandt hat. Eine Initiative der Beratenden Versammlung auf diesem Gebiet hielte ich für wirkungsvoll. Sie hätte eine breite internationale Grundlage. Die Bundesregierung würde eine entsprechende Empfehlung der
Beratenden Versammlung des Europarates befürworten und sich dafür einsetzen, daß diese Frage in den zuständigen Ausschüssen des Europarates behandelt wird.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie angeben, wann ungefähr wohl die Verhandlungen über diese Frage so weit gediehen sein werden, daß mit der Schaffung eines internationalen Ausweises für Schwerbeschädigte gerechnet werden kann?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Nein, Herr Kollege. Es ist bei internationalen Verhandlungen immer schwierig, einen konkreten Termin anzugeben. Ich habe darauf hingewiesen, daß auch wir es begrüßen würden, wenn es die Beratende Versammlung des Europarates ermöglichen könnte, zu -einer Beschlußfassung in dieser Frage zu kommen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sehen Sie andere Möglichkeiten, um den beabsichtigten Schutzzweck für Schwerbeschädigte im Ausland zu erreichen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Das werde ich prüfen lassen. Es ergibt sich beispielsweise, soweit es die EWG angeht, die Frage, ob auch die Römischen Verträge Ansatzpunkte dafür bieten können, die Europäischen Gemeinschaften damit zu befassen.
Keine Zusatzfrage mehr? - Die Frage 71 des Abgeordneten Pieroth wird vom Bundesminister für Verkehr beantwortet werden. Sie wird zurückgestellt, bis dessen Fragenkomplex aufgerufen wird.
Frage 83 des Herrn Abgeordneten Ollesch! - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, zunächst zur Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle:
Wie gedenkt sich die Bundesregierung gegenüber den sich in der Öffentlichkeit mehrenden Gerüchten über eine erneute Aufwertung zu verhalten?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministers für Wirtschaft: Ich bitte, die Fragen 26 und 27 zusammenfassend beantworten zu dürfen.
Ja, bitte! Dann rufe ich noch die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß eine abwartende oder inoffiziell zustimmende Haltung der Einweg-Spekulation und damit dem erneuten Zustrom spekulativer Auslandsgelder Tür und Tor öffnet?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Pohle, der Bundesregierung sind derartige Gerüchte nicht bekannt. Sie sieht daher auch keinen Anlaß, sich mit ihnen zu beschäftigen.
Im übrigen fand es die Bundesregierung sehr kooperativ, daß diese Anfragen aus einer Woche stärkerer Devisenzuflüsse auf diese Woche der Ruhe an den Devisenmärkten transferiert wurden.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja. Herr Staatssekretär Arndt, wie steht die Bundesregierung zu der Feststellung im neuesten Bundesbankbericht, daß angesichts der Struktur der deutschen Zahlungsbilanz jede reale Basis für wechselkurspolitische Maßnahmen in der Bundesrepublik fehle?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat sich mit diesem Teil des Bundesbankberichtes nicht beschäftigt, da sie derartige valutarische Aktionen nicht vorhat.
Ich habe noch eine Frage, Herr Präsident. Wie steht die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, zu dem vom Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten vom 14. Mai 1970 vorgebrachten Vorschlag, die angeblich zurückgewonnene Geldwertstabilität rechtzeitig außenwirtschaftlich abzusichern, und wann ist nach Ansicht der Bundesregierung der Zeitpunkt dafür gekommen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat sich zu diesem Sachverständigengutachten in ihrem Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht geäußert. Sie hat die gründliche Arbeit des Rates gewürdigt, ist aber auf diesen Punkt nicht besonders eingegangen. Es gab ja auch keinen Grund, darauf besonders einzugehen.
Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Geldner auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Für die Frage 29 des Abgeordneten Geldner gilt dasselbe.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Wittmann auf:
Trifft die Angabe des bayerischen Staatsministers Dr. Heubi bei einer öffentlichen Versammlung in Straubing zu, daß das Volumen aller Investitionsmittel der Bundesregierung für Saarland und Ruhrgebiet 12,5 Milliarden DM im Jahre 1970 betrage, während für das übrige Bundesgebiet insgesamt nur 2,9 Milliarden DM bereitgestellt würden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nach Auskunft des bayerischen Staatsministeriums für Bundesangelegenheiten hat Herr Minister Dr. Heubl in einer öffentlichen Versammlung der CSU in Straubing erklärt, das Investitionsvolumen an Saar und Ruhr betrage rund 12,5 Milliarden DM, während für das gesamte übrige Bundesgebiet nur 2,9 Milliarden DM bereitständen.
Nach Auffassung der Bundesregierung gibt diese Gegenüberstellung Anlaß zu Irrtümern: Erstens handelt es sich bei den 12,5 Milliarden DM für die Steinkohlenbergbaugebiete, vor allem an Saar und Ruhr, um das beantragte Investitionsvolumen, bei den 2,9 Milliarden DM in den Bundesfördergebieten um das bereits genehmigte Investitionsvolumen.
Zweitens resultieren die 12,5 Milliarden DM, darunter übrigens auch einige Beträge für die Kohlengebiete Bayerns, aus dem Zeitraum 1. Mai 1967 bis 1. April 1970. Sie resultieren also aus 35 Monaten, während die 2,9 Milliarden DM im Zeitraum vom 1. Januar 1969 bis 27. April 1970, also in 16 Monaten, genehmigt wurden.
Drittens kann die Investitionsprämie für den Steinkohlenbergbau nur noch bis Ende 1971 in Anspruch genommen werden. Die Investitionszulage für die Bundesfördergebiete gilt jedoch ohne jede Frist. Bei dieser Rechtslage wird das Investitionsvolumen auf Grund dieser Zulage für alle Fördergebiete im Zeitablauf selbstverständlich größer werden als die durch die Investitionsprämie geförderten Investitionen in den Steinkohlenbergbaugebieten.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht auch den Eindruck, daß der Bürger und die Öffentlichkeit sich als völlig falsch informiert betrachten müssen, wenn der Staatsminister Heubi in Straubing gesagt hat, die Bundesregierung vernachlässige Bayern und insbesondere Niederbayern mit den Investitionsmitteln auf das sträflichste, wobei er diese Relation in einem ganz anderen Zusammenhang vorgetragen hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Wittmann, diese Äußerung von Herrn Staatsminister Dr. Heubi ist mir nicht bekannt. Leider war die Bundesregierung schon in den letzten Monaten oder im letzten Jahr gelegentlich gezwungen, sich mit derartigen Vermutungen zu beschäftigen. Aber es konnte in jedem Fall erhärtet werden, daß nach Bayern noch nie so viel Mittel geflossen sind, wie es jetzt der Fall war. Die Zusammenarbeit mit der bayerischen Staatsregierung hat sich auch sukzessive verbessert.
Eine Zusatzfrage, Herr Schneider.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie richtiggestellt haben, daß in der „Straubinger Rundschau" nicht der Begriff „Investitionsmittel", sondern der Ausdruck „Investitionsvolumina" gebraucht worden ist, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, den Fragesteller darüber aufzuklären, welcher Unterschied zwischen beiden Begriffen im Inhaltlichen besteht, und ob Sie bestätigen können, daß die von Herrn StaatsminiDr. Schneider ({0})
ster Dr. Heubi genannten Zahlen mit den einschlägigen Zahlen im Strukturbericht 1970 der Bundesregierung - Drucksache VI/761 - übereinstimmen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich bin gern bereit, das zweite zu bestätigen. Nur sind es unvergleichbare Zahlen, wie ich vorhin, wenn auch zu meinem Bedauern, ausführen mußte. Zweitens glaube ich, dem Kollegen Wittmann ist durchaus klargeworden, daß ein Unterschied besteht zwischen öffentlichen Investitionsmitteln und einem gesamten Investitionsvolumen der Privatwirtschaft, das man mit gewissen Investitionshilfen, nämlich je nachdem 10% oder 15 % dieser Summe, in Bewegung setzt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wittmann.
Ich müßte daraus jetzt entnehmen, Herr Staatssekretär, daß entweder die Angaben von der Presse falsch wiedergegeben wurden oder daß der Herr Staatsminister mit falschen Angaben gearbeitet hat, weil sonst die Darstellung falsch war.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das können Sie halten, wie Sie wollen, Herr Kollege. Ich glaube nur, daß die Pressemeldung durchaus richtig war; denn das Büro des bayerischen Staatsministers hat das bestätigt. Aber in der Pressemeldung war auf das Investitionsvolumen abgestellt. Insofern ist also der verwendete Begriff richtig; nur die Gegenüberstellung ist zur absoluten Information verbesserungsbedürftig gewesen. Ich habe mir erlaubt, das anfangs auszuführen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, wie bringen Sie ihre vorher getane Äußerung, daß noch nie so viele Investitionsmittel nach Bayern geflossen seien, mit der kürzlichen Behauptung der Bundesregierung in der Strukturdebatte des Bundestages in Einklang, daß Bayern nur 4000 Arbeitsplätze in einem Jahreszeitraum gefördert bekommen habe?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wir würden natürlich gern noch viel mehr Anträge aus Bayern genehmigen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugeben, daß die Anfrage des Herrn Kollegen Wittmann falsch formuliert ist, wenn er zunächst von Volumen und dann von den bereitgestellten Mitteln spricht?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich glaube, dazu ist das Notwendige bereits gesagt worden.
Wir kommen zur Frage 31 der Abgeordneten Frau Meermann:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die Öffentlichkeit vor unseriösen Maklern zu schützen?
Bitte, Herr Staatsskretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß mit Hilfe der derzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des Gewerberechts, die Bevölkerung ausreichend vor unseriösen Grundstücksmaklern geschützt werden kann. Sie geht davon aus, daß es beim Maklergewerbe entscheidend auf eine gründliche Überwachung der Betriebe ankommt. Die Möglichkeit für diese Überwachung bieten insbesondere die von den Bundesländern nach der Gewerbeordnung erlassenen Maklerverordnungen.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat aber den Berufsverband „Ring Deutscher Makler" gebeten, ihm Material über eventuelle Mißstände im Maklergewerbe vorzulegen. Sobald dieses vorliegt, wird die Bundesregierung erneut prüfen, ob und welche gesetzgeberischen Maßnahmen notwendig werden können.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in einigen Städten die Zahl der Immobilienmakler sprunghaft anwächst - in Stuttgart gibt es z. B. allein 128 mit einem Büro -, und wären Sie bereit, Untersuchungen über den wirtschaftlichen Hintergrund dieses Ansteigens anzustellen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Selbstverständlich. Wir können das gern übernehmen und Ihnen darüber berichten.
Ist Ihnen weiter bekannt, Herr Staatssekretär, daß die Überwachung der Maklerbetriebe durch die zuständigen Verwaltungsbehörden auf der Grundlage der Maklerverordnungen zu wünschen übrig läßt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Überwachung wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Ich glaube, in dieser Frage müßte man sich doch einmal an die Länder wenden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gnädinger.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Ver3404
waltungskapazität der zuständigen Überwachungsbehörden zu stärken? Gibt es eine Möglichkeit, von der Bundesregierung her darauf einzuwirken?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein. Wir können dies nur anregen, denn das ist eine Angelegenheit, die in die Hoheit der Länder fällt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zur Frage 32 des Abgeordneten Dr. Haack:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Urlaubs- und Erholungseinrichtungen in den Gebieten entlang der Grenze zur DDR zu fördern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Im regionalen Förderungsprogramm der Bundesregierung werden Hilfen für das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für die öffentlichen Einrichtungen des Fremdenverkehrs gewährt. Das Zonenrandgebiet und das bayerische Grenzland haben entwicklungsfähige Fremdenverkehrsgebiete, die mit diesen Hilfen gefördert wurden und auch weiterhin gefördert werden.
Frage 33 des Abgeordneten Dr. Probst:
Wie hoch waren die Gesamtkosten und die Bundeszuschüsse einschließlich eventueller Forderung aus ERP-Mitteln für das RKW-Projekt A/33 „wirtschaftliche und soziale Aspekte des technischen Wandels in der Bundesrepublik Deutschland"?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das RKW-Projekt A/33 wurde allein aus Mitteln des Bundesministers für Wirtschaft finanziert. Die Gesamtkosten für das in den Jahren 1963 bis 1969 bearbeitete Projekt beliefen sich auf rund 2,3 Millionen DM. An der Bearbeitung des Projekts waren fünf Forschungsinstitute beteiligt.
Herr Staatssekretär, Was waren eigentlich die Gründe für diese lange Verzögerung seit 1963?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Mitunter dauern Forschungsarbeiten länger, wenn sie zu einem guten Abschluß gebracht werden sollen.
({0})
- Das kann vorkommen. Nicht alle wissenschaftlichen Forschungen lassen sich gleich schnell erledigen. Wir sind immerhin froh, daß es jetzt abgeschlossen ist.
Frage 34 des Abgeordneten Dr. Probst:
Hält die Bundesregierung die errechnete Freisetzungsquote von 4,2 % ({0}) Erwerbsfähiger bis 1980 für realistisch. und wann gedenkt der beim Bundesministerium für Wirtschaft bestehende Arbeitskreis „Automation" die Auswertung zum RKW-Projekt vorzulegen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Begriff „Freisetzungsquote", Herr Kollege, ist lediglich ein Synonym für die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung je Erwerbstätigen. Entgegen gelegentlichen Befürchtungen indiziert sie nicht das Ausmaß des etwa erforderlichen Berufswechsels.
Der Arbeitskreis „Automation", dem einige Mitglieder des Projektbeirats von A/33 angehören, beabsichtigt keine Stellungnahme zu dem vorliegenden Bericht abzugeben. Er wird jedoch für seinen Schlußbericht das rund 6000 Seiten umfassende Untersuchungsmaterial der Forschungsinstitute auswerten.
Mit welchen wissenschaftlichen Methoden wurde die Freisetzungsquote eigentlich errechnet, Herr Staatssekretär?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das ist derselbe Wert wie die Produktivitätssteigerung je Arbeitskraft. Das können Sie „Freisetzungsquote" nennen. Dabei ist unterstellt: bei einer gegebenen Produktion und gegebenem Produktivitätsfortschritt kann dieselbe Produktion mit soundso viel weniger Menschen im Laufe der Jahre erbracht werden. Das ist natürlich eine Hypothese. Unser Ziel ist, die Produktion zumindest so auszuweiten, daß die Produktivitätssteigerung gesamtwirtschaftlich eben nicht zu einer Freisetzung, sondern zu mehr Wohlstand je Kopf führt.
Halten Sie es dann für berechtigt, daß man hier den Begriff „Freisetzungsquote" überhaupt wählt?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich würde ihn nicht verwenden, denn er bringt die Leute in eine Unruhe, die in keiner Weise gerechtfertigt ist.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, wie verteilt sich der Bundeszuschuß bzw. die Förderung des Projekts aus ERP-Mitteln auf die einzelnen wissenschaftlichen Institute?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich würde Ihnen diese Frage gern schriftlich beantworten; ich weiß es im Augenblick nicht.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Frerichs.
Herr Staatssekretär, da die Förderung des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft seit 1969 nicht mehr im ERP- Wirtschaftsplan, sondern im Bundeshaushalt liegt, darf ich die Frage an Sie richten, ob die BundesreDr. Frerichs
gierung im Hinblick auf die sehr wichtigen produktivitätssteigernden Maßnahmen und Untersuchungen des RKW erwägt, die Zuschüsse im Rahmen des Haushalts des Bundeswirtschaftsministeriums vom Haushaltsjahr 1971 ab, das ja jetzt in der Bearbeitung ist, spürbar zu erhöhen und besonders die Untersuchungen im Bereich „Mensch und Arbeit" zu fördern, da sie besonders geeignet sind, die Produktivität zu steigern.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Frerichs, die Bundesregierung hat über den Haushalt 1971 und über die mittelfristige Finanzplanung noch nicht beschlossen. Der Bundeswirtschaftsminister ist gern bereit, Ihre Überlegungen in diese Beschlußfassung einzubeziehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nach welchen Kriterien und von wem wurden diese Institute ausgesucht?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Auf Vorschlag des RKW, und zwar jedes Institut gemäß dem Spezialbeitrag, der von ihm für die Gesamtuntersuchung erwartet worden ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind die Forschungsergebnisse vom Automationsausschuß nach Branchen unterteilt ausgewertet worden, und wann werden die Ergebnisse publiziert werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Arbeitskreis selbst beabsichtigt, wie ich vorhin erwähnte, keine Stellungnahme abzugeben. Ich weiß nicht, ob er bei seinem Schlußbericht in die Branchenuntersuchungen des Forschungsprojekts seine eigene hineingeben will. Das muß man dem Arbeitskreis selbst überlassen. Aber wir werden das, wenn ich das als Anregung nehmen darf, dem Arbeitskreis mitteilen.
Herr Abgeordneter Geisenhofer, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie wurden die Forschungsergebnisse zum Projekt A/33, Teil Soziologie, im Gesamtbericht verwertet?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es gibt eine Veröffentlichung über das Projekt A/33. Ich nehme an, es wird in diesen Bericht eingegangen sein.
Ich kann keinen rechten Zusammenhang der zuletzt gestellten Fragen mit der Grundfrage feststellen.
Bitte!
Herr Staatssekretär, welche Ergebnisse wurden im Rahmen der RKW-Betriebe im Bereich der Verkehrsbetriebe, insbesondere der Berliner Verkehrsgesellschaft, deutlich?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, ich würde Ihnen empfehlen, den Bericht über das Projekt selbst durchzulesen und die betreffenden Wissenschaftler zu fragen, ob sie über den Bericht hinaus noch etwas wissen, an dem Sie interessiert sind. Die Bundesregierung ist gern bereit, Ihre Anfrage an die Wissenschaftler des Projekts weiterzuleiten.
Die Frage ist erledigt.
Ich rufe die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Meister auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch Stillegungen in Holland, Belgien und Frankreich die Kohleknappheit in der Bundesrepublik auf Grund der steigenden Nachfrage noch größer werden wird?
Welche Auswirkungen sind für die deutsche Wirtschaft zu erwarten, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen?
Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 18. Juni 1970 lautet:
Dies ist der Bundesregierung bekannt.
In welchem Ausmaß infolge der Stillegung in anderen Kohlenbergbauländern ein zusätzlicher Einfuhrbedarf entstehen wird, läßt sich nicht sicher übersehen. Solange in der Gemeinschaft noch keine gemeinsame Einfuhrpolitik für Drittlandkohle besteht, ist völlig offen, ein wie großer Teil dieser möglichen Importnachfrage auf die Bundesrepublik entfallen würde. Bei einem Förderrückgang in den übrigen Bergbauländern der Gemeinschaft in den Jahren 1967-1969 von 12,7 Mio t haben sich die Lieferungen der Bundesrepublik in diese Länder trotz des in dieser Zeit liegenden Konjunkturaufschwungs nur um 1,7 Min t erhöht.
Eine möglicherweise auftretende zusätzliche Nachfrage nach deutscher Kohle läge längerfristig im Interesse des Bergbaus, dessen nach wie vor bestehende Strukturprobleme durch die gegenwärtige Konjunkturlage überdeckt werden. Eine Konzentration der Kohleförderung in der europäischen Gemeinschaft auf die kostengünstigsten Kohlereviere entspricht einer wiederholt gestellten Forderung der Bundesregierung.
Das bestehende energiepolitische Instrumentarium läßt der Bundesregierung für den Fall eines Nachfrageüberhangs hei Kohle genügend Spielraum, das Energieangebot für die Verbraucher zu vergrößern.
Ich gehe zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern über. Frage 2, Abgeordneter Freiherr von Fircks! - Ist Pr im Saal? - Fr ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet,
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Frau Renger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, durch eine entsprechende Ergänzung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz klarzustellen, daß der grundgesetzlich verbürgte Schutz von Ehe und Familie ein besonders wichtiger Belang der Bundesrepublik Deutschland ist, der insbesondere bei solchen ausländerrechtlichen Verfügungen - z. B. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Erlaß einer Ausweisung - beachtet werden muß, die einen mit einem deutschen Ehegatten verheirateten Ausländer betreffen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit beantworte ich Ihre Frage wie folgt. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen auf Grund des Ausländergesetzes ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu berücksichtigen, darunter auch die Ehe mit einem oder einer deutschen Staatsangehörigen. Eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung dieser Gesichtspunkte in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz ist wegen der Vielgestaltigkeit der denkbaren Sachverhalte nicht möglich. Die Erwähnung oder Nichterwähnung des einen oder anderen Gesichtspunktes hat auf den Umfang der von Amts wegen anzustellenden Erwägungen keinen Einfluß.
Ein Hinweis insbesondere auf Art. 6 des Grundgesetzes erscheint im übrigen schon deshalb entbehrlich, weil die Bedeutung dieser Verfassungsnorm für die Entscheidungen über den Aufenthalt von ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist. Aus dieser Grundrechtsnorm ergibt sich, wenn ein Ehepartner Ausländer ist, kein Anspruch darauf, das gemeinschaftliche Eheleben in der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Der grundgesetzlich verbürgte Schutzbereich von Ehe und Familie kann daher durch behördliche Entscheidungen, die einen Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet untersagen, nur berührt werden, wenn es dem deutschen Ehegatten nicht zuzumuten ist, dem Ausländer in seine Heimat zu folgen. Weigert sich dagegen der deutsche Ehegatte ohne wichtigen Grund, den Ausländer zu begleiten, so gefährdet er selbst
und nicht die Ausländerbehörde den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß es in den zugrunde liegenden Fällen, die mir vorliegen, einer deutschen Ehefrau zugemutet werden kann, in ein afrikanisches Land zu gehen, in dem ihr nicht die Möglichkeit gegeben wird, den Lebensunterhalt der Familie mit zu erarbeiten, weil ihr dort keine Arbeitsmöglichkeit gegeben ist, und sind Sie nicht auch weiter der Meinung, daß es außerdem dem Grundsatz der Gleichberechtigung widerspricht, wenn diese Ehefrau gezwungen werden soll, den Wohnsitz ihres Mannes anzunehmen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Renger, ich bin nicht der Meinung, daß dieser Zustand eintreten muß. Denn eine solche nicht mehr vorhandene Lebensgrundlage für die Familie wäre ein wichtiger Grund, die Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik zu erreichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind Sie auch der Meinung, daß der umgekehrte Fall genauso gehandhabt werden würde, nämlich wenn es sich um den deutschen Ehemann handelte, dem zugemutet werden würde, in ein Land zu gehen, in dem er schon deshalb seine Familie nicht ernähren könnte, weil er keine Arbeit finden könnte?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Abgeordnete, im Zeitalter der Gleichberechtigung müssen beide Argumente für beide Teile gelten.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, wer stellt diesen wichtigen Grund fest, von dem die Rede war?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das wird normalerweise im Anhörungsverfahren oder im Verwaltungsverfahren geregelt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich in meiner langjährigen Abgeordnetenpraxis bisher schon viele solcher Fälle zu bearbeiten hatte, erlaube ich mir die Frage: Wird bei der Feststellung des wichtigen Grundes von den Beamten in den Landratsämtern oder bei den Bezirksregierungen auch immer berücksichtigt, daß es auch immer um die Interessen der Kinder geht, die ja schließlich deutsche Großeltern haben und in den Familienbereich ebenfalls mit einbezogen werden sollten?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dröscher, die Bundesregierung kann hier natürlich nicht für alle Landratsämter und Stadtverwaltungen sprechen. Ich hoffe aber, daß dieser Gesichtspunkt ein Bestandteil der Beurteilung des Einzelfalles ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die meisten Ausländerbehörden mit diesen Möglichkeiten sehr restriktiv umgehen und daß dsehalb die Beurteilung des wichtigen Grundes ihnen allein nicht überlassen bleiben dürfte?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, solange die gesetzliche Grundlage nicht geändert wird, kann in dieser Sache nichts anderes als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, diese gesetzlichen Grundlagen zu ändern?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Parlament kann jederzeit die Initiative dazu ergreifen.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Frau Renger auf:
Hält die Bundesregierung die immer häufiger zu beobachtende Praxis der Ausländerbehörden für richtig, die Interessen der deutschen Ehefrau und der Kinder ani Fortbestand der Familie grundsätzlich gegenüber angeblichen Erfordernissen einer „glaubwürdigen Entwicklungshilfepolitik" geringer zu bewerten, wenn dem ausländischen Ehemann zuvor lediglich eine Aufenthaltserlaubnis zu Studien- oder Fortbildungszwecken erteilt worden war?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Ausbildung und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer dient dem Zweck, den Heimatländern zu den qualifizierten Fach- und Führungskräften zu verhelfen, ohne die sie einen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt nicht erreichen können. Es entspricht dem Zweck der Entwicklungshilfe, daß diese Fachleute alsbald nach Beendigung ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer zurückkehren, um ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für den Aufbau ihrer Länder nutzbar zu machen.
Es hat sich indessen gezeigt, daß unter vielen Angehörigen von Entwicklungsländern, die in den Industriestaaten eine Ausbildung oder Fortbildung genossen haben, eine Abneigung gegen die Rückkehr in die Heimat und statt dessen weithin der Wunsch besteht, den Ausbildungserfolg zum Aufbau einer Dauerexistenz in einem wirtschaftlich hochentwickelten Land auszunutzen. Dies ist menschlich begreiflich, insbesondere dann, wenn die Ausgebildeten inzwischen deutsche Frauen geheiratet haben. Dennoch würde, wenn das dauernde Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland in weitem Umfange zugelassen würde, die Zweckbestimmung der deutschen Entwicklungshilfe durchkreuzt werden. Deshalb sind die Ausländerbehörden gehalten, darauf zu achten, daß die Ausgebildeten grundsätzlich nach Abschluß ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer zurückkehren.
Es kommt hinzu, daß die akademische Ausbildung in aller Regel in Fächern erfolgt, für die in der Bundesrepublik Deutschland wegen des bestehenden Mangels an Studienplätzen ein Numerus clausus eingeführt werden mußte. Die Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer blockiert somit, auch wenn sie nicht durch deutsche Stipendien gefördert werden, in entsprechendem Umfang die Ausbildungschancen deutscher Bewerber. Diesen ist das Opfer, auf eigene Studienplätze zu verzichten oder mehrjährige Verzögerungen in Kauf zu nehmen, nur dann zuzumuten, wenn die entwicklungspolitische Zweckbestimmung dieses Ausländerstudiums auch wirklich ernst genommen wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht doch der Meinung, daß Art 6 des Grundgesetzes gegenüber den Zielen der Entwicklungspolitik Vorrang hat und daß dementsprechend die Ausländergesetzgebung so zu ändern ist, daß die Grundsätze des Art. 6 auch formal Berücksichtigung finden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin Renger, die Ausländergesetzgebung in der Bundesrepublik ist in einem Ausmaß liberalisiert worden wie in keinem anderen vergleichbaren Land in der Welt.
({0})
Ich bin nicht sicher, ob das, was noch zusätzlich erreicht werden kann, generell gesetzlich geregelt werden müßte. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß es besser wäre, in Einzelfällen für die betroffenen Familien Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu treffen, als noch zusätzlich eine grundsätzliche Regelung auf dem Gesetzeswege zu schaffen.
Herr Staatssekretär, dann darf ich daraus entnehmen, daß Sie für solche Einzelanweisungen oder Einzelweisungen zugänglich wären und jeden Fall individuell prüfen werden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das geschieht praktisch täglich in unserem Hause, weil die Eingaben sehr zahlreich sind.
Zusatzfrage, Herr Dasch.
Herr Staatssekretär, wird hier in den Bestimmungen die theoretische Ausbildung auf Schulen mit einer fachlich-praktischen Ausbildung in gewerblich-industriellen Betrieben der Bundesrepublik gleichgesetzt?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja.
Zusatzfrage, Abgeordneter Brand.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß es Herkunftsländer von Ausgebildeten gibt, die nach abgeschlossener Ausbildung ihrer Staatsangehörigen in der Bundesrepublik gar nicht in der Lage sind, ihren Staatsangehörigen geeignete und ihrer Ausbildung angemessene Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege, aber diese Frage könnte nur von dem Ressort beantwortet werden, das für die Entwicklungspolitik der Bundesregierung zuständig ist. Ich verfüge nicht über derlei Unterlagen.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, in bezug auf eine Antwort auf meine Frage für Vermittlung zu sorgen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dazu bin ich gern bereit.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, verstehe ich Ihre vorherige Antwort an die Frau Kollegin Renger richtig, daß im Einzelfall das Anliegen der Entwicklungspolitik durchaus hinter den Interessen der beteiligten Ehefrauen und der Kinder zurücktreten kann?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, das ist möglich.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehe ich das richtig, daß es auch andere Rechts- und Lebensgebiete gibt, in denen die Eheschließung keine absolute Sicherheit vor irgendwelchen Beschwernissen anderer Art gibt?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung, ich habe die Frage akustisch leider nicht verstanden.
Ich bin in derselben Lage.
Herr Staatssekretär, sehe ich das richtig, daß es auch andere Rechts- und Lebensgebiete gibt, in denen die Eheschließung den Betreffenden von irgendwelchen Beschwernissen nicht absolut befreit?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, ich bin Ihrer Meinung.
Vielleicht können wir das insoweit korrigieren, daß wir uns darauf einigen, daß zweckhaftes Denken vor Grundrechten zu weichen hat.
Frage 5, Abgeordneter Engelsberger:
Treffen Meldungen zu, wonach der kommunistisch dirigierte Polen-Verband „Zgoda" mit Duldung der Bundesregierung seine Position immer mehr ausbauen kann?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, nach den vorliegenden Informationen hat der „Verband der Polen in Deutschland - Eintracht", genannt Zgoda, seinen politischen Einfluß in letzter Zeit nicht nennenswert ausbauen können. Die Attraktivität dieses Verbandes scheint vor allem darin zu liegen, daß er infolge seiner guten Kontakte zu amtlichen polnischen Stellen faktisch eine Monopolstellung bei der Vermittlung von billigen Reisen nach Polen einnimmt.
Die Formulierung Ihrer Frage, wonach das mit „Duldung der Bundesregierung" geschehe, veranlaßt mich jedoch zu einer Klarstellung. Der „Verband der Polen in Deutschland" genießt, wie jede Vereinigung, den verfassungsrechtlichen Schutz der Vereinsfreiheit. Da seine Mitglieder vorwiegend deutsche Staatsangehörige sind, gelten für ihn auch nicht die Sonderregelungen für die Ausländervereine. Dies hat die Bundesregierung ohne Rücksicht darauf zu respektieren, ob sie mit den politischen Zielsetzung des Verbandes übereinstimmt oder nicht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie in diesen polnischen Plänen, die in der Frage formuliert waren, nicht eine gewisse Gefahr, daß eine Unterwanderung der Bundesrepublik durch Verbände stattfindet, die den deutschen Interessen entgegensteht?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich sehe diese Gefahr nicht.
Frage 6 des Abgeordneten Engelsberger:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Abteilung V des polnischen Außenministeriums Pläne zur Infiltration der polnischen Emigranten in der Bundesregierung Deutschland entwickelt worden sind, und was will die Bundesregierung tun, um diese zu verhindern?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Abteilung V des polnischen Außenministeriums ist nach meinen Informationen für Afrika zuständig. Der Bundesregierung ist aber bekannt, daß andere staatliche Stellen ,der Volksrepublik Polen bemüht sind, auf deutsche Staatsbürger polnischer Abstammung und polnische Emigranten in der Bundesrepublik im Sinne der politischen Auffassungen der polnischen Regierung Einfluß zu nehmen, und daß polnische Regierungsstellen enge Beziehungen zu dem „Verband der Polen in Deutschland" unterhalten. Es ist durchaus üblich und ein legitimes Anliegen jeder Regierung, Verbindung mit ihren Landsleuten oder Personen gleicher Sprache und Herkunft im Ausland zu halten. Die Bundesregierung sieht die Grenzen einer solchen Einflußnahme dort, wo sie die rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unsere Verfassungsprinzipien, oder sonstige wesentliche Interessen des Staates beeinträchtigen. In diesen Fällen wird die Bundesregierung geeignete Mittel und Wege finden, um einer solchen unzulässigen Einflußnahme entgegenzuwirken.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Engelsberger.
Ist die Bundesregierung bereit, diesen Verbänden auf dem Boden der Bundesrepublik ihre Aufmerksamkeit zu widmen und eventuelle verfassungsfeindliche Maßnahmen dieser Verbände entsprechend zu bekämpfen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dazu ist die Bundersegierung gegenüber allen in diesem Lande verpflichtet.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Pensky auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes neben ihren allgemeinen Aufgaben im Wach- und Sicherungsdienst häufig zu Übungen herangezogen werden, die weit über die regelmäßige Dienstzeit hinausführen, ohne daß hierfür eine angemessene Vergütung durch Dienstbefreiung zu anderer Zeit gewährt wird?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Pensky, es ist grundsätzlich nicht zutreffend, daß Polizeivollzugsbeamte des BGS zu Übungen herangezogen werden, die weit über die regelmäßige Arbeitszeit hinausführen, ohne daß hierfür eine angemessene Dienstbefreiung gewährt wird. Falls dies in einem Einzelfall geschehen sein sollte, widerspräche es den bestehenden Rechtsvorschriften und meinem Erlaß vom 29. April 1970, in dem die Kommandeure des BGS ermächtigt worden sind, für mehrgeleisteten Dienst bei Übungen bis zu zwei Tagen Dienstbefreiung zu gewähren. Darüber hinaus sind Samstage, Sonn- und Feiertag, sofern sie mit in die Zeit der Übung fallen, mit je einem Tag Dienstbefreiung zu vergüten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Pensky.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den mir vorliegenden Einzelfall, der allerdings einen größeren Kreis von Polizeivollzugsbeamten betrifft, auf Ihre Aussage hin zu überprüfen und dann entsprechende Weisungen zu treffen, weil nach der bisherigen Gepflogenheit Ihrem Erlaß offenbar nicht entsprochen worden ist?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, mir die Unterlagen zuzustellen, weil ich erst dann in eine Prüfung eintreten kann.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Pensky auf:
Hait es die Bundesregierung für gerechtfertigt, daß ein Mehrdienst von 34 Stunden, der hintereinander unter erschwerten Bedingungen überwiegend während einer Nachtübung abgeleistet wurde, nicht als „erhebliche Mehrbeanspruchung" im Sinne der Arbeitszeitbestimmungen gewertet und deshalb keine Dienstzeitvergütung gewährt wird bzw. daß darauf hingewiesen wird, daß diese Art von mehrgeleistetem Dienst durch die Gewährung von Dienstbefreiung allgemeiner Art ({0}) abgegolten ist?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich würde es für ungerechtfertigt halten, wenn ein Mehrdienst von 34 Stunden der in der Frage bezeichneten Art nicht als erhebliche Mehrbeanspruchung gewertet und dafür keine Dienstbefreiung gewährt würde.
Falls es sich um einen bestimmten Fall handeln sollte, bitte ich, mir diesen näher zu bezeichnen, damit er überprüft werden kann. Ergibt die Prüfung, daß Dienstbefreiung hätte gewährt werden müssen, so wird in unserem Hause das Erforderliche sofort veranlaßt werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Pensky.
Herr Staatssekretär, darf ich in Anbetracht der Tatsache, daß mir auch hierüber Unterlagen vorliegen, von der Annahme ausgehen, daß Sie auch insoweit eine allgemeinverbindliche Weisung treffen, damit solche Fälle, d. h. eine Auslegung Ihrer Weisungen in der geübten Form, nicht mehr vorkommen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Pensky, ich muß in Anbetracht der Tatsache, daß eine allgemeine Anordnung des Hauses bereits ergangen ist, davon ausgehen, daß nach dieser Anordnung verfahren wird. Sollte das im Einzelfall nicht der Fall gewesen sein, wird nach Prüfung der Unterlagen -wenn die Beschwerde zu Recht besteht - danach verfahren werden.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Bauer ({0}) auf. - Er ist ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Wagner ({1}) auf:
Hat die Bundesregierung inzwischen einen Beschluß über Art und Umfang einer Bundeshilfe für die Beseitigung der Hochwasserschäden gefaßt?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Wagner, die Abwehr von Katastrophen und die Beseitigung ihrer Folgen ist grundsätzlich Aufgabe der Länder und kommunalen Gebietskörperschaften. Das ist nach Art. 30 und 104 a des Grundgesetzes so vorgesehen.
Zur Unterstützung der Kräfte der Kommunen und Länder hat die Bundesregierung Einheiten des Technischen Hilfswerkes, der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes zur Hochwasserbekämpfung eingesetzt. Dieser Einsatz hat in vielen Fällen Schadensfolgen verhindert oder vermindert. Gemäß § 63 Abs. 4 BHO ist auf die Erstattung der Kosten für den Einsatz der Bundeskräfte verzichtet worden. Hierdurch hat die Bundesregierung den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften eine erhebliche finanzielle Hilfe geleistet.
Eine weitere finanzielle Hilfe des Bundes für die Behebung der Schäden kommt nur subsidiär in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, daß eine ausreichende Hilfe die Kräfte des betroffenen Landes übersteigen würde und im Einzelfall die Existenz
Parlamentarischer Staatssekretär Dorn
der Geschädigten gefährdet ist. Berücksichtigt werden können nur Schäden von Privatpersonen. Leistungen für Verwaltungsaufgaben oder für Vermögensschäden öffentlicher Körperschaften sind ausgeschlossen.
Nach den bisherigen Mitteilungen der von der Hochwasserkatastrophe im Februar 1970 hauptbetroffenen Länder sind die Schäden nicht so hoch, wie zunächst befürchtet wurde. Die Abstimmung unter den beteiligten Bundesressorts ergab daher übereinstimmend die Auffassung, daß die Länder angesichts ihrer günstigen Finanzlage durchaus in der Lage sind, die entstandenen Schäden ohne Beteiligung des Bundes auszugleichen. Berücksichtigt werden muß auch, daß dem Bund selbst im Bereich der Bundeswasserstraßen im Februar 1970 Schäden von ca. 50 Millionen DM entstanden sind.
Für die Hochwasserkatastrophe im Mai 1970, die insbesondere Mosel und Saar betroffen hat, liegen mir genaue Angaben zu den entstandenen Schäden noch nicht vor. Es kann daher zur Zeit noch nicht gesagt werden, ob hierfür finanzielle Hilfen des Bundes nach dem von mir eingangs erläuterten Grundsatz der Subsidiarität nötig und möglich sind.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung bewußt, daß sie durch Antworten auf Anfragen von Landesbehörden und auch durch Erklärungen hier in der Fragestunde des Deutschen Bundestages zumindest die Hoffnung erweckt hat, daß ihr subsidiäres Eintreten - zusätzlich zu der Hilfe der Länder - über den Verzicht auf die Erstattung der Kosten für den Einsatz der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks hinausgehen würde?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich selbst habe für die Bundesregierung in den Fragestunden dazu Stellung genommen, Herr Kollege. Das, was die Bundesregierung damals hierzu ausgesagt hat, gilt heute unverändert, Das habe ich ja auch noch einmal betont.
Zweite Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß Hochwasserschäden, die in einem einzigen Bundesland, nämlich im Lande Rheinland-Pfalz, in der Größenordnung von 30 bis 40 Millionen DM liegen werden, immerhin doch eine wirklich außergewöhnliche Belastung darstellen und daß daher die Bundesregierung veranlaßt sein sollte, mehr zu tun, als sie bisher angekündigt hat, nämlich eine echte finanzielle Beteiligung des Bundes zu beschließen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann nur sagen, daß das, was uns bisher gemeldet worden ist, eine finanzielle Einschaltung des Bundes nicht erforderlich gemacht hat, sondern daß die eingetretenen Schäden, die bisher gemeldet worden sind, im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips von den Ländern und Gemeinden geregelt werden konnten.
Zusatzfrage, Herr von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Äußerungen entnehmen, daß die Zusage des Bundeswohnungsbauministers ,zur Beseitigung von schweren Gebäudeschäden an der Saar 1 Million DM zur Verfügung zu stellen, damit hinfällig geworden ist?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wenn der Bundesminister für Wohnungsbau eine solche Zusage aus seinem Haushalt gegeben hat, ist das durch unsere Aussage hier nicht betroffen.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Brandt ({0}) auf:
Trifft es zu daß zwischen dem Bundesministerium des Innern und den Innenministerien der Länder eine generelle Regelung darüber getroffen worden ist, wie künftig Einbürgerungsanträge von Angehörigen aus sogenannten Entwicklungsländern behandelt werden sollen, sofern es sich urn Leute handelt, die mil Deutschen verheiratet sind und die zu den sogenannten Allfällen gehören?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Brandt, am 26. Mai hat in meinem Hause eine Besprechung mit den Staatsangehörigkeitsreferenten der Länder stattgefunden. Dabei wurde erörtert, in welchem Maße die Ziele der Entwicklungshilfe durch die Einbürgerungspolitik unterstützt werden können. Es konnte eine weitgehende, aber noch nicht vollständige Übereinstimmung in den grundlegenden Fragen erzielt werden. Ich darf hier daran erinnern, daß in Einbürgerungsangelegenheiten die Bundesländer die Gesetze in eigener Zuständigkeit ausführen. Der Bund ist nur insoweit beteiligt, als seine Zustimmung zu Einbürgerungen erforderlich ist; Weisungen kann er nicht erteilen. Es ist deshalb unerläßlich, Leitsätze auszuarbeiten, die die Billigung aller Bundesländer finden. Nur so ist eine einheitliche Einbürgerungspraxis zu gewährleisten.
Ich bin zuversichtlich, daß eine allerseits akzeptierte Lösung zu erreichen ist. Die Arbeiten in meinem Hause werden mit Nachdruck gefördert, und Sie können davon ausgehen, daß in aller Kürze ein unter den beteiligten Bundesressorts abgestimmter Vorschlag den Ländern zur abschließenden Stellungnahme zugeleitet werden wird.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß dabei die Altfälle eine besondere Würdigung erfahren? Ich meine damit die Leute, die schon seit zehn und mehr Jahren in der Bundesrepublik wohnen.
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie wissen, daß im Rahmen
der Einbürgerungsbestimmungen u. a. eine bestimmte Jahresfrist entscheidende Voraussetzung ist. Sie wissen auch, daß diese Voraussetzung bei zehn und mehr Jahren vorläge und positiv zu entscheiden wäre.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wenn das so ist, Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen, warum die Länder im Augenblick immer wieder darauf verweisen, daß sie darauf warten, daß eine Entscheidung des BMI gerade in bezug auf diese Fälle getroffen werde, und warum sie im Augenblick Gewehr bei Fuß stehen und nichts tun?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Diese Auskunft ist, wenn sie gegeben worden ist, in der Sache falsch.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, hier zu erklären, daß die Differenz, die zwischen einzelnen Ländern und dem Bund besteht - also, daß in einer Anzahl von Ländern die Zehnjahresfrist als die obere Grenze für Personen aus den sogenannten Entwicklungsländern zu gelten hat, ehe sie nach § 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes eingebürgert werden müssen
ausgeräumt wird?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja, das ist so, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Gölter und damit die letzte Frage der heutigen Fragestunde auf:
Wird in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten über die Frage des Besoldungsrückstandes der Beamten, das nach der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 1970 bis zum 31. Dezember 1970 vorgelegt werden soll, auch der Rückstand der Versorgungsempfänger hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung mit einbezogen werden?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Dr. Gölter, der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens über die Frage des Besoldungsrückstandes, den ich mit Billigung der Bundesregierung der Treuarbeit erteilt habe, mußte schon aus zeitlichen Gründen auf die Gehälter der aktiven Beamten beschränkt werden.
Hierzu verweise ich auf den Beschluß dieses Hohen Hauses vom 27. Februar 1970, wonach das Gutachten bis zum 31. Dezember 1970 vorgelegt werden soll. Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß die Versorgungsempfänger durchweg an den allgemeinen Erhöhungen der Besoldung der aktiven Beamten teilgenommen haben. Darüber hinaus wurden die Versorgungsempfänger an Ämterhebungen in den Besoldungsordnungen und an verbesserten Beförderungsverhältnissen im aktiven Bereich durch entsprechende Überleitung oder Stellenplananpassungszuschläge beteiligt.
Es wird geprüft werden, welche Folgerungen aus dem Gutachten über die Frage des Besoldungsrückstandes der aktiven Beamten für die Versorgungsempfänger zu ziehen sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß auf Grund einer Reihe von strukturellen Gegebenheiten ein zusätzlicher Rückstand für die Empfänger beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge gegenüber der übrigen Aktivbesoldung besteht, und ist die Bundesregierung bereit, solche Fakten, die im Zusammenhang mit der Erhebung zutage treten müssen, für ein weiteres Gutachten gleich mit zu erfassen?
Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe gesagt, Herr Kollege, daß die Fragen, die Sie jetzt ansprechen, bis zum 31. Dezember dieses Jahres mit Sicherheit nicht in vollem Umfang geklärt werden können. Daß sich aus dem Gutachten nachher auch Konsequenzen für den anderen Bereich ergeben werden, habe ich bereits angedeutet.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann ist die Fragestunde abgeschlossen.
Damit stehen wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Wir sind nunmehr frei, in die Ferien - das, was wir Sommerpause nennen - zu fahren. Ich wünsche uns allen erholsame und nach Möglichkeit ungestörte Ferien.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 16. September. Die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.
Ich schließe die Sitzung.