Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Fragestunde haben wir noch Überweisungen von Vorlagen vorzunehmen. Das Jahresgutachten 1969 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache VI/100 - und der Jahreswirtschaftsbericht 1970 der Bundesregierung - Drucksache VI/281 - sind gestern im Hohen Hause debattiert, aber am Schluß der Sitzung nicht mehr an die Ausschüsse überwiesen worden. Der Ältestenrat schlägt vor, die beiden Vorlagen an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend und an den Finanzausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 1 auf:
Fragestunde
Drucksache VI/381 Die Frage des Kollegen Josten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird vom Bundesminister der Finanzen beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zunächst rufe ich die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Haack auf:
Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Kenntnisse in der Bundesrepublik Deutschland über die Entwicklung in der DDR zu erweitern?
Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold zur Verfügung. Bitte schön!
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Präsident! Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung sieht in der Erweiterung der Kenntnisse durch objektive Unterrichtung unserer Bevölkerung über die Entwicklung in der DDR eine wichtige und dringende Aufgabe. Die dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erstrecken sich, kurz zusammengefaßt, auf folgende Bereiche:
1. Zusammenarbeit mit Presse, Funk, Fernsehen und Film über die aktuelle Unterrichtung hinaus, insbesondere durch Versorgung mit Arbeitsunterlagen sowie mit dokumentarischem Material;
2. Zusammenarbeit mit den verschiedensten Organisationen, Verbänden und Bildungsstätten, auch und gerade mit Jugend-, Studenten- und Schülerorganisationen, insbesondere durch Förderung politischer Bildungstagungen, Seminare und Vortragsveranstaltungen;
3. weitere Informationen durch Ausstellungen, Filmveranstaltungen und Dokumentationen für Lehrzwecke;
4. Förderung und Herausgabe von Publikationen, insbesondere Dokumentationen, Analysen, Informationsschriften und Merkblättern;
5. Förderung von Studienfahrten nach Berlin und an die Demarkationslinie;
6. Förderung innerdeutscher Begegnungen auf allen Ebenen.
Ich darf betonen, daß die Bundesregierung dabei ist, ihre Arbeit auf dem Gebiet der Informations- und Offentlichkeitsarbeit sowie der politischen Bildung gerade im Hinblik auf die Kenntnisse über die Entwicklung in der DDR weiter zu verstärken und vor allem in der Qualität noch mehr anzuheben.
Herr Kollege Dr. Haack zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie mit mir darin übereinstimmen, ,daß die Information über die Entwicklung in der DDR bei uns in der Bundesrepublik bisher unzureichend gewesen ist?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Herr Kollege Dr. Haack, wir müssen sie dringend weiterentwickeln und verbessern.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Kollegen Dr. Haack auf:
Wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß in der politischen Bildungsarbeit - vor allem in der Schule - die Information über die Entwicklung in der DDR einen wichtigen Platz erhält und an den Hochschulen der Bundesrepublik
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Deutschland Lehrstühle für DDR-Forschung in den verschiedenen Disziplinen geschaffen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Die Information über die Entwicklung in der DDR wird auch im Rahmen der politischen Bildungsarbeit von der Bundesregierung mit Nachdruck gefördert. Besonders in den beiden letzten Jahren ist das Informationsbedürfnis stark angestiegen. Dies gilt besonders für unsere junge Generation.
Darüber hinaus darf ich darauf hinweisen, daß neben der außerschulischen politischen Bildungsarbeit zur Deutschlandfrage in meinem Haus zur Zeit verschiedene Projekte entwickelt werden, die vor allem das Informationsbedürfnis an den Schulen befriedigen und die Kenntnisse der Schüler auch über die Entwicklung in der DDR erweitern sollen. Ein Gespräch mit den Kultusministern der Länder über diesen Bereich unserer Arbeit wird in Kürze stattfinden; es ist in Vorbereitung.
Hervorzuheben ist im Zusammenhang mit der Informations- und politischen Bildungsarbeit das, wie ich schon sagte, zunehmend starke Interesse der Schüler und Jugendlichen an den DeutschlandHäusern und Informationszentren, die von uns neu entwickelt und deren Einrichtungen und Maßnahmen von meinem Hause in den letzten Jahren in mehreren Orten gefördert wurden.
Was die Schaffung von Lehrstühlen für DDR-Forschung anbelangt, so ist die Bundesregierung für diese Anregung sehr dankbar. Sie wird diesen Komplex mit den beteiligten Ressorts eingehend erörtern; denn jede Bemühung in dieser Richtung bringt beachtliche Kosten mit sich. Vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen wird schon seit längerem eine Initiative zur systematischen Förderung der vergleichenden Untersuchung der wirtschaftlichen, soziologischen, rechtlichen, politischen und verfassungsmäßigen Entwicklung in den beiden Teilen Deutschlands vorbereitet.
Diese Initiativen werden im Einvernehmen mit den Ländern sicherlich auch zur Einrichtung von Lehrstühlen ich darf aber hier einschränken: allerdings nicht nur für DDR-Forschung, sondern auch für vergleichende Deutschlandforschung - auf den angesprochenen Gebieten führen. Bisheriges Ergebnis der Überlegungen ist jedoch, daß die Hauptform einer stark vom Bund mitgetragenen Förderung solcher Forschung nicht die bloße Etablierung von Lehrstühlen, sondern die Förderung von interdisziplinären Forschungsgruppen an einzelnen Universitäten sein könnte.
Herr Kollege, haben Sie eine Frage?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Verbesserung der Information über die DDR gerade in der jetzigen Phase der Deutschlandpolitik von ganz entscheidender Bedeutung ist?
Herold, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen: Selbstverständlich.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Für die Antworten steht der Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Die Frage 129 des Kollegen Wurbs wird vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft beantwortet und bei seinem Geschäftsbereich aufgerufen.
Ich rufe die Frage 130 des Kollegen Lemmrich auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, Tieflugübungen von Düsenflugzeugen der Deutschen Luftwaffe nicht übel dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern über der Sahara durchzuführen?
Der Herr Kollege ist im Saal. Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage folgendermaßen. In einem Einsatzfall müssen die Flugzeuge unserer Luftwaffe tief fliegen, um der feindlichen Abwehr zu entgehen. Tiefflug muß in dem Gebiet geübt werden, in dem möglicherweise ein Einsatz durchgeführt werden muß. Da einerseits Landschaftscharakter und Wetterbedingungen in der Sahara völlig anders sind als in der Bundesrepublik Deutschland, andererseits ein eventueller Einsatz der Luftwaffe mit hoher Wahrscheinlichkeit über der Bundesrepublik Deutschland oder sonst in Mitteleuropa erfolgen wird, ist Tiefflugausbildung in der Sahara für unsere Luftwaffe wenig sinnvoll.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Lemmrich.
Herr Staatssekretär, da dieser Vorschlag nicht von mir, sondern von Herrn Bundes wohnungsbauminister Lauritzen stammt, der am 4. September 1969 in einer SPD-Versammlung in Nördlingen auf Fragen von Bürgern, die sehr unter dem Lärm von Tieffliegern leiden, erklärte, die Düsenjäger sollten doch in der Sahara trainieren, denn für solche schnellen Flugzeuge sei das kein weiter Weg, möchte ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob der Herr Bundeswohnungsbauminister dieses Problem und diesen seinen Vorschlag Ihrem Hause schon einmal unterbreitet hat.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Lemmrich, ich bin nicht in der Lage, hier mit Ja oder Nein zu antworten. Ich werde meinen Kollegen Lauritzen befragen und Ihnen danach einen Brief schreiben. Im Moment bin ich überfragt.
Bitte, Herr Kollege Lemmrich!
Herr Staatssekretär, wären Sie also bereit, Ihren Kollegen Lauritzen aufzuklären, damit er in Zukunft nicht mehr solche falschen Hoffnungen auf politischen Versammlungen erweckt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Lemmrich, Aufklärung fällt in das Gebiet von Frau Strobel.
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Aber ich bin gern bereit, Herrn Lauritzen zu informieren und mich mit ihm zu unterhalten. Sachlich kann ich mit der Äußerung, sofern sie wirklich so gefallen sein sollte, nicht übereinstimmen. Ich bleibe bei der Antwort, die ich konkret auf Ihre Frage gegeben habe.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 131 des Kollegen Schirmer, auf. Ist der Herr Kollege im
Saal?- Das ist nicht der Fall. Dann wird die Frage
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 132 des Kollegen Schultz auf:
Unter welchen Voraussetzungen können Arbeitnehmer bei abgelegenen Dienststellen der Bundeswehr auch dann Trennungsgeld erhalten, wenn sie nicht umzugswillig sind?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ist es möglich, daß ich die Fragen 132 und 133 gemeinsam beantworte?
Herr Staatssekretär, das liegt beim Fragesteller. - Er ist offensichtlich einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 133 auf:
Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Besitzstandsregelung zugunsten der Arbeitnehmer vorn Dezember 1968?
Bitte schön!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Arbeitnehmern darf nach der Trennungsgeldverordnung Trennungsgeld nur gewährt werden, wenn sie umzugswillig, aber wegen Wohnungsmangel gehindert sind, an den Dienstort umzuziehen. Sie sind verpflichtet, sich fortgesetzt um eine Wohnung zu bemühen und jede gebotene Gelegenheit zur Erlangung einer angemessenen Wohnung auszunutzen. Arbeitnehmer bei einer abgelegenen Dienststelle der Bundeswehr können daher ohne Umzugswilligkeit kein Trennungsgeld erhalten.
Zur zweiten Frage antworte ich folgendermaßen, Herr Kollege Schultz. Nach der Besitzstandsregelung vom Dezember 1968 erhalten Arbeitnehmer, die am 31. 12. 1966 einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Fahrtkostenersatz und Verpflegungszuschuß nach Erlaß vom 4. 2. und 10. 6. 1959 hatten, diese Leistungen weiter. Dies setzt voraus, daß die tatsächlichen Verhältnisse, die am 31. 12. 1966 im Einzelfall bestanden haben, weiterhin vorliegen. Insoweit braucht der Arbeitnehmer nicht umzugswillig zu
sein, weil bei der Erlaßregelung von 1959 auf Grund der damaligen Rechtslage von diesem Erfordernis abgesehen werden konnte.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß über diese Frage ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht in Würzburg schwebt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist mir bekannt, Herr Kollege Schultz.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß das, was Sie hier eben in der Fragestunde gesagt haben, dein Fragesteller, der sich schrittlich an Ihr Haus gewandt hat, von Ihrem Hause hätte mitgeteilt werden können, und daß es nicht genügt, wenn man dem Abgeordneten antwortet: Hier schwebt ein Rechtsstreit, und wir wollen keine Stellungnahme abgeben, bevor dieser Rechtsstreit abgeschlossen ist?
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir in der Auffassung überein, daß die Meinung Ihres Hauses doch bekanntgegeben werden sollte, unabhängig davon, was bei dem Rechtsstreit herauskommt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Meinung der Regierung, Herr Kollege Schultz, habe ich hier eben bekanntgegeben, und diese Meinung gilt auch. Nichtsdestoweniger ist es, glaube ich, nicht zweckmäßig, die Einzelpersonalia bis in die Fragestunde des Bundestages zu verfolgen.
Ich stimme mit der Abteilung des Hauses überein, die Ihnen in einem Brief mitgeteilt hat, daß Ihnen nach Entscheid des Rechtsstreits mitgeteilt wird, wie das Urteil ausfällt. Ein Gericht könnte auf die Idee kommen, daß eine vorzeitige Festlegung vor dem Parlament eine Einmischung in ein schwebendes Verfahren bedeuten könnte.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schultz.
Darf ich aus dieser Antwort, Herr Staatssekretär, schließen, daß das Haus nicht befugt ist, die Meinung, die Sie eben vertreten haben, dem Abgeordneten gleich schriftlich mitzuteilen? Dann hätte ich mir ja die Frage hier erspart. Glauben Sie nicht, daß Ihre Antwort, die Sie jetzt hier gegeben haben, dann ebenfalls so ausgelegt werden kann?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Da sind Sie völlig
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
richtig informiert. Ich teile Ihre Auffassung, Herr Kollege Schultz, und bitte nur um etwas Verständnis dafür, daß der Parlamentarische Staatssekretär ganz gern weiß, was zwischen dem Bundesverteidigungsministerium aus den einzelnen Abteilungen und Referaten heraus mit den einzelnen Abgeordneten schriftlich vereinbart und festgelegt wird. Das ist der Grund dafür, daß ich Ihnen lieber hier antworte oder aber solche Briefe in der Mehrzahl der Fälle auch selbst unterschreibe, obgleich das eine erhebliche Tätigkeit am Schreibtisch erfordert.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 134 des Kollegen Leicht auf:
Ist der Bundesminister der Verteidigung in Zukunft bereit, den dritten Sohn einer Familie, deren beide älteren Söhne schon den vollen Wehrdienst abgeleistet haben - wie z. B. in dem von der Presse veröffentlichten Fall des 21jährigen H. Heidenblut aus Billingheim-Ingenheim, Landkreis Landau -, sofort nach Ableistung des Grundwehrdienstes zu entlassen oder ganz vom Wehrdienst zu befreien?
Der Fragesteller ist im Saal. Bitte, Herr Staatssekretär!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Leicht, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Auf die Einberufung eines Wehrpflichtigen kann nicht deshalb verzichtet werden, weil bereits mehrere Brüder Wehrdienst geleistet haben. Ein solcher Verzicht würde auf eine Befreiung vom Wehrdienst hinauslaufen. Die Befreiungstatbestände sind jedoch im Gesetz abschließend geregelt. Es besteht nicht die Absicht, eine diese Tatbestände erweiternde Gesetzesänderung vorzunehmen.
Der Verzicht auf die Einberufung in derartigen Fällen würde im übrigen auch dem erklärten Ziel der Bundesregierung zuwiderlaufen, möglichst alle tauglichen Wehrpflichtigen zum Wehrdienst oder einem vergleichbaren anderen Dienst heranzuziehen.
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Wie die Praxis der Wehrersatzbehörden zeigt, wird in Einzelfällen durch die Zurückstellung vom Wehrdienst geholfen, wenn Gründe vorhanden sind, die die Einberufung als besondere Härte im Sinne der Vorschriften des Wehrpflichtgesetzes erscheinen lassen. Die Tatsache allein, daß bereits mehrere Brüder eines Wehrpflichtigen gedient haben, reicht für eine Zurückstellung nicht aus. Der Soldat, den Sie in Ihrem Brief genannt haben und dessen Fall von Ihnen angesprochen ist, kann deshalb auch nicht vorzeitig, wie Sie, Herr Kollege, wohl meinen, aus dem Wehrdienst entlassen werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Leicht.
Herr Kollege Berkhan, bevor das Ziel in der Bundesregierung erreicht ist, daß alle tauglichen Wehrpflichtigen zum Wehrdienst einberufen werden können, müßte es doch möglich sein, in solchen Fällen, in denen sich in der Regel auch noch Überschneidungen ergeben, dafür zu sorgen, daß ein anderer tauglicher Wehrpflichtiger, der nicht eingezogen wird, an die Stelle eines solchen Mannes tritt.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Leicht, ich kann Ihre Frage und auch die Motivation dieser Frage durchaus verstehen. Aber ich darf Sie daran erinnern, daß Sie aus den Antworten in der Fragestunde - und vielleicht ist der Kollege Mursch so liebenswürdig und zeigt Ihnen den langen Brief, den ich an ihn geschrieben habe - entnehmen können, daß heute nur etwa 6,5 % der tauglichen. Wehrpflichtigen aus solchen Härtefällen nicht herangezogen werden. Wir sind nicht mehr in der Situation, daß wir - darf ich das so salopp sagen - aus einem vollen Topf Tauglicher schöpfen können, sondern wir sind an der Grenze der Möglichkeiten angelangt. Daher muß schärfer ausgeschöpft werden als in den Jahren, auf die Sie sich anscheinend beziehen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Leicht.
Glauben Sie nicht, Herr Kollege Berkhan, daß - und ich kenne die gesetzlichen Bestimmungen - durch verwaltungsinterne Verfahren doch die Möglichkeit geschaffen sein müßte, daß in solchen Fällen, solange und wenn auch nur 6 % Tauglicher nicht eingezogen werden, geholfen werden kann?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Möglichkeit ist gegeben, wenn eine besondere Härte vorliegt. In diesem konkreten Fall ist das mehrfach geprüft. Die verantwortlichen Beamten sind im Bereich ihrer Ermessensentscheidung nicht zu dem Ergebnis gekommen, daß eine besondere Härte vorliegt.
Ich rufe die Frage 135 des Kollegen Kreutzmann auf. - Ich sehe ihn nicht im Saal, obwohl ich ihn noch unmittelbar vor Beginn der Plenarsitzung im Innenausschuß gesehen habe. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 136 des Kollegen Pawelczyk auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Unteroffizieren der Bundeswehr das Recht einzuräumen, sich für die Laufbahngruppe der Offiziere zu bewerben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, ich beantworte die Frage folgendermaßen. Jeder Soldat hat heute schon grundsätzlich das Recht, den Zugang zu einer bestimmten Laufbahn zu beantragen, wenn er die hierfür vorgeschriebene Laufbahnvoraussetzung nach der Soldatenlaufbahnverordnung und den ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung erfüllt. Dies gilt auch für
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
den Aufstieg von Unteroffizieren in die Laufbahngruppe der Offiziere. Die Richtlinien für die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes gehen davon aus, daß die geeigneten Unteroffiziere von ihren Disziplinarvorgesetzten zur Zulassung vorgeschlagen werden. Dies schließt jedoch nicht aus, daß auch jeder Unteroffizier selbst die Zulassung beantragen kann. Eine Klarstellung dieses Sachverhalts durch einen entsprechenden Hinweis an die Truppe ist bereits veranlaßt.
Ist Ihre Frage damit beantwortet? Ich rufe die Frage 137 des Kollegen Susset auf:
Entspricht es den Bemühungen nach weitgehendster Wehrgerechtigkeit, wenn Wehrpflichtige - z. B. Abiturienten, die vor der Einberufung in keinem Arbeitsverhältnis stehen konnten -, die zum 1. Oktober eines Jahres zur Ableistung ihres Wehrdienstes einberufen werden, sich dann im November/Dezember verpflichten und zum Soldaten auf Zeit ernannt werden, dadurch finanzielle Nachteile erleiden, daß der Bund als Arbeitgeber unter Berufung auf Antragsstellungsfristen es ablehnt, auf entsprechende Anträge z. B. von Zeitsoldaten noch im November oder Dezember Teile von deren Verdienst als vermögenswirksame Leistung auf abgeschlossene Bausparverträge oder prämienbegünstigte Sparverträge zu überweisen?
Ist der Kollege im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Anträge auf vermögenswirksame Anlage von Teilen der Dienstbezüge werden wie sonstige Änderungen in den persönlichen und dienstlichen Verhältnissen bearbeitet. Die Soldaten auf Zeit sind dabei den Berufssoldaten und den Beamten völlig gleichgestellt. Dem Arbeitgeber muß eine angemessene Zeit zur Prüfung und buchhalterischen Bearbeitung der Anträge eingeräumt werden. Da außerdem die Dienstbezüge monatlich im voraus gezahlt werden, könnten Teile der Dezember-Bezüge 1969 nur dann vermögenswirksam angelegt werden, wenn die Anträge his spätestens 3. November bei dem zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt gestellt wurden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Susset.
Sehen Sie keine Möglichkeit, in besonders gelagerten Fällen hier einen kürzeren Zeitraum zu ermöglichen?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Susset, es ist für mich sehr schwer zu antworten. Als Abgeordneter würde ich sagen, ich sehe eine Möglichkeit; aber als ein Mann, der jetzt ein paar Wochen Einblick in eine schwer arbeitende Verwaltung hat, muß ich Ihnen sagen: vom 3. November bis zum Ende des Jahres ist keine allzu lange Zeit, um so komplizierte Verwaltungsvorgänge vornehmen zu können.
Wenn jemand in einem Privatbetrieb beschäftigt ist, kann er unter Umständen - auch in einem größeren Betrieb - noch
am 20. Dezember vermögenswirksame Leistungen erhalten, und deshalb meine Frage: Sehen Sie es nicht gerade im Zusammenhang mit der so viel angesprochenen Wehrgerechtigkeit als eine Ungerechtigkeit an, .daß man in den in meiner Frage aufgeworfenen Fällen doch nicht ausreichend versucht, Möglichkeiten zu finden, diese vermögenswirksamen Leistungen zu gewähren.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Susset, es steht mir nicht an, hier Zensuren zu erteilen. Aber bitte, vermischen Sie nicht die Frage der Wehrgerechtigkeit mit der Frage der Vermögensbildung. Hier muß sich die Bundesregierung bemühen, für den öffentlichen Dienst möglichst die gleichen Voraussetzungen wie für die anderen Staatsbürger zu schaffen. Wir werden uns bemühen und ich hoffe, daß in diesem Zusammenhang auch der Zeitraum für die Verwaltungsarbeiten etwas verkürzt wird. Ich habe eine Bitte an Sie: Machen Sie die Gesetze so einfach, daß unsere Beamten auch einfach mit ihnen hantieren können.
Der Herr Kollege Dröscher hat seine Frage 138 zurückgezogen.
Ich rufe Frage 139 des Kollegen Pieroth auf:
Wie ist der Widerspruch zu erklären zwischen der dem Abgeordneten Pieroth durch den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung am 21. Januar 1970 erteilten Auskunft, der Bundesverteidigungsminister könne wegen Terminüberlastung nicht nach Baumholder kommen, und der vom Bundesminister der Verteidigung dem Abgeordneten Dröscher schon einige Tage vorher erteilten Zusage, er werde doch nach Baumholder kommen, und darf nun damit gerechnet werden, daß der Minister bestimmt diesem Wunsch der Bevölkerung entsprechend persönlich nach Baumholder kommen wird?
Bitte schön!
({0})
- Herr Kollege, ich wünsche, daß in der Fragestunde möglichst viele Fragesteller ihre Frage mündlich beantwortet erhalten. Ich rufe die Frage des Kollegen Pieroth auf.
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- Nein, Herr Kollege, Sie hatten sich leider nicht rechtzeitig gemeldet. - Bitte!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Pieroth, zunächst darf ich einmal darauf hinweisen, daß es dem Herrn Bundesminister der Verteidigung aus Termingründen zur Zeit leider nicht möglich ist, dem Truppenübungsplatz Baumholder einen längeren Besuch abzustatten, bei dem an Ort und Stelle alle zu erörternden Fragen besprochen werden könnten. Dem Abgeordneten Dröscher hatte der Bundesminister der Verteidigung am 16. Januar 1970 lediglich mitgeteilt, er sei „grundsätzlich gern bereit", für das kommende Frühjahr einen Truppenbesuch bei der Artillerieschule Idar-Oberstein mit Abstecher nach Baumholder einzuplanen.
Wie Sie aus dieser Formulierung ersehen wollen, steht der bisher zeitlich noch nicht verbindlich festgelegte Truppenbesuch in Idar-Oberstein im Vorder1340
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
grund. Dabei wird der Bundesminister der Verteidigung die Zeit für einen Besuch in Baumholder zu finden versuchen, um den Wünschen der dortigen Bevölkerung entsprechen zu können.
Herr Kollege, eine Zusatzfrage. Bitte schön!
Heißt „grundsätzlich bereit" also „höchstwahrscheinlich nein", obwohl in der Presse in Baumholder dieses „grundsätzlich nein" von meinem Kollegen Dröscher als ein volles Ja interpretiert worden ist, und ist mit dieser Ihrer Auskunft das Vertrauen, das ich in Ihre Auskünfte hier im Deutschen Bundestag haben kann, wiederhergestellt, obwohl es mir, weil Sie ja die nachfolgende Antwort mit dem Nein gegeben haben, wesentlich lieber wäre, es würde in diesem Fall die erste Antwort, die des Ministers, gelten, daß der Minister nämlich tatsächlich kommt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, „grundsätzlich bereit" heißt ja nicht „grundsätzlich nein". Ich habe gestern mit dem Minister Schmidt über diesen Fall noch einmal gesprochen; er wird sich bemühen, die Wünsche der Bevölkerung und auch Ihre Wünsche, Herr Kollege, zu erfüllen. Ich bin nicht sicher, daß es gelingen wird, alle Standorte der Bundeswehr besuchen zu können und mit allen Kreisen der Bevölkerung, die sich durch die Bundeswehr erfreut oder beschwert fühlen, sprechen zu können, aber man wird sich im Bundesministerium der Verteidigung Mühe geben.
Herr Kollege Pieroth, eine letzte Zusatzfrage.
Da der Bevölkerung in Baumholder - und um die geht es uns jetzt - infolge des wirtschaftlichen Rückstandes, der dort aufzuholen ist, auch durch einen Besuch des Ministers von vielleicht nur zwei Stunden viel Auftrieb und den dortigen Behörden neue Impulse gegeben werden können, möchte ich fragen: Würden auch Sie, Herr Staatssekretär, Ihre Antwort, die Sie mir in der Fragestunde klar mit Nein geben mußten, jetzt eventuell etwas anders interpretieren und unseren Wunsch doch sehr unterstützen können?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, Sie machen mir das Leben leicht. Ich werde meine Antwort modifizieren. Ich sage Ihnen: ich werde den Minister auf die Dringlichkeit seines Besuches in Idar-Oberstein und Baumholder hinweisen. Ich verspreche Ihnen, daß ich den Terminkalender so verfolgen werde, daß ich bei einer Möglichkeit für diesen Besuch darauf aufmerksam mache.
({0})
Meine Damen und Herren, ich sehe ungeahnte Möglichkeiten für die Fragestunde, wenn die Besuche von amtierenden Bundesministern durch die Fragestunde herbeigeführt oder beschleunigt werden. Ich wünsche dem Hohen Haus dabei guten Erfolg.
({0})
Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Griesinger.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Frau Kollegin, darf ich die Fragen 140 und 141 im Zusammenhang beantworten?
Sie sind einverstanden. - Dann rufe ich die Fragen gemeinsam auf:
Trifft es zu, daß die Angehörigen der Bundeswehr im Rahmen der Truppenverpflegung vorwiegend ausländisches Obst, wie Citrusfrüchte, Bananen ect., zugeteilt bekommen?
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Angehörigen der Bundeswehr im Rahmen der Truppenverpflegung hochwertiges deutsches Obst in verstärktem Umfang zukommen zu lassen, um damit auch zum Abbau des Überangebots an einheimischen Früchten, insbesondere an Äpfeln, beizutragen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zur ersten Frage: Nein, die Standortverwaltungen beschaffen überwiegend deutsches Obst.
Zur zweiten Frage! Die Bundeswehr trägt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Abbau von Überangeboten an deutschem Obst bei. Während einer Apfelschwemme beispielsweise decken die Standortverwaltungen den Obst- und Südfrüchteanteil an der Truppenverpflegung vermehrt durch den Ankauf von Äpfeln. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Bundeswehr mit ihren rund 360 000 Verpflegungsteilnehmern, die auf mehrere hundert Standorte verteilt sind, kaum als Großverbraucher auf dem Lebensmittelmarkt angesehen werden kann. Der Anteil, den die Standorte am Abbau von Überangeboten haben, ist dementsprechend gering.
Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Griesinger.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir eine Antwort darauf zu geben, wieso Sie mir eine so kurze Antwort auf die erste Frage geben konnten - nämlich „nein" -nachdem ich in Erfahrung bringen konnte, daß einige Standortverwaltungen bzw. Kasernen tatsächlich vorwiegend ausländisches Obst an ihre Soldaten zum Nachtisch ausgegeben haben?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Gnädige Frau, ich kann aus dem Schriftwechsel, den Sie mit dem Ministerium geführt haben, nicht entnehmen, wo diese Standorte sind. Wenn Sie sie mir angeben, werde ich durch die Verwaltung nachprüfen lassen, ob die Angaben, die hier gemacht werden, den Tatsachen entsprechen, und es werden Änderungen vorgenommen.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Kollegin.
Darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, im baden-württembergischen Raum und vor allem im badischen Raum die dort stationierten Bundeswehrsoldaten zu befragen, ob es dort nicht in der Hauptsache zutrifft, weil das gerade die Gegenden sind, wo vornehmlich einheimisches Obst angefallen ist und der Transport in die Küchen sehr kurz und billig gewesen wäre?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, ich halte den Weg, die Soldaten zu befragen, nicht für zweckmäßig. Das ist eine Frage, die mit der Verwaltung geklärt werden kann.
({0})
Meine Bereitschaft dazu liegt vor.
Herr Kollege Josten, Sie haben sich zu einer weiteren Zusatzfrage gemeldet.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in Ihrem Hause überprüfen zu lassen, inwieweit besonders in der Erntezeit mehr Obst als bisher bei der Truppenverpflegung angeboten wird?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Josten, als Handwerksmeister wissen Sie, daß Truppendienst und körperliche Arbeiten eine bestimmte Ernährungsweise erfordern, die nicht ausschließlich - wie bei korpulenten Kollegen des Hauses auf Obst abgestellt werden kann.
({0})
Die jungen Soldaten können zu Recht erwarten, daß sie eine normale, gängige Familienkost erhalten. Bei Ihren Truppenbesuchen haben Sie ja selbst festgestellt, daß wir uns bemühen, nach der Hauptmahlzeit, nach der Mittagsmahlzeit jedem Soldaten einen Apfel, eine Banane, eine Apfelsine oder eine Birne oder aber Tagesobst, welches gerade zur Verfügung steht, zur Verpflegung anzubieten.
Ich möchte davor warnen, die Soldaten dazu mißbrauchen zu wollen, eine Überproduktion in dieser oder jener Sparte verkonsumieren zu müssen.
({1})
Herr Kollege Jung, eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist es für Sie bei der Beantwortung der Frage von Frau Kollegin Griesinger hilfreich, wenn ich Ihnen sage, daß ich bei einer Kurzwehrübung in der vergangenen Woche bei fünf Truppenverpflegungen viermal deutsches Obst, und zwar Äpfel und Birnen, als Nachtisch bekommen habe?
({0})
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Glücklicher Kollege Jung! Ich war so an den Schreibtisch gefesselt, daß ich nur einmal einen Apfel in einem Standort essen konnte; aber der gehörte auch zur Truppenverpflegung.
({1})
Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Moersch.
Herr Kollege Berkhan, halten Sie es nicht für denkbar, daß gerade im Badischen, das der Frau Kollegin Griesinger aus jetzt naheliegenden Gründen sehr am Herzen liegt, etwa die Einnahme von Obst in Form von Zwetschgenwasser oder Kirschwasser stattfindet?
({0})
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Moersch, die Bundeswehr besteht zu einem großen Teil aus Kraftfahrern.
({1})
Daher muß ich Ihre Frage verneinen, obgleich ich ein Liebhaber baden-württembergischen Zwetschgenwassers und Birnenschnapses bin.
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Meine Damen und Herren, wir kommen zur letzten Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, und zwar zur Frage 142 des Abgeordneten Buchstaller:
Wird hei Wehrpflichtigen, die im Februar März 1970 ein Ingenieurschulstudium beginnen wollen, im Einzelfall geprüft. ob die Versagung der vorzeitigen Entlassung bzw. Beurlaubung eine besondere Härte wäre, nachdem die Bundesregierung in der Fragestunde am 28. Januar 1970 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schmude eine generelle Entlassung oder Beurlaubung aller in Betracht kommenden Wehrpflichtigen als nicht möglich bezeichnet hat?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, Herr Kollege, selbstverständlich ist in jedem Einzelfall zu prüfen - hoffentlich wird das auch getan -, ob eine besondere Härte für den Wehrpflichtigen vorliegt. Diese Prüfung ist durch Gesetz und Verordnung vorgeschrieben.
Die Frage des Kollegen Dr. Schmude vom 28. Januar 1970 ging dahin, ob ausnahmlos alle Wehrpflichtigen, die im Februar 1970 ein Ingenieurschulstudium aufnehmen möchten, schon allein aus diesem Grunde vorzeitig entlassen oder beurlaubt werden könnten. Diese Frage habe ich damals - und dazu stehe ich auch heute noch - mit Nein beantwortet. Selbstverständlich war damit nicht die Verpflichtung der für die Entscheidung zuständigen Kommandeure und Stellen zur individuellen Prüfung, ob über die beabsichtigte Aufnahme des Ingenieurschulstudiums hinaus weitere Härtegründe vorliegen, in Frage gestellt.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort bemerkt: Hoffentlich erfolgt auch eine solche Überprüfung. Worauf beziehen Sie diese Ihre Bemerkung, und könnte nicht veranlaßt werden, daß solche Überprüfungen auch tatsächlich vorgenommen werden?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Meine Bemerkung bezog sich darauf, daß die Aussagen in der Fragestunde, die ja sehr kurz und präzise sein sollen, nach Mitteilungen, die mir zugegangen sind, mißverstanden worden sind. Aus diesem Grund ist in einem Befehl, der an alle Bataillone gegangen ist, klargestellt worden, daß solche Prüfungen nach § 8 Abs. 3 der Soldatenurlaubsverordnung durch die Batallionskommandeure bzw. Divisionsgenerale vorzunehmen sind.
Herr Kollege, bitte schön! Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, man darf also davon ausgehen, daß dieses Mißverständnis in der Truppe nun ausgeräumt ist?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Buchstaller, ich gehe davon aus. Ob Sie das dürfen, liegt nicht in meiner Entscheidung.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schultz.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zu überprüfen, ob nicht gesetzliche Vorschriften oder Rechtsverordnungen dahingehend geändert werden können, daß eine vorzeitige Entlassung in den hier angesprochenen Fällen unter der Voraussetzung möglich ist, daß das, was zunächst von der Dienstzeit erlassen worden ist, später in Reserveübungen nachgeholt werden muß, wobei auf das Wort „muß" Wert zu legen ist? Es scheint nämlich unmöglich zu sein, eine Abstimmung zwischen der Kultusministerkonferenz und der Bundesregierung herbeizuführen, um solche Unzuträglichkeiten, mit denen wir uns jetzt schon mehrere Jahre beschäftigen, auszuräumen.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schultz, diese Unzuträglichkeiten liegen hauptsächlich darin, daß die Ingenieurschulen in den einzelnen Bundesländern zu sehr unterschiedlichen Zeiten mit dem Unterricht beginnen. Wir werden auch weiterhin bemüht sein, die Termine zu vereinheitlichen, um die Entlassungstermine der Bundeswehr besser darauf abstellen zu können.
Nichtsdestoweniger wissen Sie genausogut wie ich, daß in bestimmten Einheiten eine vorzeitige Beurlaubung mit der Maßgabe des Nachdienstes zwar eine zeitliche Gleichheit schafft, daß aber die Einsatzbereitschaft der Truppe, insbesondere bei kleinen Gruppen, die auch als Einzelgruppen kämpfen müssen, nicht mehr gewährleistet ist. Wenn der Kommandant eines Panzers ausfällt, weil er den lobenswerten Entschluß gefaßt hat, an einer Ingenieurschule Hoch- oder Tiefbau zu studieren, ist es nicht ohne weiteres möglich, den Panzer mit einem anderen Wehrpflichtigen zu besetzen, der eben nicht als Panzerkommandant ausgebildet ist.
Herr Kollege Schmude, hatten Sie Ihre Zusatzfrage zurückgezogen?
({0})
- Ich hatte Ihre Meldung zuerst notiert. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, daß die Tatsache, daß ein Student ein oder zwei Semester verliert, allein nicht als ausreichende Härte angesehen wird, und darf ich fragen, welche Gesichtspunkte denn sonst noch für eine solche Beurlaubungsentscheidung in Betracht kommen?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schmude, zwei Semester Verlust würde ich als eine besondere Härte ansehen. Ein Semester Verlust muß nach der allgemein gültigen Rechtsprechung hingenommen werden. Nur um es ganz klar zu machen: Eine besondere Härte geht über die allgemein zumutbaren und stets mit der Ableistung der Wehrpflicht verbundenen Erschwernisse erheblich hinaus. Sie kann sich, wie schon das Gesetz beispielhaft sagt, aus persönlichen, insbesondere häuslichen, beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen ergeben. Wenn beispielsweise eine bestimmte Fakultät nur einmal im Jahr beginnt, erhebt sich, wenn sich der Termin um acht oder neun Monate verschiebt, immer die Frage, ob nicht eine besondere Härte vorliegt. Das ist zu prüfen.
Herr Kollege Haase!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß an vielen Fachschulen, Fachhochschulen und Hochschulen auch noch bis zu vier Wochen nach Semesterbeginn das Studium aufgenommen werden kann? Wenn ja: sind die Kommandeure vom Ministerium angewiesen, im Einzelfall der Antragstellung das auch zu überprüfen und die Soldaten entsprechend zu bescheiden?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Kommandeure müssen nicht angewiesen werden, Herr KolParlamentarischer Staatssekretär Berkhan
lege Haase. Die Kommandeure haben nach der Soldatenurlaubsverordnung § 8 Abs. 3 die Pflicht, das zu prüfen; und sie sind so ausgebildet und so gebildet, daß sie über ihre Pflichten genau Bescheid wissen. Da aber Zweifel entstanden sind, ist ein besonderes Fernschreiben hinausgegangen, in dem es heißt - ich zitiere wörtlich -:
Um Mißverständnisse auszuschließen, weise ich auf folgendes hin.
1. Der Erlaß BMVtdg-FüS I 2 - FS Msg Nr. 3414 vom 30. 1. 1970 entbindet die Entscheidung zuständiger Stellen nicht von der Pflicht, in jedem Falle zu prüfen, ob eine besondere Härte nach § 8 Abs. 3 Soldatenurlaubsverordnung vorliegt.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Verlust eines Semesters über die Wehrdienstzeit hinaus allein keine besondere Härte ist.
Ich glaube, meine Antworten auf die Zusatzfragen stehen im Gleichlauf mit dieser amtlichen Mitteilung, die den Kommandeuren bis zu den Battaillonskommandeuren geworden ist.
Zur letzten Zusatzfrage zu diesem Komplex Herr Kollege Biehle.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß im Einzelfall eine vorzeitige Entlassung möglich ist, und sind Sie unter Umständen bereit, wenn durch die Kommandeure eine Ablehnung erfolgt ist, das auch beim Ministerium zu überprüfen und es dabei unter Umständen als Härte anzusehen, wenn ein Semester verlorengehen würde, obwohl es sich um nur drei Wochen handelt?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, es handelt sich nicht um Entlassungen, es handelt sich um Beurlaubungen. Die jungen Männer bleiben Soldaten. Sie werden also nur beurlaubt. Aber ich habe Ihnen soeben klarzumachen versucht, daß auch nach richterlicher Auffassung der Verlust eines Semesters keine besondere Härte ist, und ich bin nicht bereit, wie in den vergangenen Jahren über das Ministerium generelle Anweisungen zu geben, weil ich die Kommandeure von ihrer Fürsorgepflicht, zu prüfen, nicht entbinden will. Es muß an Ort und Stelle in Verhandlungen mit dem betreffenden Soldaten geprüft werden, ob eine besondere Harte vorliegt oder nicht. Es darf nicht generell ein Ausweg geschaffen werden, der dann von jedem, der vorgibt, ein solches Studium aufzunehmen, in Anspruch genommen wird. Generelle Erlasse ermöglichen nur generelle Prüfungen. Wir wünschen aber die Prüfung im Einzelfall.
Meine Damen und Herren, ich habe im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage für viele junge Menschen mehrere Zusatzfragen zugelassen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich nunmehr die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft aufrufe, Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung.
Frage 143 des Abgeordneten Rasner:
Wird der Bundeskanzler, gegebenenfalls unter Einsatz der Richtlinienkompetenz, dafür Sorge tragen, daß die Bundesregierung das Angebot der USA auf 10%ige Beteiligung an der Entwicklung des Raumtransportersystems ({0}) - ein Vorhaben, das natürlich den Etat des Wissenschaftsministeriums sprengt - annimmt?
In der zweiten Frage - ich sehe, sie ist zugelassen - liegt eine Wertung; aber bitte schön, Frage 144 des Abgeordneten Rasner:
Ist sich die Bundesregierung über die politische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung dieser Offerte unseres wichtigsten und größten Bündnispartners im klaren - eines Angebots, dessen Ablehnung unwiderrufliche Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland mit sich bringen würde?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Präsident! Ein gesondertes Angebot, Herr Kollege Rasner, der USA, wonach sich die Bundesrepublik an der Entwicklung des Raumtransportersystems ({1}) in Höhe von 10 % der Entwicklungskosten beteiligen soll, liegt nicht vor. Tatsache ist vielmehr, daß die USA im vergangenen Oktober der Europäischen Weltraumkonferenz und den darin zusammengeschlossenen Staaten sowie bisher auch Kanada, Australien und Japan eine Beteiligung am sogenannten PostApollo-Programm angeboten haben. Die Beteiligten denken hierbei in erster Linie an eine multilaterale Zusammenarbeit. Die Vorschläge für das Post-Apollo-Programm gehen dahin, innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre neuartige, wiederverwendbare Raumtransportersysteme zu schaffen, und zwar Fahrzeuge mit nuklearem Antrieb zu entwickeln, Raumstationen in der Erdumlaufbahn zu errichten und mit Hilfe dieser Mittel Nutzsatellitensysteme z. B. für Zwecke des Fernmeldeverkehrs, des Fernsehens, der Flug- und Schiffsnavigation, der Wettervoraussage, der Erforschung von Bodenschätzen etc. aufzubauen sowie die damit verbundenen wissenschaftlichen Missionen durchzuführen.
Die Kosten für die Durchführung der „billigsten" Option des Programms wurden von Sachverständigen der USA auf jährlich durchschnittlich etwa 5 Milliarden Dollar geschätzt.
Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am 28. Oktober bereits mitgeteilt, daß die Bundesregierung diesen Vorschlag aufgreifen werde. Die Bundesregierung prüft daher zur Zeit gemeinsam mit ihren europäischen Partnern, also mit der Europäischen Weltraumkonferenz, die Möglichkeit einer Beteiligung am Post-Apollo-Programm. Gespräche mit Vertretern der USA sind in diesem Rahmen bereits geführt worden und werden fortgesetzt. Die weiteren Sondierungen werden dann zeigen, ob und in welchem Umfang eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA heim Post-Apollo-Programm möglich ist.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß die zu Anfang dieses Monats in der „Welt" geäußerten Befürchtungen jeder Grundlage entbehren. Die Bun1344
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi desregierung nimmt diese Frage sehr ernst. Ein Einsatz der Richtlinienkompetenz des Herrn Bundeskanzlers ist daher in dieser Sache nicht erforderlich.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Rasner.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß der Bezug auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers in meiner Frage am Platze war, weil die Größenordnung des hier zur Debatte stehenden Projekts unzweifelhaft den gegenwärtigen Haushaltsrahmen Ihres Hauses sprengen würde?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Rasner: ob ein bestimmtes Projekt den gegenwärtigen Haushaltsrahmen unseres Hauses sprengt, sagt ja noch nichts über die Zuständigkeitsprobleme in der Bundesregierung aus.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Form meiner Frage Ihrem Haus lediglich die Hilfe des Bundeskanzlers sichern sollte?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Rasner, unser Haus hat die Hilfe des Bundeskanzlers in allen wichtigen Fragen.
Damit sind die beiden Fragen des Kollegen Rasner beantwortet.
Ich rufe die Frage 145 des Kollegen Dr. Schober auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die wissenschaftliche und wirtschaftliche Tragweite des Angebots der NASA, sich mit 10 % der Kosten an der Entwicklung eines Raumtransportersystems zu beteiligen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Wie ich eben in der Antwort auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Rasner ausgeführt habe, beinhaltet das Angebot der USA keine konkreten Vorstellungen über einen bestimmten Beteiligungsschlüssel. Das Angebot ist auch nicht auf eine Zusammenarbeit speziell bei der Entwicklung eines Raumtransportersystems beschränkt, sondern gil t ganz allgemein für den gesamten Umfang des PostApollo-Programms in der nächsten Dekade. Art und Umfang des Programms sind von großer wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und auch politischer Tragweite. Die Bundesregierung prüft daher gemeinsam mit ihren europäischen Partnern sorgfältig, welche Beteiligungsmöglichkeiten hier für Europa bestehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Untersuchung über die konkreten wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Beteiligung äußerst dringlich ist und auch mit Rücksicht auf die Beschäftigungslage bestimmter Industriezweige, aber auch bestimmter Institute in der Bundesrepublik vorgenommen werden sollte?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Schober, die ganze Fragestellung ist natürlich dringlich, und die Untersuchungen werden deswegen im Augenblick schon durchgeführt. Ich würde allerdings die Frage der Beschäftigungsgrundlage in bestimmten Industriezweigen nicht zu einem Mittelpunkt der Untersuchung machen, da es sich hier um ein langfristiges Programm, das sich über 10 bis 15 Jahre erstreckt, handelt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Raffert.
Herr Staatssekretär, läßt sich nach den bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den USA im Weltraumbereich sagen, ob eine deutsche oder europäische Beteiligung an einem Post-Apollo-Programm neben der Möglichkeit der wissenschaftlichen Nutzung auch die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung mit sich bringen könnte?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Raffert, der ganze Komplex muß natürlich im Zusammenhang gesehen werden. Er hat nicht nur wissenschaftliche, sondern auch wirtschaftliche Implikationen. Die Bundesregierung ist gerade deswegen so daran interessiert, hier eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen. Ich darf vielleicht in dem Zusammenhang anfügen, daß die NASA gerade in den letzten Tagen sehr deutlich hat verstehen lassen, daß hinsichtlich der Entscheidung kein Zeitdruck besteht.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Moersch.
Herr Staatssekretär, wird bei der Prüfung auch die Frage berücksichtigt, wieweit diese Zusammenarbeit nicht nur der Bundesrepublik, sondern einer Gruppe westeuropäischer Staaten mit der NASA möglich oder sinnvoll sein wird?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Moersch, das ist die Fragestellung der Amerikaner an die Europäische Weltraumkonferenz gewesen, und das ist das Ziel der Sondierungen und Gespräche, die die Bundesregierung gegenwärtig mit den europäischen Partnern führt.
Ich rufe die Frage 146 des Abgeordneten Dr. Schober auf:
Hat die Bundesregierung alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, sich auch unterhalb des in Presserneldungen genannten Betrages von 200 bis 300 Millionen DM jährlich zu beteiligen?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Die Frage der Beteiligungsmöglichkeiten am Post-Apollo-Programm bedarf, wie ich bereits gesagt habe, weiterer vorbereitender Gespräche innerhalb Europas und mit den USA. Es ist deshalb heute weder möglich, noch - möchte ich betonen -wäre es wohl zweckmäßig, eine Aussage über Maximal- oder Minimalbeiträge und -forderungen an dieser Stelle zu machen. Die eigentlichen Verhandlungen mit den USA über den Umfang der Beteiligung und den zu leistenden finanziellen Beitrag können zweckmäßigerweise erst nach Abschluß der Expertengespräche aufgenommen werden.
Herr Kollege Schober, Sie haben eine Zwischenfrage. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, würden Sie sagen, daß die Größenordnungen, die in diesem Zusammenhang in Pressemeldungen aufgetaucht sind, falsch waren?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Es gab in der Presse unterschiedliche Meldungen. Es gab unter anderem auch eine Verwechslung zwischen Milliarden Dollar und Milliarden D-Mark, was in vielen Fällen sehr gefährlich sein kann, wie Sie wissen, Herr Kollege. Aber im Prinzip sind die Zahlen jetzt, glaube ich, klargestellt. Es handelt sich um ein Programm über etwa zehn bis fünfzehn Jahre, das in den Vereinigten Staaten auf insgesamt 200 his 300 Milliarden DM geschätzt wird. Bisher bestehen keine Forderungen oder Absichten, hier von einer bestimmten Beteiligung auszugehen, so daß sich ein deutscher, oder sagen wir: europäischer Beitrag zu diesem Zeitpunkt nicht errechnen ließe.
Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie, die jetzigen Verhandlungen bergen Grund zu Hoffnungen in sich, daß die Belastung, die die Bundesrepublik zu tragen haben wird, vielleicht im Verein mit anderen europäischen Nationen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten tragbar sein werden?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Schober, das ist schwer zu beantworten, weil natürlich dieses Hohe Haus darüber zu entscheiden haben wird, was tragbar ist, d. h. wie die Prioritäten der Haushaltsführung
in den kommenden Jahren zu entscheiden sind. Selbstverständlich ist die Bundesregierung ihrerseits daran interessiert, von den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Wir hoffen, daß die Vorschläge, die von der Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen Partnern gemacht werden, auch die Zustimmung dieses Hohen Hauses finden werden.
Herr Kollege Raffert, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts des offensichtlich bestehenden amerikanischen Interesses, beim Post-Apollo-Programm durch europäische oder deutsche Mitarbeit auch finanziell entlastet zu werden, frage ich: ist die Bundesregierung bereit, bei den augenblicklich laufenden Verhandlungen zur Änderung des Intelsat-Abkommens darauf zu drängen, daß künftig amerikanische Trägerfahrzeuge für deutsche oder europäische Nutzsatelliten zur Verfügung gestellt werden und dadurch auch eine Entlastung im europäischen Bereich eintreten kann?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Raffert, ich sagte vorhin bereits, die Fragen müssen alle im Zusammenhang gesehen werden. Selbstverständlich wird auch die Frage der Trägerraketen hei den Gesamtüberlegungen, die hier anzustellen sind, eine Rolle spielen, unter anderem auch aus Gründen der Kosten.
Ich rufe die Frage 147 des Kollegen Moersch auf:
welche betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Prüfungen sind von der früheren Bundesregierung im Kernforschungszentrum Karlsruhe veranlaßt worden?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Moersch, bei der Gesellschaft für Kernforschung in Karlsruhe werden in jedem Jahr vom Jahresabschlußprüfer, der Treuarbeit, betriebswirtschaftliche Prüfungen vorgenommen, die sich auch mit organisatorischen Fragen befassen. Auch der Bundesrechnungshof hat in den letzten Jahren eingehende Prüfungen vorgenommen, bei denen das Schwergewicht auf organisatorischen Bereichen lag. Darüber hinaus wurden in den Vorjahren weitergehende Prüfungen zu bestimmten Teilbereichen veranlaßt. So wurden z. B. untersucht die Fragen der Bauinvestitionen, der Leistungssteigerung des Forschungsreaktors II, der organisatorischen Gliederung der Gesellschaft und der Datenverarbeitung im Verwaltungsbereich.
Außerdem wurde 1967 von einer Gutachterkommission unter Leitung von Professor Heisenberg ein Gutachten zur Verstärkung der Koordinierung der Forschungsarbeiten in den Kernforschungszentren Jülich und Karlsruhe erstattet, das sich auch wiederum mit organisatorischen Fragen befaßte.
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi
Die Bundesregierung ist intensiv bemüht, die Effizienz der Großforschungseinrichtungen, so auch des Kernforschungszentrums Karlsruhe, zu überprüfen und wenn irgend möglich und wo immer möglich zu heben. So werden zur Zeit für das Kernforschungszentrum Karlsruhe Überlegungen angestellt, der gegenwärtig dominierenden Institutsstruktur eine nach Projekten gegliederte Struktur zur Seite zu stellen. Erstes Beispiel dafür ist das Großprojekt „Schneller Brüter", für das der Aufsichtsrat des Kernforschungszentrums im November 1969 eine neue Projektordnung beschlossen hat.
Darüber hinaus, Herr Kollege Moersch, hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft Anfang dieses Jahres, unter anderem auch beim Kernforschungszentrum Karlsruhe, begonnen, Struktur- und Organisationsfragen der Zentren in eingehenden Gesprächen mit allen beteiligten Gruppen, insbesondere auch mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern, zu erörtern. Bei diesen Strukturfragen fördert der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Bestrebungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Mitverantwortung und Mitentscheidung.
Im Zusammenhang mit der hier gestellten Frage nach der Effizienz ist dabei zu bemerken, daß hierdurch, nämlich durch eine solche Mitverantwortung und Mitentscheidung, unter anderem auch eine Steigerung der Produktivität erwartet werden kann.
Im übrigen ist das Ministerium, was die innere Organisation der Forschungseinrichtungen und damit auch des Kernforschungszentrums Karlsruhe angeht, der Meinung, daß diesem Zentrum, wie anderen Forschungseinrichtungen dieser Art, vom Staat ein größeres Maß an Eigenverantwortung und freier Entfaltung zugestanden werden muß.
Herr Kollege Moersch, Zusatzfragen? - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, wenn es zutrifft was nach meinen Informationen der Fall ist -, daß eine Reihe von Apparaten, die recht teuer gewesen sind, nur völlig unzureichend genützt wird, kann das nicht z. B. damit zusammenhängen, daß die Modalitäten der Anforderung von Haushaltsmitteln in früherer Zeit und bisher für den Bereich der Wissenschaft völlig unzureichend gewesen sind, und welche Feststellungen sind darüber etwa in dem Bericht des Rechnungshofes enthalten?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Moersch, würden Sie mir gestatten, daß ich diese Frage im Zusammenhang mit der Beantwortung Ihrer zweiten Frage aufnehme, weil sie sich dort mit von selbst ergibt?
Herr Kollege Moersch, sind Sie einverstanden, wenn der Herr Staatssekretär jetzt Ihre zweite Frage beantwortet? - Bitte schön, dann rufe ich die Frage 148 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Falls solche Prüfungen veranlaßt worden sind, welche Ergebnisse haben sie erbracht?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Die Ergebnisse dieser Prüfungen haben dazu geführt, daß unter anderem die Wirtschaftsführung der Kernforschungsgesellschaft transparenter geworden ist und in einigen wesentlichen Punkten rationalisiert werden konnte, unter anderem auch auf den Gebieten der Planung und der Abrechnung der von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mittel. Hier konnten erhebliche Fortschritte erzielt werden. Diese Prüfungen haben schließlich auch dazu beigetragen, daß das für die wissenschaftliche Tätigkeit des Kernforschungszentrums besonders wichtige Forschungs- und Entwicklungsprogramm übersichtlicher und aussagefähiger gestaltet wurde und nun in den Wirtschaftsplan integriert werden konnte.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, im Rahmen der jetzt beginnenden Haushaltsberatungen dem zuständigen Fachausschuß die bisher erarbeiteten Unterlagen etwa betriebswirtschaftlicher Art zuzuleiten und etwa auch Vergleiche anzustellen hinsichtlich der Kosten beim Bezug teurer Apparate von draußen und der möglichen Einsparung von Kosten durch Selbstfertigung im Zentrum?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Moersch, der heutige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft steht auf dem Standpunkt, daß in all diesen Fragen die kritische Debatte gar nicht öffentlich genug sein kann. Wir sind deswegen selbstverständlich bereit, Ihnen all diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen und damit natürlich auch der entsprechenden Arbeitsgruppe im Haushaltsausschuß.
Danke schön. Dann die Frage 149 des Kollegen Richter:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen,
um im Sinne der Empfehlung 190 der Versammlung der WEU
vom 9. Dezember 1969 ein wirksames europäisches Raumforschungsprogramm aufzustellen, das sowohl den Anforderungen der 80er Jahre entspricht wie jede Monopolisierung der weltweiten Nachrichtenverbindungen verhindert?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: In den von der Dritten Europäischen Weltraumkonferenz eingesetzten Ausschüssen werden zur Zeit Vorschläge für ein umfassendes mehrjähriges europäisches Weltraumprogramm ausgearbeitet. Danach ist neben einem ausgewogenen wissenschaftlichen Programm die Entwicklung eines regionalen europäischen Fernmeldesatellitensystems vorgesehen, das mit Hilfe europäischer Trägerraketen errichtet werden soll. Über das Programm, das darüber hinaus auch noch Vorschläge für die in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu entParlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi wickelnden Navigationssatelliten für den Flugverkehr und für Wettersatelliten enthält, soll auf einer für Mitte des Jahres vorgesehenen Ministerkonferenz entschieden werden. Das Ergebnis der Entscheidungen wird wesentlich davon beeinflußt werden, Herr Kollege, ob es zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei den von den USA angebotenen Beteiligungen am Post-Apollo-Programm kommen wird. Darauf habe ich bei einer vorangegangenen Frage bereits hingewiesen. Dieser Zusammenhang wird übrigens auch in der Empfehlung Nr. 190 ausdrücklich angesprochen.
Die in der WEU-Empfehlung ebenfalls angesprochenen Verhandlungen über das künftige IntelsatAbkommen, die zur Zeit in Washington stattfinden, werden von den europäischen und anderen Staaten, die den europäischen Standpunkt teilen, weiterhin mit dem Ziel geführt, Herr Kollege, eine weltweite Organisation zu gründen, die die Interessen aller Mitgliedsstaaten berücksichtigt und nicht von einem Staat oder einer kleinen Gruppe von Staaten beherrscht werden kann oder könnte. Zu diesen Bestrebungen gehört es u. a., die Errichtung unabhängiger und regionaler Nutzsatellitensysteme zuzulassen, die Stimmrechte in den Entscheidungsorganen neu zu regeln und das Management, das zur Zeit der USA-Gesellschaft Comsat übertragen ist, ebenfalls im Sinne der Bestrebungen zu internationalisieren, die ich soeben umrissen habe.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Richter.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie von der gegenwärtigen Intelsat-Konferenz in Washington Ergebnisse in der Art erwarten, daß Sie sagen können, der deutsche, der europäische Einfluß und das Mitspracherecht bei Intelsat könnten gesteigert werden?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Das, Herr Kollege, ist das Ziel dieser Verhandlungen. Wir werden dieses Ziel verfolgen. Ob es bei den jetzt anstehenden Verhandlungen bereits erreicht werden kann, kann heute noch nicht gesagt werden.
Ich rufe die Frage 129 des Kollegen Wurbs auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Absolventen des Wehrdienstes bei der Immatrikulation an den Universitäten gegenüber Abiturienten benachteiligt werden, und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit dem Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber beiden Gruppen entsprochen wird?
Herr Staatssekretär!
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Der erste Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Wurbs, ist wohl im wesentlichen durch meine schriftliche Antwort vom 16. Januar 1970 bereits beantwortet worden. Hier hat die Bundesregierung ja zu erkennen gegeben, daß nicht alle Fakultäten den abgeleisteten Wehrdienst bei der Zulassung zu
den einzelnen Fächern anerkennen und daß wir bereit sind, wo wir so etwas erfahren, entsprechende Schritte zu unternehmen, soweit es in unseren Möglichkeiten liegt.
Es kann aber nicht geschlossen werden, daß Absolventen des Wehrdienstes bei der Immatrikulation an den Hochschulen gegenüber anderen Abiturienten grundsätzlich benachteiligt würden. Aus der gegenwärtigen Praxis bei der Zulassung in Fächern mit Numerus clausus folgt vielmehr, daß nicht alle Fakultäten den Absolventen des Wehrdienstes die bei der Bundeswehr verbrachte Zeit als Wartezeit anrechnen, durch die sich dann die Punktzahl dieser Bewerber erhöht.
In den kürzlich vorgelegten Thesen zu einem Hochschulrahmengesetz, Herr Kollege Wurbs, hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft Vorschläge unterbreitet, wie in einem solchen Gesetz eine gerechtere Lösung für die Zulassung aller Bewerber gefunden werden kann, insbesondere natürlich derjenigen, die den Wehrdienst oder einen entsprechenden Ersatzdienst abgeleistet haben.
Danke schön.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Leber zur Verfügung:
Zunächst die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Cramer:
Nach welcher gesetzlichen Vorschrift wird die Errichtung von Werbeflächen an Bundesstraßen im Bereich einer Ortsdurchfahrt genehmigt bzw. abgelehnt?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn Herr Kollege Cramer einverstanden ist.
Sie sind damit einverstanden? - Ich rufe dann noch die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Cramer auf:
Gilt § 9 Abs. 1 und 2 des Bundesfernstraßengesetzes oder § 42 der Straßenverkehrs-Ordnung?
Weder das Bundesfernstraßengesetz noch die Straßenverkehrsordnung enthalten Vorschriften für die Errichtung von Werbeflächen an Bundesstraßen im Bereich einer Ortsdurchfahrt. Das Bundesfernstraßengesetz stellt zwar die Außenwerbung den Hochbauten und Bauanlagen des § 9 Abs. 1 und 2 des Bundesfernstraßengesetzes gleich; aus § 9 Abs. 7 dieses Gesetzes ergibt sich jedoch, daß diese Vorschriften, die die Einhaltung bestimmter Abstände vom befestigten Fahrbahnrand vorschreiben, nicht für Ortsdurchfahrten gelten. Auch § 42 der Straßenverkehrsordnung bezieht sich lediglich auf die Werbung außerhalb geschlossener Ortschaften. Unabhängig davon sind Werbe1348
anlagen nach den Landesbauordnungen genehmigungs- und anzeigepflichtig, wenn sie eine bestimmte Größe überschreiten. Zuständig sind in diesem Fall die Bauordnungsbehörden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ich kann Ihrer Antwort nicht entnehmen, ob innerhalb der Ortsdurchfahrten, d. h. von ihrem Beginn bis zum Ortsschild, solche Werbeflächen aufgestellt werden können.
Das ist jedenfalls bundesrechtlich nicht zu ordnen.
Danke.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich als letzte Frage der heutigen Fragestunde die Frage 6 des Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Liegt der Bundesregierung eine Statistik über Verkehrsunfalle in Landgemeinden vor, und wie ist darin die Entwicklung von Unfällen mit Fußgängern verzeichnet?
Die jährliche amtliche Straßenverkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamts weist die Unfälle nicht in einer Unterteilung nach Kreisen und Gemeinden aus. Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer werden in tieferer regionaler bzw. sachlicher Gliederung in den statistischen Berichten der Statistischen Landesämter veröffentlicht. Die Statistischen Landesämter können nähere Angaben über Fußgängerunfälle in den Gemeinden statistisch aufbereiten.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt. Danke schön, Herr Minister.
Damit ist die Fragestunde abgelaufen.
Ich rufe Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1970 ({0})
- Drucksache VI/300 -
b) Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Finanzplans des Bundes 1969 bis 1973
- Drucksache VI/301 Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Bundesfinanzminister habe ich die Ehre, dem Hohen Hause heute den Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1970/71 und den mehrjährigen Finanzplan für den Planungszeitraum 1969 bis 1973 vorzulegen.
Trotz der aus der Vergangenheit herrührenden hohen Vorbelastungen ist es der Bundesregierung gelungen, einen Haushaltsplan aufzustellen, der die konjunktur- und finanzpolitischen Ansprüche ausreichend miteinander verbindet und der es der Bundesregierung ermöglicht, die inneren Reformen für die siebziger Jahre in Angriff zu nehmen. Die Verwirklichung dieser Reformen ist nur durchführbar bei konsolidierten Bundesfinanzen und bei einer Politik der Stabilität des Geldwertes sowie des Wachstums der Wirtschaft und des Wohlstandes.
Lassen Sie mich daher zunächst drei Elemente nennen, die unsere Konzeption zwangsläufig beeinflußten:
Erstens. Es ist der erste Etat, der erste Finanzplan, den ein sozialdemokratischer Bundesfinanzminister als Mitglied einer Bundesregierung vorlegt, die erstmals von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Freien Demokratischen Partei gebildet wird. Mit diesem Haushaltsentwurf fungiert die jetzige Bundesregierung nicht einfach als finanzpolitische Vollstreckerin früherer Entscheidungen, sondern sie konkretisiert bereits ihre eigenen vorrangigen politischen Vorstellungen: Wiedergewinnung einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Einleitung innerer Reformen. In Aufbau und Gestaltung von Haushalt und Finanzplan werden positive Wirkungen der Vergangenheit durchaus sichtbar, ebenso aber auch hinterlassene Hypotheken. Entscheidend ist, daß für die Absichten und Ziele eines vier Jahre umfassenden Regierungsprogramms der Beginn mit diesem Haushalt gesichert wird.
Zweitens. Es ist der erste Haushaltsentwurf des Bundes, der nach Inkrafttreten der Gesetze zur Haushaltsrechtsreform Bundestag und Bundesrat gleichzeitig zugeleitet wurde. Durch die Änderung des Artikels 110 des Grundgesetzes ist das Budgetrecht des Parlaments stärker als in der Vergangenheit betont. Der Deutche Bundestag hat den politischen und verfassungsrechtlichen Anspruch, durch die Haushaltsrede unmittelbar und ausführlich über den Haushalt und den mehrjährigen Finanzplan unterrichtet zu werden.
Daß ich Sie bereits heute unterrichten kann, ist das Ergebnis der schnellen Regierungsbildung und der Arbeitsintensität in dieser Bundesregierung.
({1})
Eine weitere Beschleunigung wurde durch eine Absprache zwischen den Haushalts- und Finanzexperten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und mir über die Änderung des § 94 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ermöglicht, welche die Koalitionsfraktionen gebilligt haben. Der Bundesrat hat sich mit der Änderung des Verfahrens dankenswerBundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
terweise einverstanden erklärt. Ich konnte auf Grund dieser Absprachen am 14. November 1969 einen Zeitplan aufstellen und ihn den Koalitionsfraktionen sowie der Opposition zuleiten. Ich darf feststellen, daß dieser Zeitplan bis zum heutigen Tage präzise eingehalten worden ist.
({2})
Ich weiß, daß die Arbeit der Bediensteten der Bundesverwaltung und der Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium eine der Voraussetzungen für diesen Erfolg war. Ich möchte allen Beteiligten dafür an dieser Stelle ausdrücklich danken.
({3})
Drittens. Die Einhaltung des Zeitplans war darum schwierig, weil die Aufstellung des Haushaltsentwurfs und die gleichzeitige Vorlage des neuen Finanzplans eine grundlegende finanzpolitische Bestandsaufnahme durch die Bundesregierung erforderlich machte. Daß die Haushaltslage keineswegs so günstig beurteilt werden konnte, wie sie bis zur Regierungsbildung dargestellt worden war, deuteten schon Darlegungen des Herrn Kollegen Strauß an, der auf einer Pressekonferenz am 17. Oktober 1969 die Lage der Bundesfinanzen behandelte und dabei eine ganze Reihe von Risiken gegenüber der alten Finanzplanung erwähnte. Über diese Pressekonferenz wurde in den „Finanznachrichten" vom 17. Oktober 1969 ausführlich berichtet. Es heißt dort, daß die neue Bundesregierung bei der Fortschreibung der Finanzplanung bis 1973 von einer soliden finanziellen Grundlage ausgehen könne.
Die Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse zeigte aber wenig später, daß mein Herr Amtsvorgänger bei weitem nicht alle durch Beschlüsse des Deutschen Bundestages bereits vorbestimmten Belastungen und die übrigen Risiken auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite erfaßt hatte.
({4})
Die Bundesregierung mußte deshalb schon in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 Folgendes feststellen:
Solidität wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein. Wir dürfen allerdings nicht verschweigen, daß die Situation weniger günstig ist, als sie von bestimmter Seite dargestellt wurde.
Meine Damen und Herren, ich will das Fehlen einer Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung keineswegs meinem Herrn Amtsvorgänger zum Vorwurf machen, da die Finanzplanung immer dem in Zahlen auszudrückenden Regierungsprogramm entsprechen muß und Herr Kollege Strauß der neuen Bundesregierung selbstverständlich nicht vorgreifen wollte. Erforderlich wäre aber auf jeden Fall gewesen, den Finanzplan intern fortzuschreiben. Das hätte Herrn Strauß am 17. Oktober 1969 in die Lage versetzt, wirklichkeitsnahe Zahlen zu nennen.
Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt gegenüber dem Finanzplan 1968 bis 1972 ergaben sich einmal aus gesetzlichen Verpflichtungen, die vor der VI. Legislaturperiode dieses Deutschen Bundestages entstanden, nämlich aus den EWG-Marktordnungsausgaben ein Mehr von 1,2 Milliarden DM, durch das Lohnfortzahlungsgesetz ein Mehr in Höhe von 200 Millionen DM, für Spar- und Wohnungsbauprämien auf Grund des geltenden Rechts ein Mehraufwand von 500 Millionen DM, aus dem Steueränderungsgesetz 1969 und der Novelle zum Zweiten Vermögensbildungsgesetz ein Mehr von 50 Millionen DM.
Internationale Verträge und Zusagen hatten einen weiteren Mehrbedarf zur Folge, insbesondere die mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien geschlossenen Abkommen über den Devisenausgleich in Höhe von 800 Millionen DM und die Maßnahmen im Verteidigungsbereich, die unter der Bezeichnung „Brüsseler Paket" zusammengefaßt sind; hier mußten weitere 600 Millionen DM angesetzt werden.
Außerdem waren Ausgaben zur Sicherung ausländischer Bezugsquellen für die deutsche Erdölindustrie in Höhe von 100 Millionen DM vorzusehen.
Alle diese Mehrausgaben von mehr als 3,5 Milliarden DM sind im alten Finanzplan nicht enthalten gewesen. Mein Herr Amtsvorgänger hat in der Pressekonferenz am 17. Oktober 1969 lediglich einige dieser Bereiche als Risiken gegenüber seinem Finanzplan für das Rechnungsjahr 1970 bezeichnet und sie auch nur mit 1,9 Milliarden DM beziffert.
({5})
Es ist deshalb, vorsichtig ausgedrückt, unrichtig, wenn der bayerische Teil der Opposition, wie in dem Flugblatt der CSU-Landesleitung „Argumente 27", Folgendes behauptet - ich zitiere wörtlich -:
Auch die von der Großen Koalition noch beschlossenen Mehrausgaben für 1970 in Höhe von 1,9 Milliarden DM ({6}) waren im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt und die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt.
Diese Mehrbelastungen, meine Damen und Herren, sind keineswegs die einzigen Aufwendungen, die auf der Ausgabenseite den Haushaltsentwurf 1970 vorbelasten und im Finanzplan 1968 bis 1972 nicht ausgewiesen waren.
Im Jahre 1969 haben Regierung und Parlament keine Wahlgeschenke verteilt. Das ist eine Tatsache, allerdings eine Tatsache mit doppeltem Boden. Notwendige Gesetzesvorlagen sind weder eingebracht noch verabschiedet worden. Damit wurden aber die drängenden Aufgaben nicht gelöst. Man hat sie einfach dem neuen Bundestag zugeschoben. Die Vertagung war nicht ohne Bindung. Wenn ich Bindung sage, dann meine ich damit die sachliche und moralische Notwendigkeit, bestimmte Dinge zu tun. Diese Notwendigkeit hatte auch der V. Deutsche Bundestag anerkannt und z. B. einstimmig eine fühlbare Erhöhung der Leistungen der Kriegsopferversorgung ab 1. Januar 1970 ver1350
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
langt. Er forcierte weiter eine Erhöhung des Kindergeldes bereits für die Zeit vor 1972, und alle Fraktionen dieses Hohen Hauses sprachen sich für die Erhöhung der Bezüge im öffentlichen Dienst aus.
Bei keiner dieser drei Maßnahmen ist die Notwendigkeit umstritten. Dennoch waren im Straußschen Finanzplan nur völlig unzureichende Beträge und Termine vorgesehen; so etwa für die Kriegsopferversorgung erst ab 1971 zusätzlich 200 Millionen DM,
({7})
obwohl bereits eine lineare Erhöhung von 10 v. H.
ab 1. Januar 1970 500 Millionen DM gekostet hätte.
({8})
Jeder, der dem 5. Deutschen Bundestag angehört hat, wußte schon damals, daß eine zehnprozentige Erhöhung der Kriegsopferversorgung unzureichend sein würde.
({9})
Für die, die es nicht wissen, will ich hier einschalten, daß ein Finanzplan nur von einer Bundesregierung beschlossen und dem Hohen Hause zur Kenntnis gebracht werden kann. Über den Finanzplan selbst hat der Deutsche Bundestag nicht zu befinden.
({10})
Die Regierung mit ihren Ministern, selbstverständlich; die Mehrheitsverhältnisse von damals sind bekannt.
({11})
Für das Kindergeld waren zusätzliche Mittel erst ab 1972 eingeplant, und zwar im Betrage von 200 Millionen DM ab 1. Juli 1972. Für den öffentlichen Dienst hatte man ab 1970 lediglich 720 Millionen DM bereitgestellt, obwohl 1 v. H. Besoldungserhöhung schon 130 Millionen DM ausmacht.
Von meinem Herrn Amtsvorgänger wurden diese Bereiche in seiner Pressekonferenz am 17. Oktober 1969 nur als nicht bezifferbare „zusätzliche Ausgaberisiken von besonderer Bedeutung" erwähnt, und das, Herr Kollege Stoltenberg, ist sicherlich nicht auf einen Kabinettsbeschluß zurückzuführen.
({12})
Darf ich daran erinnern, was in diesem Hause am 28. Februar 1969, als das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz zur Beratung anstand, vor sich gegangen ist? Damals ging der Streit lediglich um ein Vorziehen der Besoldungserhöhung - nicht wahr, Herr Heck, Sie wissen es genau, weil Sie damals eine Pressekampagne entwickelt hatten - um zwei Monate vom 1. Juni auf den 1. April. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen der SPD und der FDP war es möglich, zu erreichen, daß diese Besoldungserhöhung bereits ab 1. April 1969 in Kraft treten konnte.
Die Entwicklung der Personalausgaben im Haushaltsjahr 1969 hat gezeigt, daß nicht nur die durch das Vorziehen des Gesetzes um zwei Monate verursachten Mehrkosten von 134 Millionen DM tatsächlich aus den im Bundeshaushalt 1969 bewilligten Personalkosten ohne jede Schwierigkeit gedeckt werden konnten, sondern darüber hinaus vor der Bundestagswahl auch noch die Mehrkosten für eine einmalige Zahlung von 300 DM für jeden Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die allein für
den Bundeshaushalt - einschließlich Anteil der
Deutschen Bundesbahn - rund 350 Millionen DM
ausmachten. Inwieweit, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie sich 1969 und in den früheren Jahren in diesem Zusammenhang an den Besoldungsrückstand erinnert, den Ihre Regierungen haben entstehen lassen und den die derzeitige Bundesregierung nun wirklich nicht zu verantworten hat?
({13})
Wenn es gelungen ist, im neuen Bundeshaushalt eine Erhöhung der Kriegsopferrenten ab 1. Januar 1970 um 16 v. H. und der Witwenrente sogar um rund 25 v. H. mit einer weiteren finanziellen Auswirkung von 938 Millionen DM sicherzustellen, wenn es ferner gelungen ist, für die Erhöhung des Kindergeldes ab 1. Oktober 1970 95 Millionen DM vorzusehen, und wenn es gelungen ist, mit den Gewerkschaften und Beamtenverbänden für die Regelung der Bezüge im öffentlichen Dienst ab 1. Januar 1970 rund 1,4 Milliarden DM zu vereinbaren und diese Beträge im Bundeshaushalt einzustellen, dann sind allein in diesen drei Bereichen insgesamt 1,7 Milliarden DM mehr auf der Ausgabenseite ausgewiesen, als in der Strauß'schen Finanzplanung vorgesehen waren. Um so seltsamer mußten daher z. B. die Versuche der Opposition wirken, in letzter Stunde jeweils während der laufenden Verhandlungen noch höhere Leistungen des Bundes zu fordern.
({14})
Ich habe mich, als ich davon hörte, gefragt - und mit mir haben sich Millionen Bürgerinnen und Bürger wohl dieselbe Frage gestellt -, warum Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht in den Jahren, in denen Sie die Minister dieser Ressorts gestellt und damit die Verantwortung in diesen Bereichen getragen haben, all das durchsetzen konnten, was Ihnen nunmehr und ganz plötzlich unabweisbar erscheint.
({15})
Warum haben Sie, meine Herren Kollegen Strauß und Benda, nicht von sich aus im Jahre 1969 die Voraussetzung für eine ausreichende Erhöhung der Bezüge im öffentlichen Dienst spätestens zum 1. Januar 1970 geschaffen? Wir haben Sie doch nicht daran gehindert! Warum hat nicht Herr Kollege Katzer mit dem Herrn Kollegen Strauß die für notwendig erachteten Beträge für die Erhöhung der Kriegsopferrenten ab 1. Januar 1970 in den Finanzplan eingesetzt? Warum hat nicht Frau Kollegin Brauksiepe zusammen mit Herrn Kollegen Strauß die Erhöhung des Kindergeldes zu einem früheren Zeitpunkt als 1972 verabredet und finanzpolitisch eingeplant? Das ist doch alles Aufgabe derer gewesen, die seit 119 Tagen eine Bundesregierung, die auf der Basis der Solidarität Finanzpolitik zu betreiBundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
ben sich bemüht, durch ständig neue Forderungen zu überbieten und zu übertrumpfen versuchen.
({16})
Auch was ich im Bereich der Landwirtschaft vorfand, war alles andere als erfreulich.
({17})
Nach dem alten Finanzplan sollte vor allem wegen des Auslaufens des EWG-Anpassungsgesetzes zum Ende des Jahres 1969 weniger Geld für wichtige Anpassungsmaßnahmen, z. B. für die Strukturverbesserung in der Landwirtschaft, zur Verfügung stehen, im Jahre 1970 500 Millionen DM weniger als im Vorjahr. Nun, jeder weiß, was eine solche Einschränkung der Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur bedeutet hätte, besonders im Hinblick auf die Verschärfung der Anpassungsschwierigkeiten in der deutschen Landwirtschaft. Herr Kollege Strauß hatte deshalb auch vor dem Deutschen Bundestag die Absicht geäußert, sich für die Bereitstellung ausreichender Mittel zur Durchführung des Agrarstrukturprogramms der Bundesregierung einzusetzen. Am 17. Oktober 1969 bezeichnete er auch diese doch unumgänglichen Maßnahmen lediglich als ein zusätzliches Risiko, ebenso wie die höheren Marktordnungsausgaben, die absolut sicher waren.
Wenn ich das alles zusammenzähle, komme ich zu folgendem Ergebnis:
Die neue Bundesregierung fand aus diesen nicht im alten Finanzplan berücksichtigten Ausgaben von vornherein eine Hypothek von mehr als 5 Milliarden DM vor.
In diesem Betrag ist der Einkommensausgleich für die deutsche Landwirtschaft infolge der D-MarkAufwertung noch nicht enthalten. Auch hier bestand Übereinstimmung bei allen Bundestagsfraktionen, daß im Falle einer Aufwertung ein Einkommensausgleich an die Landwirtschaft geleistet werden muß. Faktisch wurde dazu am Tage nach der Wahl durch den Beschluß der alten Bundesregierung, die Wechselkurse freizugeben, eine Vorentscheidung getroffen.
({18})
Eine Rückkehr zu den alten Wechselkursen, meine Damen und Herren, wäre doch einer Abwertung gleichgekommen, und das hat doch niemand von Ihnen beabsichtigt.
({19})
Am 17. Oktober vorigen Jahres hat mein Herr Amtsvorgänger die möglichen Erlöseinbußen für die Landwirte auf 150 bis 200 Millionen DM für jedes Prozent Aufwertung geschätzt.
({20})
So, meine Damen und Herren, stellte sich die finanzwirtschaftliche Lage für die neue Bundesregierung
dar. Das ist die Ausgansposition, und das ist ein Wort zur Sache.
({21})
Nun hat Herr Kollege Dr. Stoltenberg ({22})
- Ja, wir waren dabei, aber leider nicht in der Mehrheit!
({23})
- Das entbindet Sie nicht von dieser Verantwortung,
({24})
und das entbindet mich nicht von der Verpflichtung, eine solche Eröffnungsbilanz aufzumachen,
({25})
damit jeder weiß, woran er ist. Und, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie sollten sich auch in Ihrer neuen Position angewöhnen, zuhören zu können. Das gehört nämlich zur Demokratie!
({26})
Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat gestern behauptet, die Bundesregierung habe in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP über finanzwirksame Anträge und Forderungen der Opposition einen „elementaren Verstoß gegen die Pflicht der Bundesregierung, sorgfältig zu berichten", begangen.
({27})
Diese Behauptung, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, ist
unbegründet. Noch am 28. Januar 1970 habe ich
' in einem Brief an Herrn Kollegen Leicht zu der Kritik, die Sie in Ihrer Pressekonferenz desselben Tages erhoben haben, im einzelnen Stellung genommen und den Vorwurf der Manipulation zuungunsten der Opposition zurückgewiesen. Daß ich das an demselben Tage getan habe, beweist Ihnen, daß ich solche Vorwürfe durchaus ernst nehme und mich sofort an die Prüfung solcher Vorwürfe mache, um ihre Berechtigung festzustellen. - Herr Kollege Leicht hat auf diesen meinen Brief bereits am 29. Januar 1970 seine Gegenargumente dargelegt. Ich bin davon ausgegangen, daß er eine Fortsetzung des Schriftwechsels in dieser Angelegenheit nicht erwartete.
({28})
Ich kann mich deshalb darauf beschränken, eindeutig festzustellen, daß von einem Verstoß gegen die parlamentarische Berichtspflicht nun wirklich keine Rede sein kann.
({29})
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
- Dann werden wir uns anhören, was Sie im einzelnen noch zu beanstanden haben, und darauf in der morgigen Debatte eingehen.
({30})
Nun, meine Damen und Herren, zur Einnahmeseite. Ich war einige Wochen im Amt, als ich aus Vorlagen ersah, daß sich beim Aufkommen an Investitionssteuer aus der Besteuerung des Selbstverbrauchs im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe abzeichneten. Da über diese Frage im Laufe der letzten Wochen in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert worden ist, will ich an dieser Stelle lediglich noch einmal folgendes festhalten: Der Steuerausfall hat für den Bund wegen der fehlenden Einbeziehung nicht selbständig bewertbarer Wirtschaftsgüter, die durch den Einführungserlaß des Bundesfinanzministeriums vom 30. Januar 1968 möglich wurde, unter Berücksichtigung der ersten Schätzung allein für die Jahre 1968 und 1969 rund 4 Milliarden DM betragen.
Das alles bezeichne ich als die Erblast, welche die jetzige Bundesregierung zu tragen hat. Diese Erblast engt zweifellos den finanziellen Spielraum ein. Deswegen mußte darüber gesprochen werden.
Ich habe bereits erklärt, daß der Bundeshaushalt 1970 der Wiedergewinnung einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu dienen hat. Nach der Debatte am gestrigen Tag kann ich darauf verzichten, noch einmal auf die Konjunkturlage einzugehen. Ich muß jedoch hervorheben, daß die Bundesregierung mit diesem Entwurf des Bundeshaushalts 1970 ihre Verpflichtungen nach dem Stabilitäts und Wachstumsgesetz erfüllt.
({31})
Diese Feststellung treffe ich mit besonderem Nachdruck und verweise auf folgende Maßnahmen:
Erstens. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, einen Bundeshaushalt mit einem Gesamtausgabevolumen von formal rund 91,4 Milliarden DM zu verabschieden. Dieses Ausgabevolumen ist für die gegenwärtige Konjunktursituation zu groß. Sie hat deshalb für ausgewählte binnenwirksame Einzelansätze eine Sperre von insgesamt 2,7 Milliarden DM vorgesehen. Die Ausgabenansätze umfassen dann nur noch 88,75 Milliarden DM. Gegenüber den voraussichtlichen Ist-Ausgaben des vergangenen Jahres von rund 81,58 Milliarden DM würden wir damit das Ausgabenwachstum auf 8,78 v. H. beschränken, während das Bruttosozialprodukt voraussichtlich eine Zuwachsrate von nominal 9 bis 10 v. H. erreichen wird.
Anders als im Jahre 1969 wird die Konjunktursperre 1970 tatsächlich eine restriktive Wirkung ausüben, und zwar nicht nur wegen ihres größeren Volumens; denn im vergangenen Jahre waren nicht Einzelansätze gesperrt, sondern Globalsummen für den Gesamtetat eines Ministeriums, Deshalb entstanden zum Jahresende im wesentlichen dort Minderausgaben, wo das Geld ohnehin nicht hätte ausgegeben werden können. Die Minderausgaben 1969 kann man folglich nicht als ein Ergebnis gezielter Entscheidungen der vorigen Bundesregierung bezeichnen. Diese Bundesregierung hat dafür Sorge getragen, daß die Sperren im Haushalt 1970 voll wirksam werden.
Die Sperre darf ferner, wenn dieses Hohe Haus unserem Vorschlag folgt, nur dann durch einen Beschluß der Bundesregierung aufgehoben werden, wenn es zur Abwehr einer die Ziele des § 1 des Stabilitätsgesetzes gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung erforderlich ist. Damit wird die von der Konjunktur her erforderliche Wirkung dieser Sperre sichergestellt.
Zweitens. Die Bundesregierung wird nach § 15 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates eine Verordnung erlassen, die Bund und Länder bis zum 30. Juni 1970 verpflichtet, bei der Deutschen Bundesbank Konjunkturausgleichsrücklagen in Höhe von 2,5 Milliarden DM, davon der Bund 1,5 Milliarden DM und die Länder 1,0 Milliarden DM, zu bilden. Durch diese von Herrn Kollegen Professor Schiller vorgeschlagene obligatorische Konjunkturausgleichsrücklage wird die restriktive Haushaltsführung wirksam unterstützt.
Im Gegensatz zur Regelung des Vorjahres ist dabei nicht vorgesehen, daß die Tilgung ohnehin fällig werdender Schuldtitel auf die Konjunkturausgleichsrücklage angerechnet werden kann. Sie wird voll den Kassenmitteln des Bundes und der Länder entnommen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine notwendige Bemerkung zur Konjunkturausgleichsrücklage des Jahres 1969 machen. Der Bund sollte dieser Rücklage aus den erwarteten Steuermehreinnahmen rund 2,4 Milliarden DM zuführen. Wie Sie wissen, hat der Bund im Jahre 1969 eine Konjunkturausgleichsrücklage tatsächlich nicht gebildet. Die Verpflichtung des Bundes aus der Verordnung über die Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen ist ausschließlich durch Tilgung von U-Schätzen und Kassenobligationen erfüllt worden. Hierzu darf ich auf das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Ziffer 126, verweisen und zitieren:
Die Verwendung von Steuermehreinnahmen zur Tilgung kurzfristiger Schulden außerhalb des Zentralbanksystems ist kein Beitrag zur Konjunkturdämpfung.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Übrigens muß auch der Herr Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion überrascht davon sein, daß mein Herr Amtsvorgänger nicht eine D-Mark in die Konjunkturausgleichsrücklage gezahlt hat. Um die Jahreswende hat der Herr Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in seinen Ausführungen zur Konjunkturpolitik im Bayerischen Rundfunk nämlich erklärt, daß der frühere Bundesfinanzminister eine Konjunkturausgleichsrücklage angesammelt habe.
({32})
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Drittens. Bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1970 wird der Vollzug des Haushalts durch die von mir gegenüber dem Vorjahr erheblich verschärften Bestimmungen über die „vorläufige Haushaltsführung" restriktiv gehandhabt. Diese Maßnahmen werden die Bundesausgaben im ersten Halbjahr nur mäßig steigen lassen, etwa um 4 v. H. Wenn die Einnahmeentwicklung den Ansätzen entspricht, ergibt sich in diesem Zeitraum voraussichtlich ein Finanzierungsüberschuß. Eine gegenüber diesem Ergebnis expansivere Wirkung tritt auch nicht durch die Verpflichtungsermächtigungen ein.
Herr Kollege Dr. Stoltenberg hat es als einen „im höchsten Grade beunruhigenden Tatbestand" bezeichnet, daß das Gesamtvolumen der Verpflichtungsermächtigungen 1970 im Vergleich zum Gesamtrahmen der Bindungsermächtigungen 1969 von 8 auf 17 Milliarden DM steigen soll. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, ich muß Sie enttäuschen: Es sind nicht 17 Milliarden DM, sondern sogar 25,6 Milliarden DM, die für Verpflichtungsermächtigungen im Haushaltsentwurf 1970 insgesamt veranschlagt wurden. Eine Übersicht finden Sie im Haushaltsgesetz 1970, Seite 34. Dieser Umstand ist jedoch keineswegs beunruhigend, denn im Gegensatz zur alten Reichshaushaltsordnung, nach der wir bisher verfahren sind, müssen nach der neuen, ab 1970 geltenden Bundeshaushaltsordnung alle benötigten Verpflichtungsermächtigungen im Haushaltsplan enthalten sein. Dies - und nur dies - ist der Grund für den Anstieg der Verpflichtungsermächtigungen im neuen Haushaltsjahr. Ein Vergleich mit dem Bundeshaushalt 1969 kann deswegen nicht angestellt werden.
({33})
Ich will es noch deutlicher sagen: Was früher an Neuverpflichtungen neben dem Haushalt herlief, muß nach dem neuen Haushaltsrecht in den Haushaltsplan aufgenommen werden. Es gibt keine Bezugnahme auf ein Vorjahr und daher auch keinen Vergleich.
({34})
Ein „im höchsten Grade beunruhigender Tatbestand" liegt also nicht vor.
({35})
Ich darf dazu noch folgendes sagen: Bisher war es üblich, daß im Haushalt mit Bindungsermächtigungen gearbeitet wurde. Diese Bindungsermächtigungen bedeuteten, daß der Haushaltsansatz einen ersten Betrag für ein Projekt vorsah, und nur den Erläuterungen konnten Sie entnehmen, welche Beträge in etwa in späteren Jahren erforderlich sein würden. Von diesen Bindungsermächtigungen sind wir abgekommen, und zwar auf Wunsch aller Fraktionen des Hohen Hauses, die den Bundeshaushalt transparenter machen wollten und sich mit diesen Ausweisen nicht zufriedengeben konnten.
({36})
Dabei haben die Erfahrungen der früheren Jahre eine entscheidende Rolle gespielt. Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren, an die Überraschung in der Rezession, als wir plötzlich überlegen und uns fragen mußten: Was ist im Bundeshaushalt überhaupt noch beweglich und wo bestehen nicht schon rechtliche Verpflichtungen für spätere Jahre, die die Entscheidungen wesentlich beeinflussen?
Auf Grund dieser Erfahrungen heraus ist man von Bindungsermächtigungen zu Verpflichtungsermächtigungen übergegangen. Das heißt, das ganze Projekt wird nicht nur in dem Betrag ausgewiesen, der für das betreffende erste Haushaltsjahr in Frage kommt, sondern wir erfassen jetzt die Gesamtbeträge für alle Jahre. Deswegen finden Sie z. B. im Verteidigungshaushalt für das Jahr 1969 704 Millionen DM und für das Jahr 1970 15,6 Milliarden DM Bindungsermächtigungen. Der letztere Betrag umfaßt aber einen viel größeren, sich auf mehrere Jahre erstreckenden Zeitraum. Beim Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft waren es im vorigen Jahr, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, 406 Millionen DM; jetzt sind es rund 2 Milliarden DM. Wir erfassen also die Projekte, die im Jahre 1970 in Angriff genommen werden sollen, nun voll für den ganzen Zeitraum. Ich bin daher der Meinung, daß diese Regelung, die die neue Bundeshaushaltsordnung vorsieht, durchaus begrüßenswert ist.
({37})
Viertens. Die Bundesregierung hat wegen der Konjunktursituation den Vorschlag gemacht, die beabsichtigte Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages bei der Lohnsteuer und den Abbau der Ergänzungsabgabe zeitlich hinauszuschieben.
Fünftens. Die Bundesregierung begrüßt es, daß Länder und Gemeinden im Konjunkturrat und im Finanzplanungsrat ihre Bereitschaft erklärt haben, die Bemühungen um eine binnenwirtschaftliche Stabilisierung durch eine antizyklische Haushaltsgestaltung zu unterstützen. Die Länder sind bemüht, zusätzlich zu der bereits erwähnten Zuführung zur Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von 1 Milliarde DM einen mindestens ebenso hohen Ausgabebetrag zu sperren. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben zugesichert, im gemeindlichen Bereich darauf hinzuwirken, daß Ausgaben gesperrt und Steuermehreinnahmen zur Verminderung des Nettokreditbedarfs oder zur verstärkten Rücklagenbildung verwendet werden, solange es die konjunkturelle Lage erfordert.
Lassen Sie mich hier eine Bemerkung einfügen, die sich auf die Länder und die Maßnahmen bezieht, die von den Ländern getroffen werden, um diese Sperre durchzuführen oder einen Beitrag zur Konjunkturausgleichsrücklage zu leisten.
Ich habe den Eindruck, daß aus dem Verhalten der Länder falsche Schlußfolgerungen gezogen werden. Es handelt sich hier um Maßnahmen, die sich ,nicht aus der Konjunktursituation ergeben, sondern aus der Situation, wie sie durch die Finanzreform entstanden ist. Das bedeutet, daß bei den finanzstarken Ländern die Zuwachsrate ganz von selbst geringer
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
ist, weil nunmehr Einnahmen von den finanzstarken auf die finanzschwachen Länder verlagert werden. Darüber gibt es eine Statistik. Sie erweist die Richtigkeit dieser Feststellung, wie man überhaupt wohl einmal in Kürze dem Hohen Hause darüber berichten muß, welche Auswirkungen die Finanzreform nicht nur innerhalb der Länder hat, sondern auch im Verhältnis vom Bund zu den Ländern und von den Ländern zu den Gemeinden. Der andere Anteil, der z. B. für den Bund dadurch eingetreten ist, daß er die Länder ab 1. Januar 1970 an der Mehrwertsteuer zu beteiligen hat, bringt natürlich auch Verschiebungen in den Steuereinnahmen bei Bund und Ländern. Beispielsweise wird der Bund durch die Finanzreform im Januar dieses Jahres Mindereinnahmen von rund 700 Millionen DM haben.
Sechstens. Bis zur Aufhebung der Sperre ist beim Bund für 1970 keine Nettokreditaufnahme vorgesehen. Auch bei den Ländern insgesamt erfolgt in diesem Jahr keine Nettokreditaufnahme. Die bei den Gemeinden zu erwartende Nettokreditaufnahme in Höhe von 1,5 bis 2 Milliarden DM wird durch erhebliche Überschüsse bei den Trägern der Sozialversicherungen überkompensiert werden. Damit dürfte der gesamte öffentliche Sektor im Jahre 1970 mit einem kontraktiv wirkenden Finanzierungsüberschuß von rund 3 Milliarden DM abschließen.
An dieser Stelle verweise ich ausdrücklich auf den Jahreswirtschaftsbericht, und zwar auf die Darstellung des Staatskontos nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, in der die antizyklische Wirkung aller öffentlichen Haushalte festgelegt wird.
({38})
- Ja, ich komme gern darauf zurück.
Das Ganze ist das Programm einer der heutigen Konjunktursituation entsprechenden Haushalts- und Finanzpolitik. Was ich Ihnen bis jetzt vorgetragen habe, betrifft ein in sich ausgewogenes System von Maßnahmen, die eine Erfüllung und bessere Ausgestaltung der Staatsaufgaben ermöglichen und die dennoch konjunkturgerecht, also zunächst mit einem Bremseffekt, wirken. Ich bin gespannt auf die Vorstellungen der Opposition zum Haushalt. Es wird mich sehr interessieren, in welchem Zusammenhang Erhöhungs- und weitere Ausgabenwünsche mit der geforderten Herabsetzung der Steigerungsrate des Haushalts stehen.
({39})
- Das interessiert mich deswegen, weil ich das Geschäft ja jetzt ein paar Monate mit einigen Anstrengungen gemacht habe und weil es doch durchaus möglich ist, daß ich von Ihrer Seite eine wertvolle Unterstützung erhalte mit dem Ziel, noch eine vertretbare Senkung der Steigerungsrate zu erreichen.
({40})
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann behauptet, daß die Bundesregierung hinsichtlich einer gezielten und bewußten antizyklischen Haushaltspolitik „viel zu
spät" gehandelt habe und „auch heute noch nicht genügend geschieht".
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, Sie haben offenbar übersehen, daß die schon am 4. Dezember 1969 angeordnete „vorläufige Haushaltsführung" bis zur Verabschiedung des Bundeshaushalts 1970, d. h. voraussichtlich bis mindestens Ende Mai 1970, die restriktive Wirkung des Haushaltsvollzugs gewährleistet. Die Einzelheiten kann ich als bekannt voraussetzen.
Wegen des Zusammenhangs und des Wunsches von Herrn Kollegen Dr. Stoltenberg verweise auch ich - wie gestern Herr Kollege Schiller - auf den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Seite 9, und zitiere:
Die hier durch die Bundesregierung und die zuständigen Koordinierungsorgane ({41}) gefaßten Beschlüsse und Empfehlungen, gewisse Ausgaben in den Haushalten für 1970 vorerst zu sperren und Konjunkturausgleichsrücklagen bei der Bundesbank zu bilden, verhindern nicht nur eine prozyklische Haushaltsgestaltung, sondern dürften dazu beitragen, die Finanzierungsüberschüsse der öffentlichen Haushalte zu erhöhen, also antizyklisch zu wirken.
({42})
- Ich habe ihn jetzt nicht verfügbar. Auf Seite 22 finden wir Ausführungen, die nicht ganz mit den Ausführungen auf Seite 9 übereinstimmen.
({43})
Aber die Vorschläge auf Seite 22 enthalten eine weitere Überlegung und eine weitere Empfehlung. Von mir aus bestehen keine Bedenken, daß sich das Hohe Haus und insbesondere der Haushaltsausschuß mit diesen Überlegungen sehr ernsthaft beschäftigen. Denn hier wird zum Ausdruck gebracht, daß man sich nicht mit der Konjunktursperre und der Konjunkturausgleichsrücklage begnügen, sondern einen Teil der Gelder in der Weise einfrieren sollte, daß man eine Beschneidung der Ausgaben beschließt oder wenigstens durch langfristige Kredite sicherstellt, daß diese Beträge nicht schon in den nächsten Monaten durch Aufhebung der Konjunktursperre oder später durch Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage wieder wirksam werden. Das ist eine neue zusätzliche Überlegung, die aber mit der eigentlichen Feststellung, was wir jetzt hinsichtlich der Haushaltsführung an Maßnahmen beschlossen haben, nichts zu tun hat, sondern die zum Ausdruck bringen will, daß es noch besser wäre, wenn noch mehr getan würde. Diese Frage muß man von seiten der Deutschen Bundesbank natürlich so sehen, weil die Deutsche Bundesbank nicht das zu berücksichtigen hat, was hier im Bundestag politisch zu entscheiden ist.
Herr Kollege Dr. Müller-Hermann hat in seiner Rede erklärt, noch im Dezember 1969 seien in erheblichem Umfang liquide Mittel aus den öffentlichen Haushalten ausgegeben worden. Hierzu habe ich, soweit es den Bundeshaushalt betrifft, bereits
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
am 26. Januar 1970 auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Strauß, Dr. Althammer, Dr. Kreile und Genossen Stellung genommen. Aus zeitlichen Gründen wiederhole ich nur den letzten Absatz meiner Antwort:
Ein echter Vergleich ist nur durch eine Gegenüberstellung der Steigerungsrate des Monats Dezember 1969 zu der des Monats Dezember 1968 möglich. Die Ausgabesteigerung im Dezember 1969 betrug im Vergleich zum Dezember 1968 26,7 v. H. und die des Monats Dezember 1968 gegenüber Dezember 1967 25,2 v. H. Diese Steigerungsrate von 1,5 v. H. ist durch die Erhöhung des Haushaltsvolumens 1969 gegenüber dem des Jahres 1968 und durch die erwähnten Mehrausgaben bedingt.
Meine Damen und Herren, nun zu der Vorstellung desselben Kollegen, „daß die Steuereinnahmen im Jahre 1969 um 18 % angestiegen sind" und daß deshalb die Konjunkturausgleichsrücklage 1970 lediglich „als ein Griff in die Westentasche" zu bezeichnen sei. Wie sieht diese „Westentasche" aus? Die Steuermehreinnahmen im Jahre 1969 belaufen sich auf über 4 Milliarden DM. Aber nur dadurch war es möglich, nicht nur auf die vorgesehene Nettokreditaufnahme von 3,8 Milliarden DM ganz zu verzichten, sondern darüber hinaus noch 1,8 Milliarden DM Schulden endgültig zu tilgen. Außerdem sind zwangsläufige Mehrausgaben in Höhe von 2,131 Milliarden DM entstanden. Weiter mußten im Dezember 1969 - wie in allen Vorjahren - Personalausgaben, Renten, Kindergeld usw. in Höhe von über 2 Milliarden DM gezahlt werden, die zu Lasten des Bundeshaushalts 1970 gehen. Es gab daher am Jahresende keinen Überschuß, der es der Bundesregierung ermöglicht hätte, Beträge einer Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen.
Völlig unverständlich ist mir, insbesondere wegen der leidvollen Erfahrungen früherer Jahre, z. B. der Jahre der Rezession 1966/67, die Behauptung des Herrn Kollegen Dr. Müller-Hermann, die Bundesregierung wolle die Konjunktursteuerung allein der Bundesbank überlassen. Gerade hier unterscheidet sich die Politik dieser Bundesregierung für jeden, der nicht blind ist, augenfällig von der Haltung früherer Regierungen.
({44})
Sie werden in der Vergangenheit vergeblich ein Beispiel suchen, in dem es eine so enge Abstimmung von Finanz- und Geldpolitik gegeben hat wie jetzt.
({45})
Lassen Sie mich diesen Abschnitt meiner Ausführungen mit einem Zitat aus dem Mitgliederbrief des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer vom Januar 1970 abschließen, eine gewiß unverdächtige Quelle. Ich darf die Opposition insbesondere auf die folgende Stelle aufmerksam machen:
Für uns Unternehmer gibt es auch im eigenen
Interesse nur eine Haltung: Mit allen Kräften
und durch eigenes Handeln die Stabilitätspolitik, wie sie Notenbank und der neue Bundesfinanzminister versuchen, zu unterstützen. Deswegen haben wir auch kein Verständnis für das Verhalten der Opposition, die Koalition in den Ausgabefragen zu übertrumpfen.
({46})
Wenn starke Kreise der CDU Katastrophenpolitik betreiben wollen, dann ohne die Wirtschaft.
({47})
Das sagt kein Sozialdemokrat, sondern der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer in einem Mitgliederbrief, den er Ende Januar 1970 veröffentlicht hat.
({48})
- O doch, ich würde dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer nicht unterstellen, daß er im Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes und dieses Appells die Zahlen nicht gekannt habe. Ich gehe davon aus, daß ein Mann, der eine solche Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer leitet, sich schon auf Grund seiner Wirtschaftserfahrungen vor Aufstellen einer Behauptung - vor allem einer, wie ich zugebe, so schwerwiegenden Behauptung - sehr genau mit den Zahlen vertraut macht.
({49})
Meine Damen und Herren, in dem Ihnen vorgelegten Entwurf des Bundeshaushalts 1970 und im Finanzplan hat die Bundesregierung Schwerpunkte gesetzt, um die im Regierungsprogramm als wichtig bezeichneten Maßnahmen einzuleiten - Verzeihung, Herr Kollege Becker, hatten Sie etwas gegen mich? Ich habe Sie nicht verstanden.
({50})
- Aber Herr Kollege Stoltenberg, ich halte die
Selbständigen Unternehmer nun wirklich für selbständig. Warum sollen sie denn nicht auch einmal politisch selbständig, unabhängig von Ihnen, denken können?
({51})
Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung die Priorität im Bereich von Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung hervorgehoben. Für den Haushalt Bildung und Wissenschaft haben wir daher eine Steigerung der Ansätze dieses Jahres um 36 v. H. auf nunmehr insgesamt 3 Milliarden DM vorgesehen.
({52})
- Herr Kollege Dr. Stoltenberg, ich möchte den
Streit um diese Zahlen hier nicht wiederholen. Ich
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
meine, auch wenn es 25 v. H. wären, hätten wir hier einen Anfang gemacht.
({53})
- Bitte, eine gute Fortsetzung.
Ein großer Teil dieser Mittel ist im Rahmen der Bildungs- und allgemeinen Wissenschaftsförderung für den Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen bestimmt, damit möglichst schnell genügend Studienplätze für die Studierenden an den wissenschaftlichen Hochschulen finanziert werden können.
Ich will aber keineswegs den Eindruck erwecken, daß das Gebiet der Bildung und Wissenschaft im Bundeshaushalt 1970 oder in der Finanzplanung bis 1973 schon ausreichend berücksichtigt wäre. Wir alle kennen die Größenordnung dieser vordringlichen Aufgabe. Es ist bekannt, daß Herr Kollege Leussink eine Steigerung der Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft bis 1980, die von Bund, Ländern und Gemeinden aufzubringen sind, von jetzt rund 25 Milliarden DM im Jahr auf mindestens 50 Milliarden DM im Jahr - nach heutigen Preisen; diese Einschränkung muß man hinzufügen - für notwendig erachtet. Die in neuester Zeit bekanntgewordenen Schätzungen des Deutschen Bildungsrates und des Wissenschaftsrates gehen noch darüber hinaus.
Gegenwärtig trägt der Bund einen Anteil von etwa 13 v. H. Wenn der Anteil des Bundes an der Finanzierung dieser Aufgabe so gering bliebe, würde das eine Zunahme bis 1980 auf etwa 7 Milliarden DM im Jahr bedeuten; das entspräche einem mittleren jährlichen Wachstum von etwa 8 v. H. Im Vergleich dazu kann sich der Zuwachs von 1969 auf 1970 von rund 36 v. H. durchaus sehen lassen. Hier haben wir ein deutliches Signal gesetzt, aber auch nicht mehr.
Man kann wohl kaum davon. ausgehen, daß die Verteilung der Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft zwischen dem Bund einerseits und den Ländern und Gemeinden andererseits so bleiben wird wie heute. Ich verweise als Beispiel auf die von allen Seiten gewünschte Mitfinanzierung des Bundes bei den Investitionen für die Pädagogischen Hochschulen und die Fachhochschulen.
Der vorgelegte Haushaltsplan mußte notgedrungen -- schon aus zeitlichen Gründen - vom bisherigen Verteilungssystem ausgehen. Innerhalb dieses Systems war keine andere Vorlage möglich, will man den Anspruch auf Solidität aufrechterhalten.
Ich bin mir aber bewußt, daß Bund und Länder, also gemeinsam, recht bald aus dem vorgesehenen Gesamtbildungsplan ein Gesamtbildungsbudget entwickeln müssen.
({54})
Erst dann ist eine vernünftige Fortschreibung des Finanzplans des Bundes für diesen Bereich möglich. In den früheren Plänen wurden die vor uns stehenden Aufgaben der Bildungspolitik einfach verkannt. Wir hatten in den vergangenen 20 Jahren gewiß großartige Aufbauleistungen vorzuweisen; aber
seien wir ehrlich: der Wiederaufbau im Bildungswesen war allzu bescheiden und dazu auch noch restaurativ.
({55})
Meine Damen und Herren, dadurch sind völlig falsche Vorstellungen über die absoluten Größen entstanden. Eine aus Vorurteilen herrührende Angst vor Planung hat verhindert, ein Instrumentarium zu entwickeln, das wir schon seit Jahren haben müßten.
Wissenschaftsminister und Finanzminister sind sich bewußt, daß wir mit den bisher gewohnten „klassischen" Methoden diesen Kraftakt, der praktisch eine Verdoppelung des Anteils für Bildung und Wissenschaft am Bruttosozialprodukt bedeutet, nicht vollbringen können. Durch sogenannte Umschichtungen in den Haushalten des Bundes und der Länder ist das notwendige Finanzvolumen ebensowenig freizusetzen. Wir müssen uns schon etwas Neues, sogar vielerlei Neues einfallen lassen, sowohl bei der Finanzierung als auch bei deren Aufteilung zwischen Bund und Ländern. Die Bundesregierung hofft, bald Lösungsvorschläge machen zu können. Dabei wird man sich immer wieder vor Augen zu halten haben, daß Jahrzehnte die gemäßen Zeiträume für die Planung in der Bildungspolitik sind. Auch das Zusammenfügen dieser langfristigen Pläne mit den mittelfristigen Finanzplänen des Bundes und der Länder erfordert Denken in neuen Kategorien. Ein Anfang ist nach meiner Meinung damit beispielsweise im Fernstraßenbau gemacht worden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Regierungsarbeit wird die Strukturpolitik sein. Durch eine ausgeglichene regionale Wirtschaftsstruktur muß die Gleichheit der Chancen und Lebensverhältnisse für die Bürger in allen Teilen des Bundesgebietes wenigstens annähernd erreicht werden. Das liegt auch im Interesse eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums, weil auf diese Weise Produktionsreserven zu mobilisieren sind.
Die schon in den vergangenen Jahren erhöhten Haushaltsansätze für die regionale Strukturpolitik, insbesondere für die Förderung ländlicher Gebiete, wurden im Haushaltsentwurf 1970 beim Regionalfonds noch einmal um nahezu die Hälfte auf rund 249 Millionen DM verstärkt. Dazu kommen noch die 1970 erstmals veranschlagten Ausgabeansätze für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur im Saarland und in der Westpfalz.
Die sektorale Strukturpolitik der Bundesregierung zugunsten einzelner Wirtschaftszweige ist insbesondere auf die Gesundung des Steinkohlenbergbaus gerichtet. Trotz der gegenwärtigen günstigen Absatzlage auf dem Kohlenmarkt erfordert der angestrebte langfristige Strukturwandel weiterhin erhebliche Bundesmittel. Im Haushaltsentwurf 1970 sind für Absatz- und Rationalisierungshilfen insgesamt 434 Millionen DM vorgesehen.
Zur Sicherung und Verbesserung der importabhängigen Erdölförderung, vor allem zum Erwerb und zur Erschließung von Erdölfeldern im Ausland durch die deutsche Erdölindustrie, wird der Bund bis 1974 insgesamt 575 Millionen DM, davon 115 Millionen
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
DM im Jahre 1970, bereitstellen. Weitere Bundesmittel sind zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft u. a. auf dem Gebiet der Luftfahrt und der elektronischen Datenverarbeitung eingeplant.
Für die Infrastruktur unseres Landes und für weiteres Wachstum der Wirtschaft ist der Ausbau des Verkehrswesens von entscheidender Bedeutung. Die Bundesregierung wird deshalb das „Verkehrspolitische Programm" fortführen und im Bundeshaushalt 1970 für Verkehrsausgaben insgesamt 10,1 Milliarden DM bereitstellen. Hierzu kommen noch Kreditmittel in Höhe von 480 Millionen DM, für die der Bund den Kapitaldienst übernimmt. Allein für die Finanzierung des Fernstraßenbaus sind 1970 Aufwendungen von rund 4,4 Milliarden DM vorgesehen, dazu Kredite der Öffa von 320 Millionen DM. Für Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden sind insgesamt 910 Millionen DM veranschlagt.
Auch die Einrichtungen für den Luftverkehr, insbesondere die Flugsicherung, werden weiter ausgebaut. Dafür sind 305 Millionen DM gegenüber 204 Millionen DM im Vorjahr vorgesehen.
Eine systematische Vorausschau und Planung in der Raumordnung, im Städtebau und im Wohnungswesen sind zwingende Aufgaben der siebziger Jahre. Deshalb wurde der Regierungsentwurf eines Städtebauförderungsgesetzes den gesetzgebenden Körperschaften bereits vorgelegt. Die Bundesregierung hofft, daß dieses Gesetz noch 1970 in Kraft treten und Maßnahmen zur Städtesanierung und Dorferneuerung ab 1971 möglich machen wird. Im Finanzplan sind für die Jahre 1971 bis 1973 zunächst einmal insgesamt 275 Millionen DM veranschlagt; nimmt man die Verpflichtungsermächtigungen hinzu, so erhöht sich dieser Betrag auf 450 Millionen DM.
Gezielte Vermögensbildungspolitik wird ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit dieser Bundesregierung sein. Trotz der Debatte zu diesem Punkt am gestrigen Tage lassen Sie mich hervorheben: Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Vermögensbildung in breiten Schichten unzureichend ist. Dies gilt vor allem für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Die Feststellung in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat" verpflichtet uns, wirksamere Maßnahmen als bisher zu treffen.
Die Vermögensbildung wird zwar schon seit vielen Jahren unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel gefördert. Diese Mittel sind jedoch in zu starkem Maße Schichten mit hohem Einkommen zugute gekommen.
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Bund und Länder gemeinsam haben in den Jahren 1950 bis 1969 für die Vermögensbildung im engeren Sinne - d. h. ohne steuerliche Begünstigung nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes, ohne die Leistung für Lebensversicherungen und ohne die Grundsteuervergünstigungen nach dem 1. und 2. Wohnungsbaugesetz - 23,8 Milliarden DM in Form von Steuermindereinnahmen oder Haushaltsausgaben aufgewendet. Für die entsprechenden Leistungen im Jahre 1970 ist ein Betrag von 4,3 Milliarden DM erforderlich. Diese hohen Förderungsbeträge müssen künftig vermögenspolitisch wirksamer eingesetzt werden als bisher.
Um die Vermögensbildung dort zu aktivieren, wo sie besonders dringend ist, nämlich in den einkommensschwachen Schichten, will die Bundesregierung das Zweite Vermögensbildungsgesetz schnellstens umgestalten und verbessern. Dadurch soll die Politik zur Förderung der Vermögensbildung wirksamer und gerechter werden. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzes, vermögenswirksame Zuwendungen der Arbeitgeber zu veranlassen, ließe sich damit endlich erreichen. In diesem Zusammenhang kommt den Tarifverträgen im öffentlichen Dienst, in denen erstmals vermögenswirksame Zuwendungen vereinbart wurden, beispielgebende Bedeutung zu.
Die Bundesregierung wird einen Gesetzentwurf zur wirtschaftlichen Sicherung eines bedarfsgerecht gegliederten Systems leistungsfähiger Krankenhäuser vorlegen. Der Bund soll sich an den Investitionen für Krankenhäuser durch Übernahme eines Teils des Schuldendienstes beteiligen. Von 1971 bis 1973 sind dafür insgesamt 118 Millionen DM vorgesehen. Damit kann der Schuldendienst für Investitionskosten von über 1 Mrd. DM finanziert werden.
Von den übrigen Maßnahmen der Gesundheitspolitik, für die in den Haushalt und in den Finanzplan erhebliche Beträge eingestellt wurden, nenne ich den Bereich der medizinischen Forschung, insbesondere der Krebsforschung.
Für zentrale Sportförderungsmaßnahmen sind die Mittel gegenüber dem Vorjahr erheblich erhöht worden. Auch für den Ausbau von Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 haben wir Bundesmittel vorgesehen.
Eine Erhöhung der Aufwendungen für die Olympischen Sommerspiele 1972 ist wegen der inzwischen eingetretenen Kostensteigerungen nicht zu vermeiden. Nach eingehender Prüfung hat die Bundesregierung - unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung - eine Steigerung des ursprünglich vorgesehenen Kostenanteils des Bundes von einem Drittel auf die Hälfte der Investitionskosten in Aussicht gestellt, soweit sie nicht durch Sonderfinanzierung gedeckt werden können.
Die Sozialleistungen des Bundes stellen den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt 1970 dar.
Für die Kriegsopferversorgung sind - wie ich schon an anderer Stelle erwähnt habe - 1970 zusätzlich 938 Millionen DM vorgesehen. Hinzu kommen in den folgenden Jahren die Mehrleistungen wegen der vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossenen Dynamisierung der Kriegsopferrenten. Sie sind im Finanzplan berücksichtigt. Die Ausgaben für die Kriegsopfer werden 1970 rund
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
! 7,2 Milliarden DM betragen und bis 1973 auf rund 8,2 Milliarden DM steigen.
Im Bereich des Lastenausgleichs ist in diesem Jahr beabsichtigt, die Unterhaltshilfe an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen.
Einen weiteren bedeutsamen Posten bilden die Leistungen für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen. Von 1972 an werden die Kürzungen der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungen, die durch das Finanzänderungsgesetz 1967 vorgenommen wurden, im wesentlichen wegfallen. Die Zuschüsse entsprechen dann wieder der Entwicklung der Löhne. 1970 und 1971 werden sie 7,16 und 7,68 Milliarden DM betragen; sie steigen 172 auf 9,6 und 1973 auf 10,36 Milliarden DM.
Schließlich leistet der Bund einen wesentlichen finanziellen Beitrag zur Lohnfortzahlung an Arbeiter im Krankheitsfalle. Um die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten auch in mittelständischen Unternehmen zu gewährleisten, ist bis 1973 eine Übergangshilfe von 525 Millionen DM vorgesehen.
Entgegen der Absicht der Regierung der ehemaligen Großen Koalition, die Erhöhung der Kindergeldleistungen erst zum 1. Juli 1972 vorzunehmen, soll dies nunmehr bereits zum 1. Oktober 1970 geschehen.
Für das am 1. Juli 1970 in Kraft tretende Ausbildungsförderungsgesetz sind im Haushaltsentwurf rund 200 Millionen DM veranschlagt.
Im Finanzplan bis 1973 ist - mit einem Gesamtansatz von 2,5 Milliarden DM - der für 1971 angekündigte weitere Ausbau der Ausbildungsförderung im Rahmen des finanziell Möglichen berücksichtigt. Da innere Reformen nur verwirklicht werden können, wenn die äußere Sicherheit unseres Landes gewährleistet ist, wird die Bundesregierung auch künftig ihren Beitrag zu den gemeinsamen Sicherheitsanstrengungen der Mitgliedstaaten des Bündnisses leisten.
Lassen Sie mich zum Verteidigungshaushalt an die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 erinnern, in der es heißt:
Wir werden deshalb in und gegenüber dem Bündnis die bisherige Politik fortsetzen und erwarten dies auch von unseren Bündnispartnern und von ihren Beiträgen zur gemeinsamen Sicherheitspolitik und zu den vereinbarten gemeinsamen Sicherheitsanstrengungen.
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die Bundesrepublik Deutschland mit dem vorliegenden Verteidigungshaushalt in Höhe von 20,35 Milliarden DM diesen Beitrag in angemessenem Umfang leistet. Er geht um 6,8 v. H. über den vergleichbaren Ansatz im Bundeshaushalt 1969 - unter Berücksichtigung der methodischen Umrechnung hinaus, bleibt aber unter der allgemeinen Zuwachsrate. Der Verteidigungshaushalt wird dem Beschluß der Außen-und Verteidigungsminister vom April 1969 voll gerecht, aus dem ich zitieren möchte:
Die am integrierten Verteidigungsprogramm der NATO beteiligten Verbündeten hielten es übereinstimmend für äußerst wichtig, daß während einer Zeit der Verhandlungen das Verteidigungspotential der Allianz nicht geschwächt und keine verfrühten Erwartungen einer Beilegung offener Fragen ausgelöst werden dürfen. Die Aufrechterhaltung einer wirksamen Verteidigung ist ein stabilisierender Faktor und notwendige Voraussetzung für eine wirksame Entspannungspolitik.
Diese Erklärung entspricht auch meiner Auffassung.
Zur Erhöhung des Verteidigungshaushalts darf ich deshalb noch folgendes bemerken:
Erstens. Die Planung der NATO, der wir - wie die anderen Partner auch - zugestimmt haben, geht von der Annahme aus, daß die Verteidigungsausgaben in den Jahren 1971 his 1975 allgemein maßvoll steigen.
Zweitens: Unser Voranschlag für 1970 berücksichtigt die von der vorigen Bundesregierung eingegangenen und von uns zu respektierenden Verpflichtungen.
Drittens. Mit den für 1970 vorgesehenen Beträgen ist es möglich, Kostensteigerungen aufzufangen. Die kritische Bestandsaufnahme, die Herr Kollege Schmidt durchführt, wird innerhalb des Verteidigungshaushalts später sicher noch einige Verschiebungen erfordern, vor allem zugunsten der Truppenfürsorge.
Angesichts der Vergrößerung des Verteidigungshaushalts auf eine Vergrößerung der Bundeswehr schließen zu wollen, wäre falsch. Die gesteigerten Aufwendungen sind erforderlich, um die erreichte Verteidigungskraft der Bundeswehr zu bewahren. Diese Tatsache zu sehen, ist notwendig, um gewissen Tendenzen in den Vereingten Staaten, Truppen aus Europa abzuziehen, entgegenzuwirken. Ich bedauere, daß einige öffentliche Stellungnahmen aus Kreisen, die nicht zur Regierungskoalition gehören, in den USA leider den irreführenden Eindruck erweckt haben, als besäßen wir einen Dukatenesel.
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Man darf nicht unverantwortliche Andeutungen machen, die bei anderen unerfüllbare Hoffnungen erwecken.
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Wir wollen unsere Verpflichtungen gegenüber der NATO erfüllen. Unseren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung zu reduzieren, hätte sehr unerwünschte Folgen. Sie könnten nicht zuletzt die Politik, eine ausgewogene Truppenreduzierung in Ost und West zu erreichen, beeinträchtigen.
Die Sicherung der Lebensfähigkeit Berlins gehört zu den selbverständlichen Verpflichtungen jeder Bundesregierung. Der Bund wird - wie in der Vergangenheit - auch weiterhin Finanzhilfen zur Verfügung stellen und ständig bemüht bleiben, seine Verbundenheit gegenüber einer BevölkeBundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
rung unter Beweis zu stellen, die unter schwierigsten Bedingungen Lebensmut, Freiheitswillen und Zuversicht bekundet.
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Zahlen allein drücken nicht aus, was wir Berlin wirklich schulden.
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Eine Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas, Lateinamerikas und Asiens ist unverzichtbarer Bestandteil der Friedenspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Der Entwicklungshilfe kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.
Im Haushaltsentwurf 1970 sind die Ansätze für Entwicklungsprojekte auf 2,54 Milliarden DM erhöht. Darüber hinaus soll die vorgesehene Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen auf 1,41 Milliarden DM bei der Kapitalhilfe und auf 330 Millionen DM bei der Technischen Hilfe eine sachgerechte Planung für die kommenden Haushaltsjahre erleichtern.
Diesen Leistungen muß man neben den Ausgaben der Bundesländer auch die Gewährleistungen hinzurechnen, die im Außenwirtschaftsverkehr überwiegend Entwicklungsländer begünstigen.
Nun noch ein notwendiges Wort zur EWG. Nach langwierigen Verhandlungen hat der Ministerrat am 7. Februar in Brüssel Beschlüsse zur Vollendung der Europäischen Gemeinschaft gefaßt. Damit wird der Weg frei für Verhandlungen mit j beitrittsbereiten Ländern.
In Brüssel ging es um das immer schwierige Auspendeln gewichtiger finanzieller und wirtschaftlicher nationaler Interessen.
Die französische Regierung wollte die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik auf Dauer sichergestellt sehen. Sie konnte sich dabei auf Art. 2 der Verordnung 25 berufen, in dem bereits im Jahre 1962 der Grundsatz der gemeinsamen finanziellen Verantwortung für die EWG-Agrarpolitik festgelegt worden war.
Die italienische Regierung bestand auf gleichzeitiger Beschlußfassung über eine Marktorganisation für Rohtabak und Wein, deren Einführung der Ministerrat was in der Diskussion der letzten Wochen übersehen worden ist - bereits am 10./11. Mai 1966 einstimmig beschlossen hatte.
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-- Mit Monopol, ja; Sie müssen aber auch unsere Stellung berücksichtigen und an das Branntweinmonopol sowie an die Betriebe denken, gerade die kleinen und mittleren, die von diesem Branntweinmonopol berührt sind. Daß wir deshalb in der Monopolfrage sehr vorsichtig operieren mußten, werden Sie mir zugestehen.
Die Bundesregierung wollte die finanziellen Belastungen der Bundesrepublik in Grenzen halten und gemeinsam mit den Benelux-Ländern die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments gestärkt sehen. Im Rahmen eines ausgewogenen Kompromisses konnte das deutsche Verhandlungsziel erreicht werden.
Meine Damen und Herren, Europa hat seinen Preis; das wissen wir. Diese Feststellung findet auch ihren Niederschlag im Bundeshaushalt.
Am Anfang der Brüsseler Verhandlungen stand die Agrarfinanzierung im Vordergrund. Europa ist aber mehr als eine Agrargemeinschaft. Daher wurde die neue Finanzverfassung der europäischen Gemeinschaften beschlossen, für die jedes Mitgliedsland unter Berücksichtigung aller vorhandenen Interessen seinen angemessenen Beitrag zu leisten hat.
Wir haben dabei Begrenzungen der Belastung durchsetzen können, die sicherstellen, daß unser Gesamtbeitrag im Durchschnitt der Jahre 1970 bis einschließlich 1974 32 v. H. nicht überschreitet.
Die im Jahre 1970 erforderlichen Ratifizierungsverfahren werden dem Deutschen Bundestag Gelegenheit geben, die Verhandlungsergebnisse zu debattieren. und darüber zu beschließen.
Lassen Sie mich schon jetzt einige Resultate nennen, die besondere Bedeutung für den Bundeshaushalt haben.
Erstens. Daß Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Einnahmen der Gemeinschaften von 1971 an ersetzt werden sollen, entspricht dem deutschen Wunsch, die europäischen Gemeinschaften finanziell auf eigene Füße zu stellen. Sie sollen nicht länger „Kostgänger" der Mitgliedstaaten bleiben. Der Übergang zur Finanzierung allein durch eigene Einnahmen wird sich bis 1975 in drei Etappen vollziehen.
Zweitens. Mit der Übertragung eigener Einnahmen werden die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments verstärkt. In der Endphase soll dann das Europäische Parlament das „letzte Wort" im Haushaltsverfahren sprechen.
Drittens. Die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik hat den Bundeshaushalt in der Vergangenheit erheblich belastet und wird - darüber sollte man sich keine Illusionen machen - auch in Zukunft erhebliche finanzielle Leistungen von uns verlangen. Man hat in den letzten Monaten oft davon gesprochen, daß die Bundesregierung bei der Neuregelung der EWG-Agrarfinanzierung eine grundsätzliche Änderung durchsetzen müsse. Wer das fordert, übersieht, daß bereits 1962 die Weichen gestellt wurden, als der EWG-Ministerrat in der Finanzverordnung Nr. 25 den Grundsatz der gemeinschaftlichen Finanzierung der EWG-Agrarmarktordnungen beschloß.
Eine Begrenzung der Kosten der EWG-Agrarpolitik - auch das muß klar herausgestellt werden - kann nicht allein durch Finanzverordnungen erreicht werden. Die Begrenzung hat vielmehr dort anzusetzen, wo die kostenverursachenden Tatbestände geschaffen wurden, also im Agrarmarktordnungsrecht. Hier muß man sich mit Nachdruck um eine Sanierung der Agrarmärkte in der Gemeinschaft bemühen. Dazu haben sich die Regierungen im Kommuniqué der Gipfelkonferenz von Den Haag
Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
und durch den Beschluß vom 6. Februar 1970 im Ministerrat ausdrücklich bekannt. Die Bundesregierung weiß, daß ausgewogene Lösungen dieses schwierigen Problems nur allmählich heranreifen können und daß die Interessen der deutschen Landwirtschaft in ausreichendem Maße zu berücksichtigen sind.
Wo bei den Verhandlungen noch Spielraum war, haben wir unsere Möglichkeiten genutzt. So ist die EWG auch künftig nur für die Koordinierung der Agrarstrukturpolitik zuständig. Dieses Prinzip wurde im Verordnungstext eindeutig anerkannt. Daher bleibt der Haushaltsansatz der Gemeinschaft auf den bisher gültigen Betrag von 285 Millionen Rechnungseinheiten - gleich 1043 Millionen DM - begrenzt. Wir haben mit großer Hartnäckigkeit, aber auch mit Erfolg diesen Plafond weiterhin gesichert.
Ich kann das deswegen mit Genugtuung hervorheben, weil ich an den Schlußverhandlungen nicht beteiligt war und weil es daher mit ein Verdienst von Herrn Staatssekretär Dr. Emde ist, daß wir ein solches Ergebnis vorweisen können.
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Meine Damen und Herren, damit habe ich die Schwerpunkte des Bundeshaushalts 1970 und des Finanzplans für die Jahre 1969 bis 1973 dargelegt.
Lassen Sie mich nun zum Schluß einige wenige Bemerkungen zur Finanzierungsseite machen. Die im Finanzplan vorgesehenen Bundesausgaben werden sich ohne Erhöhung der volkswirtschaftlichen Steuerquote finanzieren lassen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn Bundesausgaben stärker aus Krediten finanziert werden.
Die Bundesregierung hält mittelfristig eine Kreditaufnahme des Bundes für notwendig und vertretbar, die höher ist, als im alten Finanzplan vorgesehen. Die Neuverschuldung des Bundes wird 1971 rund 4 Milliarden DM, 1972 rund 5,5 Milliarden DM und 1973 rund 8 Milliarden DM betragen. Nur 1970 wird der Bund, solange die Sperre besteht, keine neuen Kredite aufnehmen.
Schon vor Jahren haben wir uns von den alten Grundsätzen einer objektbezogenen Schuldenpolitik gelöst. Der Gesetzgeber hat diese Wandlung im Rahmen der Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 - und zwar mit Verfassungsrang in Art. 115 des Grundgesetzes - deutlich bestätigt.
Wann und wieviel der Staat Kredit aufnimmt oder tilgt, wird nicht mehr nur von seinem Finanzbedarf, sondern auch von den Notwendigkeiten der Wirtschaftspolitik bestimmt. Grundsätzlich müssen dem Staat die volkswirtschaftlichen Kapitalquellen ebenso zur Verfügung stehen wie den privaten Unternehmen, denn öffentliche Investitionen sind zwar anderer Art, aber nicht weniger bedeutsam als private und außerdem gesamtwirtschaftlich notwendig.
Der Bedarf an verbesserter Infrastruktur ist heute nicht Folge, sondern Voraussetzung des Wirtschaftswachstums.
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Sollen etwa die privaten Unternehmen in ihrer Investitionsbereitschaft gehemmt sein, nur weil der
Staat sich scheut, seine Infrastrukturinvestitionen mit Krediten zu finanzieren - wie es bei gleichbleibender Steuerquote allein möglich und im übrigen auch sinnvoll ist?
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Die Bundesregierung weiß selbstverständlich, daß hinsichtlich der Staatsverschuldung Grenzen bestehen. Diese Grenzen hat sie im Finanzplan in den Kreditansätzen eingehalten. Die Neuverschuldung steht in Übereinstimmung mit der mittelfristigen Geldvermögensrechnung. In dieser Rechnung sind wir davon ausgegangen, daß die Sparfähigkeit breiter Bevölkerungsschichten durch die allgemeine Einkommensentwicklung sowie durch Maßnahmen einer verstärkten Vermögensbildung weiter verbessert wird und sich das Angebot an den Kreditmärkten dadurch erhöht.
Die vorgesehene verstärkte Kreditfinanzierung der Bundesausgaben ist auch aus der Sicht der Zinsbelastung des Bundeshaushalts vertretbar. Sie wird bis 1973 nicht über 3,7 v. H. der Gesamtausgaben steigen und somit zu keiner wesentlichen Einengung der Budgetgestaltungsmöglichkeiten führen, jedenfalls sicherlich nicht zu jener krisenhaften Zuspitzung, in die uns eine ungeplante Finanzpolitik in der ersten Hälfte der 60er Jahre geführt hat, eine Politik, die in der Entwicklung einer angemessenen Infrastruktur die Zukunft nicht zu meistern vermocht hat.
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Noch ein Wort zu der Forderung, die Struktur des Bundeshaushalts so zu ändern, daß der Anteil der Investitionsausgaben zunimmt. Nach den Ansätzen im Finanzplan werden die investiven Ausgaben von rund 12,1 Milliarden DM in 1969, das sind knapp 15 v. H. des Haushaltsvolumens, auf rund 16 Milliarden DM im Jahre 1973 steigen, also um durchschnittlich jährlich 7 v. H. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Struktur des Bundeshaushalts weitgehend von der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bestimmt wird. Der größte Teil der öffentlichen Investitionen entfällt auf die Länder und 'insbesondere auf die Gemeinden. Dieser Tatsache hat auch die Finanzreform Rechnung getragen. Demgegenüber sind fast die Hälfte der Ausgaben des Bundes ökonomisch „Einkommensübertragungen". Die Umstrukturierung des Bundeshaushalts hat also zwangsläufig Grenzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Ich habe mich bei meinen Ausführungen auf die Darstellung der wesentlichen Überlegungen der Bundesregierung für die Aufstellung des Entwurfs des Haushaltsplanes 1970/71 und des Finanzplans bis 1973 beschränkt. Ich wollte Sie nicht mit Detailzahlen belasten. Das Zahlenmaterial finden Sie in den Haushaltsplänen der Ressorts, im Finanzplan und im Finanzbericht 1970.
Bei der teilweise überraschenden „Erblast", welche die Bundesregierung vorfand, war es nicht möglich, schon jetzt alle politischen Ziele, die in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 genannt sind, ausreichend zu berücksichtigen. Ich bin aber der festen Überzeugung, daß es gelungen ist, mit dem Entwurf des Bundeshaushalts 1970 den ErfordernisBundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
sen der Stabilität und des Wachstums der Wirtchaft zu entsprechen. Gleichzeitig bedeutet dieses Budget das Startzeichen für die inneren Reformen, die sich diese Bundesregierung vorgenommen hat. Das Hohe Haus möge sich kritisch mit dem Haushaltsentwurf und mit dem Finanzplan beschäftigen. Die Bundesregierung ist jedem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen, der ohne Gefährdung der finanzwirtschaftlichen Solidarität den dargestellten Zielen der wirtschaftlichen Stabilität und des gesellschaftlichen Fortschritts noch besser dienen würde.
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Meine Damen und Herren! Das Haushaltsgesetz 1970 und der Finanzplan des Bundes 1969 bis 1973 sind eingebracht. Nach der Vereinbarung der Fraktionen, die vom Ältestenrat gutgeheißen wurde, soll die Aussprache morgen um 9 Uhr beginnen. Bis dahin wird die Beratung zu Punkt 2 ausgesetzt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Verwaltungskostengesetzes ({0})
- Drucksache VI/330 Das Wort wird weder von der Bundesregierung noch aus dem Hause gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Innenausschuß vor. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Kostenermächtigungen, sozialversicherungsrechtlichen und anderen Vorschriften ({1})
- Drucksache VI/329 Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Innenausschuß als federführenden Ausschuß und an den Rechtsausschuß vor.
({2})
- Es wird beantragt, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als mitberatenden Ausschuß zu beteiligen. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 5:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes
- Drucksache VI/387 -
Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Der
Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung vor. - Kein weiterer Antrag? - Kein Widerspruch? - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
betr. Mitglieder und Stellvertreter des Verwaltungsrats der Filmförderungsanstalt
- Drucksache VI/369 Meine Damen und Herren, ich muß hier um Ihre Aufmerksamkeit bitten, denn Sie haben jetzt einen Wahlakt vorzunehmen. Vorgeschlagen sind von der CDU/CSU Dr. Wörner und Dr. Huys als ordentliche Mitglieder, Wohlrabe und Frau Geisendörfer als Stellvertreter, von der SPD Dr. Meinecke ({3}) und Raffert als ordentliche Mitglieder sowie Lenders und Schulte ({4}) als Stellvertreter und von der FDP als ordentliches Mitglied Dorn, als Stellvertreter Moersch. Keine weiteren Anträge? -Keine Änderungsanträge? - Erhebt sich Widerspruch? - Enthaltungen? - Ich stelle einmütige Annahme des Vorschlages fest.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Ich berufe den Bundestag auf morgen, Donnerstag, 19. Februar, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.