Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Das Wort zu einer
Erklärung
außerhalb der Tagesordnung hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer Bitte der Koalitionsfraktionen folgend und auf Grund eines Gesprächs, das Kollege Scheel und ich gestern nachmittag mit den Kollegen Barzel und Stücklen geführt hatten, halte ich es für richtig und notwendig, hier in aller Kürze den Versuch zu machen, die Lage zu betrachten, die sich aus dem erfolglos gebliebenen Mißtrauensantrag ergeben hat. Ich möchte damit einige Anregungen verbinden, von denen ich hoffe, daß sie für unsere weitere Arbeit nützlich sein können.
Herr Kollege Dr. Schröder hat gestern die politische Polarisierung in unserem Lande beklagt. Also sollte sich uns allen die Frage stellen, ob und wie wir eine für das Staatsganze schädliche Polarisierung überwinden können.
Erste Voraussetzung dafür ist, sich nicht zu Hektik und Verwirrung verleiten zu lassen, sondern in Ruhe und Gelassenheit unsere Verantwortung wahrzunehmen, die einen in der Regierung, die anderen in der Opposition. Ich meine, daß mit einem allgemeinen Bekenntnis zur Gemeinsamkeit in Grundfragen deutscher Politik nicht viel gewonnen wäre. Worauf es jetzt ankommt, ist die gemeinsame Fähigkeit zur sachlichen Erledigung unserer parlamentarischen Aufgaben gerade auf den Gebieten, auf denen die Meinungen stark auseinandergehen.
Aber ich halte es darüber hinaus nicht für abwegig, auch zu prüfen, ob es in bestimmten Bereichen Ansatzpunkte für mehr Gemeinsamkeit in der Sache gibt. Dieser schwierigen Aufgabe dürfen wir uns um so weniger entziehen, als die Ereignisse dieser Tage von Millionen Menschen in unserem Lande mit einer ungewöhnlichen Anteilnahme verfolgt worden sind. Wir, die wir gewissermaßen Akteure
auf der politischen Bühne unseres Landes sind, sollten dafür dankbar sein. Denn die Demokratie lebt von der Anteilnahme und dem politischen Engagement ihrer Bürger.
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Sie lebt aber eben ganz wesentlich auch davon, daß wir in diesem Hohen Hause, und sei der Kampf noch so hart, nie außer acht lassen, daß wir alle zusammen Repräsentanten unseres Gemeinwesens sind.
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Wie sieht nun die politische Landschaft aus, in der wir uns seit gestern befinden? Das Scheitern des Antrags der Opposition auf ein konstruktives Mißtrauensvotum hat gezeigt, daß in diesem Hause eine Mehrheit für eine andere Bundesregierung nicht gegeben ist, und es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß sich dies ändern wird. Wir werden weiterhin miteinander leben und arbeiten müssen. Dies fällt den Kollegen von der Opposition offensichtlich und verständlicherweise nicht leicht. Aber es gibt Schwierigkeiten und Hindernisse in beiden Richtungen,
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wenn sich auch gestern die eine Seite mehr beschwert gefühlt hat als die andere.
({3}) Das ist doch nichts Böses, Herr Kollege Barzel.
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Die Verfassungswirklichkeit sieht so aus, daß der Bundeskanzler mit keiner tragfähigen Alternative zu seiner Regierung und der sie tragenden Koalition konfrontiert worden ist. Und der Bundeskanzler hat nicht die Absicht, den ihm erteilten Auftrag in Frage zu stellen und denen zu folgen, die in ihren Kommentaren eine Regierungskrise oder gar eine Staatskrise konstruieren möchten.
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Dies liegt nicht im Interesse unseres Staates; also darf ich mich darauf nicht einlassen.
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Dabei ist es nun keine neue Erfahrung -- vielmehr ist insoweit die Erfahrung seit dem Herbst 1969 nur noch einmal bestätigt worden -, daß meine Regierung in strittigen Fragen nicht mit eindrucksvollen Mehrheiten rechnen konnte und kann. Ich hatte allerdings bereits gestern darauf hingewiesen, meine Damen und Herren, daß knappe Mehrheiten gegenwärtig das Schicksal politischer Führungen in modernen Industriegesellschaften zu sein scheinen. Und es gibt zahlreiche Beispiele innerhalb und außerhalb unseres Landes, daß Wahlen kein Patentrezept sind, um dies zu ändern. Knappe Mehrheiten brauchen uns nicht zu schrecken, und ich meine, wir sollten sie uns auch nicht gegenseitig vorrechnen.
Aber natürlich gibt es Anlaß zu der Frage, ob zentrale Probleme unseres Landes bei einem relativen Gleichgewicht der politischen Kräfte - und darum handelt es sich - durch eine jeweils knappe Mehrheit entschieden werden dürfen.
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Auf diese Frage gibt es keine abstrakte Antwort, sondern es gibt auf sie nur die jeweilige konkrete Antwort. Insoweit ist es wie beim Gewaltverzicht, meine Damen und Herren.
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Sie werden verstehen, meine verehrten Kollegen von der CDU/CSU, daß wir von der Regierung meinen, die Ratifizierung der Ostverträge notfalls auch mit einer ganz knappen Mehrheit durchsetzen zu müssen.
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Denn wir sind nun einmal davon überzeugt, daß die Möglichkeiten des Liegenlassens und des „So nicht" oder des „Noch nicht" keine Alternativen sind.
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Wir befürchten - und diese Furcht, diese Besorgnis ist begründet -, daß die Folgen eines solchen Verhaltens unserem Land unübersehbare außenpolitische Schwierigkeiten bereiten würden. Wir alle, vor allem aber die Berliner, würden der unbestreitbaren Vorteile verlustig gehen, die sich direkt oder indirekt aus der Ratifizierung der Verträge ergeben.
Es fragt sich also: Können wir oder können wir nicht im Zusammenhang mit den Verträgen doch noch zu gemeinsamen Feststellungen in der Außen- und Deutschlandpolitik kommen? Ich stelle eine mehrfach gegebene Anregung zur Diskussion, in der nächsten Woche anläßlich der Abstimmung über die Verträge in einer gemeinsamen Entschließung dieses Hohen Hauses die außenpolitischen Ziele unseres Landes, in deren Gesamtzusammenhang die Verträge gehören, erneut zu bekunden. Dies ist mein erster Vorschlag, und die Regierung wäre gern bereit, noch zum Wochenende einen entsprechenden Entwurf zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Gebiet, auf dem Ansatzpunkte zu mehr sachlichem Zusammenwirken geprüft werden sollten, ist die Währungs- und Finanzpolitik. Das erscheint mir um so notwendiger, als die Parteien dieses Hohen Hauses
alle auch auf Landes- und Kommunalebene Verantwortung tragen. Der Versuch zu, wie ich es nannte, sachlichem Zusammenwirken kann für die Regierung und die sie tragende Koalition natürlich nicht bedeuten, sich auf unserer Überzeugung nach falsche Annahmen festnageln zu lassen oder sich hinsichtlich der Reformpolitik zu etwas verurteilen zu lassen, was wir als Nichthandeln empfinden würden.
Andererseits, meine Damen und Herren, sind wir uns doch, wenn ich es gestern und vorgestern bei allem Streit richtig verstanden habe, im Grunde in dem Wunsch nach mehr Stabilität, nach geringeren Preissteigerungen und nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand einig. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Entschließungsantrag zielt verstärkt in diese Richtung. Vielleicht kann er - und dies ist mein zweiter Vorschlag, den ich in die Form einer Frage kleide - ein Ansatzpunkt für eine umfassende Erörterung der Situation und der sich aus ihr ergebenden Konsequenzen mit allen Seiten dieses Hauses werden.
Außerdem bedrängen uns alle miteinander die Probleme der inneren Sicherheit. Ich habe stets betont, daß dies gemeinsame Sorgen sind und bleiben werden. Hier sollte kein Platz für den Versuch oder die Versuchung sein, graduelle Meinungsverschiedenheiten zu grundsätzlichen Meinungsunterschieden hochzustilisieren. Die Fragen der inneren Sicherheit können wir letzten Endes nur gemeinsam lösen, und auch hier tragen die demokratischen Parteien die Verantwortung auf allen drei Ebenen unseres staatlichen Lebens. Mein dritter Vorschlag geht also dahin, daß wir nach einem etwas gequälten Anfang vor ein paar Wochen zu einem umfassenden Gespräch über diese Fragen kommen. Ich weise dabei darauf hin, daß gerade heute die Innenminister zusammensitzen, um über alle Parteiunterschiede hinweg ihr gemeinsames Sicherheitskonzept zu verabschieden, von dem ich vorgestern vor dem Hohen Hause gesprochen habe.
Meine Damen und Herren, in meiner Sicht kommt es darauf an, in den drei von mir genannten Bereichen das festzuhalten, worüber wir uns in unserer Verantwortung für das Ganze verständigen könnten. Dies darf weder die Regierung am Handeln hindern, noch darf es die Opposition daran hindern, ihre Auffassung ungeschmälert zu vertreten. Es kann aber die Auseinandersetzungen in diesen Bereichen möglicherweise versachlichen. Wenn wir es uns auf beiden Seiten vornehmen, werden wir wohl auch feststellen können, daß man an einer Reihe von Punkten gemeinsam vorgehen kann.
Zur aktuellen parlamentarischen Geschäftslage darf sich die Regierung nur mit Zurückhaltung äußern. Es stellt sich jedoch aus meiner Sicht die Frage, ob in einer Situation mit knappen Mehrheiten zur gemeinsamen Verantwortung nicht auch gehört, daß eine Opposition der Versuchung widersteht, nach einem gescheiterten Mißtrauensvotum ihren Versuch an dem empfindlichen Objekt des Haushalts zu wiederholen
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- nicht ohne Not und jedenfalls nicht als das, was als Pflichtübung erscheinen könnte. Dazu darf ich in Paranthese bemerken, daß die Bundesregierung nach den Art. 111 und 112 GG ohnehin haushaltsmäßig genügend Spielraum hat, aus eigener Verantwortung ihre Pflichten zu erfüllen.
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Mein vierter Vorschlag ist, diese wichtige und ernste Frage im Rahmen der Prüfung der Finanzpolitik gemeinsam zu erörtern. Ich habe soeben gesagt, was die Regierung nach der Verfassung könnte, aber ich habe den Vorschlag hinzugefügt - das war mein vierter Vorschlag -, auch über diese wichtige und ernste Frage miteinander zu sprechen.
Über die aktuelle Situation hinaus wird in diesen Tagen stark die Frage von Neuwahlen diskutiert. Ich bin, was dieses Thema angeht, nicht nur als Vorsitzender meiner Partei pflichtgemäß optimistisch. Aber ich habe vor dem Trugschluß gewarnt, Neuwahlen würden mit Sicherheit dazu führen, daß man es plötzlich mit ganz markanten Mehrheiten zu tun hätte. Auch die gestern vom Herrn Kollegen Kiesinger aufgemachte Rechnung, mit der ich natürlich nicht ganz übereinstimme, bestätigt dies im Prinzip.
Abgesehen davon ist mir allerdings auch die Haltung der Opposition zu dieser Frage, über die jetzt viel diskutiert wird, noch unklar. In dem gestrigen Gespräch, das wir mit den Kollegen Barzel und Stücklen führten, haben Herr Scheel und ich nicht den Eindruck gewonnen, als ob ,die CDU/CSU ein aktuelles Interesse an dieser Frage hätte. Dabei wissen wir aber doch: Im Grunde ermöglicht unsere Verfassung Neuwahlen ohne zusätzlichen Streit und Krampf nur dann, wenn sich alle Fraktionen des Hohen Hauses auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Ich bin bereit, auch darüber zu sprechen, wenn anders Handlungsfähigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode nicht gesichert werden kann. Dies wäre mein fünfter Vorschlag.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht mißverstanden werden: Diese Bundesrepublik Deutschland braucht nicht nur, sondern sie hat eine Regierung, und die tut ihre Pflicht
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unabhängig von der Temperatur ,des innenpolitischen Streits. Aber es wäre in der uns allen bekannten Lage vernünftig, wenn wir versuchten - keiner weiß, wieweit das gelingt -, etwas mehr gemeinsames Terrain zu gewinnen, ohne die Fronten zu verwischen, ohne Überzeugungen zu desavouieren, ohne falsche Vorstellungen der Eintracht zu wecken. Aber aus gemeinsamer Verantwortung müssen wir miteinander reden können. Ich stehe allen Fraktionen dieses Hauses zu einem solchen Gespräch zur Verfügung.
Hieraus leitet sich zum Schluß mein sechster Vorschlag ab. Ich präsentiere ihn wiederum als Frage: Sollten wir ,uns nicht möglichst noch heute abend, wenn wir hoffentlich recht viel von unserer heutigen Arbeit erledigt haben, im Kreis der Fraktionsvorsitzenden oder vielleicht noch besser im Kreis der Fraktions- und der Parteivorsitzenden zusammensetzen, um miteinander zu prüfen, was jetzt ohne Verkleisterung möglich ist und was nicht?
Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn diese Anregungen, die sich das Kabinett gestern abend zu eigen gemacht hat, von den Fraktionen, besonders von der Opposition, unvoreingenommen geprüft würden.
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Das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Herr Bundeskanzler mir heute früh um 5 nach halb neun, wofür ich danke, den Text der Erklärung zugeleitet hat, die wir eben gehört haben, und wir durch die Zustimmung der anderen Fraktionen eine Fraktionssitzung von einer halben Stunde hatten, kann ich also in voller Abstimmung mit meiner gesamten Fraktion und unvoreingenommen, Herr Bundeskanzler, auf das antworten, was Sie hier vorgetragen und angeboten haben.
Wie Sie wissen - dies sage ich als erstes -, sind die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und ihr Vorsitzender niemals einer Einladung zu einem Gespräch ausgewichen, und wir haben niemals einen Versuch zur Gemeinsamkeit zurückgewiesen.
Ich möchte, Herr Bundeskanzler, daran erinnern - und ich füge hinzu, daß dies nicht zufällig war -: Ich habe doch am Mittwoch an einigen Stellen meiner Rede davon gesprochen, daß ich darauf verzichte, das eine oder andere zurückzugeben, weil das Miteinander in diesem Hause für das sich abzeichnende Übermorgen nicht zerstört werden dürfe. Ich erinnere an alle diese Sätze. Ich habe in dieser Hitze - eigentlich hatte ich Anlaß, ganz anders zu reagieren - z. B. erneut die Rede hier voll auf den Tisch gelegt und zur Diskussion gestellt, die ich für die Opposition im Oktober des vergangenen Jahres zu den Fragen des inneren Friedens und der Solidarität der Demokraten hier gehalten habe. Das haben wir vorgestern gesagt. Ich habe vorgestern, Herr Bundeskanzler, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, aus eben diesen Gründen die grundsätzliche Einstellung der Bundestragsfraktion der CDU/ CSU in dieser Frage für diese gesamte Wahlperiode erneut in Erinnerung gerufen. Mit unseren ersten Erklärungen zu Beginn eines neuen Parlaments machen wir es uns sehr schwer. Sie sind Wort für Wort abgewogen, weil man uns für die ganze Periode soll an jedes Wort erinnern können.
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Das habe ich am Mittwoch zitiert. Ich zitiere es erneut, und damit ist ein Teil Ihrer Frage, Herr Bundeskanzler, beantwortet; denn Sie hätten eigentlich gleich eine konkrete Antwort auf diese Dinge geben können. Ich habe am 29. Oktober 1969 gesagt - ich
habe das vorgestern zitiert; mit Genehmigung des Herrn Präsidenten führe ich es erneut in die Debatte ein -:
Wir werden als Opposition nicht nur dafür sorgen, daß die Koalition hier immer wieder für ihre Politik einstehen und ihre Mehrheit beweisen muß. Wir bieten auch in aller Form die Möglichkeit an, in den Lebensfragen der Nation zur Kooperation aller zu kommen. Ob das zum Nutzen aller Deutschen erreicht wird, liegt ganz wesentlich an Ihnen, Herr Bundeskanzler, nämlich an dem Ausmaß, der Stetigkeit und der Offenheit, mit der Sie uns unterrichten, mit uns sprechen und unsere Meinungen in Ihre Entscheidungen einbeziehen.
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Das gilt! Wir wollen hier in keiner Frage eine Rechthaberei betreiben, weil Sie, Herr Bundeskanzler, sich erinnern, daß wir vor etwas über 14 Tagen ein von der ganzen Öffentlichkeit in Deutschland und insbesondere von kirchlichen Kreisen mit hohen Erwartungen verbundenes Gespräch hatten, wo die Hoffnung vieler im Lande war, man würde in diesem Gespräch zwischen Ihnen, Herrn Scheel, Herrn Stücklen und mir einen Weg finden. Ich hatte auf den Offenen Brief des Bischofs Wölber, einer derer, die diesen Wunsch hatten, geschrieben: Für das Richtige ist es nie zu spät. - Auch das gilt! Wir pflegen nicht, daherzureden.
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Meine Damen und Herren, Sie werden mir erlauben
- mit dem Blick auf den einen Satz, Herr Bundeskanzler, den ich durch einen Zuruf ein bißchen kritisiert habe -, daß ich einen Satz sage, der dann wahrscheinlich Ihnen auch nicht ganz gefällt. Aber wir wollen ja jetzt nicht so tun, als sei dies hier kein Parlament mehr.
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Ohne den gestrigen Tag hätten wir diese Rede des Bundeskanzlers eben nicht gehört.
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Ohne die Festigkeit der Opposition hätten wir
- das wird ja doch auch erlaubt sein zu sagen - sicherlich nicht jenes weitere, zwar jederzeit wider-rufbare, aber doch immerhin registrierbare Entgegenkommen der Verantwortlichen der DDR bekommen,
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- ein Beweis dafür, daß es so falsch nicht sein kann, wenn wir sagen: Nicht liegenlassen für die nächsten Generationen - auch dies wiederhole ich vom Mittwoch -, sondern für eine geraume Zeit, in der wir uns verständigen auf ein gemeinsames Programm der Freizügigkeit. Dies war unser Angebot.
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Ich verzichte ausdrücklich an dieser Stelle darauf, Herr Bundeskanzler, diesen Punkt in eine Frage zu formulieren, auf die ich jetzt hier im Hause gern eine Antwort hätte. Das kann man auch in einem Gespräch beantworten. Das gilt nicht für alle anderen Punkte, zu denen ich dann komme.
Wenn Sie uns, Herr Bundeskanzler, ermahnen, nun weiterzuarbeiten und dies in Gelassenheit zu tun, dann ist das sicher gut. Ich glaube, wir auf unserer Seite brauchten diese Ermahnung nicht. Denn es ist unsere Meinung, daß das, was in einer schwierigen Lage zu tun ist, immer ist, sich an die Prinzipien, an die Grundsätze und an das normale Verfahren zu halten. Dies ist eine Lebenserfahrung und wahrscheinlich auch eine parlamentarische Erfahrung. Was ist dann normaler, als hier heute den Haushalt zu debattieren und die Entscheidungen zu treffen, die von diesem Hause getroffen werden müssen? Das ist das Normale.
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Herr Bundeskanzler, in der Beurteilung der Lage kann ich Ihnen nur zur Hälfte zustimmen. Sie haben recht: das konstruktive Mißtrauensvotum ist nicht zum Zuge gekommen. Ebenso richtig ist, daß gestern mittag bei dieser Abstimmung für die Bundesregierung eine Mehrheit nicht gegeben war. Dies ist ebenso richtig.
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Nun haben Sie an uns die Frage gestellt: Wie haltet ihr es mit Neuwahlen? Ich werde diese Frage beantworten, Herr Bundeskanzler. Nachdem Sie aber zuerst gesagt hatten: „Wir werden hier arbeiten!", und nachdem Sie auch die Art. 111 und 112 des Grundgesetzes genannt hatten, mußte dies jeder so verstehen: Ich gebe von mir aus den Weg zu Neuwahlen nicht frei. Sonst hätten Sie hier ja eine Andeutung gemacht, die Möglichkeiten des Grundgesetzes zu ergreifen, denn es gibt in der ganzen Bundesrepublik Deutschland, den Bundespräsidenten und alle eingeschlossen, nur einen Mann, der den Weg zu Neuwahlen freimachen kann. Das ist der Bundeskanzler Willy Brandt. Ein anderer kann das nicht.
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Herr Bundeskanzler, erlauben Sie eine scherzhafte Bemerkung. Ich glaube, daß wir unser beider Beratungen nicht so weit treiben sollten, daß Sie den Rat des Führers der Opposition selbst in solchen Fragen einholen. Das, glaube ich, sollten wir nicht tun.
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Meine Damen und Herren, unsere grundsätzliche Antwort auf diese Frage lautet: Tun wir das, was unsere Pflicht ist! Lesen wir den Haushalt, machen wir die Arbeit, für die wir hier sind, die Arbeit, die auf der Tagesordnung steht: Haushalt der Bundesrepublik Deutschland.
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Wir befassen uns mit dem Haushalt ohnehin spät genug. Wir haben Ende April. Erst durfte er wegen eines Wahltermins nicht gelesen werden,
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und jetzt wissen wir gar nicht, wie überhaupt noch
das Interesse der Regierung an ihrem Haushalt ist.
Deshalb möchte ich mich nun nach diesem allgemeinen Teil auch zu den sechs konkreten Fragen, Herr Bundeskanzler, so präzise äußern, wie dies hier nötig ist, obwohl Ihre Fragen nicht alle konkret
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Dr. Barzel
waren. Da gab es immer so viele Vorder- und Hintersätze. Aber lassen wir das in dieser Stunde.
Die erste Frage an uns: Hat es einen Sinn, über gemeinsame Feststellungen zur Außenpolitik zu sprechen? Die Antwort heißt: Die Bundesregierung kann, wenn sie dies für richtig und zweckdienlich hält - dies ist ihre Entscheidung; Sie haben davon eben wieder gesprochen -, einen Entwurf vorlegen. Diesen Entwurf werden wir mit aller Gewissenhaftigkeit und aller Ernsthaftigkeit prüfen und uns entscheiden, wenn wir ihn kennen. Wir können doch jetzt nicht ins Blaue hinein sagen: Wir werden einem Entwurf zustimmen. Wir haben doch auch daran zu denken, meine Damen und Herren, daß hier in dem Hause wir alle Mühe haben-wenn wir ehrlich sind , mit dem Gang der Ereignisse gerade noch mitzukommen. Ob das aber unsere Bürger alle verstehen, wenn jetzt etwa der Verdacht einer Geheimniskrämerei in dieser Frage aufkäme? Dazu ist kein Anlaß. Unsere Haltung ist klar und ist jedermann bekannt. Herr Bundeskanzler, machen Sie also, wenn Sie es für richtig halten, einen Entwurf. Den wollen wir dann besprechen.
Da Sie sich hier aber zugleich festgelegt haben, selbst das kurzfristige Liegenlassen des Vertragswerks abzulehnen, haben Sie natürlich den Spielraum und den zeitlichen Raum für Zusammenwirken so eingeengt, daß ich fürchte, Herr Bundeskanzler, daß wir, selbst wenn wir zum Sonntag Pfingsten hätten und wir alle dann die besondere Gnade dieses Tages genießen könnten, zu diesem Wochenende mit der schwerwiegenden Frage nicht fertig werden könnten.
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Das heißt, Herr Bundeskanzler: In dem Zeitablauf und in der Bereitschaft zur normalen Arbeit, in diesen beiden Punkten liegt der konkrete Beweis für den Gehalt der Rede, die wir hier soeben gehört haben.
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Herr Bundeskanzler, Sie haben auf Berlin hingewiesen. Das ist sicherlich kein Anlaß, uns hier nicht diese Zeit zu nehmen, die wir alle haben. Zur Sache selbst will ich nicht wiederholen, was meine Kollegen Schröder und von Weizsäcker in der Debatte gesagt haben. Das gibt unsere Auffassung treffend wieder.
Zweiter Punkt: Währungs- und Finanzpolitik. Herr Bundeskanzler, in diesem Bereich kenne ich nur eine einzige Frage, über die man sich vielleicht in einem normalen parlamentarischen Leben auch mit einer Opposition verständigt. Das ist sicherlich jetzt nicht der Fall; denn sonst würden Sie ja auch nicht öffentlich hervorkehren, es müsse sich um die Währungsdinge handeln. Herr Bundeskanzler, aber über Finanzpolitik ein Gespräch zu führen während einer laufenden Haushaltsberatung? Herr Bundeskanzler, wenn Ihr Haushalt gut ist, dann können wir ihn hier debattieren. Wenn der Haushalt schlecht ist, dann wollen wir ihn verändern oder müssen wir ihn ablehnen. Aber das gehört doch hier ins Haus. Hier im Haus ist doch die Debatte über den Haushalt zu führen.
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Drittens: Innere Sicherheit. Herr Bundeskanzler, ich wiederhole hier, was ich Ihnen eingangs des Gesprächs von Mittwoch vor 14 Tagen zu dem Thema gesagt habe. Hier kann man - dies muß jeder Vernünftige einräumen - sich nicht der Erkenntnis verschließen, daß es in den Fragen der inneren Sicherheit - konkret: der Kriminalität, noch konkreter: auch des politischen Radikalismus; das alles gehört zusammen - einige Punkte gibt, die man zweckmäßigerweise nicht in der Öffentlichkeit erörtert. Deshalb gibt es Vertrauensmännergremien und solche Dinge, wie wir ja alle wissen. Aber das ist ein ganz kleiner Teil. Alles andere macht eine Regierung durch die Vorlage, die sie dem Haus vorlegt. Wenn ich mich erinnere, mit welchen unglaublichen Vokabeln der Bundesminister der Justiz unseren Gesetzentwurf, der die Reihenkriminalität einschränken sollte, einen Gesetzentwurf, nach dem die Innenminister der Länder aus allen Parteien rufen, zurückgewiesen hat, - ich will auch das jetzt herunterschlucken. Nur, ein Gespräch der Verantwortlichen vermag nicht die Vorlagen zu ersetzen, die dieses Haus braucht, und die Bereitschaft aller, sie dann zügig zu verabschieden.
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Hierzu muß ich auf einen Punkt zurückkommen. Sie werden das heute, Herr Bundeskanzler, vielleicht nicht beantworten können, obwohl Sie schon zwei Tage Zeit haben, die Frage von mir zu beantworten. Sie haben sie nicht beantwortet. Sie haben mir auf meine Vorhaltung, daß die Zahl der Aktionsgemeinschaften zwischen dem kommunistischen „Spartakus" und dem Sozialdemokratischen Hochschulbund zunehme, erklärt: Mit denen haben wir nichts zu tun. Und Sie haben erklärt, dagegen hätten Sie Beschlüsse gefaßt. Vielleicht haben Sie sie gefaßt. Ich habe sie noch nicht gelesen. Wenn es sie gibt - Herr Kollege Börner hat sicher ein gutes Archiv in seiner Parteibaracke -, kann er sie mir doch im Laufe der nächsten Stunde einmal hier zeigen.
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- Meine Damen und Herren, wenn Sie das beunruhigt, daß wir hier eine konstruktive Antwort auf eine beachtenswerte Rede des Bundeskanzlers geben, machen Sie das man, machen Sie das man! Die Öffentlichkeit und dieses Haus machen sich darüber ihr eigenes Urteil.
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Sie hatten mir, Herr Bundeskanzler, als ich Ihnen vorhielt, dann sollten Sie denen doch den Namen „Sozialdemokratisch" untersagen, gesagt, dies ginge nicht. Ich habe Ihnen am Mittwoch vorgelesen, welche Verabredung der Gründung des SHB nach einer Veröffentlichung dieses Bundes zugrunde liegt, eine Verabredung zwischen Ihrem Parteivorstand und dieser Studentenorganisation, nämlich die Verabredung, daß der Name „Sozialdemokratisch" nur widerruflich geführt werden könne. Was gilt nun? Diese Verabredung? Oder kann man es nicht widerrufen, oder will man es nicht widerrufen? Das muß doch in Ordnung kommen. Das, meine Damen und
Herren, muß ganz sicher in Ordnung kommen, bevor wir uns zu diesem Punkt 3 in Gespräche einlassen. Denn es muß doch auch eine Basis dafür bestehen, daß das, was der andere sagt, auch gilt, und nicht nur gilt, sondern auch stimmt, meine Damen und meine Herren!
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Der vierte Punkt, Herr Bundeskanzler, war Ihr Hinweis auf die Art. 111 und 112 des Grundgesetzes. Ich möchte sie, weil dies, glaube ich, sehr wichtig ist, doch im vollen Text in die Debatte einführen:
Artikel 111
({20}) Ist bis zum Schluß eines Rechnungsjahres der Haushaltsplan für das folgende Jahr nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten die Bundesregierung ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,
a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.
({21}) Soweit nicht auf besonderem Gesetz beruhende Einnahmen aus Steuern, Abgaben und sonstigen Quellen oder die Betriebsmittelrücklage die Ausgaben unter Absatz 1 decken, darf die Bundesregierung die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung erforderlichen Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes im Wege des Kredits flüssig machen.
Artikel 112
Uberplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden . . .
Herr Bundeskanzler, von diesen Vorschriften machen Sie ja schon vier Monate in diesem Jahr Gebrauch. Ob diese restriktiven Vorschriften in allen Ausgaben, die diese Regierung tätigt, voll eingehalten werden, das wollen wir z. B. in der folgenden Debatte hier erörtern. Ich weiß nicht, was der Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung zu den Ausgaben alles sagt, ob es z. B. unabweisbar war, zur Zeit des baden-württembergischen Wahlkampfes mit Anzeigen zu arbeiten.
({22})
Nun, Herr Bundeskanzler, bitte ich Sie doch wirklich um Verständnis für folgendes: Wenn Sie sich, auf Art. 111 und 112 gestützt, sagen: „Ich kann hier ganz getrost weiterregieren, auch ohne Haushalt",
so ist das ein ernster Punkt. Aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, wer sich auf Art. 111 und 112 des Grundgesetzes berufen will, muß doch zumindest im Stil, wahrscheinlich auch rechtlich, vorher alles in seiner Kraft Stehende getan haben, um den Haushalt fristgerecht zu verabschieden.
({23})
Und, Herr Bundeskanzler, diese Abstimmung ist eben „keine Pflichtübung", sondern sie ist das Hauptvorrecht dieses Hauses. Das sollte der Bundeskanzler nicht als eine Pflichtübung abtun. Dies ist ein Parlament, in dem wir keine Pflichtübungen machen, sondern in dem wir so entscheiden, wie es uns Art. 38 aufgibt.
({24})
Nun zur fünften Ziffer: Neuwahlen. Herr Bundeskanzler, ich erkläre Ihnen hier, daß wir das - ich habe Ihnen das ja in der Öffentlichkeit vor Wochen unverändert immer erklärt - für die sympathischste Lösung halten. Den Weg dazu kann nur der Bundeskanzler frei machen.
({25})
Dann gibt es eine 21-Tage-Frist. In diesem Lande regieren nämlich, wenn es um solche Fragen geht, nicht irgend welche Leute, sondern da regiert das Grundgesetz: 21 Tage!
({26})
Warum gibt es diese 21-Tage-Frist? Damit alle Zeit haben, nachzudenken, zu prüfen, zu handeln, das zu tun, was sie für ihre Pflicht halten. Das ist die Verfassungslage.
({27})
Sie können doch auch nicht übersehen, daß in den letzten Tagen, in den letzten Wochen ein Klima entstanden ist - ich nehme sogar an, daß die Kollegen der Opposition, Verzeihung, ich meine jetzt die Kollegen der Koalition - ({28})
- Sehen Sie einmal, ich habe mich versprochen. Warum soll mir das denn nicht passieren, meine Damen und Herren?
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Aber Sie sehen, ich spreche deshalb davon, weil ich die Neuwahlen im Kopf habe, und deshalb guckte ich in Ihre Richtung. Das ist die Erklärung für diese Fehlleistung.
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Ich möchte nicht ausschließen, daß auch - jetzt will ich mich nicht versprechen - die Kollegen der Koalition in den letzten Tagen unter allen möglichen Drohungen gestanden haben, der eine von dieser und der andere von jener Seite. Was wir erlebt haben, war das Schrecklichste, was Sie sich vorstellen können, bis in die Familien hinein.
({31})
- Herr Wolfram, ich danke, daß Sie hier fair zuwinken. - Nun können wir doch nicht übersehen,
daß so etwas da ist. Deshalb, Herr Bundeskanzler,
gehört in dieses Gespräch dann natürlich auch nicht nur ein Erfahrungsaustausch darüber, sondern dann gehört dazu die bewiesene Solidarität der Demokraten. Dann gehört dazu, daß sich jeder - und sonst hat das gar keinen Zweck - in diesem Hause und jeder Verantwortliche zunächst verbindlich verpflichtet, sich jeden falschen Beifall
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und jede Unterstützung von falscher Seite zu verbieten.
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Ziffer Sechs: Ob wir uns heute abend vielleicht zusammensetzen wollen? Herr Bundeskanzler, wir sind dazu bereit. Aber wir halten es für richtig, sich abends zusammenzusetzen nach getaner Arbeit,
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und die Arbeit, die wir zu leisten haben, ist, jetzt den Haushalt zu lesen.
Ich glaube, die erste Voraussetzung für eine andere Luft, für ein anderes Klima ist, daß man sich an die Spielregeln hält. Und die Spielregeln heißen: Auf dieser Tagesordnung steht ein Haushalt, über den heute debattiert wird und über den heute abgestimmt werden muß. Das ist die Spielregel, und an diese sich zu halten, ist gut. Dann wollen wir einmal sehen, was die Abendstunden für uns noch ergeben. Geheimniskrämerei nun auch nicht; denn hier ist das Parlament, hier ist der Ort, das Verantwortliche zu tun, und hier ist der Ort, sich verantwortlich zu entscheiden. Herr Kollege Ehmke, Sie haben mir einmal etwas wiedergegeben. Ich möchte deshalb sagen: es kommt darauf an, jetzt zu entscheiden, möglichst bald zu entscheiden. Von mir aus können wir uns auch ich wiederhole es - über den Zeitpunkt der Abstimmung verständigen, die heute hier erfolgen muß.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Führer der Opposition hat soeben auf die Erklärung, mit der der Herr Bundeskanzler nach den gestrigen Ereignissen die parlamentarischen Beratungen heute eröffnet hat, geantwortet. Ich sage zunächst dazu, sehr verehrter Herr Barzel, es hieße Sie unterschätzen, wenn man nicht angenommen hätte, daß Sie so auf die gestrigen Ereignisse reagieren würden, wie Sie es nun getan haben.
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- Das habe ich gesagt. Ich brauche keine Verstärkung und auch keine Abstriche,
({1})
auch wenn Sie stellvertretender Vorsitzender der Fraktion sind, Herr Kollege. Da haben wir uns ja wohl richtig verstanden.
Nur ist das, was Herr Dr. Barzel zu der Erklärung selbst gesagt hat, weniger konkret als das,
was er vorweggeschickt hat, und das muß ich zunächst einmal ein wenig auseinanderzulegen versuchen, damit man es einschätzen kann.
Herr Dr. Barzel hat sich darauf berufen, daß er und seine Freunde niemals einer Einladung zu Gesprächen ausgewichen seien, und er hat sich dann auf eine ganze Reihe von Zitaten und entsprechenden früheren Erklärungen berufen. Das ist zu verstehen, ebenso daß er nun Wert darauf legt, in einem Rückblick, bevor er sich mit den präzisen Problemen, die der Bundeskanzler zur gegenwärtigen Lage dargelegt hat, und mit der Frage, wie er sie dargelegt hat, befaßt, zunächst einmal zu versuchen, die Kontinuität seiner eigenen Verhaltensweise gegenüber der Regierung sowie der Koalition von Sozialdemokraten und Freien Demokraten darzustellen. Er hat dabei weit ausgeholt und das Schwergewicht darauf gelegt, stets zu Erörterungen auch über das bereit gewesen zu sein, was alle angeht.
Natürlich wuchs damit, jedenfalls auf meiner Seite oder bei mir, die Spannung: Hat er so weit ausgeholt, um zu sagen, deswegen bleibe es so, oder hat er ausgeholt, um zu sagen: Zu den heute hier präzise vorgetragenen Gedanken nehme ich deshalb folgendermaßen Stellung. Sie sagen, ohne den gestrigen Tag hätten Sie diese Rede des Bundeskanzlers nicht gehört. Das ist auch gar nicht zu bestreiten, verehrter Herr Kollege Barzel. Es war eine Erklärung, die in einem Parlament - ich nehme an, in diesem Punkt berühren sich unsere sonst sehr entgegengesetzten Auffassungen - von einer Regierung nach Ereignissen wie denen des gestrigen Tages erwartet werden durfte, ja, wenn Sie so wollen, erwartet werden mußte.
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Dafür ist sie nicht zu tadeln. Man wird dann darüber rechten, was sie aus der Situation von gestern, wenn auch zunächst einmal im engeren Bereich, für konkrete Schlußfolgerungen zieht und wie sie sich als Regierung - sie hat es ja auch mit einem gewissen Abstand am Schluß getan, soweit es sich um die konkreten hier vor sich gehenden Beratungen und um Verpflichtungen handelt - dazu stellt. Und Sie haben diese Ihre Festigkeit auch gleich auf die schwierige Problematik der deutschen Politik, der Deutschlandpolitik, der auswärtigen Politik bezogen. Denn wenn Sie gesagt haben, ohne den gestrigen Tag hätten Sie diese Reden des Bundeskanzlers nicht gehört, so heißt das auch: ohne das Scheitern Ihres Mißtrauensvotums hätten Sie das nicht gehört.
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Das eine gehört zum anderen. Das haben wir gestern schon versucht zu sagen. Das lohnt nicht, daß man sich darein verbeißt.
Nun sagen Sie gleich: und ohne die Festigkeit der Opposition hätten wir nicht das Entgegenkommen der Verantwortlichen der DDR bekommen. Ich habe versucht, das genau aufzufangen, wie Sie das gesagt haben, damit man gegebenenfalls darüber reden kann. Denn Sie haben von einem Entgegenkommen der Verantwortlichen der DDR gesprochen.
Bei mir würde wahrscheinlich, wenn wir darüber reden sollten oder reden würden - und ich hoffe, es geschieht in absehbarer Zeit einmal in der gebotenen Sachlichkeit bei allem Respekt vor der Gegensätzlichkeit -, die Frage unvermeidlich sein, Herr Dr. Barzel, die sich mir schon stellte, als Sie Ihr „Liegenlassen!" in der ersten Lesung der Verträge dargelegt und begründet haben. Sie wollen mit dem Liegenlassen, jetzt bezogen auf die Verträge und bezogen auf das, was das schwierige Verhältnis zu dem staatlich verfaßten anderen Teil Deutschlands betrifft, also DDR, wie er genannt sein will - das ist meine Befürchtung und Einschätzung -, den schwierigsten aller Partner, mit dem es die Regierung und wir insgesamt zu tun haben bei dem, was ich gestern unseren deutschen Beitrag, den Beitrag der Bundesrepublik genannt habe, zu ,der weltpolitischen Bewegung von der Konfrontation zur Kooperation überzugehen, zu einer Schlüsselposition machen. Nicht, daß Sie es bewußt machten! Ich unterstelle nicht, daß Sie es täten, um die Regierung noch zusätzlich zu bepacken. Aber nüchtern gesehen: „Liegenlassen" - und heute haben Sie das leider auch noch einmal ausgeführt: zwar nicht ewig liegenlassen; nichts ist ewig; nicht einmal Sie und ich und andere; das ist klar; darüber brauchen wir uns nicht zu streiten -, bis man sich verständigt habe über ein gemeinsames Programm: Freizügigkeit. Meine Befürchtung - ich nenne sie Ihnen hier ganz offen, und ich würde sie im Detail auch in Erörterungen aussprechen - ist, daß Sie damit - und damit unterstelle ich Ihnen nichts - die schwierigste Seite der ganzen Vertragsverhandlungen zur Schlüsselposition machen, d. h.: ohne die wird überhaupt nichts. Damit kommt alles in jene unlösbar werdenden Zusammenhänge, daß ohne die Verträge die Dinge mit der DDR, das Berlin-Abkommen liegenblieben? Und dann sind wir mitten in der Diskussion, die wir führen müssen, wenn wir uns über die Annahme der Ratifikationsgesetze hier auszusprechen und zu entscheiden haben. Sie sagten, daß Sie keine Ermahnung brauchten, damit die hier erforderliche Arbeit auch wirklich getan werde, und haben sich dann darauf konzentriert, daß heute und weiter der Haushalt debattiert werden soll und die Entscheidungen getroffen werden sollen, die getroffen werden müßten. Nun, das ist eine Priorität.
Und Sie haben dann in bezug auf die Neuwahlen vorweggenommen, daß allein der Bundeskanzler den Weg frei machen könne. Darüber wird sicher noch mehr zu sagen sein, auch im Laufe dieser Debatte.
Nun zu den Punkten selbst, die Sie dann in der Reihenfolge der Erklärung des Bundeskanzlers beanwortet haben bzw. zu denen Sie Stellung genommen haben.
Sie sagen, daß es keine Sache sei, sich jetzt Ihrerseits darauf festzulegen, ob Sie einen Entwurf, von dem der Bundeskanzler für die Vertragsentscheidungen gesprochen hat, nun bejahen oder nicht bejahen. Das kann ja wohl keine Entscheidung in der Sache über den Inhalt eines erst angebotenen Entwurfs sein, nehme ich an; um das klären zu helfen.
Was das dann heißt, daß Sie sagten, Sie könnten nicht zustimmen, - zustimmen oder nicht zustimmen können Sie, wenn ein solcher Entwurf vorliegt. Das ist ja auch der Sinn eines solchen Entwurfs: darüber zu reden, ob es da gemeinsame Überzeugungen oder wo nicht gibt. Wenn nicht, ist das festzustellen, und wenn ja, dann ist das auch festzuhalten. Der Vorschlag aber, den der Bundeskanzler gemacht hat, ist keiner, der Sie überfahren will, sondern die Regierung wäre gern bereit, hat er gesagt, noch zum Wochenende einen entsprechenden Entwurf zu unterbreiten. Ich meine, daß Sie wohl, wenn auch etwas verpackt, gesagt haben: Gut, dann legt den Entwurf vor, und dann werden wir zu dem Entwurf Stellung nehmen. - Das ist die eine Sache.
Zu der Frage der Währungs- und Finanzpolitik haben Sie sehr präzis gesagt, daß man doch Gespräche darüber nicht außerhalb der laufenden Haushaltsdebatte hier führen könne oder müsse; das gehöre hier ins Haus. Das heißt, daß Sie meinen, alle die Probleme, die ich einmal als Problem unserer eigenen Währungs-, Konjunktur- und Einkommenspolitik vor dem Hintergrund einer noch nicht gelösten Weltwährungssystemkrise bezeichnen möchte, müßten hier besprochen werden. Wenn das so ist, dann müssen sie hier besprochen werden. Ich bin allerdings der Meinung, daß ein ganz erklecklicher Teil bleibt, der auch zwischen Regierung und Oppositionsspitze besprochen werden muß, nicht nur die Außenwirtschaft im profanen Sinn, sondern eben die Außenbeziehungen. Nehmen Sie z. B. das Problem Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Bandbreiten, und jetzt nicht nur im technischen Sinn, sondern: wird man die Zehnerklubsache weiterentwickeln können, oder wird in diesem Jahr erst einmal noch weiter eruiert werden? Das alles kann ja wohl nicht nur in der offenen Diskussion gelöst werden.
Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Barzel?
Bitte.
Herr Kollege Wehner, sind Sie bereit, sich zu erinnern, daß ich eben ausdrücklich die Währungsfragen als möglichen Gesprächsgegenstand für solche Dinge genannt, aber hinzugefügt habe, darum könne es sich ja wohl nicht handeln, denn dann würde man nicht öffentlich so ein Gespräch ankündigen? Das war meine Position. Sie ist nicht so, wie Sie sie jetzt schildern.
Gut, dann dient das der Klärung. Es wird hier bessere als mich im Moment geben, der ich hier stehe und auf Ihre Fragen zu antworten habe, und als Sie, der Sie aufpassen, wo Sie mich durch Fragen festlegen können. Die werden sehen können, ob es hier eine millimeternähere Möglichkeit gibt, um über gewisse Fragen - ich habe sie eben anzudeuten versucht - zu sprechen. Das ist das andere. Man wird also nicht umhinkommen, sich
darüber zu entscheiden, ob man auch über einige dieser monetären Fragen direkt miteinander reden muß.
Nun zu dem nächsten Punkt; er ist wohl von Ihnen nicht berührt worden. Der Herr Bundeskanzler hat erwähnt, daß die beiden Fraktionen der SPD und der FDP einen Entschließungsantrag zur Haushaltsberatung eingebracht haben, von dem er gesagt hat, dieser ziele verstärkt in die Richtung, die er soeben beschrieben hat; ich muß sie hier nicht noch einmal zitieren. Deswegen hatte er in seiner Erklärung zu erwägen gegeben, vielleicht könne dieser Entschließungsantrag ein Ansatzpunkt für eine umfassendere Erörterung der Situation und der sich aus ihr ergebenden Konsequenzen mit allen Seiten dieses Hauses werden. Vielleicht kann das noch beantwortet werden. Ich habe aus Ihrer Stellungnahme, Herr Dr. Barzel, eine direkte Antwort auf die Anspielung auf diesen Entwurf nicht vernommen. Das kann ja noch nachgeholt werden.
Zu den Problemen der inneren Sicherheit haben Sie verhältnismäßig kühl nicht nur ablehnend gesprochen, sondern insistiert - und mich wundert das nicht, weil das ja Ihr Generalnenner ist -, es müsse noch konkreter zum politischen Radikalismus gesprochen werden. Und Sie haben dann gemeint, nur ein ganz geringer Teil dieses ganzen Themenkreises oder -komplexes sei empfindlich gegen unmittelbare öffentliche Erörterungen. Entschuldigen Sie, ich bin hier nicht da, um nun die eine oder die andere Phase zurückliegender Diskussionen umzubewerten. Aber Sie haben auch heute wieder von „unglaublichen Vokabeln", die der Bundesminister der Justiz gebraucht hätte, gesprochen. Ich weiß nicht, Herr Dr. Barzel, ob Sie damals gerade zugegen waren oder nicht; das ist ja auch keine Frage, für die sich jemand anklagen lassen oder entschuldigen oder entschuldigen lassen muß. Dies, was Sie meinen, ist das, wovon Sie schon wiederholt gesprochen haben, nämlich jedesmal, wenn es z. B. zu Gesprächen zwischen den Fraktionsvorsitzenden und der Regierung - d. h. dem Bundeskanzler, dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister der Justiz - sowie dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Länderinnenministerkonferenz gekommen ist. Ich habe gemerkt, daß müßte eigentlich unter Parlamentsmitgliedern zu bereinigen sein.
Immerhin sollten Sie nicht außer acht lassen, daß damals der Herr Bundesminister der Justiz auf recht scharfe Ausführungen, die sowohl, glaube ich, Ihr Fraktionskollege Vogel als auch Dr. Jaeger gemacht haben, repliziert hat. Es war eine an sich sehr heiße Debatte. Und was war da? Da sind drei Worte gefallen, über die man ja wohl reden kann und die man nicht sozusagen zum Hindernis, zur Barriere, überhaupt über solche Sachen zu sprechen, aufbauen und aufwerten muß.
Zu dem, was Sie hier über Ihre Sorgen in bezug auf SHB und Spartakus gesagt haben, zu diesen Gesprächsteilen also meine ich: das sind verhältnismäßig kleine Münzen. Und was das Papier betrifft, das seinerzeit, als der SHB gegründet wurde, zwischen dem Vorstand der SPD und der Leitung jener studentischen Organisation niedergelegt worden ist,
so ist das ja kein Geheimpapier. Aber Sie, der Sie ein Rechtskundiger sind, Herr Dr. Barzel, wissen, daß es eine Sache ist, ob man damals so etwas einem Akt zugrunde gelegt hat, auf den man sonst keinen Einfluß hat, soweit es sich um die Namensführung handelt, daß aber das, was dadurch dann juristisch einklagbar ist, eine andere Sache ist. Bitte, darüber kann man ja wohl reden. Ich biete mich Ihnen gar nicht an, weil ich mich nicht als Rechtskundiger aufspielen möchte. Aber mir war von Anfang an die Schwierigkeit dieser Problematik klar, ob eine Partei da etwas tun kann. Ich bitte Sie, wir könnten auch kommen und sagen, wer von denen, die im politischen und gesellschaftlichen Bereich agieren, sich als „christlich" bezeichnet.
({0})
Würden Sie dann jedesmal etwas unternehmen, weil Sie sagen, das sei Ihre Bezeichnung?
({1})
Da kämen wir ja in ein ganz eigentümliches Hin und Her,
({2})
in ein Voraus und Zurück, in ganz eigentümliche Dinge. Zur inneren Sicherheit gehört das im Grunde nicht. Das ist eine Schwierigkeit, über die zu reden möglich ist.
Nun zum nächsten Punkt. Ich bin gleich so weit, ich wollte nur diese Debatte, wenn es geht, auch in unmittelbarer Beantwortung der Ausführungen des Oppositionsführers zu den Erwägungen und Vorschlägen des Bundeskanzlers und des Kabinetts faktisch hier mit führen helfen. Sie haben zur Situation in bezug auf die Grundgesetzartikel 111 und 112 gesprochen. Ich nehme an, daß sich der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen dazu auch noch äußern wird; ich nehme auch an, daß sich andere aus dem Hause zu dieser Problematik der Artikel 111 und 112 äußern werden. Eines möchte ich aber, Herr Dr. Barzel, in dieser Runde nicht unerwähnt lassen. Sie werfen der Regierung vor, sie habe schon vier Monate von dem Gebrauch gemacht, was am Schluß des Artikels 112 stehe. Wenn Sie das wollen, können wir ja einmal aufrechnen - es wird ein sehr wenig fruchtbares Geschäft sein -, wie alle Bundesregierungen aus bestimmten Umständen und Gründen, jeweils bestimmte Monate, einen großen Teil des Jahres so und so und so - - Nur gehört das jedenfalls nicht ganz vorn in die sonstige Reihe der Zurückweisungen oder Ihrer Stellungnahmen.
Sie haben sich dann noch einmal mit dem Vorschlag des Bundeskanzlers befaßt, den Sie allerdings schon vorweg generalisierend behandelt hatten, in der Frage von Neuwahlen eine sachliche Erörterung zu führen. Ich habe das, was er dazu hier gebracht hat, so verstanden, daß es einen Unterschied gegeben haben muß - wenn der sich jetzt erledigt, wäre das für die weitere Erörterung besser - zwischen dem, was Sie in dem Gespräch, das Sie und Ihr Kollege Stücklen gestern mit Bundeskanzler und Vizekanzler geführt haben, gesagt oder nicht gesagt haben, und dem, was man wenige Stunden darauf im Rundfunk und im Fernsehen gehört hat. Sie wissen
ganz genau, daß in der Frage „Neuwahlen wären die sauberste Lösung" vielen draußen, die das sagen und das auch so meinen, und zwar in der Regel auf Grund dieser ganzen für sie sonst kaum auseinanderzufilzenden Verhältnisse meinen, häufig, fast immer die Kenntnis der Schwelle abgeht, über die man gehen muß, um Neuwahlen möglich zu machen. Sie alle hier, wenn Sie wollen, wissen, was das für eine Schwelle ist. Ich bin durchaus bereit, wenn es denn sein muß, daß wir hier darüber reden, wie diese Schwelle ist. Was der Bundeskanzler und der Vizekanzler gestern gemeint haben - ich war nicht dabei, aber ich entnehme es auch aus dem Tenor dieser heutigen Erklärung -, ist doch: Wollen und können die Fraktionsspitzen dieses Hauses und gegebenenfalls, wenn notwendig, die Führungen der Parteien, weil sich das nicht immer völlig deckt, darüber reden, was ihre Meinung in bezug auf Neuwahlen und was ihre Meinung in bezug auf das unvermeidliche Überschreiten dieser Schwelle ist? Sie haben bis jetzt zwei Antworten gegeben, Herr Dr. Barzel: in der Besprechung mit Bundeskanzler und Vizekanzler keine - die rechne ich also nicht , im Fernsehen: „Jawohl, das müßte man machen" und heute zum Bundeskanzler: „Sie sind ja der einzige, der den Weg frei machen kann". Da erlaube ich mir in aller Eindeutigkeit zu sagen: Dann geht dem hier das breite sachliche Darlegen dessen voraus - wie man sich dazu stellt, daß das Grundgesetz so ist oder so gemacht worden ist, ist eine völlig untergeordnete Frage, daran ist nichts mehr zu ändern -, wie Sie
({3})
- was wollen Sie, lassen Sie mich doch auch die Sache darlegen! - die Unvermeidlichkeit des Überschreitens dieser Schwelle gern zu Ihrem Vorteil ausnutzen möchten. Das ist es, worum es geht.
({4})
Sie wollen auch beim Gehen über diese Schwelle dieser Regierung, der gegenüber Sie mit einem Mißtrauensantrag, der scheiterte, nicht reüssiert haben, noch ein Bein stellen. Das ist Ihre Position!
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Insofern ist Ihre Antwort auf den fünften Punkt zu sehen. Glauben Sie doch bitte nicht, wir wären bänglich. Der Bundeskanzler hat völlig recht, wenn er als ein Mann mit Überblick sagt: Denke bitte niemand, Neuwahl sei gleichbedeutend mit völlig klaren und eindeutigen Mehrheiten! Ich bitte Sie! Wir wollen ja gar nicht darin herumwühlen, wie aus Ihrer Richtung früher da Vorsorge zu treffen versucht worden ist mit dein Grabenwahlsystem, auf das die Kollegen von der FDP gestern mit Recht zurückgekommen sind, weil Sie unfairerweise das frühere konstruktive Mißtrauensvotum im Lande Nordrhein-Westfalen mit Ihrem gleichgestellt haben. Dort ging es um eine, was den Vorgang und die Eindeutigkeit des Vorgehens von Fraktionen betraf, einfach saubere Sache.
({6})
Hier haben Sie außerdem, meine Damen und Herren, ja die Vorstellung gehabt,
({7})
über die wir in der vorigen Periode miteinander zu ringen hatten, und nach einem bestimmten Punkt gab es unter den damaligen Verhältnissen keine Lösung. Das war die Frage des Mehrheitswahlrechts.
({8})
- Ja sicher! Dazu haben wir in aller Eindeutigkeit - ich gebe Ihnen das auch gerne schriftlich - unseren Parteikörperschaften Bericht erstattet. Ich habe
- wie so oft - diese unangenehme Aufgabe übernehmen müssen, jener Kommission vorzusitzen, die sich mit dieser Sache beschäftigte. Bitte sehr, das ist kein Grund, hämisch zu sein. Auch hier können wir darüber diskutieren. Es ist ein Unterschied, ob man von sich aus darauf schließt, daß der andere, der anderer Auffassung ist, von vornherein genauso hintergründig ist, wie es manche von Ihnen zu sein scheinen.
({9})
Am Schluß, Herr Dr. Barzel, haben Sie gesagt, Sie hätten zu dem sechsten Vorschlag aus der Erklärung des Bundeskanzlers zu sagen, Sie seien bereit, aber nach getaner Arbeit. Wir haben gar nichts dagegen, wenn Sie dabei bleiben, daß nichts anderes zu geschehen hat, als hier weiter über den Haushalt 1972 zu debattieren und abzustimmen. Natürlich sind wir dabei.
({10})
- Ich bitte Sie, das hängt von der Entscheidung hier ab. Seien Sie bitte nicht ungeduldig! Wir sind gewählt, diese Pflichten zu erfüllen. Und heute haben wir hier einen Vorschlag, der sich aus der gestern geschaffenen Situation ergibt. Sie wollen schnell darüber hinwegkommen, was ich verstehen kann
({11})
- natürlich -, ehe bei Ihnen das Bohren anfängt, was denn eigentlich gestern vorgegangen ist.
({12})
Sie wollen den Eindruck erwecken, daß Sie ganz schneidig alle Hürden nehmen. Das habe ich anfangs gesagt: Es hieße, den Oppositionsführer persönlich und auch seine Ambitionen nach so vielmaligem Start zu unterschätzen, wenn man nicht einberechnet hätte, daß das, was er heute tut und gestern abend versucht hat, unvermeidlich wäre.
({13})
- Haben Sie doch keine Angst: Von mir werden Sie, wenn Sie wollen, immer Kontra kriegen, Herr Stücklen. Das ist doch klar. Ich verstecke mich doch nicht hinter irgend etwas. Das wissen Sie doch ganz genau. Immer offen!
({14})
Nur eines: Ich habe hier nicht für den Bundeskanzler und für das Kabinett zu sprechen,
({15})
aber für die sozialdemokratische Fraktion weise ich zurück, Herr Dr. Barzel - bei allem, was ich sonst jetzt sachlich versucht habe,
({16})
---- was denn sonst? - aus Ihren Stellungnahmen für unsere Meinungsbildung herauszufiltern -, daß Sie verschiedentlich und auch am Schluß von „Geheimniskrämerei" geredet haben. Wenn Sie glauben, das Verhältnis von Regierung und Oppositionsführung nicht ohne dieses Hilfsschlagwort „Geheimniskrämerei", das Ihnen trächtig erscheint auf Grund dessen, was in der letzten und in der vorletzten Woche mit sogenannten Geheimprotokollen angerichtet worden ist, erörtern zu können, dann tut es mir sehr leid um diesen Staat.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt die Erklärung des Bundeskanzlers und ist bereit, auf dieser Basis mit dem Kanzler, den Koalitionsfraktionen und der Opposition über alle genannten Punkte zu sprechen.
Der Oppositionsführer hat gesagt, gerade in diesen Tagen habe sich doch gezeigt, wie richtig seine Auffassung sei, durch Liegenlassen komme man weiter, und er hat darauf angespielt, daß die gestern bekanntgewordenen Überlegungen der DDR über Reiseerleichterungen nur diesen Überlegungen zuzuschreiben seien. Herr Kollege Wehner hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das doch ein Abweichen, ein Abwehren, ein Abgehen von den Tatsachen ist. Herr Kollege Barzel, Sie wissen genausogut wie wir: ohne den Abschluß der Verträge wäre es nicht zu diesem Angebot gekommen.
({0})
Deshalb kann es sich nicht darum handeln, liegen zu lassen, sondern darum, zu Entscheidungen zu kommen, um all das in Kraft zu setzen, was für die Menschen hier in Deutschland erreicht worden ist. Darum geht es.
({1})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun kurz zu den einzelnen Fragen ein paar Bemerkungen machen.
Sie haben darauf hingewiesen, eine gemeinsame Entschließung sei durchaus zu überlegen, aber ob das bis zum Wochenende zu machen sei, sei zweifelhaft. Gut. Aber selbst wenn ich Ihre Überlegung, daß man dazu mehr Zeit brauche, als richtig unterstelle, darf ich Sie doch daran erinnern, daß schon seit 14 Tagen, ja drei Wochen im Auswärtigen Ausschuß zwischen Opposition und Koalition die Frage einer gemeinsamen Entschließung im Gespräch ist und immer wieder der Vorschlag kam, daß auch aus den Reihen der Opposition einmal Gedanken dazu vorgelegt werden sollten, die in eine solche Entschließung eingebaut werden könnten. Das ist bis zur Stunde nicht geschehen. Ich mache daraus keinen Vorwurf. Aber man kann doch jetzt nicht so tun, als sei es plötzlich völlig neu, über eine solche gemeinsame Entschließung zu sprechen. Wenn ein konkreter Vorschlag vorliegt und Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, genau wissen, was Sie wollen, müßte es sehr schnell möglich sein, sich auch über eine solche gemeinsame Entschließung zu einigen oder festzustellen, worüber man sich nicht einigen kann. Ich sehe hier keinerlei Schwierigkeit, auf jeden Fall bis zur nächsten Woche zu einem Ergebnis zu kommen.
Sie haben zum zweiten Punkt, zur Stabilitätspolitik, nur gesagt, allein der Haushalt stehe zur Debatte, alles andere könne man dann behandeln. Aber, Herr Kollege Dr. Barzel, gerade dieser Entschließungsantrag, auf den wir großen Wert gelegt haben, macht doch deutlich, daß damit über den Haushalt hinaus eine finanzpolitische Weichenstellung vorgenommen werden soll.
Sie sprechen immer wieder davon, diese Regierung habe nicht genügend zur Stabilisierung beigetragen. Wenn wir Ihnen deutlich machen, wie das in den Ländern ausgesehen hat, dann hören Sie sich das zwar an, reagieren aber nicht darauf. Gestern, Herr Kollege Barzel, wollten Sie sich anschicken, Bundeskanzler zu werden. Wären Sie es geworden, hätten Sie mit Ihren eigenen Landesregierungen zu einer Stabilitätspolitik kommen müssen, die Ihren Aussagen hier entspricht. Sie müssen doch dann auch den Mut haben, als Oppositionsvorsitzender das gleiche gegenüber den Landesregierungen zu vertreten, was Sie hier von der Bundesregierung verlangen. Aber da fehlt es bei Ihnen. Sie reden in diesen Dingen mit doppelter Zunge.
({2})
Sie haben immer wieder gesagt, als Parteivorsitzender habe man zwar Einfluß, aber die Herren Ministerpräsidenten seien in ihrer Entscheidung natürlich frei. Da haben Sie völlig recht. Nur, wenn Sie Bundeskanzler werden wollen und nicht einmal Ihre eigenen Ministerpräsidenten zu einer Stabilitätspolitik bringen wollen, wie wollen Sie das dann in einer Bundesregierung tun? Das schaffen Sie dann erst recht nicht!
({3})
Das beweist uns aber, auf welch tönernen Füßen alles, was Sie gestern versucht haben, nicht nur personell, sondern auch sachlich gestanden hat
({4})
und wie richtig es war, daß Sie gestern diese Entscheidung hinnehmen mußten.
Nur, Herr Kollege Barzel, Sie haben noch einmal zur inneren Sicherheit, zur Frage der Radikalität
gesprochen. Natürlich müssen wird darüber sprechen. Aber auch hier haben Sie sich wieder darauf beschränkt zu sagen: Über bestimmte Fragen diskutieren, Vorlagen hier entscheiden! Das wissen wir. Nur, wie steht es mit diesen Vorlagen? Wo ist Ihre klare Aussage, daß Sie das, was diese Bundesregierung gerade im Kampf gegen die Kriminalität alles an Vorschlägen gemacht hat, nicht nur hier im Bundestag, sondern auch im Bundesrat mit allen Ihren Kräften unterstützen? Darauf kommt es an, daß wir die Sachen hier durchbringen und nicht nur beklagen, was auf diesem Sektor heute zu beklagen ist. Die Länderinnenminister sind erfreulicherweise hier zu einem großen gemeinsamen Programm gekommen. Aber als z. B. der Bundesinnenminister sein Bundesgrenzschutzgesetz vorlegte, mußten wir wieder hören, daß eine Landesregierung, nämlich Bayern, Bedenken hatte gegen das, was die Landesinnenminister alle gemeinsam wollten.
({5})
Bitte, nicht hier und draußen klagen und dann anders handeln, sondern die Klagen durch kräftiges
Handeln abstellen! Das ist die entscheidende Frage.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie haben dann gesagt, der Hinweis auf Art. 111 und 112 würde bedeuten, daß man hier offensichtlich Sorge habe. Sie haben dann das Beispiel gebracht, wie lange es gedauert hat, bis der Haushalt überhaupt zur Entscheidung steht. Mit Recht hat der Kollege Wehner darauf hingewiesen, daß wir eine Statistik vorlegen können, wie lange es bei anderen Regierungen gedauert hat, bis ein Haushalt verabschiedet wurde. Das ist nichts Ungewöhnliches, wenn auch Bedauerliches. Wir sind der Überzeugung, daß wir auch diesen Haushalt - ob in dieser Woche, in der nächsten oder in der übernächsten Woche - so verabschieden werden, daß jede Möglichkeit der Arbeit in diesem Hause geboten ist. Nur muß jeder wissen, der darauf spekuliert, da könne man etwas bewegen, daß nach dem Grundgesetz hier alle Möglichkeiten auch für die Bundesregierung offen sind.
Nun ein paar Worte zu der Frage der Neuwahlen. Wir scheuen die Neuwahlen nicht. Wir sind aber der Auffassung, daß dieses Parlament den Auftrag, den es vom Wähler 1969 bekommen hat, solange erfüllen muß, solange es hier Mehrheiten gibt. Gestern haben S i e keine Mehrheit bekommen; wir haben sie bisher immer bekommen.
({7})
Das ist der Tatbestand. Wir werden dafür Sorge tragen
({8}) - Herr Kollege Stücklen! -,
({9})
daß das, was Sie als die sympathischste Lösung bezeichnen, nämlich Neuwahlen, eben nur dann zustande kommt, wenn hier eine Übereinstimmung besteht und nicht der Versuch gemacht wird, über
das Abschieben „Der Bundeskanzler hat das zu entscheiden" das nachholen zu wollen, was Ihnen
gestern nicht gelungen ist.
({10}) Dazu helfen wir Ihnen nicht.
Sie haben mit Recht davon gesprochen, daß man sich natürlich bei dieser Auseinandersetzung immer vor dem Beifall der falschen Seite hüten sollte und daß wir uns alle gegen den Beifall der falschen Seite wehren sollten. Damit sind wir völlig einverstanden. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Erfahrung leider gezeigt, daß zwischen dieser sehr bedauernden Feststellung hier und dem Verhalten draußen im Lande nach wie vor ein ganz entscheidender bedauerlicher Unterschied besteht.
({11})
Wir verhalten uns hier und draußen gleichermaßen. Das ist ,der Unterschied zwischen uns.
Das gemeinsame Gespräch heute abend! Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das Ja ist gesagt worden, aber es ist wieder eingeschränkt worden. Ich bedaure, daß es in den letzten Monaten, im letzten Jahr - im Gegensatz zu früher - überhaupt selten möglich war, hier auch einmal zu Vereinbarungen zwischen den Fraktionsvorsitzenden zu kommen, die im Interesse des ganzen Hauses liegen. Es wäre gut, wenn hier der parlamentarische Stil, der selbstverständlich sein sollte, wieder Einzug hielte, allerdings nicht unter dem Motto: Gemeinsamkeit nur, wenn es so ist, wie es die Opposition will, sondern unter dem Motto: Gemeinsamkeit, wenn wir eine gemeinsame Linie finden können. Darauf kommt es dabei an.
({12})
Lassen Sie mich zum Abschluß folgendes feststellen. Gestern hat der verehrte Kollege von Weizsäcker wörtlich gesagt - ich zitiere -:
Nicht einen Schatten sollte man davon erkennen lassen, daß wir vielleicht nicht ganz über die Nervenkraft des Demokraten verfügen, die nämlich darin besteht, ,die Verantwortung nicht zu scheuen, aber auch verlieren zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, erinnern Sie sich bitte an das Wort Ihres eigenen Kollegen!
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nur drei kurze Bemerkungen machen.
Erstens. Nach der gestrigen Debatte steht fest, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in diesem Hause keine absolute Mehrheit hat, aber es steht ebenso
fest, daß die Regierungsfraktionen in diesem Hause noch nicht einmal die relative Mehrheit besitzen.
({0})
Zweitens. Deshalb hat der Herr Bundeskanzler, der das wohl zuerst gespürt hat, hier heute eine Rede gehalten, die die Opposition zu Kooperation einlud. Der Herr Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herr Dr. Barzel, hat dieses Angebot im Hinblick auf die Bereiche, wo Kooperation im Interesse des Ganzen unumgänglich ist, angenommen. Im übrigen hat er darauf hingewiesen, daß hier in diesem Parlament entschieden werden müsse.
({1})
Herr Bundeskanzler, nachdem die Opposition Ihr Angebot angenommen hat, möchte ich eigentlich die Frage an Sie richten: Wollen Sie nicht auch einmal mit dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion darüber sprechen, ob er auch bereit ist, auf Ihre Linie zu gehen?
({2})
Ich habe den Eindruck, das ist sehr weit auseinander. Das, was Herr Wehner und Herr Mischnick hier gesagt haben, kann doch nicht im Sinne von Kooperation verstanden werden. Das war die Fortsetzung der Konfrontation, wie wir sie gestern abend hier im Hause erlebt haben.
({3})
({4})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine dritte Bemerkung machen. Ich meine, wenn wir weiterkommen wollen, sollten wir doch nicht um die Dinge herumreden. Sie haben keine Mehrheit, und Sie wollen deshalb hier keine Abstimmung haben. Wir sagen: Wir wollen eine Abstimmung haben, weil das für die Verabschiedung des Haushaltes, der auf der Tagesordnung steht und dessen Beratung hier seit Wochen vorgesehen war, notwendig ist. Wir werden auf dieser Linie bleiben und auf Abstimmung in diesem Hause drängen.
({5})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung, Herr Schmidt.
Schmidt, Bundesminister der Verteidigung ({6}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Bemerkungen von Herrn Kollegen Katzer zurückkommen. Herr Katzer, Sie haben sich bemüht, die parlamentarische Lage in diesem Hause zu skizzieren. In einem Punkte hatten Sie gewiß recht, nämlich darin, daß es der CDU/CSU an einer Mehrheit fehlt, Herrn Kollegen Dr. Barzel zum Kanzler zu wählen. Was den anderen Punkt angeht, so werden wir sehen, ob Sie recht hatten.
({7})
Wir werden es diese Woche sehen; wir werden es
nächste Woche sehen. Es ist ganz klar - das müssen Sie sich auch selber in den Konsequenzen klarmachen -, daß Sie gegen unseren Willen weder Herrn Dr. Barzel noch vielleicht sonst wen aus Ihrer Fraktion zum Kanzler wählen können. Das ist ganz klar.
({8})
Zum anderen ist für uns klar, daß auf uns bei der einen oder anderen Vorlage Schwierigkeiten warten. Ich will auch theoretisch keineswegs hier oder dort eine vorübergehende Abstimmungsniederlage ausschließen.
({9})
Aber ich bin ganz sicher, das wirft die Regierung und das wirft auch den Bundeskanzler und seinen Vizekanzler nicht aus dem Sattel.
({10})
Wir werden wegen dieser parlamentarischen Situation unsere Prinzipien nicht kompromittieren oder gefährden lassen.
({11})
Dies gilt auch für die aus der ganzen Situation des atlantischen Bündnisses heraus unabdingbare Notwendigkeit, unser Verhältnis zu den östlichen Nachbarn in diesem Jahre und jetzt zu ordnen.
({12})
Ich komme auf den Punkt gleich noch einmal zurück. Ich möchte aber zunächst gerne das eine oder andere Wort des Kollegen Barzel aufgreifen dürfen.
Herr Barzel hat gesagt, Neuwahlen seien ihm das Sympathischste. So habe ich es auch gestern im Fernsehen schon von ihm gehört. Herr Barzel hat dabei nicht hinzugefügt und auch heute morgen für die Öffentlichkeit nicht hinzugefügt, was er für dieses Haus nicht hätte hinzufügen müssen, weil jeder von uns darüber Bescheid weiß - aber es wäre wohl wünschenswert, wenn wir die Öffentlichkeit darüber unterrichteten -: daß nach dem Grundgesetz keiner von uns beschließen kann, der Bundestag sei aufgelöst und es fänden Neuwahlen statt.
({13})
- Genau. Wir haben es Ihnen 1966 angetragen, und Sie haben gesagt: Das ist eine Prozedur, bei der wir zunächst ohne Not unseren eigenen Mann desavouieren müßten, und das wollen wir nicht.
({14})
Das haben wir Ihnen abgenommen, das konnte man verstehen. Sie werden verstehen, Herr Barzel, daß auch wir heute nicht daran denken, unseren eigenen Mann wegen der komplizierten Vorschriften des Grundgesetzes zu desavouieren. Nicht im Traum denken wir daran!
({15})
Sie haben zwar recht, wenn Sie sagen, nur Herr Brandt könne den Weg frei machen. Das ist richtig. Aber nach dem, was ich Ihnen soeben gesagt habe, muß Ihnen klarwerden, daß, wenn der Weg überhaupt eines Tages frei gemacht werden sollte, dazu notwendig ist, daß das ganze Haus sich dann zuver10770
lässig über die Sache und über die Form einigen würde. Ich sage: zuverlässig!
({16})
Von der zuverlässigen Möglichkeit der Einigung, die ich nicht ausschließen will, war in Ihrer Rede heute morgen noch nichts zu spüren. Aber ich werfe Ihnen das nicht vor. Wir sind dabei, uns in diese Lage von allen Seiten heranzutasten und in sie hineinzufinden.
({17})
Das war ja so gemeint, kein Vorwurf: Sie sind ja
auch nicht drei Tage darauf vorbereitet gewesen.
({18})
Die Bundesregierung wird nach Ihrer Antwort auf das Angebot des Bundeskanzlers hinsichtlich einer gemeinsamen Feststellung zur Außenpolitik durch dieses Haus gewiß einen Entwurf machen.
In dem Zusammenhang haben Sie, Herr Kollege, auch von Berlin gesprochen. Da muß ich Ihnen nun zwischendurch quasi von Amts wegen auch eine Mitteilung zukommen lassen. Gegenwärtig tagen seit einigen Tagen das höchste militärische Gremium unseres Bündnisses in Brüssel, nicht wegen dieser Frage, sondern zu einer anderen Tagesordnung. Mir ist gestern von dort aus amtlich mitgeteilt worden, in welch großer Sorge die vereinigten Generalstabschefs des Nordatlantischen Bündnisses um das Berlin-Abkommen sind. Sie werden über das Wochenende Gelegenheit haben, mit den Botschaftern der uns verbündeten Ländern zu sprechen, und Sie werden auf andere Weise Gelegenheit haben, sich ein Bild davon zu machen, was in den Hauptstädten der uns verbündeten Länder zu dieser Situation hier in Bonn gedacht und gemeint wird. Die Hauptstädte des Westens sind in großer Sorge. Aber ich will Ihnen das nicht vortragen; Sie werden das selber am Wochenende feststellen.
Dann gibt es zwei Exkurse, die ich gerne machen möchte. Ich war einen Moment draußen und weiß nicht, ob einer der Herren Kollegen schon darauf geantwortet hat: Der Kollege Barzel hat die mehr rhetorische, aber doch Wirkung erzeugen sollende Frage aufgeworfen, ob das Angebot des Bundeskanzlers etwas bedeute, daß wir aus dem Hause herausgehen und woanders in „Geheimniskrämerei" irgend etwas verabreden wollten. Ich glaube nicht im Ernst, daß Sie und die CDU/CSU-Fraktion uns in dieser Woche in den Ruf bringen möchten, außerhalb dieses Hauses Mauschelgeschäfte zu betreiben. Das glaube ich nicht.
({19})
Ich glaube auch nicht, daß Sie uns im Ernst vorwerfen - ohne daß das Wort Filibuster hier gefallen ist -, gestern debattiert zu haben, nachdem Sie einen Tag vorher keine Abstimmung wollten,
weil die Verpflichtungen, von denen Sie meinten, Sie hätten sie in der Tasche, eben nicht zu einer Haushaltsabstimmung vorgestern, sondern nur für das konstruktive Mißtrauensvotum gestern gegeben worden waren.
({20})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Barzel?
Damit hier alles stimmt: wir waren am Mittwoch bereit und willens, eine Abstimmung über den Kanzlerhaushalt herbeizuführen. Dies ist unsere Absicht gewesen, wie dem Hause und denen, die das hier betreiben, völlig bekannt ist.
Wenn Sie es so sagen, Herr Kollege Barzel, will ich es Ihnen abnehmen. Sie werden mir abnehmen, daß ich nicht diesen Eindruck hatte, und wenn ich sage, daß in den letzten beiden Tagen alle Fraktionen sämtliche Möglichkeiten der Geschäftsordnung ausgenutzt haben.
({0})
- Sämtliche Fraktionen, sage ich doch! Ich bin ja ein offener Mann. Mich haben Sie ja auf einer Lüge noch nie ertappt,
({1})
und, Herr Leicht, dieser Umstand liegt nicht an meiner Intelligenz.
({2})
Ich möchte auf einen Punkt zurückkommen, den der Oppositionsführer berührt hat. Ich bin auch hier nicht ganz sicher, ob er inzwischen eine Antwort fand. Das ist die Sache mit dem SHB, mit dem sich so nennenden „Sozialdemokratischen Hochschulbund", in dem sicher unter vielen anderen auch eine Reihe von sozialdemokratischen jungen Leuten tätig ist; das möchte ich glauben. Ich will Ihnen ganz offen sagen - das ist eine alte Geschichte -, ich war damals dagegen, daß man es ihm gestattete, einen solchen Namen zu führen, weil ich den Mißbrauch vorausahnte. Das ist keine Gliederung der sozialdemokratischen Partei, keine Organisation, die irgendwie mit uns affiliiert wäre. Aber ich nehme an, daß wir diesen Prozeß, der da ansteht, auch gewinnen können, daß wir dies in Ordnung bringen, - worauf ich z. B. gedrängt habe. Nur, lieber Herr Barzel, dieses ist nun wirklich eine Randangelegenheit. So wie ich Ihnen eben geglaubt habe, müssen Sie mir glauben, daß die Politik, die die einzelnen Gruppen dieses Hochschulverbandes betreiben, wirklich nicht unsere Politik ist und von uns so nicht gewollt ist.
({3})
Nicht alles, was sich sozialdemokratisch nennt, verdient diesen Namen unbedingt. Nicht alles, was sich demokratisch nennt, verdient diesen Namen. Nicht alles, was sich sozialistisch nennt, und nicht
alles, was sich christlich nennt, verdient diese Namen.
({4})
Ich bitte Sie herzlich - Sie, Herr Kollege Barzel; ich rede nicht von vielen anderen -, Sie sollten uns darauf nicht mehr ansprechen nachdem hier klargestellt ist - ({5})
- Ja, ich meine: Richard Stücklen, mit Ihrer Ausnahme sind wir übrigen anderen natürlich alle liberal.
({6})
Herr Barzel hat in diesem Zusammenhang gesagt - eine Feststellung, der ich zustimmen würde -, jeder sollte sich falschen Beifall verbitten, wenn er ihn sich vom Halse schaffen kann. Ich bin Ihrer Meinung.
({7})
- Vielleicht haben Sie nicht gut zugehört. Die Sozialdemokratische Partei, ihr Vorstand, ihr Präsidium, ihr Vorsitzender und der Parteirat, alle Gremien, die in dieser Partei etwas zu bedeuten haben, lehnen bedingungslos jede Aktionsgemeinschaft mit Kommunisten ab, - wenn Sie das hören wollten!
({8})
Aber diese Ablehnung der Zusammenarbeit mit all den vielen zersplitterten Gruppen der kommunistischen Linken in unserer gegenwärtigen Verfassung, in unserem gegenwärtigen Zustand hier, muß korrespondieren, Herr Dr. Barzel, mit der gleichen klaren eindeutigen Ablehnung jeder - auch verdeckten - Kooperation mit extremen Kräften von der anderen Seite etwa auch in Baden-Württemberg.
({9})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Horten?
Bitte sehr!
Herr Bundesverteidigungsminister, hätten Sie es im Sinne Ihrer jetzigen Ausführungen einer unbedingten Ablehnung der Zusammenarbeit mit kommunistischen Organisationen nicht für richtig gehalten, daß der Herr Bundeskanzler gestern bei seiner Bemerkung über die Demonstrationen
({0})
im Zusammenhang mit dem Obrigkeitsstaat wenigstens darauf hingewiesen hätte, daß gewisse außerordentlich peinliche und unangenehme Begleiterscheinungen von ihm in vollem Umfange verurteilt werden?
({1})
- Das weiß ich aus meinem Wahlkreis besser.
({2})
Ich halte Ihnen, Herr Kollege, bei dieser Frage zugute, daß Sie offensichtlich mit den vielen Entschlüssen, Verlautbarungen und Handlungen sozialdemokratischer Führungsgremien in diesem Punkte nicht vertraut sind. Das halte ich Ihnen zugute, es ist offenbar nicht Ihr Sachgebiet. Im übrigen hat es der Bundeskanzler weiß Gott nicht nötig, hier eine Abgrenzung gegenüber der DKP vorzunehmen; es ist schon sehr viel, daß ich auf die Anzapfung hin etwas Selbstverständliches betone.
({0})
Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, mich auf Polemik einzulassen. Aber vielleicht ist es ganz gut, nachdem Herr Barzel gesagt hat, dies sei ja ein Parlament, wo die Konturen nicht verwischt werden sollten, wenn man sich darüber im klaren bleibt, daß man sich gegenseitig einiges zu sagen hat.
Allerdings hat man sich gegenseitig einiges zu sagen, und deswegen müssen wir uns in der schwierigen Situation, in die wir jetzt geraten sind, hüten, mit der Tunke falscher oder vorgetäuschter Gemeinsamkeiten zu verfahren. Das ist nicht der Fall, das wird nicht gewünscht. Sondern notwendig ist, da Sie die Regierung nicht zwingen können, Herrn Dr. Barzel an die Regierung zu lassen und wir dazu - nebenbei gesagt - auch gar keine Meinung haben: daß trotzdem die Bundesregierung und der Bundestag aktionsfähig bleiben. Das ist das Problem.
({1})
Daß die Spitzen dieses Staates funktionsfähig bleiben, das ist ein Problem, das alle Beteiligten und alle Glieder dieses Hauses gleichermaßen angeht. Deswegen brauchen wir uns gegenseitig keine unnötigen Freundschaftserklärungen vor die Haustüren zu legen.
({2})
- Das hat mit dem Reden nichts zu tun. Ich nannte Ihnen das eigentliche Problem, das jeder durchdenken muß.
({3})
Jeder, der Verantwortung hat, muß sich darüber den Kopf zerbrechen. Abstimmungen werden stattfinden. Die werden dann das Problem, von dem ich spreche, glasklar für jeden erlebbar machen.
({4})
Selbst wenn Sie zwei oder drei Abstimmungen gewinnen sollten,
({5})
so würde damit nur bestätigt, daß Sie nicht regieren können, aber daß wir Schwierigkeiten haben, Gesetze zu machen. Ohne Haushaltsgesetz, das ist ganz klar, können wir es auch noch einen Monat länger aushalten. Darauf kommt es im Augenblick nicht so sehr an. Es sind andere Dinge, die im Vordergrund stehen, ganz andere Dinge, auf die es ankommt.
Ich habe mit einer gewissen Aufmerksamkeit beobachtet, daß die CDU/CSU den Versuch des Regierungssturzes nicht im Zusammenhang mit den Ostverträgen, sondern im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz gemacht hat. Ich habe ebenso mit einer gewissen Aufmerksamkeit in den letzten Wochen die Entwicklung in der Präzision der Formulierungen verfolgt, mit denen sich hervorragende Vertreter der Opposition zum Problem der Ostverträge geäußert haben. Beides zusammen läßt, wie mir scheint, erkennen, daß bezüglich der Ost- und Bündnispolitik dieser Regierung innerhalb der Opposition ein Prozeß des Denkens und Bewertens im Gange ist,
({6})
auch ein Prozeß des Bewertens der taktischen Situation, in der sich dieser Staat gegenüber anderen, denen er gegenübersteht, befindet. Das, meine ich, muß, unabhängig von dem, was der Oppositionsführer heute morgen schon gesagt hat, den Versuch notwendig erscheinen lassen, zu einer gemeinsamen Interpretation dessen zu kommen, was wir Deutsche wollen.
Ich muß dabei aber ganz deutlich sagen - Sie haben mich ja wohl im Verdacht, jemand zu sein, der gegenüber der Sowjetunion knieweich ist -, daß wir weder die Positionen unserer Nachbarn noch die Positionen unserer Vertragspartner überspannen dürfen. Ich empfehle Ihnen sehr, über das Wochenende das zu tun, was ich vorhin schon angedeutet habe.
({7})
Das ist nicht nur eine Sache des eigenen Nachdenkens und der eigenen Analyse, sondern hier muß man auch Kontakt zu anderen aufnehmen.
({8})
- Sie haben mich mißverstanden, lieber Freund; der Oppositionsführer hat mich ganz genau verstanden.
({9})
- Das ist aus seinem Munde für mich ungewöhnlich, aber ich akzeptiere es gern.
({10})
- Herr Stücklen, was die letzten fünf, sechs Jahre angeht, habe ich selber in diesem Hause, anders
als in meiner parlamentarischen Jugend, nicht zu unnützen Feindschaften beigetragen. Ich meine auch, daß die Verträge eine Situation geschaffen haben, in der wir es uns nicht leisten können, persönliche Bitterkeiten zum Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung zu machen.
({11})
Tatsache ist, daß es kein Volk, daß es keine Nation auf dieser Erde gibt, die mit so vielen Nachbarn leben muß wie wir Deutschen.
({12})
Schauen Sie sich in Europa oder auf irgendeinem anderen Kontinent um! Wer mit seiner Familie in einem Einzelhaus mit einem Garten darum herum wohnt, der hat es relativ leicht, mit seinen Nachbarn auszukommen. Wer in einem- Etagenhaus lebt, wo es vier Partien auf derselben Etage und vier drüber und vier drunter gibt, von denen abwechselnd immer eine die Treppe saubermachen muß, der hat es schon sehr viel schwerer. Unser Problem liegt darin - und das fühlt die Führung der Opposition in Wirklichkeit sehr deutlich -, nach zwei Weltkriegen, 25, 27 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg endlich auch mit der anderen Hälfte unserer Nachbarn zu einem erträglichen, nicht feindschaftlichen, sondern nachbarlichen Verhältnis zu kommen.
({13})
Dieses nachbarschaftliche Verhältnis zu den Nachbarvölkern und Nachbarstaaten ist unendlich wichtiger als der Streit in der eigenen Familie.
({14})
Herr Dr. Barzel, was mich angeht: Ich denke, daß zu dieser Frage, Nachbarschaft auch mit dem Osten halten zu wollen, unser Volk weitgehend eingesehen hat, daß dies notwendig ist und daß die Zeit reif ist. Ich habe deshalb keine Sorge, das Volk erneut zu befragen, wie der Bundestag zusammengesetzt sein soll.
({15})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache zur Regierungserklärung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat wohl mit gutem Grund heute morgen die Frage der inneren Sicherheit zum Gegenstand seiner Regierungserklärung gemacht. Ich hoffe, daß wir in diesem Hause alle darin übereinstimmen, daß die Fragen der inneren Sicherheit nicht Fragen der politischen Meinungsauseinandersetzung sein dürfen, sondern daß man sich darüber gemeinsam zu unterhalten hat, welche bestmöglichen, rechtsstaatlichen Formen wir dazu entwickeln können. Nur darum kann es sich handeln.
({0})
Dr. Schäfer ({1})
- Wenn Sie Haushalt sagen, Herr Kollege Leicht, dann wissen Sie, daß der Haushalt gerade auf diesem Gebiet wesentliche Steigerungen vorsieht, dann wissen Sie, daß sich das Bundeskabinett am 22. März dieses Jahres mit einem Schwerpunktprogramm „Innere Sicherheit" befaßt hat und daß für das Jahr 1973 erneute, wesentliche Steigerungen für das Bundeskriminalamt, für das Bundesamt für Verfassungsschutz, für die Bereitschaftspolizeien der Länder, für den Bundesgrenzschutz und für das Ausländer-Zentralregister vorgesehen sind.
Der Bund hat in den vergangenen Jahren seinen möglichen Beitrag geleistet. Aber das ist nicht die entscheidende Frage, meine Damen und Herren. Die entscheidende Frage ist die, daß sich die demokratischen, rechtsstaatlichen Kräfte in diesem Staat gleichgültig nun, ob die Kompetenz beim Bund oder bei den Ländern liegt - zu gemeinsamem Handeln zusammenfinden. Die Innenministerkonferenz der Länder befaßt sich mit diesen Fragen. Sie tagt gerade heute. Ich konnte schon vorgestern dazu ausführen, daß sich nach meiner Beurteilung noch kein Innenminister wie der gegenwärtige soviel Mühe darum gegeben hat, eine einheitliche Sicherheitskonzeption für die Sicherheit dieser Bundesrepublik zusammen mit den Ländern zu erarbeiten.
({2})
Die Länderinnenminister und die Landesregierungen verdienen Anerkennung, daß sie, durchaus der Regelung der Verfassung entsprechend, eine Gesamtkonzeption finden wollen. Denn unsere Verfassung sieht eine Stufenregelung in der Weise vor, daß zunächst die Länder zuständig sind. Wir sind der Auffassung, daß die Länder zuständig bleiben sollen, daß aber der Bund letztlich die Verantwortung für die demokratische Grundordnung dieses Staates trägt. Deshalb legen wir Wert darauf, daß unter Erhaltung der föderalistischen Zuständigkeit der Länder eine Gesamtsicherheitskonzeption erarbeitet wird. Im Innenausschuß des Bundestages wurde bei der ersten Beratung über das Bundesgrenzschutzgesetz in dieser Hinsicht Wesentliches vom Bundesinnenminister vorgetragen, und auch der anwesende Innenminister von Bayern hat seinerseits durchaus begrüßt, daß eine solche Konzeption ermöglicht werden soll.
Um so mehr, Herr Kollege Barzel, ist es notwendig, daß wir uns hier in diesem Hause über die Parteien, über die Fraktionen hinweg in dieser Frage zusammenfinden, um diese einheitliche, funktionsfähige Sicherheitskonzeption so zu erarbeiten, daß die Länder, und zwar alle, gleichgültig wie sie sind, voll eingespannt sind.
Lassen Sie mich hier ein Wort zu unserer föderalistischen Ordnung sagen, einem Aktivposten, den man manchmal übersieht, obwohl ich ihn für außerordentlich wichtig halte. Durch unsere föderalistische Ordnung haben wir die Selbstverständlichkeit, daß alle Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, gleichgültig ob in Regierung oder Opposition, in der Regierungs- und damit in der Gesamtverantwortung stehen, weil sie in Länderregierungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verantwortlich sind.
Das bedeutet, daß wir bei der Abwehr politischer Gegner, daß wir bei der Bekämpfung der Verbrechen eine einheitliche Gesamtfront bilden können und sie uns nicht zerreden lassen dürfen und sie ja nicht in parteitaktische oder gar in Wahlauseinandersetzungen hineinziehen lassen dürfen. Wir haben vor einem Jahr hier erlebt, .daß man glaubte, der SPD und damit auch der Regierung einige Dinge anhängen zu können. Ich bin froh, daß das wieder aus der Welt ist. Man sollte sich auf beiden Seiten klar sein, daß man sich so in dieser enorm wichtigen Frage nicht zusammenfinden kann.
Der Herr Bundesinnenminister hat jeweils zu gegebener Zeit und auf jede Anforderung eingehend im Innenausschuß sehr präzis alle anstehenden Fragen beantworten. Dabei gibt es bei der Abwehr politisch radikaler Kräfte zweifellos einige Fragenkomplexe, die der Minister nur in vertraulicher oder geheimer Sitzung beantworten kann. Aber dazu gab es dann auch die Besprechungen beim Bundeskanzler mit den Fraktionsvorsitzenden, und dazu gibt es auch noch das Vertrauensmännergremium über die Geheimdienste. Von daher gesehen, meine Damen und Herren, sollte man diese Anregung des Herrn Bundeskanzlers sehr ernst nehmen, und man sollte die Möglichkeiten ergreifen, hier über die Fraktionen hinweg zwischen Bund und Ländern zu einer gemeinsamen Front und zu einer Übereinstimmung darüber zu kommen, was zu tun not tut.
Dazu gehört auch jener Beschluß, den die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten gefaßt haben, über die Abwehr des Eindringens radikaler Kräfte in den öffentlichen Dienst; ein, ich möchte sagen, erster Anfang, sofern man von allen Seiten gewissenhaft auf die Durchführung Wert legt.
({3})
Wir meinen, daß wir vollkommen verfassungsrechtlich, rechtsstaatlich auch in diesen Fragen vorgehen müssen und uns nicht auf irgendeinen Abweg begeben dürfen - Herr Dr. Lenz, ich bin froh, daß Sie zustimmen - und daß wir als Parlament gleichzeitig darüber zu wachen haben, daß verfassungsrechtlich und rechtsstaatlich vorgegangen wird, daß jeder Einzelfall geprüft wird und daß wir nicht in dem politisch verständlichen Willen der Abwehr Radikaler unsere eigene rechtsstaatliche Ordnung in Zweifel bringen lassen.
({4})
Das müssen wir auch nicht nur unter uns ganz klar sagen, sondern das muß nach außen in aller Deutlichkeit und einwandfrei gesagt werden.
Es ist erfreulich, daß - alle Wahlen haben es gezeigt - in den letzten Jahren die radikalen Kräfte zahlenmäßig geringer geworden sind. Das soll uns nicht über die Probleme täuschen, die ohne Rücksicht auf die Größenordnung bestehen. Diese Wandlung gibt uns ganz entscheidende politische Integrationsaufgaben auf, denen wir uns alle jeweils von unserer Position aus stellen müssen. Dazu brauche ich wahrscheinlich von hier aus nichts zu sagen. Jede Partei weiß, daß man von der Mitte aus führen
Dr. Schäfer ({5})
muß und daß man auf diese Weise alle radikalen Intentionen integrieren muß. Die Auseinandersetzung, auch die innerparteiliche, ist ein normaler Vorgang. Natürlich können dabei auch Symptome deutlich werden. Darüber wurde heute hier schon ausreichend gesprochen; ich will dem nichts hinzufügen.
Ich meine, Herr Oppositionsführer Barzel, daß wir dieses Angebot der Regierung möglichst schnell annehmen und daß wir in ganz konkrete Besprechungen eintreten müßten, ob es sich nun um die erfreulicherweise vorliegenden Gesetzentwürfe des Bundesrates auf dem Gebiet des Waffenrechts und des Haftrechts, ob es sich um die Beschleunigungsnovelle, die die Bundesregierung vorgelegt hat, oder ob es sich um die Abwehr der radikalen Kräfte handelt. Es kommt darauf an, daß dieses Haus, daß diese Fraktionen zusammen mit der Regierung aktiv werden, um das Eindringen radikaler Kräfte zu vermeiden, um die Verbrechensbekämpfung, gemeinsam getragen, erfolgreich durchführen zu können.
Dabei hat der Bund begonnen, das Bundeskriminalamt auszubauen - eine ausgezeichnete Konzeption. Dabei kommt es darauf an, die Polizei besser auszubilden und sie auch personell in die Lage zu versetzen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Der Bund ist bereit, eine Akademie in Hiltrup wesentlich mitzufinanzieren.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier noch einen Gedanken einfügen, der letztlich wahrscheinlich einer der entscheidenden sein wird. Es kommt nicht nur darauf an, alle staatliche Vorsorge zu treffen, um denjenigen, der sich gegen die Gesetze vergangen hat, möglichst schnell einer Strafe zuzuführen, sondern das Entscheidende ist letztlich, daß wir Formen finden, um denjenigen, der sich strafbar gemacht hat, wieder in die Gesellschaft einzuordnen. Die Frage der Resozialisierung ist die politisch weit entscheidendere Frage, weil wir nach der Statistik und aus der Erfahrung ganz genau wissen, daß derjenige, der von dieser Gesellschaft nach einem Straucheln ausgestoßen wird, viel eher wieder dazu neigt, sich ein zweites und ein drittes und ein zwanzigstes Mal wiederum gegen diese Gesellschaft zu vergehen.
({6})
- Ja, vielen Dank, Herr Kollege Matthöfer, da geht es nicht um die Frage der Vorbeugehaft. Es geht genau im Gegenteil um die Frage, wie man denjenigen, der gestrauchelt ist, mit einem neuen Vollzug der Freiheitsstrafe in einer neuen Form wieder in die Gesellschaft einführen kann. Diese Gesellschaft muß die Kraft finden, diese Leute wieder zu assimilieren und ihnen wieder einen Platz in ihr zu geben.
({7})
Das ist die letztlich entscheidende Frage der inneren Sicherheit auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung. Es ist eine Frage nicht an die staatlichen Vollzugsorgane, nicht an die Polizei; es ist eine Frage an die ganze Gesellschaft, eine Frage auch an den Gesetzgeber, ob er im Laufe der nächsten Zeit die
richtigen Formen und die richtigen Methoden entwickeln und es ermöglichen wird, diese enorm große und menschlich schwierige Aufgabe der Resozialisierung durchzuführen.
({8})
So meinen wir von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, daß wir uns mit der Bundesregierung und auch mit Ihnen, meine Damen und Herren, zusammensetzen sollten, um diese Fragen gemeinsam zu erörtern.
({9})
Präsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Bundesinnenminister, Herr Genscher.
({10})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Wortmeldung gibt mir Gelegenheit, eine gar nicht vorauszuahnende Frage des Kollegen Reddemann zu beantworten, die Frage nämlich: „Warum sprechen Sie hier noch, das hat Ihnen Herr Schäfer doch bereits vorweggenommen?" Nachdem ich in den Wahlkämpfen, meine Damen und Herren, so viel über die Probleme der inneren Sicherheit gehört habe, bin ich der Meinung, es sei jetzt Zeit, daß wir im Deutschen Bundestag darüber debattieren!
({0})
Die Debatte, die. wir heute dank der Anregung des Herrn Bundeskanzlers zur Gemeinsamkeit auf diesem Gebiet und dank des Diskussionsbeitrages des Kollegen Schäfer erleben, ist nämlich erst die zweite zu Fragen der Verbrechensbekämpfung in diesem Bundestag.
({1})
- Nein, zu den Problemen, die meinen Bereich angehen, ist es die zweite Debatte, Herr Kollege Lenz. Wenn ich manche Aktivitäten in anderen Bereichen sehe, könnte ich mir vorstellen, daß das schon zeigt, daß die Opposition an den Leistungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet nicht vorbeisehen und nicht vorbeigehen kann.
({2})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reddemann?
Herr Reddemann, bitte schön!
Herr Kollege Genscher, hielten Sie es nicht für richtiger, wenn wir zunächst einmal über den Etat des Bundeskanzleramtes abstimmten und dann beim Etat des Bundesinnenministers über das dann an sich richtige Thema mit Ihnen diskutierten?
Herr Kollege Reddemann, zunächst einmal sprechen wir im Augenblick über eine Erklärung des Bundeskanzlers, in der er auch Fragen der inneren Sicherheit angeschnitten hat.
({0})
Ich bin allerdings darüber hinaus auch der Meinung, (1013 die Fragen der inneren Sicherheit für die Gesamtpolitik einen so hohen Stellenwert haben, daß sie sehr wohl beim Etat des Bundeskanzlers diskutiert werden können.
({1})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke?
Bitte schön!
Herr Minister Genscher, sind Sie nicht der Meinung, daß bei dem hohen Stellenwert, den auch ich und wir alle in diesem Hause diesem Problem geben, der Herr Bundeskanzler erst auf die ihm gestellten Fragen antworten sollte und daß Sie Ihren Bericht bei Ihrem Haushalt geben sollten, denn jetzt wollen wir den Haushalt des Bundeskanzlers erledigen?
({0})
Ich habe gefragt, sind Sie nicht der Meinung,
({1}) daß der Herr Bundeskanzler zu diesem Punkt,
({2})
ich wiederhole es, erst die ihm gestellten Fragen beantworten sollte und daß Sie dann bei Ihrem Haushalt dem ganzen Hause Ihren Bericht geben müßten?
Frau Kollegin, ich habe gar nicht die Absicht, einen Bericht zu geben, sondern ich möchte einen Beitrag leisten
({0})
zu der Diskussion über die Fragen der inneren Sicherheit. Es entspricht meinem bescheidenen Anteil an der Regierungsarbeit, daß ich nur zu einem Teilgebiet antworten kann. Der Regierungschef wird das am Schluß für die ganze Breite der Regierungsarbeit tun.
({1})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?
Herr Präsident, ich bin gerne bereit, jede Frage zu beantworten. Da das .Wort ,,Filibustern" gefallen ist, möchte ich nur sagen, es gibt nicht nur Filibustern auf der Rednertribüne, sondern auch am Fragemikrofon.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Kollege Genscher, da ich noch keine Frage am Mikrofon gestellt habe, kann ich ja wohl nicht gemeint sein.
Ich habe das schon bedauert.
Darf ich jetzt meine Frage stellen: Darf ich aus Ihrer Ankündigung, daß Sie nicht alleine für diesen Bereich zuständig sind, entnehmen, daß sich auch der Herr Bundesminister der Justiz za dieser Stunde und unter diesem Tagesordnungspunkt noch zu diesem Thema äußern wird?
({0})
Ich glaube, Herr Kollege, daß ich aus den Geheimnissen der Bundesregierung nicht zuviel verrate, wenn ich zuversichtlich davon ausgehe, daß der Herr Bundesminister der Justiz für seinen Verantwortungsbereich hier ebenfalls einen Beitrag liefern wird.
({0})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Herr Kollege Genscher, würden Sie mir vielleicht in der Feststellung zustimmen, daß diese Art der Behandlung des Themas „Regierungserklärung" heute morgen ein Filibustern mit verteilten Rollen ist?
Herr Kollege, Sie nehmen durch den Rückfall in eine zweite Frage geradezu eine Starrolle dabei ein.
({0})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Bitte schön!
Herr Minister, nachdem Sie so gut Bescheid wissen, welche Kabinettsmitglieder hier noch teilnehmen werden: Wird es auch so sein, daß der Herr Bundeswissen10776
schaftsminister zu dem Thema „Sicherheit der Reaktoren" im Rahmen dieses Punktes sprechen wird?
({0})
Herr Kollege, es entspricht meinem politischen Standort, daß ich immer mehr nach rechts als nach hinten sehe. Jahn sitzt rechts von mir.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es ein Gebiet gibt, das sich in besonderer Weise als ein Gebiet gemeinsamer Verantwortung und der Zusammenarbeit nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch unter den tragenden demokratischen Parteien in unserem Land anbietet, dann ist es der Bereich der inneren Sicherheit. Es ist heute mit Recht darauf hingewiesen worden, daß zur gleichen Stunde in Mainz die Innenministerkonferenz der Länder tagt, die zusammen mit dem Bundesministerium des Innern eine gemeinsame Konzeption für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland vorlegen will,
({0})
eine gemeinsame Konzeption, die es ungeachtet des föderalistischen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland möglich machen soll, die vorhandenen Sicherheitsorgane und die vorhandenen Sicherheitspotentiale in einer höchst effektiven Weise einzusetzen.
Wir haben in der Vergangenheit eine Reihe bemerkenswerter Erfolge auf dem Gebiete der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu verzeichnen. Ich erwähne hier nur den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Haftrechts, wo es auf Initiative des Bundesrats unter maßgeblicher Mitwirkung der Bundesregierung, Herr Kollege Lenz, möglich geworden ist, einen allen rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden und gleichwohl das Problem der Serienkriminalität erkennenden Gesetzentwurf vorzulegen, der eine zustimmende Beurteilung grundsätzlich nicht nur von den Fraktionen dieses Hauses finden wird, sondern auch von der Bundesregierung. Das gleiche gilt für die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zum Haftrecht.
Und schließlich gilt das für die Haltung der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Ministerpräsidenten der Länder zur Frage des Eindringens von Radikalen in den öffentlichen Dienst.
({1})
Wir haben es hier gegenüber allen über das Ziel hinausschießenden Forderungen erreicht, daß eine gemeinsame Basis von Bund und Ländern gefunden wurde, um den öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik Deutschland frei zu halten von den Gegnern dieser freiheitlich demokratischen Grundordnung. Das verdient hier eine anerkennende Erwähnung, denn das gibt uns Hoffnung, daß wir auch andere Probleme der inneren Sicherheit in der Auseinandersetzung mit dem Radikalismus bewältigen können.
({2})
Das bedeutet allerdings auch, daß wir einen gemeinsamen Weg für die Praktizierung dieser Beschlüsse des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder finden müssen.
Meine Damen und Herren, es ist mit Recht gesagt worden, daß der Bürger das Verhältnis zu diesem seinem Staat auch danach beurteilt, ob dieser Staat in der Lage ist, die Sicherheit des Bürgers, seiner Familie und seines Eigentums zu sichern. Das tut man aber nicht mit Reden, das tut man auch nicht mit der Beschwörung von Ängsten, sondern allein mit Taten.
({3})
- Herr Kollege Wörner, von hier oben kann ich ja nicht gleichzeitig außer reden auch noch Etatansätze erhöhen. Das geht zu weit. Herr Kollege Wörner, wenn Sie sagen: auf die Taten warten wir, dann habe ich den Eindruck, daß Sie sich in den letzten zweieinhalb Jahren zu intensiv auf das Amt des Verteidigungsministers vorbereitet und die Probleme der inneren Sichcherheit völlig übersehen haben.
({4})
Diese Regierung nimmt für sich in Anspruch, in den Bereichen, in denen sie Verantwortung trägt, Anstrengungen unternommen zu haben - in der technischen Ausstattung, in der zahlenmäßigen Verstärkung -, die ohne Vergleich mit irgendeiner vorangegangenen Legislaturperiode sind.
Ich bitte, sich einmal anzusehen, was im Bundeskriminalamt geschehen ist. Im Bundeskriminalamt sind die Mittel in der vorausgegangenen Legislaturperiode von 14 Millionen DM auf 22 Millionen DM erhöht worden, um ganze 8 Millionen DM. Seit 1969 bis zu diesem Haushalt einschließlich werden die Mittel für das Bundeskriminalamt von 22 Millionen DM auf 75 Millionen DM erhöht, und im kommenden Jahr wollen wir den Betrag von 122 Millionen DM erreichen. Entsprechend ist die Entwicklung der Stellen. Es gibt keinen Bereich in der Bundesverwaltung, in dem in diesem Maße eine Ausdehnung des Stellenplans vorgenommen wird, wahrlich nicht, meine Damen und Herren, um hier einen Verwaltungskopf aufzublähen, sondern allein deshalb, um das Bundeskriminalamt und um das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe im Bereich der Gesamtverantwortung für die innere Sicherheit dieses Staates zu erfüllen.
({5})
- Herr Kollege Lenz, das ist ein ernstes Problem. Jeder Innenminister hatte damit zu ringen, ob er ausreichend Nachwuchs gewinnen kann; denn es würde uns nicht sehr viel nützen, wenn wir als Bund nur darauf ausgingen, unseren Nachwuchs aus den Polizeien der Länder zu gewinnen, und zwar deshalb nicht, weil er dann dort fehlen würde. DesBundesminister Genscher
halb sind wir den doppelten Weg gegangen, eigene junge Beamte heranzubilden, zugleich aber auch Beamte aus den Polizeien der Länder und aus dem Bundesgrenzschutz heranzuholen, um neben die ausgebildeten Beamten aus dem BKA auch solche zu setzen, die über eine langjährige Berufserfahrung bei den Polizeien der Länder und dem Bundesgrenzschutz verfügen. Ich glaube, daß eine gute Art der Zusammenarbeit auch zwischen Bund und Ländern auf diese Weise garantiert werden kann.
Meine Damen und Herren, wir sind im Augenblick dabei, im Deutschen Bundestag den Gesetzentwurf über den Bundesgrenzschutz zu beraten, über ein Gesetz, das den Bundesgrenzschutz in die Lage versetzen wird - und dies in Übereinstimmung mit den meisten Bundesländern -, seine Aufgabe als ein zusätzliches, jederzeit abrufbares Sicherheitspotential des Bundes, das den Ländern zur Verfügung gestellt werden kann, zu erfüllen. Wir leisten damit im Bereich des Verfassungsschutzes, im Bereich des Bundeskriminalamts und im Bereich des Bundesgrenzschutzes einen so wesentlichen Beitrag zur inneren Sicherheit in unserem Land, daß damit auch das Gesamtsicherheitskonzept in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht wurde.
Aus den Reden, die heute hier gehalten worden sind, ist eine ernste Sorge über die Entwicklung des politischen Radikalismus in der Bundesrepublik Deutschland deutlich geworden. Lassen Sie mich dazu eine grundsätzliche Bemerkung machen, weil ich vor der Gefahr warnen möchte, zu glauben, diese Fragen nur mit den Mitteln des Gesetzes, nur mit den Mitteln der Sicherheitsorgane lösen zu können.
In Wahrheit müssen wir sehen, daß die der Aufbauphase folgende Reformphase der deutschen Politik nicht dadurch leichter geworden ist, daß sie keine blanke Not mehr zu überwinden hat. Sie wird eher schwerer, weil die Anforderungen differenzierter sind, weil auch jeder Weg und jede Maßnahme kritischer beurteilt werden.
Diese Reformphase fällt in eine Phase internationaler Diskussion über grundsätzliche Fragen an Staat und Gesellschaft. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Marktwirtschaft werden nicht mehr als selbstverständlich hingenommen. Um ihre Akzeptierung muß gerungen werden. Es wird notwendig sein, für diese unsere Grundordnung die Bürger stärker als in der Vergangenheit zu aktivieren. Ich sage das, meine Damen und Herren, all denjenigen, die im Grunde zu diesem Staat und zu dieser Gesellschaft ja sagen, aber darauf verzichten, sich für diesen Staat und diese Gesellschaft zu engagieren. Die Gegner unserer freiheitlichen Ordnung sind zum Engagement für ihre Vorstellungen bereit. Aber die demokratische Grundordnung kann nur funktionieren, wenn auch die Anhänger dieser Ordnung dazu bereit sind. Wir brauchen den kritischen, aufgeklärten Bürger, der aus gesellschaftlichem und politischem Bewußtsein heraus bereit ist, mitzudenken, mitzuwirken und mitzugestalten.
Lassen Sie es mich einmal ganz hart sagen: Wir müssen von der Stimmzetteldemokratie zur Bekenntnisdemokratie, zum offenen Bekenntnis zu den Grundlagen dieser freiheitlichen Ordnung kommen.
({6})
Die radikalen Gegner dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben den Anhängern oder, sagen wir es ebenso hart und deutlich: den Nutznießern dieser Ordnung einiges an Bereitschaft zum Engagement und auch an Bekenntnisfreudigkeit voraus. Meine Damen und Herren, hier ist ein Nachholbedarf auf unserer, der demokratischen Seite. Deshalb ist die Hauptgefahr in Wahrheit die träge Mehrheit, die die Segnungen unserer freiheitlichen Ordnung genießt, es aber anderen überläßt, sich öffentlich für diese Ordnung einzusetzen und sich zu ihr zu bekennen. Meine Damen und Herren, es gibt auch ein Demokratieschmarotzertum. Ihm müssen wir gemeinsam den Kampf ansagen.
({7})
Das Bekenntnis zum Staat, das Bekenntnis zur äußeren und inneren Sicherheit - ich spreche hier vor allem von der inneren Sicherheit -, setzen auch das uneingeschränkte Bekenntnis zu denjenigen voraus, die in täglichem schwerem Dienst die Garanten der inneren Freiheit unseres Staates sind. Ich meine die Beamten unserer Polizeien in den Ländern und im Bund.
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Sie müssen wissen, daß sie bei der Erfüllung ihrer schweren Aufgabe vom Vertrauen der gesamten Bevölkerung getragen werden. Meine Damen und Herren, angesichts mancher Kritik - berechtigter, aber viel mehr unberechtigter Kritik - an der Polizei lassen Sie mich hier ein ganz klares Wort sagen: In einem demokratischen Staat sind die Polizeibeamten nicht Büttel irgendeiner Obrigkeit gegenüber dem einzelnen Burger, sondern die Garanten des Freiheitsraumes jedes einzelnen Bürgers in diesem Staat.
({9})
Deshalb sind die Polizeibeamten nicht die Prügelgarde, aber sie dürfen auch nicht die Prügelknaben der Nation werden.
({10})
Ich habe manchmal den Eindruck, daß bei mancher Kritik der öffentlichen
({11})
- oder sagen wir besser: der veröffentlichten Meinung - an der Polizei an einem vermeintlichen oder vielleicht auch wirklichen Fehlverhalten eines Polizeibeamten Tat, Täter oder Opfer völlig übersehen werden. Hier müssen wir hinstehen als politisch Verantwortliche. Wir müssen den Beamten draußen das Gefühl geben, daß wir in ihrem schweren Dienst hinter ihnen stehen. Meine Damen und Herren, wenn
alle Fraktionen das heute bei dieser Grundsatzdebatte zum Ausdruck bringen würden, wäre das ein wesentlicher Gewinn für die innere Sicherheit in unserem Land.
({12})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Bundesjustizminister, Herr Jahn.
({13})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
({0})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler ist als nächster Redner gemeldet. Ich darf Sie bitten, daß der Justizminister jetzt zu Wort kommt.
({1})
Herr Kollege Katzer! Meine Damen und Herren! Ich muß mich gegen den Vorwurf, dieses sei ein Mißbrauch, in aller Ruhe verwahren.
({0})
Ich nehme an, meine Damen und Herren, die Sie sich im Augenblick so schrecklich erregen: Sie haben doch wohl gehört, daß Ihr Herr Fraktionsvorsitzender heute morgen in seiner Erwiderung auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers Anlaß genommen hat, seine Position unter ausdrücklicher Berufung auf Erklärungen, die ich hier in einer anderen Debatte abgegeben habe, zu begründen.
({1})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Katzer?
Ja, bitte!
Herr Minister Jahn, finden Sie es wirklich richtig und gut in einem Parlament, daß Minister auf Minister spricht und die Opposition nicht die Gelegenheit und die Chance hat,
dazwischen zu sprechen, wenigstens eine Minute unsere Meinung dazwischen zu sagen? Das können Sie als Justizminister doch gestatten!
({0})
Aber, Herr Kollege Katzer, ich bin bereit, sofort auf meinen Platz zurückzugehen und zu warten, his Sie gesprochen haben, um mich anschließend zu melden. Ich hielte es nur für sachdienlich,
({0})
daß in dieser Debatte bei dem Thema, das der Bundeskanzler angesprochen hat innere Sicherheit -, und dem Versuch, zu einer gemeinsamen Position zu kommen, alle, die dazu etwas beigetragen haben und von Herrn Dr. Barzel angesprochen waren, sich dazu auch äußern.
({1})
Wenn Sie meinen, diese Debatte solle nach einer anderen Methode geführt werden, dann kann man sich darüber verständigen. Ich will dem gar nicht Schwierigkeiten bereiten. Nur ich finde, Herr Dr. Barzel hat einen Anspruch darauf ({2})
- Ich verstehe überhaupt nicht mehr, wovon Sie reden! Wieso ist das denn ein Mißbrauch der Redefreiheit?
({3})
Der Führer der Opposition hat in seiner Erwiderung auf die Erklärung des Bundeskanzlers heute morgen zum Punkte innere Sicherheit hier eine Auffassung vertreten, in der er mich ausdrücklich zitiert und behauptet hat, einiges, was früher von mir gesagt worden sei, mache die Gemeinsamkeit auf diesem Gebiet schwer. Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, hier einiges auszuräumen. Wir kommen darauf jetzt auch in der Sache zu sprechen.
Präsident von Hassel: Herr Bundesminister, darf ich einmal einen Augenblick unterbrechen. Hier liegt ein Irrtum vor. Der Abgeordnete Katzer ist als Redner gemeldet worden; diese Meldung ist bei mir aber als Meldung zum Einzelplan 04 angekommen. Es liegen schon zahlreiche Wortmeldungen zum Einzelplan 04 vor.
({4})
Deshalb bekommen Sie, Herr Kollege Katzer, im Anschluß an den Herrn Bundesjustizminister das Wort.
({5})
Herr Dr. Barzel, ich glaube, in diesem Hause sollte, wenn es möglich
ist, über eine Frage kein Streit geführt werden, nämlich darüber, daß die Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Methoden zur Bekämpfung der Kriminalität, die ja im übrigen nicht ein spezifisches Problem unseres Landes, sondern ein internationales Problem ist, mit dem sich alle Industriestaaten in West und Ost auseinanderzusetzen haben, ein Thema darstellen, für das es keine Patentlösung gibt. Wenn man einmal die Berichte über Ihre Reden in Wahlkämpfen und an anderen öffentlichen Orten nachliest, stellt man fest - und das ist interessant -: Patentantworten werden auch von Ihrer Seite nicht gegeben. Das ist auch in Ordnung so, denn niemand kann sie geben. Sie müssen sich aber die Frage gefallen lassen - Herr Kollege Genscher hat darauf hingewiesen -, ob es angemessen ist, an dieses Problem in einer Form der Diskussion heranzugehen, in der der Anschein erweckt wird, als gebe es sozusagen seit dem Oktober 1969 in diesem Lande eine Welle von Kriminalität, die da plötzlich über uns hereingebrochen sei und für die letzten Endes auch noch diese Regierung die Verantwortung trage. Ich halte das nicht für einen nützlichen Beitrag zur Diskussion. Wenn es aus diesem Grunde und aus diesem Anlaß in der Debatte über das Haftrecht hier zu einer sehr harten Auseinandersetzung gekommen ist, dann deshalb, weil damals der Versuch gemacht worden ist, diese Methode der Auseinandersetzung mit einem schwierigen Problem nun auch noch in das Parlament hineinzutragen. Ich halte weder von diesem Versuch, diese Methode in das Parlament hineinzutragen, etwas noch glaube ich, daß es gut ist, daß das, was ich damals zur Einleitung der Debatte gesagt habe, durch eine verkürzte Wiedergabe hier immer zu einem künstlichen Hindernis für ernsthafte Bemühungen um eine gemeinsame Sache nach brauchbaren Lösungen aufgebaut wird.
({0})
- Dies muß ich ja wohl dem entnehmen, was Herr Dr. Barzel heute morgen gesagt hat. Wenn er zuhören würde, würde ich ihm sagen und ihn darauf hinweisen, - ({1})
- Es kommt ja immer darauf an, von wem er sich stören läßt.
({2})
Nachdem ich ihm eben gesagt habe, daß ich über seine Äußerungen sprechen möchte, fände ich es ganz angemessen, wenn er zuhörte.
({3})
- Ich nehme das zur Kenntnis. Ich hatte vorher nur angekündigt, daß ich auf einige Ihrer Bemerkungen eingehen würde. Aber das ist Ihre Sache, Herr Barzel.
Ich wollte hier nur folgendes sagen. Ich habe damals in dieser Debatte meinen Diskussionsbeitrag damit begonnen, daß ich ausdrücklich bedauert habe, daß eine langjährige Grundübereinstimmung zwischen den Fraktionen bei der Bewältigung derartig schwieriger rechtspolitischer Probleme nunmehr offenbar aufgegeben werden solle. Dies war mein Ausganspunkt. Wenn Sie sagen, es sei schwierig, hier eine Gemeinsamkeit herbeizuführen, so erkläre ich Ihnen hier und heute zum wiederholten Male: Es gibt in diesem Hause gerade im Bereich der Rechtspolitik eine langjährige und, wie mir scheint, gute Tradition der Kooperation und des gemeinsamen Bemühens um rechtsstaatlich eindeutige, praktikable und hilfreiche Lösungen. Ich bin nicht nur vom Amte her, sondern ich bin sicher auch in voller Übereinstimmung mit meinen Freunden bereit, dazu zurückzukehren. Aber dies kann niemand einseitig. Das muß dann von beiden Seiten geschehen. Es wird gelegentlich ja auch von Ihrer Seite, meine Damen und Herren, in geeigneten Hinweisen Stellung dazu bezogen, daß weder in einzelnen Maßnahmen noch in einzelnen Erklärungen noch etwa gar in einem Einzelvorschlag wie dem der Änderung des Haftrechts eine ausreichende Antwort auf die Frage nach der Bekämpfung der Kriminalität, soweit von seiten der Rechtspolitik dazu Beiträge zu leisten sind, gegeben werden kann.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stark?
Bitte schön!
Herr Minister Jahn, wenn wir darin mit Ihnen übereinstimmen, hätten Sie es dann nicht zur besseren Bekämpfung der Kriminalität als richtig empfunden, in Ihrer Rechtspolitik andere Prioritäten zu setzen und an die Stelle des Dritten und Vierten Strafrechtsreformgesetzes die Strafverfahrensbeschleunigungsnovelle und die Haftrechtnovelle zu setzen? Es geht doch wohl um die Prioritäten?
Herr Kollege Stark, wir können über Prioritäten hier sprechen. Sie gehen offensichtlich von einer unrichtigen Voraussetzung aus. Wir haben hier keine unterschiedlichen Prioritäten gesetzt. Wir haben - das möchte ich jetzt in aller Deutlichkeit sagen - mit dem Dritten und Vierten Strafrechtsreformgesetz an jene damals bereits vorhandenen Vorarbeiten angeknüpft - teils hier im Haus in der letzten Wahlperiode, teils im Bundesministerium der Justiz -, die es uns erlaubten, die entsprechenden Novellen rechtzeitig vorzulegen. Die Maßnahmen zur Beschleunigung des Strafverfahrens sind das Ergebnis der Arbeitsgruppe, die auf einer Sonderkonferenz der Landesjustizminister im Mai des Jahres 1970, ein halbes Jahr nach meinem Amtsantritt, eingesetzt wurde. Sie hat in sehr intensiven, auch zeitlich intensiven Bemühungen vor wenigen Wochen ihre Arbeiten abgeschlossen, und dies hat dann sofort zur Vorlage der umfassenden Novelle zur Reform des Strafverfahrensrechts geführt. Ich muß Ihnen offen sagen: Es gab vorher keinerlei Vorarbeiten
auf diesem Gebiete. Um Prioritäten richtig setzen zu können, haben wir ein völlig neuartiges Verfahren gewählt. Wir haben uns nicht darauf beschränkt, zunächst einmal bei uns im Hause selber eine abgerundete Vorstellung zu entwickeln und dann in die Debatte mit den Ländern zu gehen, sondern haben, um dieses Verfahren zu beschleunigen, von vornherein eine Kooperation mit den Landesjustizministern und den Landesjustizverwaltungen gesucht und gefunden und zur Basis unserer Vorarbeiten gemacht. Deutlicher konnte nicht herausgestellt werden, daß wir der Überzeugung sind - wenn Sie hier von anderen Prioritäten sprechen, will ich das gerne so deuten, daß wir in diesem Punkte übereinstimmen -, daß dieses Thema Vorrang hat, ohne bürokratische Hemmnisse in den Griff genommen werden muß und eine alsbaldige Vorlage geeigneter Novellierungen möglich sein müßte. Hier hat es kein Zurückstellen, hier hat es kein nachträgliches Einsehen gegeben, sondern hier ist von Anfang an das getan worden, was möglich war. Wenn Sie berücksichtigen, daß wir nach weniger als zweieinhalb Jahren eine kabinettsreife Vorlage zu diesem Thema gebracht haben - gerechnet vom Zeitpunkt des Beginns der Arbeit dieser Regierung -, dann können Sie doch im Ernst nicht den Vorwurf aufrechterhalten, hier sei eine schwierige Aufgabe nicht mit der notwendigen Beschleunigung erledigt worden.
Nun muß ich aber noch ein Wort zu der Behandlung des Haftrechts sagen. Das, was damals die Debatte belastet hat, war doch ein einfacher Vorgang. Es gab, nachdem die Dinge hier im Hause bereits einmal beraten waren, einen Beschluß im Rechtsausschuß des Bundestages, der von allen Fraktionen des Hauses getragen und in dem gesagt worden war, daß der Bundesminister der Justiz zunächst einmal durch Umfrage bei den Landesjustizverwaltungen bestimmte Tatsachenfeststellungen treffen sollte, bevor man an die Novellierung des Haftrechtes endgültig herangehe. Wir haben uns ohne Verzug dieser Aufgabe angenommen. Bevor sie abgeschlossen werden konnte - was nicht an uns lag , sind Sie mit Ihrem Antrag gekommen, ohne Rücksicht auf die bestehende Verabredung der Fraktionen untereinander, ohne Rücksicht auf den dem Bundesminister der Justiz erteilten Auftrag, Tatsachenfeststellungen zu treffen, ohne die Ergebnisse abzuwarten, die abgewartet werden sollten und abgewartet werden mußten. In dieser Situation hat es der Herr Kollege Vogel für richtig befunden, sich hinzustellen und zu sagen, diese Regierung unterlasse notwendige Vorlagen. Das ist keine Methode, mit der man zur Zusammenarbeit kommen kann. Ich will jetzt hier nicht alle Dinge, die damals in der Debatte eine Rolle gespielt haben, wieder aufwärmen. Ich will nur schlicht und einfach sagen: wir haben in den Fragen der Beiträge der Rechtspolitik zu einer wirksamen Verbrechensbekämpfung eine gute Tradition. Wir können sie wahren, wenn wir wollen. Wir können die Möglichkeiten, die hier gerade durch Veränderung der Verfahrensgesetze, durch die Strafvollzugsreform und andere Dinge geschaffen werden können, wahrnehmen. Wir haben es an sich bitter notwendig, hieraus keinen Streit werden zu lassen. Deswegen findet das, was Herr
Dr. Barzel heute morgen dazu gesagt hat, nicht nur bei der Bundesregierung im allgemeinen, sondern auch bei mir, bezogen auf die früheren Formen unserer Zusammenarbeit, nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch alle Bereitschaft, darauf einzugehen und dies zu machen. Nur ist es auf die Dauer keine Methode, nur davon zu reden, sondern man muß sich in der Auseinandersetzung mit den Sachproblemen auch darum bemühen, diese Sachprobleme gemeinsam zu bewältigen.
({0})
Die Vorlage zur Reform des Strafverfahrensrechts werden Sie in den nächsten Wochen präsentiert bekommen. Da gibt es eine Reihe sehr schwieriger Fragen, mit denen wir uns sicherlich ausführlich und eingehend befassen müssen. Wir werden uns in absehbarer Zeit über die Fragen der Reform des Strafvollzugs auseinandersetzen müssen. Dies sage ich gerade bezogen auf den Punkt Gemeinsamkeit mit allem Ernst. Wer da draußen von der „weichen Welle" redet, wer da draußen von „Hotelvollzug" redet, wer da draußen die Bemühungen, dieses Strafrecht nach den Erkenntnissen unserer Zeit wirksamer zu gestalten, in der Weise in Verruf bringt, wie das vielfältig geschehen ist, der muß sich doch die Frage gefallen lassen: Wie ernst ist es mit der Bereitschaftserklärung zu gemeinsamen Bemühungen bestellt?
({1})
Ich bin durchaus der Meinung, daß das für solche Formen der Auseinandersetzung kein geeignetes Übungsfeld ist. Ich bin durchaus der Meinung, daß wir hier allen Grund haben, in Ruhe und Sachlichkeit uns der Aufgabe zu stellen, die hier vor allen Dingen Probleme schafft, und innerhalb der Bevölkerung deutlich zu machen, daß die Fortentwicklung der rechtspolitischen Möglichkeiten in unserem Staat, in unserer Gesellschaft eine große gemeinsame Anstrengung notwendig macht, aber auch rechtfertigt. Sie werden in der Auseinandersetzung mit den konkreten Themen Zeit und Gelegenheit genug haben, unter Beweis zu stellen,
({2})
ob wir nur Aufforderungen zur Gemeinsamkeit bekommen oder ob wir in der konkreten Arbeit an den Themen diese Gemeinsamkeit auch praktizieren können. An unserer Bereitschaft dazu wird es jedenfalls nicht fehlen.
({3})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordneter Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erklärung des Herrn Bundesjustizministers und der Charme der Erklärung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie in der Sache nichts gebracht hat, was diesem Hohen Hause nicht seit Wochen und Monaten bekannt ist.
({0})
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wissen, worum es geht. Sie haben keine Mehrheit. Sie fürchten eine Abstimmung.
({1})
Aber wir haben gestern - das ist ausgerechnet worden - mehr als 101/2 Stunden über den Einzelplan 04 gesprochen. Ich bin wirklich der Meinung, es wäre jetzt an der Zeit, über diesen Einzelplan 04 abzustimmen, damit wir in die Beratung des Haushalts eintreten und unsere Arbeit weiter tun können, wie wir uns das vorgenommen haben.
({2})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. ({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen.
({4})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Barzel weiß ganz genau, daß ich jetzt in ganzer Kürze, in dieser Zwischenzeit, auf seine von ihm aufgeworfene Frage in bezug auf die Art. 111 und 112 des Grundgesetzes eingehe. Das gehört zum Thema.
({0}) Das Thema ist erlaubt.
Ich darf nur eines sagen, Herr Kollege Barzel: wir sind uns der politischen Bedeutung dieser Angelegenheit durchaus bewußt.
({1})
Wir alle wissen, daß das parlamentarische Budgetrecht im Zentrum unserer ganzen parlamentarischen Geschichte der letzten 200 Jahre in der westlichen Welt steht.
Nun, was zu den beiden Artikeln zu sagen ist, das kann ich in die Worte fassen: Nach dem Wortlaut der Art. 111 und 112 des Grundgesetzes ist jede Bundesregierung durchaus in der Lage, solange ein Haushalt durch das Parlament nicht festgestellt ist, alle notwendigen Aufgaben zu erfüllen.
({2})
- Herr Barzel, das ist in den vergangenen Jahren unter vielen Bundesregierungen so gehandhabt worden. In einem Fall ist ein Haushalt erst für das letzte Vierteljahr des damaligen Haushaltsjahres durch dieses Parlament beschlossen worden.
({3})
Nur darf ich Ihnen, Herr Barzel, ein Zweites sagen. Was den Haushalt 1972 betrifft
({4})
und die Anwendung der Art. 111 und 112 des Grundgesetzes, so haben wir uns bisher peinlichst im Rahmen der Vorschriften gehalten, sowohl was die Eingrenzung nach Art. 111 des Grundgesetzes als auch was die überplanmäßigen Ausgaben nach Art. 112, die bisher geleistet wurden, betrifft.
({5})
- Sofort. Ich wollte Ihnen diese Auskunft geben.
Herr Barzel, ein letztes Wort noch. Sie meinten, Währungspolitik sei keine Angelegenheit der gemeinsamen Debatte in diesen Tagen oder Wochen. Ich darf Ihnen dazu sagen: Es geht nicht um nationale Währungsmaßnahmen - da hat Herr Barzel völlig recht -, es geht um gemeinschaftliche europäische Probleme der Währungspolitik. Diese sind allerdings so gewichtig, daß sie Gegenstand gemeinsamer Gespräche zwischen den Fraktionen dieses Hauses sein sollten.
({6})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler ist im Augenblick durch eine andere Sache verhindert. Er hat daher seine Wortmeldung zurückgezogen und mir das soeben ausdrücklich mitgeteilt. Wir sind damit am Ende der Aussprache, falls nicht noch weitere Wortmeldungen zu der außerhalb der Tagesordnung behandelten Regierungserklärung erfolgen. - Das ist nicht der Fall.
Wir fahren mit Punkt II der Tagesordnung fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1972
({7})
- Drucksachen VI/2650, zu VI/2650, Nachtrag zu VI/2650 Berichte des Haushaltsausschusses ({8})
Ich rufe erneut auf: Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes
- Drucksache VI/3353 Berichterstatter: Abgeordneter Hörmann ({9})
Abgeordneter Baier
Das Wort hat zunächst der Herr Kollege Lenders.
({10})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache über den Haushalt 04 fort.
({0})
Ich möchte in meinem Beitrag noch einmal darauf zurückkommen, daß während der Aussprache über diesen Haushalt 04 im Zentrum der Auseinandersetzungen auch die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung gestanden hat. Sie stand im Zentrum der Kritik von seiten der Opposition. Der Bundeswirtschafts- und Finanzminister selbst hat gestern in seiner übrigens sehr sachlichen Rede deutlich gemacht, daß diese Bundesregierung unter schwierigsten Bedingungen in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik Kurs gehalten und das Beste für die Menschen in unserem Lande herausgeholt hat.
({1})
Ich glaube, das ist gestern in dem sachlichen Beitrag des Bundeswirtschafts- und Finanzministers deutlich geworden. Ich brauche das, was er mit Zahlen und Fakten belegt hat, nicht noch einmal im einzelnen zu wiederholen.
Ich möchte lediglich auf einige Aspekte Ihrer Kritik zurückkommen. Sie weisen in Ihrer Kritik und in Ihren Beiträgen in, wie ich meine, oft sehr unsachlicher Weise und, meine Damen und Herren von der Opposition, auch in einer nicht zu übersehenden Art von Selbstgerechtigkeit darauf hin, daß die Wirtschaftspolitik, die Konjunkturpolitik - dabei sprechen Sie von den Preisen, vom Wachstum und anderen Faktoren - gescheitert sei. Das ist im Grunde nichts anderes als eine Art hemmungsloser Verunglimpfung dieser Politik, die in keiner Weise gerechtfertigt ist.
({2})
Ich sage noch einmal: die Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik dieser Koalition hat sich unter schwierigsten sowohl internen als auch externen Bedingungen bewährt. Es dürfte doch auch Ihnen nicht entgangen sein, daß sich die Entwicklungsperspektiven der deutschen Volkswirtschaft, unserer Wirtschaft, im Frühjahr des Jahres 1972 positiver darstellen, als aus Ihren Aussagen hervorgeht. Die Situation ist weit besser als die Situation im Herbst 1969, ja, weitaus günstiger, als sie noch vor einem Jahr, selbst noch im Spätherbst des vergangenen Jahres, erwartet wurde. Wir haben den Anschluß an den Frühjahrsaufschwung des Jahres 1972 gefunden, der Abschwung ist aufgefangen, und eine Rezession gibt es nicht.
({3})
Diese positive Entwicklung, meine Damen und Herren, diese Phase der Konsolidierungen, in der wir uns befinden, und die Sie nicht abstreiten können, wird durch eine vorsichtige und verantwortliche Politik der Nachfragestützung getragen. Das beziehe ich auch auf den jetzt vorliegenden Haushalt 1972.
({4})
Daß wir nicht nur den Aspekt des Wachstums, sondern auch ,den von Ihnen so stark strapazierten Aspekt der Preisentwicklungen, der Stabilität im Auge haben, wird doch dadurch bewiesen, daß diese Bundesregierung erklärt, daß sie zur Zeit von den Möglichkeiten des Eventualhaushalts keinen Gebrauch macht. Sie nimmt im Interesse der Stabilität in diesem Jahr - das geht aus dem Jahreswirtschaftsbericht hervor - eine unterdurchschnittliche reale Wachstumsrate der Wirtschaft, gemessen am mittelfristigen Wachstumspfad, in Kauf. Das nehmen wir im Interesse der Stabilität in Kauf.
Aber andererseits sind wir der Meinung, daß wir dieses reale Wachstum von zwei bis drei Prozent nur erreichen, wenn das an vorsichtigen und konsequenten Nachfragestützungen gegeben wird, was aus dem Vollzug des Haushalts 1972 kommt. Das ist der Zusammenhang, den Sie sehen müssen.
({5})
Nun, ich will nicht wieder wie Sie in den großen Rückblick auf die Gesamtentwicklung dieses Konjunkturzyklus verfallen. Es wäre da manches zu sagen. Aber ich habe noch ein Anliegen im Zusammenhang mit der bisherigen Diskussion, die wir führen.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Sie im gegenwärtigen Zeitpunkt immer wieder den Versuch machen, dieser Bundesregierung nicht nur die Verantwortung, sondern die alleinige Schuld für die Preisentwicklung zuzuschanzen, dann muß ich Sie fragen: Haben Sie eigentlich trotz der vielen Stellungnahmen sowohl des Sachverständigenrates als auch ,der Deutschen Bundesbank und der wirtschaftswissenschaftlichen Institute bis heute nicht begriffen, in welchem Maße internationale Interdependenzen auf unserer Preisentwicklung einwirken?
({6})
Und jetzt kommt der entscheidende Punkt. Haben Sie nicht begriffen, wie fragwürdig Ihre Argumentation wird, wenn ich noch einmal darauf verweise, daß Sie sich im Verlauf des gesamten Konjunkturzyklus immer wieder gegen ,die außenwirtschaftliche Absicherung unseres Preisniveaus gewehrt haben? Erinnern Sie sich an Ihre Entscheidungen im Jahre 1969! Erinnern Sie sich an Ihre Haltung im Laufe des vergangenen Jahres und Ende dieses Jahres! Ich weiß gar nicht, woher Sie auf dem Hintergrund dieser Ihrer absoluten Negation in der Frage der außenwirtschaftlichen Absicherung den Mut nehmen, in der Preisfrage, in der Frage der Preisstabilität, hier mit einer solchen Selbstgerechtigkeit aufzutreten. Das muß ich Ihnen einmal sagen.
({7})
Es ist im Zusammenhang mit der Aussprache über die Regierungserklärung davon gesprochen worden - der Bundeskanzler hat für diese Regierung auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation das Angebot gemacht -, daß man doch in zentralen Problemen, in zentralen Fragen unseres Landes, die die Menschen alle berühren, wenigstens den Versuch machen sollte, Ansatzpunkte für GemeinsamLenders
keiten zu finden. In diesen drei Punkten, die der Bundeskanzler genannt hat, war auch der Bereich der Währungspolitik.
Nun habe ich sehr aufmerksam vernommen, daß Herr Dr. Barzel in der Frage der Währungspolitik und der internationalen währungspolitischen Probleme, die heute für uns alle anstehen, und in dem Spannungsverhältnis, in dem wir uns bei diesen Fragen befinden, durchaus die Möglichkeiten eines gemeinsamen Ansatzes sieht, zumal, wie er mit Recht sagt, Währungsfragen nicht auf den offenen Markt diskutiert werden sollten. Ich empfinde das als positiv, zumal ich bisher nicht verstanden habe, daß sich gerade die CDU/CSU-Fraktion als Ganzes - ich beziehe das nicht auf jedes Mitglied Ihrer Bundestagsfraktion - nach außen hin in der Frage der außenwirtschaftlichen Absicherung und bei den währungspolitischen Problemen so negativ verhalten hat.
Ich sehe also hier Ansatzpunkte, und ich möchte noch einmal auf das Spannungsverhältnis hinweisen, in dem wir stehen. Auf der einen Seite ist die Bundesrepublik Deutschland ein stark exportorientiertes Land. Wir sind mit einem Viertel unseres Sozialprodukts in die Weltwirtschaft eingebunden. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite - und nun kommt das erste Spannungsverhältnis - hat die Bundesrepublik, haben wir, alle Parteien dieses Bundestages einschließlich der Opposition ein Interesse daran, ein möglichst hohes Maß an Preisstabilität zu erhalten, auch dann, wenn es im Weltmaßstab Entwicklungen gibt, die wir nicht mehr als preisstabile Entwicklungen bezeichnen und akzeptieren können. Hier ist ein Spannungsverhältnis zwischen der Exportorientierung und der Frage, wie man sich von dem internationalen Preistrend abhängt. Das ist das erste Spannungsverhältnis. Das wirft schwierige Probleme auf, die man gemeinsam besprechen könnte.
Das zweite Spannungsverhältnis ist, daß wir alle sagen - auch die CDU/CSU-Opposition -, daß wir eine Wirtschafts- und Währungsunion im Rahmen der Sechser- bzw. der Zehnergemeinschaft wollen, daß wir eine möglichst schnelle Entwicklung in Richtung einer Wirtschafts- und Währungsunion wollen, daß aber gleichzeitig - wenn man an das engere Aneinanderbind en dieser Volkswirtschaften denkt - die Frage eines Gefälles in der Preisentwicklung zumindest von einigen Ländern dieser Gemeinschaft zu unserem Stabilitätsverständnis entsteht. Auch das ist ein Spannungsverhältnis, das Sie in Ihrer ganzen Argumentation bisher entweder ignoriert haben oder das Sie mal so, mal so beantwortet haben. Einmal haben Sie sich lediglich auf Preisstabilität gestützt, ohne diese Folgen der Integration, die Probleme der Integration für die innerdeutsche Preisentwicklung überhaupt anzusprechen, oder Sie lassen die Preise rechts oder links liegen, je nach Wunsch, und sagen: Mit der Intregration geht es nicht schnell genug. Das ist ein Widerspruch, den Sie auflösen müssen. Das ist ein Spannungsverhältnis, eine Problemstellung, über die wir uns gemeinsam unterhalten müssen.
Dann gibt es noch ein Spannungsverhältnis in der Frage der internationalen Währungsproblematik, nämlich das Verhältnis zu unserem stärksten Partner in der atlantischen Gemeinschaft. Dann wächst sich diese ganze Problematik wie schon bei der EWG in eine nicht nur ökonomische, sondern politische Frage aus, über die man sich verständigen müßte. Ich will das nicht vertiefen. Hier sind ganz eindeutig Spannungsverhältnisse vorhanden, schwierige Probleme, die Sie aber in der bisherigen Diskussion zum Teil völlig einseitig behandelt oder einfach vom Tisch gewischt haben,
({8})
vor allen Dingen in der Art Ihrer Polemik gegen die Währungspolitik dieser Bundesregierung.
Und, meine Damen und Herren, es gibt natürlich noch ein Problem, wenn es darum geht, mit Ihnen in ein Gespräch zu kommen.
({9})
- Na ja, Herr Dr. Luda, ich will hier nicht über so manche Facetten plaudern, die wir in wirtschaftspolitischen Diskussionen im Wirtschaftsausschuß erlebt haben. Aber, meine Damen und Herren, gestern wurde mir das „Handelsblatt" vom 27. April auf den Tisch gelegt. Das Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist dort in einem Artikel mit der Überschrift „Hat die Union bessere Alternativen?"
({10})
- bezogen auf die Wirtschafts- und Währungspolitik - angesprochen worden. Und da wird gesagt: Nun, die Wirtschaftspolitik dieser CDU/CSU-Opposition ist ein Schachbrett, auf dem viele Läufer agieren, und danach, wie der Schreiber dieses Artikels es darstellt, agieren sie nicht alle in gleicher Richtung, und sie agieren möglicherweise sogar teilweise gegeneinander. Zumindest ist nicht klar erkennbar - so wird es in diesem Artikel dargestellt -, welche Wirtschafts- und Währungspolitik diese CDU/CSU-Opposition eigentlich vertritt.
({11})
Und dann kommt dieser Artikel zu dem Schluß, daß sich bisher eigentlich die Wirtschafts- und Währungspolitik dieser Opposition nur auf den Nenner bringen läßt: zur Zeit besteht der kleinste gemeinsame Nenner in dieser Opposition in der Negation der Wirtschafts- und Währungspolitik dieser Bundesregierung. Das ist alles.
({12})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Luda?
({13})
Verzeihen Sie, Herr Präsident, ich komme zum Schluß. - Meine Damen und Herren, wenn wir in wesentlichen Fragen auch der Wirtschafts- und Währungspolitik ins Gespräch kommen wollen, dann scheint es mir notwendig zu sein,
({0})
daß Sie erst einmal bei sich selbst den Zustand der Diffusion und der Konfusion in diesen Fragen ändern.
({1})
Präsident von Hassel: Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Lenders waren ohne Zweifel hochinteressant.
({0})
Sie wären besonders gut geeignet gewesen, beim Etat des Wirtschaftsministers als wirtschaftspolitische Rede gehalten zu werden.
({1})
Wir sind aber im Augenblick dabei, den Haushaltsplan 04, den Haushaltsplan des Herrn Bundeskanzlers, zu beraten.
({2})
Und da stellt sich doch die Frage: Warum wird hier so viel zu den Sachhaushaltsplänen geredet, wenn es jetzt um den Bundeskanzler geht.
({3})
Glaubt die Regierung, sie müsse noch mehr Zeit
haben, um ihre vielleicht ohnedies nur noch in ganz schwachen Stimmenzahlen zum Ausdruck zu bringende Mehrheit erst einmal zu erreden? Oder, Herr Bundeskanzler, war Ihr Gespräch mit Herrn Helms, war die Seelenmassage erfolgreich, so daß wir jetzt abstimmen können? Wenn das so sein sollte, würden wir uns freuen, denn wir sind der Meinung, daß nun genug geredet worden ist.
({4})
Wir wollen endlich einmal sehen - und die Bundesregierung muß dazu bereit sein, und sie muß nicht nur bereit sein, sondern muß das der deutschen Öffentlichkeit beweisen , ob sie noch eine tragfähige Mehrheit hinter sich hat.
({5})
Das soll diese Abstimmung erbringen, und deshalb beantragen wir namentliche Abstimmung.
({6})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus. Für ihn sind durch die Fraktion der FDP 30 Minuten Redezeit beantragt.
({7})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind immer noch in der Diskussion über den
({0})
Etat des Bundeskanzlers,
({1})
sicher, ,und dazu will ich auch einiges sagen, und zwar deshalb, weil gerade von Ihrer Seite zu Beginn dieser Debatte davon gesprochen wurde, daß im Zusammenhang mit der Beratung dieses Haushalts über alles, über die gesamte Politik gesprochen werden könne. Das ist hier von der Opposition gesagt worden.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, daß gerade die Rede des Herrn Bundeskanzlers einige sehr wichtige Aspekte beinhaltet hat, ,die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Ich erinnere an einen Satz, den ich hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere. Der Herr Bundeskanzler hat ausgeführt: „Dabei wird sorgfältig zu prüfen sein, ob die Anwendung des § 19 des Stabilitätsgesetzes angezeigt ist, der eine Begrenzung der Schuldaufnahmen vorsieht." Ich halte das für eine sehr wichtige Ankündigung, und zwar aus verschiedenen Gründen. Wir wissen alle, daß nicht nur der Bund Schuldaufnahmen tätigt und getätigt hat, sondern daß das in sehr viel erheblicherem Ausmaße insbesondere die Länder und die Gemeinden getan haben und tun. Wenn ich mir die Steigerungsraten der Verschuldung einmal vornehme, dann muß einem der Bund geradezu als Musterknabe der Verschuldung während der letzten zwei Jahre vorkommen.
({3})
Ichglaube, das sollte Sie, meine Damen und Herren, doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Wenn weiterhin in der Rede des Herrn Bundeskanzlers gesagt worden ist, daß die Anwendung des § 19 in Erwägung gezogen wird, soll das doch wohl auch heißen, daß sich der Bund in diesem Haushalt in bezug auf die Verschuldung so verhalten will, daß er weiterhin den Ländern und Iden Gemeinden ein Vorbild sein kann.
({4})
Präsident von Hassel: Einen Augenblick, Herr Abgeordneter.
Darf ich Sie bitten, meine Damen und Herren, hier vorne mehr Ruhe zu halten. Es ist für einen Abgeordneten schwer, bei dieser Bewegung und einem vollen Haus zu sprechen. Darf ich Sie bitten, wenn Rücksprachen nötig sind, dazu möglichst in den Hintergrund zu gehen.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle sollten sehr sachlich und nüchtern feststellen, daß wir uns bemühen und daß sich die Bundesregierung bemühen wird, einen gemeinsamen Weg zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode Gallus
zu finden, der zu einer gemeinsamen Verantwortung führen muß. Ich halte es auch deshalb für sehr richtig, daß der Herr Bundeskanzler das in seiner Rede angezeigt hat, weil wir ja politisch unterschiedliche Regierungen in den Ländern und im Bund haben. Es ist einfach unerträglich, wenn diejenigen, die diese Bundesregierung tragen, dauernd dafür Prügel bekommen, daß sich der Bund in dieser Hinsicht einwandfrei verhält, aber gerade die CDU-regierten Länder genau das Gegenteil tun.
({0})
Und was ist mit Schleswig-Holstein? Was ist mit Baden-Württemberg? Wer hat denn hier am meisten gesündigt?
({1})
Ich bin der Auffassung, die CDU hat, nachdem sie nach wie vor die Mehrheit im Bundesrat hat, die Möglichkeit, in Zukunft darauf einzuwirken, damit am gleichen Strang gezogen wird. Das ist Ihre große politische Aufgabe, wenn Sie diese Dinge hier einmal sachgerecht unter Dach und Fach bringen wollen.
({2})
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
({3})
Das sage ich als Liberaler, daß man diese Dinge aufeinander abstimmen muß, Herr Kollege Stücklen.
Ich möchte hier noch eines sagen. Die Reden zu diesem Einzelplan 04 hat Ihr Herr Abgeordneter Katzer eingeleitet. Er hat sich hier gewissermaßen als Statthalter der Stabilität dargestellt. Ich habe mich aber gerade in den letzten Wochen und Monaten draußen bei denen im gewerblichen Mittelstand umgesehen, die geglaubt haben, daß das Heil womöglich in einer zukünftigen CDU-Regierung auch hier im Bund läge. Dort habe ich ganz andere Töne gehört, insbesondere in bezug auf die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung.
({0})
- Richtig. Ich sage es trotzdem, denn Sie reden hier mit verschiedenen Zungen.
({1})
Hier ist so viel von Stabilität gesprochen worden. Ich erinnere Sie an das Schreiben - „persönlich, vertraulich" - des Diskussionskreises des Mittelstandes der Opposition, in dem immerhin zugegeben wird, daß gerade für die Wirtschaft mit dem Krankenversicherungs-Änderungsgesetz eine zusätzliche Nettobelastung von 2,47 Milliarden DM von der Einführung dieses Gesetzes an eingetreten ist. Ich glaube, hier haben Sie es versäumt, draußen in der Öffentlichkeit diese Dinge in der richtigen Relation darzustellen. Und nur darum geht es.
Ich möchte Ihnen noch etwas sagen. In diesem Zusammenhang spielen in der Diskussion ja auch Stabilität und Eigentum eine erhebliche Rolle. Denn die Opposition lebt ja seit Bestehen dieser Koalition von Verdächtigungen, Panikmache, Stimmungsmache in dieser Richtung.
({2})
- Ich bringe Ihnen hier noch den Beweis, wenn die Zeit bis 13 Uhr dazu reicht. „Sozialisierung", „Enteignung", „Bolschewisierung", die „Rote Armee" und „heimatlose Linksradikale", all das haben wir auch heute hier wieder gehört. Was der Herr Oppositionsführer Barzel heute hier in bezug auf die Linksradikalen gesagt hat, das sind genau die gleichen Töne, die im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg die überragende Rolle gespielt haben.
({3})
Aber bis zur Stunde, meine Damen und Herren, fehlt der Beweis auch nur einer Entscheidung, die es rechtfertigen würde, der Regierung ein solches Verhalten anzuhängen. Denn das Bekenntnis zum privaten Eigentum als Grundlage unserer Marktwirtschaft hat in jedem Gesetz einen entsprechenden Niederschlag gefunden.
Herr Katzer hat hier in bezug auf die Vermögensbildung den Burgbacher-Plan, den Beteiligungslohn und ähnliche Dinge angesprochen. Ich bin der Auffassung: auch hier sollte man wiederum ehrlich sein und der Wirtschaft sagen, was das in der Zukunft alles kosten und wer hier die Zeche bezahlen wird. Und da bin ich der Auffassung: Die Regierung hat sich in bezug auf ihre Vorschläge zur Steuerreform und Vermögensbildung, und auch das, was meine Partei und Fraktion hier vorgeschlagen haben, sehr vorbildlich verhalten; sie hat sich davon leiten lassen, eine optimale Zahl freier Existenzen in allen Bereichen zu erhalten.
({4})
Etwas anderes können Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb nicht behaupten, weil für dieses Gebiet genau das gleiche gilt wie für die gesamtpolitische Auffassung von der Situation, in der Sie sich befinden, nämlich daß Sie für jeden Bereich Forderungen stellen, ohne überhaupt einmal ein Gesamtkonzept auf den Tisch gelegt zu haben.
({5})
Wenn ich mir vergegenwärtige, was in den Diskussionen gerade der letzten Wochen über das Eigentum in bezug auf das Städtebauförderungsgesetz draußen an Halbwahrheiten und Verwechslungen erzählt worden ist, dann muß ich sagen - und ich will es einmal drastisch ausdrücken -: Das geht auf keine Kuhhaut.
({6})
Da ist z. B. folgendes passiert: Der CDU-Bürgermeister einer Stadt steht auf und erklärt, mit den Grundstücksspekulationen könne es so nicht weitergehen, und er ist gleichzeitig nicht davon in Kennt, nis gesetzt, daß wir hier ein Städtebauförderungs10786
gesetz verabschiedet haben, das wirklich einen Anfang macht, diese Dinge in den Griff zu bekommen.
({7})
Wir haben wahrhaftig darum gerungen, in diesem Gesetz einen vernünftigen Weg zu finden zwischen dem Auftrag der Verfassung, das Eigentum zu schützen, einerseits und dem Auftrag, die Sozialverpflichtung des Eigentums zu gewährleisten, andererseits. Es wäre anständig gewesen, wenn man das draußen gesagt hätte und auch in Zukunft sagen würde; denn es gibt dazu in der Tat keine Alternative.
({8})
Jetzt will ich Ihnen einmal den Beweis dafür antreten, wie draußen die Dinge verdreht werden. Da hieß es im letzten Wahlaufruf der CDU in einem Gemeindeblatt in meinem Wahlkreis
({9}) - in Donzdorf im Kreis Göppingen ({10}) folgendermaßen:
An alle Häusle-, Haus-, Grundstücks- und Schrebergartenbesitzer! Ihr alle habt es noch in der Hand, ob ihr auch in Zukunft noch den kleinsten Besitz als Eigentum behalten dürft. Wenn es nach den Jusos und Jungdemokraten geht, dann droht uns allen die radikale Sozialisierung
({11})
genau wie in den kommunistischen Staaten. Dann verlieren wir nicht nur unser sauer erspartes Eigentum, sondern auch die Freiheit.
({12}) Wollt ihr das? Gewiß nicht!
Meine Damen und Herren, über eine solche Wahlpropaganda, die die Dinge derart verdreht, können Sie noch Freude empfinden, obwohl wir alle angetreten sind, einen vernünftigen Weg gegenüber den Extremen auch in bezug auf das Eigentum zu finden. Ich muß Ihnen sagen, das tut mir herzlich leid.
({13})
Wenn ich lese, was Herr Echternach auf einer Tagung über neues Bodenrecht und Eigentum gesagt hat, dann bin ich der Überzeugung, daß er das eigentlich im Freiburger Programm der FDP abgelesen hat. Ich frage mich, wie man dann diejenigen, die seit Jahren bemüht sind, hier einen vernünftigen Weg zu finden, in jeder Richtung zu verteufeln versucht.
({14})
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wollte ich Ihnen hier anläßlich der Beratung des Kanzleretats einmal gesagt haben, weil es im Hinblick darauf, daß das richtige Demokratieverständnis draußen auch lebendig bleibt,
einfach nicht gerechtfertigt ist, die Dinge derart zu verdrehen.
Auch ein Wort zum Artikelgesetz. Ich habe diesem Gesetz gar nicht zugestimmt. Meine Haltung damals hat mir in den vergangenen Monaten aber immerhin eingetragen, daß ich in der Presse und darüber hinaus fälschlicherweise als jemand dargestellt worden bin, der ein Überläufer, ein unsicherer Kantonist sei. Ich mußte zudem feststellen, daß diese Lancierung meines Namens als möglicher Überläufer gerade aus den Reihen der Opposition kam.
Meine Damen und Herren, Herr Barzel hat im Zusammenhang mit dieser Diskussion von Fairneß und innerem Frieden gesprochen. Dazu gehört aber auch, daß man nicht jemand, der eine Entscheidung vollzogen hat, im voraus für die Zukunft dauernd verdächtigt, was er alles noch tun will oder nicht; denn ich brauche in bezug darauf keine Nachhilfestunden.
({15})
Das möchte ich einmal hier in aller Öffentlichkeit festgestellt haben, denn zur inneren Fairneß gehört dann auch, daß man sich klar distanzieren muß, gerade von seiten der CDU, wenn man schon nicht direkt von rechtsradikalen Kräften unterstützt wird, dann indirekt von den Hilfsfreiwilligen, die unter dem Tarnnamen der republikanischen Wählerinitiativen dieses Geschäft besorgt haben.
So!
({16})
Meine Damen und Herren, es gäbe sehr viele Beispiele dafür anzuführen, wie gerade in bezug auf Ihre Haltung und die Verdeutlichung der Politik, die Sie anstreben, draußen in der Öffentlichkeit Mißverständnisse und schiefe Darstellungen entstehen. Das gilt auch in bezug darauf, daß man so viel davon redet, daß, seit diese Regierung im Amt ist, die Zahl der Selbständigen laufend in einem Ausmaß zurückgeht, wie man das vorher nie gekannt habe. Man vergißt aber auch hier, die Dinge klar zu differenzieren in bezug darauf, daß zu den Selbständigen auch die Landwirte gehören und daß es Ihr Wunsch war - das ist in Ihrer Drucksache zur Nachzahlung der Rentenversicherung niedergeschrieben worden -, in bezug auf die Stärkung der industriellen Wirtschaft die Landwirtschaft schneller in ihrem Bestand zu dezimieren. Das haben Sie mit der entsprechenden Drucksache bestätigt. Auch hier gilt das eine: Wenn Sie schon von Fairneß reden, dann müssen Sie diese Dinge auch in aller Ehrlichkeit draußen darstellen.
({17})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, wir haben vereinbart, daß wir um 13 Uhr mit der Abstimmung über den Einzelplan 04 in namentlicher Abstimmung beginnen. Ich darf dem Vorredner danken, daß er diese Vereinbarung durch eine kürzere Rede möglich gemacht hat.
({18})
Präsident von Hassel
Ich darf Sie erst einmal auf folgendes aufmerksam machen. Es ist seitens der CDU, CSU-Fraktion eine namentliche Abstimmung über den Einzelplan 04 beantragt worden.
({19})
Die Durchführung der namentlichen Abstimmung
und ihre Auszählung wird wahrscheinlich etwa 20
Minuten dauern. Ich würde dann unterbrechen bis
14 Uhr, Fortsetzung der Tagesordnung mit der Fragestunde. Die Fraktion der SPD hat mich gebeten mitzuteilen, daß sie 15 Minuten nach Bekanntgabe des Ergebnisses zu einer Fraktionssitzung zusammentritt. Die Fraktion der CDU/CSU wird gleichfalls
15 Minuten danach zu einer Fraktionssitzung zusammentreten. Das gleiche gilt für die Fraktion der FDP. Ich darf Sie also bitten, zur Abstimmung zu kommen.
({20})
Ich darf Sie bitten, ein bißchen Sorge zu tragen, daß wir bei dieser Abstimmung übersichlich unseres Amtes walten können. Ich möchte Sie bitten, Platz zu nehmen.
Die Abstimmung erfolgt über den Einzelplan 04. Wer ihm zustimmt, benutzt die Ja-Karte, wer ihn ablehnt, die Nein-Karte, wer sich enthält, die Enthaltungskarte.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ich weise auf folgendes hin. Im Hochhaus tagt ein europäisches Gremium. Können mir die Mitglieder des Hauses sagen, ob die Kollegen von dort zur Abstimmung schon hierhergekommen sind?
({21})
- Von einer Seite wird gesagt, sie seien unterwegs, von der anderen Seite wird gesagt, sie seien bereits da.
({22})
Meine Damen und Herren, die Schriftführer können die Stimmen noch nicht auszählen; ich habe die Abstimmung noch nicht geschlossen. Ich bitte Sie, das Auszählen einzustellen, bis ich die Abstimmung geschlossen habe.
Hat jeder seine Stimmkarte abgegeben?
({23})
- Das ist nicht der Fall. Ich bitte Sie also, mit der Auszählung noch nicht zu beginnen.
Darf ich noch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Auszählung zu unterbleiben hat, bis ich die Abstimmung geschlossen habe. Mir wird mitgeteilt, daß einige Kollegen noch in den Aufzügen stecken, und mir wird mitgeteilt, daß die Europäer, die drüben im Hochhaus getagt haben, noch nicht da sind. Ich glaube, es ist eine Übung des Hauses, daß sie eine Chance haben, hierherzukommen und an der Abstimmung teilzunehmen. Ich darf Sie bitten, die Auszählung einzustellen.
Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal feststellen, ob alle sich beteiligt haben, ob die Karten abgegeben sind. - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie schon bitten, Platz zunehmen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung in zweiter Lesung über den Einzelplan 04 - die Drucksache hat die Nummer VI/3353 - bekannt.
Insgesamt sind 495 Stimmen von uneingeschränkt stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses und 22 Stimmen von Berliner Abgeordneten abgegeben worden. Insgesamt haben sich also 517 Mitglieder an der Abstimmung beteiligt.
Von den uneingeschränkt Stimmberechtigten haben mit Ja, also für den Einzelplan 04, 247, mit Nein, also gegen den Einzelplan 04, ebenfalls 247 gestimmt. Enthalten hat sich ein uneingeschränkt stimmberechtigtes Mitglied des Hauses. Zusammen sind das 495.
Von den Berliner Abgeordneten haben für den Einzelplan 04, also mit Ja, 12, gegen den Einzelplan 04, also mit Nein, 10 gestimmt. Zusammen sind das 22.
Ein Antrag ist bei Stimmengleichheit abgelehnt. Der Einzelplan 04 ist also in zweiter Lesung abgelehnt worden.
Ergebnis:
Abgegebene Stimmen 495 und 22 Berliner Abgeordnete. Davon
Ja: 247 und 12 Berliner Abgeordnete
Nein: 247 und 10 Berliner Abgeordnete
Enthalten: 1
Ja
SPD
Adams
Dr. Ahrens
Anbuhl Dr. Apel
Arendt ({24})
Dr. Arndt ({25})
Baack Baeuchle
Bäuerle Bals
Barche
Dr. Bardens
Batz
Bauer ({26})
Bay
Dr. Bayerl
Dr. Bechert ({27}) Becker ({28})
Dr. Beermann
Behrendt
Bergmann
Berkhan
Berlin Biermann
Böhm Börner Frau von Bothmer
Brandt ({29})
Bredl
Brück ({30})
Brünen Buchstaller
Büchler ({31})
Büchner ({32})
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Corterier
Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland
Dr. Ehmke
Frau Eilers
Dr. Enders
Engholm
Dr. Eppler
Esters Faller Dr. Farthmann
Fellermaier
Fiebig
Dr. Fischer
Flämig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke ({33})
Frehsee
Frau Freyh
Fritsch
Geiger
Gerlach ({34})
Gertzen
Dr. Geßner
Glombig Gnädinger
Grobecker Dr. Haack
Haar ({35})
Haase ({36}) Haehser
Halfmeier Hansen Hansing Hauck
Dr. Hauff Henke
Frau Herklotz
Hermsdorf ({37}) Herold
Höhmann ({38})
Hörmann ({39}) Hofmann
Horn
Frau Huber
Jahn ({40})
Jaschke Junghans Junker
Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Dr. Koch Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann Kriedemann
Krockert Kulawig Lange
Langebeck
Dr. Lauritzen Lautenschlager
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Maibaum Marquardt
Marx ({41})
Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke ({42}) Meinicke ({43}) Metzger
Michels Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller ({44})
Dr. Müller ({45}) Müller ({46})
Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann Neumann Dr. Nölling
Dr. Oetting
Offergeld Frau Dr. Orth
Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter Pensky Peters ({47})
Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Richter
Dr. Rinderspacher
Rohde Rosenthal
Roß
Säckl
Sander Saxowski
Dr. Schachtschabel
Dr. Schäfer ({48}) Frau Schanzenbach
Scheu
Schiller ({49})
Frau Schimschok Schirmer
Schlaga
Dr. Schmid ({50}) Schmidt ({51}) Dr. Schmidt ({52}) Schmidt ({53})
Dr. Schmidt ({54}) Schmidt ({55}) Schmidt ({56}) Schmidt ({57})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle
Schollmeyer
Schonhofen
Schulte ({58})
Schwabe
Seefeld Seibert Seidel Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta
Dr. Sperling
Spillecke
Staak ({59})
Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak
Vit
Walkhoff
Dr. Weber ({60})
Wehner Welslau Wende Wendt Westphal
Dr. Wichert
Wiefel Wienand
Wilhelm
Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({61}) Wolf
Wolfram
Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt ({62}) Bartsch
Bühling
Dr. Dübber
Heyen
Frau Krappe
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei Sieglerschmidt
FDP
Dr. Achenbach
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Gallus Geldner Genscher
Graaff Grüner Jung
Kirst
Kleinert Krall
Logemann
Mertes Mischnick
Moersch
Ollesch
Peters ({63}) Scheel
Schmidt ({64}) Spitzmüller
Wurbs
Berliner Abgeordnete Borm
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
Dr. Aigner Alber
von Alten-Nordheim
Dr. Arnold Dr. Artzinger
Dr. Bach
Baier
Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becher ({65})
Dr. Becker ({66})
Becker ({67}) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge Biechele
Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann Blumenfeld
von Bockelberg
Dr. Böhme
Frau Brauksiepe Breidbach Bremer
Bremm
Brück ({68})
Dr. Burgbacher
Burger
Dr. Czaja Damm
Dasch
van Delden
Dichgans Dr. Dittrich
Dr. Dollinger
Draeger
von Eckardt
Ehnes
Engelsberger
Dr. Erhard
Erhard ({69}) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke ({70})
Dr. Franz Dr. Freiwald
Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Furler Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Gerlach ({71}) Gewandt
Gierenstein
Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing ({72})
Dr. Gölter Dr. Götz Gottesleben
Frau Griesinger
Dr. Gruhl
Freiherr von und zu Guttenberg
Haase ({73})
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hallstein
Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser ({74}) Dr. Hauser ({75})
Dr. Heck Dr. Hellige
Dr. Hermesdorf ({76}) Höcherl
Hösl
Horstmeier
Dr. Hubrig Dr. Hupka Hussing Dr. Huys Frau Jacobi ({77})
Dr. Jahn ({78}) Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Katzer
Dr. Kempfler
Kiechle
Kiep
Dr. h. c. Kiesinger
Frau Klee Dr. Klepsch
Dr. Kley
Dr. Kliesing ({79})
Präsident von Hassel
Klinker
Köster
Krammig Krampe
Dr. Kraske Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Leicht
Lemmrich Lensing
Dr. Lenz ({80})
Lenze ({81})
Lenzer
Link
Löher ({82})
Dr. Löhr
Looft
Dr. Luda
Lücke ({83})
Lücker ({84})
Majonica Dr. Martin
Dr. Marx ({85}) Maucher
Meister
Memmel Dr. Mende Mick
Dr. Mikat Dr. Miltner
Dr. Müller ({86}) Müller ({87}) Müller ({88})
Dr. Müller-Hermann
Mursch ({89}) Niegel
Dr. von Nordenskjöld
Orgaß
Ott
Petersen Pfeifer
Picard
Pieroth
Dr. Pinger Pohlmann Dr. Prassler Dr. Preiß Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Dr. Reinhard
Richarts
Riedel ({90})
Dr. Riedl ({91})
Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. Ritz
Rock
Röhner
Rösing
Rollmann Rommerskirchen
Roser
Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schedl
Schlee
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt ({92}) Schmitt ({93})
Dr. h. c. Schmücker Schneider ({94}) Dr. Schneider ({95}) Dr. Schober
Frau Schroeder ({96}) Dr. Schröder ({97}) Schröder ({98}) Schröder ({99})
Schulhoff
Schulte ({100}) Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Seiters
Dr. Siemer
Solke
Spilker
Springorum
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark ({101}) Dr. Starke ({102}) Stein ({103})
Steiner
Frau Stommel
Storm
Strauß
Struve
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar
Vogel
Vogt
Volmer
Wagner ({104}) Dr. Wagner ({105}) Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber ({106}) Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Wendelborn
Werner
Windelen
Winkelheide
Wissebach
Dr. Wittmann ({107})
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Dr. Wulff
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Zoglmann ({108})
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger
Dr. Gradl
Dr. Kotowski
Kunz
Müller ({109})
Frau Pieser
Dr. Schulz ({110}) Dr. Seume ({111}) Wohlrabe
Fraktionslos Helms
Enthaltungen
FDP
Frhr. von Kühlmann-Stumm
(
Ich bitte ums Wort!) - Das Wort hat der Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung bedauert, daß durch Stimmengleichheit bei Nichtwertung der Berliner Stimmen diese Vorlage nicht die Zustimmung des Hohen Hauses gefunden hat. Ich bitte namens der Bundesregierung schon jetzt um die Unterstützung, die wir brauchen, um dies bei der dritten Lesung zu korrigieren.
({0})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche, wie angekündigt, die Sitzung bis 14 Uhr zur Fragestunde. Alle drei Fraktionen haben um 13.45 Uhr eine Fraktionssitzung.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({1}).
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt I der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache VI/3377 Herr Staatssekretär Moersch, keiner der Fragesteller ist anwesend. Dann werden die Fragen der Abgeordneten Bremer, Werner, Anbuhl und Engelsberger zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Abgeordneten Riedel ({0}) und Dr. Schulze-Vorberg bitten um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen. Die Antworten werden ebenfalls als Anlagen abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind.
Die Sitzung wird unterbrochen. Es wird noch mitgeteilt, wann sie fortgesetzt wird.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({1})
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der Beratung des Tagesordnungspunktes II fort. Ich rufe auf:
Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts
- Drucksache VI/3354 Berichterstatter: Abgeordneter Hörmann
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Marx. ({3})
- Wird das Wort gewünscht? - Herr Kollege Marx!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist soeben eine kurze Verwirrung deshalb entstanden, weil wir davon ausgehen, daß die Fraktionen dieses Hohen Hauses damit einverstanden sind, daß wir kontroverse Diskussionen über jene Themen, von denen wir hören, daß sie Gegenstand des Spitzengesprächs heute abend sein sollen, hier nicht führen. Ich wäre dankbar, meine Damen und Herren, wenn es möglich wäre, daß wir uns noch einmal darüber verständigen, über welche Haushalte heute nachmittag noch diskutiert wird.
Meine Damen und Herren, der Einzelplan 05 ist aufgerufen. Wenn der Wunsch besteht, ihn zurückzustellen oder einen anderen aufzurufen, dann bitte ich, dies zu sagen.
- Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das, was der Kollege Marx soeben hier vorgetragen hat, ist sicher wert, sorgfältig überlegt zu werden.
({0}) - Warum soll das mal nicht der Fall sein?
({1})
Da wir das aber sicher nicht hier können, beantrage ich im Namen der Fraktion der FDP eine Unterbrechung der Sitzung für die Dauer von 30 Minuten.
Meine Damen und Herren, es ist Unterbrechung der Sitzung beantragt. Wir treffen uns wieder um 15.40 Uhr.
({0})
Meine Damen und Herren, die Sitzung wird auf Grund interfraktioneller Vereinbarung fortgesetzt. Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben in der Zwischenzeit vereinbart, die weitere Beratung des Haushalts für heute nachmittag abzusetzen. Wir wollen die Zeit bis 18 Uhr nutzen, um das gemeinsame Gespräch beim Bundeskanzler vorzubereiten. Sie sehen, daß einige unserer Mitglieder sich bereits darum bemühen.
({0})
- Herr Kollege Wehner, ich habe soeben mit dem Kollegen Wienand und dem Kollegen Mertes diese Vereinbarung getroffen. Ich nehme an, daß das auch die Billigung Ihrer Fraktion findet.
({1})
- Ich wiederhole: Wir sind mit dieser Vereinbarung einverstanden, die Beratung des Haushalts für heute nachmittag zu unterbrechen und die Zeit zu nutzen, um das Gespräch beim Herrn Bundeskanzler vorzubereiten.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Wienand.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir waren vorhin übereingekommen, hier in der Beratung fortzufahren. Dann hat sich diese neue Situation ergeben. Die Frage, wann wir mit den Beratungen fortfahren, war nicht ausdiskutiert. Ich bin mit dem Eindruck aus dieser Unterredung gegangen, daß dies einer definitiven Klärung bedarf. Wenn die Äußerungen des Kollegen Wagner so zu verstehen sind, daß heute unterbrochen und in der nächsten Woche darüber beraten wird, wann die Haushaltsberatungen fortgesetzt werden, und daß aus der vorliegenden Tagesordnung kein Präjudiz abgeleitet wird, dann könnte man von einem Konsenus sprechen; sonst ist er nicht zustande gekommen.
Können sich die Herren einig werden? - Bitte schön, Herr Kollege Stücklen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wehner! Wenn Herr Wagner hier für die Fraktion und nach Abstimmung mit Ihrem Geschäftsführer und mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP spricht, dann besteht, glaube ich, kein Grund mehr, an der Gültigkeit und der Zustimmung zu diesen Abmachungen zu zweifeln.
({0})
- Ich wollte das auch von mir aus noch bekräftigen und bestätigen.
Herr Kollege Wienand, wir gehen selbstverständlich davon aus, daß die Haushaltsberatungen spätestens Dienstag mittag fortgesetzt werden. Ich weiß nicht, ob über diesen Punkt schon eine Einigung erzielt worden ist. Ich kann mir aber nicht gut vorstellen, daß man die Haushaltsberatungen einfach hängen läßt. Auf allen Seiten des Hauses besteht doch das Bedürfnis und man sieht die Notwendigkeit, daß die Haushaltsberatungen zu Abschluß gebracht werden müssen.
({1})
- Aber Sie wollten die Vertagung haben. Es hat Schwierigkeiten gegeben - ({2})
- Nein! Herr Wehner, es scheint, daß der Informationsfluß innerhalb Ihrer Fraktion im Augenblick nicht so recht funktioniert.
({3})
Herr Kollege Wienand ist in diesem Sinne verständigt, ,die Bundesregierung ist in diesem Sinne verständigt. Herr Minister Ehmke hat mich noch ermuntert, in diesem Sinne hier zu plädieren. Ich sehe gar nicht ein, daß neue Schwierigkeiten auftreten müssen. Ich betone noch einmal: Wir sind mit dem Antrag auf Vertagung einverstanden
({4})
und erwarten, daß die Haushaltsberatungen Dienstag mittag fortgesetzt werden.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es zeigt sich doch, daß manches durcheinander geht. Es zeigt sich meines Erachtens auch, daß innerhalb der Fraktion der Opposition noch keine klaren Vorstellungen darüber bestehen, wie nun weiter verfahren werden soll;
({0})
denn Sie können doch nicht hinwegleugnen, daß zunächst einige Ihrer Fraktionsmitglieder den Wunsch hatten, die Tagesordnung für heute zu beenden.
({1})
- Soll ich Ihnen die Namen derer nennen, die uns dieses Anliegen vorgetragen haben? Vielleicht sind Sie dann bereit, das zuzugeben. Wir wollen das nicht weiter vertiefen, aber so ist es; glauben Sie mir, Herr Kollege Ruf. Andere waren der Meinung, bis 18 Uhr tagen zu müssen.
Nun ist ein Antrag gestellt worden, die Haushaltsberatung in zweiter Lesung jetzt abzubrechen.
({2})
Es ist keine Vereinbarung ,darüber erzielt worden, was in der nächsten Woche geschehen soll. Ich muß Ihnen sagen, daß das hier auch nicht vereinbart werden kann. Wir können hier jetzt keine Tagesordnung für die nächste Woche beschließen und festlegen, was am nächsten Dienstag geschehen soll. Deswegen, meine ich, müßte jetzt, wenn wir weiterkommen wollen, unverzüglich der Ältestenrat tagen und sich mit dieser Frage befassen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während der Mittagszeit gab es in der Koalition Überlegungen,
einen Antrag zu stellen, die Haushaltsplanberatungen für heute abzusetzen. Wir waren der Meinung, wir müßten über den weiteren Fortgang eine Vereinbarung erzielen. Das war aber bis zum Beginn dieser Sitzung nicht zu erreichen. Deshalb wurde die Überlegung angestellt, zunächst mit der Beratung zu beginnen, um dann eine Vereinbarung zu treffen. In der Zwischenzeit gab es Vorschläge, sich darüber zu einigen, daß der Haushalt heute nachmittag nicht weiterberaten, sondern die Zeit genutzt werden solle, um das Gespräch beim Herrn Bundeskanzler vorzubereiten. Zu einer solchen Vereinbarung sind wir nach wie vor bereit.
Der Kollege Mertes sagte, wir hätten keine klaren Vorstellungen über den weiteren Fortgang. Wir haben x-mal erklärt, daß uns daran liege, den Haushalt weiterzuberaten und wir zunächst davon ausgingen, daß dies ab Dienstag nächster Woche geschehen könne. Es gibt keinen Streit darüber, daß eine solche Vereinbarung nur im Ältestenrat oder hier im Plenum erzielt werden kann. Wir nehmen aber an, daß auch bei dem heute abend stattfindenden Gespräch diese Themen erörtert werden.
Ich darf abschließend also noch einmal bemerken: Wir sind zu einer Vereinbarung bereit, die Zeit jetzt zur Vorbereitung des Gesprächs beim Herrn Bundeskanzler zu nutzen und die Beratung nicht fortzusetzen. Wenn eine solche Vereinbarung nicht zustande kommt, melden wir unsere Redner zur Beratung des Einzelplans 05 an.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wienand.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag des Kollegen Mertes, zu unterbrechen und den Ältestenrat einzuberufen, unterstützen.
({0})
Meine Damen und Herren! Es ist Vertagung beantragt, und es ist Unterbrechung beantragt.
({0})
- Unterbrechung! Wie lange?
({1})
- Ich unterbreche also die Sitzung. Der Ältestenrat
wird einberufen. Richten Sie sich bitte auf eine gute Stunde ein. Wir werden dann weitere Mitteilungen machen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat sich dahingehend verständigt, daß die Beratungen über den Haushalt unterbrochen und in dieser Woche nicht wieder aufgenommen werden. Der Ältestenrat wird am Dienstag darüber beraten, wie es dann weitergehen soll.
Ich bin gebeten worden, namens aller Fraktionen zu sagen, daß für die in den europäischen Gremien tätigen Kollegen ab 2. Mai die volle Präsenz in diesem Hause gilt. Inzwischen sollen die vorgesehenen Gespräche auf anderer Ebene geführt werden.
Ich berufe idas Haus für die nächste Woche ein, wobei der genaue Zeitplan noch bekanntgegeben wird.
Die Sitzung ist geschlossen.