Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/21/1972

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich folgendes bekanntzugeben. Der Ältestenrat empfiehlt, für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause abweichend von der Geschäftsordnung folgende Regelung zu treffen: Jedes Mitglied des Hauses ist berechtigt, in den Monaten Juli und August je vier Fragen einzureichen. Die Fragen für den Monat Juli müssen spätestens bis Montag, den 31. Juli, 11 Uhr, die Fragen für August bis Donnerstag, den 31. August, 11 Uhr, im Parlamentssekretariat eingehen. Fragen, die in den Monaten Juli und August eingereicht werden, werden von der Bundesregierung schriftlich beantwortet. Fragen, die im September gestellt werden, werden gemäß den Richtlinien für die Fragestunde beantwortet. Sperrfrist für die Einreichung von Fragen für die Fragestunden der ersten Plenarsitzungen nach der Sommerpause ist gemäß Nr. 9 der Richtlinien für die Fragestunde Freitag, der 15. September, 11 Uhr. Ich frage, ob das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. - Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Dittrich gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - Drucksache VI/3579 - Berichterstatter: Abgeordneter Ollesch Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Löbbert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - Drucksache VI/3580 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pinger Ich höre keinen Widerspruch. Das Haus ist einverstanden; die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen. Punkt 34 muß von der Tagesordnung abgesetzt werden, da der Ausschußbericht noch nicht vorliegt. Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Juni 1972 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt: Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes Viertes Gesetz zur Anpassung der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ({2}) Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Sera und Impfstoffe Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist der Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über verstärkte Kunststofftanks für die Beförderung gefährlicher Stoffe auf der Straße - Drucksache VI/3036 - auch dem Innenausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Der Innenausschuß hat mit Schreiben vom 10. Mai 1972 mitgeteilt, daß er gegen die Verordnung ({3}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Bediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden, keine Bedenken erhoben habe. Der Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 26. Mai 1972 den Wortlaut des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhinderung der unerlaubten Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut zur Kenntnisnahme übersandt. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/3511 verteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 12. Juni 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen, Strauß, Dr. Marx ({4}), Windelen, Wagner ({5}), Dr. Jaeger, Dr. Hallstein, Dr. Wittmann ({6}), Frau Griesinger, Engelsberger, Dr. Czaja, Dr. Zimmermann, Baron von Wrangel, Roser und Genossen betr. gemeinsame Entschließung des Deutschen Bundestages zu den Verträgen von Moskau und Warschau - Drucksache VI/3465 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/3540 verteilt. Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 19. Juni 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Arndt ({7}), Dürr, Kleinert und Genossen betr. Verwaltungsverfahren - Drucksache VI/3473 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/3563 verteilt. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: EG-Vorlagen Verordnung des Rates ({8}) zur Festlegung der Redite und Pflichten der von der Kommission beauftragten Bediensteten gemäß Art. 14 Abs. 5 der Verordnung ({9}) Nr. 2/71 des Rates vom 2. Januar 1971 - Drucksache VI/3516 überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates ({10}) zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Richtpreis und zum Interventionspreis für Ölsaaten im Wirtschaftsjahr 1972/1973 - Drucksache VI/3517 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates ({11}) zur Abänderung der Verordnung Nr. 114/67/EWG hinsichtlich des Wirtschaftsjahres für Sonnenblumenkerne - Drucksache VI/3518 -überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Vizepräsident Dr. Jaeger Verordnung des Rates ({12}) zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung einer Beihilfe für Baumwollsaat - Drucksache VI/3519 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({13}) Nr. 1098/72 des Rates vom 30. Mai 1972 zur Verlängerung der Frist für die Destillation von Tafelwein bis zum 31. Juli 1972 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden. Verordnung ({14}) Nr. 1099/72 des Rates vom 30. Mai 1972 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfel für den Monat Juni 1972 überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden. Vor Eintritt in die Tagesordnung hat der Abgeordnete Katzer das Wort.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion stelle ich den Antrag, den Überweisungsbeschluß des Bundestages vom 22. Oktober 1971 zu dem von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung - Drucksache VI/2585 - aufzuheben und diesen Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur zweiten und dritten Beratung auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Ich begründe diesen Antrag wie folgt. Erstens. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 21. September 1971 den Entwurf eines Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes vorgelegt, wonach die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli dieses Jahres um 9,5 0/o erhöht werden sollen. Dieser Gesetzentwurf wurde in diesem Hause am 22. Oktober 1971 in erster Lesung behandelt und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung überwiesen. Trotz wiederholten Drängens seitens der CDU/ CSU-Fraktion hat der Ausschuß den genannten Gesetzentwurf nicht beraten. ({0}) Am 16. März dieses Jahres wurde ein Antrag der CDU/CSU-Mitglieder dieses Ausschusses, den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen, von SPD und FDP abgelehnt. ({1}) Das Anerbieten von CDU/CSU, eine Sondersitzung des Ausschusses während der Osterpause durchzuführen, wurde von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. ({2}) Ein identischer Gesetzentwurf des Bundesrates wurde von den Koalitionsfraktionen bisher nicht beantwortet. Zweitens. Im Interesse der Rentner ist es notwendig, meine Damen und Herren, über den Gesetzentwurf, der ja eine Anhebung zum 1. Juli vorsieht, noch vor der Sommerpause zu entscheiden. Die Abstimmung in der Form hier ist in Wahrheit eine Abstimmung in der Sache. ({3}) Wer heute diesem unserem Antrag auf Aufsetzung auf die Tagesordnung widerspricht, der widerspricht in Wahrheit einer Erhöhung der Renten zum 1. Juli dieses Jahres. ({4}) - Herr Wehner, Sie selbst haben diese Auffassung vor wenigen Tagen in der „Augsburger Zeitung" noch vertreten. Sie haben vor einer Woche noch gesagt: Die 15. Rentenanpassung muß vor der Sommerpause verabschiedet werden, damit die Renten rechtzeitig ausgezahlt werden können. So haben Sie in der „Augsburger Zeitung" geschrieben, Herr Wehner. ({5}) Ich weiß, daß Ihnen das wehtut. Seit zwei Jahren bemühen wir uns, den Rentnern zu helfen, und scheitern an Ihrem Widerspruch. ({6}) Lassen Sie mich dies Letzte noch sagen. Herr Arendt hat vor einer Woche hier gesagt: Bei der Betriebsverfassung waren es nur 21 von der CDU/ CSU, die mitgestimmt haben. Ich fordere 21 Kollegen der SPD auf, jetzt mit uns zu stimmen, damit diese Frage überhaupt behandelt werden kann. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Frage der rechtlichen Zulässigkeit dieses Antrags hat gestern den Ältestenrat beschäftigt. Daraufhin hat der Herr Bundestagspräsident gemäß § 129 der Geschäftsordnung den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beauftragt, eine Prüfung dieser Rechtsfrage vorzunehmen. Um das Ergebnis dem Hause mitzuteilen, hat das Wort der Vorsitzende des Ausschusses, der Abgeordnete Schoettle. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe für den Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung hat sich entsprechend dem Wunsch des Herrn Präsidenten am gestrigen Abend mit dieser Frage befaßt. Er empfiehlt dem Haus mit einem Antrag, der mit 9 :7 Stimmen angenommen worden ist, die Unzulässigkeit eines derartigen Antrags festzustellen. Von der Mehrheit im Ausschuß wird zur Begründung dieses Beschlusses u. a. geltend gemacht, durch die Neufassung des § 60 der Geschäftsordnung, insbesondere des Abs. 3, sei eine abschließende Regelung der Behandlung eines einem Ausschuß überwiesenen Gegenstandes getroffen worden. ({0}) Die in § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung in der vorigen Wahlperiode eingeführte Möglichkeit für Antragssteller aus der Mitte des Hauses, sechs Monate nach Überweisung des von ihnen eingebrachten Antrags einen Bericht des Ausschußvorsitzenden oder des Berichtserstatters über den Stand der Beratungen zu verlangen, habe den Zweck gehabt, zu verhindern, daß Initiativanträge im Ausschuß liegenbleiben und nach Beendigung der Wahlperiode gemäß dem Grundsatz der Diskontinuität als erledigt gelten. Darüber hinaus vertritt die Mehrheit die Meinung, die Einräumung der Möglichkeit, eine einmal überwiesene Vorlage aus dem Ausschuß durch Beschluß des Bundestages zurückzurufen, könnte zu weittragenden, zum Teil nicht absehbaren Folgen führen. ({1}) - Ich berichte, Herr Kollege. - So könnte z. B. eine Ausschußberatung dadurch verhindert werden, daß kurze Zeit nach der Überweisung die Vorlage aus dem Ausschuß zurückgeholt würde. Wenn dann noch mit derselben Mehrheit die Vorlage in der zweiten Beratung ohne vorherige Ausschußberatung abgelehnt werden könnte, würde das gegen das System der Geschäftsordnung verstoßen. Die Minderheit im Ausschuß vertrat dagegen u. a. die Meinung, § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung stelle nur eine Vorstufe der Rückholung eines überwiesenen Gegenstandes aus dem Ausschuß dar. Die Zulässigkeit des Antrags ergebe sich auch aus § 79 Abs. 1 Satz 1, wo es heiße: Am Schluß der ersten Beratung kann der Gesetzentwurf einem Ausschuß überwiesen werden. Dann müsse es auch möglich sein, einen bereits überwiesenen Gesetzentwurf ohne Beratung im Ausschuß wieder herauszuholen. Meine Damen und Herren, namens des Ausschusses für Geschäftsordnung beantrage ich einen derartigen Antrag nach der jetzt gültigen Geschäftsordnung für unzulässig zu erklären. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Situation ist so, daß hier ein Antrag zur Geschäftsordnung eingereicht wurde, einen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen unter Rücknahme eines anderen Beschlusses. Daraufhin hat der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung hier berichtet, was der Ausschuß selbst zur Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit dieses Antrags sagt. Wir müssen jetzt zuerst nach § 129 der Geschäftsordnung darüber abstimmen, ob das Haus den Antrag des Abgeordneten Katzer überhaupt für zulässig hält. Darüber kann zuerst natürlich auch diskutiert werden, noch nicht über die Sachfrage; denn wenn das Haus den Antrag für rechtlich unzulässig hält, braucht über die Sachfrage gar nicht mehr diskutiert zu werden, weil der Antrag selbst überhaupt nicht mehr zur Abstimmung kommt. Zu dieser Zulässigkeitsfrage hat nunmehr das Wort der Abgeordnete Wagner.

Dr. h. c. Leo Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt, unseren Antrag für unzulässig zu erklären. Damit soll wieder mit Hilfe der Geschäftsordnung an einer Sachentscheidung vorbeigegangen werden, ({0}) nämlich an der Sachentscheidung, die Renten zum 1. Juli zu erhöhen. Hinter der heutigen Diskussion verbirgt sich der schlichte Sachverhalt: Wer hat über die endgültige Behandlung von Gesetzentwürfen und Anträgen zu entscheiden, der Ausschuß, an den eine Vorlage überwiesen wurde, oder das Plenum dieses Bundestages? ({1}) Wir sind nicht der Auffassung, daß die Behandlung von Gesetzentwürfen und Anträgen ausschließlich in die Zuständigkeit von Ausschüssen gegeben werden kann. Dies könnte beispielsweise im Endergebnis dazu führen, daß sich ein Ausschuß über Jahre hinweg weigert, einen bestimmten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen und zu behandeln. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Wir sind der Meinung, daß die letzte Entscheidung über die Behandlung eines Gesetzentwurfes und über die Behandlung von Anträgen durch das Plenum getroffen wird und auch in Zukunft getroffen werden muß. ({2}) Das Plenum muß sich dieses Recht auch künftig bewahren. Wir beantragen deshalb, den Vorschlag des Geschäftsordnungsausschusses abzulehnen und unserem Antrag, das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz auf die Tagesordnung zu setzen, zuzustimmen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Sie haben jetzt den Vorsitzenden des Ausschusses und eine Gegenstimme gehört. Ist noch eine weitere Wortmeldung veranlaßt? - Keine Wortmeldung mehr? ({0}) Herr Abgeordneter Dr. Mikat!

Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Mikat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht in diesem Zusammenhang nicht ganz uninteressant, schon jetzt auf § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung im Wortlaut hinzuweisen, der uns nachher noch beschäftigen wird. ({0}) - Doch! § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung, auf den wir ja noch gleich zurückkommen werden, lautet: Antragsteller aus der Mitte des Hauses können sechs Monate nach Überweisung des von ihnen eingebrachten Antrages verlangen, daß der Ausschuß durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter dem Bundestag einen Bericht über den Stand der Beratungen erstattet.. . Diese 6-Monate-Frist hat hier eine Rolle gespielt. Wir werden darauf noch zurückkommen. Wir halten zunächst einmal fest, daß das Votum des Geschäftsordnungsausschusses, richtig zu Ende gedacht, wenn er nämlich die Rechte des Hauses in seine Interpretationszuständigkeiten verlegt, letztlich auf die Möglichkeit zur Entmachtung des Plenums hinauslaufen könnte. ({1}) Wir bitten das Hohe Haus sehr dringend, die jetzige Abstimmung auch unter diesem Aspekt zu betrachten. Das heißt, wir sollten an der Zuständigkeit des Plenums in jedem Falle festhalten und eine solche Frage nicht von der Opportunität oder Inopportunität für diese oder jene Fraktion abhängig machen. ({2}) - Nein, Herr Kollege Wehner, so können Sie es nicht sagen. Herr Kollege Wehner, ich war soeben höchst erstaunt. Als der Herr Kollege Katzer feststellte, es gehe um die Frage, ob die Renten ab 1. Juli erhöht werden sollten, war ein Geraune zu hören. Genau um diese Frage geht es. ({3}) Herr Kollege Wehner, wer will, daß die Renten ab 1. Juli nicht erhöht werden, stelle sich hierhin und sage es. Wir wollen, daß sie erhöht werden. ({4}) - Herr Kollege Wehner, das hätten Sie nicht sagen sollen. Sie können mir nicht vorwerfen, ich machte hier meine Reifeprüfung in Demagogie. ({5}) Das ist Ihrer nicht würdig, und das habe ich nicht verdient. ({6}) So billig sollten wir es uns nicht machen. Wir stellen fest: Hier wird die Geschäftsordnung benutzt, um eine wichtige Sache von diesem Hause fernzuhalten. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schulte.

Manfred Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Herr Mikat hier sagt, dadurch würde das Parlament entmachtet, können wir nur feststellen: dann ist dieses Parlament 20 Jahre entmachtet worden, als die SPD in der Opposition war. Denn da hat es dieses Verfahren 1 nicht gegeben. ({0}) Wir sind der Auffassung, der Geschäftsordnungsausschuß hat sorgfältig beraten und ist zu einem Votum gekommen, und über dieses Votum sollte jetzt abgestimmt werden. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.

Dr. h. c. Werner Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001483, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Präsident hat vor wenigen Minuten eindeutig festgestellt, daß hier keine politische Sachfrage zur Diskussion steht, sondern - ({0}) - Wenn Sie über diese Feststellung des Präsidenten lachen, ist das Ihre Sache; ich nehme sie ernst. ({1}) Es ist festgestellt worden, daß hier zunächst der Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses zur Abstimmung steht, der von dem Vorsitzenden dieses Ausschusses vorgetragen worden ist. Zunächst geht es um nichts anderes. Deswegen gehörte das, was der Kollege Mikat vorgetragen hat, nicht zum derzeitigen Thema. ({2}) Der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses hat den Beschluß bekanntgegeben, der mit 9 zu 7 Stimmen gefaßt worden ist und nach dem sich ergibt, daß der von der Opposition gestellte Antrag nach unserer derzeitigen Geschäftsordnung nicht zulässig ist. ({3}) Wenn Sie etwas anderes wollen, müssen Sie die Geschäftsordnung ändern. Solange das nicht der Fall ist, sind wir an diese Geschäftsordnung gebunden. ({4}) - Meine Damen und Herren, Sie mögen nun hier Zwischenrufe machen, welche immer Sie wollen. ({5}) - Natürlich! Natürlich, aber Sie werden mir überlassen, Ihre Zwischenrufe für mich zu werten. ({6}) Es ist doch so, daß das Plenum an eine Geschäftsordnung gebunden ist, die es sich selbst gegeben hat. ({7}) Ohne Geschäftsordnung ist nicht zu arbeiten, auch in diesem Hause nicht. Das muß man sehen, und das steht hier zur Debatte. Es ist dargelegt worden, daß dieser Antrag nach dem Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses nicht zulässig ist. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie genau gewußt. Wenn Sie es nämlich nicht gewußt hätten, hätten Sie in der vorletzten Ältestenratssitzung bereits den heutigen Antrag gebracht, und Sie hätten sich nicht auf den § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung berufen, der Ihnen eine Möglichkeit bietet. ({8}) Andernfalls haben Sie die ganze Sache nicht richtig vorbereitet; dann muß ich Ihnen das zum Vorwurf machen. Oder Sie haben mit Absicht hinter dem Berg gehalten, um in letzter Minute einen Überraschungsangriff vorzutragen. ({9}) Die Bestimmungen unserer Geschäftsordnung sind klar. Sie sind nicht ohne Grund so formuliert. Es ist vorgesehen, daß die Ausschüsse gründlich beraten sollen. Es sind Fristen vorgesehen, die beachtet werden müssen, wenn ein Bericht des Ausschusses dem Hohen Hause vorliegt. Es ist die Zuständigkeit des Haushaltsausschusses in solchen Fragen nach. § 96 der Geschäftsordnung geregelt. Alles das wollen Sie vom Tisch wischen, weil Ihnen jetzt nicht in den Kram paßt, was in dieser Geschäftsordnung steht, und weil Sie aus parteitaktischem Opportunismus hier eine Sache erzwingen wollen. ({10})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es geht um eine Grundfrage des Parlaments, um die Frage, ob das Parlament in wichtigen Sachfragen Herr des Verfahrens ist oder nicht. Das ist die Frage, über die wir heute zu entscheiden haben. ({0}) Das Zweite, Herr Kollege Wehner, ist die Frage, was in der Geschäftsordnung steht und was eine Mehrheit in die Geschäftsordnung hineininterpretieren will. Das ist die entscheidende Frage. Die Geschäftsordnung ist eine Regel dieses Hauses, die nicht zur beliebigen Interpretation durch eine jeweilige Mehrheit steht. Das ist, glaube ich, die Sache, mit der wir es zu tun haben. Wenn uns der Vorwurf gemacht wird, uns gehe es um Geschäftsordnungstricks, so kann ich nur sagen: hier geht es um einen Geschäftsordnungstrick, um ein Bekenntnis in der Sache zu vermeiden. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Abstimmung steht der Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, den Antrag des Abgeordneten Katzer für unzulässig zu erklären. Der Wunsch einer Ablehnung kann nur durch eine Nein-Stimme hierzu verwirklicht werden, das wissen Sie. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Geschäftsordnungsausschusses zustimmt, nach welchem der Antrag Katzer rechtlich unzulässig ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer dagegen ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. ({0}) - Der Sitzungsvorstand ist einstimmig der Meinung, daß nicht festzustellen ist, welches die Mehrheit ist. Wir lassen also auszählen. Ich eröffne die Abstimmung durch Auszählung über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses, den Antrag des Abgeordneten Katzer für rechtlich unzulässig zu erklären. Wer mit dem Geschäftsordnungsausschuß den Antrag für rechtlich unzulässig hält, gehe durch die Ja-Tür, wer entgegengesetzter Meinung ist, den Antrag also für zulässig hält, gehe durch die Nein-Tür; die übrigen gehen durch die Tür für Enthaltungen. - Die Abstimmung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung bekannt. Es sind 485 Stimmen abgegeben worden. Die fehlenden Stimmen erklären sich daraus, daß die Kollegen, die den europäischen Gremien angehören, abwesend sind und ein Pairing vereinbart haben. Mit Ja haben 245 Mitglieder, mit Nein 240 Mitglieder des Hauses gestimmt. Der Antrag des Geschäftsordnungsausschusses ist damit angenommen. Demgemäß ist der Antrag des Abgeordneten Katzer für unzulässig erklärt und kann jetzt nicht behandelt werden. Wir kommen damit zu Punkt 2 der Tagesordnung: Bericht gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung über den Stand der Beratungen des von den Abgeordneten Katzer, Dr. Götz, Ruf und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen Wer erstattet den Bericht? - Der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg. ({1}) - Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe für den Bericht des Ausschußvorsitzenden.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Stand der Beratungen des von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes - Drucksache VI/2585 - berichte ich als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung wie folgt. 1. Der Gesetzentwurf wurde dem federführenden Ausschuß am 22. Oktober 1971 überwiesen. Dieser Entwurf unterscheidet sich von den 14 vorangegangenen Rentenanpassungsgesetzen - ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Vorsitzenden des Ausschusses, der hier den von der Minderheit gewünschten Bericht vorträgt.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich fortfahren und vor allem die Kolleginnen und Kollegen der CDU/ CSU, die diesen Bericht beantragt haben, um ihre freundliche Aufmerksamkeit für den Ausschußvorsitzenden bitten. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte nochmals, hier aufmerksam zuzuhören. Wer Privatunterhaltungen führen will, deren Berechtigung ich durchaus einsehe, möge dies außerhalb des Sitzungssaales tun.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich fahre fort. Der Entwurf unterscheidet sich von den 14 vorausgegangenen Rentenanpassungsgesetzen dadurch, daß er durch eine Vorziehung der Anpassung um ein halbes Jahr in die Struktur der Rentenversicherung wesentlich eingreift. Wegen dieser Strukturänderungen ergeben sich durch den Gesetzentwurf keineswegs nur die in der Begründung genannten Kosten in Höhe von 2,2 Milliarden DM für das Jahr 1972. Es entstehen darüber hinaus vielmehr ständige Mehrausgaben für alle Folgejahre, und zwar nicht nur für die Rentenversicherung, sondern auch für den Bundeshaushalt. 2. Dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sind außer der Drucksache VI/2585 bis jetzt noch folgende Gesetzentwürfe zur Rentenversicherung überwiesen worden, die ebenfalls die Struktur der Rentenversicherung verändern: am 1. Oktober 1971 der CDU/CSU-Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für Selbständige, am 22. Oktober 1971 der CDU/CSU-Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Alterssicherung für Frauen und Kleinstrentner, am 16. Dezember 1971 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, am 16. März 1972 der Bundesratsentwurf eines Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes, am 14. Juni 1972, also erst in der vergangenen Woche, der CDU/CSU-Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der bruttolohnbezogenen Rente. Außerdem wurden dem Ausschuß am 14. Juni, also auch in der vergangenen Woche, der Regierungsentwurf eines Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes und der umfangreiche Rentenanpassungsbericht 1972 überwiesen. 3. Am 16. Dezember 1971 hat der Ausschuß einstimmig beschlossen, für die ihm bis dahin überwiesenen Gesetzentwürfe zur Weiterentwicklung auf dem Gebiete der Rentenversicherung eine gemeinsame Berichterstattung durch drei Berichterstatter aus allen Fraktionen vornehmen zu lassen. Mit diesem Beschluß ging der Ausschuß davon aus, daß die verschiedenen Gesetzentwürfe zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung einschließlich der jetzt behandelten Drucksache VI/2585 wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam zu beraten sind, ein Verfahren, das § 28 der Geschäftsordnung -„Verbindung der Beratung" - entspricht. 4. Dementsprechend hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung am 17. und 20. Januar 1972 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen über alle - ich unterstreiche: alle - mit der Weiterentwicklung des Rentenrechts bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gesetzentwürfe durchgeführt. Die CDU/CSU-Abgeordneten des Ausschusses haben auch während dieses Hearings dem Verfahren, ihren Entwurf auf Drucksache VI/2585 in die Gesamtberatung aller Gesetzentwürfe zur weiteren Reform der Rentenversicherung einzubeziehen, zugestimmt. Bei der öffentlichen Anhörung haben Sachverständige erklärt, daß gerade die vorgezogene Anpassung, die durch diesen CDU/CSU-Entwurf gewünscht wird, nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern im Gesamtzusammenhang mit allen anderen Rentengesetzentwürfen steht. 5. Das von Bundestag und Bundesrat einmütig verabschiedete Dritte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 28. Juli 1969 schreibt vor, daß die Einnahmen, die Ausgaben und das Vermögen der Rentenversicherung für die künftigen 15 Jahre vorauszuschätzen und jährlich fortzuschreiben sind. Der CDU/CSU-Entwurf enthält in seiner Begründung keine Berechnungen für seine langfristigen finanziellen Auswirkungen. Das wurde auch in der Sachverständigenanhörung beanstandet. Auf Grund eines einstimmig gefaßten Ausschußbeschlusses hat der Ausschußvorsitzende am 28. Januar 1972 den Bundesarbeitsminister um 15jährige Vorausberechnungen für alle - ich unterstreiche wieder: alle - dem Ausschuß überwiesenen Rentenvorlagen, selbstverständlich einschließlich der Drucksache VI/2585, gebeten. Aus dem Zahlenmaterial, das der Bundesarbeitsminister am 18. Februar 1972 dem Ausschuß zugeleitet hat, ergibt sich, daß der CDU/ CSU-Entwurf zur fünfzehnten Rentenanpassung im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Finanzierungsabschnittes bis 1986 Mehraufwendungen von 72 Milliarden DM - ich wiederhole: 72 Milliarden DM - erfordern würde. ({0}) Auch im Hinblick auf die lebhaften öffentlichen Auseinandersetzungen über die langfristige Finanzsituation der gesetzlichen Rentenversicherung und über die Aufwendungen, die die verschiedenen Gesetzentwürfe erfordern, hat der Ausschußvorsitzende vom Bundesarbeitsminister noch verschiedene zusätzliche Berechnungen angefordert, und zwar mit Schreiben vom 28. Februar 1972, vom 10. April 1972 und vom 5. Juni 1972. Der Bundesarbeitsminister hat dementsprechend weitere Berechnungen erstellt und dem Ausschuß zugeleitet. 6. Der CDU/CSU-Entwurf erfordert nach seiner Begründung Mehraufwendungen zu Lasten des Bundes für die knappschaftliche Rentenversicherung von 223 Millionen DM für das Haushaltsjahr 1972. Ich verweise auf die schriftliche Begründung dieses CDU/CSU-Antrages. Darüber hinaus hat der CDU/CSU-Entwurf nach Meinung der Ausschußmehrheit auch zusätzliche Ausgaben des Bundes für die Kriegsopferversorgung zur Folge. Nach Meinung der Ausschußmehrheit besteht seit der Dynamisierung der Kriegsopferrenten eine Bindung zwischen den Anpassungen in der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung. Nach Ansicht der Ausschußmehrheit darf dieser Grundsatz der Gleichbehandlung von Rentnern und Kriegsopfern nicht aufgegeben werden. Zur Klärung der notwendigen Finanzfragen hat deshalb der Ausschußvorsitzende beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen feststellen lassen, welche finanziellen Auswirkungen sich für den Bundeshaushalt durch den CDU/CSU-Entwurf sowohl für die knappschaftliche Rentenversicherung als auch für die Kriegsopferversorgung ergeben würden. Nach Auskunft des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen entstehen durch den CDU/CSU-Entwurf für die Kriegsopferversorgung für die Jahre 1972 bis 1975 Belastungen des Bundeshaushalts von 1380 Millionen DM und für die Knappschaftsversicherung Belastungen in Höhe von 1150 Millionen DM, zusammen also 2530 Millionen DM. Dabei ist das Jahr 1976 mit der weiteren Fortschreibung der Finanzplanung noch nicht berücksichtigt. Dies sind nach Auffassung der Ausschußmehrheit notwendige finanzielle Konsequenzen des CDU/CSU-Antrags. 7. Am 16. März 1972 haben die CDU/CSU-Abgeordneten im Ausschuß beantragt, ihren Gesetzentwurf Drucksache VI/2585 vorweg zu behandeln. Die CDU/CSU begründete ihren Antrag damit, daß wegen der notwendigen Vorbereitungszeit der Rentenversicherungsträger von drei bis vier Monaten eine vorrangige Verabschiedung des Gesetzentwurfs Drucksache V1/2585 notwendig sei. Die Abgeordneten der Koalition haben eine solche Vorwegbehandlung deshalb abgelehnt, weil nach ihrer Auffassung der CDU/CSU-Antrag in unlösbarem Sachzusammenhang mit den anderen hier erwähnten, dem Ausschuß überwiesenen Gesetzentwürfen zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung steht. Die Ausschußmehrheit vertrat außerdem den Standpunkt, daß eine isolierte Vorwegentscheidung über den CDU/CSU-Entwurf wegen seiner weittragenden finanziellen Auswirkungen die Grundentscheidung über die gesamte Weiterentwicklung der Rentenreform präjudizieren würde. Diese Auffassung der Ausschußmehrheit teilt auch der Sozialbeirat. In seinem Gutachten zu den Vorausberechnungen und Rentenanpassungen 1973, das dem Ausschuß zusammen mit dem Rentenanpassungsgesetz am 14. Juni 1972, also in der letzten Woche, überwiesen wurde, kommt der Sozialbeirat zu dem Ergebnis, daß unter finanziellen Gesichtspunkten nur ein - wie er sich wörtlich ausdrückt -Maßnahmenbündel verantwortet werden kann, und zwar entweder das der CDU-CSU-Fraktion oder das der Bundesregierung. Der Sozialbeirat erklärt wörtlich: Eine Kumulation mehrerer dieser Vorhaben verbietet sich. 8. Die Koalitionsparteien haben bei den Ausschußberatungen der Rentenentwürfe wiederholt betont, daß sie zur sorgfältigen Prüfung des Anliegens der CDU/CSU, das Rentenniveau zu verbessern, bereit sind. Ich darf jedoch hinzufügen, daß die Ausschußmehrheit den Vorschlag der CDU/CSU in der vorliegenden Fassung sozialpolitisch für bedenklich hält. Der CDU/CSU-Entwurf führt nämlich nach Ansicht der Ausschußmehrheit dazu, daß sich die Schere zwischen den niedrigen und den hohen Renten in einem Ausmaß vergrößert, das die Ausschußmehrheit nicht für vertretbar hält. Die Ausschußmehrheit ist der Auffassung, daß deshalb eine sozial gerechtere Regelung auch für die Rentner gefunden werden muß. 9. Im Interesse einer beschleunigten Erledigung aller Vorlagen zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung hat der Ausschuß wiederholt die Frage erörtert, ob und inwieweit eine Verständigung über zusätzliche Beratungstermine auch in sitzungsfreien Wochen erzielt werden kann. Am 12. April 1972 hat der Ausschuß einstimmig beschlossen, alle vom Ältestenrat eingeräumten Tagungsmöglichkeiten, auch freitags nachmittags, auszuschöpfen. Ferner beschloß der Ausschuß einstimmig, in der ersten Woche der Sommerpause, also vom 26. Juni bis zum 30. Juni, diese gesamte Materie zu beraten. Die Verwirklichung des einmütigen Willens des Ausschusses, die Beratungen aller Gesetzentwürfe zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung zügig voranzubringen, wurde u. a. dadurch behindert, daß auch die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung durch die Beratungen des Plenums - Haushalt- und Ostverträge - voll in Anspruch genommen waren. 10. Am 15. Juni hat die CDU/CSU im Ausschuß erneut beantragt, vorrangig die Beschlußfassung über ihren Entwurf eines Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes herbeizuführen. Mit Mehrheit wurde jedoch der weitergehende Antrag der Koalitionsabgeordneten angenommen, alle Gesetzentwürfe zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung - einschließlich des Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes - wegen des Sachzusammenhangs entsprechend § 28 der Geschäftsordnung gemeinsam zu beraten. Nach Auffassung der Ausschußmehrheit soll das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz als ein besonderer Artikel in den Gesetzentwurf zur weiteren Reform der Rentenversicherung eingefügt werden. In gleicher Weise wurde bereits früher, nämlich beim zwölften Rentenanpassungsgesetz verfahren, das als ein besonderer Artikel in das Gesetz zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung vom 28. Juli 1969 eingebaut wurde. Noch am 15. Juni, also in der letzten Woche, hat der Ausschuß seine Beratungen über die Gesetze zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung - einschließlich des am Vortage überwiesenen CDU/ CSU-Gesetzentwurfs zur Sicherung der bruttolohnbezogenen Rente und des Regierungsentwurfs für ein Fünfzehntes Rentenanpassungsgesetz - weitergeführt. Der Ausschuß hat diese Beratungen am 16. Juni fortgesetzt. Der Ausschuß hat ferner beim Ältestenrat die Genehmigung erwirkt, in dieser Woche auch während des Plenums tagen zu können, und den Beschluß gefaßt, die Sitzungen auch über die Plenarzeit hinaus in den Abendstunden oder gegebenenfalls in den Nachtstunden fortzusetzen. Nachdem die CDU/CSU-Abgeordneten des Ausschusses erklärt hatten, sie könnten sich auf Grund veränderter politischer Verhältnisse nicht mehr an die im Ausschuß getroffene feste Vereinbarung über eine Ausschußsondersitzungswoche zu Beginn der Sommerpause - nämlich in der Woche vom 26. Juni - halten, wurde im Ausschuß Einvernehmen darüber erzielt, in der letzten Woche der Sommerpause, nämlich vom 11. September an, ganztägig - soweit erforderlich auch in den Nachtstunden - zu tagen. Namens der Ausschußmehrheit füge ich hinzu: Die CDU/CSU treibt nach Ansicht der Ausschußmehrheit ein doppelzüngiges Spiel. ({1}) Einerseits streitet die CDU/CSU um eine vorzeitige Anpassung der Renten ({2}) - ich habe gesagt: ich füge für die Ausschußmehrheit hinzu; das ist die Meinung der Mehrheit -, ({3}) andererseits will die CDU/CSU aber die Fragen der gesamten Reform auf die lange Bank schieben. ({4}) Dies bestätigt auch folgender Tatbestand: Der Ausschuß hat in der letzten Woche zur Beratung verschiedener Gesetzentwürfe - auch dieses Gesetzentwurfes - für 9.30 Uhr eingeladen. Wegen verschiedener Unterbrechungen, die von der CDU/CSU beantragt wurden, hat die Ausschußsitzung erst um 17 Uhr beginnen können. Die Ausschußmehrheit wird dem Ältestenrat folgende Anregung unterbreiten: Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wird beauftragt, nach dem 23. Juni, also nach Ende dieser Woche, solange zu tagen, bis er seine Beratungen über die Gesetzentwürfe zur Rentenreform - einschließlich des Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes - abgeschlossen hat. Dann kann der Ausschuß dem Haushaltsausschuß und dem Plenum ein Gesamtgesetz vorlegen. Dadurch soll erreicht werden, daß dem Plenum eine Gesetzesvorlage über alle Probleme der Weiterentwicklung der Rentenversicherung zur Entscheidung zugeleitet wird. ({5}) Ich bitte namens der Ausschußmehrheit, ({6}) dieses Bemühen zu unterstützen, ({7}) weil es den sozialen Belangen der Versicherten und aller Rentner dient, und darauf allein kommt es an. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruf.

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist eine gute Sache, daß nach § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Minderheit im Ausschuß einen Bericht des Vorsitzenden oder des Berichterstatters erzwingen kann. Aber, meine Damen und Herren, noch besser wäre es, wenn die Minderheit im Ausschuß eine Entscheidung zur Sache erzwingen könnte. ({0}) Dafür darf ich als Kronzeugen einmal den Herrn Kollegen Genscher aufrufen. ({1}) Herr Kollege Genscher hat im Plenum - hier in diesem Saal, von diesem Pulte aus - am 27. März 1969 folgendes erklärt - ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -: Sie haben vorgeschlagen, daß nach dem Ablauf einer Sechsmonatsfrist nach Überweisung eines Antrags ein Sachstandsbericht zu geben ist... . wir möchten hier etwas weiter gehen. Wir wünschen, daß nach Ablauf einer bestimmten Frist eine Entscheidung im Ausschuß herbeigeführt werden muß... Was im Augenblick - so sagte damals Herr Kollege Genscher in einigen Ausschüssen vor allen Dingen mit Anträgen der Opposition praktiziert wird, ist praktisch eine Einschränkung des Initiativrechts des Parlaments. Und er fügte hinzu: Ich glaube ..., daß wir noch zu einer etwas weitergehenden Stärkung der Minderheitenrechte auch in den Ausschüssen kommen müssen. Nun darf ich auf folgendes hinweisen, meine Damen und Herren. Wir haben fast genau auf den Tag vor einem Jahr, am 22. Juni 1971, in diesem Hause bei der Beratung des Vierzehnten Rentenanpassungsgesetzes den Antrag auf eine zusätzliche Rentenanpassung gestellt. Dieser Antrag ist von der Mehrheit des Hauses am 22. Juni vorigen Jahres abgelehnt worden. Wir haben dann im September vorigen Jahres einen neuen Antrag auf zusätzliche Rentenanpassung ab 1. Juli 1972 gestellt. Dieser Antrag ist schon am 22. Oktober an den Ausschuß überwiesen worden. Und dann kam ein Antrag des Bundesrates. Der Bundesrat hat im Dezember vorigen Jahres einen Antrag beschlossen und eine Entschließung gefaßt, in der gesagt wird, die Bundesregierung werde gebeten, die Vorlage als besonders eilbedürftig zu behandeln und sie noch in diesem Jahr - also 1971 - dem Deutschen Bundestag zuzuleiten, um eine rechtzeitige Auszahlung der nach diesem Gesetzentwurf erhöhten Renten zum 1. Juli 1972 nicht zu gefährden. Was hat die Bundesregierung getan? Die Bundesregierung hat diesen Entwurf des Bundesrates vom Dezember 1971 erst im März dieses Jahres dem Bundestag zugeleitet. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf einige Punkte aus dem Bericht des Herrn Vorsitzenden eingehen. Herr Kollege Schellenberg sagte in seinem Bericht, unser Antrag greife in die Struktur der Rentenversicherung ein. Meine Damen und Herren, das ist einfach nicht wahr! Genau das Gegenteil stimmt. ({2}) Wir tun mit unserem Entwurf nichts anderes als das, was die SPD ({3}) in der Vergangenheit Jahr für Jahr gefordert hat, ({4}) nämlich die im Jahre 1958 unterlassene Rentenanpassung wenigstens zur Hälfte nachzuholen. ({5}) Wir tun auch gar nichts anderes, als dafür zu sorgen, daß wir endlich näher an das Ziel eines Rentenniveaus von 50 % der Bezüge der Aktiven herankommen und daß dadurch die Rentenformel mit der bruttolohnbezogenen Rente auf die Dauer gesichert bleibt. Darum geht es doch. Dann hat Herr Kollege Schellenberg auf die Liste der im Ausschuß liegenden Gesetze hingewiesen. Es ist wahr, es gibt eine große Liste von Gesetzen, die Probleme der Rentenversicherung betreffen, teils von der Regierung, teils von der Opposition eingebracht. Aber wir haben doch nie ein Hehl daraus gemacht, wo wir die Priorität sehen, was wir für notwendig halten. Wir haben immer gesagt: vorab, vor allen anderen Maßnahmen muß das Niveau der Renten erhöht werden. ({6}) - Das haben wir nie gesagt. Im Gegenteil, Sie wissen doch, daß wir auch dazu Vorschläge gemacht haben. Sie haben sicher noch im Ohr, daß Sachverständige bei dem öffentlichen Hearing erklärt haben, daß beides sehr wohl miteinander zu vereinbaren ist, daß man sehr wohl die zusätzliche Rentenanpassung vornehmen und auch eine besondere Form der flexiblen Altersgrenze beschließen kann. Herr Kollege Schellenberg hat in diesem Zusammenhang auf den § 28 der Geschäftsordnung über die gemeinsame Beratung verwiesen. Meine Damen und Herren, diese Verweisung geschah zu Unrecht. § 28 der Geschäftsordnung spricht zwar von gemeinsamer Beratung, aber gemeint ist damit gemeinsame Besprechung, nicht gemeinsame Entscheidung. Der § 28 unserer Geschäftsordnung, Herr Kollege Schellenberg, läßt sehr wohl eine Vorabentscheidung über unser Fünfzehntes Rentenanpassungsgesetz zu, wenn Sie es wollen. Aber Sie wollen das eben nicht. ({7}) Dann hat Herr Kollege Schellenberg gesagt, wir hätten wegen des inneren Sachzusammenhangs seinerzeit zugestimmt, daß unser Fünfzehntes Rentenanpassungsgesetz auch Grundlage des Hearings im Ausschuß sei. Das stimmt, wir haben dem seinerzeit zugestimmt. Aber vergessen Sie doch nicht, meine Damen und Herren, wann dieses öffentliche Hearing des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung war. Es war doch schon im Januar. Das dürfen Sie nicht übersehen. Weiter behauptet der Herr Vorsitzende des Ausschusses, unser Gesetzentwurf enthalte keine finanzielle Begründung. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, unsere Berechnungen, unsere Vorausschätzungen - das hat sich erwiesen - sind zuverlässiger und solider als die Zahlen, die uns die Bundesregierung vorgelegt hat. ({8}) Wir haben doch mehr als einmal gerade in diesen finanziellen Dingen von den zuständigen Sachverständigen recht bekommen. Das können Sie nicht leugnen. Sie sagen doch selber - so steht es wenigstens in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Entwurf des Bundesrates -: Der Entwurf der Opposition kostet bis zum Jahre 1986 die Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten insgesamt etwas mehr als 72 Milliarden DM. Diese 72 Milliarden DM sind eine feste Größe, die heute unbestritten ist. Sie wird von keiner Seite bestritten, auch nicht von seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Diese 72 Milliarden DM sind bei den bekannten Überschüssen vorhanden. Tun Sie doch nicht so, als ob das Geld nicht da wäre, als ob wir nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung hätten, um unsere Rentenanpassung zu realisieren! Das Geld ist da, meine Damen und Herren. ({9}) Auf die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt wird nachher mein Kollege Franke zu sprechen kommen. Deswegen brauche ich auf den diesbezüglichen Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Schellenberg nicht einzugehen. Der Herr Kollege Schellenberg hat dann als Vorsitzender unseres Ausschusses über eine Sitzung am 16. März berichtet, in der wir, die Opposition, beantragt hatten, das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz auf die Tagesordnung zu setzen und sofort zu verabschieden. In dieser Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung haben die Koalitionsfraktionen beantragt, über diesen unseren Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Das ist ein unerhörter Vorgang: man geht über Anträge, die 10 Millionen Rentner betreffen, einfach zur Tagesordnung über, ({10}) weil man in der Sache nicht Farbe bekennen will. Ich darf den Bericht über den 16. März noch etwas ergänzen. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses, Kollege Schellenberg, hat in seinem Bericht an das Plenum vorhin nicht darauf hingewiesen, daß wir in der gleichen Sitzung den Antrag gestellt hatten, auch während der Osterpause zu beraten. Wir waren bereit, zusätzliche Sitzungswochen zur Verfügung zu stellen. ({11}) Aber auch dieser Antrag ist seinerzeit von der Mehrheit nicht angenommen worden. ({12}) Das kann mir jedes Mitglied bestätigen. Herr Kollege Schellenberg, Sie kamen darauf zu sprechen, daß der Ausschuß für Arbeit zusätzliche Sitzungsmöglichkeiten geschaffen habe. Sie müssen mir bei dieser Gelegenheit bestätigen, daß wir zu jedem Zeitpunkt bereit waren, zusätzliche Zeit für die Arbeit an den Gesetzen über die Rentenversicherung zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns nie geweigert, und wir haben mit Ihnen bis abends 21 Uhr oder noch länger getagt. Wir sind auch bereit, die vereinbarten Sitzungstermine wahrzunehmen. Das ist für uns selbstverständlich. Wie können Sie dann behaupten, die Opposition sei zu einer konstruktiven, sachlichen Mitarbeit nicht bereit?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gern, Herr Kollege Schellenberg.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ruf, würden Sie mir bestätigen, daß der Ausschuß einstimmig beschlossen hatte, in der nächsten Woche, also noch im Juni, und zwar vom 26. bis 30. Juni, zu tagen, und daß Sie im Ausschuß in der letzten Woche beantragt haben, diese Sitzung jetzt nicht durchzuführen, sondern auf den September zu verschieben? Würden Sie das bestätigen?

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schellenberg, das bestätige ich Ihnen gern. Das steht gar nicht im Widerspruch zu meinen Ausführungen. ({0}) Es kommt doch auf das gleiche hinaus, ob wir zu Beginn oder am Ende der Sommerpause eine Sitzungswoche zur Verfügung stellen. ({1}) Darüber sind Sie sich doch wohl im klaren. Sie waren auch ohne weiteres damit einverstanden, daß wir gesagt haben: Gut, das machen wir so. Es geschieht auch mit Rücksicht auf die Gesundheit vieler Kollegen ({2}) - ja, natürlich! -, die nach den letzten schweren Wochen und Monaten einen Anspruch darauf haben, endlich ihren Urlaub zu nehmen. ({3}) Dieser Urlaub steht jedermann zu, und das liegt auch in der Verantwortung des Herrn Präsidenten. Ich bin davon überzeugt, daß der Herr Präsident die Genehmigung, im Anschluß an diese Arbeitswochen noch zu tagen, nicht erteilt hätte. ({4}) - Jawohl, weil es auch eine Fürsorgepflicht des Präsidenten gibt. ({5}) - Sehr richtig! Aber, Herr Kollege Schellenberg, machen Sie doch hier den Rentnern nichts vor! Sie wissen ganz genau, daß das Gesetz, auch wenn der Ausschuß Ende dieses Monats getagt hätte, erst zu einem späteren Zeitpunkt, im September oder im Oktober, hätte verabschiedet werden können. Das ist doch selbstverständlich. Machen wir uns gegenseitig doch nichts vor! Auf keinen Fall sollten wir den Rentnern etwas vormachen. Diese wissen, woran sie mit Ihrer Politik sind, nämlich daß sie die Leidtragenden der inflationären Entwicklung der letzten beiden Jahre sind. Diese Tatsache können Sie nicht aus der Welt schaffen. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Schellenberg hat wiederum behauptet, durch unseren Antrag würde die Schere zwischen den niedrigen und den höheren Renten erweitert, und er hat gesagt, dem würden Sie auf keinen Fall zustimmen. Meine Damen und Herren und Herr Kollege Schellenberg, ich frage Sie: Wollen Sie denn von dem Prinzip der leistungsbezogenen Rente abgehen, das wir im Jahre 1956 gemeinsam beschlossen haben? Es muß doch dabei bleiben: je mehr Beiträge gezahlt worden sind, je höhere Beiträge gezahlt worden sind, um so höher muß auch die Rente sein. Das ist doch der Sinn der von uns beschlossenen bruttolohnbezogenen Rente. Wenn Sie jetzt immer wieder mit dem Hinweis auf die Nettoeinkommen kommen, dann muß ich Ihnen vorhalten: Wie können Sie das denn überhaupt noch damit vereinbaren, daß Sie behaupten, Sie seien der Vorkämpfer der bruttolohnbezogenen Rente? Sie setzen sich doch dem Verdacht aus, daß Sie von der bruttolohnbezogenen Rente abgehen wollen. Dem Verdacht sollten Sie sich doch nicht aussetzen! Ein weiterer Hinweis! Wir haben vor einigen Jahren gemeinsam beschlossen - ich weiß nicht mehr genau, bei welchem Gesetz, aber ich glaube, bei einem Folgegesetz des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes; Herr Kollege Schellenberg wird mir das bestätigen -, den § 1273 der RVO dahingehend zu ändern, daß die Bundesregierung verpflichtet wird, jedes Jahr bis zum 31. März den Rentenanpassungsbericht vorzulegen, damit das Parlament jeweils in die Lage versetzt wird, noch vor der Sommerpause - vor der Sommerpause! - die Rentenanpassung zu beschließen. Es ist gar kein Zweifel, das ist eine gesetzliche Verpflichtung! Der Herr Kollege Wehner hat doch erst vor kurzem bei einer Besprechung am 8. Juni - am 8. Juni! -, als er bekanntgab, welche Gesetze noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollten, ({7}) darauf hingewiesen, daß das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz, nämlich der Gesetzentwurf der Bundesregierung, auf alle Fälle noch vor der Sommerpause verabschiedet werden müsse. Ich darf ihn zitieren, da heißt es: „Die Regierungsvorlage hat den Bundesrat passiert und müßte alsbald an den Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen werden, wo bereits ein CDU/CSU-Entwurf zum gleichen Thema vorliegt. Die Verabschiedung vor der Sommerpause ist notwendig, damit die erhöhten Renten ab 1. Januar 1973 gezahlt werden können." ({8}) Nun verzögern Sie sogar die Verabschiedung des Regierungsentwurfs. Was haben denn Worte überhaupt noch für einen Sinn bei Ihnen? Diese Frage muß man doch einmal stellen. ({9}) Herr Kollege Schellenberg hat vorhin zum Schluß seiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß die Mehrheit des Ausschusses in der vorigen Woche beschlossen habe, alle Gesetze, die die Rentenversicherung beträfen, im Zusammenhang zu behandeln. Wir haben dagegen gestimmt und haben in dieser Sitzung verlangt: Vorab unser Fünfzehntes Rentenanpassungsgesetz! Wir konnten uns, da Sie ja noch eine Stimme Mehrheit im Ausschuß haben, mit unserem Verlangen nicht durchsetzen. Wir haben aber damals schon im Ausschuß ausdrücklich zu Protokoll gegeben, daß durch Ihre Entscheidung auch in der Sache eine Entscheidung gegen unseren Entwurf, die Renten zum 1. Juli 1972 anzupassen, gefallen ist. ({10})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nölling.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hat den Vorwurf der Inaktivität auf dem Gebiete der Rentenpolitik erhoben. Herr Kollege Ruf, das ist wider besseres Wissen geschehen. Ich will dazu ein paar Sätze nur sagen. Wer die Arbeit im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung nicht nur vom Hörensagen kennt, wird folgendes bestätigen müssen. Erstens. Als sich die Opposition auf den Bänken gerade zu etablieren begann, auf denen sie heute noch sitzt, haben wir bereits für die Rentner den Krankenkassenbeitrag abgeschafft. Sie haben dem anfänglich widersprochen, nachher haben Sie mitgemacht. ({0}) Zweitens. In diesem Jahr haben wir die Krankenkassenbeiträge für die Rentner aus den Jahren 1968 und 1969 zurückgezahlt. ({1}) Drittens. Ist es nicht merkwürdig, Herr Kollege Katzer - es muß erlaubt sein, dies hier zu fragen -, daß Sie sich hier hinstellen und sich zum Anwalt der Rentner machen, obwohl gerade Sie im Jahre 1967 den erstmaligen Abzug von der Rente ({2}) damit begründet haben, daß die Reform einer Kostenbeteiligung in der Krankenversicherung auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen werden müßte, indem Ihrem Vorschlag entsprechend mit der Kostenbeteiligung ausgerechnet bei den Rentnern angefangen werden sollte. ({3}) - Herr Kollege Ruf, ich möchte nicht sehr lange sprechen, weil ich glaube, daß die durch diese Debatte entstehenden Verzögerungen der sozialpolitischen Arbeit weder des heutigen Tages noch der der nächsten Wochen zugute kommen. ({4}) Viertens. Warum, Herr Kollege Katzer, diskreditieren Sie Ihr sozialpolitisches Anliegen dadurch, daß Sie hier im Bundestag über die Entwicklung der Realeinkommen der Rentner die Unwahrheit sagen? Sie haben dies wiederholt getan. Ich muß Sie an dieser Stelle eindringlich bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß die bisherige Rentenpolitik dieser Regierung zu einer Steigerung des Realeinkommens der Rentner in den Jahren von 1970 bis 1972 um etwa 12 °/o geführt hat. ({5}) Ich möchte Sie bitten, zu unterlassen, was Sie noch vor einer Woche von diesem Pult aus getan haben, nämlich die Unwahrheit zu sagen in bezug auf die Entwicklung der Realeinkommen der Rentner. ({6}) Ich möchte einen weiteren Problemkreis ansprechen. Ist der Vorwurf, diese Regierung habe kein Rentenprogramm, nicht absurd und grotesk angesichts dessen, daß der Ausschuß gegenwärtig das größte Ausgabenprogramm dieser Legislaturperiode in Arbeit hat, daß wir ein Ausgabenprogramm zur sozialen Sicherung und Weiterentwicklung beraten, das alle Dimensionen sprengt, die wir bisher gewöhnt sind? Und Sie werfen dieser Regierung vor, sie tue nichts für die Weiterentwicklung der Rentenversicherung! ({7}) - Herr Kollege Katzer, Sie sagen: so ist es, ja. Bitte, gehen Sie dann von der Sache her darauf ein! Wir werden gleich sehen; ich werde noch Fragen an Sie stellen. ({8}) Worum geht es bei der weiteren Beratung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung? - Es geht um zwei Fragen, die man nur im Ausschuß behandeln kann. Einmal geht es um die Frage, inwieweit die in Ihrem Programm enthaltenen Schätzungen stimmen und zueinander passen. Wir befürchten, daß diese Schätzungen das Volumen, das wir zur Verfügung haben, weit überschreiten. Hier nur ein paar Zahlen. Die Schätzungen des Ausgabevolumens der CDU-Vorlagen schwanken bis zum Jahre 1986 zwischen 150 Milliarden DM - das sind Ihre eigenen Angaben - und 240 Milliarden DM. Bei dem Vorschlag der CDU zu den Kleinrenten beträgt die Spannweite der Berechnungen der finanzwirksamen Auswirkungen 65 Milliarden DM auf der einen Seite und 20 bzw. 25 Milliarden DM auf der anderen Seite. Hier geht es um Differenzen, die Beträge von zig Milliarden ausmachen. Muß nicht jeder zur Vernunft kommen, der diese Zahlendiskrepanzen hört, wenn man gleichzeitig mit ansehen muß, wie die Opposition in diesem Plenum ein solches Volumen ohne Rücksicht darauf beschließen will, wie die einzelnen Teile zusammenpassen? Ein weiterer Grund, warum wir der Meinung sind, daß der Ausschuß beraten muß, ist folgender. Es geht in der Tat, Herr Kolle Ruf, um sozialpolitische Prioritäten. Der Ausschußvorsitzende hat hier soeben gesagt, daß sich mit ihrem Vorschlag die Schere zwischen kleinen und großen Renten weiter öffne. Sie müssen sich doch die Frage gefallen lassen, ob Sie das sozialpolitisch für richtig halten - nicht bei dem Grundproblem, die Rentenversicherung sich dynamisch weiterentwickeln zu lassen, sondern bei Reformmaßnahmen. Hierzu nur eine Zahl. Nach Ihrem Vorschlag würde in diesem Jahr eine Monatsrente von 1000 DM um etwa 570 DM erhöht werden, eine Monatsrente von 300 DM dagegen nur um etwa 171 DM. Die Differenz beträgt fast 400 DM. Ich entnehme den Worten des Kollegen Ruf, daß er dies für eine sozialpolitisch gerechte und optimale Lösung hält. Dem können wir nur widersprechen. ({9}) Beide Gründe veranlassen uns, den Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung den Vorrang vor einer Beschäftigung mit einem Teil des Programms in diesem Parlament zu geben. Ein weiterer Punkt. Es ist vom Ausschußvorsitzenden darauf hingewiesen worden, daß die CDU 21/2 Millionen Kriegsopfer von der Vorziehung ausschließen will, ({10}) aber nicht nur die Kriegsopfer, ({11}) sondern auch die Knappschaftsrentner, auch die, die Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz bekommen, einer Gesetzesnovelle, die wir hier heute noch beschließen wollen. ({12}) Warum sind Sie dann nicht konsequent und beantragen, daß dies auch auf die Tagesordnung kommt? ({13}) Herr Kollege Katzer, mir ist ja nicht unbekannt geblieben, was Sie in der letzten Woche zu der Regelung von 220 Millionen DM Wanderungsausgleich in der Knappschaftsversicherung gesagt haben. Müssen Sie dann aber nicht zugeben, daß dies dann doch auch wieder Auswirkungen auf den finanziellen Status der Rentenversicherung und die möglichen Überschüsse hat, wenn solche Verschiebungen hin zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von Ihnen vorgesehen sind und hier so oberflächlich angekündigt werden?! Ich frage allen Ernstes, meine Damen und Herren, warum will man das dann nicht bis ins einzelne im Ausschuß klären, damit wir darüber Klarheit haben? Sie betreiben mit Ihrem Antrag eine Rückkehr zur punktuellen, überhasteten, diskriminierenden Sozialpolitik früherer Jahre, um gewisse Augenblickserfolge erzielen zu können. ({14}) An einem kritischen Punkt zeigt sich, daß das Bekenntnis zur Gleichbehandlung aller Rentner von Ihnen nicht ernst gemeint sein kann. Viertens. Mit gesetzgeberischen Frühgeburten, meine Damen und Herren, ist weder den Rentnern noch den Beitragszahlern, noch diesem Parlament geholfen. ({15}) Wir wollen eine Sozialpolitik machen, Herr Kollege Ruf, die vernünftig ist, die aufeinander abgestimmt ist, die sich sehen lassen kann und die nicht das Schicksal der Sozialmaßnahmen aus dem Jahre 1965 erleidet, als nach getaner Wahl wichtige Dinge wieder eingesammelt werden mußten. ({16}) Diese Erfahrung, die damals gemacht werden mußte, Versprechen nicht einhalten zu können, steht doch im Hintergrund! Wir wollen erreichen, daß die Rentenversicherung auf Dauer leistungsfähig bleibt und daß Beitragszahler und Versicherte ein ausgewogenes Angebot erhalten. Herr Kollege Ruf, Sie sind auf den Antrag des Ausschußvorsitzenden nicht eingegangen nächste Woche zu tagen. Sie haben im Ausschuß mit unterschiedlichen Begründungen zuerst dafür plädiert, Ende des Monats zu tagen; damals ging es am Ende der Sommerpause nicht. Dann haben Sie beantragt, diesen Termin fallen zu lassen; Sie sagten, Sie wollten ihn verschieben, weil sich politische Veränderungen ergeben hätten. Herr Kollege Ruf, damals ist von irgendwelchen sozialpolitischen Maßnahmen - jedenfalls für uns Abgeordnete -- nicht die Rede gewesen. Ich meine, daß auch nicht im VorderDeutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Dr. Nölling grund stehen kann, ob wir noch eine Woche länger tagen können oder nicht, weil wir etwa gesundheitlich angegriffen sind. ({17})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Nölling, gestatten Sie eine Zwischenfrage? ({0})

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Ruf, selbstverständlich.

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir bestätigen, daß wir uns zu jeder Zeit bereit erklärt haben, eine zusätzliche Sitzungswoche zur Verfügung zu stellen, daß ich aber allerdings - im Gespräch mit Ihnen und mit dem Herrn Vorsitzenden - erklärt habe, daß man sich bei den veränderten politischen Verhältnissen - Sie wissen sehr wohl, was damit gemeint ist - mit gemeinsamen Vereinbarungen sehr schwer tue? Mehr habe ich Ihnen seinerzeit nicht erklärt.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ruf, Sie werden sich erinnern, daß ich nachfaßte und Sie fragte, was Sie denn mit veränderten politischen Verhältnissen meinen. ({0}) Wir sind da nicht weiter aufgeklärt worden. Das wäre doch einmal sehr interessant gewesen. Da haben Sie aus guten Gründen geschwiegen. ({1}) - Wir haben ja heute gesehen, wo die Mehrheiten liegen. Es gab doch heute morgen überraschend eine relativ große Mehrheit. ({2}) - Herr Kollege Franke, so etwas hätte ich heute morgen nicht gesagt; daß muß ich Ihnen ehrlich sagen. Zu irgendeinem anderen Zeitpunkt mag das vielleicht einmal zutreffen. ({3}) - Nun, wir haben auch unter Einbeziehung der Stimmen der Berliner Abgeordneten eine Mehrheit, und sie gilt in diesen Fragen genauso wie jede andere hier zustande gekommene Mehrheit. ({4}) - Entschuldigen Sie einmal, Herr Kollege Franke, nun hören Sie aber bitte auf, in diesem Parlament einen Unterschied zwischen den Stimmen der Abgeordneten aus Berlin und denen, die von Abgeordneten aus dem Bundesgebiet abgegeben werden, zu machen! ({5}) Es würde Ihnen besser anstehen, wenn Sie dafür plädierten, Herr Kollege Franke, daß auch die Berliner Kollegen in diesem Bundestag voll und ganz abstimmungsberechtigt sind, anstatt das hier zu kritisieren. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte doch darum, das Ganze hier nicht zu einem Zwiegespräch zwischen zwei Abgeordneten ausarten zu lassen, zumal der Abgeordnete Franke auf der Rednerliste steht und seine Auffassungen hier noch darlegen kann. - Herr Abgeordneter Dr. Nölling, ich habe zunächst die Frage, ob Sie eine Zwischenfrage erlauben.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, im Augenblick nicht! Ich möchte zum Schluß kommen. Bei den vor uns liegenden Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wird es auch darum gehen zu überlegen, was zusätzlich zum Regierungsentwurf getan werden kann, weil die finanzielle Entwicklung seit Verabschiedung des Regierungsentwurfs in der Tat günstiger ist, als damals vorhergesehen werden konnte. Wir müssen uns im Ausschuß Gedanken darüber machen, wie man die sozialpolitischen Ansätze, die im Regierungsprogramm stehen, sinnvoll weiterentwickeln kann. Dazu brauchen wir die Beratungen. Herr Kollege Ruf und Herr Kollege Katzer, wenn Sie das wirklich meinen, was Sie gesagt haben, daß Sie nämlich von tiefer Sorge über die Lage der Rentner in diesem Lande erfüllt sind, daß die Rentner endlich Sicherheit darüber haben müßten, was denn nun an der Rentenfront geschieht und womit sie rechnen können, dann habe ich die dringende Bitte an Sie, dem zuzustimmen, was der Ausschußvorsitzende hier vorgeschlagen hat, nämlich in der Woche zu Beginn der Sommerferien so lange zu tagen, bis ein Gesetzentwurf vorliegt. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Nölling, ich möchte zuerst mit allem Nachdruck und aller Entschiedenheit Ihre Bemerkung zurückweisen, daß eine Parlamentsdebatte eine Verzögerung der parlamentarischen Arbeit darstellt. ({0}) Ich glaube, so weit sollten wir in diesem Hohen Hause noch nicht sein, daß wir eine Plenardebatte als Verzögerung ansehen! ({1}) Sie sprachen vorhin von den Mehrheitsverhältnissen. ({2}) Ich darf Sie daran erinnern - ich sage das mit großem Nachdruck und großem Ernst -: Es gibt gleichlautende Anträge von uns im Bundesrat. ({3}) - Sehr intelligenter Zwischenruf! Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem geistreichen Zwischenruf! Es besteht die Notwendigkeit, den Bundesrat zu sehen, und hier sind die Mehrheitsverhältnisse eindeutig. ({4}) Ich sage Ihnen ganz klar das, was ich schon letzten Mittwoch gesagt habe, nämlich daß ich schon vor Jahresfrist die Auffassung geäußert habe, die Bundesregierung ist in der Rentenpolitik falsch programmiert. Am Anfang muß die Erhöhung des Rentenniveaus stehen. Das ist der Punkt, über den wir heute diskutieren und den Sie leider verhindert haben. ({5}) Wenn Sie die Probleme hier verniedlichen, kann ich Ihnen nur noch einmal sagen: Herr Dr. Nölling, wenn man nachliest, was Sie zur Finanzierung gesagt haben, wundert man sich, daß Sie dieses Wort überhaupt noch in den Mund nehmen; denn alle Ihre Prognosen vom Dezember vergangenen Jahres waren schlicht und ergreifend falsch! ({6}) Haben Sie die neuesten Zahlen über die Entwicklung der Lebenshaltungskosten für Rentnerhaushalte, Herr Nölling? Ich will sie Ihnen einmal vorlesen; sie sind vom Mai 1972. Die Lebenshaltungskosten sind, auf alle Haushalte bezogen, vom Mai 1971 bis zum Mai 1972 um 5,1 % gestiegen. Bei den Rentnern ergab sich nach den letzten Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes in eben diesem Zeitraum ein Anstieg der Lebenshaltungskosten um 5,4 °/o. ({7}) Von der Regierungsseite hören wir immer, das sei zwar bedauerlich, das sei alles nicht sehr schön, aber es werde ja besser. - Mitnichten wird das besser! Der Anstieg der Lebenshaltungskosten betrug, bezogen auf die Entwicklung von April bis Mai dieses Jahres, bei allen Haushalten 0,3 %, bei den Rentnerhaushalten aber 0,5 %. Da haben Sie den traurigen Mut, hier darzutun, als sei das gar kein Problem von besonderer Dringlichkeit! ({8}) Wenn der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Deutsche Bundesbank und der Sozialbeirat übereinstimmend zu der für die Koalition doch beschämenden Feststellung kommen, daß die Rentner eindeutig die Leidtragenden der inflationären Entwicklung sind, können Sie das doch hier nicht mit Worten wegdiskutieren! ({9}) Zu den Auswirkungen unseres Antrages möchte ich zwei Bemerkungen machen, und zwar eine zur konjunkturpolitischen Seite und eine andere zur Finanzseite: Gegen die Erhöhung der Renten um 9,5 % zum 1. Juli 1972 können konjunkturpolitische Einwände ernsthaft nicht erhoben werden. ({10}) Dieses Argument mutet in einem Augenblick, wo 6 Milliarden DM Konjunkturzuschlag zurückgezahlt werden, geradezu merkwürdig an. ({11}) - Ich habe das heute in einigen Zeitungen gelesen, die nicht mir, sondern Ihnen nahestehen. Im übrigen - ich sage das noch einmal; ich habe es auch letzten Mittwoch gesagt - bin ich erstaunt, daß der Wirtschaftsminister nicht auf diese Frage reagiert. Seitens der Rentenversicherung könnte durchaus konjunkturpolitisch in wirksamer Weise geholfen werden, wenn endlich in einem ins Gewicht fallenden Umfang Überschüsse der Rentenversicherung bei der Bundesbank stillgelegt würden. Das wäre sehr viel sinnvoller als das, was Sie hier versuchen. Herr Nölling, Sie haben nun noch einmal jene 2 'O/o erwähnt. Ich sage noch einmal - und dem Koalitionspartner FDP wünsche ich von Herzen alles Gute, wenn wir in die Wahlauseinandersetzung gehen : Es ist doch ein unmöglicher Zustand, in einer Regierung gemeinsame Beschlüsse zu fassen, dann aber nachher zu sagen, es sei die andere Seite gewesen, die diese Beschlüsse herbeigeführt habe. So kann man nicht miteinander umgehen. ({12}) - Bitte sehr!

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Katzer, ist Ihnen eben entgangen, daß ich sagte, Sie hätten im Jahre 1967 diese 2 % in dem bekannten „Spiegel"-Interview nicht damit begründet, daß Finanzen fehlten, sondern damit, daß Sie einen Einstieg in die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung durch Kostenbeteiligung der Rentner gewollt haben?

Hans Katzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dieses Argument wird durch dauernde Wiederholung nicht besser. Ich habe dieses „Spiegel"-Interview noch einmal nachgelesen. Dieses Interview steht doch - lesen Sie einmal die Überschrift - insgesamt unter dem Leitwort, daß wir sparen müssen. Ich sage es Ihnen jetzt ganz deutlich: Wir haben damals gespart. Der Arbeitsminister hat dazu beigetragen. Der damalige Außenminister, der heutige Bundeskanzler, hat ebenfalls dazu beigetragen. Auch Herr Wehner und alle anKatzer deren haben dafür gestimmt. Warum haben wir das gemacht? Wir haben das gemacht, um ein Höchstmaß an Stabilität sicherzustellen. Diese Bemühungen waren - auch für die Rentner - erfolgreich, denn im darauffolgenden Jahr hatten wir die geringsten Preissteigerungen zu verzeichnen. Sie bekennen sich heute nicht dazu. Ich bekenne mich ausdrücklich zu dem, was wir damals in der Not der Situation haben machen müssen. ({0}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun eine dritte Bemerkung machen, die auf den Versuch der SPD abzielt, nach dieser Abstimmung, in der es auf Ihrer Seite - das stelle ich hier fest - nicht einen einzigen Kollegen gab, der den Mut hatte, mit uns dafür zu sorgen, daß diese Rentenfrage geklärt wird, jetzt hier eine große Globalschau zu veranstalten und zu sagen: Das muß alles in ein Paket hinein! Es ist geradezu ein Genuß, das Wort „Paket" aus dem Munde von Herrn Schellenberg zu hören, ({1}) denn er war in der Vergangenheit der schärfste Kämpfer gegen ein solches Paket. ({2}) - Ich weiß! Natürlich, Sie machen nur Positives; darüber sind wir uns doch vollkommen einig, Herr Kollege Schellenberg!! Ich will Ihnen sagen, wie groß die Wandlungsfähigkeit bei Ihnen in der SPD ist. Ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen und wiederhole es, weil Herr Wehner permanent dazu schweigt. Am 8. Juni 1972 erklärte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Wehner, die SPD-Fraktion habe in Abstimmung mit ihrem Koalitionspartner ein Gesetzgebungsprogramm für die kommenden Wochen aufgestellt. In diesem Programm befindet sich auch das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz, so heißt es wörtlich. Von allen anderen Rentengesetzen ist nicht die Rede. Diese Erklärung ist erst acht Tage alt. Ich hätte doch gerne gewußt - das ist für mich wichtig -, was sich seitdem eigentlich geändert hat. Geben Sie doch eine Begründung dafür, was sich hier geändert hat. Herr Wehner hat am 8. Juni erklärt: „Die Verabschiedung vor der Sommerpause ist notwendig, damit die erhöhten Renten ab 1. Januar 1973 gezahlt werden können." Wenn sie notwendig ist, damit die erhöhten Renten ab 1. Januar 1973 gezahlt werden können, ist sie doch doppelt notwendig, wenn sie bereits ab 1. Juli 1972 gezahlt werden sollen. Das ist ein Widerspruch, den Sie bisher nicht aufgeklärt haben. Sie stellen nur immer Fragen. Jetzt möchte ich gern eine Begründung dafür bekommen, warum es eigentlich vorige Woche noch hieß, man wolle nur dieses Gesetz und nichts anderes beraten, heute aber nun ein Paket geschnürt wird. Diesen Widerspruch hätte ich sehr gerne aufgeklärt. ({3}) - „Eine Weiterentwicklung", so nennen Sie das! Nachem Sie gestern so gesprochen haben, sagen Sie heute: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" Das ist nicht meine Politik, Herr Nölling, das ist Ihre Politik. ({4}) - Nein, das mache ich gar nicht mit, denn ich stehe zu dem, was wir seit zwei Jahren in diesem Hause gesagt haben, daß nämlich der Erhöhung des Rentenniveaus Priorität gebührt. Das ist unsere Politik, der Sie sich permanent widersetzen. ({5}) Denken Sie über mein Wort vom Bundesrat gut nach! Ich sage Ihnen das rechtzeitig, damit nachher nicht ein Zugzwang kommt, den wir nicht zu vertreten haben. Der plötzlich von den Koalitionsparteien hergestellte Zusammenhang zwischen dem Rentenanpassungsgesetz und den übrigen anstehenden Änderungen des Rentenversicherungsrechts ist in Wahrheit nicht gegeben. Herr Schellenberg hat den wirklichen Willen der Koalitionsparteien bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs in der vergangenen Woche, wie ich glaube, mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klargemacht. Nach seinen Worten werde niemand den Antrag der CDU/CSU wirtschafts-, sozial- und konjunkturpolitisch sowie im Hinblick auf die Preisentwicklung für sinnvoll halten können. Damit hat Herr Schellenberg für die Koalition das gesagt, wozu Sie heute und in der Öffentlichkeit nicht den Mut haben, es zu sagen, nämlich ein klares Nein zu einer vorgezogenen Rentenerhöhung, das wir heute als Ergebnis dieser Sitzung konstatieren müssen. Eine letzte Bemerkung zum Finanziellen. Dazu wird nachher auch noch ein Kollege von mir sprechen. Wir würden es sehr gerne sehen, wenn hinsichtlich der Kriegsopfer die Möglichkeit der Vorziehung gegeben wäre. Wir kennen die Haushaltssituation, und weil wir für das Zusammenwirken von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sind, können wir leider, weil Sie uns einen solchen Haushalt hinterlassen haben, dieses Problem jetzt nicht weiter in dem von uns gewünschten Sinne verfolgen. Aber erst umgekehrt wird ein Schuh daraus! Sie können doch nicht sagen: Weil ich das aus Haushaltsmitteln nicht kann, will ich das, was ich aus Mitteln der Rentenversicherung tun kann, auch nicht tun. Die Mittel der Rentenversicherung sind da. Die Zahlen, die genannt worden sind - unsere Zahlen - sind richtig. ({6}) Die finanzielle Situation ist absolut solide. Für unsere Maßnahme gibt es keine haushaltsmäßige Rückwirkung. In der Frage der Knappschaft habe ich klipp und klar dargestellt, daß ich für einen Wanderungsausgleich bin. Ich vertrete da nicht wie der Herr Schellenberg etwas, was auf dem Rücken dieses oder jenes Versicherungsträgers ausgetragen würde. Nein, ich meine, das ist eine Solidargemeinschaft, die dafür einzustehen hat, daß wir dies jetzt durch11324 setzen können, was wir im Interesse der Rentner wollen. Ich stelle fest, Sie verweigern sich auch heute diesem unserem Begehren. Ich kann das nur aufs tiefste bedauern. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Härzschel.

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD versucht mit wortreichen Erklärungen von der Sache abzulenken, um die es eigentlich geht. ({0}) Es geht heute und hier um die Situation der Rentner, wie sie durch Ihre Wirtschaftspolitik entstanden ist, und um nichts anderes sonst. ({1}) Wir haben dieser Frage Priorität eingeräumt, denn wir haben allen Grund dazu. Ich meine, wer die Fakten sieht, wird uns recht geben. Kollege Nölling, nur noch eine Bemerkung zu Ihrem Angriff auf den Kollegen Katzer. Die Rentner draußen im Lande und alle hier wissen, mit welcher Leidenschaft er sich für die Rentner einsetzt. Wenn Sie ihm unterstellen, er wolle je die Rentner schlechterstellen, kann man darüber nur lächeln. ({2}) Wie sehen denn die Fakten aus? Das Rentenniveau ist auf den niedrigsten Stand seit der Rentenreform 1957 abgesunken. ({3}) Das ist eine Tatsache, die Sie nicht wegdiskutieren können. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, einmal zu hören, was denn die Kollegen der SPD früher zu dem Rentenniveau gesagt haben. ({4}) Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Zitate bringen. Herr Kollege Schellenberg hat im Ausschuß für Sozialpolitik 1956 gesagt: Ist nicht der Satz von 50 % unter Berücksichtigung des Ausgleichs zwischen den Generationen unzureichend, weil dann der Lebensstandard des alten Menschen hinter dem Lebensstandard desjenigen, der im Arbeitsleben steht, erheblich zurückbleibt? Der Kollege Geiger hat 1964 hier im Bundestag erklärt: Es bleibt uns eine Aufgabe - eine, wie ich hoffe, gemeinsame Aufgabe -, - daran möchte ich Sie jetzt erinnern nämlich zu dem Ziel der Rentenreform zu kommen, daß ein Versicherter nach einem erfüllten Arbeitsleben wenigstens eine Rente von 75 % des Durchschnittseinkommens hat. ({5}) Dann noch einmal. Der Kollege Schellenberg: Wir Sozialdemokraten wünschen, daß die Renten dem letzten Lohn- und Gehaltsstand angepaßt werden. Meine Damen und Herren, wer diese Stimmen hört, der fragt sich: Was sind die eigentlich wert gewesen? Sie reisen im Land herum, erklären den Rentnern, daß Sie ihre Situation verbessern wollen, und wenn es darum geht, hier Farbe zu bekennen, dann passen Sie. So ist die Sachlage. Wir haben auch keine solchen Verbesserungen für die Rentner wie sie Herr Kollege Nölling darstellen will. Wie sehen denn die Fakten aus? Im vergangenen Jahr haben wir eine Rentenerhöhung von 5,5 % und eine Preissteigerung von 5,3 % gehabt. Das ging null zu null auf. In diesem Jahr eine Rentenanhebung von 6,3 %, und Sie haben eben die Zahl der augenblicklichen Preissteigerung vom Herrn Kollegen Katzer gehört. So sieht es aus. Wenn Sie jetzt die Rückzahlung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner mit ansprechen, dann kann ich nur sagen: Damit haben Sie erstens nicht alle Rentner erreicht, und außerdem gab es unterschiedliche Leistungen, so daß Sie nicht generell von einer Anhebung sprechen können. Zum andern möchte ich noch betonen, daß Sie mit dieser Rückzahlung im Grunde unseren Antrag auf Vorziehung der Rentenanpassung blockieren und unterlaufen wollten. ({6}) - Nein, ich möchte jetzt ebenfalls meine Ausführungen zu Ende bringen. Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant, wie die SPD früher die Preisentwicklung beurteilt hat. Herr Kollege Geiger hat 1965 hier ausgeführt: Besonders gravierend wirkt bei diesen niedrigen Renteneinkommen die Misere der fortgesetzt steigenden Preise. Die steigenden Preise treffen gerade die Rentnerhaushalte, die Menschen mit diesem geringen Einkommen, wesentlich stärker als solche, die mehr verdienen. Meine Damen und Herren, wenn es eine Misere für die Rentner gibt, dann gibt es sie heute. Damals war die Situation eine andere. Damals hatten wir noch eine effektive Verbesserung für die Rentner von 5 % im Jahr, während sie heute fast leer ausgehen. Das ist die Situation. ({7}) Wir werden die SPD jedenfalls nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, die sie für die Rentner hat. Man kann nicht ständig draußen eine andere Sprache führen als hier, wenn es um die Entscheidung geht. Sie erklären draußen, daß Sie für die alten Menschen etwas tun. Die Tatsachen hier sprechen eine andere Sprache. Ich möchte noch einmal betonen: Die CDU/CSU bekennt sich zur Solidargemeinschaft der Generationen. Wir sehen es als unsere vornehme Pflicht an, die Situation der alten Menschen jetzt zu verbessern. Das bleibt eine Aufgabe, die wir - so hatten wir gehofft - gemeinsam lösen würden, wie Sie es früher einmal gefordert haben. ({8}) Sie gebärden sich zwar immer sozial. Aber wenn es darum geht, sozial zu handeln, dann versagen Sie. Diese Frage werden wir Ihnen immer wieder stellen, damit die Rentner draußen im Lande Bescheid wissen. Sie können nicht ständig sozial reden und anders handeln. Darum geht es. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Härzschel, genau so ist es, wie Sie zuletzt gesagt haben. Wenn draußen ein Rentner heute am Radio sitzt und diese Debatte hört, dann wird dieser sagen: Wann gehen die endlich in den Ausschuß, wie die Koalition es will, und arbeiten und verabschieden die Gesetze, die notwendig sind? ({0}) Er wird sich die Frage stellen: Weshalb ist eigentlich nach dem Bericht des Ausschußvorsitzenden, des Kollegen Schellenberg, nach dem Bericht, den Sie gewünscht haben und der von der Sache her bereits eindeutig klargemacht hat, warum die gemeinsame Beratung Ihres Entwurfs mit allen anderen Rentengesetzentwürfen notwendig ist, überhaupt noch eine Debatte hier notwendig gewesen, statt, wie es Herr Kollege Schellenberg vorgeschlagen und der Herr Präsident genehmigt hat, heute weiter in die Beratungen einzutreten, um so bald wie möglich das gesamte Paket der Rentengesetze zu verabschieden?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke?

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, wollen Sie dann den Rentnern, die zuhören, freundlicherweise auch erklären, ob Sie bereit sind, jetzt im Ausschuß das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz zu beraten oder ob Sie nicht die erklärte Absicht haben, Ihr großes Rentenpaket zu beraten, das erst im September in die zweite und die dritte Lesung kommen soll? Wollen Sie auch hinzufügen, daß Sie nicht die Absicht haben, den Rentnern am 1. Juli die Rentenerhöhung möglich zu machen? ({0})

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Kalinke, ich habe ja gerade erst angefangen. Ich werde zu Ihren Fragen sehr klar einiges sagen. ({0}) Zunächst aber noch einmal zu dem angeblichen Sinn dieser Debatte. Nach dem Bericht des Ausschußvorsitzenden, den Sie nach der Geschäftsordnung verlangen konnten, nach der Klarstellung der Dinge und auch des positiven Verhaltens der Kollegen der Opposition im Ausschuß zur Frage ständiger Beratungen - das wurde, wie es Herr Kollege Ruf sagte, etwas verzögert, aber es war im Grunde positiv - hätten wir in diesen zwei Stunden mit der Gesamtberatung wahrscheinlich schon wesentlich weiter sein können, als es nunmehr möglich sein wird; denn die Debatte wird sich wahrscheinlich noch hinziehen. Ich muß Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz ehrlich folgendes sagen - Herr Kollege Katzer, ich muß das Wort noch einmal gebrauchen -: Was hier nach der Berichterstattung über den Stand der Dinge und angesichts dessen, wie die Dinge nun einmal politisch im Raum stehen - ich komme nachher noch auf die Gründe dazu -, geschieht, ist Verzögerung der Beratungen im Ausschuß, die den Rentnern und der Sache wesentlich mehr dienen würden. ({1}) - Herr Kollege Katzer, Sie haben heute früh zu Anfang in der Geschäftsordnungsdebatte bereits davon gesprochen, hier werde an der Sachentscheidung vorbeigegangen. Ich muß Sie fragen, Herr Kollege Katzer: Wann waren Sie denn eigentlich bei den Debatten und Sachentscheidungen im Ausschuß ein einziges Mal dabei? ({2}) Sie stellen sich immer hierhin, Herr Kollege Katzer, und versuchen, Dinge anzusprechen, an denen Sie aus Ihrer Zeit nicht schuldlos sind. Ich will nicht noch einmal die ganze Diskussion von 1957 über die Kleinstrenten, über die Mindestrenten und die Vorstellungen der CDU hier vortragen. ({3}) Sie stellen sich hierhin und behaupten plötzlich, Sie hätten ein Herz für die Rentner. Aber waren Sie denn ein einziges Mal im Ausschuß, als dort darüber beraten wurde? Ich habe Sie in diesen Beratungen bisher nie gesehen. Ich würde doch empfehlen, in den Ausschuß zu kommen und an den Sachentscheidungen teilzunehmen, die der Ausschuß treffen muß, statt hier nur Reden nach draußen zu halten. ({4}) Lassen Sie mich ein zweites sagen. Herr Kollege Katzer, Sie begründen Ihren Antrag auf Vorziehung - auch der Kollege Härzschel hat das weitgehend getan, ebenso Herr Kollege Ruf - immer wieder mit einer zweifellos von uns allen bedauerten Teuerungssituation. Nun muß ich Sie aber fragen: Wie wollen Sie eigentlich mit einer linearen Anhebung - ob Sie sie zum 1. Juli oder sonstwann Schmidt ({5}) machen - dieser Teuerung beikommen, wenn Sie dem Kleinrentner vielleicht gerade einigermaßen einen Ausgleich schaffen, aber den Empfänger größerer Renten in eine ganz andere Situation stellen? ({6}) Wie wollen Sie eigentlich die Teuerung durch lineare Anhebung berücksichtigen, ohne den Belangen anderer Gruppen in der Bevölkerung Rechnung zu tragen, die dann das gleiche Recht auf vorzeitige Anpassung haben?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Härzschel?

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, wollen Sie denn die Anpassung, wie sie jetzt praktiziert wird, abschaffen? Denn sie hat jedesmal genau die gleiche Wirkung.

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Härzschel, Sie wissen sehr genau, daß diese Anpassungen auf Grund des Gesetzes von allen drei Fraktionen dieses Hauses seit Jahr und Tag begrüßt und immer wieder vertreten worden sind. Sie wissen auch sehr genau, daß das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz zum 1. Januar 1973 jederzeit in diesem Hause verabschiedet werden könnte, ein Gesetz, das dem Rentenreformgesetz entspricht, das nicht in die Strukturen eingreift und dessen Kosten gedeckt sind, während das bei Ihrem Antrag eben nicht der Fall ist. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mikat?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Mikat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, könnten Sie dem Hause sonnenklar sagen, worin Sie dann den Systemunterschied zwischen dem Juli-Termin und Ihrer Januar-Lösung sehen? Entweder sind Sie jetzt logisch, oder Sie sind immer unlogisch. Das ist doch die Frage! ({0})

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Professor Mikat, ich glaube, wir müssen hier ein wenig unterscheiden zwischen den systemgerechten Anpassungen, die 1957 im Gesetz geschaffen wurden, die von allen Fraktionen dieses Hauses getragen werden, und einer Vorziehung, die Sie unter Berufung auf Teuerungsgründe beantragen. Die jährliche Anpassung zum 1. Januar bedeutet die Anhängung an die Bruttolohnbezogenheit - völlig klar! Ihre Vorziehung begründen Sie mit Teuerungssituationen, während es sich dort um die Bruttolohnbezogenheit für die Einkünfte handelt. ({0}) - Lassen Sie mich jetzt fortfahren. Sonst komme ich mit meiner Zeit nicht aus, Herr Kollege Franke. Vielleicht sprechen Sie nachher von hier aus, dann sage ich noch einmal etwas dazu. So leicht kann man es sich nicht machen, daß man sagt - Herr Kollege Katzer, wie Sie es hier eben wieder gesagt haben -, dieser Antrag von Ihnen erfordere keine Bundesmittel. Herr Kollege Katzer, dann verstehe ich nicht, warum in der Drucksache VI/2585 im Rahmen des Vorblattes auf der zweiten Seite oben steht: Die Mehraufwendungen für die knappschaftliche Rentenversicherung gehen zu Lasten des Bundes. Kennen Sie Ihre eigenen Drucksachen eigentlich nicht? ({1}) - Gehen zu Lasten des Bundes! ({2}) - Hier liegt Ihr Antrag, in dem Sie davon ausgegangen sind, daß die Mehraufwendungen zu Lasten des Bundes gehen. Stimmt das oder stimmt das nicht, Herr Kollege Katzer? ({3}) - Stimmt das oder stimmt das nicht? Wenn Sie sich im Augenblick andere Träger für diese Kosten suchen - durch ein Ausgleichsverfahren, das zu Lasten anderer geht -, ({4}) so bedeutet das nur ein Ausweichen, ({5}) - Herr Kollege Katzer, das nehme ich an -, weil inzwischen wahrscheinlich auch von den Haushaltsexperten in der Opposition, insbesondere sicher von Ihrem Fraktionsvorsitzenden, der ja immer wieder davon spricht, ({6}) daß Haushaltszuwachs nur im Rahmen des Bruttosozialproduktzuwachses gesehen werden kann, gesagt worden ist: Jetzt müßt ihr einen anderen Weg finden. Im Entwurf seht jedenfalls noch: zu Lasten des Bundes. ({7}) - Herr Kollege Ruf, bitte!

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, würden Sie mir bestätigen, daß die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß zum Thema Wanderungsausgleich in der knappschaftlichen Rentenversicherung bereits einen formulierten Antrag eingereicht nud Ihnen allen übergeben hat? ({0})

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ruf, ich habe mich eindeutig auf Ihren vorliegenden Gesetzentwurf bezogen. Über diesen Gesetzentwurf ist im Ausschuß noch nicht abgestimmt worden. Sie wünschen, daß dieser Gesetzentwurf auf Grund Ihres Antrages ans Plenum zurückgeht. In diesem Gesetzentwurf steht: zu Lasten des Bundes. Mehr ist dazu nicht zu sagen. ({0}) Außerdem geht es ja nicht nur um diese 223 Millionen DM, Herr Kollege Katzer. Ich will jetzt gar nicht noch einmal die 70 oder wieviel Milliarden DM - auf lange Frist - ansprechen. Herr Kollege Dr. Barzel, ich bitte das doch von Ihrer Seite her vielleicht auch einmal so zu sehen: Es geht zumindest auch um die rund 1,4 Milliarden DM, die insgesamt für die Knappschaft bis 1976 gebraucht würden. Wollen Sie den ganzen Betrag über den Wanderungsausgleich aufbringen? Ich möchte einmal wissen, was dann die Bundesversicherungsanstalt und alle anderen zu ihren Rechnungen und zu der Fortsetzung der Rechnungen sagen. Es geht auch um diese 1,4 Milliarden DM. Meine sehr geehrten Damen und Herren - und insbesondere Herr Kollege Barzel, ich spreche Sie wieder an -, nachdem vorhin auch Herr Kollege Härzschel - glaube ich, war es - gesagt hat, die CDU/CSU würde es begrüßen, wenn auch die Kriegsopfer einbezogen würden, geht es doch wohl auch um die 280 Millionen DM, die in diesem Jahr für die Kriegsopfer aufzubringen wären, und um die 1,7 Milliarden DM bis 1976. Meine sehr geehrten Damen und Herren, so kann man es eben nicht machen, daß man sich auf der einen Seite hinstellt und sagt: Wir möchten das alles tun, wir möchten vorziehen, daß aber auf der anderen Seite Sie, Herr Dr. Barzel, aus konjunkturpolitischen Gründen, weil Sie die Stabilität mittragen wollen, sagen: Zuwachs des Haushalts nur 2 % des Bruttosozialprodukts oder zumindest in etwa dieser Größenordnung. Da können wir nur sagen: das beißt sich nun einmal. Und Sie dürfen sich nicht wundern, wenn wir aus der Verantwortung heraus sagen: so leichtfertig kann man die Dinge nicht über den Tisch des Bundestages bringen. Das müssen wir insgesamt beraten, das müssen wir im Rahmen der Gesamthaushaltsrechnung, im Zusammenhang mit der Festlegung der Prioritäten und Möglichkeiten in der Rentenversicherung sehen. Ich wundere mich allerdings nicht, Herr Kollege Katzer - lassen Sie mich das zum Schluß noch sagen -, daß Sie sich da manchmal vielleicht etwas leichter tun. ({1}) Sie haben eben von der Wandlungsfähigkeit in manchen Aussagen gesprochen, und ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin auch manchmal über Sie sehr verwundert. Noch in Ihrem Aktionsprogramm - ich muß das noch einmal kurz erwähnen - „Sozialpolitisches Schwerpunktprogramm der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die sechste Legislaturperiode" lehnen Sie die flexible Altersgrenze ab, die Sie inzwischen wollen, und verweisen darüber hinaus die Rentner mit niedrigen Renten auf die Sozialhilfe. ({2}) Das beides steht in Ihrem Programm vom August 1969, vor der Wahl vorgelegt! Heute sagen Sie: Jawohl, die flexible Altersgrenze wollen auch wir, jawohl, auch die Vorziehung. Alles wollen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren! ({3}) So einfach kann man die Dinge nicht sehen, und so unsolide, wie es geschieht, wenn man dabei nicht an die anderen Gruppen denkt, sondern sagt, es ist mir wurst, wie das im Haushalt geht, kann man die Dinge nicht beraten. Deshalb ist es höchste Zeit, daß wir hier diese Debatte beenden, mit Genehmigung des Präsidenten in den Ausschuß zurückgehen und endlich die Fragen weiterberaten können, ({4}) um möglichst bald das gesamte Rentenpaket solide und finanziert zu verabschieden. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke ({0}) .

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Ausführungen, die der Kollege Nölling hier vorhin gemacht hat, und zu denen, die er in der letzten Woche unter dem Stichwort „Verteilungskampf" gemacht hat, möchte ich mir ein paar Bemerkungen erlauben, ehe ich auf die finanziellen Belastungen eingehe, die hier von einigen Kollegen an die Wand gedichtet worden sind. Herr Kollege Nölling hat soeben gesagt, die reale Steigerung des Einkommens der Rentner in den letzten drei Jahren betrage etwa 12 %. Herr Kollege Nölling, ich weiß, daß Sie von Berufs wegen mit Statistiken umgehen. Nun kann ich mir vorstellen, daß Sie diese Statistik etwas falsch gelesen haben; ich weiß aber, daß Sie auf Grund Ihrer beruflichen Ausbildung in der Lage sind, sie richtig zu lesen und zu interpretieren. Wir haben im Jahre 1970 eine Rentensteigerung von 6,35 %, 1971 eine von 5,55 % und 1972 eine von 6,3 % gehabt, ({0}) wenn ich die Frage der Rückzahlung des Krankenversicherungsbeitrages hier einmal außer acht lasse; ich komme gleich darauf zurück. ({1}) Wenn Sie das zusammenrechnen, bekommen Sie eine Summe von 18,2 %. Meine Damen und Herren, dem steht ganz eindeutig eine Steigerung des Preisniveaus in diesen Jahren um 15,1 % gegenüber. Wenn Sie hieraus den Saldo nehmen, ergibt sich Franke ({2}) ganz klar nur eine tatsächliche Steigerung des Einkommens der Rentnerhaushalte in diesen drei Jahren von 3,1 % und nicht von 12 %, wie Herr Nölling uns hier meinte glaubhaft machen zu können.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Franke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Franke, erinnern Sie sich daran, daß die Bundesregierung vor einiger Zeit in einer Fragestunde selbst zugeben mußte, daß die Rentner in den letzten zwei Jahren um 13 % hinter den Aktiven herhinken?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, ich erinnere mich, und ich erinnere hier auch an das, was der Sachverständigenrat gesagt hat: daß nämlich die Rentner bei dem Verteilungskampf, der hier zwischen den Tarifpartnern stattfindet, und bei der hohen Preissteigerungsrate eindeutig unter den Schlitten geraten. Und ich verstehe nicht, Herr Kollege Nölling, wie Sie hier bei einer solchen Preissteigerungsrate sagen können, daß dabei der reale Einkommenszuwachs der Rentner in den letzten drei Jahren 12 % betrage. Aus den Zahlen ergibt sich eindeutig für die letzten drei Jahre eine reale Einkommenssteigerung der Rentner von nur 3,1 % bis zum heutigen Tage. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Franke, gestatten Sie zunächst eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Geiger?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bin gerne bereit, die beiden Zwischenfragen noch zu beantworten. Im Gegensatz zu der Praxis, die die Kollegen in der letzten Woche geübt haben, bin ich bereit, in einen solchen Dialog einzutreten.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, würden Sie mir darin zustimmen, daß die relativ niedrigen Rentenerhöhungen in den letzten Jahren die Folge der Wirtschaftspolitik der Regierung Erhard waren, die eine Million Arbeitslose zur Folge hatte und nur kleine Lohnerhöhungen möglich machte? ({0}) Würden Sie mir weiterhin darin zustimmen, daß die Einkommenssteigerung der Rentner außer durch die Rentenerhöhung stattgefunden hat durch die Erhöhung der Mietbeihilfen, die Anhebung der Grenze für Mietbeihilfen und den Wegfall des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages, so daß insgesamt die von Kollegen Nölling festgestellten Einkommenssteigerungen da sind?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Geiger, ich bin nicht mit Ihnen der Meinung, daß das auf die Wirtschaftspolitik in den Jahren 1966/67 zurückzuführen ist. Das hängt vielmehr mit den tarifvertraglichen Abschlüssen zusammen. Diese haben ihre unmittelbare Wirkung auf die jetzige Rentenhöhe. Also nicht der wirtschaftliche Einbruch, sondern die Tarifabschlüsse, die damals getroffen worden sind, sind hier der Gegenstand. Zweitens. Herr Kollege Geiger, Sie können mit noch so vielen Diskussionen und Anrufungen der Vergangenheit nicht wegdiskutieren, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland infolge der verfehlten Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung die höchsten Inflationsraten haben, die wir seit der Korea-Krise gehabt haben. ({0}) Sie können mit noch soviel Berufung auf die Vergangenheit nicht wegdiskutieren, daß insbesondere die sozial schwachen Teile unserer Bevölkerung durch Ihre Wirtschaftspolitik unter den Schlitten geraten sind. Das wollen wir mit diesem unserem Antrag, die Fünfzehnte Rentenanpassung um ein halbes Jahr vorzuziehen, einigermaßen neutralisieren. Ich wiederhole: das ist Ihre Schuld, meine Damen und Herren, weil Sie die Wirtschaftspolitik und die Preisstabilität nicht in den Griff bekommen haben. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die Frage des Herrn Kollegen Nölling hatten Sie schon zugelassen. Inzwischen bittet noch der Herr Kollege Breidbach um eine Zwischenfrage.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde mich hüten, dem Herrn Kollegen Breidbach eine Zwischenfrage abzuschlagen.

Dr. Wilhelm Nölling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Franke, Sie haben soeben, meines Erachtens unzulässigerweise, wegdiskutiert, daß die Krankenkassenbeiträge abgeschafft worden sind. Darf ich Sie fragen, ob Sie wissen, um welche Größenordnung es sich handelt bei den zusätzlichen Rentenausgaben aus dieser Maßnahmengruppe in den Jahren 1970 bis 1972 und wieviel dies im Verhältnis zum Rentenvolumen von 1969 ausmacht?

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Nölling, der Kollege Härzschel ist soeben darauf eingegangen. ({0}) Ich will es wiederholen. Ich will unterstellen, daß Sie es akustisch nicht vernommen haben. Das betraf lediglich die Renten, die 1966/67 Bestandsrenten waren. Das waren also lediglch jene, die in den beiden Jahren 1967 und 1968 einen Beitrag gezahlt haben. Alle neuen Zugangsrenten der Jahre 1968, 1969, 1970 und 1971 sind von dieser Rückzahlung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags nicht betroffen gewesen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß Herr Breidbach auf die Zwischenfrage verzichtet hat.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nur kurz darauf eingehen, was Herr Kollege Schellenberg in seiner Berichterstattung zu den finanziellen Belastungen gesagt hat. Wenn Sie unserer Konzeption folgen - sie ist in der letzten Woche von dem Herrn Kollegen Katzer hier eindeutig dargelegt worden -, ergeben sich keine finanziellen Belastungen für den Haushalt. Erstens. Das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz der CDU/CSU bindet keine Haushaltsmittel, sondern wird aus den Überschüssen und den Beiträgen an die Rentenversicherungsträger finanziert. Zweitens. Mit der Anhebung des Rentenniveaus schon am 1. Juli 1972 statt am 1. Januar 1973 ergeben sich Entlastungen beim Wohngeld und bei der Sozialhilfe, die ich im Augenblick genau zu quantifizieren nicht in der Lage bin. Drittens. Nach der CDU/CSU-Konzeption sollen die Belastungen, die sich für die knappschaftliche Rentenversicherung ergeben, durch einen Wanderungsausgleich zwischen den Rentenversicherungsträgern ausgeglichen werden. Herr Kollege Schmidt ({0}), Sie haben die Frage gestellt, wie man sich die Belastungen in den nächsten Jahren vorstellt. Dazu kann ich nur sagen: allein aus der Systematik der jährlichen Rentenanpassung ergibt sich eindeutig, daß wir jedes Jahr über die Frage der Rentenanpassung und deren Finanzierung hier im Bundestag eine Entscheidung herbeiführen müssen. Diese Entscheidung verpflichtet uns dazu, einmal jährlich zu prüfen, woraus der Wanderungsausgleich nachher zu finanzieren ist. Die Frage der Anpassung der Kriegsopferrenten ist ein wunder Punkt - darauf hat Hans Katzer in der letzten Woche hingewiesen -, den Sie, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, zu verantworten haben. Wir wollen die Kriegsopfer selbstverständlich nicht von der Dynamisierung ausschließen. Da es sich hierbei aber um eine haushaltspolitische und haushaltswirksame Maßnahme handelt, müssen wir erst die Bestandsaufnahme der finanziellen Situation durch den Haushaltsausschuß abwarten. ({1}) Da Sie, meine Damen und Herren, mit Ihrer Mehrheit im Haushaltsausschuß, die Sie auf Grund eines Abkommens noch bis zum Oktober 1972 behalten werden - ({2}) - Herr Kollege Wehner, ich habe mir vorgenommen, Sie immer dann, wenn Sie bei mir Zwischenrufe machen, geduldig anzuhören. Aber ich habe Ihren Zwischenruf jetzt nicht verstanden und kann auch darauf nicht eingehen, ({3}) weil ich es nicht mit ansehen kann, wie Sie sich hier immer ärgern und echauffieren. Ich halte es mit Conny Ahlers: Sie waren einmal ein guter Zwischenrufer. ({4}) Meine Damen und Herren, die abschließende Bestandsaufnahme der finanziellen Situation im Haushaltsausschuß konnte noch nicht stattfinden, da Sie sie mit Ihrer Mehrheit, die Sie dort im Augenblick noch haben, verschleppen. Darum müssen wir die Entscheidung darüber, woraus wir letztlich die Anpassung der Kriegsopferrenten und das Vorziehen der fünfzehnten Rentenanpassung auf den 1. Juli 1972 finanzieren, vertagen. ({5}) Die Rentenanpassung kostet nach den Daten, die uns das Bundesarbeitsministerium vorgelegt hat, die wir aber auch selber, und zwar viel früher und genauer, errechnet haben - das gilt für die gesamten Zahlen -, 72 Milliarden DM. Die Einnahmeüberschüsse werden - darüber haben wir uns inzwischen auch mit dem Bundesarbeitsministerium und anderen Kreisen abgestimmt - bis zum Jahre 1986 200 Milliarden DM betragen. Die Anhebung der Kleinstrenten und der Renten für Frauen kostet nach unserer Konzeption 20 Milliarden DM. ({6}) Unser Entwurf zur Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige bringt keine Belastungen, sondern Mehreinnahmen, und zwar auch für den Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch diese Personenkreise. Die flexible Altersgrenze - wir haben Ihnen unsere Berechnungen in der vorletzten Woche vorgelegt; es soll eine wirklich flexible Altersgrenze sein, und zwar vom 63. Lebensjahr an bis über das 65. Lebensjahr hinaus - kostet nach unserer Konzeption mit einem Bonus für diejenigen, die bereit sind, länger zu arbeiten, bei einer 80%igen Inanspruchnahme 59 Milliarden DM. Es besteht kein Zweifel - das ist unter Fachleuten unumstritten -, daß es eine 80%ige Inanspruchnahme nicht geben, sondern daß es bei einer 60- bis 70%igen Inanspruchnahme bleiben wird. Das wären Belastungen in einer Höhe von 46 bis 50 Milliarden DM. Rechnet man zusammen, so ergeben sich bei einer 80%igen Inanspruchnahme insgesamt 151 Milliarden DM bei einem Überschuß von 200 Milliarden DM, wobei hier noch die dreimonatige Reserve einbezogen werden muß, eine Reserve, die bei einer 80%igen Inanspruchnahme eindeutig vorhanden wäre. Bei einer 60%igen Inanspruchnahme ergibt sich insgesamt eine Belastung von 137 bis 140 Milliarden DM. Es ist also nicht richtig, was der Herr Kollege Schellenberg gesagt hat, nämlich daß unsere Gesamtkonzeption, wenn sie von Ihnen angenommen Franke ({7}) werden würde, zu unzumutbaren Belastungen des Haushalts bzw. der Rentenversicherungsträger führen würde, sondern es ist bei Annahme unserer Konzeption bis zum Jahre 1986 alles solide finanziert. Schließlich sind Haushaltsüberlegungen über die knappschaftliche Rentenversicherung und die Kriegsopferversorgung anzustellen. Bei der knappschaftlichen Rentenversicherung gibt es den Wanderungsausgleich, und für die Kriegsopfer gibt es die jährliche Rentenanpassung. Sie haben den Haushalt, wie die bisherige Bestandsaufnahme gezeigt hat, in einem so desolaten Zustand zurückgelassen, daß wir noch mehrere Wochen brauchen, um die Bestandsaufnahme abschließen und dann Prioritäten setzen zu können. ({8})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Dament Lassen Sie mich in großer Ruhe vorweg noch einmal für diejenigen, die diese Debatte verfolgen werden - und ich bin sicher, daß das sehr viele tun -, die Begründung zum CDU/CSU-Antrag aus der Drucksache VI/3325 vorlesen, damit hier kein falsches Licht auf den wahren Grund dieser Debatte und den wahren Hintergrund Ihres Neins fallen kann. Wir haben in aller Sachlichkeit begründet, daß sich seit 1969 der Preis- und Lohnauftrieb in einem in der Bundesrepublik Deutschland seit der Korea-Krise nicht gekanntem Maße verstärkt hat. Niemand von Ihnen kann bestreiten, daß dieselbe Bundesregierung, die jetzt mit ihren Regierungsparteien „Nein" sagt - und wir hören nur das „Nein" -, selber deutlich gesagt hat, daß dieser Preisauftrieb leider anhalten wird. Dem Preisauftrieb trägt die verzögerte Rentenanpassung nicht mehr Rechnung. Mit Ihrer Darstellung in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, daß wir das hätten früher verhindern können, liegen Sie völlig falsch. Sie sind mit Ihren Argumenten deshalb falsch programmiert, weil zu keiner Zeit die Kassen der Rentenversicherungsträger und die Mittel der Rentenversicherung das erlaubt haben. ({0}) Sie liegen auch völlig falsch, wenn Sie Ihre Einsicht und Ihre Zustimmung in der Zeit der Großen Koalition jetzt vergessen machen lassen wollen und so tun, als wäre alles, was zur Sicherung der Finanzen beschlossen werden mußte, Ihnen vom Koalitionspartner aufgedrängt worden. ({1}) Das ist einfach nicht wahr. ({2}) Was ich jetzt Herrn Kollegen Schmidt ({3}) sage, gilt auch für seine Koalitionspartner. Ich habe Sie soeben gefragt: Wollen Sie diese Debatte hier unterbrechen, und wollen Sie im Ausschuß mit der Beratung des Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes beginnen? Sie sind ausgewichen. Ich frage Sie erneut: Wollen Sie den Rentnern jetzt helfen? Sie können nicht ausweichen. Ich frage Sie weiter: wollen Sie entgegen Ihrer Aussage in der vorigen Woche im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung das Rentenanpassungsgesetz, abweichend davon, wie wir es in all den Jahren vierzehnmal geübt haben - mit der einen Ausnahme, beim Vierzehnten Anpassungsgesetz, auf die Sie eingehen können, in der wir gleichzeitig die Finanzen mit dem Rentenanpassungsgesetz gesichert und die Beitragserhöhung beschlossen haben -, erst im Herbst verabschieden, nämlich dann, wenn Ihnen die Auszahlung ganz oder teilweise günstiger erscheint?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Abgeordnete Kalinke, wollen Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Schmidt ({0}) zulassen?

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte jetzt, weil ich so kurze Zeit habe, nicht. Aber nachher kann er sich nochmal melden. ({0}) Wollen Sie, Herr Schmidt ({1}), das Rentenniveau jetzt verbessern, oder wollen Sie über diesen Punkt mit uns sprechen, weil Sie hoffen, daß Sie in der letzten Septemberwoche eine bessere Ausgangsbasis haben? Ich kann ja Ihre Nöte und Sorgen verstehen. Aber Sie müssen auch unsere Grundsatz-Haltung verstehen, daß das Rentenniveau Vorrang hat vor allen anderen Problemen, die noch so interessant sein mögen. Ich frage Sie weiter: wollen Sie mit Ihrer Mehrheit, d. h. mit Ihrer einen Stimme Mehrheit, Herr Kollege Schmidt ({2}) - dafür waren Sie ja bei dem Beschluß im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit verantwortlich -, auch bei der Fortsetzung der Beratungen sagen: die Rentenanpassung nicht jetzt, sondern hinten angehängt an das große Paket der Rentenreformvorschläge und -gesetze? Niemand aus den Regierungsparteien dieses Hauses kann bestreiten, daß in den zweieinhalb Jahren Ihrer Regierungstätigkeit Ereignisse eingetreten sind, deren Auswirkungen für die Rentner soeben der Kollege Franke und andere vor mir sehr deutlich dargestellt haben. Auch kann niemand bestreiten, daß die Rentenempfänger in unserem Lande zu keiner Zeit mit ihren Einkommen - mit ihren realen Einkommen - in vielen Fällen weit unter den Einkommen der Sozialhilfeempfänger gelegen haben. Wie ernst dieses Problem ist, haben wir hier wiederholt darstellen müssen. Darum muß ich erneut sagen, es ist für uns völlig unverständlich, wie die Sozialdemokratische Partei so tun kann, als gäbe es dieses Problem der Kostenexplosion nicht, und wie sie so tun kann, als ob nicht gerade die Rentenempfänger allein die Zeche einer verfehlten Politik bezahlen müssen! Da denke ich besonders an die vielen Witwen, die alleinstehenden Frauen, die getrennten Familien, die unvollständigen Familien, die heute mit einem Renteneinkommen auskommen müssen, das noch kaum 40 % des DurchschnittseinFrau Kalinke kommens aller Rentner erreicht. Und da wollen die SPD-Kollegen aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund zu ihrem Kongreß gehen und ein Rentenniveau von 75 % beschließen; sie sind aber nicht bereit, uns hier zu helfen, den Rentnern ab 1. Juli das zu geben, was ihnen zusteht. Ich bedauere es außerordentlich, daß wir immer wieder über diese Frage mit Ihnen streiten müssen. Wer den Rentnern wirklich helfen will - und darum geht es jetzt und um gar nichts anderes -, wer die Lebenssituation der älteren Menschen wirklich verbessern will, wer in den politischen Parteien und in der Regierung, wo immer er auch stehen mag, die Probleme dieses Hauses kennt, wer also in der Sozialpolitik in der kurzen Frist, die diesem Parlament bleibt, helfen will, der muß das heute tun. Damit aber hat das, was Sie hier vorgeführt haben, überhaupt nichts zu tun. Meine Herren Kollegen von der SPD, ob wir jetzt, in der ersten Juliwoche oder in der ersten Septemberwoche beraten: Sie haben die feste Absicht erklärt und das ist bisher nicht widerrufen worden -, das Rentenanpassungsgesetz, die Anhebung des Rentenniveaus, das Problem der Kleinstrenten nicht jetzt behandeln zu wollen, sondern zusammen mit Ihrem Reformprogramm. Sie beziehen sich dauernd auf eine finanzielle Situation. Meine Vorredner haben mehrfach deutlich gemacht, daß die finanzielle Lage der Rentenversicherungsträger von Ihnen doch nicht wegdiskutiert werden kann. Es ist auch nicht ganz ehrlich, wenn Sie hier immer so tun, als gebe es nicht auch einen Zusammenhang ganz anderer Art mit den Kriegsopferrenten. Die Mehrzahl aller Kriegerwitwen, deren Schicksal uns doch wohl gemeinsam am Herzen liegt, ist zugleich auch Bezieher von Renten der Arbeiter- und Angestelltenversicherung. Wenn man also nicht beides auf einmal tun kann, sollte man zuerst diese Renten erhöhen und dann die Kriegsopferrente folgen lassen. Wir würden der großen Zahl der Kriegsopfer, besonders den Witwen und den alleinstehenden Frauen, die nur die Grundrente in der Kriegsopferversorgung erhalten, helfen, wir würden auch denen, die wegen ihrer geringen Sozialversicherungsrente und wegen ihrer Familienverpflichtungen noch teilzeitbeschäftigt sein müssen - auch wenn das nicht zum Wohle ihrer Kinder ist -, hiermit schon jetzt entscheidend helfen und nicht erst ab 1. Januar, wobei andere Fragen und Zusammenhänge für sie selbstverständlich offenbleiben. Sie sagen, Sie wollen das Programm ändern! Wie und in welcher Richtung wollen Sie das tun? Wenn Sie das Anpassungsgesetz vorziehen und wenn Sie das im Ausschuß tun, wird das niemand mehr begrüßen als die Christlich-Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union. Aber lassen Sie hier doch endlich einmal durch einen Ihrer Redner sagen, ob Sie bestreiten können und bestreiten wollen, daß die Kostenexplosion besonders die Rentner, die Rentnerehepaare und die alleinstehenden Frauen trifft, die Ärmsten der Armen, von denen Sie immer wieder reden, die einen Anspruch darauf haben, daß Sie ihnen heute helfen. Wir betrachten es als ein Unglück, daß Menschen, die eine so geringe Rente haben, heute zum Sozialamt gehen müssen. Sie tun es oft nicht, obwohl sie einen Rechtsanspruch haben, weil sie Hemmungen haben, den ihnen zustehenden Anspruch anzumelden. Wir betrachten es als sehr tragisch, daß unendlich viele ältere Menschen, die ein ganzes Leben lang Beiträge gezahlt und auf die Versprechen bei der Rentenreform - unsere wie Ihre - gehofft haben, nun in eine Vertrauenskrise gegenüber der Regierung geraten müssen, der Regierung und all denen, die das Ziel der Rentenformel heute nicht mehr verwirklichen können und wollen. Muß es, ja darf es denn ein Unterschied sein, ob man auf einem Gewerkschaftskongreß von der Rentenhöhe und der Rentenformel spricht und entsprechende Beschlüsse faßt oder ob man hier spricht und dann eine andere Meinung vertritt? Sollte nicht die eine Meinung die andere ergänzen? Sollten wir nicht alle gemeinsam darum kämpfen, daß der Satz „Helft den Rentnern jetzt" das gemeinsame Anliegen in diesem Hause ist? Sie würden ja nicht einmal zu dem Zugeständnis bereit sein, auf das dauernde Bohren der Opposition in diesem Hause hin deutlich zu machen, was Ihre Prioritäten bedeuten. Auch wenn wir sehr aufgeschlossen für alle Probleme der Rentenreform sind, ist es den Rentnern einfach nicht möglich, die flexible Altersgrenze auszunutzen, sich für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf zu entscheiden, wenn Sie nicht vorher das Problem der Erhöhung des Rentenniveaus lösen. Es ist für meine Freunde ein dringendes und wichtiges Anliegen, daß Sie bereit sind, von allen Reforminitiativen, die diesem Hause vorliegen, wenigstens heute die zu verwirklichen, die nach der Priorität an der Reihe sind! Lösen Sie das Paket auf! Seien Sie bereit - wir werden Ihnen dabei helfen; wenn wir schon jetzt nicht beraten können, sondern erst im September -, die Rentenanpassung vorwegzunehmen, seien Sie bereit, den Rentnern das nicht als Wahlgeschenk anzubieten, sondern ihnen dies als Rechtsanspruch zu geben. Denn die Beitragserhöhung auf 18 %, meine Herren Kollegen von der SPD und FDP, ist mit der Notwendigkeit begründet worden, das Rentenniveau zu halten und die Finanzen der Rentenversicherung in Ordnung zu bringen. Diese Beitragserhöhung können Sie nicht verantworten, Sie können sie nicht in Kraft treten lassen, Sie dürfen sie gar nicht in Kraft treten lassen, wenn Sie nicht vorher den Auftrag des Gesetzgebers erfüllen und diese Mehrbeiträge zunächst dafür verwenden, wofür sie wirklich Vorrang haben: die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung zu erhalten und die Rentenreformversprechen zu erfüllen, worüber wir doch hoffentlich alle eine Vorstellung haben. Der Kollege Nölling hat hier das Problem der Krankenversicherung der Rentner angesprochen. Meine Kollegen sind schon darauf eingegangen und werden das auch weiter noch tun. Herr Kollege Dr. Nölling, das Problem der Reform der Krankenversicherung der Rentner muß diese Regierung lösen, wenn sie noch da ist, wenn sie es noch kann. Jede Regierung und jede Parlamentsgruppe in diesem Hause wird an dem Problem nicht vorbeikommen. Aber die Rentenpolitik dieser Regierung darf nicht ausschließen, daß man den ersten Schritt jetzt tut, wenngleich man den zweiten und den dritten Schritt vor einem anderen Hintergrund plant. Lassen Sie mich nach den seltsamen Behauptungen, die uns hier unterstellt worden sind, noch dies darlegen. Im Haushaltsausschuß - das hat mein Kollege Franke schon gesagt - haben Sie noch bis zum 30. September die Mehrheit. Im Ausschuß für Arbeit und Soziales haben Sie die Mehrheit auch noch bis zum 30. September. Nutzen Sie diese Ihre Mehrheit, um deutlich zu machen, was Sie wirklich wollen! Nutzen Sie diese Mehrheit, um deutlich zu machen, daß es Ihnen nicht nur um Versprechen, sondern auch um die Erfüllung Ihrer Versprechen geht! Wir haben bisher immer nur gelesen, was sozialdemokratische Kongresse über die Neuordnung Deutschlands und über den Vorrang der Aufgaben in der Rentenversicherung beschlossen haben. Ich kann - wenn der Herr Präsident es gestattet - nur immer wieder zitieren: Die Sozialdemokraten werden sich mit allen Mitteln gegen jeden Versuch wehren, durch irgendwelche Tricks die tatsächliche Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu vereiteln. Jetzt wehren wir uns mit allen Mitteln dagegen, daß Sie versuchen, durch irgendwelche Tricks von Ihrer Seite diese Anpassung jetzt und nicht erst übermorgen zu vereiteln. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}).

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein persönliches Wort als Berliner Abgeordneter an die Adresse des Kollegen Nölling. Herr Kollege Nölling, Sie haben im Zusammenhang mit einem Zuruf meines Kollegen Ruf, ({0}) wonach die Koalition bei der Abstimmung über die Geschäftsordnung nur mit den Stimmen der Berliner Abgeordneten die Mehrheit habe, die CDU/CSU sinngemäß aufgefordert, sich für das volle Stimmrecht der Berliner Abgeordneten einzusetzen. Herr Kollege Nölling, ich wage zu bezweifeln, daß ausgerechnet ein Angehöriger der Regierungskoalition, die die formelle Trennung Berlins vom Bund anerkannt hat, ({1}) das Recht hat, der CDU/CSU Mißachtung des Berliner Stimmrechts vorzuwerfen. Ich bedaure, die darin zum Ausdruck kommende Verdächtigung ({2}) und weise sie ausdrücklich zurück. ({3}) Da ich nun einmal hier bin, ({4}) ebenfalls noch ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Nölling in Ergänzung der Ausführungen meines Kollegen Franke. Sie sprachen von der Unwahrheit, die von uns bezüglich des Realeinkommens der Rentner verbreitet wird. Nun, Sie sagen auch nicht immer die Wahrheit, wenn Sie von der Erhöhung der Renten sprechen. Die Rückgewährung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner, der in den Jahren 1968 und 1969 einbehalten worden ist, ist doch nichts anderes ({5}) als die Rückgewährung der eigenen Beiträge, welche die Rentner damals gezahlt haben, und diese Beiträge wurden mit den Stimmen der SPD beschlossen. ({6}) Damit ist das Niveau gegenüber dem aktiven Einkommen in keiner Weise angehoben worden - diese Anhebung soll mit unserem Antrag erreicht werden -, obwohl die SPD seit 1958, seit der damals nicht erfolgten Anpassung, ständig gefordert hat, diese Anpassung an den letzten Lohn vorzunehmen. ({7}) Das, was die SPD in der Vergangenheit dazu gesagt hat, möchte ich mit zwei Beispielen belegen. Im „Sozialplan für Deutschland", einem auf Anregung des SPD-Vorstands von 1957 erstatteten Gutachten, setzten sich die Autoren dafür ein, daß die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % des aktuellen Arbeitseinkommens ausmachen sollen. Heute liegen sie bei 41 %. In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich betont, daß betriebliche Altersrenten außer Ansatz zu bleiben hätten, weil - so wörtlich - „die wirtschaftliche Sicherung der persönlichen Freiheitssphäre im Alter nicht durch die Einengung der persönlichen Freiheitssphäre während des aktiven Arbeitslebens erkauft werden darf". Lassen Sie mich der Kürze halber nur noch ein letztes Beispiel bringen. Auf dem Kongreß der SPD „Die Neuordnung Deutschland" am 14./15. Januar 1956 in Köln hielt der Bundestagsabgeordnete Professor Dr. Ernst Schellenberg das sozialpolitische Grundsatzreferat zum Thema „Unser Weg zur Sozialreform". In seinen Ausführungen zu Plänen, die ein Nachhinken der Rentenanpassung vorsahen, sagte er wörtlich: „Die Sozialdemokraten werden sich mit allen Mitteln gegen die Versuche wehren. durch irgendwelche Tricks die tatsächliche Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu vereiteln". Müller ({8}) Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD - ich kann auch die gesamte Koalition ansprechen -: Mit allen möglichen Geschäftsordnungstricks die halbe Nachholung der 1958 nicht vorgenommenen Anpassung mit Hilfe des Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes zu vereiteln, das scheint mir der Sinn und Zweck Ihres Verhaltens zu sein! ({9})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Damit ist die Aussprache über den Bericht gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung über den Stand der Beratungen des Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen geschlossen. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ({0}) - Drucksache VI/3012 - aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({2}) - Drucksachen VI/3508, zu VI/3508 - Berichterstatter: Abgeordneter Geiger ({3}) b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Krankenversicherung für Landwirte - Drucksache VI/970 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({4}) Drucksachen VI/3508, zu VI/3508 - Berichterstatter: Abgeordneter Geiger ({5}) c) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Krankenversicherung der Landwirte - Drucksache VI/2937 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({6}) - Drucksachen VI/3508, zu VI/3508 Berichterstatter: Abgeordneter Geiger ({7}) Ich frage zunächst, ob von den Herren Berichterstattern noch das Wort gewünscht wird. - Herr Kollege Geiger, bitte.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Geehrte Herren! Ich habe dem umfassenden Bericht des Ausschusses zu diesem großen sozialreformerischen Gesetz nichts mehr hinzuzufügen, darf allerdings um eine Ergänzung bitten. Im Zuge der Neugründung von Krankenkassen werden da und dort vielleicht Arbeitskräfte frei. Das gilt nicht nur für die Landkrankenkassen, sondern wahrscheinlich auch für die private Krankenversicherung. Im Zusammenhang mit § 88 hat sich der Ausschuß mit dieser Frage beschäftigt und die Bitte an die Nachfolgeorganisationen gerichtet, diese freiwerdenden Arbeitskräfte möglichst aufzunehmen. Das ist im Bericht erörtert, allerdings mit Ausnahme der freiwerdenden Arbeitskräfte aus der privaten Versicherung. Der Ausschuß möchte auf diesem Weg auch für diese Personengruppe sein Anliegen noch einmal vortragen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine allgemeine Aussprache ist erst in dritter Beratung vorgesehen. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe in der Ausschußfassung - Drucksache VI/3508 - auf den Ersten Abschnitt - §§ 1 bis 6 -, den Zweiten Abschnitt - §§ 7 bis 36 -, den Dritten Abschnitt -§§ 37 bis 47 -, den Vierten Abschnitt - §§ 48 bis 52 -, den Fünften Abschnitt - §§ 53 bis 65 -, den Sechsten Abschnitt - §§ 66 bis 69 -, den Siebenten Abschnitt - §§ 70 bis 74 -, den Achten Abschnitt - §§ 75 bis 77 e -, den Neunten Abschnitt - §§ 78 bis 99 - sowie Einleitung und Überschrift. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Zunächst hat Herr Bundesminister Arendt das Wort erbeten.

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf über die Krankenversicherung der Landwirte. Mit der Einführung der Krankenversicherung der Landwirte wird eine empfindliche Lücke in der sozialen und wirtschaftlichen Sicherung der Landwirtschaft geschlossen. Bisher sind viele Landwirte nur unzureichend oder überhaupt nicht für den Krankheitsfall gesichert. Dieses Manko kann zu schwerwiegenden, ja, zu katastrophalen Folgen führen. Hier wollen wir vorbeugen und Abhilfe schaffen. Durch die neue Krankenversicherung erhalten die selbständigen Landwirte, ihre Familienangehörigen und die Altenteiler einen umfassenden Krankenversicherungsschutz. Diese soziale Sicherung kommt rund 2,4 Millionen Menschen in der Landwirtschaft zugute. Durch die Einführung der Krankenversicherung wird das soziale Schutzsystem für die Landwirtschaft vervollständigt. Sie wird auch erheblich dazu beitragen, das bisherige Gesundheitsdefizit im länd11334 lichen Bereich zu beheben. Nicht zuletzt wird die neue Krankenversicherung die wirtschaftliche und soziale Lage der Landwirtschaft im allgemeinen, und der Altenteiler im besonderen, stark verbessern. Durch die Ausdehnung der sozialen Krankenversicherung auf die Landwirtschaft wird zum ersten Male eine große Gruppe von Selbständigen gesetzlich für den Krankheitsfall gesichert. Die freie wirtschaftliche Existenz der Landwirte wird dadurch nicht beeinträchtigt, sondern eher noch gestärkt. Mit der Einführung der Krankenversicherung für Landwirte, die Sie jetzt beschließen wollen, vollziehen wir einen weiteren wichtigen Schritt zum Ausbau unseres sozialen Sicherungssystems. Im Interesse der Menschen in der Landwirtschaft, die auf diesen Schutz warten, bitte ich um Ihre Zustimmung. Meine Damen und Herren, ein soziales Leistungsangebot für alle Bürger kann sich nicht rein schematisch in eingefahrenen Gleisen bewegen. Spezifische Verhältnisse erfordern besondere Regelungen. Aus diesem Grunde wird für die Krankenversicherung der Landwirte eine neue Leistungsart eingeführt: die Betriebs- und Haushaltshilfe. Sie tritt für die landwirtschaftlichen Unternehmer bei einem längeren Krankenhausaufenthalt an die Stelle des sonst in der Krankenversicherung üblichen Krankengeldes. Mit Krankengeld wäre dem Landwirt nicht gedient. Er braucht, wenn er selbst ausfällt, eine geschulte Kraft, die tatkräftig zupackt. Deshalb soll dem selbständigen Landwirt bei längerem Krankenhausaufenthalt eine Ersatzkraft gestellt oder bezahlt werden. Auch in einem zweiten Punkt wird nicht nach hergebrachten Modellen verfahren. Ich meine die organisatorischen und finanziellen Regelungen der landwirtschaftlichen Krankenversicherung. Für die soziale Sicherung der Landwirtschaft bestehen bereits landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften und Alterskassen. Sie sind eng miteinander verflochten. Es ist daher folgerichtig, die neuen landwirtschaftlichen Krankenkassen mit den bestehenden Sozialeinrichtungen zu koppeln. Wir erreichen dadurch in der Landwirtschaft sozusagen eine soziale Sicherung aus einer Hand. In der Finanzierung sind ebenfalls besondere Lösungen erforderlich. Der Bund übernimmt einen Teil der sozialen Lasten des Strukturwandels in der Landwirtschaft. Er finanziert die Krankenversicherung der Altenteiler. Diese Sonderregelung hat entscheidend dazu beigetragen, für die Landwirtschaft eine eigenständige Krankenversicherung vorzuschlagen. Ich halte diese Lösung für die zweckmäßigste. Bei der Errichtung der Krankenversicherung der Landwirte werden die bisherigen Landkrankenkassen mit den neuen landwirtschaftlichen Krankenkassen vereinigt. Die bisherigen Mitarbeiter der Landkrankenkassen werden von den neuen Kassen übernommen. Sie sind dadurch sozial abgesichtert. Für ihre gute Arbeit möchte ich an dieser Stelle den Selbstverwaltungsorganen und den Mitarbeitern der Landkrankenkassen herzlich danken. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einige Neuerungen hinweisen, die in dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte geregelt werden. Hierbei geht es um die Einführung des Scheckverfahrens in der Rentenversicherung, die Einführung einer Versicherungsnummer und eines Versichertenausweises in der Krankenversicherung und die Absicherung des Apothekenrabatts der Krankenkassen. Mit der gesetzlichen Absicherung des siebenprozentigen Apothekenrabatts der Krankenkassen in der Reichsversicherungsordnung wird endlich die bestehende Rechtsunsicherheit beendet. Einen entsprechenden Wunsch hat auch der Bundesrat geäußert. Die Neuregelung wird außerdem den Wünschen der Apothekerschaft gerecht. Durch das Scheckverfahren wurden unter anderem die Voraussetzungen für das individuelle Versichertenkonto in der Rentenversicherung geschaffen. Damit rückt der Kontoauszug, der den Versicherten regelmäßig über seine erworbenen Ansprüche in der Rentenversicherung informiert, ein gutes Stück näher. Die Einführung der Versicherungsnummer und des Versichertenausweises in der Krankenversicherung soll schließlich zu einer Rationalisierung und Modernisierung der Krankenversicherung führen. Der Versichertenausweis wird den herkömmlichen Krankenschein ablösen. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich feststellen: Bei dieser Reform bleibt der Persönlichkeitsbereich des Versicherten durch einen einwandfreien Datenschutz unangetastet. Ich begrüße es, daß auch dieses Hohe Haus eine entsprechende Entschließung fassen will. Meine eigenen Absichten werden dadurch bestärkt. Dafür danke ich Ihnen. Meinen besonderen Dank, meine Damen und Herren, möchte ich hiermit auch dem federführenden und den mitberatenden Ausschüssen für ihre Arbeit an diesem Gesetzentwurf aussprechen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte schließt dieses Hohe Haus heute eine Lücke in der sozialen Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Neben Unfallversicherung und Altershilfe tritt als dritte Säule eine eigenständige Krankenversicherung. Damit wird auch ein Hauptanliegen von Minister Ertl erfüllt, der in dieser Legislaturperiode auf dem wichtigen Sektor der sozialen Absicherung Parlamentarischer Staatssekretär Logemann unserer Bauernfamilien einen notwendigen Eckpfeiler setzen wollte. Der Entwurf trägt der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte Rechnung. Die soziale Existenz der Landwirtsfamilie wird heute nicht mehr allein durch den Betrieb gesichert. Die hohen Kosten einer nach modernen Grundsätzen durchgeführten Heilbehandlung können nicht mehr verkraftet werden, ohne die Substanz des Betriebes zu gefährden. Dieses Risiko verlagert das Gesetz vom einzelnen auf die Gemeinschaft aller Landwirte. Hierdurch wird vor allem dem wirtschaftlich schwächeren Landwirt voller Krankenversicherungsschutz zu einem seiner finanzielen Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitrag gewährt. Der Wunsch der Landwirte nach sozialer Parität, nach einem anderen Bevölkerungsgruppen vergleichbaren Lebensstandard, wird durch dieses Gesetz seiner Erfüllung näher gebracht. In Zukunft werden die Landwirte - wie die Mehrzahl der Bürger der Bundesrepublik Deutschland - den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung genießen. Ihre ärztliche Versorgung wird nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung sichergestellt. Die Zeiten, in denen der Bauer aus Furcht vor den Kosten den Gang zum Arzt scheute, gehören nun der Vergangenheit an. Zu dieser allgemeinen Krankheitssicherung tritt eine besondere Leistung: Die Bereitstellung einer Betriebs- oder Haushaltshilfe bei längerer Arbeitsunfähigkeit des Bauern oder der Bäuerin infolge Krankheit. Die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe wird heute als Ein- oder allenfalls als Zweimannbetrieb geführt. Der Ausfall der Arbeitskraft des Landwirts durch Krankheit kann zum Ruin des Hofes führen. Erstmals in der Geschichte der deutschen Krankenversicherung wird daher den landwirtschaftlichen Krankenkassen bei längerer Krankheit des Landwirts die Gestellung einer Ersatzkraft zur Pflicht gemacht. Von wesentlicher sozialpolitischer, aber auch einkommens- und strukturpolitischer Bedeutung ist die Regelung, die mit diesem Gesetz für die Altenteiler gefunden worden ist. Sie werden kostenfrei gegen Krankheit versichert; der Bund trägt diese Kosten. Der Hofnachfolger ist mit diesen Ausgaben nicht mehr belastet. Die Einkommenslage der wirtschaftenden Generation wird mittelbar also verbessert. Zugleich wird der Anpassungs- und Umstrukturierungsprozeß unserer Landwirtschaft durch die Krankenversicherung der Landwirte sozialpolitisch weiter gesichert. Neben die Landabgaberente tritt die kostenfreie Krankenversicherung. Kein älterer Bewirtschafter eines unrentablen Kleinbetriebes ist daher in Zukunft aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, seinen Hof bis ins hohe Alter weiterzuführen. Entwicklungsfähige Betriebe erhalten dadurch eine Chance, ihre Flächenausstattung durch Zupachtung oder Zuerwerb zu verbessern. Der Ausbau der sozialen Sicherung älterer ehemaliger Landwirte führt so zu einer besseren Verteilung des Produktionsfaktors Boden und damit zu einer Verbesserung der Agrarstruktur der Bundesrepublik. Für die deutsche Landwirtschaft ist mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein wesentlicher Schritt zu einer Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik getan. Zugleich wird der Anschluß an die sozialpolitische Entwicklung innerhalb der europäischen Gemeinschaft erreicht. Die Bundesregierung darf es sich zum Verdienst rechnen, als erste die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung für die Landwirte erkannt und in die Tat umgesetzt zu haben. Sie begrüßt es, daß dieses Anliegen heute die Zustimmung dieses Hohen Hauses finden wird. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Struve hat das Wort. ({0}) - Zur dritten Lesung. - Dann kommen die Herren Kollegen Frehsee und Peters.

Detlef Struve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002279, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU gebe ich zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, der die Krankenversicherung der Landwirte regelt, folgende Erklärung ab. Der vorliegende Gesetzentwurf schließt eine entscheidende Lücke in der agrarsozialen Gesetzgebung. Wir begrüßen das. Schon im Jahre 1968 hatte der Landwirtschaftsminister einer von der CDU/CSU geführten Bundesregierung in seinem Agrarprogramm den entscheidenden gedanklichen Anstoß zu einer Krankenversicherungsregelung für Landwirte gegeben. Im Jahre 1970 hatte die Fraktion der CDU/CSU schon lange vor der Bundesregierung - einen Gesetzentwurf zu dieser für die Landwirte wichtigen Frage in den Gesetzgebungsgang eingebracht. Seine Beratung ist von den Regierungsparteien blockiert worden. So ist leider wertvolle Zeit verlorengegangen. Der von der Bundesregierung vorgelegte und jetzt zu behandelnde Entwurf ist teilweise leidenschaftlich diskutiert worden. Zwischen der Landwirtschaft und den Fraktionen dieses Hauses bestand von Anfang an Einmütigkeit darüber, daß die Altersgeldberechtigten beitragsfrei gegen Krankheit versichert werden müssen. Diese von allen Fraktionen begrüßte Regelung kann als Kernstück des Gesetzentwurfs jetzt Wirklichkeit werden. Umstritten war und ist allein die Trägerschaft der neuen Krankenversicherung. Die CDU/CSU-Fraktion hätte es lieber gesehen, wenn als Träger der Krankenversicherung die Krankenkassen nach der Reichsversicherungsordnung gewählt worden wären. ({0}) Sie hält es nicht für richtig, bei dem anhaltenden Strukturwandel in der Landwirtschaft die Landwirte in einer ausschließlich für sie geschaffenen Krankenversicherung zu versichern. ({1}) Auch wegen des ungünstigen Altersaufbaus der Versicherten dürfte eine berufsständische Krankenversicherung wegen des damit verbundenen schlechten Risikoausgleichs schon in naher Zukunft für die aktiven Landwirte unverhältnismäßig teuer werden. Ein weiterer Grund, der die CDU/CSU-Fraktion veranlaßt hat, gegen eine berufsständische Trägerschaft zu plädieren, ist folgender: Mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Lösung werden die Landwirte sozialpolitisch isoliert, statt weiter in das allgemeine soziale Sicherungssystem integriert zu werden. ({2}) Die berufsständische Lösung folgt auch nicht den in der Praxis heute schon weithin geregelten Versicherungsbeziehungen. Die Mehrzahl der Landwirte ist bereits freiwillig in den gesetzlichen Krankenversicherungen versichert. ({3}) Durch die neue Regelung wird ein seit langem bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen Versicherern und Versicherten zerstört. Auf freier Entscheidung beruhende Vertragsverhältnisse werden nunmehr abrupt abgebrochen. Die CDU/CSU-Fraktion hätte es daher begrüßt, wenn die Bauern in den Versicherungen hätten bleiben können, in denen sie teilweise über Jahrzehnte hinweg zu ihrer Zufriedenheit versichert sind. ({4}) Diese wenigen vorgetragenen Bedenken sind uns in vielen Diskussionen mit den Bauern und auch in einer großen Zahl von Zuschriften immer wieder bestätigt worden. Die Diskussion über die Umstellung der Trägerschaft bei der Krankenversicherung ist in der breiten Praxis auch noch Verabschiedung des Gesetzes nicht beendet. Ich möchte hier jedoch anmerken, daß sich die Bedenken der CDU/CSU-Fraktion bezüglich der Trägerschaft nicht gegen die landwirtschaftliche Alterskasse und nicht gegen die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften richten, denen die neue Krankenversicherung angeschlossen werden soll. ({5}) Obwohl Bedenken der CDU/CSU-Fraktion in den Beratungen nicht berücksichtigt worden sind, stimmt sie dem Gesetzentwurf zu. Sie tut es, um den mit dem Gesetz verbundenen Fortschritt für die Altersgeldberechtigten in der Landwirtschaft zu sichern. Leider tritt das Gesetz erst am 1. Oktober 1972 in Kraft. Von der Bundesregierung war mehrfach als Termin für das Inkrafttreten der 1. Januar 1972 und später der 1. Juli 1972 genannt worden. Entgegen Verlautbarungen und Stimmen in der Öffentlichkeit stellt die CDU/CSU-Fraktion fest, daß sie das verspätete Inkrafttreten des Gesetzes nicht zu verantworten hat. ({6}) Hierfür sind vielmehr die verspätete Vorlage des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung und finanzielle Schwierigkeiten beim Aufbau der neuen Krankenkassenorganisation verantwortlich zu machen. Die CDU/CSU-Fraktion kann auch nicht darauf verzichten, darauf zu verweisen, daß die für die Altersgeldberechtigten entstehenden Kosten bereits heute, zum Teil 1973 und in noch stärkerem Umfang ab 1974 aus dem degressiv gestalteten Aufwertungsausgleich aufgebracht werden. Die Landwirtschaft finanziert also über infolge der Aufwertung 1969 gesunkene Agrarpreise dieses Kernstück der Agrarsozialpolitik zu einem großen Teil selbst. ({7})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD teilt die Befürchtungen und Bedenken, die soeben von dem Herrn Kollegen Struve, dem Sprecher der Opposition, geäußert wurden, nicht. Sie begrüßt dieses Gesetz, das ihren agrarpolitischen Vorstellungen in vollem Umfange entspricht. Daß die CDU/CSU-Fraktion diesem wichtigen Reformwerk nach dem anfänglich sehr heftigen, im Laufe der Zeit dann immer geringer werdenden Widerstand nunmehr zuzustimmen beabsichtigt, ist bemerkenswert. Ihr Weg von der Ablehnung der Aufnahme der Sozialpolitik in den Katalog der Mittel des Landwirtschaftsgesetzes von 1955 über den eben zitierten Antrag auf einen Krankenversicherungsschutz nur für Altenteiler und auf Erweiterung der Versicherungsberechtigung nach § 176 der Reichsversicherungsordnung sowie - ein Jahr später - über den Antrag auf Einführung einer Pflichtversicherung bei den RVO-Kassen bis zur heutigen Übernahme dieser sozialdemokratischen Konzeption, wie sie diesem nun zur Verabschiedung vorliegenden Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte zugrunde liegt, war weit. Insofern, Herr Kollege Struve, weise ich den Vorwurf zurück, daß wir Ihren Entwurf von 1970 blockiert hätten. Ist es nicht geradezu ein Glücksfall, daß wir ihn ein Jahr liegengelassen haben?! ({0}) Diese Kodifizierung des embryonalen Stadiums der Überlegungen Ihrer Fraktion hinsichtlich einer Krankenversicherung für Landwirte! ({1}) Es verdient festgehalten zu werden, meine Damen und Herren, daß diese Konzeption die volle Zustimmung des Deutschen Bauernverbandes und damit der von dem Gesetz Betroffenen gefunden hat und daß die Vorschläge der CDU/CSU vom Deutschen Bauernverband abgelehnt worden sind. ({2}) Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - I - Es verdient festgehalten zu werden. ({3}) - Sicher, sicher! Es verdient ja nur festgehalten zu werden. Erlauben Sie mir diese Bemerkung. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, stellt nun den letzten großen Baustein in einem geschlossenen System einer umfassenden sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen und ihrer mithelfenden Familienangehörigen dar, wie wir es nicht erst seit 1968 fordern, wie Sie es aus dem Munde von Vertretern der Fraktion der SPD schon sehr lange hier hören und wie es im landwirtschaftlichen Sozialplan der SPD von 1963 entwickelt worden ist. Während die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer - und ich hörte vorhin irgendeinen die Landarbeiter betreffenden Zwischenruf, ohne ihn akustisch genau verstanden zu haben - in der Sozialversicherung voll mit den gewerblichen Arbeitnehmern gleichgestellt werden - und sie wollen Gleichstellung, nichts Besonderes , erhalten die Landwirte und ihre mithelfenden Familienangehörigen nunmehr ein eigenes, auf die besonderen Bedürfnisse - die ja doch vorhanden sind und die niemand bestreitet - bäuerlichen Wirtschaftens abgestelltes System der sozialen Sicherung, das nicht im Gegensatz zu diesem Bilde des „freien Bauern auf freier Scholle" steht, sondern das es sozial absichert. ({4}) Das Gesetz wird auch den Notwendigkeiten gerecht, die mit dem ungewöhnlichen Strukturwandel in der Landwirtschaft verbunden sind. Es nimmt den landwirtschaftlichen Betrieben die Krankheitskosten der aus den Betrieben ausgeschiedenen älteren Generation ab. Der Bund wird dafür im nächsten Jahr 390 Millionen DM aufbringen. Von Ausgaben in einer solchen Größenordnung wird die Landwirtschaft befreit. Der Anteil der Einnahmen aus Sozialleistungen an den Gesamteinnahmen der Landwirtschaft wird auf 9 bis 10 e/o steigen, und eine der Wettbewerbsverzerrungen zur französischen Landwirtschaft wird erheblich verringert. Wir begrüßen auch die von den Ausschüssen vorgenommene Erweiterung der Regierungsvorlage hinsichtlich des versicherten Personenkreises, insbesondere die Einbeziehung der mitarbeitenden Familienangehörigen, die Arbeitsverträge haben. Damit wird ein häufiger Wechsel zwischen den RVO-Kassen und den landwirtschaftlichen Krankenkassen, wie er bei den Hofnachfolgern eintreten würde, vermieden. Damit wird eine Versicherung aus einem Guß oder, wie Herr Bundesminister Arendt gesagt hat, aus einer Hand geschaffen, und es wird damit auch das Gesamtrisiko vermindert. Von den Befreiungsmöglichkeiten, die das Gesetz vorsieht, wird hoffentlich nur in geringem Maße Gebrauch gemacht werden, nachdem sich die bittere Reue derer herumgesprochen hat, die sich seinerzeit von der Altershilfe der Landwirte befreien ließen und die uns nun händeringend bestürmen, sie jetzt doch nachträglich gnädigst aufzunehmen. ({5}) Eine noch stärkere Zusammenfassung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften mit den landwirtschaftlichen Alterskassen und den neuen landwirtschaftlichen Krankenkassen, als sie dieses Gesetz vorsieht, ist keineswegs ausgeschlossen! Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und die Alterskassen haben jetzt eine neue große Aufgabe. Wir sind sicher, daß sie sie mit der gleichen Entschlossenheit und ebenso erfolgreich lösen werden wie andere ihnen seit ihrem Bestehen zugewiesene Aufgaben. Die Fraktion der SPD wird diesem Gesetz, das eine Reform auf dem Gebiet der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft Tätigen vollendet, das einen zweiten und großen Schritt in dieser Legislaturperiode bei der Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung darstellt nach dem Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetz -, das zum erstenmal in Deutschland eine Pflichtkrankenversicherung für eine große Selbständigengruppe einführt, das auch allgemein-sozialpolitisch also ein echtes Reformgesetz darstellt, zustimmen. Die Fraktion der SPD wird auch - wenn ich das gleich sagen darf, Herr Präsident - dem Entschließungsantrag auf Umdruck 300 zustimmen, der interfraktionell eingebracht worden ist und des'. den Persönlichkeitsschutz der Krankenversicherten sichern soll, die, nachdem § 319 RVO in diesem Gesetz allgemeinverbindlich geändert werden wird, Versichertenausweise und Versichertennummern erhalten werden. Beiden Vorlagen wird die Fraktion der SPD zustimmen. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters ({0}).

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß nach langem und oft beschwerlichem Weg mit dem vorliegenden Gesetzentwurf über die Krankenversicherung der Landwirte eine Grundlage gefunden wurde, die die Zustimmung einer breiten Mehrheit sowohl in der Landwirtschaft als auch in diesem Hause findet. Ausgangssituation für die Überlegungen war die häufig unzureichende Sicherung vor allem der Altenteiler im Krankheitsfalle. Die Diskussion der verschiedensten Vorschläge hat gezeigt, daß unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten - Strukturwandel, Versorgung der Altenteiler, notwendige Zusammenarbeit in der Altershilfe, der Unfallversicherung und der Krankenversicherung - die vorgeschlagene Lösung den bestmöglichen Weg darstellt. Auf die Vorstellungen und Wünsche des Deutschen Bauernverbandes ist weitgehend eingegangen worden. Bei den unterschiedlichen Ausgangspositionen ist es nicht verwunderlich, daß man für den vorliegenden Gesetzentwurf Kompromisse gefunden hat. Wir Peters ({0}) Freien Demokraten glauben, daß dabei Wege beschritten worden sind, die auch von denjenigen akzeptiert werden können, die zunächst andere Vorstellungen und Vorschläge hatten. Einerseits sind alternative Möglichkeiten der Vorsorge gegenüber dem Risiko Krankeit enthalten. Andererseits ist auch die Funktionsfähigkeit der eigenständigen berufsständischen Krankenversicherung in jedem Falle gewährleistet. Diese Form bietet am ehesten die Möglichkeit, die Leistungen auf die besonderen Gegebenheit der Landwirtschaft auszurichten. Ich denke dabei z. B. an die Betriebshilfe und an die Haushaltshilfe in besonderen Krankheitsfällen, speziell auch bei einem längerfristigen Krankenhausaufenthalt. Mit der klaren Trennung der Finanzierung - volle Kostenübernahme für die Leistungen für die Altenteiler durch den Bund und volle Finanzierung der übrigen Leistungen durch Beiträge - ist den verantwortlichen Selbstverwaltungskörperschaften die Richtschnur für Ihre Entscheidungen vorgegeben. Wir wissen, daß der Gesundheitszustand nicht nur generell auf dem Lande, sondern auch speziell in der Landwirtschaft schlechter ist als in der städtischen Bevölkerung, obwohl häufig das Gegenteil vermutet wird. Dieses Gesetz bietet nicht nur Möglichkeiten zu einer wesentlich umfassenderen Vorsorge, sondern ermöglicht auch eine rechtzeitige Inanspruchnahme ärztlicher und sonstiger Leistungen im Krankheitsfall. Wir Freien Demokraten hoffen, auf diesem Wege einen Beitrag für bessere Lebensbedingungen und Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft leisten zu können. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ist im berufsständischen Rahmen die Gelegenheit zur bestmöglichen Zusammenarbeit von Unfallversicherung, Alterskassen und Krankenversicherung unter einem Dach geboten. Wir bauen darauf, daß das Prinzip der Selbstverwaltung mit der Verantwortlichkeit der Versicherten in den Selbstverwaltungsorganen zu einem Höchstmaß an Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit für die Landwirtschaft führt. Die Fraktion der FDP begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause. Trotzdem ist die verspätete Beschlußfassung infolge der parlamentarischen Verzögerung durch die Opposition bedauerlich, ({1}) weil das Gesetz nicht mehr zum 1. Juli, sondern erst zum 1. Oktober 1972 in Kraft gesetzt werden kann. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten wird diesem Gesetz zustimmen. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache in der dritten Beratung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Bei drei Stimmenthaltungen ist das Gesetz mit sehr großer Mehrheit angenommen. Wir kommen noch zur Beschlußfassung über den Antrag des Ausschusses unter Ziffern 2 und 3. Herr Kollege Ritz, ich kann darüber wohl geschlossen abstimmen lassen. ({0}) Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 300 *) zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist Punkt 3 abgeschlossen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - Drucksache VI/3463 - aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3583 -Berichterstatter: Abgeordneter Krampe bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({2}) - Drucksache VI/3562 Berichterstatter: Abgeordneter Berberich ({3}) b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - Drucksache VI/ 1933 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({4}) - Drucksache VI/3562 -Berichterstatter: Abgeordneter Berberich ({5}) Ich darf zunächst den Herrn Berichterstatter fragen, ob er das Wort begehrt. - Herr Abgeordneter Berberich!

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als Berichterstatter noch eine kurze Ergänzung des Berichts geben. Der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung waren sich in ihren Beratungen darüber einig, daß noch eine Reihe von Fragen der Altershilfe nach Ablauf der Übergangs- *) Siehe Anlage 2 zeit am 1. Oktober 1972 gelöst werden müssen. Sie haben diese Fragen im Einvernehmen aller Parteien zurückgestellt, um die vordringlichsten Probleme noch vor der Sommerpause lösen zu können. Aus diesem Grunde wurden auch die eingegangenen Anträge und Petitionen nicht behandelt und - Sie ersehen das aus dem Ausschußbericht - auch nicht für erledigt erklärt. Alle Beteiligten sind sich darüber im klaren, daß nach dem 1. Oktober eine erneute Novellierung notwendig sein wird, um die noch ausstehenden Fragen lösen zu können. Unter dieser Einschränkung darf ich das Hohe Haus bitten, dem Antrag des Ausschusses - Drucksache VI/3562 - zuzustimmen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke Ihnen, Herr Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1, Art. 2 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Wir treten in die dritte Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Horstmeier.

Martin Horstmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der CDU/CSU möchte ich zu dem Gesetzentwurf folgende Erklärung abgeben. Die Opposition begrüßt grundsätzlich den vorliegenden Entwurf, weil er eine Anhebung der Leistungen beinhaltet und damit endlich eine alte, berechtigte Forderung der CDU/CSU und der berufsständischen Organisationen der Landwirtschaft nach mehrmaliger Ablehnung durch die Regierung wenigstens teilweise realisiert werden soll. Die CDU/CSU-Fraktion wird daher dem Gesetz zustimmen. Das hindert uns aber nicht, sowohl den Gesetzentwurf als auch seine Entstehungsgeschichte ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Die letzte Anhebung der Altershilfe fand am 1. April 1969 noch unter der Regierungsverantwortung der Großen Koalition statt. Leider konnten die Leistungen nicht, wie von der CDU/CSU-Fraktion im Frühjahr 1969 in Berlin gefordert, auf 200 DM für Verheiratete und 135 DM für Alleinstehende, sondern lediglich auf 175 DM bzw. 115 DM angehoben werden, weil der Widerstand zur damaligen Zeit nicht zu überwinden war. Inzwischen sind unter der jetzigen Regierungsverantwortung auf Grund der - das darf man wohl sagen - inflationären Entwicklung die Lebenshaltungskosten jährlich um über 5% gestiegen. Die allgemeinen Renten wurden seitdem dreimal erhöht. Wenn auch - wir haben diese Problematik ja heute morgen gerade behandelt - für unsere Rentner bedauerlicherweise durch die Anhebungen keine erheblichen Verbesserungen erfolgten, so konnten doch die Kaufkraftverluste wenigstens zum Teil aufgefangen werden. Nicht so dagegen in der Landwirtschaft. Sie ist der besonders Leidtragende der inflationären Entwicklung, insbesondere sind es hier aber wiederum die Altenteiler. Sie mußten nicht nur eine drastische Kaufkraftverschlechterung ihrer Altershilfe während der letzten zweineinhalb Jahre hinnehmen, hinzu kommt nämlich noch die existenzbedrohende Lage zahlreicher bäuerlicher Betriebe vor allem durch die Kostensteigerungen. Infolgedessen konnten die Inflationsverluste nicht durch größere Eigenleistungen der Betriebe, wie das in anderen Bereichen vielleicht der Fall sein mag, ausgeglichen werden. Die Fraktion der CDU/CSU ist grundsätzlich der Meinung: je schlechter die Rentabilitätslage eines Wirtschaftsbereiches ist, desto geringer ist auch die Möglichkeit, die soziale Sicherung aus eigener Kraft zu bewerkstelligen. Wir haben aus diesem Grund in dieser Legislaturperiode mehrfach eine Erhöhung der Altershilfe vorgeschlagen. Dabei haben wir es uns nicht leicht gemacht, sondern, wie es sich für eine Opposition gehört, finanzielle Deckungsvorschläge unterbreitet. Dennoch ist unser Antrag einmal am 20. Januar 1970 und dann noch einmal am 9. März 1971 von der Regierungskoalition abgelehnt worden, die die Mehrheit hatte. Wenn man die von der Bundesregierung herausgegebene Werbe- oder Aufklärungsbroschüre „Das System der sozialen Sicherung für die deutsche Landwirtschaft" zur Hand nimmt, in der betont wird, die Bundesregierung habe die Erhöhung des Altersgeldes für die deutsche Landwirtschaft, durchgesetzt, so muß ich sagen: das klingt fast, mit Verlaub gesagt, wie ein Witz. Denn wir müssen hier fragen: gegen wen sind diese Erhöhungen durchgesetzt worden? Gegen die CDU/CSU doch sicherlich nicht. Gegen die eigene Regierungskoalition? Das wissen wir nicht. Bei uns jedenfalls hätten Sie bei dieser Maßnahme schon lange offene Türen eingerannt. ({0}) Die zwischenzeitliche Verbesserung der Landabgaberente ist zwar begrüßenswert. Das wollen wir gern feststellen. Im Hinblick auf die schwierige Lage der 547 000 bäuerlichen Altenteiler hätte jedoch ebenso etwas für diese Menschen getan werden müssen. Denn es geht nicht an, daß man nur den externen Strukturwandel stützt. Man muß auch etwas tun für den internen Strukturwandel, wenn die Wirtschaftskraft dieses Bereiches zurückgeht. ({1}) Darüber hinaus bedauern wir es sehr, daß die nötigen strukturellen Verbesserungen, wie sie hier eben vom Berichterstatter dargelegt worden sind, aus Zeitnot nicht mehr zum Tragen kommen konnten, weil diese Novelle von der Regierung zu spät vorgelegt worden ist. Außerdem hatten wir nach den großen Ankündigungen zur Dynamisierung der Altershilfe und auch bezüglich der Staffelung der Leistungen nach Beitragsjahren durch die Regierung erwartet, daß diese Absichtserklärung bereits ihren Niederschlag im vorliegenden Gesetzentwurf gefunden hätte. Mit dem Hinweis des Herrn Bundeskanzlers Brandt in der Regierungserklärung von 1969, daß die Landwirtschaft in vollem Umfang an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben solle, ist es einfach nicht getan. Es müssen Taten folgen. Schließlich sind wir auch der Meinung, daß über eine mögliche Witwenrente nachgedacht werden müßte; denn hier haben sich in der Praxis sehr viele Härtefälle gezeigt. ({2}) Alles in allem, der Gesetzentwurf kommt nicht nur reichlich verspätet, er enthält darüber hinaus nach wie vor strukturelle Mängel und erfüllt längst nicht die durch Versprechungen der Regierung hochgesteckten Erwartungen der Landwirtschaft. Die CDU/CSU wird nicht locker lassen, sie wird sich wie bisher weiterhin mit aller Kraft für den Ausbau und für strukturelle Verbesserungen der Altershilfe einsetzen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schonhofen.

Friedrich Schonhofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002064, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zur dritten Lesung der sechsten Novelle zu dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte für die sozialdemokratische Fraktion folgendes erklären. Erstens. Wir haben Verständnis dafür, daß, wie das in den Ausführungen des Herrn Kollegen Horstmeier noch einmal deutlich wurde, die CDU/CSU sich immer noch auf der Flucht vor der eigenen Vergangenheit, insbesondere auf agrarsozialem Gebiet, befindet. ({0}) Die sozialdemokratische Fraktion hat alles darangesetzt, den Entwurf zur Erhöhung des Altersgeldes und der Landabgaberente so weit voranzutreiben, daß wir heute die Erwartungen unserer bäuerlichen Mitbürger erfüllen und das Gesetz verabschieden können. Mit Genugtuung stellen wir dabei fest, daß sich die Opposition den Sachzwängen beugt und dem Entwurf der Bundesregierung folgen wird. ({1}) In der Tat, es geht hier nicht um politische Spiegelfechterei, sondern um die soziale Notwendigkeit, den Zustand einer gesetzesfreien Zeit zu verhindern, einer gesetzesfreien Zeit zu verhindern, ({2}) nachdem die Übergangszeit am 30. September dieses Jahres ausläuft. Dem trägt das Gesetz Rechnung, wenn es mit Wirkung vom 1. Oktober dieses Jahres in Kraft tritt. Zweitens. Die Bundesregierung und die sozialliberale Koalition haben mit diesem Gesetz einen weiteren bedeutenden Beitrag zu sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen und ebenso einen Beitrag zur Verbesserung ihres Einkommens geleistet. Das Altersgeld wird um 37 % auf 240 DM monatlich für Ehepaare und auf 160 DM monatlich für Alleinstehende erhöht und damit auf das Vierfache jenes Betrages angehoben, mit dem das landwirtschaftliche Altersgeld vor fünfzehn Jahren - im Jahre 1957 - eingeführt wurde. Gestatten Sie mir, noch darauf hinzuweisen, daß demgegenüber die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der bevorstehenden Erhöhungen für das Jahr 1973 seit 1957 von 100 um 180 auf 280 % gestiegen sind. Vergleicht man diese Zahlen miteinander, so wird deutlich, daß die Bundesregierung mit ihrer politischen Absicht, die Altershilfe in eine angemessene Alterssicherung umzugestalten, auf dem besten Wege ist. Drittens. Das vorliegende Gesetz fügt sich nahtlos in die erwünschten sozial- und gesellschaftspolitischen Wirkungen der Agrarsozialpolitik ein und wird die Wirkungen angesichts der spürbaren Leistungsverbesserungen wesentlich verstärken. Viertens. Die strukturpolitische Bedeutung dieses Gesetzes muß gesehen werden im Zusammenhang mit der Erhöhung der Landabgaberente und der Verlängerung der Antragsfrist um zwei Jahre. Das Ausscheiden nicht entwicklungsfähiger Betriebe und das Begründen neuer Lebensgrundlagen außerhalb der Landwirtschaft werden durch dieses Gesetz so erleichtert, daß wir eine weitere Verbesserung der Agrarstruktur und eine zunehmende Festigung der sozialen Lage dieser betroffenen Menschen voraussagen können. Die Bundesregierung hat einmal mehr bewiesen, daß sie bereit und in der Lage ist, soziale Akzente zu setzen und sie fortzuentwickeln. Fünftens. Wir stellen fest, daß mit der Verabschiedung dieser Novelle zum Altershilfegesetz das agrarsoziale Programm dieser Bundesregierung zwar noch nicht voll erfüllt ist, aber die Bundesregierung und diese Koalition haben noch nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie ihre gesetzten Ziele Schritt für Schritt erreichen werden. Diese Probleme, die noch ausstehen, bleiben auf dem Tisch und werden nach der notwendigen gründlichen Vorbereitung zur gegebenen Zeit von uns aufgegriffen. Alles in allem begrüßt die sozialdemokratische Fraktion diese Vorlage der Bundesregierung als einen wichtigen Baustein für den Ausbau des agrarsozialen Bereichs und sieht ihre Aussage bestätigt - auch mit dem Blick auf die soeben erfolgte Verabschiedung des bedeutungsvollen Gesetzes über eine Krankenversicherung für Landwirte -, daß das Jahr 1972 zweifellos ein Höhepunkt in der Entwicklung einer der bäuerlichen Bevölkerung angemessenen Agrarsozialpolitik ist und von daher eine Bedeutung erlangt, die weit über die der vergangenen Jahre hinausgeht. Die sozialdemokratische Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der FDP gebe ich folgende Erklärung ab. Die Altershilfe für die Landwirte hatte bei ihrer Einführung im wesentlichen zwei Ziele: die Förderung der Hofübergabe und eine gewisse Versorgung der abgebenden alten Landwirte mit Bargeld neben den allgemein üblichen Sachleistungen. Auch im Laufe von zahlreichen Änderungen und Ergänzungen waren strukturpolitische Zielsetzungen maßgebend. Wir alle müssen aber klar erkennen, daß langfristig eine finanziell ausreichende Altersgrundsicherung gleichrangig neben die strukturpolitischen Ziele treten muß. Wir können schon heute nicht mehr davon ausgehen, daß neben den Leistungen der Altershilfe im allgemeinen ausreichende Sachleistungen für die Altersversorgung vorhanden sind. Der vorliegende Gesetzentwurf versucht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Auf der Grundlage des Regierungsentwurfs sind daher im wesentlichen folgende Leistungsverbesserungen vorgenomen worden: eine Erhöhung des Altersgeldes und des vorzeitigen Altersgeldes für den verheirateten Berechtigten auf 240 DM und für den unverheirateten Berechtigten auf 160 DM monatlich und eine Erhöhung der Landabgaberente - was bedeutet, daß die Bundeszuschüsse eine Erhöhung von 790 Millionen DM im Jahre 1972 auf 1,035 Milliarden DM im Jahre 1973 herbeiführen werden. Wir Freien Demokraten bedauern - angesichts einer Tatsache, die einen politischen Hintergrund hat -, daß die Beratungen dieses Gesetzes so vonstatten gehen mußten, daß es nicht möglich war, die von uns geforderte Dynamisierung und Staffelung des Altersgeldes mit einzubringen. Das hat aber letzten Endes, wie ich schon ausgeführt habe, einen politischen Hintergrund, für den wir nicht verantwortlich sind. ({0}) Gleichzeitig stellen wir als Freie Demokraten fest, daß, wenn die Opposition davon spricht, hier mehrmals einen Antrag auf Erhöhung des Altersgeldes eingebracht zu haben, ({1}) hier der Ehrlichkeit halber festgestellt werden muß, daß zumindest bei der letzten Entscheidung vom 9. März 1971 die im Etat vorhandenen 480 Millionen DM nur einmal - zu diesem Zeitpunkt entweder für die Erhöhung des Altersgeldes oder als direkte Abführung an die Landwirtschaft - ausgegeben werden konnten, wie es der Wunsch des Deutschen Bauernverbandes war, dem wir hier entsprochen haben. Da am 30. September dieses Jahres die Übergangszeit für die Einführung der Altershilfe abläuft, ergeben sich auch daraus einige Änderungen. Daß diese Leistungsverbesserungen nicht nur bei den einzelnen Begünstigten erheblich zu Buche schlagen, sondern auch beim Bund, ergibt sich aus den soeben geschilderten Zahlen. Diese Maßnahmen sind im Zusammenhang mit dem starken Wandlungsprozeß zu sehen, in dem sich die deutsche Landwirtschaft seit vielen Jahren befindet. Dabei gilt es, nicht nur dem aus der Landwirtschaft ausscheidenden Teil der Bevölkerung einen sozialen Abstieg zu ersparen, sondern insbesondere dem verbleibenden Teil einen sozialen Schutz vor den Wechselfällen des Lebens und dem Alter zu gewähren. Nachdem es lange so ausgesehen hat, als müßte der Weg zusätzlicher und besserer Sozialleistungen für die Landwirtschaft schon deshalb beschritten werden, weil im Rahmen der EWG nur auf diesem Wege indirekte Einkommensverbesserungen für die Landwirte zu erzielen seien, ist es Bundesminister Ertl zu unserer Freude gelungen, auch direkte Einkommensverbesserungen über die Preispolitik zu erzielen. Wir Freien Demokraten sind froh darüber, weil es ja nicht eine allgemeine Aufgabe der Sozialpolitik sein kann, eine Einkommenspolitik, die am offenen Markt nicht möglich ist, durch die Hintertür sozialer Leistungen auszugleichen. Die Sozialpolitik soll in der Landwirtschaft ebenso wie in anderen Bereichen dort Hilfestellung leisten, wo der Betroffene infolge von Krankheit oder Unfall an seiner Erwerbstätigkeit gehindert ist oder die Altersgrenze überschritten hat. In diesem Zusammenhang weisen wir Freien Demokraten auch den Vorwurf zurück, daß die Einführung der landwirtschaftlichen Krankenkassen und die Erhöhung des Altersgeldes nur darauf zurückzuführen sind, daß der Aufwertungsausgleich zurückgeführt wird und damit auf der anderen Seite die Landwirtschaft diese beiden Gesetze gewissermaßen selbst finanziert. ({2}) Das wäre richtig, wenn die Preise in bezug auf die EWG nicht stiegen. Wir Freien Demokraten können hier feststellen, daß das Gegenteil der Fall ist. ({3}) Dies aber wird langfristig in der EWG natürlich nur dann möglich sein, wenn eine vereinbarte Preispolitik von einzelnen Partnern nicht bewußt in offener oder verdeckter Form unterlaufen wird und damit die anderen Partnerstaaten aus Wettbewerbsgründen zu einem ähnlichen Verhalten mehr oder weniger gezwungen werden. Wir sind der Überzeugung, daß diese Verbesserungen im Rahmen weiterer sozialer Leistungen und in Verbindung mit einer entsprechenden Agrarpolitik in Brüssel einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft darstellen, zumindest aber, daß wir auf diesem Wege einen beachtlichen Schritt vorankommen. Wir sind weiter der Überzeugung, daß durch die Einführung der Krankenversicherung für Landwirte und die Erhöhung des Altersgeldes um einen ent11342 sprechenden Zeitraum früher, als das bei bisherigen Bundesregierungen der Fall gewesen ist, diese Bundesregierung agrarsozialpolitisch mehr geleistet hat als jede andere Regierung zuvor. Die Freien Demokraten werden diesem Gesetzentwurf zustimmen. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialliberale Bundesregierung mißt der sozialen Sicherung in der Landwirtschaft große Bedeutung bei. Sie erkennt dankbar an, daß ihre Bemühungen auf diesem Felde auch von diesem Hohen Hause unterstützt werden. Einen deutlichen Beweis dafür stellt die soeben verabschiedete Krankenversicherung für Landwirte dar. Jetzt geht es um die Verbesserung der Altershilfe. Ein Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Verbesserung der Altershilfe steht zum zweiten Male in dieser Legislaturperiode zur Verabschiedung an. Erhebliche Verbesserungen zur Unterstützung und sozialen Absicherung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hat bereits das Agrarsoziale Ergänzungsgesetz gebracht. Dieses Programm soll jetzt durch eine allgemeine Erhöhung der Leistungen nach dem Altershilfegesetz ergänzt werden. Dadurch wird sichergestellt, daß auch unsere alten Landwirte am Produktivitätszuwachs der Wirtschaft teilnehmen. Die Altershilfe für Landwirte besteht seit 15 Jahren. Sie ist zu einem festen Bestandteil unserer Sozialordnung auf dem Lande geworden. ({0}) Die Bundesregierung hat ständig am Ausbau der sozialen Sicherung in der Landwirtschaft gearbeitet. Sie hat damit ein Versprechen aus der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 eingelöst. Der Herr Bundeskanzler hatte damals versichert, daß sich die Bundesregierung besonders derer annehmen werde, die bei dem raschen Wandel in unserer Gesellschaft in Gefahr kommen, ins Hintertreffen zu geraten. Der Erfüllung dieser selbstgestellten Aufgabe dient auch das jetzt zur Verabschiedung anstehende Gesetz. Ich danke allen beteiligten Ausschüssen und auch den Fraktionen dafür, daß sie eine so zügige Behandlung der Regierungsvorlage ermöglicht haben. Ich möchte Sie bitten, dem Gesetz auch in dritten Lesung zuzustimmen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Logemann. ({0}) Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Zunächst möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß dieses Hohe Haus den vorliegenden Gesetzentwurf noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschieden wird. Hierdurch wird sichergestellt, daß die Leistungsverbesserungen für Altersgeld und Landabgaberentenempfänger rechtzeitig in diesem Herbst ausgezahlt werden können. Mit diesen Verbesserungen wird der Anschluß an die zwischenzeitlichen Rentenerhöhungen voll erreicht. Die Fortschreibung des Bundeszuschusses für 1973 und eine, wie ich glaube, maßvolle Beitragserhöhung sichern die Finanzierung dieser Maßnahmen. Das war die Voraussetzung für ihre Realisierung, und insofern geht auch die Kritik der Opposition ins Leere, daß die Leistungsverbesserungen schon früher hätten erreicht werden können; denn die finanziellen Voraussetzungen mußten erst von dieser Bundesregierung geschaffen werden. ({1}) Neben der Erhöhung der Leistungen, Beiträge und Bundeszuschüsse bringt das Gesetz eine Reihe von Neuregelungen, die geeignet sind, soziale Härten zu beseitigen, die Durchführung der Altershilfe und der Landabgaberente zu erleichtern und die Strukturwirksamkeit dieser Maßnahmen zu erhöhen. So werden sich Landwirte, die sich auf Grund eines privaten Versicherungsvertrages von der Mitgliedschaft in der Altershilfe für Landwirte früher haben befreien lassen, wieder versichern können. Die Erstaufforstung landwirtschaftlicher Nutzflächen gilt künftig auch als Erfüllung der Abgabevoraussetzung für den Bezug von Altersgeld. Der Zeitraum, innerhalb dessen Landabgaberente bewilligt werden kann, wird bis zum 31. Dezember 1975 verlängert. Die Vorschriften über die strukturverbessernde Aufgabe werden der Praxis angepaßt und damit erleichtert. Es ist künftig nicht mehr notwendig, bei langfristiger Verpachtung ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Meine Damen und Herren, leider war es im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens noch nicht möglich, den weiteren Ausbau der landwirtschaftlichen Altershilfe zu einer angemessenen Alterssicherung der Menschen auf dem Lande einzuleiten. Die laufende Anpassung des Altersgeldes und der Landabgaberente an die Entwicklung der Löhne und Gehälter sowie die Staffelung der Altersgeldhöhe nach der Dauer der Beitragszahlung bleiben aber ein vorrangiges Ziel. Die Bundesregierung wird diesem Hohen Hause dazu baldmöglichst Vorschläge unterbreiten, sobald die sachlichen Probleme geklärt und die finanziellen Mittel für diese Maßnahmen gesichert sind. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache und kommen nunmehr zur Schlußab- Deutscher Bundestag --- 6. Wahlperiode - Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen stimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich danke Ihnen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, wir haben dann noch über den Ausschußantrag abzustimmen, den Sie auf Seite 3 der Drucksache VI/3562 finden. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, damit sind auch die Punkte 4 a) und b) erledigt. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes ({0}) - Drucksache VI/3483 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3584 - Berichterstatter: Abgeordneter Krampe b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({2}) - Drucksache VI/3564 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Nölling ({3}) Ich frage zunächst, ob die Herren Berichterstatter das Wort wünschen. - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, wir treten dann in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1 und Art. 2 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Auf Umdruck 302 *) liegt Ihnen ein interfraktioneller Änderungsantrag vor, in dem beantragt wird, in den Gesetzentwurf einen Art. 2 a einzufügen. Zur Begründung dieses interfraktionellen Änderungsantrages hat der Herr Abgeordnete Glombig das Wort.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den interfraktionellen Änderungsantrag auf Umdruck 302 ganz kurz begründen. Er hat zur Zeit eigentlich nur für Hamburg aktuelle Bedeutung. Ohne die Bedeutung der Landesversorgungsämter schmälern zu wollen, glauben die Antragsteller, daß diese Behörden dort entbehrlich sind, wo eine wesentliche Aufgabe, nämlich die Koordinierung mehrerer Versorgungsämter, auf Grund der gegebenen Verhältnisse entfällt. Dies ist sicherlich dort der Fall, wo nur ein Versorgungsamt vorhanden ist. Selbstverständlich erscheint eine solche Maßnahme nur dann vertretbar - das möchte 1 Siehe Anlage 3 ich besonders unterstreichen -, wenn durch sie eine Straffung der Verwaltungsarbeit erreicht werden kann und die Rechte der Kriegsopfer nicht geschmälert werden. Daher muß unter allen Umständen sichergestellt werden, daß die übrigen Aufgaben, die den Landesversorgungsämtern im allgemeinen obliegen, sinnvoll anderen mit der Versorgung betrauten Dienststellen übertragen werden. Gerade im Hinblick darauf halten es die Antragsteller für notwendig, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit zu prüfen ist, wie sich die vorgeschlagene Verwaltungsvereinfachung in der Praxis bewährt hat. Absatz 3 des Antrages sieht daher den Auftrag an die Bundesregierung vor, die Entwicklung in den betreffenden Bundesländern zu beobachten und dem Hohen Hause hierüber in angemessener Frist Bericht zu erstatten. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Vielen Dank, Herr Kollege! Meine Damen und Herren, wer dem interfraktionellen Änderungsantrag auf Ergänzung eines Art. 2 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen. Wir treten ein in die dritte Beratung. Ich eröffnet die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratung des Vierten Anpassungsgesetzes für die Kriegsopfer vor dem Hintergrund der Haushaltswirklichkeit ist ein Vorgang mit zwei Realitäten, und zwar einer positiven: die Renten werden angepaßt, und einer negativen: es gibt leider keine Möglichkeit für die dringend notwendige Beseitigung von Härten und Ungerechtigkeiten. Wir können schwierige Strukturprobleme leider nicht angehen. Das Bundesversorgungsgesetz ist deutlich auf die individuellen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse des einzelnen Versorgungsberechtigten ausgerichtet. Der Deutsche Bundestag hat vor zwei Jahren die jährliche Anpassung der Renten beschlossen. Diese jährliche Anpassung allein hat jedoch die vielfältigen Probleme und Härten der Kriegsbeschädigten, der Witwen, der Waisen und der Eltern nicht beseitigen können. Das abgesunkene Rentenniveau trifft leider auch die Kriegsopfer. Die Anpassungen der letzten beiden Jahre von 5,5 und 6,3 °/o wurden leider von den Preissteigerungen aufgezehrt. Der Sozialbericht zeigt trotz Dynamisierung eine abnehmende Tendenz der 11344 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Burger Entschädigungsleistungen. Der Anteil der direkten und indirekten Kriegsfolgelasten am Sozialbudget weist eine deutlich sinkende Tendenz auf, obwohl die absoluten Beträge ständig gestiegen sind. Von 8,2 % im Jahre 1965 sank der Anteil im Jahre 1970 auf 6,2 % und 1971 auf 5,8 %. Für 1972 wird mit 5,5% gerechnet und 1976 mit 4,9%. Die Dynamisierung der Kriegsopferleistungen hat also offenbar nur eine Verzögerung des Absinkens zur Folge. Neben der Anhebung des Rentenniveaus gibt es, wie ich bemerkt habe, noch eine ganze Reihe schwieriger Strukturprobleme, die für die Betroffenen große Härten bedeuten. Nach der Sondererhebung für das Jahr 1971 gibt es 1 178 000 Kriegsbeschädigte. Ihre Zahl hat seit 1960 um 17 % abgenommen. Diese Kriegsbeschädigten beziehen alle eine Grundrente. 123 000 Schwerbeschädigte erhalten eine Ausgleichsrente für wirtschaftlichen Schaden, 124 000 einen Berufsschadensausgleich, 32 000 eine Schwerstbeschädigtenzulage und 37 000 wegen Pflegebedürftigkeit eine Pflegezulage. Hinter dieser Statistik verbergen sich viele menschliche Schicksale und besondere Probleme, die neben der jährlichen Anpassung der Renten als sogenannte Strukturprobleme einer Lösung entgegensehen. Ich möchte einige wenige nennen. Besonders betroffen sind die Schwerstbeschädigten, die einer besonderen Fürsorge bedürfen, darunter 5673 Blinde, über 50 000 Hirngeschädigte und 1058 Querschnittsgelähmte. Für die meisten von ihnen ergeben sich aus dem Älterwerden erhebliche Sorgen. Durch die Ärzte der Versorgungsverwaltungen können diese und andere Gruppen von Beschädigten in ihrer Wohnung besucht werden. Wo Verbesserungen nach dem Versorgungsrecht möglich sind, kann dann Hilfe angeboten werden. Ich glaube, daß sich diese Besuche sehr bewährt haben. Diese vom Schicksal besonders schwer Betroffenen bedürfen der Pflege. Pflegepersonen aber sind gesucht und teuer geworden. Soweit die Ehefrau oder Angehörige diese Aufgabe übernommen haben, sind die Beschädigten gut versorgt. Wo dies aber nicht mehr möglich ist, stehen die Schwerstbeschädigten vor schwierigen Situationen. Wir meinen, daß die Regelungen über Pflegezulagen einer Prüfung unterzogen werden sollten. Auch müssen Regelungen für Personen, die hilflose Beschädigte pflegen oder gepflegt haben, vorgenommen werden. Durch eine Erhöhung der Pflegezulage müssen die Beiträge für eine Rentenversicherung von Pflegepersonen entsprechend den tatsächlichen Aufwendungen ersetzt werden. Nicht nur in der Betreuung der Schwerstbeschädigten, sondern auch bei der Bearbeitung von Anträgen auf Versorgungskuren und Höhergruppierungen fehlt es an Versorgungsärzten. Der Mangel an Ärzten bei den Versorgungsämtern ist besorgniserregend. Vielfach können Anträge, die ärztlich entschieden werden müssen, nicht bearbeitet werden. Wartezeiten von einigen Jahren sind nicht selten. Auf dem Gebiet der orthophädischen Versorgung ist der Mangel an Fachärzten besonders groß. Durch Verbesserungen der Stellenpläne für Ärzte müssen die Chancen für die Besetzung freier Arztstellen deutlich verbessert werden. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt deutlich, daß die Beschädigten mit zunehmendem Alter von einem plötzlichen Leistungsabfall betroffen werden. Dies ist ein weiterer schwieriger Punkt für die Kriegsopfer. Da die berufliche Rehabilitation in den fünfziger Jahren nicht nach den heutigen Möglichkeiten erfolgen konnte, bedeutet für viele Kriegsbeschädigte der berufliche Einsatz eine überdurchschnittliche Belastung. Im Rahmen der jetzt laufenden Diskussionen und Beratungen um eine flexible Altersgrenze müssen die Möglichkeiten sorgfältig geprüft werden, wie für die Schwerbeschädigten eine besondere Regelung gefunden werden kann. Meine Fraktion wird sich um einen Vorschlag bemühen. Leider hat es die Bundesregierung versäumt, für die Lösung der eben genannten strukturellen Probleme Mittel bereitzustellen. Die vorhandenen Mittel reichen gerade für die Anpassung. Deshalb regen wir an, wenigstens in Einzelfällen in der Praxis der Versorgungsverwaltungen z. B. bei Verschlimmerungen des Leidens nicht mit der Briefwaage die Erhöhungsanträge der Betroffenen abzuwägen. Die Anhaltspunkte für die ärztlichen Gutachter könnten eine gewisse großzügigere Handhabung vertragen. Auch die 1 104 000 Witwen, deren Zahl jährlich um über 10 000 bis 12 000 abnimmt, haben ihre Sorgen. Der Ausschuß hat erneut die Frage besprochen, ob es richtig ist, daß die Erhöhung der Grundrente am Schadensausgleich gekürzt werden muß. Mein Kollege Geisenhofer hat in der ersten Lesung und auch im Ausschuß auf diese besondere Härte für die Witwen hingewiesen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Kürzung des Schadensausgleichs um die Erhöhung der Grundrente sachgerecht sei. Durch die jährliche Neufeststellung des Vergleichseinkommens, so erklärt sie, würden auch die Ausgleichsleistungen für den besonderen Schaden angehoben. Nun, meine Damen und Herren, so einfach ist es wohl nicht. Nach den Finanzberechnungen zum Gesetzentwurf ergeben sich durch diese Verrechnungen immerhin Einsparungen und Kürzungen in einem Umfang von 45,2 Millionen DM. Das geht zu Lasten der betroffenen Witwen. Ich fürchte, daß der Schadensausgleich für Witwen mit der Zeit ausblutet, wenn hier nicht eine Korrektur vorgenommen werden kann. Wir müssen ja auch davon ausgehen, daß mit dem Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren bei verstorbenen Schwerbeschädigten noch eine weitere Kürzung erfolgt. Diese letzte Zäsur ist meist so eingreifend, daß der Schadensausgleich in vielen Fällen überhaupt eingestellt wird. Meine Damen und Herren, aus meiner Fraktion wurden in den Ausschüssen zwei Anträge eingebracht. Es ging einmal um die Erhöhung des Bestattungsgeldes, und ein zweiter Antrag befaßte sich mit der Anrechnung bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche gegenüber noch lebenden Kindern im Rahmen der Elternversorgung. In diesen beiden Fällen wären für die Betroffenen mit geringen Mitteln wesentliche Erleichterungen möglich gewesen. Das volle Bestattungsgeld wurde letztmals 1964 auf 750 DM erhöht. Die Preissteigerungen erfordern eine erneute Anhebung auf 1000 DM. Bei der Elternrente haben die langjährigen Erfahrungen in der Praxis gezeigt, daß es sehr schwierig ist, die Unterhaltsverpflichtungen der noch lebenden Kinder festzustellen. Die Verwaltungsarbeit ist größer als die finanziellen Einsparungen. Der besondere Charakter der Elternrente, eine Art Fürsorgeleistung, sollte es trotzdem möglich machen, daß nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und nicht auch die der noch lebenden Kinder überprüft werden. Diese beiden Anliegen wurden in einem gemeinsamen Entschließungsentwurf eingebracht. Ich hoffe, daß das Hohe Haus ihn nachher einstimmig verabschiedet. Wir hoffen, daß die Bundesregierung auf Grund der gemeinsamen Entschließung diese Anliegen bei der Vorlage des Entwurfs eines fünften Gesetzes über die Anpassung der Versorgungsbezüge berücksichtigt. Meine Damen und Herren, die Beratungen im Ausschuß haben ergeben, daß kein Geld vorhanden ist, um die eine oder andere Härte oder Ungerechtigkeit auszugleichen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie neben der Dynamisierung in der Finanzplanung auch Spielraum für die Lösung einiger dringender Strukturprobleme schafft: Eine produktive Sozialpolitik hat sich laufend an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu orientieren. Das Maß des Ausgleichs bestimmt sich nach den volkswirtschaftlichen Möglich- keiten der im Staat organisierten Gesellschaft, wobei der Grundsatz von Recht und Billigkeit im Vergleich zu anderen Entschädigungsnormen zu gelten hat. Erst aus dem Wechselspiel von Rechten und Pflichten zwischen Bürgern und Staat erwächst auch im sozialen Bereich jene Harmonie, die den inneren Frieden herbeiführt und sichert. Dies, meine Damen und Herren, muß auch für die Kriegsopfer gelten. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und hoffen, daß es möglich sein wird, in der Zukunft auch die von uns gesehenen und in ihrer ganzen Härte empfundenen schwierigen Strukturprobleme in der Kriegsopferversorgung anzuheben. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eine kurze Erklärung zur Verabschiedung des Vierten Anpassungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung abgeben. Die Verabschiedung des Vierten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes veranlaßt mich, einen kurzen Rückblick auf das zu tun, was wir seit Beginn dieser Legislaturperiode auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung erreicht haben. Noch zu keiner Zeit in der Geschichte dieses Parlaments ist so viel für die Kriegsopfer erreicht worden wie in dieser Legislaturperiode. ({0}) Daran kann auch Ihre Schwarzmalerei, Herr Kollege Burger, nichts ändern. Keiner wird mich bei dieser Feststellung der Übertreibung schelten können, der sich an die schweren Auseinandersetzungen erinnert, bei denen es darum ging, die Kriegsopferrenten zu erhöhen bzw. zu verbessern. Das waren Auseinandersetzungen, die sich von Jahr zu Jahr wiederholt haben, die es aber seit dieser Legislaturperiode, seit Antritt der sozialliberalen Koalition nicht mehr gibt. ({1}) Mit dem Ersten Anpassungsgesetz wurde den Kriegsopfern erstmals die Sicherheit einer jährlichen Anpassung ihrer Leistungen entsprechend der Anpassung der Bestandsrenten in der Arbeiterrentenversicherung an die durchschnittliche Entwicklung der Löhne und Gehälter gegeben. Das geschah damals während der Ausschußberatungen in Berlin im Dezember 1969 gegen den ausdrücklichen Widerstand der Opposition - nachzulesen im Protokoll über diese Ausschußsitzung. ({2}) Ich möchte das um der historischen Wahrheit willen an dieser Stelle noch einmal festgestellt wissen, ({3}) weil es von seiten der Opposition immer wieder so dargestellt wird, als wäre auch sie von Anfang an - wie selbstverständlich - für die Dynamisierung der Kriegsopferleistungen gewesen. Das entspricht nicht der tatsächlichen Entwicklung. ({4}) - Sie haben dem zugestimmt, nachdem Ihnen überhaupt nichts anderes mehr übrigblieb. Sie haben zunächst gefordert, daß der Finanzminister dazu gehört wird. Sie möchten jetzt aber jeden Augenblick neue Forderungen - auch zur .Kriegsopferversorgung - anmelden, obwohl Sie wissen, wie angespannt der Haushalt ist, und obwohl Sie uns auf der anderen Seite immer wieder eine unsolide Haushaltsführung vorwerfen. Sie mußten damals unter dem Druck der öffentlichen Meinung zustimmen, weil die ablehnende Haltung, die Sie dort zunächst vertreten haben, überhaupt nicht einzusehen war. ({5}) Aber Sie haben nicht aus Überzeugung zugestimmt. Das müssen Sie mir schon abnehmen. Ich habe nämlich sieben Jahre im Ausschuß für Kriegsopferfragen und in den Nachfolgeausschüssen mit Ihnen zusam11346 men über diese Frage gestritten, um die Dynamisierung gekämpft - ohne einen sichtbaren Erfolg.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burger?

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte schön!

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Glombig, würden Sie diese Behauptung aufrechterhalten, daß wir - Kollege Maucher, ich und die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion - nicht aus Überzeugung für die Dynamisierung gestimmt haben?

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Burger, ich werde Ihnen abnehmen, sogar bestätigen, daß Sie aus Überzeugung für diese Dynamisierung gestimmt haben. Aber Sie machen doch nicht allein die CDU/ CSU-Fraktion aus. Ich wollte einmal deutlich machen, daß es in Ihrer Fraktion Kräfte gibt, die durchaus nicht so sind, wie sie hier vorgeben. Das hat doch auch die Diskussion um das Fünfzehnte Rentenanpassungsgesetz eben gezeigt. ({0}) Sie werfen uns vor, wir versündigten uns an den berechtigten Interessen der Sozialrentner und Kriegsopfer. ({1}) - Das werfen Sie uns vor, obwohl wir in der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben, daß uns diese Interessen besonders am Herzen liegen. Die Betroffenen wissen, daß sie hier - nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft, und zwar in unmittelbarer Zukunft - auf uns rechnen können. ({2}) Das werden Sie uns doch nicht ausreden wollen. Da lassen wir uns von Ihnen auch nicht überholen. Das können Sie nämlich gar nicht, weil Sie in Ihrer eigenen Fraktion zu sehr zerstritten sind, wenn es um solche Fragen der sozialen Gerechtigkeit geht. Das hat die Vergangenheit gezeigt. ({3}) Das wird auch die Zukunft zeigen. Wir lassen uns auch durch keinerlei Manipulation an der Anpassungsformel in der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Benachteilung der Kriegsopfer verleiten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lassen Sie mich bitte aussprechen. Wir haben eine gerechte Behandlung der Kriegsopfer im Vergleich zu den Sozialrentnern erreicht. Meine Damen und Herren, wir werden verhindern, daß diese Anpassung der Leistungen der Kriegsopferversorgung wieder abgebaut wird. Die von Ihnen vorhin vorgetragene Forderung würde nämlich einen Abbau bedeuten. Das muß in aller Klarheit ausgesprochen werden, damit wir den Nebelschleier von dieser Diskussion ziehen. Wir - und Sie vor allem - werden in absehbarer Zeit Gelegenheit haben, festzustellen, daß wir jeden Spielraum, auch finanziellen Spielraum hinsichtlich der berechtigten Interessen der Sozialrentner und Kriegsopfer ausnutzen werden. Dazu sind wir entschlossen. ({0}) Auch mit dem Vierten Anpassungsgesetz schreiten wir, meine Damen und Herren, zielbewußt auf dem eingeschlagenen Wege fort. Dieses Gesetz hat im Jahre 1973 Mehrausgaben an Bundesmitteln in Höhe von 548,7 Millionen DM zur Folge, um die Anpassung der Rentenleistungen um durchschnittlich 9,5 v. H. für das Jahr 1973 zu erreichen. Die Gesamtausgaben für die Kriegsopferversorgung werden damit im Jahre 1973 rund 9 Milliarden DM betragen - fürwahr eine stolze Bilanz. Mit allen bisherigen Anpassungsgesetzën waren auch strukturelle Verbesserungen verbunden, die das Bemühen der Regierungskoalition bekunden, das Kriegsopferrecht den Notwendigkeiten entsprechend zu gestalten und weiterzuentwickeln. Die von der sozialliberalen Koalition getragene Bundesregierung hat damit ganz ohne Zweifel ihr Versprechen gehalten; sie ist sogar über ihr Versprechen hinausgegangen, das sie zu Beginn dieser Legislaturperiode den Kriegsopfern gegeben hatte. ({1}) - Das können Sie nachlesen! Von diesen Dingen verstehen Sie nun leider nicht so viel, ({2}) aber ich kann Ihnen Hilfestellung geben, wenn Sie das nachlesen wollen. Wir werden uns, meine Damen und Herren, auch in Zukunft um die weitere Verbesserung des Kriegsopferrechts bemühen, wobei wir in der Lage sind, von einer durch die Dynamisierung der Rentenleistungen geschaffenen sicheren Basis auszugehen. Die Probleme in der Kriegsopferversorgung sind nicht geringer geworden, denn die Beschädigten werden immer älter, und wir wissen, daß mit fortschreitendem Alter körperliche Beschwernisse besonders hart in Erscheinung treten. Daher wird es in verstärktem Maße notwendig sein, durch noch bessere individuelle Hilfen den Kriegsopfern ihr oft schweres Schicksal zu erleichtern. Ganz besonders gilt dies für die medizinische Betreuung der Kriegsbeschädigten; hier stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Burger, und ich unterstreiche das, was Sie dazu gesagt haben. Lassen Sie mich deshalb einen eindringlichen Appell an alle mit der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes betrauten Dienststellen richten, alle Kräfte einzusetzen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Entsprechend dem Willen dieses Hohen Hauses muß den Menschen tatkräftige Hilfe zuteil werden, die im Dienst für die Allgemeinheit schwere persönliche Opfer haben auf sich nehmen müssen. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf und auch dem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten darf ich zum Vierten Anpassungsgesetz zum Bundesversorgungsgesetz eine Erklärung abgeben. Zunächst aber erlauben Sie mir eine Vorbemerkung zur Erklärung des Kollegen Burger für die Opposition. Herr Kollege Burger, Sie haben vorhin der Bundesregierung vorgeworfen, sie habe versäumt, genügend Mittel für weitere Strukturmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Dazu zwei eindeutige Antworten. Erstens, Herr Kollege Burger, steht diese Forderung, die Sie hier wieder gestellt haben und die in das hineinpaßt, was vorhin im Rahmen der Rentendebatte über zusätzliche Haushaltsmittel zu hören war, und ebenso in das, was bei der 25. Lastenausgleichsnovelle als Änderungsantrag mit 50 bis 100 Millionen DM Bundesmitteln ebenfalls auf dem Tisch des Hauses liegt, in völligem Widerspruch zu dem, was seitens Ihrer Fraktion und insbesondere seitens Ihres Vorsitzenden zu Fragen der Stabilität des Haushalts gesagt worden ist.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Schmidt ({0}), gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burger?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich darf vielleicht ein zweites noch sagen; danach können Sie gern Ihre Frage stellen. - Zum zweiten sollten Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß zu Beginn der sozialliberalen Koalition in den Fortschreibungen des zuständigen Ministeriums auf Grund der Politik des damaligen Finanzministers, der der CSU angehört, wesentlich weniger Mittel standen, daß also Mittel überhaupt erst einmal zur Verfügung gestellt und beschafft werden mußten, um überhaupt die Dynamisierung in diesen Größenordnungen zu bezahlen.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schmidt, sind Sie mit mir einig in der Auffassung, daß die Probleme, die ich vorhin angesprochen habe, wirklich dringende Probleme sind?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Burger, darüber haben wir uns im Ausschuß unterhalten. Aber wir waren uns im Ausschuß auch darüber im klaren, daß es einfach nicht möglich ist, über die mit den Steuermitteln gegebenen Möglichkeiten hinauszugehen, wenn man andererseits stabilitätsorientiert sein will, wie Sie das als Opposition von der Bundesregierung gerade immer verlangen, wenn Sie auch, was Ihre Anträge betrifft, völlig anders handeln.

Albert Burger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000310, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Noch eine zweite Frage, Herr Kollege Schmidt: Ich glaube doch, Sie haben nicht recht verstanden, daß ich keine Anträge gestellt habe, weil ich weiß, wie die Haushaltssituation ist. Ich habe vielmehr die Probleme in die Verantwortung der Regierung und des Parlaments gelegt, damit man sie im Rahmen des Möglichen mit der mittelfristigen Finanzplanung harmonisch einer Lösung zuführt. Haben Sie das recht verstanden?

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Burger, Sie haben wörtlich gesagt: Diese Bundesregierung hat versäumt, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Darauf war meine Antwort, daß Sie die Finanzsituation, in der wir uns alle befinden, genau kennen und daß die Zwiespältigkeit in Ihrer Fraktion zwischen Wünschenswertem auf der einen Seite und Stabilitätsorientierung auf der anderen Seite hier im Hause immer wieder zum Ausdruck kommt. Nun zur Erklärung der Freien Demokraten zur zweiten und dritten Beratung des Vierten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes. In gewissem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die heutige Plenarsitzung ein denkwürdiger Tag für die Sozialpolitik. ({0}) In sie fallen nicht nur die Entscheidungen über die Erhöhung und Anpassung der sozialen Leistungen nach dem Lastenausgleichsrecht und in der Altersversorgung der Landwirte, sondern auch die Entscheidung über die Kriegsopferversorgung, von der Neuregelung der Krankenversicherung der Landwirte ganz zu schweigen. Obwohl es manchem als reiner Zufall erscheinen mag, handelt es sich im Grunde - das kann man wohl sagen, Herr Kollege Böhme - um das Ergebnis einer systematischen und zielstrebigen Politik innerer Reformen der sozialliberalen Koalition. Wer angesichts dieser Leistungen behauptet, diese Regierung und diese Koalition hätten nichts von den versprochenen Reformen vorzuweisen, und das einmal mit der heutigen Tagesordnung vergleicht, handelt aus Böswilligkeit, Unkenntnis oder politischem Neid. Die Reform der Kriegsopferversorgung mit der jährlichen Anpassung der Leistungen, d. h. der Dynamisierung, stand am Anfang dieser Arbeit. Sie war gekennzeichnet durch die Übertragung bestimmter sozialer Maßstäbe des klassischen Sozialrechts auf die Kriegsfolgengesetzgebung. Dabei bildet das Kriegsopferversorgungsrecht den Auftakt, während die Ausweitung auf das Lastenausgleichsrecht einen gewissen Abschluß in diesem Sektor darstellt. Wir Freien Demokraten haben von jeher die Forderung nach einer solchen Anpassung der Kriegs11348 Schmidt ({1}) folgengesetzgebung gestellt und begrüßen daher diesen Weg. Als diese Ziele in der Regierungserklärung 1969 aufgestellt wurden, glaubte mancher sie als billiges Versprechen abtun zu können. Die gleichen Leute, die damals in der Debatte zur Regierungserklärung von solchen Versprechungen sprachen, tun heute oft so - das haben wir heute wieder gesehen -, als wäre dies alles die größte Selbstverständlichkeit und im Grunde viel zu wenig. Dieses Vierte Anpassungsgesetz für die Kriegsopfer geht ziemlich lautlos über die Bühne. Dies ist der beste Beweis dafür, daß mit der Reform des Kriegsopferrechts auf jeden Fall ein wesentliches Ziel erreicht ist: der Abbau der Spannung zwischen den Kriegsopfern und dem Staat und ein Stück innerer sozialer Befriedung. ({2}) Während in der Vergangenheit mit jahrelangen Auseinandersetzungen, mit großen Demonstrationen und mit Entwürfen aus den Oppositions- und Koalitionsfraktionen um Leistungsverbesserungen in drei- bis vierjährigem Abstand gekämpft werden mußte, hat sich dieses Bild grundlegend geändert. ({3}) Das hängt einfach damit zusammen, daß die Kriegsopfer seit 1970 jährlich an der allgemeinen Entwicklung wie die Rentner der Rentenversicherungen teilhaben ({4}) zusammen mit der Verbesserung der Anrechnungsbestimmungen und den laufenden nominalen und realen Einkommensverbesserungen, auch wenn die Opposition dies zu leugnen versucht. Merkwürdig ist nur, daß von seiten der Opposition gegenüber den Empfängern von Sozialleistungen so getan wird, als wäre alles viel zu wenig. Herr Katzer ist unermüdlich in der Erfindung von neuen Theorien der Verelendung - er hat es heute wieder gezeigt -, während der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion vor Industrie- und Wirtschaftskreisen verkündet, daß er im Falle der Verantwortung die Entwicklung der Haushaltsausgaben wesentlich einschränken werde. Damit müßten die Sozialausgaben wohl in die entsprechenden Kürzungen einbezogen werden. ({5}) Wenn man einmal nicht davon ausgeht, daß die gegensätzlichen Aussagen in einem wohlabgestimmten Konzert auf den Beifall der jeweils Angesprochenen ausgerichtet sind, muß man fragen: Was ist nun von der CDU/CSU wirklich ehrlich gemeint, das, was Herr Katzer fordert oder was beispielsweise in anderen Bereichen, z. B. beim Lastenausgleich, gefordert wird, oder das, was Herr Dr. Barzel verkündet? Daß zumindest einige Verantwortliche in der CDU und CSU wissen, daß es sich insgesamt um unvereinbare Widersprüche handelt, kann man wohl unterstellen. So betrachtet, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist den Kriegsopfern mit dem Vorschlag der Regierung und der Koalitionsfraktionen am besten gedient, wonach die laufenden Geldleistungen um durchschnittlich 9,5 %, d. h. um zusätzlich 542 Millionen DM im Jahre 1973, verbessert werden. Der Katalog der strukturellen Leistungsverbesserungen - hier stimme ich dem Kollegen Burger durchaus zu - ist diesmal nicht so umfassend wie bei einigen anderen Gesetzen in dieser Legislaturperiode. Die Gründe dafür sind eingangs angesprochen worden. Das bedeutet keineswegs, daß wir für die Zukunft unsere ausschließliche oder nahezu ausschließliche Aufgabe darin sehen, die vorhandenen Leistungskategorien nach bestimmten Prozentsätzen anzupassen. Soweit sich an Hand des geltenden Rechts in einzelnen Fällen Härten ergeben oder gewisse Leistungsgruppen - vieles wissen wir schon - unabhängig von allgemeinen Erhöhungen als verbesserungsbedürftig erweisen, werden entsprechende Maßnahmen - wir hoffen, daß dies schon im nächsten Anpassungsgesetz wieder möglich sein wird - in die weitere Gesetzgebung einfließen. Mit der vierten Anpassung in ununterbrochener Reihenfolge - auch ein Erfolg der sozialliberalen Koalition - werden die Kriegsopfer diejenigen Verbesserungen erhalten, die wir ihnen versprochen haben. Wir haben also nicht nur etwas versprochen, sondern unser Versprechen auch gehalten. Die FDP-Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Der Herr Abgeordnete Maucher und der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung haben im Hinblick auf die vorgerückte Zeit auf ihre Wortmeldungen verzichtet. Ich darf ihnen für das Haus danken. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich kann einstimmige Beschlußfassung feststellen. Wir haben noch über den Ausschußantrag unter Ziffer 2 der Drucksache VI/3564 abzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Ggenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung. Wir treten in die Mittagspause ein und beginnen wieder um 14 Uhr mit der Fragestunde. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Es ist Fragestunde - Drucksachen VI/3578, VI/3546 -. Vizepräsident Dr. Schmid Zunächst rufe ich die beiden Dringlichen Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Lauterbach auf. Frage 1: Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation im internationalen Flugverkehr, die zum weltweiten 24stündigen Pilotenstreik des Internationalen Pilotenverbandes ({0}) Anfang dieser Woche führte, und welche Konsequenzen kann sie daraus ziehen hinsichtlich der Sicherheit von Passagieren und Mannschaften? Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Frau Kollegin, der Internationale Pilotenverband protestierte am Montag, dem 19. Juni 1972, mit dem von seinen Mitgliedern durchgeführten Streik gegen die nach seiner Auffassung unzureichenden Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr widerrechtlicher Eingriffe und Anschläge auf den internationalen zivilen Luftverkehr. Dieser Streik richtete sich in seiner Zielsetzung nicht gegen einzelne Länder, sondern sollte weltweit die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit wirksamer Gegenmaßnahmen lenken. Die ansteigende Zahl von Flugzeugentführungen und ihre teilweise brutale Durchführung haben deutlich gemacht, daß zum Schutze der Passagiere und Besatzungen umfassende Maßnahmen getroffen werden müssen, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten. Auf den Verkehrsflughäfen der Bundesrepublik Deutschland werden in Anlehnung an die Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation seit Februar 1970 der jeweiligen Gefährdungslage angepaßte Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr von Entführungen, Bombenanschlägen und anderen Terrorakten durchgeführt. Diese umfassenden Sicherungsmaßnahmen haben sich bewährt und werden auch im Ausland anerkannt. Die Wirksamkeit der in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Maßnahmen würde noch erhöht werden, wenn entsprechende Sicherheitsvorkehrungen möglichst weltweit unter Beachtung der besonderen Verhältnisse des internationalen Luftverkehrs getroffen werden würden. Die Bereitschaft der am internationalen Luftverkehr beteiligten Länder, in ihrem jeweiligen Einflußbereich die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, ist in jüngster Zeit gewachsen. Die Bundesrepublik Deutschland wird auch künftig an dem Erfordernis geeigneter Sicherungsmaßnahmen festhalten und ihr bisheriges Sicherungssystem im Rahmen der Möglichkeiten ständig verbessern, um Passagieren und Besatzung den größtmöglichen Schutz zu gewähren.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Ellen Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001298, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, war die Bundesrepublik in der letzten Woche an der Konferenz der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation in Montreal zur Bekämpfung der Luftpiraterie mit verbesserten Schutzmaßnahmen beteiligt, und kann schon jetzt ein Ergebnis beurteilt werden? Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Vertreter unseres Hauses waren bei dieser internationalen Konferenz anwesend. Der Bericht darüber steht noch aus.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Zusatzfrage?

Ellen Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001298, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmt die Bundesregierung mit mir - und sicher mit uns allen - darin überein, daß von seiten der Flugreisenden gerade jetzt im beginnenden Urlaubsverkehr Verständnis für alle Kontrollmaßnahmen im Interesse der eigenen Sicherheit notwendig ist? Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Mein Haus bleibt darum bemüht in Zusammenarbeit mit den dafür in Frage kommenden Fluggesellschaften.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 2 der Abgeordneten Frau Lauterbach: Welche Ergebnisse der internationalen Kooperation und welche Rechtsgrundlagen für strafrechtliche Maßnahmen haben die auf Grund meiner Anfrage im Bundestag vom 17. September 1970 angekündigten verschiedenen internationalen Zivilluftfahrtkonferenzen erbracht, und welchen Beitrag hat die Bundesregierung dazu geleistet? Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Die bereits nach dem Tokioter Abkommen vom 14. September 1963 für die Bundesrepublik Deutschland bestehenden Verpflichtungen, bei Luftfahrzeugentführungen Maßnahmen insbesondere zum Schutz der Fluggäste, der Besatzungen und des Luftfahrzeugs zu ergreifen, wurden durch das am 16. Dezember 1970 unterzeichnete Haager Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen ergänzt. Dieses neue Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten insbesondere, die Luftfahrzeugentführung mit schweren Strafen zu bedrohen und die Strafverfolgung gegen die Täter einzuleiten, sofern sie nicht an einen anderen Vertragsstaat ausgeliefert werden. Die Bundesregierung hat das Ratifikationsverfahren zu diesem Übereinkommen eingeleitet. Ich darf auf die Bundestagsdrucksache VI/3272 verweisen. Durch den Erlaß des 11. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 16. Dezember 1971 ist die Verpflichtung zur Einführung eines besonderen Straftatbestandes für Luftfahrzeugentführungen bereits verwirklicht worden. Nach dem neu eingeführten § 316 c des Strafgesetzbuches werden Luftfahrzeugentführungen mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, bestraft. Ist durch die Tat leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht worden, so ist auf lebenslange Freiheitsstrafe oder auf Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren zu erkennen. Diese Strafdrohungen gelten nicht nur für eigentliche Luft11350 Parlamentarischer Staatssekretär Haar fahrzeugentführungen, sondern auch für sonstige Gewaltakte wie die Zerstörung von Luftfahrzeugen. In der Zeit vom 6. bis 11. Januar 1971 fand unter Beteiligung von 86 Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland in Washington eine Konferenz über Fragen der Sicherheit im Luftverkehr statt. Die deutsche Delegation hat unter Vorlage eines Arbeitspapiers über Sicherungsmaßnahmen auf dem Boden hierbei ihre Vorstellungen entwickelt und im Blick auf die zwingend gebotene internationale Kooperation ihren Beitrag geleistet. Das Ergebnis der Konferenz spiegelt sich in verschiedenen koordinierten Sicherungsmaßnahmen vieler Staaten wider. Vom 8. bis 23. September 1971 nahm eine Delegation der Bundesrepublik Deutschland an der Diplomatischen Konferenz zur Vorbereitung eines Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt teil. Das Übereinkommen wurde von 31 Staaten, darunter auch der Bundesrepublik Deutschland, unterzeichnet. Es ist noch nicht in Kraft getreten. Das Übereinkommen sieht ähnlich wie für Luftfahrzeugentführungen Straftatbestände gegen Gewalt- und Sabotageakte im Zivilluftverkehr vor. Ein Teil der aus dem Übereinkommen folgenden Verpflichtungen ist in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls bereits durch den neu eingeführten § 316 c des Strafgesetzbuches erfüllt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Frage 1 des Abgeordneten Dr. Rinsche: Wie oft, wann und durch wen hat diese Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt die in der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe vom 24./25. Februar 1965 festgelegten Konsultationen auf bilateraler Ebene wahrgenommen?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Kollege Rinsche, seit dem Amtsantritt dieser Regierung haben zahlreiche Konsultationen und Kontaktgespräche mit amerikanischen Regierungsvertretern, und zwar auf allen Ebenen, stattgefunden. Unsere Kontakte gehen weit über die im Februar 1965 vereinbarten formellen Konsultationen hinaus, das heißt, wir befinden uns schon in verschiedenen Sachbereichen, z. B. in der Länderprogrammierung und Evaluierung, im Stadium der ständigen verwaltungsmäßigen Zusammenarbeit. Im Jahre 1970 haben folgende Gespräche stattgefunden: im Januar zwischen mir und dem Leiter der Agency for International Development, Hannah, in Washington, im Mai Koordinierungsgespräche über Entwicklungshilfe an Afrika auf Abteilungsleiterebene in Bonn, im Oktober ein Gespräch zwischen meinem Staatssekretär und dem Vertreter von Herrn Hannah in Washington, im Dezember ein Erfahrungsaustausch auf Referentenebene über Inspektion und Evaluierung von Entwicklungshilfemaßnahmen in Washington. Im Dezember 1971 haben Staatssekretär Sohn und Herr Hannah erneut über die Abstimmung unserer Hilfemaßnahmen in Washington gesprochen. Im Dezember 1971 fanden außerdem deutsch-amerikanische Konsultationen über Lateinamerika in Bonn statt. Im Februar dieses Jahres gab es in Bonn Konsultationen über Fragen der Beteiligung an multilateralen Finanzinstitutionen. Außerdem haben Referenten meines Hauses im Januar, April und Mai dieses Jahres mit Fachleuten der AID in Washington Konsultationsgespräche geführt. Ich selbst mußte die Absicht, im Mai dieses Jahres nach Washington zu fliegen, wegen der Abstimmung über die Ostverträge aufgeben. Ich hoffe, das mit Herrn Hannah vorgesehene Gespräch in der übernächsten Woche nachholen zu können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz: Frage 17 des Herrn Abgeordneten Löffler: Teilt die Bundesregierung die Auffassung eines Fachmannes, daß der materielle Schaden, der durch die verschiedenen Formen der Wirtschaftskriminalität entsteht, jährlich auf 10 bis 15 Milliarden DM zu veranschlagen ist? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Löffler, die Bundesregierung geht davon aus, daß der durch die Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden sehr hoch ist. Die von Ihnen genannten Schadenssummen beruhen allerdings nur auf Schätzungen; exakte Berechnungen oder Statistiken liegen nicht vor, wie ich bereits in der Fragestunde vom 1. und 2. März 1972 ausgeführt habe, beginnen erst seit einiger Zeit einige Länderjustizverwaltungen mit Erhebungen dieser Art.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Löffler auf: Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, den mit der Verfolgung von wirtschaftlichen Straftaten beauftragten Behörden personell und rechtlich bessere Voraussetzungen für ihre Arbeit zu verschaffen? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Löffler, Sie wissen, daß die Verbrechensbekämpfung in erster Linie Sache der Länder ist. Durch die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität sind dort schon wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen worden. Darüber hinaus hat der Bundesgesetzgeber durch das bereits in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 8. September 1971 die Länder in den Stand gesetzt, auch zentrale Strafkammern zur Aburteilung der Wirtschaftskriminalität einzurichten. In Ausführung des von der Bundesregierung beschlossenen Sofortprogramms zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung vom 29. Oktober 1970 sieht das „Schwerpunktprogramm Innere Sicherheit" des Bundesministers des Innern eine wesentliche Stellenvermehrung beim Bundeskriminalamt vor. Dabei wird auch das RefeParlamentarischer Staatssekretär Bayerl rat „Wirtschaftskriminalität" im Rahmen des Aufbaus der kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe personell wesentlich verstärkt werden. Das kriminalistische Institut des Bundeskriminalamtes soll zu einer zentralen Stelle für praxisbezogene kriminalpolizeiliche Forschung ausgebaut werden. Die Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität werden in diese Forschung einbezogen. Folgende Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts werden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität wesentlich beitragen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sieht der Entwurf eines Ersten Gesetzes zum Strafverfahrensrecht vor, daß die Staatsanwaltschaft Privatpapiere und nicht aufzubewahrende Geschäftspapiere des Verdächtigten durchsehen darf, wozu nach geltendem Recht nur der Richter befugt ist. Dadurch wird die Beweissicherung - gerade auch in Wirtschaftsstrafsachen - verbessert werden. Außerdem soll die Zuständigkeit für einzelne in einem Verfahren erforderlich werdende Ermittlungshandlungen auf einen Richter konzentriert werden. Diese Änderung bewirkt, daß bei der Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten, die an mehreren Orten begangen worden sind, nur noch ein Ermittlungsrichter, der mit dem Tatkomplex vertraut ist, allein tätig zu werden braucht, während nach geltendem Recht in derartigen Fällen vielfach mehrere Richter in derselben Sache tätig werden müssen. In materieller Hinsicht wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode mit dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz einen ersten Schritt zur Reform von Strafvorschriften gegen die Wirtschaftskriminalität tun. Hierbei wird das vom Bundesminister der Justiz bei Prof. Dr. Thiedemann, Gießen, über das Teilgebiet „Subventions- und Erstattungsbetrug" in Auftrag gegebene Gutachten, das in den nächsten Wochen bei uns eingehen wird, als Material zur Verfügung stehen. Die bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr.. de With, Hirsch, Dr. Müller-Emmert, Frau Diemer-Nicolaus, Kleinert und der Fraktionen der SPD, FDP angekündigte Sachverständigenkommission wird am 25. Juli 1972 ihre Arbeit aufnehmen. Diese Kommission wird die umfassende Reform von Strafvorschriften gegen die Wirtschaftskriminalität vorbereiten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmude auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zum Recht auf Verweigerung der Eidesleistung eine Gesetzgebungsinitiative zu ergreifen? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Präsident, gestatten Sie bitte, daß ich beide Fragen des Sachzusammenhanges wegen zusammen beantworte?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden! Ich rufe auch die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmude auf: Hält die Bundesregierung die Wahrheitsversicherung in der Form des Eides weiterhin für erforderlich für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Schmude, das Bundesverfassungsgericht hat in dem angesprochenen Beschluß auf die Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers entschieden, daß ein Zeuge die Leistung eines Zeugeneides - auch in nichtreligiöser Form - unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes verweigern kann, wenn ihm seine Glaubensüberzeugung dies gebietet. In den Gründen der Entscheidung wird der Gesetzgeber auf seine Verpflichtung hingewiesen, unverzüglich eine Regelung zu treffen, welche die Verfahrensgesetze den Forderungen des Grundgesetzes anpaßt. Die Bundesregierung wird dem Hohen Hause in Kürze Vorschläge unterbreiten, wie die Verfahrensordnungen dem Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes anzupassen sind. Diese Vorschläge werden zur Zeit in meinem Hause auf Referentenebene erarbeitet und alsdann noch mit den Ländern abzustimmen sein. Sie könnten aus Beschleunigungsgründen in Gesetzentwürfe aufgenommen werden, die den gesetzgebenden Körperschaften bereits vorliegen. Die vorzusehenden Regelungen sollten - ohne daß ich weiteren Beratungen vorgreifen möchte darauf abstellen, daß der Zeuge behauptet, „aus Glaubens- oder Gewissensgründen zur Leistung eines Eides außerstande zu sein". In der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rede von Bürgern, „die sich aus einer individuell getroffenen Glaubensentscheidung zur Leistung eines Eides außerstande sehen". Maßgebend ist also die subjektive Glaubensüberzeugung, die für einen anderen Menschen kaum überprüfbar ist. Jede über die bloße Mitteilung der Glaubens- oder Gewissensentscheidung hinausgehende Anforderung würde sich auf das Verfahren nachteilig auswirken. Es wäre auch mit Verfahrensverzögerungen zu rechnen. Die Strafprozeßordnung begnügt sich bereits in der vergleichbaren Regelung des § 66 a, Beteuerungsformel für Mitglieder bestimmter Religionsgemeinschaften, mit der bloßen Angabe des Zeugen, ohne einen Nachweis oder eine Glaubhaftmachung zu verlangen. Die Frage, ob unter diesen veränderten Umständen der Zeugen- und Sachverständigeneid als Mittel der Wahrheitsfindung in den Verfahrensordnungen trotzdem beizubehalten ist, wird im Rahmen der Gesamtreform der Verfahrensordnungen eingehend geprüft und dann entschieden werden müssen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verstehe ich Sie richtig, Herr Staatssekretär, daß nicht beabsichtigt ist, entsprechend dem Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer nun auch in die Verfahrensgesetze ein Art Anerkennungsverfahren für Eidesverweigerer aus Gewissensgründen aufzunehmen? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Sie haben mich völlig richtig verstanden, Herr Kollege Schmude; ich würde das auch für falsch halten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn die bloße Mitteilung solcher Gewissensgründe genügt, ist dann noch eine Regelung praktikabel, die gleichwohl im Prinzip die Beibehaltung des Eides vorsieht? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Das wird geprüft werden müssen, weil durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich neue und veränderte Umstände eingetreten sind. Dabei muß man berücksichtigen, daß wir durch diesen Beschluß des Verfassungsgerichts natürlich veranlaßt und gezwungen sind, auch im Strafgesetzbuch die Eidesdelikte zu verändern.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, bei ihrer Prüfung ein Verfahren in Betracht ziehen, das etwa als Verpflichtungsverfahren zur besonders wahrheitsgemäßen Aussage bezeichnet werden könnte und ohne spezielle Beteuerungsformel des Zeugen oder Sachverständigen diesem die gesteigerte Wahrheitspflicht auferlegt? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Ich meine, wir müssen eine Beteuerungsformel finden, die den Zeugen oder Sachverständigen veranlaßt, in besonderer Weise den Wahrheitsgehalt seiner Aussage zu beteuern.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich an Stelle einer Bitte die Frage noch einmal so formulieren, ob von der Bundesregierung nicht wenigstens in Betracht gezogen werden wird, von einer Beteuerung ganz abzusehen und statt dessen ein besonderes Verpflichtungsverfahren zur wahrheitsgemäßen Aussage vorzusehen? Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Schmude, wir sind erst am Beginn unserer Überlegungen, und wir werden Ihre als Frage formulierte Bitte selbstverständlich in unsere Erwägungen mit einbeziehen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Varelmann auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Bundesversicherungsamt weiterhin hartnäckig bei den Landesversicherungsanstalten darauf drängt, die Dritte Bemessungsverordnung zu beachten - dies würde z. B. bei der LVA Oldenburg-Bremen zu einer Haushaltskürzung von 4 Millionen DM führen -wodurch die Streichung bzw. Kürzung der Beihilfe für Zahnersatz ausgelöst wird, und ist diese soziale Schlechterstellung im Zeitpunkt der Hochkonjunktur und höherer Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung vertretbar? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs würde ich beide Fragen gern gemeinsam beantworten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden! Dann rufe ich auch die Frage 38 des Abgeordneten Varelmann auf: Ist die Bundesregierung bereit, die veränderte Finanzlage der Rentenversicherung durch die Dritte Bemessungsverordnung vom 26. Oktober 1971 so zu ändern, daß die Landesversicherungsanstalten ihren Aufgaben gerecht werden können und nicht zum Abbau ihrer Leistungen gezwungen werden? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, der Gesetzgeber sah sich auf Grund der Verhältnisse vor Erlaß des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes veranlaßt, dafür zu sorgen, daß sämtliche Versicherungsträger der Rentenversicherung der Arbeiter gleichmäßig mit den Finanzmitteln ausgestattet werden, die notwendig sind, um die Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen sicherzustellen. Die Bemessungsverordnungen dienen daher gerade dem Ziel, einen Abbau von Leistungen durch einzelne Anstalten zu verhindern. Bei Erlaß der bisherigen Bemessungsverordnungen wurden besondere Aufwendungen, die aus einer Erweiterung der Aufgaben der Versicherungsträger oder durch Verwaltungsmehrarbeit entstanden, ebenso berücksichtigt wie die Entwicklung der Beitragseinnahmen. Deshalb sind die in sämtlichen Bemessungsverordnungen für das kommende Kalenderjahr ausgewiesenen Beträge im Hinblick auf die Entwicklung der Beitragseinnahmen in der jeweils folgenden Bemessungsverordnung aktualisiert worden. Diese Aktualisierung hatte im übrigen bisher zur Folge, daß die Versicherungsträger im allgemeinen Mittel in einer Höhe zur Verfügung hatten, die nicht in vollem Umfang benötigt wurde. Bis zum Erlaß der Vierten Bemessungsverordnung, die zur Zeit in meinem Hause vorbereitet wird, haben sich sämtliche Versicherungsträger in dem von der Dritten Bemessungsverordnung gesteckten Rahmen zu bewegen. Dafür hat, wie ich bereits auf Ihre frühere Anfrage in der Fragestunde am 24. Februar dieses Jahres deutlich gemacht habe, im Falle der LVA OldenburgBremen das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde Sorge zu tragen. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich noch folgendes anfügen. Die Vierte Bemessungsverordnung wird - das ist heute schon abzusehen - den für das Jahr 1972 festgelegten Gesamtbetrag infolge der steigenden Beitragseinnahmen erhöhen. In welchem Umfang dadurch der finanzielle Spielraum einzelner Versicherungsträger erweitert wird, läßt sich erst nach Abschluß der für den Erlaß der Vierten Bemessungsverordnung vorgeschriebenen Anhörung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger Parlamentarischer Staatssekretär Rohde verbindlich feststellen. Mit dem Erlaß der Vierten Bemessungsverordnung ist - wie in den Vorjahren - nach der ersten Sitzung des Bundesrates nach der Sommerpause zu rechnen, da die Verordnung der Zustimmung dieses Organs bedarf.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage!

Franz Varelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002362, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind die Träger der Rentenversicherungen zur Zeit verpflichtet, den Krankenkassen davon Kenntnis zu geben, daß zu befürchten ist, daß die Zuschüsse für Zahnersatz nicht in voller Höhe gezahlt werden können? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich habe in der Fragestunde am 24. Februar dieses Jahres zu den Fragen des Zahnersatzes ausführlich Stellung genommen und auch darauf hingewiesen, daß es sich hierbei um Aufgaben und Fragen handelt, die von der Selbstverwaltung zu entscheiden sind.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Franz Varelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002362, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, die Selbstverwaltung ist ja aber gezwungen, sich im Rahmen der Richtlinien zu bewegen. Wenn man nun erkennt, daß nur beim Zahnersatz eine Kürzung möglich ist, ist damit der Spielraum der Handlung doch sehr eingeschränkt. Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Das weiß ich eben nicht. Zu Ihrer Annahme, daß der Versicherungsanstalt, die Sie im Auge haben, nur eine Kürzung beim Zahnersatz möglich ist, könnte ich nur Stellung nehmen, wenn Sie Unterlagen beibrächten, aus denen ich dies im einzelnen ersehen könnte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Franz Varelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002362, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß verschiedene Krankenkassen auf Grund der Sachlage zu einer Beitragserhöhung gezwungen sind? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das ist ein Thema, das in einem anderen Zusammenhang zu diskutieren wäre. Das hat mit der 4. Bemessungsverordnung zur Rentenversicherung nichts zu tun.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel.

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es denkbar, daß das Bundesversicherungsamt bei der Zustimmung zum Haushalt der Landesversicherungsanstalten eine härtere Haltung einnimmt, als es einzelne Landesaufsichtsbehörden tun? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das nehme ich nicht an. Ich gehe davon aus, daß die Aufsichtsinstanzen ihre Aufgaben nach Gesetz und sonstigem Recht wahrnehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind durch die Bemessungsverordnungen die Versicherten der Landesversicherungsanstalten schlechtergestellt als die Versicherten der Bundesversicherungsanstalt? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziaordnung, Sie wissen, daß Sie mit dieser Frage in das Grundsatzthema des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz hineingeraten. Wir haben dieses Rentenversicherungs-Änderungsgesetz im Deutschen Bundestag damals mit großer Mehrheit beschlossen, um damit die Voraussetzungen für die längerfristige Finanzierung der Rentenversicherung sicherzustellen. Sie wissen aus den Ausschußberatungen, wie intensiv uns die Fragen der Bemessungsverordnung, des Finanzausgleichs und der gesamten Finanzausstattung der Rentenversicherungsträger beschäftigt haben. Ich kann dieses Thema hier nicht in allen Einzelheiten aufgreifen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Fragen 39 und 40 der Abgeordneten Frau Eilers werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dann rufe ich die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Wawrzik auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß beim Ausscheiden eines Mitglieds aus einem Organ der Selbstverwaltung der Krankenversicherung der frei gewordene Platz aus dem Bereich der Stellvertreter besetzt werden muß, oder ist es möglich, daß ein Nachfolger bestimmt werden kann, der zu den Selbstverwaltungswahlen nicht kandidiert hat? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das Selbstverwaltungsrecht enthält keine Vorschrift, daß der Nachfolger eines vorzeitig ausgeschiedenen Organmitglieds aus dem Kreis der Stellvertreter bestimmt werden muß. Zum Nachfolger kann auch jede andere wählbare Person bestimmt werden, unabhängig davon, ob sie für eine Organmitgliedschaft bereits kandidiert hat. Das Selbstverwaltungsgesetz sieht in dieser Beziehung keine Einschränkung vor.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Kurt Wawrzik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002433, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hält die Bundesregierung dieses mögliche Verfahren von der Sache her noch für richtig? 11354 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, mein Eindruck ist, um das freimütig zu sachen, daß dieses Verfahren sich seinerzeit auf Grund der Bedürfnisse der Praxis so entwickelt hat und daher auch in die Gesetzgebung eingegangen ist. Dieser mein Eindruck hat sich auch dadurch erhärtet, daß insbesondere bei den Vorarbeiten zu der jetzt dem Bundestag vorliegenden achten Novelle zum Selbstverwaltungsgesetz weder von dem in unserem Hause gebildeten Arbeitskreis „Selbstverwaltung" noch bei den Beratungen dieses Gesetzentwurfs mit den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger, den Tarifvertragsparteien und den Ländern eine Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes in dieser Hinsicht an uns herangetragen worden ist. Aber ich bin der Meinung - um das hinzuzufügen, Herr Kollege -, daß wir die von Ihnen aufgeworfene Frage im Zusammenhang mit diesem achten Änderungsgesetz bei den parlamentarischen Beratungen behandeln können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage 42 des Abgeordneten Seefeld wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage 43 des Abgeordneten Härzschel: Wieviel tödliche Unfälle gab es im vergangenen Jahr im häuslichen Bereich, und was hat die Bundesregierung zur Erforschung der Ursachen und zur Verhütung getan? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Härzschel, Sie haben zwar eine kurze Frage gestellt, aber sie betrifft ein weites Feld, und ich darf mir erlauben, etwas ausführlicher darauf einzugehen. Zahlenangaben über tödliche Unfälle im gesamten häuslichen Bereich liegen für das Jahr 1971 nicht vor. Die bisher veröffentlichten Unfallzahlen beruhen auf Erhebungen von sechs Statistischen Landesämtern, die einen Bevölkerungsanteil von 70 % der gesamten Bundesrepublik erfassen und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet worden sind. Die letzte Hochrechnung für das Jahr 1969 ergab etwa 11 000 tödliche Unfälle. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Zahl ihrer Größenordnung nach auch für das Jahr 1971 zutrifft. Exakte Angaben stehen der Eigenunfallversicherung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten am 1. April 1971 für diesen Personenkreis zur Verfügung. Danach ereigneten sich bei Schülern, Studenten und Kindern in Kindergärten vom 1. April 1971 bis zum 31. Dezember 1971 insgesamt 290 826 Unfälle, von denen 166 tödlich verliefen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung hat ein statistisches System zur periodischen Ermittlung von Unfällen im Bereich Heim und Freizeit entwickelt. Dieses System wird zur Zeit in einem Bundesland durch eine Repräsentativumfrage bei der Bevölkerung erprobt. Bei Bewährung des Systems ist eine bundesweite Umsetzung vorgesehen. Auf der Grundlage der ausgewerteten Forschungsergebnisse sollen dann weitere gezielte Unfallverhütungsmaßnahmen eingeleitet werden. Einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung der Unfälle im häuslichen Bereich liefert das Gesetz über technische Arbeitsmittel. Von unserem Hause sind inzwischen 529 Sicherheitsstandards und Regeln für technische Arbeitsmittel bezeichnet worden, durch die u. a. auch Haushaltsgeräte, Sport- und Bastelgeräte sowie Spielzeug erfaßt werden. Die sicherheitstechnischen Festlegungen, deren Katalog laufend erweitert wird, sind vom Hersteller zu beachten. Vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sind inzwischen 13 Prüfstellen für technische Arbeitsmittel anerkannt worden. Die von diesen Prüfstellen erteilten Sicherheitszeichen geben dem Verbraucher die Möglichkeit, die angebotenen Geräte in sicherheitstechnischer Hinsicht zu beurteilen. Um einer möglichen Vielfalt von Sicherheitszeichen vorzubeugen, wurde mit Unterstützung des Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im. Jahre 1972 eine Trägergemeinschaft „Sicherheitszeichen" gegründet, die ein einheitliches Sicherheitszeichen einführen und für dessen Verbreitung sorgen wird. Eine entscheidende Voraussetzung für die Einwirkung auf den außerbetrieblichen Bereich ist durch das Gesetz über die Unfallversicherung für Schüler, Studenten und Kindergärten geschaffen worden. Dadurch haben die gemeindlichen Unfallversicherungsträger echte Kompetenzen für die Unfallverhütung in diesem Bereich erhalten. Sie erarbeiten in enger Zusammenarbeit mit unserem Haus und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung Unfallverhütungsvorschriften und Richtlinien für Schulen und Kindergärten; es werden Sicherheitsbeauftragte für die Ausbildungsstätten bestellt; die Beratung und Überwachung der Ausbildungsinstitute durch die technischen Aufsichtsdienste der gemeindlichen Unfallversicherungsträger wird organisiert. Darüber hinaus wurde auf Veranlassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Arbeitssicherheit ein Arbeitskreis „Schule und häuslicher Bereich" gebildet, der die Aufgabe hat, alle Aktivitäten auf diesem Felde zu koordinieren, u. a. auch den Kontakt mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister herzustellen. Die privaten Organisationen, Arbeitsgemeinschaft „Sicherheit in Heim und Freizeit", die Aktion „Das sichere Haus" sowie die „Verbraucherzentrale Niedersachsen e. V." werden von der Bundesregierung finanziell gefördert. So hat z. B. die Arbeitsgemeinschaft „Sicherheit in Heim und Freizeit" mit diesen Mitteln eine Broschüre „Sicher leben auch daheim" herausgegeben. Ich konnte hier, Herr Kollege, nur auf einige Schwerpunkte unserer Bemühungen zur Unfallverhütung im häuslichen Bereich hinweisen. Im übrigen darf ich auf meine ausführliche Antwort in der gleichen Sache Bezug nehmen, die ich in der Fragestunde am 17. März dieses Jahres dem Kollegen Zebisch gegeben habe. Ich würde es im übrigen begrüßen, Herr Kollege, wenn Gelegenheit gegeben werden könnte, dieses wichtige Thema im sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages im einzelnen zu erörtern und zu vertiefen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, für das Angebot danke ich. Darf ich Sie fragen: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß angesichts der erschreckend hohen Zahl von tödlichen Unfällen diesem Problemkreis mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muß und daß wir detaillierteres statistisches Material benötigen? Wenn ich bedenke, welcher Aufwand im gewerblichen Bereich für die Unfallverhütung unternommen wird, bin ich der Meinung, daß wir hier noch einen sehr großen Nachholbedarf haben. Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, diese Auffassung teile ich. Es wird auch eine Aufgabe der neuen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung sein, diesem Fragenkreis besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im übrigen habe ich darauf hingewiesen, welche Anstrengungen zur Zeit gemacht werden, um zu einer besseren Statistik zu kommen und für die Zukunft aussagekräftigere Unterlagen zur Hand zu haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Kurt Härzschel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf man damit rechnen, daß die Bundesregierung dem Parlament oder dem Ausschuß in absehbarer Zeit konkrete Vorschläge vorlegt? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das werden wir im Ausschuß näher erörtern können. Im übrigen habe ich den Eindruck - das darf ich hinzufügen -, daß auch schon meine heutige Antwort eine Reihe konkreter Perspektiven für die Arbeit in diesem Bereich enthält.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 44 des Abgeordneten Dr. Früh: Ist der Bundesregierung bekannt, daß Ausbildungsbeihilfen für Landwirte, die einen anerkannten Beruf, vorab den Meister anstreben, nur zögernd oder gar nicht gewährt werden, obwohl solche Hilfen in Höhe zwischen 240 bis 522 DM in der Broschüre „Das System der sozialen Sicherheit für die deutsche Landwirtschaft" von der Bundesregierung zugesichert werden? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident, ich würde gern die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Früh gemeinsam beantworten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden! Dann rufe ich auch die Frage 45 des Abgeordneten Dr. Früh auf: Ist die Begründung verschiedener Arbeitsämter zulässig, daß eine Ausbildungsbeihilfe deshalb nicht gewährt werden könnte, weil nach dem erreichten Ausbildungsziel eine selbständige Betriebsleiterexistenz anzunehmen sei? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Die in der Broschüre „Das System der sozialen Sicherheit für die deutsche Landwirtschaft" genannten Zuschüsse werden nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes für die in der Regel erstmalige Berufsausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen gewährt. Die Heranbildung zum Meister gehört dagegen zum Bereich der beruflichen Fortbildung, die nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes mit weit höheren Leistungen in Form des Unterhaltsgeldes sowie der Erstattung der Lehrgangsgebühren, Lernmittel, Fahrkosten u. a. gefördert wird. Bisher selbständig oder unselbständig tätig gewesene Landwirte, die sich zum Landwirtschaftsmeister fortbilden wollen, erhalten diese höheren Leistungen, wenn sie anschließend eine Tätigkeit als unselbständiger Meister, z. B. als Verwalter, aufnehmen wollen. Hat allerdings ein Landwirt die Absicht, im Anschluß an die Fortbildungsmaßnahme als selbständiger Betriebsleiter tätig zu werden, handelt es sich nach Auffassung der Bundesanstalt um eine „auf die Zwecke eines Betriebes" ausgerichtete Maßnahme, die gemäß § 43 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes im allgemeinen nicht gefördert werden kann. Außerdem sind in der Mehrzahl dieser Fälle keine Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit geleistet worden; dies ist gemäß § 42 des Arbeitsförderungsgesetzes ebenfalls Voraussetzung für die Gewährung der Leistungen. Sollten Ihnen, Herr Kollege, Einzelfälle bekanntgeworden sein, die Ihrer Meinung nach zu Unbilligkeiten geführt haben, so wäre ich Ihnen für eine Mitteilung dankbar. Ich werde dann selbstverständlich eine Überprüfung der Angelegenheit in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt veranlassen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich darf Ihnen für den letzten Satz danken und möchte nur die Frage anfügen: Halten Sie es nicht für möglich, daß sich im Laufe der Ausbildung bei jemandem, der sich vorgenommen hat, selbständiger Betriebsleiter zu werden, auf Grund des oft sehr raschen Strukturwandels der Landwirtschaft am Ende herausgestellt, daß er dieses Berufsziel nicht mehr realisieren kann, so daß dann doch die Förderungsbedingungen für ihn zutreffen würden? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich bin mir des Problems bewußt. Ich darf bei aller Zurückhaltung hinzufügen, daß dies auch bereits Gegenstand der Beratungen zwischen unserem Hause und der Bundesanstalt für Arbeit gewesen ist. So ist auch mein Hinweis zu verstehen, mir Einzelfälle mitzuteilen, weil das ein Anlaß sein könnte, das Gespräch noch einmal aufzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf also davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß nicht wegen Über11356 schreitung der vorgesehenen Mittel gerade solche Fälle mit Absicht schlechter behandelt werden? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich werde diesen Gesichtspunkt in die Erörterung mit einbeziehen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage.

Martin Horstmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird es so sein, daß bei einer Ausbildung zum Selbständigen Mittel für Fortbildung und Ausbildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz nicht gewährt werden? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich habe diese Frage in meiner Hauptantwort unter Hinweis auf die betreffenden Paragraphen des Arbeitsförderungsgesetzes behandelt, aber hinzugefügt, daß darüber zwischen der Bundesanstalt, die das im einzelnen zu regeln hat, und unserem Hause gesprochen worden ist, vor allem im Hinblick darauf, daß auch solche Kursteilnehmer betroffen sein können, die vorher unselbständig tätig waren und damit zu dem Kreis der Versicherten gehört haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 46 des Abgeordneten Susset: Trifft es zu, daß Arbeitsämter umschulungswilligen Landwirten größere Schwierigkeiten in der finanziellen Förderung bereiten, wenn diese Landwirte nicht in die Berufe umschulen wollen, die in dem betreffenden Arbeitsamtsbezirk gefragt sind? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Ich würde die beiden vom Abgeordneten Susset gestellten Fragen gern gemeinsam beantworten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden! Ich rufe also auch die Frage 47 des Abgeordneten Susset auf: Hält die Bundesregierung diese Handhabung für gerechtfertigt, und ist sie der Ansicht, daß auf diesem Wege die immer wieder geforderte Strukturverbesserung in der Landwirtschaft vorangebracht wird? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Der Bundesregierung ist bisher nicht bekanntgeworden, daß die Arbeitsämter umschulungswilligen Landwirten Schwierigkeiten hinsichtlich der finanziellen Förderung bereiten. Die Bundesanstalt für Arbeit hat vielmehr wiederholt auf ihre Bemühungen hingewiesen, den umschulungswilligen Landwirten bei der beruflichen Neuorientierung zu helfen. Umfangreiche Werbeaktionen, insbesondere die in allen ländlichen Problemgebieten intensiv durchgeführte Informationsaktion „ 3W" - d. h. „Wissen, Wollen, Weiterkommen" -, machen dies deutlich. Bei der Förderung des einzelnen Landwirts sind seine persönliche Eignung und Neigung sowie die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit der Umschulung entscheidend, d. h. insbesondere welche Zukunftsaussichten der gewählte Beruf hat. Dabei werden nicht nur die in dem betreffenden Arbeitsamtsbezirk gefragten Berufe in Betracht gezogen. Die Bundesanstalt hat ihre Dienststellen vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß grundsätzlich auf das gesamte Bundesgebiet abzustellen ist. Im Einzelfall ist nach den Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt entscheidend, daß nach abgeschlossener Umschulung mit einer Arbeitsmöglichkeit in dem Gebiet zu rechnen ist, in dem der Umschüler seine beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten verwerten will oder kann. Je nach der Wahl des Berufs wird die Förderung wegen des engen Zusammenhangs zwischen beruflicher und räumlicher Mobilität gégebenenfalls auch von der Umzugsbereitschaft des Umschülers abhängen. Sollten Ihnen Fälle bekanntgeworden sein, in denen Schwierigkeiten aufgetreten sind, wäre ich Ihnen für eine entsprechende Nachricht dankbar.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dann trifft es also nicht zu, was teilweise behauptet wird, daß die Arbeitsämter in der Berufsförderung Schwierigkeiten machen, weil die einkalkulierten Mittel nicht ausreichen? Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich will von dieser Stelle aus nicht sagen, daß es nirgendwo eine Schwierigkeit bei der Bewilligung der Mittel für die Teilnahme an einem solchen Kurs gegeben hat. Deshalb auch meine Bitte, mir solche Fälle mitzuteilen, die Veranlassung zu Ihrer Frage gegeben haben. Sie können davon ausgehen, daß unser Haus der Umschulung und der Fortbildung der in der Landwirtschaft Tätigen große Bedeutung beimißt und daß wir diese Fälle ernsthaft aufnehmen werden, um ihnen nachgehen zu können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zuerst rufe ich die Frage 48 des Abgeordneten Dr. Oetting auf: Trifft es zu, daß die Bundesregierung Lastkraftwagen der Bundeswehr, die ihre Kilometerleistung bis zur Grundüberholung noch nicht erreicht haben, verschrotten und dafür neue Lastwagen einkaufen will, wenn die Grundüberholung nach Aussagen der einschlägigen Industrie den Lastkraftwagen wieder neuwertig macht und billiger ist als die Neuanschaffung? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Herr Kollege Dr. Oetting! Die von Ihnen angesprochene Grundüberholung der Lastkraftwagen ist Teil der Depotinstandsetzung. Sie dient der vorbeugenden systematischen Materialerhaltung und soll damit die Lebensdauer des Materials verlängern. Der Zeitpunkt der Grundüberholung richtet sich nach festgelegten Betriebsleistungsgrenzen, die z. B. bei dem LkW von 5 t 70 000 km und bei LkW von 10 bis 25 t 60 000 km betragen. Von diesen Grenzen wird nur dann abgewichen, wenn die Instandsetzung Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan nach dem Urteil der zuständigen Instandsetzungsfachleute wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist. Dies trifft fast nur bei Unfallfahrzeugen zu. Voraussetzung für die Aussonderung von Lastkraftwagen der Bundeswehr - damit komme ich zum Kern Ihrer Frage - ist das Vorliegen des Gutachtens einer Aussonderungskommission, in dem die Instandsetzungswürdigkeit des Fahrzeugs ausdrücklich verneint werden muß. In diesem Gutachten werden u. a. der Zustandswert des Fahrzeugs und die Instandsetzungskosten berücksichtigt. Die Bewertung dieser Einzelfaktoren stellt sicher, daß einerseits eine schadensbedingte Aussonderung in den Fällen unterbleibt, wo die Instandsetzung noch wirtschaftlich ist, und andererseits Vermögensschäden des Bundes durch unwirtschaftliche Aufwendungen vermieden werden. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, künftig von diesen Aussonderungsgrundsätzen abzuweichen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Dr. - Ing. Hermann Oetting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001638, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen schriftlich oder jetzt hier im Hause -, aus welchen Personen sich diese Gutachterkommission zusammensetzt und unter welchen Umständen sie tätig wird? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich werde Ihnen das schriftlich mitteilen. Ich habe hier die Durchführungsbestimmungen für die Depotinstandsetzung und das komplizierte Formular, auf welchem das Gutachten verfertigt wird. Ich kann Ihnen im Moment nicht im einzelnen sagen, wie sich die Kommission zusammensetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage.

Walter Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002020, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist nicht zu befürchten, daß die Aussonderungsanforderungen seitens der Kommission zu großzügig ausgelegt werden? Sollte man hier nicht auch einmal die Herstellerfirma hören und deren fachmännischen Rat dazu gleichfalls zur Kenntnis nehmen? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich meine, die Herstellerfirmen sollten wir nicht hören. Aber wir haben einen Beraterkreis von Sachverständigen aus Firmen - Sie werden es mir ersparen, hier die Namen und die Firmen zu nennen -, der uns in diesen Fragen zureichend berät. Die Industrie ist also vertreten. Zum anderen muß ich Ihnen sagen: es handelt sich hierbei um Fahrzeuge, die zum großen Teil länger als zehn Jahre, zu einem Teil 15 Jahre gefahren werden. Ziehen Sie einmal den Vergleich zu Lastkraftwagen der Industrie oder des Transportgewerbes: Sie wissen, daß derartige Fahrzeuge nach sieben, acht Jahren abgeschrieben sind und ausgemustert werden. Ich weiß natürlich den Hintergrund der Frage sehr wohl zu würdigen. Aber die in der Fragestunde gebotene Zurückhaltung legt es mir auf, hier nicht so deutlich zu antworten, wie ich gern möchte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Cantzler auf: Welche Gründe hindern die Bundesregierung, die Sanitätsoffiziere der Bundeswehr ({0}) dienstgradmäßig ihrer Besoldungsgruppe entsprechend ({1}) einzustufen, obgleich bekannt ist, daß der Fehlbestand an Sanitätsoffizieren zum Teil auf diese unsachgemäße Einstufung zurückzuführen ist, und obgleich weiter bekannt ist, daß bei den Ärzten des Bundesgrenzschutzes mit Erfolg eine solche Regelung - Dienstgrad = Besoldungsgruppe - geschaffen worden ist? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Cantzler, die Möglichkeiten, die Sanitätsoffiziere künftig mit den Dienstgradabzeichen zu versehen, die auch ihrer Besoldungsgruppe entsprechen, werden zur Zeit untersucht. Nach dem vorläufigen Untersuchungsergebnis ist in Aussicht genommen, daß Stabsärzte künftig die Dienstgradabzeichen eines Majors und Oberstabsärzte die Dienstgradabzeichen eines Oberstleutnants erhalten, während Oberfeldärzte wie bisher die Dienstgradabzeichen eines Oberstleutnants tragen werden, jedoch durch ein modifiziertes Laufbahnabzeichen deutlich kenntlich gemacht werden sollen. Die Bundesregierung hofft, auch hierdurch einen weiteren Anreiz für den Sanitätsdienst der Bundeswehr zu schaffen, hier insbesondere für die Sanitätsoffizierslaufbahn. Ich darf abschließend darauf hinweisen, daß die Verwirklichung der in Aussicht genommenen Regelung der Genehmigung des Herrn Bundespräsidenten bedarf.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage.

Roland Cantzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000320, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wann wird die Untersuchung zu Ende geführt sein? Die Untersuchungen laufen ja schon sehr lange. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann die Untersuchung zu Ende geführt ist, weil dabei viele Personen und Gruppen gehört werden. Dienstgradabzeichen und Uniformen - das werden Ihnen die Kollegen des Verteidigungsausschusses mitteilen - sind ein abendfüllendes Thema. Sie wissen, daß wir für die Ärzte jetzt gerade die Regelung getroffen haben, daß sie ihr besonderes Kennzeichen offen auf der Schulter tragen. Ich glaube zwar, daß wir alsbald - ich habe gelernt, daß das heißt: ohne schuldhafte Verzögerung - die Untersuchung abschließen; ich möchte mich aber auf keinen Termin festlegen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein.

Botho Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001928, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie bei diesen Untersuchungen nicht auch die Erfahrungen, die beim Bundesgrenzschutzgesetz vorgelegen haben, mit verwerten? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Diese Erfahrungen werden ununterbrochen mit verwertet, da wir in diesen Fragen sehr gute Querverbindungen zu dem Innenminister haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hellige.

Dr. Walther Hellige (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000858, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, warum führt man bei uns nicht die Dienstgradbezeichnungen des Heeres mit Zusatz ein, wie es in vielen anderen Armeen geschieht, also: Major der Medizin, Oberst der Intendanz, General der Zahnheilkunde? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr geehrter Herr Dr. Hellige, der Vorschlag ist sehr interessant und wird sicher bei den Debatten eine Rolle spielen. Ich muß Sie allerdings auf folgendes aufmerksam machen. Unsere Armee hat auch eine Tradition, und die Sanitätsoffiziere hatten bei uns die gegenwärtigen Bezeichnungen schon zu Kaisers Zeiten. Ich weiß natürlich, daß Sie jetzt auf den Ausnahmezustand verweisen. Ich kann nicht ganz einsehen, Herr Dr. Hellige, warum wir alles von anderen Armeen absehen sollten. Ich könnte Ihnen ein paar Beispiele nennen, bei denen Sie als Abgeordneter sagen würden: Dies guckt lieber nicht ab. Ich möchte Ihnen jetzt die betreffende Nation nicht nennen; aber ich kenne eine Armee, die nur etwa ein Fünftel soviel Soldaten hat wie die Bundeswehr, aber zehnmal so viele Generale. Ich bin ganz sicher, wenn ich diesen Vergleich anstellte, würde der Haushaltsausschuß mir sagen: Sie haben wohl nicht mehr alle - im Gehirn beieinander. Ich hätte mich beinahe versprochen, Herr Dr. Hellige. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Militärische Fragen scheinen es in sich zu haben. Ich rufe jetzt die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Möhring auf: Trifft es zu, daß die „Arbeitsgemeinschaft der Reservisten-, Soldaten- und Traditionsverbände in Bayern ({0})" ({1}) bei der Eröffnung des bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt vom Verteidigungskreiskommando ({2}) 652 durch militärische Organisationshilfen unterstützt wurde? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident und Herr Kollege Möhring, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich die Fragen 50 und 51 gemeinsam beantworten dürfte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden. Ich rufe zusätzlich Frage 51 des Herrn Abgeordneten Möhring auf: Wie hoch ist gegebenenfalls die Summe der Steuergelder, die sich aus Geld- und Sachaufwand des VKK 652 an die für die CSU werbende ARST errechnen läßt? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Möhring, aus Anlaß der Eröffnung des bayerischen Armeemuseums am 25. Mai 1972 in Ingolstadt hat die Arbeitsgemeinschaft der Reservisten-, Soldaten- und Traditionsverbände in Bayern - ARST - am 27. Mai 1972 einen sogenannten Soldatentag veranstaltet. Dabei hat das Verteidigungskreiskommando VKK 652 die Organisation eines Vorbeimarsches je einer Ehrenkompanie der Bundeswehr, der französischen und der amerikanischen Streitkräfte vor dem Befehlshaber des Wehrbereichs VI und dem Kommandierenden General des II. Korps übernommen. Zur Durchführung des Soldatentages wurden der ARST durch das Verteidigungskreiskommando 652 weder Sach- noch Geldzuwendungen aus dem Bundeshaushalt gegeben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe Frage 52 des Abgeordneten Pawelczyk auf: Ist die Bundesregierung bereit, bis zur Fertigstellung von Landunterkünften für Angehörige der Bundesmarine auf die Unterkunftspauschale für Bordunterkünfte zu verzichten, um einen gewissen Ausgleich für wesentlich ungünstigere Wohnbedingungen zu schaffen? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Pawelczyk, ich darf zunächst kurz auf folgendes hinweisen: Zur Zahlung einer Unterkunftspauschale werden nur die Soldaten herangezogen, die nicht verpflichtet sind, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Es handelt sich mithin ausschließlich um Soldaten, die freiwillig eine Gemeinschaftsunterkunft - Land- oder Bordunterkunft - in Anspruch nehmen. Im Hinblick darauf, daß von den zirka 1 500 nichtbordpflichtigen Soldaten rund 1 100 im Heimathafen an Land wohnen, sind von der Zahlung einer Unterkunftspauschale für eine freiwillig in Anspruch genommene Bordunterkunft etwa 400 Soldaten betroffen. Sie haben natürlich recht, Herr Kollege, wenn Sie darauf hinweisen, daß es nicht befriedigend ist, für eine Bordunterkunft noch eine Unterkunftspauschale zahlen zu müssen. Das Bundesministerium der Verteidigung ist aber an die Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung gebunden, wonach auch eine Bordunterkunft einen Sachbezug darstellt, der im Regelfall nur gegen angemessenes Entgelt gewährt werden darf. Eine Lösung dieses Problems wird letztlich nur dann möglich sein, wenn genügend Landunterkünfte zur Verfügung stehen. Wann dies der Fall sein wird, kann ich im Moment leider noch nicht sagen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß die Bordunterkunft nicht mehr als Gemeinschaftsunterkunft angesehen wird? Auf diesem Wege könnte man auch finanzielle Erleichterung für diese Erschwernis anbieten. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Pawelczyk, darauf kann ich nicht hinwirken, weil wir an die Haushaltsordnung und an die Ordnungen, die sich an die Haushaltsordnung anschließen, gebunden sind. Die Frage der Bordunterkunft ist ausdrücklich geregelt. Ich verweise Sie darauf, daß bei der Regelung dieser Frage der Finanzminister, der ein entscheidendes Wort mitzusprechen hat, in etwa folgendes formuliert hat: „Ich halte es deshalb nicht für vertretbar, auf ein Entgelt für die Bordunterkunft auf Kriegsschiffen zu verzichten und das Entgelt bei der Unterkunft auf Wohnschiffen nach eigenem Ermessen des Bundesministeriums der Verteidigung abweichend von den ohnehin niedrigen Pauschsätzen festzusetzen. Die angestrebte Regelung würde einer Besoldungsverbesserung gleichkommen, die im Besoldungsgesetz keine Stütze findet und anderen Verwaltungszweigen Anlaß zur Berufung gäbe". Da der Verteidigungsminister hierfür nicht allein zuständig, sondern auf die Mitarbeit des Finanz- und des Innenministers angewiesen ist, kann ich Ihnen auf Ihre Frage keine Zusage geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die zweite Zusatzfrage.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie auch in Anbetracht der Tatsache, daß auf unabsehbare Zeit genügend Landunterkünfte nicht zur Verfügung stehen werden, nicht bereit, hier eine Initiative gegenüber dem Finanzminister zu entwickeln. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, das „auf unabsehbare Zeit" haben Sie eingeführt. Ich habe nur gesagt, ich möchte keinen Termin dafür nennen, wann zureichend Landunterkünfte zur Verfügung stehen, wann also für die 400 in Frage kommenden Marinesoldaten eine Verbesserung eintreten kann.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer. ({0}) Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich habe ja erklärt, daß ich keine Initiative ergreifen werde.

Johann Cramer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Wilhelmshaven unter Aufbietung erheblicher finanzieller Mittel vorbildliche Landunterkünfte für Marinesoldaten geschaffen worden sind, die jetzt von anderen Dienststellen für Verwaltungszwecke, also zweckentfremdet verwendet werden, und was sagen Sie dazu? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Dies steht zwar nicht im Zusammenhang mit der gestellten Frage, aber Herr Kollege Cramer, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese Fälle mitteilten. Ich würde dann der Sache nachgehen. Muß ich dabei davon ausgehen, daß dort Büros eingerichtet worden sind, oder wohnen dort Verwaltungsanstellte der Marine?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sie haben keine Zusatzfrage mehr, Herr Kollege Cramer; Sie haben nur eine. Ich rufe Frage 53 des Abgeordneten Haase ({0}) auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Aufsatz von Helmut Schelsky in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 10. Dezember 1971 „Die Strategie der Systemüberwindung", der mit dem in der Verantwortung der Redaktion stehenden Zwischentitel „Der lange Marsch durch die Institutionen" in der „Information für die Truppe", Heft 3/1972, veröffentlicht wurde, und sieht die Bundesregierung diesen Aufsatz als sachliches Material für die staatsbürgerliche Bildung der Soldaten der Bundeswehr, insbesondere der Wehrpflichtigen an? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Auch hier, Herr Präsident und Herr Kollege Haase, wäre ich dankbar, wenn ich die Fragen im Zusammenhang beantworten dürfte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 54 des Abgeordneten Haase ({0}) auf: Stimmt die Bundesregierung der Behauptung von Schelsky zu, daß die strategische Einheit „linker Radikalismus" von der Deutschen Kommunistischen Partei und ihrer universitären Unterorganisation „Spartakus" über die verschiedensten anarchistischen Gruppen bis hin zur Führung der Jungsozialisten ({1}) und gewichtigen Teilen der Jungdemokraten ({2}) reicht und daß „diese Strategen legal handeln, wenn auch ihre Legalität der Hitlers vor der Machtergreifung entspricht", und sieht nicht die Bundesregierung die Gefahr, daß ein Abgleiten weiterer Teile der jungen Generation in Richtung auf den Anarchismus durch derartige diffamierende Pauschalierungen in einem politischen Informationsorgan des Führungsstabs mit Nachdruck gefördert wird? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Veröffentlichung von Aufsätzen in der „Information für die Truppe" ist Bestandteil der Informationsarbeit, die mit dem Ziel der staatsbürgerlichen Unterrichtung in der Bundeswehr seit Jahren geleistet wird. Dazu gehört auch die Veröffentlichung von Diskussionsbeiträgen, auf die eine kontroverse Reaktion erwartet werden muß; denn die Einübung der Diskussionsfähigkeit ist ein elementarer Bestandteil jeder staatsbürgerlichen Unterrichtung, auch in der Bundeswehr. Von dieser Diskussion geben ein Beispiel die kritischen Beiträge zu dem von Ihnen erwähnten Aufsatz, die ebenfalls in der „Information für die Truppe" veröffentlicht worden sind. Wenn in der „Information für die Truppe", Herr Kollege, nur Texte publiziert würden, denen die Bundesregierung einschränkungslos zustimmt, so müßte sich - lassen Sie mich das etwas überspitzt Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan sagen - die politische Bildungsarbeit in der Truppe im wesentlichen auf die Wiedergabe amtlicher Erklärungen, die bereits an anderer Stelle veröffentlicht worden sind, reduzieren. Ich bin nicht der Meinung, daß durch den Abdruck derartiger Aufsätze ein Abgleiten in den Anarchismus weiterer Teile der jungen Generation gefördert wird. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß man die Kritikfähigkeit der Jugend unseres Landes nicht unterschätzen sollte. ({3})

Detlef Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000763, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in Zukunft auch bereit sind, kritische Diskussionsbeiträge aus anderer Richtung in der „Information für die Truppe" zu veröffentlichen, und darf ich gleichzeitig fragen, ob ich Ihrer Antwort entnehmen darf, daß kritische Beiträge zur Diskussion in der „Information für die Truppe" ohne Überprüfung des Sachinhalts veröffentlicht werden? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ihre zweite Frage kann ich verneinen. Natürlich überprüfen wir den Sachinhalt. Die Redaktion ist ja gerade dafür zuständig, den Sachinhalt zu überprüfen. Daß wir auch kritische Diskussionsbeiträge veröffentlichen, sehen Sie in der „Information für die Truppe" Nr. 7/72. Dort äußern sich ein Oberleutnant, ein Stabsunteroffizier der Reserve, ein Gefreiter und ein Oberstleutnant zu dem von Ihnen angeführten Aufsatz, und sie äußern sich in der Regel alle kritisch.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walkhoff.

Karl Heinz Walkhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002414, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Personen, die so argumentieren wie diejenigen, die Hitler die Machtergreifung erleichterten, nicht wieder Einfluß auf die Bundeswehr nehmen sollten, wie ihre Vorgänger, leider erfolgreich, Einfluß auf die Reichswehr genommen haben. Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich teile Ihre Auffassung. Aber ich sehe nicht ganz den Zusammenhang mit dem Aufsatz. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Professor, der diesen Aufsatz verfaßt hat, Einfluß auf die Reichswehr genommen hat. Wenn ich sein Alter richtig schätze, war er damals dazu noch gar nicht in der Lage.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ihre Frage hatte keinen Sachzusammenhang mit der gestellten Frage. - Bitte!

Jürgen Anbuhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000036, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß durch solche undifferenzierten Aussagen wie die des Herrn Schelsky die Meinung junger Soldaten in unverantwortlicher Weise manipuliert wird, wenn keine kritische Begleitung zu diesem Text von Ihrem Hause gegeben wird? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nein, das glaube ich nicht, Herr Kollege. Allerdings würde ich mich der Bewertung des Aufsatzes, die in Ihrer Frage enthalten war, zu einem Teil anschließen. Aber ich glaube, daß die Bundeswehr in der Masse von reifen jungen und älteren Soldaten besetzt ist, die durchaus selbst lesen, würdigen und werten können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß der Aufsatz von Helmut Schelsky eine Grundlage für die Diskussion eines sehr aktuellen politischen Themas bietet? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Dies habe ich gesagt, Herr Kollege. Nur, was die Bewertung des Aufsatzes angeht, so habe ich mich sehr deutlich ausgedrückt, daß ich die Meinung von Herrn Professor Schelsky in vielen Passagen des Aufsatzes nicht teile.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wird die Redaktion dem Vorstand der Jungsozialisten, der immerhin einen beträchtlichen Teil einer der beiden Regierungsparteien mit repräsentiert, Gelegenheit geben, die falsche Behauptung, es bestehe eine strategischne Einheit, differenziert zu widerlegen und insbesondere darzulegen, wie entschieden und energisch sich die Jungsozialisten etwa von den Anarchisten in der Bundesrepublik unterscheiden? Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Matthöfer, ich bin nicht sicher, ob die Jungsozialisten diesen Versuch unternommen haben. Ich jedenfalls werde mich, solange ich mein Amt ausübe, hüten, in die Freiheit von Redaktionen einzugreifen. Das wäre auch nicht deckungsgleich mit dem Programm der Partei, der ich angehöre. Ich bin aber ziemlich sicher, daß die Redaktion dieses Blattes erfreut sein würde, wenn sich Jungsozialisten äußerten. Ob sie dies differenziert oder undifferenziert tun, vermag ich nicht zu sagen. Ich wäre froh, wenn es zu einer Diskussion käme. Ich gehe davon aus, daß sich unter den Jungsozialisten Frauen und Männer oder junge Mädchen und junge Männer finden, die sich wehren und ihre Auffassung darlegen können. Ich bin gespannt, ob sie den Versuch dazu unternehmen werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, zunächst zur Frage 55 des Abgeordneten Müller ({0}) : Vizepräsident Dr. Schmid Auf welche Weise will die Bundesregierung der berechtigten Klage der deutschen Familienorganisationen im Land Berlin Rechnung tragen, wonach ,,die Leistungen des Familienlastenausgleichs" seit 1964 im wesentlichen unverändert geblieben, während die Lebenshaltungskosten jedoch ständig gestiegen sind, so daß „die Kaufkraft des Kindergeldes - gemessen am Lebenshaltungsindex aller privaten Haushalte - sich in der Zeit von 1964 bis Ende 1971 um rd. 27 Prozent verringert hat"? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Kollege Müller, ich würde gern Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworten. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Einverstanden! Dann rufe ich noch die Frage 56 des Abgeordneten Müller ({0}) auf: Hält die Bundesregierung es für vertretbar daß die harte Benachteiligung insbesondere der Mehr-Kinder-Familien bis zu einer noch nicht absehbaren Neuregelung des Familienlastenausgleichs bestehenbleibt oder sogar noch härter wird? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ihre Annahme, die Leistungen des Familienlastenausgleichs seien seit 1964 im wesentlichen unverändert geblieben, ist nicht zutreffend. Die im Jahre 1970 von der Bundesregierung vorgeschlagenen und vom Bundestag verabschiedeten Kindergeldverbesserungen hatten eine Ausweitung des Jahreskindergeldvolumens um rund 13 v. H. zur Folge. Diese wesentliche Verbesserung, die etwa 670 000 Familien neu anspruchsberechtigt für ein Kindergeld machte und eine Aufstockung des monatlichen Kindergelds für das dritte Kind um 10 DM brachte, erfolgte bereits im ersten Jahr der Tätigkeit dieser Bundesregierung. Es wurden dafür 400 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt. Das war doppelt soviel, wie die vorhergehende Regierung in ihrer Finanzplanung erst für ein späteres Jahr vorgesehen hatte. Es muß zugegeben werden, daß diese wesentliche Verbesserung der direkten Kindergeldleistungen trotzdem nicht ausreichte, um den Rückstand einzuholen, der aus Mangel an Entscheidungen vorhergehender Regierungen für die Familie in den Jahren seit 1964 entstanden war. Diese Regierung hat sich vorgenommen, im Zusammenhang mit der Steuerreform eine umfassende Reform des Familienlastenausgleichs vorzulegen, die ein einheitliches und gerechteres System der Kindergeldleistungen des Staates bringt. Die Vorlagen dafür werden zur Zeit erarbeitet. Die Eckwertbeschlüsse der Bundesregierung sind bekannt. Sie bedeuten u. a., daß aus Steuermitteln in Zukunft 4 Milliarden DM jährlich mehr für direkte Kindergeldleistungen bereitgestellt werden sollen als im jetzigen geteilten System. Es liegt auf der Hand, daß die Bundesregierung nicht daneben noch weitere Veränderungen der Kindergeldleistungen im Rahmen des noch gültigen Systems vorschlagen kann, selbst wenn sie anerkennt, daß es wünschenswert wäre, besonders der größeren Familie mehr Entlastung zuteil werden zu lassen. Es kann aber darauf hingewiesen werden, daß im Rahmen der Erfüllung der Reformprogramme dieser Regierung die Familien durch andere, gezielte Sozialleistungen Hilfe zusätzlich für Kinder erhalten. Ich denke dabei insbesondere an das Bundesausbildungsförderungsgesetz und an die Leistungsverbesserungen beim Wohngeld.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen entgangen, daß ich in meiner Frage zunächst einmal nur die Auffassung der deutschen Familienorganisationen aufgegriffen habe, und zweitens aus den beiden Fragen hervorgeht, daß es sich im wesentlichen um Mehrkinderfamilien - darunter versteht man allgemein Familien mit drei und mehr Kindern - handelt? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Kollege, ich nehme gern zur Kenntnis, daß Sie sich nicht mit der Äußerung, auf die Sie Ihre Frage gestützt haben, identifizieren. Was die Mehrkinderfamilie betrifft, habe ich darauf schon eine Antwort gegeben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir widersprechen, wenn ich sage, daß der relative Wert der Familienlastenausgleichsleistungen gemessen an der allgemeinen Einkommensentwicklung seit 1964 fast auf die Hälfte des damaligen Niveaus abgesunken ist und darunter gerade die Mehrkinderfamilien, die kinderreichen Familien, besonders leiden? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Kollege Müller, ich kann Ihre Berechnungen jetzt nicht aus dem Handgelenk nachprüfen. Mir erscheint die Differenz, von der Sie gesprochen haben, einfach als zu groß.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten Sie zwar die Klagen der Familienverbände für berechtigt, sehen sich aber nicht in der Lage, bis zur Neuregelung, die mit der Einkommensteuerreform zusammenhängt, etwas zugunsten der Mehrkinderfamilien zu tun. Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Kollege Müller, es ist richtig, daß wir es für wünschenswert halten, den größeren Familien etwas mehr zu geben. Die Tatsache, daß wir - auch für die größere Familie - ein gerechteres System mit besseren Leistungen vorbereiten, hindert nicht, zwischendurch auch noch Vorschläge auf der Basis des jetzigen Systems zu machen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Letzte Zusatzfrage.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie denn in etwa angeben, zu welchem Zeitpunkt die Bundesregierung diese Neuregelung, die von Ihnen gemeinte bessere Regelung, nicht nur beabsichtigt, sondern Aussicht auf Verwirklichung hat? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Es gibt keine Gründe anzunehmen, daß die Bundesregierung ihre Vorlagen zur Steuerreform - die dritte auf diesem Gebiet, wie Sie wissen, zwei Vorlagen liegen dem Hause bereits vor - nicht zu dem Zeitpunkt einbringt, den sie genannt hat, nämlich nach Ende der Sommerpause.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage.

Maria Stommel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002260, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für etwas problematisch, wenn Sie in der augenblicklichen politischen Situation hinsichtlich der Reform des Familienlastenausgleichs den Familien Erleichterungen in Aussicht stellen, ohne dabei zu erwähnen, daß bei den sogenannten Eckwerten die Steuerfreibeträge fortfallen, daher die Familien am Ende weniger bekommen, als sie erwarten, und sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß unsere Anträge zur Erhöhung des Kindergeldes der Mehrkinderfamilie im Rahmen des Haushalts eine Erleichterung und eine Aufstockung ermöglicht hätten? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Frau Kollegin Stommel, das waren praktisch zwei Fragen. Zur ersten antworte ich, daß ich Ihre Auffassung nicht teile. Zum zweiten Teil Ihrer Frage erkläre ich, daß die Bereitstellung von Mitteln auf der Basis des Gesetzentwurfs, den die Fraktion der CDU/CSU vorgelegt hat, eben nicht im Rahmen des Haushalts erfüllbar ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr von Bockelberg, eine Zusatzfrage. von Bockelberg ({0}) : Herr Staatssekretär, haben Sie begründete Hoffnung, daß das dritte Steuerreformgesetz und damit der Kinderlastenausgleich zum 1. Januar 1974 in Kraft treten kann? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß diese Frage nicht das Ressort betrifft, das ich hier zu vertreten habe. Die Bundesregierung wird ihre Vorlagen zur rechten Zeit einbringen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen erarbeitet selbstverständlich diesen Teil der Vorlagen zusammen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Chancengleichheit von Kindern aus Mehrkinderfamilien, die ohnehin noch nicht ganz gegeben war, durch die Entwicklung in den letzten Jahren weiter verschlechtert worden ist? Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ja, das trifft insbesondere für die Jahre von 1964 bis 1969 zu, und da regierte noch nicht diese Bundesregierung.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Die Fragestunde ist beendet. Wir treten in die Beratungen der noch nicht erledigten Punkte der Tagesordnung ein. Ich rufe außerhalb der Reihe den Punkt 10 auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag und dem Beschluß vom 22. Januar 1972 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwegen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, zur Europäischen Atomgemeinschaft und zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl - Drucksachen VI/3408, zu VI/3408, Nachtrag zu VI/3408 Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({0}) - Drucksache V1/3554 Berichterstatter: Abgeordneter Blumenfeld ({1}) Das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000206, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die große Bedeutung des zu verabschiedenden Gesetzeswerkes rechtfertigt es, glaube ich, daß der Berichterstatter, der Ihnen den Schriftlichen Bericht Drucksache VI/3554 vorgelegt hat, noch ein paar abschließende Worte vor dem Hohen Hause spricht. Ich darf mich aber ausdrücklich auf den Schriftlichen Bericht und die Empfehlungen, die Ihnen vorliegen, beziehen und sagen, daß der Auswärtige Ausschuß als der federführende Ausschuß neben einer Reihe weiterer mitberatender Ausschüsse das vorliegende Vertragswerk als im großen und ganzen ausgewogen und für alle Seiten akzeptabel bezeichnet hat. Besonders hervorheben möchte ich die Tatsache, daß am Inhalt der bestehenden europäischen Verträge und an dem sogenannten Folgerecht nicht gerüttelt wurde, d. h. also, daß Buchstaben und Geist der Verträge von Paris und Rom von keinem der Verhandlungspartner in Frage gestellt wurden. Dies gilt auch für die politische Zielsetzung der Europäischen Gemeinschaften, wie sie in den Präambeln der Verträge deutlich zum Ausdruck kommt. Es muß also nachdrücklich unterstrichen werden, daß sich jedes Land, welches Vollmitglied der Europäischen Gemeinschaft wird, nicht nur zur wirtschaftlichen, sondern auch zur politischen Einigung Europas bekennt. Wie Sie wissen, meine sehr verehrten Kollegen, sind zum Inkrafttreten der Beitrittsverträge außer dem parlamentarischen Ratifizierungsverfahren noch zwei Volksbefragungen, nämlich in Dänemark und in Norwegen, erforderlich. Mit großer Genugtuung kann festgestellt werden, daß sowohl das vor kurzem durchgeführte Referendum in Irland als auch die bisherigen Abstimmungen im britischen Unterhaus ausreichende Mehrheiten - in Irland sogar eine überwältigende Mehrheit - für den EWG-Beitritt ergeben haben. Wir dürfen also hier und heute unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, daß auch die beiden im Frühherbst dieses Jahres anstehenden Volksabstimmungen ein positives Ergebnis für die europäische Einigung erbringen werden. Zugleich erwarten wir, wie es auch der Bundesrat in seiner Entschließung getan hat, daß mit der Erweiterung der Gemeinschaft am 1. Januar des nächsten Jahres die zur Zeit noch ausstehenden Freihandelsverträge mit den Rest-Efta-Staaten in Kraft treten können. In dem diesem Hohen Haus vorliegenden Bericht des Auswärtigen Ausschusses wird die Aufmerksamkeit auf die Frage der Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft gelenkt. Dies erschien uns deshalb so wichtig, weil wir der Überzeugung sind, daß man in der erweiterten Gemeinschaft, in der die Arbeit nicht leichter werden wird, auf die Dauer mit der wirtschaftlichen Integration nicht vorankommen wird, wenn nicht starke und handlungsfähige Gemeinschaftsorgane mit demokratischer Kontrolle vorhanden sind und wenn nicht parallel zur Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion auch die politische Einigung vorangetrieben wird. Der Auswärtige Ausschuß hat sich u. a. auch mit der Entschließung des Europäischen Parlaments über dessen Kompetenzerweiterung zu befassen. Wir waren uns in diesem Hohen Haus auch schon bei der ersten Lesung dieser Verträge und bei anderen Gelegenheiten stets weitestgehend darüber einig, daß die Europäische Gemeinschaft ein demokratisch-parlamentarisches Defizit aufweist, das sich in dem Maße, in dem mehr Befugnisse auf die Gemeinschaft übertragen werden, noch vergrößern wird. Die Ausstattung des Europäischen Parlaments mit wirklichen Legislativ-, Haushalts- und Kontrollrechten und -befugnissen ist daher eines der Hauptanliegen auch des Deutschen Bundestages. Wir erwarten jetzt von den Regierungen der Mitgliedstaaten, daß endlich auf der Grundlage des hierzu vorliegenden Parlamentsberichts und der Sachverständigenberichte Beschlüsse gefaßt werden. ({0}) In diesem Zusammenhang darf ich abschließend ein Wort zu der für den Monat Oktober vorgesehenen europäischen Gipfelkonferenz sagen, über die gerade in den letzten Tagen - bedauerlicherweise, möchte ich persönlich hinzufügen - wieder kontrovers diskutiert wird. So notwendig eine solche Konferenz der zehn Regierungschefs in der erweiterten EWG ist, um die großen Aufgaben der Gemeinschaft im Innern und nach außen zu bewältigen, so muß dennoch nüchtern erkannt werden, daß die erforderlichen Vorarbeiten zur Zeit noch so unzureichend sind, daß eine eventuelle Verschiebung der Konferenz um einige Monate möglicherweise unumgänglich sein könnte. Uns jedenfalls erschien und erscheint es so zu sein, daß es bei der Konferenz darauf ankommt, daß ein neuer und kräftiger Impuls für das europäische Einigungswerk gegeben wird. Selbst wenn man noch zu keinen definitiven Beschlüssen über die institutionelle Entwicklung und die notwendige Änderung der Verfassungsstruktur der Gemeinschaft kommen sollte, müßte zumindest dem Europäischen Parlament der Auftrag erteilt werden, innerhalb möglichst kurzer Zeit entsprechende Vorschläge zu erarbeiten, über die die Regierungen dann ohne Verzug zu beschließen hätten. Nur so kann - auch nach Auffassung dieses Hauses und seiner Ausschüsse - die drohende Gefahr eines Zerfalls der gesamten wirtschaftlichen und politischen Einigungsprozesse in Europa gebannt werden. Herr Präsident, der Auswärtige Ausschuß als federführender Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause einmütig, dem vorliegenden Vertragswerk in Übereinstimmung mit den Voten der mitberatenden Ausschüsse zuzustimmen, dem Gesetzentwurf in den Drucksachen VI/3408 und Nachträgen unverändert zuzustimmen, der dem Hohen Hause vorliegenden Entschließung, die sich im wesentlichen mit den agrarpolitischen Fragen und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Bedeutung der Wirtschafts- und Währungsunion befaßt, zuzustimmen und die Vorlage in der Drucksache VI/3427 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.

Walter Scheel (Minister:in)

Politiker ID: 11001949

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit seiner Zustimmung zu dem Vertragswerk über die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften gibt der Deutsche Bundestag den Weg zu einem raschen Abschluß der Ratifikationsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland frei. Die Bundesregierung begrüßt dies sehr. Sie möchte bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, den mit dem Vertragsgesetz befaßten Ausschüssen - Herr Kollege Blumenfeld hat für sie gesprochen -, unter ihnen insbesondere dem federführenden Auswärtigen Ausschuß und dem Herrn Berichterstatter selbst, für ihre Mitarbeit und die zügige Beratung der Vorlage zu danken. Ohne sie wäre bei der Vielzahl der dem Hohen Hause unterbreiteten Vorlagen der heutige Beschluß sicherlich nicht möglich gewesen. Die Bundesregierung hat seit der nun fünf Monate zurückliegenden Unterzeichnung des Vertragswerkes mehrfach die Wichtigkeit eines schnellen Abschlusses des Ratifikationsverfahrens betont. Die Bedeutung, die alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften beimessen, könnte nicht besser unterstrichen werden als durch eine schnelle, sachlich unumstrittene Zustimmung dieses Hauses zu dem Vertragsgesetz. In den künftigen Mitgliedländern der Gemeinschaft sind die Ratifikationsverfahren noch nicht abgeschlossen. In zwei von ihnen ist die Frage des Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften noch Volksbefragungen unterworfen. Ihnen könnte ein frühzeitig und mit überwältigender Mehrheit angenommenes Vertragsgesetz überzeugend deutlich machen, wie großen Wert wir auf ihren Beitritt legen und wie sehr sie uns in der Gemeinschaft willkommen sind. Nach den Erfolgen der Befürworter des Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften in Großbritannien und dem Ergebnis der Volksabstimmung in Irland, das selbst optimistische Erwartungen noch übertroffen hat, angesichts der zunehmenden Zahl der Befürworter eines Beitritts in den skandinavischen Ländern ist die Bundesregierung allerdings zuversichtlich, daß auch die noch ausstehenden Volksbefragungen ein positives Echo haben werden. Gerade die Auseinandersetzungen um Für und Wider des Beitritts in den neuen Mitgliedländern, die wir in jüngster Vergangenheit erlebt haben und die zum Teil noch andauern, zeigen die historische Bedeutung dieses Ereignisses, das am 1. Januar 1973 Wirklichkeit werden soll. Ein Blick zurück auf die Bemühungen um die Erweiterung der Gemeinschaft im letzten Jahrzehnt unterstreicht ihr Gewicht. Die neuen Mitgliedstaaten treten der Gemeinschaft zu einem Zeitpunkt bei, in dem der Gemeinsame Markt vollendet ist. Sein Ausbau zur Wirtschafts- und Währungsunion und die politische Zusammenarbeit haben begonnen. Die Beitrittsländer werden die nächste, für die Vollendung des europäischen Einigungswerks so wichtige Phase der weiteren nicht nur wirtschaftlichen Integration mitgestalten. Sie werden ihre politischen Erfahrungen und Vorstellungen über die innere und äußere Entwicklung der Gemeinschaft für uns alle nutzbar machen. Diese vor allem qualitative Erweiterung der Gemeinschaft wird sich auch auf die politische Rolle auswirken, die ein geeintes, im Inneren stabiles und fortschrittliches Europa spielen kann, das nach außen seine Stellung als größter Handelspartner der Welt nicht verleugnet. Die Bundesregierung hat bereits jetzt, nur kurze Zeit nach dem Beginn der gleichberechtigten Beteiligung der Beitrittsländer an der politischen Zusammenarbeit einen ermutigenden Eindruck von diesem qualitativen Wandel gewonnen. Das in der zukünftigen Gemeinschaft der Zehn zusammengefaßte Europa wird schon heute in der Welt von den anderen immer deutlicher als Einheit gesehen. Es ist schon heute durch sein besonderes Eigengewicht politischer geworden, als es die Sechsergemeinschaft je gewesen ist. Die erweiterte und auf dem Weg der Einigung fortschreitende Gemeinschaft hat die Chance, den Platz in der Welt einzunehmen, der ihr auf Grund ihres wirtschaftlichen, technologischen und politischen Potentials zukommt. Er müßte leer bleiben, hätten wir alle nicht die Konsequenzen aus der Vergangenheit gezogen. Die Erweiterung wird die neue Gemeinschaft allerdings auch vor Fragen stellen, deren Lösung manchem schwieriger erscheinen wird, als dies bei nur sechs Mitgliedstaaten vielleicht der Fall gewesen wäre. In gewissen Bereichen müssen wir mit Anpassungsschwierigkeiten rechnen. Eine noch größere Zahl von Interessen muß in Übereinstimmung gebracht werden. Die Bundesregierung ist in dieser Hinsicht jedoch zuversichtlich; nicht nur die Verhandlungsführung der Beitrittsländer, sondern vor allem die Art ihrer bisherigen Mitarbeit im politischen Bereich rechtfertigen diese Zuversicht. Sie vermitteln uns die Gewißheit, daß diese Nationen den festen Willen haben, den Anforderungen gerecht zu werden, die an eine in neue Dimensionen hineinwachsende Gemeinschaft von den sie tragenden Völkern und von der Welt gestellt werden. Diese Entwicklung soll nach dem Willen der Bundesregierung vor allem durch die Straffung der Arbeitsweise der Gemeinschaftsorgane und durch den Ausbau ihrer Befugnisse gefördert werden. Eine verstärkte parlamentarische Kontrolle muß damit Hand in Hand gehen. Wir stehen jetzt in den Vorbereitungsarbeiten einer Gipfelkonferenz. Sie soll den Völkern Europas den Weg zur Einheit unseres Kontinents weisen. Um diesen Weg erfolgreich zu beschreiten, müssen alle in gleichem Maße ihren Beitrag leisten. Jedes Land in Europa hat seine Idealvorstellungen von der europäischen Gemeinschaft der Zukunft, doch keines wird in der politischen Wirklichkeit diese Vorstellungen uneingeschränkt durchsetzen können. Dies gilt für alle Gebiete, für die Wirtschafts- und Währungsunion, die Definition der Außenbeziehungen der Gemeinschaften, für die politische Zusammenarbeit und die zu entwickelnden Institutionen. Das Europa, das mit einer Stimme spricht, wird nur als Ergebnis fairer Kompromisse in allen Bereichen entstehen. Ein Ausgleich unter den Zehn ist unumgänglich. Die Bundesregierung wird sich konstruktiv daran beteiligen. Sie will mit dafür sorgen, daß jetzt bald ein Prozeß in Gang kommt, der Schritt für Schritt, jedoch ohne Unterbrechungen zur europäischen Einheit führt. Die Grundsatzentscheidung für die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften hat der Deutsche Bundestag bereits anläßlich seiner Zustimmung zu den Römischen Verträgen getroffen. Er hat sie seitdem in mehreren Entschließungen wiederholt. Das vorliegende Vertragswerk stellt einen ausgewogenen Kompromiß auf der Linie der Entschließungen des Deutschen Bundestages dar. Zu diesem Verhandlungsergebnis hat die Bundesregierung durch ihre Bemühungen seit der Haager Konferenz entscheidend beigetragen. Es stellt keinen Abschluß, sondern den Anfang einer neuen Epoche in der Entwicklung der Gemeinschaft dar. Die BundesregieBundesminister Scheel rung wird auch in Zukunft ihren Beitrag zur entschlossenen Fortführung des europäischen Einigungswerks leisten. Meine verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, dem vorliegenden Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundestagsfraktion der CDU/CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben. Wir begrüßen die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften durch den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks, Norwegen und Irlands. Sie stellt eine entscheidende Weichenstellung in den historischen Beziehungen zwischen den europäischen Staaten dar und eröffnet unserer freiheitlichen und demokratischen Staatengemeinschaft in Westeuropa eine neue Perspektive. Kein Europäer wird die Bedeutung dieses Vorganges unterschätzen können. Der erfolgreiche Verlauf der Beitrittsverhandlungen zwischen den alten und den neuen Mitgliedern der Gemeinschaft ist das herausragende Ergebnis der Gipfelkonferenz, die im Dezember 1969 auf Anregung des französischen Staatspräsidenten Pompidou zustande gekommen und die auf unserer Seite von der Großen Koalition vorbereitet worden war. Es ist angebracht, an dieser Stelle daran zu erinnern, daß Frankreich in den Jahren vorher die verschiedenen Anläufe zur Erweiterung der Gemeinschaft verhindert hatte. Diese Feststellung treffe ich ohne Bewertung. Es gab aus französischer Sicht immer Gründe dafür. Um so höher dürfen wir veranschlagen, daß Staatspräsident Pompidou den Weg für die Erweiterung freigab. ({0}) Er tat ein Weiteres, indem er durch das Referendum über die Erweiterung eine europäische Tatsache, eine irreversible Tatsache geschaffen hat: Das Ja Frankreichs zum vereinigten Europa ist vom französischen Volk selbst in aller Form bestätigt worden. Die vier neuen Mitglieder der Gemeinschaft treten den europäischen Verträgen - so wie sie sind - bei. Sie haben ihre politische Zielsetzung, die in der Präambel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ihren Ausdruck findet, ebenso akzeptiert wie das seit Vertragsbeginn eingetretene Folgerecht und die hinsichtlich des Ausbaus der Europäischen Gemeinschaft getroffenen Entscheidungen. Der „feste Wille", wie es in der Präambel heißt, „die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen", bleibt die Geschäftsgrundlage für die Mitgliedschaft ebenso wie für alle gemeinschaftlichen Aktivitäten. Die Staats- und Regierungschefs haben anläßlich der erwähnten Gipfelkonferenz im Dezember 1969 festgestellt: Die Europäischen Gemeinschaften sind unbestritten der Urkern, aus dem die europäische Einheit sich entwickelt und ihren Aufschwung genommen hat. Dieser Satz wird durch den Beitritt Großbritanniens und der anderen neuen Mitglieder bestätigt. Er bleibt auch für die Zukunft gültig. Diese Aussagen geben aber hier im Hause Anlaß zu der Frage: Was will die Bundesregierung im Hinblick auf Europa? Ich muß hier die Sprache darauf bringen, weil unlängst aus dem Munde des Staatssekretärs des Bundeskanzleramtes, Herrn Bahr, zu hören war, daß er sich für ein Europa der nationalstaatlichen Vaterländer entschieden hat, um, wie er sagte, eine Abkehr von Osteuropa zu vermeiden. ({1}) In einem Interview mit Herrn Gaus hat er der bundesstaatlichen Idee eine klare Absage erteilt. Dies bedeutet die Aufgabe des politischen Zusammenschlusses Westeuropas zugunsten dessen, was in Kreisen der Bundesregierung gesamteuropäische Friedensordnung genannt wird. Ich mache kein Hehl daraus, daß zwischen dieser Einstellung und unserer Politik eine Brücke nicht möglich ist. ({2}) Wir haben uns also mit gutem Grund dafür eingesetzt, daß das Ziel der Einheit Europas und die Prinzipien seiner Gestaltung in einer Politischen Union Bestandteil der gemeinsamen Entschließung vom 17. Mai 1972 wurden. Wir haben dort festgestellt: Die Bundesrepublik Deutschland wird die Politik der europäischen Einigung zusammen mit ihren Partnern in der Gemeinschaft unbeirrt fortsetzen mit dem Ziel, die Gemeinschaft stufenweise zu einer Politischen Union fortzuentwickeln. Die Bundesrepublik Deutschland geht dabei davon aus, daß die Sowjetunion und andere sozialistische Länder die Zusammenarbeit mit der EWG aufnehmen werden. Es kommt jetzt alles darauf an, dieser Politik endlich konkrete Gestalt zu geben. Sie darf nicht in den Zwielichtigkeiten versinken, in die sie durch Äußerungen wie der soeben zitierten geraten ist. ({3}) Die Einheit des freien Europas zu vollenden, ist unsere Aufgabe, die Aufgabe der Generation, die heute die Verantwortung hat. ({4}) Dies ist keine Aufgabe späterer Generationen. Es ist zwar möglich, pragmatische Wege einzuschlagen, es ist aber völlig ausgeschlossen, nur für die Wirtschaft die Gemeinschaft und für die Politik die lockere Zusammenarbeit zu wollen. Es ist eine unaufschiebbare Aufgabe, vor der wir uns nicht drükken können; denn von ihrer Bewältigung hängt nicht nur die Wohlfahrt unseres Landes, sondern auch sein Fortschritt, seine Sicherheit und seine gesicherte Freiheit ab. Es geht darum, das freie Europa enger zusammenzuschließen; seine Organe handlungsfähiger zu machen; die Zusammenarbeit mit den USA vertraglich zu gestalten; die Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden und gleichzeitig - in Stufen - die politische Union zu erreichen. Das sich enger zusammenschließende freie Europa sollte den Staaten Ost- und Mitteleuropas einen Kontakt- und Kooperationsausschuß vorschlagen. Dies sind zugleich - aus unserer Sicht - die entscheidenden Themen der vorgesehenen europäischen Gipfelkonferenz. Die jüngsten Erklärungen des Herrn französischen Staatspräsidenten mit dem Blick auf diese Gipfelkonferenz sollten für die deutsche Politik nicht zum Vorwand genommen werden, nun selber zu wenig zu tun; sie sollten vielmehr Anlaß sein, mit Energie initiativ zu werden. ({5}) Wenn der Herr französische Staatspräsident erklärt, er wolle nicht einer Konferenz vorsitzen, auf der nur deklamiert werde, so kann doch die konstruktive Antwort der deutschen Politik darauf nur sein, selbst konkrete Initiativen öffentlich sichtbar zu ergreifen. ({6}) Das mindeste, was die Bundesregierung tun sollte, wäre, den Vorschlag des Herrn Berichterstatters aufzugreifen und sich dafür einzusetzen, daß dem Europäischen Parlament von der Gipfelkonferenz ein klar definierter Auftrag zur Ausarbeitung eines Berichts über die Fortentwicklung der Gemeinschaft erteilt wird, auf dessen Grundlage in einem späteren Stadium entsprechende Entscheidungen gefällt werden können. Wir legen Wert darauf, festzuhalten: Nur wenn wir die nationalstaatliche Konzeption hinter uns lassen, können wir die Aufgaben einer freien Gesellschaft lösen, den Weg zur Überwindung der Teilung Europas und des deutschen Volkes ebnen und das Ausscheiden Europas als geschichtliche Macht verhindern. Der Ausbau der westeuropäischen Gemeinschaft über die Wirtschafts- und Währungsunion hinaus zu einer politischen Union hat daher Vorrang. In der Gemeinschaft der freien Völker dieses Europas sehen wir den Ansatz zu einer Friedensordnung für ganz Europa. Dieser Ansatz ermöglicht eine offene Politik der Verständigung und Zusammenarbeit. Der Verzicht auf Gewalt gilt gegenüber allen Völkern. Seine vertragliche Bekräftigung gegenüber den Ländern Osteuropas muß - dies ist unser erklärter politischer Wille -- ergänzt werden durch den Ausbau politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technischer und kultureller Beziehungen. Aber diese Politik setzt die Fähigkeit und den Willen voraus, die eigene Freiheit im Rahmen des atlantischen Bündnisses zu verteidigen. Die Europäer müssen bereit sein, mit angemessenen Beiträgen zu dieser lebenswichtigen Allianz mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. ({7}) Die Voraussetzung dafür, daß dies gelingt, ist die Wirksamkeit der Institutionen und die Wirksamkeit der Verfahren der Gemeinschaft. Auch hierfür erwarten wir von der Erweiterung der Gemeinschaft neue und fruchtbare Impulse. Die parlamentarischen Erfahrungen Großbritanniens werden - dessen sind wir sicher - uns alle bereichern. Wir übersehen auf der anderen Seite nicht, welche Probleme der Beitritt von neuen Mitgliedern, die sich an die Gemeinschaftsverfahren und -regeln noch gewöhnen müssen, mit sich bringen kann. Deshalb muß hier gesagt werden: Die Erweiterung der Gemeinschaft könnte zu leicht gewisse Kräfte dazu verleiten, z. B. unter dem Vorwand, daß die neuen Mitglieder nicht überfordert werden dürfen, eine Lockerung der institutionellen Bindungen anzustreben und die Verwirklichung einer politischen Union auf später zu vertagen. Einer solchen Tendenz muß auf jeden Fall und mit aller Deutlichkeit entgegengewirkt werden. ({8}) Vielleicht wird - dies kann keiner leugnen - die Funktionsfähigkeit der europäischen Institutionen in der Zehner-Gemeinschaft erschwert sein; denn es ist leichter, sich zu Sechst zu einigen - das war schon schwer genug - als zu Zehnt. Das aber ist ein zusätzlicher Grund für die Stärkung und die Weiterentwicklung der Institutionen, für die Vertiefung der Gemeinschaft. Dazu gehört, daß diese Gemeinschaft, wie angedeutet, international Gesicht und Gewicht gewinnt, indem sie zugleich nach außen ihre Beziehungen regelt und nach innen entscheidungskräftiger wird. Für alle europäischen Staaten sind der auf freier Vereinbarung bestehende Zusammenschluß und die in den europäischen Institutionen organisierte Zusammenarbeit der einzige Weg zur Selbstbehauptung und zur Verwirklichung der Freiheit. Wir meinen: im freien Europa liegt unsere Zukunft, - wenn sie gut sein soll! Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gebe ich folgende Erklärung ab. Als Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 kategorisch forderte - ich zitiere -: „die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft muß kommen. Sie, die Gemeinschaft, braucht Großbritannien ebenso wie die anderen beitrittswilligen Länder", wurden vielerorts Zweifel laut. Schon zweimal war die Erweiterung der EWG am französischen Veto gescheitert. Doch der Optimismus wie die Beharrlichkeit und der Einsatz der Bundesregierung halfen mit, daß die EWG das sich selbst gesteckte Ziel erreichte. Die Ratifizierung des Vertrages zum Beitritt Dänemarks, Großbritanniens, Irlands und Norwegens zu den Europäischen Gemeinschaften wenige Wochen nach der Ratifizierung der Ostverträge durch den Deutschen Bundestag setzt ein weiteres Zeichen für die für unser Land so erfolgreiche Außenpolitik der sozialliberalen Koalition. ({0}) Unsere Friedespolitik gegenüber Osteuropa wie die Erweiterung und die Festigung der westeuropäischen Integration sind untrennbare Elemente einer einheitlichen und mit dem Willen unserer europäischen Freunde und Nachbarn übereinstimmenden Politik. Unsere Ostpolitik liegt nicht nur im wohlverstandenen Interesse unseres Landes und seiner Bürger, sie war und bleibt auch eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Fortgang der westeuropäischen Integration. Der Deutsche Bundestag erklärt heute seine Zustimmung zur Erweiterung der EWG. In Großbritannien stehen noch Abstimmungen im Unterhaus, in Dänemark und Norwegen noch Volksabstimmungen aus, ehe diese Länder endgültig zur Gemeinschaft gehören. Die deutschen Sozialdemokraten mischen sich nicht in die demokratische Willensbildung unserer Nachbarn ein. Wir verweisen jedoch unsere Nachbarn und Freunde auf Übergangsfristen und Anpassungsregelungen in den Beitrittsverträgen und insbesondere darauf, daß für uns Sozialdemokraten die soziale und wirtschaftliche Solidarität in der Gemeinschaft unter den Mitgliedsländern eine Selbstverständlichkeit ist. Gemeinsam lassen sich alle Schwierigkeiten besser lösen. Der Tag der Ratifizierung dieses Beitrittsabkommens im Deutschen Bundestag verlangt von uns auch einen Blick auf die noch vor uns liegenden Probleme: auf die Regelung der Beziehungen der Zehnergemeinschaft zu den westeuropäischen Ländern, die nicht Mitglied der EWG werden, auf die zukünftige Assoziations- und Präferenzpolitik der Gemeinschaft gegenüber außereuropäischen Ländern und schließlich auf das Problem der weiteren Entwicklung des Welthandels zwischen den Entwicklungsländern und der EWG sowie zwischen den Industriestaaten. Die besondere Verantwortung der Zehnergemeinschaft für schnelle und tragfähige Lösungen dieser Probleme ist unübersehbar. Die EWG kann diese Verantwortung nur dadurch tragen und erfüllen, daß wir uns alle in der EWG gemeinsam an die Arbeit machen und vor allem begreifen, daß die Lösung dieser außenwirtschaftlichen, ja, außenpolitischen Fragen der Gemeinschaft genauso dringend ist wie die europäische Innenpolitik. Es geht eben nicht nur um den Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion und ihre Flankierung durch eine Fortentwicklung der gemeinsamen Anstrengungen einer abgestimmten Industrie-, Forschungs- und Sozialpolitik, nicht nur um die Erhöhung der Effektivität der Entscheidungsprozesse der EWG und ihre demokratische Legitimation, sondern es kommt auch auf diese außenpolitischen Aspekte der Gemeinschaft an. Die EWG muß ihre außenpolitische Identität gewinnen. Im Rahmen dieser EWG-Innenpolitik kommt natürlich auch der europäischen Agrarpolitik eine spezifische und unverzichtbare Rolle zu. Deshalb stimmt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der vom Auswärtigen Ausschuß vorgelegten Resolution zu. Meine Damen und Herren, in diesen Tagen wird in den Massenmedien viel über den Termin, den Inhalt und die Erfolgschancen der für den Herbst dieses Jahres geplanten westeuropäischen Gipfelkonferenz spekuliert. Es gehört anscheinend zum guten europäischen Ton, vor derartigen Konferenzen möglichst viel zu zerreden und elegische, ja, pessimistische Stimmung zu erzeugen. Wir Sozialdemokraten beteiligen uns daran nicht. ({1}) Diese Konferenz wird natürlich ihre Probleme haben. Sie wird nicht alle hochgespannten Erwartungen erfüllen können. Aber, meine Damen und Herren, ist deshalb bereits heute Pessimismus am Platze? Sicherlich nicht! Europas Einigungswerk ist nur durch unbeirrbares Wollen und Beharrlichkeit auf der einen Seite, aber Kompromißbereitschaft auf der anderen Seite vorangekommen. Unsere Bundesregierung hat davon in den letzten Jahren ein Zeugnis abgelegt. Nur so kommen wir auch künftig weiter. Die Sozialdemokraten sind deshalb nicht der Meinung, Herr Kollege Barzel, daß die Bundesregierung öffentlich, heute und jetzt, auf dem Marktplatz ihre Vorstellungen für diese Gipfelkonferenz quasi plakativ darzustellen hat. In diesen Tagen werden Konsultationen auf den entsprechenden Ebenen stattfinden. Wir wissen, daß unsere Bundesregierung dann die entsprechenden Vorstellungen, die wir ja alle in diesem Hohen Hause gemeinsam vertreten, vortragen wird. Lassen Sie mich, Herr Kollege Barzel, bei dieser Gelegenheit eine Bemerkung zu Ihrem Zitat einer Äußerung Staatssekretär Bahrs machen. Ich muß feststellen, daß Sie Ausführungen des Herrn Kollegen Bahr aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und mißverständlich interpretiert haben. Viel entscheidender aber ist, Herr Kollege Barzel: Sie haben ja selbst darauf hingewiesen, daß dieser Deutsche Bundestag einstimmig seine Politik hinsichtlich der westlichen Integration anläßlich der von Ihnen und uns gemeinsam beschlossenen Entschließung fixiert hat. Ich erkläre zu diesem Problemkreis für meine Fraktion folgendes. Wir Sozialdemokraten wollen das vereinigte Europa. Dieses Ziel ist allerdings für uns kein Selbstzweck. Das einige Europa soll nicht den Giganten USA oder Sowjetunion ähnlich werden, seine kulturelle oder sprachliche Vielfalt verlieren oder die Rolle einer dritten Weltmacht anstreben. Der Kampf für die europäische Integration wird für uns Sozialdemokraten bei fortschreitendem Zusammenwachsen der Länder immer mehr ein Kampf um die Inhalte europäischer Politik. Demokratischer Fortschritt und sozialer Fortschritt nach innen, die Mitwirkung der EWG an einer weltweiten Friedensordnung - das sind unsere Ziele. Für uns ist die Forderung nach einem direkt gewählten Europäischen Parlament mit echten Befugnissen unverzichtbar. Für uns hat die politische Motivierung der wirtschaftlichen Integration und das Ziel der politischen Union Westeuropas niemals in Zweifel gestanden. Auch wenn wir immer wieder mit anderen europäischen Ländern Kompromisse auf dem Wege zur europäischen Integration eingehen müssen - für uns ist der Fortschritt wichtiger als der Streit um Prozeduren und Begriffe wie europäischer Staatenbund oder europäischer Bundesstaat -, heißt das doch nicht, daß wir damit ebenfalls die politischen Ziele derer, mit denen wir Kompromisse eingehen müssen, übernehmen. Heute und in diesen Wochen kommt es aber vor allem darauf an, alle Beteiligten auf Prozeduren festzulegen, die europäische Beschlüsse erleichtern. Die Organe der EWG müssen politisch handlungsfähiger und viel effektiver als bisher werden. ({2}) Darauf sollten sich alle im Interesse der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedländer einigen können. Die westeuropäische Integration ist trotz aller Schwierigkeiten ein überwältigender Erfolg geworden. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil der Politik unserer Länder und des Lebens unserer Bürger. Wir alle sind zu weiteren Erfolgen verurteilt. Ein Zurück gibt es für niemanden. Die europäischen Länder werden zueinander, und Europa wird zu sich selbst finden. Aus diesem Grunde stimmt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem vorliegenden Ratifikationsgesetzentwurf als einem Meilenstein auf diesem Wege zu. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Für die Freie Demokratische Partei und ihre Bundestagsfraktion habe ich folgendes auszuführen. Wir möchten in allererster Linie der Bundesregierung und insbesondere auch dem Herrn Bundesaußenminister für die Initiative danken, die sie sofort nach der Regierungsbildung ergriffen haben, um in Den Haag bereits im Herbst 1969 die Grundlagen dafür zu legen, daß wir heute in zweiter Lesung und mit der Schlußabstimmung schon eine Ratifizierung dieser für die Einigung Europas so wichtigen Verträge vornehmen können. ({0}) Es wird uns vielleicht klar, wie weit die Integration doch schon fortgeschritten ist, wenn wir uns überlegen, daß wir schon seit einiger Zeit meistens nicht mehr „EWG" sagen, sondern nur noch von „der Gemeinschaft" sprechen. Allein dieses Wort beinhaltet das Zueinandergehören, das Zueinanderstehen. Die erweiterte Gemeinschaft wird eine große wirtschaftliche Bedeutung haben. Ich darf darauf hinweisen, daß sie 260 Millionen Menschen umfaßt und daß davon allein rund 100 Millionen erwerbstätig sind. Das hat natürlich zur Folge, daß wir innerhalb eines derart weiten Wirtschaftsraumes einen verstärkten Wettbewerb und eine verbesserte Arbeitsteilung haben, woraus wiederum eine höhere Produktivität der beteiligten Volkswirtschaften folgen wird. Die Währungs- und Wirtschaftseinheit ist beschlossen. Es wurden, wie man hörte, in diesen Tagen mit einem guten Erfolg intensive Beratungen aufgenommen. Die erweiterte Gemeinschaft wird ein Bruttosozialprodukt haben, das nur noch von dem der Vereinigten Staaten von Amerika übertroffen wird. Sie wird mit etwa einem Drittel am Welthandel beteiligt sein. Ein derart starker Ausbau hat natürlich seine Wirkungen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft. Außerhalb der Gemeinschaft - bei den Vereinigten Staaten, die diesen Zusammenschluß stets befürwortet haben - zeigen sich natürlich auf einmal doch Befürchtungen, ihr eigener Handel könne beeinträchtigt werden. Es ist aber notwendig, daß gerade eine so große erweiterte Wirtschaftsgemeinschaft nicht isoliert, sondern weltoffen ist und daß das in ihren Verhandlungen mit GATT zum Ausdruck kommt. Es ist weiter notwendig - und ich halte das für eine sehr wichtige Aufgabe -, daß sie gegenüber den Entwicklungsländern nach einheitlichen Grundsätzen politisch handelt. Ich verweise insofern auf die gerade abgeschlossene UNCTAD-Konferenz in Santiago de Chile und besonders auf die Vorschläge, die dort seitens der Bundesregierung in einer sehr vernünftigen und verantwortungsvollen Weise gemacht worden sind. Ich verweise weiter auf andere Aufgaben, die von der erweiterten Gemeinschaft noch gelöst werden müssen. Da ist die Anpassung der Assoziations- und anderen Abkommen der Gemeinschaft mit den Ländern des Mittelmeerraumes. Es sind weiterhin Abkommen mit den nicht beteiligten EFTA-Staaten notwendig. So sind auch Abkommen mit der Schweiz und mit Osterreich notwendig, die nicht zur EWG gehören und auf Grund ihrer Neutralität auch nicht der erweiterten Gemeinschaft beitreten können. Ab 1973 werden die gesamten Außenhandelsverträge nur noch von der erweiterten Gemeinschaft abgeschlossen werden können. Insofern gehen den nationalen Parlamenten Souveränitätsrechte verloren. Man muß das ganz klar erkennen. Man muß auch ganz klar erkennen, daß die Gesetze, die von der Gemeinschaft, auch von der nicht erweiterten, gemacht werden, heute schon unser nationales Recht überlagern und daß das bei einer weiteren Integration selbstverständlich in einem noch weiteren Umfang der Fall sein wird. Auch uns Freien Demokraten kommt es sehr darauf an, wie die Institutionen dieser erweiterten Gemeinschaft ausgebaut werden und sich fortFrau Dr. Diemer-Nicolaus entwickeln. In der ersten Beratung und von meinen Vorrednern wurde bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß wir bei dem Europäischen Parlament ein demokratisches Defizit haben, das aufzufüllen ist. Wir wünschen, daß das Europäische Parlament die legislativen Funktionen erhält, die für uns hier im Bundestag selbstverständlich sind. Wir wünschen weiterhin, daß der Ministerrat seine Arbeiten rationalisiert, soweit das möglich ist, und daß auch die Kommission die ihr zustehenden Befugnisse entsprechend den Römischen Verträgen gesichert erhält. Herr Kollege Barzel hat die Frage gestellt: Wie soll dieses Europa denn nachher aussehen? Er hat darauf hingewiesen, daß in Grundfragen Unterschiede bestehen. Auch ich habe heute morgen gelesen, daß Pompidou seine unterschiedliche Auffassung bei einem Essen mit Königin Juliane erneut zum Ausdruck gebracht hat. Ich möchte zitieren, was die „Frankfurter Allgemeine" aus der Rede gebracht hat, weil es zeigt, wo der Unterschied liegt. Danach hat Pompidou folgendes gesagt: Die Leidenschaft für Unabhängigkeit, die zu verteidigen unsere beiden Nationen so viele Opfer brachten, macht es für mich unwahrscheinlich, daß wir uns heute in einem Konglomerat ohne Seele und Persönlichkeit verlieren. Wir sind im Grunde entschlossen, ein freies, friedliches und unabhängiges Europa zu errichten, das die nationalen Eigenschaften achtet. Demgegenüber hat Königin Juliane sehr klar erwidert: Die Erweiterung ({1}) hat der Integration eine europäischere und wirksamere Größe verliehen. Gleichzeitig muß die Verstärkung der Institutionen dank gemeinsamer Anstrengung eine positive Entwicklung einleiten. Sie wird der Gemeinschaft ermöglichen, rasche Entschlüsse zu fassen, und ihren demokratischen Charakter verstärken ... Wir müssen auch ... bei der Schaffung unserer eigenen europäischen Einheit im Sinn behalten, daß diese ohne eine größere Zusammenarbeit im Rahmen der erweiterten westlichen Welt, zu der unsere Partner jenseits des Atlantiks gehören, weder möglich noch wünschbar wäre. Soviel ich unterrichtet bin, werden am 3. und 4. Juli erneut Besprechungen zwischen dem Staatspräsidenten Pompidou und Bundeskanzler Brandt stattfinden. Ich bin davon überzeugt, daß gerade diese Differenz, die in den Auffassungen aufgetreten sind, bei diesen Gesprächen behandelt werden. Ich bin aber nicht so hoffnungslos wie Herr Kollege Barzel, der glaubt, daß es nicht zu einer Einigung kommen könne. Ich bin im Gegenteil überzeugt, daß auch hier Wege gefunden werden, damit die Gemeinschaft, auch die erweiterte Gemeinschaft, in dieser Frage nicht zu stark beeinträchtigt wird. Die Integration, die vorhanden ist, wird weiter fortschreiten. Auch weiterhin wird sich zeigen, daß auch eine gemeinschaftliche Politik, die nicht nur Währungs- und Wirtschaftspolitik ist, notwendig ist, wenn wir zu einem einheitlichen Europa kommen wollen. Die Gipfelkonferenz im Herbst, von manchen Zeitungen in Frage gestellt - Herr Kollege Apel hat darauf hingewiesen -, erwarten wir. Ich glaube eher daran, daß es zu dieser Gipfelkonferenz kommt, als daß sie nicht zustande kommt, obwohl ich heute gehört habe, daß sich Herr Außenminister Thorn dahin gehend geäußert habe: besser keine Gipfelkonferenz als eine, bei der man von vornherein weiß, daß man sich nicht wird einigen können. Ich hoffe auf eine Einigung. Die Verhandlungen, die zum Beitritt der vier Staaten geführt haben, sind deshalb besonders schwierig gewesen, weil die Interessen der einzelnen Länder, vor allem auch derjenigen, die jetzt der Gemeinschaft beitreten, oft sehr unterschiedlich waren und sehr häufig Divergenzen bestanden. Mit gutem Willen auf allen Seiten ist es schließlich gelungen, sich über den Beitritt zu einigen. Nachdem man sich über den Beitritt sowie darüber geeinigt hat, daß die Verträge, abgesehen von gewissen Anpassungs- und Überleitungsvorschriften, auch für die jetzt beitretenden Länder unverändert gültig bleiben sollen, bin ich noch mehr davon überzeugt, daß es später auch möglich sein wird, sich auf dieser gemeinschaftlichen Grundlage über schwierige Probleme, die selbstverständlich auch in Zukunft auftreten werden, zu einigen. Der Zwang zur Einigung hat schon in manchen Nachtsitzungen tatsächlich zur Einigung geführt. Wir hoffen, daß mit diesen Beiträgen ein weiterer Schritt getan wird, daß Europa zusammenwächst, daß wir in Frieden zusammenleben können und daß für Europa dann auch einmal die Zeit kommt, wo es mit einer Stimme mit anderen Staaten sprechen kann. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht gestellt worden. Ich rufe auf Art. 1, Art. 2, Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir stimmen nunmehr über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrags ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle auch hier einstimmige Annahme fest. Wir kommen nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst - Drucksache VI/1840 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3586 - Berichterstatter: Abgeordneter Krampe Vizepräsident Dr. Schmid b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1}) - Drucksachen VI/3565, zu VI/3565 -Berichterstatter: Abgeordneter Geldner ({2}) Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort zu ergreifen, um ihre Schriftlichen Berichte noch zu erläutern? ({3}) - Das ist nicht der Fall. Die Fraktionen haben vereinbart, daß zu Punkt 6 Erklärungen abgegeben werden sollen. Ich rufe zur allgemeinen Aussprache in zweiter Beratung auf. Das Wort hat der Abgeordnete Ziegler.

Erich Ziegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002591, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU begründe ich den Änderungsantrag auf Umdruck 298 *) wie folgt. Mit dem zur Verabschiedung vorliegenden Dritten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst soll ein erster Schritt zur Herstellung größerer Wehrgerechtigkeit getan und gleichzeitig die bestehende krasse Ersatzdienstungerechtigkeit abgebaut werden. In dieser Zielsetzung waren und sind sich, so hoffe ich jedenfalls, alle Parteien des Hohen Hauses einig. Gegenüber den Betroffenen läßt es sich einfach nicht länger vertreten, daß nur etwa 60 v. H. der Angehörigen eines Geburtsjahrgangs zum Wehrdienst herangezogen werden. Noch weniger aber ist es zu verantworten, daß von den Kriegsdienstverweigern gar nur jeder Vierte den Ersatzdienst tatsächlich leisten muß. ({0}) Die einzige mögliche Konsequenz ist, daß wir uns gemeinsam bemühen, die Möglichkeiten, weitere Ersatzdienstplätze zu schaffen, auszuweiten und bestehende Beschränkungen zu beseitigen. Mit anderen Worten, wir müssen den Aufgabenbereich des Zivildienstes, wie er in Zukunft heißen soll, erweitern. Mit der von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, beschlossenen Fassung des § 1 des Gesetzentwurfs erreichen Sie aber genau das Gegenteil. Sie sieht vor, daß der Zivildienst grundsätzlich im sozialen Bereich abzuleisten ist. Nur wenn dort keine ausreichenden Plätze vorhanden sind, können - nach der von Ihnen vorgelegten Formulierung - andere Aufgaben, die dem Allgemeinwohl dienen, zugewiesen werden. Gegenüber dem geltenden Recht bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung. Der Sinn des Änderungsgesetzes wird völlig umgekehrt. Sie geben damit, auch wenn Sie es vielleicht nicht wollen, dem Drängen einiger extrem links stehender Kriegsdienstverweigererorganisationen nach, die den Zivildienst auf soziale und erzieherische Aufgaben beschränkt wissen wollen. Einen Beitrag zu größerer Wehrgerechtigkeit leisten Sie damit jedoch nicht. *) Siehe Anlage 4 Die besorgniserregend wachsende Zahl der Kriegsdienstverweigerer erhält statt dessen eine noch größere Chance, überhaupt nicht dienen zu müssen. Da nach Ihrem Beschluß Zivildienstplätze außerhalb des sozialen Bereichs nur zugewiesen werden können, wenn Plätze innerhalb des Bereichs nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, sind, wenn Sie neue Aufgabenbereiche erschließen wollen, Auslegungsschwierigkeiten und im Gefolge Spannungen, Konflikte und eine Flut von Prozessen zu befürchten. Auf jeden Fall wird es schwierig werden, der auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, im Verteidigungsausschuß angenommenen, von der CDU/CSU eingebrachten Entschließung nachzukommen und weitere Schritte zu tun, die Kriegsdienstverweigerer auch tatsächlich zum Zivildienst heranzuziehen. Die in der Entschließung aufgeführten zusätzlichen Bereiche, z. B. der Umwelt- und der Naturschutz, der Unfallrettungsdienst usw., gehören dem sozialen Bereich eben nicht an. Wenn Sie diese neuen Bereiche wirklich erschließen wollen, warum dann erst die Einschränkung auf dem sozialen Bereich? ({1}) Unser Änderungsantrag in Ziffer 1 des Umdrucks 298 zu § 1 des Gesetzes eröffnet dagegen uneingeschränkt die Möglichkeit, die Zivilidienstleistenden in diesen neuen Bereichen, die dem Allgemeinwohl dienen, unterzubringen. ({2}) Er enthält keine Einengung und vermeidet damit Auslegungs- und Durchführungsschwierigkeiten. Beschränkungen ergeben sich - das ist ganz natürlich - aus der Haushaltslage ohnehin. Weitere sollten wir uns nicht unnötig selber schaffen. Bei Annahme unseres Änderungsantrages kommen wir dem gemeinsamen Ziel einer größeren Ersatzdienst- und damit Wehrgerechtigkeit tatsächlich ein gutes Stück näher. ({3}) Der § 1 wurde im übrigen am 16. Dezember 1971 im Verteidigungsausschuß und am 13. April 1972 im Innenausschuß im Wortlaut unseres Änderungsantrages auch von der Koalition oder zumindest von dem größeren Teil der Koalition angenommen. Dabei hat der Innenausschuß allerdings einen nach unserer Auffassung nicht nötigen und nicht zweckdienlichen Abs. 2 angefügt. Die in Ziffer 2 des Umdrucks enthaltene Änderung betreffend § 2 a ergibt sich als notwendige Konsequenz aus der Annahme unseres Änderungsantrages. Ich darf Sie bitten, dem Änderungsantrag zuzustimmen. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Biermann.

Günter Biermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000180, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen verfolgen natürlich das Ziel einer größeren oder, wenn es nach uns ginge, absoluten Dienstgerechtigkeit, einmal gegenüber denjenigen, die Wehrdienst leisten, aber auch gegenüber denen, die als anerkannte Kriegsdienstverweigerer Zivildienst zu leisten haben. Ich habe das Gefühl, daß heutzutage in diesem Zusammenhang sehr oft verschiedene Zahlen durcheinandergebracht werden. So tauchte soeben auch beim Kollegen Ziegler wieder die Behauptung auf, daß nur jeder Vierte Zivilidienst leiste. Ich würde vorschlagen, einmal eine Rechnung aufzumachen, aus welchem Gesamtzusammenhang diese vier überhaupt in Betracht kommen. Genauso nämlich, wie man im Wehrdienst Ausnahmen hat, wie man beim Wehrdienst auch Dienstuntaugliche hat, muß man entsprechende Abzüge im Bereich des Zivildienstes machen. Die Zahl 4 ist dann aber beim besten Willen nicht mehr haltbar. Ein Zweites. Im Jahre 1969 haben wir von der damaligen Bundesregierung einen Platzbestand von 4121 übernommen. Ich kann sagen, daß auf Grund der Initiative des Arbeitsministeriums heute bereits ein Platzbestand von mehr als 9000 vorhanden ist. Ich weiß, daß diese Zahl sicher nicht ausreicht. Ich möchte zu dem Antrag der CDU/CSU noch folgendes sagen. Wir haben in § 1 verstärkt die Einsatzmöglichkeiten im zivilen Bereich angesprochen. Das ist und bleibt für uns eine vorrangige Notwendigkeit. Diese Klarstellung der Vorrangigkeit durch die Anfügung des Abs. 2 in § 1 hindert die Bundesregierung in keiner Weise daran, Zivildienstpflichtige über den sozialen Bereich hinaus in Aufgaben einzusetzen, die dem allgemeinen Wohl dienen. Das ist das, was man sagen muß. Ich weiß nicht, wieso Herr Kollege Ziegler bei dieser Eindeutigkeit der Formulierung Prozesse befürchtet. Im übrigen bedeutet die in § 1 vorgenommene Aufzählung nach dem derzeitigen Gesetzesstand effektiv eine Einengung. Diese Einengung eben wollen wir auf jeden Fall beseitigen. Ich wundere mich auch, warum die CDU/CSU-Fraktion den § 1 zum Anlaß nimmt, Änderungsanträge zu stellen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden doch sicherlich noch Ihren Entschließungsantrag kennen, den Sie - zweimal, wenn ich mich recht erinnere - im Verteidigungsausschuß und auch im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eingebracht haben. In diesem Antrag haben Sie doch den sozialen Bereich an die Spitze der Aufzählung gesetzt und sind dann erst zu dem Bereich der dem allgemeinen Wohl dienenden Aufgaben übergegangen. Ich will Ihnen noch eines sagen: die sogenannte perfekte Aufzählung bedeutet eine wesentliche Einengung gegenüber dem Entwurf, wie er vom Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung formuliert und auch beschlossen worden ist. Ich könnte hier sagen, er ist einstimmig beschlossen worden, weil Sie sich ja weder an der Beratung noch an der Abstimmung beteiligt haben. Nun zu der Ziffer 2 Ihres Antrags, den letzten Halbsatz in § 2 a zu streichen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir großen Wert darauf legen, den Beirat auch zur Aufmerksamkeit in der Auswahl der Plätze und dazu zu verpflichten, für mehr Einsatzplätze zu sorgen. Diese Verbindung ist aus § 1 zu entnehmen. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich möchte Sie bitten, Ihre Anträge zurückzunehmen. Andernfalls bitte ich das Haus, Ihre Anträge abzulehnen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001127, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Biermann hat den Antrag, den Herr Kollege Ziegler hier soeben für meine Fraktion begründet hat, meines Erachtens in nicht sehr überzeugender Weise kommentiert. Wir sprechen jetzt über die Frage der Schaffung von mehr Ersatzdienst und damit mehr Wehrgerechtigkeit. Wir werden am Freitag an anderer Stelle Gelegenheit haben, darüber erneut zu sprechen. Für uns ist es in den Beratungen darauf angekommen, eine Grundlage dafür zu schaffen, den gegenwärtigen Zustand mangelnder Plätze überwinden zu können. Herr Kollege Biermann, die Fassung des bisherigen Gesetzestextes geht wesentlich weiter als das, was jetzt auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses der Koalitionsfraktionen im Arbeitsausschuß festgelegt worden ist. Aber ich weise Sie darauf hin, daß im Verteidigungsausschuß in völliger Übereinstimmung mit der Regierung die Fassung beschlossen worden ist, die unserem Änderungsantrag zugrunde liegt. Sie haben dann in einer Art Handstreichverfahren diese Änderung, über die wir jetzt zu entscheiden haben, bewirkt. Sie schaffen eine Rangordnung, die bisher im Gesetz nicht gegeben war. Die Aufzählung in unserem Entschließungsantrag, den wir nicht bloß vorgetragen haben, sondern der vom Verteidigungsausschuß einstimmig angenommen worden ist und der am Freitag hier dem Hohen Hause auch zugänglich sein wird, ist enumerativ in keiner Weise an eine Rangordnung gebunden. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß gerade die Bereiche, die dem Allgemeinwohl dienen - etwa Umweltschutz oder Katastrophenschutz, um nur zwei Beispiele denen hinzuzufügen, die der Kollege Ziegler schon vorgetragen hat -, gleichrangig zu sehen sind und daß es darauf ankommt, in diesem Gesetz nun nicht eine Einengung zu beschließen, von der wir von vornherein wissen, daß sie zu wenige Stellen schafft und dann ein kompliziertes Verfahren schafft, das Möglichkeiten und Ansatzpunkte für die vorhandenen Organisationen bietet, uns Schwierigkeiten zu machen. Wir befürchten - und wir befürchten das zu Recht -, daß auf diese Weise das Zivildienstgesetz, wie es jetzt heißt, bei der Herstellung der Ersatzdienstgerechtigkeit noch schwieriger zu handhaben sein wird. Deshalb müssen wir mit allem Nachdruck darum bitten, den Änderungsantrag, den wir stellen, anzunehmen. Es ist der Antrag, den Regierungskoalition und Opposition im Verteidigungs11372 ausschuß in Übereinstimmung mit der Regierung gemeinsam beschlossen haben. Ich möchte namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag beantragen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 298. Ich möchte zunächst fragen, ob über beide Punkte zusammen namentlich abgestimmt werden soll. ({0}) Ich verstehe dann Ihren Antrag so, daß zunächst einmal nur über Punkt 1 des Umdrucks 298 namentlich abgestimmt werden soll. Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben insgesamt 451 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete ihre Stimme abgegeben, außerdem 20 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben 215 und mit Nein 235 uneingeschränkt Stimmberechtigte gestimmt; ein Kollege hat sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 9 mit Ja und 11 mit Nein gestimmt. Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis: Abgegebene Stimmen 451 und 20 Berliner Abgeordnete. Davon Ja: 216 und 9 Berliner Abgeordnete Nein: 234 und 11 Berliner Abgeordnete Enthalten: 1 Abgeordneter Ungültig: 1 Ja CDU/CSU Adorno Dr. Aigner Alber von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Dr. Bach Baier Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becher ({1}) Dr. Becker ({2}) Becker ({3}) Berberich Berding Berger Bewerunge Biechele Biehle Dr. Birrenbach Dr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeld von Bockelberg Frau Brauksiepe Breidbach Bremm Brück ({4}) Cantzler Dr. Czaja Damm Dichgans Dr. Dollinger Draeger von Eckardt Ehnes Engelsberger Dr. Erhard Erhard ({5}) Ernesti Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke ({6}) Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen Frau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach ({7}) Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner Glüsing ({8}) Dr. Gölter Dr. Götz Gottesleben Frau Griesinger Dr. Gruhl Haase ({9}) Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein Hanz von Hassel Hauser ({10}) Dr. Hauser ({11}) Helms ({12}) Dr. Hermesdorf ({13}) Höcherl Horten Dr. Hubrig Dr. Hupka Hussing Dr. Huys Frau Jacobi ({14}) Dr. Jahn ({15}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Dr. Jungmann Katzer Dr. Kempfler Kiechle Kiep Dr. h. c. Kiesinger Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kliesing ({16}) Köster Krammig Krampe Dr. Kraske Dr. Kreile Frau Dr. Kuchtner Lampersbach Leicht Lemmrich Lensing Dr. Lenz ({17}) Lenze ({18}) Lenzer Link Löher ({19}) Looft Dr. Luda Majonica Dr. Marx ({20}) Maucher Meister Memmel Dr. Mende Mick Dr. Mikat Dr. Miltner Müller ({21}) Müller ({22}) Mursch ({23}) Niegel Dr. von Nordenskjöld Orgaß Ott Petersen Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler Rainer Rawe Reddemann Dr. Reinhard Dr. Riedl ({24}) Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner Rösing Rommerskirchen Roser Ruf Russe Schedl Schlee Schlichting-von Rönn Dr. Schmid-Burgk Schmitt ({25}) Dr. Schneider ({26}) Dr. Schober Frau Schroeder ({27}) Dr. Schröder ({28}) Schröder ({29}) Schröder ({30}) Schulhoff Schulte ({31}) Dr. Schulze-Vorberg Seiters Dr. Siemer Solke Spilker Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({32}) Stein ({33}) Storm Strauß Struve Stücklen von Thadden Tobaben Frau Tübler Dr. Unland Vehar Vogel Vogt Volmer Wagner ({34}) Dr. Wagner ({35}) Dr. Warnke Weber ({36}) Weigl Dr. Freiherr von Weizsäcker Wendelborn Werner Windelen Winkelheide Wissebach Dr. Wittmann ({37}) Dr. Wörner Frau Dr. Wolf Baron von Wrangel Dr. Wulff Dr. Zimmermann Zink Zoglmann ({38}) Berliner Abgeordnete Amrehn Frau Berger Dr. Gradl Dr. Kotowski Kunz Müller ({39}) Frau Pieser Dr. Seume ({40}) Wohlrabe Nein SPD Dr. Apel Arendt ({41}) Dr. Arndt ({42}) Baack Baeuchle Bäuerle Bals Barche Dr. Bardens Batz Bauer ({43}) Bay Dr. Bayerl Dr. Bechert ({44}) Becker ({45}) Dr. Beermann Bergmann Berkhan Berlin Böhm Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt ({46}) Bredl Brück ({47}) Brünen Buchstaller Büchler ({48}) Büchner ({49}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Corterier Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler Esters Faller Dr. Farthmann Fiebig Dr. Fischer Flämig Frau Dr. Focke Franke ({50}) Frau Freyh Fritsch Gerlach ({51}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Gnädinger Grobecker Dr. Haack Haar ({52}) Haase ({53}) Haehser Halfmeier Hansen Hansing Hauck Dr. Hauff Henke Frau Herklotz Hermsdorf ({54}) Herold Höhmann ({55}) Hörmann ({56}) Hofmann Horn Frau Huber Jahn ({57}) Jaschke Junghans Junker Kaffka Kahn-Ackermann Kater Kern Killat-von Coreth Koenig Kohlberger Konrad Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Lange Langebeck Dr. Lauritzen Lautenschlager Leber Lemp Lemper Lenders Liedtke Löbbert Maibaum Marquardt Marx ({58}) Matthes Frau Meermann Dr. Meinecke ({59}) Meinike ({60}) Metzger Michels Möhring Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller ({61}) Müller ({62}) Dr. Müller-Emmert Dr. Müthling Neemann Neumann Dr. Nölling Dr. Oetting Offergeld Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Pensky Peters ({63}) Pöhler Porzner Raffert Ravens Frau Renger Rohde Rosenthal Roß Säckl Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Dr. Schäfer ({64}) Frau Schanzenbach Scheu Dr. Schiller Schiller ({65}) Frau Schimschock Schirmer Schlaga Dr. Schmid ({66}) Schmidt ({67}) Dr. Schmidt ({68}) Schmidt ({69}) Dr. Schmidt ({70}) Schmidt ({71}) Schmidt ({72}) Schmidt ({73}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Schollmeyer Schulte ({74}) Seefeld Seibert Seidel Frau Seppi Simon Dr. Slotta Dr. Sperling Spillecke Staak ({75}) Frau Strobel Strohmayr Suck Tallert Dr. Tamblé Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Walkhoff Dr. Weber ({76}) Wehner Welslau Wende Wendt Westphal Dr. Wichert Wiefel Wienand Wilhelm Wischnewski Dr. de With Wittmann ({77}) Wolf Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Berliner Abgeordnete Dr. Arndt ({78}) Bartsch Bühling Dr. Dübber Heyen Frau Krappe Löffler Mattick Dr. Schellenberg Frau Schlei Sieglerschmidt FDP Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn Gallus Geldner Genscher Graaff Grüner Jung Kirst Krall Logemann Dr. h. c. Menne ({79}) Mertes Mischnick Moersch Ollesch Opitz Peters ({80}) Schmidt ({81}) Spitzmüller Wurbs Enthaltungen Fraktionslos Dr. Müller ({82}) Wir stimmen nunmehr über den Antrag Ziffer 2 ab, und zwar durch Handaufheben. Wer dem Antrag Ziffer 2 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Wir stimmen nun über Art. 1 Nrn. 3 und 5 in der Ausschußfassung ab. Wer diesen Bestimmungen in der Ausschußfassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Dann stimmen wir über Art. 1 im ganzen ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen. Vizepräsident Frau Funcke Wir stimmen über die Art. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, Einleitung und Überschrift ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Bei wenigen Gegenstimmen angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort zur dritten Beratung hat Herr Abgeordneter Gierenstein.

Karl Heinz Gierenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000679, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich zur dritten Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs folgende Erklärung abzugeben. Die heute geltenden Bestimmungen, nach denen junge Männer zu Diensten für die Gemeinschaft herangezogen werden, befriedigen nicht mehr. Über die allgemeine Wehrpflicht wird nur ein Teil der Wehrpflichtigen zum Dienst in der Bundeswehr und im Bundesgrenzschutz herangezogen. Im Zivilschutzdienst wird nach den jetzt geltenden Bestimmungen kein Pflichtiger eingesetzt. Der zivile Ersatzdienst in der gegenwärtig geltenden Form und Organisation ist nicht geeignet, die durch die große Zahl der anerkannten Kriegsdienstverweigerer auf ihn zukommenden Probleme zu meistern. Dies liegt nicht nur an der geringen Zahl der Ersatzdienstplätze, sondern auch an einem umständlichen Anerkennungsverfahren. Das liegt aber auch an einer uneinheitlichen Ausgestaltung des Dienstes, an der mangelnden Ausbildung der Pflichtigen und der zu geringen Zahl des Personals, das für Führungsaufgaben in diesem Bereich zur Verfügung steht. Die vom Gesetzgeber zwar nicht gewollte, in der Praxis aber vorhandene Diskriminierung der anerkannten Kriegsdienstverweigerer erfordert es, daß die persönlichen Dienste, die von allen jungen Männern für die Gemeinschaft zu leisten sind, neu, gerecht und den Vorstellungen unserer Zeit entsprechend geordnet werden. Auf dieser Basis ist es möglich, das von allen gewünschte Ziel, nämlich eine hohe Wehrgerechtigkeit, zu erreichen. Für das Jahr 1972 stehen nach den Berechnungen der Wehrgerechtigkeitskommission der Bundesregierung 377 000 Pflichtige zur Musterung an. Die Regierung geht dabei von 20,2 % Nicht-Wehrdienstpflichtigen, von 4,2 % Wehrdienstausnahmen, von 62,2 % tauglich Gemusterten, von 5,3 % Freiwilligen bei der Bundeswehr, von 2,3 % Freiwilligen bei der Polizei und beim Bundesgrenzschutz, von 4,2 % beim Zivilschutz und von 1,6 % Kriegsdienstverweigerern aus. Die für 1972 geltenden Prozentzahlen wurden auch für die spätere Aufkommensberechnung, die von einer steigenden Zahl der Wehrdienstpflichtigen ausgeht, zugrunde gelegt. Sie waren aber auch Grundlage für die durch die Reduzierung der Wehrdienstzeit von 18 auf 15 Monate zu bewirkende erhöhte Wehrgerechtigkeit. Nach diesen Berechnungen war zu erwarten, daß bis zum Jahre 1976 die gegenwärtige Einberufungsquote von 62 % auf etwa 70 bis 75 % ansteigen würde. Ab 1974 jedoch stehen stärker werdende Geburtenjahrgänge zur Musterung an, die 1980 mit etwa 455 500 Wehrpflichtigen kumulieren. Das bedeutet, daß eine Reduzierung der Wehrdienstzeit von 18 auf 15 Monate für die Wehrdienstleistenden nur bis etwa zum Jahre 1975 eine gewisse Entlastung bringt. Spätestens 1975 steht die dann amtierende Regierung wiederum vor dem Dilemma der Jahre 1964 bis 1971. Diese Überlegungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, berücksichtigen jedoch nicht, daß die Zahl der Kriegsdienstverweigerer überproportional steigt, während die Zahl der zur Verfügung stehenden Ersatzdienstplätze mit 7300 etwa gleichbleibt. So ging die Kommission für das Jahr 1970 von 6000 Kriegsdienstverweigerern aus, obwohl das Aufkommen von anerkannten Kriegsdienstverweigerern bereits für das Jahr 1971 27 625 Personen betragen hat. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres soll nach einer Meldung der „Frankfurter Rundschau" von gestern die Zahl der Wehrdienstverweigerungen bereits das Gesamtergebnis des Jahres 1971 überschritten haben. ({0}) Damit verlagert sich das Problem der Wehrgerechtigkeit erheblich auf das Problem der Ersatzdienstgerechtigkeit. Diese Entwicklung wird ab 1974 wegen der stärker werdenden Geburtsjahrgänge Ausmaße annehmen, die jetzt noch nicht abschätzbar sind. Zudem wird dadurch, daß höchstens 20 % der anerkannten Kriegsdienstverweigerer - eine Quote, die angesichts des Mangels an Plätzen und des Steigens des Aufkommens an Kriegsdienstverweigerern eine sinkende Tendenz hat - einberufen werden können, eine Sogwirkung auf die jungen Leute ausgeübt, denn sie können nun erstens damit rechnen, ohne größere Schwierigkeiten als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden ({1}) und zweitens damit, nicht eingezogen zu werden, da nicht genügend Plätze vorhanden sind. ({2}) Es muß also davon ausgegangen werden, daß die Zahl der anerkannten Kriegsdienstverweigerer 50 000 alsbald übersteigt und daß bei der gegenwärtigen Organisation des Ersatzdienstes die Zahl der Plätze auf höchstens 9000 bis 10 000 anwächst. Dazu kommt die nur vorübergehende Entlastung im Bereich des Wehrdienstes durch die Verkürzung. So gesehen wächst die Gefahr, daß die Wehrpflicht und die Ersatzdienstpflicht unhaltbar werden. Notwendig ist deshalb die Neuordnung der in Art. 12 a des Grundgesetzes verankerten Dienstleistungspflichten. Alle dort genannten Dienstleistungen Wehrdienst, Dienst im Bundesgrenzschutz, Dienst in Einheiten und Einrichtungen des Zivilschutzes und Ersatzdienst - sind ihrer Bedeutung nach gleichwertig. In ihrer sozialen Bezogenheit sind sie verschieden. Das bedeutet, daß die gesetzliche Ausgestaltung der Dienste von dem Grundsatz der Gleichheit ausgehen muß, daß die Dienste aber auch je nach ihrer konkreten Aufgabe unterschiedlich organisiert und von unterschiedlicher Funktion sind. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU bedauert es daher, daß mit der Ablehnung ihrer Anträge in der zweiten Lesung die von der CDU/CSU, von der Bundesregierung und von weiten Kreisen der Bevölkerung gewünschte größere Dienstgerechtigkeit vereitelt wird. ({3}) Es ist unverständlich und politisch sinnwidrig, wenn die Koalitionsfraktionen im mitberatenden Verteidigungsausschuß unserem Entschließungsantrag zustimmen, ({4}) heute aber nicht bereit sind, die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. ({5}) Angesichts dieser Situation lehnt meine Fraktion diesen Gesetzentwurf in der dritten Lesung ab. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bierman.

Günter Biermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000180, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundestagsfraktion der SPD gebe ich folgende Erklärung ab. Das Grundgesetz räumt in Art. 4 Abs. 3 jedem Staatsbürger das Recht ein, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Wer von diesem Recht Gebrauch macht, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. So sieht es nämlich Art. 12 a Abs. 2 des Grundgesetzes vor. Die nähere Ausgestaltung dieser Grundrechtsbestimmungen ist vor allem im Wehrpflichtgesetz und im Gesetz über den zivilen Ersatzdienst erfolgt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung weiter ausgestaltet, so daß in der Bundesrepublik Deutschland der Gewissensnot, in die junge wehrpflichtige Staatsbürger durch den Wehrdienst geraten können, in weitem Umfange - und in weiterem Umfange als in irgendeinem Staat der Welt mit allgemeiner Wehrpflicht - Rechnung getragen wird. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 die Absicht der Bundesregierung bekräftigt - und dies möchte ich für meine Fraktion unterstreichen -, am Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen festzuhalten. Er hat zugleich unterstrichen, daß für die Kriegsdienstverweigerung das Prinzip gerechter Gleichbehandlung gelten muß. ({0}) Der Dienst der anerkannten Kriegsdienstverweigerer muß sinnvoll sein und gewährleisten, daß der einen Gruppe wehrpflichtiger Deutscher kein größeres Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird als der anderen Gruppe. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung begrüßenswerterweise den heute zur Verabschiedung vorliegenden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst vorgelegt. Die in diesem Entwurf vorgesehenen Neuerungen des Dienstes der anerkannten Kriegsdienstverweigerer berücksichtigen die bei der bisherigen Durchführung des Gesetzes gewonnenen Erfahrungen. Er trägt zugleich dem Erfordernis Rechnung, die Zahl der zur Verfügung stehenden Dienstplätze entsprechend der ständig steigenden Anzahl der anerkannten Kriegsdienstverweigerer zu erhöhen. Da empfehle ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, sich einmal die Jahrgänge 1937 bis 1946 anzusehen mit verhältnismäßig wenigen Meldungen, aber mit noch weniger Möglichkeiten, sie zum Dienst heranzuziehen, weil keine Plätze vorhanden waren. Die neuen Regelungen, von der Bundesregierung im Entwurf vorgelegt und im Ausschuß für Sozialpolitik in einigen Bereichen wesentlich verbessert, so meinen wir - die Mitglieder der Oppositionsfraktion haben sich übrigens weder an den Beratungen noch an den Abstimmungen beteiligt -, ({1}) betreffen hauptsächlich drei Bereiche: erstens die Betonung der eigenständigen Bedeutung des Dienstes für die Allgemeinheit, zweitens die rechtliche und materielle Gleichstellung der Zivildienstleistenden mit den wehrdienstleistenden Soldaten, drittens die Verbesserung der verwaltungsmäßigen Durchführung des Zivildienstes. Zur Betonung der Eigenständigkeit gehören die Neubezeichnung des Dienstes in „Zivildienst" und eine neue Umschreibung der Aufgabenstellung, wie sie soeben in namentlicher Abstimmung erfolgt ist. Durch die Erweiterung der Einsatzbereiche soll gleichzeitig sichergestellt werden, daß in Zukunft alle anerkannten Kriegsdienstverweigerer zur Ableistung des Zivildienstes herangezogen werden können. Die Zuweisung Zivildienstpflichtiger bei Post und Bahn sollte bei der Neuformulierung jedoch ausgeschlossen sein. In diesem Zusammenhang muß auch der § 25 a erwähnt werden, nach dem Zivildienstleistende einerseits über Aufgaben und Wesen des Dienstes und ihre Rechtsstellung aufgeklärt werden das ist neu - und andererseits in die vorgesehenen Tätigkeiten sinnvoll eingeführt werden. Zur rechtlichen und materiellen Gleichstellung der Zivildienstleistenden mit Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Dienst leisten, soll in Zukunft ein Zivildienstleistender nach Ablauf von sechs Monaten die Sätze der Soldgruppe 2 wie bei den Soldaten erhalten. Ein Zivildienstleistender nach der Soldgruppe 2 erhält nach zwölf Monaten Dienstzeit unter bestimmten Voraussetzungen den Sold der Gruppe 3 gewährt. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, daß anerkannte Kriegsdienstverweigerer bei freiwilliger zehnjähriger Verpflichtung zum Dienst in Einrichtungen des Katastrophenschutzes und des sonstigen Zivilschutzes wie Wehrpflichtige nicht mehr zum Zivildienst herangezogen werden können. Zur Verbesserung der verwaltungsmäßigen Durchführung des Zivildienstes gehört nicht zuletzt die Berufung eines Bundesbeauftragten für den Zivildienst und die Errichtung eines Bundesamtes für den Zivildienst mit einer dezentralisierten Betreuung der Dienstleistenden durch Regionalbetreuer. Dies hat sich in den letzten Monaten meines Erachtens schon sehr bewährt. Außerdem scheint mir der Beirat für den Zivildienst besonders dazu geeignet zu sein, den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in Fragen der Durchführung des Zivildienstes, aber auch in der Auswahl jener Dienstplätze, in denen ein Einsatz von Dienstpflichtigen über den sozialen Bereich hinaus erfolgen soll und muß, zu beraten. ({2}) - Das Förderungsprogramm haben Sie sicherlich nicht gelesen, denn sonst wüßten Sie, daß darin wesentlich Schlimmeres steht, etwas, das für uns keinesfalls akzeptabel ist. ({3}) Diesem Beirat gehören neben Vertretern des Bundesrates, den Verbänden anerkannter Einrichtungen, je einem Vertreter der Evangelischen und Katholischen Kirche, je einem Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände und Vertretern der Verbände der Kriegsdienstverweigerer auch drei aktiv Zivildienstleistende an. Abschließend möchte ich erwähnen, daß der von den Beschäftigungsstellen zu entrichtende Kostenbeitrag unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder auch teilweise erlassen werden kann. Auch diese von den Beschäftigungsstellen gewünschte Möglichkeit wird sicherlich dazu beitragen, die Zahl der Einsatzplätze beachtlich zu erhöhen. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren - davon sind wir überzeugt -, wird uns die Dienstgerechtigkeit zwischen Soldaten und Zivildienstpflichtigen bringen. Ich bedaure es außerordentlich, daß die CDU/CSU, obwohl auch sie für diese Dienstgerechtigkeit ist, diesem Gesetz nicht zustimmen will. ({4}) Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, noch einmal zu überdenken, ob Sie diesen Beschluß aufrechterhalten wollen. ({5}) Die sozialdemokratische Fraktion stimmt diesem Gesetz gern zu. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten darf ich zum vorliegenden Gesetzentwurf - Drucksache VI/1840 - folgende Erklärung abgeben. Die starke Zunahme der anerkannten Kriegsdienstverweigerer hat das Thema Wehrgerechtigkeit in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Es galt daher, den zivilen Ersatzdienst so neuzugestalten, daß die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht in dem Maße ein Spekulationsobjekt bleibt, wie es heute teilweise der Fall ist. Die Berufung auf den Gewissenskonflikt wird sich um so mehr auf die tatsächlichen Konfliktfälle begrenzen, je mehr zusätzlich Plätze zur Ableistung des Zivildienstes geschaffen werden. Das Änderungsgesetz verfolgt daher folgende Ziele. Erstens. Die Funktion des Dienstes wird als Zivildienst neu umrissen. Die Eigenständigkeit dieses Dienstes wird ohne Unterbewertung, aber auch ohne Überbewertung gegenüber dem Wehrdienst betont. Zweitens. Die Aufgaben des Zivildienstes müssen gemeinschaftsbezogen sein. Sie sollen insbesondere im sozialen Bereich wahrgenommen werden. Damit wird auch deutlich, daß es primär nicht darum geht, über eine Art Ersatzarbeitsdienst irgendeine Beschäftigung im Sinne ausgleichender Wehrgerechtigkeit zuzuweisen oder Arbeitslücken speziell dort auszufüllen, wo der Kräftebedarf über den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gedeckt werden kann. In dem Moment, wo deutlich wird, daß mit der Berufung auf einen nicht vorhandenen Gewissenskonflikt unter Umständen die Leistung jeglichen Dienstes, also des Wehrdienstes oder des Zivildienstes, nicht vermieden werden kann, wird die mißbräuchliche Inanspruchnahme des grundgesetzlich garantierten Rechts auf Wehrdienstverweigerung zweifellos weitgehend reduziert. Wir Freien Demokraten begrüßen daher, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowohl Bevorzugungen wie auch Benachteiligungen gegenüber dem Soldaten beseitigt hat. Die künftige Wehrdienstzeit von 15 Monaten wird um einen Monat unter der des Zivildienstes von 16 Monaten liegen, wie sie nunmehr vorgeschlagen wird. Hierin liegt jedoch keine ungleiche Behandlung, da die Wehrpflichtigen in späteren Jahren zu Wehrübungen herangezogen werden müssen. Nur am Rande sei bemerkt, daß es sowohl im Interesse der Wehrpflichtigen wie auch der Zivildienstpflichtigen liegen dürfte, wenn die bisherigen Dienstzeiten verkürzt werden, wie wir, nämlich die Fraktion der Freien Demokraten, es schon vor Jahren als möglich und erstrebenswert bezeichnet haben. Die Verkürzung der notwendigen Inanspruchnahme im Dienste der Allgemeinheit wird ihre positiven Wirkungen zweifellos auch auf den Ausbildungsgang und den beruflichen Werdegang der einzelnen Betroffenen haben. Im übrigen hat der Ausschuß in zahlreichen Punkten die Vorschläge der Bundesregierung noch weiter konkretisiert. Ich nenne in diesem Zusammenhang insbesondere die Stichworte Katastrophenschutz und sonstiger Zivilschutz. Die Vorbereitung der Dienstleistenden auf ihre Arbeit durch Lehrgänge ist zweifellos eine Maßnahme, durch die manche negativen Begleiterscheinungen der Vergangenheit im Zivildienst in der Zukunft vermieden werden. Wir Freien Demokraten hoffen, daß mit dem Gesetz über den Zivildienst in der nunmehr vorgetragenen Fassung eine Entkrampfung in der Beurteilung und Diskussion des Themas Wehrdienst und Zivildienst eingeleitet wird und daß auch die Idealisierung des einen Dienstes und die Verteufelung des anderen Dienstes - je nach politisch-ideologischem Standort - ein Ende nimmt oder zumindest in den Hintergrund gedrängt wird. Wir Freien Demokraten bekennen uns zur Wehrbereitschaft, und wir respektieren die Wehrdienstverweigerung aus Gewissengründen. Wir erwarten von diesem Gesetz, daß es dem politischen Zweck in einer besseren Weise als die bisherigen Bestimmungen dienen wird. Deshalb stimmen wir Freien Demokraten dem Gesetzentwurf zu. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! ({0}) Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen. Wir stimmen noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages ab, die Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Drucksache VI/2303 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1}) - Drucksachen VI/3505, zu VI/3505 -Berichterstatter: Abgeordneter Jaschke ({2}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur zweiten Lesung begehrt? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe in der Einzelberatung Art. 1, - 2, - 3, -4, - 5, - Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhme.

Dr. Günter Böhme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000220, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion gebe ich zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung folgende Erklärung ab. Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich grundsätzlich zum Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit. Diese Maxime findet im vorliegenden Entwurf des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ihren Niederschlag. Wir verkennen aber auch nicht, daß insbesondere bei einem so angespannten Arbeitsmarkt, wie wir ihn über Jahre hinweg hatten, die Elastizität des Arbeitsmarktangebotes notwendig und erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil ebenfalls in diesem Sinne geäußert. Bei einer solchen Öffnung auf Gesetzesbasis ist erstes Gebot die Verankerung der rechtlichen und sozialen Sicherung der betroffenen Arbeitnehmer. Das bedingt einerseits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Arbeitnehmer, um eine geordnete Rechtsgrundlage zu haben, die frei ist von den Zufälligkeiten der Überlassung, andererseits ist die zeitliche Begrenzung der Überlassung notwendig, um nicht zu einem verkappten Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer unter Umgehung der Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zu kommen. Letztlich ist die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der sonstigen Abgaben sicherzustellen, um den Arbeitnehmer vor einer Kürzung seiner Ansprüche gegen die Sozialversicherungen zu bewahren. Das Hauptaugenmerk mußte bei der Beratung - und dem ist der Ausschuß gefolgt - dementsprechend auf dem Schutz des Arbeitnehmers liegen. Wünsche auf eine Ausweitung des Verleihzeitraums konnten deshalb folgerichtig keine Berücksichtigung finden. Die Anwendung des Gesetzes und seine Auswirkungen werden sehr sorgfältig zu beobachten sein. Sollte sich herausstellen, daß durch dieses Gesetz die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in unerwünschtem Umfang erweitert oder eingeschränkt wird oder die mit diesem Gesetz beabsichtigte Ordnung dieses Teilarbeitsmarktes in anderer Weise nicht gesichert werden kann, so müßte dieses Gesetz an Hand der praktischen Erfahrungen unverzüglich novelliert werden. Rechtlich bedeutsam sind die verschärften Strafvorschriften bei Zuwiderhandlungen, in denen auch Mindeststrafen vorgesehen sind. Nachdem die Höchststrafe auf Grund dieses Gesetzes auf 10 000 DM festgesetzt werden soll, ist auch in der beantragten Mindeststrafe von 1000 DM eine unzumutbare Begrenzung des richterlichen Entscheidungsspielraums nicht mehr zu erkennen. Der Bitte der Bundesanstalt, diese Mindeststrafe zu beschließen, wird daher auch von meiner Fraktion gefolgt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß trotz der hier vorgesehenen Öffnung des Arbeitsmarktes für die Arbeitnehmerüberlassung das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit nicht nur erhalten bleibt, sondern durch die vorgesehene Ausnahmeregelung im Grundsatz sogar gestärkt wird, stimmt meine Fraktion dem vorgelegten Gesetzentwurf zu, wenn auch der Name des Gesetzes - Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - eher auf die Konstituierung einer weiteren Vermittlungskompetenz in der Bundesrepublik hinweist als auf die wirklich gewollte Ausnahmeregelung zu dem weiterhin bestehenden Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt. Vielleicht sollte man in der ersten Novellierung einen besseren Namen festlegen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Folger.

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Ich habe die Ehre, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgeben zu dürfen: Im Prinzip sind wir der Meinung, daß die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung unterbunden werden sollte. Wir wollen keinen Menschenhandel und kein Wiederaufleben des Tagelöhnertums. ({0}) Wir Sozialdemokraten haben zusammen mit den Gewerkschaften nicht deshalb jahrzehntelang um die Verbesserung der sozialen Sicherheit, des Arbeitsrechts und des Arbeitsschutzes .gekämpft, um alles das auf Schleichwegen wieder gefährden zu lassen. ({1}) Was der Unternehmer für die Arbeitsleistung bezahlen kann, soll dem Arbeitnehmer ungekürzt zukommen; daran sollte sich kein Zwischenhändler bereichern können. Die auf Grund der Dauer der Betriebszugehörigkeit erworbenen Rechte wie längere Kündigungsfristen, längerer Urlaub, Lohn- und Gehaltsfortzahlung, betriebliche Altersversorgung und vieles andere mehr sollten nicht durch Zeitarbeitsverhältnisse umgangen werden können. Die bei uns bestehende Gewerbefreiheit, die Rechtsprechung und ein infolge der Arbeitskräfteknappheit nicht zu leugnendes gewisses Bedürfnis der Volkswirtschaft hindern uns daran, im gegenwärtigen Zeitpunkt ein totales Verbot anzustreben. Es geht deshalb zunächst um die Beseitigung von Mißständen und darum, solche in Zukunft nicht mehr aufkommen zu lassen. Es gibt eine Anzahl seriöser Firmen, die sich mit der Verleihung von Arbeitskräften beschäftigen und die sich an die guten Richtlinien des Unternehmensverbandes für Zeitarbeit halten. ({2}) Aber leider ist die Zahl der unseriösen Firmen größer. Die Mißstände reichen von der unlauteren Abwerbung bis zu kriminellen Delikten wie Beschäftigung von Ausländern ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, Hinterziehung von Löhnen, Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen bis zur Bedrohung von Arbeitsamtsbediensteten, die ihre Pflicht getan haben, mit Mord und Totschlag. Das zur Verabschiedung anstehende Gesetz bildet einen Anfang, um des Problems Herr zu werden. Ich verzichte darauf, Details zu erwähnen, um Wiederholungen zu vermeiden. Nach einigen Jahren Erfahrung wird sich zeigen, ob und wie das Gesetz noch verbessert werden muß. Wir appellieren an die Bundesanstalt für Arbeit, das Gesetz intensiv auszunützen, d. h. die Erlaubnis und Kontrollpflicht streng zu handhaben. Davon wird die Wirkung des Gesetzes abhängen. Wir appellieren aber auch an die Unternehmer und an die Arbeitnehmer, die Hand nicht zu Manipulationen zu reichen. Wir wundern uns ohnedies, daß die Unternehmer, die sonst häufig um jeden Groschen Lohnerhöhung feilschen, manchmal bereit und in der Lage sind, den Verleihern ein Vielfaches davon zu bezahlen, sei es um Terminarbeiten rechtzeitig ausführen zu können, sei es, um die Verpflichtungen aus unbegrenzten Arbeitsverhältnissen oder aus dem Betriebsverfassungsgesetz umgehen zu können. Die Arbeitnehmer sollten nicht wegen eines scheinbaren Vorteils alle sozialen Errungenschaften aufs Spiel setzen! ({3}) Nicht nur die Bundesregierung, die Arbeitsminister der Länder, die Bundesanstalt für Arbeit, die Sozialversicherungsträger und die SPD-Bundestagsfraktion, sondern auch die Sozialpartner und die Verbände der seriösen Verleiher halten das Gesetz für dringend notwendig. Wir werden ihm zustimmen. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000657, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten darf ich zum vorliegenden Gesetzentwurf folgende Erklärung abgeben. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung soll zwei Anliegen gedient werden, zum einen der Erschließung von Arbeitsmarktlücken, wo dies durch die kurzfristige und zeitlich begrenzte Bereitstellung von Arbeitskräften möglich ist, zum anderen - das ist ein sehr wesentlicher Bestandteil des Gesetzentwurfes - auch dem sozialen Schutz dieser Arbeitskräfte. Zahlreiche Mißstände auf diesem Sektor haben dieses Gesetz erforderlich gemacht. Sie reichen von Beitragshinterziehungen im Sozialversicherungsbereich über die Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten und unerlaubter Vermittlung bis hin zur illegalen Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften. Der Gesetzgeber begibt sich mit diesem Gesetz auf Neuland. Wir haben daher - soweit es möglich erschien -- die Vorschriften flexibel gehalten, andererseits jedoch da, wo ein deutlicher Mißbrauch zu registrieren war, die Vorschriften möglichst verbindlich gefaßt. Wir glauben, daß damit durch seriöse Firmen die Möglichkeit geboten ist, einen bestimmten Arbeitskräftebedarf zu befriedigen und daß andererseits auch die entsprechenden Arbeitskräfte leistungsgerecht entlohnt werden und auch den üblichen sozialen Schutz erhalten. Die künftige Entwicklung wird zeigen müssen, ob wir mit diesen Maßnahmen den Erfordernissen gerecht werden oder inwieweit in der einen oder anderen Richtung Änderungen und Verbesserungen notwendig sind. Wir haben daher von seiten des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung die vorliegende Entschließung gefaßt, wonach die Bundesregierung gebeten wird, in zweijährigem Abstand einen Bericht über die Erfahrungen mit diesem Gesetz vorzulegen. Ich darf für die Fraktion der Freien Demokraten die Zustimmung zu diesem Gesetz und zur Entschließung erklären. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Bundesminister Arendt.

Walter Arendt (Minister:in)

Politiker ID: 11000044

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor der Verabschiedung des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Mit diesem Gesetz zur Regelung der Leiharbeit betreten wir Neuland. Für das Verleihen von Arbeitskräften gibt es bisher noch keine besonderen gesetzlichen Vorschriften. Nach dem geltenden Recht kann jeder ohne besondere Zulassung Arbeitnehmer verleihen. Dabei sind in zunehmendem Maße Mißstände aufgetreten. Vielfach wird über einen „modernen Sklavenhandel" geklagt. Diese Mißstände wollen wir beseitigen. Durch das vorliegende Gesetz soll die Leiharbeit nicht unterbunden, aber in geordnete Bahnen gelenkt werden. In den letzten Jahren sind Verleihfirmen sozusagen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Der Bundesanstalt für Arbeit sind zur Zeit 950 Verleiher im Bundesgebiet bekannt. Die Zahl der Leiharbeitnehmer wird auf 250 000 geschätzt. Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung durchaus geeignet ist, besondere wirtschaftliche Bedürfnisse zu erfüllen. Einerseits kann durch die Leiharbeit ein vorübergehender Personalbedarf rationell abgedeckt werden, andererseits können durch die Leiharbeit neue Beschäftigungsmöglichkeiten für bestimmte Personenkreise, zum Beispiel für Hausfrauen mit Familienpflichten, erschlossen werden. Das Bedauerliche ist, daß die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur von seriösen Firmen betrieben wird. Immer wieder wird über Mißstände geklagt. Da werden Beiträge zur Sozialversicherung und Steuern hinterzogen, da wird Lohn vorenthalten, da werden andere arbeitsrechtliche Pflichten verletzt und Ausländer illegal beschäftigt. Diesen Wildwuchs wollen wir mit dem zur Verabschiedung anstehenden Gesetz beseitigen. Dieses Gesetz bringt folgende Neuregelungen: Erstens. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung wird erlaubnispflichtig, um die illegalen Praktiken zu unterbinden. Die Erlaubnis wird von der Bundesanstalt für Arbeit erteilt, wenn der Verleiher zuverlässig ist und den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer gewährleistet. Zweitens. Das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit wird deutlich von der zuverlässigen Arbeitnehmerüberlassung abgegrenzt. Dabei wird die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung auf drei Monate begrenzt. Die Deckung des längerfristigen Arbeitskräftebedarfs bleibt damit allein der Bundesanstalt für Arbeit vorbehalten. Drittens. Der arbeitsrechtliche Schutz der Leiharbeitnehmer wird ausgebaut. Der Verleiher muß das Arbeitgeberrisiko tragen. Er muß den Leiharbeitnehmer auch dann entlohnen, wenn dieser nicht bei einem Entleiher beschäftigt werden kann. Befristete Leiharbeitsverhältnisse sind nur bei einem sachlichen Interesse des Arbeitnehmers zulässig. Wenn der Verleiher ohne Erlaubnis handelt, (wird ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert. Dann kann der Leiharbeitnehmer den Entleiher als Arbeitgeber voll in Anspruch nehmen. Viertens. Auch der sozialversicherungsrechtliche Schutz der Leiharbeitnehmer wird verstärkt. Eine Kontrollmeldung des Entleihers stellt sicher, daß die Sozialversicherung der Leiharbeitnehmer überwacht und gewährleistet werden kann. Ferner wird eine Mithaftung des Entleihers festgelegt. Fünftens müssen die illegale Beschäftigung und Ausbeutung von ausländischen Arbeitnehmern verstärkt bekämpft werden. Strafen und Geldbußen in diesem Bereich werden deshalb fühlbar erhöht. Außerdem müssen Arbeitgeber, die einen Ausländer illegal beschäftigen, die - nicht unbeträchtlichen - Abschiebungskosten tragen. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß ich hier auf die Einzelheiten einzugehen brauche. Ich möchte aber dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und dem Rechtsausschuß noch besonders dafür danken, daß sie diese schwierige Gesetzesmaterie sehr sorgfältig beraten und die Regierungsvorlage in einer Reihe von Punkten verbessert haben. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz werden sicherlich nicht sofort alle Probleme gelöst. Mit der Regelung der Leiharbeit stoßen wir in bisher nicht geordnete Bereiche vor. Gesicherte praktische Erkenntnisse und Erfahrungen fehlen. Nicht einmal der tatsächliche Umfang der Leiharbeit ist bekannt. Mit diesem neuen Gesetz werden klare Verhältnisse geschaffen. Wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen und die Konsequenzen ziehen, wenn der Schutz der Leiharbeit11380 nehmer oder Erfordernisse des Arbeitsmarktes es gebieten. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Wir kommen dann noch zur Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrages. Danach soll die Regierung ersucht werden, alle zwei Jahre über die bei der Anwendung des Gesetzes gewonnenen Erfahrungen zu berichten. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir stimmen schließlich noch über Ziffer 3 des Antrags des Ausschusses ab. Danach sollen die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt erklärt werden. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Es ist so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 7 abgeschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Frau Jacobi ({0}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte in außergewöhnlichen Härtefällen - Drucksache VI/972 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3486 - Berichterstatter: Abgeordneter Säckl b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({2}) - Drucksache VI/2262 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks ({3}) Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks das Wort.

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wegen des Zeitablaufs zwischen der Beratung des Gesetzentwurfes im Innenausschuß und der abschließenden Beratung im Haushaltsausschuß muß ich als Berichterstatter folgendes nachtragen. Die Bezeichnung des vorgenannten Gesetzentwurfes als „Entwurf eines Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes" ist nicht mehr zutreffend, da der Deutsche Bundestag das Vierundzwanzigste Änderungsgesetz bereits vor einem längeren Zeitraum verabschiedet hat und das Fünfundzwanzigste Änderungsgesetz noch heute beraten und verabschieden wird. Der Gesetzentwurf bedarf deshalb folgender redaktioneller Änderungen. Erstens. Die Überschrift muß jetzt lauten: „Entwurf eines Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes". Zweitens. In § 1 muß logischerweise eine entsprechende Änderung vorgenommen werden. Die Worte „ ... zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ... vom 10. Mai 1971 ({0}) ..." werden durch die Worte „ ... zuletzt geändert durch das Fünfundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ... vom ..." ersetzt, wobei dann noch das Datum der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt und die Seitenzahl des Bundesgesetzblattes einzusetzen wären. Diese Berichtigungen müßten vorgenommen werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir verstehen die Vorlage jetzt unter Einschluß der Berichtigungen, die Sie gerade vorgetragen haben. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe § 1, § 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort hat Frau Abgeordnete Jacobi.

Maria Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion veranlaßt hat, eine Stiftung für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte in außergewöhnlichen Härtefällen zu beantragen, ist die Erfahrung, daß Kriegsfolgengesetze Abgrenzungen und Einschränkungen enthalten, die im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen können. Ein Mitglied des Petitionsausschusses sagte anfangs der Legislaturperiode: „Wenn ich hier solche Fälle abschlägig bescheiden muß, gehe ich aus dem Ausschuß raus." Solche Härten treffen ausnahmslos sehr alte Menschen, deren Leben unter den Auswirkungen beider Kriege stand. Selbstverständlich können in dem neuen Gesetz nur die Wirkungen des zweiten Krieges berücksichtigt werden. Der Innenausschuß hat diesen Schadenstatbeständen Rechnung getragen, indem er die Härteklausel, die im Lastenausgleichsgesetz steht, um einen neuen Paragraphen 301 b erweitert hat. Sie können versichert sein, daß es kein Almosen ist, was hier verteilt werden soll. Es ist ein Recht, das bisher vorenthalten wurde und dessen Zuerkennung in Einzelfällen nachgeholt werden muß. Frau Jacobi ({0}) Ich möchte auch ausdrücklich darauf hinweisen, daß der Haushaltsausschuß die Bedenken der Bundesregierung wegen der finanziellen Auswirkungen nicht teilt. Meine Ausführungen sollten dazu dienen, dies zu verdeutlichen. Mir bleibt noch die Bitte an die Bundesregierung, an das Bundesausgleichsamt und den Innenausschuß, die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Richtlinien möglichst kurzfristig zu erarbeiten und so zu gestalten, daß sie wirklich dazu beitragen, anerkannte Härten und das Gefühl der Benachteiligung und des Vergessenseins zu mindern. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist für den Bundestag in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Der Bundestag als das Gesetzgebungsorgan ist gefordert, entsprechend der Anforderung des Grundgesetzes einen sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen und dabei auch die außerordentlich schwierigen Tatbestände der Kriegsfolgen durch Gesetze zu regeln. Es hat sich gezeigt, daß den vielfältigen Lebenstatbeständen in den seitherigen Gesetzen nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Wenn man die vielen an uns herangetragenen Fälle prüft, kommt man aber zu der Feststellung, daß jede weitere Novellierung neue Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringt. Unsere Kollegen im Petitionsausschuß wissen um diese Schwierigkeiten. Auf sie kommt sozusagen die negative Erfolgsbilanz zu. Alle die Fälle, die an und für sich nach den erlassenen Gesetzen geregelt werden sollten, aber bei ganz gewissenhafter Gesetzesanwendung eben doch nicht befriedigend geregelt werden, kommen auf die Kollegen des Petitionsausschusses zu, und diese Kollegen kommen dann zu uns: Wie kann diesen Tatbeständen Rechnung getragen werden? Es ist verständlich, daß aus der Mitte des Hauses deshalb zunächst der Gedanke entstand, eine Stiftung zu errichten. Das Petitum, das darin steckt, hat sich der Innenausschuß zu eigen gemacht, und es ist auch richtig. Wir sind aber der Auffassung - und ich glaube, ich darf jetzt hier einflechten: der ganze Innenausschuß war der Auffassung -, hier geht es um eine sehr wichtige Abgrenzung zwischen dem, was Aufgabe des Gesetzgebers ist, und dem, was Aufgabe der Verwaltung ist. Wir waren der Meinung, der Gesetzgeber kann seiner Aufgabe nur nachkommen, wenn er Gesetze erläßt. Aber ich sagte schon, neue Gesetze bringen neue Härtefolgen mit sich. Die zweite Überlegung war die, daß eine Stiftung in der direkten oder indirekten Verwaltung des Bundestages die Gewalten von Gesetzgebung und Verwaltung vermischt. Das, meinten wir, wäre nicht richtig. Deshalb nun der neue Weg. Das ist ein großes Vertrauen zu der Lastenausgleichsverwaltung, aber auch eine große Erwartung, die wir - das darf ich für die SPD-Fraktion sagen - gegenüber dieser Verwaltung, die so präzis und korrekt arbeitet, haben, nämlich jetzt die gesamte Zielrichtung des Lastenausgleichsgesetzes, des Reparationsschädensgesetzes und des Flüchtlingshilfegesetzes zu erfassen und sie im Einzeltatbestand über das bisherige enge Maß der Auslegung hinaus anzuwenden. Aber auch das darf natürlich nicht von der Einstellung des einzelnen Amtes abhängig sein. Wir haben geglaubt, daß es richtig ist, daß das Bundesausgleichsamt hier eine allgemeine Richtlinie erläßt. Wir verbinden damit die Hoffnung und die Erwartung, daß die zuständigen Ministerien, das Bundesausgleichsamt und - Frau Kollegin Jacobi, das darf ich an Sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses sagen - der Petitionsausschuß ihre Erfahrungen nutzbar machen, sozusagen katalogisieren und sagen: Das wäre eigentlich nach dem Gesetz zu regeln, aber wir können kein neues Gesetz machen; das sollte vom Bundesausgleichsamt in die Tatbestände aufgenommen werden. Wir meinen, daß so die Arbeit des Petitionsausschusses sinnvoll unmittelbar genutzt werden kann, um diese menschlich außerordentlich schwierigen Fälle zu regeln, bei denen wir der Auffassung sind, daß sie nicht weiter aufgeschoben werden dürfen. Wir von der SPD-Fraktion erwarten ein schnelles Aktivwerden der Verwaltung. ({0}) - Herr Kollege Brück, danke für den Zuruf; das ist die Erwartung des ganzen Hauses. - Wir erwarten, daß hier in Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuß schnell geholfen wird und daß die Richtlinien, die erlassen werden sollen, laufend überprüft und ergänzt werden, um den alten Menschen, die unter den Kriegsfolgen leiden, tatsächlich Hilfe zu leisten. Wir stimmen deshalb diesem in der Form so ganz grundsätzlich veränderten Gesetz gern zu. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich zu dem vorstehenden Gesetzentwurf folgende Erklärung abgeben. Der vorgelegte Gesetzentwurf sah in seiner ursprünglichen Fassung die Regelung von Härtefällen durch Leistungen einer zu gründenden Stiftung vor. Wir Freien Demokraten teilen die Bedenken, die in diesem Fall sowohl im federführenden Innenausschuß als auch in .den beiden anderen beteiligten Ausschüssen diskutiert worden sind. Das Instrument der Stiftung hat in der vergangenen Legislaturperiode im wesentlichen aus zwei Gründen Eingang in die soziale Kriegsfolgengesetzgebung gefunden, nachdem es im Bereich der klassischen Sozialpolitik ohnehin nie eine Rolle gespielt hat. Die Gründe damals waren: Die eigentliche Gesetzgebung galt dem Grunde nach als abgeschlossen, und bereits bekannte oder eventuell in der Zukunft auftretende Härtefälle sollten im Rahmen bestimmter Richtlinien und von Ermessensentscheidungen gelöst werden. Ein in seinem Umfang festgelegtes Stiftungsvermögen sollte bei den damaligen finanziellen Verhältnissen diesen Zweck erfüllen. Beim Lastenausgleich sind einmal von der Sache her andere Daten gegeben. Zum anderen ist nach den Erfahrungen heute auch eine kritischere Einstellung zu den Möglichkeiten einer Stiftung vorhanden. Es wird daher eine Lösung im Rahmen des Härtefonds des LAG durch Ergänzungen bei den §§ 301 und 323 vorgeschlagen. Wir gehen dabei davon aus, daß in Sonderfällen über Richtlinien des Präsidenten des Bundesausgleichsamts eine Hilfestellung geboten wird, wenn die sonstige Gesetzgebung eine entsprechende Leistung nicht zuläßt. Durch die Einschaltung des zuständigen Ministers wie auch des Bundesfinanzministers dürfte gewährleistet sein, daß hier keine Sonderentwicklungen entstehen, die sich dem Willen und der Kontrolle des Parlaments mehr oder weniger entziehen. Wir glauben, daß damit eine Begrenzung auf außergewöhnliche Härtefälle und die erforderliche Hilfestellung gegeben ist und daß viele menschlich schwierige Fälle auf diese Weise sinnvoll gelöst werden können. Wir stimmen aus diesen Gründen dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen, völlig veränderten Fassung zu. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung in der dritten Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen. Wir stimmen über Nr. 2 des Antrags des Ausschusses ab: „die zu dem Antrag eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären". - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: 9. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({0}) - Drucksache VI/3447 a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3582 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl ({2}) b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({3}) - Drucksache VI/3545 -Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks Abgeordneter Hofmann ({4}) Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie abermals bitten, eine kleine Berichtigung zu beschließen. Der Druckfehlerteufel hat sich auf Seite 13 der Ihnen vorliegenden Drucksache eingeschlichen. Unter § 7 Abs. 1 Nr. 4 wird in der zweitletzten Zeile am Schluß „Buchstabe c" genannt. Wie wir erst eben festgestellt haben, gibt es diesen gar nicht. Es muß „Buchstabe b" heißen. Ich bitte, dieser Berichtigung zuzustimmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Buchstabe wird also geändert. Wir stimmen über § 1 ab. Wer § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Zu § 2 liegt der Änderungsantrag Umdruck 299 *) vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks das Wort.

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Änderungsantrag vorgelegt. Denn nach der gegenwärtigen Fassung des Entschädigungsgesetzes erhalten nahezu alle in der Bundesrepublik Deutschland und im westlichen Ausland mit Ausnahme Osterreichs lebenden Heimatvertriebenen und Flüchtlinge aus der SBZ eine Entschädigung für das in der Heimat infolge Vertreibung oder Flucht zurückgelassene Vermögen. Dies gilt nach dem Lastenausgleichsgesetz insbesondere auch für die Gruppe derjenigen Volksdeutschen aus den Ländern Südosteuropas, die im Rahmen der geltenden Stichtagregelungen Aufenthalt in der Bundesrepublik genommen haben. Soweit eine Wohnsitznahme in der Bundesrepublik aber infolge der damals gültig gewesenen Zuzugssperre nicht möglich war und die Betroffenen in Osterreich verblieben sind, erhalten sie auf Grund eines Abkommens, des sogenannten Kreuznacher Abkommens, einen entsprechenden Ausgleich. Allein diejenigen Deutschen aus Südosteuropa, die im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht gedient haben und nach der Vertreibung vor dem 31. Dezember 1952 dann aus Österreich nach Übersee oder in das sonstige westliche Ausland ausgewandert sind, erhalten dagegen keine Entschädigung, da nur wenige der Betroffenen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben und auch machen konnten, vor dem 1. Januar 1969 die deutsche Staatsangehörigkeit auf Grund des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. Dezember 1955 zu erwerben. Daher wird vorgeschlagen, einen engeren Personenkreis von Betroffenen als neu zu versorgenden Personenkreis in die Entschädigungsregelung des Reparationsschädengesetzes einzubeziehen. Durch diese Regelung sollen die ehemaligen deutschen Wehrmachtsangehörigen aus dem Südostraum sowie *) Siehe Anlage 5 deren Ehegatten, Abkömmlinge oder Eltern erfaßt werden. Der angesprochene Personenkreis hat, soweit man es bis jetzt feststellen konnte, eine Größe - die Zahl ist eher nach oben als nach unten gegriffen - von höchstens 20 000 Personen. Die Mehraufwendungen für eine solche Regelung dürften nach den Schätzungen aller, die sich mit der Frage bisher befaßt haben, den Betrag von 50 bis 55 Millionen DM nicht wesentlich überschreiten. Da nach den jüngsten Berechnungen davon ausgegangen werden kann, daß die tatsächlichen Ausgaben für die Leistungen nach dem Reparationsschädengesetz insgesamt erheblich hinter den ursprünglichen Ausgabensätzen zurückbleiben werden, sind die für die vorgeschlagene Änderung erforderlichen Mittel aus dem Bundeshaushalt durch die zu erwartenden Minderausgaben voll gedeckt. Hinzu kommt, daß die zu tätigenden Ausgaben nach den Erfahrungen der Abwicklung in ähnlichen Bereichen nur zur Hälfte als Entschädigungsleistungen nach Eingang und Bearbeitung der Anträge im Laufe der nächsten vier Jahre d. h. etwa 25 Millionen DM auf vier Jahre verteilt, also 6 Millionen DM pro Jahr - und zur anderen Hälfte als Rentenleistungen in Anspruch genommen werden, die sich dann bis zum Jahre 2014 hinziehen. Meine Damen und Herren, hier ist heute von einem Kollegen bei der Beratung eines anderen Gesetzentwurfs behauptet worden, mit diesem Antrag mache die CDU/CSU einen unsoliden Vorschlag bezüglich ihrer Grundsatzhaltung, keine ausgabewirksamen Leistungen, die die Konjunktur und den Haushalt beeinflussen, vorzulegen. Ich glaube, Sie werden mir hinsichtlich dessen, was wir heute haben verabschieden müssen, zustimmen, daß es sowohl im wehrpolitischen als auch im sicherheitspolitischen, aber eben auch im sozialpolitischen Bereich Ausnahmen gibt. Wenn die Ausnahmen wie bei diesem Antrag nur die Größenordnung von 6 Millionen DM im Jahr erreichen und wenn sie nur an Deutsche, die im Ausland leben, geleistet werden, fällt das konjunkturpolitische Motiv schon überhaupt ganz weg. Ich bitte Sie, daran zu denken, daß diesem Personenkreis im Laufe der letzten Jahre seitens aller Fraktionen mehr oder weniger verbindliche Zusagen gemacht worden sind, daß die SPD-Fraktion noch in diesem Jahr dem Verband, in dem dieser Personenkreis zusammengefaßt ist, durch ein Schreiben ihres Arbeitskreises VI bestätigt hat, es sei auch ihr Anliegen, im Rahmen dieser jetzt vorliegenden Novelle die Frage befriedigend zu regeln, analog dem Text unseres Änderungsantrages. Ich spreche daher die Hoffnung aus, daß Sie mit uns diesem Antrag zustimmen, um dem Anliegen der - ich möchte fast sagen - letzten, etwas größeren Gruppe derer, die noch nicht in die Entschädigungsleistungen bzw. in die Altersvorsorge einbezogen sind, gerecht zu werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf. Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die Bundesregierung bitte ich Sie, dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion die Zustimmung zu versagen. Der hier in Frage stehende Komplex ist bei den seinerzeitigen Beratungen des Reparationsschädengesetzes im federführenden Ausschuß eingehend erörtert worden. Es bestand die einhellige Auffassung, daß von Geschädigten, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sondern die im Zeitpunkt des Schadens deutsche Volkszugehörige waren, nähere Beziehungen zur Bundesrepublik verlangt werden müßten. Die Vertreter aller Fraktionen des Hauses waren sich damals darin einig, daß hierauf auch bei den Personen nicht verzichtet werden könne, die während des Krieges Dienst in der Deutschen Wehrmacht geleistet haben. Es besteht nach Auffassung der Bundesregierung kein ersichtlicher Anlaß, von dieser Auffassung nunmehr abzugehen, dies schon gar nicht, wenn - wie es hier der Fall ist - die beteiligten Ausschüsse zu dem Problem gar nicht erneut Stellung genommen haben. Insbesondere halte ich es aber nicht für vertretbar, den Bundeshaushalt, aus dem die Mehrkosten des Änderungsantrages geleistet werden müßten, mit zusätzlichen Ausgaben zu belasten, die nach erster Grobschätzung 50 bis 100 Millionen DM betragen würden. In der gegenwärtigen Situation, in der gerade auch seitens der antragstellenden Fraktion ständig der Ruf nach stärkeren Einschränkungen des Haushalts laut wird, erscheint es befremdlich, daß auf der anderen Seite auch auf diesem Sektor Ausweitungen in einer solchen finanziellen Größenordnung gefordert werden. Ich bitte Sie daher, diesen Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hofmann.

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Sache selbst besteht kein Widerspruch: Auch wir wollen diesem Personenkreis helfen; nur haben wir uns nicht zeitlich festgelegt. Und ich muß Sie, verehrter Herr Kollege von Fircks, daran erinnern, daß wir beide eine Absprache dahin gehend getroffen haben, die 25. Novelle nicht durch zusätzliche Anträge belasten zu wollen, da in diesem Falle der Haushaltsausschuß neu beraten müßte. Wir wollten damit erreichen, daß keinerlei Verzögerung eintritt. Diese Vereinbarung hat leider nicht lange gehalten. Sie, Herr von Fircks, haben unmittelbar darauf im Innenausschuß einen Antrag auf Erhöhung des Selbständigenzuschlags eingebracht. Sie haben dann - in der Einsicht, daß die 25. Novelle damit verzögert werden könnte - diesen Antrag selber wieder zurückgezogen. Aber heute kommen Sie mit einem völlig neuen Antrag, der im Innenausschuß nicht beraten wurde. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir - und da waren wir uns auch einig - im Herbst interfraktio11384 nell all dies neu beraten und auch versuchen wollten, das, was auf uns zukommt, finanziell abzusichern. Ich darf Sie hier an das Wort des Ausschuß-vorsitzenden Professor Schäfer erinnern, der die Ministerien um eine Zusammenstellung gebeten hat, aus der ersichtlich wird, was noch zu erledigen ist und was wir finanziell absichern können. Dies alles waren die Vereinbarungen, die Sie leider heute nicht mehr einhalten. Statt dessen bringen Sie einen Antrag ein, der sich gegen diese Absprachen wendet und der, so muß ich sagen, Herr Kollege, fast wörtlich aus dem Brief des BdV abgeschrieben wurde.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks?

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hofmann, nachdem Sie hier ein vollkommen falsches Bild zeichnen, darf ich Sie doch bitten, zu bestätigen, daß unsere Absprache lediglich für die Beratungen im Ausschuß galt und daß ich Ihnen dann, bevor die Ausschußsitzung begann - sechs Stunden vorher -, mitgeteilt habe, daß sich eben aus anderen Vorlagen eine andere Situation ergeben hat, und daß Sie sehr wohl darüber unterrichtet waren, ({0}) daß im Ausschuß noch ein Antrag gestellt werden würde und daß für die Beratungen im Plenum überhaupt keine Absprache getroffen wurde.

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege von Fircks, das ist ein völliges Mißverständnis, denn wir haben damals in diesem Gespräch gesagt: Wir wollen diese 25. Novelle auf jeden Fall durchbringen, da keiner weiß, was im Herbst auf uns zukommt, und da dieses Gesetz - wie es auch kommen mag - vielleicht nicht eines der ersten einer neuen Regierung sein würde. Das war unsere Absprache, und daraufhin haben wir gesagt, daß wir keinerlei Zusatzanträge einbringen wollten, die diese 25. Novelle gefährden könnten. Das steht doch einwandfrei fest. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, bitten, doch bei dem Verfahren zu bleiben, daß Anträge einer solchen finanziellen Größenordnung erst im Ausschuß beraten werden, bevor sie ins Plenum getragen werden. Daher bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Hermsdorf und Herr Kollege Hofmann haben schon weitgehend auf die Sachfragen hingewiesen. Es bleibt mir eigentlich nur, für die Freien Demokraten noch einmal - leider Gottes zum drittenmal an diesem Tage - festzustellen, daß hier im Augenblick ein Änderungsantrag, unterschrieben von Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion, vorliegt, der dem Bundestag zusätzlich die Bewilligung von Haushaltsmitteln in einer Größenordnung von 50 bis 100 Millionen DM vorschlägt. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nun wirklich bald kein Verständnis mehr dafür - und ich habe mir erlaubt, das heute früh schon einmal sehr deutlich zu sagen -, daß hier immer wieder - und das sicher mit gutem Recht - seitens der Opposition auf Stabilitätsnotwendigkeiten, aus Haushaltsnotwendigkeiten hingewiesen wird, daß aber so nebenbei immer von irgendeiner Gruppe - vielleicht sogar, ohne daß die Haushaltsexperten der CDU/CSU gefragt worden sind - plötzlich neue Anträge mit Ausgaben von 50 bis 100 Millionen DM auf den Tisch gelegt werden. ({1}) Damit nun nicht etwa der Einwand kommt, das koste nicht so viel, möchte ich den Antragstellern nur empfehlen, einmal bei dem rückzufragen, der hinter dem Antrag steht. Der hat selbst behauptet, 90 Millionen koste es wahrscheinlich. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie Ihren Haushaltskollegen - von denen mir übrigens einige gesagt haben: das kommt ja aus dem Fonds - erzählt haben, weiß ich nicht. Jedenfalls kommt es nicht aus dem Fonds, sondern es kommt aus dem Bundeshaushalt, weil es sich um das Reparationsschädengesetz handelt. Meine Damen und Herren, so kann man es nicht machen, und so kann man nicht auch noch die Verabschiedung der 25. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz, die notwendig ist, gefährden. Wir lehnen diesen Antrag ab. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks. ({0})

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Zuruf des Abgeordneten Wehner macht wieder einmal deutlich, daß man bei der Beratung dieser Gesetze anscheinend nirgendwo bei der SPD Zeit hat. ({0}) - Solange ich in diesem Hause bin, ist von der Regierung noch keine einzige Vorlage zur Novellierung des Lastenausgleichsgesetzes eingebracht worden, die dann im Ausschuß nicht unter dem Zeitdruck stand: Entweder machen wir es so, oder wir kommen in einen Zeitverzug, weil das Bundesausgleichsamt programmieren muß, weil die Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Freiherr von Fircks Computer gefüttert werden müssen, weil die Ferien kommen ({1}) und jetzt weil Sie offensichtlich sehen, daß Ihre Regierungszeit zu Ende geht und Sie im Herbst diese Dinge nicht mehr beraten können. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hofmann?

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ihnen ist wohl auch nicht der Widerspruch aufgefallen, der darin liegt, daß der Kollege Hofmann einerseits mich beschuldigt, daß wir den Antrag wörtlich von dem Brief Ihrer Fraktion an die Betroffenen abgeschrieben haben. ({0}) - Herr Kollege Wehner, ich spreche genauso lange, wie ich es für notwendig halte und die Frau Präsidentin mir das Wort gibt. ({1}) - Wenn Sie dazwischenrufen, dann wird es eben etwas länger dauern, Herr Kollege Wehner.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hofmann gestatten. Freiherr von Fircks: Ja, gerne. Bitte!

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege von Fircks, wenn Sie beklagen, daß keine Zeit zur Beratung sei, warum haben Sie dann den Antrag nicht dort gestellt, wo über diesen Antrag beraten werden soll, nämlich im Innenausschuß?

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hofmann, ich glaube, das ist nicht gerade sehr nützlich für Sie. Erinnern Sie sich daran, mit welchem, sagen wir: Druck der Herr Vorsitzende des Ausschusses verhinderte, daß noch zusätzliche Anträge beraten werden! ({0}) - Wieso? Ich bin hier gefragt worden, Herr Kollege Schäfer, und ich antworte auf die Frage. Sie haben erklärt, daß Sie den Gesetzentwurf gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätten und ihn jetzt sofort absetzen würden, wenn Zusatzanträge gestellt würden. ({1}) Damit war die Situation des Druckes dort gegeben, und so ist es auch bei den anderen Beratungen gewesen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage? Freiherr von Fircks: Nein, ich will jetzt zu Ende kommen. Meine Damen und Herren, die Situation ist nicht so, wie man sie hier darzustellen versucht. Für das Reparationsschädengesetz sind allein in diesem Jahr 70 Millionen DM im Haushalt vorgesehen. Nach Auskunft der zuständigen Ministerien werden schlimmstenfalls 54 Millionen DM benötigt. Infolgedessen ist allein schon in diesem Jahr im Haushaltsplan ein Überhang, ({0}) der das Doppelte von dem beträgt, was eventuell in diesem Jahr benötigt werden könnte. Der Gesamtbetrag ist bisher von Stellen, die mir als seriös bekannt sind, in keinem Fall höher als 55 Millionen DM geschätzt worden. Alle Erfahrungen besagen, daß die Hälfte über die Rentengesetzgebung und die andere Hälfte über die Entschädigungsgesetzgebung laufen und daß die Entschädigungsgesetzgebung erfahrungsgemäß innerhalb von vier Jahren abgewickelt wird. Rechnen Sie bitte selbst aus, wie seriös dieser Antrag tatsächlich abgedeckt ist! Aber lassen Sie mich nun das Entscheidende sagen. Herr Kollege Hofmann hat schon darauf hingewiesen. Wenn auch nur die Gefahr besteht - Sie selbst vertreten diese Auffassung -, daß dieser Bundestag, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr dazu kommt, sich dieses Problemes anzunehmen - wir wissen, wie es zunehmend schwieriger wird, bei einem altersmäßig ganz anders zusammengesetzten nächsten Bundestag noch Verständnis dafür zu wecken, die Kriegsfolgen gerecht auszugleichen -, dann entscheiden Sie heute bei Ablehnung dieses Antrags, so meine ich, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit tatsächlich darüber, ob für diesen Personenkreis überhaupt noch etwas getan wird oder nicht. Ihr Vertrösten auf den Herbst und eine weitere Beratung, Kollege Hofmann, ist doch unter dem Menetekel, daß dieser Bundestag nicht mehr dazu kommt, weitere Gesetze zu beraten, tatsächlich ein Begraben der Hoffnungen dieser Menschen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den soeben begründeten Antrag auf Umdruck 299. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! ({0}) Enthaltungen? - Die ablehnenden Stimmen waren die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Vizepräsident Frau Funcke Wir kommen zur Abstimmung über § 2 in der Ausschußfassung. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Ist so beschlossen. Ich rufe die §§ 3, 4, 5, 6, 7 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmig! Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort zur dritten Beratung hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Fircks. ({1})

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion gebe ich zu der Gesetzesvorlage folgende Erklärung ab. Nachdem in der Vergangenheit nicht nur die Renten aus der Sozialversicherung, sondern auch die Leistungen der Kriegsopferversorgung dynamisiert worden sind, ist es nach Auffassung der CDU/CSU aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller Altersklassen eine Selbstverständlichkeit, daß auch hier eine Sicherung erfolgen mußte. Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß die Entscheidung der Bundesregierung über die vorliegende Novelle zum Lastenausgleichsgesetz so spät in den Ausschuß gekommen ist, daß dort aus Zeitgründen eine Beratung tatsächlich nicht mehr möglich war. Wir begrüßen es, daß das bisherige Verfahren der Anpassung in größeren Zeitabständen durch das System der jährlichen Anpassung ersetzt wird. Dies gilt ebenso für die gleichzeitig vorgeschlagene Regelung über die Einbeziehung weiterer Jahrgänge geschädigter ehemals Selbständiger und wirtschaftlich abhängiger Familienangehöriger in die Kriegsschadensrente, wie für den Wegfall der Vermögensgrenze als Voraussetzung für den Bezug der Kriegsschadensrente und die Einräumung eines Anspruchs auf Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten. Dies alles waren fast zwingende Anpassungen. Zum Teil bestand sogar ein Nachholbedarf zu entsprechenden Gesetzen in anderen Sozial- und Rentenbereichen. Nirgendwo ist zu erkennen, daß dieser Personenkreis, der Heimat, Eigentum und den Familienzusammenhang verloren hat, mehr bekommen hätte als ein anderer. ({0}) Die Verbesserungen nach der Regierungsvorlage vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Ausgangsgrundlage für die Dynamisierung der Leistungen der Kriegsschadensrente für nahezu eine halbe Million Rentner nach dem Lastenausgleichsgesetz unzureichend ist. Ausgangsgrundlage ist der Stand der Rentenleistungen nach dem Vierten Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz. Danach wurde die Unterhaltshilfe für die Jahre 1971 und 1972 um insgesamt 8,5 % angeboten, während die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten im gleichen Zeitraum 11,8 % betrug. Dies hat dazu geführt, daß der in den letzten beiden Jahren bereits größer gewordene Abstand des Leistungsniveaus der Kriegsschadensrente im Verhältnis zu den Leistungen im übrigen Rentenbereich in entscheidender Weise vergrößert wurde. Dies trifft insbesondere wieder für die ehemals selbständigen Landwirte und die Angehörigen selbständiger mittelständischer Berufe zu, die heute in großer Zahl als Bezieher von Kriegsschadensrente in weit beengteren Verhältnisse leben müssen, als sie es vor dem Verlust ihrer Existenz durch Flucht und Vertreibung auf Grund ihrer eigenen Arbeit für ihren Lebensabend erwarten durften. Für diesen Personenkreis beträgt die Erhöhung der Kriegsschadensrente durch das Vierte Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz für die beiden vergangenen Jahre insgesamt nur 5,7 %, bei Ehepaaren 6,9 %. Das bedeutet für etwa 60 % aller Unterhaltshilfeempfänger nach dem Lastenausgleichsgesetz, daß ihre Renten nur mit dem halben Erhöhungssatz der Sozialversicherungsrenten angehoben worden sind. Aus der Tatsache, daß der Anstieg der Lebenshaltungskosten für die Rentnerhaushalte innerhalb der beiden letzten Jahre mit über 10 % bereits erheblich über den Anpassungssätzen der Kriegsschadensrente liegt, ergibt sich für die Rentner nach dem Lastenausgleichsgesetz eine äußerst negative Situation. Sie erhalten seit mehr als zwei Jahren praktisch keinen Ausgleich für den Kaufkraftverlust, und sie sind darüber hinaus von der Teilnahme am realen Einkommensanstieg in der Bundesrepublik Deutschland völlig ausgeschlossen. Dies hatte vor allem im vergangenen Jahr zu einem starken Anstieg des Anteils der noch unter Sozialhilfeniveau liegenden Kriegsschadensrenten geführt. Diese negative Situation hinsichtlich der realen Einkommen der Kriegsschadensrentner hatte dann die Fraktionen dieses Hauses bei dem erst vor wenigen Wochen beschlossenen Vierten Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz zur Einführung eines besonderen Sozialzuschlages veranlaßt, der dem Betroffenen eine Kriegsschadensrente garantiert, die über den Beträgen liegt, die im Rahmen der Sozialhilfe als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird. Die Bezeichnung „Sozialzuschlag" scheint mir dabei nicht sachgerecht, „Inflationszuschlag" wäre richtiger gewesen. Diese außerordentliche negative Entwicklung im sozialen Bereich hat insgesamt dazu geführt, daß die Kriegsschadensrentner heute neben den Fürsorgeempfängern an der letzten Stelle der Rentenskala überhaupt stehen. Dies ist die Ausgangsgrundlage, nach deren Stand ein Rentner jetzt durch die zu verabschiedende Lastenausgleichsnovelle im kommenden Jahr in die Dynamisierung seiner Rentenleistungen hineinwachsen soll. Diese Situation wird dazu führen, daß die erheblichen Benachteiligungen der Unterhaltshilfeempfänger, die ehemals selbständig waren, in den folgenden Jahren fortgeschrieben werden und schon aus Verwaltungsgründen einer späteren Korrektur sehr schwer zugänglich sein werden. Die CDU/CSU-Fraktion bedauert daher, daß es bei den Beratungen über diese Vorlage der Bundesregierung nicht möglich war, im Interesse der Betroffenen eine von allen Fraktionen diese Hauses getragene verbesserte Regelung zu erreichen. Die Tatsache, daß dies bei den Beratungen des Entwurfs nicht erreichbar war, macht erneut die Diskrepanz zwischen den offiziellen Ankündigungen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen im Bereich der Sozial- und Gesellschaftspolitik und dem deutlich, was diese Bundesregierung in diesem Bereich zu tun tatsächlich bereit ist. ({1}) Hierzu einige Fakten aus jüngster Zeit! Die volle Angleichung aller Kriegsfolgeleistungen mit Versorgungscharakter an die übrigen Leistungen der sozialen Sicherheit war noch vor wenigen Wochen bei der Verabschiedung des Vierten UnterhaltshilfeAnpassungsgesetzes die Forderung des Sprechers der FDP-Fraktion vor diesem Hause. ({2}) Tatsächlich kann jedoch die Dynamisierung der Kriegsschadensrente nach dem vorliegenden Entwurf deshalb nicht als eine sozialpolitische Verbesserung gelten, weil die Ausgangsgrundlage, auf der sie aufbauen soll, eben nicht in Ordnung ist. Erst am 15. April dieses Jahres läßt der Bundesinnenminister auf einer Bundesveranstaltung der Zonengeschädigten erklären, daß eine Regelung zur Gleichstellung in der Verzinsung und die Gewährung des Entwurzelungszuschlags zur Hauptentschädigung für Zonengeschädigte eine politische Notwendigkeit darstelle. Als die CDU/CSU-Fraktion entsprechende Anträge einbringt, wird ihr von den Vertretern der Koalitionsfraktionen dann der Vorwurf gemacht, aus wahltaktischen Gründen mehr zu fordern, als eine Regierung verantworten könne. ({3}) Vorher die Erklärungen namens des Bundesinnenministers! In einem Brief der SPD-Fraktion, den ich vorhin zitierte, vom 3. Mai dieses Jahres, wird dann an den Bund der Donauschwaben erklärt, daß man die Verbesserung, die jetzt abgelehnt worden ist, einführen wolle. Trotz dieser erheblichen Unzulänglichkeiten, durch die der vorliegende Gesetzentwurf gekennzeichnet ist, wird die CDU/CSU-Fraktion mit Rücksicht auf die in ihm enthaltenen Grundsatzregelungen und auf den Zeitzwang dem Gesetz ihre Zustimmung nicht versagen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Krall.

Lothar Krall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001193, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich zu dem Entwurf folgende Erklärung abzugeben. Wir können ohne jede Übertreibung behaupten, daß die sozialliberale Koalition mit dem 25. Änderungsgesetz bereits das zweite Reformvorhaben im Bereich des Lastenausgleichs in dieser Legislaturperiode beschließt. Die 23. Novelle war ein entscheidender Schritt zur sozialen und rechtlichen Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen. Die 25. Novelle bringt in ihrem Kernstück durch die Dynamisierung der laufenden Geldleistungen eine wesentliche Verbesserung, die in Zukunft in der gleichen Weise erfolgt wie im klassischen Bereich der Sozialpolitik der gesetzlichen Rentenversicherung. Die FDP hat seit jeher betont und gefordert, daß im Kriegsfolgenbereich die gleichen sozialen Maßstäbe zu gelten haben wie in der klassischen Sozialpolitik. Bis zur Verwirklichung dieses Zieles war es ein langer Weg, zu dem wir unseren Beitrag zu leisten versucht haben, und zwar ebenso in der Opposition wie in Zeiten der Koalition mit der CDU/CSU wie auch heute mit der SPD. Die Stationen liefen über Initiativanträge der Fraktion ab 1958 ebenso wie über die maßgebliche Ressortverantwortung unserer Freunde Mischnick und Genscher. Für die sozialliberale Koalition ist die Beteiligung der vom Krieg und den Kriegsfolgen Betroffenen an der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, d. h. ihre volle rechtliche, wirtschaftliche und soziale Integration, keine Frage wiederholter Lippenbekenntnisse, sondern von Versprechen, die wir eines nach dem anderen erfüllen. Die Dynamisierung der Unterhaltshilfe ist nach der Dynamisierung der Kriegsopferrenten ein weiterer konsequenter Schritt auf diesem Wege und damit auch ein Stück innerer Reformen. Für die laufende Anpassung der Geldleistungen sollen in der Zukunft die gleichen Maßstäbe gelten wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wer diese Entscheidung bejaht, muß sich darüber im klaren sein, daß dies eine Orientierung an den Löhnen und Gehältern bedeutet. Er muß sich auch darüber im klaren sein, daß gegebenenfalls eine Defizithaftung des Bundes zu realisieren ist, wenn die Reserven des Lastenausgleichsfonds nicht ausreichen. Mit der Dynamisierung der Geldleistungen im Kriegsfolgenbereich werden für die Zuwachsraten des Haushalts genauso Daten gesetzt wie durch die Dynamisierung der gesetzlichen Rentenversicherung und Unfallversicherung. Wer der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang nichts vormachen will, kann nicht einerseits noch höhere Sozialleistungen fordern und gleichzeitig die Beschränkung der Haushaltsausgaben verlangen oder versprechen, wie es der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Barzel, zu tun pflegt. Die allgemeine Bemessungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung wird durch die Zuwachsraten der Löhne und Gehälter der Versicherten bestimmt. Diese Zuwachsraten haben sowohl lang- als auch mittelfristig seit der Währungsreform über den realen Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts gelegen. Wenn die Versprechungen von Dr. Barzel in Zeitungsinterviews und vor industriellen Kreisen ernst gemeint oder ernst zu nehmen wären, müßten die Oppositionsparteien konsequenterweise andere Maßstäbe für die Anpassung der sozialen Leistungen in jährlichem Rhythmus beantragen. Das liegt bis zur Stunde jedoch nicht vor. Wir haben überhaupt in den vergangenen Wochen und Monaten den Eindruck gehabt, daß Sprecher der Opposition ihre Hauptaufgabe darin gesehen haben, auf öffentlichen Märkten und Plätzen vor Heimatvertriebenen Illusionen zu nähren und Gefühle aufzuputschen. Wirklich helfen tun sie damit niemandem. ({0}) Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß wir den Betroffenen mehr helfen, wenn wir in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht das tun, was zur gesellschaftlichen Integration dieses Personenkreises möglich und notwendig ist. ({1}) Diese 25. Novelle ist ein entscheidender Schritt hierzu; das wird niemand bestreiten. Abgesehen von dem Grundsatz der Dynamisierung - ab 1. Januar 1974 - enthält die 25. Novelle einen ganzen Katalog von Verbesserungen in den einzelnen Leistungskategorien: Erstens. Die Erhöhung der Unterhaltshilfesätze ab 1. Januar 1973 für den Unterhaltshilfeberechtigten, seine nicht dauernd von ihm getrennt lebende Ehefrau sowie seine zuschlagsberechtigten Kinder mit einer Angleichung an die Verbesserung im Fünften Rentenanpassungsgesetz. Zweitens. Eine Erhöhung der Selbständigenzuschläge und der Pflegezulage. Drittens. Eine Erhöhung der Einkommenhöchstbeträge, so daß die Anpassungen auch in diesen Kategorien wirksam werden. Viertens. Eine abschließende Regelung für das Hineinwachsen ehemals Selbständiger in die Kriegsschadensrente. Gleichzeitig wurde das Problem der Hoferben gelöst, das bisher zu mancherlei Härten führte. Damit ist nur noch entscheidend, wie lange die Betroffenen bis zur Schädigung selbständig tätig waren. Fünftens. Die Streichung der Schonvermögensgrenze, bei deren Überschreitung grundsätzlich die Gewährung von Kriegsschadensrente ausgeschlossen war. Damit erhält das Gesetz auch für diesen Personenkreis einen echten Entschädigungscharakter, nachdem bisher fürsorgliche Prinzipien mit entscheidend waren. Sechstens. Die Einführung eines Anspruchs auf Vorsorgeuntersuchung, wie er seit dem 1. Juli 1971 nach dem Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetz und seit dem Dritten Anpassungsgesetz für Kriegsopfer gilt. Damit erfolgt für Unterhaltshilfeempfänger auch hinsichtlich der Krankheitsvorsorge eine Gleichstellung. Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang auf die damit zusammenhängenden weiteren Anpassungsvorschriften und die Schließung einer Reihe von Gesetzeslücken und einigen weiteren Klarstellungen im einzelnen einzugehen. Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß damit den Geschädigten insgesamt im Zusammenhang mit der Kriegsschadensrente und ihrer laufenden Anpassung die sozialen Leistungen in gleicher Weise wie den Rentenempfängern anderer sozialer Bereiche zugute kommen. Wir stimmen daher diesem Gesetzentwurf uneingeschränkt zu ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hofmann.

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit, hier eine Erklärung abgeben zu können, nicht dazu mißbrauchen, um Polemik zu treiben, Negationen und Verunsicherung herbeizuführen. ({0}) Ich spreche auch nicht zu dem Zweck, um Spalten von Verbandszeitungen zu füllen. Ich will mich daher ganz kurz fassen, muß aber dennoch einmal ganz unmißverständlich sagen, daß die Arbeit, die hier konkret für Vertriebene getan wird, nicht von den großen Sprechern und Präsidenten der Verbände geleistet wird, sondern von den „kleinen Vertriebenen", die sich dieser mühevollen Arbeit unterziehen ({1}) und nicht nur für Massenveranstaltungen zur Verfügung stehen. Es wurde hier in die Diskussion die Verunsicherung hineingebracht, daß all dies wieder zu wenig sei. Ich muß Sie, meine Damen und Herren der Opposition, an das erinnern, was Sie uns an Arbeit für Vertriebene übriggelassen haben. Was haben wir inzwischen für einen Berg abgearbeitet! ({2}) Ich darf Sie an diese Zahlen erinnern, Herr von Fircks, die Sie nie gern hören und die zeigen, daß der größte Teil der Selbständigen - wenn es sich um ein Ehepaar handelt - ohne weitere Renten mit Hilfe dieser Dynamisierung ab 1. Januar 1973 eine Rente von 657 DM haben wird. Das steigert sich zum nächsten Jahr auf 732 DM, auf 813 DM und auf 878 DM. Ich bitte Sie einmal, den Vergleich zu den anderen Renten zu ziehen! Dann kann wohl keiner sagen, daß wir für die Vertriebenen in diesem Hause nichts getan hätten. ({3}) - Selbst wenn Sie diese abziehen, Herr Ott, bleibt noch mehr übrig als zu der Zeit, als Sie die Renten nur um 2 bis 3 % angehoben haben; das steht nun wohl einwandfrei fest. ({4}) Aber mit der Polemik kommen Sie draußen nicht mehr an; das haben Sie ja schon gemerkt! Unsere Leute sind Gott sei Dank etwas kritischer geworden! Ich darf nun im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgegeben. Entsprechend der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, in der der Bundeskanzler u. a. erklärt hat, daß sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigten bewußt bleibt, liegt dem Hohen Hause heute die 25. Lastenausgleichsnovelle zur abschließenden Beschlußfassung vor. Im Zuge der von der Bundesregierung zugesagten inneren Reformen ist dieses Gesetz neben der 23. LAG-Novelle, die die Gleichstellung der Vermögensgeschädigten aus der DDR ab 1. Januar 1971 bezüglich der Hauptentschädigung und der Sparerschäden mit den übrigen Geschädigten brachte, sowie neben vielen weiteren gesetzlichen Verbesserungen im Bereich der Kriegsfolgegesetzgebung ein weiterer großer Komplex, auf den über 400 000 Empfänger von Unterhaltshilfe schon seit Jahren gewartet haben. Als wichtigste Maßnahme dieser 25. Novelle sehen wir die Dynamisierung der Unterhaltshilfe und des Selbständigenzuschlags ab 1973 an. Damit wäre nach den Dynamisierungen der Kriegsopferrenten, des Unterhaltshilfegeldes bei der beruflichen Fortbildung und Umschulung und der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung die 4. Dynamisierung innerhalb dieser Legislaturperiode vollzogen worden. Mit dieser Dynamisierung ist das Tauziehen um die Verbesserungen der Unterhaltshilfe beendet. Damit ist auch die Integration dieses Personenkreises in die Sozialleistungen des Bundes vollzogen. All die Bedenken und noch mehr die Negativprognosen zur Aufhebung des Ministeriums für Heimatvertriebene und Flüchtlinge am Beginn dieser Legislaturperiode sind hinfällig geworden. Was wir in diesen zweieinhalb Jahren für Heimatvertriebene und Flüchtlinge geleistet haben, hält jedem Vergleich mit jeder anderen vollen Legislaturperiode stand. Mehr noch: in keinem vergleichbaren Zeitraum wurde für Heimatvertriebene und Flüchtlinge mehr geleistet als in diesen zweieinhalb Jahren. Meine Damen und Herren, auch mit dem Hineinwachsen aller ehemals Selbständigen und von ihnen wirtschaftlich abhängigen Personen, sofern sie diesem Personenkreis seit dem 16. Lebensjahr auch mit Unterbrechung bis zur Vertreibung oder Flucht mindestens zehn Jahre angehört haben, trägt die Bundesregierung einem auf unsere Veranlassung beantragten Ersuchen des Deutschen Bundestages anläßlich der Verabschiedung der 23. Novelle Rechnung. Die Fraktion der SPD ist der festen Überzeugung, daß mit dieser Novelle eine saubere Lösung des Gesamtproblems der Altersversorgung aller Geschädigten erreicht wird. Die Koalition will damit auf diesem wesentlichen Gebiet des Lastenausgleichs einen gerechten Abschluß finden. Ich bitte Sie daher, dieser Novelle zuzustimmen. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer unserer Kollegen hat bei einer ausgabenwirksamen Leistung vor ein oder zwei Wochen hier mit Recht erklärt, daß der Dank dafür nicht in erster Linie diesem oder jedem Antragsteller, sondern denen gelte, die die Leistungen, die erbracht werden können, durch ihre Steuerzahlungen und ihre Abgaben aufgebracht haben. Dies möchte ich dem Herrn Kollegen Hofmann - der meinte, dies zur Polemik ausnutzen zu sollen - sehr klar sagen. ({0}) Diese Mittel, die im Lastenausgleichsfonds sind, hat weder die Regierung noch die Opposition aufgebracht. Die Leistungen, die daraus erbracht werden können, können aus der Vermögensabgabe und der Vermögenssteuer gezahlt werden. Diesen gebührt der Dank und nicht kleinen oder großen Abgeordneten, die im Rahmen der Gesetze ihre Pflicht erfüllen und hier das tun, was durch die Inflationslage notwendig geworden ist. ({1}) Nachdem Sie, Herr Hofmann, diese Dinge hier angeschnitten haben, muß ich noch eines sagen. ({2}) - Sie kommen auch noch dran, Herr Wehner! Für die Selbständigen ist ganz gewiß nicht das geschehen, was hätte geschehen sollen. Aber wir, Herr Wehner, schreiben nicht solche Briefe, wie sie mir hier vorliegen und in denen es z. B. heißt - Arbeitskreis VI der SPD : Unser Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Wehner, dankt Ihnen herzlichst für Ihre Eingabe. Das ganze ist an die Donauschwaben gerichtet. Dann folgt wörtlich der Antrag, den Herr von Fircks hier begründet hat, mit der Zusage - mit Gruß von Herrn Wehner -, daß dieser Antrag mit der 25. Lastenausgleichnovelle eingebracht werden würde. ({3}) Hier aber stimmen Sie dagegen! Das mußte ich Ihnen, nachdem Sie von kleinen und großen Abgeordneten gesprochen hatten, doch einmal sagen. ({4}) Ich melde mich selten zu diesen Dingen zu Wort, aber ich kümmere mich darum, daß das Notwendige passiert, Herr Wehner. ({5}) Wir werden Sie, ob Sie es wollen oder nicht, hier festnageln. Ich weiß, daß Sie sich immer dann be11390 sonders laut zu Wort melden, wenn etwas zu verbergen ist, was Ihnen unangenehm ist. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! -Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Kann ich davon ausgehen, daß entsprechend dem Antrag des Ausschusses die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt erklärt werden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den drei Verträgen von 1971 mit dem Königreich Dänemark, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee - Drucksache VI/3225 Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({0}) - Drucksache VI/3536 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Beermann ({1}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird das Wort nicht begehrt. Meine Damen und Herren, ich rufe Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe jetzt Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Hohe See - Drucksache VI/2726 Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({2}) - Drucksache VI/3557 -Berichterstatter: Abgeordneter Blumenfeld ({3}) Ich frage zunächst, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4 und 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Meine Damen und Herren, bevor ich Punkt 13 der Tagesordnung aufrufe, habe ich Ihnen noch folgendes bekanntzugeben. Die endgültige Auszählung der bei der namentlichen Abstimmung zu Punkt 6 abgegebenen Stimmen hat ergeben, daß 216 Abgeordnete des Hohen Hauses mit Ja und 234 Abgeordnete des Hohen Hauses mit Nein gestimmt haben. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Die Verteilung der Stimmen der Berliner Abgeordneten hat sich gegenüber der ersten Auszählung nicht geändert. An dem Endergebnis der Abstimmung ändert sich nichts. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. November 1971 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über den Luftverkehr - Drucksache VI/3559 Das Wort wird zur Einbringung der Vorlage nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend -, und dem Auswärtigen Ausschuß sowie dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen zur Mitberatung zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tierschutzgesetzes - Drucksache VI/2559 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) - Drucksachen VI/3556, zu VI/3556 Berichterstatter: Abgeordneter Vit Abgeordneter Dr. Hammans ({5}) Ich erteile zunächst dem Herrn Kollegen Vit das Wort.

Franz Vit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002374, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute dem Hohen Hause in zweiter und dritter Lesung vorgelegte Entwurf eines Tierschutzgesetzes geht auf die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zurück. Darin hat die Bundesregierung unter anderem eindringlich darauf hingewiesen, daß dem Schutz der Natur, der Erholungsgebiete und dem Tierschutz mehr Auf- vit merksamkeit geschenkt werden müsse. Diese Feststellung entspricht nicht nur dem Wunsch weiter Bevölkerungskreise, sondern auch den Erfordernissen der dringend notwendigen Fortentwicklung dieser speziellen Gesetzgebung. Nachdem verfassungsrechtliche Bedenken durch eine Neufassung des Art. 74 Nr. 20 des Grundgesetzes am 12. März 1971 ausgeräumt werden konnten, legte die Bundesregierung am 7. September 1971 dem Hohen Hause den Entwurf des Tierschutzgesetzes vor, welcher am 29. September 1971 in erster Lesung beraten wurde. Dadurch wurde die in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 herausgestellte Absicht der Verbesserung des Tierschutzes in überzeugender Weise bestätigt. Am 28. Februar 1972 wurde eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen und Verbandsvertretern in einer gemeinsamen Sitzung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des mitberatenden Innenausschusses durchgeführt. Damit waren die Voraussetzungen einer eingehenden und gründlichen Beratung in den zuständigen Ausschüssen gegeben. Als Ergebnis dieser Beratung liegt Ihnen nunmehr der Entwurf eines Tierschutzgesetzes als Kernstück eines Rechtsgebietes vor, das noch durch eine Reihe von Rechtsverordnungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten weitere detaillierte Regelungen erfahren wird. Dabei darf ich Sie, meine Damen und Herren, auf einige besonders erfreuliche Aspekte des Beratungsergebnisses hinweisen: Erstens. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Tierschutzgesetzes wurde in seiner Grundkonzeption bestätigt und erfuhr nach kritischer Bearbeitung nur wenige wichtige Ergänzungen. Zweitens fand der Gesetzentwurf die wünschenswerte breite Zustimmung der interessierten Öffentlichkeit und eine durchweg positive Aufnahme in der fachlichen Beurteilung durch die Sachverständigen und Verbandsvertreter. Gerade diese Resonanz spricht nicht nur für die ausgewogene Berücksichtigung der verschiedenen, oft divergierenden Interessen durch den Gesetzentwurf, sondern eröffnet auch günstige Perspektiven für die praktische Handhabung und Beachtung des neuen Gesetzes. Grundlage und Konzeption des Gesetzes ist ein ethisch bezogener und wissenschaftlich fundierter Tierschutz. Damit hebt sich dieses Gesetz deutlich von der Einstellung des aus dem Jahre 1933 stammenden Tierschutzgesetzes ab, bei dem mehr eine gefühlsorientierte Ausrichtung vorliegt. Große Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung und Lehre, bei der die Erkenntnisse der Verhaltensforschung einen ganz wesentlichen Raum einnehmen, einen Wandel der Rechtsauffassung und nicht zuletzt die Entwicklung ökonomischer Gegebenheiten hatte der Gesetzentwurf zu berücksichtigen. Der Entwurf geht davon aus, daß keine Tierart ausgeschlossen ist. Er umfaßt nicht nur die Haustiere, sondern auch die gesamte frei lebende Tierwelt einschließlich der niederen und schädlichen Tiere. Nach den in diesem Gesetz festgelegten Tatbestandsmerkmalen soll sich der Schutz jedoch in erster Linie auf solche Tiere erstrecken, die der Empfindung von Schmerz fähig sind. Dadurch werden Beurteilungsmaßstäbe gesetzt, die eine gute rechtliche Plattform darstellen. Meine Damen und Herren, ich darf nun auf einige Punkte eingehen, denen meines Erachtens eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Erstens. Einen breiten Raum widmet das Gesetz dem Problem der Tierversuche. Es trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Bedeutung und die Häufigkeit der Tierversuche sowohl in der Wirtschaft als auch bei der wissenschaftlichen Forschung ständig zunehmen und die Tierversuche dringend und unverzüglich einer exakten Regelung bedürfen. Zweitens. Den wohl gravierendsten Einfluß auf den Lebensablauf bestimmter domestizierter Tierarten hat die in den letzten Jahren in großem Umfang praktizierte und ernährungswirtschaftlich notwendige Massentierhaltung. Berechtigte, vernünftige und vertretbare Einschränkungen der Lebensbedingungen für die betroffenen Tierarten müssen im Interesse der Lebenserhaltung des Menschen in Kauf genommen werden. Den hierfür notwendigen Spielraum räumt das Gesetz unter Beachtung des erforderlichen Tierschutzes ein. Drittens. Eine ganz wichtige Bestimmung befaßt sich mit dem seit einiger Zeit aufkommenden Versandhandel per Nachnahme mit Tieren. Das vorgesehene Verbot dieser Art gebietet hier einem allseits abgelehnten Verfahren Einhalt. Viertens. Weiter gingen die Bemühungen dahin, eine lange und nicht nur sachlich geführte Diskussion um operative Eingriffe in Form des Kupierens oder Entfernens von Gliedmaßen wie beispielsweise des Kürzens der Rute oder der Ohren bei Hunden zu beenden. Die eingehenden diesbezüglichen Erörterungen anläßlich des Anhörungstermins konnten den Ausschuß davon überzeugen, daß es sich bei diesen Eingriffen überwiegend um gesundheitsfördernde und nicht um modische, also ständigem Wandel unterworfene Eingriffe handelt. Dabei ist es interessant, zu erwähnen, daß die Fachleute diese Maßnahme für notwendig erachten, um die negativen Ergebnisse der mannigfaltigen Tierzüchtungen wieder auszugleichen. Auch hier setzt das Gesetz für die Zukunft eindeutige Maßstäbe. Fünftens. Gleichfalls war es Ziel dieses Gesetzes, Voraussetzungen zu schaffen, um auf dem Gebiet des Tierschutzes zu umfassenden Absprachen im supranationalen Bereich, d. h. vor allem im EWG-Gebiet, zu kommen. In diesem Zusammenhang erinnere ich an eine Übereinkunft des Europarates vom 12. Dezember 1968 über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport. Auf der Basis dieses Gesetzes ist eine internationale Harmonisierung des Tierschutzrechtes und die Schaffung einer europäischen Tierschutzkonvention möglich. Diese Vereinheitlichung würde unter anderem der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen bei der Nutztiermassenhaltung dienen. Sechstens. Schließlich soll die ausgewogene und angemessene Fassung der vorgesehenen Strafbestimmungen die Rechtsprechung erleichtern und ihr Normen an die Hand geben, die die Beachtung des Tierschutzes erleichtern und fördern. Bei einer abschließenden Würdigung des vorgelegten Gesetzestextes gehe ich davon aus, daß sich ganz zwangsläufig auch positive Auswirkungen auf das Verhältnis von Mensch und Tier als wünschenswerte Folgeerscheinung ergeben werden. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie namens des Ausschusses, dem Gesetz in der Ihnen vorliegenden Fassung Ihre Zustimmung zu geben und, dem Antrag der Berichterstatter auf Umdruck 296 *) folgend, den Zeitpunkt des Inkrafttretens auf den 1. Oktober 1972 festzusetzen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich danke Ihnen im Namen des Hauses, und ich benutze gern die Gelegenheit, Ihnen zu Ihrer ersten Rede in diesem Hause unsere besten Wünsche zu sagen. ({0}) Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe §§ 1 bis 22 auf. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Angenommen. Zu § 23 liegt der Änderungsantrag Umdruck 296 der beiden Berichterstatter vor. Danach soll Satz 1 folgende Fassung erhalten: Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1972 in Kraft. Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig beschlossen. Wir müssen jetzt über § 23 mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Gleichzeitig stimmen wir über Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in der zweiten Beratung einstimmig angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammanns.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren fordern die deutsche Öffentlichkeit und auch dieses Parlament - die Versuche in den vergangenen Legislaturperioden wurden erwähnt - ein neuzeitliches, bundeseinheitliches Tierschutzgesetzt, ein Gesetz, das dem Recht des Tieres auf Schutz, auch im Rahmen moderner Produktions-, Haltungs-, Versuchs-, Handels- und Beförderungsgegebenheiten, angemessen Rechnung trägt. Der Entwurf dieses Gesetzes liegt vor. *) Siehe Anlage 6 Ich möchte, bevor ich zu den einzelnen Paragraphen Stellung nehme, in einer Vorbemerkung über das Gesetz ein paar grundsätzliche Gedanken voranstellen, die einiges über den Inhalt, vor allem aber über den Geist des Gesetzes aussagen. Bei dem Anhörungstermin am 8. Februar 1972 habe ich an alle Sachverständigen die Frage gerichtet, ob jemand von ihnen der Meinung sei, daß wir ein deutsches Tierschutzgesetz machen könnten, das der deutschen Landwirtschaft schlechtere Startbedingungen zugesteht als anderen europäischen Landwirtschaften. Diese sehr wichtige Frage haben alle Sachverständigen verneint. Wir haben das bei der Beratung des Gesetzentwurfs berücksichtigt. Das war besonders bei der Frage der Intensivhaltung in der modernen Landwirtschaft nicht immer einfach. Ich werde zu Einzelheiten später noch Stellung nehmen. Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier im Sinne einer Mitverantwortung für das seiner Obhut anheimgegebene Lebewesen hat im Laufe der letzten Zeit eine starke Entwicklung erfahren. Dabei änderte sich auch das Anliegen des Tierschutzes in entscheidender Weise. Die Tierschutz hat national wie international, erheblich verstärkt auch durch den Einsatz der Massenmedien, an Gewicht und Aktualität gewonnen. Die Zahl der Bürger, die sich für einen guten Tierschutz engagieren, ist dauernd im Steigen begriffen und auch politisch - man kann sagen: Gott sei Dank - durchaus spürbar. Der Deutsche Bundestag ist als Gesetzgeber aufgefordert, den neuesten Erkenntnissen entsprechend die berechtigten Belange des Tieres in diesem Gesetz zu berücksichtigen und zu einer Abwägung zu kommen, die ethischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten gleichermaßen Rechnung trägt. Ein neues Tierschutzgesetz muß nicht nur den modernen strafrechtlichen Vorstellungen entsprechen, sondern sich vor allem auch mit den vordringlichen Problemen bei der Haltung, der Pflege und der Unterbringung der Tiere, insbesondere der Nutztiere in der sogenannten Intensivhaltung, sowie mit den notwendigen Regelungen für Versuche an lebenden Tieren und für den Handel bzw. den Transport von Tieren befassen. Eines der wesentlichen Merkmale dieses neuen Gesetzes ist von seiner ethischen Seite her zu sehen, weil künftig nicht mehr allein das Wohlbefinden des Tieres im Sinne des Freiseins von Schmerz und Leiden und die Unversehrtheit im Sinne des Freiseins von Schäden, sondern auch das Leben des Tieres schlechthin geschützt wird. Das ist durchaus vereinbar mit einer vernünftigen Lebensbeschränkung des Tieres im Rahmen der Erhaltensinteressen der Menschen. In der Wertskala ist das unbestritten. Die rechtsformale Einordnung des Tieres als Sache schränkt die Pflicht des Menschen nicht ein, das Tier als Mitlebewesen, das seiner Obhut und Verantwortung anheimgegeben ist, vor Schmerzen und Leiden zu bewahren, sofern diese nicht nach Maßgabe der verbindlichen Sittenordnung unserer GeDr. Hammans sellschaft, d. h. aus vernünftigem, berechtigtem und unvermeidbarem Grund dem Tier zugemutet werden können. Unsere Sittenordnung kennt Anliegen oder Ziele, die denen des Tierschutzes übergeordnet, sittlich gleichwertig oder untergeordnet sind. Als übergeordnet müssen die Ernährung des Menschen, Krankheitsbekämpfung oder Schädlingsbekämpfung gelten, ebenso wissenschaftliche Forschung über und mit Tieren, Volksbildung, Natur- und Jagdschutzausbildung von Tieren. Dem Anliegen des Tierschutzes ist aus öffentlich-rechtlicher Sicht unterzuordnen, was aus modischen, liebhaberischen, sportlichen, artistischen oder künstlerischen Zwecken mit einem Tier geschieht und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden ist. Die Menschen haben sich immer mit der logischen Basis der Ethik beschäftigt. Aber inzwischen haben auch die Philosophen es wohl aufgegeben, das Wesen des Guten oder des Bösen von rein begrifflichen Prinzipien her zu definieren. Eine Diskussion über Fragen der Ethik kann also nur unter der Voraussetzung eines Systems bestehender Werte und Maßstäbe erfolgen. Bei divergierenden Voraussetzungen ist es notwendig, diese aufzuzeigen. Aber die Entscheidung über die eventuelle Überlegenheit des einen oder des anderen Wertsystems der Gesellschaft muß der politischen Entscheidung dieses Hauses überlassen bleiben. In diesem Tierschutzgesetz, das vor uns liegt, wird der Tatsache Rechnung getragen, daß das Tierreich eine Vielzahl von Tieren umfaßt, die sich in ihrer körperlichen wie verhaltensbiologischen Entwicklung bzw. Differenzierung zum Teil ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Wir können davon ausgehen, daß es für viele Tierarten Schmerz und Angst überhaupt nicht gibt. Daraus folgt, daß das subjektive Erleben und Empfinden der einzelnen Arten schon aus diesem Grunde sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr verschieden sein muß. Bei den Haus- und Nutztieren muß erwähnt werden, daß diese meist im Laufe ihrer Domestikation und auch durch weitere bewußte züchterische Auslese Instinktreduktionen erfahren haben, die zur Eliminierung und Kompensation angeborener Verhaltensweisen geführt haben. Bei den Beratungen haben wir uns, wie ich schon bei der ersten Lesung zum Tierschutzgesetz hier im Hause angekündigt habe, daran gehalten, die Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der Verpflichtung zum Schutze der Tiere weniger aus den emotionalen Empfindungen des Menschen zu begründen, also gefühlsorientiert zu sehen, als zunehmend exakte und repräsentativ-wissenschaftliche Feststellungen über tierartgemäße und verhaltensgerechte Normen und Erfordernisse zu setzen. Dadurch wird in diesem Gesetz den modernen Erkenntnissen der Verhaltensforschung beim Tier Rechnung getragen. Damit wurde erstmals in einem Tierschutzgesetz die rechtliche Plattform geschaffen, um der psychisch immateriellen Form des Leidens eines Tieres, wie sie sich vor allem in einer Unterdrückung der dem Tier angeborenen lebensnotwendigen Verhaltensmuster äußert, entgegenzutreten. So gestattet das Gesetz in besonderem Maße, Regelungen für die zahlreichen im Tierschutz relevanten Fragen zu finden, die sich bei der Haltung großer gleichartiger Nutztierbestände auf begrenztem Raum in neuzeitlichen Haltungssystemen ergeben können. Es haben sich vor allem für die Bestimmungen über die Tierhaltung in diesem Gesetz neue Gesichtspunkte ergeben. Auch die Abschnitte über das Töten von Tieren und über Versuchseingriffe sowie den Handel mit Tieren enthalten manch bedeutsamen Akzent. Dem Transport von Tieren wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das Hearing im Februar brachte die Erkenntnis, daß wir in Wissenschaft und Wirtschaft auf Tierversuche nicht verzichten können. Aber straffe Regelung und Überprüfung sind notwendig. Das Gesetz hat sich dieser Sache mit besonderer Sorgfalt angenommen. Dieses Gesetz will aber nicht nur Straf- und Bußgeldvorschriften regeln - und die angedrohten 10 000 DM Buße bei einer Ordnungswidrigkeit zeigen deutlich, welche Bedeutung den Verstößen gegen das Tierschutzgesetz beigemessen ist -, sondern soll auch dazu beitragen, dem Bürger die Grundlage einer vernünftigen und den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechenden Mensch-Tier-Beziehung zu vermitteln. In unserer Gesellschaft gibt es alle Schattierungen zwischen den Auffassungen einerseits derer, die einem Tier eine humane Behandlung angedeihen lassen wollen, und andererseits derer, die dem Tier ohne jedes Verständnis gegenüberstehen. Die einen wollen mit ihren Forderungen nach Schutz des Tieres eine Idealisierung, eine Uniformierung und bis ins Extrem eine Vermenschlichung. Wir wissen namentlich durch Konrad Lorenz, ({0}) daß Ausdrucksmittel der Tiere auch interspezifische Eindrücke vermitteln können. - Herr Kollege Haase, ich komme gleich noch darauf zurück; Professor Konrad Lorenz ist der Leiter des Instituts für Verhaltensforschung der Max-Planck-Gesellschaft in Seewies. - Wir wissen also durch Lorenz, daß beispielsweise die Ausdrucksweise der Angst und des Schmerzes eines Tieres auch vom Menschen als Eindruck empfunden wird. Erhebliche und fortdauernde Eindrücke bewirken beim Menschen, der sie empfängt, eine Reizminderung, eine Abstumpfung, wie man sagt, und sogar eine Reizgewöhnung im Sinne einer Verrechnung durch die höheren Zentren. Ein Mensch, der sich an Schmerzen der Tiere gewöhnt, wird häufig von Schmerzen anderer Menschen ebenfalls weniger beeindruckt werden. Zum anderen können unangenehme Eindrücke - und das sind die Eindrücke der Angst und des Schmerzes der Tiere - vom Menschen in das limbische System, in das Unterbewußtsein verdrängt werden und so außer Kontrolle der willkürlichen Handlung geraten. Wir sind durch so manche naturwissenschaftliche Erkenntnis gezwungen, allzu vereinfachte frühere Ansichten über das Verhalten der Tiere zu revidieren. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem die Wissenschaft immer deutlicher in den tierischen Instinkten die Basis von Verhaltensformen erkennt, die bisher als ausschließlich menschlich galten. ({1}) Der Frage, inwieweit man überhaupt zu Recht von einem Empfinden und Erleben beim Tier sprechen kann, läßt sich im Rahmen von Regelungen sicher nur begegnen, wenn solche Regelungen, dem Prinzip der Wahrhaftigkeit und Praktikabilität folgend, auf eine möglichst solide und jedermann einleuchtende Basis gestellt werden, d. h. wenn sie im Rahmen des Möglichen auf die erfaßbaren, objektiven und biologischen Wirklichkeiten ausgerichtet sind. Es ist eine allgemein gültige Erkenntnis, daß zwischen den nächststehenden tierischen Entwicklungsstufen und den Menschen aus der Sicht der Verhaltensforscher Unterschiede grundsätzlicher Art bestehen, ({2}) in denen die uralte Unterscheidung und Gegenüberstellung von Mensch und Tier überzeugend zu begründen ist. - Und ich nehme an, Herr Hansen, das trifft auch für Sie zu. ({3}) Auch die uralte Gepflogenheit des Menschen, das Tier zu seiner Lebenserhaltung zu nutzen und sich der Tiere unter besonderen Umständen auch zu erwehren, ist damit logisch abgeleitet. Wo würde der Mensch heute stehen, wenn er sich nicht mit Hilfe seiner geistigen Überlegenheit immer wieder des Tieres bedient hätte! Ein Kernstück dieses Gesetzes ist der Abschnitt Tierhaltung. Er enthält neben anderen die grundlegende Vorstellung, daß jedermann, in dessen Obhut sich ein Tier, wenn auch nur vorübergehend, befindet, gehalten ist, dem Tier unter Berücksichtigung seiner Entwicklungs-, Anpassungs- oder Domestikationsstufe angemessene, artgemäße Nahrung und Pflege angedeihen zu lassen. Dies ist aber nur dann der Fall - -({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Schulte, Sie gehen irrtümlich davon aus, daß Sie den Redner davon abhalten können, die sehr eingehende Begründung der Vorlage vorzutragen.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, daß bei dieser schwierigen Situation, in der sich der deutsche Tierschutz im Verhältnis zur Massentierhaltung befindet, diese eingehende Begründung mit wissenschaftlicher Fundierung notwendig und am Platze ist. Ich danke Ihnen sehr. ({0}): Herr Hammans, ich hätte nur eine Frage!) - Bitte bedienen Sie sich des Mikrofons, Herr Kollege Schulte! Außerdem müssen Sie den Herrn Präsidenten fragen, ob Sie eine Zwischenfrage stellen können.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Hammans, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schulte?

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Kollege Schulte!

Manfred Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Hammans, ich habe nur eine Frage: haben Sie wenigstens einen Dackel oder so etwas? ({0})

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schulte, wenn wir uns nicht so gut verstünden und ich Sie nicht so gut kennte, dann würde ich sagen, daß diese Frage dem Ernst dieses Gesetzes wirklich nicht gerecht wird. ({0}) Meine Damen und Herren, ich sprach davon, daß eine Ernährung dem Tier angepaßt sein muß. Das ist aber nur dann der Fall, wenn gestörte körperliche Funktionen, die auf Mängel oder Fehler in der Ernährung oder Pflege zurückzuführen sind, nach den Regeln der tierärztlichen Kunst oder nach anderen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht feststellbar sind. Darüber hinaus sollen bei der Unterbringung eines Tieres die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse der Verhaltensforschung angemessen berücksichtigt werden. Das trifft im allgemeinen dann zu, wenn die angeborenen arteigenen Verhaltensmuster des Tieres durch die Art der Unterbringung nicht so eingeschränkt oder verändert werden, daß dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden an dem Tier selbst entstehen. Hierbei geht das Gesetz davon aus, daß das Wohlbefinden des Tieres im wesentlichen auf einem ungestörten artgemäßen wie verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge beruht. Schmerz und Leiden sind Reaktionen des Tieres auf Einwirkungen jeder Art, die zu nachhaltiger Beeinträchtigung des Wohlbefindens oder zusätzlich zu Abwehrreaktionen von seiten des Tieres führen. Als Mindestforderung in der Intensivhaltung der Tiere, die ja weltweit betrieben wird, muß gelten, daß die essentiellen Funktionskreise des arteigenen angeborenen Verhaltensinventars der betreffenden Tiere aufrechterhalten bleiben müssen. Diese lebenswichtigen Bedürfnisse eines Tieres müssen im Interesse des Tieres allgemein durchgesetzt werden und sicherstellen, daß die Tiere insoweit als biologische Maßstäbe z. B. beim Stallbau, bei der Stalleinrichtung und bei Haltung, Pflege und Transport gelten. Im einzelnen wird dies in entsprechenden Durchführungsverordnungen seinen Niederschlag finden. Um diese Mindestforderungen aufstellen zu können, wird man Gutachten von Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis unter maßgeblicher BeteiDr. Hammans ligung von Vertretern der Verhaltenswissenschaft anfordern müssen. Als Beispiel für das, was von den Wissenschaftlern erarbeitet werden muß, will ich hier nur die Forderungen aufzählen, die der Gutachterausschuß Tierschutz-Wirtschaftsgeflügel in seinem Bereich angemeldet hat. Es sind Untersuchungen über die Auswirkungen, die Bewegungsbeschränkungen, Unterbindung des Scharrtriebs, Ausschaltung jeder Möglichkeit des Staub- oder Sandbades, Verhinderung der Gefiederpflege auf das Verhalten, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Hühnern verschiedener Altersklassen und Rassen, besonders bei Käfighaltung auf Drahtböden, haben. Es sollen ferner Untersuchungen über das Sozialverhalten des Huhns ({1}) und die Auswirkungen haltungsbedingter Eingriffe auf die artgemäße Sozialordnung angestellt werden. ({2}) - Herr Schulte, Sie haben wahrscheinlich noch nie etwas von einer „Hackordnung" bei Hühnern und anderem Geflügel gehört. ({3}) - Unter Menschen wird sie manchmal etwas brutaler gehandhabt, Herr Kollege Schulte. Darüber hinaus sollen Untersuchungen über die Auswirkung der Verhinderung bzw. Störung arteigener Legegewohnheiten, besonders im Rahmen der Legehennenkäfighaltung, sowie Untersuchungen über die Folgen von Angst und Schreckereignissen bei Hühnern ohne Fluchtmöglichkeit angestellt werden. Sie sehen, meine Damen und Herren, hier sind eine ganze Reihe von wichtigen Punkten angesprochen, die untersucht werden müssen und die einer Klärung bedürfen. Die Verordnungen, die diesen Gutachten folgen, werden sich auf die Ergebnisse der vorhin genannten Untersuchungen beziehen. Allerdings - und hier schließt sich der Kreis zu dem Beginn meiner Ausführungen - muß, nicht zuletzt aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit, angestrebt werden, daß dem europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport eine weitere Vereinheitlichung und Fortentwicklung des rechtlichen Schutzes der Tiere in dem geplanten Übereinkommen des Europarates über den Schutz der Tiere auch in sogenannten Intensivhaltungen sowie im Hinblick auf wissenschaftliche Tierversuche alsbald folgen. Doch nun zu einigen Paragraphen des Gesetzes. Ich möchte ein paar Bemerkungen besonders zu den Paragraphen machen, zu denen der Ausschuß dem Hohen Hause Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf vorgeschlagen hat. In § 3 haben wir einen Absatz 9 eingefügt, wonach es verboten ist, ein Tier per Nachnahme zu versenden. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß jetzt viele Eintagsküken per Nachnahme versandt werden, konnte sich der Ausschuß wegen der großen Gefahren für die Tiere bei Nichtannahme und einer Rücksendung an den Absender nicht entschließen, hierauf zu verzichten. ({4}) In § 4 ist vom Töten die Rede. Ich hoffe, daß bald eine neue Schlachtordnung folgt, in der dann auch die strittige Frage des Schächtens neu geregelt wird. Bei der Diskussion um dieses Tierschutzgesetz hat die Frage des Kupierens von Ohren und Ruten bei Hunden eine große Rolle gespielt. Ich habe dieses Problem bei einem Besuch im Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung gegenüber Professor Konrad Lorenz angesprochen. Professor Lorenz hat mir gesagt, daß beides gar nicht so schlimm sei. Die Sachverständigen haben bei dem vorhin schon erwähnten Anhörungstermin im Februar überzeugende Argumente gebracht, daß man das Kupieren der Ohren und der Ruten bei Hunden weiter zulassen sollte. Der anwesende Verhaltensforscher Professor Leyhausen wie auch die Mitglieder des Ausschusses haben sich von den Argumenten überzeugen lassen. Die Mitglieder des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schlagen Ihnen vor, entgegen dem Regierungsentwurf das Kupieren von Ohren und Ruten bei Hunden weiter zuzulassen. Die §§ 7, 8 und 9 wurden an mehreren Stellen geändert, wobei besonderer Wert darauf gelegt wurde, daß in Zukunft auch Biologen Tierversuche vornehmen können. An dieser Stelle möchte ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für manche wertvolle Formulierungshilfe bei diesen Änderungen herzlich danken. Es gab eine längere Diskussion darüber, ob in § 11 der Absatz 4 eingefügt werden sollte, nach dem ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten Tiere an Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr nicht verkauft werden dürfen. Trotz einer im BGB schon geltenden stufenweisen Geschäftsfähigkeit des Jugendlichen glaubten wir diesen Passus hier aufnehmen zu sollen. Trotz aller Sorgfalt, die im Ausschuß gewahrt wurde, ist die Frage nicht geklärt worden, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung schlagen wir Ihnen im Umdruck 296 vor, das Gesetz am 1. Oktober 1972 in Kraft treten zu lassen. Der Bundesrat hat zum Entwurf der Bundesregierung eine Reihe von Stellungnahmen vorgelegt, die wir in unsere Beratungen einbezogen haben und denen wir fast immer unsere Zustimmung gegeben haben. Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren. Mit diesem Gesetz wird den Tierärzten erneut große Verantwortung aufgebürdet. Ich bin sicher, daß sie diese annehmen und im Geiste des Gesetzes handeln. Wir hoffen und wünschen, daß das Gesetz trotz seines großen Spannungsfeldes in weiten Kreisen der Bevölkerung ein hohes Maß an Zustimmung findet, eine Zustimmung, die Voraussetzung ist für ein neues Selbstverständnis unserer Gesellschaft bezüglich des Rechts des Tieres auf Schutz vor Kollisionen von versachlichtem Lebensanspruch mit inadäquaten Lebensumständen, sofern diese vom Menschen zu vertreten. sind und nach den Maßstäben unserer Sittenordnung nicht als vernünftig, berechtigt und unvermeidbar gelten. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich hoffe, daß das Hohe Haus dem Redner für seine Ausführungen noch geneigter ist, wenn ich Ihnen mitteile, daß er die Redezeit um fünf Minuten unterschritten hat. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der allgemeine Beifall im Haus stimmt mich eigentlich etwas nieder. Denn wahrscheinlich erwarten Sie von mir auch ein schönes Kolleg über Tierschutz. Das kann ich leider nicht halten, obwohl ich der Meinung bin, Herr Kollege Dr. Hammans, daß Ihre Ausführungen über die Empfindungsfähigkeit der Tiere durchaus ergänzungsbedürftig wären. Ich möchte aber Rücksicht nehmen auf die Empfindungen derer, die jetzt noch tapfer im Saal ausharren, und eine verkürzte Erklärung im Namen meiner Fraktion abgeben. Mit der bevorstehenden Verabschiedung eines modernen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepaßten Tierschutzgesetzes vollbringt der jetzige Bundestag eine Leistung, die in früheren Legislaturperioden trotz mehrfacher Ansätze nicht gelungen ist. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 versprochen, dem Schutz der Tiere mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dieses Versprechen hat die Regierung durch die Vorlage eines Entwurfes zum Tierschutzgesetz erfüllt. Zwar handelt es sich bei diesem Gesetz nicht um ein großes, unsere Gesellschaft stark prägendes Reformvorhaben, aber niemand wird bestreiten können, daß die humane Qualität der Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft auch daran abzulesen ist, welches Verhältnis die Menschen dieser Gesellschaft zum Tier gefunden haben. Manch einer mag sich angesichts der Not, die Menschen an vielen Stellen unserer Erde durch Krieg, Hunger, Vertreibung und Willkür noch erleiden müssen, fragen: ist es zu diesem Zeitpunkt unbedingt erforderlich, sich mit dem verbesserten Schutz der Tiere zu beschäftigen? Diesen durchaus verständlichen Erwägungen kann man nur entgegenhalten, daß Ethik unteilbar ist. Ethik gegenüber dem Menschen und Rohheit gegenüber dem Tier sind zwei Verhaltensweisen, die sich nicht vereinbaren lassen. Insofern ist das Streben nach einem verbesserten Schutz für die Tiere kein Ausweichen und erst recht keine Resignation vor den großen ungelösten Fragen einer sittlichen Ordnung, mit der sich Menschen untereinander und miteinander begegnen sollten, sondern eine notwendige Vervollständigung jener ethischen Grundsätze, die unser Handeln bestimmen. Mit Recht hat die Bundesregierung in ihrer Begründung zu dem Entwurf darauf hingewiesen, daß infolge der Entwicklung der Wirtschaftsformen, der Wissenschaft und. der Technik sich wirtschaftliche und wissenschaftliche sowie ethische Forderungen auf dem Gebiete des Tierschutzes häufig gegenüberstehen. Sinn und Ziel neuer gesetzlicher Regelungen muß es daher sein, diese unterschiedlichen Gesichtspunkte in Einklang zu bringen. Bei der Beratung ist der Entwurf der Bundesregierung in einigen Punkten - meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen - verändert worden. Diese Änderungen sollen Sinn und Ziel dieses Gesetzes noch stärker hervorheben. Ob das in jedem Falle, ob das bei jeder Änderung gelungen ist, soll jetzt hier nicht entschieden werden. Es kann jedoch festgestellt werden, daß die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und ethischen Belange in diesem Gesetz in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht worden sind, das dem Gesichtspunkt eines neuzeitlichen Tierschutzes entspricht. Wir unterstützen als Fraktion die Bitte des Bundesrats an die Bundesregierung, die Bestrebungen zur Schaffung einer europäischen Tierschutzkonvention nachdrücklich zu fördern, um insbesondere der Gefahr von unvertretbaren Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der Tiererzeugung zu begegnen. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung bemüht ist, die Arbeiten an einer solchen europäischen Tierschutzkonvention zu beschleunigen. Der vorliegende Gesetzentwurf geht von der Grundkonzeption eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes aus. Wir alle wissen um die Problematik, die entsteht, wenn man ethische Normen durch Gesetze und Strafbestimmungen durchsetzen will. Gesetze können nicht den Charakter des einzelnen Menschen verändern, aber sie können, wie es hier geschieht, für bestimmte Gebiete den erlaubten Handlungsrahmen abstecken, über den es einen Konsens innerhalb der Gesellschaft gibt. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, daß Erziehung, Aufklärung und Information auf dem Gebiete des Tierschutzes durch dieses Gesetz nicht ersetzt werden können, sondern weiterhin eine wichtige Aufgabe bleiben. Das vorliegende Tierschutzgesetz kann man nicht mit buchhalterischer Pedanterie anwenden und interpretieren. Vielmehr müssen Zielsetzung und Geist dieses Gesetzes die starren Normen, ohne die es auch in einem solchen Gesetz nicht geht, in der Praxis beleben. Wir werden es zwar nicht verhindern können, daß durch spitzfindige Interpretationen auch in dieses Gesetz etwas hineingelegt wird, was nach der einen wie nach der anderen Seite als Überspitzung angesehen werden muß, wir hoffen jedoch, daß solche Überspitzungen im Interesse eines sinnvoll verstandenen und gehandhabten Tierschutzes eine Seltenheit bleiben. Die Fraktion der SPD stimmt diesem Gesetzentwurf zu. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Peters ({0})

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei gebe ich folgende Erklärung ab. Öffentlichkeit und Parlament fordern seit langem ein neuzeitliches, bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, das dem Recht des Tieres auf Schutz auch im Rahmen moderner Produktions-, Haltungs-, Versuchs-, Handels- sowie Beförderungsgegebenheiten angemessen Rechnung trägt. Wir Freien Demokraten gehen mit dieser Forderung konform und haben uns nach Kräften bemüht, die gesetzliche Grundlage für einen modernen Tierschutz mit schaffen zu helfen. Mein besonderer Dank gilt Bundesminister Ertl, der in seinem Haus den Regierungsentwurf erstellen ließ. Die Bundesregierung hat unverzüglich den gesetzgebenden Körperschaften den Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes zugeleitet, nachdem am 18. März 1971 die Änderung des Grundgesetzes erfolgte, mit der ihr die bisher fehlende Gesetzgebungskompetenz für das Sachgebiet Tierschutz übertragen wurde. Die Grundkonzeption des Regierungsentwurfs hat die volle Zustimmung in den Ausschüssen gefunden. Bei den Ausschußberatungen konnten noch Verbesserungen eingeführt werden, die wir grundsätzlich begrüßen, so z. B. das Verbot des Versendens von Tieren durch Nachnahme, das Verbot des Verkaufs von Tieren an Kinder bis zum 14. Lebensjahr und die Ausdehnung der Pflicht zur Beaufsichtigung durch die zuständige Behörde auf Einrichtungen mit Versuchstieren, den gewerblichen Tierhandel und andere Bereiche. Besondere Bedeutung messe ich auch dem Entschließungsantrag zu, in dem die bereits früher vom Deutschen Bundestag sowie vom Bundesrat ausgesprochene nachdrückliche Unterstützung der Bestrebungen des Europarates zur Schaffung einer europäischen Tierschutzorganisation erneut bekräftigt wird. Diesen Bemühungen des Europarats um eine Vereinheitlichung und Fortenwicklung des rechtlichen Schutzes der Tiere im internationalen Rahmen ist insbesondere aus Gründen der unerläßlich zu beachtenden Wettbewerbsgleichheit im Hinblick auf Regelungen für den Schutz der Tiere in sogenannten Intensivhaltungen ein baldiger Erfolg zu wünschen. Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt dem Gesetzentwurf zu. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Logemann. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß dieser von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Tierschutzgesetzes heute zur zweiten und dritten Lesung diesem Hohen Hause vorliegt und, wie die Beratungen in den Ausschüssen gezeigt haben, breite Zustimmung findet. Seit Einbringung des Gesetzentwurfs in das Kabinett vor mehr als einem Jahr haben sich durch die natürliche Fortentwicklung der Dinge sowie durch die Einstellung der Praxis auf die Vorstellungen des künftigen Tierschutzgesetzes zwischenzeitlich einige Anregungen zu einzelnen Vorschriften des Entwurfs ergeben. Es ist zu begrüßen, daß die Ausschüsse bei ihren Beratungen diese Erfordernisse der Praxis im Rahmen der Leitlinien des Gesetzes angemessen berücksichtigt haben. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die intensive, sachliche und zügige Beratung und bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit schließe ich die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung in der dritten Lesung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Meine Damen und Herren, wir haben noch über die Anträge des Ausschusses in den Ziffern 2 und 3 abzustimmen. Ich gehe davon aus, Herr Kollege Hammans und Herr Vit, daß ich das gemeinsam machen kann. Wer dem zustimmt, bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe den Punkt 15 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes - Drucksache VI/3017 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) - Drucksache VI/3513 -Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle ({1}) Der Herr Berichterstatter verzichtet auf eine Ergänzung des Mündlichen Berichts. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht begehrt. Wir treten in die zweite Beratung - Art. 1, 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift - ein. Wer dein Gesetz in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu er11398 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen heben. - Gegenprobe! - Stimmenhaltungen? - Damit ist das Viehseuchengesetz in der dritten Beratung angenommen. Ich rufe nunmehr den Punkt 16 der heutigen Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit DDT ({2}) - Drucksache VI/2857 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({3}) - Drucksache VI/3527 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hammans ({4}) Der Herr Abgeordnete Dr. Hammans hat als Berichterstatter um das Wort gebeten.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heute zur zweiten und dritten Lesung anstehende Gesetz über den Verkehr mit DDT ist als ein Schritt in Richtung auf den Schutz unserer Umwelt zu verstehen. Die technisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisfülle der letzten Jahrzehnte hat der Menschheit die Lösung vieler Probleme gebracht. Jedoch stellten sich in der Folge Fragen, die nun zur Lösung anstehen, in anderen Zusammenhängen. So hat das DDT, das Dichlor-Diphenyl-Trichloraethan, seit seiner Einführung als Schädlingsbekämpfungsmittel und Pflanzenschutzmittel vor zirka 30 Jahren zur Urbarmachung von weiten Landstrichen und somit zur Überwindung von Ernährungsproblemen in der Welt beigesteuert. Es war das erste Mittel, das preiswert erworben werden konnte und das mit Erfolg die Anopheles-Mücken tötete, um die Malariaverbreitung so zu verhindern. Dennoch fand die Wissenschaft, daß das DDT eine ernste Gefahr für eine zu schützende Umwelt darstellt, da die Wirbeltier-Fauna - also auch der Mensch - durch die hohe Persistenz, d. h. durch die langsame Abbaufähigkeit des Mittels, gefährdet ist. Dieser Umstand führt dazu, daß DDT heute überall in der Welt vorkommt, und zwar in Luft, Wasser und Boden, in Pflanzen, Tieren und Menschen. Überall, wo es auftritt, gehört es zu seiner Eigenschaft, praktisch wasserunlöslich, aber in Fetten und Lipoiden leicht löslich zu sein. Gerade erst in der letzten Woche erschien in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Artikel zu einer in den Vereinigten Staaten durchgeführten Felduntersuchung über die Wirkung von Pestiziden auf die WirbeltierFauna. Dabei stellt sich heraus, daß Pestizide, u. a. auch DDT, sich eindeutig schädlich auf die untersuchten Tiere auswirkte, daß aber zusätzlich einzelne Tiere, die in mit DDT behandelten Baumwollplantagen gelebt hatten, eine viel höhere Dosierung ertrugen, daß sich sogar zeigte, daß das Erbgut verändert war. Das Entstehen von pestizid-resistenten Fisch-, Wild- und womöglich sogar Haustierpopulationen bewirkt aber, daß diese nicht nur Pestizidspurenträger, sondern Pestizidreservoire sein können und somit für die Menschen eine große Gefahr bedeuten. Zwar konnten eindeutige Gesundheitsschäden, die beim Menschen auf die chlorierten Kohlenwasserstoffe zurückzuführen sind, noch nicht festgestellt werden; dennoch sind diese Schäden im Hinblick auf die gerade gewonnenen Erkenntnisse der Belastung und Schädigung der Umwelt und der Speicherung des Giftes auch im menschlichen Körper nicht auszuschließen. Eine solche Gefährdung des Menschen ist bei der Abwägung der Nützlichkeit des DDT für die Schädlingsbekämpfung einerseits und der potentiellen Gesundheitsschädigung des Menschen andererseits, nicht vertretbar. Einschließlich der Einschränkung des § 3 des Gesetzes zur beschränkten Weiterverwendung des Mittels überall dort, wo Ersatzpräparate nicht zur Verfügung stehen, war sich der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit in Übereinstimmung mit den mitberatenden Ausschüssen bei der Formulierung und Zielsetzung des DDT-Gesetzes einig. Allerdings sei in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, daß weiter an dem Ziel gearbeitet werden muß, die Umwelt der Menschen in Ordnung zu halten, damit in diesem konkreten Fall die Kontamination des menschlichen Körpers auf diesem Wege letztlich ausgeschlossen wird. Ich möchte noch besonders auf den Antrag des Ausschusses unter 3. 2) hinweisen. Hier wird die Bundesregierung ersucht, die DDT-Höchstmengen möglichst niedrig festzusetzen und diese Werte künftig schrittweise mit dem Ziel einer weitgehenden Rückstandsfreiheit weiter abzubauen. Schließlich bitte ich um Zustimmung zum Änderungsantrag Umdruck 295 *). Es handelt sich um die Streichung der Worte „im Geltungsbereich des Gesetzes ansässigen". Die Europäischen Gemeinschaften haben um diese Streichung gebeten, die drei Fraktionen haben zugestimmt, und ich bitte nunmehr das Hohe Haus, diesen Vorschlägen zu folgen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1, 2 und 3 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - So beschlossen. Ich rufe § 4 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag vor. Ich gehe davon aus, daß der § 4 mit der Annahme des Änderungsantrages in der Gesamtfassung entsprechend angenommen ist. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig beschlossen. Ich rufe §§ 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte *) Siehe Anlage 7 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!- Stimmenthaltungen? - So beschlossen. Ich eröffne die Aussprache in der dritten Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir haben jetzt noch über den Antrag des Ausschusses abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären und die Entschließungsanträge Ziffer 3. 1 bis 4 anzunehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig beschlossen. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Leicht, Bremm, Dr. Wagner ({0}), Dr. Gölter, Dr. Hauser ({1}), Josten, Richarts, Dr. Schulze-Vorberg, Susset, Pieroth, Dr. Jungmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes - Drucksache VI/3130 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({2}) - Drucksache VI/3553 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt ({3}) ({4}) Ich frage zunächst den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das Wort wird von dem Herrn Berichterstatter nicht begehrt. Das Wort wird auch im übrigen in der zweiten Beratung nicht begehrt. Ich rufe Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Einstimmig beschlossen. Ich eröffne die dritte Beratung. In der Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig beschlossen. Kann ich davon ausgehen, daß das Haus die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt erklärt? - Ich höre keinen Widerspruch, es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Veranlagung von Brennereffen zum Brennrecht im Betriebsjahr 1972/73 - Drucksache VI/3298 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({5}) - Drucksache VI/3543 Berichterstatter: Abgeordneter Krammig ({6}) Der Herr Berichterstatter verzichtet auf eine mündliche Ergänzung des Schriftlichen Berichts. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein. In der Aussprache wird das Wort nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr eine Reihe von Punkten auf, die ohne Aussprache behandelt werden können. Ich beginne bei Punkt 25: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 29. Februar 1968 über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen durch den Gerichtshof - Drucksache VI/3234 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({7}) - Drucksache VI/3529 -Berichterstatter: Abgeordneter Alber Abgeordneter Dr. Schmude ({8}) Die Herren Berichterstatter verzichten auf eine Ergänzung des Schriftlichen Berichtes. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung und Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke schön! Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, mir ist gesagt worden, daß auch Punkt 24 verabschiedet werden kann. ({9}) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Dann rufe ich also auch noch Punkt 24 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes - Drucksache VI/3421 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({10}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/3544 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl ({11}) b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({12}) - Drucksache VI/3525 -Berichterstatter: Abgeordneter Pensky Abgeordneter Brück ({13}) ({14}) Die Herren Berichterstatter haben auf eine mündliche Ergänzung des Schriftlichen Berichtes verzichtet. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 3 a, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig so beschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen.. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Meine Damen und Herren, kann ich davon ausgehen, daß Sie dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die zum Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 26 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Drucksache VI/3426 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({15}) - Drucksache VI/3549 Berichterstatter: Abgeordneter Metzger Abgeordneter Alber ({16}) Die Herren Berichterstatter verzichten auf eine mündliche Ergänzung. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich rufe die §§ 1 bis 41 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Wir treten ein in die dritte Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Entwurf ist unverändert einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof - Drucksache VI/3294 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({17}) - Drucksache VI/3548 Berichterstatter: Abgeordneter Metzger Abgeordneter Alber ({18}) Ich danke den Herrn Berichterstattern. Das Wort zu einer Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht begehrt. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache und komme zur Schlußabstimmung: Art. 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung des Hohen Hauses fest. Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hauser ({19}), Erhard ({20}), Dr. Lenz ({21}), von Thadden, Vogel und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen - Drucksache VI/3441 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({22}) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen - Drucksache VI/3501 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Beermann Abgeordneter Dr. Hauser ({23}) ({24}) ({25}) - Sie bitten, diesen Punkt zurückzustellen. - Der Punkt wird zurückgestellt. Ich stelle auch die Behandlung von Punkt 29 der Tagesordnung zurück. Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 4. Mai 1949 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels sowie zu dem Protokoll vom 12. November 1947 zur Änderung der Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und des Übereinkommens zur Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen - Drucksache VI/2440 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({26}) - Drucksache VI/3560 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Schimschok Abgeordneter Dr. Wittmann ({27}) ({28}) Die Frau Berichterstatterin und der Herr Berichterstatter, denen ich für ihren Schriftlichen Bericht danke, haben auf eine mündliche Ergänzung ihres Berichts verzichtet. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift und gleichzeitig die Schlußabstimmung auf. - Wer dem in der Fassung des Ausschußantrages auf Drucksache VI/3560 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe nunmehr Punkt 31 der heutigen Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 7. Dezember 1953 zur Änderung des Übereinkommens vom 25. September 1926 über die Sklaverei - Drucksache VI/2433 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({29}) - Drucksache VI/3500 - Berichterstatter: Abgeordeter Dr. Wittmann ({30}) Abgeordnete Frau Schimschok ({31}) Ich danke den Berichterstattern. Das Wort zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache und rufe auf zur Abstimmung: Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. - Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 32 auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes - Drucksache VI/2432 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({32}) - Drucksache VI/3510 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Arndt ({33}) Abgeordneter Dr. Wittmann ({34}) ({35}) Ich danke den Herrn Berichterstattern. Das Wort zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht begehrt. Ich eröffne die allgemeine Aussprache in der zweiten Beratung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der späten Stunde - vielleicht auch gerade deshalb - möchte ich die Frage aufwerfen, ob es zweckmäßig ist, daß wir hier „Regeln" über den Zusammenstoß von Binnenschiffen aufstellen. ({0}) Es ist nicht einzusehen, warum man so etwas Schreckliches, was allenfalls zufällig passiert, von diesem Hause aus auch noch mit besonderen Regeln versehen sollte. Ich kann mir auch denken, daß die Verfasser das nicht so gemeint haben. Ich frage mich, ob es technisch möglich ist, hier vielleicht von einer „Regelung der Folgen von Zusammenstößen" zu sprechen. Ich fürchte fast, es ist in diesem Stadium des Verfahrens zu spät. Ich möchte aber doch darauf hingewiesen haben, daß wir hier eine besonders schöne Stilblüte zur Beratung und Abstim11402 Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Kleinert mung haben. Veilleicht sollten wir in Zukunft versuchen, derartige Dinge zu vermeiden. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich habe mir den französischen Text, der hier abgedruckt ist, und die deutsche Übersetzung angesehen. Es handelt sich offensichtlich um eine „Übersetzung" und nicht um eine Übertragung des Sinns. Aber ich bin Ihnen für den Hinweis dankbar. Es wäre vielleicht Aufgabe des Rechtsausschusses gewesen, nach einer besseren Formulierung zu suchen. ({0}) - Herr Kollege Wehner, gerade das habe ich damit sagen wollen. Ich wollte es nur nicht so deutlich aussprechen. Ich habe gesagt, daß ich es für eine „Übersetzung" und nicht nicht für eine Übertragung des Sinnes hielte. Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. ({1}) - Entschuldigen Sie, der Herr Kollege Kleinert wollte in dieser Stunde wohl keinen Änderungsantrag stellen. Aber er hat dankenswerterweise die Regierung darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn solche Verträge vorgelegt werden, der Sinngehalt im Deutschen besser zum Ausdruck kommen sollte. Herr Kollege Lenz, bitte!

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das einzige, was wir hier noch beschließen können, ist, die Regierung zu ersuchen, vor der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt die Übersetzung zu prüfen und, wenn möglich, einen den Sinn des Gesamten wiedergebenden Text zugrunde zu legen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, das ist eine sicher allseitig begrüßte Anregung. Ich frage, ob noch das Wort begehrt wird. - Das ist nicht der Fall. Ich rufe Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem Gesetz in zweiter Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist auch dieses Übereinkommen, wenn auch mit Bedenken, einstimmig verabschiedet. Ich rufe nunmehr den Punkt 33 der heutigen Tagesordnung auf: Beratung der Ubersicht 13 des Rechtsausschusses ({0}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache VI/3522 Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe nunmehr den Punkt 40 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung - Drucksachen VI/2327, VI/2588 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({1}) - Drucksachen VI/3535, zu VI/3535 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs ({2}) Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Wird in der allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Es wird nicht begehrt. Zu Art. 1 liegt der Änderungsantrag Umdruck 297 *) der Abgeordneten Dr. Frerichs und Scheu vor. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Art. 1 in der so geänderten Fassung, Art. 2, 3, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Es wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe Punkt 41 der heutigen Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bausparkassen - Drucksache VI/1900 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) *) Siehe Anlage 8 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen - Drucksachen VI/3567, zu VI/3567 -Berichterstatter: Abgeordneter Junker ({4}) Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort zur Ergänzung des Schriftlichen Berichts wird nicht begehrt. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Auch hierzu wird das Wort nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe §§ 1 bis 22 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Dabei mache ich ausdrücklich darauf aufmerksam, daß nach dem Antrag des Ausschusses das Gesetz am 1. Januar 1973 in Kraft treten soll. Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig beschlossen. Ich eröffne die Aussprache in der dritten Beratung. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen sehr. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fast. Die Tagesordnungspunkte 42 und 43 werden am Freitag aufgerufen. Ich rufe Punkt 44 der heutigen Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Schoettle, Dichgans, Kirst und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren ({5}) - Drucksache VI/3509 Das Wort zur Begründung in der Aussprache wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend -, dem Innenausschuß, dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung zu überweisen. - Ich höre keine anderen Vorschläge; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr die Punkte 45 bis 52 unserer verbundenen Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({6}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Zubereitungen gefährlicher Stoffe ({7}) - Drucksache VI/3040, VI/3523 - Berichterstatter: Abgeordneter Böhm Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({8}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe - Drucksache VI/3039, VI/3524 Berichterstatter: Abgeordneter Becker ({9}) Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({10}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine fünfte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Einführung der Mehrwertsteuer in der Italienischen Republik -- Drucksachen VI/3324, VI/3498 - Berichterstatter: Abgeordneter Krammig Beratung des Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({11}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung ({12}) des Rates über die tiergesundheitlichen und hygienischen Bedingungen, denen rohe Vollmilch als Rohstoff für die Herstellung von wärmebehandelter Milch und Erzeugnissen aus solcher Milch entsprechen muß Verordnung ({13}) des Rates zur Regelung gesundheitlicher Fragen bei der Herstellung und dem Inverkehrbringen von wärmebehandelter Milch - Drucksachen VI/1855, VI/3507 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Hammans Beratung des Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({14}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Beihilfen für den Schiffbau - Drucksachen VI/2962, VI/3534 Berichterstatter: Abgeordneter Breidbach Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({15}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates zur Bestimmung der Empfänger, der Bedingungen für die Gewährung und der Sätze der Entschädigung für besonders beschwerliche Arbeiten gemäß Artikel 100 des Statuts - Drucksachen VI/3164, VI/3552 11404

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordneter Dr. Schäfer ({0}) Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({1}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung ({2}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden - Drucksachen VI/3391, VI/3551 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer ({3}) Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({4}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung ({5}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden - Drucksachen VI/3385, VI/3550 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer ({6}) Es handelt sich um Berichte der Ausschüsse über Vorschläge der EG-Kommission und der Europäischen Gemeinschaften. Ich frage, ob die Herren Berichterstatter das Wort zu einer der Vorlagen begehren. - Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Wird das Wort zur Aussprache verlangt? - Auch das ist nicht der Fall. Wenn Sie einverstanden sind, stimmen wir über die Vorlagen gemeinsam ab. - Ich höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen VI/3523, 3524, 3498, 3507, 3534, 3552, 3551, 3550. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe Punkt 53 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({7}) betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Engelsberger gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Dr. jur. Kurt Runge I, Köln, vom 5. November 1971 - Drucksache VI/3530 - Berichterstatter: Abgeordneter Dürr Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Engelsberger wird erteilt. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird von ihm nicht begehrt. - Auch aus dem Hause wird das Wort nicht begehrt. Ich stelle den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so gebilligt. Ich rufe den Punkt 54 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({8}) betr. Genehmigung zum Erlaß eines Strafbefehls gegen den Abgeordneten Schmidt ({9}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 28. März 1972 - Drucksache VI/3531 - Berichterstatter: Abgeordneter Seiters Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Auf eine mündliche Ergänzung des Berichts wird verzichtet. Der Ausschuß beantragt, die Genehmigung zum Erlaß eines Strafbefehls gegen den Abgeordneten Schmidt ({10}) nicht zu erteilen. - Das Wort wird in der Aussprache nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe nunmehr den Punkt 55 der heutigen Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1970 - Einzelplan 20 -- Drucksache VI/3497 Das Wort wird dazu nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich danke Ihnen für die Unterstützung bei der Abwicklung dieser verbundenen Tagesordnung. Wir stehen am Ende der heutigen Beratungen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 22. Juni 1972, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.