Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/21/1972

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die Sitzung ist eröffnet. Zu Beginn habe ich folgendes mitzuteilen. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt für den Gemeinsamen Ausschuß gemäß Art. 53 a des Grundgesetzes vor: für den verstorbenen Abgeordneten Rasner den Abgeordneten Wagner ({0}), der bisher stellvertretendes Mitglied war, für den ausgeschiedenen Abgeordneten Stoltenberg den Abgeordneten Vogel als ordentliche Mitglieder; für den als stellvertretendes Mitglied ausgeschiedenen Abgeordneten Wagner ({1}) den Abgeordneten Rawe, für den ausgeschiedenen Abgeordneten Benda den Abgeordneten Adorno als stellvertretende Mitglieder. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit sind der Abgeordnete Wagner ({2}) und der Abgeordnete Vogel als ordentliche Mitglieder, der Abgeordnete Rawe und der Abgeordnete Adorno als stellvertretende Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses bestimmt. Weiter hat die Fraktion der CDU/CSU für den Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank an Stelle des verstorbenen Herrn Ernst Kuntscher, Stade, für den Rest seiner Amtszeit den Abgeordneten Dr. Czaja vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Dr. Czaja als Mitglied des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank gewählt. Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 12 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jungmann, Burger, Berding, Riedel ({3}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertriebsverbot elektrotechnischer Hörgeräte im Reisegewerbe und Versandhandel - Drucksache VI/2972 Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaft - federführend zu überweisen. Mit Schreiben vom 18. Januar hat der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann gebeten, die Vorlage dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Mitberatung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 33 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen - Drucksache VI/2991 Wird das Wort dazu gewünscht? - Keine Erklärungen. Dann beschließen wir über den Antrag des Ausschusses. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen - Drucksache VI/2883 Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Der Altestenrat empfiehlt, den Gesetzentwurf dem Finanzausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1971 der Bundesregierung - Umdruck 161, Drucksache VI/2892 - Berichterstatter: Abgeordneter Löffler Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier heute um die Beschlußfassung über einen Entschließungsantrag, den die CDU/CSU-Fraktion bereits im März 1971 anläßlich der Debatte zum Agrarbericht eingebracht hatte. Dieser Antrag zielte darauf ab, die Folgen der Aufwertung von 1969 für die Landwirtschaft zu regeln. Wir hatten dort den Vorschlag gemacht, für die Übergangszeit bis zur Währungs-und Wirtschaftsunion Regelungen anzustreben, die grundsätzlich Nachteile, die sich aus Paritätsveränderungen innerhalb der EWG ergeben, ausgleichen. Meine Damen und Herren, die Konsequenzen und Folgen der Aufwertung von 1969 sind zweifelsohne noch nicht überwunden. Der vollzogene degressiv gestaltete Aufwertungsausgleich wird zweifelsohne den Marktkräften innerhalb der EWG nicht gerecht. Aber lassen Sie mich auch in diesem Zusammenhang betreffs der Degressivität dieses Aufwertungsausgleichs schon hier dies sagen. Die nicht mehr den Landwirten unmittelbar einkommenswirksam zufließenden Mittel werden nun im Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zunehmend dem sozialen und eventuell strukturellen Bereich zugeführt. Das ist sicher so nicht zu beanstanden. Nur möchte ich schon an dieser Stelle vor falscher Propaganda warnen. Wenn wir also die sozialpolitischen Titel hier auffüllen können, dann handelt es sich nicht um große Finanzleistungen des Bundes, sondern im Grunde wird Geld zur Verfügung gestellt, das ohne Aufwertung die Landwirte über den Preis bekommen hätten. ({0}) Ich möchte das nur um der Klarstellung willen schon heute und hier deutlich machen. Als der Entschließungsantrag dann beraten wurde, war inzwischen die Wechselkursfreigabe erfolgt. Damit ergab sich natürlich für den Entschließungsantrag eine völlig andere Situation. Wir waren von uns aus durchaus bereit, die durch die Wechselkursfreigabe sich abzeichnende neue Entwicklung in den Entschließungsantrag mit einzubeziehen. Der Entschließungsantrag hat dann allerdings im Ausschuß durch die Anträge der Koalitionsfraktionen eine Fassung erfahren, die zwar auf künftige Paritätsänderungen abhebt, also etwa auf das, was vor uns steht, aber nicht mehr die Entwicklung des Jahres 1969 mit einbezieht. Dennoch stimmen wir diesem Entschließungsantrag heute zu, weil auch wir grundsätzlich der Meinung sind, daß es richtig ist, wenn wir die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für die Landwirtschaft mit der Forderung nach einer Beschleunigung im Vollzug der Währungs- und Wirtschaftsunion koppeln. Auch wir sind uns vollkommen darüber im klaren, daß wir langfristig nur dann etwa Grenzausgleichsregelungen in der EWG halten können, wenn von uns aus der politische Wille und die politische Tat zur Beschleunigung und zum Vollzug der Währungs- und Wirtschaftsunion immer deutlich unterstrichen wird. Wir stimmen dem also zu, obwohl wir die Formulierung, die in der Entschließung gefunden worden ist - „Paritätsausgleichssystem" -, nicht so gern sehen und statt dessen lieber das Wort „Grenzausgleichssytem" gesehen hätten. Im Grunde ist es so, daß auch die Bundesregierung die Meinung vertritt und durch viele Interviews, Aussagen und Referate immer wieder unterstrichen hat, daß auch sie im Grenzausgleich letztlich das einzige oder das geeignetste Instrumentarium sieht, um die durch Paritätsveränderungen entstandenen Ungleichgewichte und Nachteile für einen europäischen Agrarteilmarkt aufzuheben. Ich muß das wiederholen, was ich schon am Mittwoch an dieser Stelle sagte. Was wir in dieser Beziehung bedauern, ist, daß sich eben doch so etwas wie eine aufweichende Haltung deutlich macht. Ich will jetzt hier gar nicht auf das abheben, was etwa der beamtete Staatssekretär in Vertretung des Ministers auch in Brüssel selber in dieser Richtung geäußert hat, daß man ja auch etwa über die Mehrwertsteuer und zu einem Teil über den Grenzausgleich arbeiten könne. Ich bedauere dies, weil ich der Überzeugung bin, daß nur durch eine klare, unmißverständliche Haltung vor der Verhandlung überhaupt die Gewähr dafür besteht - und bestanden hätte -, dieses Grenzausgleichssystem tatsächlich auch nach der Festschreibung der jetzigen Paritäten überhaupt zu erreichen. Lassen Sie mich aber auch zur Mehrwertsteuer in diesem Zusammenhang eines sagen. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß unser Antrag auf Anhebung der Mehrwertsteuer zugunsten der landwirtschaftlicher Erzeuger nicht ohne weiters vom Tisch ist. Wir sind nicht der Meinung, daß hier ein Instrument für den Tag vorliegt, wo man nach einer erneuten Festschreibung der Paritäten etwa statt eines Grenzausgleichs die Mehrwertsteuer anhebt. Wir waren immer der Auffassung, daß auf Grund der gesamten Preis-Kosten-Entwicklung in der Landwirtschaft es schon im vorigen Jahr notwendig gewesen wäre, diesen Schritt zu gehen. Nun, meine Damen und Herren, was liegt vor uns? Wenn die Rechnungseinheit bleibt ich gehe davon aus, obwohl der Bundesminister in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Andeutungen gemacht hat, daß im Grunde eine fragwürdige Situation entstanden sei und man eine flexiblere Lösung als die Rechnungseinheit finden müsse; Herr Bundesminister, wir wollen Sie bei diesen Bemühungen nicht stören, aber ich glaube, es ist realistisch zunächst davon auszugehen, daß die Rechnungseinheit bleibt -, dann müssen wir doch davon ausgehen, daß langfristig gesehen letztlich nur ein umfassender Grenzausgleich schwerwiegende Nachteile aufzuhalten in der Lage sein wird. Im Zusammenhang mit dem Grenzausgleich ein Wort zur Befristung; auch darüber wird ja viel geredet. Ich halte jede willkürliche zeitliche Befristung eines Grenzausgleichs für völlig unannehmbar und in der Sache volkswirtschaftlich auch für falsch. Eine Befristung kann nur im Zusammenhang mit dem Vollzug der Wirtschafts- und Währungsunion, d. h. also dem Zeitpunkt, in dem nationale Paritätsänderungen innerhalb der EWG nicht mehr möglich sind, gesehen werden. Wenn man - auch darüber sind wir bereit mit uns reden zu lassen - etwa eine Revisionsklausel einbaut, dann doch nur im Hinblick auf die Kostenveränderungen, die sich zwischen aufwertendem und nicht aufwertendem Land ergeben. Wir wollen keine Wettbewerbsvorteile, sondern wir wollen nur Wettbewerbsgleichheit. Dem muß dieser Grenzausgleich in vollem Umfang Rechnung tragen. ({1}) - ich wollte es zwar kurz machen; aber Herr Kollege Peters, wenn Sie eine Frage haben, bitte!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Bitte schön, Herr Kollege Peters!

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ritz, ist Ihnen klar, daß, wenn ein Grenzausgleich, für den auch wir sind, im Zeitpunkt der Angleichung der Wirtschafts- und Währungssysteme vollzogen wird, dann auch wieder eine Agrarangleichung stattfinden muß?

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In der Tat, Herr Kollege Peters, sicher! Ich habe nur gesagt: was die Befristung anlangt, wäre der Endpunkt dann gekommen, wenn keinerlei Paritätsänderungen mehr möglich sind. Daß aber, bevor er wegfällt, eine Angleichung erfolgen muß, die diesem Unterschied Rechnung trägt, darüber sind wir uns sofort einig. Meine Damen und Herren, wie ist die Situation? Seit 1969 haben wir einen Aufwertungseffekt der D-Mark gegenüber dem Franc von 26 % zu verzeichnen. Das bedeutet angesichts der Tatsache, daß unsere Preise in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden, daß etwa die Franzosen einen nominalen Preisvorsprung in dieser Größenordnung haben. Nun wird es doch wohl niemanden geben, der glaubt, daß dieser Preisvorsprung durch die bisherigen Ausgleichssysteme aufgehoben worden sei; er ist bestenfalls durch das bisherige System des degressiven Aufwertungs- und Grenzausgleichs abgemildert, aber auf keinen Fall etwa aufgehoben. Die verstärkten Warenlieferungen aus der EWG in die Bundesrepublik allein im Jahre 1971 - sehen Sie sich einmal die Zahlen an! unterstreichen diese Tatsache. Nun stand vor all diesen Maßnahmen immer die Versicherung der Bundesregierung, daß die Landwirtschaft einen vollen Ausgleich erhalten solle und daß ihr keinerlei Verluste durch die Paritätsveränderungen entstehen sollten. Wir stellen aber fest, daß der Herr Bundeskanzler in einem an den Präsidenten des Bauernverbandes Heereman gerichteten Brief, den wir „Agra Europe" entnehmen, dies offensichtlich etwas abschwächt, denn es heißt hier, es dürfe keine untragbare Belastung entstehen. Das bedeutet also nicht mehr einen vollen Ausgleich; das ist nicht mehr die Aussage: es darf keine Belastung entstehen. Wir gehen aber davon aus, daß sich die Bundesregierung in dieser Frage nach wie vor im Wort fühlt, d. h. daß der Landwirtschaft keine Verluste entstehen sollen. Das heißt dann aber, daß eben nur ein umfassender Grenzausgleich in der Lage ist, dies auch tatsächlich zu gewährleisten. Wenn wir also von den jetzigen Leitkursen zu festen Wechselkursen übergehen und damit der Tag kommt, an dem das Grenzausgleichssystem, wie es jetzt praktiziert wird, automatisch ausläuft, dann muß sichergestellt werden, daß wir wiederum ein umfassendes Grenzausgleichssystem für die nächste Zeit erhalten. Meine Damen und Herren, nun wird immer ge-gesagt: Das sind alles Töne, die im Grunde zu einer Renationalisierung führen; das sind Töne, die mit Europa nichts mehr zu tun haben; offensichtlich will man sich von Europa zurückziehen. Wir sind genau gegenteiliger Meinung. Wenn wir einem großen Wirtschaftszweig wie der Landwirtschaft weiter glaubwürdig klarmachen wollen, daß Europa auch für ihn der richtige Weg ist, können wir das nur auf einem Fundament tun, das von Wettbewerbsgleichheit und Gerechtigkeit gekennzeichnet ist. ({0}) Anderenfalls würden wir eine Mutlosigkeit im Hinblick auf weitere europäische Integration zeugen, die schlimmer wäre als etwa der Verzicht auf ein Grenzausgleichssystem. Von daher sind wir nach wie vor der Überzeugung, daß dieses Instrument allein in der Lage ist, mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden. Wir wollen hier guten Willen gar nicht abschwächen. Aber wir müssen sagen, daß nationale Ausgleichsmaßnahmen, auch staatliche Zuflüsse in einzelne Fonds wie etwa den Geflügelwirtschaftsfonds, eines nicht verhindern können: daß unsere Marktpartner im Marktgeschehen Vorteile bekommen, die durch nichts auszugleichen sind. Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor. Einkommensübertragungen, in welcher Form auch immer, mag man vielleicht in einigen Jahren für bestimmte von der Natur benachteiligte Gebiete vornehmen müssen. Aber es kann doch gar kein Zweifel sein, daß für die eigentlichen Produktionsregionen, d. h. im wesentlichen auch für unsere Vollerwerbsbetriebe, das Instrument der Einkommensübertragung innerhalb der EWG überhaupt nicht praktikabel sein wird. Es wird also immer das Geschehen im Markt sein, das die Einkommen der Landwirtschaft tangieren wird. Von daher brauchen wir eine Regelung, die auch über den Grenzausgleich sicherstellt, daß unsere Landwirtschaft im Markt voll wettbewerbsfähig bleibt. Darum verbinden wir mit unserem Ja zu dem vorliegenden Entschließungsantrag die Forderung, daß die Bundesregierung sich in den anstehenden Verhandlungen in Brüssel nach Festschreibung der neuen Paritäten hart und unmißverständlich für einen umfassenden Grenzausgleich einsetzt, nicht um weniger Europa zu schaffen, nicht um in Europa zurückzugehen, sondern gerade um Europa wieder für eine wichtige Wirtschaftsgruppe dieses Landes glaubwürdig und überzeugend zu machen. Die Einstimmigkeit, von der ich hoffe, daß sie hier im Haus in dieser Frage vorhanden ist, mag Ihnen, verehrter Herr Minister, bei den, wie wir einräu9450 men, sicher nicht leichten Verhandlungen den Rükken stärken. Unsere Unterstützung bei diesem Ihren Bemühen um einen vollen, umfassenden Grenzausgleich dürfen wir Ihnen hier zusagen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Ritz hat bereits darauf hingewiesen, daß der ursprüngliche Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU während der Beratungen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verändert worden ist. Ich darf einiges zu diesen Veränderungen sagen und zwei Gründe dafür nennen. Den ersten Grund hat Herr Dr. Ritz bereits angeführt. Auf Grund der Freigabe der Wechselkurse und der sich damit abzeichnenden Neuregelung des Weltwährungssystems hielt es die Koalition für erforderlich, diesen Antrag zu aktualisieren. Zweitens. Die in dem ersten Satz - ich würde sagen: unterschwellig - vorhandenen Unterstellungen konnten wir nicht hinnehmen. Selbst wenn man Verständnis für die Lage einer Oppositionsfraktion aufzubringen bereit ist, kann man aus Gründen der politischen Ehrlichkeit nicht zulassen, daß sich die Fraktion der CDU/CSU als einsamer Vorreiter für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion hinstellen will. Es kann auch nicht so getan werden, als müßte diese Bundesregierung erst nachdrücklich angestoßen werden, bevor sie Schritte zu einer verstärkten Integration in Europa unternimmt. Schließlich war es diese Regierung, die auf der Konferenz in Den Haag die seit Jahren wichtigste und nachhaltigste Initiative unternommen hat ({0}) - ja, das sind nun einmal Tatsachen , ({1}) um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu erweitern und zu festigen. Das wollten wir bei dieser Gelegenheit nicht unter den Tisch wischen lassen. Ich nehme an, Sie werden Verständnis dafür haben. Die alte These der CDU/CSU, die Herr Dr. Ritz auch noch einmal nachdrücklich vertreten hat, daß die Störungen im europäischen Agrarpreisgefüge und die Nachteile für den einzelnen nationalen Agrarmarkt allein auf die Aufwertung der D-Mark im Jahre 1969 zurückzuführen sind, wird von uns nicht akzeptiert. Durch die Wiederholung dieser These will man offensichtlich der jetzigen Regierung die alleinige Verantwortung für die Situation in der Landwirtschaft aufbürden. Das ist nach unserer Auffassung zu einfach. Im übrigen wird diese These durch die ständige Wiederholung nicht richtiger. Durch solche Wiederholungen kann man doch bestenfalls eine psychologisch aufbereitete Atmosphäre schaffen wollen, durch die die Menschen veranlaßt werden sollen, das Unglaubhafte als glaubhaft anzusehen. Das ist eine alte Methode der politischen Beeinflussung, die allerdings nicht unserem Stil entspricht und die - ich glaube, auch darüber sollte Übereinstimmung bestehen - nicht unserer Auffassung von der politischen Auseinandersetzung unter Demokraten entspricht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz?

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön!

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Löffler, würden Sie mir einräumen, daß es richtig ist, daß allein von Juni bis Oktober 1971 die Warenlieferungen aus der EWG im Vergleich zum Vorjahr um 16,1 % gestiegen sind, während die Warenlieferungen aus den übrigen Ländern lediglich um 0,5% gestiegen sind? Und glauben Sie nicht, daß diese Dinge ursächlich auch mit den Paritätsveränderungen in der EWG zusammenhängen?

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Ritz, ich glaube es Ihnen; denn Sie haben hier wahrscheinlich statistisches Material zitiert. Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß Sie Ihre Stellungnahme soeben schon etwas abgeschwächt haben; Sie haben nämlich gesagt: Glauben Sie nicht, daß das auch auf die Paritätsveränderungen zurückzuführen ist? Das ist auch schon etwas anderes, als wenn man es allein auf die Paritätsveränderungen zurückführt. Den Anteil der Paritätsveränderungen kann man dabei tatsächlich untersuchen. Aber es gibt noch etwas anderes. Ich kann von hier oben zwar keine Fragen stellen, aber in diesem Zusammenhang darf man nicht ganz vergessen und verschweigen, welche anhaltende Erwerbsminderung auf die Landwirtschaft durch die Beschlüsse des Rates vom 15. Dezember 1964 über die Anpassung der Getreidepreise zugekommen ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Löffler, ich kann Ihnen leider nur in Form einer Frage antworten. Aber glauben Sie nicht auch, daß ein entscheidender Unterschied darin besteht, ob ich, um ein Gemeinschaftswerk zu inszenieren, einen gemeinsamen Preis schaffe, d. h. dadurch, daß die einen herunter- und die anderen heraufgehen, oder ob jetzt zu Lasten eines Partners ein Land durch Paritätsveränderung absinkt und das andere wieder heraufgeht? Glauben Sie nicht, daß hier ein entscheidender, fundamentaler Unterschied vorliegt?

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Unterschied, Herr Dr. Ritz, besteht darin - und er ist immer noch etwas gegeben -, daß wir auch heute noch dabei sind, ein gemeinschaftliches Werk zu schaffen, weil das ursprünglich gedachte gemeinschaftliche Werk unvollLöffler ständig war. Wir haben uns heute mit diesen Unvollständigkeiten herumzuschlagen. Wir sind immer noch bei der Schaffung dieses gemeinschaftlichen Werkes.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie noch eine Frage? Bitte, Herr Kollege!

Georg Ehnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000442, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Löffler, ist Ihnen entgangen, daß die deutsche Landwirtschaft 1965 um 10 Punkte über dem französischen Preisniveau lag und heute 21 Punkte darunter liegt? ({0}) Löffler ({1}); Herr Ehnes, ich kann in diesem Zusammenhang nicht darauf anworten. Im übrigen will ich jetzt auch keine Zwischenfragen mehr zulassen. Wir wollen diese Debatte nicht unnötig verlängern. Die beiden von mir genannten Gründe waren für die Veränderungen maßgeblich. Selbst die Strapazierung der Geschäftsordnung hat daran nichts ändern können. Ich darf mit Genugtuung feststellen, daß die Opposition der jetzigen Fassung des Antrags zustimmen will, wenn auch mit gewissen Bedenken. Die jetzige Fassung entspricht dem politischen Wollen der Regierungskoalition. Dieses Wollen haben die Regierungskoalition und die Regierung selbst mehrmals auf die einfache Formel gebracht: Die Regelung der währungspolitischen Fragen darf nicht auf dem Rükken der deutschen Landwirtschaft ausgetragen werden. Dadurch, daß sich die Opposition diesem Entschließungsantrag anschließt, entsteht eine einheitliche Haltung in diesem Parlament. Ich bin sicher, daß diese einheitliche Haltung unsere Position, insbesondere auch die der Bundesregierung in Brüssel, nachhaltig stärken wird. Ich glaube, mit einer solchen Dokumentation der Einheitlichkeit erreichen wir mehr als mit gelegentlichen oder dauernden Unkenrufen. Damit es zukünftig keine Unterstellungen hinsichtlich der Haltung der Bundesregierung in dieser Frage gibt, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, bei welchen Gelegenheiten die Bundesregierung ihre Haltung eindeutig festgelegt hat. Am 11. Mai erklärte Bundesminister Schiller in diesem Hause: Die währungspolitischen Maßnahmen vom 9. Mai 1971 werden nicht auf dem Rücken unserer Bauern ausgetragen. Der Bundeskanzler schloß sich in der gleichen Sitzung dieser Auffassung an. Sinngemäß hat Bundesminister Schiller seine Feststellung vom 11. Mai am Mittwoch dieser Woche vor diesem Hause wiederholt, als er sagte: Die Bundesregierung wird einer neuen Regelung nur dann zustimmen, wenn daraus keine Nachteile für die in der deutschen Landwirtschaft Tätigen entstehen. Schließlich hat Bundesminister Ertl bei mehreren Gelegenheiten die gleiche Auffassung vertreten, zuletzt auf der Wintertagung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft am 13. Januar 1972. Selbst der Vizepräsident der Europäischen Kommission, der in diesem Hause nicht gerade heißgeliebte Dr. Mansholt, hat am 22. Dezember erklärt, daß die Europäische Kommission in Brüssel ,dafür sorgen werde, daß die Einkommen der Landwirte in der Bundesrepublik nach den jüngsten währungspolitischen Maßnahmen, die in Washington beschlossen wurden, nicht zurückgehen. Ich glaube, auch diese Haltung des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission hat etwas mit unserer festen Haltung zu tun. Nehme ich den heutigen Entschließungsantrag hinzu, so sind wir dabei - ich möchte das mal etwas farbiger ausdrücken -, ein Bollwerk aufzurichten, das Einkommensminderungen von der Landwirtschaft fernhält. Wie das endgültig erreicht werden kann, läßt sich heute natürlich noch nicht sagen. Die Opposition möchte gern vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hier im Parlament ein klares Bekenntnis zu dem umfassenden. Grenzausgleichssystem hören. Der Bundesminister hat sich dahin gehend schon mehrfach geäußert. Nur hat es jetzt keinen Wert, daß wir hier in diesem Parlament sagen, so wollten wir es ganz bestimmt haben und anders würden wir es möglicherweise nicht akzeptieren, wenn wir doch genau wissen, daß wir diese Entscheidung nicht allein treffen können, Herr Dr. Ritz. Wenn Sie mal Schwierigkeiten mit dem EWG-Vertrag haben: bei mir im Büro gehört er mit zur Handbibliothek. Ich leihe ihn gern mal aus. ({2}) - Sehr gut, nur kann man das mitunter aus Ihren Worten nicht unbedingt entnehmen. Z. B. kann man das nicht entnehmen, wenn Sie sagen, es geht jetzt in der deutschen Landwirtschaft darum - und da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Dr. Ritz -, Europa auf ein glaubwürdiges Fundament zu stellen, damit auch die deutschen Landwirte einsehen, daß Europa auch für sie von Vorteil ist. Aber, Herr Dr. Ritz, der EWG-Vertrag ist nun einmal bis jetzt das Fundament. Außer den Beschlüssen von Den Haag gibt es da nichts Wesentliches. Darüber, wer den EWG-Vertrag abgeschlossen hat, brauchen wir hier nicht zu sprechen; das ist doch Geschichte. Es ist auch ein bißchen langweilig, wenn man diese Argumente ständig wiederholt. Wie gesagt, der Bundesminister hat sich mehrfach für das Grenzausgleichssystem ausgesprochen. Doch wir können darüber nicht allein entscheiden, es sind auch andere Lösungen möglich. Ich weiß nicht, Herr Dr. Ritz, ob man jetzt schon sagen soll, daß diese anderen Lösungen auf jeden Fall schlechter sein werden; sie müssen nicht schlechter sein. Wir wissen, welche Schwierigkeiten auf dem Weg dahin zu überwinden sind. Ich denke einmal nur an die amerikanischen Forderungen hinsichtlich des Exports von Agrargütern und an die amerikanischen Erwartungen hinsichtlich der Gestaltung der europäischen Agrarpreispolitik. Ich weiß, daß diese amerikanischen Forderungen den deutschen Bauern und auch uns einige Sorgen bereiten, wenn man das liest, was in den letzten Tagen und Wochen dazu geschrieben worden ist. Die Forderungen sind uns im großen und ganzen bekannt; ich brauche sie hier nicht zu erwähnen. Aber eines möchte ich sagen. Vieles, was in den letzten Tagen und Wochen geäußert worden ist, dient der Schaffung eines psychologischen Klimas für die Verhandlungen. Ich möchte damit ausdrücken, daß wahrscheinlich nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Obwohl es dafür noch keine Anzeichen gibt, bin ich sicher, daß in der nüchternen Atmosphäre am Verhandlungstisch die klare Aussage von Fakten und Daten mehr Gewicht haben wird als in den öffentlichen Geplänkeln, die der Stimmungsvorbereitung dienen. So kann denn die Europäische Kommission in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten u. a. darauf hinweisen, daß der Export der USA an Agrargütern in die EWG allein von 1969 bis 1970 um 22,8 % gestiegen ist. Für die Bundesrepublik allein ergibt sich eine Steigerungsrate von 31 %. Diese Entwicklung hielt auch im vergangenen Jahr an. Selbst das amerikanische Landwirtschaftsministerium hat in der letzten Zeit eine positive Prognose hinsichtlich der Agrarausfuhr in den kommenden Jahren bekanntgegeben. Ich glaube, das sind Fakten, die bei den Verhandlungen auch ihr Gewicht haben werden. Was den gelegentlich geäußerten amerikanischen Vorwurf des Agrarprotektionismus in Europa betrifft, möchte ich auf die Stellungnahme verweisen, die der britische Europaminister Rippon vor einigen Tagen in New Orleans abgegeben hat. Er hat dort sinngemäß erklärt, daß man sich diese Vorwürfe ersparen sollte, da jedes Land auf irgendeine Weise Agrarprotektionismus betriebe. Ich nehme an, mit baldigen Beschlüssen ist in Brüssel nicht zu rechnen. Noch haben die Verhandlungen nicht den Stand erreicht, der eine Zwischenbilanz und eine Prognose zuließe. In der Zwischenzeit sollten wir den Gang der Dinge dadurch beeinflussen, daß wir eine klare Haltung bekunden und weitgehend auf alle Spekulationen verzichten, die geeignet sind, Unruhe hier im Lande oder in Brüssel zu schaffen. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Ritz habe ich den Schluß gezogen, daß die Opposition auf dem Standpunkt steht: alles oder nichts. Ich bin der Auffassung, daß man, wenn man in der Regierung steht, so jedenfalls nicht Politik in Brüssel machen kann, vor allen Dingen dann nicht, wenn man in Brüssel nicht allein ist. Sie haben vorsichtshalber auch schon darauf hingewiesen, Herr Dr. Ritz, daß der Verlustausgleich, wie wir ihn jetzt haben, degressiv sei, daß er verquickt werde mit den Ausgaben zur Sozialpolitik. Ich bin der Meinung, wir sollten uns hier darauf einigen, diesen Tatbestand zum Wahlkampfthema 1973 zu machen. Da haben wir Zeit genug, uns über dieses Problem auseinanderzusetzen; denn erst danach wird es darauf ankommen, wie die jeweilige Regierung sich dazu stellt. Ich glaube, insofern sind wir uns einig. Ich bin der Meinung, daß man hier von der Opposition auch einmal zu den Tatsachen bekennen sollte, zu dem, wie sich die Agrarpolitik in positiver Richtung entwickelt. Zur Zeit sind Sie ja - landauf, landab - dabei, lediglich die Zahlen des ersten halben Jahres 1971 zu veröffentlichen. Daß dann die Besserung in den Preisen eintrat, das verschweigen Sie; die Länderagrarminister der CDU ließen im Blick auf das Wirtschaftsjahr 1970/71, als das erste halbe Jahr herum war, Hochrechnungen für das gesamte Jahr machen, weil sie wußten, daß dieses Jahr schlecht abschneiden werde. Ich rate Ihnen, Ihren Herren Kollegen in den Ländern zu empfehlen, die Hochrechnungen jetzt für das neue Wirtschaftsjahr zu machen. Mindestens eines ist hier sichtbar, nämlich daß die Dinge sich in bezug auf die Preise gewandelt haben. Ich glaube, das sollten Sie hier dankbar anerkennen. Nun sind Sie der Ansicht, daß man das alles in die Auffassung einbinden kann, daß nichts mehr passieren dürfe, bevor nicht die Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen ist. Das ist zu schön, um wahr zu sein. Der Weg dorthin wird noch hart sein. Ich glaube, hier sollten wir vor Illusionen, die man draußen, insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich, hat, warnen. Ich bin der festen Überzeugung, daß bis dahin noch einiges passieren wird und daß man erhebliche Anstrengungen machen muß - ob in bezug auf Grenzausgleich oder in bezug auf andere Lösungen , um der deutschen Landwirtschaft zu helfen. Die klare, unmißverständliche Haltung in bezug auf den Grenzausgleich haben wir uns nicht deswegen beigelegt, und die hat sich der Herr Minister in dieser Regierung nicht deshalb beigelegt, weil die Opposition das will, sondern weil auch wir glauben, daß das die beste Lösung ist. Sie wird angestrebt. Ob sie gehalten werden kann oder ob nicht auch andere Lösungen in Erwägung gezogen werden müssen, das ist hier die Frage. Insofern ist auch die Änderung Ihres Antrags im Ausschuß durchaus gerechtfertigt. Selbst wenn man Ihnen zugesteht, daß die Opposition hier eine andere Auffassung vertritt und zunächst einmal glaubt, ihren Standpunkt zum Durchbruch bringen zu können, sind wir der Auffassung, daß wir mit diesem Antrag, so wie er vom Ernährungsausschuß formuliert worden ist, der Regierung raten sollten, hier entsprechende Härte zu beweisen und für den Fall, daß die Dinge anders laufen, andere Wege in Erwägung zu ziehen und andere Lösungen in die Überlegungen einzubeziehen. Nun haben Sie sich ja selbst hier gewissermaßen dafür entschuldigt, Herr Dr. Ritz, daß das, was Sie im letzten Jahr von dieser Stelle aus gefordert haben, etwa so geklungen haben könnte, also ob Sie eine Renationalisierung der deutschen Agrarpolitik gewollt hätten. Das bestreiten Sie. Aber wenn ich mir das alles vergegenwärtige, was im letzten Jahr an Anträgen hier gelaufen ist genau vor einem Jahr, nicht wahr -, dann muß ich mir tatsächlich überlegen, ob es nicht Kollegen in Ihren Reihen gegeben hat, die mit diesem Gedanken gespielt haben. Das ist so weit gegangen, daß man sich draußen in der Praxis bei den Landwirten für die Entscheidung des Jahres 1957 für die EWG entschuldigt hat. Man hat geglaubt der Landwirtschaft sagen zu müssen, daß nun eigentlich der Zeitpunkt gekommen sei, nun alles wieder restlos anders zu machen, obgleich andere Kollegen Ihrer Fraktion hier darauf hingewiesen haben, daß dieses Europa geschaffen werden muß und daß wir nicht umhin können, dieses Europa gemeinsam zu schaffen. Hier sehe ich eine gewisse Diskrepanz. Nicht zuletzt auch das Interview Ihres Kollegen August Lücker, das er im Sommer letzten Jahres der Landwirtschaftszeitung gegeben hat, sollte eine Lektion für Sie und für alle diejenigen sein, die glauben, daß man EWG-Politik treiben und dieses größere Europa schaffen kann und dabei von vornherein keinerlei Schwierigkeiten hat. Ich empfehle Ihnen, dieses Interview nachzulesen. Ich habe es getan. Ich verzichte auf Grund der knappen Zeit darauf, es hier vorzutragen. Herr Dr. Ritz, ich darf Sie daran erinnern, daß wir von der FDP es stets gewesen sind, die konsequent die Auffassung vertreten haben, daß für die Landwirtschaft der Markt entscheidend ist, und zwar nicht nur bei uns, sondern in allen europäischen Staaten. ({0}) - Sie müssen aber dazu sagen, Herr Dr. Ritz, daß der Markt in der EWG über Jahre hinweg überfordert war und gerade im letzten .Jahr durch die überhöhte Schweineproduktion in Teilen der EWG noch mehr überfordert wurde. Das hat mit dazu beigetragen, daß wir - wir geben das auch offen zu - in eine schwierige Situation kamen; denn der Markt ist eine Einheit. ({1}) - Herr Kollege Klinker, ich nehme an, daß Sie das bestätigen, was ich sage. Wir wollen hier nicht über andere Dinge aus dem Agrarbereich diskutieren, sonst müßte ich einiges zur CEMA sagen. ({2}) - Sicher! Darüber darf man doch laut reden, auch wenn Sie in den Reihen des Bauernverbandes so tun, als ob man das alles verheimlichen müßte. Ich will aber hier auf eine ganz gewichtige Sache zu sprechen kommen, und zwar auf das, was Ihr Herr Kollege Dr. Müller-Hermann, der Sprecher in wirtschaftspolitischen Fragen, zur Schaffung einer westlichen Freihandelszone gesagt hat. Ich habe das in „Agrar-Europe" nachgelesen und muß dabei feststellen: wenn das richtig sein soll, was Sie, Herr Dr. Ritz, und die Agrarpolitiker der CDU hier sagen, kann es nicht möglich sein, daß sich Herr Dr. Müller-Hermann vorher mit Ihnen über das Konzept einer weltweiten Freihandelszone abgesprochen hat; er mußte sich doch über die Konsequenzen einer solchen weltweiten Freihandelszone, in die Amerika ohne weiteres einbezogen werden kann, klarwerden. Man kann nicht davon sprechen, der Markt könne die Dinge von selbst regeln, wenn man weiß, daß es auf der anderen Seite bei den Amerikanern große, direkte Einkommensübertragungen gibt. Wir sind in Europa einen ganz anderen Weg gegangen. Glauben Sie doch ja nicht ({3}) Da können Sie abwinken oder nicht abwinken, das ist eine Tatsache. ({4}) - Ich habe alles gelesen. Wenn ich das lese, Herr Dr. Ritz, und dem gegenüberstelle, wie hart Herr Eberle in Brüssel pokert, kann ich das nicht auf einen Nenner bringen, dann muß ich die Politik mehr vom Gefühl her betreiben, wie es die Opposition zur Zeit tut. ({5}) - Ja, sicher! - Von den Realitäten her ist das zur Zeit nicht gegeben. Eines steht doch fest, meine Herren von der Opposition, dieses Europa muß geschaffen werden, ob wir es wollen oder nicht. Dieser Vorgang ist von der Tatsache gekennzeichnet, daß einerseits die Russen diesem Europa mißtrauen. Das lese ich jeden Tag in der Zeitung, auch heute morgen wieder. Ich frage Sie aber: Lieben andererseits die Amerikaner dieses Europa? ({6}) Ich frage Sie; die Antwort will ich von Ihnen gar nicht haben. Zwischen diesen beiden Polen muß sich Europa entwickeln. ({7}) Alles in allem: Sie dürfen versichert sein, daß gerade von dieser Regierung zum erstenmal in Brüssel eine Bresche geschlagen wurde, überhaupt auf dem Gebiet der Preise etwas zu erreichen, denn ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: die Entscheidungen vom 3. Dezember 1964 haben ihre Auswirkungen gehabt. ({8}) Wie war es denn: Selbst der Präsident des Bauernverbandes von Südwürttemberg, Herr Bauknecht, hat seinen Bauern gesagt, das sei das Opfer, das man für die EWG bringen müsse. Das Opfer hat allerdings lange angehalten. Erst diese Regierung muß versuchen, aus diesem Opfergang herauszukommen! ({9}) Sie dürfen versichert sein, daß wir mit unserem Bundeslandwirtschaftsminister Ertl alles tun werden, das Menschenmögliche zu erreichen. ({10})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Bundesminister Ertl.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in einem Punkt hat der Kollege Gallus recht. ({0}) - Ja, wissen Sie, verehrter Herr Kollege Ritz, Sie haben in diesem Hause eines uns allen voraus: Sie wissen zu allen Zeiten alles besser und haben immer recht! ({1}) Das ist das einzige, was Sie uns hier voraushaben. Unter diesen Aspekten betrachte ich auch Ihren jetzigen Zwischenruf. Aber ich wollte Ihnen nur sagen, ich habe für vieles Verständnis, ich war ja auch einmal in der Opposition. Sicherlich stellt es sich für die Opposition etwas anders dar als aus der Verantwortung heraus. Das ist sogar im demokratischen Sinne. Die Opposition hat auch das gute Recht, mehr zu fordern, als vielleicht politisch durchsetzbar ist. Auch das muß alles eingerechnet werden. Nur eines darf eine Regierung und eine Fraktion, wenn sie glaubwürdig sein und bleiben will, nicht machen, vor allem, wenn sie so lange Verantwortung getragen hat wie Ihre Fraktion, Herr Kollege Ritz, insbesondere in der Agrarpolitik, nämlich so tun, als ob sie in dieser Frage nie Verantwortung getragen und nicht folgenwirksame Beschlüsse gefaßt hätte. Ich möchte jetzt, Herr Kollege, nur einmal zitieren, wie im Jahre 1969 Ihre Partei durch den verantwortlichen Minister beispielsweise einen Teilaspekt gesehen hat. Das will ich hier einmal sagen, damit Sie sehen, in welche Verantwortung ich einsteigen mußte. Ich kann das heute vollauf unterstreichen; nur würde ich Sie bitten, auch das heute noch zu glauben, was Sie damals verkündet haben! Wenn die Frau Präsidentin gestattet, werde ich einige Sätze zitieren: Frankreich, ohne dessen Beteiligung eine Europäische Gemeinschaft unvorstellbar ist, hat bei der Formulierung des EWG-Vertrages die Einbeziehung des Agrarsektors zu einer absoluten Voraussetzung seiner Zustimmung gemacht. Warum? Den Franzosen, die über nahezu 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Gemeinschaft verfügen, war an einem handfesten ökonomischen Gegengewicht gegenüber den zu erwartenden Integrationsvorteilen für die deutsche gewerbliche Wirtschaft gelegen. Ähnliches gilt für die Niederlande, ein traditionelles Agrarexportland. Ich kann nur sagen, dieser Satz gilt unverändert. Ich kann das, was mein Amtsvorgänger, Ihr Minister Höcherl, damals gesagt hat, aus meiner Sicht heute nur voll unterstreichen, selbst dann, wenn ich Ihnen sagen muß, daß ich manche Regelung nicht so getroffen hätte, wie sie getroffen wurde. Aber ich sage das nicht mit Vorwurf, sondern ich sage das nur als Feststellung, damit dies die Geschäftsbasis unserer weiteren Diskussion bleibt, denn ich möchte einmal einen Schlußstrich haben. Ich will Ihnen ganz offen sagen: Da hat der Kollege Gallus - das ist ein weiterer Punkt auch recht, daß man, wenn man Ihre Äußerungen liest und hört, meint, der EWG-Vertrag sei von dieser Regierung konzipiert und unterschrieben worden, die EWG-Agrarpolitik sei von dieser Regierung in allen Phasen gestaltet worden! Nein, hier betreiben wir Kontinuität, und zwar aus Verantwortung für Europa, aber auch aus Verantwortung gegenüber den deutschen Landwirten. ({2}) Nun, Herr Kollege Ritz, wir werden sicherlich bei Gelegenheit noch Anlaß haben, über den einen oder anderen Punkt im Detail zu reden. Ich will nur einige Probleme anschneiden und Ihre Zeit nicht strapazieren. Auch das will ich gleich sagen. Hier wurde gesagt: der degressive Teil, der für soziale, strukturelle Zwecke verwandt wird, sei sozusagen auch noch eine Folgeleistung der Aufwertung; die Regierung solle dann jedenfalls nicht von zusätzlichen sozialen Leistungen reden. ({3}) - Ich will das erklären. Sie wissen ja, daß Oberfranken zu Bayern gehört und daß dort das Heimatland von Adam Riese ist. Wenn Sie die mittelfristige Finanzplanung betrachten, werden Sie feststellen, daß die Sozialleistungen, die bereits jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung für die Landwirtschaft festgelegt sind, bis zum Jahre 1975 einen Zuwachs um 2 Milliarden DM aufweisen. Der degressive Teil des Aufwertungsausgleichs aber beträgt 200 Millionen DM. Das ist die Relation 1 : 10. Ich glaube, diese Relation kann sich sehen lassen im Hinblick auf das, was ich als mittelfristige Finanzplanung übernomnommen hatte. Ich wollte das nur sagen, um die Relation aufzuzeigen, und ich wollte von vornherein, damit nicht auch in dieser Frage Mißverständnisse entstehen, diese Handlungsfähigkeit und Handlungsart der Bundesregierung darstellen. Ich möchte auch Ihren Beitrag, Herr Kollege Ritz, als einen durchaus unterstützenden Beitrag auffassen und mich deshalb bei Ihnen bedanken. Aber lassen Sie mich hier nur ganz sachlich feststellen: Nach allen statistischen Unterlagen ist der Marktanteil der deutschen Landwirtschaft am Nahrungsmittelverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland 1970/71 gegenüber 1969/70 nicht zurückgegangen. Von einer eklatanten Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse kann also unter diesen Aspekten sicherlich nicht gesprochen werden. Ich will Ihnen zur Information weitere Relationen nennen. Zunächst die Einfuhr von Agrarerzeugnissen aus EWG-Ländern in die BRD. Sie haben richtig gesagt: erstes Halbjahr 1971 gegenüber erstem Halbjahr 1970 plus 15%. Ich will Ihnen aber auch die Zahl für die Ausfuhr deutscher Agrarprodukte in EWG-Länder nennen. Wenn Ihre Behauptung richtig wäre, müßte diese Ausfuhr stark gesunken sein, weil wir ja große Wettbewerbsunterschiede haben. Die Ausfuhr ist aber um 19% gestiegen. Ich muß mit der Nennung solcher Zahlen sogar ein klein wenig vorsichtig sein, weil das, was ich in bezug auf die Erhaltung des Grenzausgleichs in Brüssel gesagt habe, daß nämlich der Warenverkehr nicht tangiert worden ist, sonst möglicherweise dort in Zweifel gezogen wird. Ich wollte diese Zahlen nur einmal einander gegenüberstellen, damit Sie sehen, daß Ihre Behauptung zumindest von den Zahlen her nicht so im Raum stehenbleiben kann. Dabei gebe ich zu, daß es je nach Produkt durchaus unterschiedliche Warenströme und auch Auswirkungen geben kann. - Herr Kollege Bewerunge!

Karl Bewerunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich wollte dieses Thema nicht noch einmal behandelt wissen. Sind Sie aber, wenn wir die derzeitige Situation betrachten, nicht mit mir der Auffassung, daß die Tatsachen der Überproduktion an Schweinen in Holland, des Bedarfs in Frankreich, der Lieferung aber in die Bundesrepublik etwas aussagen über Währungsänderungen? Es ist also doch für den Holländer interessanter, in die Bundesrepublik zu liefern; der Rest aus deutscher Produktion muß dann nach Frankreich. Ich glaube, so muß man das sehen. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, hier eine Lösung zu finden.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Bewerunge, ich gehe diesem Problem sehr gründlich nach und versuche, das auszuloten. Sie kommen da auf einen Punkt, den ich mir in der Diskussion aufgeschrieben habe. Ich habe mir beispielsweise aufgeschrieben: „Schweine, Kartoffeln", um zwei ganz bedeutende Produktionszweige herauszuholen. In der Tat wird in den Niederlanden für Schweine ein niedrigerer Preis bezahlt als in Deutschland. Das ist ein Faktum. Nachdem es aber in der EWG ich glaube, das ist unter uns unbestritten - keine Grenzen gibt, geht eben das Produkt mit dem niedrigeren Preis an den Ort und den Markt mit dem höheren Preis. Das ist ein Faktum, das einfach nicht vom Tisch zu wischen ist. Sie können in diesen Tagen die von meinem Ministerium veröffentlichten Zahlen für den Import von Kartoffeln lesen. Wir haben in diesem Jahr einen geringeren Import von Kartoffeln als im Vorjahr. Aber die Preise in den Niederlanden und in Frankreich sind so exorbitant niedrig, daß die Kartoffelproduktion in den Grenzregionen zwangsläufig nach Deutschland abfließt - wegen der auf diesem Markt höheren Preise. Aber das spricht doch nicht dafür, daß die Währungsveränderungen diese Situation hervorrufen, sondern man muß sich fragen: Wie können die Niederländer überhaupt so billig produzieren? Sicherlich spielt die Hafennähe eine Rolle. Sicherlich spielt auch die Marktorganisation eine Rolle. Ich will Ihnen sogar noch mehr sagen. Diese Regierung hat es auch geschafft, daß es heute über die Grenzen hinweg eine Absprache zwischen den Geflügelerzeugern gibt. Wir führen ähnliche Gespräche mit den Schweineerzeugern. Entscheidend ist, daß solche Gespräche nicht ohne Erfolg sind. Das beweist die Konsolidierung des Eiermarktes. Wenn ich Ihrer Theorie, Herr Dr. Ritz, folgte, müßten wir auf dem Eiermarkt ständige Preisrückgänge haben. Das Gegenteil ist der Fall. Seitdem sich die Produktion in Deutschland und den Niederlanden den Marktverhältnissen mehr angepaßt hat, haben wir seit einem halben Jahr einen Preisanstieg von durchschnittlich 22 %. Sicherlich, es wird darauf ankommen, Herr Kollege Dr. Ritz, wie nun der Erzeuger in seiner Einstellung mit der weiteren Legehennenhaltung reagiert. Wenn er auf Grund dieser guten, neuen Preise die Produktion ausweitet, werden wir das Dilemma von neuem haben. Das ist doch das Problem auf allen Seiten. Das ist auch das Problem bei der Scheineproduktion. Machen wir uns nichts vor! Wenn es nicht gelingt, langfristig eine sinnvolle, marktkonforme Produktion zu gestalten - man muß sich Gedanken machen, wie das bei den Produzenten nicht allein in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und Belgien möglich ist -, werden wir möglicherweise das, was wir in den letzten Jahren bei der Eierproduktion erlebt haben, jedes Jahr oder alle zwei Jahre bei der Schweineproduktion erleben. Zu sagen, das sei alles aufwertungsbedingt, ist pauschal und zumindest in dieser Form nicht zu halten; und es entspricht nicht den Tatsachen. Ich will noch eine Bemerkung zum Grenzausgleich machen. Ich will mich sehr zurückhaltend äußern; denn ich habe Ihnen gegenüber in dieser Frage sicherlich keine leichte Position. Herr Kollege Gallus hat auch noch in einem dritten Punkt und sogar in mehreren Punkten recht; ich komme noch darauf zurück. Herr Kollege Dr. Ritz, auch das gehört zur Glaubwürdigkeit: Eine Fraktion sollte sicherlich eine gewisse Spannweite haben, die in Ihrer Fraktion noch viel, viel größer ist als in unserer. Man kann durchaus verschiedene Ansichten haben, nur darf man in den Parlamenten nicht mit verschiedenen Zungen reden. Ich darf mich im Europäischen Parlament nicht anders darstellen als in diesem Haus. Das muß innerhalb der Fraktion konform gehen. Man kann im Europäischen Parlament nicht Erklärungen abgeben, die in diesem Hause möglicherweise ganz anders lauten. Zur Beurteilung der Problematik auf diesem Gebiet haben Sie, verehrter Herr Kollege Ritz, bessere Fachleute, als ich es vielleicht sogar selbst bin. Sie brauchen nur mit Ihrem Kollegen Lücker zu reden. Sie brauchen nur mit dem Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Herrn Narjes, reden. Sie werden Ihnen genau Auskunft geben können. Dann werden Sie sehen, daß die Position, die Sie hier vertreten haben, zumindest von unseren Partnern schlichtweg unisono nicht akzeptiert wird. Sie legen doch so großen Wert darauf, in die Verantwortung zu kommen. Sie werden eines Tages auch daran gemessen werden. Sie wollen Europa weiterbauen. Da muß ich Sie wirklich fragen: Meinen Sie, daß Sie dabei auf die Dauer glaubwürdig sein können? Ich will ein weiteres hinzufügen, verehrter Herr Kollege Ritz, das Sie auch berücksichtigen müssen. Ich bin nicht glücklich über die Preisentwicklung, die sich in Europa in den letzten Jahren vollzogen hat. Das brauche ich hier nicht zu betonen. Ich bin auch nicht unbedingt sehr stolz darauf, was im letzten Jahr geschehen ist; aber es war wenigstens ein Schritt nach vorn, wenn es auch ein kleiner Schritt war. Ich bin nicht so überheblich zu sagen, das sei alles eine großartige Leistung. Aber wenn man schon über Preise redet, muß man auch die Kosten berücksichtigen. Auch das spielt bei der Aufwertung eine Rolle. Sie werden sich wundern. Die Kosten sind beispielsweise in Frankreich viel höher, viel rascher gestiegen als z. B. in der Bundesrepublik. Wenn Sie 1966 mit der Basis 100 nehmen, kommen Sie in der Bundesrepublik auf einen Kostenindex von 114 und in Frankreich von 123,1. Ich sage das alles nur zur Relativierung, damit sich unser Gespräch an Tatsachen orientiert. Ich weiß, daß sich 9456 Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode Bundesminister Ertl dieses Haus aus ehrlicher Sorge um die Landwirtschaft bemüht. Das teile ich vollauf, und das würdige ich auch. Aber ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie schwierig diese Dinge politisch für uns sind. Es ist eben nur möglich, eine Lösung zu finden, die letzten Endes von allen Partnern getragen wird -einschließlich der Kommission - und die die Möglichkeit schafft, daß unsere Landwirtschaft in diesem Rahmen auch für die Zukunft eine echte Lebenschance hat. Aus diesem Grunde muß ich auch meinen Herrn Staatssekretär in Schutz nehmen. ({0}) Er ist gefragt worden, ob es andere Lösungen gebe. Natürlich gäbe es andere Lösungen. Es gibt die Lösung des Grenzausgleichs, wobei ich Ihnen gleich sage, was Sie sich wiederum von Herrn Narjes bestätigen lassen können, der die Problematik aus seiner Mitwirkung in der Kommission besser als ich kennt: unsere Partner werden über den Grenzausgleich nur bei Produkten, die durch EWG-Marktordnungen geregelt sind und deren Preise durch Interventions-, Orientierungspreise oder ähnliches festgelegt sind, mit sich handeln lassen. Das ist auch die Rechtsbasis, es gibt keine andere Rechtsbasis. Verehrter Herr Kollege Dr. Ritz, der Bauernverband kann sagen: mich stört das gar nicht. Dem nehme ich das ,gar nicht übel. Eine politische Partei aber, die diese Entwicklung maßgeblich mit getragen hat, muß doch mindestens auf dieser Rechtsbasis stehenbleiben, sonst verliert sie ihre Glaubwürdigkeit. ({1}) Das nehme ich Ihnen wirklich übel, ohne Ihnen böse zu sein. Das müssen Sie doch nicht aus der politischen Optik heraus sehen. Herr Kollege Ritz, ich will Ihnen ganz offen sagen: wenn Sie glaubten, in dieser Form politisch Stimmen zu gewinnen, dann würden Sie sogar, wenn Sie an die Regierung kommen, die letzte Glaubwürdigkeit Ihrer Regierung aufs Spiel setzen, weil Sie nämlich morgen sofort sagen müßten: Ich muß genauso reden wie Ertl hier heute. Das ist das Problem, gerade in einer so starken Opposition, die Sie verkörpern. Das müssen Sie einmal ganz klar sehen und berücksichtigen. ({2}) Das heißt, daß ich nur im Bereich der gegebenen Marktordnungen und der dort gegebenen Rechtslage verhandeln kann. Da gibt es den Grenzausgleich eben nur für einen Teil der in den Marktordnungen verankerten Produkte und Marktmechanismen. Noch ein letztes Wort dazu. Sicherlich - ich habe das in dieser Woche schon betont - stehen wir alle vor der Erkenntnis, daß, wie man so schön auf Neudeutsch sagt, der Timelack zwischen dem Gemeinsamen Agrarmarkt und der Wirtschafts- und Währungsunion fast ein unendlicher geworden ist. Das ist das Problem, das politisch zu lösen ist. Aber dieses Problem ist doch nur zu lösen, indem wir versuchen, entweder den Schritt nach vorn zu machen oder gegebenenfalls zu sagen, dieser Schritt nach vorn ist nicht möglich. Aber angesichts dieser Woche, wo morgen wieder Unterschriften von vier neuen Staaten kommen und dieses Europa wirklich wächst, kann man doch mit gutem Grund sagen, jetzt muß man noch mit der uns zur Verfügung stehenden Energie nach vorne streben. Dazu bedarf es wiederum der Feststellung - ich sage das nicht zu meiner Freude, sondern ich sage das hier in Verantwortung vor der deutschen Öffentlichkeit -, daß wir es uns nicht leisten können, in dieser Situation zu einer großen Kluft zwischen Deutschland und Frankreich zu kommen. Das Agrarproblem könnte ein solcher Punkt sein, wo es zu einer Kluft kommen würde. Das ist der ganz schmale Spielraum, der mir zu Verfügung steht, den wir gemeinsam auszufüllen haben und den, wie ich weiß, auch Sie so kennen und wobei Sie bemüht sind, der Regierung zu helfen. Aber um so mehr meine ich, weil die Lage der deutschen Landwirtschaft wirklich sehr ernst ist: wir alle haben gemeinsam nichts davon, wenn wir in dieser Phase in allen Fragen Hoffnungen erwecken, die wir einfach nicht erfüllen können, zumindest im Augenblick nicht und auch nicht in absehbarer Zeit. Zum Schluß betone ich auch das noch einmal: für mich ist die EWG-Agrarpolitik in ihrer Gesamtkonzeption keine heilige Kuh; das wird sie auch nicht werden. Aber ich werde mich immer bemühen, im Dialog mit unseren Partnern und der Kommission Lösungen zu finden, weil ich dazu im Interesse Deutschlands, unserer Landwirtschaft und der Sicherheit Europas verpflichtet bin. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU in der Fassung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe jetzt Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache VI/3016 Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Engelsberger soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anslage abgedruckt. Ich rufe die Frage 93 des Herrn Abgeordneten Walkhoff auf: Welche Funktion haben sogenannte Endverbleibsklauseln bei der Lieferung von Kriegsmaterial an Portugal? Bitte schön, Herr Staatssekretär! Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Die 1965 vereinbarte Endverbleibsklausel hat den Zweck, die VerParlamentarischer Staatssekretär Moersch wendung deutscher Rüstungsgüter in den portugiesischen Überseegebieten, in denen 1963/64 Unruhen ausgebrochen waren, zu verhindern.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Walkhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002414, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die Endverbleibsklausel als Sicherheit gegen Mißbrauch ausreicht, oder müßte man an Stelle der Endverbleibsklausel eine Erklärung der portugiesischen Regierung verlangen, daß sie das gelieferte Material nicht in den Überseeprovinzen einsetzt? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Her r Abgeordneter, wir sind damals davon ausgegangen, daß diese Klausel nur so verstanden werden kann. Es gab, wie Sie wissen, in der Vergangenheit Anlaß, in dieser Angelegenheit sozusagen neue Fragen zu stellen. Das ist geschehen. Wir haben uns dementsprechend verhalten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Walkhoff auf: Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Lieferung von militärischer Ausrüstung an Portugal fortsetzt, obwohl laut Angaben der portugiesischen Presse entgegen den von der Bundesregierung veröffentlichten Endverbleibsklauseln Waffen und Ausrüstung in den Kolonialkriegen eingesetzt werden? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, die Antwort lautet nein. Ältere Lieferverpflichtungen sind vor längerer Zeit ausgelaufen. Neue Lieferverpflichtungen für Kriegswaffen sind danach nicht mehr eingegangen worden und gegenwärtig auch nicht beabsichtigt. Wie bereits in der Fragestunde am 10. Dezember 1971 von mir mitgeteilt, stehen wir mit der portugiesischen Regierung in einem Gespräch, um eine Endverbleibsklausel zu vereinbaren, die jede Art von anderweitiger Verwendung deutschen Rüstungsmaterials als im geographischen NATO-Bereich klar ausschließt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Karl Heinz Walkhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002414, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann ich nach Ihrer Antwort davon ausgehen, daß die Meldungen der Lissaboner Presse vom 8. Mai und vom 29. Juni falsch sind, in denen u. a. auch gesagt wird, daß in den Kolonialgebieten bundesdeutsche Düsenjäger stationiert werden, und angesichts deren man fragen muß, ob das nicht eine Bedrohung für Tansania und Sambia ist? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, ich bin nicht in der Lage, Meldungen vom 8. Mai und 29. Juni letzten Jahres, die Sie mir jetzt nennen, hier in der Fragestunde auf ihren tatsächlichen Gehalt hin zu prüfen. Es sind aber früher, wie Sie wissen, sehr wohl Transportflugzeuge aus deutschen Beständen - also keine Kriegswaffen im eigentlichen Sinn , die offensichtlich Soldaten befördert haben, in diesen Gebieten gewesen. Das haben wir zum Anlaß genommen - und dazu habe ich in der Fragestunde Stellung genommen -, die Verschärfung dieser Klausel mit der portugiesischen Seite zu besprechen. Ich habe Ihnen eben dargelegt, daß wir, als wir auf diese Dinge hingewiesen worden sind, auch keine weiteren Lieferungen mehr vorgenommen haben. ({0}) - Ich glaube, daß es sich um denselben Tatbestand handelt, zu dem ich am 10. Dezember hier schon Stellung genommen habe. Ich bitte um Entschuldigung, daß mich mein Gedächtnis hier etwas im Stich gelassen hat.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf: Welche Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung aus der Entschließung V. der 59. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union ({0}) zu ziehen, in der diese alle Staaten ersucht, „der Bevölkerung der unter Kolonialherrschaft stehenden Gebiete ihre materielle und moralische Unterstützung zuteil werden zu lassen, damit sie ihre Kämpfe um die Wiederherstellung ihrer unveräußerlichen Rechte fortsetzen können"? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: In Beantwortung Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, möchte ich aus der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zitieren. Dort heißt es: Die Bundesregierung lehnt jede Form von Diskriminierung, Unterdrückung und fremder Beherrschung ab, die das friedliche Zusammenleben der Völker auch in unseren Tagen immer von neuem gefährdet. Die Bundesregierung hat sich wiederholt zu den Grundsätzen der VN-Charta, zu den allgemeinen Menschenrechten und zum Selbstbestimmungsrecht der Völker bekannt. Sie wird auch in Zukunft für die friedliche Verwirklichung dieser Grundsätze eintreten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche materiellen Konsequenzen hat diese Bestätigung allgemeiner, durchaus lobenswerter Grundsätze zum Beispiel? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, z. B. die Gewährung humanitärer Hilfe, die wir in Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen leisten, und Beiträge zum Erziehungs- und Ausbildungsfonds der Vereinten Nationen für Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika. Wir tragen hierzu in der Praxis in der Tat bei.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, diese Hilfe in Zukunft zu verstärken? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, wir sind zu jedem Gespräch bereit. Ein solches Gespräch ist von internationalen Organisationen gerade aufgenommen worden. Im Augenblick tagt der Haushaltsausschuß, der sich mit solchen Titeln befaßt. Die Souveränität des Hohen Hauses ist hier in vollem Umfang gewahrt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Frage 96 soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 97 des Abgeordneten Dr. Marx ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal, die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage 98 wurde bereits beim Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär von Manger-Koenig anwesend. Ich rufe Frage 51 des Herrn Abgeordneten Peters ({1}) auf: Sind der Bundesregierung die Ende des vergangenen Jahres veröffentlichten Berichte über die erheblich mißbräuchliche Anwendung von östrogenen Substanzen bei der Mast von Tieren in Südoldenburg bekannt, und was gedenkt die Bundesregierung noch vor der Verabschiedung der Novellierung des Arzneimittel-, Futtermittel- und Lebensmittelrechts zu unternehmen? Bitte, Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, mir ist bekannt, daß bei der Mast von Tieren in dem von Ihnen genannten Raum mißbräuchlich Stoffe mit östrogener Wirkung zur Mast verwendet worden sind. Die Anwendung von Stoffen mit östrogener Wirkung zur Mast verstößt bereits nach geltendem Recht gegen die Vorschrift des § 4 b Nr. 2 des Lebensmittelgesetzes. Die für den Vollzug der gesetzlichen Vorschriften zuständigen Landesbehörden haben daher in den bekanntgewordenen Fällen die erforderlichen Maßnahmen ergriffen und das Material den Staatsanwaltschaften zur Einleitung der Strafverfolgung zugeleitet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 52 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) auf: Wird die Bundesregierung eine generelle Fleischuntersuchung auf Restsubstanzen von Wirkstoffen in Ausweitung der gesetzlichen Fleischbeschau vorsehen? Bitte, Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist beabsichtigt, in den nächsten Monaten durch Änderung der fleischbeschaurechtlichen Vorschriften eine stichprobenweise Untersuchung des Fleisches auf Restsubstanzen von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung vorzuschreiben. Das Bundesgesundheitsamt hat die Arbeiten zur Standardisierung des Hemmstofftests, mit dem vor allem Rückstände von Antibiotika nachgewiesen werden können, abgeschlossen. An einem Test zur Feststellung östrogener Substanzen im Fleisch wird noch gearbeitet. Eine fleischbeschaurechtliche Regelung dieser Materie hat den großen Vorteil, daß Fleisch mit bedenklichen Rückständen bereits vor dem Inverkehrbringen erfaßt werden kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wird man diese Überprüfung hauptsächlich bei Fleisch aus Massentierhaltungen vornehmen, wo bisher jedenfalls die größten Verstöße stattgefunden haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist mit dem System der Stichproben durchaus vereinbar, daß Stichproben gezielt entnommen werden, wenn bekannt ist, daß etwa bei bestimmten Formen der Tierhaltung die Möglichkeiten der Verwendung solcher Substanzen besonders gegeben sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zweite Zusatzfrage.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für angebracht, den Sachverhalt zu überprüfen, daß Tierärzte mit solchen östrogenen Stoffen im Großen handeln?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundesregierung ist bekannt, daß die für die Berufsüberwachung zuständigen Tierärztekammer in allen Fällen, in denen solche mißbräuchliche Rezeptausstellung bekanntgeworden ist, eingegriffen haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in welchem Maße ist der Genuß solchen mit Östrogen behandelten Fleisches gesundheitsschädlich?

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist bekannt, daß Rückstände von Antibiotika beim Genuß möglicherweise zur Allergisierung der Konsumenten führen und daß diese bei einer späteren Anwendung von Antibiotika aus therapeutischen Gründen mit Sensibilisierungserscheinungen antworten.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gibt es außer den von Ihnen genannten noch andere gesundheitliche Schäden?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt - dazu hat sich ja der Bundesgesundheitsrat vor einiger Zeit sehr konkret geäußert - auch die Möglichkeit, daß durch Restsubstanzen mit östrogener Wirkung oder durch Restsubstanzen von schilddrüsenhormonartigen Präparaten auch Wirkungen auf den Patienten eintreten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist sichergestellt, daß, wenn solches Fleisch aus dem Verkehr gezogen wird, nicht der arme Fleischermeister, sondern der Hersteller oder der Importeur die finanziellen Konsequenzen zu tragen hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich gehe davon aus, daß es sich dann um zivilrechtliche Fragen handelt, die zwischen den Beteiligten entschieden werden müssen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. - Es tut mir leid. Es gibt immer nur eine Zusatzfrage. Herr Frehsee hat sich selbst das Wort erteilt. Sie tun es nicht. Ich rufe die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Kann die Bundesregierung Meldungen bestätigen, wonach es in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber 4584 Chirurgen nur 674 ausgebildete Anästhesisten gibt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die von Ihnen genannten Zahlen können nicht bestätigt werden. Nach der amtlichen Statistik des Statistischen Bundesamts waren am 31. Dezember 1970 im Bundesgebiet einschließlich Berlin ({0}) 5328 Fachärzte für Chirurgie und 892 Fachärzte für Anästhesie berufstätig.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Obwohl sich das Verhältnis inzwischen offenbar gebessert hat und meine Zahlen älteren Datums sind, möchte ich Sie fragen, ob Sie in diesem Verhältnis von Chirurgen zu Anästhesisten nicht dennoch ein Mißverhältnis sehen.

Not found (Staatssekretär:in)

Sie kommen damit schon zu Ihrer zweiten Frage. Vielleicht darf ich sie im Sachzusammenhang beantworten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gut! Zur ersten Frage aber jetzt noch eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie beurteilen und Auskunft darüber geben, wie groß überhaupt der Fehlbestand an Chirurgen in der Bundesrepublik ist?

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Herr Abgeordneter, wir glauben, daß die Besetzung mit Chirurgen zur Zeit noch durchaus den Verhältnissen in vergleichbaren Ländern entspricht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Dann rufe ich die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um auf eine Verbesserung dieses Mißverhältnisses hinzuwirken?

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Herr Abgeordneter, die Bundesregierung besitzt keine Möglichkeit, direkt auf Ärzte dahin gehend einzuwirken, daß sie die Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesie wählen. Die Entwicklung läuft jedoch ohnehin nicht ungünstig. Die Zahl der Chirurgen ist in der Bundesrepublik in den letzten zehn Jahren um 15 % auf die soeben genannte Zahl von 5328 angestiegen, während sich die Zahl der Anästhesisten im gleichen Zeitraum um über 500 % auf 892 erhöht hat. Das ist eine wesentliche, wenn auch - das darf ich betonen - immer noch nicht absolut befriedigende Anästhesistenzahl. Die Dynamik wird noch deutlicher, wenn man die Zahl der von den Ärztekammern pro Jahr ausgesprochenen Facharztanerkennungen vergleicht. Hier stehen sich im Jahre 1970 341 neue Chirurgen und 160 neue Anästhesisten gegenüber. Damit ist bei den Facharztneuzugängen nahezu ein Verhältnis von 2 : 1 erreicht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß z. B. für die Unfallchirurgie der Ausbildung von mehr Anästhesisten eine besondere Bedeutung zukommt?

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Hier möchte ich Ihnen zustimmen, Herr Abgeordneter. Deshalb waren wir auch zusammen mit den Ländern in den letzten Jahren bemüht, die Ausbildungsmöglichkeiten für Anästhesisten zu erweitern.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es eine Untersuchung darüber, wie viele, sagen wir einmal, Unfälle im Verlauf von Narkosen oder bei der Nachbehandlung unter Umständen darauf zurückzuführen sind, daß eine vernünftige Betreuung durch einen Anästhesisten gefehlt hat?

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Es gibt keine Untersuchung darüber, die mir bekannt wäre. Es gibt aber eine Reihe von Einzelmeldungen, denen wir nachgegangen sind, um zu prüfen, inwieweit hier etwa Umstände des Einzelfalles oder eben der Mangel an Anästhesisten Ursache für derartige „Unfälle" sind. Ich darf noch einmal sagen: die Situation ist zur Zeit sicherlich noch nicht voll befriedigend. Sie zeigt aber dennoch eine deutliche Tendenz zur Verbesserung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Dr. Haack auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die gerontologische Forschung in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Altersforschung ist wesentlicher Teil des Programms der Bundesregierung „Hilfe für die ältere Generation". Gerontologische Forschungsvorhaben werden vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit angeregt und gefördert. So ist z. B. das Psychologische Institut der Universität Bonn - Professor Thomae - mit psychologisch-gerontologischen Grundlagenuntersuchungen befaßt. Eine Forschungsgruppe für Gerontologie an der Universität Gießen bereitet ein größeres Untersuchungsprojekt über das soziale Verhalten und den physischen Zustand der Altengeneration vor. In die Forschungsplanung für 1972 sind bereits vier Forschungsvorhaben aufgenommen; über weitere Vorhaben werden Vorgespräche geführt. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung, die der gerontologischen Forschung zukommt, bemüht sich das Ministerium im Rahmen der Förderung gesellschaftspolitischer Maßnahmen für die ältere Generation um einen besonderen Forschungstitel. Wir hoffen, daß dieser spätestens im Haushalt 1973 ausgebracht werden kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage? - Bitte!

Dr. Dieter Haack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000757, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit für den Bund, Mittel auch in dem Falle zur Verfügung zu stellen, daß an einer Universität ein eigener Lehrstuhl für Gerontologie eingerichtet wird, wie es z. B. bei der Universität Erlangen-Nürnberg geplant ist? Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär im ( Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit: Der Bund kann keine Mittel für die Unterhaltung des Lehrstuhls und die laufende Ausstattung zur Verfügung stellen. Er wird selbstverständlich im Benehmen mit den entsprechenden Forschergruppen Mittel für einzelne Forschungsprojekte zur Verfügung stellen. Insoweit stehen wir auch mit dem Team, das für Erlangen geplant ist, in Kontakt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Anbuhl ist zurückgezogen. Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Schulte ({0}) auf: Ist es richtig, daß die Bundesregierung trotz eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen einen hohen Beamten des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit durch die Bundesanwaltschaft keine Suspendierung dieses Beamten vom Dienst oder Versetzung angeordnet hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Antwort auf Ihre Frage, Herr Abgeordneter, lautet: ja. Die oberste Dienstbehörde hat nach sorgfältiger Prüfung und Wägung der Umstände dieses Falles keinen Anlaß zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen gesehen und sieht ihn auch heute nicht. Während des gesamten bisherigen Ermittlungsverfahrens haben wir uns laufend vom Herrn Generalbundesanwalt im gebotenen Umfange unterrichten lassen. Im übrigen sei angemerkt, daß die Pressemeldungen über die angeblichen Verdachtsumstände, soweit sie uns bekanntgeworden sind, unrichtig waren.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Dieter Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für grundsätzlich richtig - ohne daß damit eine Wertung des Einzelfalles oder gar ein Vorwurf gegen den betreffenden Beamten verbunden wäre -, in solchen Fällen eines Ermittlungsverfahrens eine Suspendierung vom Dienst oder eine Versetzung auszusprechen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Behörden zu fördern?

Not found (Staatssekretär:in)

Es liegt im Sinne des disziplinarrechtlichen Verfahrens, daß jeweils im Einzelfall die Umstände geprüft, geklärt und gewogen werden müssen und daß dabei abzuwägen sind Sicherheitsaspekte, dienstliche Notwendigkeiten, aber auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Mitarbeitern.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Dieter Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen eine solche Reaktion seitens des Dienstherrn stattgefunden hat? Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube nicht, daß man einfach von vergleichbaren Fällen ausgehen kann. Jeder Fall hat seine eigene Problematik und seine eigene Ausgangssituation.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir sind zugleich am Ende der Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 26. Januar 1972, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.