Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage des Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) und der Fraktion der CDU/ CSU
betr. Lage der Städte und Gemeinden - Drucksachen VI/2429, VI/2600 Wir fahren in der Aussprache fort. Bisher liegen zwei Wortmeldungen vor, von Herrn Abgeordneten Erpenbeck und Herrn Bundesminister Dr. Lauritzen. Ich erteile dem Abgeordneten Erpenbeck das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Städte und Gemeinden haben es sicher verdient, daß ihre Sorgen in diesem Hause ernst genommen und diskutiert werden. Wenn schon die Schriftliche Antwort der Bundesregierung weder umfassend noch konkret genug ist, hätte man zumindest erwarten dürfen, daß durch die Sprecher der Koalition eine dem Thema angemessene sachgerechte Auseinandersetzung geführt worden wäre. Statt dessen hat der erste Sprecher der Koalition, Herr Professor Schäfer, es für angebracht gehalten, mit demagogischen Unterstellungen zu operieren, die hier nicht unwidersprochen bleiben können. Da Sie, Herr Professor Schäfer, mich namentlich angesprochen haben, darf ich folgendes gleichzeitig im Namen der CDU/ CSU-Fraktion sagen.
Erstens. Es ist eine bewußt bösartige Verdächtigung, daß der CDU/CSU in ihren Entscheidungen zum Städtebau und zur Wohnungs- und Mietenpolitik die Grundstücksspekulanten in mancher Beziehung näher ständen als die Interessen der Gemeinden. So Ihre Ausführungen gestern.
({0})
Meine Damen und Herren, das ist bösartig und unwahr. Es sind doch nicht Mitglieder der CDU/CSU, die in irgendeinem Stadtrat oder auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Landtages von
Nordrhein-Westfalen im Mittelpunkt von Spekulationsskandalen stehen. Da braucht doch nicht uns die Schamröte ins Gesicht zu steigen, wie Kollege Haar hier gestern meinte.
Zweitens. Es ist eine ebenso bösartige und unqualifizierte Behauptung von Ihnen, Herr Professor Schäfer, wenn Sie formulieren - ich zitiere nach meinem Stenogramm -: Sie - also die CDU CSU - wollen doch um des Profits willen die Menschen heimatlos machen; Sie wollen doch, daß man ihnen kündigen kann, daß sie wegen 50 DM mehr von einer Ecke zur anderen umziehen müssen, im Leben drei- und viermal.
({1})
Herr Professor Schäfer, meine Damen und Herren von der Koalition, wer hat denn das soziale Miet- und Wohnrecht geschaffen? Von wem ist die Aufnahme der Sozialklausel in das Bürgerliche Gesetzbuch vorgeschlagen und durchgesetzt worden, unter welcher Verantwortung, welcher Regierung, ist das geschehen, und wer hat sich denn in diesem Hause bis zum heutigen Tage gegen eine Erhöhung der Mieten auf breiter Front im ganzen Bundesgebiet gewehrt? Das waren doch nicht Sie, sondern das war die CDU/CSU!
({2})
Drittens. Es dürfte dem Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages eigentlich nicht unbekannt sein, daß das Städtebauförderungsgesetz weder eine Erfindung der SPD ist noch von der SPD/FDP allein realisiert werden konnte. Der Gedanke der Stadterneuerung und der Gemeindeentwicklung ist 1964 in die parlamentarische Beratung hier im Plenum des Bundestages vom damaligen Städte- und Wohnungsbauminister Lücke eingeführt worden.
({3})
Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 19. Juli 1971 einstimmig verabschiedet. Erst durch unser entschiedenes Eintreten gegen alle Sozialisierungs- und Kommunalisierungstendenzen wurde das möglich. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, so glauben Sie es vielleicht Ihrem Parteifreund, dem Bürgermeister der Stadt Bremen, der noch als amtierender Bundesratspräsident in der Septembernummer des „Deutschen Städtetages" schrieb - ich zitiere Herrn Bürgemeinster Hans Koschnick -:
In der jungen Geschichte unserer Bundesrepublik gibt es kaum ein Projekt der Gesetzgebung, das wie dieses in zähem Ringen von Legislaturperiode zu Legislaturperiode, von Entwurf zu Entwurf,
({4})
zunächst von der Öffentlichkeit kaum beachtet und gewürdigt, ganz in das Zentrum gesellschaftpolitischer Konfrontation vorgestoßen ist, um dann schließlich von beiden Legislativorganen, vom Bundestag und Bundesrat, einstimmig verabschiedet zu werden. Darin liegt für mich die grundsätzliche Bedeutung dieses Vorganges. Er hat deutlich gemacht, wie die Öffentlichkeit zunehmend die Probleme einer urbanisierten Gesellschaft beachtet, Lösungen verlangt und die Politik zwingt, Farbe zu bekennen. Er hat aber auch gezeigt, daß selbst zu so grundlegenden Fragen wie zu denen nach dem Maß der sozialen Bindung des Eigentums und nach dem Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Gemeinschaft und den Interessen des einzelnen unter dem Druck der Tatsachen auch von unterschiedlichem politischen Standort aus gemeinsam getragene Lösungen möglich sind.
So weit Hans Koschnick.
Meine Damen und Herren, das Städtebauförderungsgesetz ist eine Gemeinschaftsleistung, und auch Sie können durch Ihre immer wiederholten Unterstellungen daran nichts ändern.
Hier ist aber noch etwas anderes zu sagen. In der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage zur Lage der Städte und Gemeinden heißt es:
Der Bundesgesetzgeber hat mit dem nunmehr in Kraft getretenen Städtebauförderungsgesetz die notwendigen rechtlichen Handhaben zur Verfügung gestellt, um Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen mit der gebotenen Beschleunigung durchführen zu können.
So weit die Antwort.
Meine Damen und Herren, diese Feststellung übergeht in ihrer frappierenden Naivität einfach die Tatsache, daß zur Anwendung des Instrumentariums im konkreten Fall Geld gehört. Wenn die Gemeindefinanzsituation nicht positiv verändert wird, kann die notwendige Stadterneuerung nicht erfolgen. Darüber können alle Vernebelungstaktiken nicht hinwegtäuschen. Warum fehlt denn der Bundesregierung die Einsicht oder der Mut, die verfassungsrechtliche Möglichkeit des Hebesatzrechtes für die Gemeinden zu realisieren? Allerdings ist dazu notwendig, daß die Gesamtsteuerlast überhaupt einen Spielraum dafür läßt, daß die Gemeinden innerhalb dieses ihres Hebesatzrechtes dann auch tatsächlich mehr Geld in ihre Kassen bekommen können.
({5})
Warum sträuben sich Regierung und Koalition gegen zusätzliche Anreize, die privates Kapital mobilisieren und aktivieren? Gemeinden, Länder und Bund sind doch nicht in der Lage, die Lücken fehlender
privater Investitionen mit öffentlichen Mitteln zu füllen. Das wird nirgendwo deutlicher als im Wohnungsbau.
Die Methode, die tatsächliche Misere mit falschen Behauptungen gegenüber der früheren Wohnungspolitik zu kaschieren - das haben Sie hier gestern wieder getan, Herr Professor Schäfer , zieht doch heute nicht mehr. Die gleiche Regierung, die in ihrem Wohnreport 1971 noch zugegeben hat, daß die Bundesrepublik in den vergangenen 20 Jahren den Weltrekord im Wohnungsbau hielt, behauptet jetzt, die Zustände auf dem Wohnungsmarkt seien entscheidend auf die Fehler und Versäumnisse der früheren Wohnungspolitik zurückzuführen. Wen will denn diese Bundesregierung eigentlich für dumm verkaufen? 17 Jahre verantwortliche Wohnungspolitik der CDU CSU sprechen eine klare Sprache. Die Bundesrepublik Deutschland stand im Wohnungsbau an der Spitze so auch im Wohreport 1971 von dieser Bundesregierung geschrieben. Aber die heutige Inflation läßt solche Leistungen nicht mehr zu.
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Ich darf den Beweis mit einem Beispiel führen. Die Gesamtinvestition im Wohnungsbau im Jahre 1971 beträgt laut Rechnung der Statistik 32 Milliarden DM. Bei einer durchschnittlichen Steigerung der Baukosten von 23,5 % in eineinhalb Jahren - auch eine statistisch untermauerte Zahl sind das runde acht Milliarden, die von der Inflation gefressen wurden. Das sind über 100 000 Wohnungen. Mindestens 100 000 Wohnungen sind allein in diesem Jahr Opfer der Inflation.
({7})
Das sind die Sorgen in unseren Räten und Verwaltungen der Städte und Gemeinden. Darüber sollte hier geredet werden. Dazu sollte man mindestens auch von der Regierung und der Koalition sagen, daß man mit der inflationären Politik aufhören will, daß man sich zuallererst um Stabilität bemühen will. Dann kann man auch Prioritäten setzen, Prioritäten, die gerade im Aufgabenbereich der Gemeinden liegen: zur Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge für die Bürger.
Meine Damen und Herren, es mutet schäbig an, wenn man statt dessen mit demagogischen Unterstellungen der CDU/CSU-Fraktion die Sorgen um unsere Städte und Gemeinden, die sie in ihrer Großen Anfrage zum Ausdruck gebracht hat, um eines billigen politischen Effektes willen in der Form vorhält, in der das gestern hier von Professor Schäfer geschehen ist.
({8})
Das Wort hat der Bundesminister Lauritzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen des Kollegen Erpenbeck bedürfen in einigen Punkten einer ganz klaren Richtigstellung.
Herr Kollege Erpenbeck, wir werden in diesem Jahr - 1971 - in der Bundesrepublik ein Fertigstellungsergebnis haben, das bei 520 000 Wohnungen - vielleicht sogar noch etwas darüber liegen wird. Das ist eine erhebliche Zunahme gegenüber dem Rückgang in den letzten Jahren.
({0})
Sie wissen alle, daß Bund und Länder gemeinsam den Wohnungsbau finanzieren und daß der Bundesanteil jahrelang rückläufig gewesen ist. Er steigt in diesem Jahr etwa auf 40 %, während der Länderanteil immer noch bei 60 % liegt.
({1})
- Nein, nein! Das absolute Tief in der Wohnungsbaufinanzierung lag beim Bund im Jahre 1966, in dem der Bundesanteil auf unter 8 % abgefallen war. Um von 1966 bis heute auf 40 % Bundesanteil zu kommen, war eine große Anstrengung notwendig. Damit erreichen wir jetzt auch wieder eine erhebliche Zunahme des Umfangs des sozialen Wohnungsbaus. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 1971 sind die Bewilligungen im sozialen Wohnungsbau um 14 % gestiegen. Das macht deutlich, daß hier das langfristige Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung schon die ersten Erfolge zeigt. Die Zunahme der Bewilligungen, die Zunahme der Baugenehmigungen, die Zunahme der Hypothekenzusagen der öffentlichen und privaten Bankinstitute und Sparkassen zeigen, daß wir in das Jahr 1972 mit einem großen Überhang an nicht fertiggestellten Wohnungen hineingehen werden. Wir können damit rechnen, daß wir auch im nächsten Jahr in der Bundesrepublik wieder über 500 000 Wohnungen erstellen werden. Das macht deutlich, welch erhebliche Anstrengungen die Bundesregierung unternommen hat, um aus dem Tief des Jahres 1966 herauszukommen und wieder mit wesentlich mehr öffentlichen Mitteln des Bundes den sozialen Wohnungsbau zu fördern.
Die ersten Auswirkungen unseres langfristigen Wohnungsbauprogramms bestehen darin, daß schon in diesem Jahr die Bundesregierung den Ländern 250 Millionen DM für ein besonderes soziales Intensivprogramm zusätzlich zur Verfügung gestellt hat und daß sie im Regionalprogramm allein mit öffentlichen Mitteln des Bundes 50 000 Wohnungen jährlich fördern wird. Insgesamt gesehen - das haben die Beratungen des Bundeshaushalts gezeigt - ist das finanzielle Volumen für den Wohnungsbau und den Städtebau in den letzten Jahren ganz erheblich angewachsen. Das Volumen des Haushalts betrug 1961 ganze 1,6 Milliarden DM. Es betrug im Jahre 1970 1,9 Milliarden DM, und es steigt im Jahre 1972 auf 3,4 Milliarden DM. Das macht deutlich, welche erheblichen finanziellen Anstrengungen gerade diese Bundesregierung unternimmt, um den öffentlichen Wohnungsbau zu fördern.
({2})
- Ich habe ja die Bauzahlen genannt. Sie werden
das am Ende des Jahres sehen. Ich schätze, daß wir
auf 530 000 bis 540 000 Wohnungen kommen werden. Damit liegen wir erheblich über - ({3})
- Auch im sozialen Wohnungsbau. Ich habe Ihnen doch die Zahlen genannt. Es nützt alles nichts: das Tief im Wohnungsbau, das diese Bundesregierung übernommen hat, ist mit erheblichen finanziellen Anstrengungen ganz entscheidend überwunden worden.
({4})
Insgesamt gibt die Bundesregierung im Jahre 1971 für Wohnungen überhaupt - Grundförderung, Intensivförderung, Regionalprogramm, Flüchtlingswohnungsbau, Bundesbedienstetenwohnungsbau, Sonderprogramme - 970 Millionen DM aus, und sie will ihre Anstrengungen im nächsten Jahr auf 1,1 Milliarden DM erhöhen. Das sind effektive Zahlen. Sie sind allerdings auch notwendig, um den sozialen Wohnungsbau wieder auf die Höhe zu bringen, die wir für unbedingt erforderlich halten. Ich meine, etwa die Hälfte aller hergestellten Wohnungen sollten öffentlich geförderte und Sozialwohnungen sein. Hier wird deutlich, daß der Wohnungsbau ein Schwerpunkt unserer Politik ist und daß die sozialliberale Koalition dieser Aufgabe einen sehr hohen Stellenwert beimißt.
Damit im Zusammenhang stehen auch die Probleme, die sich gestern und heute aus der Diskussion über das Städtebauförderungsgesetz ergeben haben. Es ist doch nicht zu verkennen, daß zwei frühere Wohnungsbauminister sicherlich erhebliche Anstrengungen unternommen haben, damit der Bundestag ein Städtebauförderungsgesetz verabschiedet. Aber Sie haben es nicht erreicht. Leider ist eine sehr umfangreiche Arbeit, auch Öffentlichkeitsarbeit, notwendig gewesen, um einmal deutlich zu machen, worum es uns bei diesem Problem der Stadterneuerung geht. Heute ist das Städtebauförderungsgesetz ein fester Bestandteil der Bundespolitik, der Landespolitik und der Kommunalpolitik. Wenn heute über die politische Arbeit der Vergangenheit und der Gegenwart geredet wird, steht erfreulicherweise das Städtebauförderungsgesetz immer mitten in der Diskussion. Das können Sie ständig erleben. Ich hätte es allerdings auch begrüßt, wenn es gelungen wäre, dieses Gesetz früher zu verabschieden. An unseren Anstrengungen hat es dabei nicht gefehlt, aber an einiger Unterstützung aus der Partei, die heute in der Opposition ist.
({5})
Bereits nach kurzer Zeit - das Städtebauförderungsgesetz ist am 1. August dieses Jahres in Kraft getreten - ist eine erhebliche finanzielle Hilfe an die Gemeinden gegangen.
({6})
Es ist gelungen, sich in 12 Wochen mit 11 Ländern über die Verteilung von 100 Millionen DM zu verständigen. Das war keine leichte Aufgabe, und ich bin überrascht, daß es in so kurzer Zeit gelungen ist. Ich bin den Ländern sehr dankbar dafür, daß sie sich
nach erfolgreicher Vorbereitung so schnell mit uns haben abstimmen können.
Aber man muß sich endlich einmal von einem Irrtum befreien: Wir wollen doch nicht mit den Mitteln, die im Städtebauförderungsgesetz stehen, Städtebau betreiben, sondern wir wollen mit diesen Mitteln die Gemeinden von den unrentierlichen Kosten freihalten, die zur Vorbereitung der Sanierung notwendig sind. Das, was gebaut werden muß, muß wie bisher finanziert werden: der Wohnungsbau, der Straßenbau, die öffentlichen Einrichtungen. Das kann nicht aus Mitteln des Städtebauförderungsgesetzes finanziert werden. Das war auch nie unsere Absicht. Wenn wir den Gemeinden in diesem Jahr 100 Millionen DM geben, im nächsten Jahr 150 und im Jahre 1973 300 Millionen DM, dann macht das deutlich, daß hier zur Vorbereitung und Einleitung der Sanierung so erhebliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können, daß immerhin noch in diesem Jahr in der Bundesrepublik 210 Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen gefördert werden. Das ist doch schon ein erheblicher Anfang, wenn damit nicht nur die rechtliche, sondern auch die finanzielle Voraussetzung zum Beginn der Sanierung gegeben ist. Daß wir alle den Wunsch haben, in einigen Jahren mehr Geld dafür zur Verfügung zu haben, wird, glaube ich, jeder bestätigen. Nur um die Finanzierung in Gang zu setzen, um sie anzufinanzieren, sind das entscheidende Mittel, wenn Sie sich einmal überlegen, daß Bundesmittel - ({7})
- Nun, Herr Erpenbeck, Sie und alle wissen doch, wie es in der Entwicklung der Bauwirtschaft aussieht. Wir haben bereits eine wesentliche Beruhigung der Kosten und der Auftragslage. Ich habe noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, daß wir durch stärkere Rationalisierung, Industrialisierung und Technisierung endlich dahin kommen, daß die Explosion der Baukosten aufhört, daß der ständige Bauboom nicht zu einem ständigen Boom der Kosten führt, sondern daß wir endlich eine Kostenentwicklung erreichen, die ein schnelleres, besseres und auch billigeres Bauen ermöglicht.
Langer Rede kurzer Sinn, meine Damen und Herren: Städtebau und Wohnungsbau sind das haben die bisherigen gesetzgeberischen Arbeiten, die Beratungen am Bundeshaushalt deutlich gemacht - nicht nur Schwerpunkte unserer Politik, sondern sie sind eine wesentliche Hilfe für die Städte und Gemeinden, insbesondere auch, wenn es darum geht, modernen Wohnungsbau und modernen Städtebau zu betreiben.
Bitte, eine Zwischenfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit zuzugeben, daß schon nach dem Umlegungsverfahren des Bundesbaugesetzes die Möglichkeit bestanden hat, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen? Sind sie in der
Lage mitzuteilen, wieviel solcher Maßnahmen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Städtebauförderungsgesetzes angelaufen waren und wieviel Millionen Sie dafür haben zur Verfügung stellen können?
Wieviel Millionen dafür zur Verfügung gestellt worden sind, kann ich aus dem Handgelenk nicht sagen. Sanierungsmaßnahmen sind angelaufen. Nur hat sich immer wieder gezeigt --das werden Sie auch in Ihrer Stadt feststellen -, daß viele Maßnahmen bisher nicht realisiert werden konnten, weil die Rechtsbehelfe dafür fehlten, und Pläne geblieben sind. Damit wir endlich aus dem Stadium des Planens zum wirklichen Städtebau kommen, brauchen wir dieses Gesetz. Wir werden einen Teil der Maßnahmen, die bisher schon anlaufen, in der Finanzierung auf dieses Gesetz überleiten.
({0})
- Natürlich! Aber diese 100 Millionen sind doch zusätzlich. Sie gehen über die bisherigen Mittel hinaus, und sie steigen in den nächsten Jahren. Ich glaube, wir sind uns einig darin, daß hier schon etwas Entscheidendes geschehen ist, und wir sind entschlossen, das auch fortzuführen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Antrag wird nicht gestellt. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Punkt 3 kann ich noch nicht aufrufen, weil der Bericht des Hushaltsausschusses, der zur Aussprache notwendig ist, noch nicht vorliegt. Sie wissen, daß der Ausschuß in Berlin tagt. Man hat mir gesagt, daß das Ergebnis der Aussschußberatung gegen halb elf Uhr durchtelefoniert werde. Um diese Zeit etwa wird der Punkt aufgerufen werden.
Ich rufe auf Punkt 4:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung der Leistungen der Zusatzversicherungsanstalten des öffentlichen Dienstes
- Drucksache VI/2095 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache VI/2738
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Tamblé
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache VI/2737
Berichterstatter: Abgeordneter Becker
({2})
({3}) Berichterstattung wird verzichtet.
Ich rufe auf die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 in der abgeänderten Fassung, 8, 9, 10, Einleitung und ÜberVizepräsident Dr. Schmid
schrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wer in der
dritten Beratung
dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir müssen nun noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages auf Drucksache VI/2737 abstimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. -- Keine Gegenstimmen und Enthaltungen. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr ({4})
Drucksache VI/2181 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5})
Drucksache VI/2742 Berichterstatter: Abgeordneter Engelsberger ({6})
Auf Berichterstattung wird verzichtet.
Auch hier handelt es sich um ein Gesetz, das nicht kontrovers ist.
Wir kommen zur Abstimmung: §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. Gegenprobe! Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus
Drucksache VI/2767 - Wer begründet das Gesetz?
({7})
- Bitte?
({8})
Ich kann nicht mehr tun als fragen, wer die Vorlage begründet.
({9})
- Sie wird offenbar nicht begründet. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. - Bitte, Herr Abgeordneter!
({10})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion darf ich zu dem vorliegenden Punkt - ich schließe gleich die vorgesehene Branntweinsteuererhöhung ein - folgende Erklärung abgeben.
Mit dem Gesetzentwurf über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus beabsichtigt die Bundesregierung, Deckungslücken bei den laufenden Haushaltseinnahmen des Bundes und der Gemeinden zu schließen, um den Straßenbau in dem für erforderlich gehaltenen Maße voranzutreiben. Diese Deckungslücken sollen dadurch geschlossen werden, daß die Mineralölsteuer für Treibstoffe, d. h. für Benzin, Dieselöl und Flüssiggas, ab 1. Januar 1972 mit 4 Pf je Liter erhöht wird. Das daraus erwartete Mehraufkommen von 1,3 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1972, von 1,5 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1973 und von 1,6 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1974 soll für den Straßenbau zweckgebunden sein und zu drei Vierteln den Gemeinden und zu einem Viertel dem Bund zufließen.
In dem Gesetzentwurf wird ferner vorgesehen, die Progression der Kraftfahrzeugsteuer für schwere Lastkraftwagen zu verstärken. Mit diesem Vorschlag wird beabsichtigt, das zum Jahresende auslaufende Straßengüterverkehr-Steuergesetz zu ersetzen. Aus der Kraftfahrzeugsteuererhöhung, die in erster Linie schwere Lastkraftwagen treffen soll, erwartet die Bundesregierung ein den Ländern zufließendes Kraftfahrzeugsteuermehraufkommen von 250 Millionen DM jährlich.
Mit der Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol schlägt die Bundesregierung vor, die Branntweinsteuer zu erhöhen. Das Mehraufkommen soll mit weiter vorgesehenen Verbrauchsteuererhöhungen - die Erhöhung der Tabaksteuer steht uns noch bevor - dazu dienen, die im Haushalt 1972 und in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Ausgaben voll abzudecken. Die Branntweinsteuer soll von 1200 DM je Hektoliter Weingeist um 300 DM auf 1500 DM je Hektoliter Weingeist angehoben werden. Eine Nachversteuerung größerer Lagervorräte ist vorgesehen.
Aus diesen Steuererhöhungen erwartet die Bundesregierung an Mehreinnahmen für den Bund 1972 500 Millionen DM, für die nachfolgenden Jahre 1973 610 Millionen, 1974 640 Millionen und 1975 670 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, zu den angekündigten Steuererhöhungsplänen der Bundesregierung hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits in mehreren Verlautbarungen festgelegt und Steuererhöhungen unter den gegenwärtigen Bedingungen abgelehnt.
Ihre Zustimmung zu Steuererhöhungen hat die Fraktion von vier Voraussetzungen abhängig gemacht: Erstens Wiedergewinnung der Stabilität,
({0})
zweitens Herbeiführung eines mit Ländern und Gemeinden abgestimmten Gesamtkonzepts über Rangordnung und Zeitfolge für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben,
({1})
drittens konjunkturgerechtes Ausgabeverhalten des Bundes, viertens klare Absage an alle unerfüllbaren Reformversprechungen.
({2})
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß, solange nicht alle Kräfte auf diese Ziele hin ausgerichtet werden, Steuererhöhungen im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dazu dienen, die Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften zu verbessern, sondern lediglich dazu, die Folgen der Inflationspolitik, die sich nunmehr in den öffentlichen Haushalten in verstärktem Umfange bemerkbar machen, teilweise auszugleichen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt auch das Argument der Bundesregierung ab, die Steuererhöhungen würden wegen der Mehranforderung der Länder und Gemeinden erforderlich werden. Die Forderungen der Länder und Gemeinden an den Bund sind nichts anderes als eine Folge der Inflationspolitik und der Tatsache, daß die finanziellen Folgen der Reformprogramme im wesentlichen Ländern und Gemeinden zur Last fallen, ohne daß sie hierfür eine entsprechende Finanzausstattung erhalten.
Es ist nicht Sache der Opposition, sich mit den Fehlern der Regierung zu identifizieren und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Diese Überlegung schließt von vornherein eine Zustimmung aus. Fehler der Regierung werden politisch nur wirksam, wenn sie spürbar sind. Genau dies tritt mit den vorgeschlagenen Steuererhöhungen ein.
Länder und Gemeinden machen geltend, daß ein Rückgang der öffentlichen Investitionen von ihnen nicht hingenommen werden kann. Dieser Gesichtspunkt erschwert zwar eine Ablehnung, diese Folgen gehen jedoch auf das Konto der Regierung. Wäre die Bundesregierung bereit, offen zu bekennen, daß durch ihre Politik jede vernünftige Finanzplanung in Bund, Ländern und Gemeinden in Frage gestellt worden sei, so würde auch die Opposition über Steuererhöhungen mit sich sprechen lassen.
Die Bundesregierung will jedoch ihre verfehlte Politik nicht offen eingestehen. Sie versucht, die von ihr vorgeschlagenen Verbrauchsteuererhöhungen so zu verkaufen, als ob diese die Basis für eine echte, zusätzliche Hilfe für Länder und Gemeinden
abgeben würde. Das kann jedoch nicht der Fall sein, weil diese Steuererhöhungen nur als Palliativmittel benutzt werden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.
Herr Bundesminister Schiller hat gestern drei Fragen an meine Fraktion gerichtet. Die erste: Die Opposition soll erklären, ob der Bundeshaushalt ausgewertet werden soll oder nicht. Darauf antworte ich: Die Bundesregierung muß im Interesse der Wiedergewinnung der Stabilität einen konjunkturgerechten Bundeshaushalt vorlegen. Ob dieser Bundeshaushalt als konjunkturgerecht beurteilt werden kann, ergibt sich erst, wenn wir in die zweite Lesung eintreten. Erst dann liegen die Fakten auf dem Tisch, die eine abschließende Beurteilung des Bundeshaushalts für 1972 ermöglichen.
Die zweite Frage lautete: Sollen Länder und Gemeinden mehr Mittel erhalten oder nicht? Darauf antworte ich: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion anerkennt den erheblichen Finanzbedarf von Ländern und Gemeinden auf allen Gebieten der öffentlichen Aufgaben und nicht nur auf dem des Verkehrs. Sie ist jedoch - um die Beantwortung der dritten Frage gleich hinzuzunehmen: Wie steht die Opposition zu den drei vorgeschlagenen Steuererhöhungen? - nicht so zu beantworten, wie die Bundesregierung dies tun will.
Zum 1. Januar 1970 ist die von der Großen Koalition in der letzten Legislaturperiode verabschiedete Finanzverfassungsreform in Kraft getreten. Sie anerkennt genauso, wie das schon in der Vergangenheit der Fall war, daß die Aufgabenerfüllung bei Bund, Ländern und Gemeinden gleichrangig nebeneinander steht, und daher sieht sie vor, daß jeder der drei Ebenen die finanzielle Ausstattung gegeben wird, die sie in den Stand setzt, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dabei ist vorgesehen, daß, wenn die Konnexität zwischen Aufgaben- und Ausgabenverantwortung dazu führt, daß die vorhandenen Deckungsmittel die Ausgaben nicht finanzieren lassen, an eine Neuverteilung der Steuerquellen bzw. der Steuereinnahmen herangegangen werden muß. Wer den Gemeinden nachhaltig zur Befriedigung ihrer wichtigen Bedürfnisse Mittel zur Verfügung stellen will, muß ihre eigenen Steuermittel und Steuerquellen verstärken, die ihnen die Gewinnung zweckfrei zu verwendender Mittel ermöglichen.
Wie wir gestern schon gehört haben, können die Gemeinden nicht darauf verwiesen werden, weitere Mittel aus den Steuerquellen zu schöpfen, über die sie selbst durch Änderung der Hebesätze beschließen. Den Gemeinden kann nachhaltig nur geholfen werden durch die Einräumung eines höheren Anteils an der Einkommensteuer.
Wenn ich dies sage, so sind meine Freunde und ich uns darüber einig, daß die Einräumung eines höheren Anteils der Gemeinden an der Einkommensteuer selbstverständlich Konsequenzen für den Gesamthaushalt auslöst. Man kann nicht Mittel vom Bund und von den Ländern abziehen und sie den Gemeinden geben, ohne daß man Vorstellungen darüber hat, wie die entstehende Deckungslücke
geschlossen werden kann. Ich komme auf dieses Problem zurück.
Die Bedürfnisse der Länder sind durch eine Korrektur des vertikalen Finanzausgleichs zu befriedigen. Die Länder fordern daher zu Recht eine Anhebung ihres Anteils an der Umsatzsteuer, der sowieso mit der Finanzverfassungsreform in Höhe von 30 v. H. nur für zwei Jahre beschlossen worden war. Es liegt nicht an den Ländern, wenn die Verhandlungen über die Erhöhung ihres Anteils an der Umsatzsteuer noch nicht zum Abschluß gekommen sind.
Daß die Länder den Satz ihrer Beteiligung an der Umsatzsteuer höher festgesetzt haben möchten, ergab sich ganz von selbst als Konsequenz aus der Regierungserklärung 1969, die wesentliche Reformen ankündigte, welche zum überwiegenden Teil in erster Linie von den Ländern zu finanzieren waren. Die Erhöhung des Anteils an der Umsatzsteuer ist die Konsequenz der neuen Aufgabenzuteilung an die Länder. Diese Frage hätte also längst abschließend zwischen Bund und Ländern beraten sein können, wenn die Bundesregierung rechtzeitig die Konsequenz aus ihren Ankündigungen von 1969 gezogen hätte.
Mehr Umsatzsteuer an die Länder verringert das Steueraufkommen des Bundes. Damit komme ich auf das Problem zurück: Woher soll der Gesamthaushalt die Deckungsmasse nehmen, die erforderlich ist, um sowohl den Bund als auch die Länder und Gemeinden ausreichend auszustatten? Sollte sich nach der Herbeiführung eines mit Ländern und Gemeinden abgestimmten Gesamtkonzepts über Rangordnung und Zeitfolge für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ergeben, daß die Gesamtdeckungsmittel zur Befriedigung der Haushalte der öffentlichen Hand beim jetzigen Steueraufkommen nicht ausreichen, und sollte sich zugleich ergeben, daß eine Vernachlässigung wesentlicher Aufgaben nicht in Kauf genommen werden kann, so stellt sich nunmehr die Frage nach Steuererhöhungen.
Diese Darstellung - das möchte ich ausdrücklich sagen - stellt eine Rangfolge in den Überlegungen dar. Es kann nicht die Steuererhöhung vorweggehen, bevor das Gesamtkonzept entwickelt ist. Die Prüfung der Frage, welche Steuererhöhungen erforderlich sind, um die Gesamtdeckungsmasse sicherzustellen, kann nur am Ende eines Gesamtkonzeptes stehen, das über Rangordnung und Zeitfolge für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben erarbeitet worden ist. Aus dieser Verpflichtung, meine Damen und Herren, kann die Opposition die Bundesregierung nicht entlassen. Die Bundesregierung durfte daher keine Pläne öffentlicher Wohlfahrt aller Welt verkünden, ohne die finanziellen Konsequenzen genau überdacht zu haben.
({3})
Es läßt sich doch nicht von der Hand weisen, daß die Bundesregierung, von den Ereignissen, insbesondere den steigenden Preisen, überrollt, nunmehr zur Schließung der entstandenen und der künftig
noch entstehenden Deckungslücken auf Steuererhöhungen zurückgreift, die zwar vorübergehend Erleichterungen bringen mögen, auf die Dauer aber durch die Ereignisse der Zukunft wieder in Frage gestellt werden.
({4})
Die Bundesregierung kommt nicht daran vorbei, ein Gesamtkonzept - ich wiederhole das noch einmal - vorzulegen. Dann wird auch die Opposition mit sich reden lassen. Denn auch sie trägt für den Wohlstand in unserem Lande und seine Fortentwicklung genauso viel Verantwortung wie die Regierung und die sie tragenden Fraktionen.
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen folgt die ablehnende Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den vorgeschlagenen Verbrauchsteuererhöhungen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich bin eben am Ende, Herr Präsident!
({0})
Würden wir nämlich diesen Verbrauchsteuererhöhungen zustimmen, so würden wir damit der Bundesregierung gestatten, weiterzuwurschteln und nicht die Situation so klar in den Griff zu bekommen, wie es erforderlich ist, um ein finanzpolitisches Konzept zur Bewältigung der den öffentlichen Händen gestellten Aufgaben zu entwickeln.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Apel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Krammig, es kommt ja manchmal vor, daß man das falsche Manuskript am falschen Ort vorliest. Wenn ich die Tagesordnung richtig gelesen habe, so debattieren wir zur Zeit den Gesetzentwurf über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus. Sie haben dagegen eine Rede gehalten, die entweder in die erste Lesung des Bundeshaushalts oder vielleicht - notfalls - in die gestrige Debatte gepaßt hätte.
Das muß ich mit Bedauern feststellen
({0})
- nur nicht aufregen, Herr Rösing -, daß Herr Krammig zu dem Thema, das auf der Tagesordnung steht, nichts gesagt hat.
({1})
Absolut nicht, aber es steht sogar in der Geschäftsordnung, lieber Herr Wagner, daß der Redner
zum Thema zu reden hat; ich habe hier einiges vermißt.
({2})
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte doch eine sehr grundsätzliche Unterscheidung in diesem Hause beachtet sehen, nämlich die zwischen der Erhöhung der Mineralölsteuer, die jetzt zur Debatte steht, und der Kfz-Steuer auf der einen Seite und den Steuererhöhungen, die unter den nächsten Tagesordnungspunkten angesprochen werden, auf der anderen Seite.
Denn, meine Damen und Herren von der Opposition, das können Sie ja wohl nicht bestreiten: Im Gegensatz zu den anderen Steuererhöhungen sind dieses zu 100 % zweckgebundene Steuererhöhungen. Sie haben damit viel eher Gebührencharakter - für die Autofahrer - für mehr Bauten im Bereich des Verkehrswegebaus als die anderen Mittel, die die allgemeinen Haushalte alimentieren sollen.
Damit muß ich feststellen, daß uns wieder einmal die Opposition bei der Frage „Wie haltet ihr es mit der Fortsetzung des Verkehrswegebaus?" ihre Antwort schuldig geblieben ist.
Wir stellen wieder einmal - nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in den Fragestunden, auch draußen im Lande - eine dreifache Diskrepanz in Ihren Meinungen fest. Sie sagen auf der einen Seite - auch hier in der Fragestunde -, daß der Verkehrswegebau nicht schnell genug vorangeht, daß der Staat mehr tun muß, auf der anderen Seite widersprechen Sie durch Herrn Krammig der notwendigen Mittelbeschaffung.
Sie fordern - so tat es Herr Müller-Hermann vor einiger Zeit - die Erhöhung der Zweckbindung der Mineralölsteuer, obwohl Sie es waren, die diese Zweckbindung bei 50 % eingeführt und zementiert haben.
Sie schließlich beschweren sich hier in den Fragestunden über die Unterbeschäftigung im Tiefbau in einigen Bereichen, und Sie sind es gleichzeitig, die sich in diesem Hause gegen eine Mittelverbesserung zur Beschäftigung in diesem Tiefbau aussprechen.
Sie müssen also einmal bei sich einige Klärungsprozesse vornehmen, damit Sie uns deutlich sagen, was Sie wollen.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich bin damit bei der Mineralölsteuererhöhung. Sie beträgt 4 Pfennig. Sie trifft den Autofahrer. Bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von 15 000 Kilometern und einem Benzinverbrauch von 10 Litern pro 100 Kilometer zahlt also der Autofahrer 5 DM pro Monat mehr an Mineralölsteuer, wobei für meine Fraktion keineswegs ausgemacht ist, daß das dann auch voll in die Benzinpreise eingehen muß. Da ist ja einige Luft drin, wie wir in den letzten Monaten auch gesehen haben. Wir sagen das sehr deutlich. Wir sagen dem Autofahrer aber auch, daß er den vollen Gegenwert in Verkehrswegebauten bekommt.
Und lassen Sie mich eine zweite Rechnung hier aufmachen.
({4})
- Natürlich sind auch die Preise gestiegen; aber, lieber Herr Stücklen, was wollen Sie denn? Sie lamentieren darüber und lassen gleichzeitig den Verkehrswegebau zu Bruch gehen, weil Sie sich keine Gedanken darüber machen, wie man das ändern kann. Dann kommen Sie immer mit der Exkulpation: „Die Preise! Und solange das nicht in Ordnung ist, können wir nicht zustimmen!" Diese Argumentation ist doch unehrlich. Diese Argumentation nimmt Ihnen doch keiner ab.
({5})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine andere Berechnung anstellen. Sie richtet sich an eine ganz andere Adresse. Im Lande draußen wird immer wieder gesagt, diese Verkehrspolitik lasse dem Individualverkehr zuviel Raum und tue nicht genug für den öffentlichen Personennahverkehr. Wenn wir diese Steuererhöhung durchgesetzt haben und, wie der Minister gesagt hat, die Mittel in Anlehnung an das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz verteilen, dann werden in jedem Liter Benzin und Dieselkraftstoff 2,7 Pfennig enthalten sein, die zweckgebunden zum Ausbau des U-, S- und Busnetzes in unserem Lande verwendet werden. Das macht für den Autofahrer, von dem ich gesprochen habe, etwa 3,40 DM im Monat. Diesen Betrag zahlt er für den Ausbau der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs. Das macht, aufs Jahr bezogen - wenn ich richtig rechne -, fast 40 DM. Jeder Autofahrer wird also in Zukunft etwa eine Monatskarte für kürzere Entfernungen im Jahr über die Mineralölsteuer bezahlen für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, den auch er in Anspruch nimmt, wenn einmal Schnee und Eis sein eigenes Fahrzeug blockieren. Ich sage das, wie gesagt, an diejenigen gerichtet, die draußen im Lande immer sagen, hier fände eine unkluge Verkehrspolitik statt. Es ist bereits mit diesem Gesetzentwurf so, daß jeder Autofahrer eine Monatskarte für den Ausbau dieser Nahverkehrssysteme bezahlt. Wir halten dies für den richtigen Weg.
Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Auswirkungen der Mineralölsteuererhöhung auf den gewerblichen Güterverkehr machen. Wir haben die Rechnung angestellt und kommen zu dem Ergebnis, daß die Kostensteigerung für den gewerblichen terfernverkehr auf Grund der Mineralölsteuererhöhung im Durchschnitt 1,2 % beträgt. Wenn man die Reduzierung der Tankfreimengen im grenzüberschreitenden Verkehr einbezieht, so wird das Gewerbe mir zugeben müssen - das hat es mir auch zugegeben -, daß diese Mineralölsteuererhöhung von der Kostenseite her für das Gewerbe tragbar ist, um so mehr, als wir in der Mineralölbesteuerung die Differenz zwischen der Dieselölbesteuerung und der Benzinbesteuerung - Dieselöl wird immer noch um 2 Pfennig weniger besteuert beibehalten haDr. Apel
ben, obwohl der sachliche Grund dafür, nämlich die Hydrierung deutscher Kohle, seit mehreren Jahrzehnten weggefallen ist.
Schwieriger ist natürlich die Erhöhung der Kfz-Steuer für den schweren Lkw. Das wollen wir hier offen aussprechen. Hier rächt sich die Tatsache, daß, nicht auf Grund des Willens meiner Fraktion, jetzt die Leber-Pfennige auslaufen. Dies war nicht unser politischer Wille, sondern der politische Wille anderer.
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Herr Lemmrich, denken Sie doch an die Große Koalition! Da haben Sie sich doch auch schon in Opposition geübt, ohne jeweils eine eigene Idee zu haben. Nun hören Sie doch auf!
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Meine Damen und Herren, hier ist in der Tat ein Problem gegeben. Die Leber-Pfennige werden in Zukunft nicht mehr von den Ausländern gezahlt. Diese aber tragen die erhöhte Kfz-Besteuerung nicht. Hier rächt sich die von Minister Seebohm eingeleitete Politik der Befreiung von der KfzBesteuerung im gewerblichen grenzüberschreitenden Verkehr. Minister Seebohn hat es damals versäumt, diese Harmonisierung mit der Harmonisierung der spezifischen Besteuerung in diesem Bereich zu koppeln. Wir haben jetzt die Konsequenzen zu tragen. Man muß, wenn man sich hier beschwert, Roß und Reiter nennen. Dies ist eine Politik, die die CDU/CSU angefangen hat. Ich bin froh darüber, daß Minister Leber jetzt mit Nachdruck versucht, die EWG-Verkehrspolitik wieder flottzumachen, da wir dringend die Harmonisierung brauchen.
Hinzu kommt, daß die Wirkung der Kfz-Besteuerung für den schweren Lkw im internationalen Wettbewerb in drei weiteren Punkten gemindert wird, erstens durch die straffe Kontingentierung im grenzüberschreitenden Verkehr. Zweitens werden wir das ist eine ganz wichtige Entscheidung der Bundesregierung den Huckepackverkehr und den Containerverkehr in Zukunft von der Kraftfahrzeugbesteuerung für den Lkw freistellen. Damit werden deutlich Zeichen gesetzt, den schweren Lkw über längere Strecken auf die Bahn zu stellen und von der Straße herunterzunehmen. Schließlich erhöhen auch unsere Nachbarn die Mineralölsteuer und die Kfz-Steuer für den Lkw. Ich kann, wenn ich holländische Freunde treffe, sie immer nur ermuntern, auf diesem Wege kräftig voranzugehen.
Das Entscheidende ist aber, daß, wenn man alle Steuern, die das Gewerbe jetzt zu tragen hat, im Vergleich setzt zu dem, was das Gewerbe nach Annahme des Gesetzes zu tragen haben wird, durch den Wegfall der Leber-Pfennige das Gewerbe sogar entlastet wird. Der gewerbliche Güterfernverkehr wird in Zukunft 20 % weniger Steuern bezahlen, der Werkfernverkehr sogar 50 %
In diesem Gefälle - gewerblicher Fernverkehr 20 %, Werkfernverkehr 50 % - liegt natürlich ein
Problem, das Problem der weiteren Expansion des Werkfernverkehrs. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses sind aufgerufen, heute nachmittag in der Ausschußsitzung - Herr Lemmerich, ich hoffe auf Ihre Beteiligung - durch eine Verschärfung der Lizenzierungsbestimmungen Dämme aufzubauen, die den gewerblichen Güterfernverkehr schützen, aber auch die Deutsche Bundesbahn, und damit die Expansion des Werkfernverkehrs in Grenzen halten.
({8})
Lassen Sie mich einige Sätze zum gewerblichen Güternahverkehr sagen, der durch die Steuererhöhung in der Tat stärker getroffen wird; denn er hat bisher keine Leber-Pfennige bezahlt. Man muß sehen, daß es in diesem Bereich Probleme gibt, wenn allerdings auch keine wettbewerbsverzerrenden Probleme, weil auch der Werknahverkehr wenn ich ihn einmal so nennen darf - die volle Steuerlast tragen muß. Aber wenn es so ist, daß der Güternahverkehr auf Grund unserer Steuererhöhungspläne - und ich meine, wir müssen die Steuererhöhungspläne durchsetzen, um auch einen Beitrag zu den Wegekosten zu leisten - Schwierigkeiten hat, dann ist die Verkehrspolitik stärker als bisher aufgerufen, sich der Sorgen des gewerblichen Güternahverkehrs anzunehmen.
Der Bundestag hat einstimmig eine Resolution verabschiedet und damit seinen politischen Willen zugunsten des Güternahverkehrs dargestellt. Wir wollen, daß der Zugang zum Markt geordnet wird. Wir wollen eine vernünftige Tarifpolitik und auch eine vernünftige Tarifüberwachung.
Lassen Sie mich zum Abschluß zwei Spezialpunkte ansprechen, einen nur als Erinnerungsposten. Wir haben gestern darüber debattiert. Das ist der Erinnerungsposten, der gestern im Dialog zwischen Dr. Evers und Hans Apel angesprochen worden ist, nämlich der Punkt, daß erst und nur diese Steuererhöhung uns in die Lage versetzen wird, dem öffentlichen Personennahverkehr die Mineralölsteuer voll zu erlassen. Das muß in Erinnerung gerufen werden, wenn wir über die Steuererhöhung debattieren. Das gehört unlösbar zusammen. Nur auf diese Weise können wir dem öffentlichen Personennahverkehr die Mineralölsteuer erlassen, wie der Bundesrat das gefordert hat, wie das meine Partei auf ihrem letzten Parteitag gefordert hat, wie das in diesem Hause durchgängig die Meinung ist, weil wir sonst, wenn wir die Steuererhöhung nicht gehabt hätten, das Geld anderswo hätten abzwacken müssen. Das konnten wir nicht verantworten.
Fine zweite und letzte Bemerkung. Der Bundesrat hat seinem Verkehrsausschuß zu dem Gesetzentwurf
sowohl zum Kfz- als auch zum Mineralölsteuerteil - eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. Man wird sehen, ob sich das Plenum des Deutschen Bundestages der Forderung des Verkehrsausschusses positiv nähert. Ich will das als Hamburger hoffen. Insgesamt kann ich für meine Fraktion sagen: Wir werden ganz genau prüfen, was vorgeschlagen wird. Allerdings können wir nichts
akzeptieren, was Sinn und Zweck sowie Zielrichtung des Gesetzentwurfs ernstlich gefährdet.
Meine Fraktion begrüßt deswegen den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Wir wollen ihn schnell verabschieden und damit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, daß der Bundesfernstraßenbau wie der gemeindliche Verkehrswegebau sowohl für die Straße als auch für die Schiene und den Busverkehr zügig und, wie es unseren Vorstellungen entspricht, im nächsten Jahre vorangebracht werden können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, warum die CDU/CSU-Fraktion den Tagesordnungspunkt 7 unbedingt mit dem Tagesordnungspunkt 6 verbinden wollte. Möglicherweise fällt Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus leichter, wenn Sie die geplante Erhöhung der Branntweinsteuer in Ihre Betrachtung einbeziehen. Sie stellen ja neuerdings Vorbedingungen für eine etwaige Zustimmung zu Steuererhöhungen, die Sie früher, soweit ich mich erinnern kann, nicht gestellt haben. Sie sagen heute - Herr Kollege Krammig hat es ausgeführt, aber auch gestern war es in Ihren Ausführungen deutlich -: Steuererhöhungen erst dann, wenn die Stabilität wiedergewonnen ist. Ich kann mich erinnern, daß beispielsweise auf der Tagung Ihrer Sozialausschüsse Ihr Kollege Katzer der Regierung vorgeworfen hat, sie habe keinen Mut zu Steuererhöhungen, die auch er im Frühjahr und im Frühsommer dieses Jahres als notwendig ansah. Er hat an seine Kritik nicht die Vorbedingung angehängt, erst müsse die Stabilität wiedergewonnen sein, sondern er hat schlicht und einfach Steuererhöhungen gefordert und die Regierung zum Handeln ermuntert. Meine Damen und Herren, hier wird nun einmal gehandelt.
Dieser Gesetzentwurf beschäftigt sich mit zwei Steuererhöhungstatbeständen, vor allem mit der Mineralölsteuer und der Kfz-Steuer für Nutzfahrzeuge über 12 t. Aber die Steuern sollen nicht erhöht werden, um Deckungslücken auszufüllen, Herr Kollege Krammig, sondern um auf bestimmten Gebieten mehr zu leisten, beispielsweise im Gemeindeverkehrswegebau.
Auch Sie haben anläßlich der Beratung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vor einigen Monaten gefordert, die Gemeinden müßten mehr Geld zur Regelung der Verkehrsprobleme in ihrem Bereich bekommen.
({0})
Hier bekommen sie doch mehr. Sie erhalten aber
nicht deshalb mehr, um Preissteigerungen aufzufangen, Herr Kollege Stücklen. Das zwar auch! Jedoch geben wir ihnen 100 % mehr, als sie bisher hatten. Selbst wenn Sie uns übelwollen, können Sie nicht behaupten, daß die um 100 % höhere finanzielle Leistung nur in der Lage sei, die Preissteigerungen aufzufangen.
({1})
Statt 1 Milliarde DM jährlich werden die Gemeinden demnächst 2 Milliarden DM jährlich zur Förderung ihres Verkehrswegebaus erhalten. Ich meine, das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.
Wir wissen, meine Damen und Herren, wie unangenehm es ist, von einem bestimmten Personenkreis höhere Steuern zu fordern. Wir fordern dem Kraftfahrzeugbesitzer mehr an Geld ab. Aber wir verwenden das Geld zweckgebunden. Der Kraftfahrer weiß, daß die demnächst zu zahlenden zusätzlichen 4 Pf in seinem Interesse verwendet werden. Der Bund wird von den 1,5 Milliarden DM, die als Mehreinnahmen erwartet werden, nur 350 Millionen DM erhalten. Aber auch dieser Betrag geht in den Fernstraßenbau. Wir werden mehr leisten können, als wir könnten, wenn dieses Geld nicht zusätzlich käme. Die Länder erhalten 250 Millionen DM aus der Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer für Nutzfahrzeuge über 12 t, und die Gemeinden erhalten die erwähnte 1 Milliarde DM, die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auf den Verkehrswegebau und die Förderung des Nahverkehrs aufgeteilt wird.
Wir Freien Demokraten geben dieser Mineralölsteuererhöhung das betone ich ganz offen -unsere Zustimmung nur schweren Herzens. Wir wissen aber um die Notwendigkeit der Forcierung des Verkehrswegebaus. Wir erinnern hier daran - ebenso wie es Kollege Apel getan hat -, daß wir erwarten, daß aus den 3 Pf, die die Gemeinden erhalten, die Rückerstattung der Mineralölsteuer an die Betriebe, die öffentlichen Nahverkehr betreiben, vorgenommen werden wird.
({2})
- Herr Kollege Lemmrich, das steht im Gesetzentwurf nicht drin; das tut mir leid. Wir haben ja auch erst die erste Lesung. Wir sind ja nicht gehindert, als Verkehrsausschuß dafür zu sorgen, daß die Rückerstattung garantiert wird.
({3})
- Nun, Herr Kollege Lemmrich, wenn Sie uns dabei helfen, werden wir das sicherlich durchsetzen.
({4})
Es ist nicht ganz neu - in der Vergangenheit ist es
auch öfter geschehen -, daß das Parlament eine Vorlage anders als die Regierung gesehen und sie dementsprechend geändert hat.
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Wenn wir das tun, wird dem Minister sicherlich kein Zacken aus der Krone fallen, und er wird bestimmt nicht unangenehm berührt sein.
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Wir haben jedenfalls die Absicht, die Rückerstattung im Gesetz zu fixieren, Herr Kollege Stücklen, weil wir hier gegenüber den Betrieben, die öffentlichen Nahverkehr unterhalten, im Wort sind. Wir Freien Demokraten pflegen hier abgegegebene Versprechen einzuhalten.
({7})
Nein, nicht ausnahmsweise, sondern immer, Herr Kollege Lemmrich. Schließen Sie nicht von Ihrer Fraktion generell auf andere!
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- Nein, das ist keine billige Retourkutsche.
Meine Damen und Herren, schwieriger ist das Problem der Anhebung der Kraftfahrzeugsteuer für Nutzfahrzeuge über 12 t. Wir wissen, daß sie mit dem Auslaufen des Leber-Pfennigs begründet wird und daß man sogar eine Entlastung errechnen kann, wenn man die Berechnung schematisch vornimmt. Aber wir wissen alle, daß die Rechnung nicht stimmt und daß der Leber-Pfennig zum Teil von den Verladern und nicht von den Haltern der Nutzfahrzeuge getragen wurde. Von da her kann ich meinem Vorredner Dr. Apel nicht ganz zustimmen, wenn er hier von 50 % Ermäßigung für den Werkfernverkehr und 20 % Ermäßigung unter dem Strich für den Güterfernverkehr spricht.
Außerdem kommen die Seehäfen und die revierfernen Gebiete in eine etwas schwierige Situation. Es ist nicht möglich, die Präferenzen, die beim Leber-Pfennig gegeben wurden, hier in der Kraftfahrzeugsteuer ebenfalls vorzusehen. Das ist ein Problem, mit dem wir uns beschäftigen sollten. Eine Lösung kann ich Ihnen im Namen der Freien Demokraten hier an dieser Stelle auch nicht anbieten. 250 Millionen DM machen die Mehreinnahmen aus. Sie fließen den Ländern zu, wobei erwartet wird, daß die Länder dieses Geld zur Förderung des Verkehrs wieder dort einsetzen, wo sie zuständig sind.
Aber mir wird es bedenklich, wenn ich an die Progression und an die Erhöhung denke, beispielsweise an den Schwerlastverkehr, der zur Zeit eine 50%ige Ermäßigung in der Kfz-Steuer erfährt und der bei einigen Typen eine Höherbelastung bis zu 300 % erfahren wird. Das scheint mir allzu drastisch zu sein; denn die Tatbestände, die nach dem geltenden Recht zu der Ermäßigung von 50 % führten, sind auch in Zukunft weiterhin gegeben. Obschon ich ehrlich zugeben muß, daß auch mir als normalem Kraftfahrer gelegentlich Schwertransporte ein Ärgernis sind, brauchen wir eben alle Transporte und alle Verkehre: Individualverkehr, Güterverkehr und darunter auch den Schwerverkehr, so verkehrshemmend er gelegentlich sein mag. Dabei muß beachtet werden, daß er ohnehin schon belastet ist, weil er nur zu besonderen Zeiten auf der Straße
fahren darf und die Fahrzeuge nur zu einem Bruchteil ausgelastet werden können.
Bei einem Bestand von ungefähr 1,2 Millionen Fahrzeugen werden rund 100 000 Lkw von der Steuererhöhung betroffen. Es bleibt zu überlegen - und wir Freien Demokraten werden bei der Beratung dieser Vorlage sicherlich in dieser Richtung tätig werden , ob die Steuerlast nicht besser auf breitere Schultern verlagert werden sollte. Wir sind nicht unbedingt davon überzeugt, daß die Steuererhöhung bei 12 t zulässigem Gesamtgewicht beginnen muß. Es bleibt zu überlegen, ob man nicht eine andere Grenze wählen sollte, um für die einzelnen Halter die Steuererhöhung erträglicher zu gestalten.
Meine Vorredner - vor allen Dingen Herr Dr. Apel - haben schon darauf hingewiesen, daß das Auslaufen der Straßengüterverkehrsteuer, also der Wegfall des sogenannten Leber-Pfennigs, uns verkehrspolitisch in eine etwas schwierige Situation bringt. Der nicht so sehr gewünschte Werkfernverkehr erfährt eine starke Entlastung und wird nur - wie der übrige Güterverkehr - durch die Kfz-Steuererhöhung belastet. Der Güternahverkehr, der vom Leber-Pfennig gar nicht betroffen war, erfährt auch die Steuermehrbelastung. Er ist der am meisten betroffene Teil aller am Güterverkehr teilnehmenden Unternehmungen. Der Güterfernverkehr wird durch den Wegfall des Leber-Pfennigs zwar teilentlastet, aber durch die neue Steuer belastet. Im Grunde genommen entsteht eine Situation, die die Verkehrspolitiker, wenn man an Verkehrslenkung über Steuern denkt, nicht gerade sehr freudig begrüßen. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, auf dem Wege von Lizenzierungsverfahren - auch dieses Thema wurde vorhin angesprochen - zu versuchen, eine Entwicklung zu verhindern, die im Interesse der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses auf allen unseren Straßen nicht gewünscht werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: gedämpfte Zustimmung der Freien Demokraten zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Das sage ich ganz offen. Wir haben Steuererhöhungen nie das Wort geredet.
({9})
Wir können uns jedoch der Notwendigkeit der Forcierung des Verkehrswegebaus nicht entziehen. Unter diesem Gesichtspunkt werden wir in den Ausschußberatungen an die Arbeit gehen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Vorlage der Bundesregierung ist in allererster Linie eine finanzpolitische, die sich mit der Veränderung der Finanzmasse - im wesentlichen geht es uni einen größeren Anteil der Länder und Gemeinden
an dieser Finanzmasse - befaßt. Sie ist erst in
zweiter Linie eine verkehrspolitische Vorlage. Zur
verkehrspolitischen Seite möchte ich einiges sagen.
Es ist hier immer wieder gesagt worden, der Autofahrer werde jetzt zur Kasse gebeten, damit er mehr Straßen bekommen könne. Wie ist das mit dem Mehr an Straßen, U-Bahnen und Stadtstraßen? Bekommt er wirklich mehr, gemessen an dem, was im ersten Fünfjahresplan für die Bundesfernstraßen geplant ist, und gemessen an der Finanzierung, mit der die Leistungen, die dort vorgesehen sind, erreicht werden sollen? Die Mineralölsteuer soll um 4 Pf erhöht werden. Ein Pfennig soll für den Fernstraßenbau zweckgebunden werden. Der erste Fünfjahresplan sieht ein Finanzvolumen von 29,5 Milliarden DM vor. Die Preise sind auf der Basis 1. Januar 1970 ermittelt. Seit dem 1. Januar 1970 sind die Preise im Bundesfernstraßenbau urn 18 % gestiegen. Das bedeutet, daß man, um die im ersten Fünfjahresplan vorgesehene Leistung an Straßenkilometern zu erzielen, nach heutigem Stand weitere 5,3 Milliarden DM benötigt. Der eine Pfennig wird 1,4 Milliarden bringen. Ich möchte hier einfügen, daß die Schätzungen der Bundesregierung hinsichtlich des Aufkommens an Mineralölsteuer sehr optimistisch sind. Es wird sich im Laufe der Jahre erweisen, inwieweit diese Schätzungen den Tatsachen entsprechen.
Das heißt also, es werden Baumaßnahmen im Umfang von 3,9 Milliarden DM im ersten Fünfjahresplan nicht realisiert werden können. Das macht
doch ganz deutlich, daß diese Mineralölsteuererhöhung nichts anderes ist als der Versuch, die von dieser Koalition verursachten Schlaglöcher der Inflation notdürftig zu flicken.
({0})
Diejenigen, die diese Politik zu vertreten und zu verantworten haben, sollen auch die notwendigen Maßnahmen zum Teilausgleich dieser Schäden alleine verantworten und vertreten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Moment! - Sie sollten nicht den Eindruck erwecken, es würde nun mehr geleistet werden. Es wird nicht einmal das geleistet werden können - obwohl der Steuerzahler zur Kasse gebeten worden ist -, was die bisherigen Planungen vorsehen. - Herr Apel, bitte!
Herr Lemmrich, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die hundertprozentige Erhöhung der Mittel für den gemeindlichen Verkehrswegeausbau keineswegs mit der gleichen Begründung, die Sie eben verwandt haben, von Ihnen abgelehnt werden kann? Denn Herr Ollesch hat bereits darauf hingewiesen, daß dies eine hundertprozentige Steigerung der Mittel ist. Es kann keineswegs behauptet werden nicht einmal von Ihnen, Herr Lemmrich in gleicher Höhe seien die Preise gestiegen.
Herr Dr. Apel, ich komme zum Bereich „Gemeinden" jetzt anschließend. Ich muß die Fragen natürlich nacheinander abhandeln.
Wie ist die Situation bei den Gemeinden? Der Bau von U-Bahnen, S-Bahnen und Stadtstraßen erfordert einen wesentlich höheren Personalaufwand, und die Preissteigerungen liegen dort in einem wesentlich höheren Bereich: zwischen 35 und 40 % auf der Basis 1. Januar 1970. Das können Sie an den Steigerungen der Preisindizes für Brückenbauten und Hochbauten ablesen; die Verkehrsbauten in den Gemeinden sind diesen in besonderem Maße vergleichbar. Nach den bisherigen Regelungen hat der Bund bis zu 50 % in Ballungsräumen, und bis zu 60 % in den Zonenrandgebieten aus den Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zur Verfügung gestellt. Die Finanzlage der Gemeinden hat sich aber durch die inflationäre Politik der Bundesregierung im Investitionsbereich wie im Personalbereich so gravierend verschlechtert - das ist ja gestern und heute hier schon dargelegt worden , daß die Gemeinden nicht mehr in der Lage sind, ihren eigenen Anteil von der anderen Hälfte aufzubringen. Sie können vielmehr nur noch einen ganz minimalen Anteil aufbringen. Der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart hat unlängst auf dem Straßentag in Stuttgart erklärt, die Gemeinden seien nur noch in der Lage, höchstenfalls 10 % der Verkehrsinvestitionen selber aufzubringen. Es kommen also auch hier durch Umschichtungen noch einmal 40 % dazu.
Ich gehe nun noch auf die Einzelheiten des Gesetzes ein. Man merkt und weiß doch schon, daß das so ist, wie ich eben sagte; denn sonst hätte man ja die Verteilung dieser 3 Pf nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vornehmen können, das wir erst in diesem Jahr verabschiedet haben. Aber das will man ja nicht, sondern die Gelder sollen am Haushalt vorbei verteilt werden. Das zeigt doch die Pferdefüße der Gesetzesvorlage; man weiß sehr wohl, daß durch Bundesmittel Mittel der Gemeinden substituiert werden sollen und daß im Endeffekt eine ganz minimale Mehrung von effektiven Baumitteln, wenn es ganz gut geht von vielleicht 20 %, eintritt, weil diese Umschichtung natürlich für die Gemeinden in Anbetracht der gesamten Finanzlage eine Lebensnotwendigkeit ist. Auch hier trifft es zu, daß im Grunde nur die Schlaglöcher der Inflation geflickt werden und nicht mehr.
Die Ausgaben der Gemeinden im Jahre 1971 sind mit 61 Milliarden DM veranschlagt. Gehen wir einmal davon aus, daß eine Lohnkosten- und Preissteigerung von nur 5 % eintreten wird - das ist bestimmt nicht zu hoch gegriffen -, dann sind allein 3,1 Milliarden DM notwendig, urn 1972 dieselben Leistungen zu erzielen wie 1971.
Herr Schiller hat gestern gesagt, daß für die Gemeinden insgesamt 1,4 Milliarden DM mehr gegeben werden sollen. Und da will man uns erzählen, die Steuererhöhungen würden dazu dienen, mehr Leistungen für den Bürger zu erbringen.
({0})
Uns kann niemand erzählen, daß sie mehr Leistungen bringen können. Vielmehr dient das lediglich dazu, die Löcher, die durch Ihre inflationäre Politik entstanden sind, zu stopfen, und zu nichts anderem.
({1})
Sie werden natürlich mit der großen Propagandamaschinerie und den vielen Steuergeldern unserer Bürger den Bundesbürgern weismachen wollen, das sei anders. So viel dazu.
Der Herr Kollege Haar hatte sich gestern zu dieser Vorlage geäußert. Seine besondere Stärke ist der Rückblick. Aber augenscheinlich benötigt er eine Brille, um die Dinge schärfer zu sehen; denn offensichtlich sind ihm einige Dinge nicht im Gedächtnis, so z. B., wenn er davon spricht, die 3 Pf Mineralölsteuererhöhung, die wir 1967 beschlossen haben, seien die Leber-Pfennige. Von Herrn Bundesminister Leber habe ich beim Betreiben dieser Maßnahme überhaupt kein Wort gehört und keine Aktivität verzeichnen können, sondern der Antrag, der damals diesem Hohen Hause vorlag, stammte von Herrn Müller-Hermann und von mir, und die CDU/ CSU-Minderheitenregierung, die in der kurzen Spanne,
({2})
bevor die Große Koalition da war, amtierte, hat diese Maßnahme übernommen. Durch die glanzvolle Bremswirkung der hochverehrten FDP - Sie haben ja inzwischen auch einige Erfahrungen sammeln können; ich denke nur an die Eckwerte zur Finanzreform - fand sich nicht die erforderliche Mehrheit.
Aber nun, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, wollen wir die Dinge doch einmal richtigstellen. Das ist auch wieder eine so üble Propagandaklitterung, wenn dem Bürger gesagt wird: Das war der große Schorsch, der das gemacht hat.
({3})
Er war es aber nicht. Allerdings steckt er sich ohne
Hemmungen - das ist eine Frage des Stils und der
inneren Haltung - eine Feder an den Hut, zu deren Erschaffung er nicht sehr viel - außer vielleicht, daß er im Kabinett zugestimmt hat - beigetragen hat. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, daß im Landtagswahlkampf 1966 in Bayern Ihre politischen Freunde von der SPD uns in Riesenanzeigen vorwarfen, wir wollten alle schröpfen. Drei Pfennig mehr Benzinsteuer! Damit sind Sie 1966 in Bayern in den Wahlkampf marschiert.
({4})
Sie haben ganz groß getönt. Aber als dann die Große Koalition kam, war das alles vergessen. Sie reflektieren ja ohnehin wie viele bei der SPD auf die Vergeßlichkeit der Bürger.
Herr Apel hat sich wieder bemüßigt gefühlt, zu sagen, die Zweckbindung der Mineralölsteuer sei bei uns mit 50 °/o zementiert worden. Ich denke, diese Koalition ist so stark?! Dann u erden Sie doch auch so eine Sache aus dein bißchen Beton herausbrechen können, wenn Sie den politischen Willen haben.
({5})
Noch bis kurz bevor Sie in die Große Koalition eintraten, haben Sie lauthals landauf, landab verkündet, daß Sie die Zweckbindung ausweiten werden. Da wußten Sie auch schon, daß die 50 %ige Zweckbindung gesetzlich fixiert ist. Die Argumentation, wir hätten die 50 % zementiert, und Sie könnten nun beim besten Willen nichts ändern, ist billig. Sie ändern eine ganze Reihe von Gesetzen. Sie haben die entsprechende Mehrheit hier, und dem Fraktionsführer der SPD ist es immer eine große Genugtuung, sie zu demonstrieren. Dann demonstrieren Sie sie doch einmal bei dieser Gelegenheit.
({6})
Nun, meine verehrten Damen und Herren, noch einige Ausführungen zu Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs.
({7})
Hier wird der bisher im Bundestag einmalige Versuch unternommen, diese Mittel neben dem Haushalt vorbeizuschieben. Wir hätten von Herrn Apel viel lieber gehört, wie diese Mittel an die Gemeinden verteilt werden sollen. Warum wird das nicht nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gemacht, das wir gemeinsam erarbeitet haben,
({8})
wo wir im gegenseitigen Argumentieren einen durchaus vernünftigen Kompromiß gefunden haben? Unsere Wünsche wurden nicht hundertprozentig aber doch weitgehend verwirklicht, so daß auch wir zustimmen konnten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Apel, bitte!
Herr Kollege Lemmrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Haar gestern für unsere Fraktion zweierlei erklärt hat: erstens, daß er, auch in bezug auf ein Wort von Herrn Schiller, davon ausgeht und erwartet, daß diese Mittel in Anlehnung - so wörtlich zitiert -an das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz verteilt werden, und zweitens, daß bei dieser Gelegenheit nicht nur der Katalog der zu fördernden Maßnahmen, sondern auch die Höhe der Alimentierungsmittel, die man von den Gemeinden erwarten sollte, überprüft werden sollen, so daß wir in der Tat diesen Weg gehen und weiter gehen werden?
Herr Dr. Apel, das ist sehr interessant; es bestätigt das, was ich vorhin schon sagte. Die Anteile für die Gemeindezuschüsse müssen erhöht werden, es müssen Gemeindemittel durch Bundesmittel substituiert werden. Das Ausmaß werden wir dann sehen. „In Anlehnung an das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz" sagen Sie! Ich frage - Warum nur in Anlehnung? Warum
nicht nach diesem Gesetz, einem ganz neuen Gesetz, das in diesem Jahr Rechtskraft erlangte?
({0})
Was soll denn das? Oder möchte man eine entsprechende Manipulationsmasse haben, um nach Wohlverhalten Dotierungen vornehmen zu können?
({1})
Das werden wir sehen. Die Sache wird sicher im
Bundesrat noch einmal zur Sprache gebracht werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einige Worte zur Kfz-Steuererhöhung. Die Länder sollen mehr Geld bekommen. Das ist eine der Gründe. Die anderen Gründe sind verkehrspolitischer Art. Eines ist gewiß: daß der Nahverkehr stark betroffen wird und daß damit weitere Impulse in punkto Erhöhung von Preisen, vor allen Dingen im Bausektor, ausgelöst werden. Das ist eine Folge, die kommen wird. Bei der Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer handelt es sich um Fixkosten. Die Bahn soll damit gegen den Güterfernverkehr abgeschirmt werden.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Herr Präsident, gern! Ich habe allerdings einige Zwischenfragen zu beantworten gehabt.
({0})
Eines ist jedenfalls sicher: Bei der Erhöhung der Fixkosten wird der Drang, höhere Leistungen zu erreichen, stärker. Das ist nicht zum Nutzen der Eisenbahn. Der grenzüberschreitende Verkehr, bei dem die Ausländer durch die Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt sind, wird von seiten der Ausländer noch stärker werden. Die Seehäfenfrage ist angesprochen worden. Ich jedenfalls möchte in Zweifel ziehen, daß die erhofften Wirkungen verkehrswirtschaftlicher und verkehrspolitischer Art eintreten werden. Sie werden nicht eintreten! Deswegen, meine verehrten Damen und Herren, scheint mir das eine außerordentlich zweifelhafte Vorlage zu sein. Jedenfalls, die Schlaglöcher der Inflation zu flicken, das sollten diejenigen, die sie verursacht haben, alleine vertreten.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Finanzierung der Verkehrsaufgaben in den Gemeinden ist gestern schon Gegenstand der Debatte im Hohen Hause gewesen. Ich habe auch heute der Debatte aufmerksam beigewohnt. Ich möchte zu
einigen Perspektiven, die sich aufgetan haben, ein paar Bemerkungen machen und auch auf ein paar kritische Anmerkungen, die gemacht worden sind, ein paar Antworten geben.
Es ist völlig klar - ich habe auch aus der Debatte keine Meinungsverschiedenheit darüber herausgehört -, daß bei allen die Einsicht besteht, daß die Gemeinden aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage sind, die großen Aufgaben, die auf sie zugewachsen sind, zu erfüllen. Es ist zweitens völlig klar, daß die Länder nicht in der Lage sind, den Gemeinden in ausreichendem Maße die Hilfe zu geben, die erforderlich ist, um sie auch nur annähernd instand zu setzen, die Lösung der Probleme zu finanzieren, denen ohne Finanzierung auch mit den besten Ideen nicht beizukommen ist. Es ist drittens für alle, die sich mit diesen Problemen befassen, ebenso klar, daß wir mit der Hilfe für den Straßenbau in den Gemeinden die Probleme nicht. in den Griff bekommen, sondern daß nur, wenn Bund, Länder und Gemeinden sich auch finanziell synchronisieren und gemeinsam diese Aufgabe in die Hand nehmen, über eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanlagen in den Gemeinden wirksame Hilfe erwartet werden kann. Dies ist zuerst eine Frage des Geldes.
({0})
Meine Damen und Herren, wer Konzepte, Pläne und langfristige Gesamtkonzepte entwirft - und hätten sie Hunderte von Seiten - und in diesen Konzepten nicht zwei Fragen positiv zu beantworten weiß, nämlich die Frage, wo das Geld herkommt, und die Frage, wie mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, der braucht keine Konzepte zu machen.
({1})
Sie haben in Ihrer ersten Rede heute morgen ein Gesamtkonzept verlangt. Wir brauchen kein Gesamtkonzept. Für jeden, der die Augen nicht blind verschließt, liegt auf der Hand, wie die Aufgaben heißen und wie sie erfüllt werden können. Sie müssen dafür nur Geld bewilligen. Das ist die einzige Antwort, die die Gemeinden nötig haben. Wenn Sie diese Antwort nicht geben, dürfen Sie auch nicht von einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden reden, sondern müssen überlegen, ob Sie sich mit dem Tohuwabohu, das allmählich dort einkehrt, arrangieren. Ich erwarte also von der Opposition nach allem, was ich heute morgen gehört habe, nicht nur eine Zustimmung zu dem, was die Regierung vorgeschlagen hat, sondern nach Möglichkeit Vorschläge, die auf eine Erhöhung über das hinaus, was die Regierung vorgeschlagen hat, hinauslaufen. Sonst werden Sie unglaubwürdig, meine Damen und Herren.
({2})
Die Gemeinden erwarten kein schönes Packpapier, sondern Fleisch in diesem Paket. Das kostet Geld, und darum geht es.
({3})
Hier handelt es sich um eine Verdoppelung der Mittel. Hier handelt es sich um Mittel, die, wie kaum
welche - ich verstehe das Bedauern der Finanzpolitiker darüber -, wieder einmal einen Posten darstellen, der sich der freien Gestaltung des Haushalts entzieht, weil er zweckgebunden ist. Dies ist leider so. Es ist aber auch gut, daß es so ist; denn wenn wir vom Bürger mehr Geld verlangen, müssen wir auch klar vor ihm bekennen, wofür das in diesem Falle ist. Ich habe seit Anfang 1967 vor diesem Hohen Hause erklärt, daß ich mich dafür verbürge, daß diese 3 Pf, die damals aufgebracht worden sind, restlos bis auf den letzten Pfennig dem Zweck zugeführt werden, dem sie zugedacht waren. Wir haben das über vier Jahre durchgehalten, und ich sage hier vor dem Hohen Hause auch mit dem Blick auf die 3 Pf mehr, um die es künftig geht: diese 3 Pf werden auch in der kommenden Zeit bis auf den letzten Pfennig Jahr für Jahr dem Zweck zugewandt, für den sie gedacht sind. Anders können wir das vor den Bürgern, denen wir die Gelder abnehmen, nicht rechtfertigen.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine kleine Anmerkung zu dem „Patentrechtsstreit", der hier ausgebrochen ist. Herr Lemmrich hat gesagt, Herr Haar habe gestern nur von der zurückliegenden Entwicklung gesprochen, und er wolle von der Zukunft sprechen. Er fing dann im gleichen Zusammenhang davon an, wer die 3 Pf erfunden habe. Ich habe noch nie Anspruch darauf erhoben, diese 3 Pf erfunden zu haben.
({4})
- So etwas würden Sie mir auch nicht vorwerfen.
({5})
- Er hat, glaube ich, etwas anderes gemeint. Aber darauf komme ich noch.
({6})
Herr Lemmrich, wir brauchen uns in diesen Streit nicht einzuschalten. Sie sind damals nur deshalb die Urheber für die drei Pfennige gewesen, weil die SPD fünf wollte.
({7})
- Doch, das können Sie in Unterlagen der vorhergehenden Jahre nachlesen, das geht sogar auf Parteitage der SPD zurück. Nur haben Sie damals lediglich drei eingeführt, deshalb ist es zu drei Pfennigen gekommen. Es wäre aber besser gewesen, damals nicht drei zu nehmen, sondern die Hilfe gleich so wirkungsvoll zu machen, wie die Gemeinden das damals auch nötig gehabt hätten.
Wenn aber - und nur deshalb komme ich auf das Thema überhaupt zu sprechen - die drei Pfennige 1966/67 so richtig waren, daß man darüber heute sogar einen Urheberstreit beginnen muß, dann können doch die zweiten drei Pfennige nicht so falsch sein, daß man ihnen nicht zustimmen kann.
({8})
Ich lese also daraus ab, daß Sie nur einen Grund suchen, um nachher dieser Vorlage aus voller Überzeugung zustimmen zu können.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf eine Bemerkung eingehen, die Herr Kollege Lemmrich machte, als er sich mit den Preisen befaßte, sowohl für die Bauten in den Städten wie auch, wie ich annehmen darf, bezogen auf die Kosten für den Straßenbau. Sie haben in diesem Zusammenhang gesagt, diese Schlaglöcher habe diese Regierung verursacht, und das sei Inflationsmacherei. Ich nehme an, das können Sie nur sagen, weil Sie entweder die Verhältnisse in der Bauwirtschaft nicht genügend kennen, Herr Kollege Lemmrich, oder weil sie hier etwas anderes wider besseres Wissen darstellen, obwohl Sie die tatsächlichen Verhältnisse kennen müßten.
Sie müßten, wenn Sie die Bauwirtschaft gut genug kennen, auch die Ursachen kennen, wieso es dazu gekommen ist, daß wir beispielsweise im Straßenbau und in diesen Tiefbaubereichen in den Jahren 1969 und 1970 solche Preissteigerungen gehabt haben. Dies ist die richtige Formulierung.
Die Preissteigerungen der Jahre 1969 und 1970
Tiefbau hatten, im Gegensatz zu Preissteigerungen in anderen Bereichen, ihre Ursache nicht in der Lohnpolitik. Im Straßenbau haben wir einen Lohnanteil von 9 bis 11 %. Selbst wenn man dort die Löhne um 20 % erhöhen würde - was nicht stattgefunden hat -, dann würden sich die Gesamtkosten von der Lohnseite her nur so minimal erhöhen, daß man nicht von exorbitanten Preisbewegungen sprechen kann. Dafür ist der Lohnkostenanteil durch die Kapitalintensität dieses Zweiges viel zu stark zurückgegangen.
Wo liegen die Begründungen für die Preissteigerungen im Straßenbau? Es ist nötig, darüber einmal offen zu reden, wenn man sich da aus billiger Polemik heraushalten will. Sie liegen einmal in den gestiegenen Materialkosten. Wir haben im Jahre 1968 erlebt, daß die Tonne Baustahl im März 1968 von 310 DM, die wir als Bund dafür bezahlt haben, auf 900 DM angestiegen ist.
({9})
- Entschuldigen Sie, dann müßte ich Ihnen einen kleinen Vortrag über Konjunkturpolitik und Stahlpreispolitik halten.
({10})
- Wenn Sie zugehört haben, wie das damals gekommen ist, dann wissen Sie es. Ich rede hier jedenfalls über die Baupreise, sie stehen zur Debatte. Ich kann Ihnen auch dazu eine Antwort geben. Niemand kann doch einer Baufirma jetzt zumuten, daß sie eine Stahlpreissteigerung um 300 % verkraftet, ohne daß sich das auf ihre Preise auswirkt. Dies ist
- das können Sie nicht dieser Regierung vorwerfen
- in einer Zeit geschehen, in der die Regierung von Ihnen angeführt worden ist, in der wir zusammen in der Großen Koalition waren. Nun wollen Sie sich billig aus dieser Affäre herausziehen.
({11})
- Verantwortlich waren wir alle miteinander. Ich rede hier nur dagegen, daß sich jemand in bezug auf diese Entwicklung freispricht.
Zweitens. Ich weiß sehr genau, daß im Tiefbau 1966 ein tiefer rezessiver Einbruch war und daß dieser Einbruch auch 1967 angehalten hat, als eine neue Regierung gebildet worden ist. Wenn 1966 dieser Einbruch nicht gewesen wäre, wäre sie gar nicht gebildet worden.
Jedermann, der diesen Wirtschaftszweig kennt, weiß, da er nicht auf Vorrat produziert, daß hier rote Zahlen entstehen, die Unproduktivität erzeugen und die auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Preissteigerungen im Tiefbau, sowohl für öffentliche Verkehrsanlagen in Großstädten wie im Fernstraßenbau, die wir in den Jahren 1969 und 1970 hatten, waren der Ausgleich für rote Zahlen, die 1966/67 entstanden waren. 1968 war das Jahr, in dem die Preise wieder halbwegs ausgeglichen waren. Aber der Nachholbedarf zum Ausgleich der vorgetragenen roten Zahlen hat bestanden, und so kam es zu den Überwälzungen, die wir 19697'70 bezahlt haben.
Ich rede von 1969/70, weil ich hier sagen kann: Für das Jahr 1971 haben wir zum erstenmal eine echte Beruhigung festgestellt, und ich hoffe, daß wir es wieder mit einer Normalisierung auch in Richtung nach unten zu tun haben im Zusammenhang mit einem Rationalisierungsvorgang, der sich dort fortsetzt. Ich kann nur davor warnen, meine Damen und Herren ich sage das hier unpolemisch , in einer Zeit, in der sich die Preise schon beruhigt und die Bilanzen aus dein rezessiven Einbruch der Jahre 1966/67 bis in die Anfange des Jahres 1968 hinein ausgeglichen sind, jetzt ständig weiter von Preissteigerungen zu reden, es sei denn, Sie haben ein Interesse daran, der Regierung ein solches Klima einzureden und ihr vorzuwerfen, daß es Preissteigerungen gibt. Auf diesem Gebiet gibt es keine Preissteigerungen mehr. Wir haben seit Monaten Ruhe, und auch Sie sollten daran mitarbeiten, daß diese Ruhe bleibt und die Dinge sich abwärts entwickeln.
({12})
Darauf kommt es an. Da ist auch parteipolitisch nichts zu verdienen, meine Damen und Herren. Auch die Opposition hat die Aufgabe, die Bürger vor Preissteigerungen zu bewahren. Diese Aufgabe sollten Sie sehr ernst nehmen, statt hier ständig ein solches Klima herbeizureden auf einem Gebiet, auf dem keine Veranlassung mehr dazu besteht, von Preissteigerungen zu reden. Im übrigen wissen Sie selbst, wie sich die Preise bilden und daß sie nicht von der Regierung gemacht werden.
({13})
Erlauben Sie mir noch ein Wort zu der verkehrspolitischen Perspektive, die in diesem Zusammenhang strittig geworden ist. Hier ist heute morgen vielfach von den ,,Leber-Pfennigen" geredet worden. Ich habe diesen Ausdruck noch nie gebraucht. Nicht deswegen, weil ich selber gern
meinen Namen höre, sondern deswegen, weil die Beförderungsteuer, die mit diesem Ausdruck gemeint ist, nun verkehrspolitisch eine Korrektur erfährt, haben sich heute einige Kollegen damit befaßt. Mir persönlich geht es, wenn ich diese sogenannten Leber-Pfennige nennen höre, ungefähr so wie Churchill. Er hat das einmal in einem anderen Zusammenhang beschrieben und dargestellt: „Wir waren in einer schlimmen Situation" - verkehrspolitisch waren wir damals auch in einer solchen „und brauchten einen neuen Panzer und hatten keinen. Dann wurde in aller Eile so ein Ding zusammengebastelt. Als ich den das erste Mal sah, dachte ich: ,Das sieht schrecklich aus. Ob es wohl möglich ist, damit das Ziel zu erreichen, das wir uns vorgenommen haben?' ' Er schreibt dann weiter in seinen Erinnerungen: „Ich mull Ihnen sagen: Als ich dieses Vehikel dann schießen sah, da dachte ich mir: ,Man kann auf den Erfolg hoffen'. Aber die, die meinten, dieser Panzer tauge nichts, haben ihm den Namen ,Churchill' gegeben. So stand ich dann da."
So ist es auch mit der Beförderungsteuer gekommen, meine Damen und Herren. Die, die glaubten, sie wäre nichts wert, haben sie „Leber-Pfennige" genannt. Dazu haben Sie gehört; denn Sie haben diese „Leber-Pfennige" bekämpft. Und die, die die Schilder auf die Lastwagen gemacht haben: „Die ,Leber-Pfennige' ruinieren das Gewerbe", haben das nicht getan, uni dem Verkehrsminister damals öffentlich Beifall zu zollen, sondern in der Annahme, die Schilder würden den Mißerfolg dieser Maßnahme öffentlich anzeigen. Man war dagegen. Nun wendet sich das, wie das manchmal so ist. Daß ich das sage, werden Sie mir doch wohl nicht übelnehmen. Die gleichen, die sie damals bekämpft haben dazu haben Sie gehört; denn nichts ist ihnen damals als Koalitionspartner in der Regierung härter abgerungen worden als die Zustimmung zu dieser sogenannten Beförderungsteuer; das war nicht einmal mit den Verkehrspolitikern in der CDU zu machen, sondern dazu mußten sich die beiden Koalitionsspitzen zusammensetzen, und es ist uns dann mühsam gelungen, Ihre Zustimmung zu einer zeitlich begrenzten Einführung dieser Beförderungsteuer zu gewinnen -, weinen heute offene Tränen am Grabe dieser Beförderungsteuer, die damals nur begrenzt eingeführt werden sollte.
({14})
Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Lemmrich,
wenn ich später einmal Zeit habe, das alles aufzuschreiben, werden Sie sich wundern, was darin steht.
({15})
Ich kann nämlich sogar Mitgliedern Ihrer Fraktion nachweisen,
({16})
daß sie sich nicht gescheut haben, andere Leute
nach Brüssel zur EWG-Kommission zu schicken, um
der EWG-Kommission nahezulegen, diese LeberBundesminister Leber
Pfennige abzulehnen, weil sie nicht EWG-konform seien.
({17})
Und nun trauern Sie, weil sie plötzlich nicht mehr gelten sollen, weil sie befristet waren, mit Ihrer Hilfe, mit Ihrer Billigung, mit Ihrem Wohlwollen, damals sogar von der EWG-Kommission in der Befristung als EWG-adäquat betrachtet worden sind! Ich kann mich über diesen Gesinnungswandel nur freuen, aber ich kann die Situation nicht ändern, denn das Parlament hat damals so beschlossen: Die Ablösung ist nötig.
Nun frage ich - und Sie haben ja diese Frage aufgeworfen -: „Hat das Ganze einen Sinn gehabt?" Nun, das hat nicht nur Sinn gehabt, sondern das hat einen hohen Erfolg gehabt. Die Funktion dieser Beförderungsteuer war die Funktion, die in einem anderen Zusammenhang der sogenannten Verbotsliste zugedacht war. Ich muß sagen, diese Beförderungsteuer war viel eleganter als die Verbotsliste; und ich bin nicht sicher, ob die Verbotsliste die Wirkung gehabt hätte, die die Beförderungsteuer gehabt hat: diese 3 Pfennig, diese 6 Pfennig, dieser 1 Pfennig und das 250-Millionen-Programm, das wir in Verbindung damit eingestellt haben.
Ich will Ihnen das in Zahlen sagen, meine Damen und Herren. Im Güterverkehr sind die Leistungen der Deutschen Bundesbahn - es war das Ziel dieser Beförderungsteuer, Leistungen von der Straße auf die Eisenbahn zu delegieren - von 1960 bis 1967 um 3,2 % gestiegen. Von 1967 - also vom Inkrafttreten dieser Steuer an - bis zum Jahre 1971 sind die Leistungen der Deutschen Bundesbahn im Güterverkehr um 24,7 % gestiegen. Die Erträge der Deutschen Bundesbahn stiegen von 1960 bis 1967 um 4,5 %, von 1967 bis 1971 um 42,7 %.
Im Huckepackverkehr - dies ist ein Verkehr, der mit der Beförderungsteuer auf die Eisenbahn zu gesteuert worden ist - haben wir eine Steigerung um das elffache der Leistungen, die vorher da waren. Wir haben hier völlig neue Verkehre geschaffen und sie auf die Eisenbahn zugetrieben.
Das Gewerbe, das damals gegen diese Beförderungsteuer war, kämpft heute um die Erhaltung der Beförderungsteuer. Wir können diesen Wunsch leider nicht erfüllen. Damals hat es einen Kampf gegen den kombinierten Verkehr gegeben; heute wird Kritik an der Eisenbahn geübt, weil sie nicht genügend Verkehrsraum zur Verfügung hat, um das, was an Güterverkehr auf die Eisenbahn zudrängt, zu erfüllen. Dies ist eingetreten, und dies halte ich für einen beachtlichen Erfolg.
Soweit die Fernstraßen in Betracht kommen, bringt das neue Gesetz eine weitere Verbesserung der Mittel um einen Pfennig; das sind zwischen 300 und 400 Millionen DM pro Jahr. Dies ist eine wesentliche Vermehrung der Mittel, auch wenn jemand, der für den Straßenbau verantwortlich ist, weiß, daß es hier genug eigentlich nie geben kann, weil es immer eine offene Differenz gibt, die bleiben wird, zwischen dem, was eigentlich an Straßenbauleistungen nötig wäre und den Mitteln, die in
jeder Volkswirtschaft dafür freigemacht werden können.
Wer klagt, daß die Aufgaben an sich größer seien als sie hier finanzpolitisch dargestellt werden können, der müßte bereit sein, nicht nur dem zuzustimmen, was hier vorgeschlagen wird, sondern müßte bereit sein, über das hinauszugehen.
Ich bin bereit, aufmerksam zuzuhören, was Sie zu dieser Seite des Themas zu sagen haben werden.
({18})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat seine Ausführungen mit dem Satz geschlossen, er sei gespannt zu hören, was ich jetzt sage, wenn ich richtig zugehört hätte. - Wenn der Herr Bundesminister mir richtig zugehört hätte, hätte er sich diese Frage ersparen können.
Denn es geht ganz eindeutig darum, klarzustellen: Wird mit dieser Mineralölsteuererhöhung mehr Leistung erbracht, als bisher geplant war und auch finanziert werden konnte? Oder geht es um weiter nichts, als mit diesen Mitteln teilweise - wohlgemerkt: nur teilweise - die Schäden einer inflationären Politik auszugleichen? Denn letzteres ist der Fall. Im Bundesfernstraßenbau werden nicht mehr Leistungen erbracht, sondern es werden eindeutig weniger Leistungen sein.
Er hat sich auch damit befaßt, wo die Preissteigerungen herkommen. Ich habe das, Herr Minister, ganz konkret und akkurat hier aufgeführt. Ich habe von den Steigerungen seit dem 1. Januar 1970 gesprochen und habe mich nicht auf 1969 oder 1968 bezogen. Das sind die Sachverhalte. Wir werden ja noch erleben, welche Ansätze im Haushalt entsprechend revidiert werden müssen. I'm jetzigen Bundeshaushalt sind in vielen Fällen die Zahlen für die einzelnen Baumaßnahmen noch nicht auf den neuesten Stand gebracht worden.
Ich weiß natürlich genau, wie diese Erhöhungen zustande kommen. Hier wie überall konnte die Kostenexplosion von niemand mehr aufgefangen werden. In der zweiten Beratung des Haushalts werden wir bei der Bundesbahn einmal ganz klarlegen, wie dieses Unternehmen durch die Kostenexplosion in die derzeitige böse finanzielle Situation geraten ist. Sie, Herr Minister Leber, haben gesagt: Unter mir fährt die Bundesbahn aus dem Defizit heraus. Noch nie ist sie tiefer hineingefahren als unter Ihnen. Sie haben das auch nicht so gesehen, weil Sie natürlich für Dinge mit haftbar gemacht werden, die Sie unter verkehrspolitischen Aspekten vielleicht gar nicht zu vertreten haben, sondern die Sie als Mitglied des Gesamtkabinetts zu vertreten haben. Darum geht es letzten Endes.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Präsident. Sonst komme ich mit meiner Zeit wieder nicht aus. Ich möchte mich nicht mahnen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Minister hat vom Straßenbau gesprochen. Die Sätze, die er angibt, treffen zu. Aber es geht nicht nur um den Straßenbau, sondern auch um Brückenbau usw. Die Zimmerleute lassen sich auch heute nicht ersetzen, und da schlagen natürlich die Löhne bei diesen Arbeiten durch. Ich verstehe selbstverständlich die Herren der Gewerkschaften. Man kann ihnen nicht 20 Jahre lang die Nase lang machen. Und wenn dann die glorreichen Versprechungen eingelöst werden sollen und die SPD endlich am Drükker ist, müssen die Gewerkschaftsführer natürlich mit ihren Wechseln kommen, damit sie eingelöst werden. Das verstehe ich sehr gut. So liegen die Dinge. Sie wollen all das vergessen, was Sie 20 Jahre im Land herumerzählt haben. Vielleicht blättern Sie einmal in den Zeitungen und Protokollen nach.
({0})
- Da helfen auch keine Zwischenrufe, Herr Haar. Vielleicht lesen auch Sie einmal nach. Wenn Sie Gedächtnisschwäche haben, empfehle ich Ihnen, Buttermilch zu trinken. Lezithin stärkt das Gedächtnis.
({1})
Meine Damen und Herren, so sind doch die Dinge. Dazu hat sich der Herr Bundesminister aber nicht geäußert. Er sagte jedoch: Wer was davon
- er meinte Preisbildung in der Bauwirtschaft versteht, der könne so nicht reden. - Herr Minister
Leber, ich weiß genau, daß Sie da auf mich zielen wollten, weil ich aus dieser Branche komme, aber ich habe mich von ganz unten, als Maurer beginnend, bis zum bauleitenden Ingenieur heraufgearbeitet. Ich kenne die Dinge nicht etwa nur vom Schreibtisch her, sondern ich habe mein Wissen durch viele Jahre praktischer Arbeit erworben und kenne die Verhältnisse genau.
({2})
- Auf das einzugehen, was Sie hier dazwischen rufen, kann ich mir wirklich ersparen. Sie wissen vermutlich nicht, wie es ist, wenn der Dreck auf der Baustelle in die Gummistiefel oben hineinläuft, auch wenn Sie immer so tun, als seien Sie mit den Arbeitnehmern besonders verbunden.
Meine Damen und Herren, Sie wollen uns weismachen, es werde mehr geleistet. Leider wird nicht mehr geleistet. Sonst ließen wir ja mit uns reden. Denn wir haben ja nicht so geredet wie die FDP im Jahre 1965/66: Steuererhöhungen nie! So etwas haben Sie von uns nicht gehört und werden Sie von uns nicht hören. Wir haben das im Jahre 1966 bewiesen, als wir mit der Einführung der zweckgebundenen Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pfennig für die Gemeinden einen großen Schritt machten. Aber was jetzt geschehen soll, ist nichts anderes als das Flicken von Löchern, die Sie verursacht haben.
Der Herr Bundesminister hat auch gesagt, die SPD habe 5 Pfennig gefordert. Ich wundere mich nur, daß
ich das hier im Bundestag nie gehört habe. Ich habe die Protokolle durchgeblättert, habe es aber nirgendwo finden können. Wenn das so ist, dann muß die Organisation bei der SPD überhaupt nicht funktionieren. Wie käme es sonst, daß die bayerische SPD unter dem Banner „Bonn will uns alle schröpfen; die wollen 3 Pfennig mehr Steuer; da sind wir dagegen" Wahlkampf geführt hat? Anscheinend ist das dem Präsidium der SPD in Bonn entgangen. Sicherlich, nach Bayern gibt es für die SPD ab und zu Kommunikationsschwierigkeiten.
Herr Minister Leber, Ihre Ausführungen, Sie hätten das gefordert, in Gottes Ohr - aber wo steht das?
({3})
Wo sind Sie dafür eingetreten? Wir haben nie etwas gehört. Der einzige, der unseren Vorschlag damals begrüßt hat, ist der Oberbürgermeister der Stadt München gewesen. Aber sonst haben Sie im Lande - angefangen bei Herrn Gabert - in großen Annoncen - die können Sie sich ja einmal besorgen! - gegen uns in übelster Weise polemisiert. So war es. Und hier stellen Sie sich hin und sagen: Wir haben das parteiintern beschlossen. Da kann ich nur sagen: eine komische Partei, die das intern beschließt und nach außen einen Wahlkampf dagegen führt.
Herr Minister Leber hat sich auch noch einmal mit dem sogenannten Verkehrspolitischen Programm der Jahre 1968 bis 1972 befaßt und hat hier eine kleine Märchenstunde veranstaltet. Denn als etwas anderes kann ich seine Darlegungen wirklich nicht bezeichnen. Wie war das denn mit der Straßenverkehrsbeförderungsteuer? Warum war sie notwendig? Sie war doch notwendig, um den Werkfernverkehr in den Griff zu bekommen. Herr Minister, Ihr Vorgänger hatte das schon versucht; denn im Zuge der Einführung der Mehrwertsteuer fiel die Werkfernverkehrsteuer. Der damalige Bundesminister Seebohm kam mit der Sache im Bundestag nicht durch. Um die Entwicklung im Werkfernverkehr wieder in den Griff zu bekommen, wurde die Straßenbeförderungsteuer eingeführt. Ein Pfennig wurde für den gewerblichen Güterfernverkehr vorgeschaltet, um nicht gleich wieder beim Bundesverfassungsgericht zu landen. Das ist doch die Entstehung dieser ganzen Geschichte, die Sie - das muß ich Ihnen zugestehen - mit außerordentlich geschicktem Propagandaaufwand unter dem Aspekt Straßenentlastung präsentiert haben.
Hinsichtlich der Steuer sind wir ja zur Einigung gekommen. Wenn wir das unter keinen Umständen gewollt hätten, hätten Sie die Fraktion der CDU/ CSU auch nicht dazu gebracht, und wir hätten nicht zugestimmt.
Worüber haben wir uns denn bei dem Verkehrspolitischen Programm auseinandergesetzt? Wir haben uns mit Ihnen über die regionalpolitischen Aspekte unterhalten. Wir haben uns mit Ihnen über die Ausnahmen für die Landwirtschaft unterhalten. In dem Punkt haben wir mit Ihnen allerdings bis zu allerletzt hart ringen müssen. Das waren doch
die Sachverhalte, um die es sich handelte, nicht nur um das Grundsätzliche.
Daß wir hinsichtlich der Gliederung - 3, 4 oder 5 Pfennige - eine Verschiebung in diese oder jene Richtung vornehmen wollten, trifft sicherlich zu. Aber ich kann Ihnen sagen, ich bin der einzige gewesen, der dort Protokoll geführt hat. Ich kann Ihnen das gern leihen, wenn Sie Ihre Memoiren veröffentlichen wollen. Vielleicht finde ich auch noch einmal Zeit, so eine Story zu schreiben. Herr Minister, ich würde vorsichtig sein. Nicht, daß Sie dann in den Geruch kommen, Ihr Gedächtnis sei nicht so ganz intakt - das ist sicherlich nicht der Fall - oder Sie wollten bewußt klittern. Vielleicht ersparen Sie sich in Zukunft solche Ausführungen, wie Sie sie gerade hier gemacht haben.
Was die Verbotsliste anbetrifft, kam doch der damalige Fraktionsvorsitzende Helmut Schmidt nach zahlreichen Koalitionsverhandlungen und hat sie wieder auf den Tisch gelegt. Ich weiß, Sie haben damals ein sehr saures Gesicht gemacht. Sie waren damals schon davon überzeugt, daß Ihre Verbotsliste nicht das Richtige ist. Aber wenn man in ein neues Amt kommt, muß man erst lernen; das verstehen wir ja. Wir waren für die Lösung 250 Millionen DM. Es hat nicht eine Minute gedauert, bis wir ja gesagt haben. Wenn der erste Präsident der Deutschen Bundesbahn uns bei der Anhörung nicht solche Geschichten erzählt hätte, er bräuchte nur 14 Millionen DM, wären wir wahrscheinlich selbst auf diese Idee gekommen. Es war eine gute Lösung, und wir haben sie alle voll getragen.
Nun sprechen Sie von den Leistungen der Deutschen Bundesbahn. Das Anwachsen ist bemerkenswert, aber wenn Sie daneben das Anwachsen der Zahlen des gewerblichen Güterfernverkehrs nicht nennen, wird ein falscher Eindruck erweckt. Der Anteil des gewerblichen Güterfernverkehrs ist in diesem Zeitraum nämlich noch stärker gewachsen. Das sind Sachverhalte, die man beachten muß, wenn man vom Umlenkungseffekt spricht.
In der Tat sind die Auswirkungen der Besteuerung im Bereich des Werkfernverkehrs zu sehen. Die Auswirkungen sind aber nicht darin zu sehen, daß die Bahn dadurch ein besonders hohes Aufkommen erzielt hätte. Das war deshalb so, weil wir im gewerblichen Güterfernverkehr eben eine Kapazitätsregelung haben, die wir für richtig und unerläßlich halten, und weil wir eine konjunkturelle Entwicklung herbeigeführt haben, die alle Verkehrsträger im höchsten Maße ausgelastet hat. Das ist ja der Streit, um den es geht. Sie sagen: „Das ist meine Verkehrspolitik gewesen!" Wir sagen: Es war die allgemeine konjunkturelle Entwicklung. Dabei weiß ich das Problem des Werkfernverkehrs durchaus zu würdigen.
Ich möchte jetzt in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit die Zahlen, die ganz einwandfrei vorliegen, nicht noch vorlesen. Ich muß aber auf diese Sachverhalte hinweisen, um hier falsche Eindrücke auszuschließen. Denn mit Klitterungen ist auch in diesem Bereich nichts getan, sosehr Sie das vielleicht für Ihre künftigen Propagandaschriften benötigen.
Wenn wir nicht an alle Dinge den Maßstab der Aufrichtigkeit legen, dann werden die Debatten in diesem Hause allerdings außerordentlich schwierig werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Wrede.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wohl nicht gut möglich, zu dem heute zur Beratung anstehenden Tagesordnungspunkt zu sprechen, ohne das mit einzubeziehen, was im Verlauf der gestrigen Debatte in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht wurde.
({0})
- Nein, das steht nicht dazu im Widerspruch. Ich beziehe mich, Herr Kollege, auf das, was gestern zu dem heute zur Beratung anstehenden Thema gesagt wurde. Sie haben zu einem ganz anderen Thema gesprochen und nicht zu dem, was hier zur Beratung ansteht.
Aber wenn ich einbeziehe, was gestern hier gesagt wurde, dann läßt es sich nicht leugnen: Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre späte Liebe für die Gemeinden entdeckt. Und wie es mit später Liebe häufig ist, brennt sie besonders heiß und äußert sich besonders heftig. Auch das haben wir gestern hier zur Kenntnis nehmen können. Es äußert sich dann so, daß man, um das eigene Licht heller strahlen zu lassen, um den Nebenbuhler, den Widersacher auszuschalten, die Qualitäten gerade dieses Mitbewerbers herabsetzt, um besser dazustehen. Schließlich äußert es sich auch in dem Versuch, die lange Zeit der Versäumnisse zu überspielen und diese Zeit durch besonders großzügige Versprechungen einfach vergessen zu machen.
Aber, meine Damen und Herren, Sie können doch nicht im Ernst annehmen, daß Sie mit einer Argumentation auf dieser Basis durchkommen, etwa nach dem Tenor, wie wir ihn ja zur Kenntnis nehmen mußten: Seitdem die sozial-liberale Koalition in Bonn regiert, geht es den Gemeinden schlecht. - Wir haben gestern sogar hören können - unter Bezugnahme auf Namen früherer Bundeskanzler -, wie gut es den Gemeinden damals gegangen ist. Das können Sie doch nicht einmal Ihren eigenen Kommunalpolitikern draußen im Lande verkaufen!
({1})
Aber, Herr Kollege, das glauben Sie doch wohl nicht im Ernst! Sie beziehen sich wiederholt, was Schwierigkeiten im Verkehrswesen angeht, auf die Stellungnahmen, auf Äußerungen sozialdemokratischer Kommunalpolitiker bei der letzten Hauptversammlung des Deutschen Städtetages und ziehen wiederum den gleichen Schluß auf diese Regierung. Lesen Sie doch bitte einmal in Entschließungen von Städtetagen früherer Jahre nach! Sie können sehr weit zurückgehen. Das Problem der Finanznot der Gemeinden ist doch nicht neu. Es hat doch über
10 Jahre in den Hauptversammlungen des Deutschen Städtetages eine Rolle gespielt, bevor es schließlich in der Zeit der Großen Koalition das wäre doch ohne die Sozialdemokraten gar nicht möglich gewesen - zur Gemeindefinanzreform gekommen ist.
Ich weiß, daß Sie an diese Dinge nicht gern erinnert werden. Den Gemeinden ist es doch schon zu einer Zeit schlecht gegangen - sie haben sich verschulden müssen , als der Bund noch aus dem vollen schöpfen konnte, zu einer Zeit, als Sie in Bonn an der Regierung waren. Das blättern Sie mal nach! Wo waren denn da Ihre Leistungen für die Gemeinden?! Nichts! Im Gegenteil, den Gemeinden wurden Lasten aufgebürdet, und hier wurden Steuergesetze beschlossen, die zu Lasten der Gemeinden gingen. Ich darf das nur noch einmal in Erinnerung rufen. Erst in der Großen Koalition hat sich diese Situation geändert.
Meine Damen und Herren, Sie können zur Kenntnis nehmen: Mit dieser Geschichte kommen Sie draußen im Lande nicht an. Sie werden draußen an dem gemessen, was Sie hier tun, wie Sie abstimmen, wenn ganz bestimmte Gesetzentwürfe zur Diskussion stehen, und nicht danach, wie Sie reden, was Sie alles tun würden, wie Sie beispielsweise den Gemeinden helfen würden, wenn Sie nur so könnten, wie Sie wollten. Vielmehr werden Sie hier zur Kasse gebeten, wenn beispielsweise über diesen Gesetzentwurf abgestimmt wird. Da haben Sie sehr laut und deutlich angekündigt: Nein, wir machen nicht mit. Sie haben verschiedene Begründungen dafür gegeben. Kollege Dr. Evers hat gestern das Schwergewicht seiner Begründung darauf gelegt, daß ihm die ganze Richtung nicht paßt, weil dieses Gesetz die Mittel nicht in den Bundeshaushalt einfließen läßt. Kollege Lemmrich hat eben ausgeführt, daß man nicht mithelfen wolle, die Schlaglöcher der Inflation zu flicken. Herr Kollege Lemmrich, ich bin ganz sicher, wenn Sie nachher Ihre Rede von heute, insbesondere Ihre zweite, nachlesen, werden Sie sehr stolz auf sich sein. Sie werden sich gewaltig vorkommen.
({2})
- Ja, das tut er immer! Aber er braucht das offensichtlich zur Selbstbestätigung.
Herr Kollege Lemmrich, Sie haben das Schwergewicht Ihrer Begründungen darauf gelegt: wir werden nicht mithelfen, die Schlaglöcher der Inflation zu flicken. Ich möchte nichts von dem wiederholen, was vorhin der Verkehrsminister im Zusammenhang mit den Preissteigerungen zum Ausdruck gebracht hat.
({3})
Man kann sich höchstens fragen: über was wollten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier im Hause eigentlich reden, wenn Sie diese Thema nicht hätten?
({4})
- Herr Kollege Müller-Hermann, es ist wichtig
genug. Aber wenn Sie ernsthaft darüber nachdenken, müßte Ihnen doch klar werden, daß Sie durch
dieses dauernde Gerede über Preissteigerungen
- über deren komplizierte Zusammenhänge andere Leute, die das viel besser können als ich, in diesem Hause wiederholt gesprochen haben - doch die Preissteigerungen nicht beseitigen, sondern daß Sie eine Stimmung erzeugen, in der Preissteigerungen doch nur noch angereizt werden können. Schließlich kann man sich doch nur noch fragen, - ({5})
- Herr Kollege Müller-Hermann, wer macht keine Fehler? Wer keine Fehler macht, der tut auch nichts! Offensichtlich ist Ihnen das noch nicht bekannt. Was soll denn so eine dumme Rede hier. Wenn Sie doch einmal zugeben würden: Wir haben Fehler gemacht! Das nennen Sie Politik, das halten Sie für Politik. Dafür werden sich die Bürger draußen im Lande schön bedanken.
({6})
Meine Herren, Sie müssen sich doch schließlich, wenn Sie auf diesem Thema wiederholt herumreiten, vorwerfen lassen - das kann doch gar nicht ausbleiben , daß Sie an diesem Thema zum Schaden der Bürger draußen im Lande Ihr parteipolitisches Süppchen kochen wollen. Darüber sollten Sie einmal im Ernst nachdenken.
({7})
In diesem speziellen Zusammenhang, Herr Kollege Lemmrich, folgendes. Ihre Rechnung - bezogen auf ein bestimmtes Datum und auf eine ganz bestimmte Planung zu sagen: es wird nicht mehr gebaut, und deswegen sagen wir nein; es werden nur die Schlaglöcher der Inflation geflickt - ist doch eine Milchmädchenrechnung.
({8})
- Aber Herr Kollege Lemmrich, ich begebe mich gar nicht auf das Niveau, das Sie bevorzugen. Lassen Sie mich doch meine Rechnung weiter fortführen!
({9})
- Darf ich jetzt weitersprechen?
Meine Damen und Herren, ich darf im Interesse der Flüssigkeit der Debatte bitten, Zwischenrufe nur vereinzelt vorzunehmen.
Die Bürger draußen im Lande interessiert es doch in keiner Weise, wenn Sie sagen, daß, bezogen auf eine bestimmte Planung und auf Preissteigerungen, die in einem bestimmten Zeitraum eingetreten sind, weniger gebaut wird.
Die Bürger draußen im Lande interessiert doch: kann zu einem bestimmten Zeitpunkt das, was sie als notwendig ansehen, gebaut werden? Dazu muß man von der Situation, auch der preislichen Situation, ausgehen, in der man sich befindet.
Herr Abgeordneter, gestatten sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?
Herr Kollege, ist Ihnen der erste Fünfjahresplan und seine Finanzgrundlage bekannt? Wenn Ihnen das bekannt ist, glauben Sie, daß Sie so argumentieren können?
Herr Kollege Lemmrich, ich versuche die ganze Zeit, Ihnen deutlich zu machen - offensichtlich ist das bei Ihnen nicht so leicht -, daß die Bürger draußen im Lande nicht interessiert, wieviel, gemessen an einem Fünfjahresplan, wird gebaut werden können, sondern wieviel realiter gebaut wird.
({0})
Sie sagen: weil es bei der Planung nicht geht, machen wir nicht mit. Dann sollten Sie aber auch den Mut haben zu sagen: Wir sind dafür, daß weniger Straßen gebaut werden. Denn genau das ist die Konsequenz Ihres Nein zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und zu anderen Maßnahmen.
({1})
- Aber, Herr Kollege Lemmrich, das ist doch zu billig, als daß Sie glauben können, daß ich darauf noch einmal eingehe.
({2})
Diese Behauptungen werden doch durch häufiges Wiederholen nicht wahrer. Diese Zusammenhänge sind doch viel komplizierter, als daß Sie mit einer solchen Bemerkung damit fertig werden könnten. Ich habe das vorhin schon einmal angedeutet.
Eine Tatsache ist folgendes. Wenn Sie sagen: wir sind gegen diese Mineralölsteuererhöhung um vier Pfennige, weil nicht mehr gebaut wird, dann stimmt das nicht. Natürlich würde, wenn wir diese eine Milliarde DM für die Verkehrsbauten nicht hätten, weniger gebaut werden. Also wird mit dieser Milliarde mehr gebaut. Wenn Sie also sagen: wir sind dagegen, sagen Sie ein klares Nein zu mehr Straßenbau. Das wollte ich zu dieser grundsätzlichen Situation sagen.
Nun eine Bemerkungen zum Verlauf der Diskussion über den Gesetzentwurf selber. Es ist sicher richtig, daß wir uns bei den weiteren Beratungen über die Kraftfahrzeugsteuer darüber unterhalten müssen, wie die Auswirkungen auf die einzelnen Zweige sein werden. Ganz sicher ist - das kann hier nicht vom Tisch gewischt werden -, daß der Straßengüterverkehr insgesamt durch den Wegfall des Leber-Pfennigs und nach Einführung dieser stärkeren Kraftfahrzeugsteuerprogression ganz erheblich entlastet wird. Ich sage „insgesamt", denn die Entlastung verteilt sich unterschiedlich. Das muß man also sehen.
Wir werden uns - der Kollege Haar hat es hier ausgeführt - im Verlaufe der Beratungen auch darüber zu unterhalten haben, ob die Verteilung dieser zusätzlichen Milliarde aus der Mineralölsteuererhöhung genau nach dem Schlüssel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes vorgenommen werden kann oder ob wir uns nicht über eine Änderung des Schlüssels, über eine Erhöhung des Bundesanteils und auch - das hat Herr Kollege Apel noch einmal zum Ausdruck gebracht - über eine eventuelle Ausweitung des Kataloges der zuschußfähigen Maßnahmen unterhalten müssen. Aber diese Dinge gehören wohl nicht in die erste Lesung im Plenum, sie gehören in die Ausschußberatung.
Ich möchte abschließend nur noch einmal zum Ausdruck bringen, daß meine Fraktion diesen Gesetzentwurf begrüßt, weil sie davon ausgeht, daß wir die Gemeinden mit der Verdoppelung der Mittel für sie in die Lage versetzen, in ihren Schwerpunktprogrammen für den Straßenbau und für den öffentlichen Personennahverkehr ein gewaltiges Stück weiterzukommen. Wir können der Opposition nur anraten, sich ihre Haltung noch einmal zu überlegen. Sonst muß sie sich von den Gemeinden den Vorwurf gefallen lassen, daß sie immer nur für die Gemeinden redet, weil sie glaubt, das mache sich gut, daß sie aber dann, wenn es darum geht, den Gemeinden tatsächlich zu helfen, ihre Hilfe verweigert.
({3})
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über Punkt 6 der Tagesordnung. Nach dem Beschluß des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf dem Finanzausschuß - federführend -, dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, dem Innenausschuß, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol
- Drucksache VI/2768 -Das Wort hat der Abgeordnete Offergeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung wird mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfes und mit der Vorlage des Gesetzentwurfes, über den wir gerade diskutiert haben, ihrer finanzpolitischen Verantwortung gerecht. Die Erhöhung der Mineralölsteuer - wir haben gerade darüber diskutiert - um 4 Pfennig je Liter wird im Jahre 1972 ein Mehraufkommen von
1,3 Milliarden DM zur Folge haben. Die um 2511/o erhöhte Branntweinsteuer ergibt für 1972 voraussichtlich ein um 500 Millionen DM höheres Steueraufkommen.
Dieses Steueraufkommen wird ausschließlich zur Verbesserung der Finanzsituation der Länder und Gemeinden verwendet. Der Bundeshaushalt - darauf hat der Bundeswirtschafts- und -finanzminister in der Haushaltsdebatte bereits hingewiesen - hätte auch ohne diese Steuererhöhungen ausgeglichen werden können. Wenn wir uns jetzt also für Steuererhöhungen in diesen beiden Bereichen entscheiden, so geschieht dies ausschließlich im Interesse der Gemeinden und der Länder, die einen Großteil der öffentlichen Investitionen finanziell zu verkraften haben. Die vorliegenden beiden Gesetzentwürfe bringen für die Länder und Gemeinden im Jahre 1972 eine Verbesserung in Höhe von über 21/2 Milliarden DM.
Der CSU-Vorsitzende Strauß und - ihm folgend - Herr Kollege Krammig haben gegen die beabsichtigten Steuererhöhungen schon heftigen Protest eingelegt. Herr Strauß hat dabei vor einem angeblich dubiosen Begriff des unabweisbaren Staatsbedarfs gewarnt. In dem berühmten Artikel „Ich sage nein" sagt er, dieser Begriff dürfe in der Diskussion über Steuererhöhungen keine Rolle spielen. Für uns geht es -- im Gegensatz zu Herrn Strauß - nicht um einen dubiosen Begriff, sondern um eine Grundfrage für unsere Zukunft, nämlich um die Grundfrage des Verhältnisses von privatem Bedarf und Gemeinschaftsbedarf, also die Grundfrage von Privatkonsum und Staatsausgaben.
Niemand, der die Aufgaben übersieht, die in nächster Zukunft im öffentlichen Bereich auf uns zukommen werden, und der die finanziellen Auswirkungen überschaut, wird bestreiten können, daß etwa die Steuerlastquote des Jahres 1965, die über 24 % des Sozialprodukts betragen hat. gehalten werden muß. Aber jeder, der sich mit diesen Dingen beschäftigt, weiß ja auch, daß die Steuerlastquote schon im vergangenen Jahr niedriger lag - unter dem Satz von 1969 -, daß sie in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr niedriger liegen wird. Das bedeutet also, daß die vorgesehenen Steuererhöhungen - die bei diesen Zahlen schon berücksichtigt sind - durchaus maßvoll und vertretbar sind.
Um das Ausmaß der Steuererhöhungen zu konkretisieren, nenne ich ein Beispiel. Die Branntweinsteuererhöhung bedeutet etwa - um das anschaulich zu machen - bei einer 1/1-Flasche - das sind 0,7 1 - Korn 75 Pf, bei einer Flasche Likör nur 70 Pf und bei einer Flasche Obstwasser 93 Pf. Das alles ergibt schon im Jahre 1972 über 500 Millionen DM mehr. Wir sind der Auffassung, daß diese Steuererhöhung durchaus maßvoll und auch politisch und sozial vertretbar ist.
({0})
- Die ist nicht gebunden, diese Steuer.
({1})
- Ja, sehr richtig, Herr Stücklen, die kann man auch für die Bildungspolitik verwenden. Indirekt geschieht dies auch, weil diese Mittel den Ländern zugute kommen.
Die CDU/CSU hat auch hier wieder einmal eine Chance vergeben, meine ich, konstruktiv an der Lösung der großen Zukunftsaufgaben mitzuwirken. Denn offenbar gilt die Devise von Herrn Strauß „Ich sage nein" für alle Bereiche der Politik. Ich frage mich nur, wie die CDU/CSU draußen im Lande es dem Bürger verständlich machen will, daß etwa einer ihrer Ministerpräsidenten - ich kenne das aus meinem Lande -, Herr Filbinger, landauf, landab reist und fast täglich Steuererhöhungen fordert und eine Erhöhung der Steuerlastquote verlangt, und daß hier, wenn es dann um die praktische Konsequenz dieser Forderungen geht, die CDU/CSU nein sagt. Die CDU/CSU verlangt nahezu überall Mehrausgaben. Gestern wurde lautstark und vielstimmig eine Verbesserung der finanziellen Situation der Gemeinden gefordert. Wenn es darum geht, diese Maßnahmen durchzuführen, hören wir wiederum nur ein Nein; die Opposition verweigert ihre Zustimmung.
Wir werden diesen Gesetzentwurf genauso wie den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Mineralölsteuer in den Ausschüssen sorgfältig beraten. Wir begrüßen die Vorlage dieser Gesetzentwürfe, weil die Bundesregierung damit ihrer finanzpolitischen Verantwortung gerecht wird.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Krammig hat heute morgen eine steuerpolitische Rede gehalten, die jeden, der den Herbst 1966 erlebt hat, mit einigem Vergnügen erfüllt hat. Aber Herr Krammig, eine Rede wird nicht deswegen richtiger, daß man sie fünf Jahre zu spät unter anderen Bedingungen hält, und sie wird nicht glaubwürdiger, wenn man in der Zwischenzeit genau das Gegenteil von dem gemacht hat, was man jetzt als Opposition fordert.
Sie haben doch wohl nicht vergessen, daß die Große Koalition es fertiggebracht hat, in einer Rezession innerhalb von zweieinhalb Jahren die Rekordzahl von zehn Steuererhöhungen hinter sich zu bringen. Wenn Sie das nicht glauben wollen, kann ich sie Ihnen gern noch einmal nennen. Es fing mit der Sektsteuer an, dann kamen die Tabaksteuer, die Mineralölsteuer, dann die Ergänzungsabgabe, weiter die Einführung der Mehrwertsteuer - mit 10% bereits höher als die alte Umsatzsteuer -, dann kam die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 11 %, dann kam die Straßengüterverkehrsteuer, dann die Exportsteuer, dann kamen Einschränkungen in der Einkommensteuer wie bei der Kilometerpauschale und schließlich und endlich innerhalb der zweieinhalb Jahre noch die Lohnfortzahlung, die ja bekanntlich dem Arbeitnehmer nichts, aber der Staatskasse über eine Milliarde brachte.
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Das ist alles in einem Zeitraum gemacht worden, in dem man nach dem Stabilitätsgesetz hätte Steuern senken und nicht erhöhen sollen.
Nun, Herr Krammig, sagen Sie, die CDU sei ja bereit, eventuell über Steuererhöhungen mit sich reden zu lassen. Dafür nennen Sie vier Bedingungen. Ich habe sie in der Eile in etwa mitgeschrieben. Sie sagen: Zuerst muß die Stabilitätspolitik erfolgreich sein. Ja, meine Herren und Damen von der Opposition, dann dürfen Sie, wenn Sie helfen wollen, die Stabilitätspolitik zu fördern, die Maßnahmen, die die Regierung im Sinne des Stabilitätsgesetzes ergreift, z. B. Steuererhöhungen, nicht ablehnen; denn ein Mittel, Stabilitätspolitik zu betreiben, ist ja wohl - das haben Sie selbst in das Stabilitätsgesetz hineingeschrieben -, Steuern zu erhöhen.
({1})
Wenn Sie das jetzt ablehnen, verhalten Sie sich genau entgegen dem Stabilitätsgesetz.
Als Zweites fordern Sie, Herr Krammig, daß man einen konjunkturgerechten Haushalt aufstellen soll. Ja, meine Herren und Damen von der Opposition, wir warten ungemein interessiert auf das, was Sie zur Einschränkung des Haushalts zu sagen haben. Aber das, was der Herr Kollege Erpenbeck uns heute morgen hier geboten hat, war wohl alles andere als ein Drängen der Regierung, Haushaltseinsparungen vorzunehmen, sondern haargenau das, was Sie hier im Hause und draußen landauf, landab tun: Sie fordern immer mehr Staatsausgaben von der Regierung, aber gleichzeitig erklären Sie, Sie wollten den Haushalt konjunkturgerecht fahren, d. h. einschränken.
Dann sagen Sie: Wir wollen erst einmal eine neue Prioritätsliste. Das wollen wir auch. Aber es brennt halt an verschiedenen Stellen; denn was uns die CDU-Politik in Bund und Ländern an miserabler Bildungspolitik zurückgelassen hat, erfordert nun sehr viel Geld.
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Da ist ja nichts gewesen. Oder was der Herr Innenminister etwa an Umweltschutz vorgefunden hat, war auch gleich Null. Es gibt also eine Menge Aufgaben, die heute dringend, brandeilig sind, und die müssen wir finanzieren. Wenn Sie das nicht wollen, wenn Sie beim alten Trott bleiben wollen, - nun, schön, dann sagen Sie nein zu den Bemühungen, diese Dinge möglich zu machen.
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- Das ist keine Wahlrede. Es hat doch keinen Sinn, hier Wahlreden zu halten. Sie wählen uns ja doch nicht.
Schließlich sagen Sie noch, daß wir keine Reformen ankündigen sollen. Doch, wir werden die Reformen ankündigen, die wir für notwendig halten, weil unser Volk Anspruch auf eine neue Politik hat.
In der Regierungserklärung ist seitens der Regierung und seitens der Koalitionsfraktionen zugesagt
worden, daß die Steuerlastquote innerhalb dieser vier Jahre nicht erhöht werden soll, gerade unter dem Eindruck jener zehn Steuererhöhungen der großen Koalition, denen bekanntlich keine Prioritätsliste zugrunde lag. Denn da haben wir auch nichts an neuen Prioritäten vorgefunden. 1966 hatten wir sehr nachdrücklich gefordert, endlich Prioritäten aufzustellen. Das ist nicht passiert. Jetzt haben wir festgelegt, daß die Steuerlastquote nicht erhöht wird, und sie wird in der Tat durch diese Dinge nicht erhöht, sondern wieder aufgefüllt. Ich darf Ihnen die Zahlen, die Herr Offergeld nur andeutete, genau nennen: 1969 - das war das Stichjahr - 24,08 %, 1970 nur 22,6 %, 1971 22,8 %, im nächsten Jahr nach den Berechnungen einschließlich der Mineralölsteuer-, der Branntweinsteuer- und der Tabaksteuererhöhung, über die wir uns ja einmal unterhalten werden, 23,1 %, im Jahre 1973 23,5 %, 1974 23,67 % und 1975 23,72 %. In all diesen Jahren befinden wir uns also noch unter dem, was 1969 an Steuerlastquote auf dem deutschen Volk gelegen hat, und das war am Ende der Großen Koalition.
Insoweit, Herr Krammig, ist Ihr Nein ein Votum zur Minderung der öffentlichen Mittel. Das müssen Sie nun allerdings zugleich mit den lautstarken Forderungen in Einklang bringen, die Ihre eigenen Kollegen draußen im Lande immer für viele neue Aufgaben stellen, und auch mit den klaren Forderungen, die ich im Radio und anderwärts von Kollegen Ihrer Fraktion gehört habe, nämlich daß die Bundesregierung selbstverständlich die Steuern erhöhen müsse. Die Bundesregierung hat aber auch bei der großen Steuerreform, die ja ansteht, keine Steuererhöhungen vorgesehen; die Steuerreform soll sich vielmehr in sich selbst ausgleichen, so daß die Zahlen, die ich genannt habe, auch noch über die Steuerreform hinweggreifen, wenn man davon absehen will, daß unter Umständen zwischen Steuermehreinnahmen und Mehrausgaben ein unmittelbarer Ausgleich erfolgt.
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Meine Fraktion stimmt unter diesen Gesichtspunkten der vorgesehenen Anhebung der Branntweinsteuer zu. Allerdings werden wir uns im Ausschuß über einige Einzelheiten noch unterhalten müssen. Ich nehme an, wir werden genau prüfen, ob der Stichtag richtig ist, weil ein gewisses Verhalten sowohl der Produzenten und Händler in bezug auf die Läger wie auch der Konsumenten zu erwarten ist. Man muß prüfen, zu welchem Zeitpunkt der Übergang am geräuschlosesten und am besten durchzuführen ist. Wir würden auch prüfen, Herr Minister, ob es notwendig ist, die Likörbohnen auf ihren Alkoholgehalt zu untersuchen und sie nach den verschiedenen Packungen Viertelpfund, halbes Pfund und ganzes Pfund - nachzuversteuern. Mir scheint, die Ausrechnung wird wahrscheinlich teurer sein als das, was die Nachversteuerung bringen wird.
Wir stimmen der Überweisung zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Häfele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krammig hat vorher schon unser Nein zu den Erhöhungen insgesamt für die Fraktion begründet. Das gilt selbstverständlich auch für diesen Plan der Steuererhöhung. In der Tat müssen die Steuererhöhungen finanzpolitisch auch in einem Gesamtzusammenhang gesehen werden. Es genügt nicht, daß nur der für den Verkehr zuständige Teil der Regierungsbank versucht, auf einem kleinen partiellen Sektor Pro-Gründe, die es natürlich auch gibt, anzuführen.
Letztlich geht es darum, daß wir sagen: das ist kein Gesamtkonzept für Bund, Länder und Gemeinden, das auch nur halbwegs eine Lösung der drängenden Probleme in den nächsten Jahren bringen kann. Es schafft für eine kurze Zeit da oder dort vielleicht ein bißchen Luft, ohne irgendwo etwas durchgreifend zu lösen. Das ist der entscheidende Einwand.
Ich möchte aber kurz noch einen Gesichtspunkt in die Debatte einführen, der meines Erachtens auch mit hinzugehört. Die Regierung will immer noch die Große Steuerreform in dieser Legislaturperiode verwirklichen. Am 1. Januar 1974 soll sie - immer noch - in Kraft treten. Jeder Kenner der Materie weiß, daß, wenn man eine Steuerreform in die Tat umsetzen will, zumal eine solche, die den Namen Große Steuerreform verdienen soll, man dann eine Verfügungsmasse braucht.
({0})
Sie können keine Steuerreform machen, ohne eine Verfügungsmasse zu haben. Durch diese kleinen partiellen Steuererhöhungen, die Sie auf bestimmten Gebieten vornehmen wollen, nehmen Sie von dieser Verfügungsmasse etwas hinweg, was Sie bei einer echten Steuerreform vermutlich dringend notwendig hätten; sonst können Sie nicht reformieren. Ich habe ausgerechnet, was im Jahre 1974 diese Steuererhöhungen in etwa insgesamt ausmachen würden, wenn ich die Tabaksteuererhöhung noch hinzunehme. Es ist immerhin ein Volumen zwischen drei und vier Milliarden insgesamt. Diese drei bis vier Milliarden werden Ihnen spätestens dann fehlen, wenn Sie eine echte Steuerreform machen wollen.
Denken Sie nur an das Problem der Kraftfahrzeugsteuer. Die Regierung hat sich jetzt zu einem Vorschlag durchgerungen. Ich weiß nicht, ob das schon das letzte Wort der Regierung sein kann, denn wir werden noch die Sachverständigen anhören. Ich weiß nicht, ob diese Lösung die Verwaltungsvereinfachung bringen wird, die bei der Kraftfahrzeugsteuer vor allem von den Finanzämtern erwartet wird. Die Frage ist also, ob Sie da nicht einen Spielraum auf anderen Gebieten haben müssen, um eine echte Reform machen zu können.
Mit diesen Gesetzen, die die Steuererhöhungen bringen sollen, ist vor allem auch der Nachteil verbunden, daß Sie bei der Steuerreform drei bis vier Milliarden als Verfügungsmasse nicht haben. Das ist mit ein Grund außer den Gründen, die
Herr Krammig schon genannt hat -, weshalb wir zu diesen Steuererhöhungen nein sagen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Häfele hat die Beschlüsse der Bundesregierung zur Reform mit in die Debatte einbezogen.
({0})
- Die Grundsatzbeschlüsse; die sind sehr wichtig! - Herr Häfele, die Bundesregierung hat ein finanziell ausgeglichenes Konzept vorgelegt. Es war nicht leicht, das vorzubereiten.
({1})
Diese Debatte zeigt wieder etwas, was vorherige Debatten auch auf anderen Gebieten den Mitgliedern der Regierungskoalition jeweils das Diskutieren schwergemacht haben: daß die Opposition, wenn es um Geld geht, nicht konkret ist. Sieben Monate, nach der Veröffentlichung des Gutachtens der Großen Steuerreformkommission, viereinhalb Monate nach den Grundsatzbeschlüssen der Bundesregierung hat die Opposition noch immer nicht erkennen lassen, wie sie konkret zur Steuerreform steht.
({2})
Am 30. März dieses Jahres hat der Vorsitzende der Steuerreformkommission, Herr Eberhard, Bundeskanzler Brandt das Gutachten übergeben, am 11. Juni hat die Bundesregierung grundsätzliche Beschlüsse gefaßt.
({3})
- Die sind inzwischen in einigen Teilen korrigiert, aber im großen und ganzen ist es bei den Beschlüssen geblieben. Es hat Verbesserungen gegeben.
({4})
Damit haben die Koalitionsparteien, die diese Regierung tragen, einen wesentlichen Beitrag für eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten gel ei stet.
Im Juli dieses Jahres hat die sozialdemokratische Steuerreformkommission ihre Beschlüsse veröffentlicht. Inzwischen hat eine intensive Diskussion zum Thema Steuerreform in der Bundesrepublik eingesetzt. Unternehmerverbände, Gewerkschaften, viele andere Organisationen haben zu den Regierungsbeschlüssen Stellung genommen, in den Zeitungen, in Fachzeitschriften wird dieses Thema intensiv diskutiert. Nur eine Stimme fehlt: die der CDU/CSU.
Ich sage das nur, weil es die Diskussion dieses Themas in diesem Lande nicht leichter macht.
({5})
Obwohl der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Dr. Stoltenberg, erst neulich wieder die Steuerreform als eine wichtige innenpolitische Aufgabe bezeichnet hat, kennen wir nicht einmal in groben Umrissen das Konzept der Opposition, und dies, obwohl die CDU/CSU in der vergangenen Legislaturperiode den Antrag unterstützt und mitbeschlossen hat, mit dem der Bundestag die Bundesregierung aufforderte, eine Steuerreformkommission einzusetzen, damit eine große Steuerreform vorbereitet werden kann.
Bis heute weiß die Öffentlichkeit also nicht, wofür oder wogegen die CDU/CSU ist.
({6})
Wir wissen nicht nur nicht, was Sie steuerpolitisch tun wollen, wenn es darum geht, Haushalte auszugleichen, wir wissen auch nicht einmal in Umrissen, was Sie in der Steuerpolitik insgesamt vorhaben. Da ist eine weiße Fläche auf der Landkarte. Sie müssen selbst wissen, ob Sie sich das leisten können. Ich finde es jedenfalls außergewöhnlich, daß eine Partei, die sonst zu jeder Kleinigkeit ausführlich Stellung nimmt,
({7})
zur Steuerreform nichts auszusagen hat.
({8})
Lassen Sie mich das einmal sagen. Ich mache Ihnen keine Vorwürfe. Wir haben über Steuerpolitik zu diskutieren - Sie haben das damals mit gewünscht -, und Sie fallen bisher bei dieser Diskussion aus, Sie passen, wenn es um dieses Thema geht.
({9})
Politisches Handeln besteht nicht nur darin, daß man etwas tut, sondern kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß man etwas unterläßt.
Der CSU-Abgeordnete Dollinger hat im Mai dieses Jahres in einem Interview mit dem „Handelsblatt" erklärt, daß er unser Steuerrecht gut genug finde. Vielleicht ist das die Begründung dafür, daß die CDU/CSU gar keine Steuerreform will.
Der heutige Tag hat leider wieder gezeigt - und. Sie sind auf die Steuerreform eingegangen, Herr Häfele, deswegen wollte ich dies dazu sagen -,
({10}) daß Sie nur dagegen sind.
({11})
Ihre Fraktion hat gestern, als es um Gemeindefinanzen ging, eine Forderung aufgestellt, die beim Bund
einen Ausfall von 1 Milliarde DM verursachen würde, ohne daß Sie auch nur erkennen lassen, wie diese Milliarde ausgeglichen werden soll oder welche Ausgaben des Bundes in Höhe von i Milliarde DM gestrichen werden sollen.
({12})
Das kann sich eine Partei, wie ich meine, nicht leisten,
({13})
die sonst soviel Wert darauf legt, als die größte Fraktion in diesem Hause respektiert zu werden. Ihre Finanzpolitik ist ohne jegliche solide Grundlage.
({14})
Deswegen fehlt uns der Diskussionspartner für diesen Teil der Innenpolitik.
({15})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß vor. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu dem zurückgestellten Punkt 3 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind"
- Drucksache VI/926
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0})
- Drucksache VI/2337 -
Berichterstatter: Abgeordneter Prinz zu
Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({1})
Drucksache VI/2300 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr.
Henze
Abgeordneter Koenig
({2})
Ich danke den Berichterstattern für ihren schriftlichen Bericht.
Ich darf Ihnen bekanntgeben, daß der Haushaltsausschuß in seiner Berliner Sitzung beschlossen hat - die Unterlagen befinden sich im Sitzungsakt des amtierenden Präsidenten -: Der Haushaltsausschuß hat sich vorsorglich mit den haushaltsmäßigen Auswirkungen des Änderungsantrages auf Umdruck 227 *) befaßt und festgestellt: Die für 1971 bei Kapi-
*) Siehe Anlage 2
Vizepräsident Dr. Jaeger
tel 15 02 Titel 685 21 bereitgestellten 25 Millionen DM werden, falls das Gesetz entsprechend § 27 des Entwurfs, Nr. 8 des Änderungsantrages auf Umdruck 227, dieses Jahr nicht mehr in Kraft tritt, gemäß § 45 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 der Bundeshaushaltsordnung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen auf das Haushaltsjahr 1972 übertragen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Mit der dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" kommen die umfangreichen und vielgestaltigen Erwägungen zum Abschluß, die dem Gesetz in seiner nunmehr endgültigen Form zugrunde liegen. Das Gesetz soll nicht nur den contergan-geschädigten Kindern eine schnelle, wirksame und dauernde Hilfe bringen, es sieht darüber hinaus für die Gesamtheit der behinderten Kinder neue und zusätzliche Hilfen vor.
Sie sollen darin bestehen, daß die Stiftung Einrichtungen, Forschungsvorhaben und entsprechende Maßnahmen fördert, die behinderten Kindern die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtern können oder die das Ziel haben, der Entstehung von Behinderungen vorzubeugen.
In dieser Zielsetzung und in der Ausgestaltung des Gesetzes ist zugleich ein ernsthaftes Angebot enthalten. Es richtet sich an alle Kräfte in Gesellschaft und Wirtschaft mit der Bitte, zu prüfen, ob und in welchem Maße sie helfen wollen, die finanzielle Kraft dieses Vorhabens so zu stärken, daß die Hilfe für die behinderten Kinder weiter ausgebaut und vollkommener entwickelt werden kann.
Es ist gut, daß der Deutsche Bundestag dieses Gesetz heute verabschiedet, obgleich die Voraussetzungen für sein Inkrafttreten noch nicht in vollem Umfange gegeben sind.
Die Leistungen, die nach diesem Gesetz an die contergan-geschädigten Kinder erbracht werden sollen, haben außer den aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellten Beträgen die 100 Millionen DM zuzüglich Zinsen und Erträgnissen zur Grundlage, zu deren Zahlung sich die Firma Chemie Grünenthal, die Herstellerin des Schlafmittels Contergan, gegenüber den Vertretern der geschädigten Kinder vertraglich verpflichtet hat. Sobald rechtsverbindlich feststeht, daß dieser Betrag der Stiftung in vollem Umfang zur Verfügung steht, kann das Gesetz in Kraft treten.
Nachdem das Hohe Haus die von dem federführenden Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit erarbeitete Fassung des Gesetzes am 23. Juni dieses Jahres in zweiter Lesung einstimmig gebilligt hatte, habe ich mit den Treuhändern, die die genannten Gelder verwalten, und mit Vertretern des „Contergan-Kinder-Hilfswerks" mehrere Gespräche geführt, um die letzten Vorbehalte gegen eine Einbringung des Geldes in die Stiftung aus dem Wege zu räumen. An einigen dieser Besprechungen haben Mitglieder der drei Fraktionen dieses Hohen Hauses teilgenommen. Die Treuhänder und die Elternvertreter haben hierbei die Sorgen und Wünsche der Eltern vorgetragen, denen nach ihrer Auffassung das Gesetz in der in zweiter Lesung beschlossenen Fassung nicht in hinreichendem Maße Rechnung trägt. Die Erörterungen waren von dem gemeinsamen Wunsch und dem Bemühen getragen, zu einer alle Teile befriedigenden Lösung zu gelangen. Allen, die hierbei mitgeholfen haben, insbesondere den Mitgliedern dieses Hauses, spreche ich meinen aufrichtigen Dank für ihr Verständnis und ihre tatkräftige Unterstützung aus.
Das Ergebnis der Bemühungen ist in dem Änderungsantrag niedergelegt, der heute zur Beratung ansteht. Ein großer Teil der dort vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen enthält nach Auffassung der Bundesregierung lediglich eine Klarstellung dessen, was ohnehin gewollt war, aber nach Auffassung der genannten Gesprächspartner im Gesetz noch nicht deutlich genug zum Ausdruck kam. Andere Bestimmungen betreffen verfahrensrechtliche Regelungen.
Eine materielle Änderung enthält lediglich der nunmehr vorgeschlagene § 13 Abs. 3. Hiernach soll ein Rechtsanspruch auf Kapitalisierung der Rente für einen Zeitraum bis zu fünfzehn Jahren bestehen, wenn dieses Geld zum Erwerb etwa eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung des Kindes verwendet wird. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, läßt sich eine Kapitalisierung der Rente mit der sozialpolitischen Zielsetzung des Gesetzes vereinbaren, die von dem Bestreben getragen ist, den Kindern eine lebenslange Sicherung zu bieten.
Wenn das Haus den Wünschen der Eltern in der genannten Weise entgegenkommt, sehe ich keinen Grund mehr, der die Verantwortlichen hindern könnte, die von der Firma Chemie Grünenthal zur Verfügung gestellten 100 Millionen DM zuzüglich Zinsen und Erträgnissen in die Stiftung einzubringen. Wenn die Treuhänder der Auffassung sind, sie könnten dies nicht tun, bevor sie alle Eltern, die namens ihrer Kinder dem Vergleich mit der Firma Chemie Grünenthal zugestimmt hätten, gefragt hätten, so habe ich dafür Verständnis. Ich bin allerdings der Auffassung, daß die Teuhänder legitimiert und gegenüber den geschädigten Kindern geradezu verpflichtet sind, das Geld in die Stiftung einzubringen. Die gesetzliche Lösung bringt für alle, jedenfalls aber für die ganz überwiegende Mehrzahl der Kinder im Vergleich zu der vertraglichen Lösung so wesentliche Vorteile, daß niemand ernstlich auf den Gedanken kommen kann, die Treuhänder verletzten hierdurch ihre Treuepflicht. Ich bin überzeugt, daß alle Eltern sogenannter Contergan-Kinder dies einsehen und erkennen werden, wieviel mehr an Leistung und Sicherheit die durch ein Bundesgesetz abgesicherte Lösung ihren Kindern bietet.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß eine Abwicklung des Vergleichs noch keineswegs rechtlich gesichert ist, weil dieser unter der Bedingung steht, daß die Firma Chemie Grünenthal von Regreßansprüchen, insbesondere der Sozialhilfeträger, freigestellt wird. Ich habe Zweifel,
ob diese Bedingung ohne Hilfe des Gesetzgebers erfüllt werden kann. Das dürfte auch den Treuhändern und den Eltern der Kinder klar sein.
Die wichtigsten Vorteile der gesetzlichen Lösung gegenüber der Abwicklung des Vertrages bestehen in folgendem.
Erstens. Es werden zusätzlich zu den von der Firma Chemie Grünenthal zur Verfügung gestellten Mitteln 50 Millionen DM aus Haushaltsmitteln des Bundes an die contergan-geschädigten Kinder verteilt.
Zweitens. Die bereits erwähnte Bedingung des Vertrages von der die Firma Chemie Grünenthal die Leistung des von ihr grundsätzlich zugesagten Betrages abhängig macht, wird durch das Gesetz erfüllt. Die Firma wird von allen Ansprüchen, die den Contergan-Komplex betreffen, freigestellt. Der Betrag wird dadurch für die Kinder endgültig gesichert.
Drittens. Die Leistungen nach dem Gesetz bleiben bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Bundessozialhilfegesetz, in weitem Umfang unberücksichtigt, so daß es sich um echte Zusatzleistungen handelt. Diese Privilegierung besteht bei einer Abwicklung des Vertrages nicht.
Wenn das Haus heute in dritter Lesung das Gesetz verabschiedet, so macht es dadurch allen Betroffenen und der gesamten Öffentlichkeit endgültig klar, wie es sich eine gerechte, soziale Lösung des Problems vorstellt.
Jedes einzelne Elternpaar ist nun aufgerufen zu entscheiden, ob es dieses großzügige Angebot annehmen will. Ich kann mir keine verantwortungsbewußte Mutter und keinen verantwortungsbewußten Vater, die auf das Wohl ihres Kindes bedacht sind, vorstellen, die hierzu nein sagen und auf diese Weise nicht nur eine wirksame Hilfe für das eigene Kind, sondern zugleich für die Gesamtheit aller Contergan-Kinder gefährden.
Es bleibt zu hoffen, daß die Eltern ihre Zustimmungserklärungen recht bald abgeben, damit das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.
Auch wenn das Gesetz nicht, wie ursprünglich vorgesehen, am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten kann, wird die Zeit, die bis zum Inkrafttreten noch vergehen wird, nicht nutzlos verstreichen. Die Vorbereitungen für eine Auszahlung der Gelder an die Kinder, die von den Treuhändern schon vor längerer Zeit mit Energie und Tatkraft in Angriff genommen worden sind, werden hierdurch nicht beeinträchtigt.
Die ärztlichen Untersuchungen, die einer Auszahlung vorausgehen müssen, sind im vollen Gange und werden bei der erforderlichen Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis zum Abschluß der Untersuchungen wird das Gesetz sicherlich längst in Kraft getreten sein. Die Kinder erhalten die ihnen zukommenden Leistungen also auf jeden Fall zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
In der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 hat der Herr Bundeskanzler gesagt - ich zitiere -:
Die Bundesregierung wird um verstärkte Maßnahmen bemüht sein, die den Benachteiligten und Behinderten in Beruf und Gesellschaft, wo immer dies möglich ist, Chancen eröffnen.
Das vorliegende Gesetz ist mit seinen beiden Zielsetzungen - der Hilfe für alle behinderten Kinder wie der für die contergan-geschädigten Kinder - ein wichtiger Schritt dazu, diesem Ziel näherzukommen.
Deshalb bitte ich, dem Gesetz mit den jetzt vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen in dritter Lesung zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die gemeinsamen Änderungsanträge der Fraktionen der SPD und FDP und der CDU/CSU begründen.
Ich darf noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen: Wir haben in der zweiten Lesung am 23. Juli einstimmig beschlossen, daß eine Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" errichtet werden soll, daß 200 Millionen DM eingebracht werden sollen, und zwar 100 Millionen DM aus dem Vergleich mit der Firma Grünenthal und 100 Millionen DM Bundesmittel. Daraus sollen Renten und Kapitalentschädigungen an die contergan-geschädigten Kinder geleistet werden. Darüber hinaus können Einrichtungen gefördert werden, die der Eingliederung behinderter Kinder in Arbeit, Beruf und Gesellschaft dienen. Dieses ist die Grundlage.
Die heutigen Änderungsanträge verdeutlichen, ergänzen und modifizieren die Fassung des Entwurfs in der zweiten Lesung.
Mit Ziffer 1 wird sichergestellt, daß in dem Stiftungsrat ein Sitz an die Vertreter der sogenannten Contergan-Kinder fällt. Wir halten wegen der besonderen Bedeutung dieses Gesetzes dieses Vorhaben für berechtigt und bitten um Ihre Zustimmung.
Ziffer 2 betrifft die Verwendung der Mittel. Danach müssen die 100 Millionen DM, die aus dem Vergleich mit der Firma Grünenthal eingebracht werden, ausschließlich für die contergan-geschädigten Kinder verwendet werden. Von den 100 Millionen DM, die aus Bundesmitteln dazukommen, müssen 50 Millionen DM für die contergan-geschädigten Kinder verwendet werden. Es stehen also 150 Millionen DM für die contergan-geschädigten Kinder zur Verfügung.
Die Beträge, die aus den Mitteln des Vergleichs der Firma Chemie Grünenthal eingebracht werden, müssen gewinnbringend angelegt werden. Sie dürfen nicht vorübergehend für Zwecke des Teiles III, also für Zuschüsse an Einrichtungen, verwendet
werden. Die 100 Millionen DM, die aus Steuermitteln des Bundes zur Verfügung gestellt werden - sie werden ja ratenweise in einigen Haushaltsplänen erscheinen -, müssen jeweils anteilmäßig für die beiden Zwecke des Gesetzes zur Verfügung stehen.
In Ziffer 3 geht es darum, den Wunsch zahlreicher Eltern nach größeren Kapitalbeträgen, die sie zum Zwecke des Wohnungsbaus anlegen wollen, zu realisieren. In Anlehnung an entsprechende Vorschriften im Bundesversorgungsgesetz soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Renten für einen Zeitraum von 15 Jahren zu kapitalisieren. Wir haben großes Verständnis für diesen Wunsch; denn die Eltern haben die Aufgabe, die behinderten Kinder zu versorgen und zu pflegen und ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung so zu fördern, daß der Lernprozeß, der sich bei jedem Kind abspielt, das Einüben der Verrichtungen, die den Menschen allmählich selbständig werden lassen, so wenig wie möglich hinter den normalen Stadien gesunder Kinder zurückbleibt. Dies gehört zu den schwierigsten, aufopferungsvollsten Aufgaben, die der menschlichen Gesellschaft gestellt sind. Diese Aufgabe muß natürlich vor allem von den Eltern erfüllt werden. Wenn dazu eine geeignete, moderne Wohnung zur Verfügung steht, kann sie sicherlich besser erfüllt werden. Wir sind deshalb sehr für diese Regelung, und wir bitten das Hohe Haus, ihr zuzustimmen.
In Ziffer 3 ist dann noch festgelegt, daß die Richtlinien nicht vom Stiftungsrat, sondern vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit erlassen werden. Wir sind der Auffassung, daß diese Regelung gut und günstig ist.
Ziffer 4 dient lediglich einer Klarstellung. Es wird festgestellt, daß dann, wenn die Mittel, die zur Verfügung stehen, nicht gebraucht werden, die Leistungen für Kapitalentschädigung erhöht werden müssen.
In Ziffer 6 wird eine Änderung des Verfahrens vorgeschlagen. Gegen den Bescheid der Stiftungsorgane soll es nicht nur die Möglichkeit der Klage geben, sondern es soll auch ein Widerspruchsverfahren eingeschoben werden. Dieses Widerspruchsverfahren hat sich in anderen Rechtsgebieten bewährt. Es besteht kein Grund, es nicht auch hier vorzusehen. Neu ist, daß wir die Widerspruchsfrist auf drei Monate ausgedehnt haben, während sonst nur ein Monat üblich ist. Da aber die Geschädigten teilweise im Ausland wohnen, empfiehlt sich diese längere Frist.
In Ziffer 8 ist festgelegt, daß das Gesetz erst in Kraft treten kann, wenn sichergestellt ist, daß die Mittel der Firma Grünenthal zur Verfügung gestellt sind.
Dies, meine Damen und Herren, sind im wesentlichen die Änderungen, die wir Ihnen vorschlagen. Diese Anträge sind das Ergebnis einer sorgfältigen Beratung zwischen den Fraktionen und dem Ministerium einerseits sowie den Elternverbänden und den Treuhändern andererseits. Sie klären Unstimmigkeiten und sie modifizieren das Gesetz.
Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung. Das Gesetz sollte verabschiedet werden. Je schneller und je früher der Sinn des Gesetzes, Hilfe für die geschädigten Kinder, Hilfe für die Familien, realisiert werden kann, um so günstiger ist es für die Betroffenen. Ich bin überzeugt, daß wir hier eine gute Lösung gefunden haben. Auch der erste Vorsitzende. des Verbandes körpergeschädigter Kinder, Herrr Hubert Linn, hat mir in einem Brief geschrieben:
Ich glaube sagen zu dürfen, daß wir das beste Ergebnis erzielt haben, und glaube, daß das Gesetz in der dritten Lesung zur Zufriedenheit der Eltern verabschiedet werden kann.
Wir sind überzeugt, daß wir mit den Vorschriften des Gesetzes eine sinnvolle Regelung für die Contergan-Kinder geschaffen haben. Ein schwieriges und schmerzvolles Problem mußte innerhalb der sozialen Rechtsordnung gelöst werden. Ich möchte gerade als Vertreter meiner Fraktion allen zuständigen Experten in Regierung und Parlament sehr herzlich für die gemeinsamen Bemühungen danken.
({0})
Ich danke meinen Kollegen Glombig und Professor Schellenberg von der SPD, dem Kollegen Spitzmüller von der FDP, auch Herrn Minister Jahn und seinen Mitarbeitern sowie den Mitarbeitern des Familienministeriums für die gemeinsamen Bemühungen. Ich darf das Hohe Haus sehr herzlich um Annahme der Änderungsanträge und Verabschiedung des Ge-seizes bitten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion möchte ich zur dritten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" folgen Erklärung abgeben.
Der heute in dritter Lesung zu verabschiedende Gesetzentwurf ist in der Geschichte dieses Hauses außergewöhnlich, nicht nur was seinen Inhalt angeht, sondern auch was das Gesetzgebungsverfahren selbst betrifft.
Erstens ist es außergewöhnlich, daß die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf die Initiative ergriffen hat, um den zwischen den Eltern der contergan-geschädigten Kinder und der Firma Chemie Grünenthal im April 1970 geschlossenen privat-rechtlihren Vergleich auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Damit hat die Bundesregierung nach einem jahrelangen Rechtsstreit, dessen Ausgang noch völlig ungewiß war, den contergan-geschädigten Kindern und ihren Eltern eine gesetzliche Hilfe für die Regelung der materiellen Folgen des furchtbaren Unglücks, das sie betroffen hat, angeboten. Das ist ein großes Verdienst dieser Bundesregierung, insbesondere des Bundesjustizministers, dem ich im
Namen meiner Fraktion von dieser Stelle aus dafür danken möchte.
Zweitens ist es außergewöhnlich, daß sich der Gesetzgeber immer wieder mit neuen Forderungen der Vertreter der Eltern der contergan-geschädigten Kinder auseinanderzusetzen hatte. Noch über die zweite Lesung des Gesetzes hinaus sind Verhandlungen mit den Vertretern der Eltern der contergangeschädigten Kinder und mit den Treuhändern erforderlich gewesen.
Bei diesen mühevollen Beratungen ging es darum, die berechtigten Interessen der contergan-geschädigten Kinder in Übereinstimmung mit unserem Sozialleistungsrecht zu bringen. Dabei haben alle Fraktionen dieses Hauses in voller Übereinstimmung gehandelt. Sie sind bis an die Grenze des sozialpolitisch Vertretbaren gegangen. Daß noch heute zur dritten Lesung eine ganze Reihe von interfraktionellen Änderungsanträgen zu dem Gesetzentwurf vorgelegt wurde, zeigt deutlich, wie groß das Entgegenkommen des Gesetzgebers gegenüber den contergan-geschädigten Kindern und ihren Eltern ist.
Drittens sind auch die Leistungen außergewöhnlich, die mit dem Gesetz für die contergan-geschädigten Kinder erbracht werden. Mit dem Gesetz werden die rund 3000 contergan-geschädigten Kinder gegenüber den rund 500 000 anderen behinderten Kindern besonders begünstigt. Meine Fraktion glaubt jedoch in Übereinstimmung mit den anderen Fraktionen des Hohen Hauses, im Hinblick auf die Ursache des schweren Schicksals der contergangeschädigten Kinder diese Besserstellung verantworten zu können.
Lassen Sie mich kurz an die Leistungen des Gesetzes erinnern.
Erstens. Die bisher von den Contergan-Geschädigten empfangenen Sozialleistungen, insbesondere der Krankenversicherung und der Sozialhilfe, brauchen nicht zurückgezahlt zu werden. Damit ist sichergestellt, daß die Vergleichssumme einschließlich der Zinsen in vollem Umfange den Contergan-Geschädigten zur Verfügung steht und die Eltern nicht mit der Rückzahlung empfangener Sozialleistungen belastet werden.
Zweitens. Die Contergan-Geschädigten erhalten entsprechend der Schwere ihres Schadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen eine Kapitalentschädigung bis zu 25 000 DM.
Drittens. Die Contergan-Geschädigten erhalten neben dieser Kapitalentschädigung eine lebenslängliche Rente bis zu 450 DM monatlich. Sie kann auf Grund des interfraktionellen Antrags, den wir soeben beschlossen haben, für höchstens 15 Jahre kapitalisiert werden, besonders in den Fällen, in denen die Notwendigkeit besteht, Wohnraum für das contergan-geschädigte Kind zu schaffen. Danach das ist für diese Kinder besonders wichtig - lebt die Rente in vollem Umfang wieder auf.
Viertens. Alle Leistungen an die Contergan-Geschädigten sind einkommen- und vermögensteuerfrei.
Fünftens. Die Kapitalentschädigung bleibt auch auf künftige Sozialleistungen, insbesondere der Krankenversicherung und der Sozialhilfe, in vollem Umfang anrechnungsfrei. Ebenfalls anrechnungsfrei bleibt die Rente in Höhe der Grundrente eines ver- gleichbar geschädigten Kriegsbeschädigten. Das bedeutet für das Jahr 1972 einen Freibetrag bis zu 351 DM, der in den folgenden Jahren dynamisiert wird.
Zur Sicherstellung dieser Leistungen soll die Vergleichssumme von 100 Millionen DM zuzüglich der angelaufenen Zinsen in die Stiftung eingebracht werden. Der Bund beteiligt sich an den Leistungen zugunsten der Contergan-Geschädigten mit 50 Millionen DM, also mit rund einem Drittel des gesamten Leistungsvolumens.
Die vom Gesetzgeber heute zu beschließenden Leistungen an die Contergan-Geschädigten sind jedoch nur dann garantiert, meine Damen und Herren, wenn die Treuhänder sicherstellen, daß die gesamte Vergleichssumme in Höhe von 100 Millionen DM einschließlich der Zinsen in die Stiftung eingebracht wird. Deshalb wurde mit dem neuen § 27 festgelegt, daß dieses Gesetz erst in Kraft tritt, sobald sichergestellt ist, daß die Mittel der Chemie Grünenthal in vollem Umfang der Stiftung zur Verfügung gestellt werden.
Meine Fraktion appelliert deshalb an die Eltern der contergan-geschädigten Kinder, die ihnen gebotene Chance zu nutzen und durch ihre Zustimmung die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß dieses „Gesetz des guten Willens" so schnell wie möglich in Kraft treten kann. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die besondere Verantwortung hin, die die Vertreter der Eltern der contergan-geschädigten Kinder und die Treuhänder haben.
Meine Damen und Herren, obwohl meine Fraktion einmütig zu dem heute zu verabschiedenden Gesetz steht und die besonderen Leistungen an die Contergan-Geschädigten im Hinblick auf die Ursache ihrer Schädigung in vollem Umfang bejaht, wäre es für uns doch aus humanitären und gesellschaftspolitischen Gründen unerträglich, bei der Verabschiedung eines solchen Gesetzes nicht auch an die vielen anderen Behinderten in unserem Lande, vor allem an die rund 500 000 anderen behinderten Kinder, zu denken. Deshalb begrüßen wir es, daß die Bundesregierung weitere 50 Millionen DM in die Stiftung einbringt, damit auch die Förderung der Institutionen für die Rehabilitation aller anderen Behinderten weiter ausgebaut werden kann. Das kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Darüber hinaus ist der Ausbau der gesetzlichen Hilfen für alle Behinderten dringend erforderlich.
Deshalb legen alle Fraktionen dieses Hauses einen gemeinsamen Entschließungsantrag vor, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, unter Einbeziehung aller Sozialleistungen zu prüfen und dem Bundestag bald darüber zu berichten, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Leistungen an Behinderte bestehen. Ich bitte, auch diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben und damit die einmütige Auffassung dieses Hauses zu
bekunden, daß alle Behinderten gleichgestellt werden sollten und daß als ersten Schritt dazu die Bundesregierung so bald wie möglich einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hilfen für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz vorlegen sollte.
In diesem interfraktionellen Entschließungsantrag wird gefordert, daß dieser Gesetzentwurf insbesondere folgendes enthalten sollte:
a) eine Verbesserung der Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte,
b) eine Verbesserung der Hilfe zur Pflege und ihre Angleichung für besonders schwerbehinderte Personen an die für Blinde geltenden Regelungen,
c) eine Verbesserung der Bestimmungen über die Einkommensfreigrenzen zugunsten der Behinderten und ihrer Angehörigen,
d) eine Verbesserung der Bestimmungen über den Kostenersatz zugunsten der Behinderten und ihrer Angehörigen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich der Opposition dafür danken, daß sie auch diese Entschließung, die neue Impulse für die Verbesserung der Hilfen für die Behinderten in unserem Lande gibt, gemeinsam mit der sozial-liberalen Koalition trägt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß deshalb noch folgendes sagen. Dieses Gesetz und diese Entschließung sind ein Beispiel dafür, daß es in diesem Hause über alle Konfrontation in innen- und außenpolitischen Fragen hinweg bei der Bewältigung wichtiger humanitärer Aufgaben noch eine Gemeinsamkeit aller Fraktionen geben kann und gibt. Eine solche Gemeinsamkeit sollte - das ist der Wunsch meiner Fraktion auch in Zukunft erhalten bleiben.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Henze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion, der CDU/CSU, begrüße ich, daß nun in dritter Lesung dieses Gesetz verabschiedet wird. Wir hoffen sehr, daß es auch bald in Kraft tritt, damit den contergan-geschädigten Kindern endlich die im Gesetz vorgesehenen Hilfen zuteil werden können. Die intensive Beschäftigung mit dem Problem der contergan-geschädigten Kinder hat uns deutlich die Notsituation des behinderten Kindes und seiner Eltern vor Augen geführt. Wir haben bei den Beratungen dieses Gesetzes im Ausschuß wie auch hier im Plenum wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Lage aller etwa 500 000 behinderten Kinder zu verbessern.
Für das behinderte Kind ist es entscheidend - das möchte ich hier noch einmal betonen , daß die gesunden den körperbehinderten Menschen als Mitmenschen, als gleichwertigen Mitbürger voll akzeptieren. Wir haben darüber hinaus aber die Verpflichtung, Mittel und Wege zu finden, den Behinderten entsprechend seiner Leistungsfähigkeit vollgültig in die Gesellschaft zu integrieren. Das fängt an bei der Schul- und Berufsausbildung; denn nur so kann das behinderte Kind später in das Arbeits-und Wirtschaftsleben eingegliedert werden. Behinderte Kinder, die mutig und tapfer das Beste aus ihrem Leben zu machen versuchen, verdienen unsere Bewunderung. Was sie brauchen, ist nicht Mitleid, sondern Anerkennung und verständnisvolle Hilfe, wo sie aus eigener Kraft eine Hürde auf ihrem Lebensweg nicht nehmen können. Das zu erreichen ist mit Aufgabe der Sozialgesetzgebung. Dank und Anerkennung gebührt auch allen Eltern der contergan-geschädigten wie aller anderen behinderten Kinder, die mit Liebe und Geduld ihre Kinder fördern. Ihre Sorgen zu erleichtern bemühen wir uns.
Lassen Sie mich auf einige konkrete Punkte hinweisen. Was im Bereich der beruflichen Eingliederung Behinderter seit 1969 durch das Arbeitsförderungsgesetz erreicht worden ist, sollte nunmehr durch eine Verbesserung der Leistungen im Bereich der Eingliederung behinderter Kinder und Jugendlicher fortgesetzt werden. Durch die zweite Novelle zum BSHG wurde bestimmt, daß Behinderte im schulpflichtigen Alter verschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen erhalten, d. h. sie oder die Eltern brauchen nur die Kosten des Lebensunterhalts zu bestreiten.
Nicht berücksichtigt hat der Bundesgesetzgeber die behinderten Kinder, die eine schulvorbereitende Einrichtung besuchen. Die Heilpädagogik kennt heute Methoden und Hilfsmittel, um Kinder bereits im Alter von etwa vier Jahren heilpädagogisch vorzubereiten, damit sie einen nahtlosen Übergang in die differenzierte Sonderschule erreichen. Deshalb ist es geboten, daß die Eltern behinderter Kinder von den Kosten der Eingliederungsmaßnahmen im Rahmen der vorschulischen Betreuung ebenso freigestellt werden und allenfalls noch zu den Kosten des Lebensunterhalts beizutragen haben. Aus sozialpolitischen Gründen sollte bei den Kindern, die eine schulvorbereitende Einrichtung besuchen und deswegen in einem Heim und einer Tagesstätte aufgenommen sind, die gleiche Regelung wie bei den Schulbildungsmaßnahmen gelten.
Vom Standpunkt der gleichen Behandlung des gesunden und behinderten Kindes aus gesehen, wäre zu wünschen, daß die Bedarfssätze für das behinderte Kind im Ausbildungsförderungsgesetz so angehoben werden, daß die für die Schulausbildung erforderlichen Kosten im Rahmen des Ausbildungsförderungsgesetzes voll gedeckt sind. Leider fand der von der CDU/CSU-Fraktion bei der Beratung des Ausbildungsförderungsgesetzes gestellte entsprechende Antrag keine Mehrheit.
Besonders schwer ist das Schicksal einer Familie, die ein nicht bildungsfähiges Kind hat. Eltern nicht bildungsfähiger Kinder weisen darauf hin, daß sie auf Grund der jetzigen Regelung im Vergleich zu den Eltern bildungsfähiger Kinder doppelt belastet seien, und zwar einmal durch die Schwere der Behinderung ihrer Kinder und dann durch die stärkere finanzielle Belastung bei häuslicher Pflege. Das
BSHG bedarf in dieser Richtung sicher einer Weiterentwicklung. Insbesondere wird zu erwägen sein, neben den Blinden auch anderen Schwerstbehinderten ein Pflegegeld zu gewähren, das so hoch wie das im Rahmen der Blindenhilfe ist. Alle behinderten Kinder und Jugendlichen haben das durch Gesetz verbürgte Recht auf Schul- und Berufsausbildung. Selche Aufwendungen sind jedenfalls schon dann gerechtfertigt, wenn sie einem Behinderten eine entscheidende Wendung zur Sinnerfüllung des Lebens zu geben vermögen. Man sollte jedem Behinderten die Chance zu einer Schul- und Berufsausbildung geben.
Ich habe erst wieder in der vorigen Woche Gelegenheit gehabt, behinderte Kinder und Jugendliche in Heimen und beschützenden Werkstätten zu besuchen. Der Idealismus der Lehrkräfte, der Meister und Betreuer hat mich sehr beeindruckt. Alle, die ihre Kraft in den Dienst am behinderten Menschen stellen, verdienen ich möchte das ausdrücklich noch einmal sagen - unsere hohe Anerkennung. Beeindruckt hat mich auch, was freie Initiative von Bürgern in diesem Bereich zustande gebracht hat. Schließlich war es bewegend, zu erleben, wie geistig und körperlich behinderte Kinder mit Eifer bei der Sache waren und das Erfolgserlebnis ihre Augen aufleuchten ließ. Meine Damen und Herren, mit Mitleid und Sozialhilfe allein sind die Probleme der Behinderten nicht zu lösen. Voraussetzung dafür ist die Achtung vor der Würde des Menschen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Anläßlich der dritten Lesung dieses Gesetzentwurfes gebe ich namens der Fraktion der FDP folgende Erklärung ab. Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß dieses Gesetzgebungsverfahren durch die Initiative der Bundesregierung in Gang kommen konnte. Dér Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und der Rechtsausschuß haben sich in zahlreichen Sitzungen ausführlich mit diesem Gesetz beschäftigt und intensiv um eine Lösung gerungen, die für alle Beteiligten annehmbar sein mußte. Es mußte versucht werden, die berechtigten Interessen der contergan-geschädigten Kinder mit unserem Sozialleistungsrecht in Übereinstimmung zu bringen. Das war nicht immer ganz einfach. Kollege Glombig hat hier auf viele Dinge bereits hingewiesen.
Wir Freien Demokraten sind überzeugt, daß das vom federführenden Ausschuß angestrebte Ziel nunmehr in vollem Umfang erreicht worden ist. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Beschlüsse von allen Fraktionen dieses Hauses im Ausschuß einmütig gefaßt wurden und auch hier im Plenum gemeinsam getragen werden.
Der vom Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit einstimmig verabschiedete Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Regelungen zugunsten der contergan-geschädigten Kinder. Das Gesetz begründet einen Rechtsanspruch auf lebenslängliche Rente. Allerdings wurde der Höchstbetrag für die Kapitalentschädigung etwas herabgesetzt. Der Stiftung stehen 200 Millionen DM zuzüglich der Zinsen zur Verfügung, von denen allerdings 150 Millionen DM einschließlich der Zinsen ausschließlich für die sogenannten Contergan-Kinder bestimmt sind. Damit wurde die Hilfe für die sogenannten Contergan-Kinder in den Vordergrund gestellt und in den Mittelpunkt gerückt. Es wurde davon abgesehen, individuelle Leistungen für andere behinderte Kinder vorzusehen. Individualhilfen als Kann-Leistungen widersprechen allgemeinen Grundsätzen unseres heutigen Sozialrechts. Außerdem würde eine solche Vorschrift bei allen behinderten Kindern und deren Eltern nur große Erwartungen und Hoffnungen wecken, die angesichts der beschränkten Mittel nicht erfüllt werden können. Wir halten es daher für richtiger, statt dessen eine Verbesserung der Leistungen nach den allgemeinen Sozialleistungsgesetzen, insbesondere nach dem Bundessozialhilfegesetz anzustreben.
Der Leistungsrahmen für die Renten der contergan-geschädigten Kinder wurde gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf erhöht und beträgt jetzt mindestens 100 bis höchstens 450 DM. Die Ausschußmitglieder waren der Meinung, daß den Betroffenen auf diese Weise besser geholfen werden könne. Es liegt im Interesse der schwergeschädigten Kinder, eine lebenslängliche Rente zu erhalten. Das ist besser als eine einmalige Kapitalabfindung. Eine Dynamisierung der Renten, wie sie oft angesprochen und angestrebt wurde, ist wegen der beschränkten Mittel leider nicht möglich. Eine Erhöhung kann aber jeweils durch eine Gesetzesänderung erfolgen, wenn Mittel zur Verfügung stehen.
Bei den Leistungen nach diesem Gesetz handelt es sich um Grundrenten ähnlich wie bei der Kriegsopferversorgung, die den Bezug von Leistungen aus anderen Sozialgesetzen nicht ausschließen. Alle Leistungen an die Contergan-Geschädigten sind nach diesem Gesetz einkommen- und vermögensteuerfrei. Die Kapitalentschädigung bleibt auf künftige Sozialleistungen, insbesondere der Krankenversicherung und der Sozialhilfe, voll anrechnungsfrei.
Wenn im Rahmen dieses Gesetzes leider nur 50 Millionen DM für die anderen 500 000 behinderten Kinder eingesetzt werden konnten, so bleibt damit die Verpflichtung gegenüber diesen anderen Behinderten für dieses Hohe Haus bestehen. Die Freien Demokraten werden sich dafür einsetzen, daß das Leistungsrecht in den Sozialgesetzen zugunsten der Behinderten mit dem Ziel verbessert und ausgebaut wird, am Ende für alle gleiche Hilfe zur Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft geben zu können.
Aus diesem Grund hat der Ausschuß auch einen interfraktionellen Entschließungsantrag angenommen, der sicher auch hier die Zustimmung finden wird, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, zu prüfen und dem Deutschen Bundestag zu berichten, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Leistungen an alle Behinderten bestehen, Es ist die
einmütige Auffassung des Ausschusses, daß die Behinderten glgeichgestellt werden sollten. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, als ersten Schritt dazu so bald wie möglich einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Hilfen für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz vorzulegen.
Wir Freien Demokraten stimmen dem gefundenen Gesetzestext zu. Die Verabschiedung liegt im Interesse aller betroffenen Kinder, deren Eltern und deren Geschwistern.
Die Einmütigkeit, die das Haus in dieser Frage bewiesen hat, und die Intensität, mit der sich die Ausschußmitglieder dieser Fragen angenommen haben, beweisen, daß dieses Haus immer wieder in der Lage sein wird, sosehr die Situation auch draußen im Lande einmal auf Konfrontation eingestellt sein mag, sich im Sinne der Hilfe für Bedürftige, für Behinderte, im Sinne einer humanitären Gemeinsamkeit zusammenzufinden. Wir hoffen, daß, nachdem das Gesetz nun in der dritten Lesung verabschiedet wird, die neue Stiftung schnell an die Arbeit gehen kann, damit auch die Betroffenen sehen, daß hier eine gute, eine gerechte, eine soziale Regelung zur Zufriedenheit der Eltern und der schwer betroffenen Kinder gefunden werden konnte.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe die §§ 7, - 9, 13, - 15, - 17, 18, -26, - 27 - sowie den Änderungsantrag aller Fraktionen des Hohen Hauses auf Umdruck 227 auf. Der Antrag ist begründet. Zusätzlich wird das Wort nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen vor, daß wir hier nicht acht Einzelabstimmungen machen, sondern daß wir über den Änderungsantrag gemeinsam abstimmen.
Widerspruch erfolgt nicht.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 227 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich muß formal noch abstimmen lassen über die aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der zweiten Lesung mit den soeben beschlossenen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wird zur Schlußabstimmung noch das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Das Hohe Haus hat damit, glaube ich, eine schwierige Lage in guter und würdiger Weise beendet und auch bewiesen, daß es bei allen politischen Gegensätzen humane Gemeinsamkeiten gibt, die alle Parteien und alle Mitglieder des Hauses verbinden.
Ich lasse über den Antrag des Ausschusses unter den Ziffern 2 und 3 auf Seite 4 der Drucksache VI/2300 abstimmen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 9 bis 11 der Tagesordnung auf:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Hohe See
- Drucksache VI/2726 10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Februar 1971 über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf
dem Meeresboden und im Meeresuntergrund
- Drucksache VI/2761 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 12. März 1971 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt ({0})
- Drucksache VI/2762 Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Altestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Damit sind überwiesen:
der Gesetzentwurf zum Übereinkommen über die Hohe See an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, den Rechtsausschuß und den Innenausschuß,
der Gesetzentwurf zum Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Verteidigungsausschuß,
der Gesetzentwurf zu dem Protokoll zur Änderung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 28 des Petitionsauschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache VI/2754
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Erhebt sich Widerspruch gegen den Antrag des Ausschusses? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesrechnungshofes betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnungen und der Bundesvermögensrechnungen für die Haushaltsjahre 1968 und 1969
- Drucksache VI/2697
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht über die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 8 Personenbeförderungsgesetz ({3})
- Drucksachen VI/2386, VI/2743 Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Vehar, für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({4}) über die von der Bundesregierung vorgelegte Übersicht zu Pressepräferenzen im Fernmeldewesen verschiedener europäischer Länder und allgemeine vergleichbare Daten
- Drucksachen VI/1392, VI/2741 Ich danke dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Weber ({5}), für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes und anderer Gesetze
- Drucksache VI/2769 Wird der Gesetzentwurf begründet? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Ich höre keinen Widerspruch; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe die Punkte 16 bis 19 der Tagesordnung auf:
16. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({6}) über die von der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden
Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden
- Drucksachen VI/2408, VI/2513, VI/2727 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer ({9})
17. Beratung des Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({10}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Richtlinie über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Arztes
eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der ärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise
eine Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die selbständigen Tätigkeiten des Arztes
eine Richtlinie über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Zahnarztes
eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der zahnärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise
eine Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die selbständigen Tätigkeiten des Zahnarztes
- Drucksachen V/4012, VI/2755 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt ({11})
18. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({12}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EG-Kommission für
Vizepräsident Dr. Jaeger
eine Verordnung des Rates zur Festsetzung der Grundregeln für die Finanzierung der Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Obst und Gemüse
eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({13}) Nr. 988/68 des Rates vom 15. Juli 1968 über die Finanzierung der Interventionsausgaben und der Erstattungen für Obst und Gemüse
eine Verordnung ({14}) des Rates zur Ergänzung der Verordnung ({15}) Nr. 206/68 über Rahmenvorschriften für die Verträge und Branchenvereinbarungen für den Kauf von Zuckerrüben
eine Verordnung ({16}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({17}) Nr. 748/68 über die allgemeinen Regeln für die Übertragung eines Teils der Zuckererzeugung auf das folgende Zuckerwirtschaftsjahr
eine Verordnung ({18}) des Rates zur Festlegung des von den Interventionsstellen zu zahlenden Preises für den Alkohol, der ihnen im Rahmen der vorgeschriebenen Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung geliefert wird, und des dabei vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, zu übernehmenden Anteils
eine Verordnung ({19}) des Rates zur Verschiebung für das Jahr 1970 des Zeitpunkts, zu dem die Kommission über Anträge auf Gewährung von Zuschüssen aus dem EAGFL, Abteilung Ausrichtung, entscheiden muß
eine Verordnung ({20}) des Rates über die Beteiligung des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1972
eine Richtlinie des Rates betreffend die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden statistischen Erhebungen und Schätzungen über die Erzeugung von Milch und Milcherzeugnissen
- Drucksachen VI/2294, VI/2483, VI/2484, VI/2522, VI/2523, VI/2756 Berichterstatter: Abgeordneter Brünen
19. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({21}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die analytischen, pharmakologisch-toxikologischen und klinischen Vorschriften und Protokolle für Arzneimittelversuche
- Drucksachen VI/417, VI/2764 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dr. h. c. Bechert ({22})
Es handelt sich um Ausschußberichte über Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Die Herren Berichterstatter wünschen
das Wort nicht. - Zur Aussprache wird das Wort auch nicht gewünscht.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die Vorlagen gemeinsam abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Wer den Ausschußanträgen auf den Drucksachen VI/2727, VI/2755, VI/2756 und VI/2764 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({23}) über den Bericht des Bundesministers des Innern betr. Teilzeitbeschäftigung und langfristige Beurlaubung von Beamtinnen und Richterinnen
- Drucksachen VI/ 2064, VI/2765 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Tübler
Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Tübler.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Mündliche Bericht des Innenausschusses über den Bericht des Bundesministers des Innern betr. Teilzeitbeschäftigung und langfristige Beurlaubungen von Beamtinnen und Richterinnen liegt Ihnen vor. Der Innenausschuß hat sich mit dem Bericht befaßt und beschlossen, Ihnen den Antrag vorzulegen, der in der Vorlage Drucksache VI/2765 enthalten ist. Allerdings hat sich dort durch ein redaktionelles Versehen ein Fehler eingeschlichen. Der Deutsche Bundestag wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 1971 einen Gesetzentwurf vorzulegen; das entspricht nicht dem Beschluß des Innenausschusses. Vielmehr soll dieser Gesetzentwurf bis zum 31. Dezember 1972 vorgelegt werden. Ich bitte um Berichtigung in der Drucksache VI/2765.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Die Berichtigung des Datums wird vorgenommen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die FDP begrüßt sehr die Vorlage des Berichts aus dem Innenministerium. Wir entsinnen uns sehr wohl, daß dieses Haus recht zögerlich an die Konstruktion „Teilzeitbeamtin" herangegangen ist, und daß es in der Vergangenheit schwer war, gerade das frühere Innenministerium von der Notwendigkeit zu überzeugen. Inzwischen hat der Bericht gezeigt, daß sich die Dinge positiv entwickelt haben; die Befürchtungen, die man ursprünglich hatte, haben sich nicht bewahrheitet oder im Einzelfall sich als überwindbar herausgestellt.
Der Bericht sagt, es gebe noch drei Punkte, die man verbessern könnte; sie haben zum Teil seinerzeit bei der Beratung schon eine Rolle gespielt. Einmal geht es um eine Bestimmung, die das badenDr. Mikat
württembergische Gesetz hatte, die aber nicht in das Bundesgesetz übernommen wurde: Eine Frau kann nicht nur durch heranwachsende Kinder in ihrer Arbeitsleistung begrenzt sein, sondern auch durch hilfsbedürftige Familienangehörige. Wir sollten ernstlich darüber nachdenken - und wir bitten das Ministerium um Hilfe -, daß auch dann eine zeitweilige Freistellung vom Dienst oder eine Teilzeitarbeit ermöglicht wird, wenn ein pflegebedürftiger Familienangehöriger im Hause lebt. Das scheint mir berechtigt zu sein und hat auch in Baden-Württemberg nicht zu uferlosen Freistellungen geführt.
Das zweite ist, daß die Gleichberechtigung des Mannes zur Diskussion steht. Es gibt in der Tat Fälle, in denen wegen häuslicher Belastung auch für einen Mann die Notwendigkeit gegeben sein kann, von der Arbeit vorübergehend oder teilweise freigestellt zu werden; denn es mehren sich bei dem Mangel an Alters- und Pflegeheimen die Fälle, daß hilfsbedürftige Familienangehörige - etwa die pflegebedürftige Frau zu Hause durch den Mann gepflegt werden müssen. Oder daß etwa der Mann als Witwer mit zwei kleinen Kindern da steht. Es wäre eine notwendige Berücksichtigung solcher Tatbestände, wenn wir im Gesetz das Wort „Beamtin" durch „Beamter" ersetzen würden, wobei die Berufsbezeichnung ohne Angabe des Geschlechts gemeint wäre. Wir werden davon ausgehen können, daß normalerweise ein Mann nicht mit der Hälfte des Gehalts auskommen kann, und deswegen werden diese Dinge nur sehr selten in Frage kommen können.
Schließlich stellt sich die Frage der Altersbegrenzung, d. h. bis zu welchem Alter der Kinder eine Frau - oder dann auch ein Mann - berechtigt wäre, Teilzeitarbeit zu leisten. Das ist aber nicht das Dringlichste, weil die Wirksamkeit des Gesetzes erst begonnen und die Altersbegrenzung der Kinder nach oben noch etwas Zeit hat.
Namens meiner Fraktion meine ich, daß wir vor allen Dingen den beiden ersten Punkten möglichst bald nähertreten sollten. Darum erwarten wir gern die entsprechenden Vorschläge des Ministeriums.
({0})
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Mikat!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wehner, ich bin nicht nur deswegen da, sondern ich will lediglich zu dem, was meine verehrte Frau Vorrednerin gesagt hat, kurz eine Erklärung abgeben.
Auch meine Fraktion hält es für notwendig, die hier angesprochenen Punkte in der künftigen Regelung sehr sorgfältig zu beachten. Das gilt vor allen Dingen hinsichtlich der Befolgung des Gebots von Art. 3 des Grundgesetzes. Ich bin in der Tat der Auffassung, daß sich hier nunmehr eine Gleichstellung
des Mannes mit der Frau gebietet. Ich darf daran erinnern, daß wir jüngst in der Diskussion um die Reform des Ehe- und Familienrechts von allen drei Fraktionen des Hauses auf die sich anbahnende Rollenvariabilität in Ehe und Familie gegenüber der Vergangenheit hingewiesen haben. Wir können nicht mehr davon ausgehen, daß das Problem der Teilzeitbeschäftigung nur noch ein Problem der berufstätigen Frau ist, sondern wir müssen beachten, daß es sich unter Umständen, wenngleich auch nicht im gleichen Umfange, in den von Ihnen angezogenen Fällen auch für den Mann stellt. Der Gesetzgeber seilte gerade in der Befolgung von Verfassungsgeboten ein solches Problem mit außerordentlich sorgfältiger Konsequenz regeln. Wir werden dieser Anregung also unsere Aufmerksamkeit schenken und auch weiterhin zusammen mit Ihnen bestrebt sein, daß dem Art. 3 auf diesem schwierigen Gebiet des Beamtenrechts Rechnung getragen wird.
({0})
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({0}) über den Bericht des Bundesministers des Innern betr. Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen und technischen Personals an den hochschulfreien Forschungseinrichtungen des Bundes und bei Zuwendungsempfängern des Bundes
- Drucksachen VI/2044, VI/2766 Berichterstatter: Abgeordneter Biechele
Verzichtet das Haus auf einen mündlichen Bericht? - Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann darf ich über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache VI/2766 abstimmen lassen. Der Antrag liegt Ihnen in zwei Ziffern vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir haben mit Ausnahme der Fragestunde alle Punkte der heutigen Sitzung beraten.
Ich unterbreche die Sitzung bis 13 Uhr. ({1})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort mit der
Fragestunde
- Drucksache VI/2775 8530
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Pfeifer auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des hessischen Kultusministers, die ordnungsgemäße Durchführung der Rechtswissenschaften sei in Hessen gewährleistet, obwohl beispielsweise an der Universität Frankfurt ein Strafrechtslehrer von Studenten durch Androhung von Kampfmaßnahmen, durch wiederholte Besetzung seines Arbeitszimmers, durch dosierten nächtlichen Telefonterror gegen seine Frau und Familie und durch andere Formen der massiven Druckausübung im letzten Semester gezwungen wurde, in einer Strafrechtsübung für Fortgeschrittene die Benotung einer ihm vorgelegten Klausurarbeit von „mangelhaft" auf „befriedigend" heraufzusetzen, obwohl diese Arbeit nach dem Urteil dieses Strafrechtslehrers teilweise „nicht einmal den Anforderungen einer Oberschule genügt hat"?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung. Bitte, Herr Staatssekretär!
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Pfeifer, die Bundesregierung kann zu dem in Ihrer Frage angesprochenen Sachverhalt keine Stellung nehmen, da eine Stellungnahme des hessischen Kultusministers abgewartet werden muß.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie dann bereit, mir eine Stellungnahme nachzureichen, wenn die Stellungnahme des hessischen Kultusministers vorliegt?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Ich bin sicher, daß der hessische Kultusminister, der die Vorgänge im .Augenblick seinerseits untersuchen läßt, eine entsprechende Stellungnahme abgeben wird. Die Bundesregierung wird Ihnen dann diese Stellungnahme des hessischen Kultusministers zuleiten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, sind Sie gegebenenfalls auch bereit, mir eine eigene Stellungnahme der Bundesregierung zukommen zu lassen?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Pfeifer, Sie wissen, daß wir großen Wert darauf legen, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern nicht zu verwischen. Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich zweckmäßiger, wenn zu solchen Fragen die zuständige Landesregierung Stellung nimmt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gölter.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß dies auf Grund des Art. 5 Abs. 3 GG nicht nur eine Länderfrage ist, sondern auch eine Frage, die in den Kompetenzbereich des Bundes - was die Grundlagen der Freiheit von Forschung und Lehre betrifft - reicht?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, selbstverständlich. Nur ist hier nicht nach der Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 3 GG gefragt worden, sondern nach einem ganz konkreten Vorgang an der Universität Frankfurt. Diesen Vorgang kann natürlich nur die zuständige Landesbehörde bzw. die Universität konkret beurteilen.
Ich rufe die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um entsprechend ihrer eigenen Verpflichtung zur Wahrung und Verteidigung der rechtsstaatlichen Ordnung in Fällen wie dem genannten die grundgesetzlich garantierten Rechte des einzelnen Hochschullehrers zu schützen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, ich gehe davon aus, daß Sie sich in dieser Frage auf den Herrn Kollegen Pfeifer beziehen. Das war nicht klar zu erkennen, aber es ist offenbar eine Gemeinschaftsarbeit gewesen. Die Antwort lautet: Die Kompetenz, von der der Bund hier ausgehen muß, ist eine Rahmenkompetenz. Die Bundesregierung hat im Regierungsentwurf für das Hochschulrahmengesetz an mehreren Stellen, die sich für die einzelnen Hochschulmitglieder aus Art. 5 Abs. 3 GG ergebenden Rechte und Pflichten konkretisiert, z. B. in § 2 Abs. 2, sowie in der Begründung hierzu und zu § 8. Wie Sie wissen, werden zur Zeit im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Regierungsentwurfs unter Mitwirkung von Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft Formulierungen erwogen, durch die der Inhalt des Art. 5 Abs. 3 GG im Gesetzestext weiter konkretisiert werden soll.
Die Bundesregierung hat jedoch wegen der klaren verfassungsrechtlichen Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern nicht die Möglichkeit, im Wege der Aufsicht in einem Einzelfall konkrete Maßnahmen zu treffen. In der Begründung zum Regierungsentwurf eines Hochschulrahmengesetzes wird daher darauf hingewiesen, daß das Land darüber zu wachen und darauf hinzuwirken hat, daß die Mitglieder der Hochschule ihre Aufgaben in der durch Art. 5 Abs. 3 GG verbürgten Freiheit erfüllen können.
Keine Zusatzfragen.
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich rufe die nächste Frage des Herrn Abgeordnenten Gölter, Frage 82, auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Rücktritt der Berliner Professorinnen Ingeborg Schröbler und Ursula Henning von ihren Selbstverwaltungsämtern?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär heim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, die Bundesregierung kann zu dem Rücktritt der beiden Professorinnen, soweit er auf die geschilderten Auseinandersetzungen zurückgeht, nicht näher eingehen, da der Sachverhalt von der zuständigen Landesregierung beurteilt werden muß.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir eine Stellungnahme der Bundesregierung zukommen zu lassen, sobald die zuständige Landesregierung sich gegenüber der Bundesregierung, die ja sicher eine Stellungnahme angefordert hat, geäußert hat?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, die Bundesregierung wird Ihnen gerne die Stellungnahme der Landesregierung zuleiten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, heißt das, daß die Bundesregierung darauf verzichtet, zu einer Stellungnahme der Landesregierung ihrerseits eine Meinung zu äußern?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, Sie haben gefragt - ich wiederhole es -: „Wie beurteilt die Bundesregierung den Rücktritt der Berliner Professorinnen ..."? Einen solchen Vorgang kann die Bundesregierung, da sie nicht unmittelbar zuständig ist, nicht selbst beurteilen. Sie könnte sich nur der Beurteilung durch die Landesregierung anschließen. Sie wird Ihnen deswegen die Stellungnahme der Landesregierung zusenden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pfeifer. Ich werde die Verwaltung allerdings noch einmal um Prüfung bitten, ob sachlich in die Zuständigkeit der Lander gehorende Fragen der Bundesregierung hier nun allgemein zu einer zusätzlichen Beurteilung zugeleitet werden können.
({0}) Zunächst Herr Abgeordneter Pfeifer!
Herr Staatssekretär, Sie sagten mehrfach, Sie wollten uns nur die Stellungnahmen der zuständigen Landesregierungen zuleiten.
Beabsichtigt die Bundesregierung künftig nicht mehr Stellung zu nehmen, wenn an den Hochschulen Forschung und Lehre so bedroht sind wie in dem genannten Fall?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Pfeifer, wenn Sie die Bundesregierung fragen, ob wir zu Art. 5 Abs. 3 GG Stellung nehmen, so sage ich: Das ist selbstverständlich. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft dazu Stellung nehmen. Aber hier geht es ja - ich möchte noch einmal an die Frage erinnern um die Beurteilung eines konkreten Vorganges, nämlich um die Beurteilung des Rücktritts der Berliner Professorinnen Ingeborg Schröbler und Ursula Henning von bestimmten Selbstverwaltungsämtern. Und hier kann sich die Bundesregierung in der Tat nur auf das stützen, was von der Landesregierung an Ermittlungsergebnissen vorgelegt werden kann. Insofern kann sie auch nur das weiterleiten.
Danke schön! Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen dann zu der Frage 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Kotowski. Ich sehe den Herrn Kollegen nicht im Saal, so daß die Frage schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Bundesminister Professor Dr. Ehmke zur Verfügung.
Die Frage 84 ist von dem Herrn Abgeordneten Niegel eingebracht:
Welche Miglieder der heutigen Bundesregierung ({0}), Staatssekretäre und sogenannte Berater der jetzigen Bundesregierung haben 1967/68 mit der Kommunistischen Partei Italiens, und über sie mit Mittelsmännern der SED, mit welchem Ziel, in wessen Auftrag und welchem Ergebnis verhandelt?
Herr Abgeordneter, es ist bekannt, daß es Ende 1967/Anfang 1968 Kontakte zwischen Mitgliedern der SPD und der KPI gegeben hat. Verhandlungen haben nicht stattgefunden. Daher kann man auch nicht von Ziel, Auftrag und Ergebnis von Verhandlungen sprechen. Es handelte sich vielmehr darum, die beiderseitigen Auffassungen über Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kennenzulernen. Von deutscher Seite nahmen die Herren Egon Franke, Leo Bauer und Fred Wesemann an den Gesprächen in Rom und Egon Bahr an einem Gespräch in München teil. Ich füge übrigens hinzu, daß weder Herr Bauer noch Herr Wesemann Berater der jetzigen Bundesregierung sind.
Es hat im Zusammenhang mit den genannten Gesprächen weder direkte noch indirekte Kontakte mit Vertretern der SED gegeben. Der damalige Bun8532
deskanzler, Herr Dr. Kiesinger, ist über die Kontakte zwischen Vertretern der SPD und der KPI unterrichtet worden. Es wird Ihnen sicher bekannt sein, daß er während eines offiziellen Besuchs in Rom Anfang Februar 1968 selbst ein längeres Gespräch mit dem Vorsitzenden der KPI, Herrn Longo, geführt hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Bundesminister, ist dieses Gespräch, das Herr Kiesinger angeblich mit Herrn Longo hatte, vielleicht lediglich so zustande gekommen, daß Herrn Kiesinger bei einem Empfang des italienischen Staatspräsidenten auch Herr Longo vorgestellt wurde?
Herr Abgeordneter, die Einzelheiten dieses Gespräches sind in dem interessanten Aufsatz von Herrn Timmermann in der Juni-Nummer von „Osteuropa" dargestellt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, als ich den Herrn Bundesminister Genscher am 30. September fragte, ob Mitglieder dieser Regierung Kontakte zu italienischen KP-Leuten hätten, hat er mir geantwortet: Soweit es sich um ein Mitglied der Bundesregierung handelt, kann ich das ausschließen. - Hat Herr Genscher diesem Hohen Hause hier bewußt oder unbewußt nicht die volle Wahrheit mitgeteilt?
Ich glaube, Ihre Frage lautete, „ob ein Mitglied der Regierung" Kontakte zur KPI gehabt habe. Das ist natürlich nicht der Fall. Die Herren waren damals nicht Mitglieder der Regierung und haben im übrigen auch nicht im Regierungsauftrag, sondern als Sozialdemokraten diese Gespräche geführt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schedl.
Herr Bundesminister, Sie haben soeben erklärt, daß Herr Bauer nicht als Berater der Bundesregierung betrachtet werden kann. Kann man Herrn Bauer als Berater des Herrn Bundeskanzlers betrachten und bezeichnen, oder, wenn nicht, in welcher Eigenschaft übt er dann seine beratende Tätigkeit aus?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage in diesem Haus schon beantwortet habe. Ich darf auf die zahlreichen Antworten, die ich zu dieser Frage schon gegeben habe, einschließlich der Antwort auf die Frage nach bestehenden Verträgen, Bezahlung etc., voll Bezug nehmen.
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg auf:
Bleibt der Bundeskanzler bei seiner vor dem Deutschen Bundestag erhobenen Behauptung, Informationen, nach denen Staatssekretär Bahr in Washington für die Einrichtung eines sowjetischen Generalkonsulates in West-Berlin geworben habe, seien „Quatsch"?
Herr Abgeordneter, der Herr Bundeskanzler hat in der Debatte am 19. Juli den Versuch von Herrn Kollegen Barzel, einen Zeitungsartikel auszuschlachten, deshalb so schroff zurückgewiesen, weil dieser Artikel voller unzutreffender und irreführender Informationen war. Weder hat es die behaupteten Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses gegeben, noch stimmte das Bild, das der Verfasser jenes Artikels sich von der Haltung der Bundesregierung zum Komplex des sowjetischen Generalkonsulats während der Berlin-Verhandlungen gemacht hatte. Der Herr Bundeskanzler hat dies dem Journalisten, der den Artikel verfaßt hatte, übrigens nach der Debatte in einem Brief mitgeteilt und dabei darauf hingewiesen, daß Herr Bahr sich bei seinen Gesprächen in den Vereinigten Staaten im Rahmen der vom Bundeskanzler gegebenen Richtlinien gehalten hat.
Im übrigen darf ich noch einmal auf die Ausführungen des Herrn amerikanischen Botschafters verweisen, die ich schon in der Fragestunde vom 23. September zitiert habe. Sie lauten wie folgt:
Ich muß ganz ehrlich sagen, daß die Bundesregierung uns zu keiner Zeit zu irgend etwas gedrängt hat. Das sowjetische Generalkonsulat in West-Berlin ist eigentlich erst im Laufe der Verhandlungen zum Gesprächsthema geworden. Wir haben dann erkannt, daß es notwendig war, über dieses Thema zu diskutieren, um überhaupt zu einem Übereinkommen zu gelangen. Es war uns klar, daß es ohne Einigung über das Generalkonsulat kein Übereinkommen geben konnte.
So weit das Zitat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, nachdem Sie einige Dinge beantwortet haben, nach denen ich nicht gefragt habe, darf ich konkret fragen: Haben Staatssekretär Bahr und der Bundeskanzler in Washington von sich aus die Einrichtung eines sowjetischen Generalkonsulats angeregt oder nicht?
Nein, Herr Abgeordneter. Wir haben auf diese Frage in Fragestunden und Debatten ja mehrfach geantwortet. Diese Frage gehörte zu den Gesprächserörterungen - es waren keine Verhandlungen -,
die Herr Bahr in Washington führen mußte. Dabei hat er dargestellt, daß man die Frage, wie es nachher auch von den Alliierten gesehen wurde, von verschiedenen Seiten sehen könne und daß man Vorteile und Nachteile im Gesamtzusammenhang abwägen müsse. Dies war eine neue Runde in den Gesprächen. Aber es war nichts, was außerhalb des allgemeinen Gesprächsauftrags gelegen hätte.
Eine weitere Zusatzfrage!
Da Ihre Aussage z. B. der in dem inzwischen veröffentlichten Protokoll des Botschafters Pauls offensichtlich widerspricht oder nicht kongruent damit ist, darf ich fragen: Worauf begründet die Bundesregierung die Vernehmung zahlreicher Journalisten in diesem Zusammenhang?
Ich darf zunächst zweierlei festhalten, Herr Abgeordneter. Erstens fragten Sie, ob der Bundeskanzler seinen Ausdruck „Quatsch" aufrechterhalte. Ich habe klargestellt - und ich sehe, daß Sie mir nicht widersprechen , worauf sich das in der Debatte überhaupt bezog.
Zweitens muß ich Ihnen widersprechen, wenn Sie meinen, das, was ich gesagt habe, und das, was die Regierung hier schon bei verschiedenen Anlässen klargestellt hat, stehe im Widerspruch zu dem Telegramm von Botschafter Pauls.
Drittens muß ich sagen - falls der Herr Präsident die Frage nach den Strafverfolgungen als in enger Verbindung mit der Hauptfrage stehend erachtet, wenn ich also die Frage beantworten darf -, daß dies eine Frage ist, die Sie den Landesjustizbehörden von Nordrhein-Westfalen stellen müssen.
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Vielleicht darf ich das hier einmal aufklären, wenn das so unklar ist. Der Gang ist der, daß die Staatsanwaltschaft sich entscheiden muß, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet. Sie fragt dann die Bundesregierung: „Bist Du bereit, die Ermächtigung dazu zu geben?" Mit dieser Ermächtigung räumt die Bundesregierung lediglich ein Verfahrenshindernis weg, ohne irgendeinen Einfluß auf das Verfahren zu bekommen. Dies hat die Bundesregierung getan. Denn die Bundesregierung kann nicht zulassen, Herr Abgeordneter, daß, wie es jetzt wiederholt vorgekommen ist, die Funktionsfähigkeit dieser Regierung und damit dieses Staates in auswärtigen Angelegenheiten dadurch beeinträchtigt wird, daß in zunehmendem Maße der Geheimnisbereich dieser Regierung verletzt wird. Wenn dann die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip, an das sie gemäß den hier gemeinsam beschlossenen Gesetzen gebunden ist, die Strafverfolgung aufnimmt und solche Interessen des Staates auf dem Spiel stehen, würde sich eine Regierung in Gegensatz zu ihrer Aufgabe stellen, wenn sie die Ermächtigung nicht erteilte. Ich darf in diesem Zusammenhang übrigens darauf hinweisen, daß wir die Strafvorschriften, die
oft als Vorschriften der Nazi-Zeit bezeichnet werden, in diesem Hohen Hause zu Zeiten der Großen Koalition einstimmig beschlossen haben, nämlich die §§ 353 b und 353 c StGB. Über die Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat die Bundesregierung nicht zu befinden. Darauf hat sie keinen Einfluß, und sie legt großen Wert darauf, auch nicht den Eindruck zu erwecken, als ob sie Einfluß darauf haben könnte.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Delden.
van Delden ({0}) : Herr Minister, darf ich konkret fragen, ob nunmehr die Landesregierung oder der Landesjustizminister von sich aus nach dem Legalitätsprinzip die Ermittlungen eingeleitet hat oder ob ein Antrag der Bundesregierung dieserhalb vorlag.
Aber Herr Abgeordneter, das gibt es doch nach dem Gesetz gar nicht.
van Delden ({0}) : Ein Strafantrag!
Nein. Es ist doch kein Antragsdelikt. Allein das Studium des Gesetzestextes gibt Ihnen die Auskunft, daß dies kein Antragsdelikt, sondern ein Delikt ist, das von Amts wegen verfolgt wird, das aber nicht verfolgt wird, wenn die Bundesregierung oder der Bundestag, d. h. die Stelle, die die Sache unter Geheimschutz gestellt hat, der Meinung ist, die von der Justiz beschlossene Verfolgung der Sache würde mehr Schaden für den Staat stiften als die Nichtverfolgung. Dann kann man sagen: Bitte, tut das nicht. Da muß man abwägen. Das hat aber nichts mit einem Antragsdelikt zu tun. Das ist ein Offizialdelikt, bei dem die Regierung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Sicherheitsinteressen des Staates um eine Ermächtigung gefragt wird. Entweder sagt die Bundesregierung oder der Bundestag je nachdem, wer zuständig ist -: den Sicherheitsinteressen wird mehr gedient, wenn ihr das Verfahren macht, oder: Nein, bitte macht das nicht; der Schaden wäre größer als der Nutzen, den das Verfahren haben kann. Hier ist abgewogen worden mit dem Ergebnis, daß die Ermächtigung vom Kabinett erteilt wurde.
Herr Kollege, wir sind schon weit genug von der ursprünglichen Frage abgekommen. Ich kann keine weiteren Zusatzfragen mehr zulassen.
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) auf:
Trifft die Meldung der „Welt" vom 18. Oktober 1971 zu, daß der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung erklärt habe, mit ihrer Zustimmung zur Aufnahme der DDR" in die UNO habe die Bundesregierung die völkerrechtliche Anerkennung der „DDR" durch andere Staaten freigegeben, und teilt die Bundesregierung die eventuell daraus zu ziehende
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Schlußfolgerung, daß es nach Abschluß einer solchen Entwicklung nicht mehr darauf ankomme, ob die Bundesregierung selbst eine formelle Anerkennung ausspreche?
Ich möchte die Frage wie folgt beantworten, Herr Abgeordneter.
Die erwähnte Meldung in der „Welt" ist eine sehr verkürzte und deshalb nicht voll zutreffende Darstellung eines winzigen Ausschnitts aus einem längeren Vortrag über die deutsche Außenpolitik. Ich habe in bezug auf den Gegenstand, der den Inhalt Ihrer Frage bildet, gesagt, daß der Beitritt beider deutscher Staaten zu den Vereinten Nationen zwangsläufig Rückwirkungen auf die Außenbeziehungen der DDR haben wird und daß er von anderen Regierungen, insbesondere in der dritten Welt, als eine Freigabe für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und zur Anerkennung der DDR bewertet werden würde.
Ich habe dann erläutert, daß und warum der Beitritt der beiden Staaten in Deutschland zur UN erst im Zuge des Normalisierungsprozesses zwischen ihnen erfolgen könne. Mit der von Ihnen angenommenen Schlußfolgerung stimmt die Bundesregierung nicht überein. Zu diesem Fragenkomplex habe ich in Berlin gesagt, daß die Bundesregierung nicht die Absicht hat, ihrerseits die DDR völkerrechtlich anzuerkennen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß in der Zahl der Anerkennungen ein Punkt erreicht werden könnte, wo die Staatenwelt sagt: „Jetzt ist die ,DDR' als Völkerrechtssubjekt allgemein anerkannt", und daß dann durch den Generalvertrag, von dem Sie in der gleichen Rede sprachen, praktisch eine Anerkennung durch die Hintertür oder sagen wir einmal, eine stillschweigende Anerkennung seitens der Bundesrepublik erfolgt, und sind Sie nicht der Meinung, daß die Bundesregierung das dann in Kauf nehmen wird?
Herr Abgeordneter, das sind, wenn ich es recht im Kopf behalten habe, drei Fragen.
Zur letzten Frage, der des Inkaufnehmens: Selbstverständlich wird die Bundesregierung bestimmte Entwicklungen akzeptieren müssen, die zugleich auch auf ihr eigenes Verhalten zurückgeführt werden können.
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage, nämlich wann der Punkt erreicht ist, wo die Mehrheit der Völkerrechtsgemeinschaft die DDR anerkannt hat, und ob das eine besondere Qualität der Anerkennung bedeutet, kann ich mich schwer äußern. Sicher ist nach dem Völkerrecht, daß sich jeder Staat - auch die Bundesrepublik - souverän entscheiden kann, ob er einen anderen Staat anerkennen will, und daß durch
konkludente Handlung keine Anerkennung zustande kommen kann, auch nicht durch den Beitritt zu den Vereinten Nationen.
Nun muß ich gestehen, daß ich den zweiten Teil Ihrer Frage vergessen habe.
Zusatzfrage!
Ich wollte noch fragen, ob dann die Bundesregierung eine stillschweigende Anerkennung dadurch vollzieht, daß sie nach dieser Entwicklung praktisch einen Generalvertrag, einen politischen Vertrag abschließt, der nach allgemeinem Völkerrecht völkerrechtliche Anerkennung bedeuten würde.
Das eben glaube ich nicht, Herr Abgeordneter. Soweit ich zu diesem Punkt belehrt bin, gibt es keine völkerrechtliche Anerkennung durch konkludente Handlungen.
Sie haben keine weiteren Fragen mehr. - Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, gewinnen Sie auch den Eindruck, daß hier fortlaufend neue Verfahren der völkerrechtlichen Anerkennung von unserer verehrten Opposition theoretisch entwikkelt werden?
Da haben Sie vollkommen recht, Herr Abgeordneter.
({0})
Die nächste Frage ist von Herrn Abgeordneten Höcherl eingereicht. Ich sehe den Herrn Kollegen nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rosenthal zur Verfügung. Die erste Frage, die Frage 11, ist von Herrn Abgeodneten Kaffka gestellt worden:
Ist der Bundesregierung bekannt, welches Ergebnis die von Staatssekretär Rosenthal in der Fragestunde am 23. Juni 1971 erwähnte Prüfung durch das Bundeskartellamt und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen, ob die letzten Prämienerhöhungen der Feuerversicherer mißbräuchlich sind, gehabt hat?
Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, die in der Fragestunde am 23. Juni 1971 angekündigte Untersuchung der Prämienerhöhung der Feuerversicherungen durch das Bundeskartellamt und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen hat bisher keinen
Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die letzten Prämienerhöhungen der Feuerversicherer mißbräuchlich sind.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Zinserträge aus den laufenden Prämieneinnahmen und den Schadensrückstellungen sowie die Gewinne aus der Auflösung von Schadensrückstellungen nicht in die Ergebnisrechnung für das technische Geschäft einbezogen werden und damit das Ergebnis der jeweiligen Versicherungssparte verfälscht wird?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, soweit das Bundesaufsichtsamt bisher feststellen konnte, haben die industriellen Feuerversicherungen im Jahre 1970 erhebliche Verluste gebracht, und auch die Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung ist 1970 schlecht gelaufen. Wenn ich auf Ihre Zahlen im einzelnen eingehen darf: allein der Schadensaufwand in beiden Versicherungsarten hat 100 % der Prämien betragen. Wenn Sie die Kostenquote einbeziehen, ergibt sich ein Gesamtaufwand von 132 % oder ein Verlust in Höhe von einem Drittel der Prämieneinnahmen. Der Gesamtbetrag beläuft sich nach unseren Ermittlungen auf 240 Millionen DM. Dadurch konnte das Bundeskartellamt hier nicht einschreiten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Versicherungsgesellschaften zwei Bilanzen führen, eine versicherungstechnische und eine Vermögensbilanz? Die Vermögensbilanz sieht überaus positiv aus.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das Bundesaufsichtsamt für Versicherungen muß sich mit den Schäden und den Kosten für die einzelnen Sparten auseinandersetzen. Weiter kann das Bundesaufsichtsamt nicht gehen, Herr Kollege.
Sie haben, Herr Kollege, zu dieser Frage keine weitere Zusatzfrage mehr. - Herr Kollege van Delden hat noch eine Zusatzfrage.
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen mit Bezug auf die Antwort auf die schriftliche Frage bekannt, daß der Deutsche Versicherungsschutzverband mit Schreiben vom 13. Juli 1971 an das Bundeskartellamt den Feuerversicherern in bezug auf die Prämienerhöhungen, die die Grenzen der notwendigen Sanierungsmaßnahmen bei weitem übersteigen, das Vorliegen eines Mißbrauchs nachweist, und ist die Bundesregierung infolgedessen bereit, in ihrer Eigenschaft als Dienstherr des Kartellamtes für eine Beschleunigung der Prüfung Sorge zu tragen, da die Prämienerhöhung bekanntlich spätestens mit Jahresbeginn gefordert wird?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, über das, was ich Ihnen gesagt habe, hinaus, kann die Bundesregierung in das Verfahren des Bundeskartellamtes im einzelnen nicht eingreifen.
Ich rufe Frage 12 des Herrn Abgeordneten Kaffka auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Feuerversicherer neuerdings wieder erhebliche Prämienerhöhungen vornehmen, indem sie für die einzelnen Wirtschaftsbereiche lineare Zuschläge bis zu 60 % erheben, daß dadurch große Unruhe in die Wirtschaft getragen wird und daß die Realisierung dieser Maßnahme notwendigerweise weitere Preissteigerungen zur Folge haben wird?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Kaffka, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Prämienkommission des entsprechenden Fachausschusses des Verbandes der Sachversicherer kürzlich erneut Prämienanhebungen vorgeschlagen hat. Es handelt sich dabei im wesentlichen um eine Erhöhung des im März generell erhobenen Trendzuschlages von 15 %.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kaffka.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, durch Änderung des § 102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für die Zukunft zu verhindern, daß durch Marktabsprachen über einheitliche Prämiensätze einzelne Versicherungsunternehmen Kartellrenten beziehen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, ich kann Ihnen die Frage nur insofern beantworten, als nach der Novelle zum Kartellgesetz die Möglichkeiten, bei Oligopolen einen Mißbrauch zu vermuten, stärker als unter dem derzeitigen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sind.
Zusatzfrage.
Gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, die in der Bundesrepublik auf dem Versicherungsmarkt einen verstärkten internationalen Wettbewerb ermöglichen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, diese Frage müßte ich untersuchen. Sie steht nicht in direktem Zusammenhang mit Ihrer ursprünglichen Frage. Ich darf sie Ihnen schriftlich beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Delden.
van Delden ({0}) : Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, ihre in der damaligen Fragestunde zunächst generell ausgesprochene Ablehnung einer steuerunschädlichen Feuerrisikorücklage unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, daß angesichts der überhöhten Forderungen der Versicherer ein Großteil gerade der besonders hart betroffenen mittelständischen Wirtschaft überlegt, ob nicht ein Selbstbehalt des Feuerrisikos ähnlich wie bei der Teilkaskoversicherung vorgesehen werden kann?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege van Delden, ich habe die Frage akustisch nicht verstanden und möchte Sie bitten, sie zu wiederholen.
Herr Kollege van Delden, Ihre Frage stand natürlich nicht ganz in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit der Frage des Kollegen Kaffka. Vielleicht können Sie die Frage bei der Wiederholung in einen solchen Sachzusammenhang bringen, so daß ich die Beantwortung zulassen kann.
van Delden ({0}) : Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der Prämienerhöhungen, die jetzt gefordert wurden und die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Kaffka stehen, ({1})
Damit ist der Zusammenhang aber nicht hergestellt!
van Delden ({0}) : - ihre zunächst generell ausgesprochene Ablehnung einer steuerunschädlichen Feuerrisikorücklage unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, daß angesichts der besagten überhöhten Forderungen, die Herr Kaffka beklagt, ein Großteil gerade der besonders hart betroffenen mittelständischen Wirtschaft überlegt - und jetzt kommt der Kern der Frage -,
({1})
ob nicht ein Selbstbehalt des Feuerrisikos ähnlich wie bei der Teilkaskoversicherung vorgesehen werden kann?
Herr Kollege, es tut mir sehr leid, diese Zusatzfrage kann ich in dieser Form nicht als Zusatzfrage zur Frage des Herrn Abgeordneten Kaffka zulassen. Es ist Ihnen unbenommen, sie zur Beantwortung in der nächsten Woche als eigene Frage einzubringen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Strohmayr hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 13 und 14 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen zum Stenographischen Bericht abgedruckt.
Die nächste Frage, Frage 15, ist von dem Herrn Abgeordneten Löffler eingereicht:
Welches Ergebnis hat das Verfahren gehabt, das die Bundesregierung nach Artikel 89 des EWG-Vertrags wegen der Stickstoffpreise bei der Kommission in Brüssel eingeleitet hat?
Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Löffler, zunächst hat die Kommission nicht auf Einschaltung der Bundesregierung hin, sondern von sich aus gehandelt. Die Untersuchungen bezüglich des EG-Teils der Stickstoffindustrie, die Sie in Ihrer ersten Frage ansprechen, laufen noch.
Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Staatssekretär, sind nicht gewisse Zwischenergebnisse aus Brüssel zu erfahren?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nachdem ich Ihre Frage bekommen habe, habe ich mich noch einmal bemüht, solche Zwischenergebnisse zu bekommen. Das ist mir nicht gelungen. Ich möchte aber vielleicht sehr vorsichtig sagen, daß ich Ihre Frage begrüße; denn im EG-Bereich gibt es gewisse Gewohnheiten. Wenn man sie sich abgewöhnte - ich drücke das absichtlich sehr vorsichtig aus -, könnte man doch einen etwas schärferen Wettbewerb herstellen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es vielleicht nützlich, bei den Bemühungen der Bundesregierung gegenüber der Kommission darauf hinzuweisen, daß es eine klare Wettbewerbsverzerrung ist, wenn die Bauern in den Ländern, die keine eigene Stickstoffindustrie haben, den Stickstoff billiger beziehen können, und zwar von den gleichen Firmen, als diejenigen Bauern, in deren Ländern es eine Stickstoffindustrie gibt?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich habe Ihnen ja in vorsichtiger Form bereits unsere Meinung angedeutet. Soweit wir einwirken können - diese Möglichkeit ist natürlich begrenzt, denn es ist eine Gemeinschaftssache -, werden wir das tun.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Zu welchem Ergebnis ist das Bundeskartellamt bei seiner Überprüfung des Verhaltens der deutschen Stickstoffindustrie gelangt?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Löffler, das Kartellamt hat im Falle der Stickstoffindustrie keine Feststellung gemäß § 1 GWB treffen können. Sie wissen: Vertrag. Aber nach § 22 Abs. 2 - Mißbrauch - laufen die Untersuchungen noch.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann ist mit einem Ende oder mit einem Zwischenergebnis dieser Untersuchung zu rechnen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das kann ich im Moment nicht sagen, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit dem Kartellamt gegenüber alles unternehmen wird, damit diese Untersuchungen beschleunigt durchgeführt werden?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, Sie können dies annehmen. Ich möchte sogar weiter gehen: Ich werde mich noch einmal erkundigen, wie diese Sache steht und welche Chance besteht nach dem zweiten Paragraphen, den ich genannt habe - nach dem ersten besteht keine Chance , und werde Ihnen noch einmal persönlich Mitteilung machen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Herr Abgeordnete Ott hat um schriftliche Beantwortung der von ihm gestellten Fragen 17 und 18 gebeten. Auch der Herr Abgeordnete Sperling ist mit einer schriftlichen Beantwortung seiner Fragen 19 und 20 einverstanden. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf:
Wie begründet die Bundesregierung die Behauptung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, Philip Rosenthal, anläßlich der Eröffnung der Woche des Verbrauchers, Minister Schiller sei weder der Minister der Unternehmer noch der Minister der Arbeitnehmer, sondern er sei der Minister der Verbraucher?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Breidbach, sind Sie einverstanden, wenn ich beide Fragen gemeinsam beantworte?
Nein, Herr Staatssekretär.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Bitte, gut. Dann muß ich Ihnen sagen: Sie haben von meiner Rede leider nur die Schlagzeile gelesen bezüglich der Verbraucher. Sie müßten die Rede noch einmal nachlesen. Ich schicke sie Ihnen zu.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bin davon ausgegangen, daß Sie in der Lage sind, Ihre Rede hier zu interpretieren. Nun verweisen Sie mich auf Schlagzeilen. Gestatten Sie, daß ich Ihnen in diesem Zusammenhang die Frage stelle: Stimmt das, was ich Ihrer Rede entnommen habe, ja oder nein?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das stimmt nicht. Obwohl ich durchaus nicht in allem mit meinem Minister einer Meinung bin, in einer Sache bin ich mit ihm einer Meinung - und das war der Sinn meiner Rede -: Wenn Schiller ein Minister ist, der sich überhaupt für eine Gruppe einsetzt, dann ist er ein „Verbraucherminister". Denn Karl Schiller ist jemand, der sich nie gescheut hat, gegen die Unternehmer Front zu machen, wenn es einmal darum ging, die Löhne zu erhöhen, der sich aber auch nicht gescheut hat, auch die Gewerkschaften einmal aufzufordern, ein bißchen kurzzutreten. Beides sind sehr unpopuläre Maßnahmen, aber Maßnahmen, die entscheidend dem Verbraucher dienen.
Eine Zusatzfrage.
Wollten Sie also mit dieser Aussage im Interesse Ihres Ministers dem zunehmend schlechter werdenden Image von Herrn Schiller,
Bewertungen sind in Zusatzfragen nicht zulässig.
- nicht zuletzt in seiner eigenen Partei, entgegenwirken, und wollten Sie damit verhindern, daß die Diskussion darüber, daß der Herr Minister unter Umständen doch ein Mann der Großverdiener sei, geführt wird, und wollten Sie ihn deshalb, insbesondere in Anbetracht der Preissteigerungen, umkanalisieren zu einem Minister der Verbraucher?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich brauche Herrn Schiller nicht zu einem Minister der Verbraucher umzukanalisieren. Ich kenne ihn so gut, daß ich weiß, daß das sein Hauptanliegen ist Er wird absolut wild, wenn irgendeine Organisation gegen die Interessen der Verbraucher angeht. Herr Kollege Breidbach, wenn Sie die Rede gelesen hätten, hätten Sie dort auch gelesen, daß das Bundes8538
Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal wirtschaftsministerium als erstes in der Regierung überhaupt einmal einen Bericht über die Verbraucherpolitik vorgelegt hat.
Herr Kollege Breidbach, Sie haben sich selber um die Chance gebracht, vier Zusatzfragen hintereinander zu stellen, indem Sie die Verbindung der Fragen abgelehnt haben. - Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiechle.
Herr Staatssekretär, da nach Ihrer Definition der Herr Wirtschaftsminister, wenn überhaupt, dann aber ein Minister der Verbraucher ist, würde ich Sie gern fragen: Wie hoch schätzen Sie dann angesichts der Preissteigerungsrate auf dem Sektor der Lebenshaltungskosten die tatsächlichen Erfolge dieses Verbraucherministers ein?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nun, zunächst haben Sie mich etwas mißinterpretiert. Denn ich habe gesagt: Er ist vordringlich ein Minister der Verbraucher.
Zweitens möchte ich Ihnen folgendes sagen. Die Erfolge eines Minister müssen Sie immer danach beurteilen, wie er in dem nicht ganz vermeidbaren Auf- und Abschwung handelt. Denn der will ein Wolkenkuckucksheim, der, solange es eine freie Marktwirtschaft gibt - der ja auch Ihre Fraktion zustimmt , glaubt, wir könnten eine absolut stabile Konjunktur haben. Das wäre nicht einmal mit einer Planwirtschaft erreichbar, wie die Oststaaten gezeigt haben. Derjenige ist ein Verbraucherminister, der die Folgen für den Verbraucher einerseits in der Hochkonjunktur, wenn er nicht mehr die Freiheit hat, seine Stärke als Käufer gegenüber dem Anbieter durchzusetzen, andererseits in der abschwingenden Konjunktur, wenn er nicht mehr genügend Geld hat, mildert. Deshalb ist er für mich ein Verbraucherminister.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie selbst den Verbraucherbericht erwähnt haben, der aus Anlaß der Woche der Verbraucher vorgelegt worden ist, und es in diesem Verbraucherbericht auf Seite 4 heißt -
Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte, dieser Bericht steht nun wirklich nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Breidbach.
Herr Kollege Ritz, Sie hatten noch um eine Zusatzfrage gebeten.
({0})
- Gut.
Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, daß die sogenannten hausgemachten Ursachen für die derzeitige inflationäre Entwicklung ausschließlich im Verhalten der Tarifpartner liegen?
Bitte!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Breidbach, wir brauchen nichts zu begründen, was wir nicht behauptet haben.
Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, dann widersprechen Sie dem mir vorliegenden Wortlaut des Manuskriptes eines Interviews in der Sendung „Report", in dem der Herr Minister zu dieser Frage ausgeführt hat, es kämen viele andere Elemente hinzu; in diesem Falle - was die Preisbewegung betrifft - seien es sicherlich die Kräfte des Marktes, die Kräfte der Tarifvertragsparteien und die Kräfte des Auslandes gewesen.
Außerdem würden Sie den Aussagen widersprechen, die Herr Spitzmüller zu diesem Punkt vor einer Woche hier gemacht hat, und dem, was Sie vor etwa drei oder vier Wochen in einer Fragestunde des Parlaments zu dem Punkt ausgeführt haben.
Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Breidbach! Zunächst einmal: Selbst nach dem Zitat ist es keineswegs berechtigt, Ihre Frage so zu formulieren, wie Sie sie gestellt haben, nämlich: „Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, daß die sogenannten hausgemachten Ursachen für die derzeitige inflationäre Entwicklung ausschließlich im Verhalten der Tarifpartner liegen?" Das hat die Bundesregierung hier nicht und in keinem Zusammenhang gesagt. Außerdem wissen Sie genauso gut wie ich, daß Fragen der Zinspolitik, die in die Bundesbankverantwortung fallen, und Fragen des Haushalts, die in die Verantwortung des Staates fallen, außer den von außen kommenden ebenfalls Faktoren sind, die die Fragen der Preissteigerung vom Inland her beeinflussen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, wären Sie bereit, nach Durchsicht der beiden Protokolle, die ich vorhin erwähnt habe - ich könnte die Daten spezifizieren -, ihre Antwort noch einmal zu überprüfen und mir dann eine schriftliche Antwort zu geben?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Breidbach, vielen Dank, daß Sie mich hier zum Minister befördern.
({0})
Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal
Ich kann diese hier eben präzise gestellten Fragen nicht anders beantworten. Ich bin aber durchaus bereit, zusätzliche Fragen Ihnen auch persönlich schriftlich zu beantworten.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Vogt auf:
Wie verträgt sich die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, Philip Rosenthal, anläßlich der Eröffnung der Woche der Verbraucher, eine Konzentration der Verbände und Institutionen, die sich mit Verbraucheraufklärung, Verbraucherberatung und Verbraudierpolitik befassen, sei zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher unerläßlich und werde von der Bundesregierung auch gewünscht, mit der Tatsache, daß außerhalb der AGV mit finanzieller Hilfe des Bundes das Kontaktbüro für Verbraucheraufklärung und die REWE-Zentralorganisation ein deutsches Hausfrauenparlament einberufen wollen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Vogt, darf ich Ihre Fragen im Zusammenhang beantworten?
({0})
Dann rufe ich auch die Frage 24 auf:
Hält es die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit einer wirksamen Vertretung der Interessen der Verbraucher nicht für fragwürdig, daß das aus staatlichen Mitteln finanzierte Kontaktbüro für Verbraucheraufklärung mit nur einer Handelsorganisation als ständige Einrichtung ein deutsches Hausfrauenparlament zu gründen beabsichtigen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Vielen Dank! - Herr Kollege Vogt, Ihre Frage ist berechtigt.
Ich möchte nur folgendes vorausschicken. Was ich gesagt habe - was also die Einigung, den Zusammenschluß betrifft -, hat sich in erster Linie darauf bezogen, daß ich erfreut darüber bin, erstens, daß sich auch durch unsere persönliche Mitwirkung die Verbraucherzentralen, die - wie Sie wissen - etwas zersplittert waren, zunächst zusammengeschlossen haben, und zweitens, daß ein Zusammenschluß mit der AGV stattgefunden hat.
Ich habe gesagt, daß die Verbraucher, so wie die Gewerkschaften und Unternehmerverbände, einen gewichtigen Einfluß nur haben können, wenn sie gemeinsam auftreten, wenn eine gewisse Koordinierung besteht. Aber auch diese Koordinierung habe ich angesprochen.
Nun zu der präzisen Frage des Hausfrauenparlaments. Sicherlich sind Sie mit mir einer Ansicht, daß es grundsätzlich nützlich ist, wenn hier zwischen dem Handel und dem Verbraucher - also in diesem Fall den Hausfrauen - eine öffentliche Aussprache stattfindet. Ich muß allerdings - wenn ich Sie richtig verstanden habe - Ihre Meinung teilen, daß der Ausdruck „Hausfrauenparlament" ein bißchen irreführend ist. Denn dadurch könnte man meinen, es handele sich a) um gewissermaßen gewählte Vertreter - das ist nicht der Fall - und b) um die Gesamtinteressen des Verbrauchers, während dies tatsächlich nur auf die Nahrungsmittel abgestellt ist. Insofern muß ich Ihnen recht geben.
Ich kann Ihnen auch sagen, daß wir zwischen den Ressorts noch einmal prüfen werden, wie wir erreichen können, daß das Positivum dieser Aktion nicht in eine - wie Sie in Ihrer zweiten Frage sagen - Wettbewerbsverzerrung oder dahin überschlägt, daß man denken könnte, dies sei eine echte demokratische Institution der Hausfrauen schlechthin wie bei anderen Interessenverbänden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich jetzt auf den Verbraucherbericht zurückkommen, in dem zwar ausgeführt ist, daß Maßnahmen zugunsten der Verbraucherpolitik, Verbraucheraufklärung und Verbraucherberatung, durchgeführt werden sollen, in dem aber dieses Hausfrauenparlament in dem Katalog der Maßnahmen nicht genannt ist, und darf ich deshalb fragen, wie es um die Koordination zwischen Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium einerseits und Bundesernährungsministerium andererseits steht?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, die Tatsache, daß wir das Organisationsschema der gesamten Verbraucherverbände grundsätzlich begrüßt haben, hängt nicht damit zusammen, daß wir etwa gegen andere Organisationen wären. Das Bundesministerium für Landwirtschaft hat bereits mit uns abgesprochen, über die Eingliederung des Hausfrauenparlaments mit uns eine Ressortbesprechung zu führen.
Zusatzfrage.
Darf ich also davon ausgehen, daß der Verbraucherbericht in diesem Punkt schon 14 Tage nach Vorliegen unvollständig ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nein, Herr Kollege; denn etwas ist ja nicht unvollständig, wenn eine zusätzliche Aktion stattfindet. Wenn man auf irgendeinem Gebiet generell eine Richtung anstrebt und wenn man für eine größere Publizität - wir haben über die Medien gesprochen - der Verbraucherverbände ist - ich weiß, daß auch Sie dieser Ansicht sind -, dann kann man es nur begrüßen, wenn zusätzliche Aktionen, die im Interesse der Verbraucher liegen und Transparenz schaffen, gestartet werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da es der Sinn des sogenannten Hausfrauenparlaments sein soll, das Gespräch zwischen dem Kunden und dem Handel zu fördern, meinen Sie nicht, daß es zweckmäßig wäre, die Institutionalisierung dieses Gesprächs ausschließlich den Beteiligten zu überlassen, ohne daß Stellen mit eingeschaltet werden, die staatlich finanziert werden?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Vogt, das kann man so und so sehen. Wir wollen eine Publizität, wir wollen Aktivität. Ich finde, wir sollten die Kooperation weder von staatlichen Stellen noch von Privatorganisationen - Sie haben ja REWE erwähnt - begrenzen, sondern nur Sorge tragen, daß kein Mißbrauch geschieht und keine Fehlinterpretation entsteht.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich Ihren Antworten entnehmen muß, daß das deutsche Hausfrauenparlament unter einer anderen Bezeichnung doch durchgeführt werden soll, frage ich Sie: Können Sie mir Auskunft geben, wann mit der Einberufung dieser Institution gerechnet werden kann, nachdem der erste Termin, der 9. November dieses Jahres, abgesagt worden ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Vogt, ich bin da etwas überfragt und will Ihnen mit aller Vorsicht sagen, daß ich glaube, daß es am Beginn des nächsten Jahres einberufen wird. Aber ich kann mich da täuschen.
Herr Abgeordneter Koenig, hatten Sie Ihre Meldung zu einer Zusatzfrage aufrechterhalten? Bitte!
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß der Aufgabenbereich dieses Hausfrauenparlaments ein Spezialbereich ist, nämlich ausschließlich Fragen der Ernährung?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: So ist es, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, da im sogenannten Verbraucherbericht eine Menge von Einzelheiten und Fragen angeführt sind, die einen im Vergleich mit dem Hausfrauenparlament geringen Einfluß auf die Verbraucherpolitik haben, frage ich Sie, ob Sie mich darüber aufklären können, warum das Hausfrauenparlament, das in meinen Augen wichtiger ist als die vielen Kleinigkeiten im Verbraucherbericht, in diesem Bericht nicht erwähnt worden ist.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Breidbach, Ihre Fraktion ist mit dem Wort „sogenannt" sehr freigiebig. Jetzt haben wir also einen „sogenannten Verbraucherbericht".
Im Verbraucherbericht ist diese Sache nicht angegeben, weil sie eine spezifische Aktion eines von
einem Ministerium geführten Komitees mit einer spezifischen Verbraucherorganisation ist. Wir würden uns dem Vorwurf der Einseitigkeit preisgeben, wollten wir in dem Bericht nur einige und nicht alle Organisationen nennen.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Früh auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Ludwig Poullain, daß die Voraussetzung einer Einigung mit Frankreich in der Währungspolitik die Aufgabe des Grenzausgleichs für die Landwirtschaft sei, da hierin ein Sprengsatz der europäischen Integration liege ({0})?
Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Dr. Früh, wenn ich den Artikel aus der „Stuttgarter Zeitung", auf den Sie sich wahrscheinlich beziehen, richtig lese, hat Herr Poullain hier nicht seine Ansicht, sondern seine Meinung von der französischen Ansicht gesagt.
Im übrigen darf ich Ihnen - mit Bedacht - folgendes sagen. Ich bemühe mich, auf Fragen aus dem Parlament offen zu antworten. Aber in diesem Falle muß ich, da nicht nur die Landwirtschaftsminister, sondern auch die Wirtschaftsminister bzw. Finanzminister, ja, sogar der Bundeskanzler die Frage in diesem Moment behandeln, in der Beantwortung sehr vorsichtig sein.
Ich muß mich auf das beschränken - mehr kann ich wirklich nicht sagen -, was der Bundeskanzler in seinem Brief an den französischen Staatspräsidenten Pompidou gesagt hat: daß eine Regelung der Währungen bei allem Verständnis und bei aller Notwendigkeit, den Agrarmarkt zu erhalten, auch eine Regelung notwendig macht, bei der die deutsche Landwirtschaft nicht einseitig Schaden erleidet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe volles Verständnis für die vorsichtige Beantwortung meiner Frage. Ich möchte Sie aber dennoch fragen, ob Sie es nicht für richtig gefunden hätten, daß gerade die Ansicht, der Grenzausgleich sei ein Sprengsatz für die Integration, von der Bundesregierung hätte etwas zurechtgerückt werden sollen, zumal der Bundesminister schon mit Zahlen nachgewiesen hat, daß das nicht zutrifft?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, ich bedaure. Ich bin wirklich nicht bereit, zu diesem Punkt zusätzlich etwas zu sagen in einem Moment, in dem gerade die Verhandlungen stattfinden sollen. Sonst würde ich nämlich einen Sprengsatz in diese Verhandlungen legen.
Unter diesen Umständen muß ich auf eine weitere Zusatzfrage wohl verzichten.
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Reddemann auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, besondere Strukturförderungsprogramme auch für monostrukturierte Räume, wie z. B. die Stadt Hagen, in der infolge der Situation in der Stahlindustrie 4500 Arbeitsplätze gefährdet sind, auszuarbeiten, um in diesen Gebieten bessere Chancen bei der Neuschaffung von Arbeitsplätzen und bei Erhaltung ihrer Wirtschaftskraft zu ermöglichen?
Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Reddemann, Sie wissen, daß die regionale Wirtschaftsförderung nicht nur durch den Bund, sondern durch die Länder erfolgt und daß die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur auch unterdurchschnittliche Gebiete, also - wie Sie sagen - monostrukturierte Gebiete umfaßt. Z. B. sind das nördliche Ruhrgebiet - Monostruktur Montan - und das Westmünsterland - Textil - am 29. Juni 1971 einbezogen worden. Wenn das Land die Stadt Hagen für eine Einbeziehung vorschlägt, würde das geprüft werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht möglich, schon jetzt von seiten der Bundesregierung Überlegungen anzustellen, wie vor allem den mit Stahlindustrie belegten Gebieten geholfen werden kann, da die Gefahr besteht, daß sich in der Stahlindustrie eine ähnliche Entwicklung wie vor einigen Jahren im Kohlebergbau bemerkbar macht?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft. und Finanzen: Herr Kollege, diese Frage betrifft die Stahlindustrie und steht wohl nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer ursprünglich gestellten Frage.
Lassen Sie mich Ihnen zu Ihrer ursprünglichen Frage aber noch folgendes sagen, was vielleicht teilweise Ihre Zusatzfrage beantwortet. Die Monostruktur, die nach Ihrer Meinung in Hagen zu finden ist, besteht dort nicht. Ich habe die Zahlen vor mir. Beispielsweise sind in der eisen- und metallerzeugenden Industrie nur 12 000 von insgesamt 37 000 Beschäftigten tätig. Es gibt andere große Gruppen, die dort tätig sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, ich will versuchen, den Herrn Fragestellern, die im Hause warten, die Beantwortung der von ihnen gestellten Fragen zu ermöglichen. Ich bitte dafür um Verständnis.
Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Dr. Meinicke ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 29 der Abgeordneten Frau Funcke wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Herr Staatssekretär Hermsdorf steht für die weitere Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Pensky auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Hansen auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem in der Zeitschrift „konkret" vom 21. Oktober 1971 auf Seite 45 veröffentlichten Gutachten des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Walter Seuffert, über Versteuerung nach §§ 16 oder 17 EStG im Falle der Wohnsitzverlegung des Alleingesellschafters einer AG ins Ausland ziehen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Hansen, die von Ihnen erwähnte Presseveröffentlichung befaßt sich mit einem besonders gelagerten Sachverhalt, der in dem größeren Zusammenhang einer sogenannten Steuerentstrikkung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gesehen werden muß und der bei Fällen der Auswanderung von Großaktionären deutscher Kapitalgesellschaften in jüngerer Zeit erhöhte Aktualität gewonnen hat. Die von der Steuerverwaltung hierzu auf Grund des geltenden Rechts vertretene und auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu benachbarten Sachverhalten gestützte Rechtsauffassung ist bestritten worden.
Die Bundesregierung hat es daher im Interesse der Rechtssicherheit für ratsam gehalten, eine gesetzgeberische Initiative zu ergreifen, die für die hier im Vordergrund stehenden Sachverhalte die Rechtslage eindeutig klarstellt. Das ist mit § 6 des Entwurfs eines Außensteuergesetzes geschehen, der diesem Hohen Hause bereits zur Beschlußfassung vorliegt.
Nach dieser Vorschrift führt die Auswanderung von Gesellschaftern, die an einer deutschen Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt sind, zu einer Besteuerung der in dieser Beteiligung angesammelten stillen Reserven. In dem revidierten deutsch-schweizerischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das diesem Hohen Hause in Kürze zugehen wird, ist diese Besteuerung völkervertraglich verankert und gegen etwaige Doppelbesteuerungen abgesichert.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Gatzen auf:
Wie hoch war das Aufkommen an Kraftfahrzeugversicherungsteuer im Jahre 1970, und wie hoch wird der Ertrag aus dieser Steuer nach den Beitragserhöhungen im Jahre 1971 sein?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Der Versicherungsteuer unterliegen nicht nur die Entgelte aus der Kraftfahrtversicherung, sondern alle Entgelte aus Personen- und Sachversicherungen,
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
soweit sie nicht kraft Gesetzes von der Versicherungsteuer befreit sind. Das Aufkommen aus der Versicherungsteuer wird nicht nach Versicherungsarten getrennt ausgewiesen. Ich kann Ihnen deshalb auch nur Zahlen über das Versicherungsteuer-aufkommen insgesamt bekanntgeben, wobei allerdings davon ausgegangen werden kann, daß die Entgelte der Kraftfahrtversicherung weit überwiegend das gegenwärtige Aufkommen dieser Steuer bedingen.
Im Jahre 1970 wurden 617 Millionen DM aus der Versicherungsteuer vereinnahmt. Unter Beachtung der ersten Prämienerhöhung zum 1. Januar 1971 und der zweiten Prämienerhöhung zum 1. August 1971 wird nach Angaben des Arbeitskreises „Steuerschätzung" für das Jahr 1971 ein Aufkommen von 800 Millionen DM erwartet. Demnach ergibt sich für 1971 gegenüber 1970 eine Steigerungsrate von 29,7 v. H.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, angesichts der außergewöhnlichen Erhöhung dieses Aufkommens an Kfz-Versicherungsteuer möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung auch in Zukunft bei eventuellen Beitragserhöhungen für die Kfz-Versicherung an einem Steuersatz von 5 % festhalten will.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Im Augenblick sehen wir keinen Anlaß, von diesem Satz abzugehen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf die angespannte Lage gerade auf dem Sektor der Kfz-Versicherung frage ich Sie: Wäre die Bundesregierung eventuell bereit, das Mehraufkommen bei dieser speziellen Steuer in diesem Jahr den Versicherern dafür zur Verfügung zu stellen, daß sie es als Bonus an diejenigen Kraftfahrer weitergeben, die die Versicherungen nicht in Anspruch genommen haben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Diese Bereitschaft kann ich für die Regierung in diesem Jahr nicht erklären.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 34 und 35 des Abgeordneten Bittelmann auf:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wie hoch die zusätzliche Kostenbelastung im Agrarverkehr durch die vorgesehene Erhöhung der Mineralölsteuer einschließlich Mehrwertsteuer und durch die vorgesehene Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer für LKW sein wird?
Beabsichtigt die Bundesregierung, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft infolge sich ergebender Vergrößerung der Kostenunterschiede auf dem Agrarverkehrssektor
innerhalb der EWG nicht noch mehr als bisher zu beeinträchtigen, auch künftig für die Landwirtschaft eine Ausnahmeregelung vorzusehen, wie das bislang durch Freistellung von der Straßengüterverkehrsteuer der Fall war?
Herr Staatssekretär!
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Die Landwirtschaft wird durch die Erhöhung der Mineralölsteuer unmittelbar deshalb nicht belastet, weil der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine entsprechende Erhöhung der Gasölbetriebsbeihilfen für die Landwirtschaft vorsieht. Eine Kostenmehrbelastung für landwirtschaftliche Fahrzeuge kommt nur insoweit in Betracht, als Landwirte Agrargüter mit Fahrzeugen über 12 t Gesamtgewicht befördern. Dies wird nur in Ausnahmefällen vorkommen.
Bei den Transporten von Agrargütern durch die gewerbliche Wirtschaft läßt sich die Frage nach etwaigen Mehrbelastungen der verladenden Wirtschaft durch die Erhöhung von Mineralölsteuer einschließlich Mehrwertsteuer und Kraftfahrzeugsteuer nicht abschließend beantworten. Die Antwort hängt davon ab, in welchem Umfang die Kostenerhöhungen von den Verkehrsunternehmen im Preis weitergegeben werden. Unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten ist anhand der zur Verfügung stehenden statistischen Unterlagen folgende Schätzung für Transporte von Agrargütern möglich.
Erstens. Durch die Erhöhung der Mineralölsteuer könnte unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer eine Kostenerhöhung zwischen 15 und 30 Millionen DM eintreten.
Zweitens. Die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer könnte zu einer Kostensteigerung von 15 bis 30 Millionen DM führen. Dem steht eine Kostenentlastung durch Wegfall der Straßengüterverkehrsteuer von etwa 25 Millionen DM gegenüber.
Zu Ihrer nächsten Frage. Das Bundeskabinett hat die Ressorts beauftragt, die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen für landwirtschaftliche Transporte zu prüfen. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Das Kabinett wird bei seiner Gegenäußerung zu den Änderungswünschen des Bundesrats zu dem Gesetzentwurf dazu Stellung nehmen, ob und gegebenenfalls welche Ausnahmeregelungen künftig für Agrartransporte in Betracht kommen. Ich bitte, diese Gegenäußerung abzuwarten.
Bitte, eine Zusatzfrage!
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Finanzierung der Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ist zu lesen: „Eine Belastung der Landwirtschaft wird vermieden." Nun sind wir der Ansicht, daß durch Anhebung der Tarife für die Frachten im Agrarverkehr auch eine Belastung der Landwirtschaft stattfindet. Das betrifft Fahrzeuge mit schwarzer, nicht mit grüner Nummer. Ich möchte Sie fragen, wie diese Aussage in dem Gesetzentwurf zu verstehen ist bzw. ob diese Aussage in Zweifel gezogen werden muß.
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Die Aussage kann nicht in Zweifel gezogen werden. Aber wir werden bei der Beratung im Parlament hierauf noch einmal zurückkommen.
Weitere Zusatzfrage.
Werden Sie mir dann Auskunft über die Größenordnung geben?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ja, sobald wir die Größenordnung genau übersehen.
Herr Kollege Kiechle!
Herr Staatssekretär, da sich derartige Erhöhungen insbesondere z. B. auf dem Sektor des Agrarexports und auch in den Gebieten konzentrieren, die fernab der Verbraucherzentren liegen, die also ohnehin schon benachteiligt sind, frage ich: Kann die Landwirtschaft damit rechnen, daß die Bundesregierung grundsätzlich in befürwortendem Sinn nach Wegen sucht, erneute Kostenbelastungen gerade auf Grund solcher gesetzlicher, steuerlicher Maßnahmen zu vermeiden?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, Ihre Frage war ein Petitum des Landwirtschaftsministers Ertl im Kabinett. Wir haben dort zugesagt, daß wir versuchen werden, die eventuellen Belastungen, die hier entstehen, zu vergüten.
Keine Zusatzfrage mehr.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
Die Frage 43 des Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Frage 44 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}) eingebracht:
Hat es für die an den Herbstmanövern in Niedersachsen teilnehmenden Truppenverbände besondere Vorschriften über die Fahrzeugbewegungen im Gelände und über die Sonderausstattung der Kettenfahrzeuge im Straßenverkehr gegeben?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Kollege! Wie alle Manöver, so sind auch die Manöver in Niedersachsen bei den Landesbehörden angemeldet worden. Die von den Landesbehörden hierzu erteilten Auflagen wurden in den Übungsbefehlen berücksichtigt. So blieben zum Beispiel Naturschutz- und Wassereinzugsgebiete und andere schutzbedürftige Geländeteile wie etwa Erholungsgebiete, Saatgut- und Forstflächen - vom Übungsgeschehen ausgeschlossen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, der Sonderausstattung der Kettenfahrzeuge im Straßenverkehr, Herr Kollege Dr. Schmidt, kann ich Ihnen mitteilen, daß die Kettenfahrzeuge im Straßenverkehr als Sonderausstattung stahlarmierte Kettenblenden als Schutzvorrichtung gegen abfliegende Kettenpolster erhalten werden. So wird der Schützenpanzer Marder ab Dezember 1971 mit dieser Schutzvorrichtung ausgerüstet werden. Die übrigen Kettenfahrzeuge werden etwa ab Mai 1972 entsprechend umgerüstet werden.
Im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit wird außerdem jedes zweite Kettenfahrzeug auf dem Marsch eine gelbe Rundumleuchte erhalten. Die Ausstattungssätze werden bereits ab Juli 1971 an die Truppe ausgeliefert. Die bei den Manövern in Niedersachsen eingesetzten Kettenfahrzeuge waren jedoch - außer den Bergepanzern - noch nicht mit diesen Kennleuchten versehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird auch nachgeprüft, ob diese Vorschriften, auf die sich der erste Teil meiner Frage bezieht, in der Tat eingehalten werden? Ich habe den Eindruck, daß das in der Praxis nicht so gehandhabt wird.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Dr. Schmidt, natürlich werden die Manöver angemeldet. Sie waren auch bei den Behörden des Landes Niedersachsen angemeldet. Ich konnte mich bei einer Besprechung, die ich zusammen mit dem Verteidigungsminister im Kabinett in Niedersachsen gehalten habe, davon überzeugen, daß die Regierung Niedersachsens, der Ministerpräsident und seine Ministerkollegen, über die Manöver informiert waren.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Gierenstein ist nicht mehr anwesend; er mußte einen dringenden Termin wahrnehmen. Er hatte fast bis zum Schluß ausgeharrt, in der Hoffnung, daß seine Frage aufgerufen würde. Seine Frage muß nun schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Dr. Hauser hat um schriftliche Beantwortung der von ihm gestellten Frage 45 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Wir stehen am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 5. November 1971, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.