Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, für den aus dem Gemeinsamen Ausschuß gemäß Artikel 53 a des Grundgesetzes ausscheidenden Abgeordneten Haar schlägt die Fraktion der SPD den Abgeordneten Pensky vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Pensky als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses bestimmt.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 9. März 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Prassler, Frau Griesinger, Dr. Frith, Kiechle, Niegel, Susset, Bewerunge, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Schneider ({0}) und der Fraklion der CDU CSU betr. steuerliche Behandlung forstwirtschaftlicher Zusammenschlüsse - Drucksache V1/3199 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/3255 verteilt.
Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat am 25. Februar 1972 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1970/71 ({1}) vorgelegt. Bericht und Bilanz werden als Drucksache VI/3230 verteilt.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung der von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe
a) eines Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung ({2})
b) eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung
- Drucksache VI/3088 Zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Justiz das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Die Bundesregierung legt dem Hohen Hause heute den Entwurf eines neuen GmbH-Gesetzes vor. Die Reform des GmbH-Rechts ist ein Teilstück der Reformen, die das Recht der Wirtschaftsunternehmen den Anforderungen unserer Zeit anpassen sollen. Das Hohe Haus hat im Jahre 1965 das neue Aktiengesetz verabschiedet. 1969 ist mit dem Publizitätsgesetz der nächste wichtige Schritt getan worden. Die Bedeutung größerer Unternehmen für die Allgemeinheit, die auch eine Durchschaubarkeit ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert, hat damals zum erstenmal ihren Niederschlag in einer für Unternehmen aller Rechtsformen geltenden Regelung gefunden. Man kann dies als den Beginn der Entwicklung eines umfassenden Unternehmensrechts bezeichnen.
Der dem Hause heute vorgelegte Entwurf eines neuen GmbH-Gesetzes soll für sich genommen die Rechtsform der GmbH nur gesellschaftsrechtlich reformieren. Er holt für die GmbH den Schritt nach, der für die Aktiengesellschaft bereits 1965 getan wurde. An die Stelle des geltenden GmbH-Gesetzes, das in diesen Wochen 80 Jahre alt wird, soll ein modernes Organisationsgesetz treten, das insbesondere die Gläubiger und die Minderheiten besser sichert. Der Entwurf beschränkt sich bewußt auf eine Reform der herkömmlich als gesellschaftsrechtlich bezeichneten Probleme der GmbH und stellt damit, wenn wir den größeren Rahmen des gesamten Unternehmensrechts ins Auge fassen, nur eine Teilreform dar. Es gehört ganz ohne Zweifel zu den grundlegenden gesellschaftspolitischen Aufgaben unserer Zeit, den Unternehmen eine Verfassung zu geben, die ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit, für ihre Eigentümer und für die in ihnen arbeitenden Menschen gerecht wird.
Die Frage, wie insbesondere größere Unternehmen verfaßt sein müssen, kann sinnvoll jedoch nicht isoliert für eine Rechtsform entschieden werden. Sie stellt sich - und das ist gerade auch bei unseren Arbeiten an dieser GmbH-Reform wieder ganz deutlich zutage getreten - für Unternehmen jeglicher Rechtsform und muß daher allgemein und auf sehr viel breiterer Basis angegangen werden. Dies gilt auch für die Vertretung der Arbeitnehmer in den Organen des Unternehmens. Diese Frage muß offenbleiben, um der Fortentwicklung unseres Gesellschaftsrechts zu einem umfassenden Unternehmensrecht nicht für einen Teilbereich der GmbH vorzugreifen. Für die Zusammensetzung und die Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane der GmbH beläßt es der Entwurf daher beim geltenden Recht.
Die Bundesregierung mißt der Lösung der unternehmensrechtlichen Probleme große Bedeutung zu.
Sie sollen zwar außerhalb der GmbH-Reform, aber gleichzeitig mit ihr in Angriff genommen werden. Für die Erarbeitung der dafür erforderlichen Grundlagen hat die Bundesregierung mich ermächtigt, bei meinem Hause eine Kommission unabhängiger Sachverständiger zu berufen. Die hierfür notwendigen Vorbereitungen sind bereits abgeschlossen. Die konstituierende Sitzung der Kommission wird in Kürze stattfinden.
Die Reform der gesellschaftsrechtlichen Probleme der GmbH darf wegen dieser unternehmensrechtlichen Arbeiten jedoch nicht aufgeschoben oder verzögert werden. Die Reform ist immer dringender geworden, nachdem die Diskussion um sie beinahe schon so alt wie die GmbH selbst ist. Wir sollten diese Reform nunmehr bald verwirklichen, zumal sie die künftigen unternehmensrechtlichen Überlegungen keineswegs belastet oder gar behindert, sondern ihnen im Gegenteil den Weg ebnen wird.
Um welche wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Reformziele geht es im einzenlen bei der dem Hohen Hause unterbreiteten Vorlage? Eines dieser wichtigsten Reformziele ist die Verstärkung des Gläubigerschutzes. Nicht zuletzt wollen wir damit zugleich einen Beitrag zur vorbeugenden Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität leisten. Diesem Ziel dient zunächst eine Verbesserung des Gründungsrechts. Einmal soll ein gewisser Mindeststandard für die kapitalmäßige Ausstattung von Unternehmen gewährleistet werden, deren Gesellschafter grundsätzlich nur beschränkt haften. Die Mindesteinzahlung auf die Geschäftsanteile der Gesellschafter soll daher von bisher 5000 auf 20 000 DM heraufgesetzt werden. Zum anderen soll insbesondere bei Sachgründungen besser als bisher sichergestellt werden, daß das von den Gesellschaftern versprochene Stammkapital auch tatsächlich aufgebracht wird. Bestimmte Sacheinlagen, die ihrer Natur nach einen zweifelhaften Wert haben, sollen in jedem Falle durch vom Gericht bestellte Gründungsprüfer geprüft werden. Daneben sollen die gerichtliche Kontrolle bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und die persönliche Verantwortung der an der Gründung beteiligten Personen verstärkt werden.
Von einer Heraufsetzung des Mindeststammkapitals von 20 000 DM sieht der Entwurf dagegen ab. Sicher sprechen auch gute Gründe für die vom Bundesrat vorgeschlagene Erhöhung auf 50 000 DM, wie sie in einem früheren Stadium der Reform auch in meinem Hause in Erwägung gezogen war. Die sorgfältige Abwägung des Für und Wider einer solchen Heraufsetzung des Mindeststammkapitals hat die Bundesregierung jedoch veranlaßt, es insoweit bei der bisherigen Regelung zu belassen. Die Gründe dafür sind im einzelnen bereits in der Begründung zum Regierungsentwurf und in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates dargelegt. Lassen Sie mich hier nur so viel zusammenfassen. Mehr als die Hälfte aller bestehenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung hat ein Stammkapital von nur 20 000 DM, ohne daß diese Gesellschaften alle als nicht ausreichend fundiert angesehen werden könnten. Dem Mindeststammkapital braucht vor allem im Hinblick auf die anderen Gläubigersicherungen des Entwurfs - und damit meine ich insbesondere die Pflicht zur öffentlichen Rechnungslegung - nicht mehr die gleiche Bedeutung wie bisher beigemessen zu werden. Auch im europäischen Vergleich würde eine Heraufsetzung des Mindeststammkapitals aus dem Rahmen fallen und eine künftige Harmonisierung des GmbH-Rechts erschweren. Das Mindeststammkapital liegt in den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaften, sofern sie überhaupt ein solches Mindestkapital vorschreiben, sogar noch unter 20 000 DM. Die Bundesregierung hält es daher für richtiger, auf eine Erhöhung des Mindeststammkapitals zu verzichten.
Wenn ich unter den neuen Gläubigersicherungen die Vorschriften über die Rechnungslegung der GmbH besonders hervorhebe, so deshalb, weil damit eine ganz wesentliche Änderung gegenüber dem geltenden Recht verbunden sein wird, eine Änderung freilich, in der wir uns im Grundsatz mit den Mitgliedstaaten der Europäichen Gemeinschaften einig wissen. Das Stammkapital als im geltenden Recht wesentliche Gläubigersicherung vermag nur sicherzustellen, daß die Gesellschafter einmal ein ihm entsprechendes Gesellschaftsvermögen aufbringen müssen. Was mit diesem Vermögen geschieht und ob es sich durch schlechten Gang der Geschäfte alsbald wieder vermindert hat, bleibt den Gläubigern hingegen bisher verborgen. Durch die im Entwurf vorgesehene Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses soll es künftig der Allgemeinheit und insbesondere jedem Geschäftspartner einer GmbH möglich sein, sich über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft ein ausreichend klares Bild zu machen.
Die Ausgestaltung der Pflicht zur Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses wird allerdings noch eine eingehende und sorgfältige Beratung mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften erfordern. Der Regierungsentwurf verweist daher insoweit auf eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften. Die Kommission hat hierfür einen Vorschlag unterbreitet, der auch dem Hohen Hause bereits vorliegt. Bei den Verhandlungen im Ministerrat in Brüssel wird insbesondere über die notwendigen Abgrenzungen nach der Unternehmensgröße zu entscheiden sein, die für die Pflicht zur Prüfung und für den Umfang der Offenlegung getroffen werden müssen. Bei der Verabschiedung ,des Regierungsentwurfs unseres neuen GmbH-Gesetzes ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß die Richtlinie vom Rat etwa gleichzeitig mit der Verabschiedung des GmbH-Gesetzes durch ,den deutschen Gesetzgeber erlassen wird. Sollten sich insoweit im Laufe der parlamentarischen Beratungen noch Zeitverschiebungen herausstellen, wird es bei der Verabschiedung des neuen GmbH-Gesetzes sicher nicht schwierig sein, für den Teilbereich der Rechnungslegungsvorschriften die geeigneten Übergangsregelungen zu finden, die einen reibungslosen Anschluß des nationalen Rechtes an die künftige Regelung der Europäischen Gemeinschaften ermöglichen.
Der Schutz der Gläubiger soll ferner durch Vorschriften verbessert werden, welche die Behandlung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der GmbH regeln. Finanzieren die Gesellschafter ihr Unternehmen durch eigene Darlehen statt durch Einlagen, dann sollen solche Darlehen im Konkurs der Gesellschaft dem haftenden Kapital gleichgestellt werden.
Neben der Verstärkung des Gläubigerschutzes ist die Verbesserung des Schutzes der Minderheitsgesellschafter ein zweites wichtiges Ziel der Reform. Diesem Ziel dient vor allem eine ganze Reihe neuer Informationsrechte der einzelnen Gesellschafter, an der Spitze das Recht auf Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und auf Einsicht in ihre Bücher und Schriften. Nur beispielhaft möchte ich daneben das Recht auf Bestellung von Sonderprüfern, das Bezugsrecht bei einer Kapitalerhöhung und die im Zusammenhang mit der Regelung für verbundene Unternehmen vorgesehenen Schutzrechte der einzelnen Gesellschafter erwähnen.
Eine dritte Gruppe bedeutsamer Reformmaßnahmen umfaßt Bereiche des GmbH-Rechts, die bisher ungeregelt waren, für die sich aber im Laufe der Entwicklung ein dringendes Bedürfnis für eine rechtsfortbildende Kodifizierung ergeben hat. So soll namentlich die 1965 mit der Aktienrechtsreform begonnene Kodifizierung des Rechts der verbundenen Unternehmen fortgesetzt und die GmbH, freilich unter Berücksichtigung ihrer Eigenarten, in das System dieser Regelung einbezogen werden.
Zugleich mit dem Entwurf eines GmbH-Gesetzes legt die Bundesregierung dem Hohen Hause den Entwurf eines Einführungsgesetzes mit den erforderlichen Übergangs- und Anpassungsregelungen vor. Er enthält darüber hinaus einige Sondervorschriften für die GmbH & Co. KG. Diese besondere Gestaltungsform der Kommanditgesellschaft hat in den letzten Jahren, insbesondere aus steuerrechtlichen Gründen, eine sprunghaft ansteigende Verbreitung gefunden. Sie ist wirtschaftlich der GmbH vergleichbar und soll ihr daher auch gesellschaftsrechtlich in einer Reihe von Punkten gleichgestellt werden. Hierzu gehören vor allem die Pflicht zur Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses sowie andere Maßnahmen, welche die GmbH & Co. wegen der auch mit ihr möglichen Haftungsbeschränkung transparenter als bisher machen sollen. Daneben wird es Aufgabe der Steuerreform sein, das steuerrechtliche Gefälle zwischen beiden Rechtsformen abzubauen.
Meine Damen und Herren! Die Reform des GmbH-Rechts wird das Recht unserer Wirtschaft nach meiner Überzeugung einen wichtigen Schritt voranbringen. Umfangreiche Reformen wie diese stellen zwar angesichts der in dieser Wahlperiode noch verbleibenden Zeit besondere Anforderungen an das Haus und seine Mitglieder, ich hoffe aber dennoch, daß es gelingt, die Entwürfe noch zu verabschieden und damit auch die jetzt anlaufenden Arbeiten zur Fortentwicklung des Unternehmensrechts von den gesellschaftsrechtlichen Problemen zu entlasten.
Ich bitte Sie, die Reform des GmbH-Rechts als notwendig und dringlich anzuerkennen.
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Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Alber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Als am 25. Mai 1965 das Aktiengesetz in dritter Lesung beraten wurde, sagte der Kollege Reischl als Sprecher der SPD-Fraktion, daß dieses Gesetz im ganzen gesehen keine echte Reform darstelle. Zudem verneinte er, wie schon sein Kollege Deist im Jahre 1962, die Notwendigkeit einer so umfassenden Reform zum damaligen Zeitpunkt. Drei Gründe waren für seine Auffassung maßgebend. Er meinte erstens, wirklich reformbedürftig seien nur einige Einzelbestimmungen, die im Wege der Novellierung hätten geändert werden können. Zweitens wäre es sinnvoller, erst die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts in der EWG abzuwarten, da sonst laufend Gesetzesänderungen nötig würden. Drittens - das war der Hauptgrund - fehle eine Gesamtkonzeption des Unternehmensrechts. Nach alledem hätte man erwarten können, daß nun der Entwurf eines GmbH-Gesetzes diesen Bedenken Rechnung tragen würde. Dem ist jedoch nicht so. Herr Minister Jahn hat einige der dafür maßgebenden Gründe bereits vorgetragen.
Trotzdem ist die GmbH-Reform zu begrüßen; sie ist auch notwendig. Zwar ist das betagte Alter des Gesetzes - es ist 80 Jahre alt - allein noch kein ausreichender Grund für eine Reform. Zwei Gründe beweisen dies: zum ersten sind trotz aller punktueller Kritik keine so ernsten Mißstände aufgetreten, die eine vorzeitige Änderung des Gesetzes nötig gemacht hätten; zum anderen zeigt der Beliebtheitsgrad der Rechtsform der GmbH, daß das geltende praxisorientierte und flexible Recht den Anforderungen an einen modernen rechtlichen Unternehmensmantel weitestgehend Rechnung trägt. Sonst hätte sich die Zahl der GmbHs von 1960 bis 1970 nicht von 35 000 auf rund 80 000 und von 1970 bis 1971 gar auf jetzt rund 88 500 erhöht, was einer Zunahme von mehr als 10 % in nur einem Jahr entspricht.
Trotzdem wird die Notwendigkeit der Reform aus drei Gründen anerkannt: Erstens: Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anschauungen haben sich gewandelt. Zweitens: Das GmbH-Recht wurde von der Rechtsprechung fortentwickelt; dies muß seinen gesetzgeberischen Niederschlag finden. Drittens wirkt sich die Aktienrechtsreform auch und sogar besonders auf das GmbH-Recht aus. Wenn auch Wiethölter meinte, der Entwurf reformiere die GmbH nicht, sondern er ermorde sie - dies bezog sich zwar noch auf den Referentenentwurf -, so ist doch zu bedenken, daß er im großen und ganzen geeignet ist, den genannten Reformmotiven gerecht zu werden. Allerdings müssen gegen einige Bestimmungen und Tendenzen grundsätzliche Bedenken erhoben werden.
Vorab ist zu bedauern, daß die Reform nicht als Teillösung eines einheitlichen Gesamtkonzepts angelegt ist. Richtig und zu begrüßen ist, daß die Grundstruktur und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der GmbH nicht eingeschränkt werden sollen. Es wäre aber notwendig, Vorstellungen über die Neuregelung des Organisationsrechts und den Standort der reformierten GmbH sichtbar zu machen. Dies ist sicher nicht ganz einfach. Ich bin dankbar, daß im Justizministerium - wie eben mitgeteilt wurde - bereits entsprechende Arbeiten aufgenommen worden sind.
Es ist möglich, daß die GmbH - wie Gessler sagt - von Anfang an an einem Geburtsfehler gelitten hat, weil sie gewissermaßen als Zwitter geboren wurde. Nach Auffassung der Geburtshelfer von 1892 sollte die GmbH ein Mittelding zwischen den streng individualistischen Gesellschaftsformen und der Aktiengesellschaft sein, die vom kapitalistischen Prinzip ausgeht. So blieb es nicht aus, daß sich wegen dieses Allzweckcharakters Gesellschaften entwickelt haben, die mehr personalistisch einerseits, und solche, die mehr kapitalistisch andererseits orientiert sind. Dazu kommen solche, die keine gewerblichen, sondern ideelle und kulturelle Zwecke verfolgen, und solche, die im Rahmen von Doppelgesellschaften und Betriebsaufspaltungen entstanden sind; vier Sorten gewissermaßen. Doch gerade diese Fülle spricht an sich für die Rechtsform der GmbH. Sie zeigt aber auch, wie notwendig eine Neufestsetzung der GmbH im System des Organisationsrechts ist. Die Reform der GmbH setzt eine Bestimmung der Ziele und Aufgaben des gesamten Unternehmensrechts voraus. Solches läßt der Entwurf leider nicht erkennen.
Es wäre auch nötig gewesen, zur Ein-Mann-GmbH Stellung zu nehmen. Wenn heute rund ein Viertel aller GmbHs Ein-Mann-Gesellschaften sind, so zeigt dies, daß diese Gesellschaft nicht weiterhin in der Außenseiterrolle eines unliebsamen, gewissermaßen sogar unehelichen Verwandten übergangen werden kann.
Obwohl also dem Entwurf eine organisationsrechtliche Gesamtkonzeption nicht übergeordnet ist, bringt er - und dies stört - eine geradezu perfektionistische Fülle von Normen. Doch eine echte Reform bedarf keiner Paragrapheninflation. Gut, mit nur 84 Paragraphen wie im geltenden Recht mag man nicht mehr auskommen; vielleicht reichen auch die 186 nicht, die das Reichsjustizministerium 1938 vorgeschlagen hat. Der Entwurf enthält jedoch mit 300 Paragraphen für die flexibel zu gestaltende Rechtsform der GmbH zu viele zwingende und die Gestaltungsfreiheit einschränkende Bestimmungen. Eine Abmagerungskur wäre daher nicht ungesund, denn eine Überladung führt nicht nur zu Undurchsichtigkeit und Kompliziertheit, sondern paradoxerweise auch zu einer größeren Lückenhaftigkeit. Die perfektionistische Regelung könnte auch die Harmonisierung der Rechtsvorschriften im europäischen Bereich erschweren. Es wäre jedoch verfehlt, wenn der vorliegende Entwurf zu einer zu starren Präjudizierung gemeinsamer Regelungen führen würde.
Der Entwurf orientiert sich auch zu sehr am Aktienrecht. Doch die GmbH soll keine kleine Aktiengesellschaft sein. Die GmbH sollte - um Giese und Rittner etwas abzuwandeln - weder die minigeschürzte Tochter noch die gleichgekleidete maxiberockte Zwillingsschwester der Aktiengesellschaft, sondern etwas Eigenständiges sein.
({0})
Mertens hat recht, wenn er sagt: der Gesetzgeber will die GmbH als Allzweckform, aber er erschwert ihre praktische Brauchbarkeit, weil er sie den Großunternehmen offenhalten und diesen andererseits auch Fesseln anlegen will; er billigt das Konzept der beschränkten Haftung, aber er mißgönnt es dem Kleinunternehmer. Gerade dies aber sollte nicht der Fall sein. Die Rechtsform der GmbH berücksichtigt vor allem die Belange der mittleren Wirtschaft. Die Verteilungsquote zeigt dies. Weniger als 150 Gesellschaften verfügen über mehr als 50 Millionen DM Stammkapital. 51 % aller GmbHs verfügen sogar über nicht mehr als 20 000 DM.
Daraus folgt: Weder eine zu starre Übernahme aktienrechtlicher Bestimmungen noch eine zu enge Fixierung auf zwingende Vorschriften sind der Rechtsform der GmbH dienlich. Sie führen zu einer unerwünschten Einschränkung der Gestaltungsfreiheit. Einer der im Juni 1937 veröffentlichten zwölf Leitsätze zur GmbH-Reform - er ist noch heute gültig, und ich möchte ihn mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren - lautete:
Das neue GmbH-Recht sollte elastisch gestaltet werden, um auch mit nicht voraussehbaren Entwicklungsmöglichkeiten noch Schritt halten zu können. Jede dogmatische oder von rein logischen Gesichtspunkten getragene Regelung wirkt sich nicht nur häufig als lebensfeindlich aus, sondern trägt auch die Gefahr in sich, an der Wirklichkeit zugrunde zu gehen oder unter Umgehung ein Scheindasein zu führen.
Zugegeben, es ist schwer, alle Gesellschaften - große und kleine - unter einen Hut zu bringen. Vielleicht wäre in der Tat die Beschränkung der GmbH auf personenbezogene Unternehmen mit ausgliedernden Neuregelungen nach oben - kleine Aktiengesellschaft - und nach unten - incorporated partnership und groupement d'interêt économique als mögliche Modelle - sinnvoller. Für das deutsche Recht ist dies allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl nicht aktuell. Die GmbH-Reform darf andererseits auch nicht dazu führen, daß Regelungen, die eigentlich für die größeren Gesellschaften gedacht sind, zu Belastungen und zu Diskriminierungen kleinerer Unternehmen führen.
Ein Hauptmotiv der GmbH-Reform ist die Ausweitung des Gläubigerschutzes. Wiethölter sagt, dies sei des Entwurfs verhätscheltes Lieblingskind. Ein weiteres Motiv ist der Gesellschafterschutz speziell unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes. Beides ist im Ansatz zu begrüßen. Allerdings wäre eine Polarisierung in der Formel „Gesellschaft und Mehrheit = schlecht; einzelner und Minderheit = gut" zu einfach. Ausgangspunkt bei der Lösung dieser Frage muß der Gedanke der Partnerschaft
sein. Dies muß das Kriterium sein bei einem möglichen Streit zwischen dem Einzelinteresse und der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GmbH. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Auskunfts-, Einsichts-, Prüfungsrechte und andere neu zu durchdenken. Wenn auch die Verstärkung des Individualschutzes zu begrüßen ist, so darf doch nicht verkannt werden, daß all diese weitgehenden Rechte in einem Mißverhältnis zu den entsprechenden Regelungen im Recht der Personengesellschaften stehen. Dies diskriminiert und erschwert die Rechtsform der GmbH.
Es wäre auch nicht gut, wenn wir bald nach der Ausweitung des Schutzes der Minderheiten eine Novellierung mit dem Inhalt „Schutz vor Minderheiten" vornehmen müßten. Denn bei aller Befürwortung eines verstärkten Individualschutzes darf der Gedanke der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft und die Möglichkeit mißbräuchlicher Ausnützung der Rechtsstellung nicht außer acht gelassen werden.
Wertmäßig und sachlich davor gehört die Frage der Mitwirkung. Der Ansatz im Regierungsentwurf, die allgemeine Problematik der Mitbestimmung aus der gesellschaftsrechtlichen - nicht aus der gesellschaftspolitischen - Diskussion herauszuhalten, sollte nicht verändert werden. Dies führt nicht zu einer Verzögerung oder gar zur Blockade, denn die allgemeine gesellschaftspolitische Mitbestimmungsdiskussion wird nicht verschoben, sondern - wie Minister Jahn es sagt - zeitlich parallel, aber rechtsinstitutionell getrennt geführt.
Gestatten Sie noch einige Bemerkungen zu einem der wichtigsten Probleme, nämlich zur Frage der Publizität. Der vorliegende Entwurf weist bei der Rechnungslegung und Publizitätspflicht teilweise auf die Arbeiten der Europäischen Gemeinschaften hin, teilweise erarbeitet er aber auch eigene Vorschläge. Dieses Verfahren verursacht große Unsicherheit und wird die deutsche Stellung bei der Entscheidungsfindung im Ministerrat nicht gerade verbessern, zumal die ausländischen Rechte in dieser Frage die Schwierigkeiten kleinerer und mittlerer GmbHs nicht so kennen wie wir. Es wäre daher besser, eine eigenständige Lösung noch nicht in Gesetzesform, sondern nur als Verhandlungsgrundlage für eine Harmonisierung im EWG-Bereich zu erarbeiten..
Es ist auch zu bedenken, daß die bloße Übernahme der aktienrechtlichen Bestimmungen zur Rechnungslegung nicht sachgerecht ist. Großunternehmen kann der Gesetzgeber ein hohes Maß an Anforderungen zumuten. Die für die GmbH primär in Betracht kommenden mittleren und kleineren Unternehmen arbeiten jedoch unter ganz anderen Bedingungen. Es ist fraglich, ob sie personell und kostenmäßig mit einem solch komplizierten Gesetz fertig werden.
({1})
Es ist verständlich, daß in der ersten Lesung Probleme wie insbesondere die im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH, der Nachschußpflicht, des Stammkapitals - ob 20 000 oder 50 000 DM -, der Gesellschafterdarlehen, des Aufsichtsrats, der
GmbH & Co. KG und andere nicht erörtert werden können. Dies alles muß den Ausschußberatungen vorbehalten bleiben.
Abschließend möchte ich jedoch nochmals betonen, daß wir den Entwurf nicht in allen Punkten, jedoch grundsätzlich bejahen, zumal er Initiativen und Arbeiten voriger Regierungen fortsetzt. Wir begrüßen insbesondere auch die Motive, speziell die Gesichtspunkte vermehrten Gläubiger- und Minderheitenschutzes und der Publizität. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn diese Gedanken auch in der allgemeinen Politik dieser Regierung verwirklicht würden. Verstärkte Publizität und mehr Information wären auch hier kein Fehler. Das gleiche gilt für den Gläubigerschutz, hier konkret als Schutz der gutgläubig gewesenen Bürger vor weiteren Inflationsschäden.
Staatliche Modelle werden unter dem Schlagwort der Demokratisierung gerne auf wirtschaftliche Bereiche übertragen. Vom Schutzgedanken her gesehen, wäre es auch einmal sinnvoll, die Grundvorstellungen anderer Lebensbereiche auf den Staat zu übertragen. Information und Kontrolle, Schutz und Publizität sind Motive der GmbH-Reform. Sie sollten nicht nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Kollegen Alber darin zu, daß eine Reform des GmbH-Rechts uns nicht der Notwendigkeit entheben kann, eine Gesamtkonzeption des Unternehmensrechts und eine Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts anzustreben. Die Erfahrungen zeigen aber, wie schwer das ist, und die Vergangenheit, die 80jährige Geschichte des GmbH-Rechts zeigen, wie schwer allein eine solche Reform des GmbH-Rechts ist. Zahlreiche Versuche wurden in dieser 80jährigen Geschichte des GmbH-Rechts unternommen, die gesetzlichen Regelungen dieses Gesetzes den jeweiligen Verhältnissen und Bedürfnissen anzupassen und diese notwendigen Reformen durchzuführen. Über solche Versuche ist man in der Vergangenheit nicht hinausgekommen, obwohl man gerade in den letzten Jahren die Forderung nach einer umfassenden Reform dieses Rechtes mit Nachdruck erhoben hat.
Es ist deshalb das Verdienst der Bundesregierung, insbesondere das Verdienst des Bundesministers der Justiz, durch die Vorlage der beiden Gesetzentwürfe eine solche Reform des GmbH-Rechts eingeleitet und dem Gesetzgeber die weitere Verantwortung für das Schicksal dieser Reform übertragen zu haben. Auf diese Verantwortung des Parlaments werde ich noch einmal zurückkommen.
Es ist auch das Verdienst des Bundesjustizministers, eine von ihm geübte Praxis beibehalten und der Öffentlichkeit bereits vor zwei Jahren einen Referentenentwurf vorgelegt zu haben. Dadurch haben alle interessierten Gruppen ausreichend Gele10322
genheit gehabt, diesen Entwurf und alle im Zusammenhang mit der GmbH-Reform anstehenden Probleme eingehend zu diskutieren. Zahlreiche Einwendungen, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge wurden vom Bundesjustizminister bei der Formulierung des jetzt vorliegenden Entwurfs bereits berücksichtigt.
Die SPD-Fraktion begrüßt im Grundsatz die Zielsetzung des Entwurfs und stimmt den Lösungsvorschlägen im großen und ganzen zu. Wir bejahen - das möchte ich ausdrücklich betonen - die Gestaltungs- und die Satzungsfreiheit der Gesellschafter, um die vielseitige Verwendungsmöglichkeit der GmbH zu erhalten. Das schließt, wie der Bundesjustizminister bereits ausgeführt hat, nicht aus, den Schutz der Gesellschaftsgläubiger zu verstärken und die Rechte der einzelnen Gesellschafter zu verbessern. Der Entwurf enthält hierzu eine Vielzahl von Neuregelungen, auf die ich jetzt im einzelnen nicht näher eingehen möchte. Wir haben in den Ausschußberatungen hierzu ausreichend Gelegenheit.
Völlig neu ist die Einbeziehung der GmbH in die gesetzliche Regelung über die „verbundenen Unternehmen", die zum erstenmal in das 1965 reformierte Aktienrecht aufgenommen wurde. Ich weise hierauf deshalb besonders hin, um den Zusammenhang zwischen der Aktienrechtsreform und der Reform des GmbH-Rechts deutlich zu machen.
Es wird Aufgabe der zuständigen Ausschüsse sein, zu prüfen, ob und welche Änderungen, ob und welche Ergänzungen im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Bundesregierung angebracht und notwendig sind.
Der Bundesrat hat bereits zahlreiche Anregungen gegeben. Dazu gehört z. B. die Frage, die hier ebenfalls schon angeschnitten wurde, einer Erhöhung des Mindeststammkapitals auf 50 000 DM, die im Referentenentwurf des Ministeriums bereits vorgesehen war. Dazu gehört aber auch die Prüfung der Frage, ob und wie die Gründung von EinmannGesellschaften im Rahmen des GmbH-Gesetzes geregelt werden kann. Niemand wird verkennen, daß dieses Problem einer Lösung zugeführt werden muß. Die von der Bundesregierung ins Auge gefaßte Möglichkeit eines selbständigen Gesetzes über Einzelunternehmen mit beschränkter Haftung könnte einen Kompromiß darstellen.
Von besonderer Bedeutung wird die Regelung des Rechts der GmbH & Co KG sein, die erst in den letzten Jahren - auch hierauf wurde bereits hingewiesen - entstanden ist und rasch an Bedeutung gewonnen hat. Der Regierungsentwurf sieht eine ausführliche Regelung dieser neugeschaffenen Rechtsform, die auf der Grenze zwischen Personal-und Kapitalgesellschaft steht und auch immer wieder Anlaß zu Bedenken gibt, nicht vor. Ich bedaure das. Die Begründung des Regierungsentwurfs bemerkt dazu, man habe der von der Interessenlage her zweifelhaften Rechtsgestaltung der GmbH & Co KG nicht vorschnell eine gesetzliche Anerkennung verleihen wollen. Andererseits stellen die wenigen Vorschriften, die in dem Entwurf zum Einführungsgesetz enthalten sind und vor allem auch die Angleichung hinsichtlich der Publizität an die GmbH betreffen, keine ausreichende Lösung dar.
Im Jahre 1971 wurden mehr als 12 000 neue Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet. Besonders stark war die Zunahme der Gesellschaften im Dienstleistungsgewerbe und hier wieder in besonderem Maße bei den sogenannten Beteiligungsgesellschaften. Deshalb ist die Annahme gerechtfertigt, daß ein großer Teil dieser Neugründungen den Zweck verfolgte, den persönlich haftenden Gesellschafter für eine Kommanditgesellschaft zu bilden. Im Rahmen der Ausschußberatungen sollte deshalb geprüft werden, ob das Problem der GmbH & Co KG durch eine völlige Angleichung an die GmbH oder durch die Schaffung einer Handelsgesellschaft auf Einlagen gelöst werden kann.
Bedauerlich ist - auch das möchte ich sagen -, daß die mit der Reform des GmbH-Rechtes zusammenhängenden unternehmensrechtlichen Fragen ausgeklammert wurden. Ich kann dem Kollegen Alber nicht zustimmen, daß diese Frage bei der Erörterung der gesellschaftsrechtlichen Probleme ausgeklammert werden und keine Bedeutung haben sollte. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß in einem modernen Organisationsgesetz, von dem Sie ja gesprochen haben, Herr Kollege Alber, das den Anforderungen eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates genügen will, nicht nur die gesellschaftsrechtlichen, sondern auch die unternehmensrechtlichen Probleme einer Lösung zugeführt werden müssen.
Ich sagte bereits: das Parlament hat die Verantwortung für das weitere Schicksal dieses Reformgesetzes. Wir kennen aber auch die Belastungen der zuständigen Ausschüsse. Wir kennen vor allen Dingen auch die Belastungen des Rechtsausschusses, und wir sollten uns darüber im klaren sein, daß wir die Beratung dieses umfassenden Reformvorhabens in dieser Legislaturperiode nicht zum Abschluß bringen können, wenn wir uns nicht überlegen, ob und welche Möglichkeiten bestehen, einen Unterausschuß oder eine Arbeitsgruppe des Rechtsausschusses zu bilden und die Beratungen dort, also außerhalb des Gesamtausschusses, vorzunehmen und dann dem Ausschuß entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.
Insgesamt möchte ich noch einmal feststellen, daß die SPD-Fraktion den jetzt vorliegenden Entwürfen der beiden Gesetze zustimmt, ebenso der vorgeschlagenen Ausschußüberweisung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir sind uns erfreulicherweise, wie das bei den wirklich wichtigen Dingen häufig zu gehen pflegt, weitgehend einig, wie man den Worten der Herren Vorredner entnehmen konnte.
In einem Punkte jedoch, in dem sich Herr Alber und Herr Metzger überraschenderweise einig waren, meine ich eine gewisse Differenzierung vornehmen zu müssen. Beide haben nämlich vornehmlich die Schaffung eines möglichst einheitlichen Unternehmensrechts angepeilt. Das entspricht nicht so sehr freidemokratischer oder liberaler Denktradition. Wir sollten einsehen, daß viele Blumen blühen müssen. Wir haben doch im Bereich der GmbH jetzt schon die Schwierigkeit, daß sich hintenherum die GmbH & Co. gebildet, sozusagen zwischen den Mauersteinen herausgequetscht hat, weil es anders einfach nicht ging. Diese Bemerkung trifft gar nicht die Juristen und die Gesellschaftsrechtler, sondern sie trifft in erster Linie die Kollegen, die im Finanzausschuß sitzen. Wenn wir das nicht berücksichtigten, würde sich bei einem umfassenden neuen Unternehmensrecht sicherlich zeigen, daß wieder neue Formen entstehen müssen, im Zweifel hart am Rande der Legalität. Man kann eben einfach nicht alles bedenken, was die Vielfalt unseres Wirtschaftslebens an Formen erfordert.
Gerade aus diesem Grunde meinen wir wie auch die Vertreter der anderen Fraktionen, daß sich die GmbH im wesentlichen bewährt hat, daß sie gerade in ihrer Mittelstellung zwischen Personal- und Kapitalgesellschaften unserer Wirtschaft viele Möglichkeiten gegeben hat, ihre unternehmerischen Belange organisatorisch in den Griff zu bekommen. Dazu hat sicherlich die große Gestaltungsfreiheit wesentlich beigetragen, die im Bereich der GmbH verblieben war, neben der gegenüber dem Aktienrecht wesentlich größeren Möglichkeit, auch hinsichtlich der Buch- und Kassenführung noch einiges für sich zu behalten. Auf diesen Punkt werde ich noch einmal kurz zurückkommen müssen.
Wir begrüßen ausdrücklich, daß nicht der Versuch unternommen worden ist, entgegen Bestrebungen, die, wie Sie alle wissen, zum Teil mit großem Nachdruck vorgetragen worden sind - Sie kennen z. B. die einschlägige Broschüre des DGB -, im Zusammenhang mit der Reform dieses Gesellschaftsrechts gleichzeitig die Unternehmensverfassung in diesem Bereich zu regeln, sprich: hier Dinge einzubauen, die - das haben wohl auch alle Herren Vorredner einschließlich des Herrn Bundesjustizministers betont - nicht hierzu gehören, sondern getrennt bedacht werden müssen. Wir vertreten die Auffassung, daß die wirtschaftenden Subjekte -dazu gehören die juristischen wie die natürlichen Personen - zunächst nur auf den Zweck des Wirtschaftens hin anzulegen sind, daß die darüber hinausgehenden gesellschaftspolitischen Erfordernisse dann auch im Gesamtspiel aller gesellschaftlichen Kräfte betrachtet, auf ihr Gleichgewicht hin gewogen und, wo ein Ungleichgewicht festzustellen ist, anders geregelt werden müssen, dann aber umfassend.
Die Feststellung des gesamtgesellschaftlichen Gleichgewichts würde unserer Auffassung nach unzuträglich erschwert, wenn man jetzt in jedes einzelne Gesellschaftsrecht die sogenannten Elemente der Unternehmensverfassung einbaute, wodurch die Prozesse der Mitbestimmung und der gegenseitigen
Beeinflussung der gesellschaftlichen Kräfte absolut undurchsichtig würden und sich einer wirklich sauber wertenden und abwägenden Bewertung schließlich entziehen müßten. Darum danken wir ausdrücklich dafür, daß ein entsprechender Versuch hier nicht unternommen worden ist.
Ein anderer Versuch - da stimme ich mit der in der zitierten Broschüre des DGB genannten Meinung völlig überein, auch unsere Fraktion stimmt damit überein - ist leider nicht unternommen worden; in § 2 des Gesetzentwurfes heißt es nämlich nach wie vor, daß mindestens zwei Personen eine GmbH gründen müssen. Wir haben hier schon aus Anlaß ganz anderer Gesetzesvorhaben des öfteren erklärt, daß es Aufgabe der Gesetzgebung sein sollte, die Diskrepanz zwischen der Rechtswirklichkeit und dem geschriebenen Recht so gering wie möglich zu halten. Aber jeder, der sich mit den Dingen befaßt, weiß, daß die Einmann-GmbH nicht erst seit vielen Jahren, sondern seit Jahrzehnten von der Rechtsprechung anerkanntes Institut ist. Von der Rechtsprechung somit sehend gemacht, gehen wir jetzt sehenden Auges wieder von der Fiktion aus, es gebe keine Einmann-GmbH, obwohl gerade in diesem Bereich die zitierten Belange des Gläubigerschutzes besondere Bedeutung haben und deshalb auch gesetzlich besonders geregelt werden müßten. Zumindest müßte man das Problem im Gesetz klar ansprechen, damit man über etwaige Folgerungen in den weiteren Beratungen reden könnte. Wir sind also der Meinung, daß man hier nicht mit Palmström davon ausgehen darf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Vielmehr muß man sehen, daß die Einmann-GmbH da ist und daß man sie auch regeln sollte.
Leider muß ich mich auch in einem weiteren Punkt in Widerspruch zu dem setzen, was der Bundesjustizminister - nämlich zur Frage des Stammkapitals - vorgetragen hat. Im Hinblick nicht nur auf die in letzter Zeit viel zu oft zitierte Geldentwertung, sondern insbesondere auch im Hinblick auf den Investitionsbedarf in allen Bereichen unserer Wirtschaft meinen wir, daß die uralte Untergrenze von 20 000 DM für die Stammkapitalausstattung einfach zu gering ist, wenn man jemand die Vergünstigung geben will, hier mit einem anonymen Vermögen im Wirtschaftsleben anzutreten und zu arbeiten. Wer die hier in Rede gewesenen 50 000 DM als Stammkapital nicht aufbringen kann, sollte auch nicht mit dem Instrument der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf den Markt losgelassen werden dürfen. In Jägerkreisen sagt man scherzhafterweise: Wer kein 0,4er Schrot verträgt, soll nicht auf Treibjagd gehen.
({0})
Ich meine, das müßte hier bei einer Änderung der Untergrenze des Stammkapitals berücksichtigt werden.
Ich sprach schon eingangs davon, daß die Beliebtheit der Form der GmbH u. a. nicht unwesentlich auch darauf beruht, daß die strengen Bilanzierungsvorschriften für Aktiengesellschaften hier bis jetzt keine Anwendung gefunden haben. Das soll anders werden; das soll sogar durchgreifend anders wer10324
den. Nach den Entwurf sind verblüffende Ähnlichkeiten zum Aktienrecht vorhanden, die ich nicht in allen Punkten und in diesem Umfang für gerechtfertigt halte. Insbesondere aber sollte man den Hinweisen nachgehen, die auch meine Herren Vorredner schon gebracht haben, daß nämlich die Größenordnungen, in denen uns die GmbHs im Wirtschaftsverkehr gegenübertreten, sehr unterschiedlich sind. Diesen unterschiedlichen Größenordnungen sollte man Rechnung tragen. Man sollte z. B. sehen, daß einige GmbHs erst kurz vor der Novellierung des Aktiengesetzes ins Leben gerufen wurden und aus früheren Aktiengesellschaften größten Umfanges entstanden sind, die die Form der GmbH ohne ein sonstiges Bedürfnis lediglich gesucht haben, um nicht den neuen, strengeren Publizitätsvorschriften zu unterliegen. Das diesen Firmen zu belassen erscheint uns nicht notwendig. Hier kann man strengere Publizitätsvorschriften auch im Bereich der GmbH anwenden. Man muß aber, meine ich, dann irgendwo eine Grenze ziehen, wo der eigentliche Bereich der mittleren und kleineren Industrie, auch des Gewerbes, beginnt, wo eine viel größere Nähe zum Konkurrenten vorhanden ist, wo der Aufwand so umfangreicher Rechnungslegung viel mehr in die Gesamtkosten einschlägt und wo auch ,aus einer verhältnismäßig kleinen und übersichtlichen Bilanz viel eher Schlüsse auf intime Betriebsvorgänge gezogen werden können.
Herr Kollege, darf ich noch einmal auf das Haftkapital von 50 000 DM zurückkommen, von dem Sie eben sprachen? Bisher war es doch so, daß von den 20 000 DM 5000 DM, glaube ich, eingezahlt werden sollen. In welcher Höhe muß nach Ihrer Meinung dann bei 50 000 DM eingezahlt werden?
Die Hälfte, wobei die Frage ist, in welchem Rahmen dann aufgestockt werden muß und wann entnommen werden darf.
Ich glaube also, daß man hier einfach zu einer Differenzierung kommen muß wegen der schon vorzufindenden und ich meine, da hat sich der Gesetzgeber an das zu halten, was er in der Wirtschaftspraxis vorfindet - Vielfalt der Formen im Bereich der GmbH und damit auch der Vielfalt der Bedürfnisse. Das wird weiter bedacht werden müssen.
Abschließend noch ein Wort zur GmbH & Co., die ich auch bereits kurz erwähnt hatte. Ich sagte schon, hier liegt sicherlich kein Problem der Gestaltung unseres Gesellschaftsrechts vor, sondern hier liegt ausschließlich - und das macht die Sache naturgemäß nicht weniger, sondern im Hinblick auf die Effizienz unserer gesetzgeberischen Tätigkeit noch viel mehr suspekt - ein steuerrechtliches Problem vor, obwohl in sämtlichen dazu ergangenen Entscheidungen nachzulesen ist, daß eine GmbH & Co. nur begründet werden darf, wenn dafür nicht ausschließlich steuerrechtliche, sondern auch andere Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind. Nachdem dieser Grundsatz mühevoll entwickelt worden war, hat man dann allseits resigniert und selbstverständlich nur noch aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten die GmbH & Co. gegründet. Wir Freien Demokraten treten nachdrücklich für Änderungen insbesondere des Körperschaftsteuergesetzes ein. Wir glauben, daß sich, wenn zumindest in diesem Bereich eine neutrale Form der Besteuerung juristischer und natürlicher Personen gefunden worden ist, eine Fülle von GmbH & Co., die heute bestehen, wieder ganz schlicht in GmbHs verwandelt werden, weil keiner der in der Wirtschaft Tätigen das Bedürfnis haben wird, doppelt zu bilanzieren. - Bitte schön!
von Bockelberg ({0}) : Glauben Sie nicht, daß die GmbH & Co. eine gute Gesellschaftsform ist, um eine Kommanditgesellschaft, bei der der Komplementär verstirbt, beizubehalten, und daß dort eine außerhalb des Steuerrechts liegende Begründung vorliegt?
Herr von Bockelberg, ich will Ihnen gern zugeben, daß ich das eben etwas überspitzt gesagt habe, weil mir der steuerrechtliche Gesichtspunkt ganz vorrangig erscheint. Daß es daneben die von Ihnen zitierten Fälle gibt, wo die Rechtsform der GmbH & Co. im Hinblick auf die nicht steuerrechtlichen, sondern sonstigen Interessen der Beteiligten wirklich vernünftig ist, gebe ich gern zu. Aber ich glaube, gerade Sie als Experte auf diesem Gebiet werden auch zugeben, daß das für die Mehrzahl der Fälle nicht zutrifft, sondern daß da das steuerrechtliche Moment vorrangig ist. Deshalb sollte man von dorther eingreifen, statt nun vielleicht schrecklicherweise als nächstes noch etwa ein GmbH-&-Co.-Gesetz ins Auge zu fassen. Das wäre sicherlich nicht der richtige Weg.
Wir sind dem Herrn Bundesjustizminister zu Dank verpflichtet, daß durch die Vorlage dieses sehr umfangreichen Werkes die kommenden Beratungen hier im Hause ermöglicht worden sind. Wir meinen auch, daß insbesondere die grundsätzliche Übereinstimmung zwischen allen Fraktionen des Hauses trotz aller zeitlichen Bedenken die Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode ermöglichen wird. Das wünschen auch wir.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich fand sie recht beachtlich; denn, obwohl Jurist, war mir bisher die Verbindung einer GmbH zu Minirock und Treibjagd verborgen geblieben.
Ich schlage Ihnen vor, die Vorlagen an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mitberatend zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung
- Drucksache VI/3248 Vizepräsident Dr. Jaeger
Der Bundesrat will den Gesetzentwurf offenbar nicht begründen. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Die wirksame Bekämpfung der Kriminalität in unserem Land ist eine der Aufgaben, denen die Bundesregierung besondere Bedeutung und hohen Rang einräumt. Die Bundesregierung wird nicht nachlassen in ihren Anstrengungen, dazu alle die Mittel unseres Rechtsstaates einzusetzen, die geeignet sind, den Schutz der Bevölkerung vor Verbrechen zu gewährleisten und ständig zu verbessern.
Die Aufgabe - übrigens nicht nur ein Problem unseres Landes, sondern ein internationales Problem - ist zu ernst und bedarf so sehr sorgfältiger Arbeit, daß sie nicht zum Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen gemacht werden sollte. Deshalb kann man sich auch nicht damit begnügen, einen Ausschnitt des Problems, wie z. B. das Haftrecht, allein zu sehen, sich daran festzuklammern und sich davon Lösungen zu erhoffen. Es muß vielmehr mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß das Haftrecht als Mittel der Verbrechensbekämpfung nur ein Beitrag neben anderen notwendigen Bemühungen sein kann.
Die Bundesregierung erkennt an, daß das geltende Haftrecht in einigen Punkten der Überarbeitung und Verbesserung bedarf. Sie weiß sich mit dem Bundesrat darin einig. Sie hat an dessen Beratungen von Anbeginn an nachdrücklich mtigewirkt. Bereits am 17. Dezember vergangenen Jahres habe ich deshalb im Plenum des Bundesrates erklärt, daß die Bundesregierung dem heute diesem Hohen Hause vorliegenden Entwurf im Grundsatz zustimmt. Sie sieht von der Vorlage eines eigenen Entwurfes ab, um auf diesem Wege einen Beitrag zur beschleunigten Beratung des Themas zu leisten. Es kann hier nicht um den Ehrgeiz gehen, um jeden Preis eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen, sondern nur darum, durch vernünftiges Zusammenwirken alsbald zu sachgerechten Lösungen zu kommen.
Die Berichte der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis der Bundesländer über ihre Erfahrungen mit dem Strafprozeßänderungsgesetz von 1964, welche ich dem Rechtsausschuß zugeleitet habe, bringen den Wunsch nach Änderungen des geltenden Haftrechts in zwei Punkten zum Ausdruck.
Erstens hat die gerichtliche Praxis mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr zuweilen Auslegungsschwierigkeiten. Der Nachweis eines festen Wohnsitzes, der insbesondere professionellen Straftätern nicht schwerfällt, kommt häufig einem vollständigen Haftausschluß gleich, zuweilen selbst dann, wenn hohe Strafe oder eine schwerwiegende Maßregel der Sicherung und Besserung zu erwarten ist. Das entspricht nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers des Strafprozeßänderungsgesetzes. Hier ist eine klarstellende Formulierung des Gesetzes angebracht, über deren Wortlaut man sich in den Ausschußberatungen wohl wird einigen können.
Darüber hinaus wünscht die Praxis zweitens eine Erweiterung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr auf einige schwerwiegende Straftatbestände, bei denen zunehmend eine serienmäßige Begehung zu beobachten ist. Es handelt sich dabei um schwere Körperverletzungsdelikte, bestimmte Eigentums-und Vermögensdelikte und schwerwiegende Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Die Bundesregierung verschließt sich diesen Wünschen der Praxis nicht. Es wird allerdings darauf ankommen, die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser erweiterten Haftgründe so zu formulieren, daß neben dem berechtigten Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit auch das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht des einzelnen ausreichend berücksichtigt wird.
Vornehmlicher Zweck und eigentlicher Rechtfertigungsgrund der Untersuchungshaft ist es nach der Definition des Bundesverfassungsgerichtes im 19. Band seiner Entscheidungen, die Durchführung eines ,geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Dem Einsatz der Untersuchungshaft zu präventiv-polizeilichen Zwecken hat das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen gezogen, mit gutem Grund, wie ich meine; denn es geht um die Freiheit der Person eines Bürgers, der noch nicht verurteilt ist und daher noch als unschuldig gilt.
Abschließend weise ich darauf hin, daß auch nach Auffassung der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis von einer Reform des Haftrechtes allein nur begrenzte Fortschritte bei der Verbrechensbekämpfung erwartet werden dürfen. Diese Einschätzung teilt die Bundesregierung. Sie ist deshalb der Auffassung, daß zu einer wirksameren Verbrechensbekämpfung breiter gefächerte Maßnahmen erforderlich sind: eine verbesserte technische und personelle Ausstattung der Polizei, eine Beschleunigung des Strafverfahrens, die zu einer schnelleren Aburteilung des Straftäters und damit zu einer überzeugenderen Wirkung des Urteils führen soll, und eine Reform des Strafvollzugs, welche die Eingliederung von Straffälligen in die Gesellschaft fördern und damit die Sicherheit vor rückfälligen Straftätern erhöhen soll.
Auf allen diesen Gebieten hat die Bundesregierung bereits Initiativen ergriffen; die erforderlichen Gesetzesvorlagen stehen vor ihrer Fertigstellung bzw. Verabschiedung. Alle Maßnahmen zusammen rechtfertigen die Erwartung, daß nachhaltige Fortschritte bei der Verbrechensbekämpfung erreicht werden können.
({0})
Gemäß interfraktioneller Vereinbarungen unterbreche ich die Beratung dieses Punktes und rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und
Vizepräsident Dr. Jaeger
ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte
- Drucksache VI/3246 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Arndt ({1})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Arndt ({2}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hatte am 15. Dezember des vergangenen Jahres das Gesetz über Richteramtsbezeichnungen und Präsidialverfassung hier in dritter Lesung verabschiedet. Die vom Bundestag verabschiedete Fassung unterschied sich von der Regierungsvorlage in mehreren Punkten und hatte drei politische Schwerpunkte. Alle Richter sollten in Zukunft die Amtsbezeichnung „Richter" führen; lediglich die Präsidenten der Gerichte sollten außerhalb ihrer rechtsprechenden Funktion noch die Bezeichnung „Präsident" beibehalten. Bei allen Richtern sollte ein Zusatz des Gerichtes nicht mehr erfolgen. Sämtliche ehrenamtlichen Richter sollten die Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter" führen. Alle Präsidialmitglieder der Gerichte sollten gewählt werden, und bei allen Gerichten sollten Präsidien eingerichtet werden. Ein Quorum für bestimmte Richtergruppen, insbesondere für vorsitzende Richter, war nicht mehr vorgesehen.
Außerdem brachte der vom Bundestag in dritter Lesung am 15. Dezember verabschiedete Entwurf einen Anfang der Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts für alle Gerichtszweige.
Der Bundesrat hat gegen diesen Entwurf in der Fassung des Bundestages den Vermittlungsausschuß angerufen. Er verlangte im wesentlichen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage und schlug vor, daß es an Stelle der bisherigen Richteramtsbezeichnungen in Zukunft drei Grundrichteramtsbezeichnungen geben sollte, nämlich „Richter", „Vorsitzender Richter" und „Präsident", jeweils mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz. Für die ehrenamtlichen Richter sollten -- das war das Begehren des Bundesrates bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses -- die bisherigen Bezeichnungen beibehalten werden. Der Bundesrat schloß sich ferner bei seinem Vermittlungsbegehren der Regierungsvorlage insoweit an, als er vorschlug, daß die Präsidien notwendigerweise zur Hälfte aus Vorsitzenden Richtern bestehen sollten. Schließlich schlug er vor, daß die Vorschrift über den gesetzlichen Richter bei überbesetzten Spruchkörpern in der Fassung des Bundestages wieder aus dem Gesetz entfernt werden sollte.
Der Vermittlungsausschuß hat in einer eingehenden Debatte über dieses Vermittlungsbegehren des Bundesrates beraten und hierbei einen Kompromiß zwischen den Entscheidungen beider Häuser erzielt. Dieser Kompromiß, den Ihnen heute vorzutragen ich die Ehre habe, sieht vor, daß die Richteramtsbezeichnungen so wiederhergestellt werden, wie es die Regierungsvorlage vorsah, daß aber für die ehrenamtlichen Richter bei allen Strafgerichten
in Zukunft nur noch die Bezeichnung „Schöffe" eingeführt bzw. beibehalten wird, wohingegen alle übrigen ehrenamtlichen Richter bei anderen Gerichten und anderen Gerichtszweigen in Zukunft die vom Bundestag vorgeschlagene Amtsbezeichnung „ehrenamtlicher Richter" führen sollen. Das bedeutet insbesondere, daß die bisherigen „Geschworenen" bei den Schwurgerichten in Zukunft „Schöffen" sein werden, wohingegen alle übrigen, etwa die Handelsrichter in der Zivilgerichtsbarkeit oder aber auch die Arbeits- und Sozialrichter, künftig die Amtsbezeichnung "ehrenamtlicher Richter" in allen Stufen der Gerichte führen sollen.
Des weiteren schlägt Ihnen der Vermittlungsausschuß vor, daß die Präsidien zwar vollständig gewählt werden sollen - das ist ein Novum gegenüber dem bisherigen Zustand -, daß aber auch die Regierungsvorlage insoweit wiederhergestellt werden soll, als ein Quorum von 50 % für Vorsitzende Richter eingeführt werden soll. Hinsichtlich des Anrufungsbegehrens bei überbesetzten Spruchkörpern ist der Vermittlungsausschuß dem Vermittlungsbegehren des Bundesrates nicht gefolgt und schlägt Ihnen vor, es insoweit bei der vom Bundestag beschlossenen Fassung zu belassen. Darüber hinaus hat der Vermittlungsausschuß, da nicht von einem Vermittlungsbegehren betroffen, auch die vom Bundestag beschlossene Vereinheitlichung der Gerichtsverfassung unverändert gelassen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen vor, den von ihm einstimmig gebilligten Kompromiß anzunehmen. Insgesamt ergibt sich jetzt aus den Elementen erstens des Regierungsentwurfs, zweitens der vom Bundestag beschlossenen Fassung des Rechtsausschusses und drittens des Kompromißvorschlags des Vermittlungsausschusses für das Gesetz im ganzen folgende neue Fassung bezüglich der Reform der Präsidialverfassung und der Richteramtsbezeichnungen.
Erstens. Die fast 40 Amtsbezeichnungen der Richter, die gegenwärtig vorgeschrieben und gebräuchlich sind, werden durch im Prinzip drei neue ersetzt, nämlich „Richter", „Vorsitzender Richter" und „Präsident".
Zweitens. Es gibt in Zukunft in der Strafgerichtsbarkeit bei den ehrenamtlichen Richtern nur noch die Bezeichnung „Schöffe", d. h. also auch für die bisherigen Geschworenen; alle übrigen ehrenamtlichen Richter führen die Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter".
Drittens. Entgegen dem bisherigen System werden alle Präsidiumsmitglieder der deutschen Gerichte gewählt, wobei alle Gerichte in Zukunft ein Präsidium haben werden. Beides ist neu gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustand. Es wird bei den Präsidien ein Quorum von 50 % für Vorsitzende Richter geben.
Viertens. Es bleibt bei der vom Bundestag beschlossenen und auch dem bisherigen Recht entsprechenden Regelung, nach der der Grundsatz des gesetzlichen Richters bei überbesetzten Spruchkörpern erfordert, daß der Vorsitzende des Gerichts in abstrakter Weise vor Beginn des Geschäftsjahres
Dr. Arndt ({0})
festlegt, wie die Richterbank im konkreten Fall auszusehen hat, so daß auch hier innerhalb eines solchen Spruchkörpers der Grundsatz des gesetzlichen Richters im Sinne unserer Verfassung absolut gewahrt wird.
Der Vermittlungsausschuß hat mich beauftragt, Sie darauf hinzuweisen, daß er verbundene Abstimmung im Sinne von § 10 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses beschlossen hat.
({1})
Ich danke dem Herrn Berichtertatter.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Wir werden dem Gesetz in der Fassung des Vermittlungsausschusses unsere Zustimmung geben. Was die Amtsbezeichnungen der Richter angeht, so waren wir mit der Bundesregierung der Meinung, daß die Zahl der Richteramtsbezeichnungen stark vermindert und daß die Direktoren- und Ratstitel abgeschafft werden sollten. Wir waren allerdings auch der Meinung, daß so traditionsreiche Amtsbezeichnungen wie „Senatspräsident" und so moderne Amtsbezeichnungen wie „Bundesrichter" bestehenbleiben sollten. Immerhin orientiert sich der Beschluß des Vermittlungsausschusses an der in der Richterschaft bestehenden Funktionen und ihrer sachgerechten Bezeichnung. Deshalb können wir trotz abweichender Vorstellungen dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung insoweit geben, zumal wir in der dritten Lesung im Deutschen Bundestag hilfsweise diesen Antrag gestellt hatten.
Zweitens. Was die Präsidialverfassung angeht, so hätte man die Frage aufwerfen können, ob eine Reform der Präsidialverfassung nicht bis ans Ende der Justizreform zurückgestellt werden sollte. Wir glauben aber, daß der Vorschlag der Bundesregierung unter allen Lösungen der abgewogenste war, indem er auf der einen Seite eine sachgerechte Besetzung der Präsidien garantiert, auf der anderen Seite aber alle Richter an der Bestellung der Präsidien beteiligt. Deshalb haben wir auch schon in der dritten Lesung entsprechend votiert, und wir schließen uns gern dem Votum des Vermittlungsausschusses in diesem Punkte an.
Drittens ist auch zu dem Problem des Inkrafttretens des Gesetzes eine Lösung gefunden worden, die eine sachgerechte Vorbereitung der Wahl der neuen Präsidien sicherstellt. Wir werden deshalb dem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens und im Auftrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Deutschen Bundestag darf ich folgende Erklärung abgeben. Wir Sozialdemokraten sehen in dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses einen Kompromiß. Zum Wesen eines Kompromisses gehört es, daß nicht alle voll mit der erzielten Lösung zufrieden sind. Wir hielten die vom Bundestag in dritter Lesung am 15. Dezember 1971 beschlossene Fassung für besser als den Kompromißvorschlag des Vermittlungsausschusses. Warum? Das will ich heute hier an dieser Stelle nicht wiederholen, weil unsere Fraktion dieses in der dritten Lesung am 15. Dezember 1971 mit der, wie ich meine, erforderlichen Deutlichkeit dargelegt hat. Ergänzend hierzu heute nur folgendes.
Erstens zu den Richteramtsbezeichnungen: Abgesehen davon, daß wir die alleinige Bezeichnung „Richter" für der hohen Bedeutung des Richteramtes in diesem Staat angemessener hielten als die etwas langen und umständlichen Bezeichnungen, die das Gesetz jetzt vorsieht, will die Fraktion der SPD Ihnen nicht verhehlen, daß sie von dem Brief eines Bundesrichters sehr beeindruckt war, der uns während der Beratungen erreichte. Darin berichtete er davon, daß ihm jetzt ein Schwurgerichtsurteil vorliege, bei dem die Richteramtsbezeichnungen sich bei der mitwirkenden Richterbank bei der Anwendung der neuen Titel wie folgt lesen würde: Richter am Landgericht als Vorsitzender, Vorsitzender Richter am Landgericht als Beisitzer, Vorsitzender Richter am Amtsgericht als Beisitzer und drei weitere Richter am Landgericht als Beisitzer und die ehrenamtlichen Richter. Es wird sicherlich zur Transparenz der Justiz in diesem Lande und zum Verständnis bei der Bevölkeerung nicht beitragen, wenn ein juristischer Laie einen solchen Urteilskopf liest. Nun gut, wir hatten gesagt, daß dies ein Kompromiß sei und wir bereit seien, ihm zuzustimmen. Wir möchten allerdings von dieser Stelle ausdrücklich zum Ausdruck bringen, daß wir der Begründung, die der Bundesrat dem Vermittlungsbegehren zu den Richteramtsbezeichnungen in einem Teil gegeben hat, nicht zuzustimmen vermögen, jenem Teil nämlich, bei dem sich der Bundesrat auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes stützt und einen Verfassungsschutz für bestimmte Richteramtsbezeichnungen konstruieren will und insbesondere auch bestimmte Ausführungen über die andersartige Richterfunktion des Vorsitzenden macht. Wir sind hier mit dem Bundesverfassungsgericht im 18. Bande der Meinung, daß die besondere Aufgabe des Vorsitzenden sich darin erschöpft, für die rechtzeitige und sachgemäße Erledigung der anfallenden Geschäfte in seinem Spruchkörper zu sorgen.
Wir begrüßen es außerordentlich, daß die traditionelle Amtsbezeichnung der in der Strafgerichtsbarkeit tätigen ehrenamtlichen Richter mit „Schöffen" erhalten werden kann und freuen uns in diesem Punkte über den Beschluß des Vermittlungsausschusses.
({0})
Dr. Arndt ({1})
Wir sind auch einverstanden mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses über die Zusammensetzung der Präsidien, wenngleich wir die vom Bundestag beschlossene Fassung bevorzugt hätten. Aber wir sehen auch dies als einen fairen und gerechten Kompromiß zwischen den beteiligten Verfassungsorganen an.
Wir begrüßen ausdrücklich den Vereinheitlichungseffekt, den dieses Gesetz hinsichtlich der Gerichtsverfassungen zwischen den einzelnen Gerichtszweigen mit sich bringt, und wir begrüßen ganz besonders ausdrücklich den Beschluß des Vermittlungsausschusses, das Vermittlungbegehren hinsichtlich der überbesetzten Spruchkörper zurückzuweisen, weil hier einer der elementaren Verfassungsgrundsätze für die Ausübung des Richteramtes überhaupt, nämlich die abstrakte Festlegung des gesetzlichen Richters, besser gesichert wird.
Zusammenfassend darf ich für meine Fraktion sagen, daß wir den Beschluß des Vermittlungsausschusses als einen fairen Kompromiß zwischen den Auffassungen der Bundesregierung, des Bundesrates und des Bundestages ansehen. Insbesondere darf durch das Vermittlungsverfahren nicht verdunkelt werden, daß dieses Gesetz gegenüber dem bisherigen Zustand einen ganz besonderen Fortschritt darstellt. Ich darf Ihnen zur Begründung dieses Ausspruchs über den Fortschritt insgesamt sechs Punkte namens meiner Fraktion nennen: Erstens. Die Richter werden in Zukunft auch in ihren Amtsbezeichnungen deutlich zum Ausdruck bringen, daß sie nicht mehr Räte im Sinne des Obrigkeitsstatus sind, sondern daß sie Richter dieses demokratischen Staates sind. Zweitens. Es wird nur noch drei Amtsbezeichnungen statt der bisher fast 40 geben, und sie werden zumindest ganz erheblich funktionsgerechter sein als die bisherigen Bezeichnungen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte um mehr Aufmerksamkeit für den Redner!
Drittens werden durch dieses Gesetz die Sorgen, die zumindest in Teilen der Richterschaft hinsichtlich der Anerkennung des Leistungsprinzips entstanden sein könnten, auch in der Justiz zerstreut. Viertens. Wir begrüßen es ganz außerordentlich, daß alle Gerichte ohne Ausnahme in Zukunft demokratisch gewählte Präsidien haben werden. Fünftens. Wir halten es für eine große Errungenschaft dieses Gesetzes, den gesetzlichen Richter ganz allgemein und auch in überbesetzten Spruchkörpern für die Zukunft unabdingbar zu garantieren. Sechstens und letztens zählen wir zu den großen Vorzügen dieses Gesetzes, daß der steinige Weg der Vereinheitlichung der Gerichtsverfassungen dadurch begonnen hat, daß nunmehr Teile des Gerichtsverfassungsgesetzes einheitlich für alle Gerichtszweige, die wir haben, gelten, also für die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit und der drei Verwaltungsgerichtsbarkeiten.
Weil wir diese sechs großen Fortschritte als eine bedeutende Reform unserer rechtsprechenden Gewalt ansehen, werden wir dem Gesetz auch in der Fassung des Vermittlungsausschusses unsere Zutimmung geben.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Berichterstattung über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses und nach den beiden Reden meiner Herren Vorredner kann ich mich für die Freie Demokratische Partei kurz fassen. Auch wir als Freie Demokraten stimmen dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses in vollem Umfang zu. Wir begrüßen es, daß sich hier gezeigt hat, daß über die Bedeutung des Richteramtes, über die Bedeutung des Rechtswesens in unserem demokratischen Staat bei allen Fraktionen eine einheitliche Auffassung vorhanden ist. Es zeigt sich, daß die besondere Stellung, die dem Richter und der Rechtsprechung in unserem Grundgesetz zuteil geworden ist, auch heute nach über 20 Jahren in vollem Umfang von dem gesamten Haus anerkannt wird.
Bei diesem Kompromiß möchte ich doch noch auf folgende Besonderheit aufmerksam machen. Wir hatten gerade in letzter Zeit häufig Vorschläge des Vermittlungsausschusses, bei denen es allerdings mehr darum ging, daß zwischen den Auffassungen der Regierungskoalition und denen der Opposition keine Einigung zu erzielen war. Diesmal geht es dagegen um einen Kompromiß zwischen dem, was die Regierung vorgelegt hat, und dem, was dann der Bundestag und der Rechtsausschuß beschlossen hatten. Ich finde, daß spricht für die Regierungskoalition und dafür, daß hier schon von der Regierung ein guter, akzeptabler Vorschlag gemacht wurde.
({0})
Wir schätzen es sehr, daß durch diesen Kompromiß, der hier vorliegt, Unruhe aus der Richterschaft herausgetragen wird und daß dieser Kompromiß auch die Zustimmung der Richter erhält.
Im übrigen darf ich auf das hinweisen, was auch Herr Kollege Arndt zum Schluß seiner Darstellungen besonders zusammengefaßt hat. Ich würde mich freuen, wenn noch öfter, besonders wenn es sich um so wichtige Rechtsfragen handelt, trotz der oft sehr kontroversen Auffassungen in diesem Hause eine Einigkeit erzielt werden könnte. Das dient der Sachlichkeit.
({1})
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer dem Bericht des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Vizepräsident Dr. Jaeger
Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Angenommen.
Ich gehe zurück zu Punkt 5 der Tagesordnung, Änderung der Strafprozeßordnung, und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß der Herr Bundesjustizminister die hier anstehende Frage ohne Polemik behandeln will.
({0})
Herr Bundesjustizminister, darin stimmen wir Ihnen voll zu. Aber nach der Rede, die Sie am 2. Februar hier zu diesem Thema, insbesondere in Erwiderung auf Herrn Vogel, gehalten haben, müssen wir uns wohl noch darüber unterhalten, was Sie unter Polemik verstehen.
({1})
Nach dieser Einleitung darf ich namens und im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf - Drucksache VI/3248 -des Bundesrates folgende Erklärung abgeben.
Die CDU 'CSU begrüßt nachdrücklich den hier vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung des Haftrechts und nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, daß der Bundesrat mit der CDU/CSU-Fraktion der Auffassung ist, daß zum besseren Schutz des Bürgers und der Gesellschaft vor Serien- und Hangverbrechern ein verbessertes und effizienteres Haftrecht eingeführt werden soll.
({2})
Der Gesetzentwurf des Bundesrates, der uns jetzt zur Beratung vorliegt, nimmt im wesentlichen die Anliegen auf, die die CDU/CSU-Fraktion bereits mit ihrem Gesetzentwurf vom 7. September 1971 diesem Hause zur Beratung vorgelegt hat.
({3})
Leider wurde dieser Gesetzentwurf erst am 2. Februar in diesem Hause beraten.
({4})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben am 2. Februar hier sehr ausführlich und - wie ich meine, Herr Minister - sehr sachlich zu diesen Fragen Stellung genommen. Es erübrigt sich im Augenblick, in der Sache zu dieser Vorlage Stellung zu nehmen. Wir werden uns darüber in den Ausschüssen unterhalten; und es gibt dazu noch einiges zu sagen.
Zur Frage des Verfahrens und der Einstellung dieser Bundesregierung und des hier anwesenden Justizministers in dieser Frage müssen von uns allerdings einige Feststellungen getroffen werden.
({5})
Herr Bundesjustizminister, wir stellen mit Interesse
und einer gewissen Genugtuung fest, wie bei der
Bundesregierung und bei Ihnen in dieser Sache
- zwar noch langsam und mühsam und noch nicht völlig abgeschlossen - wie Ihre heutigen Ausführungen dazu gezeigt haben - ein Prozeß des Umdenkens vonstatten geht. Während der Herr Bundesjustizminister bei der Debatte über den Gesetzentwurf der CDU/CSU am 2. Februar noch davon sprach, daß die CDU/CSU hier ein Geschäft mit der Angst machen wolle und Verunsicherung betreibe,
({6})
begrüßt die Bundesregierung, und damit doch wohl auch der zuständige Bundesminister, nun die Vorlage des Bundesrates, die im wesentlichen das beinhaltet, was wir mit unserem Gesetzentwurf wollten.
({7})
Möglicherweise hat zu diesem Bewußtseinsbildungsprozeß die Tatsache beigetragen, daß inzwischen die vom Rechtsausschuß auf unsere Initiative angeforderten Berichte der Landesjustizverwaltungen, Gerichte und Staatsanwaltschaften vorliegen und daß sie in ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl, untermauert durch Hunderte und Tausende von Fällen, klar darlegen, daß eine Änderung des Haftrechts unbedingt notwendig ist.
({8})
Wir sind dankbar dafür, daß wir diese Unterlagen jetzt haben.
({9})
Aber - darüber haben wir ja bereits am 2. Februar gesprochen. Das Lob für die Bundesregierung muß ich allerdings gleich wieder etwas einschränken, weil der Bewußtseinsbildungsproze3 zumindest bei Herrn Minister Jahn noch nicht zur Handlungsreife gediehen ist.
({10})
Das haben auch seine heutigen Ausführungen gezeigt. Das zeigt aber auch die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Entwurf des Bundesrates. Da heißt es nämlich sofort wieder einschränkend, es sei natürlich mit dem Haftrecht nur sehr bedingt eine Verbesserung der Verbrechensbekämpfung zu erreichen. Herr Justizminister Jahn, nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir Ihnen da voll zustimmen! Wir wissen sehr genau, daß über das Haftrecht hinaus eine Verbesserung der personellen und sachlichen Ausstattung der Polizei erforderlich ist; wir wissen, daß eine Beschleunigung der Strafverfahren erforderlich ist. Aber diese Feststellungen dürfen doch nicht dazu führen, daß, weil man sagt, das eine reiche nur bedingt aus, gar nichts getan wird!
({11})
Wir nehmen mit einem gewissen Bedauern zur Kenntnis, daß Sie andere Dinge - wie das Vierte Strafrechtsänderungsgesetz - in Ihrer Rechtspolitik mit Nachdruck verfolgen. Wir würden hier andere Prioritäten setzen; wir würden zunächst das tun,
Dr. Stark ({12})
was im Interesse unserer Bürger erforderlich und notwendig ist.
({13})
Wir haben den Eindruck, daß Sie diese Sache nur verzögerlich und mit halbem Herzen behandeln.
({14})
Wenn dem nicht mehr so sein sollte, Herr Minister, wenn Sie mit uns entschlossen sind, daß diese Entwürfe jetzt bald und zügig beraten werden und daß wir bald ein besseres Haftrecht haben, dann - das darf ich Ihnen versprechen - können Sie mit unserer sachlichen Mitarbeit an diesem Gesetz rechnen.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Oppositionsparteien und auch heute von dem Kollegen Stark wird immer wieder betont, daß es ihnen darum geht, eine sachliche Diskussion, ein sachliches Gespräch über die Fragen im Zusammenhang mit der Verbrechensbekämpfung zu führen. Ich muß aber die Feststellung machen, Herr Kollege Stark - Ihre Rede hat das heute wieder gezeigt -, daß es Ihnen nicht so sehr um dieses sachliche Gespräch und um eine sachliche Aussprache geht, sondern daß es Ihnen in erster Linie darum geht, eine Verunsicherung in die Bevölkerung hineinzutragen, um - ich möchte das mit Nachdruck sagen - daraus auch politisches Kapital zu schlagen.
({0})
- Ich werde dazu nachher noch etwas sagen.
Herr Kollege Metzger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte:
Sind Sie, Herr Kollege Metzger, der Meinung, diesen Türken der Verunsicherung, nachdem der Minister hier eine neue Grundlage gelegt hat und wir ohne Polemik diskutieren sollten, hier wieder aufbauen zu sollen? Sind Sie nicht vielmehr der Meinung, daß die Verbrecher und das Ansteigen der Verbrechen die Verunsicherung in der Bevölkerung hervorrufen und nicht wir mit einem Gesetzentwurf, der das einschränken will?
({0})
Ich habe nicht diesen polemischen Ton aufgegriffen, Herr Kollege Stark, sondern ich habe nur dem etwas entgegengesetzt, was Sie an Polemik in Ihrer Rede wieder zum Ausdruck gebracht haben. Das muß man doch sehen. So, wie Sie in den Wald hineinrufen, so schallt es auch heraus.
Wenn Sie von Verunsicherung in der Bevölkerung sprechen, so gibt es zwei Gründe für eine Verunsicherung. Das ist einmal ein Ansteigen der Kriminalität; das wird von uns durchaus gesehen. Es ist zweitens aber auch eine gewisse Hysterie, die von Ihnen zusätzlich in die Bevölkerung hineingetragen wird, und diese Hysterie wird erzeugt, um daraus parteipolitisches Kapital zu schlagen.
({0})
Sie haben, Herr Kollege Stark, erneut die Behauptung aufgestellt, daß der Bundesminister der Justiz, die Bundesregierung und auch die Koalitionsfraktionen eine verzögernde Behandlung dieser Gesetze anstreben. Sie wissen ganz genau - darauf möchte ich noch einmal hinweisen -, daß im Jahre 1964 alle Fraktionen in diesem Parlament mit großer Mehrheit die Reform des Haftrechts beschlossen haben. Sie wissen auch genau, daß nach dieser Reform des Haftrechts schon sehr bald kritische Stimmen laut wurden und darauf hingewiesen haben, daß die Änderungen, die damals vorgenommen wurden, einer Überprüfung bedürfen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Parteitagsbeschluß der Sozialdemokratischen Partei aus dem Jahre 1969 hinweisen, in dem bereits gefordert wird, zur Sicherung der Bevölkerung vor Kriminalität die Bestimmungen des Haftrechts zu überprüfen.
({1})
- Ich komme darauf noch zu sprechen. Ich komme auch auf Ihren Entwurf, den Sie am 2. Februar hier vorgelegt haben, noch zu sprechen. Wir wissen auch, daß es diese Bundesregierung war, nicht die vorausgegangenen, die zum erstenmal ein umfassendes Programm zur Intensivierung und Modernisierung der Verbrechensbekämpfung vorgelegt hat. Wir haben dieses Programm im Jahre 1970 hier im Hause debattiert, und damals war es mein Fraktionskollege Pensky, der darauf hingewiesen hat, daß im Zusammenhang mit diesem Programm der Bundesregierung zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung auch die Fragen des Haftrechts angesprochen, geprüft und einer Lösung zugeführt werden müssen.
({2})
Sie wissen genau, Herr Kollege Stark, daß wir uns im Rechtsausschuß Ende 1970 mit der gleichen Frage befaßt haben. Damals habe ich - ich möchte mit Genehmigung des Präsidenten ein Zitat bringen - dazu ausgeführt:
Abg. Metzger ({3}) stellt als Hauptproblem des Gesamtbereiches der Verbrechensbekämpfung für den mitberatenden Rechtsausschuß die Frage des Haftrechts ... heraus. Es sei zu untersuchen, inwieweit durch die StPO-Novelle vom Jahre 1964 die Verbrechensbekämpfung der Polizei erschwert worden sei. Die Aufklärungsquote sei gesunken, wie aus Ziffer 10 der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ... der Fraktion der CDU/CSU ... zu
entnehmen sei. Der Berichterstatter weist auf die Rede des Bundesministers der Justiz vom 11. November 1970 vor der Gewerkschaft der Polizei hin, in der ein Überdenken des Haftrechtes für notwendig erklärt werde.
({4})
Er schlägt vor, dem federführenden Innenausschuß zu empfehlen, das BMI und das BMJ zu bitten, von den entsprechenden Verwaltungen der Länder Tatsachenmaterial der Polizeidienststellen, der Staatsanwaltschaften und der Gerichte zu diesen Fragen anzufordern und dem Ausschuß vorzulegen.
Wir müssen doch in diesem Zusammenhang feststellen, daß solches Tatsachenmaterial durch die vorausgegangenen Minister, vor allem auch durch den vorausgegangenen Minister Benda, eben nicht vorgelegt worden ist.
({5}) meldet sich
zu einer Zwischenfrage.)
- Herr Kollege Erhard, ich möchte das gerne zu Ende führen - -({6})
- Nein, ich möchte das jetzt gerne zu Ende führen, weil meine Zeit beschränkt ist. Es tut mir leid!
Wir haben das Material erst anfordern müssen, und wir wissen, daß der Bundesjustizminister dieses Material bei den Ländern anfordern mußte. Es ist erst Ende vergangenen Jahres hier eingegangen.
Wir müssen aber auch noch etwas anderes sehen, und darauf wird von Ihrer Seite, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, nach meiner Auffassung nicht ausreichend hingewiesen. Bei der Auseinandersetzung um eine Ergänzung und Erweiterung des Haftrechts geht es um die grundlegende Frage, wie wir das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des einzelnen auf persönliche Freiheit auf der einen Seite und dem Schutz der Allgemeinheit vor strafbaren Handlungen und auch vor einem Ansteigen der Kriminalität auf der anderen Seite lösen können. Es geht dabei aber auch um die grundsätzliche Frage, wie ein freiheitlicher Staat und eine freie Gesellschaft mit dem Problem fertig werden, sich vor Verbrechen zu schützen und gleichzeitig zu garantieren, daß der Beschuldigte, dessen Schuld noch nicht nachgewiesen ist - und um diese Fälle geht es ja - gegen Willkür gesichert und vor Unrecht geschützt wird.
Wir wissen auch, daß gerade zu diesem so wichtigen Fragenkomplex Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorliegen, insbesondere eine ganz wesentliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1965, und daß wir gut beraten sind, wenn wir auch im Zusammenhang mit der Beratung einer Novelle des Haftrechts diese Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung aufgestellt hat, beachten und an diesem Maßstab auch die notwendigen Ergänzungen und Veränderungen messen.
In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, daß es Hektik und Oberflächlichkeit unmöglich machen, diese entscheidenden Verfassungsgrundsätze gewissenhaft zu prüfen und zu beachten.
({7})
Diese Hektik und diese Oberflächlichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion - damit komme ich zu Ihrem Entwurf, den Sie vor sechs Wochen vorgelegt haben -, wird besonders deutlich, wenn wir diesen Entwurf mit dem Entwurf vergleichen, der heute vom Bundesrat vorgelegt wurde und der uns in dieser Debatte beschäftigt.
Es kann nicht Aufgabe der ersten Lesung sein, auf Detailfragen einzugehen. Ich möchte deshalb meine Ausführungen zu diesem Entwurf auf einige wenige grundsätzliche Bemerkungen beschränken.
Erste Bemerkung: Wir bejahen die angestrebte Präzisierung des Haftgrundes der Fluchtgefahr. Die Erfahrung zeigt auch das von den Ländern vorgelegte Material, soweit ich es bisher durcharbeiten konnte; wir wissen, daß es sich um ein sehr umfangreiches Material handelt -, daß das Vorliegen eines festen Wohnsitzes des Beschuldigten in vielen Fällen bei der Prüfung der Frage, ob die Notwendigkeit einer Untersuchungshaft zu bejahen ist, allein den Ausschlag gegeben hat. Das entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Jahre 1964 in den Beratungen und auch in der Beschlußfassung zum Ausdruck gekommen ist. Andere Umstände, z. B. die Höhe der zu erwartenden Strafe, sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Zweite Bemerkung: Bestätigt das von den Bundesländern vorgelegte Material die kriminalpolitische Notwendigkeit einer Erweiterung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr - und das muß eben in diesen Beratungen eingehend geprüft werden -, werden wir einer Novellierung des Haftrechtes unter folgenden Voraussetzungen, die teilweise in dem Entwurf des Bundesrates bereits enthalten sind, zustimmen.
Erstens. Es muß eine Beschränkung erfolgen auf Taten der Schwer- und Serienkriminalität, bei denen eine Wiederholungsgefahr besteht.
Zweitens. Es muß ein dringender Verdacht vorliegen, durch eine Straftat wiederholt und fortgesetzt den Rechtsfrieden schwerwiegend beeinträchtigt zu haben.
Drittens. Es müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, die die dringende Gefahr begründen, daß der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten begeht oder die Straftat fortsetzt.
Viertens. Es muß eine Freiheitsstrafe von einer ganz bestimmten Höhe zu erwarten sein.
Fünftens. Die Haft muß zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich sein.
Sechstens. Es muß eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer Straftat gleicher Art vorliegen.
Siebentens. Die Dauer der Haft muß beschränkt werden, wenn keine Hauptverhandlung innerhalb einer bestimmten Frist stattfindet.
Achtens. Eine gesetzestechnische Abgrenzung muß vorgenommen werden zwischen den normalen Tatbeständen der Untersuchungshaft wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr und der Sicherungshaft wegen Wiederholungsgefahr.
Neuntens - das sage ich mit allem Nachdruck, und hier stehen wir im Gegensatz zu Ihrem Entwurf -: Es kann keine Ausdehnung auf politische Straftaten, wie Sie das in Ihrem Entwurf vorgesehen haben, in Frage kommen. Dabei geht es nicht -das möchte ich zur Klarstellung sagen - um Verbrechen, die unter einem pseudopolitischen Deckmantel vorgenommen werden.
({8})
- Herr Kollege Stark, Sie haben vorhin selbst gesagt, daß wir uns einig sind; in dieser Frage sind wir uns sicher einig.
Wir sind uns darüber im klaren, daß eine Ausweitung des Haftrechts kein Allheilmittel für die Verbrechensbekämpfung ist.
({9})
Die Verbrechensbekämpfung kann nur ein Bestandteil des von der Bundesregierung vorgelegten Gesamtprogramms sein. Das sollte man aber in der Öffentlichkeit immer wieder betonen, weil sonst die Gefahr besteht, daß durch solche Diskussionsbeiträge, wie sie hier vielfach geliefert werden, in der Bevölkerung falsche Hoffnungen erweckt werden, die nachher nicht erfüllt werden können.
({10})
Das Haftrecht ist nur ein Teil der Verbrechensbekämpfung. Andere Maßnahmen müssen damit Hand in Hand gehen, sofern sie nicht bereits durchgeführt wurden. In der Debatte am 2. Februar 1972 wurde von meinem Fraktionskollegen Dr. de With und Pensky auf diese Maßnahmen bereits hingewiesen.
Aber - und das sollte eigentlich der Ausgangspunkt für die weiteren Beratungen im Rechtsausschuß sein - wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Lösung dieser Aufgaben, die alle Parteien in diesem Parlament angeht, von uns nur dann bewältigt werden kann, wenn wir gemeinsam in politischer Verantwortung gegenüber den Bürgern um die beste Lösung ringen. Ich hoffe, daß uns die Ausschußberatungen hierzu die notwendige Gelegenheit geben werden.
({11})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innerhalb ganz
kurzer Zeit befassen wir uns jetzt das zweite Mal mit einem Gesetzentwurf, der das Recht der Untersuchungshaft zum Inhalt hat. Herr Kollege Stark, mich hat es eigentlich gewundert, daß Sie zu der heutigen Vorlage überhaupt nicht Stellung genommen, sondern sie ausgespart haben. Ich könnte mir das natürlich dadurch erklären, daß bei einem Vergleich der heutigen Vorlage, die vom Bundesrat eingebracht wurde, mit dem, was von Ihrer Fraktion eingebracht wurde, festzustellen ist, daß da doch ganz erhebliche Unterschiede sind. Hier wird doch eher der Versuch gemacht, für die Reform der Untersuchungshaft eine Form zu finden, die unserem Grundgesetz und auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auf die bereits von meinen Vorrednern hingewiesen wurde, gerecht wird.
({0})
Ich hoffe, daß wir auch in dieser Frage wieder einige gemeinsame Grundsätze haben. Der erste erfordert bestimmt keinerlei Diskussion: wir alle sind für eine wirksame Verbrechensbekämpfung. Darüber sind wir uns selbstverständlich alle einig. Ich hoffe, wir sind uns weiter darüber einig, daß wir bei der Verbrechensbekämpfung einen Unterschied zwischen den polizeilichen Aufgaben und den Aufgaben des Strafverfahrens machen müssen. Ich habe den Eindruck, daß in der Argumentation diese zwei grundsätzlich verschiedenen Aufgaben oft nicht genügend auseinandergehalten werden.
Herr Kollege Metzger hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung den Hebel zur Verbrechensbekämpfung gerade an der Stelle angesetzt hat, wo diese Bekämpfung am allerwirksamsten geschehen kann, nämlich durch eine Modernisierung unserer Kriminalpolizei, durch eine bessere Ausstattung der Kriminalpolizei. Über diese Maßnahmen der Verbrechensbekämpfung wurde sehr ausführlich diskutiert. Wenn die CDU/ CSU früher auch nicht die entsprechenden Initiativen ergriffen hat, so hoffe ich doch, daß sie diesen Initiativen in vollem Umfang zustimmt, und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern auch - hier kommt es ja auch sehr auf eine Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden und mit den polizeilichen Maßnahmen an - auf Länderebene.
({1})
Hier ist der wirksamste Hebel, mit dem Verbrechen tatsächlich besser bekämpft werden können.
Allerdings bin ich mir nicht mehr so sicher, Herr Kollege Stark, ob wir uns auch in der Frage einig sein werden, wieweit das Strafverfahren hier geeignet ist. Hier kommt zum Ausdruck, daß die Bewertung der Grundrechte durch die FDP, vor allen Dingen der Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber einem Eingriff, der seine Freiheit beschneidet, sich von der der CDU/CSU unterscheidet. Insofern ist es aber sehr wichtig, daß wir alle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1965 beachten. Sie wurde bereits wiederholt angesprochen. Ich halte es für sehr zweckdienlich, daß man
sich die maßgebenden Sätze daraus immer wieder ins Gedächtnis zurückruft. Besonders bitte ich Sie, Herr Kollege Stark, diese Sätze immer entsprechend zu berücksichtigen, und darum bitte ich auch Ihre Kolleginnen und Kollegen bei der CDU. Ich will Ihnen den Wortlaut der für unsere Entscheidung über die Reform ausschlaggebenden Sätze vortragen. Ich zitiere jetzt:
Die volle Entziehung der persönlichen Freiheit durch Einschließung in eine Haftanstalt ist ein Übel, das im Rechtsstaat grundsätzlich nur dem zugefügt werden darf, der wegen einer gesetzlich mit Strafe bedrohten Handlung rechtskräflig verurteilt worden ist. Diese Maßnahme schon gegen einen einer Straftat lediglich Verdächtigten kann nur in streng begrenzten Ausnahmefällen zulässig sein. Dies ergibt sich auch aus der grundsätzlichen Unschuldsvermutung, die es ausschließt, auch noch bei noch so dringendem Tatverdacht gegen den Beschuldigten im Vorgriff auf die Strafe Maßregeln zu verhängen, die in ihrer Wirkung der Freiheitsstrafe gleichkommen.
Die Untersuchungshaft muß in Anordnung und Vollzug von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht werden; der Eingriff in die Freiheit ist nur hinzunehmen, wenn und soweit einerseits wegen dringenden, auf konkrete Anhaltspunkte gestützten Tatverdachts begründete Zweifel an der Unschuld des Verdächtigten bestehen, andererseits der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als dadurch, daß der Verdächtige vorläufig in Haft genommen wird.
Der Richter hat stets im Auge zu behalten, daß es der vornehmliche Zweck und der eigentliche Rechtfertigungsgrund der Untersuchungshaft ist, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen; ist sie zu einem dieser Zwecke nicht mehr nötig, so ist es unverhältnismäßig, und daher grundsätzlich unzulässig, sie anzuordnen, aufrechtzuerhalten oder zu vollziehen.
Der § 116 StPO legt dem Richter die Pflicht auf, bei jeder Verhaftung wegen Flucht-, Verdunklungs- und Wiederholungsgefahr zu prüfen, ob der Zweck der Untersuchungshaft nicht auch durch weniger einschneidende Freiheitsbeschränkungen erreicht werden kann.
Das muß natürlich auch die Richtschnur für die Beratung der zwei vorliegenden Gesetzentwürfe sein.
Dann möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Die Behauptung, daß heute nicht mehr soviel verhaftet werde, stimmt in dieser Form nicht. Ich zitiere hier aus der „Deutschen Richterzeitung" vom November 1971, Seite 382. Dort sind die Zahlen der Untersuchungsgefangenen genannt. 1964 waren es rund 13 500 Untersuchungsgefangene. Das war vor der kleinen Strafprozeßnovelle. Nach der kleinen Strafprozeßnovelle fiel die Zahl dann zunächst bis
auf 11 100 im Jahre 1969, und dann stieg sie wieder an. 1970 war die Zahl mit 13 030 Untersuchungshäftlingen wieder fast gleich groß wie 1964. Dies wurde mir auch von Richtern und Staatsanwälten bestätigt. Die StPO-Novelle wollte nicht, daß stets bei einem festen Wohnsitz die Fluchtgefahr zu verneinen ist. Die Praxis in den einzelnen Ländern ist verschieden.
Wir Freien Demokraten sind deshalb dafür, daß dieser Gedanke, daß ein fester Wohnsitz nicht ohne weiteres die Fluchtgefahr ausschließt, besser gefaßt wird, als das in der bisherigen Bestimmung der Fall ist.
Wir sind weiterhin der Meinung, daß der Bürger selbstverständlich einen Schutzanspruch vor Straftaten hat, daß er, wenn eine Straftat begangen worden ist, nach Möglichkeit vor weiteren Straftaten geschützt wird. Aber ich bedauere es genau wie Herr Metzger und wie schon in der letzten Diskussion gesagt wurde, daß übertrieben, auch mit Schlagzeilen in der Presse, eine Verunsicherung in die Bevölkerung hineingetragen wird, die den Tatsachen nicht immer ganz entspricht. - Bitte, Herr Kollege!
von Thadden ({2}) : Frau Kollegin, würden Sie es auch als überspitzt ansehen, daß in der Begründung dieses Gesetzentwurfs drei Dinge stehen: erstens starker Anstieg der schweren Kriminalität, zweitens besorgniserregender Rückgang der Aufklärung, drittens Resignation bei den Organen, die der Strafverfolgung dienen?
({3})
Gerade darauf wollte ich jetzt noch zu sprechen kommen, Herr Kollege.
Zunächst einmal das Ansteigen der Kriminalität. Da muß man natürlich zwischen den verschiedenen Zweigen unterscheiden. Übrigens steigt die Kriminalität zu meinem großen Bedauern international an. Das muß uns zu denken geben, was man dagegen tun kann.
({0})
Deswegen die Unterstützung der Maßnahmen, die
vom Bundesinnenministerium und von der Bundesregierung in dieser Hinsicht unternommen werden!
Die Aufklärungsquote: Herr Kollege, ich würde Ihnen doch raten, sich einmal die Kriminalstatistik vom letzten Jahr anzusehen.
({1})
Sie ist genau nach den einzelnen Zweigen aufgegliedert. Sie werden finden, daß die Aufklärungsquote vor allen Dingen deshalb fällt, weil die Eigentumsdelikte, insbesondere die leichteren - also Diebstähle, Autodiebstähle, Diebstähle aus Autos, Warenhausdiebstähle -, in einem unverhältnismäßigen Umfang ansteigen. Staatsanwaltschaft und Polizei sind heute damit so sehr belastet, daß sie ihren Aufgaben gar nicht mehr entsprechend nachkommen können. Deswegen muß man etwas dafür tun, daß sich die Aufklärungsquote wieder bessert.
Ich erhoffe hierfür auch etwas von gesetzlichen Maßnahmen, wie sie der Herr Bundesjustizminister angekündigt hat, nämlich eine Änderung des Strafverfahrens dahin, daß Bagatelldelikte der Polizei übertragen werden
({2})
und damit den schwereren Diebstählen bzw. Eigentumsdelikten, den Betrugsfällen schärfer nachgegangen werden kann als im Augenblick.
Wir müssen auch die Ursachen der Kriminalität verfolgen und ihnen über Jugendhilfe, Sozialmaßnahmen usw. entgegentreten. Ich will das jetzt nicht vertiefen. Sie müssen genau verfolgen, woher heute gerade die ansteigende Kriminalität bei den Jugendlichen kommt, die mir außerordentlich zu den-hen gibt. Was fehlt hier? Wie kann man dem Rechnung tragen, so daß die Jugendlichen gar nicht erst in die Kriminalität absinken?
({3})
Ich halte das für die Verbrechensbekämpfung für ganz wesentlich.
Etwas Weiteres gibt mir auch zu denken. Ich habe leider die entsprechenden Zahlen nicht mehr im Kopf und habe sie mir nicht herausgelegt. Aber das wird sich bei den Beratungen im Ausschuß sicherlich klären lassen. Ich habe kürzlich gelesen, wieviel Verfahren vor den Staatsanwaltschaften eingestellt werden. Es war ein für mich überraschend hoher Prozentsatz.
({4})
- Herr Kollege, das zeigt natürlich auch etwas anderes, nämlich daß ein nicht schuldiger Bürger zunächst einmal durchaus in einen Verdacht geraten kann. Wir dürfen natürlich auch dem gegebenenfalls schuldlos in ein Strafverfahren Verwickelten nicht die Rechtsgarantien beschneiden. - Herr Kollege Erhard!
Gnädige Frau, sind Sie der Auffassung, daß der überwiegende Teil der bei den Staatsanwaltschaften eingestellten Verfahren wegen Unschuld oder Nichtschuldigkeit derer, gegen die ermittelt wird, eingestellt werden? Oder sind Sie der Meinung, daß die meisten Verfahren wegen geringer Schuld oder wegen relativer Unbedeutsamkeit der Sachen eingestellt werden?
Herr Kollege, aus welchen Gründen die Verfahren eingestellt werden, muß im Rechtsausschuß eingehend erörtert werden. Soweit eine Einstellung wegen geringer Schuld nach § 153 erfolgt, wird es sich vielfach um Bagatellfälle handeln, die man im Interesse der wirksamen Verfolgung der schwereren Kriminalität ausschalten muß. Diese Probleme müssen behandelt werden. Man sollte genau feststellen, wie hoch der Prozentsatz ist.
Herr Kollege, mir geht es nicht um die Zahl, mir geht es um etwas anderes. Wir wissen doch, daß
sich mitunter sogar bei rechtskräftig Verurteilten nachträglich herausstellt, daß sie zu Unrecht verurteilt worden sind. Auch das Wiederaufnahmeverfahren bedarf unbedingt einer Reform.
Wir dürfen deshalb die Rechtsgarantien nicht in einem unzulässigen Maße einschränken. Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß, solange ein rechtskräftiges Urteil nicht vorliegt, die Unschuldsvermutung gilt. Solange jemand trotzdem festgehalten wird, seine Freiheit entbehrt, ist das eine Strafe auf Verdacht.
Noch eins, Herr Kollege, was die Serientäter betrifft: Untersuchungshaft ist kein Strafvollzug. Wir werden uns mit der Reform des Strafvollzuges noch befassen müssen. Gerade bei diesen Serientätern, die für die Allgemeinheit schädlich sind, eine Gefahr darstellen, weil sie ja immer wieder die Rechtsgüter ihrer Mitbürger beeinträchtigen, ist es notwendig, daß ein guter Strafvollzug im Sinne eines modernen Resozialisierungsvollzugs erfolgt. Das kann natürlich nicht in der Untersuchungshaft geschehen. Deswegen ist es notwendig, daß ein eingeleitetes Strafverfahren beschleunigt durchgeführt wird. Ich bin deshalb auch der Meinung, daß die in dieser Vorlage enthaltene Frist, nach der eine derartige Untersuchungshaft gegebenenfalls auf bis zu einem Jahr ausgedehnt werden kann, viel zu lang ist,
({0})
sondern daß hier allerhöchstens - wenn man überhaupt dazu kommt - die Grenze von sechs Monaten gelten darf, über die wir in Zusammenhang mit unserer kleinen Strafprozeßnovelle eingehend beraten haben.
Abschließend möchte ich auf das hinweisen, was mit Recht mein Kollege Kleinert zum Abschluß gesagt hat und was genauso für diese Novelle gilt. Er sagte:
In jedem Fall wird bei allen konkreten Schritten ausgeschlossen werden müssen, daß auf kaltem Wege rechtsstaatliche Garantien für alle Bürger ausgehöhlt werden und die Möglichkeit geschaffen wird, mißliebige Personen gleichsam verdachtsweise und aus politischer Opportunität in Haft zu nehmen.
Das bitte ich entsprechend zu beachten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war der Auffassung, hier sollten heute nur Erklärungen abgegeben werden. Aber nachdem die Koalitionsparteien Lust verspüren zu diskutieren, sind wir natürlich gerne dazu bereit.
Dr. Stark ({0})
Ich war erstaunt über das, was Sie, sehr verehrte Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, hier ausgeführt haben. Es kann nur darauf beruhen, daß Sie offenbar noch nicht in der Lage waren, wenigstens einen groben Einblick in die 1200 Seiten Berichte und Unterlagen der Justizverwaltungen zu nehmen; sonst wüßten Sie, wer hier verunsichert, nämlich nicht wir, sondern die Verbrecher.
Ich möchte auch den Kollegen Metzger bitten - mit dem ich in vielem übereinstimme -, diese dummen Schlagworte, wir wollten die Bevölkerung verunsichern, wegzulassen.
Herr Abgeordneter, Sie würden das Wort „dumm" doch vielleicht lieber unterlassen.
Herr Präsident, es sind hier schon schlimmere Dinge passiert, aber ich bin gerne bereit, das „dumm" zurückzunehmen.
Ich weiß, ich war deswegen milde in meiner Kritik.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Diemer-Nicolaus?
Bitte schön!
Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß zu diesem Tatsachenmaterial in der Vorlage der Bundesregierung Stellung genommen worden ist, und zwar nach meiner Auffassung - so wie ich das Material kenne - durchaus zutreffend. Danach liegt exaktes Zahlenmaterial darüber, wie häufig Täter im Zeitraum nach ihrer ersten polizeilichen oder richterlichen Vernehmung bis zu der späteren Hauptverhandlung erneut straffällig werden, aus der gerichtlichen und staatsanwaltlichen Praxis nicht vor. Die weiteren Ausführungen bitte ich nachzulesen. Wie dieses Tatsachenmaterial, das erstellt worden ist, auszuwerten sein wird, wird der Rechtsausschuß erst noch feststellen müssen.
Sehr verehrte Frau Kollegin! Ich mußte in Vorbereitung dieser Debatte in diese 1200 Seiten Einsicht nehmen und habe dies heute nacht und gestern nacht auch getan. Darin sind Hunderte und Tausende von Fällen enthalten, aus denen ganz klar ersichtlich ist: wenn wir das Haftrecht hätten, das wir jetzt wollen, wären Hunderte von Verbrechen nicht geschehen, weil der Täter in Untersuchungshaft gesessen hätte.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Diemer-Nicolaus? - Ich darf Sie bitten, Ihre Frage kurz zu fassen.
Herr Kollege, haben aber die Fälle, die durch die Presse gegangen sind, nicht folgendes gezeigt: daß bei einer richtigen Auslegung des § 112 - gerade in bezug auf den festen Wohnsitz - in einem erheblich höheren Umfang Haftbefehl hätte erlassen werden können?
({0})
Frau Kollegin, das mag sein; aber selbst der Justizminister hat in seiner Stellungnahme gesagt, daß hier so viel Unklarheiten herrschen, daß es dringend notwendig ist, das zu ändern, weil manche unserer Richter es offenbar anders auslegen.
({0})
Die Frage der Haftrechtsverbesserung ist dringlich. Es ist doch nicht so, daß sie erst seit anderthalb Jahren im Raume steht, sondern wir unterhalten uns darüber doch mindestens seit dem Jahre 1968. Alle Justizminister seit 1966 haben der SPD angehört. Wenn Herr Metzger hier Parteibeschlüsse der SPD aus dem Jahre 1969 zitiert, muß ich ihn darauf hinweisen, daß inzwischen zweieinhalb Jahre vergangen sind, in denen etwas hätte auf den Tisch gelegt werden können.
({1})
Einer Ihrer von mir hochgeschätzten Kollegen, der jetzt beim höchsten Gericht Deutschlands tätig ist, hat immerhin einen Versuch gemacht.
({2})
Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Wir haben uns damals durch einen falsch verstandenen, ideologischen Freiheitsbegriff und durch eine ungleichmäßige Abwägung der Interessen, nämlich des Anspruchs des anständigen Bürgers auf Sicherheit und Freiheitsrechte und des Anspruchs des Verbrechers, menschlich behandelt zu werden, verunsichern lassen. Ich höre hier immer ein bißchen heraus - das muß ich einmal sagen -: Man muß den Verbrecher in seinen Freiheits- und Persönlichkeitsrechten schützen und möglichst „zart" anfassen. Es geht aber auch darum, den Bürger in seinen Freiheitsrechten und seinem Sicherheitsgefühl zu schützen.
({3})
Nur darum, meine Damen und Herren, geht es uns.
Wir wollen hier keine Ausschußdebatte führen. Wir sind auf die Entwürfe nicht so festgelegt, daß wir uns nicht darüber unterhalten könnten, was nun richtig oder was nicht richtig ist. Unser Begehren ist nur, daß jetzt gehandelt wird und daß man die Probleme nicht noch einmal ein paar Jahre vor sich herschiebt und daß aus einem meines Erachtens falschen Verständnis des Rechtsstaates, einem falschen Persönlichkeits- und Freiheitsverständnis heraus eine Sache nicht getan wird, die jetzt und hier getan werden muß. Im Augenblick ist der Bevölkerung nicht mehr damit geholfen, daß man darüber klagt und davon spricht, sondern wir müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine bessere Verbrechensbekämpfung schaffen. Die Haftrechtsverbesserung ist nur ein Teil davon; andere Voraussetzungen
Dr. Stark ({4})
wurden angeschnitten. Tun wir doch das miteinander! Dann braucht es zu keinem parteipolitischen Streit darüber zu kommen.
({5})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß - mitberatend - beantragt worden. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung
- Drucksache VI/2855
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({6})
- Drucksache VI/3242 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Weber
({7})
Abgeordneter Hussing
({8})
Ich danke den Berichterstattern. Wünschen sie zur Ergänzung das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Wird das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die zweite Beratung. Wir kommen zur Einzelabstimmung in der zweiten Beratung.
Ich rufe Art. 1, 2, 3 und 4 - mit der im Ausschußantrag vorgesehenen Änderung - sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung über dieses Gesetz. Wer zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Ich rufe den Punkt 8 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum
Zusatzprotokoll für die Übergangsphase der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei Finanzprotokoll
Internen Abkommen über das Finanzprotokoll Abkommen über die EGKS-Erzeugnisse vom 23. November 1970
- Drucksache VI/2978 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({9}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache VI/3210 - Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({10})
- Drucksache VI/3114 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schachtschabel ({11})
Ich danke den Berichterstattern. Wird von Ihnen noch das Wort begehrt? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich, sich zu ,erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes
- Drucksache VI/ 1418 Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({12})
- Drucksache VI/3195 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schneider ({13}) ({14})
Ich danke dem Berichterstatter. Wünscht er noch das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache zur zweiten Beratung.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache zur zweiten Beratung.
Wer dem Gesetz in zweiter Beratung zustimmt, und zwar den Artikeln 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das wird wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache zur dritten Lesung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir haben dann noch über den Ausschußantrag Ziffer 2 - den finden Sie auf Seite 3 - abzustimmen. Wer dem Ausschußantrag Ziffer 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Olympischen Friedens
- Drucksache VI/3202 Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die Fraktion der CDU/CSU hat der Abgeordnete Dr. Riedl ({15}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 26. August dieses Jahres werden die Spiele der XX. Olympiade München 1972 eröffnet. Die Vorbereitungen zu diesen Spielen laufen auf Hochtouren. Ich glaube, man kann heute schon prophezeien, daß alles bestens gerichtet sein wird.
Zu einem Großereignis wie den Olympischen Spielen gehören nicht nur die finanzielle, die bauliche und die sportliche Vorbereitung. Dazu gehören auch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die von den staatlichen und kommunalen Behörden zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit rund um die Wettkampfstätten ergriffen werden müssen. Diese an sich schon selbstverständliche Vorsorge wird dadurch besonders unterstrichen, daß das Internationale Olympische Komitee Olympische Spiele nur an die Städte vergibt, die sich von vornherein - ohne Ausnahme - bereit erklären, einen reibungslosen Verlauf der Wettkämpfe sicherzustellen.
Die zuständigen Stellen unseres Landes haben uns mitgeteilt, daß es Anhaltspunkte gibt, daß durch Demonstrationen und andere Aktionen die Olympischen Spiele gestört werden sollen. Die weltweite Publizität der Olympiade spielt dabei natürlich eine, nicht unbedeutende Rolle. Der Anreiz auf Störenfriede, von dieser Publizität - zugunsten welcher Motive auch immer - zu profitieren, ist sicherlich mancherseits vorhanden. Solchen Absichten müssen wir aber als demokratischer Staat im Interesse des Gesamtansehens der Bundesrepublik Deutschland - die ganze Welt wird ja in den Tagen von München auf diese Bundesrepublik schauen mit allen Mitteln entgegenwirken.
Zum Bereich der vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen - und ich kann es mir im Rahmen dieser Erklärung ersparen, darauf hinzuweisen, welchen umfangreichen Katalog der Sicherheitsbeauftragte des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele bereits bewältigt hat gehört es unter anderem, daß für die Zeit der Olympischen Spiele, das sind also gut zwei Wochen, öffentliche Versammlungen und Aufzüge im olympischen Bereich generell verboten werden können. Hier hat unser geltendes Versammlungsrecht leider eine Lücke. Dieses Versammlungsrecht sieht nämlich ein generelles Verbot von öffentlichen Versammlungen und Aufzügen nicht vor, sondern lediglich ein polizeiliches Verbot für den Einzelfall, so daß wir vom Bundesgesetzgeber her veranlaßt sind, diese Lücke zu schließen. Ich möchte betonen, daß für alle anderen Sicherheitsmaßnahmen die gesetzlichen Vorschriften ausreichen.
Durch ein von uns ins Auge gefaßtes generelles Verbot von öffentlichen Versammlungen und Aufzügen in einer bestimmten, noch genau festzulegenden Zone um das olympische Gelände, können auf einfache und wirksame Weise Störaktionen von den Wettkämpfen schlechthin und von vornherein ferngehalten werden. Durch eine solche Regelung würde vor -allen Dingen auch ausgeschlossen werden können, daß auf olympischem Gelände echte und vorgetäuschte Spontanveranstaltungen durchgeführt
werden, die bei dem geltenden Recht unseren Polizeibeamten bekanntlich manche Kopfschmerzen bereiten.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich deshalb im Grundsatz immer für ein Gesetz zum Schutz des Olympischen Friedens ausgesprochen. Wenn wir erst heute im Deutschen Bundestag und mir scheint, erst relativ spät, aber doch noch nicht zu spät - zu dieser interfraktionellen Initiative kommen, dann liegt das daran, daß die Bundesregierung bislang von sich aus noch nicht initiativ geworden ist. Die Fraktion der CDU 'CSU hat dem Herrn Bundesinnenminister bereits mit Schreiben vom 6. Mai 1971 mitgeteilt, daß sie nicht nur grundsätzlich mit einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des Olympischen Friedens einverstanden sei, sondern daß sie es auch für angebracht halte, daß die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt. Dies ist aber, wie ich schon sagte, bis heute unterblieben.
Im Interesse des übergeordneten Zieles, einen reibungslosen Verlauf der Olympischen Spiele zu garantieren, und um den interfraktionellen Antrag noch rechtzeitig in Gang zu bringen, hat meine Fraktion auch über einige Mängel dieses interfraktionellen Gesetzentwurfs hinweggesehen, von denen wir hoffen, daß sie in den Ausschußberatungen noch beseitigt werden. Ich darf diese Mängel kurz nennen:
Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion glaubt, daß sowohl aus praktischen als auch aus zeitlichen Gründen die diesem Gesetz nachfolgenden Regelungen der Länder nicht durch Landesgesetz, sondern durch Verordnungen erfolgen müssen. Es kann nämlich nicht der Fall ausgeschlossen werden, daß, aus welchen Gründen auch immer, die eine oder andere Veranstaltung auf einem anderen Platz als vorgesehen durchgeführt werden muß. Dem kann nach unserer Auffassung nur durch eine sofortige Änderung der Schutzbereiche Rechnung getragen werden, was wiederum nur durch eine Rechtsverordnung so rasch und wirksam geht.
Zweitens. Der Umfang der Bannkreise sollte nach den örtlichen Gegebenheiten mit der Möglichkeit der Anlehnung an vorgegebene und möglichst eindeutige Grenzen festgestellt werden. Es muß auch sichergestellt sein, daß das Gesetz nicht nur im Stadt- und Landkreis München, sondern auch in Augsburg, in Kiel sowie an weiteren Orten in Bayern und Baden-Württemberg, an denen Vor- und Zwischenrunden in einzelnen Sportarten stattfinden, Gültigkeit hat.
Drittens. Der Entwurf enthält keine Straf- und Ordnungswidrigkeitsbestimmungen. Die Aufnahme von Strafandrohungen oder Bußgeldandrohungen hält die CDU/CSU-Bundestagsfraktion jedoch für unabdingbar. Eine bundesgesetzliche und damit bundeseinheitliche Ahndung der Verstöße gegen den Olympischen Frieden ist auch notwendig, weil davon die zwecks Durchsetzung des Gesetzes zur Verfolgung von Verstößen erforderlichen strafprozessualen oder polizeirechtlichen Maßnahmen abhängen.
Dr. Riedl ({0})
Da - damit bin ich am Schluß - alle drei Fraktionen dieses Hauses in der Zielsetzung des Gesetzentwurfes übereinstimmen, bin ich sicher, daß wir bei den Ausschußberatungen zu diesen strittigen Punkten zu einer Einigung kommen.
({1})
Präsident von Hassel: Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Schirmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Versammlungsgesetz kann eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder ein Aufzug nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten oder aufgelöst werden. Es handelt sich dabei jeweils um eine schwierige Ermessensentscheidung. Die von uns zugunsten der Versammlungsfreiheit eng gehaltenen Eingriffsvoraussetzungen haben dazu geführt, daß die Polizei von diesen Möglichkeiten nur mit großer Zurückhaltung Gebrauch macht. Wir begrüßen das; das gilt für das normale staatliche Leben und entspricht insoweit unserem Wunsche.
Wir sind bemüht, einen friedlichen, störungsfreien und möglichst harmonischen Ablauf der Olympischen Spiele zu sichern, weil sie nicht der geeignete Austragungsort für politische und weltanschauliche Gegensätze sind. Sie sollen vielmehr ein Beispiel für das friedliche Zusammenleben nach den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Ordnung geben. Neben der gebotenen Toleranz ist es deshalb notwendig, die Voraussetzungen für den Schutz des Olympischen Friedens zu schaffen und gleichzeitig der Polizei die sonst schwierigen Ermessensentscheidungen für ihr Eingreifen abzunehmen. Es gilt, möglichst und vorsorglich jegliche Störversuche im olympischen Bereich zu verhindern. Dies soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf erreicht werden.
Die Koalitionsfraktionen haben im Einvernehmen mit der Bundesregierung und dem Organisationskomitee für die Spiele der XX. Olympiade auch Wert darauf gelegt, daß diese Gesetzesinitiative möglichst interfraktionell eingebracht wurde. Darüber, Herr Kollege Dr. Riedl, haben sich die Vertreter aller Fraktioen dieses Hohen Hauses im Sommer 1971 auf Einladung des Bundesinnenministers verständigt. Die Koalitionsfraktionen haben dann im November 1971 die dafür notwendigen Beschlüsse gefaßt. Wir begrüßen es, daß sich nun auch die Opposition entschlossen hat, diesen Gesetzentwurf mitzutragen, nachdem im Januar 1972 die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat einen Antrag eingebracht hat.
Dem Freistaat Bayern und dem Land Schleswig-Holstein soll durch diese Initiative, die wir hier ergreifen, ermöglicht werden, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Olympischen Spiele sicher, friedlich und störungsfrei durchgeführt werden können. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft die Grundlage, um in Gebieten und in Bereichen, die mit dem Ablauf der Spiele im Zusammenhang stehen, durch Landesgesetz öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel so zu begrenzen, wie das ( notwendig ist.
Die Verbote - hier darf ich ein wenig präzisieren, was mein Herr Vorredner sagte - sollen zeitlich und räumlich eingeschränkt werden: Erstens. Sie gelten nur für eine bis zu 500 Meter breite Zone über die zu bestimmenden Gebiete und Bereiche hinaus, die mit dem Ablauf der Spiele im Zusammenhang stehen. Damit gelten sie natürlich nicht nur für München, sondern gleichermaßen für die übrigen Städte, an denen diese Spiele veranstaltet werden, z. B. Augsburg und Kiel. Zweitens. Sie sind nur für die Zeit bis zum Ablauf der Olympischen Spiele, also bis zum 15. September 1972 gültig.
Dieses Gesetz ist gegen niemanden gerichtet. Mit ihm soll vielmehr erreicht werden, daß alle Teilnehmer und Besucher vor Störern geschützt sind, ganz gleich welche Ziele sie haben und woher sie kommen mögen.
Die Koalitionsfraktionen erwarten, daß die Landesregierungen in München und in Kiel auf der Grundlage dieses Gesetzes die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden. Der Kollege Riedl ließ ja hier seinen Spielraum für unsere Beratungen und zeigte Möglichkeiten auf. Wir legen Wert darauf, die Feststellung zu treffen, daß die Landesregierungen in München und Kiel nun auf dieser Grundlage die Maßnahmen ergreifen können, die sichern, daß unser Land bei den Sportlern und bei den Besuchern aus Anlaß der Spiele in guter Erinnerung bleiben wird. Deshalb stimmen die Koalitionsfraktionen die- ( ser Gesetzesvorlage und dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zu.
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Präsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die erste Beratung. Es ist Überweisung an den Innenausschuß - federführend - und an den Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele - mitberatend - vorgeschlagen. Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache VI/3233 Zur Einbringung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Offergeld.
Offergeld, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat durch eine Entschließung im April 1962 die Bundesregierung ersucht, über die Wettbewerbsverfälschungen zu berichten, die sich aus SitzverlageOffergeld
rungen ins Ausland und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben. Diesen Bericht, der unter dem Namen „Steueroasenbericht" bekanntgeworden ist, hat die Bundesregierung am 23. Juni 1964 erstattet. Sie kam darin zu dem Ergebnis, daß die Bekämpfung unangemessener Steuervorteile auf Grund der im internationalen Bereich möglichen Rechts- und Interessengestaltungen gesetzgeberische Maßnahmen erfordert.
Es war jedoch erst diese Bundesregierung, die mit der Vorlage des Außensteuergesetzes den entscheidenden Schritt zur Eindämmung unangemessener Steuervorteile im internationalen Bereich getan hat. Dieser Gesetzentwurf, der dem Hohen Hause bereits zur Beratung vorliegt, leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung gleichmäßiger und sozial gerechter Besteuerung und ist als ein wichtiges Teilstück unserer Steuerreform zu werten.
Im Bericht aus dem Jahre 1964 hat die Bundesregierung weiter festgestellt, daß die Doppelbesteuerungsabkommen nicht Ursache ungerechtfertigter Steuervorteile im internationalen Bereich sind. Sie hat aber darauf hingewiesen, daß die in den Abkommen oftmals festgelegten Beschränkungen der deutschen Steuerhoheit die im internationalen Bereich möglichen Steuervorteile teilweise noch beträchtlich vergrößern. Hieraus wurde seinerzeit dann die Forderung abgeleitet, die Doppelbesteuerungsabkommen so zu gestalten, daß sie nur die diskriminierenden Belastungen ausschließen, aber nicht die international erzielbaren Steuervorteile noch sachwidrig erhöhen. Unter dieser Zielsetzung wurde dann im Dezember 1964 die Revision des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz eingeleitet.
Im vergangenen Jahre gelang es nun der Bundesregierung, die jahrelangen, außerordentlich schwierigen und komplizierten Verhandlungen mit der Schweiz mit der Erarbeitung eines neuen Abkommens abzuschließen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das neue Abkommen, das eine umfassende Revision der deutsch-schweizerischen Steuerbeziehungen vorsieht, dem Hohen Hause zur Genehmigung vorgelegt.
Das Vertragswerk schafft keine neuen Steuerpflichten über das innerdeutsche Recht hinaus. Deshalb konnte es auch nicht Aufgabe dieses Abkommens sein, das gegenüber der Schweiz bestehende Steuergefälle in irgendeiner Weise abzubauen oder einzuebnen. Die Verhandlungen zielten vielmehr darauf ab, die Steuerkompetenzen der beiden Vertragsstaaten so gegeneinander abzugrenzen, daß echte Doppelbesteuerungen vermieden, gleichzeitig aber unangemessene Steuervorteile künftig beseitigt werden. Unter dieser Leitlinie stärkt das Abkommen die steuerliche Gleichmäßigkeit und die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung in der Bundesrepublik.
Das neue Abkommen hat den Doppelbesteuerungsschutz für die deutsch-schweizerischen Wirtschaftsverpflichtungen in Produktion, Handel und Gewerbe modernen Konzeptionen und vor allem auch den Empfehlungen des OECD-Musterabkommens angepaßt. Das Abkommen sichert der deutschen Wirtschaft für ihre Tätigkeit auf dem schweizerischen Markt die steuerliche Chancengleichheit. Es zieht aber eine klare Grenze gegenüber den Bereichen, in denen das alte Abkommen zur Erzielung ungerechtfertigter Steuervorteile ausgenutzt und mißbraucht werden konnte. Hier bringt der Revisionsvertrag die im deutschen Recht vorgesehene Besteuerung wieder zur Geltung.
In die Vertragsgestaltung wurde im übrigen auch das Außensteuergesetz, das als Entwurf ebenfalls vorliegt, einbezogen, damit dessen Regelungen auch in bezug zur Schweiz wirksam werden können. Verschiedene Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens sind gezielt auf das neue deutsche Außensteuergesetz zugeschnitten.
Kein Vertragswerk, meine Damen und Herren, ist ohne Zustimmung des Partners und ohne Kompromisse von beiden Seiten denkbar. Deshalb gilt mein besonderer Dank auch der schweizerischen Seite für die Würdigung, die sie den deutschen Revisionszielen entgegengebracht hat. Ich habe Verständnis dafür, daß die mit der Abkommensrevision in verschiedenen Bereichen eintretende Mehrbesteuerung nach einem Zustand, an den man sich jahrelang gewöhnt hat, gerade von den in der Bundesrepublik ansässigen Schweizern als eine gewisse Härte empfunden wird. Hier war jedoch eine seit langem anstehende Steuerrechtsanpassung zu vollziehen, die dem Gebot gleichmäßiger und gerechter Besteuerung entspricht.
Das neue deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen bewahrt und stärkt sogar den Doppelbesteuerungsschutz für die traditionellen deutschschweizerischen Wirtschaftsbeziehungen, er stellt aber andererseits sicher, daß Steuererleichterungen auf den Bereich beschränkt bleiben, in dem Doppelbesteuerung zu einer echten Steuerdiskriminierung führen würde. Mehr als sechs Jahre nach Verhandlungsbeginn legt diese Regierung nunmehr einen umfassenden neuen Steuervertrag mit der Schweiz vor. Damit wird ein wichtiger und wirkungsvoller Beitrag zur Durchsetzung unserer steuerpolitischen Vorstellungen gerechter und wettbewerbsneutraler Besteuerung auch im internationalen Bereich geleistet.
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Präsident von Hassel: Sie haben die Einbringung gehört. Der Ältestenrat hat sich dahin verständigt, daß Erklärungen abgegeben werden. Ich eröffne die Aussprache zur Abgabe von Erklärungen.
Die Abgeordnete Frau Huber hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts des Umfangs, den die grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung heute bereits erlangt hat, kommt den Doppelbesteuerungsabkommen eine immer größer werdende Bedeutung zu, insbesondere bei Staaten, zwischen denen ein erhebliches Steuergefälle besteht. Zweck dieser Abkommen muß es einmal sein, eine doppelte Besteuerung dort zu vermeiden, wo sie unge10340
recht wäre, andererseits aber auch die unter dem Namen „Steuerflucht" bekanntgewordenen und in der Öffentlichkeit in der letzten Zeit viel diskutierten Mißbräuche zu verhindern, die sich gerade aus der durch diese Abkommen entstehenden Steuerbeschränkungen ergeben.
Das zuletzt 1959 revidierte deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen von 1931 war eines der ältesten und für uns natürlich auch eines der wichtigsten Doppelbesteuerungsabkommen. Um so erfreulicher ist daher, daß es der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Schweizer Regierung 'gelungen ist, nunmehr die seit langen Jahren andauernden Revisionsverhandlungen zu beenden und mit dieser Vorlage ein neues Abkommen anzustreben, mit welchem gleichzeitig Bemühungen wirksam 'werden, die wir durch das neue Außensteuergesetz deutlich gemacht haben, das ebenfalls dem Parlament nunmehr zur Beratung vorliegt.
Das bisherige deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen ließ vor allem drei Mißbrauchsmöglichkeiten offen. Die erste war: Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile durch Gründung sogenannter Basis- oder Zwischengesellschaften in der Schweiz, durch welche Deutsche bei Steuerfreiheit in der Schweiz für Vermögen und Einkünfte der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht entgehen und außerdem noch besondere Vorteile erlangen konnten für Dividende, Lizenzgebühren und Veräußerungsgewinne.
Die zweite Möglichkeit, ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen, war bei Wohnsitzverlagerung gegeben, die die beschränkte deutsche Steuerpflicht zur Folge hatte, welche dann noch durch die Regelungen des alten Doppelbesteuerungsabkommens eingeengt wurde. Bei Beibehaltung eines Zweitwohnsitzes in der Schweiz war zwar die unbeschränkte deutsche Steuerpflicht weiterhin gültig, jedoch konnte man hier die Vorteile sowohl aus der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht für sich ausnutzen wie auch andererseits die sich aus dem Abkommen ergebenden besonderen Vorteile.
Die dritte Umgehungsmöglichkeit war die Erlangung von Steuervorteilen bei deutschen Beteiligungen an einer Schweizer GmbH, bei Grundbesitz und bei Gewinnen deutscher Unternehmen aus Schweizer Betriebsstätten. Nach dem neuen an dem OECD-Mustervertrag orientierten Doppelbesteuerungsabkommen soll nun, wie Herr Staatssekretär Offergeld bereits ausgeführt hat, eine Freistellung von der deutschen Besteuerung künftig nur noch dann erfolgen, wenn dies sachlich ,geboten ist, d. h. dort, wo die Doppelbesteuerung echt diskriminierend wäre.
Ich will aus der Fülle der Neuregelungen, die das neue Gesetz bringt, hier nur einige wenige Punkte nennen, die jedoch sehr wesentlich sind, insbesondere in Zusammenhang mit unserem neuen Außensteuergesetz.
1. Auswanderer mit deutscher Staatsangehörigkeit, die keine Schweizer Vorzugsbesteuerung genießen, unterliegen künftig für eine Übergangszeit bis zu sechs Jahren uneingeschränkt der beschränkten deutschen Steuerpflicht, wobei die Schweizer Steuer angerechnet werden soll. Dies ist die Realisierung der im Außensteuergesetz verankerten erweiterten beschränkten Steuerpflicht im Verhältnis zur Schweiz.
2. Bei Doppelwohnsitz bleibt die abkommensgemäße deutsche Besteuerung so bestehen, als wäre der Steuerpflichtige nur in der Bundesrepublik ansässig. Doppelte Besteuerung wird hier vermieden, maßgebend ist aber das deutsche Steuerniveau.
3. Die Besteuerung von Dividenden und ähnlichen Erträgen wird neu geregelt, das GmbH-Privileg entfällt. Umgehungsmöglichkeiten bei wesentlichen Beteiligungen, bei stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen werden beseitigt.
4. Gewinne aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen werden bei Auswanderern künftig in dem Staat besteuert, in dem die Gesellschaft ansässig ist, sofern der andere Staat keine Steuern erhebt.
5. Schweizerische Basisgesellschaften, an denen überwiegend Nichtschweizer interessiert sind, sogenannte Gewinnauffang- oder Durchlauf gesellschaften, werden nicht mehr von der Quellensteuer freigestellt. Entlastungen von Steuern auf Zinsen, Lizenzgebühren und Veräußerungsgewinne werden künftig keiner Gesellschaft mehr gewährt, die kantonale Steuerprivilegien genießt und an der gleichzeitig überwiegend Nichtschweizer beteiligt sind. Diese Regelung entspricht den Bestimmungen, die im neuen Außensteuergesetz über Gewinnzurechnung bei deutschen Gesellschaftern ausländischer Zwischengesellschaften vorgesehen sind.
6. Neu geregelt ist ebenfalls die Gewinnzuordnung bei Schweizer Beteiligungen an deutschen Personengesellschaften, die Gewinnberichtigung bei international verbundenen Unternehmen und die Besteuerung leitender Angestellter im Hinblick auf den Arbeitsort.
7. Schweizerische Einkünfte von in der Bundesrepublik lebenden Personen, für welche nach der Einkunftsart an sich das alleinige Besteuerungsrecht der Schweiz zusteht, unterliegen künftig der deutschen Besteuerung, sofern sie nicht aus aktiver gewerblicher, freiberuflicher oder nicht selbständiger Tätigkeit stammen, wobei die Schweizer Steuer angerechnet wird.
Wo sich dagegen die deutsche Wirtschaft aktiv auf dem Schweizer Markt betätigt, sichert ihr das neue Doppelbesteuerungsabkommen dadurch verbesserte Wettbewerbsmöglichkeiten, daß die Freistellung nicht nur für die aktive Tätigkeit weiter erhalten, sondern auch auf wesentliche zwischengesellschaftliche Beteiligungen ausgedehnt wird. Auch dies entspricht einer Bestimmung des neuen Außensteuergesetzes.
8. Eine sehr wesentliche Verbesserung stellt schließlich noch die Vereinbarung über einen gegenseitigen Auskunftsaustausch dar, so wie dieser zwar zwischen der Schweiz und einigen anderen wichtigen Ländern bereits besteht, mit der Bundesrepublik früher aber niemals zustande gekommen war.
Es liegt auf der Hand, daß das neue deutschschweizerische Doppelbesteuerungsabkommen insbesondere wegen der Folgen, die darin auch für Schweizer Bürger enthalten sind, nicht ohne lange und schwierige Verhandlungen zustande kommen konnte. Um so mehr begrüßt es meine Fraktion, daß mit diesem Abkommen, das die neuere internationale Vertragspraxis berücksichtigt, nun die notwendige Anpassung des Steuerrechts zwischen zwei Staaten vollzogen werden soll, welche durch ihre traditionellen Handelsbeziehungen besonders verbunden sind.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Funcke.
Frau Funcke: ({1}) : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die FDP begrüßt die Neufassung des deutsch-schweizerischen Abkommens zur Doppelbesteuerung. Sie sieht darin im Zusammenhang mit dem neuen Außensteuergesetz die Bemühung der Bundesregierung, dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität und der Gerechtigkeit im Steuerwesen auch dort stärkere Geltung zu verschaffen, wo die Gestaltungsfreiheit zu unangemessenen Vorteilen einzelner auf Kosten der Allgemeinheit führt oder wenigstens führen kann.
Die FDP tritt für die Wettbewerbsneutralität bei allen staatlichen und insbesondere bei den steuerlichen Maßnahmen ein. Daher begrüßen wir es, daß durch dieses Abkommen die Möglichkeit geschaffen wird, wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile, die durch geschickte juristische Wohnsitzkonstruktionen von inländischen Unternehmen gegenüber anderen, zumeist kleinen oder mittleren Unternehmen möglich sind, hierdurch abzubauen. Ebenso wird sichergestellt, daß deutsche Firmen, die in der Schweiz produzieren und auch dort absetzen, selbstverständlich nur nach Schweizer Gesetzen besteuert werden. Das sichert die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs, und gleichzeitig wird Wettbewerbsneutralität zwischen allen Firmen, die innerhalb eines der beiden Vertragsstaaten tätig sind, hergestellt.
Einen bedeutenden Fortschritt sehen wir seitens der FDP darin, daß endlich die schon lange überfällige Gewährung des Schachtelprivilegs über die Grenze hinweg verankert wird. Weiterhin werden in dem Abkommen bereits die Voraussetzungen geschaffen, um bei der geplanten und von unserer Seite besonders begrüßten Anrechnungsverfahren bei der deutschen Körperschaftsteuer die dann notwendigen Änderungen rasch und unkompliziert vornehmen zu können.
Lassen Sie mich am Rande noch vermerken, daß sich angesichts der weitgehenden Übereinstimmung dieses Abkommens mit dem OECD-Musterabkommen zur Doppelbesteuerung zeigt, daß die viel geschmähte sogenannte „Papierkorbproduktion" der internationalen Behörden zu vernünftigen und auch praktikablen Ergebnissen kommt.
Die Revision des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens nach nunmehr achtjähriger Verhandlung kann als Ausgangspunkt für dieFortentwicklung der Verhältnisse der Industrienationen untereinander und für die wettbewerbsneutrale Kapitalmobilität von erheblicher Bedeutung sein. Die FDP dankt allen beteiligten Vertragspartnern auf deutscher und schweizerischer Seite für die gute steuerrechtliche sowie politische Arbeit, die sie geleistet haben.
Mit diesem Abkommen kommen wir einen Schritt weiter auf dem Wege zur Steuergerechtigkeit, zur Wettbewerbsneutralität und zur internationalen Kapitalmobilität. Daher werden wir Freien Demokraten diesem Abkommen zustimmen.
({2})
Präsident von Hassel: Zur Abgabe einer weiteren Erklärung, der letzten in dieser Tagesordungsrunde, Herr Abgeordneter Kreile.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen 1971 mit der Schweiz, das nicht eines der ältesten Doppelbesteuerungsabkommen revidiert, sondern das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz vom Jahre 1959, ist Teilstück des Versuchs, unser Außensteuerrecht neu zu ordnen. Dieser Versuch verdient Zustimmung. Denn in der Tat geben viele Steuernormen, die sich mit den sogenannten Auslandsbeziehungen befassen, zu Bedenken und Klagen Anlaß. Diese berechtigte Kritik ist aber von der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen gelegentlich nur sehr einseitig artikuliert worden.
Es ist zwar richtig, daß wir die Ausnutzung internationaler Steuervorteile verhindern müssen, soweit die steuerliche Gleichmäßigkeit beeinträchtigt und die Wettbewerbsfähigkeit unserer einheimischen Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies gehört, das möchte ich mit Nachdruck und gleich zu Beginn dieser Erklärung hervorheben, auch zu den vorrangigen steuerpolitischen Zielen der Opposition. Darin sind wir uns mit der Bundesregierung in der Sache einig, also in dem, was dort so gern als der „Kampf gegen die Steuerflucht" bezeichnet wird. Doch verdeckt dieser verwaschene und mit gefährlichen Vorurteilen belastete Begriff der Steuerflucht einen großen Teil der Problematik, die bisher, gelegentlich ,absichtlich, gelegentlich unabsichtlich übersehen wird. Steuerflucht ist die Verlagerung von Kapital, das durch günstigere steuerliche Regelungen in anderen Staaten magnetisch angezogen wird. Man hat diesen Vorgang kurz und treffend mit dem Satz gekennzeichnet: „Steuerlast macht Wanderlust." Die Kapitalbewegungen, insbesondere diejenigen, mit denen wir es seit etwa ein bis zwei Jahren in einem bisher nie dagewesenen Maß zu tun haben, entsprechen jedoch in einem gewissen Umfang einer ganz anderen Motivlage. Hier findet keine Flucht vor steuerlichen Belastungen statt; wesentlicher ist hier die Beurteilung ,der inneren und äußeren politischen Entwicklung in der Bundesrepublik. Wer seinen Wohnsitz aus einem Staat verlegt, zu dem er kein Zutrauen mehr hat - und gerade Außerungen der Regierung in den letzten Tagen sind
dazu geeignet, manches Zutrauen ein bißchen zu erschüttern
({0})
- nein, Herr Abgeordneter Wehner, Sie werden mich nicht dazu bringen, hier den Steuerflüchtlingen das Wort zu reden; so leicht bringen Sie das nicht fertig, insbesondere nicht bei einer Erklärung, die hier abgegeben wird -,
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der übt durch seine Wohnsitzverlegung eine Art politische Option aus. Daß diese Option dann möglicherweise steuerliche Folgen hat und auch haben muß, wird von uns allerdings in keiner Weise bestritten.
Ganz grundsätzlich möchte ich für meine Fraktion aber folgendes anmerken. Die Bundesrepublik ist aus Gründen, die hier nicht näher erläutert werden müssen, auf eine intensive wirtschaftliche Verflechtung mit der übrigen Welt angewiesen. Diese Verflechtung muß ihren Ausdruck auch in der Steuerordnung der Bundesrepublik finden. Mit anderen Worten: Unsere Steuergesetze müssen gewährleisten, daß eine Auslandsinvestition keine steuerlichen Nachteile bringt. Erste Ansätze, die in diese Richtung weisen, liegen seit einigen Jahren vor. Weitere Ansätze finden sich - das wird von uns begrüßt - in der Vorlage zum Außensteuergesetz. Wichtige Anliegen blieben aber bisher unerledigt. Dazu rechne ich eine steuerliche Angleichung im Bereich des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, eine Regelung der Konzernverflechtungen zwischen Unternehmen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beheimatet sind ich erinnere an die leider verschleppte Mutter/Tochter-Richtlinie -, und schließlich eine Beseitigung der prohibitiven Steuerbarrieren bei Kooperation und Verschmelzungen, die über die Grenze der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stattfinden; hier warten wir schon lange auf die sogenannte Fusionsrichtlinie.
Ich meine, die Bundesrepublik hätte nach ihrer eigenen Interessenlage allen Anlaß, in dieser Beziehung wegweisend und mit gutem Beispiel voranzugehen. Deshalb sollte man von der Bundesregierung erwarten, daß sie die außenwirtschaftlichen Beziehungen und internationalen Verflechtungen durch einseitige steuerliche Regelungen auch dann erleichtert, wenn dies im Einzelfall fiskalisch nachteilig sein mag.
Diese Zielsetzung - damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück tritt innerhalb des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens nicht überall mit der wünschenswerten Deutlichkeit hervor. Wir erwarten deswegen eine Antwort auf die Frage, ob Befürchtungen gerechtfertigt sind, wonach das vorliegende Doppelbesteuerungsabkommen ein Schritt zurück in den Zustand des steuerpolitischen Protektionsmus sein könnte. Wenn es sich wirklich um eine solche Entwicklung handeln sollte, stünden an ihrem Ende Schwierigkeiten, die viel größer wären als jene Hemmnisse,
die man seinerzeit im Zuge der Kennedy-Runde aus dem Wege räumen mußte. Die Mitglieder der Bundesregierung, die sich seit Jahren vergeblich in der Reform des Steuerrechts versuchen, wissen, wovon ich spreche, wenn ich mich hier auf die großen technischen Schwierigkeiten dieser Gesetzesmaterie beziehe.
Ein Letztes ist anzumerken. Die Reform des Außensteuerrechts, insbesondere die Revision des vorliegenden Doppelbesteuerungsabkommens, hat zu Regelungen geführt, die sehr perfekt sind, aber in ihrer Komplikation schlecht übertroffen werden können. Dies mag man nicht unbedingt für ein Übel halten. Auf der anderen Seite muß aber gesehen werden, daß solch komplizierte Regelungen bei der Finanzverwaltung gewisse Nöte hervorrufen. Unter Sachkennern ist heute niemand im Zweifel darüber, daß der Apparat der Finanzverwaltung, insbesondere auch soweit er sich im Bundesamt der Finanzen verkörpert, auf Jahre hindurch nicht in der Lage sein wird; mit den großen Problemen der neuen Regelung fertig zu werden. Wir werden dazu beitragen müssen, eine demoralisierende Wirkung, die von einem Gesetz, das schwer zu handhaben ist, ausgeht, zu vermeiden.
Ich darf also klarstellen: Die CDU/CSU-Fraktion mißt dem Anliegen, die echte und mißbräuchliche Steuerflucht zu bekämpfen, hohen Rang bei. Das DBA Schweiz, das so gründlich, ausgiebig und mit sehr viel Verständnis von beiden Seiten verhandelt worden ist, ist hierzu ein beachtenswerter Ansatzpunkt. Unklar bleibt jedoch manches in diesem Doppelbesteuerungsabkommen in seinem Verhältnis zum vorgelegten Außensteuergesetz. Deswegen wird die CDU/CSU-Fraktion bei den Beratungen und Beschlußfassungen über das vorliegende Doppelbesteuerungsabkommen, das nur im ganzen angenommen oder verworfen werden kann, in intensiver Weise mitarbeiten. Wir erwarten, daß die Auskünfte der Bundesregierung und ihrer Vertreter während der kommenden Beratungen eindeutig genug sind, um Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit bei der Anwendung des Abkommens im Rahmen des neuen Außensteuerrechts zu gewährleisten. Dann werden wir diesem Abkommen sicherlich zustimmen.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die erste Beratung.
Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Finanzausschuß zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe den Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
- Drucksache VI/3218
Zur Einbringung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem in der Drucksache VI/3218 enthaltenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes legt die Bundesregierung einen weiteren Gesetzntwurf vor, dem wichtige verbraucherpolitische Bedeutung beizumessen ist. Der Entwurf bezieht sich auf Herstellung, Prüfung, In-Verkehr-Bringen, Erwerb und Anwendung von Arzneimitteln, die zur Anwendung an Tieren bestimmt sind. Er stellt einen weiteren Beitrag in dem Bemühen dar, einen Schutz des Menschen und seiner Umwelt vor einer Belastung mit Fremdstoffen zu erreichen.
Die Bundesregierung sieht sich der Sachlage gegenüber, daß die bestehenden Gesetzesvorschriften über die zur Anwendung beim Tier bestimmten Arzneimitteln den derzeitigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Ich möchte dafür zwei Bedenken in besonderer Weise hervorheben.
In der modernen Tierhaltung werden Arzneimittel und andere pharmakologisch wirksame Substanzen zum Teil unter Benutzung illegaler Vertriebswege eingesetzt, die bei nicht sachgemäßer Anwendung in Lebensmitteln zu Rückständen führen können, die gesundheitlich nicht unbedenklich sind. Hierbei ist nicht nur an Antibiotika, sondern auch an Rückstände von anderen pharmakologisch wirksamen Stoffen gedacht. Bei den Stoffen, um die es hier geht, handelt es sich fast stets um Stoffe von großer biologischer Wirksamkeit, die nicht nur in der Ausgangsform, sondern auch in Form von Abbau- und Umsetzungsprodukten in den Lebensmitteln enthalten sein können. Es kommt hinzu, daß diese Stoffe oft nur einen Faktor der allgemeinen Fremdstoffbelastung des Menschen darstellen. Zur Gesamtbelastung des Menschen mit fremden Stoffen tragen nicht nur pharmakologisch wirksame Stoffe und technische Hilfsstoffe aller Art bei, die dem Tier als Arzneimittel oder mit dem Futtermittel verabfolgt werden, sondern eben auch Zusatzstoffe in Lebensmitteln, sonstige bei der Erzeugung oder Behandlung von Lebensmitteln verwendete Mittel wie Unkrautbekämpfungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel usw. sowie die übrigen aus der Umwelt auf den Menschen einwirkenden Schadstoffe aller Art.
Über die Art und Weise, wie sich Reste solcher Stoffe im menschlichen Organismus gegenseitig beeinflussen, gibt es nach wie vor noch sehr wenig gesichertes Wissen. Wir müssen daher hinsichtlich der Rückstände von Arzneimitteln auf eine Regelung hinsteuern, die ein Risiko für die Gesundheit des Menschen praktisch ausschließt.
Mit Besorgnis mußten wir feststellen, daß sich auf dem Gebiet der Anwendung von Arzneimitteln bei Tieren ein Mißbrauch entwickelt hat. Durch illegalen Handel mit Arzneimitteln und durch unsachgemäße Anwendung wird eine Gefährdung bewirkt, die nicht nur auf die oben erwähnte Rückstandsbildung in Lebensmitteln zurückzuführen ist, sondern auch auf eine Resistenzbildung bei pathogenen Mikroorganismen. Durch eine ständige und unsachgemäße Anwendung, insbesondere von Antibiotika wird systematisch eine resistente Keimflora gezüchtet, die die Wirksamkeit der Therapie infektiöser Erkrankungen bei Tieren und bei Menschen in Frage stellt. Auch dieser Gesichtspunkt zwingt zu einer Beschränkung des Arzneimitteleinsatzes auf das erforderliche Maß.
Der Gesetzentwurf ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Wege, der mit dem Entwurf zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts und mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher Vorschriften beschritten worden ist und insgesamt zu einer modernen, umfassenden Regelung des Rückstandsproblems bei Lebensmitteln tierischer Herkunft führen soll.
Nach § 15 des Entwurfs zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts dürfen Lebensmittel im Regelfall von Tieren nur gewonnen und in den Verkehr gebracht werden, wenn die nach Arzneimittelrecht oder Futtermittelrecht festgesetzten Wartezeiten eingehalten worden sind. Daneben können Höchstmengen vorgeschrieben oder für bestimmte Fälle besondere Regelungen getroffen werden.
Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher Vorschriften liegt dem Bundestag als Drucksache V1/3143 bereits vor. Nach diesem Entwurf können u. a. die erforderlichen Regelungen über Zusatzstoffe in Futtermitteln, über die erforderlichen Wartezeiten und über den zulässigen Höchstgehalt an Schadstoffen, wie z. B. DDT und andere, getroffen werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß erstmals auch Regelungen nicht nur über Futtermittel getroffen werden können, die gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden sollen, sondern auch über solche Futtermittel, die vom Tierhalter selbst hergestellt und an das Tier verfüttert werden.
Der hier vorgelegte Entwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes sieht u. a. folgendes vor:
1. Arzneimittel, die zur Anwendung an Tieren bestimmt sind, die der Lebensmittelgewinnung dienen, sollen nur noch in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie beim Bundesgesundheitsamt registriert sind. Bei dieser Registrierung sind neben anderen für die Prüfung erforderlichen Unterlagen insbesondere Untersuchungsergebnisse über den Verbleib der arzneilich wirksamen Bestandteile und ihrer Umwandlungsprodukte im Tierkörper, insbesondere über Weg und Dauer ihrer Ausscheidung beizufügen.
2. Stoffe, die eine pharmakologische Wirkung ausüben, sollen als Arzneimittel an Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, nur noch verabreicht werden dürfen, wenn sie mit der Registriernummer des Bundesgesundheitsamtes versehen sind. Diese Vorschrift bildet damit das Gegenstück zu entsprechenden futtermittelrechtlichen Vorschriften, die auf Grund des neuen Futtermittelgesetzes in Verbindung mit der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über Zusatzstoffe in der Tierernährung zu erlassen sein werden. Nach Art. 3 dieser Richtlinie dürfen solche Stoffe im Rahmen der Tierernährung Tieren nur verabfolgt werden, wenn sie als Futterzusatzstoffe zugelassen sind. Da10344
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
mit wird der gesundheitspolitischen Forderung Rechnung getragen, daß solche Stoffe in Zukunft bei Tieren nur noch angewendet werden dürfen, wenn sie entweder arzneimittelrechtlich oder eben futtermittelrechtlich geprüft bzw. zugelassen sind.
3. Dem illegalen Handel mit Arzneimitteln wird entgegengewirkt. Der Entwurf sieht insbesondere vor, daß über den Erwerb und die Abgabe von Arzneimitteln von allen Beteiligten einschließlich des Tierhalters Nachweise geführt werden müssen; auch die Überwachung der Einfuhr wird erheblich verschärft.
4. Im übrigen sollen mit dem Gesetzentwurf die erforderlichen Voraussetzungen für eine praktikable Versorgung großer Tierbestände mit Arzneimitteln geschaffen werden. Die für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit Futtermitteln als Trägerstoff geltenden Vorschriften des § 34 Abs. 1 Nr. 4 a in Verbindung mit § 34 a des Arzneimittelgesetzes haben sich hierfür als nicht ausreichend erwiesen, um eine praktikable Lösung, die auch gesundheitspolitisch vertretbar wäre, zu verwirklichen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ermöglicht die nunmehr vorgesehene Regelung eine sachgerechte Beimischung der benötigten Arzneimittel in die in der Tierhaltung verwendeten Futtermittel entsprechend den Erfordernissen des einzelnen Erkrankungsfalles.
Andererseits ist sichergestellt, daß unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze nur solche Arzneimittel für die Herstellung von Arzneimitteln mit Futtermitteln als Trägerstoff verwendet werden dürfen, die für eine solche Verwendung vom Bundesgesundheitsamt geprüft und registriert worden sind.
5. Der Entwurf sieht eine bessere Abgrenzung zwischen Arzneimittel- und Futtermittelgesetz vor. Die bisherige Abgrenzung zwischen Arzneimittel-und Futtermittelrecht hat zu Schwierigkeiten geführt, weil nicht eindeutig festgelegt war, in welchen Fällen Stoffe, die zur Verhütung von Krankheiten verabreicht werden sollen, den Arzneimitteln oder Futtermitteln zuzurechnen sind. Der illegale Handel mit Arzneimitteln ist hierdurch begünstigt worden.
Durch die vorgesehene Änderung wird nun klargestellt, daß zur Verhütung von Krankheiten dienende Stoffe dem Arzneimittelgesetz zuzuordnen sind, soweit sie nicht im Einzelfall durch Rechtsverordnung als Zusatzstoffe zu Futtermitteln besonders zugelassen sind.
Die vorgenannten Änderungen, meine Damen und Herren, dieses Arzneimittelgesetzes berücksichtigen bereits - soweit möglich - die bisherigen Beratungsergebnisse über Tierarzneimittel in der Arbeitsgruppe „Pharmazeutische Erzeugnisse" bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel. Auf Grund dieser Beratungsergebnisse wird in absehbarer Zeit davon ausgegangen werden können, daß auch in den anderen Staaten Tierarzneimittel entsprechenden Vorschriften unterworfen werden.
Ergänzend zu den Vorschriften werden Änderungen der Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz vorbereitet, die eine regelmäßige, routinemäßige, stichprobenweise Untersuchung des Fleisches auf Antibiotika und Hormone vorsehen.
Seit einigen Jahren sind Untersuchungen durchgeführt worden, um Methoden zu finden und zu erproben, die für eine Anwendung im Rahmen der tierärztlichen Schlachttieruntersuchung geeignet sind. Das Bundesgesundheitsamt hat nunmehr kürzlich solche Methoden vorgeschlagen, die jetzt in die Vorschriften eingearbeitet werden.
Die Übernahme dieser Untersuchungsverfahren in das Fleischbeschaurecht wird den Vorteil haben, daß die Überwachung erheblich wirksamer gestaltet werden kann und das Fleisch, das bedenkliche Rückstände z. B. von Antibiotika enthält, bereits vor dem InVerkehr-Bringen erfaßt wird.
Es kann somit in absehbarer Zeit mit einem erfolgreichen Zusammenwirken von Arzneimittelrecht, Fleischbeschaurecht, Lebensmittelrecht und Futtermittelrecht gerechnet werden. Damit wird den Mißständen, die sich als Grauer Markt mit Tierarzneimitteln entwickelt haben mit ihren negativen Folgen für die Lebensmittel tierischer Herkunft, die die Öffentlichkeit stark beschäftigt haben, Einhalt geboten werden können.
Meine Damen und Herren, ein neuer, wichtiger Schritt zum Schutz des Konsumenten unter dem vorrangigen Gesichtspunkt der Erhaltung seiner Gesundheit ist damit getan.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat entschieden, daß wir auch hier nur Erklärungen vorsehen. Zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Hammans das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe ich hier zur ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes der Bundesregierung zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Bundestagsdrucksache VI/3218 - folgende Erklärung abzugeben.
Die drei Anhörungstermine zum Lebensmittelgesetz haben eindeutig den Beweis erbracht, daß auch die deutsche Landwirtschaft nur einwandfreie Erzeugnisse auf den Markt bringen will. Sie will nicht, daß Rückstände von Arzneimitteln, die bei der tierischen Aufzucht und Mast verwendet werden, in Lebensmitteln als Rückstände zu finden sind. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie ernst die deutsche Landwirtschaft dieses Problem selber sieht, dann braucht man nur das von ihren Vertretern in diesem Hause initiierte Wirkstoffgesetz - die Bundestagsdrucksache VI/ 1846 - anzuführen.
Im Vorblatt zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes der Bundesregierung, das heute hier zur Debatte steht, ist zu lesen, daß dieser Entwurf in den Grundzügen dem Initiativentwurf vom 9. Februar 1971 einer Gruppe von CDU/CSU-Abgeordneten - Bundestagsdrucksache
VI/1813 - entspricht. Mit dieser Änderung des Arzneimittelgesetzes soll erreicht werden, daß der Graue Markt, der in Deutschland mit Arzneimitteln in der tierischen Ernährung, Zucht und Mast seit Jahren besteht, verschwindet. Dem illegalen Handel mit Arzneimitteln, der Anlaß zu einer unsachgemäßen und nicht vertretbaren Anwendung von Arzneimitteln in der tierischen Ernährung ist und dadurch mittelbar zur Gefährdung der menschlichen Gesundheit geführt hat, muß entgegengewirkt werden. Der Gesetzgeber muß daher die illegale Verwendung von Arzneimitteln in der tierischen Erzeugung verhindern, gleichzeitig aber den berechtigten Belangen insbesondere der Massentierhaltung Rechnung tragen.
Besonders am letzten Tag der drei Anhörungstermine zur Lebensmittelrechtsreform, am Montag, dem 13. März, wurden diese Probleme ganz besonders intensiv diskutiert. Wir wollen in diesem Hause Gesetze schaffen, die den Verbraucher vor Schäden durch Arzneimittel, die ihm unkontrolliert über tierische Erzeugnisse zugeführt werden, bewahren. Bei den Anhörungen kam aber auch eindeutig zum Ausdruck - und hier möchte ich besonders Frau Dr. Tangemann von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher sinngemäß zitieren -, daß auch alle in die Bundesrepublik importierten Lebensmittel, aus welchen Ländern auch immer, den gleichen strengen Kontrollen zu unterwerfen sind, wie sie im neuen Lebensmittelrecht und wie sie durch diese Änderung des Arzneimittelrechts vorgesehen sind.
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Wir alle, meine Damen und Herren, wissen, wie schwierig diese Aufgabe ist. Aber nur so kann der Verbraucher wirksam geschützt werden und kann die deutsche Landwirtschaft vor weiteren Wettbewerbsverzerrungen bewahrt bleiben. Denn man kann ihr nicht einseitig erneute Belastungen zumuten, aber importierte Lebensmittel zulassen, die nach Methoden erzeugt wurden, die weniger Mühen und Kosten verursacht haben.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bay.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die Vorlage dieses Gesetzentwurfs zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Sie sieht in ihm einen wichtigen Pfeiler im Gesamtgebäude eines wirksamen Verbraucher- und Umweltschutzes. Der Entwurf erfüllt langjährige und berechtigte Erwartungen der breiten Öffentlichkeit. Wie so oft, zeigte sich auch bei seiner Erstellung die Richtigkeit des Sprichworts: Gut Ding will Weile haben. Die Durchdringung des Dschungels von halb legalen und illegalen Tatbeständen auf dem Gebiet der Anwendung von Arzneimitteln in der tierischen Ernährung war nicht ganz einfach. Noch größer waren die Schwierigkeiten, eine gesetzestechnisch einwandfreie, praktikable und dazu ausgewogene, allen Interessen möglichst dienende Lösung des
Problems zu finden. Wir glauben, daß es sich bei dem Entwurf um ein weithin gelungenes Werk handelt. Darin hat uns auch die grundsätzliche Zustimmung der Sachverständigen bestärkt, die sich bei der dritten Anhörung zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts zu Beginn dieser Woche eindeutig dokumentiert hat. Die wissenschaftlichen Sachverständigen bestätigten außerdem die dringende Notwendigkeit der getroffenen Regelung und die Berechtigung der in diese Richtung gehenden Verbrauchererwartung. Sie warnten eindringlich vor der Gefahr einer weiterhin wachsenden und unkontrollierten Anwendung arzneilich wirksamer Stoffe in der tierischen Ernährung. Fest steht, daß pharmakologisch wirksame Stoffe, also Arzneien, genau wie am Menschen auch an dem Tier, das der menschlichen Ernährung dient, nur unter begrenzenden Bedingungen und unter wirksamer Kontrolle angewendet werden dürfen.
Der Gesetzentwurf gibt um dieses Zieles willen der einschlägigen Forschung, der Arzneimittelprüfung, den beteiligten Wirtschaftskreisen und nicht zuletzt den praktischen Tierärzten neue Verantwortlichkeiten und zusätzliche Aufgaben. Gegenüber der gegenwärtigen Praxis wird der Tierarzt unter Umständen häufiger als bisher als Betreuer von Tierbeständen auftreten müssen. Es ist verständlich, daß unsere Landwirte über möglicherweise damit verbundene vermehrte Kosten etwas besorgt sind. Wir glauben jedoch, daß diese Sorgen sich weitgehend als unbegründet erweisen werden, wenn es zu der von beiden Seiten angestrebten Partnerschaft unter den Gesichtspunkten dieses Gesetzes kommt. Die gemeinsame Aufgabe an der Gesundheit des Menschen kann auf längere Sicht gerade auch dort eine fruchtbare Zusammenarbeit bewirken, wo diese Gesundheit auf dem Wege über die Gesundheit der zum Verzehr bestimmten Tiere zu schützen ist. Aus diesem übergeordneten Grundsatz einer letztlich unteilbaren Gesundheit lehnen wir Lösungen ab, die die gestellte Aufgabe unter der Maxime der bestmöglichen tierischen Produktion bewältigen wollen. Produktionssteigerung ist wichtig, Gesundheit aber noch wichtiger. Das festzustellen beinhaltet natürlich auch die Frage, ob es auf die Dauer zu vertreten ist, daß die Landwirte auf immer größere, immer empfindlichere und damit auch immer arzneibedürftigere und -abhängigere Tierhaltungen hingedrängt werden.
Wir sind davon überzeugt, daß sich die Grundsätze des vorliegenden Entwurfs auch in der Europäischen Gemeinschaft nicht nur in Bestimmungen, sondern auch praktisch durchsetzen werden. Dies gilt übrigens für den Schutz vor Schadstoffen in der gesamten Lebensmittelproduktion. Praktische Hilfe dazu wird weitgehend eine zunehmend effektive Rückstandskontrolle aller Lebensmittel sowohl im Inland als auch an den Grenzen sein, wie sie das in der Ausschußberatung befindliche Gesetz zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts anstrebt. Eine wirksame Grenzkontrolle zusammen mit der starken Marktstellung der Bundesrepublik Deutschland als Großeinkäufer von Lebensmitteln wird ihre
Wirkung auf die Angleichung auch der Praxis in der EWG und damit auf den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen in der landwirtschaftlichen Produktion nicht verfehlen. Und schließlich wird sich echte Qualität wegen des wachsenden Gesundheitsbewußtseins der Verbraucher auf die Dauer bezahlt machen.
Ich will meine Ausführungen nicht schließen, ohne zu betonen, daß meine Fraktion sich für eine zügige Beratung dieser Novelle zum Arzneimittelgesetz in engem Zusammenhang mit der Gesamtreform des Lebensmittelrechts mit allen Kräften einsetzen wird. Die Verbraucher heben ebenso wie die Erzeuger ein Recht darauf, daß bald klare Verhältnisse geschaffen werden.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Peters ({1}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten bejaht die Zielsetzung, der die Änderung des Arzneimittelgesetzes durch den Entwurf in Drucksache VI/3218 dienen soll. Es entspricht den gesundheitspolitischen Erfordernissen, daß gesundheitlich bedenkliche Rückstände aus Arzneimitteln und anderen pharmakologischen Substanzen möglichst vermieden werden. Das heißt, daß die Mittel, die zur Anwendung am Tier bestimmt sind, registriert und überprüft werden. Um es ganz deutlich zu sagen: es geht hier nicht um eine Art moderner Bilderstürmerei gegen die Anwendung pharmakologisch wirksamer Stoffe am Tier. Eine moderne Tierhaltung, die sich an den Marktpreisen und dem Wettbewerb am Markt orientieren muß, zwingt zum Einsatz entsprechender Stoffe, insbesondere auch, um Erkrankungen vorzubeugen oder sie möglichst schnell zu beseitigen, da ohne den Einsatz solcher Mittel in Einzelfällen existenzgefährdende wirtschaftliche Verluste eintreten können. Es geht also lediglich darum, eine unkontrollierte Anwendung möglichst auszuschließen, die Schädigungen der menschlichen Gesundheit zur Folge hat oder zur Folge haben könnte, wenn eine ausreichende Prüfung der entsprechenden Mittel und ihrer Folgewirkungen nicht erfolgt ist.
Wir werden uns im Ausschuß mit den einzelnen Fragen eingehend befassen. Auf eines möchte ich hier jedoch besonders hinweisen. Es ist der Gesundheit gar nicht damit gedient, wenn wir für die inländische Produktion verschärfte Bestimmungen erlassen, aber gleichzeitig ausländische Nahrungsmittel auf den deutschen Markt gelangen, die diesen Erfordernissen nicht entsprechen. Diese ganze Gesetzgebung hat nur dann einen Sinn, wenn auch für die ausländischen Produkte, die bei uns in den Verkehr gebracht werden, die gleichen Vorschriften gelten, d. h. wenn entsprechende, ausreichende Kontrollen über ihre Einhaltung gewährleistet sind. Zweifellos ist bei allen Beteiligten das Verständnis vorhanden, daß der Einsatz von Mitteln bei der Nahrungsmittelproduktion in keiner Form und in keinem
Umfang erfolgen darf, der gesundheitsgefährdende Folgewirkungen hat oder haben kann.
Dieses Verständnis würde jedoch sofort schwinden, und die Neigung zur illegalen Anwendung würde gefördert werden, wenn die Vorschriften im jeweiligen Falle nicht ohne Rücksicht auf das Herkunftsland gesetzlich oder auch tatsächlich Anwendung fänden. Die Bundesregierung sollte sich in diesem Zusammenhang auch mit den anderen Ländern in Verbindung setzen. Sie weist in der Begründung zu dem Gesetzentwurf ja ausdrücklich auf den illegalen Handel mit verschreibungspflichtigen Antibiotika wie auch sonstigen Arzneimitteln aus dem Ausland hin. Tierhalter, denen solche Mittel angeboten werden, müssen ja zu der Auffassung gelangen, daß ihre ausländische Konkurrenz entweder legal oder, wenn dies nicht der Fall ist, sogar illegal an diese Stoffe gelangt und sie entsprechend einsetzt, mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen am Markt.
Für den Erfolg eines Gesetzes und seine Zielsetzung ist es ganz entscheidend, daß der einzelne Betroffene den Eindruck hat oder haben kann, daß die Vorschriften für alle Beteiligten in gleicher Weise zur Anwendung gelangen. Nur unter dieser Voraussetzung wird dieses Gesetz seine positive optimale Wirkung für unsere Volksgesundheit in der Zukunft haben können.
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Präsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Ende der ersten Beratung. - Es ist vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit als federführenden Ausschluß an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatenden Ausschuß und nach § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nun gemeinsam die Punkte 13, 14, 15, 16, 17, 18 und 19 sowie den auf ,die Tagesordnung gesetzten Zusatzpunkt auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Geisenhofer, Dr. Riedl ({1}), Dr. Wittmann ({2}), Dr. Probst, Frau Geisendörfer, Orgaß und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung mietpreisrechtlicher Vorschriften in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg
- Drucksache VI/3208 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den drei Verträgen von 1971 mit dem Königreich Dänemark, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee
- Drucksache VI/3225 Präsident von Hassel
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Diätassistenten
- Drucksache VI/3226 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend ,die Auslegung des Übereinkommens vom 29. Februar 1968 über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen durch den Gerichtshof
- Drucksache VI/3234 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 6. Oktober 1971 zur Errichtung des Internationalen Instituts für Führungsaufgaben in der Technik
- Drucksache VI/3236 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes
- Drucksache VI/3245 Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu ,dem Übereinkommen vom 22. Juli 1964 über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches
- Drucksache VI/3243 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen ({3})
- Drucksache VI/3214 Wird dazu noch das Wort begehrt?-Das ist nicht der Fall. Dann können wir diese Punkte gemeinsam an die Ausschüsse überweisen, wie es in der Tagesordnung ausgedruckt ist. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Damit sind überwiesen: der Gesetzentwurf unter Punkt 13 der Tagesordnung an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen; der Gesetzentwurf unter Punkt 14 an den Auswärtigen Ausschuß; der Gesetzentwurf unter Punkt 15 an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit; ,der Gesetzentwurf unter Punkt 16 an den Rechtsausschuß; der Gesetzentwurf unter Punkt 17 an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend -, an den Innenausschuß zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung; der Gesetzentwurf unter Punkt 18 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung; der Gesetzentwurf unter Punkt 19 an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. Der Gesetzentwurf, der als Zusatzpunkt auf der Tagesordnung steht, wird überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung.
Ich rufe den Punkt 20 auf:
Beratung der Sammelübersicht 36 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache VI/3240 Normalerweise wird dazu zu dem einen oder anderen Punkt noch das Wort begehrt. - Das ist nicht der Fall.
Dann können wir beschließen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, die Punkte 21, 22, 23 werden morgen früh aufgerufen. Die Tagesordnung wird um 13 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung bis 13 Uhr.
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Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und beginnen mit der Fragestunde:
Fragestunde
- Drucksache VI/3243 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf anwesend.
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Werner auf:
War dem Bundeskabinett bekannt, als es, ohne den Beirat der Anstalt zu befragen und ohne daß der Personalrat der Anstalt Kenntnis davon hatte, beschloß, den Schwager des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen, Professor Machens, Mainz, zum Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung zu berufen, daß das in einem Verwaltungsabkommen mit dem Land Niedersachsen geforderte Benehmen mit diesem Land förmlich noch nicht hergestellt war?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Werner, bei Ihrer Frage gehen Sie nach meiner Auffassung von einigen falschen Annahmen aus. Ich darf hier zunächst eine Antwort der niedersächsischen Regierung auf Ihre gestrigen Anfragen in derselben Sache im hannoverschen Parlament, und zwar nur den ersten Satz, zitieren, damit wir uns klar sind, wie es in dem Verwaltungsabkommen aussieht. Herr Minister Greulich hat dort diese Frage ähnlicher Art, wie Sie sie hier stellen, mit folgendem Satz beantwortet:
Das Verwaltungsabkommen setzt kein Benehmen zwischen dem Bund und dem Land, sondern nur ein Benehmen zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen und dem niedersächsischen Minister für Wirtschaft und öffentliche Arbeiten voraus.
Wenn Sie diesen Punkt nehmen und dann noch berücksichtigen, daß auch der Personalrat am 17. Januar mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Lanzke, der in der zuständigen Abteilung der Leiter für die Fachaufsicht über die Anstalt ist, ein solches Gespräch geführt hat, ein Anhörungsverfahren mit dem Vorsitzenden des Personalrats erfolgt ist - darüber hinaus ist nicht mit einem Beirat, den es nicht gibt,
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
sondern mit dem Kuratorium gesprochen worden -, dann werden Sie sehen, daß diese Frage so wie Sie sie gestellt haben, an Punkten ansetzt, die nicht gegeben sind.
Das Benehmen ist dadurch hergestellt worden, daß ich mit Herrn Minister Greulich am 18. Dezember 1971 und am 28. Januar 1972 diese Frage erörtert und Herrn Greulich keinen Zweifel darüber gelassen habe, um wen es sich handelt. Da Herrn Greulich Herr Machens schon bekannt war und ich von Herrn Greulich die Antwort erhielt, daß er weder gegen die Person noch gegen die Sache Einwände zu erheben habe, war für den Minister für Wirtschaft und Finanzen im Grunde genommen nicht nur das Benehmen, sondern sogar das Einvernehmen hergestellt. Unter diesen Umständen ist dann der Beschluß im Kabinett gefaßt worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Werner.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß der Minister für Wirtschaft und Verkehr in Niedersachsen bis dato, bis zur gestrigen Fragestunde, den Eindruck erweckt und entsprechende Äußerungen getan hat, daß das Benehmen formal nicht hergestellt war?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich kann aus der Fragestunde von Niedersachsen, die ich heute im Fernschreiben bekommen habe, nur erkennen, daß Herr Greulich nicht bestritten hat, mit mir zwei solche Gespräche geführt zu haben. Ich muß hier ganz freimütig sagen: Wenn ich als Staatssekretär mit einem Minister in einer solchen Angelegenheit spreche, kann das nicht persönlich sein. Aber ich sage Ihnen ganz offen: meine Erfahrung zeigt, daß ich in Zukunft bei solchen Gesprächen wahrscheinlich den Zylinder aufsetzen muß, um deutlich zu machen, daß es sich um ein offizielles Gespräch handelt.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Ich kann dazu keinen Kommentar geben. Eine weitere Frage. Sie haben über das Benehmen gesprochen und in diesem Zusammenhang auch das Kuratorium erwähnt, dessen Vorsitzender eine Persönlichkeit wie Herr Clemens von Felsen und dessen stellvertretender Vorsitzender Professor Knetsch ist. Aber offensichtlich haben Sie auch mit diesem Kuratorium kein Einvernehmen hergestellt; denn das Kuratorium ist der Meinung, daß dieses Amt falsch besetzt ist.
HermSdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Entweder habe ich mich schlecht ausgedrückt, oder Sie haben mich falsch verstanden. Das Verwaltungsabkommen schreibt keinesfalls ein Einvernehmen
oder ein Benehmen mit dem Kuratorium vor. Genau-sowenig brauchen wir ein Einvernehmen mit dem Personalrat. Wir brauchen nur ein Anhörungsverfahren, und beide Anhörungsverfahren sind erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Huys.
Herr Staatssekretär, die Leitung und die Belegschaft der Bundesanstalt haben mehrere Protestschreiben an die Regierung gesandt. Warum haben sie keine Antwort erhalten?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich sage Ihnen, daß wir bis zur Stunde mit der Personalvertretung und mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums im laufenden Gespräch sind. Wenn wir das nicht wären, wäre auch der sogenannte Burgfrieden, der im Augenblick besteht, nicht möglich gewesen. Diese Gespräche werden weiter fortgeführt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pohlmann.
Herr Staatssekretär, wenn Sie mit dem Kuratorium gesprochen haben, wie ich es aus Ihren Ausführungen entnehmen konnte, warum haben Sie dann die erheblichen Bedenken des Kuratoriums nicht geteilt?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich bedaure, das lappt natürlich von der Dringlichkeitsfrage auf diese erste Frage über, wo diese Probleme nicht angeschnitten sind. Frau Präsidentin, ich kann hier diese beiden Fragen nicht genau trennen.
Als wir den Vorsitzenden des Kuratoriums hörten, gab es nicht eine einheitliche Ablehnung in der Sache Machens, sondern waren die Meinungen unterschiedlich.
Ich sage hier auch ganz ehrlich: wenn Sie jetzt einmal die Urteile, die es in negativer, in sehr scharfer negativer Form, aber auch in positiver Form gibt, sehen, müssen Sie mir folgendes zugeben. Wir haben hier im Hause sehr viele Professoren, unterschiedlicher und auch gleicher Fakultät. Sie werden immer feststellen, daß die Professoren voneinander unterschiedliche Urteile hinsichtlich ihres Fachgebietes haben.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Seiters.
Herr Staatssekretär, eines hätte ich von Ihnen gern noch einmal klar gehört: Darf ich Ihre Antwort, die Sie bisher gegeben haben, so verstehen, daß Äußerungen von Wirtschaftsminister Greulich aus Niedersachsen, das Einvernehmen über die Berufung von Herrn Professor Machens sei mit ihm nicht hergestellt worden, unwahr sind?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich muß Ihnen sagen, das hat Minister Greulich in der Fragestunde so nicht erklärt. Er hat wörtlich erklärt, daß es erstens keines Einvernehmens bedarf, sondern nur des Benehmens, und er hat zweitens erklärt, daß es nicht des Benehmens zwischen Bund und Land bedarf, sondern nur zwischen den beiden Ministern, und er bestreitet nicht, daß ich ihn zweimal in dieser Sache gesprochen habe. Er geht davon aus - das ist ein internes Verhältnis, das wir nicht wissen konnten -, daß es ein besonderes internes Verhältnis in der niedersächsischen Regierung gab. Wir wußten nicht - es ist auch aus dem Verwaltungsabkommen nicht ersichtlich , daß er, wenn er das Benehmen hergestellt hat, das dann noch dem Kabinett vortragen muß. Dies war uns nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hellige.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung von wissenschaftlichen Instituten und von Lehrstühlen Vorschläge zur Besetzung der Präsidentenstelle gemacht worden, und wie haben sich diese Vorschläge ausgesprochen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Es hat natürlich eine Reihe von Vorschlägen gegeben. Sie wissen, daß es auch bereits vor zwei Jahren in der Frage des Vizepräsidenten eine Reihe von Vorschlägen gegeben hat. Es war zweifellos so, daß von der Anstalt selbst außerordentlicher Wert darauf gelegt wurde, nach Möglichkeit jemanden von der Anstalt zu berufen. Unsere Auffassung war jedoch, da die Anstalt in vieler Hinsicht sehr internationale Beziehungen hat, einen Mann zu berufen, der internationale Erfahrungen auf diesem Gebiet hat, und so sind wir zu Professor Machens gekommen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Entscheidung der Bundesregierung, Herrn Professor Machens zum Institutsleiter zu bestimmen, für klug, insbesondere in Anbetracht der Tatsache - unabhängig von den anderen Nebenwirkungen -, daß sich Kuratorium, Personalrat und Belegschaft einhellig gegen Herrn Professor Machens ausgesprochen haben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Erstens haben sich sich nicht vorher dagegen ausgesprochen, sondern danach. Zweitens muß ich Ihnen sagen, daß Sie bei politischen Entscheidungen dieser Art, die dann in dieser Weise hochgespielt worden sind - ich meine, nicht von diesem Hause, sondern generell -, hinterher immer klüger sind als vorher. Ich sage Ihnen hier aber auch ganz offen, daß ich in dieser Auseinandersetzung jetzt mehr sehe als den Widerstand gegen eine Person. Ich bin sogar davon überzeugt, daß wir uns - was wir auch tun werden - mit der Anstalt selbst einmal beschäftigen müssen. Wir glauben, daß wir im Innenverhältnis einiges zu überprüfen haben. Dies hat nichts mit dem Widerstand gegen Machens zu tun, sondern hier geht es um Nebenbeschäftigung in diesem Institut.
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Vizepräsident 'Frau Funcke: Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, besteht bei der Bundesregierung die Absicht, weiter Schwäger oder Verwandte Minister Schillers auf so gut dotierten Posten unterzubringen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Dies ist die zweite Frage, die sich absolut mit der ersten Dringlichkeitsfrage deckt. Die Antwort auf das, was hier gefragt wird, ist die Antwort auf die erste Dringlichkeitsfrage.
Ich möchte - entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege - zunächst auf eine Bemerkung eines Kollegen eingehen, den ich jetzt nicht mit Namen kenne und der gesagt hat, meine Behauptung oder meine Ankündigung, daß wir uns einmal mit dem Innenverhältnis der Anstalt beschäftigen müssen, sei eine Drohung. Diesen Vorwurf muß ich auf das entschiedenste zurückweisen. Wenn Sie schon in diesem Fall die Zeitungen alle verfolgt haben, werden Sie sehen, daß es neben der Personenfrage eine Reihe von Randerscheinungen gibt, die eine Behörde, die eine Aufsicht hat, nicht ohne weiteres vorbeigehen lassen kann. Das hat mit Drohungen gar nichts zu tun, ich halte das für die Dienstaufsicht für absolut erforderlich.
Zu Ihrer Frage möchte ich Ihnen folgendes sagen. Herr Minister Schiller und Herr Staatssekretär Schöllhorn haben im November das erste Mal über diese Besetzung gesprochen. Ich bin zu diesem Gespräch zugezogen worden. Die Frage war, wie man sich in dieser Sache verhält, zumal Professor Machens bereits bei der Besetzung des Postens des Vizepräsidenten vorgeschlagen worden war. Ich habe - ich sage das in aller Form und möchte bitten, daß wir das nicht irgendwie parteipolitisch sehen ernste Sorge.
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- Daß Sie lachen, verstehe ich, ich weiß aber auch, daß in Ihren Reihen eine ganze Reihe von Kollegen ist, die die Sache sehr ernsthaft ansehen. Ich möchte diesen Stil beibehalten.
Da ich Herrn Machens nicht kannte, war meine erste Frage: Ist Herr Machens qualifiziert? Wir haben dann sehr eingehend Personalien- und Aktenstudien betrieben, und meine Antwort war darauf: Es kann keinesfalls so sein, daß jemand bevorzugt
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
wird, weil er ein Schwippschwager ist, es kann aber auch keinesfalls so sein, daß ein qualifizierter Mann bestraft wird, weil er zufälligerweise ein Schwippschwager ist. Dann haben wir uns nach dieser Unterhaltung entschieden, und ich möchte sehr darum bitten, daß der Grundsatz „weder Vorteile noch Nachteile für etwaige Verwandtschaftsgrade" das Prinzip des Hohen Hauses sein sollte.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Nordenskjöld.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für ungewöhnlich und für außerordentlich bedenklich, daß Sie jetzt, nachdem sich in der Belegschaft der Bundesanstalt Widerstände bemerkbar gemacht haben, hier sagen, daß man die Arbeitsweise dieser international und auch im Lande anerkannten Anstalt überprüfen will, während man vorher in dieser Richtung nichts getan hat?
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Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich bin ziemlich sicher, daß dieser Punkt, auf den ich mich bezogen habe - das sind die Privatgutachten und das, was damit geschieht -, diesem Hause und auch uns und früheren Regierungen nicht von Anfang an bekannt waren. Sie wissen als Niedersachse ganz genau, zu welchem Zeitpunkt das bekanntgeworden ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Gruhl.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß seit November 1971 vier Bewerber für dieses Amt vorhanden und auch überall bekannt waren, daß aber der Name des Präsidenten, der nun ernannt wurde, bis zum allerletzten Moment geheimgehalten wurde und der Vorgänger von der Ernennung erst erfuhr, als er sich danach erkundigte, wem er in wenigen Tagen seine Geschäfte übergeben würde?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Auch hier muß ich natürlich ein bißchen auf das interne Verhältnis zurückgreifen. Sie wissen, daß die Bundesanstalt und die Niedersächsische Bodenforschungsanstalt in einem Gebäude zusammengefaßt sind und unter einer Leitung stehen. Sie wissen weiter oder auch nicht, daß bei einem Wechsel, sei es des Vizepräsidenten oder sei es des Präsidenten, einmal der Bund und dann wieder das Land am Zuge ist, wie wir das auch bei Finanzpräsidenten und ähnlichen Positionen haben. Wir haben bei der Auseinandersetzung vor zwei Jahren - ich glaube, es war 1970 - gesehen, wer sich alles beworben hat und welche inneren Machtkämpfe es gegeben hat. Wenn man sagt, dieser Vorschlag sei bis zuletzt geheimgehalten worden, so ist das sicher nicht richtig, was das Kuratorium betrifft. Daß der Name geheimgehalten werden konnte, wundert mich, denn die
ersten Gespräche darüber sind im November, die zweiten im Dezember und die dritten im Januar geführt worden. Man muß sich geradezu wundern, daß so etwas in Bonn noch so lange geheim bleibt. Ich halte es aber auch aus Erfahrung für absolut notwendig, Personalerörterungen nach Möglichkeit nicht von vornherein öffentlich zu führen, weil dann die Leute, die genannt werden, auch die besten, von vornherein umgebracht werden. Das haben wir auch schon bei anderen Vorschlägen erlebt.
Meine Damen und Herren, die Komplexe lassen sich schwer trennen. Ich schlage vor, daß wir die beiden Dringlichen Mündlichen Fragen der Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) und Dr. Gruhl als mit aufgerufen ansehen:
Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Funktionsfähigkeit der Bundesanstalt für Bodenforschung in Hannover wiederherzustellen und den Arbeitsfrieden durch eine befriedigende Aufklärung und Regelung, wie sie die Mitarbeiter bis zum kommen Freitag gefordert haben, sicherzustellen?
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die Ernennung des Schwagers von Bundesminister Schiller, des außerplanmäßigen Professors Machens, zum Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung den Verdacht massiver persönlicher Begünstigung aufdrängt und dadurch schon bis heute dem Ansehen der Bundesanstalt für Bodenforschung im In- und Ausland schweren Schaden zugefügt hat?
Das würde allerdings bedeuten, daß die Herren Dr. Schneider und Dr. Gruhl jetzt vorrangig Zusatzfragen stellen können. Die anderen Wortmeldungen bleiben aufgeschrieben, Herr Kollege Kempfler. Ich bitte um Verständnis, aber es läßt sich einfach nicht mehr trennen.
({1})
- Die erste Antwort ist, soviel ich weiß, gegeben. Herr Staatssekretär, sind Sie noch bereit, eine Zusatzantwort zu geben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Aber selbstverständlich, ich bin dazu gern bereit. Ich bitte die Kollegen um Verständnis, alle drei Fragen greifen so ineinander über, daß man hier nicht klar zwischen erster, zweiter und dritter Frage trennen kann.
({2})
Herr Stücklen, Sie waren mir gegenüber auch schon höflicher als heute.
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- Dies ist nicht wahr, ich bin mit der Sache befaßt
gewesen.
Jetzt Herr Kollege Dr. Schneider, bitte!
Zuerst hätte ich gerne die Antwort auf meine Dringliche Mündliche Frage.
Ich hatte den Eindruck, daß Herr Staatssekretär Hermsdorf die Antwort darauf vorhin schon gegeben hat.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nein, Herr Kollege Schneider hat völlig recht, den in seiner Dringlichen Frage genannten Gesichtspunkt haben wir noch nicht erörtert. Die Frage lautet nämlich dahin, was die Bundesregierung zu tun gedenkt? - Ich sagte schon, Herr Kollege Schneider, daß wir im laufenden Gespräch mit dem Personalrat, dem Kuratorium und der niedersächsischen Regierung stehen und bis zur Stunde - ich glaube, auch noch für einige Tage, bis diese Gespräche abgeschlossen sind - einen Burgfrieden hergestellt haben. Wir sind bemüht, in diesen Gesprächen sozusagen klarzumachen, daß man die Arbeit wieder aufnehmen muß.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird bei den Beratungen, die Sie zur Aufrechterhaltung ,des Burgfriedens mit den Bediensteten der Anstalt führen, auch die Frage eindeutig geklärt, wer Herrn Professor Machens vorgeschlagen hat und wie oft und in welcher Weise Herr Minister Schiller bei der Ernennung des Herrn Professors Machens eingeschaltet gewesen ist?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Wenn ich das jetzt aus dem Gedächtnis beantworten darf, denn das geht schon sehr lange: Herr Professor Schiller ist in dieser Frage eingeschaltet gewesen, als ,das erste Mal darüber diskutiert wurde. Dann habe ich das Gespräch mit Herrn MinisterGreulich fortgesetzt. Dann ist Herr Lanzke hinsichtlich des Personalrats eingesetzt worden. Ansonsten hat Herr Staatssekretär Schöllhorn die Sache in seiner Zuständigkeit durchgeführt. Als gestern. die Personalvertretung hier war, stand dieses Gespräch unter der Leitung von Staatssekretär Schöllhorn. Der Herr Minister ist eine halbe Stunde bei diesem Gespräch anwesend gewesen,
({0})
hat sich dann aber aus sehr verständlichen Gründen zurückgezogen.
({1})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Schneider.
Herr Staatssekretär, Sie sind gewiß mit mir der Meinung, daß Sie meine Frage nicht beantwortet haben, daß Sie nicht einmal den Versuch unternommen haben, diese Frage zu beantworten. Ich stelle aber eine weitere: Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß von einem Bundesminister bei Personalentscheidungen, bei denen ein Familienangehöriger zum Kreis der Bewerber gehört, ein Höchstmaß an verfahrensmäßiger und sachlicher Korrektheit erwartet werden muß, damit schon der Anschein einer unsachlichen Begünstigung ausgeschlossen wird?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Diese Auffassung teilt die Bundesregierung. Ich sage ganz offen: Dies ist ja gerade der Grund, weshalb Herr Minister Schiller sich an diesen ganzen Verhandlungen nicht beteiligt hat. Nachdem wir geprüft haben, daß die Qualifikation vorhanden war - und zwar nicht der Minister, sondern der Staatssekretär, der Abteilungsleiter und der Personalmann in unserem Hause -, und nachdem Herr Machens vor dem Bundespersonalausschuß war und von diesem das Plazet für die Berufung bekommen hat, muß ich doch sagen, daß alles getan worden ist, was notwendig und möglich war.
Jetzt bitte ich den Herrn Staatssekretär, zunächst noch die Frage von Herrn Dr. Gruhl zu beantworten.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Diese Frage bezog sich auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse, und ich glaube, daß diese in der Diskussion klar geworden sind.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Gruhl? - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, warum erstattet Ihr Minister keine Strafanzeige, da der vorhergehende Präsident der Bundesanstalt in Fernschreiben an die höchsten Persönlichkeiten dieses Staates, an den Herrn Bundespräsidenten und an den Herrn Bundeskanzler, den Vorwurf der - wörtlich - „unwürdigen Vetternwirschaft" erhoben hat? Dies wäre doch ein Tatbestand der üblen Nachrede, der unbedingt einer strafrechtlichen Verfolgung bedürfte.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich kenne das Telegramm von Herrn Richter-Bernburg. Ich bin nicht bereit, mich hier zur Person von Herrn Richter-Bernburg zu äußern. Sie wissen, daß Herr Richter-Bernburg inzwischen in Pension ist. Er war schon in Pension, als er dieses Telegramm schickte. Als dieses Telegramm ankam, ist der Minister sofort zum Bundespräsidenten gefahren und hat ihm alle vorhandenen Unterlagen zur Verfügung gestellt. Dann ist Herr Staatssekretär Schöllhorn
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
zum Bundespräsidenten gefahren, und nach dieser Aussprache hat der Herr Bundespräsident Herrn Machens ernannt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie das Schreiben des Präsidenten der Landesanstalt, Herrn Professor Klaus Schmidt in Freiburg, der wörtlich geschrieben hat:
Es scheint leider kein Zweifel daran möglich zu sein, daß bei der Berufung des neuen Präsidenten keinerlei sachliche, sondern allenfalls politische, überwiegend aber familiäre Gesichtspunkte eine Rolle ,gespielt haben.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Dieses Schreiben ,beurteile ich als eine Unterstellung. Ich sage Ihnen ganz offen und habe es vorhin schon einmal gesagt, daß es eine Reihe von maßgebenden Wissenschaftlerngibt, die die Qualifikation von Herrn Machens bezweifeln, daß es aber ebenso eine Reihe von maßgebenden Wissenschaftlern gibt, die die Qualifikation von Herrn Machens bestätigen. Ich möchte hier folgendes hinzufügen. Herr Machens stand in der engeren Wahl für die Berufung in eine ordentliche Professur bei der Universität Würzburg, und zwar standen dort drei Kandidaten zur engeren Auswahl. Unter diesen ersten drei Kandidaten war Herr Machens.
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Davon ist dann Abstand genommen worden, weil man wußte, ,daß er nach Hannover ging. Ich wollte das nur als ein Beispiel anziehen, aber es hat hier keinen Sinn, daß wir pro und contra urteilen. Ich beziehe mich auf meine vorigen Ausführungen, was die Professoren angeht.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kempfler.
Herr Staatssekretär, waren die fachlichen Qualitäten, mit denen man jetzt die Berufung von Herrn Professor Machens rechtfertigt, schon bekannt, als er sich damals um den Posten des Vizepräsidenten bewarb, und warum ist er wohl in dieses viel weniger verantwortungsvolle Amt nicht berufen worden?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Es war ein Streit - das habe ich vorhin darzustellen versucht, Herr Kollege - zwischen Niedersachsen und dem Bund. In diesem Fall hatte Niedersachsen den Vortritt und konnte besetzen, nicht der Bund. Dies war ein Streit örtlicher, regionaler Art.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Evers.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß es in einem demokratischen Staat zur Aufgabe der Presse gehört, die Vermutungen darzulegen, wenn Anlaß dazu besteht, anzunehmen, daß inkorrekte Hintergründe für eine Personalberufung ausschlaggebend waren, und würden Sie mir auch beipflichten, daß Ihre Bemerkung, bestimmte Kreise hätten diesen Vorgang hochgespielt, mit einer solchen Auffassung nicht in Einklang zu bringen ist?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich stimme Ihnen im ersten Teil Ihrer Auffassung zu; dies ist auch meine Auffassung. Ich muß allerdings sagen, wenn ich einiges, was ich da gelesen habe, mir zu Gemüte führe, daß das mit dem ersten Grundsatz nichts mehr zu tun hat.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Haase.
Verehrter Herr Kollege Hermsdorf, sehen Sie Möglichkeiten, den Schwager des Herrn Bundesminister Schiller zum Rücktritt von seinem Amt zu bewegen, um dieser doch für das demokratische System sehr abträglichen Entwicklung Einhalt gebieten zu können?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich muß Ihnen erstens sagen, Herr Kollege Haase, es ist kein direkter Schwager, es ist ein Schwippschwager.
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Zweitens. Wir stehen in Verhandlungen. Ich würde
({1})
- Das ist ein Unterschied, und zwar ein wesentlicher.
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Zweitens würde ich sagen wollen, daß, wenn ich jetzt hier eine klare Antwort - Ja oder Nein - auf diese Frage geben würde, die augenblicklichen Verhandlungen, sagen wir, beeinflußt würden. Ich möchte mich zu dieser Frage nicht äußern, weil wir noch im Gespräch sowohl mit der Belegschaft als auch mit dem Kuratorium sind, und ich hoffe, daß wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Bismarck.
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß Pläne bestehen, dieses für unsere Wirtschaft hochbedeutsame Amt in der nächsten Zeit, in den nächsten drei Jahren erheblich zu erweitern. Hat die Bundesregie rung bei der Auswahl des Herrn Professors Machen mit bedacht, daß die organisatorische Aufgabe, die hier durchzuführen ist, das Amt so auszubauen, wie es geplant ist - auf über 1000 Mitglieder -, und
die Führung eines solchen Amtes erhebliche organisatorische Erfahrungen erfordern, und liegen der Bundesregierung Unterlagen darüber vor, daß Herr Professor Machens diese Forderung zu erfüllen in der Lage ist?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, ich hatte im vorhergehenden Fragespiel gesagt, daß wir diesen Punkt sehen, daß das Institut wesentlich erweitert wird und an internationaler Bedeutung gewinnt. Dies war gerade der Grund, weil wir wissen, daß Herr Professor Machens auf sehr weite internationale Erfahrungen auf diesem Gebiet zurückblicken kann, ihn dazu zu berufen. - Dr. von Bismarck ({0}) : Herr Staatssekretär, damit ist meine Frage nicht beantwortet. Ich frage nicht nach der internationalen Beziehung, sondern ob Unterlagen darüber vorliegen, daß Herr Professor Machens über die Fähigkeiten verfügt, die organisatorischer Art sein müssen.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Wenn wir diese Annahme nicht gehabt hätten, hätten wir ihn nicht vorgeschlagen.
({1})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Werner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, mit welchen Argumenten Ihr Minister die Bedenken des Herrn Bundespräsidenten zerstreut hat?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Mit den Personalien.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Minister, nachdem Sie zugegeben haben - - Herr Staatssekretär - Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich bin noch kein Minister.
({0}) - Das „noch" lassen Sie bitte auch weg.
({1})
- Nein, bitte, lassen Sie das „noch" weg. Dies war ein Fauxpas.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie zugegeben haben, daß der Bundespräsident bei der Ernennung offensichtlich Bedenken hatte, und Sie Herrn Kollegen Werner erklärten, daß diese Bedenken durch die Einsichtnahme in die Personalien ausgeräumt seien, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, im Parlament zu sagen, ob die Bedenken des Bundespräsidenten bezüglich der fachlichen Qualifikation oder wegen des Verwandtschaftsverhältnisses zum Wirtschaftsminister bestanden haben.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Es bestanden zunächst gar keine Bedenken. Nachdem das Telegramm von Herrn Richter-Bernburg kam, konnte natürlich der Bundespräsident an einem solchen Telegramm nicht vorbeigehen, zumal die Ernennung noch nicht vollzogen war. Aber nachdem wir wußten, daß dieses Telegramm vorlag, haben sich sofort der Minister und der Staatssekretär mit dem Bundespräsidenten in Verbindung gesetzt, ihm alle Unterlagen vorgelegt, und danach hat der Bundespräsident entschieden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Thadden.
von Thadden ({0}) : Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause und der Öffentlichkeit einen einzigen Fall eines qualifizierten Beamten mitteilen, der sich bisher in einer Besoldungsgruppe befunden hat, die man mit A 15 vergleichen kann, der in einem Riesensprung nach B 7 gekommen ist, und würden Sie der Meinung sein, daß ein solcher Sprung den Betroffenen zur Teilnahme am Hochsprungwettbewerb in München qualifizieren müßte?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich würde eigentlich die Frage so qualifizieren wollen, wie Sie sie gestellt haben. Ich muß hinzufügen, daß Sie, wenn Sie solche Sprünge sehen wollen, sie am laufenden Band bei der Ernennung von Oberfinanzpräsidenten sehen können. Dort ist das ganz normal.
({1})
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Wahlrabe.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nach dem, wie sich die ganze Angelegenheit hier eben in der Diskussion entwickelt hat, nicht, daß dies eigentlich eine Sache für eine parlamentarische Untersuchung wäre?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich würde eigentlich sagen, ich hätte gar nichts gegen eine solche Untersuchung. Aber ich würde die Untersuchung anstellen wollen, wenn das Ergebnis endgültig vorliegt. Aber wenn Sie Lust haben, das zu untersuchen, - die Bundesregierung hat nicht die geringsten Bedenken, hier alle Karten auf den Tisch zu legen. Ich bin nur ein bißchen erstaunt,
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
daß in ein schwebendes Verfahren schon mit einem Untersuchungsverfahren eingegriffen werden sollte. Vielleicht ist das bei Ihnen möglich; bei uns nicht.
({0})
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Seiters.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob das Kabinett dieser Entscheidung zugestimmt hat, und bejahendenfalls: Ist es richtig, daß dem Kabinett die familiären Beziehungen, die Anlaß zu Bedenken hätten sein können, vorher nicht mitgeteilt worden sind?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das Kabinett hat dieser Entscheidung einstimmig zugestimmt. Es ist durchaus möglich, daß einige Kollegen die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht gekannt haben. Aber eine ganze Reihe von Kollegen sind vorher darauf aufmerksam gemacht worden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wer hat Herrn Professor Machens eigentlich in Vorschlag gebracht, wie oft wurde der Vorschlag gemacht, und in welcher Weise hat Herr Bundesminister Schiller daran mitgewirkt?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich würde zunächst sagen wollen, ich habe hier eine ganze Reihe von Personen, die Professor Machens vorgeschlagen haben. Der ursprüngliche Gedanke kommt nicht von Professor Schiller, sondern er kommt - -({0})
- Nein, ich muß doch sehr bitten; ich würde nicht bereit sein, auf dieses Niveau herunterzusteigen. Das sage ich Ihnen ganz offen. - Den Vorschlag haben unter anderem Herr Professor Rodenstock und Herr Wolff von Amerongen gemacht.
({1})
- Unter anderem, ja; mehrere haben den Vorschlag gemacht. Ich nenne nur zwei. Ich muß nicht die ganze Liste vorlesen.
({2})
- Ich kann Ihnen nur sagen: Diese haben ihn vorgeschlagen.
Moment, die Frage ist noch nicht beantwortet. In welcher Weise hat Herr Minister Schiller daran mitgewirkt?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Der erste Vorschlag von 1970 ist gar nicht von Minister Schiller gekommen, sondern damals hat es schon Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium und der niedersächsischen Regierung gegeben. Im weiteren Verlauf hat sich eine Reihe von Professoren um Herrn Machens bemüht, und wir sind dann auf diesen Vorschlag eingegangen. Das erste Gespräch darüber hat im November 1971 stattgefunden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Engelsberger.
Herr Staatssekretär, welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, Professor Machens zum Präsidenten zu ernennen, obwohl der bisherige Präsident, Professor Richter-Bernburg, und die Personalvertretungen der Bundesanstalt für Bodenforschung und des Niedersächsischen Landesamts für Bodenforschung protestiert hatten mit der Begründung, daß wesentlich geeignetere Fachkräfte vorgeschlagen worden seien?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich kann mich sehr gut erinnern, daß bei vielen Ernennungen der verschiedensten Präsidenten nicht dem Vorschlag des Vorgängers gefolgt worden ist, und in diesem Fall auch nicht.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Sprung.
Herr Staatssekretär, mein Kollege Seiters hat die Frage gestellt, ob die familiären Beziehungen, die Anlaß zu Bedenken und näherer Prüfung im Kabinett gegeben hätten, den Ministern im Kabinett bekannt gewesen seien. Sie haben darauf erwidert, daß einige Kollegen sicherlich Kenntnis davon gehabt hätten. Darf ich Sie fragen, ob eine offizielle Information des Kabinetts vorgenommen worden ist oder nicht.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nein.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Nordenskjöld.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie den Namen von Professor Rodenstock hier erwähnt haben, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie darüber orientiert sind, daß sowohl Herr Professor Rodenstock als auch Herr von Amerongen ihre angeblichen Empfehlungen zugunsten von Herrn Machens zurückgezogen und dementiert haben.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich weiß von diesem Dementi nicht. Ich müßte dann 'dem Hause 'die Briefe zur Verfügung stellen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Evers.
Würden Sie nicht aus heutiger Sicht meinen, Herr Staatssekretär, daß es nach Kenntnis dieser Umstände und im Hinblick auf die familiären Beziehungen und auf den großen Sprung in der Laufbahn richtiger gewesen wäre, die Stelle des Präsidenten öffentlich auszuschreiben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich würde aus den Erfahrungen sehr viele Schlüsse ziehen.
({0})
Aber ich würde aus den Erfahrungen auch nach wie vor an meinem ersten Bekenntnis festhalten: daß ich nicht bereit bin, jemanden zu bestrafen, weil er mit einem Bundesminister verwandt ist.
({1})
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Werner.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es hier im wesentlichen nicht um die Verwandtschaft geht, sondern darum, daß sie geheimgehalten worden ist, und im wesentlichen um die Frage der Qualifikation von Herrn Machens, der als Person sehr stark unter diesem Verfahren gelitten hat?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich wäre sehr dankbar, Herr Kollege, wenn sich die Fragen in dieser Richtung bewegt hätten, ,daß es nicht um die Verwandtschaft geht. Aber es war ganz klar herauszuhören, daß in diesem Sinne ein Vorwurf konstruiert werden sollte.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Fuchs.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin den Vorwurf ,der Drohung zurückgewiesen, aber zu gleicher Zeit dienstrechtliche Schritte angekündigt. Darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung immer ,dann erwägt, solche dienstrechtlichen Schritte zu unternehmen, wenn bei einer Besetzung öffentliche Kritik geübt wird?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nein, die Bundesregierung erwägt es dann, wenn es ihr bekannt wird.
Eine Frage des Abgeordneten Probst.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in den Leitlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Ihrer Regierung vorgesehen ist, daß wissenschaftliche Leitungsfunktionen, insbesondere auch die Funktion des Leiters von wissenschaftlichen Anstalten, nicht gegen den Willen der wissenschaftlichen Mitarbeiter besetzt werden soll? Wenn Ihnen das bekannt ist, warum haben Sie dann anders verfahren und die Besetzung gegen den Willen dieser Leute vorgenommen?
({0})
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Auch hier muß ich wieder sagen, daß das so einheitlich auch nicht ist, sondern daß es auch in der Anstalt unterschiedliche Auffassungen bei den Abteilungsleitern gibt.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Fircks.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, Sie wunderten sich, daß in ein schwebendes Verfahren ein Untersuchungsverfahren - Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Verzeihung, das Wort schwebendes Verfahren war sicher nicht der richtige Tatbestand, den ich genannt habe.
Ich habe nicht v erstanden.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das Wort schwebendes Verfahren war sicher ein falscher Ausdruck von mir.
Aha. Dann darf ich die Frage anders stellen. Sie sagten vorhin bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Seiters: „Hinterher ist man immer klüger". Dürfen wir daraus entnehmen, daß Sie, wenn Sie jetzt neu vor einer Entscheidung ständen, anders entscheiden würden?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Dies kann ich nur für mich persönlich beantworten. Aber ich glaube, auf meine persönliche Auffassung legt das Hohe Haus keinen Wert.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Lemmrich.
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß auch Herr von Amerongen und Herr Rodenstock diesen Vorschlag gemacht hätten. Können Sie mir sagen, ob die beiden
Herren diesen Vorschlag von sich aus oder auf Anregung anderer Seiten gemacht haben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß die beiden genannten Herren nicht unabhängige Vorschläge machen, sondern sich herauslocken lassen. Dazu sind beide Herren viel zu unabhängig.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Schedl.
Herr Staatssekretär, Sie haben von einer Reihe von Vorschlägen gesprochen, die jetzt für Professor Machens gemacht worden sind. Sind aus den gleichen Bereichen auch bei seiner Bewerbung um das Amt des Vizepräsidenten Vorschläge gemacht worden und wurden sie in derselben Form berücksichtigt? Oder warum wurde damals auf diese Vorschläge nicht entsprechend eingegangen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich kann dies nicht aus eigener Kenntnis sagen, weshalb 1970 dieser oder jener Vorschlag nicht berücksichtigt worden ist. Insbesondere deshalb nicht, weil damals die niedersächsische Regierung das Vorschlagsrecht hatte und nicht die Bundesregierung. Was die jetzigen Vorschläge angeht, so kann ich nur sagen, daß sie nicht erst jetzt gemacht worden sind, sondern daß wir, als die Vorschläge vorgelegt wurden, zu dem Vorschlag gekommen sind, den wir jetzt gemacht haben.
Meine Damen und Herren, ich habe noch die Wortmeldungen von fünf Kollegen aufgeschrieben. Dabei bin ich bisher so vorgegangen, daß entgegen der Übung, bei zusammenhängenden Fragen jeweils nur eine Frage zuzulassen, in diesem Falle jedem Kollegen bis zu zwei Fragen zuzugestehen. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben, daß es dabei bleiben muß, wobei ich Herrn Schneider eine zusätzliche Frage gebe, weil er die Frage gestellt hat. Auf der Liste sind noch die Herren Breidbach, von Bismarck, Dr. Schneider, Vogt und Niegel. Herr Seiters, Sie haben schon zwei Fragen gehabt. Da Sie nicht Fragesteller sind, kann ich eine dritte nicht zulassen.
({0})
- Nein, bei verbundenen Fragen machen wir nicht für jede Frage eine Zusatzfrage. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben. Herr Werner, Sie haben auch zwei Fragen über Ihre Fragen hinaus gehabt. Wir können nicht anders verfahren.
Bitte schön, Herr Kollege Breidbach!
Herr Staatssekretär, ist den Ministern des Bundeskabinetts ein Brief bekanntgemacht worden, den ein Mitarbeiter, offensichtlich SPD-Mitglied, der Bundesanstalt Herrn
Professor Ehmke zugeschickt hat und in dem folgendes steht:
Sehr geehrter Herr Bundesminister und Genosse Professor Ehmke!
({0})
Die Berufung von Prof. Dr. Machens zum Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung hat drei Dinge bewirkt:
1. Das Demokratieverständnis in unserem jungen Staat hat sichtbar Schaden genommen;
2. die Glaubwürdigkeit des Herrn Bundespräsidenten, der mehrfach und öffentlich zur Zivilcourage aufgerufen hat, wie des Herrn Bundeskanzlers wurden ausgehöhlt; 3. das Vertrauen in die Parteiziele wurde bei Genossen erschüttert, bei Parteilosen zur Farce herabgewürdigt und bei politisch Andersdenkenden zur Karrikatur glorifiziert.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich bin sehr erstaunt, Herr Breidbach, über welche Beziehungen Sie verfügen. Ich weiß nicht, von welchem Datum dieser Brief stammt. Auf jeden Fall muß ich hinzufügen, daß ich bei der Entscheidung im Kabinett diesen Brief nicht gekannt habe und daß auch Herr Professor Ehmke mir von diesem Brief bis dahin nichts gesagt hat.
({1})
Ich nehme an, er ist erst danach geschrieben worden.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Bismarck.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage meines Kollegen Seiters geantwortet, Sie könnten sich denken, daß einige Kollegen im Kabinett die familiären Zusammenhänge nicht kannten, als sie entschieden. Darf ich fragen: Ist die Bundesregierung bereit zu erwägen, die Geschäftsordnung dahin zu ändern, daß in einem Fall, in dem ein Minister einen Kandidaten vorschlägt, der mit ihm in verwandtschaftlichen Beziehungen steht, er verpflichtet ist, hiervon allen Kabinettsmitgliedern vorher Kenntnis zu geben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Diesen Beschluß hat das Kabinett inzwischen gefaßt.
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Eine Frage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, obwohl Sie vorhin die Worte vom „schwebenden Verfahren" in der Diskussion rückgängig gemacht haben, möchte
ich Sie fragen: Wird in der Bundesregierung erwogen, Herrn Professor Machens zu bitten, von seinem Amt zurückzutreten?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich möchte noch einmal sagen, daß ich über die Erwägungen in den Gesprächen, die im Augenblick zwischen der Anstalt, der Belegschaft, dem Personalrat, dem Beirat bzw. dem Kuratorium und der Regierung im Gange sind, nicht informiert bin, so daß es voreilig von mir wäre, hier eine Entscheidung bekanntzugeben.
Eine Frage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für einen guten demokratischen Stil, daß Sie hier im Parlament die Angelegenheit Machens vertreten müssen, also für andere den Buckel hinhalten müssen, während Herr Schiller, der in der Öffentlichkeit eigentlich Beschuldigte, nicht im Parlament Rede und Antwort steht?
Herr Staatssekretär, diese Frage kann ich nicht zulassen; sie steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage. - Bitte schön, Herr Kollege Schneider!
Herr Staatssekretär, nachdem Sie hier festgestellt haben, Herr Wolff von Amerongen und Herr Professor Rodenstock hätten Professor Machens vorgeschlagen, frage ich Sie: Wann wurde vorgeschlagen, wo wurde vorgeschlagen, in welcher Form wurde der Vorschlag gemacht, und auf Grund welcher Kompetenz haben die genannten Herren ihren Vorschlag eingereicht?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Auf Grund welcher Kompetenz kann ich nicht sagen.
({0})
- Ja, Entschuldigung, das kann ich wirklich nicht sagen. Ich kann nur sagen, daß ein Brief von Professor Rodenstock vom 1. Februar 1972 und der Brief von Herrn Wolff von Amerongen vom 11. Februar 1972 vorliegen.
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- Aber da waren wir noch nicht entschlossen, das zu machen.
Meine Kollegen, wir wollen damit jetzt abschließen. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär. Die Fragen aus seinem Ressort sind beantwortet.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar. Die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler:
Hält die Bundesregierung trotz der Aufforderung durch den ADAC daran fest, bis 31. Dezember 1972 die bisherigen Ortsendeschilder durch neue zu ersetzen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die obersten Landesbehörden haben gebeten, mit Rücksicht auf die kommunale Neugliederung die Übergangsfrist für das bisherige Ortsendeschild bis zum 1. Januar 1975 zu verlängern. Der Bundesminister für Verkehr wird diesem Anliegen durch eine entsprechende Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung Rechnung tragen. Diese Verordnung wird zur Zeit in unserem Hause vorbereitet.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß das sogenannte Wiener Abkommen, auf dem ja die gesamte Schilderänderung beruht, überhaupt noch nicht ratifiziert ist?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Das ist bereits in Kraft getreten, Herr Kollege.
Ist es ratifiziert?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Es ist nicht offiziell ratifiziert, aber es ist damit zu rechnen, daß es Ausnahmen in anderen Ländern nicht geben wird.
Die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler:
Wird die Bundesregierung der allgemeinen Kritik der Öffentlichkeit und des ADAC Rechnung tragen und sich für eine Änderung dieses Punktes im Wiener Abkommen einsetzen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, auf Grund der bisherigen Abstimmungsergebnisse bei den internationalen Verhandlungen in dieser Angelegenheit dürfte es wenig erfolgversprechend sein, wenn die Bundesregierung einen Vorstoß mit dem Ziel der Abänderung der internationalen Übereinkommen unternimmt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Österreich und die Schweiz als Touristenländer bei dem Wiener Abkommen offenbar nicht mitmachen, mindestens bis jetzt noch nicht, und wäre es nicht gut, wenn auf Grund eines fundierten Sachverständigengutachtens, namentlich von Sachverständigen der Touristik, noch einmal
wenigstens der Versuch einer Abänderung gemacht würde?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Die Gespräche werden in dieser Weise fortgeführt. Aber es ist nach den bisherigen Kontakten, soweit sie unserem Hause bekannt sind, nicht damit zu rechnen, daß andere Länder eine Änderung im gleichen Sinne anstreben.
Keine weitere Frage.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf:
Hat die Bundesregierung inzwischen die zugesagte Prüfung der Frage, ob es nach dem Vorbild westlicher Nachbarländer erforderlich ist, daß alle Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen ab einer bestimmten Schadenshöhe erst dann wieder die Betriebserlaubnis erhalten, wenn sie nach Abschluß der Reparatur einer Überprüfung durch den TÜV unterzogen wurden, abgeschlossen, und zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?
Bitte schön!
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Prüfung ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Bei den Vorerhebungen hat sich jedoch bereits gezeigt, daß es außerordentlich schwierig ist festzulegen, welche Fahrzeuge mit Unfallschäden vor ihrer Wiederinbetriebnahme zu untersuchen sind. Hinzu kommt, daß eine Überwachung der angeordneten Untersuchungen die Polizei und die Zulassungsstellen zusätzlich belasten würde. Dem von Ihnen angeschnittenen Fragenkomplex messen wir große Bedeutung zu. Bei der Sitzung des Bund-Länder-Ausschusses „Technische Kraftfahrzeugüberwachung" am 12. und 13. April dieses Jahres wird diese Frage eingehend erörtert.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie weit' sind denn Ihre Bemühungen gediehen, bei Unfällen erst von einer bestimmten Größenordnung an eine obligate Vorführung beim TÜV vorzusehen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich kann Ihnen bislang nur berichten, daß die Sachverständigen bei einer Tagung des Kraftfahrtechnischen Ausschusses der Vereinigung der Technischen Überwachungsvereine im Februar 1972 bereits auf die Problematik der Abgrenzung solcher Schäden aufmerksam gemacht haben. Sie haben in einer früheren Fragestunde auf die Erfahrungen in anderen Ländern, etwa in Luxemburg, hingewiesen. Wir sind dabei, durch entsprechende Kontakte noch einige Feststellungen zu treffen, die allerdings mit den Möglichkeiten bei uns deshalb nicht ohne weiteres vergleichbar sind, weil die Zweijahresfrist bei uns eine andere Belastung für die in Frage kommenden Instanzen bringen würde, als es in Luxemburg oder in Dänemark der Fall ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagten soeben, Sie hätten mit den Vertretern der TÜV geredet. Wie sehen denn die Vertreter der TÜV dieses Problem von der Arbeitsbelastung her, die auf sie zukommen könnte?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Das ist bis jetzt mit großem Bedenken behandelt und vorgetragen worden. Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege, daß ein Versuch in einem bestimmten überschaubaren Bereich wegen der starken Belastung der Polizei inzwischen eingestellt worden ist.
Keine weitere Frage? - Dann rufe ich die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel auf:
Zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung bei der zugesagten Überprüfung der Frage gekommen, ob es aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig ist, daß - wie in anderen westeuropäischen Staaten - auch in der Bundesrepublik Deutschland Führerscheine, die durch die Fahrprüfung auf einem Fahrzeug mit automatischer Gangschaltung erworben werden, nicht ohne weiteres auch zum Fahren von PKW mit traditioneller Gangschaltung berechtigen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Beratung in den obersten Landesbehörden hat bis jetzt angesichts der unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Länder noch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt. Der Bundesminister für Verkehr hat sich vorbehalten, nach Vorlage des Ergebnisses einer letzten Länderreferentenbesprechung, die Ende April stattfinden soll, seine Entscheidung zu treffen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmt es - so konnte man es wenigstens der Presse entnehmen -, daß es eine erste Abstimmung zwischen Bund und Ländern gegeben und daß sich eine knappe Mehrheit der Länder für die von mir gewünschte Regelung ausgesprochen hat?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich kann Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt über das Abstimmungsergebnis keine Mitteilung machen, Herr Kollege.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, am 15. Oktober hat mich Ihr Amtsvorgänger gebeten, mich noch einige Wochen zu gedulden; er würde mir dann die Antwort mitteilen. Das ist nun schon fünf Monate her. Wird es bei Ihnen schneller gehen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich werde mich bemühen, Sie nach Abschluß der bereits erwähnten Länderreferentenbesprechung direkt, und ohne daß Sie noch einmal nachfragen müssen, zu unterrichten, Herr Kollege.
Keine Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Hält die Bundesregierung die Empfehlung des „Deutschen Verkehrsgerichtstages 1972", in das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt in Anlehnung an § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt eine Vorschrift aufzunehmen, nach welcher Sportverbände mit der Ausbildung und Prüfung von Sportbootführern und der Erteilung von Zeugnissen betraut werden können, für in der Sadie berechtigt, und welche Schlüsse wird sie daraus ziehen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung hält dies für berechtigt, Sie ist bereit, zu gegebener Zeit im Rahmen eines Entwurfs zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt eine dem § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt entsprechende Vorschrift vorzusehen.
Zusatzfrage.
Läßt sich die Bundesregierung dabei von der Tatsache leiten, daß bei der Zunahme dieser Verkehrsart auf den Gewässern in der Zwischenzeit eine besonders große Bedrohung für Erholungssuchende besteht?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich werde diese Frage gern noch einmal in meinem Hause prüfen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie können also nicht sagen, wann dieses Vorhaben verwirklicht wird?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich einen verbindlichen Termin nicht nennen.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Wagner ({0}) soll ,auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({1}) auf:
Trifft die Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. März 1972 zu, daß die Maschine der Aeroflot, die fahrplanmäßig am 3. März 1972 ohne Zwischenlandung von Moskau nach Frankfurt fliegen sollte, in Schönefeld gelandet ist, die Passagiere von der Volkspolizei überprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß beim Weiterflug eine größere Anzahl fehlte, und daß die Maschine deshalb mit über zwei Stunden Verspätung in Frankfurt eingetroffen ist, und was hat die Bundesregierung - bejahendenfalls - daraufhin getan bzw. gedenkt sie zu tun?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es trifft zu, daß ,die Aeroflot am 3. März 1972 in Berlin-Schönfeld zwischengelandet ist, obwohl dieser Flug als Direktflug Moskau-Frankfurt/Main vorgesehen war. Die Verspätung in Frankfurt/Main betrug 1 Stunde 30 Minuten. Nach den getroffenen Feststellungen haben Beamte der DDR die Pässe der Transitfluggäste nach dem Verlassen des Transitraums kontrolliert. Durchsuchungen sind nicht vorgenommen worden. Anhaltspunkte dafür, daß Fluggäste gegen ihren Willen am Weiterflug gehindert worden sind, liegen mir nicht vor. Die Botschaft der UdSSR hat uns mitgeteilt, unmittelbar vor dem Abflug der Maschine aus Moskau habe sich die dringende Notwendigkeit ergeben, eine Gruppe sowjetischer Fachleute nach Berlin-Schönefeld zu bringen. Aus technischem Versehen sei eine Benachrichtigung der zuständigen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland und eines Teils der Fluggäste unterblieben.
Die zuständigen sowjetischen Stellen sind inzwischen aufgefordert worden, Abweichungen von dem genehmigten Flugplan rechtzeitig vorher zu beantragen und alle Fluggäste vor dem Start hiervon zu unterrichten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung, wie ich es in einem solchen Fall erwarten würde, wenigstens die deutschen Passagiere dieser Maschine nach ihrem Eintreffen in Frankfurt über ihre Erlebnisse bei dem Zwischenaufenthalt in Ost-Berlin befragt?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Frenmeldewesen: Bis jetzt liegt die Information von einem Fluggast vor. Wenn Sie nähere Einzelheiten erfahren wollen, darf ich Sie bitten, sich mit mir in Verbindung zu setzen.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Sperrung der Autobahnbrücke über den Rhein bei Bendorf ({0}) an zehn Samstagen und Sonntagen für den Lkw-Verkehr durch die „Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1972" mit einer Verkehrsbelastung nicht begründet werden kann, weil die Bendorfer Autobahnbrücke über den Rhein eine wesentliche zwischenörtliche Verkehrsbedeutung im Planungsraum Koblenz hat, die der insbesondere an den Wodienenden durch den Ferien- und Reiseverkehr überlasteten Pfaffendorfer Rheinbrücke im Zuge der Bundesstraße 49 eben10360
Vizepräsident Frau Funcke
sowenig zugewiesen werden kann, wie der baufälligen Neuwieder Brücke, solange die noch im Bau befindliche Südbrücke Koblenz nicht als Entlastung zur Verfügung steht?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es ist nicht unsere Auffassung, diese Sperre mit der Begründung zu rechtfertigen, die der Frage zugrunde liegt. Die Ferienreiseverordnung 1972 sieht vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats eine globale Sperrung des gesamten Autobahnnetzes für den schweren Lkw-Verkehr an 12 Wochenenden jeweils von samstags 7 Uhr bis sonntags 22 Uhr ohne Berücksichtigung der Verkehrsdichte auf den einzelnen Strecken vor.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht richtig, daß dessenungeachtet ein Entwurf der für das Jahr 1972 vorgesehenen Regelung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs durchaus Ausnahmefälle zuläßt? Und warum ist dieser Punkt davon ausgenommen?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Wir haben bis jetzt derartige Ausnahmen nicht zugelassen, Herr Kollege.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Präsidentin, eigentlich war meine Frage klar. Es ist mir sehr unangehnem, wenn ich sie als zweite Zusatzfrage verwenden muß. Ich habe von einem Entwurf gesprochen, den das Haus selber herausgegeben hat und der z. B. an den Deutschen Industrie- und Handelstag geschickt wurde. In diesem Entwurf haben Sie durchaus eine Reihe von Ausnahmefällen konzediert. Meine Frage geht dahin, warum der unstreitige Sonderfall, von dem in meiner Frage die Rede ist, darin nicht aufgenommen wurde.
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich werde das gern prüfen lassen und es Ihnen schriftlich beantworten, Herr Kollege.
Haben Sie noch den Wunsch, eine weitere Frage zu stellen, Herr Klepsch?
Gnädige Frau, es hängt von der schriftlichen Antwort ab. Ich werde darauf zurückkommen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Niegel.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in der neuen Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1972 Ausnahmen in der Art zuzulassen, daß z. B. für Lkw, die Weichobst fahren, gewisse Ausnahmen genehmigt werden, wenn das Obst sonst nicht rechtzeitig ans Ziel kommt? Dies habe ich schon seit Jahren vorgeschlagen.
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Das ist vorgesehen. Eine solche Verfügung ist in Arbeit.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 88 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Zieht die Deutsche Bundespost aus den jüngsten Gemeindezusammenschlüssen bezüglich der Postleitzahl und der Postzustellung entsprechende Folgerungen, da zu befürchten ist, daß in neu geschaffenen Kommunen, wie am Beispiel des neuen Gebiets der Stadt Hollfeld zu sehen ist, mehrere Postleitzahlen Gültigkeit haben?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für Idas Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, bei jedem Zusammenschluß von Gemeinden im Zuge der kommunalen Neugliederung trifft die Deutsche Bundespost alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen, um eine reibungslose Postversorgung auch nach der Neuordnung sicherzustellen. Nach den vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen erlassenen Richtlinien ist dabei jede neugebildete kommunale Verwaltungseinheit auch als einheitlicher postalischer Versorgungsbereich zu behandeln. Dabei gilt der Grundsatz, daß für jede Gemeinde eine einheitliche postamtliche Ortsbezeichnung und eine einheitliche Postleitzahl festgesetzt werden muß. Die früher selbständigen Gemeinden, die in die von Ihnen besonders angesprochene Stadt Hollfeld eingegliedert wurden, erhalten die Postleitzahl 8601. Das setzt jedoch eine Änderung der Betriebs- und Versorgungsorganisation voraus, die auch personelle Auswirkungen hat. Sie kann daher erst im Laufe dieses Jahres vorgenommen werden. Über die Änderungen wird die Öffentlichkeit rechtzeitig unterrichtet werden.
Keine Zusatzfrage.
Ich bedanke mich für die Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Bhmke zur Verfügung. Ich rufe die Fragen 90 und 91 des Abgeordneten Dr. Martin auf. - Da der Fragesteller nicht im Saal ist, werden diese Fragen schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. - Schönen Dank, Herr Bundesminister!
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde und unserer heutigen Sitzung.
Ich berufe das Haus auf morgen, den 17. März 1972, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.