Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hat am 6. Oktober die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Evers, Dr. Schwörer, Biechele, Frau Griesinger, Adorno und Genossen betreffend Trans-EuropaNaturgas-Pipeline ({0}) - Drucksache VI/2593 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI 2688 verteilt.
Einziger Punkt der heutigen Tagesordnung ist die Fragestunde
- Drucksache VI/2680 Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes.
Der Abgeordnete Meister hat für die Fragen 93 und 94 um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zu Frage 95 des Abgeordneten Dr. Luda. - Wenn er nicht da ist, wird die Frage schriftlich beantwortet, ebenso Frage 96. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 97 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Ist der Herr Bundeskanzler bereit, seine Erklärung über angebliche „Schreibtischtäter" zurückzunehmen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Ahlers, bitte sehr.
Herr Präsident, ich möchte die Frage des Abgeordneten Schulze-Vorberg wie folgt beantworten.
Herr Abgeordneter, ich habe auch in diesem Hause schon darauf hingewiesen, daß der Herr Bundeskanzler mit dem Wort „Schreibtischtäter" keine Gleichstellung mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechern im Auge gehabt hat, sondern daß er in diesem Zusammenhang von Verdummung und Hetze gesprochen hat. Aus dem Text seiner Rede vor der IG Metall ergibt sich, daß den Herrn Bundeskanzler bei seiner gewiß drastischen Äußerung Sorge um die
Demokratie in der Bundesrepublik bewegt hat, indem er wörtlich sagte:
Aber es geht darum, ob es unbeschadet aller Meinungsverschiedenheiten eine gemeinsame demokratische Verantwortung gibt oder ob eine Verwilderung der politischen Sitten um sich greifen soll.
Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, darf ich an die erste Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt erinnern, in der er sagte:
Wir suchen keine Bewunderer. Wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten. Das Selbstbewußtsein dieser Regierung wird sich als Toleranz zu erkennen geben.
Ist das Wort vom „Schreibtischtäter" ein Teil dieser Toleranz, oder wie würden Sie das beurteilen?
Herr Abgeordneter, ich beurteile das folgendermaßen. Es gibt - auch in der publizistischen politischen Auseinandersetzung - eine Grenze zwischen hemmungsloser und hetzerischer Polemik und einigermaßen erträglicher sachlicher Auseinandersetzung. Es kann niemand bezweifeln, daß diese Grenze in einzelnen Fällen überschritten wird. Wenn man dann, wie der Herr Bundeskanzler, in diesen Fällen auch seine Meinung sagt, ist das kein Mangel an Toleranz.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns Beispiele dafür nennen, wo Ihrer Meinung nach - oder nach Meinung der Bundesregierung - in diesem Zusammenhang das Wort „Schreibtischtäter" gerechtfertigt ist?
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, daß ich auf meine Antwort auf eine Frage des Herrn Abgeordneten Reddemann in der vorigen Fragestunde zurückgreifen muß, daß
es nach Auffassung der Bundesregierung nicht im Interesse der Sache und der guten Beziehungen zwischen der deutschen Presse und der Bundesregierung liegt, hier öffentlich einzelne Zeitungstitel, einzelne Autorennamen usw. zu nennen. Ich habe nur als ein Beispiel - auch in der vorigen Fragestunde die Berichterstattung und die Art der Schreibe der „Deutschen Nationalzeitung" in München angeführt und möchte das auch hier wiederholen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.
Herr Staatssekretär, nachdem im Anschluß an die Beantwortung meiner Zusatzfrage in der vorletzten Woche sowohl die Vertreter der Journalistenverbände als auch der Verlegerverbände erneut Fragen in diesem Zusammenhang gestellt haben, möchte ich mir jetzt die Zusatzfrage erlauben, ob nicht die Grenze der Polemik, die Sie eben erwähnt haben, nun auch durch den Bundeskanzler dadurch überschritten wurde, daß er den Begriff des „Schreibtischtäters", der durch Eichmann und Genossen belegt ist, jetzt auf Journalisten gleich welcher Couleur angewandt hat.
Herr Abgeordneter, ich möchte Ihnen sagen, daß hier, sagen wir, in bezug auf den Herrn Bundeskanzler absolut ein Mißverständnis vorliegt. Der Bundeskanzler - das habe ich hier mehrfach betont, auch auf Ihre damalige Frage hin - hat keinerlei Assoziation mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechern im Auge gehabt. Im übrigen ist, bezogen auf Herrn Eichmann, das Wort „Schreibtischmörder" der richtige Begriff und nicht das Wort „Schreibtischtäter".
({0})
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Luda.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der globale Vorwurf „Schreibtischtäter" in weiten Kreisen der Öffentlichkeit Grund zu der Annahme geben muß, daß ein größerer Kreis derer gemeint ist, die verfassungsmäßig zur Kontrolle und gegebenenfalls zur Kritik der Bundesregierung verpflichtet sind, und sind Sie somit nicht mit mir der Meinung, daß der Bundeskanzler der Bevölkerung auch nicht fahrlässig einen Grund zu einer solchen Annahme geben sollte?
Herr Abgeordneter, ich bin nicht der Meinung, daß sich der Bundeskanzler in irgendeiner Weise fahrlässig geäußert hat. Er hat sich, wie ich eben in meiner Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg gesagt habe, gewiß drastisch geäußert; und dieser Ausdruck „drastisch geäußert" ist mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt. Im übrigen, Herr Abgeordneter, kann ich Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie meinen, daß hier - sagen wir es einmal so - eine unzulässige Ausweitung auf einen größeren, gar nicht unter diese Problematik fallenden journalistischen Personenkreis hätte angenommen werden können.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, halten Sie es denn für klug und richtig, daß der Herr Bundeskanzler, um - nach seiner Meinung - politischer Verwilderung entgegenzuwirken, einen Pauschalbegriff wie „Schreibtischtäter" gebraucht, der im letzten Assoziationen doch zumindest bei denen hervorgerufen hat, die tagtäglich am Schreibtisch tätig sein müssen, um die Öffentlichkeit zu informieren?
Herr Abgeordneter, aus dem genauen Text dieser zwei, drei Sätze, die der Herr Bundeskanzler vor der IG Metall gesprochen hat, geht hervor, daß es sich hier nicht um einen Pauschalvorwurf oder um einen Pauschalbegriff handelt. Der Bundeskanzler hat vielmehr den Begriff genau präzisiert, indem er von Schreibtischtätern gesprochen hat, die Verdummung und Hetze betreiben. Und daß hier jeden Tag in einzelnen Publikationsorganen Hetze betrieben wird, wird niemand bestreiten können.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, da der Kollege Schulze-Vorberg nach Beispielen gefragt hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Meinung teilen, daß auf die Liste möglicher Beispiele für solche Blätter, die Hetze betreiben, zumindest das „Deutschland-Magazin" gehört.
Herr Abgeordneter, Sie werden verstehen, daß es in dieser ganzen Frage unsere Position gewesen ist, eben nicht öffentlich - mit der einen Ausnahme - Zeitungstitel zu nennen. Ich möchte von dieser Regel nicht abgehen, obwohl ich bei dem bleibe, was ich eben gesagt habe, daß man nämlich tagtäglich - auch heute wieder - hetzerische Artikel gegen einzelne Personen dieses Hauses in den Zeitungen hat lesen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider ({0}).
Herr Staatssekretär, die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers von den „Schreibtischtätern" hat in der Öffentlichkeit eine außerordentlich breite Resonanz gefunden, hat, so will ich sagen, ein miserables Echo gefunden. Der Herr Bundeskanzler läßt sich immer interpretieren, einmal durch Sie, einmal durch einen anderen Sprecher der Bundesregierung. Ist der Herr Bundeskanzler persönlich bereit, seine Äußerung vom „Schreibtischtäter" persönlich zu interpretieren?
Herr Abgeordneter, es ist so, daß ich hier stehe, weil die Fragen in meinen Geschäftsbereich gehören, aber ich spreche natürlich auch im Namen des Herrn Bundeskanzlers und habe die Antworten, die ich hier gegeben habe, mit ihm abgesprochen. Insofern bedarf es eigentlich keiner weiteren Äußerung des Herrn Bundeskanzlers selber.
Ich möchte aber folgendes sagen. Sie haben darauf hingewiesen, daß die Äußerungen ein kritisches Echo gefunden haben. Diese Kritik hat natürlich noch einen besonderen Aspekt, nämlich den erfreulichen Aspekt der Solidarität der Journalisten. Trotz dieses erfreulichen Aspektes kann, glaube ich, niemand bestreiten, daß eine solche Auseinandersetzung mit der Publizistik in unserem Lande von politischer Seite gerechtfertigt ist, daß es also mannigfache Beispiele gibt, die diesen Ausdruck des Herrn Bundeskanzlers rechtfertigen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß durch die Identifizierung der Begriffe „Schreibtischtäter" und „Schreibtischmörder" geradezu der Effekt provoziert wird, der von der Opposition bekämpft wird?
Jawohl, da muß ich Ihnen zustimmen, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin immer wieder betont haben, im publizistischen Bereich könnte mit dem Wort „Schreibtischtäter" nur die Deutsche Nationalzeitung gemeint sein, Sie aber jetzt auf andere Tatbestände in der Publizistik hingewiesen haben, die auch zu dieser Auseinandersetzung geführt haben, darf ich Sie fragen, welche anderen Presseorgane Sie noch im Auge haben.
Nein, Herr
Abgeordneter, ich habe lediglich darauf hingewiesen, daß es auch außer der Deutschen Nationalzeitung, die ich hier schon mehrfach als Beispiel genannt habe, noch Presseorgane gibt, in denen hetzerische Artikel erscheinen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, welche Gründe bestehen dafür, daß der Bundeskanzler, wenn er die Deutsche Nationalzeitung meint, diese nicht gleich beim Namen nennt, und weshalb verschanzen Sie sich jetzt wiederum hinter anderen Presseorganen? Bekennen Sie doch einmal, was Sie damit meinen!
Herr Abgeordneter, ich bin der letzte, der nicht zum Bekennen bereit und geeignet wäre, nur habe ich hier mehrfach betont, daß der Grund, weshalb wir hier einzelne Organe, einzelne Artikel und einzelne Autoren nicht nennen, der ist, daß es nicht im Interesse der von allen gewünschten Beziehungen zwischen der Bundesregierung, den Regierungsparteien und der Presse liegt, das hier öffentlich zu tun, sondern
ich habe das in der letzten Fragestunde schon gesagt - daß es besser und zweckmäßiger ist, das jeweils in einer persönlichen Aussprache zu klären. Das tun wir auch.
Die Frage 98 des Abgeordneten Niegel wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Das gleiche gilt für Frage 99. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 100 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es zu, daß Henri Nannen, der Chefredakteur des Stern, der die Ostpolitik der Bundesregierung vorbehaltlos unterstützt, auf Grund seiner engen Beziehungen zum Bundeskanzler und wegen seiner Begleitung zur Vertragsunterzeichnung nach Warschau als intimer Kenner der weiteren ostpolitischen Absichten und der daraus sich ergebenden innenpolitischen Konsequenzen der Bundesregierung bezeichnet werden kann, und teilt die Bundesregierung die Auffassung des Herrn Nonnen in seinem Leitartikel vom 10. Oktober 1971, daß es den Interessen der Bundesrepublik Deutschland förderlich ist, wenn möglichst viele Spione aus den Ostblockstaaten in unserem Lande ihre Tätigkeit unbehelligt ausüben, um sich von den guten Absichten der Bundesregierung laufend überzeugen zu können?
Ich darf um Ihre Antwort bitten, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, so kann ich ihn mit Nein beantworten. Herr Nannen ist zwar ohne Zweifel ein gut informierter Journalist, aber es würde wohl erheblich zu weit führen, ihn als einen intimen Kenner der Absichten der Bundesregierung zu bezeichnen. Auch zum zweiten Teil Ihrer Frage lautet die Antwort klar nein. Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß die gegen unser Land gerichtete Spionage unbehelligt bleiben sollte. Sie unternimmt alle Anstrengungen,
um diese Spionagetätigkeit zu unterbinden und die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu schützen. Im übrigen ist das Konzept der Friedenspolitik dieser Bundesregierung so deutlich erkennbar, daß es eigentlich für keine fremde Regierung irgendwelcher Spione bedarf, um sich davon zu überzeugen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, Sie stimmen mir also zu, daß es nicht das Erkundungsziel der östlichen Spione ist, die guten Absichten der Bundesregierung zu bestätigen, sondern daß ganz andere Aufklärungszwecke verfolgt werden, die den Interessen unseres Staates schweren Schaden zufügen können?
Selbstverständlich, obwohl ich natürlich über die Erkundungsabsichten gegnerischer Nachrichtendienste nicht sehr gut informiert sein kann.
({0})
Herr Dr. Jobst zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hätte die Bundesregierung die Ansichten des Herrn Nannen und die darin offenkundig zugrunde liegende Absicht, die östliche Spionagetätigkeit zu verharmlosen, nicht schon deshalb zurückweisen müssen, weil Herr Nannen vom Bundeskanzler als Mitglied der Delegation ausgewählt wurde, die bei der Vertragsunterzeichnung in Warschau das deutsche Volk repräsentieren sollte?
Herr Abgeordneter, wir haben die Praxis - ich halte sie auch in bezug auf den Respekt gegenüber diesem Hause für richtig , daß wir Fragen dieser Art, wie Sie sie gestellt haben, erst hier in diesem Hause beantworten und nicht vorher schon gegenüber der Presse. Was nun die damalige Mitnahme von Herrn Nannen angeht, so habe ich das auch hier in diesem Hause begründen können. Dies hatte nichts mit einer irgendwie gearteten besonders intimen Beziehung zwischen der Bundesregierung und Herrn Nannen zu tun, sondern mit seinem ganz besonderen Einsatz für die deutsch-polnische Verständigung, die auf diese Weise auch unterstrichen werden sollte.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier ({0}).
Herr Staatssekretär - um es für das Haus und für die Öffentlichkeit klarzustellen -, darf ich aus Ihren Äußerungen entnehmen, daß sich die Bundesregierung die Meinung von Herrn Chefredakteur Nannen nicht zu eigen macht und eben nicht die Schlußfolgerung zieht - heute und auch in der Zukunft -, im Interesse eines positiven deutschen Erscheinungsbildes in Moskau die sowjetische Spionage in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu behindern?
({0})
Das ist absolut richtig, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Ott zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie den Journalisten Nannen vorhin als einen guten Journalisten bezeichnet haben, der in letzter Zeit sehr viel für die deutsch-polnischen Beziehungen getan hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie diesen Journalisten Nannen auch bereits in der Zeit als guten Journalisten betrachtet haben, in der er Lobhudel-Artikel für den „Führer" Adolf Hitler schrieb und dadurch
- anders als in der jetzigen Zeit - für die Zerstörung der deutsch-polnischen Beziehungen eingetreten ist.
({0})
Ich frage mich, ob diese Zusatzfrage noch in einem inneren Zusammenhang zu der Frage steht, die hier gestellt worden ist, Herr Staatssekretär.
({0})
- Diesen Zwischenruf möchte ich auch zurückweisen, denn Zusatzfragen von Kollegen sollten möglichst nicht kritisiert werden.
({1})
- Herr Abgeordneter, ich habe die Zusatzfrage des Herrn Ott kritisch darauf hin beleuchtet, ob sie in einem inneren Zusammenhang zur Hauptfrage des Herrn Abgeordneten Jobst steht. Ich überlasse es Ihnen, Herr Staatssekretär, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen.
Herr Präsident, ich will gern antworten. Ich maße mir nicht an, ein Werturteil über die journalistischen QualiStaatssekretär Ahlers
täten von Herrn Nannen abzugeben. Ich habe ihn als einen gut informierten Journalisten bezeichnet. Jede Lektüre des „Stern" und seiner Artikel beweist, daß er teilweise über gute Informationen verfügt. Es liegt mir aber völlig fern, hier eine Verbindung zu seiner Tätigkeit im Dritten Reich herzustellen. Solche Werturteile maße ich mir, wie gesagt, nicht an.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Geßner.
Herr Staatssekretär, wir haben eben über den Begriff „Schreibtischtäter" diskutiert, der ja von der Opposition zurückgewiesen worden ist.
({0})
Wie beurteilen Sie es, wenn ich sage, daß die Fragen, die eben von seiten der Opposition gestellt worden sind, darauf hinauslaufen, den Chefredakteur des „Stern" im Sinne der Opposition zu einem Schreibtischtäter zu stempeln?
({1})
Ich muß jetzt aber auch an den inneren Zusammenhang erinnern, der gegeben sein sollte.
Herr Abgeordneter, die Vermutung liegt nahe.
({0})
Herr Abgeordneter Reddemann!
Herr Staatssekretär, Sie haben den „Stern" als besonders gut informiert bezeichnet. Würden Sie etwa die in der heutigen „Stern"-Ausgabe verbreitete Story über den Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Karl Wienand, und über angebliche Bemerkungen des Bundesverkehrsministers zum Thema „Strauß" auch als besonders gute Information ansehen?
Herr Abgeordneter Reddemann, hier besteht nun wirklich und sicher kein innerer Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage mehr. Ich würde es aber verstehen, wenn Sie gelegentlich eine Frage dieses Inhalts einbrächten. Das bleibt Ihnen unbenommen. Als Zusatzfrage lasse ich diese Frage nicht zu.
({0})
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
({1})
Die Fragen 48 und 49 des Abgeordneten Dr. Beermann werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
({2})
- Herr Abgeordneter Wehner, ich möchte auch Sie bitten, den Fortgang der Fragestunde nicht aufzuhalten.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Kempfler ist nicht im Saal. Dann wird die Frage 50 schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zu Frage 51 des Abgeordneten Dr. Schneider ({4}) :
Wie beurteilt die Bundesregierung die Außerung der Weltgesundheitsorganisation, daß in entwickelten Ländern die verbindliche Pockenschutzimpfung abgeschafft werden könnte, weil das Risiko einer Impfung größer sei als das einer Erkrankung ohne Impfung?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
Herr Abgeordneter, die Weltgesundheitsorganisation hat eine Außerung der genannten Art nicht getan. Sie hat vielmehr auf Grund des englischen Beschlusses, die Impfung im Kindesalter nicht mehr als Routinemaßnahme zu empfehlen, warnend darauf hingewiesen, daß eine solche Maßnahme in Ländern mit einem gut entwickelten Gesundheitsdienst und funktionierender Seuchenabwehr möglicherweise nur ein begrenztes Risiko darstellt, daß aber für Länder mit einem weniger entwickelten Gesundheitsdienst eine solche Politik verheerende Folgen haben könnte.
Herr Abgeordneter Dr. Schneider ({0}) zu einer Zusatzfrage.
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland bei der bisherigen Übung der Pockenschutzimpfung bleiben wird?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß unser Land über eine so wirksame Seuchenabwehr verfügt und daß auch das Pockenausrottungsprogramm der Weltgesundheits8150
organisation so gute Fortschritte gemacht hat, daß sich das Risiko der Einschleppung und Weiterverbreitung der Pocken vermindert hat. Die Bundesregierung wird deshalb dem Bundesgesundheitsrat die Frage vorlegen, ob die Pflichtimpfung gegen Pocken fortgesetzt werden muß oder ob die entsprechenden Vorschriften über eine Pflichtimpfung auf besondere Gruppen beschränkt werden sollten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schneider ({0}).
Ist in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die bereits bestehenden Vorschriften über die Impfung bei Auslandsreisen vorgesehen, weitergehende oder einschränkende Bestimmungen zu erlassen?
Einschränkende Bestimmungen für Auslandsreisen können wir nicht erlassen, weil dies möglicherweise den internationalen Gesundheitsvorschriften widersprechen könnte, denen die Bundesrepublik beigetreten ist. Es ist aber beabsichtigt, zu prüfen, ob nicht bestimmte Gruppen auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit einer regelmäßigen Nachimpfung unterzogen werden sollten. Z. B. könnte man daran denken, daß zumindest das Personal auf Infektionsabteilungen einen ausreichenden Dauerschutz gegen Pocken haben müßte.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen dann zur Frage 52 des Abgeordneten Bay:
Wodurch wurden die Bedenken der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden gegen die umstrittene Einspritzung einer Lösung von Wasser, Kochsalz und Glutamat in das Brustfleisch von Geflügel zerstreut, so daß nach einer Meldung der FAZ vom 14. September 1971 nicht nur deutsche Geflügelschlachtereien so behandeltes Geflügel auf den Markt bringen, sondern auch die niederländischen Schlachtereien erreichen wollen, daß sie dieses Verfahren anwenden dürfen, mit welchem das Fleischgewicht durch Wasseranreichung erhöht wird?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die Bedenken der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden gegen die Einspritzung von Wasser, Kochsalz und Glutamat in das Brustfleisch von Geflügel zerstreut worden sind. In Übereinstimmung mit den obersten Landesbehörden vertritt der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Ansicht, daß so behandeltes Schlachtgeflügel lebensmittelrechtlich als verfälscht zu beurteilen ist und nur unter ausreichender Kenntlichmachung in den Verkehr gebracht werden darf. Über diese Rechtsauffassung ist auch die Königlich Niederländische Botschaft auf ihre Anfrage hin unterrichtet worden. Die bisher von der Geflügelwirtschaft verwandten Kenntlichmachungsformeln für dieses Schlachtgeflügel stellen, soweit sie dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bekanntgeworden sind, keine ausreichende Unterrichtung über die von der üblichen Verbrauchererwartung abweichende Beschaffenheit des Geflügelfleisches dar.
Im übrigen, Herr Abgeordneter, hat diese Frage auch die EWG längere Zeit beschäftigt. Inzwischen ist die EWG-Richtlinie zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim Handelsverkehr mit frischem Geflügelfleisch vom 15. Februar 1971 verabschiedet, die eine derartige Behandlung des Geflügelfleisches künftig grundsätzlich verbietet. Die Richtlinie tritt zwei Jahre nach ihrer Verkündung, also im Frühjahr 1973, für den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr und drei Jahre später auch für den nationalen Handelsverkehr mit Geflügelfleisch in Kraft. Sie gilt auch gegenüber Drittländern.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.
Die Frage 79 ist zurückgezogen.
Es ist also zuerst die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Gleissner aufzurufen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß hei der Internationalen Konferenz über Umweltprobleme in Trondheim über hundert Wissenschaftler aus zwölf Staaten die Einstellung des Bans von Kernreaktoren gefordert und einen Appell an alle Wissenschaftler gerichtet haben, sich nicht mehr am Bau dieser Reaktoren zu beteiligen?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist bekannt, daß vom 26. bis zum 29. August 1971 in Trondheim die Jahrestagung der Gesellschaft für soziale Verantwortung in der Wissenschaft stattgefunden hat. Diese internationale Vereinigung wurde 1949 in den Vereinigten Staaten gegründet und ist auch in der Bundesrepublik durch eine deutschsprachige Sektion vertreten. Die Jahrestagung in Trondheim stand unter dem Motto „Internationaler Umweltschutz" und befaßte sich mit zahlreichen Umweltproblemen wie Luft-, Wasser- und Meeresverschmutzung, Lärm, Nahrung und Bevölkerung. Es ist ferner bekannt, daß die Tagungsteilnehmer die Einstellung des Baues von Kernreaktoren gefordert und einen Appell an alle Wissenschaftler gerichtet haben, sich nicht mehr am Bau dieser Reaktoren zu beteiligen. Der genaue Wortlaut wurde bisher jedenfalls nach meiner Kenntnis noch nicht veröffentlicht.
Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, ist Ihnen zur Kenntnis gelangt, ob andere Staaten daraus irgendwelche Konsequenzen für die Überprüfung des weiteren Baues von Kernreaktoren gezogen haben?
Nein, dies ist bisher nicht zu meiner Kenntnis gelangt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft die Namen der hundert Wissenschaftler aus zwölf Staaten bekannt, und sind darunter neben der genannten Sektion auch einzelne Wissenschaftler der Bundesrepublik gewesen, die die Einstellung des Baus von Kernreaktoren gefordert und einen Appell an alle Wissenschaftler gerichtet haben, sich nicht mehr am Bau dieser Reaktoren zu beteiligen?
Der Teilnehmerkreis ist im wesentlichen bekannt. Wenn Sie es wünschen, kann ich dazu bekanntgeben, daß von den 128 Teilnehmern etwa zwei Drittel aus Norwegen und Schweden und acht aus Deutschland kamen. Bekannte Persönlichkeiten unter den Teilnehmern waren Professor Sternglass aus den Vereinigten Staaten, Professor Bechert, Mitglied dieses Hohen Hauses, und Professor Lenz aus Münster als Gastredner.
Wir kommen zur Frage 81 des Abgeordneten Dr. Gleissner:
Gedenkt die Bundesregierung, aus dieser Tatsache Konsequenzen zu ziehen?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Herr Abgeordneter, das vom Deutschen Bundestag beschlossene Atomgesetz enthält in § 1 den Auftrag, u. a. die Erforschung, die Entwicklung und die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu fördern und Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen. Die Errichtung und der Betrieb von Atomanlagen unterliegen nach diesem Atomgesetz einem sehr strengen Genehmigungsverfahren. Alle in der Bundesrepublik bestehenden Kernreaktoren und andere Atomanlagen wurden bisher nach dem in diesen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Genehmigungsverfahren errichtet. Diese Bestimmungen sind nach meiner Meinung ausreichend, um bei Bedenken gegen ein bestimmtes Projekt die Genehmigung zu versagen, wie etwa die Ablehnung der Kernkraftwerkstandorte Eichau und Weisweiler sowie die Aufschiebung des Genehmigungsverfahrens für das Kernkraftwerk der BASF beweisen.
Als Genehmigungsvoraussetzung ist in § 7 des Atomgesetzes ausdrücklich verlangt, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen getroffen ist. In Befolgung dieser Vorschrift prüft neben den Genehmigungsbehörden des jeweiligen Landes das für Fragen der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes zuständige Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft sorgfältig alle Probleme, die im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie angesprochen sind.
Im hier vorliegenden Fall ist das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft bemüht, den bisher nicht veröffentlichten Wortlaut der von der Gesellschaft für soziale Verantwortung in der Wissenschaft abgegebenen Erklärung sowie eine dafür notwendige Begründung zu erhalten, die dann auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, wird sich Ihr Haus trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die Sie eben bekanntgegeben und die wir in der Bundesrepublik getroffen haben, mit den Gründen beschäftigen, die hundert Wissenschaftler veranlaßt haben, noch vorsichtiger zu sein, vor dem Bau von Kernreaktoren zu warnen und Wissenschaftler aufzufordern, sich überhaupt nicht mehr am Bau von Kernreaktoren zu beteiligen?
Ich glaube, den ersten Teil Ihrer Zusatzfrage habe ich im letzten Satz meiner vorhergehenden Ausführungen positiv beantwortet. Daß diese Untersuchungen etwa mit dem Ziel durchgeführt würden, in Zukunft keine Kernkraftwerke zu bauen, kann ich nicht bejahen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 82 des Abgeordneten Dr. Gölter:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung der vom infasInstitut durchgeführten Befragung Tiber die Einstellung der Bevölkerung zu bildungspolitisch wichtigen Fragen bei?
Bitte sehr, Herr Minister!
Herr Präsident, darf ich wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Gölter zusammen beantworten?
Bitte sehr! Dann rufe ich zusätzlich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus den Ergebnissen zu ziehen?
Das Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bad Godesberg hat im Auftrage der Bundesregierung Untersuchungen zu Themen im Bereich der Innenpolitik angestellt, in deren Rahmen auch Umfragen zu Aspekten der Schul- und Bildungspolitik durchgeführt wurden. Die infasBefragungen eines repräsentativen Querschnitts der Bevölkerung der Bundesrepublik haben im ganzen ein erfreuliches Ausmaß an Sachkenntnis und Aufgeschlossenheit für Reformen im Bildungswesen gezeigt. Die Bundesregierung sieht sich in ihrer Reformpolitik im Bereich des Bildungswesens durch dieses Ergebnis im Grundsatz bestätigt. Sie wird den von ihr im Bildungsbericht angekündigten Kurs vor allem im Zusammenwirken mit den Ländern in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung fortführen.
Detaillierte Aussagen über die Erhebung können erst gemacht werden, nachdem die Einzelergebnisse einer eingehenden Prüfung unterzogen worden sind. Dabei werden diese auch mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen und anderer Umfragen zu vergleichen sein, die über einen längeren Beobachtungszeitraum durchgeführt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gölter.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß die an die Befragten gerichtete Frage nach der Einstellung zur Gesamtschule eine Definition enthält, die hohe pädagogische Erwartungen wecken mußte, ohne daß die komplexe Problematik dieses Fragenkreises irgendwie angedeutet wurde?
Ich bin der Meinung, daß die Fragestellung a) verständlich war und b) den Inhalt dessen, was Gesamtschule ist - im Gegensatz zum dreigliedrigen Schulsystem -, in prägnanter Kürze wiedergegeben hat.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß im ganzen Bundesgebiet nur 1 032 Personen befragt worden sind und daß in den drei in den Veröffentlichungen der Bundesregierung besonders angezogenen Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland zusammen nur 222 Personen befragt wurden?
Dies trifft zu, Herr Abgeordneter, und Sie wissen, daß auf Grund einer Anfrage des Landtagsabgeordneten Martin in Ihrem Lande infas eine Stellungnahme dazu abgegeben hat, der ich mich anschließe und die, wie ich glaube, durchaus stichhaltig ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß nach der Befragung in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland zwar nur 56 % der Befragten den Begriff „Gesamtschule" kennen, aber 71 °/o die Gesamtschule für eine gute Sache halten, während sie in Hessen bei 72 % bekannt ist, aber lediglich 61 % der Befragten ihr positiv gegenüberstehen?
({0})
Diese Frage, Herr Abgeordneter, ist auch im Bundestag genauso wirkungsvoll wie offensichtlich im Landtag von Rheinland-Pfalz. Aber
Sie wissen, daß sie zu einfach gestellt worden ist.
({0})
Sie wissen aus der Beantwortung von infas, daß man sie so einfach nicht stellen darf, sondern daß man dann schon etwas näher in die Details der Anfrage und in die zugrunde liegenden Methoden hineinsteigen muß.
({1})
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist trotz der zugestandenen Problematik der Befragung wie der Auswertung die Bundesregierung bereit, diese von mir aufgezeigten Zahlenverhältnisse in ihre Wertung mit einzubeziehen?
Die Bundesregierung war auch schon vorher bereit, diese Zahlenverhältnisse mit in die Bewertung einzubeziehen, wie sie grundsätzlich bereit ist, die Methodik von Umfragen bei der Beurteilung der Ergebnisse mit zu berücksichtigen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zu den Fragen 84 und 85 des Abgeordneten Dr. Jenninger:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Mittel aus der ersten Tranche der Bildungsanleihe in Höhe von 260 Millionen DM nicht für Maßnahmen der Bildungspolitik verwendet worden sind, sondern bei der Deutschen Bundesbank stillgelegt worden sind?
Wenn ja, welche Kosten sind dem Bundeshaushalt aus diesen Maßnahmen zusätzlich erwachsen?
Es trifft zu, Herr Abgeordneter, daß die Mittel aus der im November 1970 aufgelegten ersten Tranche der Bildungsanleihe in Höhe von 260 Millionen DM zunächst bei der Bundesbank stillgelegt worden sind. Dies geschah mit Rücksicht auf die konjunkturelle Lage, die den Einsatz zusätzlicher öffentlicher Mittel nicht zweckmäßig erscheinen ließ. Darüber hinaus sind die für die Verausgabung der Bildungsanleihe vorgesehenen Leertitel des Einzelplans 31 mit einem Sperrvermerk versehen, wonach die Mittel nur mit Einwilligung des Deutschen Bundestages ausgegeben werden können. Abgesehen von den ohnehin anfallenden Zinsen sind durch die Stillegung der Mittel aus der Bildungsanleihe dem Bundeshaushalt keine zusätzlichen Kosten entstanden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, können Sie sagen, wie hoch der Ansatz der Zinsen für das Jahr 1971 ist, den die Bundesregierung hier bezahlen muß?
Die Anleihe wird mit 8,5% jährlich verzinst, d. h. mit 22,1 Millionen DM pro Jahr.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, halten Sie es für eine vernünftige Finanzpolitik, daß die Bundesregierung eine Bildungsanleihe auflegt und dann die erste Tranche festlegt, so daß der Steuerzahler zusätzlich mit 22,1 Millionen DM belastet wird?
Ich halte das für eine sehr vernünftige Maßnahme
({0})
- in der konjunkturellen Lage, in der wir waren
und zum Teil auch noch sind; es sei denn, man verurteilt überhaupt Anleihen seitens der Regierung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeifer.
Herr Bundesminister, inwieweit hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten mit dieser Bildungsanleihe diejenigen Ziele erreicht, die sie im Bildungsbericht der Bundesregierung zur Begründung dieser Anleihe versprochen hat, nämlich rasche Ingangsetzung der Bildungsreform, Vermeiden eines uneinholbaren weiteren Zeitverlustes und Entlastung der Länderhaushalte zugunsten des Schulbereichs?
Herr Pfeifer, die Bundesregierung war nicht so töricht, zu behaupten, daß sie mit der Bildungsanleihe und etwa gar mit der ersten Tranche all diese Ziele, die Sie aufgezählt haben, erreichen wolle. Die Bildungsanleihe hat bisher, weil auch die erste Tranche noch nicht ausgegeben werden konnte, zu keinem dieser Ziele beigetragen. Das bedeutet aber nicht, daß diese Ziele nicht auf anderem Wege erreicht werden konnten und erreicht worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Bundesminister, muß daraus, daß Sie vorhin die Aufnahme dieser Anleihe in Höhe von 260 Millionen DM, die Zinsbelastung von etwa 20 Millionen DM und das Fehlen einer Verzinsung bei der Bundesbank als eine vernünftige Maßnahme bezeichnet haben, geschlossen werden, daß sich die Bundesregierung über die konjunkturelle Situation im letzten halben Jahr und im letzten Jahr nicht im klaren gewesen ist?
Nein, das muß daraus nicht geschlossen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seiters.
Herr Bundesminister, unterstellt, daß die Anleihe Anfang 1972 für Bildungsinvestitionen freigegeben wird: Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß man im Januar 1972 angesichts einer Baupreissteigerung von mindestens 15 °/o mit diesen 260 Millionen DM genausoviel wird bauen können wie im Januar 1971 mit etwa 220 Millionen DM, und ist sie bereit, einzuräumen, daß somit 39 Millionen DM Baupreissteigerung und 22,1 Millionen DM Zinsen, insgesamt rund 60 Millionen geopfert werden, nur um 260 Millionen DM auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgenommene Mittel nicht ausgeben zu müssen?
({0})
Ich glaube nicht, daß es richtig ist, diese Einzelheit aus der gesamten konjunkturellen Betrachtung, die Sie in etwa angedeutet haben, herauszunehmen und die Schlußfolgerungen zu ziehen, die Sie gerade gezogen haben. Dann muß man das Gesamtthema Konjunkturanleihen usw. zur Debatte stellen.
Herr Dr. Gölter, zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, bedeutet Ihre Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Pfeifer, daß der Kabinettsbeschluß vom 6. Mai 1970 nicht mehr gültig ist, den der Pressedienst Ihres Hauses wiedergegeben hat? Ich darf ihn danach zitieren:
Die durch eine solche Anleihe aufgebrachten Mittel sollen zunächst bis 1971 stillgelegt werden und im Einzelplan des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft im Jahre 1971 zusätzlich zu den ordentlichen Haushaltsmitteln vorwiegend zur Steigerung bei den Investitionen im Hochschulbereich sowie zur verstärkten Förderung der Forschung auch in den Hochschulen zur Verfügung gestellt werden.
Dr.-Ing. Leussink, Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Das Jahr 1971 ist noch nicht zu Ende, Herr Abgeordneter.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Evers.
Herr Minister, halten Sie trotz der entstandenen Zinsaufwendungen und trotz der entstandenen Kaufkraftverluste es auch aus heutiger Sicht für sachlich gerechtfertigt, diese Anleihe als Bildungsanleihe spezifisch für einen bestimmten Zweck zu kennzeichnen, im Gegensatz zu anderen Anleihen, die von der Bundesregierung aufgenommen werden?
Ich halte das nach wie vor für gerechtfertigt, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Köster auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Einrichtung niederländischer Sprachschulen im deutschen Grenzgebiet zu den Niederlanden zu unterstützen?
Herr Abgeordneter, um Ihnen meine persönliche Meinung von vornherein klarzumachen, könnte ich Ihre Anfrage auch in der niederländischen Sprache beantworten. Aber ich glaube, das würde Schwierigkeiten für die Stenographen mit sich bringen.
Auch für das Haus!
Ganz abgesehen davon ist das in diesem Hohen Hause keine zugelassene Sprache.
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Nach der Revision des Hamburger Abkommens kann jede lebende Fremdsprache bekanntlich als erste Fremdsprache im Gymnasium angeboten werden. Dies erlaubt es, in Grenzgebieten auch die Sprache des Nachbarlandes als erste Fremdsprache anzubieten. Diese Möglichkeit wird noch erweitert, wenn in einem differenzierten System der Sekundarstufe mehr Angebote als bisher geschaffen werden können. Es ist bekannt, daß die Bundesregierung die Entwicklung eines solchen differenzierten und differenzierenden Systems in der Sekundarstufe unterstützt.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr!
Herr Bundesminister, ich habe nicht so sehr an die weiterführenden Schulen als an die Volks- und Realschulen gedacht. Ihre Antwort bezieht sich nur auf die höheren Schulen, insbesondere auf die Oberstufe. Ist die Bundesregierung bereit, zuzugestehen, daß das Hauptanliegen die Volksschulen und Realschulen betrifft und weniger die höheren Schulen?
Das wirft eine Menge Fragen auf hinsichtlich des Fremdsprachenunterrichts im Primarbereich. Das ist selbstverständlich. Das beinhaltet aber meine Antwort auf die zweite Frage, die Sie gestellt haben, Herr Abgeordneter. Das ist nämlich eine Antwort zum Verfahren.
Ich rufe also noch die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Köster auf:
Ist sie bereit, die Kultusministerien der Länder NordrheinWestfalen und Niedersachsen zu bitten, den Unterricht in der niederländischen Sprache als Angebot in die Schulpläne aufzunehmen?
Die Bundesregierung wird sich zunächst dafür einsetzen, daß diese Angelegenheit, die Sie soeben in Ihrer Zwischenfrage angesprochen hatten, in der deutsch-niederländischen Kulturkommission behandelt wird. Dafür wird sie sich einsetzen.
Ich komme zu der Frage 88 des Herrn Abgeordneten Pfeifer:
Hält die Bundesregierung noch an der in den Informationsschriften des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft geäußerten Zielvorstellungen fest, nach der künftig für einen Anteil von 30 % der Studierenden ein Platz in einem Studentenwohnheim bereitstehen soll?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Herr Abgeordneter Pfeifer, die Bundesregierung entwickelt ihre Zielvorstellungen für den Studentenwohnraumbau zusammen mit den Regierungen der Länder in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und darüber hinaus demnächst auch im Planungsausschuß nach dem Hochschulbauförderungsgesetz. Diese Gremien bieten die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Abstimmung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse in den übrigen Aufgabenbereichen des Bildungswesens. In diesem Rahmen sollen nach den derzeitigen Vorstellungen der Bildungskommission Wohnplätze geschaffen werden für - jetzt nenne ich einige Zahlen - 10 bis 15 % der Studierenden im Jahre 1975, 15 bis 20 % der Studierenden im Jahre 1980 und 20 bis 25 % der Studierenden im Jahre 1985.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeifer.
Herr Minister, in einer Informationsschrift Ihres Ministeriums, die sich wohl vornehmlich an Studenten richtet, ist folgender Text enthalten: Bisher können nur rund 12 "/o der Studenten in Studentenwohnheimen unterkommen; demnächst sollen es rund 30 % der Studenten sein. Ich möchte Sie fragen: Was verstehen Sie unter „demnächst"?
Das, was ich gerade durch Zahlen erläutert habe, und zwar in gemeinsamer Arbeit mit den Ländern.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem der Anteil der Studenten, die in einem Studentenwohnheim unterkommen können, gegenwärtig etwa 12 % beträgt und in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Kollegen der CDU/CSU vom 30. Dezember 1970 die Auskunft gegeben wurde, daß bei künftig 600 000 Studenten 71 800 Wohnheimplätze geschaffen werden sollen, der prozentuale Anteil also zurückgeht, möchte ich fragen:
Glauben Sie nicht, daß die grundsätzliche Einstellung der Bundesregierung zum Bereich des Studentenwohnheimbaus dringend einer Revision bedarf?
Ich glaube, daß die Zahlen, die ich soeben bekanntgegeben habe, zeigen, daß das, soweit es notwendig erschien, bereits erfolgt ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gölter.
Herr Bundesminister, da die Bundesregierung am 30. Dezember 1970 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt hat, sie beabsichtige, den Studentenwohnraumbau in die gemeinsame Planung des Hochschulausbaus von Bund und Ländern einzubeziehen, habe ich die Frage, aus welchen Gründen die Bundesregierung dann einen entsprechenden Antrag aller Bundesländer im Planungsausschuß nach dem Hochschulbauförderungsgesetz abgelehnt hat.
Daraus, daß die Bundesregierung den Studentenwohnheimbau in die gemeinsame Planung einbeziehen will, folgt nicht logisch notwendig, daß dieser Wohnheimbau ein Bestandteil der Gemeinschaftsaufgabe sein muß. Einer der Gründe, die dagegen sprechen, ist die Tatsache, daß dann Privatinitiativen sicher nicht mehr möglich wären. Wir sind jedenfalls dafür, daß man nach wie vor auch Privatinitiativen hier mit ins Spiel bringt.
Herr Abgeordneter Baier zur nächsten Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da die optimistischen Prognosen über den Studentenwohnheimbau sehr leicht falsche Hoffnungen wecken können, falls sie nicht erfüllt werden, darf ich Sie fragen, wie viele förderungsfähige Anträge zum Bau von Studentenwohnheimen im Haushaltsjahr 1971 von der Bundesregierung mangels Geld nicht berücksichtigt werden konnten.
Die Frage, Herr Abgeordneter, kann ich schon deswegen nicht beantworten, weil, wie Sie wissen, die Ressortzuständigkeit meines Ministeriums erst ab 1. Januar 1972 gegeben ist. Ich bin also nicht in der Lage, die Antwort zu geben.
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Sehr gern, Herr Abgeordneter.
Sie können, Herr Abgeordneter, jetzt keine Zusatzfrage mehr stellen. Aber Herr Abgeordneter Vogt hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem aus Ihrer Antwort auf die erste Zusatzfrage des Kollegen
Pfeifer hervorgegangen ist, daß das Wort „demnächst" sich auf das Jahr 1985 bezieht, halten Sie es dann nicht für sinnvoll, in einer neuen Schrift, die den Studenten zur Verfügung gestellt wird, diesen Begriff „demnächst" zu interpretieren?
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Wir versuchen immer, so genau wie möglich zu sein. Nachdem jetzt eine gemeinsame Planung von Bund und Ländern auf diesem Gebiete vorliegt, werden wir in die nächste Ausgabe selbstverständlich die Ergebnisse dieser gemeinsamen Planung hineinschreiben.
Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Warum sieht der erste Rahmenplan nach dem Hochschulbauforderungsgesetz als Ausbauschwerpunkt nicht auch den Bereich der Medizin vor?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
So ganz, Herr Abgeordneter, verstehe ich Ihre Frage nicht. Der Bereich der allgemeinen Medizin ist, finanziell gesehen, der größte Ausbauschwerpunkt des ersten Rahmenplanes, der kürzlich verabschiedet wurde. Klinikersatzbauten und die Erweiterung der Ausbildungskapazität beanspruchen allein etwa ein Drittel der gesamten von Bund und Ländern für den Planungszeitraum 1972 his 1975 vorgesehenen Mittel für den gesamten Hochschulbau. Daß trotzdem die Zahl der Studienplätze der allgemeinen Medizin bis 1975 nur um 13,6 % erhöht werden soll, liegt unter anderem, aber vorwiegend daran, daß nach den vorliegenden Plänen der Länder die Mittel überwiegend in den Klinikersatzbau fließen sollen, der keine zusätzlichen Studienplätze oder nur wenige zusätzliche Studienplätze erbringt. Gegenwärtig sind Bund, Länder und Wissenschaftsrat bemüht, festzustellen, ob durch Nutzung von Lehrkrankenhäusern und durch gezielte Erweiterungsmaßnahmen die Ausbildungskapazität bei gleichem Investitionsvolumen stärker erhöht werden kann, als es nach den vorliegenden Plänen der Fall sein würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.
Ich kann verstehen, Herr Minister, daß Sie meine Frage nicht verstehen wollten, um Gelegenheit zu finden, die in der Tat erheblichen Mittel zu kennzeichnen, die in den Klinikbau geflossen sind. Es ist aber eine Tatsache, daß die Zahl der Studienanfänger in der Medizin von 1960 oder 1962 bis heute von etwa 6000 um die Hälfte auf etwas mehr als 3000 zurückgegangen ist. Das hängt natürlich nicht nur mit dem Klinikbau, sondern mit allen möglichen anderen Vorkehrungen zusammen. Deswegen meine ich, daß diese Frage doch wohl berechtigt ist.
Darf ich eine kleine Korrektur
anbringen. Die Zahl der Studienanfänger in der allgemeinen Medizin - ich hätte das bei der Beantwortung der nächsten Frage ohnehin gesagt, Herr Abgeordneter - liegt heute nach Feststellung der zentralen Registrierstelle für Studienbewerber mit mehr als 5500 bereits über der Zahl, die der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten vom März 1968 für mindestens erforderlich gehalten hatte; das waren nämlich 4550. Die Zahl, die Sie genannt haben - dreitausendsoundsoviel , ist eine Zahl, die inzwischen tatsächlich einmal registriert werden mußte. Die Hauptursache dafür besteht darin, daß 1960 in den - selbstverständlich völlig unzureichenden - Kliniken und sonstigen Hochschulräumen einfach zu viele Personen untergebracht wurden und darunter sicher nicht nur das Ergebnis des Studiums, sondern auch die Forschung gelitten haben. Das war, wenn Sie so wollen, ein Anpassungsvorgang zum Aufwerten der Qualität des Studiums und der Forschung.
Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Hält die Bundesregierung die derzeitige Zahl von Studienanfängern in der Medizin für ausreichend?
Wir haben jetzt rund 5500 Studienanfänger, also etwa 1000 mehr, als der Wissenschaftsrat 1968 empfohlen hatte. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf auch im Gesundheitsbericht der Bundesregierung hingewiesen wird, daß sich in der Medizin ständig neue Aufgaben stellen. Ich erinnere nur an die Gesundheitsvorsorge mit ärztlicher Vorsorgeberatung, Gesundheitshilfe für Mutter und Kind, Beseitigung von Haltungsschäden, Schulgesundheitspflege, Jugendarbeitsschutz, Früherkennung chronischer Krankheiten, Arbeits- und Verkehrsmedizin. Hinzu kommt das große Gebiet des Gesundheitsschutzes mit den neuen Aufgaben des Umweltschutzes, der Suchtgefahren sowie die vielfältigen Hilfen für alte und behinderte Menschen. Genauere Bedarfsuntersuchungen für diese neuen Aufgaben liegen allerdings noch nicht vor. Sicher werden sie aber zu einer Erhöhung des Ärztebedarfs gegenüber früheren Annahmen, also auch gegenüber der Annahme des Wissenschaftsrats von 1968, führen. Die höhere Zahl von Studienanfängern wird dieser Entwicklung mindestens tendenziell gerecht.
Der Rahmenplan für den Hochschulbau sieht für das Jahr 1975 36 000 Studienplätze für allgemeine Medizin vor. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von sechs Jahren bedeutet dies eine Studienanfängerzahl von 6000.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.
Darf ich, Herr Minister, bei diesen Zahlen, die in der Öffentlichkeit auf Grund meist nachhinkender Statistiken das gebe ich gern zu - nicht einheitlich interpretiert werden, davon ausgehen, daß die Zahl von einem
Mehr von 13,6 % sich auf den Stand von heute bezieht, nämlich auf die 5500?
Die Zahl 5500 ist der derzeit von der Registrierstelle zu erhaltenden Auskunft zu entnehmen.
Dazu sind 13,6 % geplant? Darf ich fragen, bis wann?
Ich weiß nicht, woher Sie die 13,6 % genommen haben.
Sie selbst sagten vorhin, daß 13,6 % mehr eingeplant seien.
Das muß ein Hörfehler gewesen sein.
Ich habe dann gesagt, daß für das Jahr 1975 auf Grund des Rahmenplans 36 000 Studienplätze für allgemeine Medizin vorgesehen sind. Wenn man dann eine einfache Rechnung macht und von sechs Jahren Verweildauer ausgeht, kommt man auf eine Studienanfängerzahl von 6000.
Ich rufe die Fragen 91 und 92 des Abgeordneten Esters auf:
Sind der Bundesregierung die von regionalen Förderervereinen entwickelten Vorstellungen bekannt, und wie beurteilt sie diese, wonach als Standorte für Hochschulen grenzüberschreitende Lösungen vorgeschlagen werden?
Ist die Bundesregierung bereit, mit der Regierung der Niederlande und mit dem Land Nordrhein-Westfalen zu prüfen, ob es konkrete Ansatzpunkte für die Verwirklichung grenzüberschreitender Lösungen im Hochschulbereich am Niederrhein gibt?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Der Bundesregierung sind der vom Förderkreis für die Errichtung einer Hochschule am unteren Niederrhein vorgelegte Vorschlag sowie die Vorstellungen des Stadtdirektors der Stadt Kleve zur Errichtung einer Fachhochschule in Kleve bekannt. In diesen Vorschlägen wird eine Zusammenarbeit mit den Universitäten Nymwegen, Maastricht und Enschede oder mit einer dieser Hochschulen vorgesehen. Weitere Vorschläge dieser Art sollen für den Bereich von Flensburg/Dänemark und Freilassing/Salzburg gemacht worden sein. Hier kennt die Bundesregierung bisher allerdings noch keine Einzelheiten.
Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann nach Ansicht der Bundesregierung dann sinnvoll sein, wenn mit dieser Zusammenarbeit eine Anpassung der Studiengänge, eine Arbeitsteilung und eine gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse verbunden sind. Die Errichtung neuer Hochschulen ist jedoch, wie jedermann weiß, auch wenn sie grenzüberschreitende Lösungen enthalten sollten, zunächst Aufgabe der Länder. Der Bund beteiligt sich an Hochschulneugründungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91 a GG. Er kann hier
erst mitwirken, wenn in dem betreffenden Land eine Entscheidung über die Errichtung einer Hochschule getroffen worden ist. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Auffassung die betroffenen Länderregierungen in bezug auf die soeben genannten grenzüberschreitenden Hochschulen zu den obigen Vorschlägen vertreten werden. Sie sieht deshalb derzeit keine Möglichkeit, auf diese Vorschläge einzugehen oder zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, nämlich ob konkrete Ansatzpunkte für die Verwirklichung gegeben sind.
Auf diese Sachverhalte wurde der Förderkreis für die Errichtung der Hochschule am unteren Niederrhein durch Schreiben vom 12. November 1970 hingewiesen.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, zuerst zur Frage 12 des Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) :
Sieht es die Bundesregierung im Anschluß an ihre Antwort vorn 7. Juli 1971 auf die Frage 41 ({1}) als zulässig an, wenn ein Aktionär die Verweigerung der Entlastung des Vorstands oder Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft beantragt, weil im Geschäftsjahr Geschäfte getätigt worden sind, die nach Auffassung dieses Aktionärs aus politischen Gründen nicht hätten vorgenommen werden sollen?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich des Sachzusammenhangs wegen beide Fragen gemeinsam beantworte?
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Arndt ({0}) auf:
Hält es die Bundesregierung für zulässig, einen Aktionär unter Berufung auf das Hausrecht des Leiters der Hauptversammlung daran zu hindern, auch eine politische Begründung für seinen Antrag auf Verweigerung der Entlastung vorzutragen, wenn dies in äußerlich gehöriger Form geschieht?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Kollege Arndt, der Bundesregierung ist bekannt, daß in diesem Jahr auf den Hauptversammlungen einiger Aktiengesellschaften Aktionäre die Beteiligung dieser Gesellschaften an einem bestimmten Projekt kritisiert und ihre Ablehnung mit politischen Überlegungen begründet haben. Die Bundesregierung hat auf die Frage des Abgeordneten Meister, die sich offenbar auf diesen Sachverhalt bezog, erklärt, daß sie gesetzgeberische Maßnahmen im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Erwägung zieht, weil das geltende Recht dem Leiter der Hauptversammlung ausreichende Möglichkeiten gibt, um einen Mißbrauch dei Hauptversammlung zu sachfremden Zwecken zu verhindern.
Ihre Fragen, Herr Abgeordneter, zielen nunmehr auf eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Rechtslage in diesen Fällen ab. Da es zu Meinungsverschiedenheiten über die Rechtslage in ganz bestimmten Fällen gekommen ist, könnte eine Stellungnahme der Bundesregierung als eine Meinungsäußerung zu eben diesen konkreten Fällen mißdeutet werden. Die Entscheidung von Streitsachen im Einzelfall ist aber, wie Sie wohl wissen, Aufgabe der Gerichte, die an die Rechtsauffassung der Bundesregierung nicht gebunden sind. Sie werden Verständnis dafür haben, Herr Kollege, daß ich unter diesen Umständen ausdrücklich betonen möchte, daß meine Antwort einer etwaigen Entscheidung der Gerichte nicht vorgreifen soll, aber auch nicht vorgreifen kann. Mit diesem Vorbehalt beantworte ich Ihre Frage wie folgt.
Die Frage 1 beantworte ich mit Ja, weil der Antrag eines Aktionärs, den Mitgliedern des Vorstandes oder des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern, keiner Begründung bedarf und der Antrag als solcher deshalb nicht unzulässig sein kann, aus welchen Gründen auch immer der Aktionär den Antrag gestellt haben mag.
Die Frage 2 beantworte ich dagegen mit Nein. Nach Auffassung der Bundesregierung kann jeder Aktionär zur Begründung seines Antrags auf Verweigerung der Entlastung von Vorstand oder Aufsichtsrat in der Hauptversammlung vortragen, daß die Vornahme bestimmter Geschäfte die Interessen der Gesellschaft verletzt habe. Hierbei kann er die seiner Überzeugung nach für eine Interessenverletzung sprechenden Gründe anführen. Dies können auch politische Gründe sein. Der Aktionär muß sich bei der Ausübung seiner Rechte in der Hauptversammlung so verhalten, daß die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung gewährleistet ist und die Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung nicht die Notwendigkeit, die Stellung des Aktionärs in der Hauptversammlung durch gesetzgeberische Maßnahmen im Hinblick auf die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs zu stärken, nach der das Rederecht allein in das Ermessen des Leiters der Hauptversammlung gestellt ist?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Ich glaube nicht, Herr Kollege Arndt, daß es unbedingt erforderlich ist, weil sich jeder Aktionär des Rechtsweges bedienen kann, wenn er entgegen der Satzung oder dem Gesetz, und zwar auch im Hinblick auf die Ermessensentscheidung des Leiters der Hauptversammlung, in seinen Rechten beeinträchtigt wird.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, halten Sie diese Meinung auch dann aufrecht, wenn ich Ihnen sage, daß der Zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sogar die Frage der Dauer der Redezeit und die Beschränkung des Themas als etwas bezeichnet hat, worüber allein der Leiter der Hauptversammlung zu entscheiden habe?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Sicher, Herr Kollege!
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß es ein merkwürdiger politischer Gegensatz ist, wenn die gleichen politischen Kreise, die die Notwendigkeit der Freiheit von Anteilseignern gegen Mitbestimmung und Ausweitung des Betriebsverfassungsgesetzes immer betonen, gleichzeitig aber, und zwar unter Mißbrauch des Hausrechts, gegen eben diese Anteilseigner wenden und sie aus der Hauptversammlung verweisen, wenn sie die Verweigerung der Entlastung aus bestimmten politischen, der Verwaltung aber mißliebigen Gründen beantragen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Arndt, diese Meinung teile ich in vollem Umfang.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Evers.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Ansicht, daß es grundsätzlich ein Bestreben der Bundesregierung sein sollte, die Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung zu vergrößern, und nicht ein Ziel sein muß, sie zu beschränken?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Ganz selbstverständlich, Herr Kollege.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Pinger auf:
Hat die Bundesregierung eine Übersicht über die Härten, die bei einer fahrlässigen Eigentums- oder Gesundheitsverletzung infolge des Fehlens einer allgemeinen Haftpflichtversicherung für den Geschädigten oder den Schädiger eintreten können?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich auch in diesem Fall beide Fragen zusammen beantworte?
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 15 des Abgeordneten Dr. Pinger auf:
Hält die Bundesregierung es für erforderlich, die auftretenden Härten durch die Einführung einer allgemeinen Haftpflicht zu beseitigen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Pinger, eine bestehende Haftpflichtversicherung hilft nur dann, Härten durch Eigentums- oder Gesundheitsverletzungen zu beseitigen, wenn die Härte auf der Vermögenslosigkeit des Haftpflichtigen beruht. In den zahlreichen Fällen, in denen der Geschädigte deswegen ohne Entschädigung bleibt, weil er ein Verschulden des Schädigers nicht nachweisen kann, bringt eine Haftpflichtversicherung keinen Vorteil. Angaben über das zahlenmäßige Verhältnis dieser Fallgruppen zueinander liegen der Bundesregierung nicht vor.
Die Bundesregierung begrüßt es aber sehr, wenn durch den freiwilligen Abschluß allgemeiner Haftpflichtversicherungen Vorsorge dafür getroffen wird, daß im Schadensfalle der Anspruchsberechtigte seine Ersatzansprüche durchsetzen kann und der Haftpflichtige nicht mit drückenden, u. U. existenzvernichtenden Ersatzpflichten belastet wird.
Die Einführung eines gesetzlichen Zwanges jedoch für jedermann zum Abschluß einer allgemeinen Haftpflichtversicherung hält die Bundesregierung nicht für geboten. Ein derartiger Eingriff in das Recht auf eigenverantwortliche Vorsorge und die hiermit verbundenen finanziellen Belastungen für sozial schwache Bevölkerungskreise sind nur für besonders gefahrbringende Bereiche, wie z. B. für den des Kraftfahrzeugverkehrs, zu rechtfertigen.
Wegen des Fehlens von Kontrollmöglichkeiten wäre im übrigen nicht damit zu rechnen, daß eine allgemeine Versicherungspflicht wirklich effektiv kontrolliert werden könnte und auch eingehalten würde.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Pinger.
Da die Bundesregierung, wie Sie sagen, keine Ubersicht über diejenigen Härtefälle hat, die durch das Fehlen einer Haftpflichtversicherung eintreten können, frage ich: Wäre die Bundesregierung bereit, sich in Zukunft eine Ubersicht zu verschaffen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Pinger, es ist einfach aus technischen Gründen sehr schwer für die Bundesregierung, eine statistische Unterlage zu erarbeiten, weil sie mit einem ungeheuer großen Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die verschiedenen Fallgruppen belastet wäre. Aber ich bin gerne bereit, diesen Fragenkomplex noch einmal zu prüfen. Nur glaube ich, daß das sehr schwierig sein wird.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 15. Oktober 1971, 9.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.