Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner letzten Sitzung mit dem Gesetzentwurf befaßt, den wir in der Sondersitzung des Bundestages am 19. Juli beraten haben und gegen den der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen hatte. Das Vermittlungsbegehren des Bundesrates ist in wesentlichen Punkten nicht aufgenommen worden. Insbesondere ist der Wunsch des Bundesrates nach einer Regionalisierung des Geltungsbereichs des Art. 3 mit dem besonderen Mieterschutz vom Vermittlungsausschuß nicht aufgenommen worden. Entsprechend hat man auch darauf verzichtet, eine unbegrenzte Dauer des Gesetzes vorzusehen. Es bleibt bei der vom Bundestag beschlossenen Befristung. Das war der entscheidende Punkt.
Der zweite Punkt war die Zweckentfremdung von Wohnraum. Das steht in der Drucksache unter Nr. 4 Art. 6 a. Auch dieser Punkt war umstritten, und auch hier ist es im wesentlichen bei der vom Bundestag beschlossenen Fassung geblieben. In den übrigen Nebenpunkten konnte sich der Bundesrat mit seiner Auffassung zum Teil durchsetzen.
Namens des Vermittlungsausschusses muß ich Sie bitten, dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Präsident von Hassel: Sie haben den Vortrag des Berichterstatters gehört. - Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/ CSU-Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Bereits am 23. Oktober 1969 wartete die CDU/CSU mit zwei Gruppenanträgen - angeführt von den Münchener Abgeordneten Geisenhofer und Dr. Riedl und von dem Hamburger Abgeordneten Orgaß - betreffend mietrechtliche Vorschriften auf, die vor allem in den Hauptballungsräumen der Bundesrepublik unerträgliche Zustände auf dem Wohnungsmarkt mit beseitigen sollten. Die Anträge kamen über eine erste Lesung im zuständigen Ausschuß nicht hinaus, weil die Bundesregierung einen eigenen Gesetzentwurf ankündigte. Dieser Entwurf der Bundesregierung unter dem Titel „Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und der Begrenzung des Mietanstiegs" wurde dem Deutschen Bundestag am 4. Dezember 1970 zugeleitet, also mehr als ein Jahr nach dem Vorschlag der CDU/CSU.
({0})
Meine Fraktion machte sofort Bedenken dahin geltend, daß es sich bei der Vorlage der Bundesregierung um keinen einheitlichen Gesetzentwurf, sondern um ein Konglomerat von verschiedensten Gesetzen und Gesetzesänderungen handelte, die man höchstens dergestalt in losen Zusammenhang bringen kann, daß sie gleichermaßen etwas Bestimmtes erreichen wollten. So haben wir den grotesken Tatbestand - übrigens war das auch in den Ausschußberatungen der Fall , daß über alle Artikel des Gesetzes Einvernehmen zwischen den Fraktionen hergestellt werden konnte, der Art. 2 aber - jetzt Art. 3 - , der die Hauptwaffe gegen den Mietanstieg darstellen soll, in den Ausschüssen monatelang auf Eis lag, weil die Bundesregierung erklärte, daß sie mit neuen Vorschlägen kommen werde. Die Auguren sagten auch, warum: weil die Bundesregierung nicht in der Lage war, eine Definition für die von ihr in Art. 2 kreierte Kostenmiete zu geben. Übrigens wurde das in sachlicher Offenheit von den Kollegen der Koalition bestätigt.
Wir haben also den Tatbestand zu verzeichnen, daß der Gesetzentwurf in den Ausschüssen nicht weiter beraten werden konnte, weil die Bundesregierung in Verzug war. Dieser Tatbestand stimmt, auch wenn Herr Minister Jahn bei der dritten Beratung dieses Gesetzentwurfs verkündete, die Bundesregierung habe keinen Absatz des Entwurfs zurückgezogen. Das ist zwar formal richtig, aber sachlich falsch, denn im Ausschuß waren es die Vertreter der Bundesregierung, die darum baten, die Beratung des Art. 2 zurückzustellen.
Schließlich war es die Koalition, die einen neuen Art. 2 einbrachte - in letzter Minute vor der Sommerpause einbrachte -, der die Kostenmiete im Orkus verschwinden ließ. Nun wurde die Vergleichsmiete als das wahre Glück der Mieter angepriesen,
({1})
und zwar eine Vergleichsmiete nicht etwa für Gebiete besonderen Wohnungsbedarfs, sondern für
das gesamte Bundesgebiet und für den gesamten
Wohnungsbestand. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier liegt der Punkt, der feste Punkt, von dem aus so sicher, wie zweimal zwei vier ist, das gesamte Mietgefüge in der Bundesrepublik wieder in Bewegung gebracht und, wie es bei einer Vergleichsmiete nicht anders sein kann, nicht nach unten, sondern nach oben in Bewegung gebracht wird.
({2})
Das heißt, daß in allen Gebieten, wo wir heute Ruhe an der Mietenfront haben, also auch in den Wohnbereichen, in denen wir über einen angemessenen Wohnungsbestand verfügen, Vergleiche gezogen werden, und nach den Möglichkeiten dieses Gesetzes können sich Vergleiche nur nach oben hin auswirken.
Ich gebe Ihnen zu, daß Sie mit diesem Gesetz vielleicht in den Ballungsgebieten eklatanten Mietwucher verhindern können. Der kann aber auch jetzt schon verhindert werden. Gerade in diesen Gebieten werden Sie mit diesem Gesetz einen weiteren Anstieg der Mieten bis zu einem Punkt erleben, wo es gerade noch kein Mietwucher ist. Dies wird um so mehr der Fall sein, als keinerlei gesicherte Vergleichsmöglichkeiten bestehen, weder amtliche noch halbamtliche noch private. Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Amtsrichter mit den Aufgaben einer Preisüberwachungsstelle zu betrauen oder ihn feststellen zu lassen, was die Vergleichsmiete ist, hieße zumindest, die Dauer der Mietauseinandersetzungen über Jahre hinauszuziehen; denn nach Ihrem Gesetz wären solche Maßstäbe nur durch mehrere Lokaltermine, d. h. durch Besichtigung von gleichwertigen Wohnungen, zu gewinnen.
Von diesem Tatbestand her können wir nicht von einem Gesetz zur Begrenzung des Mitanstiegs, sondern müssen wir aus sachlichen und der Wahrheit entsprechenden Gründen von einem Gesetz zur Förderung des Mietanstiegs sprechen.
Ich darf für meine Fraktion, wie ich schon betonte, erklären, daß wir bedauern, wegen dieses Punktes das gesamte Gesetz ablehnen zu müssen. Die Geschäftsordnung des Hauses läßt uns keine andere Möglichkeit. Wir haben sowohl in den Ausschüssen als auch abschließend noch im Plenum alle Möglichkeiten erschöpft, zu einvernehmlichen Regelungen zu kommen. Unsere Versuche blieben leider ohne Ergebnis. Statt dessen wurde dieses Gesetz in den Parlamentsferien über die Runden gehetzt. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Sie mit der Materie befaßt waren, wissen, daß wir in der Beurteilung dieses Gesetzes und seines Art. 3 recht haben.
Ich darf für meine Fraktion ankündigen, daß wir mit neuen Initiativen in den angezogenen Fragen aufwarten, mit Initiativen, die vor allem sicherstellen, daß die Partnerschaft zwischen Mieter und Vermieter nicht durch unverantwortliche Elemente von der einen oder der anderen Seite gestört werden kann. Wir werden insbesondere mit Initiativen dahin gehend aufwarten, daß an den wunden Punkten des besonderen Wohnungsbedarfs geeigMick
nete Maßnahmen getroffen werden, die die Mißstände mildern. Ich habe allerdings aus unseren jahrzehntelangen Erfahrungen im Kampf um die soziale Marktwirtschaft erfahren, daß letztlich alle Künste, Mangel gerecht zu verteilen, nicht verfangen. Diese Künste beherrscht niemand, auch wir nicht. Was wir aber tun wollen und mit aller Energie tun werden, ist, diese Bundesregierung auf Trab zu bringen,
({3})
damit wieder die Wohnungsbauleistungen erzielt werden, die frühere, von der CDU/CSU geführte Regierungen unter Beweis gestellt haben.
({4})
Präsident von Hassel: Das Wort hat Frau Kollegin Meermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Erklärung gemäß § 91 unserer Geschäftsordnung nicht in eine Rede umfunktionieren. Jedoch bitte ich Sie, Herr Präsident, mir einen Satz zum Sprecher der Opposition zu erlauben. Das, was Sie hier gesagt haben, war keine Erklärung zum Antrag des Vermittlungsausschusses. Es war eine Entschuldigung für Ihr heutiges Nein und für Ihr Ausweichen in eine Verzögerungstaktik.
({0})
Diese Rede, Herr Kollege Mick, wird Sie nicht davor bewahren, sich in der Öffentlichkeit mit dem Vorwurf auseinandersetzen zu müssen,
({1})
daß Sie die Verbesserung der Situation der Mieter im Grunde nicht wollen.
({2})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den Antrag des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen. Der Vermittlungsausschuß hat sich sechs der acht im Bundesrat gestellten Anträge zu eigen gemacht. Sie stellen eine wertvolle Ergänzung der in diesem Hause am 19. Juli dieses Jahres gefaßten Beschlüsse dar.
({3})
Dies gilt insbesondere für das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum und für die Unterbindung der Möglichkeit, durch Abschluß von befristeten Mietverträgen das Gesetz zu umgehen.
Mit den vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Ergänzungen macht das Gesetz ernst mit dem Gedanken, daß die Wohnung ein Gut ist, das durch kein anderes ersetzt werden kann und das deshalb des besonderen Schutzes der Gemeinschaft bedarf. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der noch kein ausreichendes Wohnungsangebot besteht. Für diese Zeit sieht das Gesetz eine wohlabgewogene Lösung vor, die sowohl den berechtigten Interessen des Mieters, als auch des Vermieters entspricht. Der Mieter erhält einen verstärkten Kündigungsschutz als Äquivalent zur stärkeren Marktposition des Vermieters. Er wird vor überhöhten Forderungen geschützt, während andererseits dem Vermieter in der Vergleichsmiete ein angemessener Ertrag der Vermietung gesichert ist. Damit ist sichergestellt, daß die so notwendige Privatinitiative im Wohnungsbau erhalten bleibt.
Der Bundesrat hat zu diesem Kernstück des Gesetzes vorgeschlagen, daß sich sein räumlicher Geltungsbereich lediglich auf Gebiete besonderen Wohnungsbedarfs erstrecken solle, die durch Verordnungen der Landesregierungen festzulegen sind. Die SPD-Bundestagsfraktion ist dem Vermittlungsausschuß dankbar dafür, daß er diesen Antrag nicht in seinen Vorschlag aufgenommen und sich somit dagegen ausgesprochen hat, daß sich im Bundesgebiet ein unterschiedliches Mietrecht herausbildet, das von Land zu Land, ja sogar innerhalb eines Landes von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ist, und das sich außerdem jährlich ändern könnte. Ein solches Recht würde Landesregierungen, Verwaltung und Rechtsprechung vor fast unlösbare Aufgaben stellen. Es würde Mieter und Vermieter in gleicher Weise verunsichern.
Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Antrag des Vermittlungsausschusses zu. Wir hoffen, daß auch der Bundesrat sich den guten Gründen für die Geltung des Gesetzes im gesamten Bundesgebiet bei zeitlicher Begrenzung zum 31. Dezember 1974 nicht verschließt, damit ein Gesetz in Kraft treten kann, auf das Millionen von Mietern schon lange warten.
({4})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten habe ich folgende Erklärung abzugeben. Die Koalition war sich darüber klar, daß Maßnahmen zu ergreifen seien, um das Mietrecht und die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Darüber hinaus waren wir der Auffassung, daß eine Versachlichung der Diskussion zu erfolgen habe. Nunmehr hat der Vermittlungsausschuß diesem Gesetzentwurf mit Mehrheit zugestimmt. Wir Freien Demokraten werden dem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({0})
Wenn Sie, Herr Mick, hier ausführen, daß die Vergleichsmiete eine Mieteskalation mit sich bringe, so ist die Gegenfrage zu stellen: Wollen Sie für den Bereich, den Sie angeschnitten haben, die Mieten ein für allemal festschreiben? Wollen Sie für künftige Ballungsräume eine Festmiete gelten lassen? Das muß hier einmal klar gefragt werden?
({1})
Wir sind der Auffassung, daß, zumal das Gesetz bis zum 31. Dezember 1974 befristet ist, das gesamte Bundesgebiet mit eingeschlossen werden sollte; denn einer Regionalregelung würden ohnehin etwa 75 bis 80 % sämtlicher Wohnungen unterliegen. Sonst hätten wir zweierlei Recht geschaffen.
({2})
- Nein! Sie können das nachlesen.
({3})
Wir sind der Auffassung, daß mit der Befristung unserem Anliegen im wesentlichen Rechnung getragen ist. Wir wollten hier einen festen Termin setzen, um das Gesetz nicht für einen größeren Zeitraum gelten zu lassen.
Allerdings bedauern wir, daß es im Vermittlungsausschuß nicht gelungen ist, die Bedenken hinsichtlich der Gebührenordnung der Architekten auszuräumen. Wir hoffen aber, daß wir in den Beratungen, die mit den Verbänden noch stattzufinden haben, hier zu einer kooperativen Lösung kommen.
Die FDP-Fraktion stimmt dem Vermittlungsvorschlag zu.
({4})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Erklärungen werden nicht abgegeben.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß unserer Geschäftsordnung über den Antrag des Vermittlungsausschusses geschlossen abgestimmt wird, nicht über einzelne Bestimmungen. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache VI/2598 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine verehrten Damen und Herren, die Sitzungsleitung ist sich nicht ganz einig; wir müssen auszählen.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Ältestenrat ausdrücklich festgelegt hat, daß wir bei strittigen Entscheidungen noch konventionell abstimmen. Ich bitte Sie also, den Saal zu verlassen.
Präsident von Hassel: Die Abstimmung hat folgendes Ergebnis. Insgesamt sind 377 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben für den Vorschlag des Vermittlungsausschusses 207 gestimmt, mit Nein 170; keine Enthaltungen. Damit ist der Vorschlag des Vermittlungsausschusses angenommen.
({5})
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses ({6}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
- Drucksache VI/2597 Ich danke der Vorsitzenden des Ausschusses für die vorgelegte Ubersicht. Darf ich fragen, ob dazu das Wort gewünscht wird? - Bitte, Herr Dr. Slotta!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der vorliegenden Sammelübersicht 25 - Drucksache VI/2597 - darf ich zwei Probleme herausgreifen, die den Petitionsausschuß wegen ihrer politisch-humanen Bedeutung beschäftigt haben und mit denen er sich des öfteren zu beschäftigen hat.
Erstens. Zu der Petition 8591 darf ich folgendes sagen: Angesichts der immer näher rückenden Vorlage des deutsch-sowjetischen Vertrages sollte auch nicht das Schicksal der in der Sowjetunion anläßlich der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und der Zeit danach vermißten Deutschen vergessen werden. Immer wieder erreichen den Petitionsausschuß Briefe von verzweifelten Eltern und Angehörigen, die nicht glauben können und wollen, daß die Vermißten nicht mehr am Leben sind und daß sie ihnen keine Nachricht zukommen lassen können. Grundsätzlich werden diese Einzelschicksale in Gesprächen und Verhandlungen zwischen den beiden nationalen Rot-Kreuz-Organisationen, denen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion, erörtert. Das sowjetische Außenministerium hat auch im Jahre 1960 der deutschen Botschaft in Moskau gegenüber erklärt, daß Nachforschungen nach in der Sowjetunion verschollenen Kriegsgefangenen angesichts der 1957 abgeschlossenen Vereinbarung zwischen dem deutschen und dem sowjetischen Roten Kreuz nicht mehr von Regierungsseite, sondern zwischen diesen Institutionen geprüft werden müssen. In weiten Bereichen bestehen auch keine Zweifel an den Berichten des sowjetischen Roten Kreuzes. Von seiten der sowjetischen Behörden werden demnach keine Nachforschungen nach Einzelschicksalen angestellt, so daß die Frage nach dem Schicksal der freiwillig in der Sowjetunion verbliebenen Kriegsgefangenen offenbleibt. Diese Kenntnis ist jedoch Voraussetzung für eine Familienzusammenführung, die auch im Rahmen der Verhandlungen über den deutsch-sowjetischen Vertrag von Bedeutung ist. In Gesprächen zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und dem sowjetischen Außenminister ist über das Problem eingehend gesprochen und Unterstützung für eine neue Aktion der Familienzusammenführung in Härtefällen bei 205 uns bekannten Familien zugesagt worden. In diesem Zusammenhang erscheint es zweckdienlich, die noch immer hoffenden Angehörigen nicht über das Schicksal der Verschollenen im unklaren zu belassen und möglichst zu erreichen, daß in Gesprächen mit der sowjetischen Regierung diese ihr möglichstes tut, um Schicksal und Verbleiben der noch in der Sowjetunion Vermißten vollständig aufzuklären.
Zweitens. Zu der Petition 6170: Die Petentin beklagt sich darüber, daß sie und ihr Mann vom Sozialamt als unterhaltspflichtige Verwandte wegen der Hilfeleistung für ihre Tochter und deren Kind in Anspruch genommen würden. Sie begehrt eine Änderung des geltenden Rechts, das vorsieht, daß Unterhaltsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegen einen Verwandten in bestimmtem Rahmen auf den Träger der Sozialhilfe übergeht. Die Bundesregierung hat dazu migeteilt, daß sie beabsichtige, die Heranziehung unterhaltspflichtiger Verwandter
Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode - 137. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29- September 1971 7997
zum Ausgleich von Sozialhilfeleistungen künftig auf das Eltern-Kind-Verhältnis zu beschränken. Außerdem werde erwogen, die Träger der Sozialhilfe in Härtefällen grundsätzlich zu verpflichten, von der Überleitung von Unterhaltsansprüchen abzusehen. Nach geltendem Recht ist dies in ihr Ermessen gestellt. Der Petitionsausschuß begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung und hat vorgeschlagen, ihr die Eingabe zur weiteren Unterstützung des Anliegens als Material zu überweisen.
Ich habe diesen Fall erwähnt, weil Eingaben zu dem Thema der Inanspruchnahme naher Verwandter nach dem Bundessozialhilfegesetz häufiger an den Petitionsausschuß herangetragen werden. Man sollte meines Erachtens prüfen, ob die einschlägigen Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes überhaupt noch in unsere Zeit passen, in der die Sicherung für die verschiedenen Lebensrisiken mehr und mehr von der Familie auf kollektive Einrichtungen übergeht. Insbesondere die Bedeutung des größeren Familienverbandes ist erheblich zurückgegangen. Vielleicht sollte man dahin kommen, nur noch den Eltern die finanzielle Sorge für ihre unmündigen Kinder zu belassen, alle anderen Unterhaltsansprüche im Bundessozialhilfegesetz aber nicht zu berücksichtigen, so etwa die betagter Eltern gegenüber ihren Kindern. Gerade letzteres führt häufig zu erheblichen Mißhelligkeiten in den Familienbeziehungen. Oft ist die Folge, daß der finanziellen Hilfe bedürftige, betagte Eltern in Not geraten, weil sie Ansprüche nach dein Bundessozialhilfegesetz nicht geltend machen, um ihren Kindern die Inanspruchnahme zu ersparen. Ausgenommen werden sollten beispielsweise auch Ansprüche von bereits erwachsenen, aber behinderten Kindern gegenüber ihren Eltern.
Meine Damen und Herren, im Namen des Petitionsausschusses darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die beiden hier angesprochenen Probleme infolge ihrer unbestrittenen Bedeutung im Sinne der dargestellten Lösung bald als geklärt gelten können.
({0})
Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren! Wird das Wort zu weiteren Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Petitionsausschuß schlägt vor, die Anträge, die in der Drucksache enthalten sind es handelt sich um Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen -, anzunehmen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evers, Vehar, Dr. Müller-Hermann, Krammig und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen
- Drucksache VI/2182 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({1})
- Drucksache VI/2599 -Berichterstatter: Abgeordneter Wrede ({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und frage ihn, ob er das Wort wünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache in zweiter Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die zweite Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich sehe keine Probleme, insgesamt abzustimmen, und zwar über die Art. 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe, bitte! -Stimmenthaltungen? - Es ist in zweiter Lesung so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache in
dritter Beratung.
Wird das Wort dazu begehrt? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung seine Zustimmung gibt, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen!
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohngeldgesetzes
- Drucksache VI/2589 Ich eröffne die Aussprache in erster Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die erste Beratung.
Es ist beantragt worden, diese Vorlage - federführend - dem Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, zur Mitberatung und gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Wer dem folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzenwurf ist einstimmig wie vorgeschlagen überwiesen.
Wir kommen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Tierschutzgesetzes
- Drucksache Vl/2559 Zur Begründung hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Minister Ertl, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erfüllt mich mit besonderer Befrie7998
digung, daß heute mit diesem Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes ein weiteres bedeutendes Reformvorhaben
({0})
dieser Regierung in der ersten Lesung von diesem Hohen Hause behandelt werden kann. - Ich freue mich über die große Zustimmung seitens der Opposition. Verbindlichen Dank!
({1})
- Ja, Kollege Haase, Bescheidenheit ist eine Zier; das gilt für die Opposition ebenso wie für die Regierung!
({2})
Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier im Sinne einer Mitverantwortung für das seiner Obhut anheimgegebene Lebewesen hat im Laufe der Zeit eine stete Fortentwicklung erfahren. Das aus dem Jahre 1933 stammende Tierschutzgesetz konnte deshalb hinsichtlich seiner Vorstellungen, seiner Zielsetzung und seiner wissenschaftlichen Grundlage den an ein zeitgemäßes Tierschutzgesetz zu stellenden Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Öffentlichkeit fordert daher mit Recht seit Jahren ein neuzeitliches, bundeseinheitliches Tierschutzgesetz.
Die in der 4. und 5. Legislaturperiode von den Fraktionen dieses Hohen Hauses eingebrachten Initiativentwürfe eines neuen Tierschutzgesetzes sind jedesmal an verfassungsrechtlichen Bedenken gescheitert, da die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes umstritten blieb. Daraufhin ersuchte das Hohe Haus am 2. Juli 1969 die Bundesregierung, sobald wie möglich den Entwurf eines neuzeitlichen Tierschutzgesetzes unter Zugrundelegung einer umfassenden Zuständigkeit für das Tierschutzwesen vorzulegen. Dieses Ersuchen an die Bundesregierung schloß zugleich den Auftrag zu einer vorhergehenden Änderung des Grundgesetzes ein, um die bisher fehlende umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sachgebiet „Tierschutz" verfassungsrechtlich zu verankern. Mit dem Neunundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes - Art. 74 Nr. 20 - wurde diese entscheidende Voraussetzung für die Vorlage eines Tierschutzgesetzes am 18. März 1971 endlich geschaffen.
Die verschiedenartigen Aufgaben des Tierschutzes in der heutigen Zeit setzen eine umfassende fachliche Konzeption für eine brauchbare Regelung dieser Materie in einem modernen Tierschutzgesetz voraus. Sie ist letztlich nur unter Berücksichtigung aller im Zusammenhang mit den modernen Produktions-, Haltungs-, Versuchs- und Verkehrsgegebenheiten stehenden Fragen im Rahmen eines allmählichen Interessenausgleichs der an den tierschutzgerechten Regelungen zu Beteiligenden zu finden.
Die mitunter recht schwierige Materie, in der sich infolge der Entwicklung der Wirtschaftsformen, der Wissenschaft und Technik häufig wirtschaftliche, wissenschaftliche sowie ethische Forderungen des
Tierschutzes gegenüberstehen, erforderte schon bei den Vorarbeiten, die im Sommer 1969 aufgenommen wurden, besondere Sorgfalt. Dennoch konnte bereits im April 1970 die erste Entwurffassung eines Tierschutzgesetzes im Beirat für Tierschutz meines Hauses, dem u. a. namhafte Vertreter des Tierschutzes angehören, zur Beratung gestellt werden.
Dank dieser intensiven Vorarbeiten hat die Bundesregierung dem Ersuchen des Hohen Hauses vom 2. Juli 1969 schon wenige Wochen nach Inkrafttreten der Grundgesetzänderung entsprechen können und den gesetzgebenden Körperschaften den Entwurf eines Tierschutzgesetzes am 28. Mai 1971 zugeleitet. Sie hat damit zugleich die in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 herausgestellte Absicht, dem Schutz der Tiere mehr Aufmerksamkeit zu schenken, in überzeugender Weise bestätigt.
Der Entwurf dieses neuen Tierschutzgesetzes hat die Grundkonzeption eines ethisch bezogenen Tierschutzes, der das Tier um seiner selbst willen schützt, nicht nur beibehalten. Dieses Gesetz dient dem Schutz des Tieres vor Schmerzen, Leiden oder Schäden. Es enthält darüber hinaus gegenüber dem bisherigen Tierschutzgesetz eine um die Schutzbedürftigkeit des Lebens des Tieres erweiterte Zielsetzung. Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, die Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der Verpflichtung zum Schutz der Tiere weniger aus den Empfindungen des Menschen zu begründen und gefühlsbetont zu sehen, als sie zunehmend durch exakte und repräsentative wissenschaftliche Feststellungen über tierartgemäße und verhaltensgerechte Normen und Erfordernisse zu ersetzen.
Mit dieser Ausrichtung der Grundvorschrift im neuen Gesetz wird den modernen Erkenntnissen der Verhaltensforschung bei Tieren in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen. Zugleich ist damit erstmalig in einem Tierschutzgesetz die rechtliche Plattform geschaffen worden, um der seelisch-immateriellen Form des Leidens eines Tieres, die sich vor allem in einer Unterdrückung dem Tier angeborener lebensnotwendiger Verhaltensweisen äußert, entgegenzutreten.
So gestattet das Gesetz neben eingehenden Regelungen über Fragen der Tierversuche, der Beförderung von Tieren, der allgemeinen Haltung von Tieren in besonderem Maße Regelungen für die zahlreichen den Tierschutz betreffenden Fragen, die sich bei der Haltung großer Nutztierbestände auf begrenztem Raum in neuzeitlichen Haltungssystemen - ich denke dabei an Massentierhaltungen - ergeben können.
Das neue Gesetz unterstützt zugleich Bestrebungen zur Schaffung einer Europäischen Tierschutzkonvention, wie sie im Europarat erkennbar und von diesem Hohen Hause sowie vom Bundesrat ausdrücklich gefordert worden sind. Supranationale tierschutzrechtliche Vorstellungen erscheinen mir insbesondere auch aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit im Bereich der tierischen Erzeugung unerläßlich.
Eingehende Vorschriften des Gesetzes regeln die gebotene Überwachung des gewerbsmäßigen Tierhandels, der Eingriffe an Tieren, der Versuche an Tieren usw. durch die zuständigen Behörden.
Straf- und Bußgeldvorschriften im neuen Gesetz sind als wirksame Ahndungsmaßnahmen entsprechend den modernen strafrechtlichen Vorstellungen gestaltet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 DM geahndet werden. Die Höhe dieser Bußgelddrohung macht deutlich, welche Bedeutung den Verstößen gegen das Tierschutzgesetz künftig beizumessen ist.
Dieser Gesetzentwurf, der zweifellos in vielen einzelnen Fragen sehr schwierige Entscheidungen erfordert, wird sicher in dem einen oder anderen Punkt eine Änderung im Rahmen der anstehenden Beratungen erfahren. Ich hoffe, daß daraus ein Gesetz hervorgeht, das in weiten Kreisen der Bevölkerung Anklang findet und dem Tier in wohlverstandener Weise den ihm gebührenden Schutz zukommen läßt.
({3})
Präsident von Hassel: Ich danke Ihnen für die Begründung.
Ich eröffne die Aussprache zur ersten Lesung, der wir alle mit großem Interesse entgegensehen. Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß die Generallinie die zentralen Punkte sind und nicht die Details. Wie jeder im Hause weiß, gibt es unendlich viele Details. Meine Bitte also, daß wir uns auf die Generallinie konzentrieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Rollmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Regierungsvorlage und sieht in ihr eine gut durchdachte und wohlformulierte Grundlage für ein neues deutsches Tierschutzgesetz. Wir wünschen und werden dazu beitragen, daß dieser Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen ebenso sorgfältig wie unverzüglich beraten, in einigen Punkten, Herr Minister Ertl, verbessert und dann bald verabschiedet wird. Wir wollen, daß das neue Tierschutzgesetz endlich in dieser Legislaturperiode Wirklichkeit wird.
Der Kampf um ein neues deutsches Tierschutzgesetz in diesem Hause dauert nun fast 10 Jahre. Am 14. Dezember 1961 brachte die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft durch die Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Bading, Margulies und Genossen mit der Drucksache IV/85 den ersten Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes in diesem Hause ein. Dieser erste Entwurf scheiterte, worauf Herr Bundesminister Ertl bereits hingewiesen hat, im 4. Bundestag an den Ländern, die dem Bund die Zuständigkeit für die Schaffung eines umfassenden neuen Tierschutzgesetzes bestritten haben.
Vor fünf Jahren, am 22. September 1966, folgte mit dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}), Bading, Mertes, Rollmann und Genossen der zweite Entwurf der Interparlamentarischen
Arbeitsgemeinschaft, Drucksache V/934, für ein
neues Tierschutzgesetz, der wiederum an den verfassungsrechtlichen Bedenken der Länder scheiterte.
Immerhin aber hat dann der Deutsche Bundestag im Sommer 1969 jene schon zitierte Entschließung gefaßt, in der die Bundesregierung ersucht wurde, so bald wie möglich den Entwurf eines Tierschutzgesetzes, und zwar unter Zugrundelegung einer umfassenden Bundeszuständigkeit für das Tierschutzwesen, vorzulegen, der die in dem Entwurf eines Tierschutzgesetzes Drucksache V/934 enthaltenen Grundgedanken übernimmt. Diese umfassende Bundeszuständigkeit für den Tierschutz haben Bundestag und Bundesrat im vergangenen Winter durch eine Ergänzung des Art. 74 Nr. 20 GG geschaffen.
Und nun legt uns die Bundesregierung mit der Drucksache VI/2559 auftragsgemäß ihren Gesetzentwurf vor. Bei diesem Gesetzentwurf, Herr Bundesminister Ertl, soll es sich angeblich wieder um ein epochales Reformvorhaben der Regierung handeln; in Wirklichkeit aber baut er auf den Entwürfen der vergangenen Legislaturperioden auf und führt die Arbeit von Kollegen fort, die zum Teil diesem Hohen Hause schon gar nicht mehr angehören und die ein Jahrzehnt hier und in der deutschen Öffentlichkeit gegen mancherlei Unverständnis und Widerstand einem neuen umfassenden und besseren deutschen Tierschutzgesetz den Boden bereitet haben. Bevor sich die Regierung in bekannter Manier in dieser Frage wieder einmal selbst beweihräuchert, sollten wir an dieser Stelle den Kollegen in diesem Hause danken, die im vergangenen Jahrzehnt für das neue deutsche Tierschutzgesetz gekämpft und es vorangebracht haben. Der Beitrag der Regierung ist demgegenüber ein vergleichsweise bescheidener.
Dank, meine Damen und Herren, möchte ich auch den Millionen von Tierfreunden in diesem Lande und den Organisationen des Tierschutzes draußen sagen, ohne deren nimmermüdes Drängen, ohne deren konstruktive Vorschläge wir bei der Schaffung eines neuen Tierschutzgesetzes nicht so weit wären, wie wir nun endlich wohl sind.
({2})
Die Regierungsvorlage stimmt zum Teil bis in den Wortlaut hinein mit unserem Entwurf aus der letzten Legislaturperiode überein, und Sie, Herr Minister Ertl, haben mir auch soeben die große Ehre angetan, aus meinen verschiedenen Reden, die ich in diesem Hause zu den Fragen des Tierschutzes gehalten habe, zu zitieren, ohne mich allerdings zu nennen.
Ich möchte mich in dieser Debatte heute auf wenige Punkte beschränken.
Erstens, Das Tierschutzgesetz von 1933, das damals ein großer Fortschritt war und Vorbild wurde für viele andere Länder, reicht heute nicht mehr aus. Lücken und Unzulänglichkeiten des Gesetzestextes haben sich herausgestellt. Die deutsche Öffentlichkeit ist in den Fragen des Tierschutzes engagierter als damals. In der Hähnchen-, in der Kälber- und in der Schweinemast sowie in der Eiererzeugung sind neue Formen der Tierhaltung entwickelt worden, an die der Gesetzgeber damals noch nicht den8000
ken konnte. Aus diesen Gründen brauchen wir ein neues Tierschutzgesetz.
Zweitens. In der Generalklausel des Tierschutzgesetzes von 1933 heißt es nur: Verboten ist es, ein Tier unnötig zu quälen oder roh zu mißhandeln. -Wir wollen durch ein neues deutsches Tierschutzgesetz das Tier nicht nur vor Tierquälerei bewahren, sondern sein Leben selbst schützen. Daher begrüßen wir die Generalklausel der Regierungsvorlage mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Dieses Gesetz dient dem Schutz des Lebens und des Wohlbefindens des Tieres. Niemand soll einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Drittens. Diese Generalklausel reicht nicht aus für die Kettenhunde, deren Schlicksal in diesem Lande oft genug den Tatbestand der Tierquälerei erfüllt. Ich denke an eine neue Ziffer in § 3 mit dem Inhalt, daß es verboten sein soll,- Hunde als Kettenhunde zu verwenden, ohne ihnen durch eine genügend lange Anbindevorrichtung dauernd ausreichende Bewegungsfreiheit zu geben und ohne ihnen täglich hinreichenden freien Auslauf zu gewähren.
Viertens. Seit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfes tobt eine erbitterte Schlacht zwischen den Tierschutzvereinen und den Hundeverbänden um die Frage des Kupierens von Ruten und Ohren bei Hunden. Unsere Meinung ist die, daß wir jedes modisch bedingte Kupieren in dem neuen Gesetz untersagen, jedes gesundheitlich gebotene Kupieren gestatten sollten. Mit der grundsätzlichen Linie, daß die vollständige oder teilweise Amputation von Körperteilen eines Wirbeltieres in dem neuen Gesetz verboten werden soll, stimmen wir überein.
Fünftens. Zur Frage der Tierversuche bin ich der Meinung, daß wir ein grundsätzliches Verbot aussprechen sollten, von dein es nur Ausnahmen geben darf, wenn Tierversuche, wie es in der Formulierung des Entwurfs heißt, zum Vorbeugen, zum Erkennen oder Heilen von Krankheiten bei Mensch oder Tier erforderlich sind, wenn Tierversuche wissenschaftlichen Zwecken dienen, nicht aber, Herr Bundesminister Ertl, wenn, wie es in § 8 Ihres Entwurfes heißt, ein sonstiges berechtigtes Interesse nachgewiesen wird. Diese Kautschukformulierung, mit deren Hilfe im Bereich der Tierversuche dann durch die Hintertür wieder alles möglich sein wird, muß aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.
Sechstens. Die Fragen der Intensivtierhaltung sind von allergrößter Bedeutung, und zwar sowohl für den Tierschutz als auch für die deutsche Wirtschaft. Diese Fragen werden uns - das kann man unschwer voraussagen bei der weiteren Beratung dieses Gesetzentwurfes noch sehr stark beschäftigen. Daß ein neues deutsches Tierschutzgesetz die Intensivtierhaltung nicht ausklammern kann, liegt auf der Hand. Wenn es gelingt, hier zu europäischen Regelungen zu kommen, wäre es, glaube ich, außerordentlich nützlich.
Meine Damen und Herren, je nachdem, von welchem Standpunkt man an die Regierungsvorlage für das Tierschutzgesetz herangeht, Wünsche und
Erwartungen sind wohl für jeden offengeblieben. Das hat Herr Bundesminister Ertl eben selbst eingeräumt. Wir treten dafür ein, daß die Ausschüsse des Deutschen Bundestages, denen dieser Gesetzentwurf zur weiteren Beratung überwiesen wird, sich in einem Hearing allen in diesem Lande stellen, die an einem neuen Tierschutzgesetz ein sachverständiges Interesse nehmen. Ein neues Tierschutzgesetz ist nur eine rechtliche Voraussetzung für die praktische Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland; dessen sollten wir uns sehr wohl bewußt sein. Lassen Sie uns diese Voraussetzung, die wir schaffen können, so bald und so gut wie möglich zustande bringen.
({3})
Präsident von Hassel: Verehrter Herr Kollege Rollmann, § 37 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung hat folgenden Wortlaut:
Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag. Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen. Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine Ausnahme sein; sie dürfen nur verlesen werden, wenn sie beim Präsidenten mit Angabe von Gründen angemeldet worden sind und der Präsident in die Verlesung einwilligt.
Ich darf auf die Verlesung des zweiten Absatzes verzichten, weil er mich eigentlich. anhält, Sie hier zu mahnen, zum freien Vortrag überzugehen. Ich hoffe, daß ich es bei dieser einen Mahnung für die Zukunft bewenden lassen kann.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Wort weiter an den Herrn Abgeordneten Saxowski; es folgt der Abgeordnete helms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD begrüßt genau wie die CDU/CSU die Vorlage des Entwurfes eines Tierschutzgesetzes, die von diesem Hause bereits durch Ersuchen vom 2. Juni 1969 gefordert wurde, damit endlich das seit 1933 bestehende mangelhafte Tierschutzrecht, das modernen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird, abgelöst wird.
Es muß erwähnt werden, daß in der 4. und 5. Legislaturperiode Initiativanträge aus der Mitte dieses Hauses eingebracht wurden, die aber leider aus verfassungsrechtlichen Gründen an der mangelnden Bundeskompetenz scheitern mußten. Durch die im März 1971 erfolgte Änderung des Art. 74 GG ist der Weg frei geworden, ein neues Tierschutzgesetz vorzulegen. Es geht um die Schaffung, kurz gesagt, eines modernen Tierschutzgesetzes, welches dem Tier, das ja bedingungslos in die Obhut des Menschen gestellt ist, den Schutz und die Pflege angedeihen läßt, die ihm zustehen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Tier nicht nur Freund und Begleiter des Menschen ist, sondern auch wirtschaftlich und wissenschaftlich genutzt und benutzt wird. Das müssen wir in unsere Überlegungen bei den Beratungen dieses Gesetzes einbeziehen. Ich erwähne das bewußt, um aufzuzeigen, wie breit die Probleme sind, die uns bei der Beratung dieses
Gesetzes bewegen werden. Es geht vom Schoßhund über den Hofhund bis hin zum Tierversuch und weiter zur Massentierhaltung, die schließlich der Ernährung zu dienen hat. Hier kommen Probleme vielfältiger Art auf uns zu.
Wenn man die Fülle der Eingaben sieht, die heute schon unsere Schreibtische frequentieren, dann wird es wohl viel Zeit und ernsthafter Überlegungen bedürfen, um hier zu einem guten, ich betone: Kompromiß zu kommen. Idealvorstellungen werden wir in diesem Gesetz für alle betroffenen Teile, sei es den Tierliebhaber, sei es den, der seine Existenz auf die Haltung der Tiere gründet, nicht erreichen. Aus diesen Gründen müssen wir uns den Sachverstand aller Verbände und Institutionen zu eigen machen. Wir müssen sie in einem breit angelegten Hearing hören, um uns dann bei den Beratungen ihres Fachwissens zu bedienen.
Ich darf abschließend noch einmal sagen: wir sind daran interessiert, daß es zu einer zügigen Beratung kommt, damit wir das Gesetz schnell verabschieden können. Wir hoffen, daß auch auf europäischer Ebene hier etwas geschieht, weil auch gewisse Konkurrenzfragen auftauchen, die wir mit berücksichtigen müssen. Wir wünschen, daß dieses Gesetz in einem gesunden Kompromiß sowohl dem Tier wie auch dem Menschen Nutzen bringt.
({0})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Helms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Bund inzwischen die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß eines Tierschutzgesetzes erhalten hat, begrüßen wir heute insbesondere die schnelle und zügige Vorlage durch den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wir freuen uns darüber, denn die kurzfristige Vorlage dieses Gesetzentwurfs hebt die Bedeutung dieser Gesetzesvorlage und die Erkenntnis der Regierung, das Erforderliche zur rechten Zeit zu tun, hervor. Wir ersehen daraus, daß die Regierung bemüht bleibt, die vielen Anstände und Mißstände zum Problem des Tierschutzes, die in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren gerade auf diesem Sachgebiet aufgezeigt wurden, zu beseitigen. Diese Anstände und Mißstände haben deutlich gemacht, wie dringend erforderlich eine Novellierung des bisherigen Rechtszustandes ist. Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß dieses dringende Erfordernis ebenso von diesem Hohen Hause zügig in Angriff genommen und beraten werden sollte.
Die Probleme des Tierschutzes werden mit der Erkenntnis der Bedeutung auch der Umweltfragen heute mehr und mehr aktuell. Die bisherigen Regelungen müssen nach unserer Auffassung den neuen Vorstellungen und Erkenntnissen über den Lebensschutz und die Schutzbedürftigkeit des Tieres und der Tierwelt angepaßt werden. In den beratenden Ausschüssen werden wir die Vielzahl der einzelnen Fragen und Bestimmungen, die in diesem Gesetzentwurf vorgelegt sind und die der Herr Bundesminister erläutert hat, eingehend zu prüfen haben. Es wird sicher keine uniforme Regelung für den gesamten Komplex des Tierschutzes geben. Zustimmung verdienen aber nach unserer Auffassung insbesondere die Vorschriften über die Haltung, d. h. die Pflege und die Unterbringung, der Tiere. Wir meinen, daß diese Bestimmungen während der Beratungen noch eine Verbesserung und Ausdeutung erfahren können.
Den modernen Erkenntnissen der Verhaltensforschung bei den Tieren kann in diesem Entwurf gebührend Rechnung getragen werden. Dies zeigt sich nach meiner Auffassung besonders in dem § 13 der Vorlage. Die Entwicklung zur Massentierhaltung ist in den letzten Jahren weltweit erfolgt. Wir müssen sie als ökonomisch zwangsläufig und gegeben ansehen. Aus der Haltung großer Nutzviehbestände auf begrenztem und engstem Raum ergeben sich aber zahlreiche tierschutzrelevante Fragen, die bis zum Wirksamwerden einer supranationalen Regelung nach unserer Auffassung durch nationale Vorschriften erfaßt sein müssen. Mindestanforderungen des Tierschutzes bestehen auch hier, vor allem in der Aufrechterhaltung der essentiellen Funktionen des arteigenen und angeborenen Verhaltens der Tiere. Diese Mindestanforderungen basieren auf wissenschaftlich gesicherten jüngsten Erkenntnissen der Verhaltensforschung. Wir meinen, daß sie in diesem Gesetzentwurf in ausgezeichneter Form berücksichtigt werden können.
Bei der Beratung der §§ 5 und 6 mag die Regelung von Eingriffen an Tieren in diesem Entwurf vielleicht noch nicht allen Wünschen der Öffentlichkeit und interessierter Kreise gerecht werden, wie ja auch die Diskussion und die Bemerkungen meiner Vorredner schon gezeigt haben. Die Ausschüsse werden sich meiner Meinung nach bei der Beratung dieser Paragraphen, z. B. bei der Behandlung des Problems des Kupierens von Körperteilen, generell von dem Grundsatz gleicher Handhabung eines gleichen Tatbestandes leiten lassen müssen.
Wir stimmen dem Vorschlag des Altestenrates auf Überweisung dieser Vorlage an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, an den Innenausschuß und an den Rechtsausschuß zu, und wir hoffen auf eine zügige Beratung und auf eine baldige Verabschiedung.
({0})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammans.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen cinc] Herren! Mit meinen Vorrednern begrüße auch ich den Entwurf dieses neuen Tierschutzgesetzes. Die Tendenz der Beratungen in den Ausschüssen muß sein, in Ehrfurcht vor dem Lebendigen die Tiere richtig in die Hierarchie der Werte einzuordnen. Es kann unmenschlich sein, Tiere menschlich zu behandeln.
Wenn ich zur ersten Lesung dieses Gesetzes ein paar Punkte vortrage, die mir für die Beratung des Tierschutzgesetzes in den Ausschüssen sehr wichtig erscheinen, dann brauche ich als Biologe nicht zu
betonen, daß mein Verhältnis zur Tierwelt intakt ist.
({0})
Bei dieser Beratung darf es keinerlei Emotionen geben. Es muß auf der Grundlage der neueren Erkenntnisse der Tierpsychologie und der Verhaltensforschung in ruhiger Sachlichkeit an die Probleme herangegangen werden. Nur dann kann man zu guten Kompromissen und Ergebnissen kommen.
Bei diesen Beratungen, an denen die Öffentlichkeit manchmal beteiligt sein wird, wird sich zeigen, daß manches, was wie Tierquälerei aussieht, in Wirklichkeit keine ist, und es wird sich zeigen, daß manches Haustier aus Unkenntnis falsch behandelt wird. Denken Sie z. B. zur daran, was ein Hund, bekanntlich ein Nasentier, erdulden muß, wenn er mehrere Stunden den Küchenduft in der Nase hat oder wenn er tagelang scharfes Parfüm einatmet. Die Beratungen werden sicher manche neuen Erkenntnisse besser an die Öffentlichkeit bringen. Ich bin sicher, daß die Tierschutzvereine im ganzen Land bereit sein werden, tatkräftig zu helfen, damit Tiere tiergerecht behandelt werden.
({1})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Spillecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Ergänzungen zu den Ausführungen meiner Herren Vorredner.
Ich bin überzeugt, verehrter Herr Kollege Rollmann, daß Ihr persönlicher Anteil an Vorarbeit und Mitwirkung an dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht unbedeutend ist. Sie hatten in der 4. und der 5. Legislaturperiode auch gute Mitstreiter aus den anderen Fraktionen des Hauses. Ich denke da an unseren sehr bekannten Tierschützer, unseren nicht mehr dem Hause angehörenden Fritz Büttner.
({0})
Es stimmt sehr wohl - das haben die Kollegen, die sich mit der Materie zu Beginn der 4. Legislaturperiode befaßt haben, schon vor zehn Jahren begriffen -, daß das aus dem Jahre 1933 stammende Tierschutzgesetz den Gegebenheiten der Entwicklung in sehr unzulänglicher Weise gerecht geworden ist.
Die Bundesregierung hat nun ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Sie hat mit ihm zugleich versucht, der Grundforderung eines ethisch bestimmten Tierschutzes gerecht zu werden. Wir alle wissen darum, daß unsere Beratungen ein großes öffentliches Interesse finden werden. Ich bin mir bewußt, daß wir - darauf ist in diesem Hause heute vormittag schon hingewiesen worden - einer sehr interessierten und auch sehr engagierten Öffentlichkeit gegenüberstehen. Wir werden uns im Verlaufe der Beratungen sowohl mit außerordentlich gefühlsbetonten und leidenschaftlich vorgetragenen Argumenten als auch mit exakten, nüchternen Ergebnissen der Wissenschaft auseinanderzusetzen haben.
Dieses Gesetz in sich umfaßt einen außerordentlich großen Bereich. Es reicht von den Vorschriften über Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren über die Vorschriften über Versuche an Tieren bis hin zu den schwierigen Problemen der Tierhaltung auf begrenztem Raum. Einige Abschnitte des Entwurfs enthalten die Vorschriften, die heim Töten von Tieren, bei Eingriffen an Tieren und beim Tierhandel hinsichtlich der tierschutzrelevanten Fragen zu beachten sind. Ein weites Feld vielgestaltiger Problematik tut sich vor uns auf.
Es ist auch darauf hingewiesen worden, daß wir sehr wahrscheinlich nur dann imstande sein werden, in diesem Gesetz entsprechende Maßstäbe zu finden, wenn wir uns von Sach- und Fachkundigen beraten lassen. Wir werden um eine öffentliche Anhörung zu den Problemen nicht vorbeikommen. Sie ist, wie ich gehört habe, bereits konzipiert. Ich bin überzeugt, daß uns die Fachleute, wenn sie uns die Entscheidung auch nicht abnehmen können, wichtige Hilfen für unsere Entscheidung an die Hand geben.
Die Wissenschaft, insbesondere die Tierpsychologie und die Verhaltensforschung, hat ihre Kenntnisse im Verlaufe der letzten zwei Jahrzehnte wesentlich erweitert. Der entwickelten Erkenntnis muß der Gesetzgeber entsprechen: die gesetzliche Regelung darf sich nicht auf Fragen der Vernachlässigung und der Mißhandlung der Kreatur beschränken, sondern muß zugleich eine positive Fürsorge beinhalten .
({1})
Hier muß nicht nur - ich will es einmal anders ausdrücken - das Tier vor Quälerei, sondern auch das Recht des Tieres auf Leben geschützt werden. Das Maß an Sorge, welches wir unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, widmen, um sie vor Grausamkeiten und Leiden zu bewahren, ist zugleich Ausdruck unseres Selbstverständnisses von Humanität. Dieses Maß der Sorge ist immer auch ein Gradmesser für die Kultur eines Volkes.
Verehrte Kollegen, was denjenigen, die sich mit dem Gesetz künftig zu befassen haben, die Arbeit so angenehm machen wird - trotz des schwierigen Inhalts -, ist der Umstand, daß es bei der Beratung dieses Gesetzes keine Parteidifferenzen geben wird. Hier geht es praktisch um interfraktionelles Teamwork. Das macht die Beratungen von der Atmosphäre her sicherlich angenehmer als im Falle manch anderer notwendiger und harter Auseinandersetzung. Ich sehe, daß mein Kollege Dr. Hammans diese meine Ansicht hinsichtlich der Beratungen, die zugleich auch eine Hoffnung ist, durchaus teilt. Damit will ich keinesfalls sagen, daß nicht auch eine sachlich heftige, manchmal auch deftige Auseinandersetzung zum Gewürz unserer täglichen Arbeit gehört.
Meine Damen und Herren, wer Tierschutz glaubhaft machen will, muß deutlich machen, daß er bei aller Liebe zum Tier auch immer weiß, wo zwischen den Wünschen und der Realität der Zwänge das vertretbare und verantwortbare Maß gesetzt werden muß. Herr Kollege Rollmann, ich stehe nicht an,
hier zu sagen, daß der Tierschutz leiden müßte, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, als seien in diesem Hohen Hause einseitige Weltverbesserer am Werke, die ein solch wichtiges Gesetz ohne jeden Blick für manche Entwicklung, die sich in der Tierhaltung angebahnt hat, konzipieren. Wir werden am Schluß der Beratungen verdeutlicht haben, daß Tierschutz seine Wurzel in tatkräftigem Handeln und in einem mitfühlenden Herzen für alle Kreatur hat.
Ich bin überzeugt, daß die Diskussion der Probleme des Tierschutzes, die im Regierungsentwurf eine weitgehende Entsprechung im Sinne eines neuen, modernen Selbstverständnisses des Tierschutzgedankens gefunden hat, auch die interessierte Öffentlichkeit anregen wird, bisherige Vorstellungen über bestimmte Einzelprobelme zu überdenken.
({2})
Präsident von Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordneter Klinker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie bitte nicht, daß ich hier nun eine lange vorbereitete Rede halte. Im Hinblick auf die Bemerkung des Herrn Bundesministers, daß bei dieser nationalen Gesetzgebung auch die europäische Frage eine Rolle spiele, halte ich aber doch einige politische Hinweise für erforderlich. Sie wissen alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß etwa 80 % der Einnahmen der deutschen Landwirtschaft aus der Tierhaltung kommen und daß die Konkurrenzfähigkeit angesprochen ist, wenn im nationalen Rahmen strengere Auflagen als im europäischen Rahmen gemacht werden. Ich muß dies einmal ganz nüchtern feststellen. Es liegt in Ihrer Verantwortung, Herr Minister auf Ihre Initiative ist ja dieser Gesetzentwurf eingebracht worden -, im europäischen Rahmen dafür zu sorgen, daß die Auflagen dort ähnlich sein werden wie im nationalen Rahmen. Ich möchte sagen, in den wesentlichen Punkten sollten dann auf europäischer Ebene dieselben Auflagen gemacht werden.
Herr Kollege Saxowski hat dankenswerterweise von der Notwendigkeit eines gesunden Kompromisses gesprochen. Es ist auch meine Auffassung, daß ein solcher Kompromiß erzielt werden muß. Und Herr Kollege Helms hat davon gesprochen, daß die Fragen des Umweltschutzes, um die es ja bei den Massentierhaltungen geht, wirklich ein Problem darstellen, das man bedenken muß. Ich meine, hier sollte man sehr, sehr vorsichtig zu Werke gehen und nicht glauben, man könne nun alles auf einmal lösen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Löffler?
Bitte sehr, Herr Löffler!
Herr Kollege Klinker, wären Sie bereit, dem Hause darzulegen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung und insbesondere Herr Minister Ertl hat, um in Europa diejenigen Auflagen verbindlich durchzusetzen, die wir in diesem Bereich in nationaler Kompetenz schaffen wollen?
Herr Minister Ertl hat in seiner Eigenschaft als Mitglied des Ministerrats, Herr Kollege Löffler, durchaus die Möglichkeit, eine Initiative zu ergreifen und diese Initiative im Rahmen einer europäischen Verordnung wirksam werden zu lassen.
({0})
- Ja, das ist völlig klar; aber das nützt nichts: auch
im Hinblick auf die Erweiterung der EWG auf zehn Mitglieder ist das ein schwieriges Problem. Und ich meine ja - das ist meine politische Bemerkung, wenn Sie sie bitte so verstehen wollen -, daß dabei keine Wettbewerbsnachteile für die deutsche Landwirtschaft, die eben doch zu 80 % von der Tierhaltung lebt, entstehen dürfen. Das sollte auf diesem Gebiet mein hauptsächlicher Hinweis sein.
Ich darf also, Herr Minister, an Sie appellieren - wir Deutschen sind ja nicht allein, besonders nicht nachher in der Zehnergemeinschaft - und Sie bitten, doch sehr viel Wert darauf zu legen, daß bei allen zukünftigen Verhandlungen jedenfalls von deutscher Seite auch dieses politische Argument richtig vorgetragen wird.
({1})
Präsident von Hassel: Das Wort hat Herr Bundesminister Ertl.
Herr Präsident! Erlauben Sie mir dazu nur noch eine Bemerkung, Herr Kollege Klinker. Ich bin sehr dankbar für ihre Anregungen. Wir haben unseren Entwurf bereits dem Europarat zugeleitet und haben von dort die Mitteilung erhalten, daß der Europarat diesen Entwurf begrüßt und daß er ihn darüber hinaus auch als richtungweisend für seine Arbeit bei den Beratungen betrachtet. Und ich bitte jetzt unsere Kollegen in diesem Hohen Hause, auch in den parlamentarischen Gremien Europas - im Europarat und im Europäischen Parlament - daran mitzuwirken, daß wir eine brauchbare gemeinsame Basis finden.
Ein letztes, persönliches Wort: Ich persönlich fühle mich sehr verpflichtet, allen Kollegen für ihre erfolgreiche Vorarbeit zu danken.
({0})
Präsident von Hassel: Es liegt nunmehr keine weitere Wortmeldung vor. Ich schließe die Beratung in der ersten Lesung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Innenausschuß sowie den Rechtsausschuß zur Mitberatung vor. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Präsident von Hassel
Ich unterbreche die Sitzung bis 13 Uhr. Die Fragestunde findet von 13 Uhr bis 14 Uhr statt.
({1})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksachen VI/2603, VI/2614 Ich beginne mit der Dringlichen Mündlichen Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes:
Wie kann die Bundesregierung angesichts der Durchsuchungsaktion der Keller Staatsanwaltschaft hei griechischen Demokraten im Exil sicherstellen, daß derartige Vorfalle nicht zu einer unrichtigen Beurteilung der politischen Grundhaltung der Bundesregierung führen und die Gewährleistung der Grundrechte für alle in unserem Lande Lebenden auch in Zukunft gesichert ist?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Ahlers.
Frau Präsidentin, ich möchte die Dringlichkeitsfrage wie folgt beantworten.
Ich bin Ihnen, Herr Abgeordneter, für diese Frage dankbar, weil ich annehme, daß Sie insbesondere den Fall von Herrn Mathiopoulos im Auge haben. Die Bundesregierung kann sich natürlich zu der Ermittlungssache nicht äußern, da es sich einerseits um ein schwebendes Verfahren handelt und da dieses Verfahren andererseits in die Zuständigkeit der Landesjustizbehörden fällt.
Ich weiß aber, daß Herr Minister Neuberger sich der Sache angenommen hat. Was weitere Einzelheiten angeht, verweise ich auf die gestrige Presseerklärung der Generalstaatsanwaltschaft in Köln. Mit der journalistischen Tätigkeit von Herrn Mathiopoulos hat die Angelegenheit nichts zu tun.
Ohne in die Belange der Justiz einzugreifen, habe ich am Montag vor der Bundespressekonferenz erklärt, daß die Bundesregierung es bedaure, daß Herr Mathiopoulos Schwierigkeiten hatte. Wir schätzen ihn als Menschen, als Demokraten und als Journalisten.
Im übrigen ist die Bundesregierung davon überzeugt, daß die mit der Angelegenheit befaßten Justizbehörden ihre Ermittlungen und Maßnahmen nach Recht und Gesetz und unter Wahrung der Grundsätze unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung durchführen. Die Gewährleistung der Grundrechte für alle in der Bundesrepublik Lebenden ist nicht gefährdet.
Ich habe vor der Presse am Montag auch darauf hingewiesen, daß es kaum ein Land in der Welt gibt, in dem ausländische Korrespondenten ebenso wie ihre deutschen Kollegen so ungehindert arbeiten können und so freimütig informiert werden, wie die Bundesrepublik Deutschland. Daran ändert auch der in Frage stehende Vorfall nichts.
Diese Tatsache wird auch im Ausland allgemein anerkannt. Sie bietet meines Erachtens Gewähr dafür, daß es nicht zu einer falschen Vorstellung über die politische Grundhaltung der Bundesregierung und über die freiheitlichen Verhältnisse in unserem Lande kommen kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so interpretieren, daß Sie hiermit zugesichert haben, daß die politischen Aktivitäten der griechischen Demokraten in unserem Lande so lange die volle Unterstützung und Billigung der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses finden, solange sie nicht gegen das Grundgesetz und gegen unsere Strafgesetze verstoßen?
Jawohl, Herr Abgeordneter, und zwar sowohl was die politischen als auch was die journalistischen Tätigkeiten der hier in Frage stehenden Personen angeht.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, über die diplomatischen Kanäle der Bundesregierung in Athen darauf hinzuweisen, daß es sich bei dieser Aktion nicht um - ich zitiere wörtlich
Athener Zeitungen „eine radikale Säuberungsaktion" gehandelt hat, sondern um das Vorgehen einer Staatsanwaltschaft, deren Verhalten hier nicht zu kritisieren ist, und daß wir in der Grundposition zur griechischen Junta unverändert unsere Meinung beibehalten haben?
Herr Abgeordneter, ich bin bereit, das hier und auch änderswo öffentlich zu erklären. Was die diplomatischen Kontakte angeht, muß ich mich an das Auswärtige Amt wenden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß allein von der Tatsache, daß Herr Mathiopoulos in die Ermittlungen einbezogen worden ist, eine erhebliche Beunruhigung oder sogar Verängstigung der demokratischen und dem Junta-Regime feindlich gegenüberstehenden Griechen in der Bundesrepublik ausgehen könnte?
Herr Abgeordneter, als die Sache passierte, konnte man natürlich von unserer Seite eine solche Wirkung nicht ausschließen. Ich selbst habe mich bemüht - auch andere haben das getan -, hier eine Beruhigung
eintreten zu lassen, nicht zuletzt durch die Klarstellung, um die ich mich soeben hier bemüht habe.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zunächst die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Löffler:
Wieviel Tonnen Getreide haben die deutschen Landwirte unter dem Zwang der Verhältnisse in diesem Quartal unter dem Interventionspreis verkaufen müssen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann.
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Frau Präsidentin, darf ich die Fragen 1 und 2, da sie eng miteinander verknüpft sind, im Zusammenhang beantworten?
Ist der Fragesteller einverstanden? - Ich rufe dann also noch die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Löffler auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Landwirten zu einem Erlös für ihr Getreide zu verhelfen, der den Interventionspreisen entspricht?
Bitte schön!
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Löffler, der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Mengen Getreide aus der Ernte 1971 die deutsche Landwirtschaft unter dem Interventionspreis verkauft hat. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß die Interventionspreise der EWG-Getreidemarktordnung kein Festpreis für die Erzeuger sind. Die Erzeugerpreise waren früher in der bis zum Jahre 1962 geltenden nationalen Getreidemarktordnung festgesetzt. Die Interventionspreise der EWG-Getreidemarktordnung sind dagegen Stützpreise für den Markt. Sie gelten für die Großhandelsstufe. Die Interventionsstelle kauft das Getreide zu diesen Preisen auf und sichert so, daß die Marktpreise nicht unter das Interventionspreisniveau sinken. Die Marktpreise bilden sich im übrigen frei.
In diesem Jahr bewegen sich die Marktpreise wegen der großen Ernte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf dem Niveau der Interventionspreise. Im vergangenen Jahr lagen sie darüber. Die Erzeugerpreise richten sich im Rahmen der EWG-Getreidemarktordnung nach den Marktpreisen. Sie liegen um die Vermarktungsspanne darunter. Für die Vermarktungsspanne sind bei der Umstellung des Preissystems im Jahre 1962 von der Erzeuger- auf die Großhandelsstufe 23,50 DM/t berechnet worden. In diesem Jahr ist der Unterschied zwischen den Erzeugerpreisen und den Marktpreisen nach meinen Feststellungen jedoch nicht so hoch.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Löffler.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, daß der Landwirt bei den jetzigen Gebräuchen und Bestimmungen im Getreidehandel mit seiner relativ schwachen Stellung am Markt tatsächlich in der Lage ist, die Vorteile der Marktwirtschaft voll wahrzunehmen?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Löffler, es kommt ganz auf die Situation an, in der die Ernte abgewickelt wird. In diesem Jahr war das außerordentlich schwierig. Wir hatten bekanntlich eine außerordentlich große Getreideernte. Durch günstiges Erntewetter bedingt, wurde dieses große Angebot an Getreide konzentriert zum Verkauf angeboten. Darin lag eine gewisse Schwierigkeit.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ausgehend von einem Brief, den Herr Minister Ertl neulich an den deutschen Getreidehandel geschrieben hat, möchte ich an Sie die Frage richten, ob es nicht auch im Rahmen der nationalen Gesetzgebung möglich wäre, die einen oder anderen Punkte im Getreidehandel so zu verbessern, daß der Landwirt zu einem angemesseneren Erlös kommt, als es in diesem Jahr der Fall gewesen ist.
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Wir haben versucht, auf den Getreidehandel und auf die Genossenschaften einzuwirken und an diese Organisationen appelliert, den Bauern die Zuschläge zu zahlen, die möglich sind. Das ist von unserer Seite geschehen. Nationale Maßnahmen als gesetzliche Eingriffe werden sehr schwierig sein.
Keine weitere Zusatzfrage? Bitte schön!
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, kann die Bundesregierung statistisch feststellen, inwieweit die Preise des verkauften Getreides in diesem Jahr trotz der Anhebung der Preise in Brüssel niedriger als im vergangenen Jahr liegen?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Das können wir statistisch feststellen. Ich habe die neuesten Zahlen für August 1971. Hiernach ist es so, daß im August 1971 von der Statistik her gesehen - das wird regional unterschiedlich sein - die Erzeugerpreise für Getreide um 1 °/o über denen des Vorjahres lagen. Hier ist also in der Zwischenzeit ein Anstieg der Erzeugerpreise festzustellen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die niedrigen Auszahlungsbeträge allein auf die abnehmende Hand - Genossenschaften und Handel - zurückzuführen sind?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Nein, ich habe ja darauf hingewiesen, daß sicherlich das hohe Ernteangebot in einem ganz kurzen Zeitraum die Preise nach unten gedrückt hat. Das muß man hinzunehmen. Im übrigen ist durch die Beschlüsse von Brüssel der Interventionspreis angehoben worden, und zwar sogar erheblich, wie ich sagen möchte. Das hätte mehr durchschlagen müssen, hat sich nun aber immerhin in der Wirkung tatsächlich als positiv gezeigt.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Die Fragen 3 und 4 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung werden auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage zum Stenographischen Bericht abgdruckt.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Matthöfer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf:
Trifft die Behauptung in der „Nürnberger Zeitung" vom 18. August 1971 zu, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit versäume seine Aufsichtspflicht, weil er „überhaupt noch nie den deutschen Entwicklungsdienst und die Ausbildungsstätte in Wechtenbach bei Bonn besucht" habe?
Zur Beantwortung, Herr Bundesminister Eppler, bitte schön!
Herr Kollege Matthöfer, die Behauptung, von der Sie sprechen, wurde nicht von der „Nürnberger Zeitung" selbst, sondern von Herrn Kollegen Roser in einem Interview mit der „Nürnberger Zeitung" aufgestellt. Im übrigen kann ich Ihre Frage nicht einmal im Prinzip mit Ja beantworten, denn erstens heißt der Ort nicht Wechtenbach, sondern Wächtersbach, zweitens liegt er nicht bei Bonn, sondern in der Nähe von Hanau und drittens habe ich die Ausbildungsstätte Wächtersbach schon dreimal besucht, davon zweimal vor der Behauptung des Herrn Kollegen Roser.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Finden Sie es nicht auch sehr betrüblich, Herr Minister, daß jemand, der offenbar nicht einmal die einfachste Kenntnis von den Details in dieser Sache hat, ohne Nachprüfung den schweren Vorwurf einer Versäumnis der Aufsichtspflicht in der Öffentlichkeit erhebt?
Herr Kollege Matthöfer, es ist nicht meine Aufgabe, hier Wertungen über Kollegen auszusprechen, aber die Tatsachen sprechen wohl für sich.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen Herr Bundesminister Eppler.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen. Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Ott auf:
Welche Ursachen liegen vor, daß auf der Internationalen Messe von Thessaloniki ({0}) unter den 21 auslandischen Pavillons der deutsche einer der schlechtesten war und in diesem Jahr nur noch aus einem größeren Raum bestand im Gegensatz zum Vorjahr mit einer ganzen Halle?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal, bitte schön!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Ott, die Verringerung der Fläche auf der Messe in Thessaloniki von 500 auf etwa 110 qm in diesem Jahr ist auf die Konzentration auf die Industrieausstellung in Sao Paulo, Brasilien, zurückzuführen. Aus dem Haushaltstitel unseres Hauses für Messen und Ausstellungen von etwa 14 Millionen DM sind allein auf diese Industrieausstellung in Sao Paulo 2,5 Millionen DM konzentriert gewesen.
Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darüber überein, daß Sie einen so großen Kunden wie Griechenland, der soviel an Exporten von uns bezieht wie die Sowjetunion, bei einer internationalen Ausstellung nicht so behandeln können, selbst wenn Sie sagen, daß Sie dafür in Brasilien ausgestellt haben?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Ott, dies ist eigentlich schon ein Teil Ihrer zweiten Frage. Ich darf aber hier darauf hinweisen, daß die Ausstellung in Thessaloniki ja nicht allein aus der offiziellen Ausstellung, d. h. dem deutschen Informationspavillon, besteht, sondern auch aus den Ausstellungen der deutschen Wirtschaft, die in diesem Jahr von mehr als 2000 Ausstellern 25 %, also fast 500 Aussteller, gestellt hat. Bevor wir eine Beteiligung an solchen Messen überhaupt beschließen und festlegen, in welcher Größe wir sie machen, unterhalten wir uns mit den Wirtschaftsverbänden. Die Wirtschaftsverbände haben uns in dieser Konzentration auf Sao Paulo unterstützt, betrachten aber die Wichtigkeit der Messe in Thessaloniki mit 1,6 Millionen Besuchern nicht als kongruent mit der Wichtigkeit des griechischen Marktes, auf den ich gern bei Ihrer zweiten Frage eingehen werde.
Herr Kollege, wollen Sie noch eine Frage zu dieser ersten Antwort stellen? Dann rufe ich die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Ott auf:
1st die Bundesregierung nicht mehr daran interessiert, daß die Bundesrepublik Deutschland weiterhin einer der wichtigsten Handelspartner Griechenlands bleibt?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Ott, selbstverständlich legt die Bundesregierung größten Wert darauf, den Handel mit Griechenland nicht nur zu erhalten, sondern zu verbessern. Ich darf Ihnen hier einige Zahlen geben. Die Einfuhr von Griechenland von Januar bis Juni 1971 ist gegenüber dem gleichen Zeitraum 1970 von 278 auf 296 Millionen DM gestiegen. Im selben Zeitraum ist aber unsere Ausfuhr nach Griechenland von 583 auf 821 Millionen DM gestiegen. Sie wissen auch, daß der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages bei seinen Beschlüssen wegen der Militärhilfe oder anderer, neuer Vorhaben den Handelsbereich nicht einbezogen hat und sich die Bundesregierung dem angeschlossen hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, wären die Zahlen, die Sie soeben genannt haben und die ich für das Jahr 1970 aus dem neuesten Statistischen Jahrbuch entnommen habe, nicht geradezu Veranlassung, auch die Ausstellungsmöglichkeiten in Thessaloniki - als ein Schaufenster für die Bundesrepublik nach dem Südosten - stärker in Anspruch zu nehmen und sich nicht mit einem bescheidenen Raum zufrieden zu geben?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Ott, die sämtlichen Mittel in diesen Messetiteln sind für die Förderung des Außenhandels gedacht. Wir müssen sie also dort einsetzen, wo sie am meisten bringen. Ich wiederhole: wenn wir auf Grund des Hearings, die wir mit den Verbänden gehabt haben, der Ansicht sind, daß die Messe Thessaloniki nicht diese Wichtigkeit hat, dann müssen wir unsere Ausgaben dieser Meinung der Wirtschaft anpassen. Das hat nichts mit unserer Unterstützung des Handels mit Griechenland zu tun.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich denken, daß Sie in einem kommunistischen Staat in gleicher Weise mit dem Ausstellungsraum verfahren würden wie hier in Griechenland?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Absolut, Herr Kollege. Dieser Messetitel dient dem deutschen Export. Punkt.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf:
Teilt die Bundesregierung die in der Bremer Tageszeitung „Weser-Kurier" vom 30. August 1971 wiedergegebene Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal, daß die
Stabilität nur erreicht werden könne, indem man mehr Waren auf den deutschen Markt bringe, d. h. die Exporte zu erschweren und die Importe zu erleichtern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Sprung, mit den außenwirtschaftlichen Maßnahmen der Bundesregierung wird, wie Herr Minister Schiller am 21. Mai vor dem Bundesrat ausgeführt hat, ein doppeltes Ziel angesteuert. Erstens soll eine Beendigung der extremen Liquiditätszuflüsse in die Bundesrepublik erreicht und ein Abfluß der Liquidität gefördert werden. Zweitens soll über Ausfuhr und Einfuhr eine Intensivierung des Wettbewerbs und damit ein preisstabilisierender Effekt für die Binnenwirtschaft erzielt werden.
Sie, Herr Kollege Sprung, haben das „nur" unterstrichen, das in einer Zeitung steht. Die anderen Zeitungen, die meiner Bremer Rede zugehört haben, haben das, was ich gesagt habe, korrekt gebracht: Wer die Stabilität will, muß auch damit einverstanden sein, daß die Importe erhöht und die Exporte erschwert werden. Mißverstehen Sie mich nicht! Das hat jetzt nichts mit der Größenordnung zu tun, wieweit und wie lange man das machen soll.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung.
Herr Staatssekretär, darf ich aus dem, was Sie zuletzt gesagt haben, schließen, daß Sie ebenfalls der Auffassung sind, daß die inflatorische Entwicklung in der Bundesrepublik in erster Linie hausgemacht ist und daß die Stabilität daher auch nur durch Maßnahmen im eigenen Hause, d. h. durch eine Beeinflussung der inneren Nachfrage, wiederhergestellt werden kann?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Nein, keineswegs. Wir haben ja gesehen, daß die Beeinflussung der inneren Nachfrage nicht ausgereicht hat, sondern daß wir die Geldmenge, die vom Ausland hereinfloß, begrenzen mußten. Zweitens haben wir gesehen, daß wir die Importe erleichtern müssen und die Exporte einigermaßen erschweren müssen. Bis in die letzte Zeit hat die Exportwirtschaft - mit einigen Ausnahmen - darunter noch nicht gelitten.
Dazu jetzt zwei Bemerkungen. Erstens bedeutet das nicht, daß beispielsweise das, was jetzt läuft, nicht eine zu hohe Belastung der Exportwirtschaft mit sich bringt. Zweitens möchte ich noch einmal klarstellen: wir können nicht - Sie nicht und wir nicht - nach Stabilität rufen, andererseits aber die Marktwirtschaft nicht zum Operieren bringen; das ist schizophren. Wenn wir die Preise herunterbringen wollen, dann müssen wir auch erreichen, daß Strukturanpassungen, die einfach die Marktwirtschaft sind, stattfinden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Bremen gesprochen. Glauben Sie nicht, daß in der derzeitigen Situation differenziert werden muß? Wie wollen Sie z. B. die ausländische Nachfrage nach in der Bundesrepublik gebauten Schiffen oder Kraftfahrzeugen auf den Inlandsmarkt umlenken? Gibt es dafür auf dem Inlandsmarkt zusätzliche Nachfrage?
({0})
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Dr. Sprung, Sie wissen genau wie ich, daß globale Stabilitätsmaßnahmen immer einzelne Branchen treffen. Wenn diese einzelnen Branchen ein so übergeordnetes Interesse haben - ich gebe hier ein Beispiel - wie der Straßenbau, dann muß man im richtigen Moment umschalten. Aber das ist kein Grund, die globale Beruhigung abzustoppen, bevor sie eingetreten ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.
Herr Kollege Rosenthal, beruht nicht Ihre Äußerung in Bremen, die ja im Grunde nur wiedergibt, was schon in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt vom Oktober 1969 gestanden hat - daß man den Export drosseln müsse, um den Binnenmarkt mehr zu bedienen -, doch auf dem bei sozialistischen Theoretikern verbreiteten Irrglauben, daß man den Export in dieser Richtung manipulieren könne, wobei nicht gesehen wird, daß der Export ja erst die Voraussetzungen dafür schafft, daß Sie durch vermehrte Importe wirklich den Druck auf das Preisniveau des Binnenmarkts auslösen können?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Müller-Hermann, nur war das bis jetzt der Fall. Sie haben ja ebenfalls unsere Handelsbilanz verfolgt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Liquiditätszuflüsse, die uns besonders im Frühjahr dieses Jahres so zu schaffen machten, doch in erster Linie nicht auf Leistungsbilanzüberschüsse - wie in der Vergangenheit - zurückzuführen sind, sondern auf den Zustrom von Geldern beispielsweise aus dem Eurodollarmarkt, herbeigeführt durch die Hochzinspolitik, zu der die Bundesnotenbank gezwungen war, nachdem man es ihr allein überlassen hat, die Last der Stabilisierung zu tragen?
Herr Kollege Haase, es tut mir leid, aber die Frage hängt nicht mehr mit der Frage nach dem vermehrten Import und dem beschränkten Export zusammen, sondern es ist eine Frage der Geldbewegung. Ich kann sie leider nicht zulassen.
({0})
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, ist der wissenschaftliche Informationsdienst des Wirtschaftsministeriums so miserabel, daß Sie am 30. August noch von dieser Verminderung der Exporte und von einer Erhöhung der Importe reden konnten, wo doch jetzt, knapp vier Wochen später, bereits feststeht, daß in einer Reihe von Branchen Beschäftigungssorgen bestehen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Ott, ich muß Ihnen wieder geduldig erwidern: wenn Sie eine Stabilisierung wollen, muß die Marktwirtschaft operieren. So lange wir eine Marktwirtschaft haben - erinnern wir uns doch daran! -, hatten wir Umstrukturierungen, bei denen einzelne Unternehmen und Branchen in Schwierigkeiten kommen. Wenn wir das nicht mehr haben wollen - das ist das Ende der Marktwirtschaft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin gesagt haben, es sei der Sinn der außenwirtschaftlichen Absicherungsmaßnahmen, den Wettbewerb im Inland zu verstärken, und nachdem Sie festgestellt haben, dieses Ergebnis hätten die außenwirtschaftlichen Maßnahmen bewirkt, darf ich Sie fragen: würden Sie mir dann nicht zustimmen müssen, wenn ich sage, daß die eingetretene inflationäre Entwicklung um so mehr durch binnenwirtschaftliche Faktoren, durch Faktoren, die hier im Inland ihre Ursache haben, ausgelöst worden ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Vogt, das hat nun wirklich nichts mehr mit der gestellten Frage zu tun.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Staatssekretär, welche Branchen halten Sie für geeignet, die durch die von Ihnen angesprochene Erschwerung des Exports bewirkte Verlagerung der Handelsströme ohne Gefahr für Unternehmen und Arbeitsplätze zu überstehen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, ich werde mich hüten, jetzt hier einzelne Branchen zu nennen, die dafür in Frage kommen.
({0})
Bitte, Zusatzfrage!
Herr Kollege Rosenthal, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß die Schwierigkeiten, die der Export augenblicklich hat, im wesentlichen auf den Bau größerer Maschinenanlagen usw., auf Strukturanpassungen zurückzuführen sind, oder nicht eher auf die Unsicherheiten, die bei den Auftraggebern hinsichtlich der möglichen Entwicklung der Währungsverhältnisse bestehen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, wir müssen hier zwischen den Schwierigkeiten unterscheiden, die einzelne Industrien im Export haben, und denen, die sie haben werden. Bezüglich des Habens ist es eine Tatsache, daß die Ziffern, die ich Ihnen vorhin genannt habe, noch immer von einem steigenden deutschen Export sprechen. Ich gebe Ihnen aber insofern recht, als insbesondere jetzt mit dem überzogenen Kurs des Floating, entstanden durch das nicht so saubere Floating der anderen, diese Belastung für die Wirtschaft über das Tragbare hinausgeht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Evers.
Herr Kollege Rosenthal, nachdem Sie sich zu dem Strukturwandel in der Marktwirtschaft bekannt haben, der sich ohne administrative Eingriffe ständig vollziehen müsse, frage ich Sie: Wie vereinbaren Sie mit diesem Bekenntnis Ihre Aufforderung, den Export künstlichen Beschränkungen zu unterwerfen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Welchen künstlichen Beschränkungen?
Den Beschränkungen, von denen die Fragesteller in ihrer Frage ausgegangen sind: daß der Export gesenkt werden müsse.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Meine Antwort war, daß sich durch die Erhöhung der Importe und die Verringerung der Exporte das Warenangebot auf dem binnenwirtschaftlichen Markt erhöht und daß das ein stabiliserender Faktor ist.
Hier steht: „die Exporte zu erschweren", Herr Kollege Rosenthal!
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sperling.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß das Floating eine Erschwerung der Exporte bedeutet und marktwirtschaftlich völlig konform ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das Floating ist eine sehr marktwirtschaftliche Maßnahme, die Importe erleichtert und Exporte erschwert. Ich habe aber vorsichtigerweise gesagt: Es kommt auf den zulässigen Grad an.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf:
Teilt die Bundesregierung die im „Weser-Kurier" vorn 27. August 1971 wiedergegebene Auffassung des Präsidenten des Bremer Senats, Bürgermeister Koschnick, Pläne für eine europäische Währung könnten der Beginn der Zerstörung einer Leitwährung für den Außenhandel sein und für Europa einen Handelskrieg gegen die Dollarländer jenseits des Atlantiks einleiten, der von Europa nicht gewonnen werden könne?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Dr. Sprung, so wie sie aus meiner Bremer Rede das Wort „nur" herausgestellt haben, darf ich jetzt bei Ihnen etwas anderes unterstreichen, nämlich ein Mißverständnis über die Rede des Bürgermeisters Koschnick. Bürgermeister Koschnick hat gegen eine europäische Leit währung gesprochen, insbesondere eine Leitwährung, die gegen den Dollar gerichtet ist. Er hat keineswegs gegen eine europäische Währung gesprochen. Um genau auf Ihre Frage zu antworten: Selbstverständlich ist die Bundesregierung der Ansicht, daß wir so schnell wie möglich zu einer europäischen Währung kommen müssen.
Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Sprung? - Offenbar nicht.
Damit sind die Sie betreffenden Fragen beantwortet, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal. Ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den das Finanzressort betreffenden Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung.
Die Frage 29 des Abgeordneten Rollmann ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Sportlehrer bei der steuerlichen Geltendmachung ihrer Aufwendungen für sportliche Ausrüstung erhebliche Schwierigkeiten haben, einen angemessenen Teil dieses Aufwands steuerlich wirksam geltend zu machen, und daß die einzelnen Finanzämter hierbei sehr unterschiedlich verfahren?
Bitte schön!
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Frau Präsidentin, darf ich die Fragen 30 und 31 zusammen beantworten?
Bitte schön! Ich rufe auch die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse einer regionalen und fachlichen Gleichbehandlung der Sportlehrer dafür Sorge zu tragen, daß die Finanzämter bei einer Anerkennung der
Vizepräsident Frau Funcke
steuerlichen Absetzbarkeit von sportlicher Berufskleidung nach Möglichkeit gleichmäßig vorgehen und durch eine zeitgemäße Handhabung einen Beitrag dazu leisten, daß die Benachteiligung der Sportlehrer gegenüber anderen Berufen auch in diesem Bereich abgebaut wird?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Bei meiner Antwort gehe ich davon aus, daß sich Ihre Fragen auf hauptberufliche Sportlehrer beziehen, die von einem Sportverein oder einer Schule angestellt sind. Bei diesen Sportlehrern ist Sportkleidung als typische Berufskleidung anzusehen mit der Folge, daß die Kosten der Anschaffung und der Instandhaltung zu den abzugsfähigen Werbungskosten gehören.
Es ist bisher nicht bekanntgeworden, daß von der Finanzverwaltung an dieser 'Rechtsauffassung Zweifel geäußert worden sind. Darüber hinaus sind meinem Hause auch keine Fälle bekanntgeworden, wonach sich bei der Anerkennung derartiger Aufwendungen als Werbungskosten die von Ihnen angeführten Schwierigkeiten und unterschiedlichen Verfahrensweisen ergeben hätten. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß die Verwaltung der Lohnsteuer und damit die Entscheidung über Einzelfälle Sache der Landesfinanzbehörden ist.
Ich werde Ihre Frage jedoch zum Anlaß nehmen, die Angelegenheit mit den Fachreferenten der Länderfinanzministerien zu erörtern. Sofern sich dabei tatsächlich Unterschiede in der rechtlichen und verfahrensmäßigen Beurteilung ergeben sollten, werde ich auf eine möglichst einheitliche Behandlung drängen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Evers.
Herr Staatssekretär, ich darf mich für die Antwort zunächst herzlich bedanken.
Meine Zusatzfrage: Würden Sie bei diesen Besprechungen der Problematik auch insofern Ihre Aufmerksamkeit widmen, als die Höhe des Aufwandes, den einzelne Sportlehrer haben, regional und fachlich unterschiedlich sein kann und man dem Rechnung tragen sollte?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich will das gern mit prüfen lassen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Seibert auf. - Da der Fragesteller nicht im Saal ist, werden seine Fragen 32 und 33 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wird die Bundesregierung bei ihren Überlegungen, die Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer anzuheben, entsprechend der jetzigen Regelung bei der Güterkraftverkehrsteuer Präferenzen für das Zonenrandgebiet und die Frachthilfegebiete vorsehen?
Bitte schön!
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Dr. Jobst, die Bundesregierung wird über die Änderung des Mineralölsteuergesetzes und des Kraftfahrzeugsteuergesetzes noch in dieser Woche beschließen. Bei ihrer Beschlußfassung wird sie selbstverständlich auch die sich im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Straßengüterverkehrsteuer stellenden Probleme bedenken. Wir wissen, daß hier etwa 570 Millionen DM ausfallen.
Ich bitte daher um Ihr Verständnis, daß sich die Bundesregierung zu Ihrer Fragestellung erst dann grundlegend äußern kann, wenn hierüber im Kabinett Erörterungen stattgefunden haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie stimmen mir also zu, daß angesichts der hohen Frachtkosten der Betriebe im Zonenrandgebiet ein Ausgleich für die fortfallenden Präferenzen gefunden werden muß?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Meine Auffassung deckt sich völlig mit der Ihrigen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, ist bei diesen Beratungen innerhalb der Regierung damit zu rechnen und darauf zu hoffen, daß nicht auch die öffentlichen Verkehrsunternehmungen in den Strudel dieser Preiserhöhungen hineinkommen und damit die öffentlichen Verkehrstarife nicht weiter erhöht werden müssen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Auch dieser Punkt wird Gegenstand der Beratungen sein.
Wir kommen dann zu den Fragen 35 und 36 des Herrn Abgeordneten Maucher:
Welche Verbesserungen sind bezüglich der Kraftfahrzeugsteuerermäßigung für Schwerbeschädigte zu erwarten, wie nach Pressemitteilungen von seiten des zuständigen Bundesministeriums an SPD-Abgeordnete zugesichert wurde?
Ist die Bundesregierung bereit, Erleichterungen zu schaffen, wenn z. B. das Fahrzeug von Angehörigen auch für den Berufsverkehr benutzt wird?
Bitte schön!
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Maucher, im Rahmen der Kraftfahrzeugsteuerreform wird auch die Vorschrift des § 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, die den Erlaß von Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen von Körperbehinderten regelt, überprüft werden. Hierfür liegen zahlreiche Anregungen vor. Da die erforderlichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, sieht sich die Bundesregierung nicht in der
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf
Lage, Erklärungen über den Umfang der Steuervergünstigungen für die Zukunft abzugeben. Sie wird aber bemüht sein, sachgerechte Verbesserungen vorzuschlagen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie damit beide Fragen beantwortet?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Jawohl.
Mir geht es grundsätzlich um folgendes. Ist Ihnen bekannt, daß auch dann, wenn ein Schwerbeschädigter noch weitere Familienangehörige hat und diese das Fahrzeug benutzen, Steuerfreiheit gewährt wird, jedoch nicht mehr dann, wenn das Fahrzeug von Angehörigen für den Berufsverkehr benutzt wird? Wäre die Regierung bereit - das ist meine Frage -, im letzteren Fall wenigstens eine teilweise Befreiung zu gewähren, um Schwierigkeiten vermeiden zu helfen?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Maucher, der Kraftfahrzeugsteuererlaß für Körperbehinderte soll nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur Beschädigte persönlich begünstigen. Deshalb sind hinsichtlich der Benutzung der steuerbegünstigten Fahrzeuge durch andere Personen im Gesetz enge Grenzen gezogen. Das Fahrzeug eines Schwerbeschädigten darf danach durch den Ehegatten, eine anerkannte Pflegeperson oder - an Stelle des Ehegatten - durch einen anderen dem Finanzamt benannten Angehörigen nur im Rahmen der Haushaltsführung des Schwerbeschädigten benutzt werden. Eine Ausdehnung der Steuervergünstigung in dem Sinne, daß die Fahrzeuge auch von den Angehörigen des Schwerbeschädigten für ihren Berufsverkehr benutzt werden können, wäre mit der Zielsetzung dieser Vorschrift nicht mehr vereinbar. Eine solche Änderung ist bei den jetzigen Beratungen auch nicht in Aussicht genommen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß eine Reihe von Überlegungen angestellt werde. Können Sie mir sagen, wie die Erleichterung, die Sie vorgesehen haben, aussehen könnte?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich würde mich zu sehr festlegen, wenn ich hier konkrete Antworten gäbe. Ich kann nur sagen, daß wir im Rahmen des Möglichen nach Verbesserungen suchen. Die Verwendung der Fahrzeuge für den Berufsverkehr ist in die Erörterung aber nicht mit einbezogen worden.
Eine dritte Zusatzfrage von Herrn Maucher.
Herr Staatssekretär, kann ich Sie so verstehen, daß „prüfen" in der üblichen Regierungssprache heißt: Es ist nicht viel zu erwarten?
({0})
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Dies ist eine Auslegung Ihrerseits, der ich mich keinesfalls anschließen kann. Eine Sache muß geprüft werden, bevor man Entscheidungen fällt. „Prüfung" heißt in der Regierungssprache, daß man sich ernsthaft mit einer Sache beschäftigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, halten Sie Ihre vorhin geäußerte Meinung auch für den Fall aufrecht, daß z. B. ein Familienangehöriger zum Unterhalt eines Schwerkriegsbeschädigten beiträgt oder allein für ihn verantwortlich ist und er selbst das Kraftfahrzeug im Berufsverkehr benutzt?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich wäre in dieser Hinsicht flexibel; aber ich bitte noch einmal, mich hier nicht festlegen zu wollen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Erhard ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung der Erlaß des Hessischen Ministers der Justiz vom 21. Januar 1970, AZ 4736 E - III/2 - 63, bekannt, wonach die Strafverfolgungsbehörden angewiesen werden, Strafverfolgungsersuchen en die dänischen Behörden nicht zu stellen, wenn Bürger in der Bundesrepublik Deutschland durch Verteilung unzüchtiger Schriften belästigt und beleidigt werden durch Personen, die in Dänemark ihren Aufenthalt haben?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Frau Präsident, gestatten Sie bitte, daß ich die Fragen 21 und 22 des Sachzusammenhangs wegen gemeinsam beantworte?
Ja, bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Erhard ({0}) auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung den Rechts- und Ehrenschutz der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland bei Verletzungen durch Täter, die im Ausland wohnen und von dort aus handeln, zu gewährleisten?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Erhard, der Bundesregierung war der Erlaß des Hessi8012
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl
schen Ministers der Justiz vom 21. Januar 1970 nicht bekannt. Auf Grund Ihrer Anfrage, Herr Kollege, haben wir uns mit dem Hessischen Ministerium der Justiz fernmündlich in Verbindung gesetzt und erfahren, daß der genannte Erlaß keine für die Strafverfolgungsbehörden bestimmte generelle Weisung zum Gegenstand hat, sondern in einem Einzelfall ergangen ist. Aus Zeitgründen war es mir nicht möglich, den Wortlaut des Erlasses zu beschaffen. Ich bin jedoch, sofern Sie dies wünschen, Herr Kollege, gerne bereit, mich über die Einzelheiten zu unterrichten und Sie entsprechend in Kenntnis zu setzen.
Wir sind weiter der Meinung, daß der Rechts- und Ehrenschutz der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Verletzungen durch Täter, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und dort handeln, in bestmöglichem Umfang gewährleistet ist.
Nach der derzeitig geltenden Fassung des § 184 Abs. 1 Nrn. 1 und 1 a StGB ist die Einfuhr pornographischen Materials mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bedroht. Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts sieht in § 184 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB dieselben Strafen für die unverlangte Zusendung pornographischen Materials aus dem Ausland vor.
Eine Kontrolle, ob jeder ausländische Absender pornographischen Materials nach dem deutschen Strafrecht tatsächlich zur Verantwortung gezogen wird, ist naturgemäß nicht möglich, weil nur die Falle bekanntwerden, in denen der Adressat Anzeige erstattet. Wenn es zu einem Ermittlungsverfahren kommt - soweit mir bekannt ist, verfolgen alle Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer Anzeigen in dieser Richtung -, ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit - und sie tut das in jedem Falle -, Rechtshilfeersuchen und Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung an ausländische Regierungen zu übermitteln.
Lehnt ein ausländischer Staat die Leistung von Rechtshilfe bzw. die Übernahme der Strafverfolgung ab, z. B. weil die Tat nach seinem Recht nicht strafbar ist, sind die denkbaren Möglichkeiten in der Regel ausgeschöpft. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Personen, die unverlangt pornographisches Material in die Bundesrepublik senden, durchweg Bürger der Staaten sind, in denen sie wohnen, und daß ihre Auslieferung nach Deutschland schon deshalb nicht in Betracht kommen kann.
Diese Schwierigkeiten treten allerdings nicht nur bei der unverlangten Zusendung pornographischen Materials, sondern in allen Strafverfahren auf, in denen sich ein Täter in seinem Heimatland aufhält.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erhard.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß der Erlaß des Justizministers in Hessen seit Januar 1970 fortlaufend von allen Staatsanwaltschaften angewendet wird, daß er also ein allgemeiner Erlaß ist?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesminister der Justiz: Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt. Ich habe Ihnen die gegenteilige fernmündliche Auskunft des hessischen Justizministeriums eben mitgeteilt.
Nun, ich habe den letzten Bescheid vom 16. Juli dieses Jahres.
Eine weitere Frage? - Bitte schön!
Ist Ihnen bekannt, daß das Stadtgericht in Kopenhagen erst im Sommer einem dänischen Bürger verboten hat, unsittliche Druckerzeugnisse auszuführen? Im Inland darf er verkaufen, aber er darf nicht ausführen.
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege, das ist mir bekannt. Das Urteil ist am 1. Juli 1971 ergangen. Es ist noch nicht rechtskräftig, weil wegen der subjektiven Tatbestandsseite ein Freispruch erfolgte, gegen den die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat. Wir warten sehr auf die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind Sie gewillt und bereit, Herr Staatssekretär, Druck auf das Land Hessen auszuüben und das Land zur Bundestreue zu veranlassen, wenn Ihre weiteren Nachforschungen ergeben sollten, daß ein allgemeiner Erlaß, der diese Strafverfolgungsersuchen nach Dänemark untersagt, in Hessen besteht?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege, diese Frage ist für mich hypothetisch, weil für mich kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß wir von der hessischen Justizverwaltung eine falsche Auskunft bekommen haben. Ich bin gerne bereit, Ihrem Anliegen nachzugehen und Sie schriftlich davon zu unterrichten, ob Ihre Vermutung zutreffend ist.
Noch eine weitere Zusatzfrage.
Wären Sie dann, wenn ich jetzt einen staatsanwaltschaftlichen Bescheid vorlege, bereit, Herr Kollege Bayerl, die Ihnen gegebene Auskunft des hessischen Justizministeriums sorgfältiger zu prüfen, als es geschieht, wenn Sie die Antwort auf Ihre mündliche Rückfrage nur zur Kenntnis nehmen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Erhard, wir haben sie sehr sorgfältig geprüft, aber Sie müssen dabei bedenken, daß uns nur sehr wenig
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl
Zeit zur Verfügung stand. Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß ich gerne bereit bin, dies gründlicher zu prüfen, mir den Erlaß kommen zu lassen und Sie über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu verständigen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach veröffentlichte Ergebnis einer Umfrage, nach der sich 69 % der befragten Personen für einen verstärkten staatlichen Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgesprochen haben, und gedenkt sie, Schlußfolgerungen hieraus für eine Überprüfung des geltenden Rechts der Untersuchungshaft zu ziehen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege Schneider, der Bundesregierung ist selbstverständlich bekannt, daß in der Öffentlichkeit der Ruf nach Sicherheit und Ordnung in jüngster Zeit verstärkt laut wird.
Hierzu ist folgendes festzustellen. Die Bundesregierung mißt der Abwehr von Kriminalität und der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung einen hohen Stellenwert bei. Sie wird auch künftig die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Dafür kommen in erster Linie polizeiliche Maßnahmen in Betracht. Eine erfolgreiche Ermittlungstätigkeit ist nämlich die beste Vorbeugung und damit auch Verhinderung von Verbrechen. Dem Täter muß auf diese Weise deutlich gemacht werden, daß seine Chance, unentdeckt zu bleiben, sehr gering ist.
Aber auch das Strafverfahrensrecht wird die nötigen Beiträge zu leisten haben. So soll Anfang nächsten Jahren dem Hohen Hause der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrens vorgelegt werden, der die Straffung und die Beschleunigung des Strafprozesses zum Ziel hat.
Im Rahmen der Arbeiten zu einer wirkungsvolleren Verbrechensbekämpfung wird auch das geltende Haftrecht überprüft. Das Bundesministerium der Justiz hat im Frühsommer dieses Jahres im Auftrage des Rechtsausschusses die Justizverwaltungen der Länder gebeten, Tatsachenmaterial über ihre Erfahrungen mit dem derzeitigen Haftrecht vorzulegen. Dazu ist von uns eine Frist bis Ende November 1971 gesetzt worden. Sobald die Berichte vollständig vorliegen, wird die Bundesregierung prüfen, ob und welche Vorschläge sie zur Neuordnung des geltenden Haftrechts für erforderlich hält. Die Vorarbeiten dazu sind bereits getroffen. Bisher vorliegendes Material gibt noch keinen hinreichenden Aufschluß. Es ist selbstverständlich, daß eine Änderung des Haftrechts nur dann in Betracht kommt, wenn sie sich auf Grund der Untersuchungen als notwendig erweist.
Bitte schön, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wie soll dann die Äußerung des Herrn Bundesministers des Innern vom 6. September dieses Jahres gewertet werden, wonach das Haftrecht nunmehr auch für die Bundesregierung kein Tabu mehr sei?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Für uns ist auch das Haftrecht kein Tabu, Herr Kollege. Wir meinen nur, daß wir an eine Reform erst dann verantwortungsbewußt gehen können, wenn wir das angeforderte Tatsachenmaterial und die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen bei uns auf dem Tisch haben.
Die zweite Zusatzfrage.
Nachdem ich die Rede des Herrn Bundesministers des Innern sorgfältig gelesen habe und zu dem Schluß gekommen bin, daß er - und er sprach sogar von der Bundesregierung - der Auffassung sei, das geltende Haftrecht müsse novelliert, d. h. verschärft werden, frage ich Sie, ob Sie in Ihre Überlegungen auch die Verlautbarungen von führenden und leitenden verantwortlichen Polizeibeamten und Staatsanwälten mit einbeziehen?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Aber ganz selbstverständlich, Herr Kollege, deswegen haben wir die Länderinnenverwaltungen um Untersuchungen gebeten.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Vogt auf:
Prüft die Bundesregierung die Anregung des Staatssekretärs im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Klug, den Straftatbestand des pflichtwidrigen Führens von Fahrzeugen im Straßenverkehr auch dahin gehend zu präzisieren, daß von diesem Straftatbestand künftig ausdrücklich auch die Behinderung von Rettungsmaßnahmen erfaßt werden soll?
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß der Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung ({0}) durch eine Vorschrift zu ergänzen wäre, die das Behindern von Rettungsmaßnahmen erfaßte. Eine solche Ergänzung würde den Rahmen des § 315 c StGB, der auf besonders unfallträchtige Verkehrsdelikte beschränkt ist, sprengen.
Für eine solche Ergänzung besteht auch nach unserem Dafürhalten kein Bedürfnis. Abgesehen davon, daß in erster Linie polizeiliche Maßnahmen geeignet sind, den ordnungsgemäßen Ablauf von Rettungsarbeiten bei Unglücksfällen sicherzustellen - und sei es notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs -, stehen auch sonst genügend straf- oder bußgeldrechtliche Möglichkeiten für ein wirksames Einschreiten gegen etwaige Störer zur Verfügung.
Ich habe erst vor wenigen Tagen bei der schriftlichen Beantwortung der in dieselbe Richtung zielenden Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Giulini dargelegt, daß derjenige, der Hilfsaktionen behindert, im Einzelfall wegen unterlassener Hilfeleistung
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl
nach § 330 c StGB strafrechtlich verfolgt werden kann; denn hiervon werden auch Sachverhalte umfaßt, wonach Hilfsmaßnahmen durch Ansammlungen von Menschen behindert werden. Ferner handelt nach Art. 2 des Dritten Strafrechtsreformgesetzes vom 21. Mai 1970 derjenige ordnungswidrig, „der sich einer öffentlichen Ansammlung anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, obwohl ein Träger von Hoheitsbefugnissen die Menge dreimal rechtmäßig aufgefordert hat auseinanderzugehen". Und schließlich handeln Verkehrsteilnehmer, die im öffentlichen Straßenverkehr andere, d. h. also auch Helfer, Hilfsfahrzeuge oder die Hilfsbedürftigen selbst, gefährden oder in vermeidbarer Weise behindern oder belästigen, ordnungswidrig nach §§ 1, 49 Abs. 1 Nr. 1 StVO. Dasselbe gilt, wenn sie Hilfsfahrzeugen, die blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn verwenden, entgegen § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht sofort freie Bahn schaffen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, nachdem ich Ihrer Antwort entnehmen muß, daß die Bundesregierung der Meinung ist, die gesetzlichen Maßnahmen reichten aus, um den Einsatz der Hilfsorganisationen sicherzustellen, darf ich Sie fragen, wie Sie sich erklären, warum gerade bei den Katastrophenunfällen dieses Jahres der Einsatz der Hilfskräfte so stark behindert worden ist, daß etwa ein Hilfswilliger nach dem Flugzeugunglück in Hamburg erklärt hat, daß wegen Behinderung ein Verletzter gestorben sei.
Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Herr Kollege, ich habe ausgeführt, daß die strafrechtlichen Vorschriften nach unserer Meinung ausreichen. Ob die Polizeiaufgabengesetze der Länder ausreichen, obliegt nicht meiner Beurteilung.
Keine Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beendet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner.
Die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Seefeld soll auf Antrag des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Halfmeier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich noch immer an zahlreichen technisch nicht gesicherten Bahnübergängen Läutetafeln befinden, obwohl bei einem großen Teil der Triebfahrzeuge und bei fast allen Schienenomnibussen die Läutewerke ausgebaut sind und damit die technischen Voraussetzungen in Widerspruch zu den die Bahnübergänge sichernden Tafeln stehen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Frau Präsidentin, ich wäre dankbar, die Fragen 52 und 53 zusammen beantworten zu dürfen.
Bitte schön! Dann rufe ich auch die Frage 53 auf:
Bis wann ist mit der endgültigen Beseitigung der Läutetafeln und dieser der Sicherheit der betreffenden Bahnübergänge nicht dienenden Sachlage zu rechnen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, geben Triebfahrzeuge, die nicht mit Läuteeinrichtungen ausgerüstet sind, an technisch nicht gesicherten Bahnübergängen mit Läutetafeln mehrmals Pfeifsignale. Dies läßt die Eisenbahnsignalordnung ausdrücklich zu. Von einer Beeinträchtigung der Sicherheit kann daher in solchen Fällen nicht gesprochen werden. Es hat sich gezeigt, daß Pfeifsignale besser als Läutesignale wahrgenommen werden. Die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt daher, die hörbaren Signale vor Bahnübergängen künftig nur noch als Pfeifsignale zu geben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Halfmeier.
Herr Staatssekretär, bedeutet das, daß die jetzt immer noch stehenden Läutetafeln stehenbleiben und nicht beseitigt und ersetzt werden sollen durch andere Zeichen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Doch, sie werden im Zuge der Betriebsmodernisierung ersetzt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Halten Sie es wirklich für ausgeschlossen, daß das Zugpersonal dadurch verunsichert wird, daß es durch Tafeln zum Läuten aufgefordert wird, man aber nur die Möglichkeit zum Pfeifen hat? Dadurch könnte sich doch die Unfallgefahr erhöhen.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege. Die einschlägigen Bestimmungen für das Bahnpersonal sind so klar gefaßt und die entsprechende Ausbildung erfolgt so genau, daß eine solche Verwechselung ausgeschlossen erscheint.
Keine Zusatzfrage. Die Fragen 54 und 55 werden auf Antrag der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Arnold auf:
Hält die Bundesregierung die Übernahme der in Frankreich geplanten Regelung für nützlich, wonach Autoreifen mit Farbeinlagen, die bei einem Millimeter Profiltiefe sichtbar werden, obligatorisch sein sollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung strebt das gleiche Ziel an, nämlich das Erreichen der Abfahrgrenze bei Reifen sichtbar zu machen, ohne sich allerdings dabei auf die Farbkennzeichnung als einen von mehreren technischen Lösungswegen festzulegen. Durch eine in Vorbereitung befindliche Änderungsverordnung soll in den § 36 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung die Bestimmung eingefügt werden:
Das Erreichen der Abfahrgrenze muß bei Reifen mit Standard-Straßenprofil für Personenkraftwagen und Krafträder angezeigt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann kann man mit einer solchen Regelung, wie Sie sie ankündigen, rechnen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich nehme an, daß in einigen Monaten die entsprechenden Vorbereitungen abgeschlossen werden können. Es handelt sich da auch um technische Besprechungen mit der Industrie. Sie wissen ja, daß durch eine solche Kennzeichnung kein neues Gefahrenmoment im Straßenverkehr durch abgefahrene Reifen auftreten darf. Bei der Farbkennzeichnung besteht nach den heutigen technischen Erkenntnissen eventuell die Gefahr, daß Reifenstücke abplatzen und damit die Fahrsicherheit noch weiter herabgemindert wird.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Farbkennzeichnung, die ich für eine besonders wirksame Maßnahme halte, in Ihre Prüfung einzubeziehen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Selbstverständlich. Nur sind bis jetzt nach Meinung der Fachleute die Nachteile größer als die Vorteile. Deshalb haben wir uns nicht auf diese besondere Art der Kennzeichnung festlegen können.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Wittmann ({0}) auf:
Hält es die Bundesregierung für unvermeidbar, daß fristgerecht eingereichte Anträge auf Bundeszuwendung zur Forderung des kombinierten Verkehrs und des Gleisanschlußverkehrs abgelehnt werden mit Hinweis auf das Ende 1972 auslaufende Programm?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Frau Präsidentin, ich wäre sehr dankbar, wenn ich die Fragen 57 und 58 gemeinsam beantworten könnte.
Ich rufe auch die Frage 58 des Abgeordneten Wittman ({0}) auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, daß solche betrieblichen Investitionen, die der Deutschen Bundesbahn zugute kommen und die Verkehrsbelastung der Straßen abbauen, auch in Zukunft gefördert werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Das überaus rege Interesse, das dem Investitionshilfeprogramm der Bundesregierung von Beginn an entgegengebracht wurde, hat bis zum Schlußtermin für die Annahme neuer Anträge zu einer Vielzahl förderungswürdiger Vorhaben geführt, die das vorgesehene und begrenzte Finanzvolumen spürbar überschreiten. Anträge, die relativ spät gestellt und deshalb nur mit Vorbehalt angenommen wurden, können daher bei der Vergabe der Restmittel im Jahre 1972 keine Berücksichtigung mehr finden.
Die Bundesregierung beabsichtigt in diesem Zusammenhang nicht, das Förderungsprogramm für den kombinierten Verkehr und den Gleisanschlußverkehr zu verlängern und weitere Mittel hierfür bereitzustellen. Angesichts dringenderer Aufgaben im Verkehrsbereich hält es die Bundesregierung nicht für vertretbar, eine zeitlich begrenzte Maßnahme fortzusetzen, die von vornherein nur als Starthilfe konzipiert war und ihren verkehrspolitischen Zweck inzwischen weitgehend erreicht hat. Im übrigen hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Programm nur unter der Bedingung zugestimmt, daß die Förderung der vorgesehenen Vorhaben auf die Jahre 1969 bis 1972 beschränkt bleibt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, daß die Bundesbahn für diesen Zweck Mittel bereitstellt, um wenigstens die eingereichten Anträge behandeln zu können?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, nach den gesetzlichen Vorschriften muß ich es der Unternehmensentscheidung der Bundesbahn überlassen, ob sie Gleisanschlüsse aus ihrem Investitionsbereich fördert. Das wird sie immer dann tun, wenn sie sich von der Schaffung eines solchen Gleisanschlusses langjährige Kundenverbindungen, die geschäftlich sehr attraktiv sind, versprechen kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden die beiden im Verkehrsministerium vorliegenden Anträge der Bundesbahn zurückgegeben, und beabsichtigt das Verkehrsministerium, der Bundesbahn eine diesbezügliche Empfehlung zu geben?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege. Wir können nicht empfehlen. Es handelt sich um die Ausschöpfung der unternehmerischen Verantwortung des Vorstandes der Bundesbahn. Aber die Antragsunterlagen sind selbstverständlich auch der Bundesbahn bekannt. Die darin aufgestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden durch die Bundesbahn geprüft. Es ist selbstverständlich davon auszugehen, daß dort, wo vielleicht in den nicht berücksichtigten Anträgen noch attraktive Fälle stecken könnten, die Bundesbahn aus ihrer Verantwortung unternehmerisch tätig wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß das Gesamtprogramm etwa 250 Millionen DM jährlich vorsah, und wieviel Mittel müssen in den Haushalt 1972 eingestellt werden, um das Gesamtprogramm zu erfüllen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß das Antragsvolumen - ich sage das jetzt einmal ganz grob, weil ein Teil der Anträge noch nicht im einzelnen geprüft ist - die vorhandenen Mittel um fast 1 Milliarde DM überschreitet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bei der Prüfung der noch vorhandenen Anträge nach dem bisherigen Modus vorgehen, also die Anträge nach dem Eingang behandeln, oder wird sie jetzt die Wertigkeit für das Transportaufkommen bei der Bundesbahn berücksichtigen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege, wir müssen dasselbe Verfahren beibehalten, das wir in den vorhergehenden Jahren bei diesem Programm angewandt haben. Sonst könnte uns mit Recht der Vorwurf gemacht werden, daß hier unterschiedliche Chancen für die Antragsteller eröffnet würden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Bemühungen kommunaler Körperschaften und politischer Gremien in Gemeinden an stark befahrenen Bundesstraßen, wegen der unerträglichen Lärmbelästigung den schweren LKW-Fernverkehr während der Nachtstunden zeitweilig zu untersagen und auf parallel verlaufende Autobahnen zu verlegen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Frau Präsidentin, ich bitte, die
Fragen 59 und 60 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Ich rufe auch die Frage 60 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eindeutige Vorschriften zu erlassen, nach denen Straßensperrungen zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner vorgenommen werden können?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung beurteilt die Bemühungen positiv, den schweren Lkw-Verkehr nachts auf solche Straßen zu verlegen, wo er sich nicht störend auf die Nachtruhe der Anwohner auswirkt. Eindeutige Rechtsvorschriften, die das ermöglichen, gibt es bereits. Es ist der § 45 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung. Die Bestimmung gilt seit dem 1. März dieses Jahres.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dann den Sachverhalt, daß nach der Straßensperrung durch den Hessischen Wirtschaftsminister nach § 45 der Straßenverkehrs-Ordnung von den betroffenen Verbänden ein Prozeß angestrengt wurde?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich kann nur vermuten, daß gewisse juristische Unkenntnisse über die heute gegebene Lage bestehen.
Ich nehme an, Sie meinen den Verband für Güterfernverkehr. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein solcher Prozeß unter Berufung auf diese Bestimmung in dem von Ihnen genannten Fall Erfolg hätte.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Liegt der Bundesregierung ein Erfahrungsbericht über das Ergebnis der ersten Stufe bei der von ihr genehmigten stufenweisen Auflösung von sechs Bundesbahndirektionen vor, nachdem die Deutsche Bundesbahn zum 1. Januar 1972 zur Stute zwei übergeht und mit der Auflösung weiterer Direktionen beginnt?
Herr Kollege, die Antwort lautet: Nein. Ein derartiger Bericht ist nach dem Genehmigungserlaß vom 4. August 1970 zwar nicht vorgesehen, der Bundesminister für Verkehr hat aber die Deutsche Bundesbahn um einen entsprechenden Bericht gebeten. Er ist dem Bundesminister für Verkehr für die nächste Zeit zugesagt worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hätte die Deutsche Bundesbahn dann nicht zunächst einmal die Prüfung des Berichtes abwarten müssen, bevor sie die zweite Stufe verwirklicht und mit der Auflösung von Direktionen beginnt?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, sie hätten den Bericht nicht abwarten müssen. Sie kennen ja ganz genau den Hergang, Herr Kollege. Im Rahmen des Genehmigungserlasses kann der Vorstand der Deutschen Bundesbahn nach den entsprechenden Bestimmungen handeln. Es gibt keinen Anlaß anzunehmen, daß die Rationalisierung innerhalb der Deutschen Bundesbahn verlangsamt werden müßte.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach durch die zuständigen Behörden Weisungen bzw. Empfehlungen ergangen sind, daß Rastplätze an Bundesautobahnen und Bundesstraßen nicht mehr nach mittel- und ostdeutschen Städten und Landschaften benannt werden dürfen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung ist im Jahre 1967 zu der Auffassung gelangt, daß die Aktion zur Benennung von Rastplätzen an Bundesautobahnen nach ostdeutschen Städten einen ausgewogenen Stand erreicht hatte und deshalb nicht weiter ausgedehnt werden sollte. Aus diesem Grunde hat der Bundesminister für Verkehr den obersten Straßenbaubehörden der Länder damals geschrieben, daß von weiteren Benennungen nach ostdeutschen Städten Abstand genommen werden könne.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Aufrechterhaltung der seinerzeitigen Regelung gerade in der heutigen Zeit einer besonders aktiven Diskussion im Zuge der neuen Ostpolitik für tragbar, oder wäre es nicht angebrachter, diese Regelung noch einmal zu überdenken und aufzuheben?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich kann absolut keinen Zusammenhang zwischen Ihrer Frage und dem Gedankengang sehen, den Sie in Ihrer Zusatzfrage zum Ausdruck gebracht haben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich dann Ihre Antwort auf meine schriftlich eingereichte Frage so auffassen, daß wenigstens die bereits mit Namen aus Ost- und Mitteldeutschland ausgestatteten und gekennzeichneten Rastplätze in der Bundesrepublik Deutschland unverändert beibehalten werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Aber natürlich.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Kiechle auf:
Trifft es zu, daß eine Reihe von begonnenen größeren Straßenbaumaßnahmen in Bayern im Jahre 1971 stillgelegt werden mußten, und welche Auswirkungen trat das auf das Jahr 1972?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es trifft zu, daß infolge der Kostensteigerung im Straßenbau einige größere Bauprojekte an Bundesstraßen in Bayern im Jahre 1971 nicht programmgemäß weitergeführt werden konnten. Der Haushaltsentwurf 1972 sieht vor, daß diese Projekte bis auf wenige Ausnahmen fortgeführt werden sollen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, um wie viele Projekte handelt es sich, die 1972 nicht fortgeführt werden sollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Das kann sich nur um einige Projekte handeln. Ich muß aber darauf hinweisen, daß der Haushalt dem Hohen Hause noch nicht vorliegt. Ich muß mir deshalb vorbehalten, auf die einzelnen Projekte einzugehen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Feststellung zustimmen, daß es angesichts der Tatsache, daß die Auftragslage bei den Unternehmen im Straßenbau rückläufig ist, sinnvoll wäre, wenigstens den Versuch zu machen, derartige Baumaßnahmen - wenn auch nur schrittweise - zusätzlich zu genehmigen und mehr Mittel dafür freizugeben?.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, damit kommen Sie schon auf Ihre zweite Frage zu sprechen. Wenn Sie, Frau Präsidentin, einverstanden sind, möchte ich die Frage 64 beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 64 auf:
Trifft es zu, daß in Bayern im Jahre 1972 keine neuen größeren Projekte angefangen werden können, und falls nein, welche werden begonnen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Finanzsituation im Bundesfernstraßenbau läßt es voraussichtlich nicht zu, daß in Bayern im Jahre 1972 Projekte größeren Umfanges begonnen werden, da zunächst das laufende Programm finanziert werden muß. Aus8018
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
nahmen sind die B 388 - der Ausbau in Passau -, die B 22 der Neubau von Cham bis Rötz, Teilstrecke Schönthal - und die Verlegung der B 12 bei Kraftisried und Altdorf. Das sind also Projekte, die wir neu beginnen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte ich von Ihnen erfahren, ob Ihr Ministerium die Bedenken der Bauunternehmen im Straßenbau teilt, daß zum Teil sogar Arbeitsplätze wegen der vorhandenen schlechten Auftragslage gefährdet sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es ist uns bekannt, daß da und dort einzelne Einbrüche in die Beschäftigungslage zu verzeichnen sind. Die Bundesregierung bemüht sich nach Kräften, dem durch die Feinsteuerung des Haushalts, sprich: durch die Auftragsvergabe im Bundesfernstraßenbau regional entgegenzuwirken. Ich muß aber darauf hinweisen, daß diese Diskussion noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Haushaltsplanentwurfs der Bundesregierung durch das Hohe Haus steht und daß im Zusammenhang mit dem Haushalt ja eventuell auch über eine Erhöhung der Einnahmen für den Bundesfernstraßenhaushalt diskutiert werden muß.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts Ihrer Antwort auf die Frage 63, daß es sich hier um nicht programmgemäße Preissteigerungen handelt, in der Lage, zu erklären, wann die Bundesregierung in der Lage ist, die vom Herrn Wirtschaftsminister Schiller vor Jahren angekündigte Senkung der Preissteigerungen auf 4, 3, 2, 1 % einzuführen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, selbst wenn Ihre Frage weit über das Thema hinausgeht, das hier zur Diskussion steht, möchte ich Ihnen sagen, daß einer der Gründe für extreme Preissteigerungen im Straßenbau im Raum München einen Hintergrund hat, den auch Sie kennen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jobst.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß im Jahre 1972 in Bayern nur auf drei Bundesstraßen kurze Abschnitte neu begonnen werden, daß aber ansonsten keine Neubaumaßnahme in Angriff genommen wird, und wenn das zutrifft: halten Sie dies im Hinblick auf die dringende Notwendigkeit des Straßenausbaus für in Ordnung?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, wir werden genügend Gelegenheit haben, uns über die dringende Notwendigkeit des Straßenausbaus im Rahmen der Haushaltsdebatte zu unterhalten. Ich bin sehr interessiert, dann die entsprechenden Vorschläge der Oppositionsfraktion kennenzulernen. Aber zum konkreten Fall habe ich hier ausgeführt, daß wir zuerst die begonnenen Projekte weiterführen wollen und daß alle anderen Ankündigungen, die ich hier gemacht habe, unter dem Vorbehalt der Entscheidung des Hohen Hauses über den Haushalt 1972 stehen.
({0})
- Das sind Projekte, die wir mit den bisherigen Mitteln fördern wollen und können, weil sie besonders dringlich sind.
Meine Damen und Herren, die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Ich bedanke mich bei dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Börner.
Ich berufe das Haus auf Donnerstag, den 30. September, 13 Uhr, zu einer Fragestunde.
Die Sitzung ist geschlossen.