Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es gegen den Sinn des Absicherungsgesetzes verstieße, wenn die Steuer nach der eingetretenen Kursanhebung der D-Mark auf eine bestimmte Exportlieferung zusätzlich erhoben würde?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Es ist zum mindesten so, daß dadurch eine doch sehr erhebliche Mehrbelastung eintritt, die vom Gesetzgeber und auch von denjenigen, die die Maßnahme der Freigabe getroffen haben, nicht gewollt war. Über die Auswirkungen wird man aber immer erst in einer Gesamtschau entscheiden können. Ich bin überzeugt, daß nach der Besprechung, die ich hier angekündigt habe, eine Gesamtregelung wird getroffen werden können.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Wagner.
Vermögen Sie ungefähr einen Zeitpunkt für eine abschließende Regelung anzugeben?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ja, ich denke, daß das doch in allernächster Zeit geschehen kann. Auf den Tag genau kann ich es deswegen nicht sagen, weil ich leider nicht ermitteln konnte, welcher Termin nun mit den Verbänden endgültig vereinbart ist. Aber an sich besteht die Absicht, diese Besprechung noch vor Weihnachten zu machen. Dann müßte - es wird ja im Haus in dieser Richtung weiter gearbeitet - auch eine Regelung gefunden werden können.
Präsident von Hassel: Ich rufe Frage 2 des Abgeordneten Krammig auf:
Nachdem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen mir am 9. April 1969 auf die in der 228. Sitzung der 5. Wahlperiode am 24. April 1969 gestellte Zusatzfrage schriftlich mitgeteilt hat, daß der Zollverwaltung in Kürze vorab die Bestimmungen der Betriebsprüfungsordnung ({0}) bekanntgegeben würden, die für den Betriebsprüfungsdienst Zoll verbindlich sind, frage ich, ob diese Zusage inzwischen erfüllt worden ist, wenn nein, welche Gründe der Erfüllung dieser Zusage heute noch entgegenstehen.
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auf diese Frage kann ich folgende Antwort geben. Die damalige Zusage ist mit dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 6. Juni 1969 erfüllt worden. Der Erlaß wurde im Bundeszollblatt 1969, Seite 723, veröffentlicht.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Schneider auf. Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist im Saal.
Auf welche Weise gedenkt die Bundesregierung, den durch die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages um 240 DM hei den Gemeinden eintretenden Einnahmeverlust in Höhe von 120 Millionen DM auszugleichen?
Zur Beantwortung, bitte, der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Mit der unmittelbaren Beteiligung an der Einkommensteuer erhalten die Gemeinden eine stabile Einnahmequelle mit besonders hohen Zuwachsraten. Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes für die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer Ende 1968 wurde zunächst von einer Verstärkung der Gemeindefinanzmasse für 1970 um 1 050 000 000 DM ausgegangen. Bei der Beschlußfassung über das Gemeindefinanzreformgesetz wurde die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse durch das Gesetz für 1970 bereits auf 1 400 000 000 DM geschätzt. Nach den neuesten Schätzungen wird die Wachstumsrate bei der Einkommensteuer die bisherigen Erwartungen noch übertreffen, so daß die Mehreinnahme aus der Verstärkung der Gemeindefinanzmasse auch unter Berücksichtigung des Vorschlags der Bundesregierung, den Arbeitnehmerfreibetrag zu verdoppeln, etwa 1,6 Milliarden DM ausmachen wird. Den Gemeinden ist deshalb zuzumuten, daß sie wie Bund und Land entsprechend ihrem prozentualen Anteil an der Einkommensteuer an dem Einnahmeverlust aus dieser Maßnahme des Gesetzgebers beteiligt werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schneider ({1}).
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, bei künftigen Steueränderungsmaßnahmen, die bei den Gemeinden einen Einnahmeausfall zur Folge haben, angemessene Einnahmeausgleiche sicherzustellen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das läßt sich in einer solchen Allgemeinheit nicht voraussagen. Sie sehen ja schon bei dieser Maßnahme, daß es genauso wie bei Bund und Ländern und bei allen Gemeinschaftssteuern letztlich davon abhängen muß, ob ein wirklicher Ausfall, der überdimensional ist, zu erwarten ist. Wer an einer Steuer beteiligt ist, muß bei Steueränderungen auch hinnehmen, daß er gegebenenfalls einmal weniger bekommt; in einem anderen Falle bekommt er auch mal mehr. Ich glaube also nicht, daß man generell von vornherein heute schon zusichern kann, daß in jedem Fall, bei jeder Änderung des Gesetzes gleich ein Ausgleich gesucht werden wird.
Präsident von Hassel: Eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Schneider ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich dann unterstellen, daß die Bundesregierung bereit ist, derartige Vorhaben rechtzeitig im Konjunkturrat und im Finanzplanungsrat zur Diskussion zu stellen, damit die Gemeinden nicht Gefahr laufen, durch finanzpolitische Maßnahmen der Bundesregierung und des Bundestages in ihrer Haushaltswirtschaft Schaden zu leiden?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Es ist ganz selbstverständlich, daß die Dinge in diesen Gremien vorbesprochen werden müssen. Dafür sind die ja geradezu da. Ich bin auch sicher, daß das in Zukunft geschehen wird.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, können Sie erklären, warum es in diesem Falle nicht geschehen ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Weil es eine sehr kurzfristige Sache war. Aber wie Sie wissen, ist das Gesetz auch noch gar nicht in Kraft getreten. Der Finanzplanungsrat tritt nächste Woche zusammen. Es wird ja über dieses Thema gesprochen werden, noch bevor das Gesetz überhaupt in Kraft tritt. Aber Sie werden zugeben müssen, daß es beim Beginn einer Legislaturperiode, wo alle diese Gremien erst wieder neu zusammentreten müssen, nicht so schnell möglich ist, jedes Gesetzgebungsvorhaben dort vorher zu besprechen. In Zukunft läuft das jedoch wieder ganz normal.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Anteil der Gemeinden an der Mineralölsteuer zu erhöhen und dem gestiegenen Finanzbedarf der Gemeinden auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastrukturen anzugleichen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der den Gemeinden nach Art. 8 § 4 des Steueränderungsgesetzes 1966 für den Ausbau der Verkehrseinrichtungen zugestandene Anteil am Aufkommen der Mineralölsteuer - sogenannter Dreipfennigtopf - kann nur durch Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften geändert werden. Die Bundesmittel werden bisher nach Richtlinien vergeben, die von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundesrat erlassen wurden. Nach Inkrafttreten der Finanzreform sollen die Richtlinien durch ein Gesetz über Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes ersetzt werden.
Im Zuge der Vorarbeiten für dieses Gesetz wird die Bundesregierung auch die Frage zu prüfen haben, ob dem Gesetzgeber zusätzliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus der gemeindlichen Verkehrseinrichtungen vorgeschlagen werden sollen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schneider ({1}).
Herr Staatssekretär, ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung eine Zuwendungsgarantie abzugeben bereit ist, gerichtet darauf, daß alle begonnenen U-Bahnbauten und vergleichbaren Schienenmassenverkehrsmittel bis zu ihrer Fertigstellung in der bisherigen Höhe bezuschußt werden? Gleichzeitig frage ich, bis wann mit der Vorlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zu rechnen ist.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ob so allgemeine Garantien abgegeben werden können, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Das Gesetz befindet sich in Vorbereitung. Soweit ich das bis jetzt übersehen kann, besteht auch nicht die Absicht, etwa an der Höhe des Anteils nach unten etwas zu ändern. Im Gegenteil, ich sagte schon, es werden zusätzliche Maßnahmen zumindest geprüft. Das Gesetz müßte meines Erachtens sehr bald im neuen Jahr vorgelegt werden.
Präsident von Hassel: Frage 5 des Abgeordneten Dr. Jobst:
Wird die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung der Kilometerpauschale im Zonenrandgebiet vorlegen, um den Arbeitnehmern dafür einen Ausgleich zu verschaffen, weil sie wegen der schlechten Verkehrsbedingungen weit mehr als in anderen Bereichen auf eigene Kraftfahrzeuge zur Fahrt zum Arbeitsplatz angewiesen sind?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Bereits in der Fragestunde am 6. November 1969 habe ich zur Frage nach einer Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrages für Arbeitnehmer des Zonenrandgebietes die Auffassung vertreten, daß durch eine solche Maßnahme Steuergrenzen innerhalb des Bundesgebietes geschaffen würden. Das würde im gleichen Maße auch bei einer nur für Arbeitnehmer des Zonenrandgebiets geltenden Erhöhung des Kilometerpauschbetrages der Fall sein.
Im übrigen kann wohl nicht behauptet werden, daß die Verkehrsverbindungen im Zonenrandgebiet einheitlich schlecht sind. Es wird sicher auch Bezirke mit ausreichenden oder sogar guten Verkehrsverbindungen geben. Andererseits dürften auch außerhalb des Zonenrandgebiets in bestimmten Gegenden immer noch unzulängliche Verkehrsverbindungen bestehen.
Darüber hinaus handelt es sich bei der steuerlichen Behandlung von Aufwendungen für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um ,ein vielschichtiges Problem, das im Rahmen der Steuerreform einer eingehenden Überprüfung bedarf. Dieser Überprüfung sollte nicht vorgegriffen werden.
Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb nicht, einen Gesetzentwurf im Sinne Ihrer Frage vorzulegen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, halten Sie eine regional unterschiedliche Handhabung der Kilometerpauschale nicht deshalb für gerechtfertigt, weil insbesondere in den Zonenrandgebieten das Verkehrsnetz nicht in dem Maße wie in anderen Gebieten vorhanden ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ist das generell so richtig, wenn ich das hinzusetzen darf? Ich selber kenne Gebiete, die vom Zonenrand weit weg liegen und die außergewöhnlich schlechte Verkehrsverbindungen haben. Wenn man also schon eine Differenzierung nach den Verkehrsverbindungen vornehmen wollte, womit ich aber keineswegs eine Zusage in dieser Richtung geben möchte, könnte man sie sicherlich nicht auf die Zonenrandgebiete beschränken, sondern dann müßte man einen sachlichen, für das ganze Bundesgebiet geltenden Maßstab dafür finden, wie man diese Gebiete abgrenzt. Ob das möglich ist, halte ich für zweifelhaft.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß mit einer Anhebung der Kilometerpauschale auch ein gewisser Ausgleich dafür gewährt würde, daß in den Zonenrandgebieten im Vergleich zu anderen Räumen ein gewisses Lohngefälle vorhanden ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege dazu muß ich sagen, daß die Kilometerpauschale - man mag zu ihr stehen, wie man will - sicherlich nicht dazu da ist, irgendwelche Lohnunterschiede auszugleichen. Dafür gibt es andere Maßnahmen. Das wäre eine Art détournement du pouvoir, wie man in Frankreich sagt.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Warnke.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß die in der Regierungserklärung festgesetzte Präferenz des Zonenrandgebiets durchaus einen Anhaltspunkt dafür böte, unabhängig davon, ob in anderen Gebieten ähnlich schwierige Verkehrsverhältnisse vorhanden sind, eben nur im Zonenrandgebiet eine Vergünstigung bei der Kilometerpauschale einzuführen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, es ist meines Erachtens ausgeschlossen, eine Präferenz für ein bestimmtes Gebiet in einer Weise vorzusehen, die neue Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Gebieten schaffen würde.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Erhard ({0}).
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es, ohne zunächst den Satz zu ändern, einfacher wäre, die Begrenzung auf 40 km aufzuheben?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Auf solche Einzelheiten, Herr Kollege, kann ich im Moment einfach deswegen nicht eingehen, weil sich die Steuerreformkommission eingehend mit dieser Frage befaßt und ich ihr in diesem Fall nicht vorgreifen möchte.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Erhard ({0}) auf:
Hält die Bundesregierung die vom Hessischen Gemeindetag an seine Mitgliedsgemeinden ausgesprochene Empfehlung, die Gewerbesteuerhebesätze auf Grund des Gemeindefinanzreformgesetzes auf 300 v. H. zu erhöhen, im Rahmen regionaler und struktureller Wirtschaftspolitik für zweckmäßig?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, die Fragen 6 und 7 wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam zu beantworten.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken! Dann rufe ich noch die Frage 7 des Abgeordneten Erhard ({1}) auf:
Gedenkt die Bundesregierung, der Empfehlung des Hessischen Gemeindetages oder einer unabhängig davon generell erfolgenden Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze entgegenzuwirken?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Empfehlungen zur Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze auf 300 v. H. zur Vermeidung von Nachteilen aus der Gemeindefinanzreform entsprechen in keiner Hinsicht den Absichten der Bundesregierung. Die Vorschriften des Gemeindefinanzreformgesetzes geben auch keinen Anlaß, die Gewerbesteuerhebesätze allgemein auf 300 v. H. anzuheben. Wegen der Verstärkung der Gemeindefinanzmasse über den Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer, der nach neuesten Schätzungen 1970 rund 1,6 Milliarden DM ausmacht, werden die Einnahmen der Gemeinden bei der weit überwiegenden Zahl der Gemeinden durch die Reform erhöht. Das gilt insbesondere für alle gewerbesteuerschwachen Gemeinden. Mit Einnahmeminderungen haben nur Gemeinden mit überdurchschnittlich hoher Gewerbesteuerkraft zu rechnen,
Die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes hat dabei keinen Einfluß auf die Auswirkungen der Gemeindefinanzreform für die einzelnen Gemeinden. Die Gewerbesteuerumlage beträgt, unabhängig von der Höhe des Hebesatzes, einheitlich 120 v. H. des Grundbetrages der Steuer, und die Einnahmen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer richten sich in ihrer Höhe allein nach den Steuerleistungen der Einwohner der einzelnen Gemeinde.
Das Bundesfinanzministerium hat in Pressenotizen, so z. B. im Bulletin vom 13. November 1969 sowie in einem Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände vom 29. Oktober 1969, eingehend dargelegt, daß das Inkrafttreten des Gemeindefinanzreformgesetzes keinen Anlaß zu einer allgemeinen Anhebung unterdurchschnittlicher Gewerbesteuerhebesätze bietet. Der Bund hat keine weiteren Möglichkeiten, ungerechtfertigten Hebesatzerhöhungen entgegenzuwirken, weil die Entscheidung über die Höhe der Hebesätze den Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften zusteht. Durch die im Rahmen der Vorarbeiten zur Gemeindefinanzreform erwogene befristete Hebesatzsperre durch Bundesgesetz hätten zwar ungerechtfertigte Hebesatzerhöhungen ausgeschlossen werden können; diese Maßnahme, die eine Einschränkung der Rechte der Gemeinden bedeutet hätte, konnte aber nur als Ausnahmeregelung zur Sicherstellung einer allgemeinen Senkung der Gewerbesteuer in Betracht gezogen werden. Nachdem die Frage einer Senkung der Gewerbesteuer bis zur Großen Steuerreform zurückgestellt worden war, kam eine vorläufige Hebesatzsperre nicht mehr in Betracht.
Präsident von Hassel: Nach der langen Antwort ist keine Zusatzfrage mehr erforderlich.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Haack auf:
Sieht die Bundesregierung nach Erlaß des Urteils des Bundesfinanzhofes zur Kilometerpauschale eine Möglichkeit, daß die Finanzämter vorliegende Einsprüche gegen die Herabsetzung der Kilometerpauschale gebührenfrei ablehnen, nachdem seinerzeit die Steuerzahler vom ADAC geradezu aufgefordert worden waren, gegen Steuerbescheide Einspruch zu erheben?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 2. Oktober 1969 die ihm vom Niedersächsischen Finanzgericht vorgelegte Frage, ob 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes 1967 mit dem Grundgesetz vereinbar sei, bejaht. Damit sind die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Herabsetzung der Kilometerpauschale von 50 auf 36 Pfennig ausgeräumt.
Wegen der früheren verfassungsrechtlichen Zweifel ist eine große Anzahl von Einsprüchen eingelegt worden, deren Bearbeitung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgestellt worden war. Die Einsprüche können nunmehr erledigt werden. Zahlreiche Einsprüche sind nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits zurückgenommen worden. Soweit Steuerpflichtige von dieser Möglichkeit aus Unkenntnis oder in der Annahme, mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien die Einsprüche ohne weiteres hinfällig geworden, keinen Gebrauch gemacht haben, halte ich es für geboten, daß die Finanzämter die Steuerpflichtigen über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterrichten und sie bitten, die Einsprüche im Hinblick auf diese Entscheidung nunmehr zurückzunehmen. Ich werde die Lohnsteuerreferenten der Länder in der nächsten Besprechung bitten, die Finanzämter in diesem Sinne anzuweisen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 9 und 10 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Einkommensgrenze in Höhe von 24 000 DM jährlich, die Lohnsteuerpflichtige verpflichtet, zusätzlich eine Einkommensteuererklärung ihrem Finanzamt gegenüber abzugeben, so zu erhöhen, daß diese zusätzliche Belastung nur, wie ursprünglich beabsichtigt, wenige Lohnsteuerpflichtige trifft?
Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, daß der deutschen Alkohol- und Branntweinwirtschaft am 1. Januar 1970 bei Ablauf der Übergangszeit der EWG keine Nachteile dadurch entstehen, daß nach Artikel 37 Abs. 1 EWG-Vertrag § 3 des westdeutschen Branntweinmonopolgesetzes außer Kraft treten müßte, eine EWG-Alkohol-Marktordnung mit einheitlichen Preisen aber nicht vorhanden sein wird und damit die Gefahr besteht, daß beträchtliche Wettbewerbsverfälschungen bei der Preisgestaltung eingeführter Spirituosen unsere einheimischen Spirituosenhersteller bedrohen?
Der Abgeordnete Dr. Apel ist mit schriftlicher Beantwortung einverstanden. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Mursch ({2}) auf:
Welches sind die Gründe dafür, daß bei Geschäftsreisen nach Frankreich unter bestimmten Umständen - wie sie in dem Artikel der ADAC Motorwelt vom November 1969, Seite 92, geschildert sind - Zölle und sonstige Abgaben für den benutzten Wagen zu bezahlen sind?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bitte, die Fragen 11 und 12 zusammen beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Dann rufe ich noch die Frage 12 des Abgeordneten Mursch auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, durch Verhandlungen mit Frankreich auf eine Änderung der geltenden Zollbestimmungen hinzuwirken?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Soweit bekannt ist, darf ein ausländischer Geschäftsreisender, der in Frankreich für eigene Rechnung unter Entgegennahme von Aufträgen oder für Rechnung oder zugunsten einer in Frankreich ansässigen natürlichen oder juristischen Person tätig wird, sein ausländisches Kraftfahrzeug abgabenfrei nur für die Fahrt bis zum Bestimmungsort, z. B. zum Hotel, verwenden. Für weitere Fahrten zur Markterschließung, wie es so schön heißt, muß ein Fahrzeug verwendet werden, für das in Frankreich sämtliche Abgaben entrichtet worden sind.
Zu der Anwendung der entsprechenden französischen Steuervorschriften auf Kraftfahrzeuge von Geschäftsreisenden aus anderen EWG-Mitgliedstaaten hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften unlängst festgestellt, das französische Verfahren behindere den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Gemeinschaft und führe zudem zu einer Doppelbesteuerung hinsichtlich der Umsatzsteuer, die sowohl im Lande der Zulassung des Kraftfahrzeugs als auch in Frankreich entrichtet werden müsse. Die Kommission prüft zur Zeit, ob das französische Verfahren mit dem EWG-Vertrag vereinbar ist. Dieser Umstand erübrigt es, die Frage mit Frankreich bilateral zu klären.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Hauser ({3}) auf:
Werden für das Haushaltsjahr 1970 entsprechende Mittel zur Beseitigung ehemaliger Westwallbunker vorgesehen, damit nunmehr auch Bunkerruinen der Dringlichkeitsstufe I b entfernt werden können, die anläßlich der Besichtigung durch das frühere Bundesschatzministerium im Herbst 1966 als außerordentliche Gefahrenquelle anerkannt und deshalb zur Beseitigung vorgesehen sind, aber in die Dringlichkeitsstufe I b eingeteilt wurden und damit erst entfernt werden sollen, wenn die als besonders vordringlich abzutragenden Ruinen der Dringlichkeitsstufe I a ({4}) und II a ({5}) entfernt sind?
Bitte schön, zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Abbruch der Bunkerruinen der Dringlichkeitsstufen I a und II a wird voraussichtlich mit den vorhandenen Mitteln durchgeführt werden können. Für die Beseitigung von Objekten der Dringlichkeitsstufe I b habe ich im Entwurf des Haushaltsplans 1970 einen ersten Teilbetrag von 1 Million DM vorgesehen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hauser ({6}).
Dr. Hauser ({7}) CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wieviel Mittel sind denn insgesamt noch erforderlich, um die zu entfernenden Bunkerruinen nun auch zu beseitigen, also auch die Bunker, die in die Dringlichkeitsstufen I b, II b und III gehören?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Kosten für die Beseitigung der Bunker der Stufe I b werden etwa 4 Millionen DM, die für die Bunker der Stufe
II b etwa 2,2 Millionen DM betragen. Was die Stufe
III angeht, so läßt sich der Betrag noch gar nicht abschätzen. Wahrscheinlich wird man erst in etwa sechs Jahren mit Maßnahmen für diese Gruppe beginnen können.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter Dr. Hauser zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wieviel von diesen Mitteln sind für das Jahr 1970 für Baden-Württemberg vorgesehen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Da bin ich im Augenblick überfragt. Ich bin aber gern bereit, Ihnen schriftlich Auskunft zu geben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Josten.
Herr Staatssekretär, welche Zeit wird voraussichtlich noch zur Beseitigung der
ehemaligen Westwallbunker aus Dringlichkeitsstufe I a und II a benötigt, falls die von Ihnen soeben angegebenen Etatansätze in unseren zukünftigen Haushaltsplänen beibehalten werden?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das müßte mit dem Rest der Mittel, die ich ja schon angekündigt habe, im Jahre 1970 möglich sein.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Burger.
Herr Staatssekretär, sind in den zurückliegenden Jahren alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben worden?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nicht ganz, allerdings habe ich auch hier im einzelnen keine Zahlen. Die Mittel sind aber immer auf den nächsten Haushalt übertragen worden.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Warnke auf:
Ist die Bundesregierung bereit, aus der Bekräftigung der Vorzugsstellung des Zonenrandgebiets in der Regierungserklärung die Konsequenzen zu ziehen und im Falle einer weiteren Verbesserung der Steuervergünstigungen für Arbeitnehmer in Berlin gleichzeitig auch den Arbeitnehmern im Zonenrandgebiet eine Steuerbegünstigung zu gewähren?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung beabsichtigt, in Kürze den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vorzulegen. In diesem Entwurf sind u. a. wirtschaftliche Verbesserungen für Arbeitnehmer in Berlin ({0}) vorgesehen, die einen verstärkten Anreiz zur Arbeitsaufnahme in Berlin ({1}) geben sollen. Die Bundesregierung hält eine solche Maßnahme für erforderlich, weil die Zahl der Erwerbspersonen in West-Berlin als Folge der dort gegebenen besonders ungünstigen Altersstruktur in den nächsten Jahren erheblich abnehmen wird. Eine Ausdehnung der vorgesehenen Vergünstigungen auf Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet ist seitens der Bundesregierung nicht vorgesehen. Auch diese Bundesregierung ist wie die frühere Bundesregierung der Auffassung, daß in Berlin eine besondere Lage gegeben ist, die sich von den Verhältnissen im Zonenrandgebiet und in anderen Teilen des Bundesgebiets deutlich abhebt.
Ich habe bereits in der Fragestunde am 6. November auf die Frage des Herrn Kollegen Schlee nach einer Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet erklärt, daß es im Zonenrandgebiet vor allem darauf ankomme, die vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, und ich habe darauf hingewiesen, daß diese Maßnahme dazu nicht geeignet wäre.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Weigl.
Herr Staatssekretär, entspricht es den Grundsätzen der sozialen Symmetrie, die Unternehmer im Zonenrandgebiet z. B. durch die Einführung der Investitionszulage besonders zu fördern, der Abwanderung der Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet aber nicht durch besondere Präferenzen entgegenzutreten?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe mit meiner Äußerung ja nicht gesagt, daß man nicht auch zugunsten der Arbeitnehmer Maßnahmen wird treffen können, aber nicht die gleichen, wie sie für Berlin vorgesehen sind, weil sich sonst wieder das Problem der Steuergrenzen innerhalb des Bundesgebietes stellt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Warnke.
Herr Staatssekretär, lege ich Ihre Stellungnahme richtig dahin gehend aus, daß die gegenwärtige Bundesregierung nicht bereit ist, die Zusage des seinerzeitigen gesamtdeutschen Ministers Wehner, daß ein Entwurf zur Änderung des Arbeitnehmerfreibetrags für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet in diesem Bundestag vorgelegt werden würde, einzulösen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Frage, in welcher Weise die Arbeitnehmer des Zonenrandgebietes durch steuerliche Maßnahmen gefördert werden, muß gesondert geprüft werden. Aus den schon mehrfach von mir dargestellten Gründen kann man diese Förderungsmaßnahmen aber nicht einfach automatisch an die Berlinhilfemaßnahmen anhängen.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Warnke.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß in einer beträchtlichen Verbesserung der Arbeitnehmerförderung in Berlin eine Verringerung der sogenannten Zonenrandpräferenz liegt, solange man nicht auch für Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet entsprechende Maßnahmen erwägt?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe nicht gesagt, daß für die Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet nichts geschehen soll. Das muß aber anders gesehen und im Rahmen der Steuerreform gemacht werden. Es geht nicht an, innerhalb des Bundesgebietes Steuergrenzen zu schaffen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Pieroth auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Schritte zur Vermeidung derjenigen sozialen Härten zu unternehmen, die dadurch entstehen können, daß die Stationierungsstreitkräfte in Deutschland, insoweit der deutsche Beitrag zu den Stationierungskosten in der Währung der Entsendestaaten bezahlt wird, die ihnen durch die DM-Aufwertung entstehende Mehrbelastung bei der Bezahlung ihrer deutschen Arbeitnehmer durch Einstellungsstopps und Entlassungen ausgleichen wollen?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Bitte, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl.
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Stationierungsstreitkräfte beabsichtigen, eine Erhöhung des Haushaltsansatzes für die Bezahlung der im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer, die möglicherweise durch die D-Mark-Aufwertung erforderlich wird, durch Entlassungen von Arbeitnehmern auszugleichen. Unberührt hiervon bleibt selbstverständlich, daß, wie in der Vergangenheit, auch in Zukunft personelle Veränderungen durch organisatorische Maßnahmen der Streitkräfte erforderlich werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage? - Bitte schön!
Herr Staatssekretär, würden Sie meiner Ansicht zustimmen, daß Gerüchte
dieser Art, die zweifelsohne umgehen, bei den deutschen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte begreifliche Unruhe auslösen, und ist die Bundesregierung bereit, dieser Unruhe durch eine entsprechende Zusicherung entgegenzutreten und sie nach Möglichkeit ganz zu dämpfen, entweder dadurch, daß die Alliierten von diesen Maßnahmen Abstand nehmen, oder dadurch, daß im Eventualfall geholfen wird?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich habe gerade gesagt, daß wir im Augenblick keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, daß diese Gerüchte irgendeinen Hintergrund haben. Ich wüßte also nicht, was die Bundesregierung, die in diesem Fall noch nicht einmal selber der Arbeitgeber ist, in dieser Sache machen sollte.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pieroth.
Herr Staatssekretär, wäre es dann nicht erforderlich, wenigstens Untersuchungen über den Umfang der Unruhen anzustellen, um den Arbeitnehmern in den dortigen Gebieten die momentane Sorge zu nehmen?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, die Alliierten und wir stehen zum Beispiel zur Zeit in Lohnverhandlungen mit den Arbeitnehmern. Dort (I ist meines Wissens nirgends eine solche Befürchtung geäußert worden, Die Bundesregierung kann doch nicht von sich aus aufspüren, wo es Gerüchte gibt, sondern die müßten an uns herangetragen werden. Ich wäre sehr dankbar, wenn das geschähe.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dichgans auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften konkrete Vorschläge vorzulegen mit dem Ziel, neben den nationalen Münzen auch europäische Münzen in den Verkehr zu bringen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bundesregierung wird sich - wie schon bisher - auch in Zukunft nachdrücklich für eine bessere wirtschafts- und währungspolitische Koordinierung innerhalb der EWG mit dem Ziel einer Europäischen Währungsunion einsetzen, die eine Europäische Münzunion einschließt. Die Bundesregierung hält jedoch den Zeitpunkt für konkrete Vorschläge zur Einführung von Euromünzen neben den nationalen Münzen für verfrüht. Ein solcher Versuch erscheint erst dann erfolgversprechend, wenn die Bemühungen um eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik zu Fortschritten in der Gesamtkoordinierung geführt haben werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, noch einmal den Bericht des Europäischen Parlaments zu studieren, in dem ausgeführt wird, daß eine europäische Münze durchaus sinnvoll in Verkehr gesetzt werden kann, auch bevor die Währungsunion verwirklicht ist?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung diesen Bericht studiert hat. Bis jetzt ist aber unserer Auffassung nach der Zeitpunkt noch zu früh, nachdem wir gerade erst miterlebt haben, daß die Währungsverhältnisse keineswegs koordiniert sind.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, einmal prüfen zu lassen, wie hoch das finanzielle Risiko bei der versuchsweisen Ausgabe derartiger Europa-Münzen - das Europäische Parlament hatte einen und fünf Europa-Franken vorgeschlagen - sein würde, und dann prüfen zu lassen, ob sich dieses Risiko nicht doch lohnt, um den Impuls zu erreichen, den eine Anschaulichmachung der europäischen Zusammenarbeit durch Münzen haben könnte?
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zu der Prüfung der möglichen Kosten einer solchen Maßnahme und des Risikos bin ich gern bereit.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Bevölkerung der europäischen Länder die Schaffung von europäischen Münzen sehr begrüßen würde, weil sie in diesem Vorgang einen überzeugenden Schritt zum Ziel der Vereinigten Staaten von Europa sehen würde?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Daß die Bevölkerung dieser Auffassung sein könnte, glaube ich auch. Nur werden Sie verstehen, daß eine Regierung jedenfalls die Risiken genau kalkulieren und berechnen muß, ehe sie sich zu einer solchen Maßnahme entschließt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Lenz.
Sind Sie nicht der Auffassung, Herr Staatssekretär, daß die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage ein wenig statisch und nicht gerade dynamisch ist?
Dr. ReisChl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Lenz, nach vier Wochen kann man weder von Statik noch von Dynamik reden. Wir stehen ja gerade am Beginn einer neuen Entwicklung, und in dem Rahmen wird das geprüft.
({0})
Präsident von Hassel: Ich lasse nur eine Zusatzfrage zu.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Richarts auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Steuerausfall, wenn der Mehrwertsteuersatz für Wein dem Steuersatz für andere Agrarprodukte angepaßt wird?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Steuerausfall, der bei einer Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes für Wein von 11 v. H. auf 5,5 v. H. eintreten würde, kann für das Jahr 1970 mit 160 Millionen DM angesetzt werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Richarts.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß der Betrag von 160 Millionen DM im Rahmen eines Haushalts, der an die 90-Milliarden-DM-Grenze herangeht, haushaltsgefährdend ist?
Präsident von Hassel: Verzeihung! Sie stellten die Frage nach der Höhe. Was Sie jetzt fragen, gehört nicht mehr unmittelbar zur Grundfrage. Deshalb bitte ich Sie, von dieser Frage Abstand zu nehmen. - Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Fellermaier und die Frage 20 des Abgeordneten Mertes auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Finanzbehörden anzuweisen, auf eine Gebührenerhebung hei der Übernahme von Einsprüchen hinsichtlich der seinerzeitigen Reduzierung der Kilometerpauschale zu verzichten?
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß diese Weisung aus Billigkeitsgründen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern erfolgen sollte, die diese seinerzeit oft erst nach öffentlicher Aufforderung von Automobilverbänden und Gewerkschaftsorganisationen im Hinblick auf das Verfahren vor
Bundesverfassungsgericht eingelegt huben?
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Vermögenspolitik auch durch weitere Privatisierung von wirtschaftlichem Bundesvermögen fortzusetzen, und in welcher Form?
Die Fragesteller bitten um schriftliche Beantwortung. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Jung auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Auslegung und Anwendung tariflicher Bestimmungen im Zollverkehr auf französischer Seite zum Beispiel bei Druckerzeugnissen, die über Weißenburg und Saarbrücken geliefert werden, sehr unterschiedlich gehandhabt wird?
Ist die Bundesregierung bereit, in Verhandlungen mit der französischen Regierung eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Zollbestimmungen zu erreichen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Bundesregierung sind Schwierigkeiten der von Ihnen angedeuteten Art auch bei den nachgeordneten Dienststellen bisher nicht bekanntgeworden. Unterschiedliche Zolltarifauffassungen der Mitgliedstaaten der EWG in Einzelfällen werden im Rahmen der Kommission in den Gremien, die zur Zeit die gemeinsamen zusätzlichen Erläuterungen zum gemeinsamen Zolltarif vorbereiten, ständig beraten und aufeinander abgestimmt. Die Bundesregierung ist selbstverständlich in allen solchen Fällen, die zu wiederholten Schwierigkeiten führen können, bereit, eine Abstimmung in der EWG herbeizuführen. Sie wird jeden vorgetragenen Tatbestand in diesem Sinne beschleunigt prüfen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, nachdem die von mir angeführten Schwierigkeiten dem Finanzministerium von Rheinland-Pfalz bekannt sind, frage ich Sie, ob Sie sich mit dem Finanzministerium wegen der Beantwortung dieser Frage in Verbindung gesetzt haben.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das geht aus den Unterlagen hier nicht hervor. Ich nehme das aber an, werde es gern auch noch einmal tun und Ihnen dann, wenn Sie einverstanden sind, noch einen ausführlicheren schriftlichen Bescheid zukommen lassen.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, ich darf daraus schließen, daß Sie, wenn ich Ihnen die entsprechenden Unterlagen gebe, versuchen, diese Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wenn Sie mir die Unterlagen gäben, wäre es noch besser; dann brauchten wir sie nicht unter Zeitaufwand von draußen hereinzuholen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Erhard ({0}) auf:
Nachdem am 3. November 1969 ein Abkommen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen unterzeichnet wurde, frage ich die Bundesregierung, oh mit diesem Abkommen die Einführung einer allgemeinen Straßenbenutzungsgebühr in der Bundesrepublik Deutschland erschwert werden könnte.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das am 3. November 1969 unterzeichnete deutsch-französische Abkommen über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr sieht eine gegenseitige Steuerbefreiung vor. Diese Befreiung gilt aber auf deutscher Seite nur für die Kraftfahrzeugsteuer und auf französischer Seite nur für die „taxe spéciale sur certains véhicules routiers", die sogenannte Achslaststeuer. Da andere Abgaben nicht erfaßt werden, ist das Abkommen in bezug auf die Einführung einer allgemeinen Straßenbenutzungsgebühr in der Bundesrepublik Deutschland ohne Bedeutung. Ich kann deshalb die Frage mit einem klaren Nein beantworten.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Erhard.
Ist die Bundesregierung bei diesem Sachverhalt bereit, die Erarbeitung einer Straßenbenutzungsgebühr voranzutreiben?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das kann ich im Augenblick nicht sagen, weil das Problem noch nicht geprüft worden ist. Aber das wird mit Sicherheit im
Zusammenhang mit all diesen Gebühren geschehen. Zuständig wäre außerdem zunächst das Verkehrsministerium, das entsprechende Vorschläge machen müßte.
Präsident von Hassel: Ich darf die Gelegenheit zum Anlaß nehmen, Herr Kollege Erhard, Sie auf folgendes hinzuweisen: Sie dürfen nur zwei Fragen in der Woche stellen. Allein aus diesem Bereich sind es drei Fragen gewesen. Ich darf Sie bitten, in Zukunft zu berücksichtigen, daß Sie nur zwei Fragen stellen dürfen. Es ist ein Versehen wahrscheinlich unsererseits, daß wir die dritte Frage zugelassen haben.
Herr Präsident, ich darf darauf antworten: Das liegt daran, daß die Fragen an den Finanzminister in der vorigen Woche zurückgestellt und auf diese Woche übertragen worden sind.
Präsident von Hassel: Sie meinen, daß Sie dann also doppeltes Fragerecht hätten?,
Nein, für jede Woche habe ich zwei Fragen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Weigl auf:
Ist es zutreffend, daß Ziegelwerke im Zonenrandgebiet, z. B. das Ziegelwerk Waldsassen, seit der Einführung der Straßengüterverkehrsteuer gegenüber Betrieben der gleichen Branche, die infolge eines günstigeren Standortes den größten Teil ihres Absatzes im Nahverkehrsbereich unterbringen können und trotzdem den ermäßigten Steuersatz bezahlen, große Wettbewerbsnachteile hinnehmen müssen?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ziegelwerke, die infolge günstiger Standortlage ihre Erzeugnisse zum größten Teil innerhalb ihrer Nahzone absetzen können, sind stets günstiger gestellt als Ziegelwerke, deren Kundenkreis überwiegend außerhalb ihrer Nahzone liegt. Der Vorteil beruht darauf, daß die Transportkosten niedriger sind und daß für die Beförderungen im Straßenverkehr innerhalb der Nahzone Straßengüterverkehrsteuer nicht zu entrichten ist. Dies gilt nicht nur für das Zonenrandgebiet, sondern für das gesamte Bundesgebiet. Diese Verhältnisse bestehen mit Ausnahme des Jahres 1968 auch schon seit 1955, weil es sich bei der seit 1. Januar 1969 erhobenen Straßengüterverkehrsteuer praktisch um eine befristete Wiedereinführung der zum 31. Dezember 1967 aufgehobenen Beförderungsteuer handelt. Ziegelwerke im Zonenrandgebiet sind jedoch gegenüber Ziegelwerken in anderen Teilen des Bundesgebiets dadurch begünstigt, daß sich die Straßengüterverkehrsteuer für Beförderungen nach oder vom Zonenrandgebiet auf die Hälfte der Regelsteuer ermäßigt.
Der ungünstigen Lage des Zonenrandgebietes zu größeren Städten und industriellen Ballungsräumen ist ferner durch die Vorschriften des § 6 a des GüterParlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl kraftverkehrsgesetzes Rechnung getragen worden. Danach kann die zuständige Verkehrsbehörde für Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung im Zonenrandgebiet einen angenommenen Standort bestimmen, der bis zu 40 km vom tatsächlichen Standort oder vom Zonenrand entfernt sein darf. Hierdurch sollen Unternehmen im Zonenrandgebiet mit einem ungünstigen Standort so weit wie möglich in die Lage versetzt werden, mit ihren Fahrzeugen eine größere Stadt oder einen anderen, für ihre Transporte günstigen Raum innerhalb ihrer Nahzone zu erreichen.
Darüber hinaus ist in § 7 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs bestimmt worden, daß die Steuer bis auf 1 Pfennig je Tonnenkilometer erlassen werden darf, wenn das Unternehmen wegen seiner Eigenart oder geographischen Lage den Werkfernverkehr nicht entbehren, insbesondere auf die öffentlichen Verkehrsunternehmen nicht ausweichen kann und wenn das Unternehmen durch die Einziehung der vollen Steuer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist oder geraten würde.
Zusammenfassend darf idi sagen, daß die unterschiedliche Standortlage von Unternehmen wegen der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse durch allgemeine gesetzliche Maßnahmen nicht beseitigt werden kann, daß aber gerade für das Zonenrandgebiet wirksame gesetzliche Maßnahmen getroffen sind, um die angesprochenen Wettbewerbsunterschiede zu mildern.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, reichen nach Ihrer Meinung die von Ihnen genannten Vergünstigungen für die Betriebe im Zonenrandgebiet aus, wenn z. B. im vorhinein bei einer günstigen Ertragslage der Betriebe Anträge auf Herabsetzung der Straßengüterverkehrsteuer auf einen Pfennig, wie Sie gesagt haben, abgelehnt werden?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Finanzen: Wenn die Ertragslage so günstig ist, dann dürften sie nach der Meinung des Gesetzgebers ausreichen. Wir haben bisher auch keine Klagen darüber bekommen, daß Ziegelwerke gerade hierdurch besonders benachteiligt werden.
Präsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie bitten, einmal überprüfen zu lassen und es mir schriftlich zu geben, ob nicht gerade die in extremen Standortlagen befindlichen Betriebe eine Straßengüterverkehrsteuer zu bezahlen haben, die ein Mehrfaches dessen beträgt, was andere Betriebe aufzubringen haben?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich werde das gern überprüfen lassen und Ihnen schriftlich Auskunft geben.
Präsident von Hassel: Wir sind am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl, für die Beantwortung danken.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zuerst die Frage Nr. 83 des Abgeordneten Müller ({0}) :
Hat die Bundesregierung die Absicht, den von der Regierung Kiesinger am 14. Juni 1969 eingebrachten, aber in der 5. Legislaturperiode nicht mehr verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ({1}), Drucksache V/4383, erneut einzubringen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rohde.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident, ich darf die Frage wie folgt beantworten: Ja, die Bundesregierung hat die Absicht, den von Ihnen, Herr Kollege, genannten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung alsbald erneut einzubringen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({2}).
Herr Staatssekretär wann ungefähr kann man damit rechnen, daß dieser Entwurf eingebracht wird?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Möglichst noch in diesem Jahr, spätestens Anfang 1970.
Präsident von Hasse!: Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung bei den Parallelfällen der Spätheimkehrer und politischen Häftlinge ähnlich verfahren wird?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, das Kabinett wird in Kürze über diesen Gesetzentwurf entscheiden, und ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich im Hinblick auf diese Entscheidung jetzt zu Einzelheiten dieses Entwurfs und zu seinen Konsequenzen nicht Stellung nehmen will.
({0})
Präsident von Hassel: Nein, es ist nur eine Zusatzfrage zugelassen.
Präsident von Hassel
Ich rufe Frage 84 des Abgeordneten Dr. Wagner ({1}) auf:
Weshalb hat die Bundesregierung nur für die Arbeitnehmer, die in Frankreich arbeiten und in Deutschland wohnen, eine Überbrückungshilfe als Teilentschädigung für den aus der Aufwertung entstandenen Einkommensverlust vorgesehen?
Ist der Abgeordnete im Saal? Er ist im Saal.
Bitte, zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär!
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsident, ich darf bitten, wegen des Sachzusammenhangs die Fragen 84 und 85 des Kollegen Dr. Wagner gemeinsam beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe dann auch die Frage 85 des Abgeordneten Dr. Wagner ({2}) auf:
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß die in Deutschland wohnenden und in anderen Ländern - z. B. in Luxemburg oder Belgien - tätigen Arbeitnehmer auch Anspruch auf einen derartigen Schadensausgleich haben?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Die von Ihnen, Herr Kollege, zitierten 2420 Grenzgänger nach Frankreich befinden sich, wie die Bundesregierung bereits in zwei Fragestunden ausführlich dargelegt hat, in einer besonderen Lage. Sie wurden innerhalb weniger Wochen nicht nur von der deutschen Aufwertung, sondern zusätzlich auch von der französischen Abwertung betroffen. Um insbesondere den einkommensschwächeren Arbeitnehmern unter ihnen die Anpassung an die neue Situation zu erleichtern, hat die Bundesregierung die Gewährung einer einmaligen Überbrückungshilfe an Grenzgänger nach Frankreich beschlossen, einer Überbrükkungshilfe, die, wie Sie wissen, nach Einkommenshöhe gestaffelt ist.
Der Sinn dieser Überbrückungshilfe liegt darin, in der ersten Übergangszeit soziale Härten bei Grenzgängern nach Frankreich zu mildern, die durch zwei Wechselkursänderungen bewirkt worden sind. Insoweit unterscheidet sich ihre Situation von der Lage derjenigen Grenzgänger, die zur Arbeit in andere Länder auspendeln.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wagner ({3}).
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung demnach nicht der Auffassung, daß es ihrer Verantwortung in erster Linie unterliegt, einen Ausgleich für die schädlichen Folgen zu schaffen, die aus einer deutschen Maßnahme, nämlich der Aufwertung der deutschen Mark, für die Grenzgänger entstehen?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich darf Ihnen dazu zunächst folgendes sagen. Wenn Sie nach den Folgen der Aufwertung fragen, muß in diesem Zusammenhang auch freimütig angemerkt werden, daß es eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und finanzieller Spannungsfelder nicht gegeben hätte, wenn diese Aufwertung rechtzeitig in diesem Jahr hätte vollzogen werden können.
({0})
Insofern stehen wir vor den Konsequenzen der Haltung der Kabinettsmehrheit in der letzten Bundesregierung.
Ich darf hinzufügen, daß der Bundesregierung, was die Grenzgänger nach anderen Ländern als Frankreich angeht, bisher keine vergleichbaren besonderen sozialen Härten bekanntgeworden sind, die generell deutsche Ausgleichsmaßnahmen zwingend erfordern würden.
Die einmalige Überbrückungshilfe für Auspendler nach Frankreich war - lassen Sie mich das noch einmal deutlich wiederholen - ein Sonderfall, bedingt durch das kurzfristige Zusammentreffen von Franc-Abwertung und D-Mark-Aufwertung. Dieser Sonderfall ist kein Präzedenzfall und kann auch keiner sein.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wagner ({1}).
Herr Staatssekretär, da wir hier von den Folgen der Aufwertung für die Grenzgänger sprechen und nicht von allgemeinen Folgen, möchte ich mir die Frage erlauben, ob Sie wirklich der Auffassung sind, daß sich derartige Folgen nicht oder in einem geringeren Umfang eingestellt hätten, wenn die Aufwertung in diesem Jahr zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen worden wäre.
({0})
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich bin der Auffassung, daß eine rechtzeitige Aufwertung, die die Ungleichgewichte frühzeitig beseitigt hätte, auch unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Folgewirkungen hätte vorgenommen werden können.
({1})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Burger.
Herr Staatssekretär, erwägen Sie, auch für Bezieher von Renten aus Frankreich einen Schadensausgleich zu gewähren?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich darf Sie auf die ausführliche Beantwortung der Fragen, die zu diesem Sachverhalt gestellt worden sind, in der letzten Fragestunde hinweisen, in der ich im einzelnen zu den Sozialversicherungsfragen und zu den EWG-Verordnungen, die in diesem Zusammenhang von Belang sind, Stellung genommen habe.
({0})
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Jung.
Herr Staatssekretär, welche Stellen sind mit diesem Ausgleich auf der unteren Ebene beauftragt?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Sie meinen die Leistungen für die Grenzgänger an der Saar? - Soweit ich das jetzt übersehen kann, sind es die Gemeinden. Die Regelungen sollen im Benehmen mit der zuständigen Landesregierung getroffen werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Richarts.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Grenzgänger nach Luxemburg neben dem Schaden, den sie durch die DM-Aufwertung erleiden, auch anderen sozialen Diskriminierungen unterliegen, z. B. dergestalt, daß sie in Luxemburg für das erste und zweite Kind nur das halbe Kindergeld bekommen, während alle anderen Gastarbeiter in Luxemburg das volle Kindergeld erhalten?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, damit schneiden Sie einen Fragenbereich an, der nach meiner Meinung - ich darf das sagen - über die gestellte Frage hinausgeht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sir mir die von Ihnen zitierten Sachverhalte mitteilten, damit ich das überprüfen kann.
Präsident oon Hassel: Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, die Herr Blessing vor einigen Tagen geäußert hat, als er sagte, die Aufwertung wäre vor einem Jahr rechtzeitig gewesen? Vor einem Jahr war allerdings auch Schiller dagegen.
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, ich weiß nicht, ob es jetzt angemessen wäre, im Rahmen dieser Fragestunde eine kleine Debatte über die Aufwertung in all ihren Zusammenhängen zu führen.
({0})
Präsident von Hassel: Wir sind damit am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich darf Ihnen danken, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe zunächst. die Frage 89 des Abgeordneten Dichgans auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Initiative zu ergreifen, um den lärmmindernden Umbau der Strahltriebwerke bei Flugzeugen zu erzwingen, der nach Meinung der Luft- und Raumfahrtbehörde der Vereinigten Staaten ({1}) den Lärm um die Hälfte vermindern könnte?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung wird hierzu im Rahmen des gesetzlich Möglichen bereit sein, sofern eine entsprechende Umrüstung von Flugzeugen technisch und wirtschaftlich realisierbar ist. Die zur Zeit in Montreal stattfindende ICAO-Tagung befaßt sich mit den Problemen der Umrüstung vorhandener Flugzeuge zur Reduzierung des Fluglärms. Sobald die Ergebnisse dieser Tagung vorliegen, wird die Bundesregierung sie sorgfältig auswerten, zumal alle in Betracht kommenden Maßnahmen auch aus Wettbewerbsgründen international vereinbart sein müssen.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dichgans.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die Bundesregierung den Herstellern von Triebwerken und damit auch den Benutzern von Flugzeugen ähnliche Belastungen zumuten müßte, wie sie sie in anderen Bereichen des Gesundheitsschutzes, etwa bei der Luftreinhaltung und bei der Wasserreinigung, ganz selbstverständlich den Produzenten und später den Verbrauchern dieser Waren zumutet?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich stimme mit Ihnen durchaus überein. Ich muß aber darauf hinweisen, daß die Bundesregierung und die anderen Regierungen der luftfahrttreibenden Nationen bisher nur vorschreiben konnten, was technisch möglich war. In den letzten Jahren hat sich die erfreuliche Tatsache verzeichnen lassen, daß durch die Erkenntnisse der Technik der Düsenlärm an der Quelle, d. h. am Triebwerk, vermindert werden kann. Die Triebwerke, die jetzt ausgeliefert werden, sind entscheidend geringer lärmstörend als die vor etwa fünf bis zehn Jahren ausgelieferten.
Das eigentliche Problem, um das es geht, ist aber, auch die Flugzeuge umzurüsten, die schon im Betrieb sind. Das ist ein außerordentlich kostspieliges Verfahren. Es wird nach den Schätzungen der Fachleute zwischen 2 und 4 Millionen DM pro Flugzeug kosten. Sie werden mir zugeben, daß neben dieser finanziellen Belastung auch die rein technische Abwicklung des Problems außerordentlich schwierig ist. Nach dem, was wir heute wissen, würde eine solche Umrüstung erst in den Jahren 1975 bis 1978 abgeschlossen werden können. Damit ist auch die Frage aufgeworfen, ob die jetzt im Verkehr befindlichen
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
Flugzeuge es dann überhaupt noch wirtschaftlich wert sind, umgerüstet zu werden, weil sie dann aus anderen Gründen aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Josten auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wieweit der Plan von acht europäischen Ländern gediehen ist, zukünftig auf eine europäische Jugendkarte für Jugendliche im Alter von 10 bis 21 Jahren eine 25prozentige Fahrpreisermäßigung bei den Eisenbahnen zu gewähren?
Zur Beantwortung bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Josten zusammen beantworten dürfte.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe dann auch die Frage 91 des Abgeordneten Josten auf:
Wird die Bundesregierung bei Durchführung dieses Planes dafür eintreten, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland dieses Vorhaben verwirklicht wird?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn wurde die genannte Tarifmaßnahme am 1. November 1969 eingeführt, und zwar im Bereich der Staatsbahnen in Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, der Schweiz und Spanien. Voraussetzung für die Ausgabe der ermäßigten Fahrausweise ist, daß die Reise durch mindestens zwei der genannten Länder führt.
Die Deutsche Bundesbahn, die ihre Tarife selbst aufstellt, beabsichtigt nicht, die genannte Tarifmaßnahme einzuführen. Eine derartige Ermäßigung würde nach ihrer Ansicht in der Bundesrepublik keinen Anklang finden, weil dort für solche Reisen bereits andere und zum Teil weitergehende Ermäßigungen eingeführt sind.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, wären Sie denn bereit, die Frage billigerer Bahnfahrten für junge Leute mit dem Verteidigungsminister zu besprechen, damit sich die Bundesregierung dafür einsetzt, zuerst den Wehrpflichtigen spürbare Fahrpreisermäßigungen bzw. mehr Freifahrten zukommen zu lassen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, Sie werden mir zugeben, daß dieses Problem über die von Ihnen ursprünglich gestellten Fragen hinausführt. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Katalog der Fahrpreisermäßigungen der Deutschen Bundesbahn außerordentlich umfangreich ist und daß gerade junge Menschen eine ganze Reihe von Vergünstigungen haben, die sonst in keinem anderen Land Europas gewährt werden. Ich bin jedoch gern bereit, Ihnen eine entsprechende Ubersicht auch schriftlich zuzustellen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Ollesch auf:
Ist damit zu rechnen, daß jetzt, nachdem die politische Zuständigkeit für Bahn und Post zusammengefaßt worden ist, die Zusammenlegung der Omnibusbetriebe der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost durchgeführt wird?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, der Kabinettsbeschluß vom 30. April 1969, der die Bildung einer Verkehrsgemeinschaft der Omnibusdienste von Post und Bahn vorsieht, wird durchgeführt. Gegenwärtig beraten die Verwaltungen von Bundesbahn und Bundespost über die näheren Modalitäten. Ich kann Ihre Frage somit bejahen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Ott auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung ihrer Erklärung in der 27. Sitzung vom 9. März 1966 nachgekommen, wonach sie prüfen lassen will, ob hei Kraftwagen einheitliche Abschleppvorrichtungen erstellt werden können, damit das Abschleppen von Personenkraftwagen ohne Zeitverlust durch genormte Vorrichtungen erfolgen kann?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bemühungen, die Fahrzeughersteller zum freiwilligen Anbau von Abschleppvorrichtungen vorn an den Fahrzeugen zu bewegen, hatten unterschiedlichen Erfolg. Einige Fahrzeughersteller rüsten alle, andere nur die größeren Fahrzeuge entsprechend aus. Bei anderen Fahrzeugen beschränken sich die Hersteller auf die Bezeichnung der Teile, an denen Abschleppseile angebracht werden können, oder sie geben Hinweise auf im Handel erhältliche nachträglich anzubringende Einrichtungen.
Erneute Beratungen in dieser Frage finden am 9. Dezember dieses Jahres statt. Unabhängig davon ist bereits vorgesehen, in § 43 Abs. 2 der Straßenverkehrszulassungs-Ordnung vorzuschreiben, daß „mehrspurige Kraftfahrzeuge mit mehr als einer Achse vorn eine ausreichend bemessene und leicht zugängliche Vorrichtung zum Befestigen einer Abschleppstange oder eines Abschleppseils haben müssen".
Die erwünschte Einheitlichkeit bzw. Normung der Abschleppvorrichtungen wird sich angesichts der äußerst unterschiedlichen Fahrzeugkonstruktionen vermutlich nicht erreichen lassen. Es wird aber ausdrücklich die leichte Zugänglichkeit gefordert.
Präsident von Hassel: Ich darf zunächst einmal um etwas mehr Ruhe bitten. - Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Ott.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß es im Interesse eines flüssigen Verkehrs notwendig ist, aus irgendwelchen Gründen stehende Fahrzeuge schleunigst abschleppen zu können, und daß deshalb von Ihnen darauf gesehen werden muß, daß die Abschleppvorrichtungen sowohl an der Stirnseite als auch an der hinteren Seite des Fahrzeuges bestimmt werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich teile Ihre Meinung. Ich habe gerade darauf hingewiesen, daß trotz der sehr unterschiedlichen Entwicklungen im Fahrzeugbau dieses Bedürfnis der Sicherheit durch die entsprechenden Regelungen, die ich hier zitiert habe, in den nächsten Jahren befriedigt werden muß.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 94 des Abgeordneten Seefeld auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die im Einzelplan 12 bei Kapitel 12 12, Titel 532 07 ,.Fürsorgemaßnahmen ({0})" genannten Mittel zu erhöhen, da der bisher veranschlagte Betrag von 300 000 DM im Hinblick auf die dringend erforderliche Einleitung weiterer progressiver Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallrettung als zu niedrig erscheint?
Ist der Abgeordnete im Saal? - Er ist anwesend.
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, zunächst muß ich darauf hinweisen, daß für das Unfallrettungswesen nach dem Grundgesetz die Bundesländer zuständig sind. Trotzdem standen dem Bundesminister für Verkehr bisher im Hinblick auf seine Verantwortung für die Verkehrssicherheit auf der Straße für diese Zwecke jährlich 300 000 DM zur Verfügung mit der Maßgabe, in Ergänzung zu den Maßnahmen der Bundesländer Modellversuche und bestimmte Entwicklungen mit dem Ziel einer besseren Erstversorgung der Unfallverletzten im Straßenverkehr einzuleiten. Eine Reihe von progressiven Maßnahmen sind so durchgeführt worden.
Im Hinblick darauf, daß das Unfallrettungssystem der Bundesrepublik Deutschland in verstärktem Maße verbessert werden muß, wird der Bundesminister für Verkehr die Bundesländer bitten, ihre Aktivität auf dem Gebiet des Unfallrettungswesens zu verstärken.
Trotz der generellen Zuständigkeit und Verantwortung der Bundesländer stehen dem Bundesminister für Verkehr nach den jetzigen Planungen auch in den nächsten Jahren für weitere Initiativen auf diesem Gebiet Mittel in der bisherigen Höhe zur Verfügung.
Der Bundesminister für Verkehr ist selbstverständlich gern bereit, zu prüfen, ob auch die Mittel des Bundes in den nächsten Jahren erhöht werden können.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Seefeld.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für sinnvoll und der Sache wegen für zweckmäßig halten, wenn die Zuständigkeit in den Fragen des Unfallrettungswesens auf den Bund überginge?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich muß Sie darauf hinweisen, daß hiermit ein Verfassungsrechtsproblem angeschnitten wird, das sich der Interpretation des Bundesministers für Verkehr entzieht.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 95 des Abgeordneten Schwabe auf:
Sieht der Bundesminister für Verkehr eine Möglichkeit, auf die Bundesländer hinzuwirken, um ein Übereinkommen wegen der Feiertagsregelung über die Grenzen der Bundesländer hinweg zu erzielen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Frage einer einheitlichen Feiertagsregelung wurde im Zuge der Beratung über den Entwurf einer neuen Straßenverkehrs-Ordnung mit den zuständigen Landesbehörden geprüft. Die Schwierigkeit, zu Ergebnissen zu kommen, liegt darin, daß die Festsetzung von Feiertagen eine Sache des Landesrechtes ist, während die Zuständigkeit für die Straßenverkehrs-Ordnung beim Bund liegt. Hier einen gemeinsamen Nenner herbeizuführen, ist außerordentlich schwierig. Ich kann Ihnen heute nur sagen: Der Bundesminister für Verkehr wird auch in Zukunft, so wie er das in der Vergangenheit bereits in Referentenbesprechungen und in Ausschöpfung auch anderer Möglichkeiten getan hat, bestrebt sein, eine möglichst einheitliche Regelung durchzuführen. Dem Anliegen, das Ihrer Frage zugrunde liegt, stimme ich voll zu.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage der Abgeordnete Schwabe.
In der Annahme, daß die Regelung, die Sie anstreben, eine gewisse Zeit benötigt, frage ich, ob nicht vielleicht eine dahin gehende Übergangslösung erfolgen kann, daß nicht, wie es vorgekommen ist, protestantische Lastwagenfahrer, die überraschend ihre Fahrstrecke ändern müssen und in katholische Feiertagsbereiche hineingeraten, dort zum Stehenbleiben gezwungen werden.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß diejenigen Unternehmer, die sich am gewerb590
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
lichen Straßenverkehr beteiligen, über die Besonderheit der angeschnittenen Regelungen informiert sind bzw. ihren Mitarbeitern die entsprechenden Unterlagen geben, damit sich solche Vorfälle vermeiden lassen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Schwabe.
Wollen Sie bitte, Herr Staatssekretär, zur Kenntnis nehmen, daß bereits die manchmal überraschenden und zwangsläufigen Änderungen der Fahrstrecke infolge Umleitungen dazu führen können, daß man in ein anderes Feiertagsgebiet hineinkommt, und sollte hier nicht eine Großzügigkeit erbeten werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Schwabe, ich habe darauf hingewiesen, daß uns die gegenwärtige Regelung nicht befriedigt. Ich muß aber davon ausgehen, daß, solange sie besteht, alle am gewerblichen Straßengüterverkehr Beteiligten sich danach richten.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Erhard ({0}) auf:
Gedenkt die Bundesregierung, den öffentlichen Personennahverkehr stärker als seither zu fördern, insbesondere den Vorschlag der Länderverkehrsminister aufzunehmen, wonach der öffentliche Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen von der Mineralölsteuer befreit werden soll, und den sogenannten Globalausgleich, wie er vom Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe ({1}) vorgeschlagen wird, zu verwirklichen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung wird sich bemühen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten den öffentlichen Personennahverkehr in Zukunft noch stärker zu fördern. Der Vorschlag, den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen von der Mineralölsteuer zu befreien, wird zur Zeit von der Bundesregierung geprüft. Der Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe will seine Vorstellungen zum sogenannten Globalausgleich in Kürze dem Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mündlich vortragen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Beantwortung der Fragen aus dem Bereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung danken. Die Fragestunde ist beendet.
Ich rufe die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung auf:
Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses
- Drucksache VI/110 Wahl der Wahlmänner - Drucksache VI/111 Nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht und nach § 5 Abs. 1 des Richterwahlgesetzes beruft der Bundestag die Wahlmänner und die Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses nach den Regeln der Verhältniswahl. In den Drucksachen VI/110 und VI/111 liegen Ihnen je zwei Vorschläge vor, und zwar je ein Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU und je ein gemeinsamer Vorschlag der Fraktionen der SPD und der FDP. Ich bitte Sie, auf beiden Drucksachen, die als Wahlzettel gelten, den Vorschlag Ihrer Wahl anzukreuzen, und zwar nicht einzeln, sondern in den hinter den Vorschlägen eingetragenen großen Kreisen mit einem Kreuz.
Meine Damen und Herren, es gibt weder die Möglichkeit des Kumulierens noch die Möglichkeit des Panaschierens. Sie können nur einen Wahlvorschlag ankreuzen; andernfalls wäre der Stimmzettel ungütlig.
Die Wahlen werden mit verdeckten Stimmzetteln vorgenommen. Nach einem Vorschlag des Ältestenrates soll abweichend von § 54 a unserer Geschäftsordnung ohne Benutzung von Wahlzellen gewählt werden. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist also beschlossen wie vorgeschlagen.
Ich schlage nun weiter vor, daß wir beide Wahlen in einem einzigen Wahlgang miteinander verbinden, und zwar so durchführen, daß abweichend von dem üblichen Verfahren der Namensaufruf unterbleibt, daß dafür sämtliche Mitglieder den Saal verlassen und durch die Mitteltür eintreten. An der Mitteltür befinden sich die beiden Urnen. Die Mitglieder des Hauses werden gebeten, in die Urne rechts den Wahlzettel der Drucksache VI/110 und in die Urne links den Wahlzettel der Drucksache VI/111 zu werfen; der letztgenannte hat eine gelbliche Tönung.
Ich muß Sie bitten, wenn Sie den Saal durch die Mitteltür wieder betreten haben, bis zum Ende der Abstimmung im Saal zu bleiben. Während des Wahlganges müssen sämtliche anderen Türen geschlossen bleiben.
Darf ich zunächst die Frage stellen, ob alle Mitglieder des Hauses die beiden Drucksachen haben? Die Drucksache VI/110 ist ein weißes Papier, die Drucksache VI/111 ist ein gelblich getöntes Papier. Darf ich die Frage wiederholen, ob jemand im Hause ist, der nicht beide Stimmzettel hat?
({2})
- Ich stelle fest, daß alle Anwesenden beide Stimmzettel haben, und wiederhole noch einmal: Sie haben auf beiden Stimmzetteln jeweils nur ein Kreuz einzutragen und alsdann, von draußen kommend, den weißen Stimmzettel in die rechte Urne, den gelben Stimmzettel in die linke Urne einzuwerfen.
Ich darf nunmehr die Mitglieder des Hauses bitten, den Saal zu verlassen, und die eingeteilten Schriftführer bitten, ihren Platz an der Tür einzunehmen.
Meine Damen und Herren, die Auszählung wird etwas länger dauern. Die Fraktionen sind damit einverstanden, daß die Auszählung an der Seite vorPräsident von Hassel
genommen und daß das Abstimmungsergebnis erst nach der Abgabe der Regierungserklärung bekanntgegeben wird. Wir fahren also unverzüglich in den Beratungen fort.
Wenn keine Bedenken erhoben werden, rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Eröffnungssitzung der Gipfelkonferenz in Den Haag habe ich vorgestern - unter deutlichem Hinweis auf die öffentliche Meinung bei uns zulande und in diesem Hohen Hause - gesagt, daß wir Europäer zu wählen hätten zwischen einem mutigen Schritt nach vorn und einer gefährlichen Krise. Die Wahl ist getroffen worden.
Ich kann mit Genugtuung feststellen, daß die im Haag versammelten Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft sich für die europäische Zukunft entschieden haben. Es ist uns - bei allen Schwierigkeiten, über die man sich im klaren sein muß - gelungen, den lähmenden Stillstand der europäischen Entwicklung zu überwinden und den Weg frei zu machen für den Ausbau und für die Erweiterung der Gemeinschaft. Damit hat Europa eine neue Chance; ich sage sogar: damit hat Europa eine neue große Chance.
({0})
Mein Dank hier vor dem Hohen Hause gilt nicht zuletzt dem niederländischen Ministerpräsidenten de Jong, der als Präsident diese Konferenz mit Um-sich und Energie leitete. Er gilt zuallererst dem französischen Staatspräsidenten, Georges Pompidou.
({1})
Ohne ihn und seine mutige Haltung wären wir gescheitert. Verlauf und Ergebnis der Konferenz waren dabei ein großartiger Beweis der deutschfranzösischen Freundschaft. Der französische Staatspräsident und der deutsche Bundeskanzler waren sich einig, daß unser Europa sich bereit machen muß, die Herausforderung der 70er Jahre anzunehmen. Aber natürlich: ohne die Solidarität Italiens, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs wäre uns der Erfolg gleichermaßen versagt geblieben.
Präsident Pompidou hatte im Sommer dieses Jahres die Initiative zu der Konferenz ergriffen. Sie fand zum richtigen Zeitpunkt statt, nämlich wenige Wochen vor jenem Datum, an dem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in die Endphase ihrer in den Verträgen von Rom konzipierten Entwicklung eintreten wird. Wir alle wissen, wie wichtige Zwischenergebnisse in der europäischen Integration inzwischen erreicht worden sind, und ich möchte es nicht versäumen, in diesem Zusammenhang hier den Namen eines Mitgliedes dieses Hohen Hauses zu nennen: Professor Walter Hallstein.
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Wir alle wissen aber auch, wie sehr in den letzten Jahren die europäische Entwicklung gehemmt wurde, und zwar nicht zuletzt durch die ungelöste Frage des Beitritts anderer Staaten, insbesondere Großbritanniens, die bereit waren und bereit sind, die in den Römischen Verträgen niedergelegten Grundsätze sowie das nachfolgende europäische Recht zu akzeptieren und die volle Mitgliedschaft zu erwerben.
Die Bundesrepublik konnte - und daran haben Regierungswechsel nichts oder fast nichts geändert - frühere, sehr dezidierte Vorbehalte der französischen Regierung gegen eine Erweiterung der Gemeinschaft niemals billigen. Diese Zeit und dieser Streit sind vorbei. Frankreich hat der baldigen Eröffnung von Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und den beitrittswilligen Staaten zugestimmt und wünscht - wie wir - einen Erfolg dieser Verhandlungen. Wer den französischen Staatspräsidenten auf der Konferenz gehört hat, wird aus Überzeugung sagen müssen: Wir haben Vertrauen in das gegebene Wort.
Diese Beitrittsverhandlungen werden spätestens Mitte kommenden Jahres beginnen, und sie werden von der Gemeinschaft in dem Geist geführt werden müssen, den ein erfolgreicher Abschluß voraussetzt und der ihn dann auch gewährleisten kann.
Wir haben auch festgelegt, daß - unmittelbar nach Beginn der Verhandlungen mit den beitrittswilligen Staaten - mit den anderen EFTA-Ländern, die dies wünschen, Gespräche über die Herstellung eines besonderen Verhältnisses zur EWG geführt werden.
Mindestens so wichtig, meine Damen und Herren, ist dies: Die Staats- und Regierungschefs haben die Außenminister beauftragt, die Frage der politischen Einigung in Europa erneut zu prüfen, und zwar bereits in der Perspektive der Erweiterung. Hierüber soll bis Mitte nächsten Jahres berichtet werden.
Ich halte dies für einen Kernpunkt des Ergebnisses der Gipfelkonferenz, weil er zweierlei deutlich macht: Die qualifizierte politische Zusammenarbeit soll eines Tages dazu führen, daß Westeuropa mit einer Stimme in weltpolitischen Zusammenhängen auftreten kann, und sie soll schon bald bereichert werden durch die in Aussicht genommene Teilnahme weiterer Länder an diesem Prozeß des politischen Zusammenrückens.
Mit Recht hat die europäische, hat gerade die deutsche Öffentlichkeit mit wachem Interesse - hier und da auch mit Bangen - auf die Entscheidung gewartet, die im Haag in der Frage der Beitritte gefällt werden würde. Mit Recht, so kann ich wohl sagen, hat die Bundesregierung, haben der Außenminister und ich die Lösung dieser Frage in den Mittelpunkt unserer Bemühungen gestellt, weil es eine Schlüsselfrage für die Behandlung auch der anderen Themen war. Ohne ein Ergebnis auf diesem Gebiet hätte die europäische Stagnation nicht beseitigt werden können, wäre die Konferenz - mit anderen Worten - zum Scheitern verurteilt gewesen.
Es lag unserer Meinung nach in der Natur der Sache, daß zwischen der Beitrittsfrage und den Fra592
gen der Vollendung und der Vertiefung der Gemeinschaft eine innere Verbindung besteht und deutlich gemacht werden mußte. Diese Auffassung hat sich durchgesetzt. Aber es handelte sich hier nicht um Konzessionen, die wie bei einem Geschäftsabschluß die Vertreter des einen Standpunktes an die des anderen machen mußten. Auch wir, die wir uns im Interesse Europas so stark für die Erweiterung der Gemeinschaft eingesetzt haben, sind nicht weniger als Frankreich und andere an der Vollendung und Vertiefung der Gemeinschaft interessiert. Ich kann auch hier mit Befriedigung feststellen, daß uns im Haag Fortschritte miteinander gelungen sind, die nicht nur die unmittelbare Zukunft, sondern auch die weitere Zukunft bestimmen werden.
Was die nächsten Wochen angeht, meine Damen und Herren, so haben wir uns miteinander verpflichtet, die endgültige Finanzregelung der gemeinsamen Agrarpolitik bis zum Ende des Jahres festzulegen, wobei nicht auszuschließen ist, daß man die Uhr ein wenig wird anhalten können oder vielleicht auch wird anhalten müssen. Wir werden die Verpflichtung nach dem Vertrag - und darum geht es: um eine Verpflichtung nach dem Vertrag - erfüllen, aber wir werden dabei natürlich nicht allein die allgemeinen Interessen der Gemeinschaft, sondern auch die einer gesunden Erzeugungspolitik, einer Beherrschung der Überschußprobleme, einer vernünftigen Finanzwirtschaft und vor allem die Interessen unserer Bauern im Auge haben.
Ich habe auf der Konferenz im übrigen ganz deutlich gemacht, daß zu unserem eigenen Programm hier in der Bundesrepublik eine moderne, wettbewerbsfähige deutsche Landwirtschaft gehört und daß die Strukturpolitik im Agrarbereich in der Hand der Bundesregierung verbleiben muß. Die Reform der Agrarpolitik steht, im Unterschied zur Agrarfinanzierung, auf der Tagesordnung der Gemeinschaft. Die Notwendigkeit zur Ratifizierung der Finanzregelungen durch unsere gesetzgebenden Körperschaften ist unbestritten. Es ist auch anerkannt worden, daß die Agrarpolitik im Zusammenhang mit der Erweiterung der Gemeinschaft bis zu einem gewissen Grade anpassungsfähig bleiben muß.
Was die weiteren Perspektiven europäischer Zusammenarbeit betrifft, so wurde im Haag der Wille deutlich, die Europäische Gemeinschaft zur Wirtschaftsunion fortzuentwickeln. Das kann nicht ohne eine konvergente Wirtschaftspolitik gelingen. Das Ziel ist die Ausformung einer Wirtschaftsunion. Der Grundsatz der Solidarität muß eines Tages, vom Kleineren zum Größeren sich entwickelnd, voll wirksam werden. Es ist selbstverständlich, daß währungs- und wirtschaftspolitische Solidarität nur entstehen kann, wenn es tatsächlich zu einer gemeinsamen weltoffenen Politik des Wachstums und der Stabilität kommt. Wir haben beschlossen, daß der Rat in enger Zusammenarbeit mit der Kommission im Laufe des Jahres 1970 einen Stufenplan für die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion ausarbeiten soll. Und in diesem Zusammenhang soll dann auch die Möglichkeit der Errichtung eines Europäischen Reservefonds geprüft werden.
Ich habe im übrigen bei der Diskussion über diese Fragen darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung den Gesichtspunkt der Stabilität unbeirrt im Auge behalten wird. Dies war wichtig, da von dem einen oder anderen Partner von der französischen Abwertung und der deutschen Aufwertung gewissermaßen als von Zwischenfällen gesprochen worden war, was ja nur richtig gewesen wäre, wenn wir es schon mit einer wirklichen konvergenten Politik im wirtschaftlichen und Währungsbereich zu tun gehabt hätten. Ich habe auch keinen Zweifel daran gelassen, daß insbesondere unsere Rentner und unsere Sparer das Übernehmen einer inflationistischen Politik anderer als eine Enteignung ansehen würden
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und daß wir eine solche Entwicklung nicht akzeptiert haben und im Rahmen unserer Möglichkeiten entschieden abwenden werden.
Es ist uns übrigens bei der Konferenz gelungen, eine grundsätzliche Einigung über die Rettung von Euratom zu erzielen. Dies gelang, weil alle Beteiligten die Bedeutung der Technologie und der Zukunftsindustrien für die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsländer verstehen. Das heißt, der Passus zu dieser Frage im Kommuniqué will so verstanden werden, daß die Forschungsstelle von Euratom bewahrt werden soll und daß man sich im übrigen flexibler auf diesem Gebiet und über das Gebiet der Kernenergie hinaus um Gemeinsamkeit im Bereich der Technologie und ihrer Anwendung für die moderne Wirtschaft bemühen will.
Auch in diesem Zusammenhang habe ich - ich hoffe, ich kann das ohne Übertreibung sagen; davor muß man sich natürlich hüten, und ich hüte mich sehr davor - den Eindruck gewonnen, daß nach vielen Rückschlägen und Enttäuschungen ein europäisches Bewußtsein im Wachsen ist, das auf die Zukunft gerichtet ist und sich nicht, wie so oft, in der Regelung prozeduraler Fragen erschöpft. Insofern können wir heute vor die junge Generation in unseren Ländern treten und sagen: Natürlich hätte man sich noch mehr vorstellen können, aber das, was jetzt zu machen war, ist geschehen; über das, worüber jetzt entschieden werden konnte, ist entschieden worden. Die Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen, dürfen nicht übersehen werden, aber die europäische Idee hat neue Impulse bekommen; und das ist gut.
Der Vorschlag übrigens, in Anlehnung an meine Regierungserklärung ein Europäisches Jugendwerk zu schaffen, hat nach den Erörterungen im Haag jetzt auch eine Chance der Verwirklichung.
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Die Institutionen der Gemeinschaft sind das politische Gerüst für den europäischen Bau. Es war von Bedeutung, daß der Präsident der Kommission gestern an unseren Beratungen teilgenommen hat. Die Kommission und der Rat in Brüssel werden sowohl bei der Erweiterung der Gemeinschaft als auch bei ihrem inneren Ausbau wichtige Dienste zu leisten
I haben. Deshalb müssen sie Möglichkeiten erhalten, effektiver zu arbeiten.
Die Finanzregelungen werden die unabhängige Haushaltsführung der Gemeinschaft fördern, und daraus ergibt sich zwangsläufig - das ist festgehalten worden - eine Verstärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments. Diese Erweiterung der parlamentarischen Kompetenzen und der parlamentarischen Kontrolle ist erfreulicherweise jetzt auch nicht mehr umstritten.
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Meine Damen und Herren, ich möchte es heute mit dieser ersten Erläuterung der Beschlüsse der Haager Konferenz bewenden lassen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß insbesondere der Auswärtige Ausschuß auf eine detaillierte Berichterstattung Wert legen wird. Die Bundesregierung steht dafür selbstverständlich sofort, wann immer das Haus dies wünscht, zur Verfügung.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Es gelang, eine Krise der Gemeinschaft abzuwenden. Es hat sich bestätigt, daß Europa eben doch kein technischer Begriff ist, sondern daß es eine politische Aufgabe ist, der sich die Regierungen stellen. Es hat sich gezeigt, daß in einem Augenblick, in dem um ein neues Verhältnis zwischen den Weltmächten, den großen Atomriesen, gerungen wird, und in dem vieles in der Welt in Bewegung ist, die Europäer zu neuen Anstrengungen fähig sind.
Ich bin selbstverständlich immer davon ausgegangen, daß die neuen Bemühungen in Europa und bei uns selbst um - wenn es geht - bessere Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa eingebettet sein müssen in eine Festigung des Zusammenhalts der westeuropäischen Staaten.
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Die Bundesregierung ist sich über den Standort unserer Bundesrepublik im Kreis der Verbündeten und Partner nicht im unklaren, und diese sind sich darüber auch nicht im unklaren. Wir werden alles daransetzen, daß der im Haag erkennbar gewordene Neubeginn nicht steckenbleibt. Dafür bitte ich um die Aufgeschlossenheit und die Mitarbeit des ganzen Hauses. Auch die Beratungen, die heute und morgen in Brüssel im Rahmen des atlantischen Bündnisses stattfinden, verdienen, wenn auch nur in indirektem Zusammenhang hiermit, unsere volle Aufmerksamkeit.
Ich erinnere mich, meine Damen und Herren, an viele der mühsamen, zähflüssigen Konferenzen, die ich in den letzten drei Jahren als Außenminister erlebt habe oder erleben mußte. Ich weiß also, was ich sage, wenn ich sage: nach den letzten beiden Tagen hat Europa doch die Chance, eine neue Perspektive zu finden. Dabei dürfen wir uns - ich sage dies noch einmal - keiner Täuschung hingeben. der Weg ist noch weit, er bleibt auch steinig, und von uns werden nicht immer leichte Entscheidungen erwartet werden. Aber jene Barrieren, die den Weg bis gestern blockierten, haben wir im Haag endlich mit unseren Partnern beiseite räumen können.
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Präsident von Hassel: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die Abgabe der Regierungserklärung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Deutschen Bundestag über die Ergebnisse der Gipfelkonferenz unterrichtet hat. Wir begrüßen, daß dies so sachlich geschah, und teilen die Meinung, mit der der Herr Bundeskanzler heute nacht das Urteil über diese Konferenz zusammengefaßt hat: es sei „ein Ergebnis an der unteren Grenze des von uns Wünschbaren" gewesen. Diese sachliche Festellung nimmt nichts von dem Ereignis dieser Tage.
Wir erkennen an, daß die Bundesregierung entsprechend der gemeinsamen Verabredung, in den großen Fragen zu kooperieren, vor dieser Konferenz ein Gespräch mit uns hatte, das zu einer weitgehenden Übereinstimmung in den politischen Fragen geführt hat. Wir erinnern daran, ,daß wir in der Debatte über die erste Erklärung dieser Bundesregierung gesagt haben, wir könnten uns vorstellen, auch einmal zu sagen: die Bundesregierung hat recht, wenn es sich nach unserer Meinung so verhält.
Wir wollen heute darauf zurückkommen und hier festhalten, daß wir uns über das europäische Engagement des Herrn Bundeskanzlers, das auf dieser Konferenz sichtbar wurde, gefreut haben
({0})
und daß wir seiner Grundsatzerklärung, soweit wir sie dem Bulletin haben entnehmen können - wir nehmen an, daß das so ganz gilt und gesagt ist -, überwiegend zu folgen vermögen. Unser Vorbehalt betrifft vor allem die Ziffer VII dieser Darlegungen.
Ich denke, daß man auf die konkreten Fragen der Agrarpolitik und auf viele andere Einzelheiten später nicht nur im Auswärtigen Ausschuß, sondern, wenn Anlaß dazu ist, auch hier im Hause wird zurückkommen können. Wir werden Sie gern beim Wort nehmen, Herr Bundeskanzler, und dafür sorgen, daß die Möglichkeiten, die diese Konferenz eröffnet hat, auch mit dem nötigen Nachdruck aus dem Parlament versehen werden.
Ich möchte Ihnen danken für das gute Wort, das Sie für unseren Kollegen Hallstein gefunden haben. Es ist klar, daß wir dies unterstützen.
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Ich möchte Ihnen danken, daß Sie sich bereit gefunden haben, in dem Kommuniqué einem Satz zuzustimmen wie diesem - ich zitiere aus der Ziffer 3 -:
daß wohl nie zuvor unabhängige Staaten eine weitergehende Zusammenarbeit verwirklicht haben, und waren einheitlich der Auffassung, die Gemeinschaft sei gerade wegen der erzielten Fortschritte heute an einem Wendepunkt ihrer Geschichte angelangt.
Wer einem solchen Satz als deutscher Bundeskanzler zustimmt, macht damit deutlich - das ist für dieses Haus wichtig -, daß der Streit über Europapolitik im Wesentlichen, soweit er einmal ein parteipolitischer Streit war, vorbei ist; der macht damit deutlich, daß er auch das Werk der Vorgänger anerkennt, nämlich Adenauers, Erhards und Kiesingers.
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Wir sind froh auch über die Sätze, die Sie eben gefunden haben, Herr Bundeskanzler, und die völlig klarmachen, daß auch diese Bundesregierung als Basis ihrer Politik die Verankerung in der freien Welt, konkret: im Bündnis und im vereinigten Europa hat. Auch damit ist ein Streit weg, meine Damen und Herren.
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hatte am 25. November 1969, also vor dem erwähnten Gespräch beim Herrn Bundeskanzler, ihre Auffassung zu der bevorstehenden Konferenz veröffentlicht. Wir wollen das heute in Erinnerung rufen, weil es wichtig ist, zu messen, was unsere Wünsche, unsere Erwartungen und unsere Hoffnungen waren und was nun eingetreten ist.
Wir hatten von der Überprüfung des Agrarmarktes gesprochen. Wir hatten gehofft und gewünscht, es werde zu festen Terminen kommen für das Ende der Übergangszeit, für die Herbeiführung der Wirtschafts- und der Währungsunion, für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, Däne-
,) mark, Irland und Norwegen. Es werde eine feste Verabredung geben für weitere Treffen der Regierungschefs als Beginn der politischen Zusammenarbeit. Wir hatten gehofft, es werde eine politische Verständigung und eine Aussage über die Beziehungen der EWG zu den neutralen Staaten gefunden werden; es werde zu einer Einigung über die bekannten Assoziationsprobleme kommen, man werde sich mit dem Problem befassen, eine Offerte an die Länder Ost- und Mitteleuropas zur ökonomischen, wissenschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit zu richten sowie einen europäischen Währungsreserve-fonds zu bilden und in der Frage der parlamentarischen Kontrolle weiterzukommen.
Der Verlauf der Konferenz von Den Haag und insbesondere Ihre Einlassung dort, Herr Bundeskanzler, bestätigen - natürlich nur, soweit uns der Verlauf bekannt ist -, daß die Bundesregierung alle diese Ziele gleichfalls angestrebt hat. Das Ergebnis der Konferenz, das sich für uns in dem Kommuniqué und in dem Bericht, den wir soeben gehört haben, niederschlägt, erfüllt einige dieser Erwartungen. In anderen Bereichen läßt es zu wünschen übrig und bleibt hinter diesen Erwartungen zurück. Ich habe zu meiner Genugtuung aus der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gesehen, daß er es genauso nüchtern sieht und hier nicht den Eindruck erweckt, als seien dort alle deutschen Punkte durchgekommen.
Das Kommuniqué ist für denjenigen, der nicht dabei war, vage und interpretationsfähig. Sie werden gleich an zwei Punkten sehen, daß Ihre Ergänzungen, wie wir hoffen, schon einiges deutlicher gemacht haben. Heute ist es sehr schwer, klar zu erkennen, was konkret verabredet ist. Deshalb muß über Einzelheiten auch später gesprochen werden.
Einig ist man sich offenbar das wollen wir
festhalten -, zwei Termine festzulegen - das sind nicht alle, die wir gewünscht hatten -, nämlich den 31. Dezember 1969 für das Ende der Übergangszeit und denselben Termin für die endgültige Agrarfinanzierung.
Die Andeutungen, daß eigene Einnahmen der Gemeinschaft weiter geschaffen werden und die „Haushaltsbefugnisse" des Europäischen Parlaments, wie es in dem Kommuniqué heißt, gestärkt werden sollen, sind noch zu unbestimmt, als daß darüber ein Urteil möglich wäre. Das wird noch dadurch unterstrichen, daß zwar „eine Reform der Agrarpolitik mit dem Ziel einer Beschränkung der Haushaltslasten" - so das Zitat - gefordert, aber keine Mitteilung über den Inhalt und die Richtung dieser Politik gemacht wird, mindestens nicht im Kommuniqué.
Die Ziffer 7 dieses Kommuniqués wird uns allen mit Sicherheit noch Kopfschmerzen bereiten. Sie heißt - ich möchte sie zitieren; es ist ein einziger Satz -:
Die Annahme einer Finanzregelung gemeint ist die Agrarpolitik für die Endphase schließt ihre einstimmig vorzunehmende Anpassung, insbesondere an eine erweiterte Gemeinschaft, nicht aus, wobei jedoch die Grundsätze dieser Regelung nicht verfälscht werden dürfen.
Manche Diplomaten werden schon wissen, was sie mit dieser Formel anfangen. Und mancher in Großbritannien wird sich überlegen, ob das wirklich hilfreich ist. Auf jeden Fall hat die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht hier im Hause, aber in einem Interview mit der Londoner „Times" vom 3. November, in dem er sagte - ich zitiere -:
Um zu einer langfristigen Landwirtschaftspolitik zu kommen, muß man wissen, wie groß der Gemeinsame Markt sein wird
im Kommuniqué keinen Niederschlag gefunden.
Dagegen ist es offenbar gelungen - wenn auch ohne Verabredung eines konkreten Termins -, eine prinzipielle Zustimmung aller zum Beginn der Beitrittsverhandlungen in absehbarer Zeit zu erreichen. Wir unterstützen, wenn Sie sagen: wir haben keinen Zweifel in das gegebene Wort, und dies Ganze ist ein Fortschritt, den wir begrüßen.
So ist eine Entwicklung eingeleitet, welche - und das sagen wir sehr vorsichtig - die Erweiterung der Gemeinschaft möglich machen könnte, und, wie wir hoffen: möglich machen wird. Wir werden alles dazu tun, daß dieses Ziel erreicht wird. Aber automatisch wird das auch nach der Konferenz von Den Haag nicht eintreten. Aber schon dieses Ergebnis lohnte, diese Konferenz zu fordern, wie es der Bundeskanzler Kiesinger auf der letzten Konferenz in Rom getan hat, sie dann vorzubereiten und auch abzuhalten.
Hinsichtlich der politischen Zusammenarbeit wurden sicher manche Erwartungen enttäuscht. Entgegen vielen Erwartungen und auch in der Presse genährten Hoffnungen selbst aus prominentem Munde - vieler europäischer Politiker wurde hinsichtlich der politischen Zusammenarbeit weder ein Termin für ein neues Treffen der Regierungschefs verabredet, noch wurde der Fouchet-Plan beschlossen. Die Außenminister, so heißt es, sollen nun Vorschläge machen. Wir hoffen, Herr Bundeskanzler und Herr Kollege Scheel, daß hierbei den deutschen Außenminister niemand an Energie und niemand an Bestimmtheit übertrifft, wenn es um diese Vorschläge geht. Wir werden gern bereit sein - sofern dies nützlich ist oder uns notwendig erscheint -, auch hier im Hause durch Plenardebatten des Bundestages die Notwendigkeit verstärkter politischer Zusammenarbeit weiter zu betonen.
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Und nun kommt ein Punkt, Herr Bundeskanzler, über den ich mir nicht klar bin. Das Kommuniqué sagt zu unserem Bedauern - und ich wollte dies hier festhalten - nichts aus über Ihren Vorschlag, ein europäisches Jugendwerk zu schaffen. Sie wissen, daß wir den Vorschlag begrüßen. Er ist die konsequente Fortentwicklung unserer Politik. Sie haben soeben mitgeteilt, es werde wohl doch dazu kommen. Ich nehme an, daß dieses Wort des Bundeskanzlers, gesprochen im Deutschen Bundestag, seinen Hintergrund hat. Ich freue mich über dieses Wort, hätte es freilich noch lieber im Kommuniqué gelesen, damit die ganze europäische Öffentlichkeit gesehen hätte: diese Anregung aus Bonn ist durchgedrungen.
Ähnlich verhält es sich, Herr Bundeskanzler, mit einem anderen Punkt. Sie haben zu Euratom ein paar Sätze mehr gesagt - und zu meiner Freude, zu unser aller Freude inhaltsreicher gesagt - als dieses Kommuniqué, das sich insoweit mit Absichtserklärungen begnügt. Wir unterstützen diese Position, Euratom zu stärken, aus den Gründen, die wir hier oft genug vorgetragen haben, und nehmen auch dieses Wort des Bundeskanzlers gerne zur Kenntnis, weil es weitergeht und weiterträgt, wie wir hoffen, als das Kommuniqué den Anschein erweckt.
Zum Problem der Währungs- und der Wirtschaftsunion, der technologischen Zusammenarbeit, der Forschung und des Währungsreservefonds enthält das Kommuniqué leider nur - wie auch zu Euratom - Absichtserklärungen. Es enthält keine festen Termine und auch keine konkreten Inhalte. An dieser Stelle wird deutlich wie an allen Stellen: Es kommt nun darauf an, was man daraus macht. Wir glauben, daß bei gutem Willen aller Beteiligten eine praktische Politik daraus werden könnte, aber nicht automatisch werden muß.
Dagegen vermissen wir Hinweise auf die Politik der sechs Länder gegenüber den Neutralen, auf die Lösung der Assoziationsfragen. Wir sehen gar nichts hinsichtlich des Problems, für die Gebiete der Wissenschaft, der Wirtschaft, des Sozialen auch ein Gespräch mit Ländern Ost- und Mitteleuropas zu suchen.
Wir bedauern, daß das Kommuniqué den Wert des möglichen Beitritts der Länder, die die Anträge gestellt haben, vor allem wirtschaftlich und technologisch begründet. Wir hätten hier lieber gesehen, daß man auch politisch und historisch - so nämlich ist der Rang der Probleme - argumentiert hätte.
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Wir sind schließlich besorgt, daß ständige Konferenzen von Fachministern, wie sie in dem Kommuniqué vorgeschlagen sind, dazu führen könnten, daß die Institutionen der Gemeinschaft ausgehöhlt werden. Ich nehme an, daß die Bundesregierung diese Befürchtung teilt; und wenn sie sie teilt, wird sie sicher alles in ihren Kräften Stehende tun, um dem entgegenzuwirken.
Ich sage noch einmal, daß wir unbefriedigt sind mit der Formulierung über die parlamentarische Kontrolle. Wir halten es für dringend erforderlich, eine stärkere parlamentarische, nicht nur Kontrolle, sondern Mitwirkung gerade dann sicherzustellen, wenn die Gemeinschaft weitere eigene Einnahmen erhält. Darüber wird ja noch zu sprechen sein, wenn hier zu der Agrarfinanzierung und ähnlichem eine Zustimmung des Hauses herbeizuführen sein wird. Auf jeden Fall möchten wir anmelden, daß unsere Forderung nach der direkten Wahl des Europäischen Parlaments für uns aufrechterhalten bleibt.
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Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erklärung in Den Haag und auch eben noch einmal gesagt - ob das so stimmt, wollen wir mal dahingestellt sein lassen -, daß wir zwischen einem „mutigen Schritt nach vorn und einer gefährlichen Krise zu wählen" hatten. Folgt man diesen Worten, dann kann man, glaube ich, sagen: die Konferenz von Den Haag hat, so ist unser Eindruck, eine offene Krise vermieden, ist uns aber den mutigen Schritt schuldig geblieben.
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Das Ergebnis ist ein Kompromiß, mit dem sich, wie wir hoffen, leben lassen wird, wenn alle mit gutem Willen und mit Zähigkeit zusammenwirken. Es ist im übrigen ein Kompromiß, der wohl den realen Kräften und den realen Tendenzen der heute in Europa Verantwortlichen und Entscheidenden entspricht. Das darf uns aber nicht hindern, unsere Kräfte und Tendenzen in der richtigen Richtung - und die Opposition wird dafür sorgen - auch deutlich zu machen. Denn das, was hier erreicht ist, ist noch nicht genug. Wir wollen miteinander weitere Fortschritte. Deshalb wird ja wohl die Opposition davon sprechen können, auch wenn wir versuchen, hier eine gemeinsame Politik zu machen.
Vielleicht gehört es eben zur Kunst, Europapolitik zu treiben, nicht nur immer von Krisen zu reden - und sie zu verhindern -, und von technokratischen Dingen, sondern sich einmal zu überlegen, daß es den Menschen in diesem Europa heute schon sehr viel besser als früher geht; deshalb spricht man ja
von den Fortschritten. Vielleicht müssen wir alle lernen, mit latenten Krisen in Europa zu leben - als der Situation, die uns heranführt, uns aneinander zu gewöhnen, an Kompromisse zu gewöhnen, an die Notwendigkeit des Zusammenwirkens zu gewöhnen. Vielleicht ist dies der Zustand einer zusammenwachsenden politischen Gemeinschaft.
Ich komme zum Schluß. Die Bundesregierung und alle Länder, die Mitglieder der EWG sind oder ihr beitreten wollen, können jederzeit auf die Unterstützung der CDU/CSU rechnen, wenn es darum geht, weitere Schritte auf dem Wege zur Vereinigung Europas zu machen. Dies ist für uns keine Parteifrage, sondern dies ist für uns eine Politik, die ohne Alternative ist. Wir erklären: unser Ziel bleibt ein Bundesstaat Europa.
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Vizekräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten sind befriedigt darüber, daß die Erklärungen von Herrn Dr. Barzel deutlich gemacht haben, daß die Phase parteipolitischer Auseinandersetzung über die Europapolitik der Bundesrepublik zu Ende ist. Wir sind froh darüber, daß wir in die Zeit zurückkehren können, die es in der fünften Legislaturperiode - und nur die
habe ich miterlebt -, aber auch davor gegeben hat, in der es selbstverständlich war, daß es zu dieser Politik, die, wie Sie eben sagten, Herr Dr. Barzel, ohne Alternative ist, in diesem Hause eine einheitfiche Unterstützung der Bundesregierung geben muß, selbst wenn man in Einzelheiten, in Kleinigkeiten, in Nuancen unterschiedlicher Meinung ist. Herr Kollege Wehner hat am 27. Januar 1966 in einer Europa-Debatte, ,die ebenfalls sehr schwierig war - denn sie schloß sich an die Luxemburger Konferenz an - gesagt, daß wir dazu da sind, inklusive der Opposition, der Bundesregierung die nötige Unterstützung und Hilfe zu leisten.
Ich bin um so befriedigter über die Ausführungen von Herrn Kollegen Barzel, als wir nach den ersten Meldungen, die einliefen, befürchten mußten, daß das parteipolitische Gezänk fortgesetzt werden würde; denn es gibt zwei Stellungnahmen, eine vom Bundesvorsitzenden der Jungen Union und eine vom Sprecher der CDU, Herrn Dr. Rathke,
({0})
die uns befürchten ließen, daß wir in dieser Debatte in Schwierigkeiten kommen würden.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten unterstreichen in diesem Moment folgendes.
Wir unterstreichen, daß die Politik des Bundeskanzlers und seines Außenministers in Den Haag deutlich gemacht hat, daß für uns Westpolitik die Voraussetzung für eine neue Ostpolitik ist. Wir unterstreichen, daß es einer festen Westintegration bedarf, um nach Osten neue Wege zu suchen.
({1})
Wir sind aber auch stolz darauf - ich sage das mit aller Bescheidenheit -, daß der Bundeskanzler der von uns mitgetragenen Bundesregierung in Den Haag eine so entscheidende Rolle gespielt hat, um diese Konferenz zum Erfolg zu führen.
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Diese Rolle war, das wissen wir, nur in Zusammenarbeit mit den Regierungschefs der anderen EWG-Länder denkbar. Dennoch wissen wir alle - wir brauchen nur einen Blick in die inländische und ausländische Presse zu werfen, um es zu sehen -, wie stark die Person Willy Brandts den Erfolg dieser Konferenz mitbestimmt hat,
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Es ist uns eine Genugtuung, daß die Konferenz in Den Haag sich angeschlossen hat an den Besuch des Bundespräsidenten, der auf seine Art und in seinem Bereich eine Woche zuvor ebenfalls ein Erkleckliches für Europa und für die europäische Aussöhnung geleistet hat.
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Das besondere Verdienst des Bundeskanzlers besteht nach der Meinung der Sozialdemokraten darin,
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daß wir endlich die unglückliche Kette „Vollendung, Vertiefung, Erweiterung" durchbrochen haben. Das war ja die Vorstellung mancher, daß erst vollendet, dann vertieft und dann erst über Erweiterung gesprochen werden sollte. Diese Konferenz hat deutlich gemacht, daß Vollendung, Vertiefung und Erweiterung der EWG um neue Mitglieder gleichrangige Probleme sind, die parallel nebeneinander angepackt werden müssen.
Dabei werden wir denjenigen, die in die Gemeinschaft eintreten wollen, nichts schenken können, und insofern, Herr Kollege Dr. Barzel, ist die Formulierung in Punkt 7 durchaus den Tatsachen entsprechend. Wir werden eine gemeinsame Agrarfinanzierung suchen. Wir müssen uns vorbehalten, diese an die neuen Gegebenheiten anzupassen, die sich nach der Erweiterung der Gemeinschaft ergeben werden. Aber das kann natürlich nur einstimmig passieren; denn hier können die Interessen der Mitglieder nicht geopfert werden.
Die Konferenz hat vor allem die Vertrauensbasis unter den sechs EWG-Ländern und, was wichtig ist, zwischen den EFTA-Ländern und den EWG-Ländern wiederhergestellt. Denn das ist jetzt sicher: die Erweiterung der EWG wird nicht dazu führen, daß sich die EWG „wie ein Stück Zucker im Atlantik auflöst", wie es ein prominenter Gaullist einmal befürchtet hat. Die EWG wird das europäische Selbstbewußtsein stärken. Sie wird sich nicht in einer diffusen atlantischen Gemeinschaft auflösen. Sie wird eigene Politik zu betreiben haben in engster Verbindung mit den USA.
In dieser Gemeinschaft werden - hier kann ich Herrn Kollegen Dr. Barzel beruhigen - auf Grund der Gipfelkonferenz in Den Haag auch in Zukunft nicht die Institutionen in Brüssel „verbogen" oder „denaturiert" werden. Der Herr Bundeskanzler hat sehr deutlich gemacht, daß die Konferenz u. a. dazu da war, Euratom zu retten und die Funktionsfähigkeit von Euratom zu erhalten. Wir werden ihn mit aller Kraft unterstützen.
Es muß an diesem Punkt auch gesagt werden, daß z. B. hinsichtlich der Agrarpolitik - hier wird natürlich der Teufel noch im Detail stecken, wenn wir über Einzelheiten reden - eben nicht der Gipfel in Den Haag aufgerufen war, Fragen zu entscheiden, sondern daß das in die ordnungsmäßigen Institutionen der EWG hineingehört: in die EWG-Kommission, in den Ministerrat, in das Europäische Parlament. Wir sind froh darüber, daß in Den Haag zwar die Richtung einer Lösung der Agrarfinanzierung aufgezeigt worden ist - der Herr Bundeskanzler hat sie hier noch einmal präzisiert -, und zwar die gemeinsame Finanzierung, die Bekämpfung des Problems der Überschüsse sowie dahin gehend, daß wir und die anderen finanziell nicht überfordert werden. In der Sache aber hat man sich in Den Haag nicht festgelegt. Jetzt ist Brüssel mit seinen Mechanismen aufgerufen, diese Fragen zu regeln.
Ich bin auch der Meinung, daß es ein großer und ein nobler Schritt voran war, daß die Bundesregierung die Schaffung eines europäischen Reservefonds als Endstufe der Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit echter Wirtschafts- und Finanzpolitik angeboten hat. Das war ein nobler Schritt, meine Damen und Herren; denn hier wird deutlich, daß wir es mit Europa ernst meinen.
Lassen Sie mich ein Wort zur Frage des Parlamentarismus in Europa sagen. Wir begrüßen die Feststellung, daß die Befugnisse des Europäischen Parlaments erweitert werden sollen. Wir behalten uns vor, das, was im Rahmen der europäischen Institutionen dazu vorgelegt wird, ernsthaft darauf hin zu prüfen, ob es auch wirklich eine echte Mitwirkung wäre oder ob es im Endeffekt bei der institutionell zu schwachen Stellung des Europäischen Parlaments bliebe. Wir nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, daß die Regierungen, also die Exekutiven, die Frage der Direktwahl des Europäischen Parlaments prüfen wollen. Wir wissen, daß das nicht in die Verantwortung des Herrn Bundeskanzlers fällt. Die Formulierung ist von anderer Seite so gewollt worden. Wir Sozialdemokraten erklären, daß nicht Regierungen zu prüfen haben, ob eine Direktwahl stattfinden soll. sondern dieses Haus und die anderen fünf Parlamente der EWG-Staaten.
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Wir sind der Meinung, daß parallel zu einer Stärkung der Befugnisse die Direktwahl des Europäischen Parlaments eine dringende Notwendigkeit ist.
Herr Kollege Barzel, Sie haben am Schluß gesagt, eigentlich müsse man doch etwas enttäuscht sein, denn ein mutiger Schritt nach vorn sei es wohl nicht gewesen. Herr Kollege Barzel, halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß sechs Regierungen jetzt endlich das klare Bekentnis abgelegt haben, mit England und anderen beitrittswilligen Ländern in Verhandlungen einzutreten, und zugleich Termine festgelegt haben?
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Halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß die Übergangszeit der EWG beendet worden ist? Sie wissen, daß ich noch vor einigen Wochen der Meinung war, daß das wohl nicht möglich sei. Halten Sie es nicht für einen mutigen Schritt, daß wir Euratom gerettet haben, daß wir einen europäischen Reservefonds bilden wollen und endlich auch mit der politischen Zusammenarbeit vorankommen?
Ich gebe zu, daß wir erst noch sehen müssen, wie weit die Außenminister in dieser Frage kommen. Wir müssen abwarten, was dabei herauskommt. Aber allein die Tatsache, daß sechs europäische Regierungschefs erkannt haben, daß die ökonomische Integration einer sie begleitenden politischen Integration bedarf, daß die Diskussion endlich wieder ernsthaft in Gang kommt, und zwar unter der Perspektive der Erweiterung der Gemeinschaft, stimmt uns hoffnungsvoll.
Meine Damen und Herren, wir sind im Advent,
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und Advent heißt: Ankunft und Hoffnung zugleich. Im Gegensatz zu dem Advent, den wir feiern und der uns mit absoluter Sicherheit in die parlamentarischen Weihnachtsferien und damit auch unter den Tannenbaum bringt, können wir das Licht, das in Den Haag jetzt aufgeleuchet ist, nicht als absolute Sicherheit dafür werten, daß in Europa alles erreicht wird. Wir werden dafür weiterhin hart kämpfen müssen. Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß Bundeskanzler Brandt und sein Außenminister Scheel in dem Moment, in dem eine erste Bewährungsprobe von ihnen verlangt wurde, die europäischen und damit auch unsere deutschen nationalen Interessen so hervorragend vertreten haben.
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Meine Damen und Herren, soeben wird mir das Ergebnis der Wahlen mitgeteilt.
Bei der Wahl der Wahlmänner gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht sind insgesamt 493 Stimmen abgegeben worden. Eine Stimme war ungültig. Gültige Stimmen somit: 492. Hiervon entfielen 238 auf den Vorschlag der CDU/CSU und 254 auf den Vorschlag der SPD und der FDP. Nach den vorgenommenen Berechnungen entfallen auf den Vorschlag der CDU/CSU 6 Mandate und auf den Vorschlag der SPD und der FDP auch 6 Mandate.
Damit sind von der Vorschlagsliste der Fraktion der CDU/CSU die Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Dr. Jaeger, Dr. Lenz ({1}), Benda, Dr. Zimmermann, Erhard ({2}) gewählt.
Vizepräsident Dr. Schmid
Von der Vorschlagsliste der Fraktionen der SPD und der FDP sind die Abgeordneten Wehner, Hirsch, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. Schäfer ({3}), Schulte ({4}) und Dr. Müller-Emmert gewählt.
Ich frage die Damen und Herren, deren Namen ich verlesen habe, ob sie die Wahl annehmen. - Kein Widerspruch. Die Damen und Herren sind damit gewählt.
Bei der Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses sind 493 Stimmen abgegeben worden. Alle Stimmen sind gültig. Davon entfielen auf den Vorschlag der CDU/CSU 238 Stimmen, auf den Vorschlag der SPD und der FDP 255 Stimmen. Nach den vorgenommenen Berechnungen entfallen auf den Vorschlag der CDU/CSU 5 Mandate und auf den Vorschlag der SPD und der FDP 6 Mandate.
Damit sind von der Vorschlagsliste der Fraktion der CDU/CSU die Abgeordneten Vogel ({5}), Dr. Hauser ({6}), Dr. Güde ({7}), Memmel, Dr. Weber ({8}) und deren Stellvertreter gewählt.
Von der Vorschlagsliste der Fraktionen der SPD und der FDP sind die Abgeordneten Hirsch, Schulte ({9}), Dr. Haas, Dr. Müller-Emmert, Dr. Arndt ({10}) und Dürr und deren Stellvertreter gewählt.
Auch hier frage ich, ob die genannten Damen und Herren die Wahl annehmen. - Kein Widerspruch. Damit sind die Damen und Herren zu Mitgliedern des Richterwahlausschusses gewählt.
Wir fahren in der Aussprache zu Punkt 4 der Tagesordnung fort. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Achenbach das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben von dem Kommuniqué über die Ergebnisse der Haager Konferenz mit Befriedigung Kenntnis genommen. Sie danken dem Bundeskanzler und dem Außenminister für die Haltung, die sie im Haag eingenommen haben, und für ihre erfolgreiche Verhandlungsführung.
Der Kollege Barzel hat darauf hingewiesen, daß es sicherlich noch bessere Ergebnisse hätte geben können. Er wird mit mir darin übereinstimmen - er hat ja schon eine lange Erfahrung in der Politik -, daß mit einer langen Erfahrung auch immer ein besseres Verständnis für das Wort, daß das Bessere des Guten Feind ist, erwächst. Der Kollege Barzel hat, wie es seine Aufgabe ist, über das Bessere gesprochen; ich möchte über das Gute sprechen.
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Zu dem Guten, Herr Kollege Barzel, rechne ich ganz bestimmt auch Ihre Feststellung, daß es in bezug auf eine konstruktive Europapolitik, die unser Land und unser Volk will, keinen wesentlichen Streit mehr gibt. Ich muß sagen, diese Debatte hat mich gerade durch diese Bemerkung besonders ermutigt. Ich habe vor Jahren schon einmal gesagt, daß sich eine Außenpolitik, die von einer sehr breiten Mehrheit getragen ist, von Regierung und Opposition, draußen in der Welt besser durchsetzen läßt, als wenn über außenpolitische Fragen im eigenen Lande polemische Diskussionen geführt werden, die im allgemeinen zu nichts Gutem führen, sondern nur dazu, die eigene Position zu schwächen.
Ich möchte sagen, daß wir befriedigt darüber sind, daß die Endphase am 1. Januar beginnen soll, - auch wenn, Herr Bundeskanzler, die Uhren noch ein bißchen angehalten werden; das ist eine Kleinigkeit. Wir sind auch befriedigt darüber, daß der Agrarmarkt weitergeführt wird. Ich unterstreiche insbesondere die Feststellung in Ziffer 6, daß wir uns selbstverständlich gemeinsam mit unseren europäischen Freunden bemühen müssen, das Problem der Überschüsse in den Griff zu bekommen. Ich glaube, man kann insgesamt sagen, das Kommuniqué ist ein Kommuniqué konstruktiver Vernunft. Wir haben auch das Vertrauen zu unseren französischen Freunden, zu ihrem Wort. Wir schwingen jetzt mit allen europäischen Freunden auf der gleichen Wellenlänge. Die Verhandlungen mit Großbritannien werden beginnen, und es ist sicher gut, wenn möglichst schnell eine gemeinsame Verhandlungsbasis erarbeitet wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, um Wiederholungen zu vermeiden, weil wir uns in der Tat, wie gesagt, weitgehend einig sind, nur noch, wie es der Herr Bundeskanzler ja auch getan hat, die Ziffer 15 unterstreichen. Ich habe immer wieder - wie Herr Kollege Apel und auch die Kollegen von der CDU, mit denen wir zusammen im Politischen Ausschuß des Europäischen Parlaments sitzen - darauf hingewiesen, daß es in einer Gemeinschaft, in der im wirtschaftlichen Bereich mal von dem einen, mal von dem anderen Opfer verlangt werden, unerläßlich ist, daß die Gewißheit besteht, daß man in den entscheidenden politischen Zielen eine Einheit bildet und nicht gegeneinanderarbeitet. Wir haben daher immer wieder unterstrichen - und das ist gerade jetzt an dem Wendepunkt, an dem die Europäische Gemeinschaft steht, notwendig -, daß wir wieder Mechanismen einrichten müssen, die zu einer echten politischen Union, zu einer gemeinsamen Außenpolitik hinführen. Ich hoffe, daß unser Außenminister Walter Scheel gerade diesem Punkt seine besondere Aufmerksamkeit widmen wird und daß bis zum Juli nächsten Jahres hier der Beginn einer gemeinsamen Außenpolitik sichtbar wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Es ist nicht immer so, daß man sich über ein Kommuniqué freut. Diesmal habe ich es getan, und diesmal habe ich mich auch über die Debatte gefreut. Dieses Land und dieses Volk will Europa, es will den Bundesstaat Europa, damit dieser in der Welt seine konstruktive Rolle des Friedens spielen kann.
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Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. - Das Wort hat der Herr Außenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zu Beginn von dem Herrn Bundeskanzler von dem Maß des Erfolges gesprochen worden, das man der Konferenz zubilligen kann. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, daß wir in diese Konferenz nicht mit übertriebenen Erwartungen hineingehen konnten, wenn man die Lage in Europa realistisch einschätzt. Wir sind also mit gezügelten Erwartungen in diese Konferenz hineingegangen. Man darf aber heute feststellen, daß diese Erwartungen erfüllt worden sind. Das Besondere an dem Ergebnis der Konferenz ist, daß wir aus der Periode der Stagnation in Europa herauskommen und in eine neue Periode der Bewegung, der vertieften Zusammenarbeit mit neuen Zielen eintreten können. Das ist nicht zuletzt einer richtigen Anwendung des deutsch-französischen Vertrages zu verdanken; denn die deutsch-französische Zusammenarbeit in Den Haag ist sichtbar Grundlage der Einigung in besonders wichtigen Fragen gewesen.
Noch etwas ist festzustellen. Es wurde von allen Konferenzteilnehmern erkannt und akzeptiert, daß zwischen den so viel diskutierten wichtigen vier Bereichen, nämlich der Finanzordnung, einer neuen Agrarpolitik, dem Ausbau in Richtung auf eine Wirtschaftsunion hin und der Erweiterung des Gemeinsamen Marktes, ein innerer Sachzusammenhang besteht, dem man Rechnung tragen muß. Alle im Kommuniqué zum Ausdruck gebrachten politischen Ziele und die Beschlüsse darüber tragen diesem Sachzusammenhang Rechnung.
Meine Damen und Herren! Das Wichtigste war natürlich - und darüber hat Herr Kollege Dr. Barzel hier eine gewisse Enttäuschung zum Ausdruck gebracht -, wie wir mit dem brennenden Problem der Erweiterung des Gemeinsamen Marktes fertig werden und oh es uns gelingen würde, einen Termin für diese Aufgabe zu setzen. Eines ist, glaube ich, in dem Kommuniqué sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, daß nämlich die Staats- und Regierungschefs der Eröffnung der Verhandlungen zugestimmt haben, und zwar zu den Bedingungen, die auch wir als Vorbedingungen setzen müssen,
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nämlich unter der Bedingung, daß die beitrittswilligen Länder den Vertrag und das aus dem Vertrag abgeleitete Recht anerkennen und sich auch in den weiteren politischen Zielen mit den Vertragspartnern einig erklären. Das ist Gegenstand des Kommuniqués gewesen.
Die feste Terminsetzung ist nun nur zu erkennen, wenn man das Kommuniqué und die Interpretationen der einzelnen Delegationen miteinander vergleicht, vor allem die am gleichen Tage von der fränzösischen Regierung getroffene Feststellung, daß Frankreich keine Schwierigkeiten haben werde, die Vorbereitungen zur Eröffnung der Verhandlungen innerhalb eines Semesters abzuschließen. Das heißt, daß der Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen eröffnet werden können, dem entspricht, was sich die Bundesregierung selber zum Ziel gesetzt hatte. Es ergibt sich, wenn man ganz genau nachrechnet, noch eine Spanne von neun Tagen, wie mir gestern bei einer Pressekonferenz nachher deutlich geworden ist. Die Bundesregierung hat das Frühjahr 1970 als die Periode, in der die Vorbereitungen abgeschlossen sein müssen, bezeichnet, und das erste Semester endet neun Tage nach Beendigung des Frühjahrs. Ich glaube, diese Differenz in der Zeitplanung können wir sehr wohl in Kauf nehmen, wenn es dann endlich wirklich zu den von uns allen gewünschten Verhandlungen kommt.
Meine Damen und Herren, das ist das wirklich bedeutende Ergebnis. Aber dieses Ergebnis hat natürlich auch die Kompensation in der Bereitschaft der dort in der Konferenz mitwirkenden Delegationen, die Finanzregelung in der Zeit zu beschließen, in der sie nun einmal nach dem Vertrag und den Verordnungen, die aus dem Vertrag hervorgehen, beschlossen werden müssen.
Nun ist gerade hier von Herrn Dr. Barzel auf eine diplomatische Formulierung hingewiesen worden, die über die Finanzregelung im Kommuniqué getroffen worden ist, nämlich die Formulierung, daß diese Regelung eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf die Erweiterung der Gemeinschaft haben muß. Sie muß anpassungsfähig sein, wenn auch eine Änderung der Regelung nur einstimmig beschlossen werden kann. Es ist aber außerdem gesagt worden, daß dabei die Grundsätze nicht verfälscht werden dürfen. Das, glaube ich, meine Damen und Herren, muß auch in unserem Interesse liegen; denn es war der Sinn der Schaffung des Gemeinsamen Markts, bestimmten Grundsätzen zum Durchbruch zu verhelfen. Hier sind es die Grundsätze der Präferenz dieses Marktes für uns und der Solidarität der Finanzierung der dadurch entstehenden Lasten. Diese Grundsätze werden von uns akzeptiert. Sie müssen auch die Grundsätze bleiben, nach denen beitrittsbereite Staaten ihren Beitritt ausrichten müssen. Dies offen zu sagen ist, glaube ich, nicht falsch, sondern dient der Deutlichkeit für uns alle.
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Meine Damen und Herren, ich darf die Fragen, die hier aufgetaucht sind, in Kürze zu beantworten versuchen.
Da war die Frage, wie es denn um den Fortschritt auf dem Gebiet der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in Richtung auf eine Wirtschaftsunion stehe. Hier ist ein Termin genannt worden. Der Rat ist nämlich beauftragt worden, im Laufe des Jahres 1970 einen Stufenplan zu entwickeln, der zur Wirtschaftsunion führen soll. Er muß natürlich mit der
Anpassung, der Harmonisierung der Wirtschaftspolitik der beteiligten Länder beginnen. Wir haben alle erlebt, daß das Auseinanderklaffen der Wirtschaftspolitik zu währungspolitischen Folgen führt, die am Ende auch den gemeinsamen Agrarmarkt gefährden. Denn daß der gemeinsame Agrarmarkt vorübergehend teilweise aufgelöst werden mußte, ist ja eine direkte Folge der sich auseinanderbewegenden Wirtschaftspolitiken - das ist ein neues Wort, das im europäischen Bereich entstanden ist - in den verschiedenen Partnerländern.
Es ist ausgeschlossen, daß wir in der Zukunft auf einer Basis in der Beurteilung der Konjunkturpolitik, die so weit auseinanderklafft wie augenblicklich, glauben weiter fortfahren zu können. Wenn in einem Land die Preisentwicklung bei maximal etwa 2 % im Jahr begrenzt werden soll, in einem anderen Partnerland jedoch die Meinung besteht, man könne beruhigt Preissteigerungen auch von 5, 6 % und vielleicht noch mehr in Kauf nehmen, dann kann es keine Harmonisierung der Wirtschaftspolitik geben. Das eben ist der Sinn der Entscheidung, die Wirtschaftspolitik zunächst in einem Stufenplan zu harmonisieren, der mit einer dichteren Konsultationsverpflichtung beginnen wird.
Daran wird sich eine Harmonisierung der Währungspolitik bis hin zu der Schaffung eines Reservefonds anschließen, der die Grundlage für den Weg in die Währungsunion bilden wird, in die gemeinsame Währung der europäischen Länder hinein. Meine Damen und Herren, das ist ein schwerer Weg, dabei werden wir uns in unseren Auffassungen aneinander gewöhnen müssen. Es kommt darauf an, welche Impulse die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitische Überzeugungskraft der einzelnen Partnerstaaten hier für das Ganze zu geben in der Lage sein werden.
Von den Rednern ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß durch die Gipfelkonferenz eine politische Diskussion außerhalb der Organe der Gemeinschaften entstanden ist, die natürlich in sich die Gefahr birgt, daß die Organe der Gemeinschaften dadurch geschwächt werden könnten. Dies allerdings ist nicht die Auffassung der in Den Haag versammelten Delegationen gewesen. Die Regierungs- und Staatschefs haben eindeutig klargemacht, daß sie keine Aushöhlung der Institutionen der EWG hinnehmen wollen. Es war der Bundeskanzler, der die Forderung gestellt hat, die Arbeit des Rates als einer dieser Institutionen zu straffen, die Kommission bessser in den Stand zu setzen, ihre exekutiven Aufgaben wahrzunehmen, besser gesagt, die Kommissionen, sofern man sie heute noch auf die verschiedenen Verträge aufzuteilen genötigt ist, auch wenn sie schon fusioniert sind.
Es ist weiter von allen Delegationen mit aller Deutlichkeit die Notwendigkeit unterstrichen worden, die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments auszuweiten, weil es ausgeschlossen scheint, daß wir den Weg zu einer Vollfinanzierung der Gemeinschaft aus eigenen Mitteln gehen, ohne daß die parlamentarische Kontrolle durch das Europäische Parlament sich laufend dein durch eine Erweiterung des Budgetrechts bis zum vollen Budgetrecht hin anpaßt. Auch die Notwendigkeit der direkten Wahl des Europäischen Parlaments ist eine gemeinsame Überzeugung, wenn auch hier, so möchte ich einmal sagen, die Bereitschaft, zu praktischen Erfolgen zu kommen, bei den verschiedenen Delegationen unterschiedlich stark entwickelt ist. Die Bundesrepublik hat schon in der Vergangenheit den Versuch unternommen, hier einen vermittelnden Vorschlag zu machen, damit wir praktisch weiterkommen. Denn es ist ja nötig, daß der Rat hier mitwirkt, wiewohl es eine parlamentarische Frage ist. Aber das Europäische Parlament hat ja weine Vorschläge vor vielen Jahren gemacht. Meine Kollegen, ich habe selbst an diesen Vorschlägen im Europäischen Parlament noch mitgewirkt. Es ist jetzt am Rat, mehr zu tun. Wir haben, wie Sie wissen, vorgeschlagen, als nächste Stufe, als Übergangsstufe ein Parlament mit doppelter Anzahl von Mitgliedern, aber mit verschiedenen Wahlmodalitäten zu erreichen. Wir werden uns Mühe geben, hier zunächst einmal hinsichtlich der Ausweitung der Befugnisse, dann aber auch in Richtung auf die direkte Wahl des Parlamentes hin alles zu tun, was wir dazu tun können.
Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht zuwenig beachtet worden, daß in diesem Kommunique ein entscheidender Schritt in Richtung auf eine politische Zusammenarbeit getan worden ist. Die Außenminister sind beauftragt worden, in der ersten Hälfte des nächsten Jahres Möglichkeiten zu erörtern und Verfahren auszuarbeiten, die politische Zusammenarbeit in der EWG zu beginnen denn es gibt sie ja formell noch gar nicht -, und zwar zu beginnen im Hinblick auch auf die Erweiterung der EWG. Das würde bedeuten, daß sich die politische Zusammenarbeit jetzt nicht eng beschränkt auf die Sechs, sondern daß diese erweiterte Perspektive bereits zur Grundlage genommen wird.
Politische Zusammenarbeit heißt, daß dieses Europa endlich den weltpolitischen Problemen gegenüber eine gemeinsame Haltung entwickeln muß. Denn wie anders könnte es in der Weltpolitik wieder eine Rolle spielen? Und ich meine, Europa muß wieder eine Rolle spielen in der Weltpolitik!
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Ich kann Herrn Dr. Barzel erklären, daß ich persönlich, dem ja dieser Auftrag für die Bundesrepublik gegeben ist, mir nicht nur alle Mühe geben werde, solche Verfahren in der kürzesten Zeit zu entwickeln, sondern daß ich darüber auch in einem engen Kontakt mit dem Parlament bleiben werde, weil ich weiß, wie viele Impulse und auch wieviel Erfahrungskapital hier im Parlament selbst stecken.
Meine Damen und Herren! Das Europäische Jugendwerk ist im Kommunique nicht besonders erwähnt, wenn Sie nicht die Ziffer 16 zur Grundlage nehmen wollen, in der gesagt ist, daß alle politische Anstrengung innerhalb der EWG wohl nicht zum Erfolge führen wird, wenn es uns nicht gelingt, die junge Generation an all dem, was wir tun, zu beteiligen. Das gerade war ja in den letzten Wochen und Monaten das Bedrückende: daß die jungen Menschen gar nicht mehr verstehen konnten, was wir denn nun eigentlich in Europa treiben, wenn wir dort sitzen und uns in unverständlichen Formulierungen darüber unterhalten, wie wir uns gegenseitig diesen und jenen kleinen materiellen Vorteil verschaffen können und wie wir uns gegenseitig gegen andere materielle Bedrohungen schützen können. Deswegen war es so wichtig, meine Damen und Herren, daß diese Gipfelkonferenz in Den Haag neue politische Impulse setzte; deswegen war es so wichtig, daß wir über das Europäische Jugendwerk gesprochen haben.
Alle Delegationen haben, vor allem und an der Spitze die französische Delegation durch den Mund des französischen Staatspräsidenten, die Anregung des Bundeskanzlers aufgenommen, auf den Erfahrungen des Deutsch-Französischen Jugendwerks aufbauend ein Europäisches Jugendwerk zu schaffen. Wenn uns das gelingt, dann sind wir einen Schritt weitergekommen duf dein Wege hin zu einem politisch einigen Europa.
Meine verehrten Damen und Herren, wenn mich eins beeindruckt hat, dann war es die Tatsache, daß wir in Den Haag auf der Fahrt zum Verhandlungssaal an Hunderten von Metern demonstrierender junger Menschen vorbeikamen. Das Bemerkenswerte war, daß diese jungen Menschen für das demonstierten, was wir im Saal uns selbst zu erreichen vorgenommen hatten.
Ich habe, als ich gefragt wurde, was ich von den Demonstranten draußen hielte, gesagt: Wenn ich nicht verpflichtet wäre, hier im Saal mitzuarbeiten, würde ich jetzt bei diesen Demonstranten stehen, die für ein besseres Europa demonstrieren, das wir nicht nur erreichen wollen, sondern das wir erreichen müssen. Einen kleinen Schritt auf diesem Wege sind wir vorwärtsgekommen.
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Wird zu Punkt 4 der Tagesordnung noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Ich rufe dann Punkt 5 a der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts im Land Berlin
- Drucksache VI/46 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen ({0})
- Drucksache VI/105 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gatzen ({1})
Ich rufe gleichzeitig Punkt 5 b der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Müller ({2}), Benda, Dr. Gradl, Wohlrabe und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schlußtermins für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts im Land Berlin
- Drucksache VI/55 - Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen ({3})
- Drucksache VI/105 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gatzen ({4})
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Gatzen, zum Bericht über beide Vorlagen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Vorlage in Drucksache VI/105 behandelt, ist eilbedürftig. Das Gesetz soll zum 1. Januar 1970 in Kraft treten, und es bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Ich fasse mich deswegen kurz, zumal da möglicherweise auch noch einige Kolleginnen und Kollegen dazu das Wort ergreifen wollen.
Ich verweise in der Hauptsache auf den Schriftlichen Bericht. Ich bitte Sie, folgende Korrektur vorzunehmen. In Drucksache VI/105 lesen Sie auf Seite 7 unter Art. III - Änderung sonstiger Vorschriften - in § 1:
1. In § 23 Abs. 1 Satz 2 wird das Datum
„31. Dezember 1969" durch das Datum
„31. Dezember 1970" ersetzt;
Es muß statt „1970" „1972" heißen.
Im übrigen wird durch diese Vorlage, wenn sie Gesetz werden sollte, das Problem natürlich nicht gelöst. Es wird in erster Linie sichtbarer gemacht, und man gewinnt für seine Lösung drei weitere Jahre Zeit. Die Herren des Berliner Senats haben darauf hingewiesen, daß in den nächsten drei Jahren pro Jahr etwa 20 000 Wohnungen in Berlin neu gebaut werden sollen. Die Frage ist, ob damit nach drei Jahren in der Tat ein freier und moderner Wohnungsmarkt in Berlin ermöglicht werden wird. Das wäre im Interesse aller zu wünschen. Dieses Ziel, in Berlin einen leistungsfähigen und modernen Wohnungsmarkt zu haben, ist wie in jeder deutschen Stadt in erster Linie eine wirtschaftliche Aufgabe. Aber es ist darüber hinaus, gerade auch bezogen auf Berlin, sicher mehr als in jeder anderen deutschen Stadt eine politische Aufgabe. Ich bin gewiß, diese Feststellung nicht zum erstenmal in diesem Hohen Haus getroffen zu haben.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung machen, meine Damen und Herren, die nur mittelbar mit dem jetzt zur Debatte stehenden Gegenstand zusammenhängt. In der öffentlichen Diskussion um dieses Thema ist darauf hingewiesen worden, daß in vielen Städten und Gemeinden in der Bundesrepublik praktisch zu jedem Monatsbeginn kommunale Gebühren erhöht werden, die nicht selten auch auf die Mieten durchschlagen. Es wäre sicher hilfreich und praktisch, einmal anzuregen, daß derartige Gebührenhaushalte bzw. Erhöhungen von Gebühren nicht alle Monate in Kraft treten, sondern möglichst an den Quartalsbeginn gebunden werden.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Senator Horst Grabert, Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, im Namen des Senats von Berlin für das Verständnis zu danken, das Sie den Belangen des Landes Berlin auch in diesem Zusammenhang des Mieterschutzes und der Mietpreisbindung entgegenbringen. Alle im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sind sich darüber einig, daß die Beibehaltung der Mietpreisbindung und des Mieterschutzes im Lande Berlin notwendig ist. Die Lage am Wohnungsmarkt und die besondere politische Situation der Stadt lassen es nicht zu, daß der Mieterschutz und die Mietpreisbindung entsprechend der derzeitigen Rechtslage am 31. Dezember 1969 aufgehoben werden. Um die Lebensfähigkeit der Stadt und ihre Wirtschaftskraft zu halten und zu stärken, ist Berlin nicht nur auf das Verbleiben der jungen arbeitsfähigen Bevölkerung, sondern in starkem Maße auch auf den Zuzug von Arbeitskräften, möglichst junger Familien, die sich dort ansiedeln wollen, angewiesen. Dafür ist guter Wohnraum zu angemessenen Preisen eine zwingende Voraussetzung. Ich darf hier an den Bericht des Herrn Berichterstatters erinnern, der von den Ausführungen meines Kollegen im Ausschuß berichtet hat.
Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen, deren Annahme der Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen dem Hohen Haus empfohlen hat, entsprechen voll den Vorstellungen der den Senat von Berlin tragenden Parteien und haben deren Zustimmung gefunden. Wir wären Ihnen dankbar, wenn dieser Gesetzentwurf
Ihre Billigung finden und möglichst bald Gesetzeskraft erlangen könnte.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf auf Drucksache VI/105. Ich rufe die Art. I, II, III mit der vom Berichterstatter erwähnten Berichtigung und IV, die Einleitung und die Überschrift in zweiter Beratung auf. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einige Enthaltungen, im übrigen Annahme.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Anträge liegen nicht vor. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei 3 Enthaltungen
({0})
angenommen.
Wir haben dann noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 zu beschließen, den Gesetzentwurf Drucksache VI/55 für erledigt zu erklären. - Auch. hier ist das Haus einverstanden.
Die Punkte 6 bis 9 sollen am Freitag aufgerufen werden.
Damit stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 4. Dezember 1969, 14 Uhr, zur Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.