Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat am 6. Juni 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider ({0}), Geisenhofer, Dr. Probst, Kiechle, Niegel, Dr. Riedl ({1}), Dr. Wittmann ({2}), Biehle, Dr. Warnke und Genossen betr. Raumordnung und Wohnungsbaupolitik - Drucksache VI/3438 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/3474 verteilt.
Wir treten in die Fragestunde
- Drucksachen VI/3468, VI/3481 ein.
Entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung rufe ich vor den Dringlichen Mündlichen Fragen auf Drucksache VI/3481 die Fragen 47 und 4G des Herrn Abgeordneten Leicht aus der Drucksache VI/3468 auf, die mit den Dringlichen Mündlichen Fragen im Zusammenhang stehen. Ich frage, ob der Herr Abgeordnete Leicht im Saal ist. - Offensichtlich hat den Herrn Abgeordneten Leicht die Mitteilung über die Verbindung seiner Anfragen mit der Dringlichkeitsanfrage nicht mehr rechtzeitig erreicht. Dann werden diese Fragen schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Nunmehr rufe ich die Dringliche Mündliche Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zumindest die Vorschläge des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 18. Mai 1972 dem Bundestag in Form eines Ergänzungshaushalts noch im Laufe dieser Woche vorzulegen?
Das Wort für die Bundesregierung hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen.
Herr Präsident, ich möchte darum bitten, die beiden Dringlichen Mündlichen Fragen, also die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer und des Herrn Abgeordneten Wohlrabe, gemeinsam beantworten zu dürfen.
Da muß ich den Herrn Abgeordneten Wohlrabe fragen. Herr Abgeordneter Wohlrabe, wären Sie damit einverstanden?
({0})
- Nein, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 1972 liegt dem Deutschen Bundestag in der vom Haushaltsausschuß beschlossenen Fassung zur zweiten Beratung vor. Er ist jetzt wiederum dem Haushaltsausschuß zugewiesen. Die Fraktionen der SPD und der FDP haben für die dritte Beratung des Haushaltsgesetzes 1972 einen Antrag angekündigt, in dem u. a. die Herabsetzung der Nettoneuverschuldung des Bundes auf 6 Milliarden DM gefordert wird. Es handelt sich um den Um- (. druck 272. Der Bundeskanzler und der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen haben in der zweiten Lesung am 27. und 28. April 1972 vor diesem Hohen Hause diesen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich begrüßt.
Die Bundesregierung hat sich inzwischen damit befaßt, in welchem Verfahren und mit welchen Maßnahmen das Ziel dieses Antrags verwirklicht werden kann. Dabei ist sie zu dem Ergebnis gekommen, keinen Ergänzungshaushalt vorzulegen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Haushaltsentwurf 1972 noch am schnellsten und am besten durch Beratungen im Haushaltsausschuß sachlich in dem gewünschten Sinne verändert werden kann. Die Vorlage eines Ergänzungshaushaltes würde wegen der vorgeschriebenen Einschaltung des Bundesrates offensichtlich zu einer zeitlichen Verzögerung führen.
Die Beratungen im Haushaltsausschuß können, da gestern die Entscheidung über die Rücküberweisung getroffen worden ist, jetzt unverzüglich aufgenommen werden.
Meine Kabinettsvorlage vom 18. Mai 1972 ist ihrem Sinne nach ausschließlich zur Behandlung im Kabinett bestimmt. Dort muß und wird über meine Vorschläge entschieden werden. Das wird u. a. morgen, am Freitag, dem 9. Juni 1972, in der dafür vorgesehenen Kabinettssitzung der Fall sein. Das Ergebnis der Kabinettsberatungen wird dem Haushaltsausschuß unverzüglich in der Form vorgelegt
werden, die sonst bei ähnlichen den Gesamthaushalt betreffenden Veränderungen üblich ist.
({0})
So wird ja z. B. bei der Abschlußberatung des Haushaltsentwurfs vom Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen eine Abschlußvorlage vorgelegt.
Ob der Haushaltsausschuß seine nun wieder aufgenommenen Beratungen zum Haushalt 1972 vor Beginn der Sommerpause noch so rechtzeitig abschließen kann, daß eine baldige erneute Behandlung im Plenum möglich ist, dies liegt, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht zuletzt bei Ihnen.
({1})
Wie ich schon erwähnt habe, werden Sie im Haushaltsausschuß über die Kürzungsvorschläge der Regierung informiert werden, und Sie werden von mir jegliche sonstigen Sachauskünfte erhalten. Man kann über alles reden.
({2})
Es kommt also darauf an, ob Sie dann zu einer sachlichen Verständigung über die Änderungen im Haushaltsplan 1972 bereit sind. Dabei werden sicherlich auch Ihre Vorstellungen, die Vorstellungen der Opposition, über einzelne Änderungen des Haushalts 1972 von Bedeutung sein.
Danach, wie über diese Fragen im Ausschuß ein Kompromiß gefunden wird - und ich würde es begrüßen, wenn das bald geschähe -, bestimmt sich der Termin, von dem ab der Haushalt 1972 wieder im Plenum behandelt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß dieses informelle Verfahren, das Sie soeben angekündigt haben, angesichts der Tragweite der von Ihnen dem Kabinett vorgeschlagenen Änderungen eine ganz klare und eindeutige Umgehung der Vorschriften über den Ergänzungshaushalt ist mit der schwerwiegenden Folge, daß die zweite Kammer dieses Parlaments, nämlich der Bundesrat, ausgeschaltet ist?
Ich bin nicht dieser Aufassung, lieber Herr Kollege Althammer. Wir werden einen weiteren Kürzungsvorschlag unterbreiten. Dieser Kürzungsvorschlag wird konkretisiert durch die Regierung. Er wird im Detail dem dafür zuständigen Haushaltsausschuß vorgetragen werden, und der Haushaltsausschuß kann sich seinerseits seine Meinung bilden. Dann wird das Plenum - je nach der Verständigung im Haushaltsausschuß - genügend Möglichkeiten haben, zu der grundsätzlichen Seite der Angelegenheit Stellung zu nehmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Minister, können Sie also ausdrücklich alle Zeitungsmeldungen und Spekulationen dementieren, die davon ausgehen, daß dieses Verfahren nur dazu dienen soll, die zweite und dritte Lesung des Haushaltes nicht vor der Sommerpause durchführen zu lassen und damit möglicherweise vor Neuwahlen überhaupt die zweite und dritte Lesung zu verhindern?
Herr Kollege Althammer, ich kann nicht alles das dementieren, was draußen gesagt wird und was ich keineswegs alles übersehe. Ich kann nur von mir aus als für die Finanzen zuständigen Minister sagen, daß ich interessiert bin an einer sachlichen Beratung der Regierungsvorschläge, basierend auf dem Antrag der Koalitionsfraktionen, daß ich interessiert bin zu hören, was Sie dazu zu sagen haben, und daß ich vor allen Dingen interessiert bin, daß Sie mit uns in einem sachlichen Gespräch zu einen Ergebnis kommen. Wir könnten sehr bald, glaube ich, im Plenum das Nötige tun, wenn Sie zu aktiver Mitarbeit an einem veränderten Haushalt bereit wären. Dann hätten wir alle miteinander jene Gerüchte draußen in den Zeitungen dementiert, Herr Althammer.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauser.
Herr Bundesminister, ist Ihre eingangs gegebene Antwort dahin gehend zu verstehen, daß sich das Bundeskabinett Ihrer mit Schreiben vom 18. Mai 1972 an den Chef der Kanzlei des Bundeskanzlers geäußerten Auffassung, daß die auf Grund der geltenden mittelfristigen Finanzplanung zu erwartenden Finanzierungsdefizite von insgesamt 27,5 Milliarden DM aus ökonomischen und kapitalmarktpolitischen Gründen nicht vertretbar seien, bisher nicht anschließen konnte?
Herr Kollege Hauser, Ihre Frage steht im Zusammenhang mit der zweiten Dringlichkeitsfrage, ich lasse sie jetzt nicht zu. Sie können sie nachher noch einmal stellen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger.
Herr Bundesminister, ist die Ursache dafür, daß Sie keinen Ergänzungshaushalt vorgelegt haben, darin zu sehen, daß sich das Bundeskabinett so zerstritten hat, daß es nicht mehr in der Lage war, darüber einen Beschluß zu fassen?
Nein, das ist nicht der Fall. Das Bundeskabinett wird ja morgen, wie ich Ihnen sagte, über meine Vorschläge, basierend auf dem Antrag der
Koalitionsfraktionen, Beschluß fassen. Welche Form das dann annimmt - ob Ergänzungshaushalt oder nicht -, ist doch politisch nicht ausschlaggebend. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sie, der Sie sicherlich an einer zeitlich flüssigen Behandlung dieser Veränderungen zum Haushalt 1972 interessiert sind, würden doch zugeben, daß ein Ergänzungshaushalt mit dem ganzen Umweg über den Bundesrat sehr viel längere Zeit in Anspruch nehmen würde.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Franke ({0}).
Herr Bundesminister, Sie führten soeben aus, daß Sie für morgen oder übermorgen die Vorschläge der Opposition erwarten. Darf ich Sie in diesem Zusammenhang folgendes fragen. Was halten Sie von der Formulierung des Herrn Kollegen Schmidt ({0}), der gesagt hat, „es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus der Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selber hineinmanövriert hat" - 5. Wahlperiode, 30. November 1965 -? Das hat Ihr Kollege Schmidt gesagt, der heute mit Ihnen auf einer Regierungsbank sitzt.
Herr Kollege, es ist mir, wie Sie verstehen werden, eine besondere Freude, in diesem Punkte mit Herrn Kollegen Schmidt einer Meinung zu sein.
({0})
Denn wir bringen die Opposition nicht in die Lage, daß sie, ohne von unserer Seite irgend etwas gehört zu haben, sozusagen mit einem Bukett von Detailänderungsvorschlägen anzutreten hat - das wird nicht verlangt -, sondern wir werden im Haushaltsausschuß mit sehr konkreten Kürzungsvorschlägen und anderen möglichen Veränderungen des Haushalts antreten. Allerdings sind wir der Meinung, daß es dann das Recht und die Pflicht der Opposition ist, sich sehr konkret zur Sache zu äußern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bußmann.
Herr Bundesminister, ist es nicht so, daß die Verhandlungen im Haushaltsausschuß dadurch bestimmt sein werden, daß durch Initiativanträge der Abgeordneten die zusätzlichen 1,3 Milliarden DM Kürzungen beantragt werden und nicht etwa durch eine Regierungsvorlage, weil die Regierung nur Formulierungshilfen gibt, so daß ein Ergänzungshaushalt von vornherein gar nicht notwendig ist?
({0})
Wir sind auch bereit, von uns aus auf der Basis der morgen im Kabinett zu fassenden Beschlüsse den Haushaltsausschuß von der Auffassung der Regierung zu diesen Kürzungen im Detail in Kenntnis zu setzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Nordenskjöld.
Herr Bundesminister, ich darf also Ihre Äußerung über die Ausgabenkürzungen so verstehen, daß Sie sie so konkretisieren werden, daß die Haushaltsansätze und die Haushaltsstellen, bei denen diese Kürzungen erfolgen, genau angegeben werden?
So ist es gemeint.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase.
Verehrter Herr Minister, im Zusammenhang mit Ihrer konkreten Darstellung der Kürzungen, die Sie uns vortragen wollen, würde mich aus naheliegenden Gründen außerordentlich interessieren, in welchem Umfang die Landesverteidigung von diesen Kürzungen betroffen ist.
Über diesen Punkt wird sich morgen das Kabinett einig werden müssen.
Nach Ihrer Vorstellung, verehrter Herr Minister, hatte ich gefragt.
Meine Vorstellungen habe ich dem Kabinett dargelegt, und im Moment warte ich auf die abschließenden Erörterungen im Kabinett. Sie werden verstehen, daß ich mich erst im Anschluß daran zu einem Einzelplan äußere.
({0})
Herr Kollege Haase, einen Augenblick. Sie haben keine weitere Zusatzfrage mehr. - Herr Kollege Leicht, Sie haben das Wort zur letzten Zusatzfrage zur ersten Dringlichkeitsfrage.
Herr Minister Schiller, sind Sie noch der Meinung, die Sie am 10. November 1966 vertreten haben und die Sie in folgende Worte kleideten:
Was da in Heller und Pfennig - oder besser: in Milliarden oder Millionen - auf uns zukommt, wissen anscheinend wir alle nicht. Wir wissen nur eines: Man hat dem Parlament bei
seinen Beschlüssen nie einen klaren Rahmen vorgehalten, der genau die Grenze des Möglichen angab. Man ließ Beschlüsse zu oder ergriff sogar Initiativen zu Beschlüssen, und man trieb eine Finanzpolitik, bei der sich die später zwangsläufig folgenden Ausgaben wie die Kaninchen vermehren.
Glauben Sie, daß Ihre Vorlage an das Kabinett dieses deckt?
Herr Kollege Leicht, ich bin anderer Meinung. Ich bin nicht der Meinung , daß das denselben Tatbestand trifft. Wir haben heute bei den Haushaltsberatungen, die bisher im Haushaltsausschuß stattgefunden haben und die nun wiederum stattfinden werden, ein Instrument zur Hand, das damals in dieser Form noch nicht entwickelt war, sondern erst durch die Anstrengungen werter sozialdemokratischer Experten
({0})
- jawohl! - in die Gesetzgebung kam. Das ist die mittelfristige Finanzplanung.
({1})
Diese mittelfristige Finanzplanung von 1972 bis 1975, Herr Kollege Leicht, liegt dem Haushaltsausschuß vor.
({2})
Jetzt wissen wir, daß aus Recht und Gesetz im Laufe der Monate seit Einbringung des Haushalts 1972 Belastungen für das kommende Jahr 1973 und die folgenden Jahre eingetreten sind. Ich hoffe, daß ich nach den morgigen Kabinettsbeschlüssen auch in der Lage bin, Ihnen sachliche Orientierungen über die Mehrbelastungen der mittelfristigen Finanzplanung ab 1973 zu geben. Auch darüber kann man reden, und dann wird man auch darüber reden müssen, in welcher Form wir alle miteinander mit diesen Mehrbelastungen fertig zu werden haben.
Nur, was Sie noch nicht erwarten können, Herr Kollege Leicht - das wissen Sie genausogut wie ich -, ist, daß wir Ihnen morgen oder nächste Woche einen fix und fertigen Haushaltsplan 1973 vorlegen können.
({3})
Ich rufe die zweite Dringlichkeitsfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf?
Ist die Bundesregierung bereit, zumindest die Vorschläge des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 18. Mai 1972 dem Haushaltsausschuß des Bundestages umgehend als Beratungsunterlage zuzuleiten, damit der Ausschuß nach einer Rückverweisung die Neuberatung des Bundeshaushaltes 1972 zügig in Angriff nehmen und die zweite und dritte Lesung des Bundeshaushaltes 1972 noch vor der Sommerpause durchgeführt werden kann?
Ich verweise auf meine bisherigen Ausführungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Minister, teilen Sie meine Beurteilung, daß die Rückverweisung an den Haushaltsausschuß letztlich das Eingeständnis der Koalitionsfraktionen bedeutet, daß die frühere regierungsamtliche Belobigung - Selbstbelobigung, besser gesagt -, der Haushalt sei solide und maßvoll, er sei gewissermaßen maßgeschneidert - ich zitiere nur -, nicht zutrifft, daß vielmehr dieser Haushalt in der gegenwärtigen Form finanzpolitisch unsolide und stabilitätspolitisch verfehlt ist?
Herr Kollege, ich kann Ihrer Darstellung, wie Sie sie hier in geraffter Form und sehr pauschal geben, nicht folgen. Ich möchte auf folgendes hinweisen. Zum einen stehe ich zu dem Urteil, das ich gefällt und bei der Einbringung des Haushalts 1972 im Oktober vorigen Jahres formuliert habe. Sie müssen sich die Dinge nun ein bißchen genauer ansehen. Jener Haushaltsplanentwurf vom Oktober 1971 ist nicht identisch mit dem Haushaltsplanentwurf, der nach den Verhandlungen aus dem Haushaltsausschuß ins Plenum kam. Der zweite ist um Milliardenbeträge höher, die ich gar nicht zu beurteilen habe und die unter anderem damit zusammenhängen, daß wir für die Länder - ({0})
- Selbstverständlich!
({1})
- Aber selbstverständlich ist er höher. Da müssen Sie einmal nachschauen. Wir hatten eine Steigerungsrate beim Haushaltsplanentwurf - ich bitte Sie! - von 8,5, und jetzt haben wir eine von 11,5. Es ist gar kein Zweifel - ({2})
- Lassen Sie sich da einen Augenblick von Herrn Althammer berichtigen.
({3})
Auf jeden Fall hat sich das Volumen verändert; ganz genau.
Zum zweiten darf ich noch hinzufügen: der Haushaltsentwurf, der dann den Haushaltsausschuß verlassen hat, ist nunmehr, wenn Sie wollen, auch wiederum etwas verändert, und zwar aus zwei Gründen: Einmal absolut, weil es inzwischen aus bestehendem Recht und Gesetz zusätzliche Mehrbelastungen gibt, die Ihnen noch dargelegt werden. Zum anderen ist nun von März an - als wir mit den Ländern zum erstenmal darüber gesprochen haben - die konjunkturelle Landschaft eine andere geworden. Ein Haushalt, der im Winter oder zu Ende des
Winters noch der Konjunkturentwicklung in etwa angemessen erschien, muß heute auf die neue konjunkturelle Landschaft abgestimmt werden, und das ganze Ergebnis - ich komme auf die anderen Ausführungen zurück - besteht darin, daß dieser neue, nun vorliegende Haushaltsentwurf um 2,5 Milliarden DM im Sinne einer begrenzten Kurskorrektur an die neue Situation angepaßt wird. Das sind etwas mehr als 2 % des Haushaltsvolumens. Darum geht es jetzt bei den neuen Verhandlungen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe? - Bitte!
Nachdem Sie gestern in der abendlichen Debatte nicht das Wort ergriffen haben, würde ich gern eine Antwort haben zu dem Punkt -
Herr Abgeordneter, in der abendlichen Geschäftsordnungsdebatte!
Trotzdem konnte er das Wort ergreifen; es ist ihm doch nicht verboten, Herr Präsident!
({0})
Ist es unter den gegebenen Umständen - das ist meine Frage - nicht das alleinige Ziel der Regierung, durch die Verweisung des Haushalts an den Haushaltsausschuß dazu beizutragen, daß die traurigen Wahrheiten, die dieser Bundeshaushalt nun zeigt, nicht vor der Öffentlichkeit, sondern hinter den verschlossenen Türen des Haushaltsausschusses diskutiert werden sollen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu noch etwas sagen könnten.
({1})
Erstens einmal, Herr Kollege Wohlrabe, kann von einer traurigen Wahrheit keine Rede sein.
({0})
Ich habe Ihnen soeben gesagt: Sie müssen ein bißchen aufpassen, wenn es um Zahlen geht.
({1})
Ich habe Ihnen soeben gesagt: es geht um eine Anpassung dieses Haushalts, so wie er jetzt vor uns liegt entsprechend der alten globalen Minderausgabe und dem neuen Antrag der Koalitionsfraktionen, um 2,5 Milliarden DM, um etwas mehr als 2 % des Haushaltsvolumens. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Das ist eine unbequeme Wahrheit, aber weiß Gott keine traurige Wahrheit.
({2})
Das möchte ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.
({3})
- Nein, das ist eine begrenzte Kurskorrektur.
({4})
- Jawohl, 2 % - ich weiß nicht, ob das unterhalb t Ihres Fassungsvermögens ist.
({5})
Dies ist zu machen, und ich möchte gern Ihre Meinung dazu hören, wie diese etwas mehr als 2 %
ausgefüllt werden können. Darum geht das Ganze.
Ich füge noch hinzu: die Summen, um die es geht, sind auch gestern in der Geschäftsordnungsdebatte von den Kollegen aus den beiden Koalitionsfraktionen deutlich genannt worden. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, daß das verschleiert wird. Das liegt offen auf dem Tisch.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
({0})
Herr Minister, halten Sie es nicht für ein ziemlich starkes Stück, wenn Sie hier in diesem Hause mit Ihrer Antwort von eben -
Herr Kollege Althammer, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Frage entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung stellen würden.
({0})
Herr Minister, halten Sie es nicht für erstaunlich, wenn Sie hier in diesem Hause durch Ihre Antwort auf die vorige Frage den Eindruck zu erwecken versuchten, durch Maßnahmen aus dem Parlament oder dem Haushaltsausschuß sei der Etat erhöht worden, während in Wirklichkeit wieder auf Anregung der Regierung genau diese Änderungsmaßnahmen vollzogen worden sind, die jetzt wieder zum Teil redressiert werden sollen, alles in diesem Zickzackkurs einer total verwirrten Finanzpolitik?
({0})
Herr Althammer, ich möchte Sie sehr herzlich bitten, von diesen Pauschalurteilen einmal Abstand zu nehmen und zu den Zahlen zu kommen. Zunächst danke ich Ihnen, daß Sie dem Abgeordneten Haase ({0}), von dem ich schon vor fünf Jahren gesagt habe, den Namen muß man sich merken, eine Aufklärung gegeben haben.
({1})
- Natürlich war ich da. Ich hatte bloß nicht das Vergnügen, Sie da zu sehen.
Nun darf ich Ihnen sagen: es ist doch gar kein Zweifel, daß Veränderungen - das hat Herr Alt11072
hammer selber gesagt - in Milliardenhöhe stattgefunden haben.
({2})
- Jawohl, ich habe vorhin versucht, trotz des Lärms in Ihrer Umgebung, Ihnen persönlich, Herr Haase, das klarzumachen. Einmal ist es nämlich die Abtretung von Steuerquellen an die Länder in Höhe von 900 Millionen DM - 2% der Umsatzsteuer - auf der Einnahmeseite, und zum anderen ist es eine Ergänzungszuweisung um weitere 550 Millionen DM auf der Ausgabenseite und zum dritten ist es eine Lohn- und Gehaltsverbesserung, die mit 3 % im Haushalt war und inzwischen während der Haushaltsausschußberatungen auf 5,7 bis 6 % gegangen ist, d. h. damit mußte eine weitere halbe Milliarde DM heraufgepackt werden. Dazu kam eine ganze Reihe anderer zwangsläufiger Mehrausgaben, die der Haushaltsausschuß nach bester und kritischer Prüfung in den Haushalt eingesetzt hat.
({3})
- Natürlich ist das Volumen größer geworden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stücklen.
Herr Bundesminister, habe ich Sie richtig verstanden, wenn Sie heute zur Begründung der Rückverweisung des Haushalts an den Haushaltsausschuß die veränderte konjunkturelle Lage angegeben haben, und warum haben Sie gestern als zuständiger Ressortminister geschwiegen, als diese Frage hier im Hause behandelt wurde?
({0})
Es genügt doch, wenn eine schlichte und richtige Tatsache einmal oder zweimal gut begründet wird. Die Tatsache, daß neue konjunkturelle Umstände gegeben sind, die Tatsache, daß ein Antrag der Koalitionsfraktionen aus der zweiten Lesung auf Rückführung der Neuverschuldung vorliegt und im Haushaltsausschuß behandelt werden soll und daß Kürzungsanträge der Regierung vorgetragen werden: alles das ist gestern durch die beiden Kollegen der Koalitionsfraktionen hier als Begründung für die Rücküberweisung in den Haushaltsausschuß erklärt worden. Da habe ich von mir aus überhaupt keinen Anlaß gehabt, zusätzlich etwas dazu zu bemerken, weil das schlicht und ergreifend richtig war.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haehser.
Herr Minister, haben Sie Verständnis dafür, daß die Oppositionsparteien der CDU und der CSU darüber lamentieren, daß gestern abend eine demokratische und sachgerechte Entscheidung getroffen worden ist, nämlich die Zurückverweisung des Haushalts an den Haushaltsausschuß, und können Sie meine Auffassung teilen, daß es der Opposition gar nicht darum geht, alsbald den Haushalt zu beraten, sondern darum, alsbald ihr Nein dazu zu sagen?
({0})
Dieses war gestern, wenn man das alles in allem nimmt, Herr Kollege, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leicht.
Herr Minister, weil Sie versucht haben zu belehren
({0})
- nein, nein, nicht mich, aber ich darf ja wohl mal für einen anderen Kollegen sprechen! -: Ist Ihnen klar, daß, wenn das, was Sie vorhaben, was in Ihrem Papier an das Kabinett deutlich geworden ist, mit den 2,5 Milliarden DM weniger und 910 Millionen DM mehr durchgeführt wird, konjunkturpolitisch am Ende nichts übrigbleibt, als daß sich das Volumen nur von 109,3 wie im Augenblick auf 108,9 Milliarden DM zurückbringen läßt und damit konjunkturpolitisch nichts ergibt?
Herr Kollege Leicht, ich kann Ihnen in dieser Ableitung nicht folgen. Es ist schon im bisherigen Haushaltsentwurf der Befehl ausgesprochen, nur noch nicht mit Gesetzeskraft versorgt, 1,2 Milliarden Minderausgabe zu erwirtschaften.
({0})
Hinzu kommen weitere 1,3 Milliarden DM, die durch Ausgabenkürzung, Herr Kollege Leicht, dazu führen sollen, daß die Neuverschuldung um den entsprechenden Betrag zurückgeführt wird. Das ist klar und führt zu einem Minus von 2,5 Milliarden DM.
Sie meinen - soweit ich das verstehe -, Sie werden dabei gleichzeitig ins Feld führen - und Sie haben das sicherlich auch eben zum Ausdruck bringen wollen -, daß es noch andere Mehrbelastungen dieses Haushalts 1972 gibt. Dazu werde ich Ihnen im Haushaltsausschuß bis auf Heller und Pfennig erklären können, daß die neben den soeben genannten 2,5 Milliarden DM noch existierenden Mehrbelastungen des laufenden Haushalts aus Gesetz und Recht durch die zu erwartenden Steuermehreinnahmen gedeckt werden. Das ist ein gesondertes Problem. Herr Leicht, Sie sind doch nicht nur der Vorsitzende des Ausschusses, sondern auch immer um das Sachliche bemüht. Hierüber wollen wir doch im Haushaltsausschuß reden, um auch von Ihnen zu hören, was Sie zu diesen beiden Fragenbereichen politisch und finanzpolitisch meinen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger, dann der Herr Kollege Seidel.
Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Ich sehe, daß die Kollegen an den Mikrophonen meinen, sie seien dran. Ich bitte um Nachsicht. Die Rednerliste wird hier jeweils nach Eingang der Wortmeldung vervollständigt. Ich bitte dafür um Verständnis.
Ich sage nur für die weiteren Fragesteller schon jetzt: Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie auch selber den Sachzusammenhang mit der eingereichten Frage bei Ihren Fragen sehr sorgfältig prüfen wollten.
({0})
Bitte, Herr Kollege Jenninger!
Herr Bundesminister, nachdem Sie das Bedürfnis geäußert haben, über Zahlen zu sprechen, möchte ich Sie fragen, ob Sie mir recht geben, daß diese Zahlen, die Sie jetzt in Ihrer Kabinettsvorlage aufgeschrieben haben, letzten Endes schon im April vergangenen Jahres offenkundig waren?
({0})
- Ja, im Jahre 1971. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang an ein Schreiben von Ihnen an die Mitglieder des Arbeitskreises Finanzplanungsrat erinnern, in dem Sie im Detail schon das dargelegt haben, was Sie in diesen Tagen dem Kabinett zugeleitet haben. Liegen nicht die Ursachen der augenblicklichen Schwierigkeit letzten Endes darin, daß Sie die konjunkturelle Situation falsch beurteilt haben und nicht den Mut haben, diesem Parlament die Wahrheit zu sagen?
({1})
Auch Sie haben am Anfang erst gesagt, Sie wollten von Zahlen reden. Aber nachher habe ich nur nichtbegründete Pauschalverurteilungen von Ihnen gehört.
({0})
Zur Sache selbst möchte ich Ihnen folgendes sagen. Was die Konjunkturbeurteilung betrifft, so möchte ich Sie sehr herzlich bitten, daran zu denken, daß Sie da möglicherweise alle miteinander in Ihrem Verband im Glashaus sitzen.
({1})
Ich erinnere mich noch an die Kassandrarufe des Kollegen Franz Josef Strauß, daß die Rezession und die Arbeitslosigkeit sozusagen ein Tatbestand des letzten Winters und Frühjahrs seien. Dort hat er gefehlt.
({2})
Diese Prognose und diese Diagnose waren falsch.
({3})
- Na, wollen Sie jetzt einen Eventualhaushalt dafür? Das wäre ja ein interessanter Punkt. - Nein, es geht um die Gesamtkonjunktur, die ich heute in Übereinstimmung mit allen - ({4})
- Nun bringen Sie das Sonderschicksal eines wichtigen Unternehmens, das seine eigenen Marktprobleme bei verschiedenen Automobilen hat und damit fertig werden muß, in totaler Großzügigkeit, ich würde sagen: zu weit getriebener Großzügigkeit mit der allgemeinen Konjunkturlage zusammen, Herr Kollege. Das geht wohl nicht.
({5})
- Ja, das kann ich auch sagen, selbstverständlich. Ich nehme dieses Problem genauso ernst. Aber das ist etwas anderes als die Feststellung, wir würden insgesamt, in der gesamten deutschen Wirtschaft am Winterausgang dieses Jahres in eine dicke Rezession kommen und eine Riesenarbeitslosigkeit haben. Davon kann keine Rede sein.
({6})
Wir hatten aber vorgesorgt. Wir hatten z. B. einen Eventualhaushalt, Herr Kollege, und wir haben den Eventualhaushalt nicht etwa auf Grund del falschen und überpessimistischen Konjunkturprognosen vorzeitig mobilisiert, sondern wir haben kühl abgewartet, und wir hatten recht damit. Es ist richtig, daß wir den Eventualhaushalt in diesem Jahr in Anbetracht der allgemeinen Aufwärtsentwicklung nicht mobilisieren. Da müssen Sie nun einmal zugeben: Dies war die richtige prophylaktische Wirtschafts- und Finanzpolitik, die auf einen möglichen ernsten Fall eingerichtet und vorbereitet war. Dieses Mittel brauchten wir nicht ins Feld zu führen.
Nun kam ein Zweites hinzu. Wir haben inzwischen gesehen, daß sich nach dem Realignment, nach der Neuordnung der Wechselkurse und nach der Festigung des Vertrauens in der Wirtschaft eine allgemeine Besserung in den Geschäftserwartungen und auch eine verstärkte Neigung zu verstärkten Investitionen in der Wirtschaft entwickelt. In dieser Situation müssen wir doch einen Bundeshaushalt dahin gehend überprüfen, ob er dieser Lage in diesem Jahr voll entspricht. Wenn der Bundeshaushalt angenommen worden wäre, auch mit Ihren Stimmen möglicherweise, was ich sehr begrüßt hätte, dann hätten wir anschließend nach den Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstums-Gesetzes den beschlossenen Haushalt in der Haushaltsdurchführung in entsprechender Weise behandelt, wie wir es nun mit Ihnen zusammen im Haushaltsausschuß versuchen. Das ist die Sachaufgabe.
Ich sage noch einmal: Kommen Sie runter von diesem dramatisierenden oder dämonisierenden Generalurteil; kommen Sie runter von den Zahlen und sprechen Sie mit uns über die Einzelprobleme.
({7})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seidel.
Herr Minister, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß Sie selber am 27. April hier in diesem Hause in Ihrer Rede bereits die konjunkturelle Frage - besonders bei der Beurteilung des Antrags der Koalition - angedeutet haben, und ist Ihnen weiter bekannt, Herr Minister, daß die Opposition im Zusammenhang mit der Erhöhung des Gesamthaushaltes auf 109,3 Milliarden DM zu keiner der einzelnen Positionen, die über den 106 Milliarden DM anstanden, irgendwelche Einwendungen erhoben hat?
({0})
Ich bin dem Herrn Kollegen Seidel für zwei Beiträge außerordentlich dankbar. Herr Kollege Haase, Sie haben die Zahlen gehört: 106,6 oder 109,3 Milliarden DM; das ist das Gesamtvolumen des Haushalts.
({0})
Auch für die andere Bemerkung bin ich dem Herrn Kollegen Seidel sehr dankbar. Es stimmt: ich habe am 27. April hier in diesem Hause in meinem Diskussionsbeitrag anläßlich der Debatte über den Haushalt 04 zum Schluß sehr ausführlich vom konjunkturpolitischen und finanzpolitischen Standpunkt aus zu dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen Stellung genommen. Dabei habe ich gesagt, ich als der für Wirtschaft und Finanzen zuständige Minister sei der Meinung, daß dieser Antrag zu Recht gestellt sei und daß man entsprechend verfahren sollte. Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, ist das nicht so ganz eingegangen. Sie haben damals meine Diskussionsrede - ich habe es deutlich in Erinnerung - im allgemeinen Lärm als Filibustern bezeichnet und deswegen schlauerweise gar nicht hingehört. Sie hätten lieber alle hinhören sollen wie einer von Ihnen. Einer hat nämlich zugehört; er hat es mir gesagt. Als er jetzt von meiner Kabinettsvorlage vom 18. Mai in der Presse vernommen hatte, hat dieser sachverständige Kollege von Ihnen mir gesagt, er habe das vorher schon in meiner Rede am 27. April hier im Bundestag gehört.
({1})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Minister, nachdem Sie vorhin fast nett und niedlich von einer kleinen begrenzten Korrektur des Haushalts gesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob etwa die Kollegen Leber und Schmidt, denen Sie 400 bzw. 800 Millionen DM aus dem Haushalt streichen wollen, diese kleine Korrektur ebenso nett und niedlich
aufgefaßt haben wie Sie die Korrektur des Gesamthaushalts in Höhe von 2,5 Milliarden DM.
({0})
Ich kann Ihrem amikablen Ton der Interpretation meiner Äußerung nicht ganz folgen, Herr Kollege. Ich kann nur eines wiederholen: 2,5 Milliarden sind weniger als zweieinhalb Prozent, nämlich etwas mehr als 2 % des Haushaltsvolumens. Dies bezeichne ich als eine begrenzte Kurskorrektur, allerdings als eine Korrektur, die im Gesamtvolumen nicht alle Welt bedeutet, die aber im einzelnen sehr unbequem sein kann, und das Wort „unbequem" habe ich vorhin gebraucht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rösing.
Herr Bundesminister, warum haben Sie die Haushaltskürzungsvorschläge, die Sie soeben begründet haben, nicht gleich zu Beginn der zweiten Lesung des Haushalts hier im Hause eingebracht, sondern sind erst 14 Tage später damit gekommen, obwohl Ihnen die Tatbestände, die zu diesen Haushaltskürzungen geführt haben, damals schon bekannt waren?
Ich habe soeben gesagt, sehr verehrter Herr Kollege, daß ich in meinem Diskussionsbeitrag zum Haushaltsplan 04 auf diese Dinge Bezug genommen und den Antrag der Koalitionsfraktionen, der an dem Tag vorlag, von mir aus befürwortet habe. Ich konnte aber im übrigen nur feststellen, daß viele von Ihnen dem nicht recht zugehört haben und daß Sie leider im weiteren Verlauf anscheinend nicht bereit waren, auf eine Sachdebatte über diese Probleme einzugehen. Nun wollen wir versuchen, auch Ihnen den Weg zu öffnen,
({0}) : Wie großzügig!)
indem wir im Haushaltsausschuß diese Sachdebatte führen.
({1})
Eine letzte Zusatzfrage die des Herrn Abgeordneten Hauser.
Herr Bundesminister, nachdem Sie in Ihrer Kabinettsvorlage vom 18. Mai den Zusammenhang zwischen der Haushaltskürzung für 1972 und der mittelfristigen Finanzplanung selber dargestellt haben, frage ich Sie: wollen Sie diesem Haus und der deutschen Öffentlichkeit wirklich klarmachen, daß das Finanzierungsdefizit von 27,5 Milliarden DM in der mittelfristigen Finanzplanung nach dem jetzigen Stand und von 40,2 Milliarden DM nach dem zu erwartenden Stand, das Sie selber für finanzpolitisch und gesamtwirtschaftlich nicht vertretbar halten, in den letzten Monaten entstanden ist?
Herr Kollege, ich möchte zunächst eine technisch-prinzipielle Bemerkung machen. Sie operieren mit Defizitzahlen, die offenbar die Summe von vier oder fünf Jahresdefiziten darstellen. Das ist nicht meine Art und Weise der Darstellung.
({0})
Ich halte diese Methode für ziemlich vage. Danach könnten Sie, da die Bundesrepublik Deutschland noch sehr, sehr lange existieren will, eine beliebige Zahl von Jahren nehmen und sie mit irgendwelchen angenommenen Defiziten multiplizieren.
({1})
- Ich habe diese Zahlen nicht angegeben. Sie müssen schon hineingucken. Wenn Sie schon sagen, Sie hätten meine Kabinettsvorlage via Presse so genau gelesen, dann müßten Sie festgestellt haben, daß es dort diese Quersumme über die Jahre nicht gibt. Vielmehr wird dort Jahr für Jahr abgehandelt. Ich halte nichts davon, mögliche Defizite - noch dazu Defizite, die auf Grund von Haushaltsanforderungen der Ressorts möglicherweise auf uns zukommen, sowie möglicherweise durch zwangsläufige Mehrausgaben bedingte Defizite - quer über die Jahre zu addieren und dann als geradezu unfaßbare Horrorzahl dem staunenden Publikum zu servieren. Damit kommen wir nicht weiter.
({2})
- Weil es so sinnlos ist, die entsprechenden Sozialprodukte für dieselben Jahre und die entsprechenden Steueraufkommen in absoluten Zahlen von 1971 bis 1976 zu addieren. Stellen Sie sich einmal vor, was dann allein an Leistung, an Bruttosozialprodukt bis 1976 herauskommt! Ganz unfaßbar!
Aber ich möchte Ihnen eines sagen. Ich stehe zu meiner Darstellung, daß wir im Sommer 1972 den Zusammenhang der Finanzprobleme 1972 mit den kommenden Dingen von 1973 erkennen müssen. Ich sage noch einmal: auf Grund bestehender gesetzlicher bzw. rechtlicher Verpflichtungen sind Mehrbelastungen für 1973 in einer bestimmten Höhe schon wahrscheinlich.
({3})
- Ich möchte über dieses Thema im Haushaltsausschuß sachliche Orientierungen geben, dort mit Ihnen darüber reden und anschließend, sobald Sie gesagt haben: Top, wir arbeiten mit!, dann auch im Plenum mit Ihnen darüber reden.
({4})
- Ich meine das wirklich ernst. Ich bin nämlich der Meinung, daß es nicht um den Haushalt der Regierung Brandt/Scheel, sondern um den Haushalt dieses Staates, der Bundesrepublik Deutschland geht. Da sollten Sie mithelfen.
({5})
Ich verlange ja von Ihnen, gerade von Ihnen, nicht Blankovorschläge - keineswegs! -, sondern ich will selber im Ausschuß mit eigenen Vorschlägen der Regierung antreten. Dann sollen Sie sich äußern.
({6})
Herr Minister, ich unterbreche an diesem Punkt die Behandlung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Die erste Frage aus diesem Bereich, die Frage 12, ist von dem Herrn Abgeordneten Schirmer gestellt:
Kann die Bundesregierung Angaben des Deutschen Sportbundes bestätigen, daß von den Sportvereinen der Bundesrepublik Deutschland jährlich zwischen 22 und 25 Millionen DM an Steuern abgeführt werden?
Die Sportvereine in der Bundesrepublik sind Personenvereinigungen, deren Steuerzahlungen bei den einzelnen zuständigen Finanzämtern festgesetzt und erhoben werden. Es gibt keine amtlichen Statistiken, in denen die Steuerleistungen der Vereine gesondert ausgewiesen werden. Die Bundesregierung kann deshalb die Angaben des Deutschen Sportbundes über Steuerzahlungen von insgesamt 22 bis 25 Millionen DM jährlich nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung bekannt, ob in diesen vom Deutschen Sportbund angegebenen Zahlen auch die Summen enthalten sind, die von einigen Vereinen für Veranstaltungen der Fußballbundesliga gezahlt werden?
Herr Kollege, ich bin bei meiner Antwort davon ausgegangen, daß in diesem Betrag auch die von den Fußballbundesligavereinen gezahlten Steuern enthalten sind, da der Deutsche Fußballbund eine Mitgliedsorganisation des Deutschen Sportbundes ist. Aber wie gesagt, es gibt keine amtlichen Statistiken über die Steuerleistungen von Sportvereinen.
Herr Abgeordneter Schäfer!
Herr Minister, gibt es Erwägungen, bei Idealvereinen - insbesondere Sportvereinen jeder Art -, die einen Wirtschaftsbetrieb führen, die steuerliche Absetzbarkeit von Anschaffungen für den Idealbetrieb, also z. B. Sportgeräten, beim Betriebsergebnis des Wirtschaftsbetriebes zu ermöglichen? Es schiene mir nämlich sinnvoller, die Vereine auf diese Weise in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe zu erfüllen, als Subventionen zu geben.
Herr Abgeordneter, mit der Tendenz der in Ihrer Frage zum Ausdruck kommenden Meinung stimme ich voll überein.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Schirmer auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutschen Sportbundes, die Besteuerung der Sportvereine trage zur Verschuldung dieser Vereine bei und lähme die Eigeninitiative der ehrenamtlichen Mitarbeiter?
Es gibt keine amtlichen statistischen Feststellungen über die Verschuldung von Sportvereinen. Selbst wenn man unterstellen wollte, daß der Verschuldung der Sportvereine generelle Bedeutung zukomme, vermag ich die Auffassung nicht zu teilen, daß dafür die Besteuerung ursächlich ist. Sportvereine genießen erhebliche Steuervergünstigungen. Auch wenn sie einen steuerlich unschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, sind sie von der Verpflichtung zur Zahlung von Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer befreit. Soweit sie nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig werden, unterliegen sie der Umsatzsteuer; ihnen wird jedoch ein ermäßigter Steuersatz von 5,5 v. H. gewährt. Grundbesitz eines Sportvereins, der für sportliche Zwecke genutzt wird, ist von der Grundsteuer befreit, wenn der Verein einem durch die Landesregierung anerkannten Sportverband angehört oder unmittelbar durch die Landesregierung anerkannt ist.
Diese Vergünstigungen gelten allerdings nicht für Sportvereine, die Veranstaltungen unter Einsatz von Lizenzspielern durchführen. Sportliche Veranstaltungen dieser Vereine, bei denen Eintrittsgeld erhoben wird, sind als steuerschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln. Dies hat zur Folge, daß diese Vereine der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Vermögensteuer unterliegen und daß ihre Umsätze aus Sportveranstaltungen mit dem vollen Umsatzsteuersatz von 11 % zu versteuern sind. Diese Vereine sind auch nicht von der Verpflichtung zur Zahlung von Grundsteuer befreit, wenn sie Grundbesitz haben, der für sportliche Zwecke genutzt wird.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Bundesregierung zusammen mit dem Deutschen Sportbund in den vergangenen Jahren durch vielfältige Förderungsmöglichkeiten auch für die Vereine gute Chancen geschaffen hat, ihre ehrenamtlichen Kräfte wirksamer als bisher tätig werden zu lassen, und können Sie mir zustimmen, wenn ich annehme, daß jetzt mehr als in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemeinsame steuerlich fördernde Maßnahmen diesem Zwecke dienen?
Herr Abgeordneter, ich stimme dem voll zu. Das ist ein erfreulicher, leider aber oft übersehener Tatbestand.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Minister, wären Sie bereit, in Ihrem Hause in Verbindung mit dem Finanzministerium die Situation überprüfen zu lassen, damit die kleinen Sportvereine ihre Arbeit steuerfrei ausführen können?
Herr Abgeordneter, ich habe bereits in der Antwort auf die Frage des Kollegen Schäfer tendenziell erkennen lassen, daß die Bundesregierung Erwägungen, wie man hier Entlastung bringen kann, positiv gegenübersteht. Daß dabei auch allgemeine Grundsätze des Steuerrechts mit in Betracht gezogen werden, ist selbstverständlich. Wir sind aber offen für solche Erwägungen.
Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Wrede auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung des Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Dr. Wilhelm Kregel, beim DSB-Bundestag 1972 in Berlin, der Deutsche Sportbund befinde sich in der Sportförderung am „goldenen Zügel des Staates"?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat nie Zweifel daran gelassen, daß sie die Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwaltung, also die Unabhängigkeit des Sports schlechthin, bejaht. Sie bejaht aber auch wegen der gesellschafts-, gesundheits- und bildungspolitischen Bedeutung des Sports ein öffentliches Interesse für diesen Bereich und stellt daher erhebliche öffentliche Mittel zur Förderung des Sports zur Verfügung.
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, sich mit diesen Mitteln Einflußmöglichkeiten im Bereich des Sports „zu erkaufen". Sie hat diese Erklärung gerade deshalb wiederholt abgegeben, weil allein die Hingabe öffentlicher Mittel und die Notwendigkeit der Kontrolle der Verwendung dieser Mittel geeignet sein könnten - und gelegentlich auch so bewertet werden -, diesen Eindruck zu erwecken. Die Bundesregierung wiederholt deshalb unmißverständlich, daß die Unabhängigkeit des Sports gewahrt bleiben muß. Sie betrachtet sich als Partner der unabhängigen Sportorganisationen.
Dem steht nicht etwa entgegen, daß die mit der Vergabe öffentlicher Mittel zwangsläufig verbundenen Kontrollfunktionen der hierfür bestehenden verfassungsmäßigen Organe - d. h. die Verantwortlichkeit der Bundesregierung und des zuständigen Ressortministers gegenüber dem Parlament - nicht eingeschränkt werden dürfen. Den berechtigten Anliegen beider Seiten wird die bisherige vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit in vollem Umfange gerecht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, könnten Sie nach dem, was Sie hier ausführten, meiner Auffassung beipflichten, daß das, was der Herr Präsident des Deutschen Sportbundes den „goldenen Zügel des Staates" nennt und was ich wie Sie „partnerschaftliche Zusammenarbeit" nennen möchte, dem Deutschen Sport gut bekommen ist?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob der Präsident des Deutschen Sportbundes das so gesagt hat. In der Bewertung bin ich Ihrer Meinung. Es ist dem Deutschen Sport gut bekommen.
Ich rufe Frage 15 des Herrn Abgeordneten Wrede auf:
Unterstützt die Bundesregierung die Forderung des DSB, die Förderungsmittel für den DSB und dessen Fachverbände nicht nur ständig zu erhöhen, sondern auch pauschal zur Eigenverwendung und Eigenkontrolle dem DSB zuzuweisen?
Die Höhe der Sportförderungsmittel richtet sich unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Bundeshaushalts und der unterschiedlichen Finanzkraft der Zuwendungsempfänger nach dem tatsächlichen Finanzbedarf der Sportorganisationen. Die Zuweisung staatlicher Mittel zur Eigenverwendung und Eigenkontrolle an den DSB müßte rechtlich als unkontrollierbare Delegation von Verwaltungskompetenzen und -befugnissen beurteilt werden. Ein solches Verfahren widerspräche der Verfassungsstruktur eines demokratisch-parlamentarischen Staates, in dem die gesamte Verwaltung der parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist. Mit anderen Worten: Der Grundsatz der Regierungs- und Ministerialverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament schließt die Delegation von Verwaltungskompetenzen an den DSB zur unkontrollierten Ausübung aus.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 16 des Herrn Abgeordnete Biehle auf:
Trifft es zu, daß in den Bundesministerien am Tag vor der Abstimmung über den konstruktiven Mißtrauensantrag der CDU/ CSU-Fraktion ohne ordentliche Personalberatung zahlreiche Beförderungen, auch mit Wirkung für einen späteren Zeitpunkt, ausgesprochen sowie Referentenpositionen u. ä. personell verändert worden sind, und was waren gegebenenfalls die Gründe dafür?
Herr Abgeordneter, über die Personalmaßnahmen der einzelnen Bundesressorts hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die in Drucksache VI/3422 vorliegende Kleine Anfrage zur Personalpolitik eingehend und für die gesamte Woche vom 24. bis 28. April 1972 Auskunft gegeben.
({0})
- Ja, das ist selbstverständlich.
Nach Art. 65 des Grundgesetzes leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung.
({1})
Personalmaßnahmen werden jeweils dann vorgenommen, wenn es dem personalwirtschaftlichen Bedarf und dem Stand der Personalplanung entspricht. Hiernach besteht kein Grund, ausnahmsweise am Tag vor der von Ihnen ins Auge gefaßten parlamentarischen Abstimmung die sachgemäße Verwaltungstätigkeit ruhen zu lassen. Die Bundesminister wären nicht einmal berechtigt gewesen, das zu tun. Auch die Sorge, es habe an „ordentlichen" Personalberatungen gefehlt, ist nach der Auffassung der Bundesministerien unbegründet. Dies bitte ich im einzelnen der Antwort auf die Kleine Anfrage zu entnehmen. Die Beteiligung der Personalvertretungen ist dort in der Übersicht dargestellt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biehle.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich die personellen Entscheidungen in dem genannten Zeitraum bei den Bundesministerien weitestgehend an der parteipolitischen Couleur und nicht an sachlichen und fachlichen Dingen ausgerichtet haben und große Übereinstimmung mit dem Satz besteht: „Ich werde Sonderzüge einsetzen, um nicht parteikonforme Beamte in die Heimat zurückzubringen", den ein ehemaliger Minister dieses Kabinetts gesagt hat, und trifft dies für diese Apriltage nicht in besonderer Weise für das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit der Frau Ministerin Käte Strobel zu, deren Personalrat wiederholt und eindringlich festgestellt hat, daß Entscheidungen in vielen Fällen gegen die einstimmigen Voten des Personalrats getroffen wurden?
Nein, Herr Abgeordneter, das trifft nicht zu.
({0})
Herr Präsident, wenn ich eine Ergänzung zu meiner Antwort geben darf: Der Abgeordnete hat durch die Addition von in Frageform gekleideten Vorwürfen mir das pauschale Nein besonders erleichtert.
({1})
Herr Abgeordneter, haben Sie danach noch eine Zusatzfrage?
Darf ich daraus entnehmen, daß Sie mit mir die Meinung teilen, daß das von mir Vorgebrachte insbesondere für das genannte Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zutrifft?
Nein, Herr Abgeordneter, das ist nicht meine Meinung. Trotz meiner an sich positiven und deshalb zum Ja
neigenden Lebenseinstellung hätte ich gern jede einzelne Frage von Ihnen mit Nein beantwortet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Bundesminister, da Sie als Verfassungsminister auch für alle Gesetze zuständig sind, die dieses Haus verabschiedet, frage ich Sie: Wie erklären Sie sich Ihre vorhergehenden Ausführungen angesichts der Tatsache, daß der Personalrat des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit sich bitter darüber beklagt hat, daß in diesem Ministerium die gesetzlichen Vorschriften nicht eingehalten und die Beförderungen tatsächlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten, zum Teil auf Vorrat, vorgenommen worden sind, nachdem man befürchtete, daß das Mißtrauensvotum die Ställe leerfegen wird?
({0})
Herr Abgeordneter, zunächst einmal kann ich die Motive und die Erwägungen des Personalrats eines bestimmten Ministeriums nicht erforschen. Ich möchte hinzufügen, daß nur die Tatsache, daß Ministerien an sich auch noch andere Aufgaben haben, als Kleine Anfragen zu beantworten, mich davon abgehalten hat, die Koalitionsfraktionen anzuregen, einmal eine Kleine Anfrage einzubringen, wie sich bei früheren bevorstehenden Regierungswechseln die Personalbewegungen gestaltet haben.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß in den Tagen vor dem gescheiterten Mißtrauensantrag der Opposition seitens der CDU/CSU in verschiedenen Ministerien 'bereits Überlegungen angestellt worden sind, welche Position von der CDU genehmen Personen besetzt werden und welche umbesetzt werden sollen?
Herr Abgeordneter, die Tage vor Abstimmungen über Mißtrauensvoten sind, obwohl der Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet, wie Sie wissen, in Deutschland nicht sehr groß ist, immer durch ein hohes Maß von Erwartungen gekennzeichnet, die bei diesem und jenem vorhanden sind.
({0})
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Biehle auf:
Welche personellen Maßnahmen hat die Bundesregierung am 25./26. April 1972 veranlaßt, und warum hat sie abweichend von der Erklärung zum Regierungsantritt die dort angekündigte Mitbestimmung bzw. die in den einzelnen Ressorts zugesicherte Einschaltung des Personalrats in den eigenen Ministerien nicht verwirklicht?
Die Übersicht zur Antwort auf die Kleine Anfrage, auf die ich hier wegen ihrer Ausführlichkeit, Gründlichkeit und Sorgfalt verweisen darf,. umfaßt auch die personellen Maßnahmen vom 25. und 26. April 1972. Aus dieser Übersicht geht hervor, daß in einer Reihe von Fällen die Personalvertretungen auch über die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung hinaus beteiligt worden sind. Die Bundesressorts sind damit den in der Regierungserklärung geäußerten Vorstellungen durchaus nachgekommen. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Bundesressorts seit dem Regierungsantritt mit ihren Personalräten über eine allgemeinere Verfahrensweise verständigt. Wo es danach vorgesehen ist, wird die Personalvertretung gehört oder unterrichtet, so daß sie Gelegenheit zur Mitwirkung erhält.
Das war nach meiner Kenntnis bei den Personalmaßnahmen auch im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit schon zu einem früheren Zeitpunkt der Fall. Insoweit, Herr Abgeordneter, verweise ich auf die Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage.
Schließlich darf ich darauf verweisen, daß inzwischen der Entwurf eines neuen, an der Regierungserklärung ausgerichteten Personalvertretungsgesetzes fertiggestellt und vom Bundeskabinett am 24. Mai verabschiedet worden ist. Ich hoffe, daß die darin vorgesehenen vielfachen Verbesserungen der Beteiligungsregelungen die Zustimmung des Hohen Hauses finden werden.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Feststellungen des Personalrates des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 27. April 1972, die in öffentlicher Form kundgetan wurden, dem, was Sie gesagt haben, völlig widersprechen? In diesen Feststellungen heißt es:
Der Personalrat stellt ausdrücklich fest, daß er an keiner dieser Personalentscheidungen beteiligt, ja nicht einmal vorher dazu gehört wurde. Weiterhin stellt der Personalrat fest, daß dieses Verfahren der Leitung des Ministeriums den Versprechungen nach mehr Demokratie und Mitbestimmung hohnspricht und die Vereinbarungen zwischen der Leitung des Ministeriums und dem Personalrat vom 25. Mai 1970 in keiner Weise eingehalten wurden.
Herr Abgeordneter, das kann ganz sicher nicht sein. Ich gebe meine Antwort aufgrund der Mitteilung des zuständigen Ministeriums. Ich bitte aber um Verständnis dafür, daß ich trotz gründlichster Vorbereitung der Fragestunde natürlich nicht darauf eingerichtet bin, auf alle Erklärungen von Personalräten der Bundesregierung jetzt spontan und aus dem Stand heraus einzugehen.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, warum hat die Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung der Personalräte nicht schon in der Vergangenheit so vorbildlich gehandelt, wo Sie doch laut Nachrichtenspiegel der Bundesregierung vom 25. Mai bei der Vorlage des Entwurfs des Personalvertretungsgesetzes festgestellt haben, dies sei ein besonderer Teil der Reformvorstellungen der Bundesregierung, und Sie dazu in der Vergangenheit ja schon in Ihrem eigenen Hause die Möglichkeit gehabt hätten?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist entsprechend der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung über das durch das Gesetz festgelegte Maß hinaus bemüht, die Personalvertretungen zu beteiligen.
Herr Minister, ich danke Ihnen.
Ich beende die Fragestunde.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Herr Abgeordnete Hauser gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus erlebte gestern abend den einmaligen Vorgang, daß ein in der zweiten Lesung befindlicher Bundeshaushalt mit einer Geschäftsordnungsmehrheit
({0})
in den Haushaltsausschuß zurückverwiesen wurde. ({1})
Heute nun müssen wir feststellen, daß die Fragen nach den Gründen, die Fragen, die bis auf den Untergrund bohren und feststellen sollten, was denn nun so Einmaliges geschehen ist, um diesen einmaligen Vorgang des Abbruchs der Haushaltsberatungen mitten in der zweiten Lesung zu rechtfertigen, ausweichend beantwortet werden,
({2})
daß uns gesagt wird: Darüber werden wir im Haushaltsausschuß miteinander reden.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Koalitionsfraktionen einen Mantel des Schweigens über die wahren Ursachen der Rückverweisung an den Haushaltsausschuß breiten möchten, einen Mantel des Schweigens insbesondere über die wirkliche Lage, die Realitäten, wie sie sich heute in der Finanz- und Haushaltswirtschaft darbieten.
({3})
Herr Minister Schiller hat soeben auf eine meiner Fragen geantwortet, die Haushaltsfehlbeträge in den Jahren 1972 bis 1976 in Höhe von 27,5 Milliarden DM - nach seiner eigenen Vorlage an das Bundeskabinett - dürfe man nicht so zusammenrechnen, weil sie auf Einzeljahre zu verteilen seien, und dasselbe gelte auch hinsichtlich der 40,2 Milliarden DM, die herauskommen, wenn man auch hier die Realitäten der bereits gefaßten Kabinettsbeschlüsse und der bereits verabschiedeten Gesetze zugrunde legt. Wenn man das sieht, kann man in der Tat verstehen, weshalb hierüber ein Mantel des Schweigens gebreitet werden soll.
({4})
Dann kann man in der Tat verstehen, daß sich die Koalitionsfraktionen gerne zum Erfüllungsgehilfen dieser Regierung, die ihre Regierung ist, machen, um zu verhindern, daß die deutsche Öffentlichkeit durch die offene Debatte im Plenum aufgeschreckt und mit den katastrophalen Finanz- und Haushaltsverhältnissen vertraut gemacht wird, die diese Bundesregierung hinterlassen wird, wenn sie demnächst abtritt.
({5})
Denn ebenso, wie diese Regierung auf Siechtum eingestellt ist, sind die Stabilität des Geldwertes und die Stabilität unserer Finanzen auf galoppierende Schwindsucht programmiert.
({6})
Und es gibt noch etwas, worüber die Koalitionsfraktionen den Mantel des Schweigens breiten möchten, nämlich die Tatsache, daß zu der Unfähigkeit, Abstimmungen, die sich nicht auf die Geschäftsordnung, sondern auf die Sache beziehen, hier im Parlament herbeizuführen und zu gewinnen, daß zu diesem parlamentarischen Patt auch noch ein Patt, eine Entscheidungsunfähigkeit, im Kabinett hinzugetreten ist und daß dieses potenzierte Patt dazu zwingt, hinter die verschlossenen Türen des Haushaltsausschusses zu gehen.
({7})
So meinen wir schließlich, auch Herrn Minister Schiller ein Werk christlicher Nächstenliebe antun zu sollen - ({8})
Herr Abgeordneter Hauser, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt auf den Kern der Geschäftsordnungsintervention, um die es jetzt geht, eingingen.
Ich komme zum Kern der Geschäftsordnungsintervention. Ich sagte, wir wollen Herrn Minister Schiller ein Werk christlicher Nächstenliebe angedeihen lassen, indem wir ihm den Maulkorb, den Sie, Herr Wehner, ihm als Zuchtmeister Ihrer Fraktion gestern umgehängt haben,
({0})
Hauser ({1})
abnehmen und ihm die Möglichkeit geben, hier im Plenum zur Sache Stellung zu nehmen. Wir beantragen deshalb namens der CDU/CSU-Fraktion eine Aktuelle Stunde.
({2})
Meine Damen und Herren, zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Seidel.
({0})
- Entschuldigen Sie, ich war davon ausgegangen, Sie hätten sich zur Geschäftsordnung gemeldet.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, das Begehren der CDU/CSU-Fraktion wird hinreichend unterstützt.
({1})
- Herr Kollege Rösing, auch die Herren, die zur Geschäftsordnung sprechen, müssen achtgeben, daß der Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte nicht zu sehr ausgeweitet wird.
({2}) Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen vor uns eine Regierung, die mit ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik am Ende ist.
({0})
Sie hat nur noch das Bestreben, die Wahrheit unter den Teppich zu kehren und den Offenbarungseid ihrer Finanz- und Haushaltspolitik dadurch zu vermeiden, daß sie das Ganze nun durch einen einmaligen Vorgang in den Haushaltsausschuß zurückverweisen will.
({1})
Dieses totale Fiasko kommt nicht von ungefähr. Es ist das Endergebnis einer fast dreijährigen Fehlentwicklung, die ich mit ganz kurzen Zügen noch einmal nachzeichnen will.
Tatsache ist, daß am Ausgangspunkt eine Finanzpolitik stand, hinterlassen von der Regierung der Großen Koalition unter Finanzminister Strauß, von der mit Recht gesagt wurde, daß noch keine Regierung, noch kein Finanzminister so geordnete Finanzen übernehmen konnte, wie das damals im Herbst 1969 der Fall war.
({2})
Zugleich hatte Finanzminister Strauß die Vorbereitungen für ein inneres Stabilisierungsprogramm getroffen. Er hatte 2 Milliarden DM des laufenden Haushaltes 1969 eingespart und die Weichen auf Stabilitätspolitik gestellt.
Statt diesen Weg weiterzugehen, hat die neue Regierung mit ihrer illusionären Hoffnung, daß nun
die Aufwertung das Zaubermittel zur Wiedergewinnung der Stabilität wäre, die Weichen völlig anders gestellt. Nach der Regierungserklärung hat sich nur noch eine Debatte darüber entwickelt, ob nun 250 oder 130 Reformen versprochen wurden oder, wie Herr Wischnewski erklärt hat, jeden dritten Tag eine neue Reform.
({3})
Die Opposition hat in dieser Situation bei der Debatte über die Regierungserklärung durch ihren Oppositionsführer sofort erklären lassen, daß hierzu das Finanzierungsprogramm fehle. Wir haben damals bereits angeboten, einen Stabilitätspakt zu bilden und auf eigene kostenwirksame Anträge zu verzichten, wenn diese Regierung bereit wäre, Stabilitätspolitik zu machen.
({4}) Das Gegenteil ist geschehen.
({5})
Man hat auch den Notruf der Bundesbank im Frühjahr 1970 überhört. Man hat die konkreten Stabilisierungsvorschläge der Bundesbank in den Wind geschlagen. Herr Minister Schiller hat damals von seiner Schlacht am Skagerrak gesprochen. Er hat sein Waterloo erlebt.
({6})
Man hat sich dann mühsam noch über die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hinweggerettet,
({7})
um gleich hinterher Maßnahmen zu ergreifen, die in sich wieder völlig widersprüchlich waren: Man hat den Konjunkturzuschlag eingeführt und in derselben Woche den neuen Bundeshaushalt 1971 verkündet, der genau das Gegenteil von einer erhofften Stabilitätswirkung zeigen mußte.
({8})
Wir haben damals auch unsere Erfahrungen mit konstruktiven Gegenvorschlägen gemacht, mit diesen berühmten Alternativen.
({9})
Wir hatten Einsparungsvorschläge in Höhe von 2 Milliarden DM gemacht, und wir haben nicht vergessen, daß es der Herr Kollege Haehser war, der ans Rednerpult gegangen ist und gefragt hat: Will also diese Opposition keine Schulen mehr bauen, will sie keine Krankenhäuser mehr bauen, will sie keine Straßen mehr bauen?
({10})
Wir haben lernen müssen, daß diese Regierung immer nur dann nach Gemeinsamkeit ruft, wenn ihr das Wasser am Halse steht.
({11})
Gemeinsamkeit bedeutet für Sie offenbar den Ruf nach dem Sanitätswagen, wenn der Karren endgültig im Graben gelandet ist.
Wir haben dann feststellen müssen, daß diese Regierung, nur um die Finanzierungslöcher zu verstopfen, Verbrauchsteuererhöhungen in Höhe von 4 Milliarden DM vornehmen mußte.
({12})
Wir haben weiter gesehen, daß sie keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hat, um die fortlaufende Preissteigerungs- und Geldentwertungsrate zu bremsen. Die Geldentwertungsrate hat sich zunächst von 3 auf 4 % erhöht. Dann endlich hat sich der Herr Bundeskanzler bemüßigt gesehen, hier zu erklären, bei 4 % werde es ernst. Er ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat gesagt, jetzt werde er sich endlich einmal um die Wirtschafts- und Finanzpolitik kümmern.
({13})
Geschehen ist nichts, sondern die Dinge sind so katastrophal weitergelaufen, daß wir schließlich im Januar 1972 eine Preissteigerungsrate von 5,8 % gehabt haben.
Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Herr Präsident, ich darf mit folgendem Satz schließen: Wenn wir immer wieder nach Alternativen gefragt werden, dann sage ich, daß es angesichts dieser verfahrenen Situation und der totalen Erschütterung des Vertrauens dieser Regierung nur eine einzige Alternative gibt, nämlich einen Wechsel der Regierung!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seidel.
Meine Damen und Herren! Herr Dr. Althammer, was Sie jetzt als aktuelle Stunde eröffnet haben, war eine Replik von 1970 bis heute. Sie verwechseln die Aktuelle Stunde mit der zweiten Lesung des Haushalts, die wir jetzt noch nicht haben, aber das können wir noch nachholen.
({0})
Ich möchte nur noch einmal an den einmaligen Vorgang von gestern abend erinnern, und zwar insofern, als die CDU/CSU-Fraktion die Öffentlichkeit auf diese Besonderheit des Tages hin mobilisiert hat. Und was war denn am Ende? - Am Ende war ein Kneifen von seiten der CDU/CSU!
({1})
Sie haben nicht gewagt, eine Auszählung vorzunehmen, weil Sie sich einfach scheuten, die Tatsache,
daß Sie nicht die notwendige Anzahl von Stimmen
aufbrachten, zu demonstrieren. Das ist ein reines Kneifen.
({2})
Wenn Sie Ihre 21 Soldaten zum Betriebsverfassungsgesetz abstellen, ist das ebenfalls ein gesellschaftspolitisches Kneifen vor einer wichtigen sozialpolitischen Frage.
({3})
Bezüglich der Etatvolage für 1972 kann ich Ihnen nur sagen, daß bei einem Volumen von 109,3 Milliarden DM eine Kürzung in Höhe von 2,5 Milliarden DM, wie sie jetzt zur Beratung steht, nichts Sensationelles ist. Sie wissen ganz genau, daß wir z. B. im Jahre 1959 bei der absoluten Mehrheit der CDU/CSU unter dem Finanzminister Schäffer bei einem Volumen von 40 Milliarden DM 2,5 Milliarden DM eingespart haben.
({4})
Nun können Sie sich ausrechnen, wieviel Prozent das damals waren und welches Prozentverhältnis heute vorliegt.
1964 sind bei einer Koalition zwischen CDU/CSU und FDP von 60 Milliarden DM 2,2 Milliarden DM als Minderausgabe unter dem Finanzminister Dahlgrün eingespart worden, und wir haben 1969 im Rahmen der Großen Koalition unter einem Finanzminister Strauß von 83,3 Milliarden DM 1,7 Milliarden DM eingespart.
1959, 1964 oder 1969 haben Sie nicht von einer „Finanzkrise", vom „schlechtesten Haushalt" oder vom „Offenbarungseid" gesprochen. Wenn Sie etwas machen, ist alles in Ordnung, wenn es aber die Koalition Brandt/Scheel macht, ist es natürlich unrecht, ist alles falsch. So ist Ihre Methode!
({5})
Selbst bei dieser Kürzung von 2,5 Milliarden DM, die wir eventuell als Ergebnis herausarbeiten, verdient dieser Haushalt in seinem Volumen eine positive Beurteilung. Die soziale Sicherung ist in Höhe von 28,6 Milliarden DM gewährleistet, die militärische und zivile Verteidigung in der Größenordnung von 25,5 Milliarden DM,
({6})
die Verkehrsprobleme werden mit 14,5 Milliarden DM berücksichtigt,
({7})
Bildung und Wissenschaft finden mit 5,2 Milliarden DM Berücksichtigung. Die Probleme von Jugend, Familie und Gesundheit werden mit 4,5 Milliarden DM und diejenigen des Ministeriums für Städtebau und Wohnungswesen mit 3,4 Milliarden DM berücksichtigt.
Ich kann Ihnen nur sagen: Auch nach dieser Korrektur ist eine positive Beurteilung und Benotung des Haushalts 1972 angebracht. An diesem Urteil werden Sie keinen Faden abbeißen können!
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Picard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben eine kurze Rede des Kollegen Seidel über einen Haushalt gehört, den diese Regierung offenbar gar nicht zur Verabschiedung bringen will oder den sie in einem ganz eigenartigen Verfahren mit einem Endergebnis zur Verabschiedung bringen will, das diese Zahlen gar nicht mehr ermöglicht.
({0})
Herr Minister Schiller hat vorhin gesagt: Man kann über alles reden. Ich habe den Eindruck, daß diese Regierung nicht über alles reden kann oder nicht über alles reden will, mindestens aber nicht an dem Platz, an dem es geschehen muß, nämlich hier in diesem Hause.
({1})
Lassen Sie mich etwas zu dem sagen, was nun eigentlich ansteht. Das ist ja nicht nur der Haushaltsplan 1972, sondern - ich beziehe mich hier auf das, was der Herr Minister Schiller selber gesagt hat - das ist auch der Haushalt 1973 und das ist die mittelfristige Finanzplanung. Da ist vorhin in der Fragestunde ein eigenartiges Wort, ein Wort von den zu erwartenden Mehreinnahmen gefallen, nämlich von zu erwartenden Mehreinnahmen in Steuern - und das von einer Regierung, die vor drei Jahren, nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in der Regierungserklärung und monatelang hinterher, mit dem verbindlichen Versprechen von Steuerermäßigungen angetreten ist!
({2})
Ich erinnere hier wieder einmal an den Arbeitnehmerfreibetrag und an die Wiederherstellung der Kilometerpauschale. Viele haben das schon vergessen; aber der kleine Mann draußen, dessen Interessenvertreter doch diese Regierung sein will, der hat das nicht vergessen.
({3})
Er kann nur mit großem Erstaunen hören, daß der Ausgleich der kommenden Jahre nicht nur erzielt werden soll durch Reduzierungen um 2,5 Milliarden DM in diesem Haushalt, die sich, wenn man es genau besieht, auf 0,4 Milliarden DM zurückführen lassen, Herr Minister Schiller. Damit kann man ja keinen Haushalt ausgleichen. Dann kommt eben die Idee, die man in der Presse lesen kann wie viele andere Ideen von Ihnen - in der Presse vielleicht deshalb, weil Sie im Kabinett nicht das nötige Gehör gefunden haben -, die Idee nämlich, daß die Mehrwertsteuer um einen Punkt erhöht werden soll und damit 4,5 Milliarden DM mehr erzielt werden sollen. Was bedeutet denn das? Das bedeutet doch, daß von der Erhöhung der Mehrwertsteuer, von dem Mehr von 4,5 Milliarden DM der Verbraucher und am stärksten der kleine Mann betroffen ist. Betroffen ist der Rentner, betroffen ist der Arbeiter.
({4})
Das ist wieder eine Steuererhöhung, deren Ziel offenbar nichts anderes ist als das, was der Kollege Althammer soeben hier vorgetragen hat: Inflationslücken zu stopfen, aber nicht Stabilität herbeizuführen. Jede Steuererhöhung bringt doch schon allein vom psychologischen Effekt der Ankündigung her eine weitere Preissteigerung und Kaufkraftentwertung mit sich, weil der Verbraucher natürlich sagt: Mein Gott, wenn ich im nächsten Jahr mehr bezahlen muß, gehe ich jetzt hinein. Dann haben wir den Preissteigerungseffekt, und wir werden zu fürchten haben, Herr Minister Schiller, daß Ihre einmal als Idealzahl genannte Kaufkraftentwertung oder Preissteigerung von vielleicht 2 oder 1 °/o mit einem solchen Verfahren nicht nur nie erreicht werden wird, sondern daß wir uns immer weiter von dem entfernen, was wir doch wohl bis vor kurzem noch gemeinsam unter Stabilität verstanden haben.
Was wir in dieser Aktuellen Stunde wissen wollen, das muß dem Parlament und damit der Öffentlichkeit gesagt werden: Wie wollen Sie nicht nur im Haushalt 1972, sondern auch im Haushalt 1973 verfahren und wie wollen Sie die mittelfristige Finanzplanung, die nach Ihren eigenen Worten selbst das, was die Kabinettsbeschlüsse umfassen, bei weitem nicht erträglich macht, ausgleichen? Wollen Sie wirklich Steuererhöhungen? Wenn Sie Steuererhöhungen wollen, dann sagen Sie uns das bitte jetzt und machen Sie nicht wieder ein solches Verfahren, daß man, weil eine Wahl bevorsteht, nicht von Steuererhöhungen spricht,
({5})
sondern das Gegenteil ankündigt, aber hinterher mit Steuererhöhungen die Bürger nicht nur um ihre Hoffnungen betrügt, sondern, man kann beinahe sagen, tatsächlich betrügt.
Was wir weiter wissen wollen, ist dies: Wozu wollen Sie Steuererhöhungen haben? Wollen Sie Steuererhöhungen, um Stabilität herzustellen, also - was man kann - um die Gelder stillzulegen, oder wollen Sie Steuererhöhungen, um eventuell geplante Kreditaufnahmen - sie sind ja auch so hoch - zu reduzieren? Oder wollen Sie Steuererhöhungen einfach so hinnehmen, weil Sie keinen anderen Ausweg mehr wissen, den Haushalt 1972, den Haushalt 1973 und die mittelfristige Finanzplanung auszugleichen?
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mal sehen, wieviel man in fünf Minuten an dem, was hier inzwischen alles von der Opposition wieder aufgebaut worden ist, richtigstellen kann.
({0})
Herr Kollege Hauser, Sie haben in Ihrer - was die Zeit anbelangt - weitgefaßten Begründung einer Aktuellen Stunde einmal wieder einiges durchKirst
einandergebracht, der Kollege Picard soeben auch. Ich komme darauf noch zurück. Hier geht es ja nicht um die Frage des Abbruchs der Haushaltsberatungen. Darüber werden wir zu gegebener Zeit sprechen, und dabei werden Sie - das habe ich Ihnen gestern abend prophezeit - nicht sehr gut aussehen.
Jetzt geht es darum, wie wir die einmal abgebrochenen Haushaltsberatungen fortsetzen, und das haben wir gestern abend begründet und so entschieden.
({1})
Ich meine, daß die Begründungen, die wir dafür gestern abend hier gegeben haben, weder gestern abend noch heute im Verlauf der Fragestunde noch bisher im Verlauf der Aktuellen Stunde in Frage gestellt oder erschüttert worden sind.
Nun ist hier vorhin die Absicht der Opposition zum Ausdruck gekommen - ich glaube, es war eine Zwischen- oder Ergänzungsfrage des Kollegen Leicht, aber ich kann mich bei der Person irren, jedenfalls aus Ihren Reihen -, das, was jetzt mit dem Haushalt 1972 durch diese erneute Überarbeitung geschehen soll - konjunkturpolitisch -, zu verharmlosen. Das war der Sinn einer solchen Zusatzfrage. Herr Kollege Leicht, ich darf Sie in aller Bescheidenheit ganz kurz daran erinnern, daß Sie im Jahre 1970 bei einer sicher nicht weniger angespannten Konjunkturlage Ihrerseits als großen Stein der Weisen eine globale Minderausgabe von etwa einer Milliarde DM vorgeschlagen haben. Sie gebrauchen die Argumente immer so, wie es gerade paßt.
({2})
Wir sollten doch, insbesondere wenn wir über diese Dinge sachlich reden, den Zusammenhang aller öffentlichen Haushalte nicht übersehen.
Angelpunkt, Drehpunkt unserer Überlegungen - Fixpunkt, wenn ich es so sagen darf - ist die Absicht, die Nettokreditaufnahme von 7,3 Milliarden DM, wie sie jetzt im Bericht des Haushaltsausschusses stand, auf 6 Milliarden DM herabzusetzen, und zwar nicht deshalb, weil für den Bund 7,3 Milliarden DM vielleicht nicht zu vertreten wären, sondern weil wir hier den Gesamtzusammenhang aller öffentlichen Haushalte, aller öffentlichen Hände sehen und dies in der Addition in der Tat zu konjunkturpolitisch bedenklichen Größenordnungen führt und weil wir hier als Bund ein Beispiel geben wollen in der Erwartung - wir haben nicht die Möglichkeit, das zu erzwingen -, daß die, die es in erster Linie angeht, nämlich die Länder und Gemeinden, dem folgen. Das ist dabei der Angelpunkt der sachlichen Überlegungen.
({3})
Nun muß ich einmal sagen: Sie wollten das hier angeblich im Plenum erörtern.
({4})
Sie wissen doch auch, meine Damen und Herren,
daß wir in unserer Demokratie nun einmal eine ständige Arbeitsteilung haben, die darin besteht, daß im
Plenum geredet und in den Ausschüssen gearbeitet wird. Darüber müssen wir uns doch im klaren sein.
({5})
Ich habe schon einige Male bedauert, daß wir in den letzten zweieinhalb Jahren dank Ihrer Art, Opposition zu machen, zu viel geredet und zu wenig gearbeitet haben. Das ist nämlich die Bilanz dieses Parlaments.
({6})
Übersehen Sie bitte nicht, daß der Haushaltsausschuß ein wesentlicher Teil des Parlaments ist - darin sind wir 37 Kollegen uns wohl einig -. Insofern ist dieses Verfahren überhaupt keine Überspielung des Parlaments, und dieser Haushaltsausschuß ist - das wissen Sie genauso gut wie wir - auch keine Dunkelkammer, wie das hier immer gespenstisch aufgezeigt wird. Da wird auch ständig die Öffentlichkeit über das informiert, was geschieht, teils sachlich, teils tendenziös von einigen Abgeordneten, das muß man dabei auch einmal sehen.
({7})
Herr Picard hat hier die Dinge auch wieder durcheinandergebracht. Er hat nämlich das Argument des Finanzministers, daß die zusätzlichen Risiken durch Steuermehreinnahmen gesichert seien, mit der Absicht von Steuererhöhungen vermengt. Darum geht es gar nicht. Ich habe Ihnen das gestern abend schon (I dargelegt. Auf Grund der neuen Steuerschätzung ergeben sich Steuermehreinnahmen. Diese Steuermehreinnahmen gibt es auf Grund der geltenden Gesetze. Die haben mit ihren Phantasien über Steuererhöhungen überhaupt nichts zu tun.
({8})
- Herr Dr. Althammer, auf Ihre Argumentation komme ich auch noch. Über den Zeitraum 1973 bis 1976 werden wir reden, wenn das so weit ist, d. h. nach der Sommerpause.
({9})
Noch nie ist hier vor der Sommerpause über den Haushalt des nächsten Jahres gesprochen worden, Herr Barzel.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Darf ich eine ganz kurze Bemerkung noch anschließen? Ich berufe mich auf das, was ich zu der Strauß-Pressekonferenz vom 17. Oktober 1969 und was ich zu Ihrem Angebot, Herr Dr. Barzel, vom Oktober/November 1969 gesagt habe, daß das alles durch Ihre Wiederholungen, was Sie damit gemeint haben, nicht besser wird.
Lassen Sie mich als letztes den Satz sagen: Herr Kollege Seidel, Sie haben gesagt, der Kollege, der hier von der CDU/CSU zuerst sprach, wolle die
zweite Lesung und Aktuelle Stunde durcheinanderbringen. Womit wir es hier zu tun haben, ist der ständige Versuch, aus diesem Plenarsaal seit zweieinhalb Jahren ständig Vilshofen zu machen.
({0})
Ihre totale Demagogie wird zwar unsere Nerven strapazieren, sie wird sie aber nicht zerreißen.
({1})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht über Arbeiten im Parlament und in den Ausschüssen sprechen, Herr Kollege Kirst, sonst könnte ich aus meiner Erfahrung manches Unangenehmes für viele sagen.
({0})
- Das ist möglich.
({1})
Ich glaube, Sie haben immer noch nicht recht verstanden, warum die CDU/CSU gegen eine Rückverweisung an den Haushaltsausschuß war,
({2})
wobei wir gestern abend betont haben - lesen Sie es nach -, daß man darüber hätte sprechen können, wenn die Regierung bereit gewesen wäre, uns die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit wir auch die Möglichkeit haben zu beraten.
({3})
Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses muß ich Ihnen folgendes sagen. Ich muß mir überlegen: Soll ich in der nächsten Woche einen Beratungspunkt aufsetzen: Beratung des Haushalts 1972, wenn ich überhaupt keine Vorlage da habe, über die man beraten kann?
({4})
Ich darf folgendes feststellen. Es ist doch die Aufgabe einer Opposition - und vielleicht sollten wir uns darüber einig sein -, dann, wenn die Regierung in gewissen Situationen, aus welchen Gründen auch immer, schweigt, der deutschen Öffentlichkeit in gewissen Fragen, wo sie es für notwendig hält, Klarheit zu verschaffen und, wenn möglich, auch die Regierung dazu zu zwingen, der deutschen Öffentlichkeit einen Tatbestand darzulegen. In dieser Situation war uns zumindest die Vorlage des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen an das Kabinett - warum auch immer das der deutschen Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, will ich gar nicht untersuchen - Anlaß und Verpflichtung, einzuhaken und über die Finanzmisere zu sprechen, die von Ihnen so dargestellt worden ist. Das darf man uns doch nicht zum Vorwurf machen, wenn diese Regierung schweigt, daß wir versuchen,
unseren Bürgern hier wenigstens etwas Klarheit zu vermitteln.
({5})
Man muß, wenn man etwas erreichen will, Herr Schiller, doch auch danach fragen, warum denn eine solche Entwicklung kam. Diese Entwicklung kam doch daher - Herr Kollege Althammer hat darauf hingewiesen -, daß Sie von allem Anfang an zuviel Wachstum versprochen haben, zuviel von Reformen gesprochen haben und zuviel Demokratie versprochen haben, wobei man fragen muß: Wo ist dieses Mehr an Demokratie? Sie haben mehr für den Staat verlangt und, was weiß ich, was alles.
({6})
Natürlich, Herr Kollege Kirst, haben wir im Jahr 1970 eine globale Minderausgabe von einer Milliarde DM verlangt. Nur haben Sie alles vom Tisch gefegt. Hätten Sie mal manchen Vorschlag angenommen, dann wären Sie vielleicht heute nicht in dieser Situation, in der Sie sind.
({7})
Lesen Sie doch mal die Haushaltsreden vom vergangenen Oktober nach, die die Oppositionssprecher gehalten haben,
({8})
in denen die Zahlen, die jetzt offenbar werden, alle schon hier vorgetragen worden sind! Nur haben Sie gesagt, das sei alles nicht wahr, das stimme nicht, wir hetzten das Volk demagogisch auf und, was weiß ich, was alles.
({9})
- Ja, klatschen Sie nur, meine Damen und Herren!
In diesen Tagen kommt es eben darauf an, auf die Fehler der zweieinhalb Jahre aufmerksam zu machen und vielleicht noch zu erreichen, daß man daraus die richtigen Schlüsse ziehen kann. Wenn Herr Schiller gestern abend noch, wenn ich mich recht entsinne, von Steuererhöhungen gesprochen hat, um gewisse Reformen neu durchzuführen, dann muß man doch - und das hat der Herr Kollege Picard mit Recht gesagt - hier fragen: Wo soll es geschehen? Wie kann es geschehen? Wofür soll es geschehen? Wer soll es bezahlen? Mit welchem Effekt kann man eine solche Sache vertreten? Ich glaube, wir sind heute so weit, daß Steuererhöhungen nur dazu da sind, Herr Schiller, entstandene Inflationslöcher zu stopfen,
({10})
und sie reichen nicht einmal aus, sie vollständig zu stopfen.
Das letzte. Wir sollten uns gemeinsam überlegen - ({11})
- Hier auch, Herr Kollege, hier, Herr Kollege
Haehser. Wir sind ja bereit, wenn Sie uns die
Dinge liefern. Haben Sie uns schon Vorschläge
gemacht, über die wir im Haushaltsausschuß beraten können? Es ist nichts da.
({12})
Ich darf vielleicht einen letzten Satz aussprechen, der uns auch zu denken geben muß. Herr Schiller, Sie haben in den letzten Tagen - ich will es gar nicht kritisieren - des öfteren bei Überlegungen in gewisser Richtung von Steuererhöhungen gesprochen. Hier haben Sie davon gesprochen, daß dieser Haushalt als konjunkturpolitischen Gründen gekürzt werden muß. Auf der anderen Seite wird ein Betrag von 6 Milliarden DM Konjunkturzuschlag - der zurückgezahlt werden muß; damit nicht gleich wieder Mißverständnisse entstehen - in diesem Augenblick zurückgezahlt. Müssen wir da nicht fragen: Handeln wir nicht schizophren, wenn wir solche Dinge zusammenkommen lassen?
({13})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn jemand gestern oder heute der Meinung war, es wäre besser gewesen, die Regierung hätte gestern in einer begrenzten Sachdebatte materiell zu den Haushaltsproblemen Stellung genommen, so muß ich leider sagen: heute wäre der Betreffende durch die Beiträge insonderheit von Herrn Althammer und leider auch durch einen Teil des Beitrags von Herrn Leicht eines Besseren belehrt;
({0})
denn so kann man nicht an Haushaltsprobleme herangehen.
({1})
Was helfen uns in dieser Situation des Sommers 1972, bei begrenzten Anstrengungen, die wir zu machen bereit sind, Kolossalgemälde über die Vergangenheit und alle ihre Sünden;
({2}) was helfen die! Ich bitte Sie!
({3})
Jeder von uns kann hier solche Kolossalgemälde auf diese oder jene Weise hinpinseln. Aber das hilft doch in diesen Fragen der ganz konkreten Haushaltspolitik nichts.
({4})
- Nicht heute und hier. In einer bestimmten Situation, genau; da war das auch mal angebracht.
({5})
Aber was wollen Sie jetzt und heute und hier zu den Themen, die anstehen, sagen? Das möchte ich so furchbar gern wissen.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie wissen alle ganz genau Bescheid - es ist Ihnen gestern und heute gesagt worden -: Die Regierung wird im einzelnen ihre Kürzungsvorschläge beschließen. Es geht um einen runden Betrag von 2,5 Milliarden DM.
({7})
Das steht zur Debatte: die alte globale Minderausgabe und der neue Betrag, wie er sich aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen ergibt. Zu diesem Thema wollen wir verhandeln. Ich kann hier nur noch einmal sagen: zu diesem Thema habe ich schon am 27. April dieses Jahres in diesem Hause bei der Debatte zum Einzelplan 04 Stellung genommen. Ich habe gesagt: ich halte das für richtig.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die diese begrenzte Sparsamkeitsoperation von 2,5 Milliarden DM für richtig halten.
({8})
Sie müssen sich einmal umtun. Ich habe eine ganze Liste: Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute haben gesagt: In dieser Phase der Konjunktur wird sich das Problem des fiskalischen, des finanzpolitischen Gegensteuerns möglicherweise früher stellen als in vergangenen Aufschwungsperioden. Jetzt haben wir den Eindruck: dieses Problem des Gegensteuerns durch die öffentlichen Haushalte in einem begrenzten Umfang stellt sich. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages ist mit mir für diese Operation, ebenso der Sachverständigenrat. Es haben sich in diesen Tagen Herr Gutowski und Herr Kloten geäußert. Die Deutsche Bundesbank hat in diesem Sinne Stellung genommen.
({9})
- Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, daß wir dem Antrag der Koalitionsfraktionen zur Seite treten, daß wir ihn aufnehmen und daß wir ihn im Haushaltsausschuß bis auf Mark und Pfennig konkretisieren werden.
({10})
- Ja, wissen Sie, wenn Vorschläge von Ihnen nicht anders beantwortet werden als mit dem grellen Licht von riesigen Gemälden über Fehler der Vergangenheit, dann kommen wir nicht sehr viel weiter, Herr Wörner. Das ist das Problem.
({11})
Ich hoffe ja immer noch, daß im Haushaltsausschuß eine Atmosphäre herbeigeführt werden kann, in der Sie auf unsere Vorschläge sachgerecht reagieren können.
({12})
- Also präziser als Zahlen zu nennen, kann ich nicht sein. Ich habe Ihnen 2,5 Milliarden DM genannt.
({13})
Herr Leicht, Sie haben gesagt, es fehlten Ihnen Vorlagen. Seien Sie versichert - ich habe es vorhin in der Fragestunde schon betont -, Sie bekommen in der gehörigen Form wie beim Abschluß der Haushaltsverhandlungen im April eine sehr detaillierte Unterlage, auf Grund deren Sie sich äußern können. Daran ist überhaupt kein Zweifel, und da gibt es auch keine Grenzen.
({14})
Was ich von Ihnen, von der Opposition, nur hören möchte, ist:
({15}) Sind Sie nun für oder gegen solche Operationen?
({16})
- Ach, das ist vielleicht ganz gut. ({17})
- Nein, das ist gar keine Spiegelfechterei. Für Sie ist das natürlich eine unbequeme Strategie.
({18})
- Ja, es ist für Sie unbequem; das haben Sie inzwischen gemerkt. Ich rede da nicht so über Pauschalgeschichten, sondern ich mache Ihnen Vorschläge und bitte Sie, Stellung zu nehmen.
({19})
- Sie können ja im Haushaltsausschuß Ihre Stellungnahme sehr kurz und schnell fassen. Ich habe schon einmal gesagt: dann können wir sehr schnell aus dem Haushaltsausschuß mit einem Arrangement oder mit einem Kompromiß oder einer Verständigung wieder in das Plenum gehen. Bitte sehr, machen Sie doch mit!
Herr Bundesminister Professor Dr. Schiller, versehentlich ist Ihnen das Zeitsignal nicht eingestellt worden. Ihre Redezeit ist entsprechend den Vereinbarungen zu Ende.
Ich darf nur noch einen Satz sagen, Herr Präsident.
Bitte!
Was hier unter Bezugnahme auf Äußerungen in der Öffentlichkeit über mögliche Maßnahmen der Einnahmeverbesserung angedeutet worden ist, Herr Leicht, sollte sich nicht auf das Jahr 1972 beziehen, sondern auf mögliche Mehrbelastungen für 1973 und die folgenden Jahre. Auch darüber, Herr Leicht, können wir im Ausschuß sprechen, wenn wir Ihnen die Sachlage erklären
und wenn Sie Ihrerseits Stellung nehmen. Nur bitte ich Sie noch einmal, zu bedenken: Sie verstellen sich den Weg zur Diskussion dieser Probleme, indem Sie immer gleich übergehen zu dem Slogan: Das reicht uns alles nicht! oder: Wir brauchen einen Offenbarungseid!, oder: Hier wird doch nur unter den Teppich gekehrt! oder ähnliches. Lassen Sie die Generalia und kommen Sie zu den Details! Das ist meine Bitte.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bußmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Opposition ist heute häufig gefragt worden, warum denn die Detaildiskussion über die drängenden Haushaltsfragen nicht hier im Plenum geführt wird,
({0})
sondern im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages geführt werden soll.
({1})
Die Frage ist im Grunde genommen sehr leicht zu beantworten: Erstens ist sie dadurch zu beantworten, daß die Sachbeiträge, die heute von seiten der Opposition geleistet wurden, es ja nicht gerade ratsam erscheinen lassen, hier eine wirklich auf Details und auf die Sache bezogene Haushaltsdebatte zu führen.
({2})
Zweitens ist es zweifellos so, daß gerade diese Sachund Detailprobleme das Parlament auch nicht daran hindern dürfen, die notwendigen Dinge zu tun, die in diesen Wochen vor der Sommerpause noch getan werden müssen.
({3})
Wollen Sie denn vor den Landwirten vertreten, daß wir ihre Krankenversicherung auf den St. Nimmerleinstag verschieben?
({4})
Wollen Sie hinschleppen, was auf dem Gebiet der inneren Sicherheit notwendig ist? Dieses Parlament muß seine Arbeit tun, in allen Ausschüssen und im Plenum. Und der Haushaltsausschuß ist das sachverständige Gremium, um die Operation vorzunehmen, die sicherlich notwendig ist, nicht deshalb notwendig, weil der Haushaltsplan, der im vorigen Herbst vorgelegt wurde, unsolide gewesen wäre,
({5})
sondern deshalb, weil die konjunkturelle und wirtschaftliche Situation eine verantwortungsbewußte Regierung und ein verantwortungsbewußtes Parlament veranlassen sollte, Korrekturen im Sinne von Stabilität und vernünftiger wirtschaftlicher EntwickDr. Bußmann
lung vorzunehmen. Dazu sind wir bereit, und das werden wir in den nächsten Wochen im Haushaltsausschuß tun.
Natürlich sind wir daran interessiert, Ihre Mitarbeit zu bekommen. Sie werden diese Mitarbeit wahrscheinlich - soviel man jedenfalls Ihren Ausführungen hier entnehmen kann - verweigern. Das ist Ihre Sache, und dafür tragen Sie die Verantwortung vor dem Volk, dessen Vertreter wir ja allesamt sind. Aber ich denke, im Grunde genommen wird es da nun doch etwas sinnvoller gehen.
Unser Vorsitzender, Herr Kollege Leicht, kann sich beruhigen; bis zum nächsten Mittwoch liegt sicherlich die ausreichende Unterlage vor, die es uns ermöglicht, eine sinnvolle Beratung zu machen.
({6})
Dann werden wir - wir sind ja auch nicht von gestern, Herr Kollege Leicht - die Haushaltspläne im Detail darauf abklopfen, was in dieser konjunkturellen Situation notwendig sein wird, und dann werden wir mit den Notwendigkeiten finanzpolitischer Art vor das deutsche Volk treten, die nach unserer Meinung und nach Meinung aller, die guten Willens sind, Berücksichtigung verlangen. - Herr Wörner, Sie lachen! Ich bin fest überzeugt, daß Sie z. B. nicht in der Lage wären, sachverständig und detailliert irgendwelche Vorschläge zu machen, die sich auf den Einzelplan 14 beziehen.
({7})
Aber ich vertraue auf den Sachverstand der Kollegen Althammer und Haase. Sie können sich darauf verlassen, daß bei dieser Operation das Sinnvolle herauskommt.
({8})
- Hier ist es Sache aller Abgeordneten. Wenn die Regierung in diesem Moment aufgefordert würde, den Ergänzungshaushalt vorzulegen, dann würde sich - das wissen Sie die Prozedur um einiges verzögern.
({9})
Wir sind der Meinung, daß es darauf ankommt, das konjunktur- und wirtschaftspolitisch Richtige sofort zu tun und nicht mit den Nachbrennern und Verzögerungszeiten, die Sie bei der Verabschiedung der Ostverträge nötig hatten und die Sie jetzt bei der Verabschiedung des Haushalts wieder herausschinden wollen.
({10})
Man kann Sie im Grunde genommen nur auffordern, sich an das zu erinnern, was in der Verfassung als Aufgabe eines Abgeordneten und als seine Verantwortung beschrieben ist.
({11})
Dann werden Sie dazu kommen, mit uns eine Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu machen, die dieser
Situation und den Interessen dieses Staates entspricht.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bußmann, wir würden ja diese Frage gerne in der Richtung, wie Sie sie schildern, beantworten. Aber dann muß doch eine Regierung imstande sein, eine Vorlage zu machen. Und eine Vorlage gibt es bis zu dieser Stunde nicht.
({0})
Wenn ich mir überlege, mit welchem Mut der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen
({1})
am 18. Mai ein Papier gemacht und die Flucht in die Öffentlichkeit angetreten hat und daß er dann von seinem Kanzler hören mußte, das Papier sei „unausgegoren",
({2})
so muß ich sagen, ich fand das Papier gar nicht so schlecht - es war ein Anfang -, aber für die Rede, die der Bundeswirtschaftsminister hier eben gehalten hat, würde ich mir doch gerne das auf dieses Papier bezogene Adjektiv des Herrn Bundeskanzlers zu eigen machen.
({3})
Meine Damen und Herren, vor nicht einmal sechs Wochen, Ende April,
({4})
begann die zweite Lesung. Ich lade die Koalition und
die Regierung ein, ihre eigenen Reden nachzulesen:
({5})
dies sei ein hervorragender, stabilitätsorientierter, konjunkturgerechter, reformfreudiger Haushalt!
({6})
Sechs Wochen später beantragen Sie ohne Angabe von Gründen die Rücküberweisung dieses Haushalts an den Haushaltsausschuß.
({7})
Wissen Sie, was der Grund dafür ist, meine Damen und Herren?
({8})
Der Grund für diese Rücküberweisung ist das Eingeständnis, daß die Staatsfinanzen zerrüttet sind. Das ist der Grund für die Rücküberweisung!
({9})
- Herr Apel, lachen Sie doch über die 40 Milliarden, die Ihnen hier fehlen.
({10})
Sie werden schon sehen, daß Sie damit nicht durchkommen.
({11})
Der gestrige Beschluß, meine Damen und Herren, zeigt doch ganz deutlich, daß es zwar sicherlich zu anspruchsvoll ist, einen Haushalt als das Schicksalsbuch der Nation zu bezeichnen, daß aber der Haushalt 1972 zum Schicksal dieser Bundesregierung wird, die aufgibt, die ein Ende findet durch Siechtum, die aufgibt, weil ihr finanziell die Luft ausgeht. Das ist doch die Wirklichkeit!
({12})
Und dann suchen Sie einen Ausweg, Herr Bundeskanzler, den Ausweg, den Ihre Fraktion vorher meinem Kollegen Althammer zugerufen hat. Sie suchen den Ausweg von Neuwahlen. Die können Sie doch haben! Wir sind doch dazu bereit! Hier sitzt der Mann, der diesen Weg nicht freigibt, meine Damen und Herren!
({13})
Wir werden es Ihnen nicht ersparen,
({14})
zu sagen, daß Sie Versprechen von Reformen und in der Wirklichkeit Reformruinen hinterlassen.
({15})
Sie versuchen hier, meine Damen und Herren, in einer Finanzkrise eine Politik des „Nach uns die Sintflut" zu machen.
({16})
In dieser Zeit, in der versprochen war, alles würde moderner, sozialer und gerechter, trabt die Inflation, die sozial Schwachen zahlen die Zeche,
({17})
und aus Reformversprechen ist nichts geworden.
Am Beginn dieser Politik stand - Herr Althammer hat mit Recht darauf hingewiesen - der Versprechenskatalog dieser Regierung. Er bewirkte die Anspruchsinflation, die mit Ursache ist für die Punkte, die Sie jetzt in die Lage gebracht haben, in der Ihnen finanziell die Luft ausgeht.
Sie können in diesem Hause mit Hilfe der Geschäftsordnung vielleicht noch eine Weile vegetieren. In guter Kondition aber werden Sie die Olympiade nicht erreichen, Herr Bundeskanzler!
({18})
Aber regieren können Sie nur mit einer Mehrheit.
({19})
- Wir wollen das ja doch prüfen, Herr Kollege Schäfer!
({20})
Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, daß die Regierung noch etwas dazu sagt, was nun eigentlich im Haushaltsausschuß wirklich in der Sache beraten werden soll. Dies ist die Frage, um die es geht. Die Antwort ist uns bis zu dieser Stunde
({21})
verweigert worden.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer meint, die Bundesregierung drängen zu müssen, damit der Haushalt 1972 nun wirklich zustande kommt, wie das links, rechts und in der Mitte jedermanns Veranwortung entspricht, der muß dazu beitragen, daß alle endlich zur Sache kommen.
({0})
- Es ist wunderbar, daß Sie heute nachmittag wenigstens im Klatschen mit uns einer Meinung sind
- hoffentlich auch, wenn's auf die Zahlen kommt!
({1})
Das heißt, die Versuche müssen und können nun auch beendet werden, sozusagen im Rahmen von Einzelplänen permanente Generaldebatten zu führen. Sie können auch von dem Versuch ablassen, eine Art Zwischenschicht einer Pseudogeneraldebatte einzufügen oder einzuschmuggeln. Seit gestern ist der Haushalt 1972 überwiesen.
({2})
Das mag schmerzlich sein. Mir hätte es mehr gepaßt, wenn gestern ausgezählt worden wäre
({3})
- natürlich! -, damit man gesehen hätte, wie Sie, getrieben und getragen von der Verantwortung, alle Mann hier waren und Hammelsprung machten. Das hätte ich gerne gesehen.
({4})
Seit gestern ist der Ausschuß faktisch Herr über den Haushalt, und wenn hier der Herr Vorsitzende Leicht sagt, er wisse noch gar nicht, wie er das machen solle: Ich meine, das läßt sich nachholen, Herr Leicht, daß Sie das erfahren. Jedenfalls wird dem Haushalt 1972 die Behandlung bei Ihnen und unter Ihrem Vorsitz besser tun, als wenn er weiter so behandelt wird, nämlich im Sinne der Kür, die wir eben hier gehört, wenn auch nicht gesehen haben.
({5})
Da ist von Siechtum die Rede gewesen, Herr Kollege Barzel. Sie werden, fürchte ich, wenn das So weitergeht, noch Fachmann für die Beurteilung von Siechtum.
({6})
Ich könnte ja aus den vielen Einlassungen, wo Sie sich geübt haben, im ZDF, ARD und nun jetzt auch hier, einiges zitieren. Die Redezeit ließe das nicht zu, sie liefe mir davon. Aber weil auch heute in der Fragestunde und auch sonst immer wieder an Zitate aus dem Jahr 1966 erinnert wird, muß ich Ihnen ({7})
- Schönen Dank! Etwas anderes wissen Sie ja auch nicht. Sie dachten ja, auf Krücken bis zur Olympiade weiterlaufen zu können, von der eben Ihr Vorsitzender hier gesprochen hat.
({8})
Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Die damalige Situation und die heutige Situation unterscheiden sich fundamental, und wie fundamental, das sage ich nicht einmal mit eigenen Worten. Ich habe immer die vergilbte Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 bei mir, die damals Herr Dr. Kurt Georg Kiesinger als Fazit dessen, was Sie so falsch verstanden haben, gezogen hat. Er fing damals an:
Der Bildung dieser Bundesregierung, in deren Namen ich die Ehre habe zu Ihnen zu sprechen, ist eine lange, schwelende Krise vorausgegangen, deren Ursachen sich auf Jahre zurückverfolgen lassen.
Ich darf hier einschalten, das waren Jahre, in denen immer die CDU/CSU die Regierung geführt hat.
({9})
Um nun weiter Herrn Kiesingers Fazit von der Krise, die Sie gerne mit jetzt vergleichen wollen, mit folgenden Sätzen zu beschreiben:
Ihr offener Ausbruch erfolgte kaum ein Jahr nach den Wahlen zum 5. Deutschen Bundestag, die einen eindrucksvollen Vertrauensbeweis für meinen Vorgänger, Professor Ludwig Erhard, erbracht und den Parteien der bisherigen Regierungskoalition deren Fortsetzung ermöglicht hatte. In der Folge belasteten innenpolitische Schwierigkeiten, innerparteiliche Auseinandersetzungen
- wie vornehm war das ausgedrückt, Herr Barzel; Sie wissen das doch ({10})
und außenpolitische Sorgen die Arbeit der Regierung, bis schließlich die Uneinigkeit über den Ausgleich des Bundeshaushalts 1967 und über die auf lange Sicht notwendigen finanzpolitischen Maßnahmen zum Auseinanderbrechen der bisherigen Koalition und zu einem Minderheitskabinett führten.
({11})
- Entschuldigen Sie, Sie dürfen doch nicht so despektierlich gegenüber historischen Worten Ihres eigenen heutigen Ehrenvorsitzenden und damaligen Bundeskanzlers sein, der den Schlußstrich unter jene wirklich jahrelang schwelende Krise gezogen hat,
({12})
von der Sie heute naschen möchten.
({13})
Sie möchten heute naschen! Sie können das noch gar nicht, dazu müßten Sie noch einiges haben.
Herr Barzel war, ist und bleibt Kandidat.
({14})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Götz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der gestrigen Geschäftsordnungsdebatte und in der heutigen Fragestunde sowie jetzt in der Aktuellen Stunde standen wirtschafts-, finanz- und haushaltspolitische Argumente im Vordergrund. Das war gut so, das war notwendig, und das war richtig. Ich meine aber, man sollte und darf auch nicht übersehen, daß die Finanzmisere, in die diese Regierung sich selbst und unser Land hineinmanövriert hat, auch schwerwiegende sozialpolitische Auswirkungen hat. Herr Kollege Seidel, Sie sagten vorhin, die soziale Sicherheit sei garantiert. Ich weiß nicht, woher Sie ihren Optimismus nehmen. Denn Sie werden nicht bestreiten können, daß Voraussetzung für soziale Sicherheit und für sozialen Fortschritt stabile wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse sind. Und dieses Fundament als die Voraussetzung für sozialen Fortschritt und soziale Sicherheit ist erschüttert. Auch diese Tatsache können Sie nicht aus der Welt schaffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierung und Sie mögen das Wort von der Finanzkrise nicht gerne hören. Es entspricht aber den Tatsachen. Diese Finanzkrise ist sichtbar geworden, obgleich sich die Regierung immer wieder bemüht, diese für sie und für die Bevölkerung bittere Wahrheit in der Öffentlichkeit zu verschleiern.
({0})
Der Hauptgrund dieser Finanzmisere ist die inflationäre Entwicklung der letzten Jahre. Trotz der optimistischen Prognosen des Bundeswirtschaftsund -finanzministers zeichnet sich noch immer nicht der Trend zu einer Abschwächung der Inflationsrate oder zu einer Umkehr ab.
Die Hauptleidtragenden dieser Entwicklung, dieser ruinösen Politik sind doch unsere Rentner, sind die kinderreichen Familien, sind die Sparer
({1})
und sind die Kriegsopfer und die Pensionäre. Sie haben zu Beginn dieser Legislaturperiode gerade diesen Bevölkerungsgruppen mehr soziale Sicherheit versprochen. Sie haben ihnen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation versprochen. Das Gegenteil davon ist doch da und dort eingetreten, vor allem bei jenen Bevölkerungsgruppen, deren Einkommen nur mit Verzögerung, in unzureichendem Umfang oder überhaupt nicht an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt wurden.
Ich will dafür zwei Beweise nennen. Ein Beweis dafür ist das stark abgesunkene Rentenniveau, das die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen mit einer geradezu unverständlichen Gelassenheit und Passivität hinnehmen, obwohl Bundesbank und Sachverständigenrat in ihrem Gutachten auf die besondere Dringlichkeit einer Anhebung des Rentenniveaus deutlich hingewiesen haben. Die Weigerung der Regierung und die Zurückhaltung der Koalitionsfraktionen, unserer Forderung nach einer Anhebung des Rentenniveaus stattzugeben, läßt eine Einstellung erkennen, die alles andere als rentnerfreundlich ist, die, ich möchte beinahe sagen, als rentnerfeindlich bezeichnet werden kann.
({2})
- Herr Haehser, wenn Sie dazu hier sagen: „Schämen Sie sich!",
({3})
will ich Ihnen dazu noch folgendes sagen. Wenn ich hier dieses Wort gebraucht habe, dann ist dieser Vorwurf im Vergleich zu dem, was Herr Leber in der Aussprache über den Einzelplan 04 an Vorwürfen an uns gerichtet hat, noch eine Schmeichelei für Sie.
({4})
Noch härter betroffen sind die kinderreichen Familien,
({5})
die durch die inflationäre Entwicklung sogar eine Verschlechterung ihrer Lebenshaltung hinnehmen müssen und vielfach, Frau Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, an die Schwelle des Sozialhilfeniveaus herangedrückt wurden.
({6})
Und selbst die Bezieher von Aktiveinkommen werden in zunehmendem Maße die negativen Auswirkungen der abnormen Preissteigerungen zu spüren bekommen. Die nominalen Einkommenszuwächse, deren Abschwächung sich schon jetzt abzeichnet, werden durch die weitere Steigerung der Lebenshaltungskosten, durch die Steuerbelastung, durch die anwachsenden Sozialabgaben verlorengehen.
Es ist hier von Reformruinen die Rede gewesen. Die zahlreichen Reformruinen, die eines Tages auch im sozial- und gesellschaftspolitischen Bereich nicht ausbleiben werden, machen deutlich, meine Damen und Herren, wohin eine Politik euphorischer Reformversprechungen ohne gleichzeitige Stabilitätspolitik, ohne eine solide Haushaltspolitik und ohne Berücksichtigung der realen wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten führt. Es ist an der Zeit, daß die Regierung endlich die Karten auf den Tisch legt und erklärt, welche der zahlreichen Reformankündigungen sie überhaupt noch zu realisieren in der Lage ist,
({7})
und vor allem, wie sie deren mittel- und langfristige Finanzierung sicherstellen will.
Meine Damen und Herren, wir werden es nicht zulassen, daß die Regierung weiterhin immer nur mit Versprechungen und Verschleierung der Tatsachen in der Öffentlichkeit Hoffnungen und Erwartungen aufrechtzuerhalten versucht, die einfach nicht mehr aufrechtzuerhalten sind.
({8})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
({0})
Frau Funcke: ({1}) : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bin kein Haushaltsexperte und ich kann auch nicht jeden Augenblick aus irgendeiner geheimnisvollen Kiste eine neue spektakuläre Zahl herauszaubern, um damit spektakuläre Behauptungen beweisen zu wollen.
({2})
Nur, ich versuche seit Tagen und Stunden, sorgfältig zuzuhören und den roten Faden zu erkennen,
({3})
an dem Sie sich entlanghangeln. Das ist mir bisher noch nicht geglückt, und nicht nur uns nicht, so daß ich allmählich das Gefühl habe, daß es nicht nur an mir liegen kann.
({4})
- Ich meine den sachlichen roten Faden und nicht den emotionalen, sehr propagandistischen.
({5})
Wir haben ja Verständnis dafür, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie für Reden, die von einer anderen Seite dieses Hauses 1966/67 gehalten worden sind, etwas verspätet Rache nehmen wollen.
({6})
Frau Funcke
Aber da wir nun alle miteinander erwachsen sind, sollten auch Sie wissen, daß der Reiz solcher Reden allmählich abklingt
({7})
und daß man nicht glaubwürdiger wird, wenn man Retourkutsche fährt.
({8})
Sie sollten statt dessen einmal sagen, was Sie denn nun eigentlich wollen.
({9})
- Nicht, was Sie in der Methode wollen, sondern was Sie in der Sache wollen! Das ist nämlich viel wichtiger als Ihre dauernden Reden bezüglich der Methoden. Hier geht es um die Sache.
Nun hat heute nachmittag ein Kollege gefordert, die Regierung solle einen Ergänzungshaushalt vorlegen - und zwar einen Ergänzungshaushalt, der erst einmal den Bundesrat passieren muß -, und gleich der nächste Kollege sagt, es sei skandalös, daß der Haushalt nicht noch im Juni verabschiedet werde. Meine Damen und Herren, wollen Sie einmal erklären, wie das gehen soll? Selbst wenn Sie vor lauter Zahlen allmählich halb blind geworden sind, müßten Sie doch so viel wissen, daß das beides miteinander nicht geht. Und so sind auch andere Forderungen von Ihnen nicht miteinander vereinbar.
Wir stellen gemeinsam fest, daß die Ausgaben im Etat höher sind als die Einnahmen. Diese Ausgaben beruhen auf Gesetzen, die entweder die CDU/CSU noch selbst vorgelegt
({10})
oder, wie in den letzten zwei Jahren, denen sie zugestimmt hat. Sie beruhen auf Verträgen, die uns außenpolitisch binden und die die Oppositionsparteien ja wohl nicht in Frage stellen wollen. Und sie beruhen auf Notwendigkeiten der inneren und äußeren Sicherung, der Gesundheitspolitik und der Minderung des Wohnungsfehlbedarfs, Dinge, die Sie alle ständig von der Regierung und den Koalitionsparteien fordern. Das sind die Ausgaben.
Dagegen stehen Einnahmen, die auf Gesetzen beruhen, die die CDU/CSU während ihrer Regierungszeit beschlossen hat. Und sie beruhen auf Gesetzen, mit denen wir zur Verbesserung des Haushalts beitragen wollten, die Sie aber abgelehnt haben. Dafür haben Sie aber wesentliche zusätzliche Ausgaben gefordert. Das heißt also, die Schere wäre noch viel offener, wenn wir allen Ihren politischen Vorstellungen gefolgt wären.
({11})
Dazu kommen die 2,5 Milliarden DM für die Länder, die Sie wohl ernsthaft nicht in Frage stellen wollen.
Was kann man nun tun?
({12})
Man kann die Einnahmen erhöhen. Das wollen Sie
offensichtlich nicht; denn das haben Sie ja schon
abgelehnt. Man kann die Ausgaben streichen. Das
können wir ja dann gemeinsam tun. Dafür ist die Rücküberweisung vorgesehen.
({13})
Aber dann müssen Sie einmal sagen, wo Sie streichen wollen.
({14})
- Ihr Zuruf scheint mir allerdings Anlaß zu sein, einmal über die Rechte und Möglichkeiten des Parlaments nachzudenken.
({15})
Ich komme gerade aus dem Reichstag und habe mir dort die Ausstellung über das Ringen um eine parlamentarische Vertretung des Volkes und das heißt vorrangig das Haushaltsrecht der Volksvertretung angesehen. Damals wußte man sehr genau, daß das Etatrecht das vornehmste Recht des Hauses und nicht der Regierung ist. Die Regierung kann sparen, wo immer sie es für richtig hält. Darum braucht sie keinen Menschen zu fragen. Aber wenn wir die von der Regierung vorgesehenen Ausgaben begrenzen wollen, dann ist das unsere Sache zu streichen und nicht die der Regierungsbank. So liegen nämlich tatsächlich die Rechte in diesem Hause.
({16})
Wenn Sie jetzt der Meinung sind, der Haushalt sei nicht in Ordnung, dann ist es Ihre Aufgabe, - ({17})
Wer redet denn von dem Ergänzungshaushalt? Doch Sie, nehme ich an. Wenn Sie also der Meinung sind, dieser Haushalt sei nicht in Ordnung, dann erwarten wir Ihre Vorschläge.
({18})
Frau Kollegin, ich darf Sie auf den Ablauf der Redezeit aufmerksam machen.
Frau Funcke: ({0}): Meine Herren und Damen, nun sagen Sie nicht. Das können wir nicht, dafür brauchen wir die Regierung. So armselig ist Ihre Fraktion doch wohl nicht.
({1})
Die Opposition dieses Hauses besteht aus drei Parteien plus Anhang. Sie haben drei aktive Parteivorsitzende in Ihren Reihen. Sie haben ehemalige Finanzminister und Finanzstaatssekretäre und Sie stellen den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Zu sagen, daß Sie da nicht durchgucken,
({2})
scheint mir allerdings nicht eine Frage der Beschaffenheit des Haushalts zu sein, sondern ein Frage der Intelligenz und des Sachverstandes der Kritiker zu sein.
({3})
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Bundesminister Ehmke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht auf das Fachgebiet meiner Kollegin Strobel begehen, aber ich wundere mich, wenn in dieser Debatte - jedenfalls was die Wirtschafts- und Finanzlage betrifft - von Siechtum gesprochen wird. Denn die Wahrheit ist doch die: daß wir überhaupt in der Diskussion sind, die Kreditaufnahme etwas zu kürzen, liegt daran, daß die Wirtschaft entgegen Ihren Voraussagen wieder auf dem Aufwärtswege ist und wir aus diesem Grunde der Meinung sind, wir sollten nicht nur den Eventualhaushalt fortlassen, sondern auch sonst noch etwas kürzer treten. Und daß der Kollege Strauß uns in diesen Tagen so fehlt, liegt ja wohl daran, daß sich alle seine Voraussagen in der ersten Lesung des Haushalts über Stagflation, Rezession und Wirtschaftskrise als barer Unsinn entpuppt haben.
({0})
Damals hat er ja so geredet, als ob er seinen Doktor in Innsbruck schon gemacht hätte. Heute fehlt er nun hier, was wir sehr bedauern; denn er würde uns dann auch bestätigen, wie falsch seine Prognosen sind, und daß, gerade weil wir wegen der guten Wirtschaftspolitik von Karl Schiller nicht in eine - ({1})
- Meine Damen und Herren von der Opposition, das können Sie doch nicht bestreiten. Sie reden von den Leuten draußen im Lande. Die haben nicht vergessen, daß Sie 1966/67 eine Wirtschaftskrise verursacht haben mit Hunderttausenden von Arbeitslosen in diesem Lande.
({2})
Dies haben wir zu verhindern gewußt, und daß wir jetzt über den Haushalt reden, ist die Folgeerscheinung einer sehr guten Sache, nämlich der, daß es wirtschaftlich besser steht, als Sie alle gedacht haben.
({3})
Das sollte man doch beim Stichwort „Siechtum" nicht vergessen, statt hier wieder das zu zerreden, was für die deutsche Wirtschaft in den letzten Monaten erreicht worden ist.
({4})
Wenn man in dieser Debatte von „Siechtum" reden
kann, dann doch wohl nur von dem der Opposition,
({5})
die ihren Kanzlerkandidaten eben nicht durchbekommen hat. Er ist ja seit der Enthaltsamkeitskur bei den Ostverträgen sicher nicht gesünder geworden.
({6})
Was wir jetzt hier erleben, ist, daß Sie auf der
einen Seite Neuwahlen nicht wollen und nun den
Wahlkampf außerhalb von Neuwahlen im falschen Saale stattfinden lassen. Das ist es doch, was wir heute von Ihnen erleben.
({7})
Damit wird der Sache nicht gedient und damit wird auch der deutschen Wirtschaft nicht gedient. Wir können diese Haushaltskorrekturen ohne große Schwierigkeiten machen, und wir sollten den wirtschaftlichen Erfolg der letzten Monate, den die arbeitenden Menschen draußen miterarbeitet haben, nicht zerreden.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Jenninger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Minister Ehmke zu den Fragen des Haushalts spricht und bei dem, was er soeben gesagt hat, fällt einem der Spruch ein: „Je kahler der Junker, desto größer der Prunker."
({0})
Frau Kollegin Funcke, ich bin gern bereit, Ihnen einen Nachhilfeunterricht über das zu geben, was eigentlich Gegenstand dieser Debatte sein sollte. Nur in einem muß ich Sie leider enttäuschen: den roten Faden kann ich Ihnen nicht geben; den müssen Sie hier suchen,
({1})
um auf das zu kommen, um was es hier geht.
Ich glaube, daß wir gestern deutlich genug gemacht haben, daß wir uns nicht gegen eine Behandlung dieser Fragen im Haushaltsausschuß wehren, sondern daß wir haben wollen, daß diese Bundesregierung ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nachkommt, um diesem Hohen Hause eine nach dem Gesetz und der Verfassung vorgesehene Vorlage zu bringen.
({2})
Dies ist doch der Gegenstand unserer Auseinandersetzung.
Wenn jetzt das Thema Neuwahlen hereingebracht worden ist, muß ich sagen: das hätten wir gestern schön abrollen lassen können, wenn der Herr Bundeskanzler hier heraufgekommen wäre und die Vertrauensfrage gestellt
({3})
und gesagt hätte, wie es um die Finanzen unseres Staates steht. Dann hätte er zugestehen müssen, daß er recht gehabt hat, indem er sagte: Das, was der Herr Schiller verkündet hat, Herr Kollege Barzel, war nicht nur unausgegoren, sondern war - wie er hinzugefügt hat - auch noch verworren.
({4})
Herr Schiller hat davon gesprochen, daß wir hier ein Kolossalgemälde aufgemalt hätten. Es gibt
ein Kolossalgemälde, und das ist die Regierungserklärung des Bundeskanzlers.
({5})
Heute wird vom Herrn Bundeswirtschaftsminister dargelegt, wir müßten der Regierung Zeit lassen, damit sie jetzt ihre Vorlage ausarbeitet. Ich erinnere Sie, Herr Bundesfinanzminister, an Ihre Rede am 27. April hier im Deutschen Bundestag. Da haben Sie gesagt: Erstens, zweitens, drittens, und dann wörtlich: „Dies ist ein ganz konkretes Aktionsprogramm von. drei Punkten zur Anpassung des Vollzugs des Haushalts 1972 an die jeweilige Konjunkturentwicklung. An diesem Aktionsprogramm, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten sich alle in diesem Hohen Hause beteiligen, auch die Opposition." Wir begrüßen es, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie die Katze aus dem Sack gelassen haben. Aber diese Regierung und diese Regierungsparteien beteiligen sich halt nicht an dieser Aktion. Das ist die Wirklichkeit.
({6})
Sie haben schließlich in Ihrem Papier dargelegt, daß Sie schon am 18. März 1971 vor dem Wirtschaftsausschuß über die Situation der Finanzen richtig berichtet hätten. Nur dem Deutschen Bundestag, dem Haushaltsausschuß haben Sie nicht die Wahrheit gesagt! Dies ist die traurige Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren,
({7})
vor der wir stehen und die wir leider nun in diesen Tagen im Haushaltsausschuß bewältigen müssen.
Herr Wehner, zum Schluß darf ich noch das aufnehmen, was Sie gesagt haben. Vergleichen wir einmal die Fakten. 1965, 1966 hat man davor gewarnt: wenn das so weitergeht, wird es in vier Jahren ein Defizit im Bundeshaushalt von 6 bis 8 Milliarden DM geben. Das haben wir heute schon allein durch diese Regierung in einem Jahr.
({8})
Gemessen an dieser Situation, Herr Wehner, ({9})
würde mein Landsmann Kiesinger sagen: Das, was 1966 war, war ein „Krisele" gegenüber dem, was wir heute als Krise haben.
({10})
Wir wollen uns - das möchte ich zum Abschluß sagen - die Arbeit im Haushaltsausschuß nicht leicht machen.
({11})
- Gemessen an den Zuständen heute, müßten da eigentlich schon fünf Bundeskanzler zurückgetreten sein.
({12})
Wir wollen uns die Arbeit im Haushaltsausschuß nicht leicht machen. Aber eines sage ich Ihnen: dies
ist nicht die Knechtsarbeit dieses Parlaments. Frau Funcke, es ist einfach eine Pflicht der Regierung, hier diese Vorlage einzubringen. Das Parlament kann darüber verhandeln, aber die Einbringungspflicht hat die Bundesregierung und nicht das Parlament. Das müssen Sie einmal in den Kommentaren zum Haushaltsrecht nachlesen, da ist das alles aufgeschrieben.
({13})
- Ja, das muß man Ihnen sagen: Sie suchen ja nach einer Begründung.
({14})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich meine, daß wir alle die Situation, diese finanzielle Misere, in die uns diese Bundesregierung gebracht hat, ernst nehmen müssen, daß wir alle mit dazu beitragen werden, um aus dieser verfahrenen und verworrenen Situation das beste zu machen. Aber wir fordern die Bundesregierung noch einmal auf, nicht nur diesem Parlament, sondern auch der deutschen Öffentlichkeit ihre wirkliche Situation und die unseres Staates und unserer Finanzen wahr und ehrlich darzulegen.
({15})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir manches von dem Kollegen Jenninger zu eigen machen, insbesondere die Auffassung, daß Gemeinsamkeit zu etwas führt. Heute haben wir z. B. - alle drei Fraktionen einstimmig - im Finanzausschuß im Ratifikationsverfahren den Ratifikationsgesetzen für das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz zugestimmt. Das ist für die Staatseinnahmen und für die Steuergerechtigkeit eine wichtige Sache.
({0})
Aber, Herr Jenninger, ich kann mir andere Sachen nicht zu eigen machen, z. B. das Wort vom „Krisele 1966". Vielleicht haben Sie nicht richtig überlegt, und vielleicht standen Sie auch damals in gesicherten Einkommensverhältnissen. Aber sehen Sie, neben der halben Million Arbeitsloser, die es damals gab, waren immer noch 3 oder 4 weitere Millionen, die um ihren Arbeitsplatz zitterten. Das hat die damalige Regierung damals zu Fall gebracht. Die damalige Finanzkrise ist dadurch entstanden, daß die Staatseinnahmen mit der abnehmenden Konjunktur wegrutschten. Niemand kann sagen, daß wir heute auch nur etwas entfernt Ähnliches haben.
({1})
Denn die Staatseinnahmen laufen zügig und gesund,
({2})
die Arbeitsplätze sind gesichert, die Konjunkturüberhitzung des vorigen Jahres ist gebrochen worden. Jedenfalls kann ich nicht davon ausgehen, daß
Dr. Arndt ({3})
die Konjunktur etwa bereits zu warm wäre; sie ist nicht mehr kalt, aber es ist richtig, aufzupassen.
Es ist gut, daß wir diese Aktuelle Stunde hatten. Es ist der Regierung und vor allem dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen die Möglichkeit gegeben worden, das Gerede von der Finanzmisere zu zerstreuen.
({4})
Wir haben die Statistiken der Deutschen Bundesbank. Es mag sein, daß Sie diese Quelle nicht mögen, aber danach haben wir im Jahre 1970 - das war das erste Jahr der Regierung - eine Verschuldung, eine Kreditaufnahme netto, ein Defizit, Sie können sich einen der drei Begriffe aussuchen, je nach Gusto, von einer halben Milliarde DM gehabt. 1971 waren es 1,3 Milliarden DM, und zwar gleichzeitig bei Staatseinnahmen und -ausgaben von 85 und von 96 Milliarden DM und gleichzeitig bei Investitionen im zivilen Bereich des Bundeshaushalts von etwa 15 Milliarden DM.
({5})
Wenn man das als eine Misere bezeichnet, ist es eine Zumutung, von unseren Unternehmen zu verlangen, daß sie einen hohen Teil ihrer Investitionen für die Zukunft auf dem Wege der Kreditaufnahme finanzieren.
({6})
Denn wenn man das eine Misere nennt, heißt das, daß man für den Staat eine 100%ige Selbstfinanzierung der Zukunftsinvestitionen durch Kreditaufnahme verlangt.
({7})
- Dann schauen Sie sich die Zahl der ersten vier Monate in der Statistik der Bundesbank an! Die Statistik endet nicht Ende Dezember, sie geht weiter. Da haben Sie einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben, und das geht weiter. Wo ist denn da der Beleg? Ich möchte Sie bei allem Suchen nach Gemeinsamkeit um eines bitten. Da treffen Sie, was die Belange des Staates und dieses Volkes anbelangt, auf unsere Bereitschaft, über konkrete Dinge zu reden, zu verhandeln; Sie treffen sogar auf die Bereitschaft, dann Vorschläge zu machen, wenn Sie keine machen können oder wollen. Ich bitte Sie aber, nicht zu vergessen: eine Krisenstrategie, die vieles von dem, was in diesem Volk mit dieser Regierung, durch diese Regierung - manches auch neben dieser Regierung - erreicht worden ist, mies macht, schadet der Demokratie und diesem Staat.
({8})
Ich kann konkret werden. Herr Kollege Götz und andere haben dauernd über die Inflation, die Inflation und über die Inflation geredet. Wir wissen doch, daß die Welt in einer Inflation steht. Verlangen Sie etwa von der Bundeswehr, daß sie den Weltfrieden sichert? Wie sollen diese Bundesrepublik Deutschland und die Bundesbank mit ihrem ökonomischen und fiskalischen Einsatz es schaffen, gegen die Inflationsquellen in der Welt allein vorzugehen?
Sie kann einen Beitrag leisten; das ist brilliant und ( mutig geschehen.
({9})
Wo standen Sie, Herr Götz und Herr Leicht, in der Diskussion um die Freigabe der Wechselkurse und vorher in der Aufwertung? Ich weiß, in einem Fall hat man sich enthalten und im anderen Fall war man dagegen.
({10})
Sie sind am Ende Ihrer Redezeit.
Ich bin gleich fertig. Gemeinsamkeit heißt auch Gemeinsamkeit im Mutigsein. Das, hoffe ich, schaffen wir noch mit Ihnen. - Vielen Dank!
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde zu Ende.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Stark erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Erlaubnis des Präsidenten gebe ich folgende Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung: (
Im Zusammenhang mit der gestrigen Debatte über das Problem der Haftrechtsnovelle wurde mir von dem Kollegen Metzger mehrmals vorgeworfen, ich hätte bezüglich der Beratung des Haftrechts „die Unwahrheit gesagt", „falsche Behauptungen aufgestellt", und „durch Wiederholungen würden meine falsche Behauptungen nicht richtiger". Herr Kollege Metzger hat darüber hinaus die Behauptung aufgestellt, daß er der erste gewesen sei, der das Problem des Haftrechts im Rechtsausschuß angesprochen und herausgestellt habe.
Ich weise diese Unterstellungen des Kollegen Metzger mit Entschiedenheit zurück und erkläre, daß ich in keinem Punkt meiner gestrigen Rede bezüglich des Haftrechts die Unwahrheit gesagt habe oder falsche Behauptungen aufgestellt habe. Es ist vielmehr an Hand der Vorlagen und Protokolle des Bundestages eindeutig nachweisbar, daß Herr Kollege Metzger die Unwahrheit bezüglich der Beratung des Haftrechts gesagt hat.
({0})
Der Rechtsausschuß hat nämlich nur auf Grund eines Entschließungsantrags der CDU/CSU-Fraktion das Haftrecht überhaupt beraten. Das gleichzeitig zur Beratung vorliegende Sofortprogramm der Bundesregierung zur Verbrechensbekämpfung enthielt keinen Satz über das Haftrecht.
Dazu kommt, daß Herr Kollege Metzger mich gestern bewußt - und deshalb muß ich das hier
Dr. Stark ({1})
sagen - unvollständig zitiert hat und meine Einschränkung bezüglich der Anhörung von Sachverständigen: „Falls der Ausschuß bei Vorliegen des Erfahrungsmaterials der Polizeidienststellen, Staatsanwaltschaften und Gerichte noch Zweifelsfragen zur Novellierung des Strafprozeßrechts habe; es sei notwendig, bald zu handeln" einfach unterschlagen hat. Das finde ich sehr unfair von dem Kollegen Metzger, zumal ich mit ihm sonst im Rechtsausschuß gut zusammenarbeite.
Das, meine Damen und Herren, mußte ich hier erklären. Ich bin ansonsten nicht zimperlich. Aber wenn hier jemand einem dreimal die Unwahrheit unterstellt und sie selber sagt, dann sollte das in
diesem Hause auch unter Kollegen nicht ungerügt bleiben.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich schließe die heutigen Beratungen des Deutschen Bundestages und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Freitag, den 9. Juni 1972, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.