Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat mit Schreiben vorn 28. Januar 1970 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die
Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
({0})
- Drucksache VI/278 mit der Bitte um fristgemäße Behandlung dem Ausschuß für Wirtschaft übersandt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 22. Januar 1970 mitgeteilt, daß der Wirtschaftsausschuß die nachstehenden Verordnungen zur Kenntnis genommen habe und sich, da alle Verordnungen bereits im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verkündet wurden und in Kraft getreten sind, eine besondere Berichterstattung an das Plenum erübrigt:
Verordnung ({1}) Nr. 2335'69 des Rates vom 25. November 1969 für Süßorangen
Verordnung ({2}) Nr. 2336'69 des Rates vom 25. November 1969 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Mandarinen
Verordnung ({3}) Nr. 2337'69 des Rates vom 25. November 1969 liber die zeitweilige Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Sprotten der Tarifstelle 03.01 B I a) 2 bb)
Verordnung ({4}) des Gemeinsamen Zolltarifs
Verordnung ({5}) Nr. 2484'69 des Rates vom 8. Dezember 1969 über die zeitweilige Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Waren
Verordnung ({6}) Nr. 2451/69 des Rates vom 8. Dezember 1969 zur Änderung der Verordnung ({7}) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif ({8})
Verordnung ({9}) Nr. 2486 69 des Rates vom 9. Dezember 1969 zur Änderung der Verordnung ({10}) Nr. 765/68 in bezug auf die Tarifnummer einiger auf Zuckerbasis hergestellter Erzeugnisse der chemischen Industrie ({11})
Verordnung ({12}) Nr. 2520/69 des Rates vom 15. Dezember 1969 zur Änderung der Verordnung ({13}) Nr. 1059/69 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte, aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren
Verordnung ({14}) Nr. 2528'69 des Rates vom 15. Dezember 1969 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Früchte mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei ({15})
Verordnung ({16}) Nr. 2529'69 des Rates vom 15. Dezember 1969 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für unverarbeiteten Tabak und Tabakabfälle der Tarifnummer 24.01 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei ({17})
Verordnung ({18}) Nr. 2530/69 des Rates vom 15. Dezember 1969 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Spinnstoffe mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei ({19})
Verordnung ({20}) Nr. 2620/69 des Rates vom 19. Dezember 1969 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents von 30 000 Tonnen für Thunfische, frisch, gekühlt oder gefroren, ganz, ohne Kopf oder zerteilt, für die Konservenindustrie, der Tarifnummer ex 03.01 B I b) des Gemeinsamen Zolltarifs ({21}) ({22})
Verordnung ({23}) Nr. 2616/69 des Rates vom 15. Dezember 1969 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents in Höhe von 34 000 Tonnen für Kabeljau, ganz, ohne Kopf oder zerteilt, nur gesalzen, in Salzlake oder getrocknet, der Tarifstelle 03.02 A I b) des Gemeinsamen Zolltarifs ({24}) ({25})
Ich rufe den einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Fragestunde
Drucksache VI/273 Wir kommen zunächst zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Dr. Ehmke zur Verfügung. Es handelt sich um die Frage des Kollegen Weigl:
Ist die Äußerung des Bundeskanzlers zur Wiedervereinigung Deutschlands ({26}), die er in einem amerikanischen Fernsehinterview laut dpa gemacht hat, noch vereinbar mil der zum Verfassungsgebot erhobenen besonderen Verpflichtung der Präambel des Grundgesetzes, aus der hervorgeht, daß die nationale und staatliche Einheit Deutschlands zu wahren und die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden ist?
Die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers ist in der Meldung von dpa vom 22. Januar 1970 unvollständig wiedergegeben, und dadurch ist ihr Inhalt entstellt worden. Die entsprechende Stelle in der dpa-Meldung lautet:
Zur Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands sagte Brandt: Dies wird nicht geschehen.
Tatsächlich hat der Herr Bundeskanzler in seinem Interview mit der amerikanischen Fernsehgesellschaft „National Educational Television", New York, das am 17. Januar 1970 in Bonn aufgenommen und am 21. Januar 1970 in den USA ausgestrahlt worden ist, zum Thema Wiedervereinigung folgendes gesagt:
... Ich zögere, wenn ich das Wort höre, vor
allem wegen dieses ersten Teils „wieder", „wieder", das erweckt den Eindruck, als ob die
Dinge in ein früheres Stadium zurückversetzt werden sollten. Das wird nicht geschehen. Das wird in keinem Fall geschehen. Ich glaube an die Einheit meines Volkes, aber sie wird nicht notwendigerweise im Rahmen eines Nationalstaates verwirklicht werden. Es gibt andere Möglichkeiten, wenn wir es zustande bringen - und das ist der Hauptinhalt meiner Politik -, beizutragen zu einer neuen Ordnung in Europa.
Ihre Frage, Herr Abgeordneter, geht also von Voraussetzungen aus, die nicht gegeben sind. Die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers fragt gerade nach den besten Möglichkeiten, die Einheit unseres Volkes zu wahren.
Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage?
({0})
Bitte schön!
Herr Bundesminister, können Sie mir sagen, warum der Herr Bundeskanzler in letzter Zeit immer häufiger davon spricht, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich sei?
Weil von Franz Josef Strauß bis zu Leuten in unseren Reihen die Einsicht wächst, daß es mit der Fortdauer der Teilung, die nun schon 25 Jahre andauert, unwahrscheinlich wird, daß eine größere politische Einheit unseres Volkes in erster Linie in der Form des alten Nationalstaates zu erreichen sein wird. Von dieser Vorstellung, also der Idee der Wiederherstellung des Deutschen Reiches, sind wir ja ursprünglich alle ausgegangen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Baier.
Herr Bundesminister, halten Sie es, wenn in einer so wichtigen Frage eine Äußerung des Bundeskanzlers falsch oder nur teilweise wiedergegeben wird, nicht für notwendig und geboten, daß die Bundesregierung ein Dementi gibt?
Nein, ich glaube, in diesem Falle nicht. Es passiert natürlich oft, daß die Wiedergabe einer Meldung, auch wenn der ganze Text vorliegt, von den Agenturen verkürzt gebracht wird. Auf Grund der Regierungserklärung und auf Grund der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Lage der Nation kann an der Stellung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers in diesem Punkt ja kein Zweifel bestehen. Daher ist es, glaube ich, nicht notwendig, jede verkürzte Meldung gleich zu korrigieren.
Damit ist die Frage beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Für die Antworten steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Baier auf:
Wie beurteilt der Bundesminister für Wirtschaft, daß Walzdraht in Thomas-Güte im ersten Quartal 1969 327,50 DM kostete und im ersten Quartal 1970 524,00 DM, also um 200,00 DM pie Tonne erhöht wurde, und ist der Bundesminister für Wirtschaft bereit, darauf hinzuwirken, daß alsbald zollfreie Kontingente für Importe aus Drittländern genehmigt werden, um damit eine Verbesserung des Inlandsmarktes für Walzdraht zu erreichen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Baier, der Ministerrat und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben am 26. Januar 1970, also vor wenigen Tagen, beschlossen, daß der Zoll für Walzdraht am 1. Februar des Jahres ohne Mengenbeschränkung zur Hälfte ausgesetzt wird. Die Senkung des Zolltarifs gilt zunächst bis 31. Mai. Für diesen Beschluß hat sich die Bundesregierung seit dem Juli vorigen Jahres eingesetzt.
Die von Ihnen zitierte Preissteigerung für Walzdraht von 327,50 auf 524 DM gilt - wir haben das geprüft - nur für Importe aus Drittländern. Walzdraht aus der Bundesrepublik oder aus anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaften zeigt eine geringere Elastizität der Preise auf Nachfrageveränderungen. So sind z. B. die Listenpreise von 369 DM am Jahresanfang 1969 auf 465 bis 470 DM zum Jahresende gestiegen. Diese Preise gelten auch noch heute. Die Preissteigerung je Tonne betrug hier also 100 DM. Das ist die Hälfte der Preiserhöhungen für Waren aus Staatshandelsländern.
Bitte schön, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem innerhalb der EWG und in der Bundesrepublik der Bedarf an Walzdraht nicht gedeckt werden konnte, wurden zollvergünstigte Einfuhren aus Drittländern gefordert. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie die Auffassung teilen, die in der „FAZ" vom 27. Januar zum Ausdruck kam, wonach die Walzstahlkontore in der letzten Stahlflaute ihren Auftrag zur Preisstabilisierung und zur Erhöhung der Markttransparenz nicht erfüllt haben, und ob es angesichts dieser Praktiken nicht notwendig wäre, den Zoll für Einfuhren aus den Drittländern nicht nur zu ermäßigen, sondern bei der nächsten Gelegenheit - im Sommer dieses Jahres - völlig in Wegfall kommen zu lassen.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich kann den letzten Teil ihrer Frage beantworten, ohne versucht zu sein, bei dem ersten Teil ein summarisches Urteil abzugeben. Die Bundesregierung hat sich in der EWG für eine Erhöhung der Kontingente an Walzstahl aller Provenienzen eingesetzt, Das Erreichte ist leider hinter unseren Wünschen zurückgeblieben. Aber das ist eines der Opfer, die wir auf dem Altar der Europäischen Gemeinschaft zu bringen haben. Immerhin sind wir zufrieden, daß es in der richtigen Richtung, vorangeht.
Ich rufe die Frage 115 des Kollegen Werner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Hermes-Plafond für jene arabischen Staaten, die im Augenblick keine diplomatischen Beziehungen mit uns unterhalten, zu erhöhen?
Ist der Herr Abgeordnete im Saal? - Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich bitte in diesem speziellen Fall um Ihr Verständnis dafür, daß ich diese Frage nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten, sondern Ihnen dafür lediglich eine Zustandsbeschreibung geben kann.
Herr Staatssekretär, ich wäre im Hinblick auf die Richtlinien für die Fragestunde dankbar, wenn Sie diese Zustandsbeschreibung möglichst kurz halten könnten.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Gegenüber den arabischen Ländern ohne diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik erfolgen Bürgschaftsgewährungen nach den üblichen wirtschaftlichen Kriterien, also auch nach entwicklungspolitischen Kriterien. Dies heißt vor allem, daß der Umfang der Bürgschaftsmöglichkeiten von der Amortisations- und der Transferkraft der Empfängerländer bestimmt wird. Ausfuhrbürgschaften und -garantien durch den Bund gibt es also auch ohne diplomatische Beziehungen. Für ein Land gilt allerdings eine Sonderregelung aus dem Jahre 1967, nämlich für Ägypten, und zwar zum Vorteil dieses Landes. In dem damaligen Umschuldungsabkommen wurde ein Plafond vereinbart, der dem Land neue Bürgschaften entsprechend den Rückzahlungen auf Grund dieses Abkommens sichert.
Eine Zusatzfrage?
Ist sich die Regierung darüber im klaren, daß sich die Begrenzung des Plafonds, in einigen Fällen auf 1 Million DM, so auswirkt, daß der deutschen Industrie dadurch erhebliche Aufträge verlorengehen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Regierung prüft diese Frage und ist gern bereit, in den zuständigen Ausschüssen, z. B. im Ausschuß für Wirtschaft darüber Auskunft zu geben.
Danke. Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Hussing auf:
Hält die Bundesregierung die Abschaffung der Preisbindung für Markenartikel für ein Mittel, um marktgerechte Preissenkungen zu erreichen?
Ist der Herr Kollege im Saal? - Bitte schön!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Darf ich die beiden Fragen 116 und 117 zusammen beantworten?
Dazu müssen wir die Zustimmung des Fragestellers einholen. Herr Kollege, sind Sie einverstanden, daß die Fragen in der Beantwortung durch den Herrn Staatssekretär verbunden werden?
Nein.
Das ist ein legitimes Recht des Fragestellers.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hält die Abschaffung der Preisbindung für Markenartikel nicht unbedingt für ein Mittel, um marktgerechte Preissenkungen zu erreichen. Sie tritt aber nach wie vor für eine Abschaffung von Preisbindungen, d. h. im Einzelfall, ein.
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, kann ich dann annehmen, daß der Satz aus dem Regierungsprogramm der SPD, der sinngemäß beinhaltete, daß die Abschaffung der Preisbindung für Markenartikel als ein Mittel, marktgerechte Preissenkungen zu erreichen, anzusehen ist, nur in Teilen richtig oder falsch ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, ich bedauere, hier das Programm der SPD nicht kommentieren zu dürfen, so gern ich das täte.
Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Nein. - Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Vogt.
Herr Staatssekretär, der Umfang von Preisempfehlungen hat in den letzten Monaten erheblich zugenommen. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände hat vorgeschlagen, die Preisempfehlungen zu verbieten bzw. das Verfahren bei der Anmeldung zu verschärfen. Plant die Regierung solche Maßnahmen, wie sie die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände vorgeschlagen hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Bei den bisherigen Beratungen über die Novellierung des Kartellgesetzes wurde das noch nicht erörtert.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Matthöfer.
1 176
Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie sich die Vertreter der CDU/ CSU-Fraktion verhalten haben, als es in der vergangenen Legislaturperiode darum ging, die Preisbindung abzuschaffen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, Herr Kollege Matthöfer, ist in der Bundesregierung unter Bundeskanzler Kiesinger ein entsprechender Antrag des Bundeswirtschaftsministers, zwar nicht auf Abschaffung, sondern auf Einschränkung dieser Preisbindungen, an dem Widerstand der damaligen Kabinettsmehrheit - und das ist die von Ihnen geschilderte Gruppierung - gescheitert.
Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe dann die Frage 117 des Abgeordneten Hussing auf:
Denkt die Bundesregierung daran, heute, wo ein Großteil der Preise steigt, die Preisbindung der zweiten Hand aufzuheben und damit insbesondere einer Forderung von SPD und DGB zu entsprechen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Hussing, die Bundesregierung denkt nicht an eine Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand, weder heute, da - wie Sie zu Recht bedauern - ein Großteil der Preise steigt, noch morgen, wenn die Preisstabilität wiederhergestellt sein wird. Die Bundesregierung tritt aber nach wie vor für die Abschaffung von Preisbindungen, also im Einzelfall, ein. Im Jahreswirtschaftsbericht heißt es dazu: „Im Rahmen der wettbewerbspolitischen Mißbrauchsaufsicht des Staates soll ungerechtfertigten Preiserhöhungen entgegengewirkt werden. Das gilt auch für den Bereich der preisgebundenen Waren. Auf diese Weise soll schon vor der angekündigten Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, also des sogenannten Kartellgesetzes, die Wettbewerbspolitik intensiviert werden."
Zu dieser Entschlossenheit wird die Bundesregierung durch folgende Erfahrungen ermutigt. Nach dem Wegfall der vertikalen Preisbindung im Einzelfall sanken die Preise für Rundfunkgeräte um rund 13 %, für Fernsehempfänger um rund 25 %, für Kühlschränke um rund 10 %, für verschiedene Fotogeräte zwischen 20 und 50 %, für Waschmittel um 5 %, für Schokolade um 30 % und für Pulverkaffee um 27 %.
Eine Zusaztfrage, Herr Kollege Hussing.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Aussagen von Wirtschaftsminister Schiller noch in Erinnerung, der selbst eine halbe Million Markenartikel als preisgebunden und preisempfohlen deklariert hat und seinerzeit - bis in diese Tage hinein - die Abschaffung dieser Preisbindung zugesagt hatte?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Der Bundeswirtschaftsminister hat die Position - ich kann das mit großer Sicherheit sagen -, daß nicht die Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand zur Diskussion steht, sondern daß etwas gegen die Ausdehnung der Preisbindungen getan werden muß. Die Zahl der preisgebundenen Einheiten ist um etwa 7000 gestiegen. Nicht Abschaffung, sondern Eindämmung - containment eher denn roll back - ist die Position des Bundesministers für Wirtschaft.
Herr Kollege Hussing, haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Bitte!
Darf ich annehmen, Herr Staatssekretär, daß Ihre modifizierten Ansichten und Einsichten einer Konzession an die FDP sind?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Das dürfen Sie nicht annehmen. Bereits in der Bundesregierung des Bundeskanzlers Kiesinger
({0})
hatte der Bundesminsiter für Wirtschaft eine derartige Formulierung vorgeschlagen, nämlich, dem Kartellamt ein Widerspruchsrecht gegen neue Preisbindungen einzuräumen. Das ist seinerzeit abgelehnt worden, und wegen dieser Ablehnung haben wir im letzten Jahr jene Ausdehnung der Preisbindung der zweiten Hand gebabt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, darf ich all Ihren Antworten entnehmen, daß die Bundesregierung zwischenzeitlich erkannt hat - obwohl die ursprünglichen Absichten zumindest eines Koalitionspartners andere waren -, daß die Position der Christlich-Demokratischen Union, die sie in der letzten Legislaturperiode in der Frage der Abschaffung oder der Nichtabschaffung der Preisbindung der zweiten Hand vertreten hat, richtig war?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft. Nein, das hat sie keineswegs. Eine solche Meinung kann man auch gar nicht vertreten; denn die Zahl der Preisbindungen hat zugenommen, und wir wissen, daß es bei zahlreichen preisgebundenen Erzeugnissen Handelsspannen von 50 oder auch 80 °/o gibt.
Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Griesinger.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mitzuteilen - um in Ihrer Antwort die Situation objektiv darzustellen, was wohl auch in Ihrem Interesse liegt -, daß durch Aufhebungen von Preisbindungen Waren nicht nur billiger geworden sind, sondern daß es, wie UnterFrau Griesinger
suchungen in den USA ergeben haben, durchaus auch vorgekommen ist, daß durch den Wegfall der Preisbindung Waren teurer geworden sind, und darf ich daran die Frage knüpfen: sind Sie mit mir der Meinung, daß es bedauerlich ist, daß Ihre Partei vor der Wahl bei vielen Verbrauchern den Eindruck erweckt hat, die Preisbindung der zweiten Hand völlig aufheben zu wollen, damit die betreffenden Waren alle billiger würden und der Verbraucher günstiger einkaufen könne, und stimmen Sie mir zu, daß das im Grunde genommen eine subjektive
Frau Kollegin, als amtierender Präsident habe ich schon die Verbindung von zwei Fragen in einer Zusatzfrage zugelassen; aber jetzt machen Sie es mir sogar als Kollegen schwer, noch eine dritte Frage mit einpacken zu lassen. Haben Sie bitte dafür Verständnis!
Bitte, Herr Staatssekretär, zur Beantwortung!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: In Deutschland ist es nicht vorgekommen, daß nach Aufhebung einer Preisbindung Preise gestiegen sind. Hier sind sie bisher gesunken; Beispiele habe ich gegeben.
Im übrigen, Frau Kollegin Griesinger, geht es nicht um die totale Abschaffung der Preisbindung zweiter Hand. Es geht ferner nicht um den sogenannten „echten" preisgebundenen Markenartikel. Es geht auch nicht um die Sicherheit der Existenz vieler Einzelhändler. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, daß die Preisbindung der zweiten Hand, nachdem sie 1967 und 1968 eher zurückgegangen war, 1969 angestiegen ist und daß Prüfungen notwendig sind, inwieweit das hingenommen werden kann. Die Bundesregierung wird nach wie vor im Einzelfall für Abschaffung von Preisbindungen eintreten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Apel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die zunehmende Wirksamkeit des EWG-Wettbewerbsrechts im Hinblick auf die Zukunft der deutschen Preisbindung?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Gegenwärtig sind dem Kartellamt so gut wie keine Möglichkeiten gegeben, gegen Preisbindungen zweiter Hand vorzugehen. Das von Ihnen zitierte Gesetz sieht vor, daß ein wesentlicher Teil preisgebundener Waren mit Disagio über andere Kanäle des Handelsbereichs verkauft werden kann, bevor das Kartellamt eine Preisbindung aufheben kann. Die Spanne mag 80, 100 oder 200 % sein - es kommen sogar noch höhere vor -, wie auch immer: Das Kartellamt hat auf Grund einer überhöhten Handelsspanne allein keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.
Herr Kollege Ott, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie, nachdem Sie vorher von Handelsspannen von 50 und 80 % gesprochen haben, bereit, die Artikel zu nennen, bei denen solche Handelsspannen üblich sind, und würden Sie mir widersprechen, wenn ich behaupte, daß diese Handelsspannen bei Artikeln wie Lippenstiften und ähnlichen üblich sind?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Nein, ich stimme Ihnen zu. Ich habe eine große Liste dieser Artikel da: Verstärker 80 %, Uhren 60 bis 80 %, Tabletten verschiedener Art 80 %, Seifen 70 %. Ich bin jederzeit in der Lage, beliebig lange Listen vorzulegen. Diese Listen sind ja öffentlich; denn Preisbindungen sind beim Kartellamt registriert und können von jedem eingesehen werden. Es sind nur 170 000 Artikel, und es ist etwas mühselig, diese Arbeit zu unternehmen.
Damit ist diese Frage beantwortet.
Ich rufe die Frage 118 des Kollegen Pfeifer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Äußerungen des Hauptgeschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft der Lebensmittel-Filialbetriebe, in denen die in einer halbseitigen Zeitungsanzeige der Bundesregierung enthaltenen Prognosen über Preissenkungen bei den Grundnahrungsmitteln um 1 bis 6 % als eine „bewußte Irreführung der Verbraucher" bezeichnet wurden?
Herr Kollege Pfeifer ist im Saal. Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung bedauert die Äußerung des Hauptgeschäftsführers. Diese Äußerung kann ärmlich in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, daß der Lebensmittelhandel keine Möglichkeit sieht, Preissenkungen der Vorstufen ungeschmälert weiterzugeben. Die Erfahrung der Vergangenheit, auch die der jüngsten Vergangenheit, ja auch die des heutigen Tages, zeigt aber das Gegenteil. Sie zeigt nämlich, daß Preissenkungen weitergegeben werden. So hat die Bundesregierung Informationen, daß sich Preissenkungen von 6 % bei Markenbutter, Zucker, Käse, Geflügel und Eiern auf der Einzelhandelsstufe durchsetzen. Hinzu kommen Preissenkungen für Rind- und Schweinefleisch von etwa 4 bis 6 N.
Diese Größenordnungen, Herr Kollege, entsprechen genau der vom Bundeswirtschaftsministerium für diese wichtigen Grundnahrungsmittel errechneten Preissenkung. Sie entsprechen damit den Zahlen, die in der Anzeige der Bundesregierung von Mitte Januar veröffentlicht worden sind. Im übrigen erschien diese Anzeige nach den ersten Preissenkungen im Einzelhandel. Die Bundesregierung ist diesen Pionierunternehmen der ersten Stunde zu Dank verpflichtet, zu Dank verpflichtet für die Preissenkungen einerseits und für den Druck auf die Vorstufen andererseits.
Schließlich war es der erklärte Wille des Hohen Hauses und der Bundesregierung, die preissenkenden Wirkungen der Aufwertung auch bei Lebensmitteln voll dem Verbraucher zugute kommen zu
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
lassen, und zwar ohne Schaden für den Landwirt. Für diesen Zweck sind im Bundeshaushalt 1970 1,7 Milliarden DM an Einnahmeverzichten oder an Ausgaben bereitgestellt worden. Diese Mittel gelten dem Verbraucher und gelten dem Bauern. Sie galten nicht und gelten nicht den Verarbeitungs- und Distributionsstufen, weder zu deren Kostenentlastung noch zu deren Gewinnvermehrung.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Pfeifer.
Herr Staatssekretär, nachdem die Anzeige der Bundesregierung ja auch für das ganze Jahr 1970 eine Prognose enthalten hat, möchte ich Sie fragen: Wie beurteilen Sie die bei der Tagung der Lebensmittelfilialbetriebe von Baden-Württemberg in Stuttgart von den dortigen Sprechern geäußerte Ansicht, die Bundesregierung habe bei ihrer Prognose nur die Rohstoffpreise, aber nicht die Kostensteigerungen bei den Herstellern beachtet, habe insbesondere nicht beachtet, daß allein die Personalkosten pro 100 DM in kurzer Zeit relativ um 35 °/0 gestiegen seien und daß sich deshalb das Niveau der Lebensmittelpreise im Jahre 1970 im ganzen nicht senken werde?
Herr Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Es ist für mich etwas schwierig, eine Ansicht zu beurteilen, von der ich zwar mit Sicherheit annehmen kann, daß Sie sie im ganzen Zusammenhang wiedergegeben haben; aber da ich für die Bundesregierung spreche, würde ich mich lieber darüber vorher informieren.
In der Anzeige der Bundesregierung ist vom „ganzen Jahr 1970" jedenfalls nicht die Rede. Hier steht:
Die Bundesregierung hat am 27. Oktober die Mark aufgewertet, und seit dem 1. Januar wirkt sich dies auch bei den Preisen für Lebensmittel aus.
Das ist die Anzeige.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage: Herr Kollege?
Herr Staatssekretär, dann möchte ich Sie fragen: sind Sie im Moment nicht in der Lage, zu sagen, daß sich im Jahre 1970 die Lebensmittelpreise insgesamt nicht senken werden, oder würden Sie eine solche Prognose nicht stellen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Sie sinken doch.
Aber im Jahre 1970 insgesamt nicht?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Da kann ich nur sagen, es ist die Politik der Bundesregierung,
es dabei zu belassen. Es hängt auch von der Bereitschaft des Hohen Hauses ab - bei den Haushaltsberatungen, bei den Konjunkturberatungen; und bisher ist diese Bereitschaft dagewesen -, daß diese Politik befolgt wird.
Frau Kollegin Griesinger!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, von welchen Großhandelsfirmen Sie die Preissenkungsmitteilungen haben, ob sie Ihnen hauptsächlich von den Co-op-Märkten zugegangen sind und von welchen anderen Großfirmen Sie weiterhin Informationen über Preissenkungen in dem Umfang erhalten haben, den Sie gerade genannt haben.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Diese Informationen waren auch der allgemeinen Presse zu entnehmen. Zahlreiche Kaufhäuser haben das gemacht. Von Verbrauchermärkten wissen wir das gleiche, von den Einzelbetrieben des selbständigen Einzelhandels ist es ebenfalls bekannt. Was sich hier niederschlägt, ist: der Wettbewerb funktioniert, und die marktwirtschaftliche Ordnung funktioniert.
Frau Kollegin!
Ist es nicht etwas seltsam, daß ausgerechnet nur die Co-op-Märkte die Anzeige der Bundesregierung in ihre eigene Anzeige hineinverarbeitet haben, um damit deutlich zu machen, daß sie analog der Prognose der Bundesregierung auch ihre Lebensmittelpreise speziell in diesen Bereichen senken, - ohne daß eine Aussage gemacht wird, wo sie eventuell erhöht werden müssen, damit die Senkungen wieder aufgefangen werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Mir war das nicht bekannt. Aber die Bundesregierung hat gegen eine derartige Verwendung ihrer Informationen nichts einzuwenden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dasch.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung und teilen Sie nicht die Befürchtung, daß die Nichtberücksichtigung der gestiegenen Kosten, sowohl der Lohn-, der Sozial- und der sonstigen Kosten des Lebensmittelhandwerks und der Lebensmittelindustrie, zu einem stärkeren Preisdruck auf die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise führte, als das bereits durch die Aufwertung der D-Mark geschehen ist?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Über die MögParlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
lichkeit, Kosten zu machen, entscheidet in einer Marktwirtschaft der Markt. Bei den Beispielen, die ich Ihnen vorgelesen habe, hat der Markt entschieden, und der Markt funktioniert.
Es gibt einen anderen Bereich, wo wir uns mehr Sorgen machen. Wir würden dem Einzelhandel gewiß nicht vorwerfen, Preissenkungen nicht weitergegeben zu haben, die er nämlich selbst auch nicht erhalten hat. Das gilt für Mehl. Hier gibt es - allerdings im Bereich dieser Industrie, der Mühlenindustrie -, wenn überhaupt Wettbewerb, dann sehr eingeschränkten. Es gibt ein Kartell, und der Bundesminister für Wirtschaft hat sich heute veranlaßt gesehen, in einer Verfügung die Mühlenindustrie aufzufordern, ihre Mehlpreise zu senken.
({0})
Eine Zusatzfrage des Kollegen Dröscher.
Herr Staatssekretär, halten Sie die liier erwähnte Äußerung des Hauptgeschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft nicht für eine recht egoistische Äußerung im Zusammenhang mit dem Versuch, die Vorteile des billigeren Einkaufs, die diese Firmen jetzt auf dem Auslandsmarkt haben, gewinnsteigernd zu verwenden und insofern dem Verbraucher ein bißchen Sand in die Augen zu streuen?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege Dröscher, ich halte sie eigentlich mehr für ein Mißverständnis. Vielleicht hat der Herr Hauptgeschäftsführer gemeint, die Bundesregierung erwarte dort Preissenkungen, wo der Handel in der ihn beliefernden Vorstufe keine Preissenkungen bekommen hat. Das ist nicht der Fall.
Was wir mit unserer Anzeige wollten, ist, den Verbraucher darauf aufmerksam zu machen, was dieses Hohe Haus für ihn bestimmt hat, und den Handel darauf aufmerksam zu machen, daß er bei seinen Vorlieferanten diese Senkung der landwirtschaftlichen Interventionspreise geltend machen kann. Das ist überall dort gelungen, wo wir Wettbewerb, d. h. eine gute marktwirtschaftliche Ordnung haben.
Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin erklärten, daß die von Ihrem Haus angekündigten Verbilligungen gewisser Nahrungsmittel nur für die nächste Zeit Gültigkeit haben werden, möchte ich Sie fragen: Wird die Bundesregierung zur Beurteilung einer gerechten Preisbildung in der Zukunft durch öffentliche Anzeigen auf Verteuerungskosten hinweisen, wenn sich beispielsweise öffentliche Abgaben, Lohnkosten - auch durch Urlaubsveränderungen und sonstige Gemeinkosten, auch die Kohlenpreise, erhöhen werden?
Herr Staatssekretär, ich bitte, die Frage nicht zu beantworten. Sie steht mit dem hier zur Debatte stehenden Thema nicht mehr in einem Zusammenhang.
Eine Ersatzfrage!
Herr Kollege Ott, ich rufe die nächste Frage, die Frage 119 des Kollegen Vogt auf:
Befürwortet die Bundesregierung die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Industrie- und Handelskammern?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Kollegen Vogt zusammen beantworten?
Das liegt beim Fragesteller. Herr Kollege Vogt? - Sie stimmen zu. Dann rufe ich ferner die Frage 120 auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf, der das vorläufige Gesetz zur Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern ersetzen würde, einzubringen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: In der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 sind die Absichten der Bundesregierung zur Verbesserung der Mitbestimmung dargelegt worden.
Auf der Grundlage der in der 5. Legislaturperiode eingebrachten Gesetzentwürfe wird eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsgesetzes durchgeführt.
Der in der vergangenen Legislaturperiode angeforderte Bericht der Mitbestimmungskommission wird geprüft und erörtert werden. Wir wollen die demokratische Gesellschaft, zu der alle mit ihren Gedanken zu einer erweiterten Mitverantwortung und Mitbestimmung beitragen sollen.
Nun, weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Gutachten der Mitbestimmungskommission erstreckt sich auf die Mitbestimmung in den Industrie- und Handelskammern. Sie können daher davon ausgehen, daß Gesetzesinitiativen nicht beabsichtigt sind.
Herr Kollege, Sie haben vier Zusatzfragen. Ihr Fragerecht ist nicht dadurch geschmälert, daß Sie der Verbindung der Fragen zugestimmt haben. Bitte!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung auch nicht plant, andere Maßnahmen zu ergreifen, durch die die sogenannte überbetriebliche Mitbestimmung realisiert werden kann? Präziser gefragt: Plant die Bundesregierung andere
Maßnahmen, die als Alternative zur paritätischen Besetzung der Industrie- und Handelskammern angesehen werden können?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, Sie dürfen davon ausgehen, daß die Regierungserklärung alle Absichten der Bundesregierung enthält.
Haben Sie keine weiteren Zusatzfragen? - Herr Kollege Breidbach!
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so werten, daß die Bundesregierung selbst dann bei ihrem Standpunkt bleibt und in der Frage der paritätischen Besetzung der Industrie- und Handelskammern oder einer Alternativlösung nicht aktiv werden wird, wenn in einzelnen Ländern unterschiedliche Regelungen getroffen werden, die unter Umständen zu erneuten Schwierigkeiten im Bereich der Ausweitung der Mitbestimmung bzw. überbetrieblichen Mitbestimmung führen werden?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Sie dürfen davon ausgehen.
Herr Kollege Matthöfer!
Herr Staatssekretär, habe ich richtig im Gedächtnis, daß bei der Schlußabstimmung über das Berufsbildungsgesetz die Mehrheit der CDU, CSU-Fraktion die vorgesehene Mitbestimmung der Gewerkschaften durch einen Überraschungsantrag wesentlich verschlechtert hat?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Ich nehme an, daß Ihr Gedächtnis Sie nicht trügt, Herr Kollege Matthöfer. Für mich müßte ich das allerdings erst noch einmal prüfen.
({0})
Damit sind auch diese Fragen beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen 121 und 122 des Kollegen Löffler:
Trifft es zu, daß gegenwärtig der EWG-Ministerrat die Frage prüft, ob gemäß Artikel 155 des EWG-Vertrags die Abwicklung des innerdeutschen Handels durch die Europäische Kommission überwacht werden müßte?
Wenn ja, welche Schritte gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um den innerdeutschen Handel unbeeinflußt von der EWG so gestalten zu können, wie es der in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigten Politik entspricht?
Der Fragesteller hat darum gebeten, die Fragen schriftlich zu beantworten. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 29. Januar 1970 lautet:
Der Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Herr Vredeling, hat den Rat der Europäischen Gemeinschaften um Auskunft gebeten, ob er die Auffassung teile, daß es gemäß Artikel 155 EWG-Vertrag Sache der Kommission sei, die Einhaltung des „Protokolls über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen" im Anhang zum EWG-Vertrag zu überwachen. Eine Antwort wurde bisher im Rat noch nicht beraten,
Materieller Anlaß für die erwähnte Anfrage sind neue Richtlinien der Bundesregierung über Preisprüfungen bei Bezügen im innerdeutschen Handel. Diese Richtlinien sind noch nicht erlassen. Die EG-Kommission wird selbstverständlich informiert werden. Int übrigen ist es das Ziel dieser Richtlinien, Marktstörungen durch Preisunterbietungen zu verhindern. Sie entsprechen daher voll dem Absatz 2 des „Protokolls über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen".
Die Bundesregierung sieht daher keine Gefahr für die Verwirklichung der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969.
Ich rufe die Frage 123 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
In der Pressemitteilung über die „konzertierte Aktion" des Bundeswirtschaftsministers vom 12. Januar 1970 wird erklärt: „Sollten administrative Preisregelungen dennoch geändert werden, so ist damit gleichzeitig eine stärkere marktwirtschaftliche Gestaltung ({1}) zu verbinden". Der Bundesverkehrsminister erklärte am 4. Dezember 1960 vor dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages zur Tarifpolitik: „Gegenwärtig ist nicht ausreichend, nur eine Marge zu geben". Welche Äußerung gibt die Meinung der Bundesregierung wieder?
Ist der Kollege im Saal? - Er ist anwesend. Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Im Jahreswirtschaftsbericht, vorgelegt am 29. Januar 1970, heißt 'es:
Die Bundesregierung wird in der gegenwärtigen Konjunkturlage gegenüber Erhöhungen administrativ beeinflußter Preise soweit als möglich Zurückhaltung üben. Sollten administrative Preisregelungen geändert werden, so wird damit gleichzeitig eine stärkere marktwirtschaftliche Gestaltung, z. B. durch Margentarife, angestrebt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, der Bundesminister für Verkehr hat im zuständigen Ausschuß erklärt, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt Margentarife nicht ausreichend sein würden. Darf ich, wenn Sie jetzt zunächst einmal die Schlußfolgerung für die Bundesbahn ziehen, Ihre Erklärung so verstehen, daß Sie dann auch eventuell notwendigen Tariferhöhungen im gewerblichen Güterkraftverkehr nicht zustimmen würden? Sie wären ja zu genehmigen. Wie stellt sich dann die Bundesregierung den Ausgleich diesem Gewerbezweig gegenüber vor, wenn sie doch der Bundesbahn gegenüber praktisch in die Defizitlücke einsteigen muß?
Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Herr Kollege, Sie dürfen davon ausgehen, daß die von Ihnen vermuteten - wahrscheinlich zu Unrecht vermuteten
Differenzen durch den Jahreswirtschaftsbericht vom 27. Januar ausgeräumt sind.
Sie haben keine weitere Zusatzfrage? - Damit ist diese Frage beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 111 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Wie begründet die Bundesregierung die im Steuerrecht geltende Regelung, daß beim getrennt lebenden Ehegatten die Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau und Kinder nicht steuerlich abzugsfähig sind, wenn sie auf Grund eines Urteils, gerichtlichen Vergleichs bzw. freiwilliger - außergerichtlicher und nicht notariell niedergelegter - Vereinbarung erfolgen, dagegen eine vor einem Notar abgegebene Erklärung über freiwillige Unterhaltszahlungen in voller Höhe steuerlich abzugsfähig ist?
Herr Staatssekretär, bitte schön!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Untehaltsaufwendungen an eine dauernd getrennt lebende Ehefrau können nur durch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung bis zu einem Höchstbetrag von 1200 DM im Kalenderjahr berücksichtigt werden. Hierbei handelt es sich um den gleichen Betrag, der auch für die Unterstützung sonstiger Personen berücksichtigt wird, die einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch haben. Der Betrag von 1200 DM ist seiner Höhe nach an dem Kinderfreibetrag für das erste Kind orientiert. Höhere Beträge können bei gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen auch dann nicht abgezogen werden, wenn die höheren Beträge auf einem besonderen Verpflichtungsgrund, wie etwa einer Gerichtsentscheidung, einem Vergleich oder einer notariellen Vereinbarung, beruhen. Im Rahmen der eingeleiteten Steuerreform wird geprüft werden, ob diese Regelung, die in Einzelfällen zu gewissen Härten führen kann, beibehalten werden soll.
Was die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für die Kinder eines getrennt lebenden Ehegatten angeht, so ist dazu zu bemerken, daß diese Aufwendungen durch die Gewährung von Kinderfreibeträgen abschließend berücksichtigt werden.
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, um eine größere Steuergerechtigkeit zu erreichen, getrennt lebende und geschiedene Ehegatten statt wie bisher nach Steuerklasse I, unter der Voraussetzung, daß nur ein Ehegatte Einkommen bezieht und deshalb den anderen Ehegatten und evtl. Kinder voll unterhalten muß, nach Steuerklasse III zu besteuern?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten werden nach dem derzeitigen Recht wie unverheiratete Personen besteuert ({0}). Es ist nicht möglich, in den Fällen, in denen ein getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte als Alleinverdiener den anderen Ehegatten und seine Kinder voll unterhalten muß, ihn nach der Trennung oder der Scheidung weiterhin wie eine verheiratete Person nach dem Splittingverfahren ({1}) zu besteuern.
Das Splittingverfahren ist eine Besteuerungsform, die im Grundsatz auf die Besteuerung zusammenlebender Ehegatten angelegt ist. Sie kann deshalb, von gewissen Ausnahmen für Verwitwete abgesehen, nicht auf unverheiratete Personen angewendet werden. Gegen die Ausdehnung auf unverheiratete Personen bestehen im übrigen auch verfassungsrechtliche Bedenken.
Der Gesetzgeber hat für unverheiratete Personen, auf die das Splittingverfahren keine Anwendung findet, besondere Freibeträge eingeführt. So erhalten über 50 Jahre alte unverheiratete Personen einen Sonderfreibetrag von 840 DM im Kalenderjahr und unverheiratete Personen, bei denen ein Kinderfreibetrag abgezogen wird, einen Sonderfreibetrag von 1200 DM im Kalenderjahr. Im Rahmen der eingeleiteten Steuerreform wird auch das Problem der unterschiedlichen Besteuerung von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten im Verhältnis zu zusammenlebenden Ehegatten einer Prüfung unterzogen werden.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben immer von Unverheirateten gesprochen. Diese getrennt Lebenden sind aber zu ihrem Leidwesen nicht unverheiratet, sondern noch verheiratet. Sind Sie nicht der Meinung, daß es deswegen, solange die Ehe formell besteht, auch notwendig ist, sie so wie andere Verheiratete zu behandeln und damit das Splittingverfahren zu ihrem Vorteil anzuwenden?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das halte ich nach der gegenwärtigen Verfassungslage nicht für möglich. Der Art. 6 des Grundgesetzes ist auf den Schutz der zusammenlebenden Familie abgestellt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat - wenn ich das Urteil von damals richtig verstanden habe -auf zusammenlebende Ehegatten abgestellt, die dann im Splittingverfahren besteuert werden können. Dem ist der Gesetzgeber gefolgt. Dagegen hat es bisher auch keinerlei verfassungsrechtliche Klagen gegeben. Aber wie schon gesagt, die Frage wird geprüft werden müssen. Ob die Prüfung aber zu einer vollständigen Gleichbehandlung führen kann, halte ich für zweifelhaft.
Die zweite Zusatzfrage.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie sich zumindest bemühen werden, nicht mehr wie bisher über das Steuerrecht moralischen Grundsätzen und Werturteilen Sekundantendienste zu leisten?
({0})
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, dazu darf ich doch sagen, daß es hier nicht um moralische Werturteile geht, sondern um die steuerliche Behandlung einer in sich geschlossenen Familie
({1})
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
im Vergleich zu der steuerlichen Behandlung einer auseinandergeratenen Familie. Ganz gleich wird man das nicht behandeln können.
Danke schön, Herr Staatssekretär. Die Frage 113 des Abgeordneten Dr. Ritz ist zurückgezogen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf und beginne mit der Frage 50 des Abgeordneten Ollesch:
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Verkehrssicherheit bei den zuständigen Länder- und Gemeindebehörden darauf hinzuwirken, daß hellere Grundfarben für die Straßendecken verwendet werden, nachdem sich gerade in den letzten Wochen wieder herausgestellt hat, in wie starkem Maße die früher üblichen schwarzen Fahrbahndecken bei Nebel, Regen und Dunkelheit Licht schlucken?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Börner.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, der Bundesminister für Verkehr hat keine Möglichkeit, auf die Baulastträger für Land-, Kreis- und Gemeindestraßen unmittelbar durch Weisung einzuwirken. Der Bundesminister für Verkehr hat allerdings in den regelmäßigen technischen Dienstbesprechungen mit den Straßenbauverwaltungen der Länder wiederholt empfohlen, aufgehellte Straßendecken zu bauen. Außerdem hat der Bundesminister für Verkehr mit Nachdruck darauf hingewirkt, daß die Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen bereits 1962 ein Merkblatt für die Aufhellung bituminöser Fahrbahndecken herausgegeben hat. Erfahrungsgemäß werden straßenbautechnische Empfehlungen des Bundesministers für Verkehr und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen von den übrigen Straßenbaulastträgern weitgehend berücksichtigt. Das gilt auch für die Aufhellung bituminöser Fahrbahndecken.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage des Kollegen Dr. Riedl ({0}) auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung eine Bundesbeteiligung an den Kosten des Großflughafens München-Erding von der Bedingung des weiteren Betriebs des Flughafens München-Riem abhängig gemacht, und hat die Bundesregierung damit die Zusage des früheren Bundesverkehrsministers Seebohm widerrufen, der eine Bundesbeteiligung ohne Bedingung zugesichert hatte?
Herr Staatssekretär, bitte!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bereitschaft des Bundes, Gesellschafter der Flughafen München GmbH zu werden und sich an den Kosten des Baues des künftigen Großflughafens zu beteiligen, ist nicht von der unabdingbaren Bedingung abhängig, daß München-Riem dauernd Flughafen bleibt. Einvernehmen muß darüber bestehen, daß heute eine Entscheidung über die Einstellung des Flugbetriebes in München-Riem im Zeitpunkt der Fertigstellung des künftigen Großflughafens noch nicht möglich ist. Diese Entscheidung kann nur das Ergebnis der Beurteilung der Erfordernisse des künftigen Luftverkehrs sein, die dann mit den besonderen Belangen der Stadt München abzuwägen sein werden. Bei der Entscheidung wird es auf die Zustimmung aller Gesellschafter ankommen. Sie kann heute nicht einseitig präjudiziert werden. Von einem Widerruf irgendeiner Zusage des früheren Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm kann schon allein deshalb keine Rede sein, weil im Bundesverkehrsministerium keine derartige Zusage bekannt ist.
Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß der Bundesminister für Verkehr noch mit Schreiben vom 17. Dezember 1969, das an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr und an die bayerische Landeshauptstadt gerichtet war, von ganz konkreten Voraussetzungen für den Eintritt des Bundes in eine Beteiligung beim Bau des Münchner Großflughafens gesprochen hat?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich kann Ihrer Interpretation nicht beitreten. Herr Bundesminister Leber hat darauf hingewiesen, daß die Luftverkehrsentwicklung späterer Jahre zu einem Zeitpunkt überprüft werden muß, in dem der Bau des Großflughafens München II, wie er bei unseren bisherigen technischen Überlegungen hieß, weiter gediehen ist. Es ist selbstverständlich, daß wir bestimmte Gesichtspunkte, die die Stadt München in dieser Diskussion geltend macht, in den Überlegungen berücksichtigen wollen. Wir wollen ja nichts präjudizieren, sondern meinen nur, wie ich es eben gesagt habe, es sei noch zu früh, eine endgültige Entscheidung über die Schließung des Flughafens MünchenRiem zu fällen.
Herr Kollege, bitte!
Herr Staatssekretär, können Sie für die Bundesregierung erklären, daß sie bereit ist, in Verhandlungen darüber einzutreten, daß eine Beteiligung des Bundes über die bisherige Quote von 26 % hinaus auch für die Flughäfen Frankfurt und Hamburg erfolgt? Ich denke, daß man an die Grenze herankommen kann, die man für Köln-Wahn mit 30 % gezogen hat.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege, das kann ich nicht. Ich würde dann die Entschlüsse des Hohen Hauses zur mittelfristigen Finanzplanung und auch bestimmte wichtige Luftverkehrsgesichtspunkte präjudizieren. Die Beteiligung des Bundes an solchen Objekten ist, wie Sie wissen, in verkehrspolitischen Diskussionen der vergangenen Legislaturperiode festgelegt worden. Eine Veränderung der GesellParlamentarischer Staatssekretär Börner schafterbeteiligung an der jeweiligen Flughafengesellschaft muß sich nach Erfordernissen richten,
auf die man hier in der Fragestunde nicht in allen Einzelheiten eingehen kann.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Hat die Bundesregierung bei den anderen GroßflughafenProjekten in der Bundesrepublik Deutschland ähnliche Bedingungen gestellt, und ist der Bundesregierung bekannt, daß die Stadt München den Bau eines Großflughafens nur unter der Voraussetzung angestrebt hat, daß nach seiner Fertigstellung der bisherige Flughafen München-Riem aus mehrfachen - nicht zuletzt städtebaulichen Gründen ({0}) - geschlossen wird?
Zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär das Wort.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, bei dem nur in Frage kommenden vergleichbaren Großflughafenprojekt Hamburg-Kaltenkirchen liegen die Verhältnisse ähnlich.
Der Bundesregierung sind die Sorgen der Landeshauptstadt München wegen der Lage des Flughafens Riem bekannt. Sie ist deshalb bemüht, alle Fragen in vertrauensvollem Zusammenwirken mit den künftigen Gesellschaftern in zufriedenstellender Weise zu regeln. Entsprechende Verhandlungen sind im Gange.
({1})
Herr Kollege, da der Kollege, der die Frage gestellt hatte, keine Zusatzfragen hat, möchte ich wegen der zahlreichen noch vorliegenden Fragen in der Abwicklung der Fragestunde fortfahren.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Maucher auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die Deutsche Bundesbahn nicht beabsichtigt, die Bundesbahnstrecke Ulm-Friedrichshafen in den 70er Jahren zu elektrifizieren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, nach Angaben der Deutschen Bundesbahn ist nicht beabsichtigt, die Strecke Ulm-Friedrichshafen zu elektrifizieren.
Bitte, Herr Kollege, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie kennen doch sicher diese Strecke und diesen Raum und wissen, daß die Strecke an internationale Verbindungen anknüpft. Sie werden auch wissen, daß gerade bei dieser Strecke Schwierigkeiten - vor allem was den Anschluß anbelangt - bestehen. Sind Sie nicht der Meinung, daß die Elektrifizierung dieser Strecke deswegen von ganz wesentlicher Bedeutung wäre?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege, ich kann Ihren Argumenten leider nicht beitreten. Die Elektrifizierung einer Bundesbahnstrecke ist eine wirtschaftliche Frage von hohem Rang. Eine Elektrifizierung ist nur dort sinnvoll, wo die Belastung einer Strecke es rechtfertigt. Das Problem, das Sie ansprechen - bessere Verbindung und schnellere Zugfolge -, kann man auch durch Verdieselung, d. h. Zugförderung durch moderne Diesellokomotiven, einer Strecke lösen. Das ist bei Strecken, die, wie die Bundesbahn im Fachjargon sagt, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht elektrifizierungswürdig sind, in den nächsten Jahren beabsichtigt. Eine Verdieselung dieser Strecken ist also durchaus mit in die Überlegungen einbezogen worden.
Herr Kollege Maucher, bitte!
Sind Sie nicht dennoch der Meinung, daß - ich habe das unlängst in einer Fragestunde angesprochen - die Elektrifizierung auch unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Bedeutung - ich denke z. B. an internationale Splügen-Verbindungen - eine große Rolle spielen wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich habe Ihnen damals in der Fragestunde gesagt, daß hier auch eine ganze Reihe von verkehrspolitischen Überlegungen unserer Nachbarn hineinspielen und daß die Bundesbahn gute Gründe hat, nicht so zu verfahren, wie Sie das andeuten.
Ich verweise noch einmal darauf, daß das Hohe Haus in früheren Legislaturperioden grundsätzlich beschlossen hat, die Bundesbahn zu einem Wirtschaftsunternehmen zu machen. Der Bundesverkehrsminister hat da nur eine sehr begrenzte Aufsicht. In Ausfüllung dieses gesetzgeberischen Auftrags muß man es der Bundesbahn natürlich auch gestatten, in eigener Verantwortung über ihre Technik zu entscheiden.
({0})
Herr Kollege, ich kann weitere Zusatzfragen von Ihnen nur zulassen, wenn Sie gewissermaßen die beiden von Ihnen gestellten Fragen als beantwortet ansehen.
Ja.
Bitte, dann haben Sie eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß auch die wirtschaftliche Entwicklung gerade durch die Modernisierung ge-
fördert wird und daß man nicht vorn gegenwärtigen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung ausgehen sollte, sondern mit allen Maßnahmen auf die wirtschaftliche Förderung abzielen sollte?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich kann Ihnen dazu nur sagen, daß Diesellokomotiven eine sehr moderne technische Variante im Rahmen des Bahnbetriebs darstellen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 54 des Abgeordneten Maucher auf:
Nachdem in den Berichten von der Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Ulm-Schelklingen-Sigmaringen-Immendingen nicht die Rede war, ist an eine Elektrifizierung dieser Strecke überhaupt nicht gedacht?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Eine Elektrifizierung der Strecke Ulm-Schelklingen-Sigmaringen-Immendingen ist auch nicht vorgesehen.
Dann rufe ich die Frage 55 des Abgeordneten Adorno auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß beide Bahnstrecken für den internationalen Verkehr von besonderer Bedeutung sind?
) Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Strecke Ulm-Friedrichshafen infolge der Schiffslinie Friedrichshafen-Romanshorn eine gewisse, wenn auch. nur geringe Bedeutung für den internationalen Verkehr hat.
Die Strecke Ulm-Schelklingen-SigmaringenImmendingen hat keine Bedeutung für den internationalen Verkehr.
Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei dieser Antwort auf meine Frage auch berücksichtigt, daß sich diese Region, an einem der wichtigen Schnittpunkte von EWG und EFTA gelegen, zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Schwerpunkt entwickelt?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ja, natürlich hat die Bundesregierung das berücksichtigt. Nur muß ich Schnittpunkte von EWG und EFTA in verkehrspolitischer Hinsicht nach den Gesichtspunkten messen, nach denen der Eisenbahnbetrieb hier rentabel gemacht werden kann. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Elektrifizierung einer solchen Strecke oder der weitere Ausbau sehr davon abhängt, welche Verkehrsleistungen heute und morgen auf der Schiene erbracht werden.
Herr Kollege, ich darf zur Abrundung dieses Gesichtspunktes vielleicht noch sagen, daß wir in diesem Gebiet innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht unwesentliche Mittel in das Fernstraßennetz einbringen. Das muß ja im Zusammenhang gesehen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, im Hinblick auf den letzten Teil Ihrer Antwort fragen, ob es für diese Region eine verkehrspolitische Gesamtkonzeption -gibt, aus der die einzelnen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation ersichtlich sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Aber natürlich. Sie werden bei der Vorlage des Ausbauplans für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985, den wir im Sommer dieses Jahres dem Hohen Hause vorlegen werden, sehen, daß es für den Straßenbau diese Gesamtkonzeption gibt. Wir haben ja den Auftrag, bei unseren Überlegungen auch andere Verkehrswege im Sinne des Verkehrswegeprogramms einzubeziehen. Das trifft natürlich auch für die Schienenwege zu.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Adorno auf:
Wann ist mit der Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Offenburg-Radolfzell-Lindau zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, für die Aufnahme des elektrischen Zugbetriebs auf der Strecke Offenburg-Radolfzell-Konstanz kann noch kein Termin genannt werden. Nach Angaben der Deutschen Bundesbahn ist die Finanzierung des Vorhabens noch nicht sichergestellt.
Eine Elektrifizierung der Strecke Radolfzell-Lindau ist von seiten der Deutschen Bundesbahn bisher noch nicht vorgesehen.
Eine Zusatzfrage.
Wann ist mit der Bekanntgabe eines solchen Termins zu rechnen, Herr Staatssekretär?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, das hängt davon ab, wann die Finanzierungsverhandlungen - die ja nicht ausschließlich eine Sache der Deutschen Bundesbahn sind und die immer gesehen werden müssen im Zusammenhang mit der Bereitschaft der betroffenen Bundesländer, eventuell der Bahn dabei
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
zu helfen - einen günstigeren Stand als gegenwärtig erreicht haben.
Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, auch die Frage der Elektrifizierung dieser Strecke in das verkehrspolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung für diese Region aufzunehmen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich habe vorher angedeutet, daß die Elektrifizierung keine verkehrspolitische, sondern eine wirtschaftliche Entscheidung ist, die sich danach richtet, was auf dieser bestimmten Bahnstrecke geleistet werden kann. Ich habe ancedeutet, daß sich die Bundesbahn je nach den Verkehrserwartungen, je nach den strukturellen Entwicklungen eines Gebiets und auch je nach der Trassenführung - denken Sie nur an die vielen Tunnels, die es auf bestimmten Bahnstrecken in diesem Gebiet gibt - entscheiden muß, ob der Dieselbetrieb oder der elektrische Betrieb wirtschaftlicher ist.
Es kann ja nicht unsere Aufgabe sein, daß wir der Bundesbahn vorschreiben, wie sie das zu machen hat, und nachher nach Lage der Dinge für eine falsche technische Entscheidung eine Abgeltungspflicht des Bundes haben.
({0})
Herr Kollege, Ihre Zusatzfragen sind verbraucht.
({0})
Ich will zu Ihren Gunsten annehmen, daß ich mich irre. - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, wann ist mit dem Ergebnis der Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit der Elektrifizierung bzw. der Verdieselung zu rechnen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich habe angedeutet, daß es bei der Strecke Offenburg-Radolfzell-Konstanz keine Frage der Wirtschaftlichkeit ist, sondern daß die Bundesbahn aus ihren betriebsinternen Überlegungen heraus gerne elektrifizieren möchte, aber zur Zeit nicht die entsprechenden Investitionsmittel hat. Ich habe darüber hinaus gesagt, daß die Elektrifizierung Radolfzell-Lindau aus denselben wirtschaftlichen Gründen von der Bundesbahn nicht für richtig gehalten wird. Der Schlüssel liegt also hier bei der entsprechenden Hilfe für die Finanzierung der vorgenannten Strecke.
Ich rufe die Frage 57 des Abgeordneten Mursch auf:
Aus welchen Gründen hat der Bundesminister für Verkehr den noch im Jahresbericht der Bundesregierung 1968 als 2. Ausbauplan bezeichneten Plan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 in „Neuen Ausbauplan" umbenannt ({0})?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es ist richtig, daß zeitweilig als Arbeitstitel die Bezeichnung „Neuer Ausbauplan" gebraucht worden ist. Es ist aber nicht beabsichtigt, diesen zeitweiligen Arbeitstitel als offizielle Bezeichnung einzuführen. Diese wird lauten: „Ausbauplan für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985".
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Ja. - Herr Staatssekretär, konnte aus der Bezeichnung „Neuer Ausbauplan" in der amtlichen Bundestagsdrucksache U/ 195 nicht der Eindruck entstehen, daß es sich hier um einen Eigennamen handelt, weil ja das Eigenschaftswort „neu" großgeschrieben ist? In Verbindung mit einem Substantiv handelt es sich dann wenn mich meine Erinnerung an meine Schulzeit nicht täuscht - um einen Eigennamen.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, das ist insoweit
Herr Kollege, bei einer Zusatzfrage wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie stärker auf die Sache konzentrieren könnten.
Bitte schön!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich gebe zu, daß die Übernahme dieses internen Arbeitstitels in eine offizielle Bundestagsdrucksache zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte. Ich hoffe, daß das durch die Beantwortung Ihrer Frage heute ausgeräumt ist.
Herr Kollege Seefeld!
Herr Staatssekretär, würden Sie
mir zustimmen, daß es nicht auf die Bezeichnung eines Planes ankommt, sondern tatsächlich darauf, daß Bundesfernstraßen in Deutschland gebaut und ausgebaut werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, das ist sicher in diesem Zusammenhang eine legitime Überlegung.
Die Frage 58 des Kollegen Mursch:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Würde die Kontinuität im Bundesfernstraßenbau nicht besser zum Ausdruck kommen, wenn es bei der bisherigen Bezeichnung bleibt, zumal der 2. Ausbauplan die Fortsetzung des 1. Ausbauplanes ({0}) darstellt und ein wesentlicher Teil der Straßenbaumaßnahmen vom 1. in den 2. Plan übergeht?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Kontinuität im Bundesfernstraßenbau ist durch die Übernahme der aus dem Ausbauplan von 1957 überhängenden Baumaßnahmen in den ersten Fünfjahresplan des Ausbauplanes 1971 bis 1985 gewährleistet. Der erste Ausbauplan mußte, entsprechend den Perspektiven der fünfziger Jahren den akuten Nachholbedarf bedienen. Beim Ausbauplan für die Jahre 1971 bis 1985 geht es neben den nach wie vor vorhandenen verkehrlichen Bedürfnissen um die Vorbereitung auf die kommenden Jahrzehnte in infrastruktureller Hinsicht. Insofern ist der Ausbauplan für die Jahre 1971 bis 1985 mehr als nur eine Fortsetzung des bisherigen Ausbauplanes, und die Bezeichnung zweiter Ausbauplan wäre nicht ganz zutreffend.
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Auffassung zustimmen, daß es, wie Herr Kollege Seefeld sagte, zwar im wesentlichen darauf ankommt, daß Straßen gebaut werden, daß im Straßenbau aber doch eine Kontinuität vorhanden ist, die sich in der Bezeichnung der beiden großen Ausbaupläne zum Ausdruck bringen läßt?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ja, Herr Kollege. Aber ohne die Leistungen der Vergangenheit abwerten zu wollen, muß ich doch sagen, daß wir ja alle die Erkenntnis gewonnen haben, daß wir mit der einfachen Fortführung der Überlegungen von 1957 die Bedürfnisse von 1980 oder gar 1985 nicht befriedigen könnten. Ich denke in diesem Zusammenhang nur an die zwei Aufgaben, nämlich neben der Bedienung der Ballungsgebiete durch mehr Straßenraum auch die Erschließungsfunktion des Fernstraßennetzes zu betonen. All das spielt in diese Frage mit hinein.
Eine weitere Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht doch, Herr Staatssekretär, daß es sich um eine Fortführung des Straßenbaues insgesamt handelt, wenn auch nach neueren, modernen Erkenntnissen neue Überlegungen zum Ausdruck kommen, letztlich aber doch das Programm fortgesetzt wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, alle Industriestaaten stehen vor der Notwendigkeit, ihr Straßennetz laufend zu verbessern und den Bedürfnissen des
modernen Straßenverkehrs anzupassen, darüber hinaus verkehrsmäßig schwach entwickelte Gebiete mehr aufzuschließen. Ich glaube, daß wir allen Anlaß haben, dankbar für die Bereitschaft des Hohen Hauses in der Vergangenheit zu sein, diese Leistungen immer entsprechend durch bereitwillige Bereitstellung der Mittel zu unterstützen, daß wir aber auch hoffen, daß das in Zukunft so bleibt oder noch gesteigert werden kann.
Herr Kollege Erhard.
Herr Staatssekretär, wann ungefähr ist mit den wissenschaftlichen Vorarbeiten zur Erstellung des neuen Ausbauplans im Bundesverkehrsministerium begonnen worden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Sie wissen, daß diese Aufgabe im Zusammenhang mit der Diskussion des Verkehrspolitischen Programms in der vergangenen Legislaturperiode schwerpunktmäßig angefaßt wurde. Wir waren dabei einerseits glücklich, auf gewisse Vorarbeiten der Vergangenheit zurückgreifen zu können, aber Sie wissen, Herr Kollege, da Sie ia Abgeordneter in der vergangenen Legislaturperiode waren, daß in unserem Hause noch nicht einmal die notwendigsten Planstellen vorhanden waren, um an diese Dinge überhaupt ernsthaft herangehen zu können, und daß insbesondere auch die Forschungsmittel des Bundesministers für Verkehr nicht ausreichen, in größerer Zahl wissenschaftliche Institute mit dieser Aufgaben zu betrauen. Das ist in den Jahren 1967, 1968 und 1969 geschehen, und ich bin sehr glücklich, sagen zu können, daß diese Arbeiten insofern zu einem Abschluß geführt haben, als wir hier in den nächsten Monaten mit einer Leistung unseres Hauses bzw. der Bundesregierung vor das Hohe Haus treten können.
Damit ist die Frage beantwortet. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Baeuchle auf:
Treffen Presseberichte zu, daß bei Verkehrsunfällen über 65 Jahre alte Kraftfahrzeugfahrer in prozentuell höherem Maße beteiligt waren?
Bitte, Her Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis und das des Herrn Fragestellers, daß ich die beiden Fragen wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantworte.
Herr Fragesteller, sind Sie damit einverstanden?
({0})
- Dann rufe ich zusätzlich die Frage 60 des Kollegen Baeuchle auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Falls vorstehende Frage bejaht wird; frage ich, ob die Bundesregierung daraus Konsequenzen zu ziehen beabsichtigt, etwa durch Begrenzung der Fahrerlaubnis auf 65 oder 70 Jahre und ihre Verlängerung erst nach einer Gesundheitsprüfung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär, beide Fragen werden gemeinsam beantwortet.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, nach der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamtes trifft es nicht zu, daß „bei Verkehrsunfällen übér 65 Jahre alte Kraftfahrzeugfahrer in prozentual höherem Maße beteiligt waren" als die Kraftfahrzeugführer der anderen Altersklassen. Damit erübrigt sich meines Erachtens eine Beantwortung der Frage 2.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, wird bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrzeugfahrern über 65 Jahren auch differenziert zwischen Erstbewerbern und älteren Kraftfahrzeugfahrern mit langjähriger Erfahrung im Straßenverkehr?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Statistik ist auf diesem Gebiet sehr unvollkommen. Aber ich nehme an, daß der Anlaß für die Frage des Kollegen Baeuchle die Tatsache war, daß in Straßenverkehrsunfälle sehr viel ältere Fußgänger verwickelt sind. Dadurch entsteht manchmal ein falscher Eindruck. Ich sagte schon, daß die Statistik des Statistischen Bundesamtes, bezogen auf die Führerscheininhaber, nicht die Schlußfolgerung rechtfertigt, die man normalerweise in der Presse zu ziehen geneigt ist und die wahrscheinlich auch der Hintergrund der Frage des Kollegen Baeuchle ist.
Als letzte Frage der heutigen Fragestunde rufe ich die Frage 61 des Abgeordneten Dr. Schachtschabel auf:
Ist es der Bundesregierung möglich, darauf hinzuwirken, daß US-Fahrzeuge und oft kilometerlange Fahrzeugkolonnen die Bundesautobahnen bzw. bestimmte Bundesautobahnabschnitte nicht gerade während des dichtesten Berufsverkehrs befahren?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nach Art. 57 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut können die Stationierungsstreitkräfte im Falle dringender militärischer Erfordernisse und unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von den deutschen Verkehrsvorschriften abweichen. Die Stationierungsstreitkräfte sind jedoch bemüht, in Zusammenarbeit mit den Verkehrskommandanturen der Bundeswehr und der Verkehrspolizei der Länder Störungen des Gesamtverkehrs nach Möglichkeit zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Freitag, den 30. Januar 1970, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.