Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Fragestunde am 23. September 1970, also fast genau auf den Tag vor einem Jahr, habe ich an die Bundesregierung die Frage gestellt, ob sie bereit sei, Überlegungen anzustellen, -wie den Opfern von Straftaten und Verbrechen dadurch eine wirksame Hilfe gegeben werden könnte, daß man ihnen eine Entschädigung für gesundheitliche und finanzielle Einbußen vor allem
in den Fällen gewährt, wo der Schädiger nicht zu ermitteln oder selbst mittellos ist. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Bayerl meinte damals, daß eine Klärung schwieriger juristischer Fragen vorgenommen werden müsse, ehe ein konkreter Lösungsvorschlag gemacht werden könne; die Regierung wolle aber wegen des offensichtlichen Notstandes auf diesem Gebiet diese Vorbereitungen möglichst beschleunigen.
Am 3. Februar dieses Jahres erkundigte ich mich wieder in einer Fragestunde, welche konkreten Ergebnisse diese Überlegungen gezeitigt hätten. Derselbe Herr Staatssekretär antwortete mir dann - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -:
. . es tut mir leid, daß unser Haus die Prüfung des in Rede stehenden und sehr schwierigen Sachgegenstandes noch nicht abschließen konnte. Die zu klärenden Fragen sind vielfältig und kompliziert. Sie reichen in das Strafrecht, das Strafvollzugsrecht, das Strafprozeßrecht, das private Versicherungsrecht und in das bürgerliche Schadensersatzrecht hinein. Wir haben auch rechtsvergleichendes Material über die Erfahrungen anderer Länder angefordert.
So weit, so gut. Wir haben das zur Kenntnis genommen und nun auf eine wirkliche Beschleunigung dieser Angelegenheit gewartet. Auf meine Frage nach dem Zeitablauf verhieß mir der Herr Staatssekretär dann: „Ich hoffe, daß wir im Laufe der nächsten Monate so weit sein werden" - eine sehr dehnbare Definition des Zeitablaufs. Ich versprach ihm damals, meine Frage zu diesem „späteren Zeitpunkt" zu wiederholen. Eben das geschieht heute mit unserem Antrag Drucksache VI/2420, dem Entwurf eines Gesetzes über Hilfe für Opfer von Straftaten.
Ich will der Regierung nicht unterstellen, daß sie etwa fahrlässig die zugesagten Vorarbeiten verzögert hat. Ich weiß sogar, daß ein Entwurf aus ihrem Schoß demnächst das Licht der Welt erblicken sollte. Aber wir können nicht mehr warten, bis dieser Zeitpunkt wirklich gekommen ist; denn ich meine, nicht die Zeit, sondern die Not drängt. So wollen wir die Geburt dadurch zu beschleunigen versuchen, daß eine Initiative aus dem Parlament selber kommt. Die CDU/CSU-Fraktion legt einen eigenen Gesetzentwurf vor, den zu begründen ich die Ehre habe.
In jedem Jahr werden in der Bundesrepublik bei steigender Tendenz Tausende von Bürgern durch kriminelle Handlungen oder im Straßenverkehr verletzt und erleiden dabei erhebliche Personen- und Vermögensschäden, die in vielen Fällen nicht ersetzt werden, weil der Täter nicht bekannt, unauffindbar oder mittellos ist. Das ist eine sehr nüchterne Darstellung der Tatsachen. Ich könnte sie auch sehr viel mehr emotional mit einzelnen Beispielen darstellen, um die Notlage auf diesem Gebiet deutlicher zu machen. Eine Illustrierte hat vor einem Jahr eine ganze Reihe von solchen sehr bewegenden Fällen aufgeführt. Ich will aber darauf verzichten. Nach einer Schätzung werden jedes Jahr rund 38 000 friedliche Bürger niedergeschlagen, überfallen, beraubt, zusammengeschossen. Nach anderen Schätzungen ist diese Zahl noch viel höher, ist es sogar ein Vielfaches dieser Zahl. Aber es kommt hier nicht darauf an, über die Richtigkeit von Zahlenangaben zu streiten. Ich meine, es wäre schon schlimm genug, wenn es auch „nur" tausend Opfer wären. Sie wären unserer Hilfe ebenso bedürftig wie diese große Zahl von Opfern, die wir vor Augen haben.
Wir denken aber nicht nur an die Opfer. Das gleiche, was ich gesagt habe, gilt auch für die Lage der Hilfeleistenden in Notfällen, wobei zur Hilfeleistung ja eigentlich jedermann kraft Gesetzes verpflichtet ist.
Wir sind der Meinung, da der Staat die Pflicht hat, seine Bürger vor strafbaren Handlungen zu schützen, muß er auch für den Schaden des Opfers einer mit Strafe bedrohten Handlung aufkommen, soweit der staatliche Schutz nicht ausreicht, derartige Straftaten zu verhüten. Die englische Begründung für eine schon vorhandene Regelung dieser Tatbestände formuliert:
Der Staat ist und bleibt verantwortlich für den Schaden des Opfers, wenn er nicht imstande war, Verbrechen und ihre Rückfälle zu verhüten.
Auch dem, der den Opfern von Straftaten Hilfe leistet und dabei im wahrsten Sinne des Wortes in Mit leiden schaft gezogen wird, soll nach dem Gesetzentwurf der CDU/CSU staatlicher Beistand gewährt werden. Der volle Schadensausgleich steht nach Ansicht der CDU/CSU diesem Personenkreis schon deshalb zu, weil der Hilfeleistende nicht nur einer allgemein menschlichen Pflicht genügt, sondern auch der Allgemeinheit einen wertvollen Dienst leistet, indem er eine Störung der Ordnung des Gemeinschaftslebens beseitigen hilft und dabei vielfach das Geweinwohl vor größeren Schäden bewahrt. Ich hoffe, daß wir durch eine solche Regelung auch die Bereitschaft verstärken können, dem in Not geratenen Mitmenschen spontan Hilfe zu leisten und nicht nur als unbeteiligter, vielfach sogar sensationslüsterner Zuschauer untätig beiseite zu stehen. Wir haben in dieser Hinsicht gerade in der letzten Zeit ganz erschreckende Beispiele erlebt.
Schließlich sieht unser Gesetzentwurf auch vor, daß die unschuldigen Opfer einer mit Strafe bedrohten Handlung schneller zu ihrem Gelde kommen sollen. Wir möchten daher, daß die Staatsanwaltschaften und Gerichte verpflichtet sind, den Verletzten oder seine Erben auf das Recht hinzuweisen, Entschädigungsansprüche schon im Strafverfahren geltend zu machen. Damit wird erreicht, daß auch der Verletzte, der weder als Zeuge geladen noch sich als Nebenkläger am Strafverfahren beteiligt, seine Rechte wahrnehmen kann. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß wir bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs selber nur allzugut wissen, daß eine Reihe von Hindernissen auf diesem Wege zu nehmen sind. Ich möchte nur einige nennen als Beispiele für viele andere.
Das Adhäsionsverfahren wird problematisch sein, weil es in zahlreichen Fällen gar nicht zum Zuge kommt, z. B. wenn ein Verkehrsdelikt nur durch ein
Bußgeld geahndet wird. Dieser Beispielfall und andere bedeuten aber noch nicht, daß man deswegen auf eine Verbesserung des Adhäsionsverfahrens hätte verzichten sollen. Gerade im Bereich der Verkehrsdelikte wird eine präzise Abgrenzung erforderlich sein. Es gibt hier zwar bereits Regelungen auch für die Fälle, in denen der flüchtige Täter nicht identifiziert werden kann oder in denen ein nicht versicherter Täter mittellos ist, auf der Basis einer Gemeinschaftshilfe der Versicherungswirtschaft. Es wird aber zu prüfen sein, ob diese Regelungen ausreichen.
Es gibt noch weitere Probleme geringerer Ordnung, z. B. einige besonders verwaltungstechnische Probleme bei der RVO, wenn es um die Geltendmachung von Schäden geht. Auch diese müssen und können gelöst werden.
Ich führe diese Beispiele an, um deutlich zu machen, daß auch wir uns bewußt sind, daß wir uns in den Ausschüssen noch den Kopf werden zerbrechen müssen. Dabei hoffen wir mit Sicherheit auf die Hilfe der Koalitionsfraktionen und des Herrn Bundesjustizministers. Ich möchte dabei auf die Aussage des Herrn Staatssekretärs in der eingangs angeführten Fragestunde verweisen. Er sagte damals:
Die grundsätzliche Entscheidung steht eigentlich im politischen Wollen unseres Hauses schon fest.
Ich hoffe, daß der Herr Justizminister diese Aussage nachher bestätigen wird. Es wird also um die Details gehen. Wir wissen auch, daß in den Details der Teufel steckt, aber wir hoffen, diesen Teufel mit gemeinsamen Bemühungen austreiben zu können.
Eine Hilfe werden uns auch die Erfahrungen anderer Länder geben können. Wir wissen z. B., daß England ein Amt für die Entschädigung von Verbrechensopfern mit einem eigenen Fonds kennt, Holland denkt in ähnlicher Richtung. Inzwischen hat sich aber in Holland spontan eine Stiftung gebildet, die Verbrechensopfer unterstützt und die von privaten Spendern gespeist wird.
In der Bundesrepublik - das möchte ich hier dankbar anmerken - gibt es nicht nur Leute, die zur Beseitigung dieser Notstände nach einem Gesetz rufen, sondern die auch schon eine eigene Initiative ergriffen haben, z. B. die kleine Gemeinde Goldbach bei Aschaffenburg, die eine Meldestelle rund um die Uhr eingerichtet hat, wobei Hilfsmaßnahmen für Unfallverletzte und Unfallopfer und ihre Angehörigen koordiniert werden und auf Grund freiwilligen Einsatzes diesen Opfern geholfen wird. Ich glaube, diese privaten Initiativen sollen auch bleiben und sollen konform gehen mit dem, was wir durch dieses Gesetz erreichen wollen. Die spontane Hilfe von Mensch zu Mensch soll also nicht überflüssig gemacht werden, sondern eher angeregt werden.
Wir sind der Überzeugung, daß dieses Gesetz nicht nur zur Beseitigung der Folgen der Kriminalität beitragen, sondern auch die Ursachen für die ständig wachsende Unsicherheit auf unseren Straßen beheben kann, die wir mit allergrößter Besorgnis sehen. Es ist jetzt nicht Aufgabe meiner Begründung, die Frage zu untersuchen, wo die Schuld liegt.
Zum Schluß möchte ich um die Unterstützung des ganzen Hauses für unseren Entwurf auf Drucksache VI/2420 bitten. Ich beantrage die Überweisung an den Rechtsausschuß - federführend - und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie den Haushaltsausschuß mitberatend
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Minister Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hilfe für die Opfer von Straftaten ist ein soziales und ein rechtsstaatliches Problem, das in unserer Zeit immer deutlicher hervortritt und dem die Bundesregierung ganz besonderes Gewicht beimißt. Dieses Problem kann uns nicht weniger wichtig sein als die Reform des Strafrechts, ides Strafvollzuges und des Strafverfahrens. Seine Lösung muß nach Auffassung der Bundesregierung erfolgen, wenn die Reform des Strafrechtes insgesamt überzeugend sein soll. Denn es kann nicht genügen, dem Verbrechen vorzubeugen und es zu bekämpfen; die Gesellschaft muß auch ihre Pflicht erkennen, den unschuldigen Opfern des Verbrechens beizustehen.
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Die Bemühungen um eine Reform des Strafrechts dürfen sich nicht auf den Straftäter und seine Resozialisierung beschränken. Wenn moderne Strafrechtspflege als umfassende Antwort der Gesellschaft auf das Verbrechen begriffen werden soll, dann muß die Gesellschaft auch eine Antwort auf die menschlichen Probleme finden, die das Verbrechen auf der Seite seiner Opfer zurückläßt. Sie sind, wie wir aus zahlreichen Zuschriften und Veröffentlichungen wissen, oft genug tragisch.
Ich habe diese Problematik bereits auf der letzten Justizministerkonferenz im Oktober vergangenen Jahres mit meinen Kollegen aus den Ländern erörtert. Wir, die Justizminister und -senatoren, waren uns völlig einig darin, daß die Entschädigung der Opfer von Straftaten ein dringliches Anliegen der Gesellschaft darstellt. Die Justizministerkonferenz hat mich damals gebeten, die Vorbereitung einer gesetzlichen Lösung in Angriff zu nehmen. Das ist auch unverzüglich geschehen. In meinem Hause sind bereits grundlegende Arbeiten geleistet, verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt und ihre Problematik erörtert worden. Auf dieser Grundlage haben wir schon vor längerer Zeit Besprechungen mit den Bundesressorts geführt.
Von Anfang an war deutlich, daß es sich hier um eine Aufgabe handelt, die nicht im Rahmen der Justiz und der strafrechtlichen Gesetzgebung allein zu bewältigen ist; es handelt sich vielmehr um ein soziales Problem, dessen Lösung im Bereich der Leistungsverwaltung zu suchen sein wird. In der Erkenntnis, daß Ressortgrenzen kein Hindernis für die effektive Lösung eines umfassenden Problems sein dürfen, das uns der soziale Rechtsstaat stellt, ist auf meine Anregung eine besondere interministerielle
Arbeitsgruppe gebildet worden, die ihre Arbeit aufgenommen hat, Gleichzeitig arbeiten auch die Landesjustizverwaltungen im Zusammenwirken mit den Sozialressorts der Länder an der Vorbereitung einer gesetzlichen Lösung mit.
Bei diesem Stand der Dinge kann ich es nur begrüßen, daß auch die Opposition gesetzliche Vorschriften über die Hilfe für Opfer von Straftaten für erforderlich hält. Dieses sozialstaatliche Anliegen hat also die grundsätzliche Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses, so daß wir hoffen dürfen, zu einer brauchbaren Lösung dieses Problems zu kommen.
Allerdings bestehen leider Zweifel, ob die Vorlage dieses Initiativgesetzentwurfs uns in der Sache wirklich weiterbringt. Es finden sich darin zwar Gedanken, die den Ergebnissen unserer bisherigen Erörterungen entsprechen, von einem realisierbaren Konzept ist dieser Entwurf aber noch weit entfernt. Es steht deshalb zu befürchten, daß durch dieses Verfahren das Finden einer Lösung eher erschwert denn gefördert wird.
Lassen Sie mich nur einige sachliche Bedenken herausgreifen. Der vorliegende Gesetzentwurf knüpft an die Unfallversicherung der RVO an. Dieser, in meinem Hause schon seit längerer Zeit erwogene Weg ist naheliegend, wenn man Entschädigung für Körperschäden gewähren will. In diesen Fällen wäre der Leistungskatalog der Reichsversicherungsordnung im großen und ganzen auch für den Ausgleich von Schäden aus Straftaten geeignet. Die Ergänzung des Dritten Buchs der Reichsversicherungsordnung über Unfallversicherung würde sich im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes halten können. Das gilt jedoch nur für eine Lösung, die mit den organisatorischen Mitteln der Sozialversicherung bewältigt werden kann.
Ich will auf die schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen, Eines scheint aber sicher: Auch wenn es im Grundsatz möglich erscheint, die Entschädigung der Verbrechensopfer in der Reichsversicherungsordnung zu regeln, so müßten die systemgerechte Einfügung in dieses umfassende Gesetzeswerk und die verwaltungsmäßige Durchführbarkeit durch die Ausführungsbehörden der Unfallversicherung gewährleistet sein und jedenfalls weiter durchdacht werden, als es der vorliegende Entwurf erkennen läßt.
Die Abgrenzung der entschädigungsfähigen Straftaten, die besonders gründlich überlegt sein will, erscheint mir in dem Entwurf nicht hinreichend erwogen. Die ausnahmslose Erfassung aller Fahrlässigkeitstaten würde dazu führen, daß Opfer von Verkehrsvergehen nach der Reichsversicherungsordnung zu entschädigen wären ohne Rücksicht darauf, ob weitergehende Ansprüche aus einer Pflichtversicherung bestehen. Der Träger der Unfallversicherung müßte leisten und könnte bei der Haftpflichtversicherung Regreß nehmen. Das Verkehrsopfer müßte sich seinerseits wegen seiner Ansprüche, die über die Leistungen nach der RVO hinausgehen - zum Beispiel Schmerzensgeld -, an den Haftpflichtversicherer halten. Durch die Pflichtversicherung für
Kraftfahrzeuge und den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen ist der finanzielle Ausgleich für Opfer von Verkehrsdelikten sichergestellt. Leistungen aus der Unfallversicherung führen in diesen Fällen zu einer zwecklosen Aufspaltung des Entschädigungsanspruchs. Die Rechtslage wird für den Betroffenen dadurch nicht übersichtlicher. Es entsteht vermeidbarer Verwaltungsaufwand, verbunden mit einer erhöhten Kostenlast.
Die Frage der zweifellos beträchtlichen Kosten der Entschädigungsregelung, die nach dem vorliegenden Entwurf die Bundesländer tragen sollen, bleibt nach Ihrem Entwurf völlig offen. Die Frage bedarf aber genauer Prüfung. Die Bundesregierung ist hierzu durch die Haushalts- und Geschäftsordnungsbestimmungen ohnehin gehalten. In meinem Hause sind daher schon frühzeitig die Grundlagen für eine gutachtliche Prüfung der Kosten verschiedener Lösungsmodelle erarbeitet worden. Erst das Vorliegen zuverlässiger Schätzungen des mit den einzelnen Modellen verbundenen Kostenaufwandes wird eine abgewogene Entscheidung des Gesetzgebers zulassen.
Es liegt im Rahmen der Bemühungen der Bundesregierung, die Möglichkeiten der Geschädigten zu verbessern, Ersatz unmittelbar vom Täter zu erlangen. Ob das allerdings durch die vorgeschlagenen Änderungen von Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Adhäsionsverfahren erreicht werden kann, muß bezweifelt werden. Sie haben dankenswerterweise, Frau Kollegin Geisendörfer, mit Recht auf die eigenen Zweifel schon hingewiesen. Sie müssen bitte eine grundsätzliche Problematik in diesem Zusammenhang sehen. Wir bemühen uns, überlegen, prüfen und arbeiten darauf hin, wie wir das Strafverfahren insgesamt beschleunigen können; denn eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine wirksame Verbrechensbekämpfung ist nach meiner Überzeugung eine maßgebliche Beschleunigung des Strafverfahrens. Das Adhäsionsverfahren, über dessen Praktikabilität ohnehin sehr geteilte Auffassungen bestehen, wirkt dem aber eher entgegen, auch wegen der völlig anderen Verfahrensart, die hier hineinspielt, und auch wegen der völlig anderen Zielsetzungen, die damit verfolgt werden. Ob den Betroffenen mit dieser mehr theoretischen Konstruktion eine wirkliche Hilfe gegeben wird, muß mit Fug bezweifelt werden. Ich will damit keine endgültige Entscheidung vorwegnehmen und kann das auch gar nicht tun. Nur muß man sehen, daß das, was im Gesetzeswortlaut zunächst relativ attraktiv wirkt, zumindest in der Praxis sehr sorgfältig bedacht werden muß.
Die Bundesregierung befürwortet eine Verbesserung der Entschädigungsleistungen für Nothelfer. Doch würde sich ein Ersatzanspruch, der den vollen Vermögensschaden sowie den immatriellen Schaden erfaßt, möglicherweise dem System der Sozialversicherung nicht einfügen. Diese und andere Fragen bedürfen noch einer sorgfältigen Prüfung. Wir werden unsere Bemühungen fortsetzen, eine sachlich fundierte und praktikable Lösung zu finden, und wir werden die Ergebnisse unserer Überlegungen alsbald nach Abschluß unserer Vorarbeiten vorlegen,
um eine befriedigende Lösung dieser wichtigen Aufgabe zu ermöglichen.
Ich glaube, die wenigen Hinweise, die ich hier gegeben habe, haben aber eines deutlich gemacht. Es hat keinen Sinn, sich vorzumachen, daß es möglich sei, diese schwierige Frage mit einem schnell zusammengestellten Entwurf und ersten Möglichkeiten zu lösen. Das geht nicht. Wir haben eine Fülle von schwierigen Fragen zu lösen. Wir sind uns darin einig, daß dies ohne Verzug geschehen muß. Wir sind uns ferner darin einig, daß wir erwarten dürfen, daß alle Beteiligten, die dazu einen Beitrag zu leisten haben und einen Beitrag leisten können, im Rahmen der Sozialversicherung, im Rahmen der Länder, ihren Beitrag leisten werden, damit wir schnell zu einem Ergebnis kommen. Ich bin aber überzeugt davon, daß wir uns, wenn wir uns darin einig sind, daß in der Sache den betroffenen Menschen geholfen werden muß - darin sollten wir uns einig sein -, auch darauf verständigen können, daß es auf eine gediegene, tragfähige, für die Zukunft leistungsfähige Lösung ankommt und wir uns gemeinsam darum bemühen müssen, diese in aller Sorgfalt vorzubereiten.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Ziel, bald eine angemessene Entschädigung für die Opfer von Straftaten zu finden, sind sich alle Fraktionen dieses Hohen Hauses einig. Das Problem, um das es hier geht, ist kaum deutlicher und präziser dargestellt worden als von dem italienischen Rechtsphilosophen Del Vecchio. Er schrieb 1944:
Als eine Störung, die nicht nur den geschädigten Einzelnen, sondern alle Glieder derselben Rechts- und Sozialordnung angeht, stellt das Verbrechen für alle eine Mahnung und, in einem gewissen Sinne, ein Sühnopfer dar. Die Mahnung aber ist um so gewichtiger und verlangt eine um so nachdrücklichere Beachtung, je weniger es möglich ist, von dem Schuldigen den unmittelbaren Ersatz des Schadens zu verlangen. Es ist nicht unangebracht, dann an eine Art Ersatzpflicht zugunsten des Verbrechensopfers zu denken, die in einem solchen Fall auf der Gesellschaft ({0}) lastet. Wenn es auch im gegenwärtigen Abschnitt der gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklung übertrieben erscheint, hier von einer Ersatzpflicht im eigentlichen Sinne zu sprechen, so kann man wenigstens eine Verpflichtung zur Hilfeleistung annehmen, in der sich zugleich die Anerkennung des Schuldanteils an dem Geschehen der Straftat ausdrückt, der die ganze Gesellschaft trifft.
Dieses Zitat, in dem vom „Schuldanteil" der Gesellschaft die Rede ist, umreißt Aufgabe und Möglichkeiten des Staates meines Erachtens besser als der gar zu einfache Satz: Der Staat, der es nicht fertigbringt, seine Bürger vor Straftaten zu schützen,
hat wenigstens die Opfer angemessen zu entschädigen.
Wir sind uns - ich sagte es schon - im Ziel einig. Aufgabe der Politiker ist es aber darüber hinaus, den besten Weg zum Ziel zu finden. Das ist bisher noch nicht gelungen, obwohl ich mir habe sagen lassen, das Problem sei bereits im Gesetzbuch des Hammurabi angesprochen worden. Dort mußte die Gemeinde des Tatorts die Opfer eines Raubs entschädigen, eine Lösung, die bei der heutigen Mobilität und Motorisierung der Diebe und Räuber nicht mehr als völlig gerecht erscheinen kann. Bei den Vorarbeiten für die Lösung haben die Zuständigen in Bund und Ländern nicht geschlafen. Die Probleme sind gesehen und angepackt worden, auch Probleme, die vorhanden sind, aber weder aus dem Entwurf noch aus der Begründung zum Entwurf der Opposition hervorgehen.
Ich muß sagen, die Juristen der Opposition, die diesen Entwurf ausformuliert haben, haben ihn mit einer so rotglühendheißen Nadel genäht, daß sie eigentlich noch heute mit der Brandbinde an der rechten Hand herumlaufen müßten.
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Unser Recht macht es der Opposition leicht, der Regierung in der Fixigkeit über zu sein. Aber das sollte nicht so sehr auf Kosten der Richtigkeit - und das heißt bei Gesetzen: der Richtigkeit und Vollständigkeit - gehen.
Meine Damen und Herren, für den eben erhobenen Vorwurf bin ich beweispflichtig. Wir werden zu prüfen haben, ob dieser Entwurf, über den wir diskutieren, das Problem rechtlich richtig einordnet, ob er eine praktikable Durchführung vorschlägt und ob er kostenmäßig tragbar ist.
Ist der Entwurf richtig rechtlich eingeordnet?
Hier ist zunächst zu fragen: Steht dem Bund mit aller Sicherheit die Gesetzgebungsbefugnis zu? Fällt es noch unter den Begriff „Sozialversicherung", wenn zwar Art und Höhe der Leistungen den Grundsätzen der Sozialversicherung entsprechen, man aber entgegen den Grundsätzen unserer Sozialversicherung zur Mittelaufbringung die Länder verpflichtet? Die Frage ist ungelöst und im Entwurf und in der Begründung nicht angesprochen.
Ferner: Steht es endgültig und völlig zweifelsfrei fest, daß der Weg über die Unfallversicherung der allein richtige ist? Sind hier die jüngsten Auslandserfahrungen bereits mit verwertet worden? Es gibt auch andere Schadenstatbestände, z. B. bei Katastrophen oder höherer Gewalt, die mit Unfall etwas zu tun haben. Führen wir nicht hier zunächst prinzipielle Diskussionen und die Berufung auf Präzedenzfälle herbei, die uns der Lösung dieses Spezialproblemes nicht ganz so schnell näherbringen?
Ferner ist zu fragen: Ist die Abgrenzung auf Entschädigung nur für Körperschäden in der Regel oder allein die richtige Abgrenzung?
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Der leichte Körperschaden eines Millionärs - da sind wir uns einig, Frau Geisendörfer - kann für
ihn leichter zu verkraften sein als der Vermögensschaden einer Witwe, der auf dem Weg vom Postamt, wo sie die Rente abgeholt hat, ihre Monatsrente geraubt wird?
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Auch das wäre zumindest noch zu überlegen.
Wir haben zu fragen: Ist die Durchführung nach diesem Entwurf praktikabel?
Hier isst erstens zu fragen: Kann man bei der Entschädigung für die Opfer von mit Strafe bedrohten Handlungen alle Straftaten über einen Leisten schlagen, vom Mord bis zur fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr? Genügt nicht möglicherweise die subsidiäre Haftung des Staates bei Fahrlässigkeitstaten, gegen die der Schädiger pflichtweise - wie im Straßenverkehr - oder üblicherweise - wie im Bauwesen - versichert ist? Erfordern nicht die Pflichtversicherung und die bei Fahrerflucht eintretende Verkehrsopferhilfe Sonderregelungen für Straßenverkehrsunfälle?
Wie steht es - und darüber sagt der Oppositionsentwurf kein Wort mit den persönlichen und dem sachlichen Geltungsbereich? Wer soll entschädigt werden, auch der Deutsche, der im Ausland Opfer einer Straftat geworden ist, oder nur Deutsche bei Straftaten im Inland, oder auch der Gastarbeiter, der im Inland Opfer einer Straftat wird, oder auch ein im Inland geschädigter ausländischer Tourist? Bonner Spezialproblem: Wie ist es bei Unfällen, die von Exterritorialen verschuldet werden? Über diese Fragen steht im Entwurf nichts.
Es steht ferner nichts im Oppositionsentwurf über das Problem des Rückgriffs auf den Schädiger, des Regresses, wie die Juristen sagen. Hier ergibt sich ein möglicher Zielkonflikt zwischen dem Anspruch auf Schadenswiedergutmachung durch den Schädiger und dem Strafzweck der Resozialisierung, der genau überlegt werden muß.
Wie ist es, frage ich ferner, mit dem Problem der Bagatellgrenze, an das man hätte denken können, nachdem das Problem im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen angesprochen worden ist?
Wie steht es mit dem Verhältnis dieser Entschädigung zu anderen finanziellen Leistungen, mit dem was die Juristen die Konkurrenzen nennen? Wie soll sich diese Entschädigung neben Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten verhalten, neben normalen Unfallrenten, wenn etwa ein Arbeiter auf dem Heimweg von der Arbeit Opfer einer Straftat wird, wie neben Leistungen der Lebensversicherung, wie neben Beamtenpensionen, wie neben der Kraftfahrzeughaftpflicht und wie neben der Buße an den Verletzten, die bei Körperverletzungen nach § 231 des Strafgesetzbuches möglich ist? Der Entwurf gibt zu diesen Fragen Fehlanzeige.
Nächste Frage: Sind nach diesem Entwurf nicht junge Opfer benachteiligt? Das Gesetz über die Unfallversicherung für Schüler und Studenten hat in § 575 der RVO eine bessere Rentenberechnung insbesondere für Kinder und Jugendliche gebracht. Die
Opposition hat diese Leistung dieser Koalition souverän mißachtet.
Nächste Frage: Können Träger der Eigenunfallversicherung der Länder, die diese Entschädigung berechnen und zahlen sollen, Ermittlungen zur Schadensursache überhaupt anstellen, können sie die Schuldfrage bei einem Verkehrsunfall, können sie das Mitverschulden bei einer Messerstecherei feststellen? Die Antwort muß lauten: Das können sie nur, wenn sie von Polizei und Justiz verbindliche Auskünfte erhalten; und wenn sie diese erhalten sollen, muß es im Gesetz stehen.
Nächste Frage: Kann man die Durchsetzung des zivilen Schadenersatzanspruches im Strafverfahren, den Adhäsionsprozeß, der als theoretische Darstellung im Gesetz schlummert, aber in der Praxis nicht angewandt wird, durch dieses Gesetz wiederbeleben?
Zur Frage, ob der Entwurf kostenmäßig tragbar ist, sagt das Vorblatt des Oppositionsentwurfs lapidar folgendes:
Über die Kosten kann keine verbindliche Aussage gemacht werden, denn es liegen keine statistischen Unterlagen über die Zahl der in Betracht kommenden Personen und den Schadensumfang vor.
Hier frage ich ebenso höflich wie indiskret: Hat die CDU/CSU für ihren Entwurf bereits die Zustimmung der ihren Parteien angehörenden Landesfinanzminister gefunden? Ich bin nicht sicher, ob das der Fall ist.
Meine Damen und Herren, wir sind uns im Ziel einig, aber dieser Entwurf ist kein brauchbarer Reiseführer, um dieses Ziel zu erreichen. Man muß sich fragen, ob die Veröffentlichung dieses unvollständigen Entwurfs in diesem Zeitpunkt bei den Betroffenen nicht in erster Linie Hoffnungen auf schnelle Verwirklichung erweckt, Hoffnungen, die angesichts der Komplexität des Problems nicht so schnell wie gewünscht verwirklicht werden können. Der Opposition ist für eines zu danken, nämlich dafür, daß sie dieses Problem heute zur parlamentarischen Diskussion gestellt hat; aber ich frage: Mußte das im Rahmen der ersten Lesung dieses so unvollständigen, mit heißer Nadel genähten Gesetzentwurfes sein? Wäre dieses Thema bei seiner Wichtigkeit und Dringlichkeit, aber auch bei dem derzeitigen Stand der Vorarbeiten nicht viel besser ein Thema für eine Große Anfrage und für eine Diskussion darüber in diesem Hohen Hause gewesen?
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Präsident von Hassel: Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits von dem Herrn Bundesjustizminister und vom Herrn Kollegen Dürr eingehend vorgetragen worden - und dem schließen wir Freien Demokraten uns an -,
daß wir alle an und für sich im Ziel das gleiche wollen, was von seiten der Opposition dargelegt wurde. Frau Kollegin Geisendörfer, das Problem, wie man gegebenenfalls den Opfern von Verbrechen helfen könnte, wurde auch schon in unserem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform in der letzten Legislaturperiode angesprochen. Und zwar ging es damals vor allen Dingen um zwei Fragen, die sich dabei stellten. Von den Praktikern wurde uns mitgeteilt, daß Geschädigte, insbesondere bei Vermögensdelikten, Betrügereien - es sind ja nicht nur Verbrechen mit körperlichen Schäden angesprochen -, vielfach gar nicht davon unterrichtet werden, wann das Hauptverfahren gegen den Betrüger, gegen den Schädiger stattfindet. Damals wurde eigentlich ziemlich einstimmig zum Ausdruck gebracht, man solle das Strafverfahren so ändern, daß auf alle Fälle die Opfer von der Durchführung des Hauptverfahrens unterrichtet werden. Damit hängt natürlich auch das andere Problem zusammen, das von Ihnen angesprochen wurde: und zwar soll dieses geschehen, damit sie in dem sogenannten Adhäsionsverfahren schon gleich ihre Schadenersatzansprüche geltend machen können. Sie können es heute schon, wenn sie wissen, wann das Hauptverfahren durchgeführt wird. Aber ich darf Ihnen in aller Offenheit sagen: ich als Rechtsanwältin habe niemals, obwohl ich natürlich diese Möglichkeit sehr genau kannte, ein Adhäsionsverfahren angestrengt, wenn mein Mandant ein Opfer eines Verkehrsunfalles gewesen ist. Und zwar warum? Weil im Strafverfahren die Schuld gegebenenfalls anders beurteilt werden kann als bei den Schadenersatzansprüchen, weil für meinen Mandanten die Verfolgung seiner Ansprüche im zivilrechtlichen Verfahren schon verfahrensmäßig wesentlich günstiger ist, als in dem Adhäsionsverfahren. Daß das Adhäsionsverfahren reformbedürftig ist und überprüft werden muß, darüber war man sich einig. Aber ich habe Bedenken, ob man das jetzt lediglich unter diesem einen Gesichtspunkt, den Sie hier bringen, machen sollte. Man darf dabei nicht übersehen, daß sich das Adhäsionsverfahren als solches in die Gesamtreform unseres Strafverfahrens einordnen muß. Ich kann insofern auf das verweisen, was vom Herrn Bundesjustizminister mit aller Eindringlichkeit vorgetragen wird. Wir versperren uns gegebenenfalls eine grundsätzliche, von größeren Gesichtspunkten getragene Reform, wenn man immer nur, wo einem bei einem aktuellen politischen Problem ein einzelner Punkt aufstößt - ob das im materiellen Recht oder im Verfahrensrecht ist -, diesen einzigen Punkt herausgreift. Deshalb habe ich Bedenken, jetzt das Adhäsionsverfahren mit einzubeziehen.
Vom Herrn Kollegen Dürr ist mit aller Eindringlichkeit auch darauf hingewiesen worden - in spezialisierter Ergänzung dessen, was der Herr Bundesjustizminister vorgetragen hat -, man möge überlegen, ob nun die Lösung, die vorgeschlagen wird - über die RVO -, gerade das Richtige ist. Frau Kollegin Geisendörfer, ich war eigentlich etwas überrascht, als ich Ihre Vorlage bekam. Man muß sich nämlich überlegen: was ist der Sinn unserer gesamten RVO, und paßt dies denn wirklich in dieser Form hinein?
Es ist auch an andere Dinge zu denken. Von Herrn Kollegen Dürr ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß, soweit schon gesetzliche Versicherungen bestehen - sei es im Verkehrsrecht durch die gesetzliche Haftpflichtversicherung, sei es sonst -, doch schon ein gewisser Schutz vorhanden ist. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu: es gibt auch in dieser Beziehung Fälle, in denen der Versicherungsschutz nicht ausreicht, um den Opfern die entsprechende Genugtuung für den Schaden, den sie erlitten haben, zuteil werden zu lassen. Aber man kann daran nicht vorübergehen. Ich will nicht das wiederholen, was Herr Kollege Dürr in dieser Hinsicht an einzelnen Fragen, die sich stellen, aufgezählt hat. Ich teile im vollem Umfang seine Bedenken.
In Ergänzung dessen möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen. Hier möchte ich auch einmal den Versicherungsgesellschaften einen Dank aussprechen, weil sie das Problem von sich aus, also ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein, aufgegriffen und einen Entschädigungsfonds für die Opfer der Täter gebildet haben, die infolge Unfallflucht nicht ermittelt werden können. Das muß man anerkennen. Dabei müssen Sie bedenken, daß solche Entschädigungen natürlich durch die Beiträge der anderen Versicherungsnehmer mitfinanziert werden.
Aber das Problem liegt nicht nur bei den Verkehrsopfern. Es liegt vor allen Dingen auch bei den anderen Opfern, wo die körperlichen Verletzungen gegebenenfalls außerordentlich schwer sind und der Täter, weil er wegen seiner schweren Schuld eine sehr hohe Strafe bekommt, während des heutigen Strafvollzugs keine Möglichkeit hat, den berechtigten zivilrechtlichen Ansprüchen gerecht zu werden.
Der Herr Bundesjustizminister hat auf den Zusammenhang nicht nur mit dem formellen und dem materiellen Strafrecht, sondern auch mit Recht auf die anderen Probleme hingewiesen, die durch den Strafvollzug entstehen. Im Zusammenhang mit der Reform des Strafvollzugs hat auch bei der Strafvollzugskommission immer wieder eine Rolle gespielt, daß man während des Strafvollzugs dem Strafgefangenen durch eine bessere Entlohnung seiner Arbeit die Möglichkeit geben müsse, seinen zivilrechtlichen Verpflichtungen gegenüber seinem Opfer nachzukommen. Ich halte das für ganz wichtig, vor allen Dingen deshalb, weil damit doch immer wieder die Veranwtortlichkeit desjenigen besonders klar herausgestellt wird, der den Schaden tatsächlich hervorgerufen hat.
Ich will auf all die anderen Probleme nicht eingehen. Ich erwähne aber noch, daß z. B. Herr Kollege Dürr mit Recht die Frage aufgeworfen hat - sie spielt gerade auch in der Sozialversicherung eine Rolle -, wie es denn mit dem Regreß steht.
Ich glaube, Frau Kollegin Geisendörfer, auch Sie haben gesehen, daß die Entschädigung der Opfer von Verbrechen doch - ich muß sagen: leider - eine Fülle von Problemen aufwirft. Aber ich bin davon überzeugt, daß wir, Regierung und Opposition, uns mit dieser Problematik in einer sehr sachlichen Weise auseinandersetzen werden. Ich
würde mich freuen, wenn es gelingt, dabei zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, die von allen getragen werden.
Zum Abschluß möchte ich noch auf etwas hinweisen, was im Zusammenhang mit der Strafrechtsreform in der letzten Legislaturperiode steht. Bei den Beratungen seinerzeit ging es darum, wohin die Geldstrafen gezahlt werden sollen. Sie werden ja, wenn das zweite Strafrechtsänderungsgesetz mit dem Tagesbußensystem in Kraft tritt, erheblich höher sein. Es kommen dann erheblich höhere Beträge auf als zur Zeit. Damals brachte ich den Gedanken vor - vielleicht kann man ihn auch in diesem Zusammenhang erörtern -, ob man nicht bei den Stellen, die wir als Empfänger derartiger Geldstrafen aufgezählt haben, einen Fonds für die Entschädigung von Opfern von Vergehen und Verbrechen schaffen sollte. Weiterhin wurde mit Recht darauf hingewiesen, gerade auch von Ihnen Frau Kollegin, daß England schon eine Lösung mit einem Fonds für die Opfer der Verbrechen gefunden hat und daß Holland daran arbeitet. Man ersieht daraus, daß es wie bei vielen Rechtsfragen, die heute anstehen, ein internationales Problem ist.
Eine Große Anfrage, die von Herrn Kollegen Dürr vorgeschlagen wurde, wäre natürlich besser geeignet gewesen, die Problematik in einem größeren Umfang darzustellen, als es jetzt bei der ersten Lesung, in der nur über Grundsätze gesprochen wird, geschehen kann.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das einzige, was wir nach dieser Aussprache in der ersten Lesung an Übereinstimmung in diesem Hause feststellen können, ist das Bekenntnis dazu, daß es sich hier um ein Anliegen handelt, das angegangen werden muß. Damit ist im Augenblick Schluß in der Sache. Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, welche Gedanken mich bei dem beschlichen haben, was der Herr Bundesjustizminister hier ausgeführt hat, und welche Gedanken mich auch bei dem beschlichen haben, was von den Kollegen der Koalition hier in erster Lesung vorgetragen worden ist.
Herr Bundesjustizminister, selbstverständlich handelt es sich hier um eine schwierige und komplexe Materie. Selbstverständlich muß das alles sehr sorgfältig geprüft werden, und selbstverständlich bedarf es hier zeitraubender Untersuchungen. Selbstverständlich handelt es sich hier um Fragen, die nicht nur in Ihrem Ressort, sondern auch in anderen Ressorts eine Rolle spielen. Ich frage mich nur: Seit wann ist das bei Ihnen so? Wir haben Gesetzentwürfe von Ihnen bekommen, bei denen wir nicht den Eindruck hatten, daß es Ihnen auf die letzte Perfektion, auf die sogenannte gute Lösung ankam. Wir haben Gesetzentwürfe bekommen, hinsichtlich derer wir durchaus der Auffassung waren, daß sie, weil ein bestimmtes Anliegen gesehen wurde und weil dieses Anliegen schnell angegangen werden sollte, zusammengestoppelt worden ist, um möglichst bald in die parlamentarische Beratung hineinzukommen.
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- Herr Kollege Wehner, wir haben diesen Entwurf bei uns mindestens mit der gleichen Sorgfalt vorbereitet und fertiggestellt, mit der mancher Entwurf im Bundesjustizministerium fertiggestellt worden ist. Das möchte ich hier nur sagen.
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Ich möchte hinzufügen, daß mancher schlechte Entwurf, der aus dem Bundesjustizministerium in den Ausschuß gelangt ist, sehr viel besser aus dem Ausschuß herausgekommen ist. Das zeigt, daß die parlamentarische Beratung offenbar auch ihren Wert hat und daß sie in der Lage ist, ,ein Verfahren - auch zeitlich - zu fördern, eben dadurch, daß auch im Ausschuß mit Sachverstand und mit Sorgfalt an die Beratung herangegangen wird. Ich erinnere an Gesetzentwürfe, bei denen die Bundesregierung ja mit sehr großem Anspruch aufgetreten ist. Denken wir an die Nationale Stiftung für das behinderte Kind. Wir kennen das Schicksal dieses Entwurfs. Herr Bundesjustizminister, denken wir etwa auch an das Haftentschädigungsgesetz, das ja erst durch die Beratungen im Ausschuß zu einem praktikablen Gesetz geworden ist.
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Ich frage mich, warum eigentlich bei diesem Entwurf jetzt plötzlich gesagt wird: Wir wollen erst dann einen Entwurf vorlegen, wenn wir eine gute Lösung anbieten können. Ich habe den Eindruck, daß diese Bundesregierung sonst in vielen Dingen sehr viel bescheidener in den Ansprüchen an sich 'selbst ist. Das Prädikat „gut" stellt sie doch heute nur noch in den ,allerwenigsten Fällen als Anspruch an das, was aus ihren Reihen vorgelegt wird.
Herr Bundesjustizminister, Sie haben gesagt: Bei Runs wird mit Eifer und mit Nachdruck an dieser Sache gearbeitet. Sie haben ja dankenswerterweise eine Übersicht über das geliefert, was an Gesetzgebungsvorhaben von Ihnen noch in dieser Legislaturperiode geplant ist. Jetzt die Frage an Sie: Wo steht denn in der Übersicht, die Sie uns vorgelegt haben, die Sie der Presse vorgelegt halben und die Sie ja auch ganz gut verkauft haben, etwas über die Hilfe für Opfer von Straftaten? Ich glaube, darum geht es doch. Wir sind der Auffassung, daß diese Frage angegangen werden muß, und zwar durch eine parlamentarische Initiative. Meine Damen und Herren von der Koalition, ich hoffe, daß das, was hier vorgetragen worden ist, nicht lediglich ein Vorwand und ein Alibi dafür sein soll, daß Sie hinterher in der Beratung in den Ausschüssen zögerlich verfahren, wie wir eis bei anderen Initiativen der Opposition ja erlebt haben. Dieses Verfahren, das wir verschiedentlich erlebt haben, muß zu einem Ersticken
parlamentarischer Initiative führen und ist diesem Hause sicherlich nicht förderlich.
Nun wurde gesagt: Fixigkeit nicht auf Kosten der Richtigkeit! Meine Damen und Herren, erstens haben wir die Möglichkeit, in den Ausschußberatungen alles zu überprüfen, und zweitens haben Sie alle in den Beratungen der Ausschüsse die Möglichkeit, Ihren Beitrag zu leisten. Ich bin ganz sicher: wenn das mit der notwendigen Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit geschieht, können wir hier in einem zügigen Verfahren das, was zur Zeit möglich erscheint, in diesem sehr wichtigen Bereich auch tun, und ich glaube, daß niemandem ein Zacken aus der Krone fällt, wenn er hier an der Vervollständigung, an der Verbesserung einer Initiative der Opposition mitwirkt.
Herr Kollge Dürr, eines hat mich bei dem, was Sie ausgeführt haben, gestört: die etwas süffisante Bemerkung darüber, daß in Ider Begründung des Oppositionsentwurfs steht: Wenn der Staat nicht vor Verbrechen schützen kann, muß er sich wenigstens der Opfer annehmen. Meine Damen und Herren, wir wissen, daß genau das ein Punkt tiefer Beunruhigung in der Bevölkerung ist und daß wir, solange wir nicht mehr für den Schutz vor Verbrechen tun können, um so mehr gehalten sind, denen zu helfen, die schuldlos - schuldlos auch in ihrer Situation in dieser Gesellschaft - Opfer von Verbrechen geworden sind.
Für gute Anregungen sind wir dankbar, und wir hoffen auf eine konstruktive Mitarbeit der Kollegen aus der Koalition.
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Präsident von Hassel: Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringungsrede von Frau Kollegin Geisendörfer hat den Eindruck erweckt, der Opposition ginge es in dieser Frage um einen Beitrag zur Lösung eines schwierigen Problems. Herr Kollege Vogel hat hier dankenswerterweise klargestellt, daß es ihm nicht um die sachliche Lösung eines Problems, sondern um Polemik und Propaganda geht.
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- Herr Kollege Vogel, dies haben schon Ihre Einleitungssätze deutlich gemacht. Es ist einfach unwahr und eine grobe Entstellung der Tatsachen, wenn Sie sagen, hier bestehe nur Einigkeit darüber? daß ein Problem angegangen werden müsse. Wenn Sie auch nur einen Augenblick zugehört hätten,
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müßten Sie zumindest der Fairneß und der Objektivität halber zugeben, daß dieses Problem nicht erst angegangen werden muß, sondern angegangen ist und alle Beteiligten mit Nachdruck und mit dem Bemühen, zu einer sachgerechten Lösung zu kommen,
längst daran arbeiten, und zwar längst daran gearbeitet haben, als bei Ihnen noch keiner daran gedacht hat.
Als Zweites muß ich hier jenen unerhörten Vorwurf gegenüber den Mitarbeitern meines Hauses in aller Entschiedenheit zurückweisen.
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Der Bundesjustizminister hat keine „zusammengestoppelten" Gesetzentwürfe vorgelegt. Diesen Vorwurf gegenüber den Hunderten von fleißigen, bemühten und anerkanntermaßen sorgfältig arbeitenden Mitarbeitern des Bundesministeriums der Justiz weise ich in aller Eindeutigkeit zurück. „Zusammenstoppeln" überlassen wir der Opposition.
Wenn Sie schließlich hier buchhalterisch nachrechnen wollen, auf welcher Liste des Bundesministers der Justiz über seine Gesetzgebungsvorhaben eine solcher Vorschlag gestanden hat oder nicht, so sage ich Ihnen: Wir schreiben auf solche Listen die Dinge, die reif sind, angekündigt zu werden, und wir schmücken uns nicht vorzeitig mit fremden Federn, um uns nicht mit unausgegorenen, unpraktikablen Vorschlägen in eine Linie mit Ihnen zu stellen.
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Präsident von Hassel: Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Es ist begehrt worden, die Vorlage an den Rechtsausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Nachdem ich die Aussprache geschlossen habe, stelle ich fest, daß gegen diese Überweisung keine Einwände erhoben werden; es ist so beschlossen.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich auf folgendes hinweisen. Wir fahren mit den beiden Vorlagen zur Gewerbeordnung fort; dann folgt die Änderung des Adoptionsrechts, ebenfalls mit zwei Vorlagen, dann die Übertragung der VEBA-Bezugsrechte und schließlich die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die befristete Fortgeltung der Mitbestimmung in bisher den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Unternehmen.
Zu den vorher genannten Tagesordnungspunkten sind kurze Begründungen und Debatten vorgesehen. Bei der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die befristete Fortgeltung der Mitbestimmung ist keine Debatte vorgesehen; dort wird abgestimmt.
Nun hat der Ältestenrat beschlossen, daß wir zur Abstimmung von dieser Woche an unseren Computer einsetzen. Ich darf Sie auf die Vorlage, die Sie bekommen haben, verweisen und Ihnen vorschlagen, daß Sie sich in der Zwischenzeit ein bißchen mit diesem Instrument vertraut machen. Wir müssen alle zunächst einmal lernen.
Dazu müssen Sie dreierlei beachten. Erstens: Sie müssen zur Abstimmung sitzen.
Präsident von Hassel
Zweitens: Sie müssen Ihre Identnummer einstellen. Ihre Identnummer ist nicht die Nummer, die auf der Tischplatte steht; diese hat damit gar nichts zu tun, sondern ist eine technische Nummer, die für die Sitzungsleitung interessant ist, nicht unmittelbar für Sie. Die Identnummer steht in Ihrem Abgeordnetenausweis. Es gibt einige Kollegen, die den Abgeordnetenausweis verständlicherweise nie ansehen, auf dem die Nummer eingedruckt ist. Wer ihn nicht da haben sollte und die Nummer inzwischen nicht gelernt hat, kann jederzeit bei einem der Schriftführer zu meiner Rechten und zu meiner Linken nachsehen, welche Nummer er hat. Ich empfehle dann allerdings, sie sich zu merken.
Drittens: Der Abstimmungsvorgang selbst ist simpel. Sie drücken mit beiden Händen: Durch den Druck auf die eine Taste geben Sie Ihr Votum dafür, dagegen oder Enthaltung. Mit der anderen Hand bedienen Sie einen Druckknopf, der - nach menschlicher Voraussicht - sicherstellt, daß jede Manipulationsmöglichkeit ausgeschlossen wird. Ich schlage vor, daß Sie sich in der Zwischenzeit, beim nächsten Tagesordnungspunkt, mit diesem Instrument ein bißchen befreunden und dazu vielleicht die Meldungen zu Zwischenfragen nehmen, die wir registrieren und wieder löschen. Dazu brauchen Sie nur einmal zu drücken. Vergessen Sie aber Ihre Identnummer nicht; sonst wird der Name nicht angezeigt. Wenn Sie stornieren wollen, drücken Sie die beiden Tasten Zwischenfrage und Storno. Dann verschwindet Ihre Meldung automatisch.
Nach diesen Vorbemerkungen zu Punkt 4 der Tagesordnung, wo wir in zweiter und dritter Beratung abstimmen, fahre ich in der Tagesordnung fort und rufe Punkt 3 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Gewandt, Dr. Frerichs, Pohlmann und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur ÄAnderung der Gewerbeordnung
- Drucksache VI/2327 - verbunden mit
Erste Beratung des von den Fraktionen der
SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
- Drucksache VI/2588 Wir haben zwei Wortmeldungen zur Begründung der beiden Vorlagen. Das Wort zur Begründung der CDU/CSU-Vorlage hat der Abgeordnete Dr. Frerichs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter dem an sich nichtssagenden Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung" verbirgt sich mehr als nur eine einfache Ergänzung der althergebrachten Gewerbeordnung von 1869. Es handelt sich hierbei um die dringend notwendige und längst überfällige Reform des Grundstücksmaklerwesens, die es jetzt endlich in Angriff zu nehmen gilt. Die Bundesregierung hat keine eigene Vorlage eingebracht. Die Koalitionsfraktionen haben erst heute morgen einen eigenen Initiativentwurf nachgeschoben, während der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion vor der Sommerpause eingebracht worden war. Wir freuen uns darüber, daß sie das getan haben, weil wir erkennen, daß sie ebenfalls wie wir die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Reform sehen.
Besonders in der letzten Zeit hat sich wiederholt gezeigt - das wird laufend auch durch Meldungen in der Tagespresse bestätigt -, daß gerade in diesem Wirtschaftsbereich, der bis jetzt keinen Zutrittsbeschränkungen unterliegt, sehr unerfreuliche Mißstände bestehen, Vor allem die weniger bemittelten und zumeist auch noch geschäftlich nicht besonders erfahrenen, sozial schwachen Bevölkerungskreise erleiden erhebliche Vermögensverluste, weil sich vorbestrafte Personen als sogenannte Grundstücksmakler oder Vermittler von Wohnungen betätigen. In einem Beispielsfall, der geradezu typisch ist, war der betreffende Makler bereits in vier bayerischen Städten wegen Betruges in 13 Fällen, wegen Unterschlagung, Untreue, fahrlässigen Falscheides, Urkundenfälschung und fortgesetzter Urkundenfälschung mit drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis bestraft.
Es fügen aber nicht nur vorbestrafte Personen breiten Bevölkerungsschichten bedeutende Vermögensschäden zu, sondern auch solche, die entweder die erforderliche Fachkunde zur Ausübung dieses Berufes nicht besitzen oder das Maklergewerbe ohne eigene geordnete Vermögensverhältnisse beginnen. Ein solcher typischer Fall ereignete sich vor kurzem in Norddeutschland, wo ein gelernter Kolonialwarenhändler nach dem Zusammenbruch seines Geschäftes mit erheblichen Schulden nach Hamburg kam und sich dort als Häusermakler niederließ. Er kassierte Baukostenzuschüsse in erheblicher Höhe, ohne die Beträge an die Bauherren weiterzuleiten, für deren Wohnungen er Mieter beschaffen sollte. Er schädigte seine Kunden um zahlreiche tausend Mark und wollte spurlos verschwinden. Hätte ein Gesetz zur Verhinderung solcher Mißstände schon damals bestanden, wäre dies einfach nicht möglich gewesen. Der Mann wäre niemals zum Maklergewerbe zugelassen worden. Eine Fülle derartiger Beispiele ließe sich noch vorbringen. Dies würde aber den Rahmen dieser kurzen Einführung sprengen.
Um künftig diese Art von Mißbräuchen im Maklergewerbe auszuschalten, die Bevölkerung vor finanziellen Schäden zu schützen und unlautere sowie ungeeignete Personen rechtzeitig von einer solchen Betätigung fernzuhalten, was nicht nur im Interesse der Bevölkerung, sondern ebenso im Interesse der seriösen Makler liegt, will der Ihnen von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf drei wesentliche Voraussetzungen für die Ausübung des Maklergewerbes in die Gewerbeordnung einführen.
Dies ist erstens die persönliche Zuverlässigkeit, geregelt in § 34 c Abs. 2 Nr. 1. Die persönliche Zuverlässigkeit liegt dann vor, wenn dem Antragsteller keine der in § 34 c Abs. 2 Nr. 1 aufgezählten Gründe der Erlaubnisversagung nachgewiesen werden.
Die zweite Voraussetzung ist der Fachkundennachweis, geregelt in § 34 c Abs. 2 Nr. 2, der, so könnte man sich vorstellen, durch die Abschlußprüfung der Lehre als Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft in Verbindung mit einer praktischen Tätigkeit von zwei Jahren oder durch eine mindestens fünfjährige Tätigkeit, davon zwei Jahre in leitender Position, im Immobilien- und Finanzmaklergewerbe erbracht werden könnte. Näheres sollte der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen durch Rechtsverordnungen bestimmen.
Die dritte Voraussetzung schließlich sind geordnete Vermögensverhältnisse, die in § 34 c Abs. 2 Nr. 3 geregelt werden. Sie würden nicht vorliegen, wenn der Antragsteller in Konkurs ginge, oder, wie es in unserem Gesetzentwurf heißt, er in das vom Konkursgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
Werden diese Bedingungen von den Antragstellern nicht erfüllt, erhalten sie keinen Gewerbeschein. Auch kann ihnen nachträglich auf Grund präziser Bestimmungen die Erlaubnis entzogen werden, wenn Tatsachen, die für eine Rücknahme der Erlaubnis sprechen, vorliegen.
Die CDU/CSU hat es sich in dieser Frage nicht leichtgemacht. Wir haben uns insbesondere mit der Immobilien- und Maklerwirtschaft in Verbindung gesetzt und auch Betroffene, die bereits geschädigt worden sind, angehört. Der Gesetzentwurf unserer Fraktion will, kurz gefaßt, folgendes: erstens den Schutz der Bevölkerung vor kriminellen und unzuverlässigen Elementen auf dem Gebiet der Immobilien- und Finanzierungsgeschäfte einschließlich der Baubetreuung, zweitens die Einführung eines Zulassungsverfahrens für Personen, die sich dem wichtigen und anerkannten Beruf eines ehrlichen Maklers zuwenden wollen.
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Die CDU/CSU wird außerdem die wichtige Frage der Sicherung des Kundengeldes bei Betreuungsbauten, also des Schutzes vor unqualifizierten Bauträgergesellschaften weiterbearbeiten, wie wir dies durch unsere Kleine Anfrage in der Drucksache VI/404 eingeleitet haben. Wir sind jedoch der Ansicht, daß hier nicht eine Ergänzung der Gewerbeordnung erfolgen, sondern daß zu diesem Zweck ein spezielles Bauträgergesetz erlassen werden sollte.
Ich bitte Sie namens der CDU/CSU-Fraktion um Überweisung unseres Gesetzentwurfes zur Änderung der Gewerbeordnung Drucksache VI/2327 an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen zur Mitberatung.
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Präsident von Hassel: Das Wort zur Begründung des SPD-Entwurfs zum gleichen Thema hat der Abgeordnete Scheu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich bei dem Vorgang, der sich um diesen Gesetzentwurf gerankt hat, mit der CDU/CSU-Fraktion etwas glimpflich umgehen. Aber nun muß ich doch ein bißchen in die Wunde hineinstupfen, wie wir Schwaben sagen. Die Fraktion der SPD begrüßt diesen Gesetzentwurf, und zwar auch den der Opposition vom 17. Juni, besonders herzlich, weil es ein alter Bekannter der SPD-Fraktion ist. Wir hatten schon im Februar dieses Jahres die Verhandlungen abgeschlossen, wir hatten im März den Gesetzentwurf fix und fertig formuliert, den Sie dann am 17. Juni eingebracht haben. Sie haben ihn Wort für Wort, Punkt für Punkt und Komma für Komma übernommen mit Ausnahme eines kurzen Sätzchens von acht Worten. Auf diese acht Worte und dieses Sätzchen komme ich noch zurück. Natürlich freut man sich, wenn eine Arbeit auch bei der Konkurrenz gut ankommt. Beim vorherigen Tagesordnungspunkt wurde darüber polemisiert, wer gute und wer schlechte Gesetzentwürfe macht. Hier haben wir offenbar ins Schwarze getroffen; denn Sie sind sichtlich begeistert. Als ich dem Herrn Kollegen Gewandt eine kleine Vorhaltung machte. nachdem er im Fernsehen ein paar Tage vor Schluß der Parlamentsferien dieses schöne Gesetz eingebracht hatte, erwiderte er mir in freundlicher Offenheit: Wir haben seit vier Jahren nach einer guten Lösung gesucht, und das schien uns nun so erstklassig, daß wir das zu unserer Sache gemacht haben.
Das wäre noch nicht so schlimm, das ist eine persönliche Geschmackssache. Etwas schockiert konnte man nur darüber sein, daß sich die CDU/CSU-Fraktion in einem offiziellen Brief an eine Wirtschaftszeitschrift noch treu und brav hinter diesen Vorgang gestellt hat. Das war nach meiner Meinung kein guter Stil und sollte in diesem Hause nicht Schule machen.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt?
Ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß es sich hier um einen Entwurf handelt, an dem möglicherweise Ihre Fraktion, aber ganz sicherlich unsere Fraktion mit verschiedenen Verbänden der Wirtschaft gearbeitet hat, daß es sich also nicht um einen Entwurf Ihrer Fraktion handelt?
Nun ja, Herr Gewandt, wenn man ein Schriftstück drei Monate vorher fix und fertig hat und dann nach drei Monaten erfährt, daß es durch irgendeinen guten oder schlechten Kanal - das weiß ich nicht - in die Hände des Mittelstandskreises der CDU gekommen ist, und man macht das dann in Punkt und Komma bis auf diese schon erwähnten acht Wörtchen gleich, dann sollte man das nicht auch noch verteidigen. Das ist, wie gesagt, eine Geschmackssache. Für mich persönlich und, ich glaube, auch für meine Kollegen von der SPD-Fraktion kann ich nur sagen, daß wir es nicht so gern machen würden. Warum hat man sich, wenn man so schön übereinstimmt, nicht zusammengesetzt und einen Entwurf aller drei Fraktionen aus der Sache gemacht? Was hätte das geschadet?
Warum auch nicht? Das hätte man doch machen können. Nun, Herr Kollege Gewandt, ich will nicht weiter rechten; ich will dieses Thema verlassen. Im Grunde ist es ja auch schön, daß unsere Arbeit bei Ihnen so gut angekommen ist.
Zur Sache brauche ich nicht mehr allzuviel zu sagen. Nur einige Bemerkungen: Die Immobilien-und anderen Geschäfte der bundesdeutschen Makler machen viele Milliarden DM im Jahr aus. Die gewaltigen Beträge aus den Transaktionen, die durch die Bücher des Maklergewerbes laufen, machen diesen Berufsstand zweifellos zu einem Schlüsselberuf. Warum ist ein so wohlklingender Begriff wie der des „ehrlichen Maklers" in zunehmendem Maße so in Verruf gekommen? Warum beschäftigen sich Behörden, Presse, Gerichte und die ganze Öffentlichkeit immer wieder und immer häufiger mit diesem Berufsstand und fast immer unter negativen Vorzeichen? Der Grund liegt in den sich häufenden Skandalen, bei denen Klienten von Maklerfirmen um Summen betrogen werden, die ebenfalls in hohe Millionenzahlen gehen.
({0})
Es ist längst kein Geheimnis mehr, daß es sich bei der Mehrzahl jener „Makler", die die Schuld an diesen Vorkommnissen tragen, der Ausbildung, der beruflichen Erfahrung, des ordentlichen Charakters und auch der ständig ausgeübten Tätigkeit nach gar nicht um solide Unternehmen handelt, sondern daß Tausende von Personen und auch von sogenannten Büros
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dunklen Geschäften aller Art nachgehen, die sich dem Namen nach von den tausenden soliden Maklerfirmen nicht unterscheiden. Man muß einfach wissen, daß jeder, der sich eines guten Tages einfallen läßt, das Gewerbe eines Immobilien- oder Finanzierungsmaklers auszuüben, heute dafür einen ganz simplen und einfachen Weg hat. Er braucht nur seinen Personalausweis in die Hand zu nehmen, zum zuständigen Amt zu gehen und ein Gewerbe zu beantragen. Dazu muß er einen kleinen Fragebogen ausfüllen. Er bekommt dann die Gewerbeanmeldung als Makler gleich mit; er kann darauf warten. Das ist derselbe Gewerbeschein, wie ihn einer braucht, der z. B. in einem Bauchladen Schnürsenkel verkaufen will. Das ist bis heute dieselbe Ebene.
Wenn man in Rechnung stellt, daß in zunehmendem Maße Menschen des Maklers bedürfen, denen es an eigener Erfahrung in Grundstücksgeschäften mangelt und die deshalb auf einen fachmännischen Rat und auf Hilfe geradezu angewiesen sind, ist dieses ganze Kapitel noch tragischer. Gerade diesen einfachen Menschen, die meist ihre ganzen Ersparnisse in einer einzigen Sache anlegen möchten, ist es nicht möglich, vorher zu unterscheiden, ob es sich um einen vertrauenswürdigen und ehrlichen Makler oder um einen Schwindler handelt. Das merken sie erst, wenn es zu spät ist.
Zum Gesetzentwurf selbst nur noch einige Bemerkungen. Für uns ist dieser Gesetzentwurf keine Frage des Standesschutzes, sondern wir sehen in diesem Entwurf ausschließlich ein Mittel zum Schutz der Verbraucher, wenn man die Kategorie der Klienten der Makler einmal so nennen darf. In Zukunft soll die Erlaubnis, sich Makler zu nennen, versagt werden können, wenn die notwendige Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist oder ungeordnete Vermögensverhältnisse vorliegen. In dieser Hinsicht besteht volle Übereinstimmung; denn hier haben Sie ja - es tut mir leid, daß ich das noch einmal sagen muß - unseren Text.
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- Den haben wir in sehr mühevollen Besprechungen, auch mit den Verbänden, erarbeitet. Aber der Text selbst stammt nicht von den Verbänden - das kann ich Ihnen nur sagen -, kein einziger Satz. Die haben nur ideenmäßig mitgearbeitet.
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- Woher Ihr Text stammt, das weiß ich ja ganz genau. Aber lassen wir das! So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht - wenn es auch mein erster Versuch ist, einmal ein Gesetz zu fabrizieren; da tut es einem natürlich besonders weh, wenn so verfahren wird wie von Ihnen. Es gibt nicht nur Gesetzesbrecher, sondern offenbar auch Gesetzesklauer.
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Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase ({5})?
Verehrter Herr Kollege, darf ich vielleicht einmal fragen, warum Sie dann ein Vierteljahr lang auf Ihrem Entwurf sitzengeblieben sind, wenn Sie ihn unter so großen Mühen zustande gebracht haben und so stolz auf Ihr Werk sind?
Da hat der Scheu nicht drauf gesessen, sondern da hat er ein bißchen warten müssen, bis daß er gründlich durchberaten worden ist. Daß es dann zu dem Stand gekommen ist, nach welchem heute Sie Ihren Entwurf mit vorgelegt haben, hat einige Mühe und Arbeit gekostet. Bei Ihnen ging es - das gebe ich offen zu - ein bißchen schneller. Ich weiß genau das Datum, an dem Sie meinen Gesetzentwurf in die Hände gekriegt haben, und das hat bei Ihnen verdammt kurze Zeit gedauert. So schnell machen wir das gar nicht, das dauert bei uns etwas länger, wie ich zugeben muß. Das war mir auch nicht sympathisch.
Aber weiter zur Sache. Der Entwurf enthält eine Ermächtigung für den Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über den Umfang der Befugnisse und der Verpflichtungen zu erlassen, und zwar ist im Entwurf vorgesehen, zunächst in vierfacher Richtung die Ermächtigung zu erteilen - ich meine, das sollte doch noch gesagt werden -: Erstens. Der Bewerber muß die ihm anvertrauten Vermögenswerte getrennt von seinem eigenen Vermögen verwalten und Rechnung darüber legen. Zweitens. Er soll verpflichtet werden, anzuzeigen, wenn 'sich in der Leitung seines Büros
oder einer Zweigniederlassung personell etwas verändert. Meine Damen und Herren, das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn gerade damit machen diese Schwindelbüros ihre Geschäfte, daß sie plötzlich einen anderen Mann an die Spitze setzen. Drittens. Er soll zur Buchführung, zur Erteilung von Auskünften und zur Duldung behördlicher Nachschau verpflichtet sein. Viertens soll er - und damit scheidet man schon von vornherein eine ganze Menge Dunkelmänner aus - zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung gegen Vermögensschäden verpflichtet sein.
Man kann in den Ausschußberatungen durchaus darüber sprechen, ob noch einige Dinge in diesen Katalog eingearbeitet werden sollten. Ich denke z. B. daran, daß man unter Berücksichtigung der im Artikelgesetz für Wohnungsvermittler getroffenen Regelungen noch die Bedingungen festlegt, unter denen Entgelt oder Vorschüsse oder der Ersatz von Nebenkosten verlangt werden dürfen, oder die Bedingungen, unter denen eine Beschränkung der Haftung vereinbart werden darf. Alle diese Dinge kann man noch in den Ausschußberatungen mit zur Diskussion stellen. Man kann sich bei den Ausschußberatungen auch darüber Gedanken machen - und das haben auch Sie angedeutet, Herr Frerichs -, ob es nicht sinnvoll wäre, außer den Maklern und Baubetreuern auch die Bauträgergesellschaften aufzunehmen, die im eigenen Namen, aber für andere Leute Häuser errichten. Gerade in diesen Fallen haben sich Mißstände gezeigt, die dien Verbraucher deswegen besonders schwer treffen, weil er unmittelbar an den Bauträger die gesamte Bausumme zu bezahlen hat.
Nachdem also bezüglich der Grundlinie und der Einzelheiten dieses Gesetzentwurfes eine so herrliche Harmonie zwischen uns allen in diesem Hause herrscht, gibt es nur einen einzigen Punkt, bei dem die Koalitionsfraktionen nicht mit der CDU übereinstimmen
({0})
- nun mal langsam! -, das sind die berühmten acht Worte, die bei der Abschreibearbeit neu hinzugekommen sind, nämlich die Worte: ,,... wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Fachkunde nachweist."
Zugegeben, meine Damen und Herren, auch wir haben uns zunächst sehr mit dieser Frage des Fachkunde-Nachweises beschäftigt, und wir haben mit dem Gedanken geliebäugelt, hier etwas Ähnliches zu machen, also einen solchen zusätzlichen Schutz in unseren Entwurf einzuarbeiten. Aber wir sind, eben weil wir sehr gründlich beraten haben - und dazu braucht man manchmal ein bißchen mehr Zeit -, aus folgenden guten Gründen von diesem Gedanken abgekommen:
Erstens. Die bisher bekanntgewordenen Mißstände beruhen fast durchweg auf personeller Unzuverlässigkeit der sogenannten Makler, oder sie finden ihre Ursachen in ungeordneten Vermögensverhältnissen derer, die sich so nennen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist es daher nach unserer Meinung auch nur vertretbar, diese Schlaglöcher für unseriöse Makler zuzustopfen.
Zweitens. Zum Berufsbild des Maklers - wer wollte bestimmen, wie das aussieht? - gehört heute eine solche Fülle von unterschiedlichen Tätigkeiten dies geht im einzelnen auch aus Art. 1 Nr. 1 des Entwurfs hervor -, daß man bei einem Fachkundenachweis nur schwer alle Interessenten unter einen Hut bringen könnte. Ein Finanzierungsmakler braucht ohne Zweifel andere Vorkenntnisse als ein Wohnungsvermittler. Beim letzteren ist außerdem zu bedenken, daß der Gesetzgeber durch das Artikelgesetz bestimmten Mißbräuchen schon einen Riegel vorgeschoben hat, so daß nach Inkrafttreten des Artikelgesetzes auch ein zusätzlicher Schutz des Verbrauchers - jedenfalls in dieser Beziehung - gewährleistet ist.
Drittens. Wir haben Bedenken in folgender Richtung. Dabei ist es für uns bezeichnend, daß offenbar auch die Opposition in ihrem Entwurf nicht so schrecklich ernsthaft an den Fachkundenachweis herangehen will. Wie könnte sie sich sonst damit zufriedengeben, daß gerade diese an sich wichtige Sache durch Rechtsverordnungen geregelt, also ausschließlich in die Hand der Exekutive gelegt werden soll?
({1})
Viertens. Wir sind schließlich der Meinung, daß eine unspezifizierte Ermächtigung vor den strengen Anforderungen des Art. 80 GG keinerlei Aussicht auf rechtlichen Bestand haben dürfte. Hier haben wir doch schon gewisse Erfahrungen. Wir sind also gegen diesen Acht-Worte-Satz, und wir sind davon überzeugt, daß auch die Juristen der CDU/CSU, wenn sie sich mit der Sache gründlich befassen, für die der SPD-Fraktion klargewordenen Gedanken stimmen und auf dieselben Bedenken kommen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe beim Deutschen Maklertag im vergangenen Jahr in Baden-Baden der großen Versammlung versprochen, daß ich für meinen Teil das Aktenstück Makler und Schutz der Verbraucher vor schlechten Maklern nicht mehr vom Schreibtisch entfernen würde, bevor etwas geschehen sei. Dieses Versprechen ist eingelöst.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Scheu verdient unsere Glückwünsche dafür, daß er heute seine Jungfernrede gehalten hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist bereits klargeworden, daß wir es hier im wesentlichen nur mit einem Satz, dem berühmten Acht-Worte-Satz, zu tun haben. An dieser Stelle ist doch die Frage erlaubt, meine Damen und Herren von der Opposition, warum Sie auf der einen Seite in der Öffentlichkeit ununterbrochen versuchen, diese RegierungskoaliKleinert
tion zu verdächtigen, sie verstoße gegen marktwirtschaftliche Prinzipien, indem Sie sagen, Sie seien die eisernen und 'einzigen Hüter der freien Marktwirtschaft, auf der anderen Seite aber immer wieder hinten herum mit Ihren ständestaatlichen Geschichten aus der Klamottenkiste kommen.
({0})
Wenn man sich an die tragische Geschichte des Gaststättengesetzes sowie daran erinnert, daß dieses Haus zum Schluß nach einem zehnjährigen Eiertanz eine Bestimmung zum Berufszugang in dieses Gesetz hineingeschrieben hat, die im Zweifel einige Hundert zusätzliche Angestellte bei den Industrie- und Handelskammern erfordert und darüber hinaus nicht den geringsten praktischen Nutzen hat, so ist es einfach nicht zu glauben, daß Sie jetzt, weil eine Berufsgruppe die Idee hat, es wäre ganz nützlich, sich etwas mehr abzuschließen, wiederum den Versuch machen, dem auf diese Weise zu entsprechen, obwohl dies - hier kann ich meinem Herrn Vorredner nur zustimmen - nicht die geringste Aussicht ,auf einen verfassungsrechtlichen Erfolg hat.
Ich meine, wir sind es unserem Publikum und dem interessierten Verband der Makler schuldig, daß wir nicht versuchen, Absichten darzustellen, von denen wir schon vorher wissen, daß sie überhaupt nicht zu verwirklichen sind. Wir müssen vielmehr in aller Offenheit sagen, daß wir das, was geschehen kann,. tun wollen, und das geschieht mit dem insoweit völlig übereinstimmenden Entwurf der Opposition und der Koalition. Aber darüber hinaus etwas vorzuspiegeln und die Grundsätze der Marktwirtschaft einerseits verbal hochzuloben, sie andererseits jedoch in der Weise zu vernachlässigen, wie es hier mit Ihrem Acht-Worte-Satz geschehen ist, das ist einfach nicht redlich.
({1})
Deshalb werden wir das auf gar keinen Fall mitmachen. Ich glaube, dazu muß nicht viel mehr gesagt werden.
Präsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard?
Bitte schön!
Herr Kollege Kleinert, halten Sie Sachkunde für etwas Unredliches?
Herr Erhard, halten Sie Ihre Frage für sachbezogen in dem Zusammenhang, von dem ich gesprochen habe?
({0}) - Nein, nein, wirklich nicht.
({1})
Ich wiederhole: Halten Sie das Erfordernis der Sachkunde für etwas Unredliches?
Herr Erhard, ich verstehe beim allerbesten Willen nicht, wie Ihnen aus dem, was ich bis jetzt gesagt habe, der Gedanke zu dieser Zwischenfrage kommt.
({0})
- Ich kenne die acht Worte, und ich habe gesagt: Es ist unredlich, den interessierten Kreisen vorzuspiegeln, man könne etwas machen, was man in Wirklichkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen gar nicht kann. Zu dieser Ansicht stehe ich allerdings, nachdem ich die acht Worte sehr aufmerksam gelesen und darüber auch schon des öfteren nachgedacht habe.
Im übrigen habe ich auf das Gaststättengesetz hingewiesen, an das Sie sich als guter Jurist, als der Sie bekannt sind, wahrscheinlich auch nicht gern erinnern, mit dem Nachweis, daß man unterrichtet worden ist; es ist so schrecklich, daß man heute noch Alpträume davon kriegen kann. Sie wissen genau, daß das eben nicht geht. Daher war Ihre Zwischenfrage, glaube ich, wirklich nicht gut.
Fest steht, daß der Grund dafür, daß man hier überhaupt ausnahmsweise gesetzlich in die marktregelnden Kräfte im Bereich eines Berufes eingreifen will, die besondere Verantwortung ist, die die Makler beim Umgang mit großen und größten Vermögenswerten haben, und die Tatsache, daß ihre Kunden tatsächlich ihre gesamte Ersparnis einem Makler anvertrauen. Das ist etwas Besonderes, daß hier ein Eingriff gerechtfertigt erscheint.
Wenn das so ist, glaube ich mir als Letztes noch eine Anregung erlauben zu dürfen. Vielleicht sollten wir beim weiteren Gang der Beratungen im Hinblick auf den einzig wichtigen Punkt, der hier ZU Mißständen geführt hat und weiterhin führen kann, die Kontenführung der Makler einmal etwas genauer betrachten, Anderkonten vorschreiben und deren Führung im einzelnen regeln, weil da nämlich das liegt, was die Öffentlichkeit von uns erwartet, und weil da das liegt, was immer wieder Anlaß zu Beanstandungen gegeben hat. Ich meine, hier ist der einzig entscheidende Punkt. Dem wollen wir uns ganz energisch widmen. Aber wir wollen nicht versuchen, irgend jemandem in diesem Land vorzuspiegeln, man könne, wenn man die Marktwirtschaft will und bejaht, sich hintenherum im Rahmen dieser Marktwirtschaft ein Freigebiet für sich selber sichern. Das können wir nicht, und das wollen wir auch nicht.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Begründung der beiden Gesetzentwürfe und die Aussprache etwas durcheinandergegangen sind. Ich schließe, da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, die Aussprache.
Es ist begehrt worden, beide Anträge an den Ausschuß für Wirtschaft als federführenden Aus7826
Präsident von Hassel
schuß und an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen zur Mitberatung zu überweisen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Änderung des Adoptionsrechts - Drucksache VI/2367 und verbinde damit den Aufruf der
Beratung des Antrages der Abgeordneten Rollmann, Dr. Stark ({2}), Dr. Gölter, Dr. Wagner ({3}), Dr. Riedl ({4}), Vogel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Neuregelung des Adoptionsrechts
- Drucksache VI/2591 -.
Zur Begründung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP hat der Abgeordnete Sieglerschmidt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD und FDP zur Änderung des Adoptionsrechts will die Reform des Familienrechts auf dem wichtigen Teilgebiet des Adoptionsrechts fortsetzen und voranbringen. Dieses Haus hat in seiner dritten Wahlperiode durch das Familienrechtsänderungsgesetz wichtige Entscheidungen zur Reform des Familienrechts getroffen. Der uns vorliegende Entwurf der Bundesregierung zum Eherecht kennzeichnet einen weiteren bedeutsamen Abschnitt auf diesem Wege. Zur weiteren Reform des Familienrechts bereitet der Bundesminister der Justiz in seinem Hause die Neuordnung des elterlichen Sorgerechts und des Adoptionsrechts vor.
Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, warum die Regierungsparteien mit einem eigenen Antrag in dieser Sache initiativ geworden sind und warum sie, wenn sie schon glauben, einen Entwurf der Bundesregierung nicht abwarten zu sollen, nicht gleich einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Lassen Sie mich hierzu eine kurze Begründung geben.
Der enge Zusammenhang zwischen den Vorschriften über das elterliche Sorgerecht und über das Adoptionsrecht macht es erforderlich, daß eine Neuordnung auf beiden Gebieten in ihren gegenseitigen Rückwirkungen in Betracht gezogen werden muß. Selbst wenn es die arbeitsmäßige Belastung des Bundesjustizministeriums zuließe, einen solchen umfassenden Gesetzentwurf zeitlich so zu erarbeiten, daß er von der Bundesregierung in absehbarer Zeit vorgelegt werden könnte, bliebe es doch sehr zweifelhaft, ob die zuständigen Ausschüsse in der Lage wären, einen derartigen Entwurf bis zum Ende der Legislaturperiode mit der erforderlichen Sorgfalt durchzuberaten.
Meine Fraktion ist daher zu der Auffassung gelangt, daß es dringlich ist und auch möglich sein sollte, das Adoptionsrecht in mindestens einem Punkt oder in einigen Punkten zu verbessern, ohne die erwähnte umfassende Überprüfung der einschlägigen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet zu beeinträchtigen. Andererseits sind wir aber der Meinung, daß der Justizminister nach Lage der Dinge die Möglichkeit haben sollte, die beabsichtigte partielle Änderung des Adoptionsrechtes in den Gesamtzusammenhang der Reformabsichten der Bundesregierung auf diesem Gebiet einzuordnen. Wir meinen deshalb, daß der mit dem Antrag der Regierungsparteien beschrittene Weg der Sache, um die es uns allen hier im Hause geht, am besten dient. Es ist erfreulich, daß auch die Fraktion der CDU/CSU in diesem Falle von einem eigenen Gesetzentwurf abgesehen hat und praktisch in der Form den gleichen Weg wie wir beschreitet.
Was den Inhalt des Antrages der CDU/CSU-Fraktion anbelangt, kann ich nach einer kurzen Durchsicht - der Antrag ist uns heute morgen erst auf den Tisch gelegt worden - sagen, daß er in seinen Intentionen weitgehend mit denen unserer Fraktion übereinstimmen dürfte, so daß man kein Prophet zu sein braucht, um zu sagen, daß es wahrscheinlich für die notwendigen Änderungen des Adoptionsrechts in diesem Hause eine breite Mehrheit geben wird.
Die CDU/CSU hat einen sehr umfangreichen Katalog von gewünschten Gesetzesänderungen vorgelegt. Hier stellt sich, wie ich schon in meinen bisherigen Ausführungen angedeutet habe, die Frage, ob es möglich sein wird, einen solchen umfangreichen Gesetzentwurf mit der gebotenen Schnelligkeit durchzuberaten und zu verabschieden.
Ich will es mir meinerseits versagen, hier und heute darüber zu sprechen, was alles zur Verbesserung des Adoptionsrechts getan werden könnte, etwa um zu einer vollen rechtlichen Eingliederung des Adoptivkindes in die Familie der Adoptiveltern zu gelangen. Ich nenne hier nur die Stichworte Unterhaltsrecht und Erbrecht, die ja auch im Antrag der Opposition erscheinen.
Heute möchte ich mich lediglich auf zwei Punkte beschränken, die als dringlich vorab geregelt werden sollten:
Nach zuverlässigen Schätzungen sind etwa 90% der Adoptionsfälle Heimkinder. Es kann als gesicherte Erkenntnis angesehen werden, daß Heimerziehung auch unter denkbar günstigen Bedingungen das Aufwachsen in einer Familie nicht ersetzen kann. Je länger der Heimaufenthalt dauert, desto größer ist die Gefahr, daß physische und vor allem psychische sowie Schäden in der geistigen Entwicklung des Kindes entstehen, die häufig nie mehr ganz zu beheben sind. Die Zahl der Heimkinder, die straffällig werden, ist beträchtlich.
Was kann nun geschehen, damit mehr dieser Kinder als bisher adoptiert werden? An der Zahl der Adoptionswilligen liegt es nicht. Sie dürfte gegenwärtig fast doppelt so hoch sein wie die Zahl der für eine Adoption in Frage kommenden Kinder. Es geht vielmehr zunächst darum, ob die 1961 eingefügte Vorschrift des § 1747 Abs. 3 BGB ausreicht, um in allen Fällen, in denen das Wohl des Kindes eindeutig eine Adoption erfordert, diese auch vollziehen zu können, und zwar auch dann, wenn die
Einwilligung von einem Elternteil oder beiden Eltern aus nicht triftigen Gründen verweigert wird. Sicherlich muß hier eine sorgfältige Abwägung mit dem Elternrecht vorgenommen werden. Jede Neuregelung der Ersetzung der elterlichen Einwilligung durch Gerichtsbeschluß wird sich an den Schranken des Art. 6 des Grundgesetzes messen lassen müssen. Insbesondere die Älteren unter uns sind zudem gebrannte Kinder, die sich noch gut an jene Zeit erinnern, in der man den Staat oder die Partei an die Stelle der Eltern setzen wollte, - wofür es ja auch jenseits der Grenzen der Bundesrepublik in der Gegenwart Beispiele gibt. Einer solchen Entwicklung darf auch nicht unwillentlich gesetzgeberisch der Weg bereitet werden.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat jedoch in seiner Entscheidung vom 29. Juli 1968 zu § 1747 BGB mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Vergleich nicht berechtigt ist. In der Entscheidung heißt es dazu - und ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Maßnahmen zur Adoption eines Kindes gegen den Willen der natürlichen Eltern wollen nicht die elterliche Erziehungstätigkeit zugunsten eines staatlichen Erziehungseinflusses zurückdrängen, sondern wegen des Versagens der natürlichen Eltern ein neues, funktionsfähiges Eltern-Kind-Verhältnis begründen, dessen Träger die Funktion der Pflege und Erziehung selbständig und eigenverantwortlich ausüben und hierbei ihrerseits durch die Grundrechtsgarantie vor staatlichen Eingriffen geschützt sind.
Die zitierte Entscheidung befaßt sich mit dem geltenden Abs. 3 des § 1747 BGB. Sie läßt aber in ihren tragenden Gründen auch durchaus Raum für eine verfassungskonforme Regelung, die die Ersetzung der elterlichen Einwilligung erleichtert. Dabei muß das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 des Grundgesetzes natürlich in einem angemessenen Verhältnis zum Elternrecht des Art. 6 des Grundgesetzes stehen. Ein internationaler Vergleich zeigt übrigens, daß es in einer Reihe von Ländern - wie z. B. England, Frankreich. Italien und Österreich - sehr viel weitergehende Regelungen in dieser Frage gibt.
Die Einfügung des § 1747 Abs. 3 in das BGB durch das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 war nicht zuletzt auf das Drängen der Praktiker der Jugendarbeit zurückzuführen. Heute kommen maßgebliche Vertreter eben dieser Jugendarbeit auf Grund ihrer Erfahrungen zu dem Ergebnis, daß diese Regelung nicht ausreicht. Sie meinen, daß die Ersetzung der elterlichen Einwilligung durch die Kumulierung von drei Bedingungen mehr erschwert wird, als es im Blick auf die Wahrung des Elternrechts erforderlich wäre. Insbesondere wirke sich die Bestimmung nachteilig aus, daß die Einwilligung durch das Gericht nur dann ersetzt werden könne, wenn sie böswillig verweigert werde.
Zur Änderungsbedürftigkeit des § 1747 Abs. 3 BGB verweise ich auf die Thesen der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge zum Adoptionsrecht vom Dezember 1969 als eine Meinungsäußerung unter vielen.
Nach zuverlässigen Schätzungen von Fachleuten ist die Zahl der Fälle beträchtlich, in denen eine Adoption auf Grund der geltenden Fassung des § 1747 Abs. 3 BGB nicht stattfinden konnte, obgleich das Wohl des Kindes eine Annahme an Kindes statt erforderlich gemacht hätte. Der Leiter der Abteilung Pflegekinderschutz und Adoption beim Stadtjugendamt München beziffert sie auf etwa 4 bis 7 % der jährlich anstehenden Adoptionsfälle. Eine Schätzung für die Bundesrepublik besagt, daß sich die Zahl der Adoptionen, die nicht durch Verwandte vollzogen werden, also der sogenannten Fremdadoptionen, welche gegenwärtig etwa 5 000 im Jahr beträgt. bei einer sachgemäßen Änderung des § 1747 Abs. 3 BGB um 2 500, also um 50 %, erhöhen ließe. Mag diese Schätzung auch sehr optimistisch sein, so zeigen beide Zahlen doch, um welche Größenordnungen es sich hier handelt, wo jeder Mensch zählt.
Neben dem Problem der Ersetzung der elterlichen Einwilligung geht es noch darum, das Adoptionsverfahren zu beschleunigen. Hier ist vor allem an die Streichung des Erfordernisses der Kinderlosigkeit und eine Herabsetzung des gegenwärtig auf 35 Jahre festgesetzten Mindestalters der Adoptionswilligen zu denken. Das Erfordernis der Kinderlosigkeit stammt aus einer Zeit, in der man eigene Kinder in die Welt zu setzen hatte, ehe man fremde annahm, weil der Kaiser Soldaten brauchte. In beiden Fällen werden in der Praxis heute so viele Ausnahmegenehmigungen erteilt, daß die Ausnahmen insoweit fast zur Regel geworden ist. Im ersten Fall dürfte daher, wie schon erwähnt, die Streichung, im zweiten Fall eine angemessene Herabsetzung des Mindestalters, etwa auf 25 Jahre, dann aber ohne Ausnahmemöglichkeit, die beste Lösung sein.
Wer jemals Kinder beobachtet hat, die nach mehrjährigem Heimaufenthalt als Adoptivkinder in eine Familie kommen, und wer gesehen hat, wie lange es dauerte, bis sie sich in ihrem Verhalten im Vergleich zu den ehelichen Kindern der Familie zu normalisieren begannen, der wird dafür eintreten, daß nichts unversucht gelassen wird, um mehr Kindern unverzüglich die Chance zu geben, aus den Heimen herauszukommen. Aus den eingangs dargelegten Gründen benötigen wir aber, um tätig werden zu können, den Regierungsentwurf, der sicherstellt, daß diese Vorab-Novellierung in den Gesamtzusammenhang der Reform des Familienrechts auf diesem Gebiet richtig eingeordnet werden kann. Wir benötigen ihn im Interesse der betroffenen Kinder so bald wie möglich.
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Präsident von Hassel: Zur Begründung des gleichzeitig aufgerufenen Antrags der CDU/CSU- Fraktion hat Herr Abgeordneter Rollmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU legt heute mit ihrem Antrag Drucksache VI/2591 dem Bundestag und der Bundesregie7828
rung eine umfassende Konzeption für die Reform des Adoptionsrechts in diesem Lande vor. Wir fordern mit unserem Antrag die Bundesregierung auf, dem Deutschen Bundestag alsbald einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Adoptionsrechts vorzulegen, der dieser Konzeption entspricht.
Warum fordern wir ein neues Adoptionsrecht? Was ist der Inhalt unserer Vorstellungen?
In den Heimen unseres Landes leben hunderttausend Kinder, die kein Zuhause mehr haben, für die zu Hause kein Platz mehr ist, die ihren Eltern im Wege stehen, die von ihren Eltern vernachlässigt werden, die im Heim Nahrung und Wohnung, Kleidung und Erziehung haben, aber im Heim keine Liebe, kein Elternhaus, keine Familie finden können.
Auf der anderen Seite gibt es Tausende von Ehepaaren in diesem Lande, die sich sehnsüchtig eigene Kinder wünschen, aber keine eigenen Kinder bekommen und gern ein Kind adoptieren würden. Diese Ehepaare fahren oft genug von heim zu Heim, finden ein Kind, das sie gern adoptieren würden, können es aber nicht adoptieren, weil die leiblichen Eltern, obwohl sie ihr Kind in Wirklichkeit schon längst aufgegeben haben, die Einwilligung zur Adoption nicht geben, sondern es weiter sein Leben in einem Heim verbringen lassen.
Es ist richtig, daß, wie auch Herr Sieglerschmidt hervorgehoben hat, schon nach dem geltenden Recht die Einwilligung eines Elternteils in die Adoption durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden kann, wenn dieser seine Pflichten gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt und die Einwilligung böswillig verweigert und das Unterbleiben der Zustimmung zur Adoption dem Kind zu einem unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde.
Diese Voraussetzungen, bei deren Vorliegen allein und insgesamt die fehlende Einwilligung der Eltern durch den Spruch des Vormundschaftsgerichts ersetzt werden kann, sind so hoch, daß sie in der Praxis unserer Vormundschaftsgerichte nur selten als erfüllt angesehen werden. Darum muß jede Reform des Adoptionsrechts an diesem Punkt ansetzen. Die Möglichkeiten der Vormundschaftsgerichte, die fehlende elterliche Einwilligung für die Adoption zu ersetzen, müssen erweitert werden, wenn bei einer Abwägung des Elternrechtes und des Kindesrechtes das Wohl der Kinder dieses aus schwerwiegenden Gründen erfordert.
Wir liegen nicht fest auf der Formulierung, die wir dazu in unserem Antrag gefunden haben, aber die Richtung, die die Reform zu nehmen hat, wollten wir mit unserer Formulierung aufgezeigt haben.
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Wenn wir Tausenden von oftmals doch abgelieferten und aufgegebenen Heimkindern wieder Liebe und Geborgenheit, wieder Elternhaus und Familie geben wollen, dann haben wir die Adoption zu erleichtern. Die Adoptiveltern können nicht die leiblichen Eltern ersetzen, aber dort, wo die leiblichen Eltern fehlen oder versagen, ist das Leben im Adoptivelternhaus besser als das Leben im Heim.
Wir werden auf das Heim in der Jugendhilfe genausowenig verzichten können wie in der Sozial- und Gesundheitshilfe. Aber gerade in der Jugendhilfe sollte das Heim nur Übergang, nur Provisorium, nur allerletzter Ausweg sein. Es ist doch
darauf hat Herr Kollege Sieglerschmidt ebenfalls hingewiesen - wissenschaftlich bereits seit langem erwiesen, welche irreparablen seelischen und geistigen Schäden junge Menschen erleiden, die ihre Kindheit und Jugend oft genug in wechselnden Heimen, mit wechselnden Erziehern und nicht in einem Elternhaus verbracht haben. Und so steht unsere Initiative unter dem Motto: Holt die Kinder aus den Heimen! So liegen unserer Initiative in erster Linie nicht rechtspolitische, sondern gesellschaftspolitische, jugendpolitische Motive zugrunde.
Die Herabsetzung der Alterserfordernisse der Adoptiveltern und die Einführung der Volladoption durch staatlichen Hoheitsakt neben der bisherigen Form der Vertragsadoption, die wir in unserem Antrag fordern, sollen ebenfalls dem Ziel dienen, das Institut der Adoption auszubauen und zu verbessern. Es verwundert uns allerdings, daß sich der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in einer Stellungnahme vom 16. April dieses Jahres gegen die Volladoption durch staatlichen Hoheitsakt ausgesprochen und erklärt hat: Die Vertragsadoption ist besser als die Adoption durch staatlichen Hoheitsakt.
Die Volladoption wird nicht nur durch das Europäische Adoptionsübereinkommen gefordert, das die Bundesrepublik Deutschland bereits vor Jahren unterzeichnet, wenn auch noch nicht ratifiziert hat. Eine Reihe von europäischen Ländern praktiziert die Volladoption bereits mit Erfolg. Die „Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge" fordert in ihren „Thesen zur Neuregelung des Adoptionsrechtes" ebenfalls die Einführung der Volladoption. Nur durch die Volladoption erhält das Adoptivkind die von uns gewünschte gleiche rechtliche, auch erbrechtliche Stellung wie ein eheliches Kind der Adoptiveltern. Nur bei der Volladoption wird das Adoptivkind voll und ganz in die Adoptivfamilie integriert.
Die Regierungskoalition hat in Drucksache VI/2367 ihre Vorstellung zur Änderung des Adoptionsrechtes dargelegt, die sich nun allerdings - wenn man die Drucksache betrachtet - an Dürftigkeit nicht überbieten läßt, sondern offensichtlich nur nachweisen soll, daß sich auch das Regierungslager Gedanken um die Neuregelung des Adoptionsrechtes macht. Ich erkenne allerdings an, daß Herr Kollege Sieglerschmidt soeben durch seine Rede hier die Blöße des Entwurfs seiner Fraktion ein wenig verdeckt hat.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Die Reform des Adoptionsrechtes ist vordringlich. Das braucht die Regierung nicht erst zu prüfen, wie es im Entwurf der Regierungskoalition verlangt wird. Unser gemeinsamer Appell an diese Regierung sollte sein, die Reform des AdoptionsRollmann
rechtes nicht erst für die nächste Legislaturperiode vorzusehen, sondern - so wie wir es beantragen - bereits alsbald einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Adoptionsrechtes vorzulegen. Auf jeden Fall aber muß die Reform des § 1747 Abs. 3 in dieser Legislaturperiode erledigt werden. Ich möchte Sie bitten, sich unserem wohlerwogenen und mit Fachleuten des Adoptionsrechtes und der Adoptionspraxis abgestimmten Antrag anzuschließen.
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Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann kein Zweifel darüber bestehen: das geltende Adoptionsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist wie so vieles reformbedürftig. Während die Adoption früher den Zweck hatte, kinderlosen Personen einen Erben und Nachfolger zu verschaffen, liegt heute - darauf ist mit Recht hingewiesen worden - ihre Hauptbedeutung darin, Kindern, denen es versagt ist, bei ihren leiblichen Eltern aufzuwachsen, die Entwicklung innerhalb einer Familie sicherzustellen. Um diesem Zweck in befriedigender Weise Rechnung zu tragen, muß das Adoptionsrecht im Anschluß an frühere Teilreformen im ganzen neu geregelt werden. Ferner muß es an das Übereinkommen des Europarates über die Adoption von Kindern angepaßt werden.
Nun handelt es sich dabei um ein sehr umfassendes Gesetzgebungswerk. Wenn Herr Kollege Rollmann hier gesagt hat, die CDU habe eine umfassende Konzeption zur Lösung des Problems vorgelegt, so muß ich erwidern: umfassend ist das, was die Opposition vorgelegt hat - eine Konzeption wohl kaum; denn die nahezu vollständige Zusammenstellung aller Probleme, die es auf diesem Gebiete gibt, in Form eines Auftrages ist eine verdienstvolle Bereicherung der Diskussion, aber die anspruchsvolle Vorstellung, es handle sich dabei um eine Konzeption, will ich nun einmal nicht näher bewerten. Jedenfalls möchte ich hier sehr deutlich machen: die Bundesregierung sieht nicht nur dieses Problem, sondern ist ihrerseits bemüht, den Inhalt der Reform nach folgenden Gesichtspunkten zu bestimmen.
Erstens. Hauptanliegen wird nach Auffassung des Bundesministers der Justiz die Einführung der Volladoption sein, d. h. die möglichst vollständige Eingliederung der Adoptivkinder in die Familie der Adoptiveltern. Erb- und unterhaltsrechtliche Beziehungen sollen z. B. allein zu den Adoptiveltern, nicht mehr zu den leiblichen Eltern bestehen.
Zweitens. Die Einwilligung der leiblichen Eltern in die Adoption soll leichter als bisher ersetzt werden können. Nach geltendem Recht kann von der Einwilligung der Eltern nur unter sehr strengen Voraussetzungen abgesehen werden. Die Adoption gegen den Willen der Eltern muß allerdings ein letztes Mittel bleiben. Eltern dürfen keineswegs allein deshalb die Wegnahme ihrer Kinder befürchten müssen, weil sie, aus wirtschaftlichen Gründen beispielsweise, vorübergehend nicht in der Lage sind, ihr Kind selbst zu versorgen.
Drittens. Die Voraussetzungen der Adoption sind neu zu regeln. Z. B. muß das Erfordernis der Kinderlosigkeit bei Adoptiveltern beseitigt werden.
Viertens. Das Adoptionsverfahren muß neu geregelt werden mit dem Ziel der Vereinfachung und der Beschleunigung.
Fünftens ist zu prüfen, ob die Adoption nicht mehr wie bisher durch gerichtlich bestätigten Vertrag, sondern durch staatlichen Hoheitsakt zustande kommen soll. Ich neige persönlich dazu - mit dieser Einschränkung muß ich das hier sagen -, diesen Weg zu gehen.
Sechstens. Es wird die Regelung der Adoption von Volljährigen in ihren Voraussetzungen und Wirkungen zu prüfen sein.
Schließlich soll gleichzeitig mit der Neuordnung des Adoptionsrechts das europäische Adoptionsübereinkommen ratifiziert werden.
Aus diesen wenigen Bemerkungen mögen Sie sehen, daß wir uns nicht nur über das Ziel der Reform Klarheit verschafft haben, sondern daß wir bereits bei den Vorarbeiten sind. Sie müssen nicht erst aufgenommen werden. Wir werden dabei von mehreren Sachverständigenkommissionen beraten. Ein Ausschuß der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge hat seine Vorschläge unterbreitet. Gemeinsam mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit haben wir eine Umfrage eingeleitet, bei der u. a. - das mag einmal die Problematik des Entwickelns einer Konzeption zeigen, Herr Kollege Rollmann - die Äußerungen der Gerichte, Jugendämter, Notare, Rechtsanwälte, Fachverbände und der Kirchen eingeholt werden. Die Umfrage befaßt sich besonders eingehend mit der Frage der Ersetzung der elterlichen Einwilligung. Wir haben eine Frist für die Abgabe der Stellungnahmen bis zum 1. April des kommenden Jahres erbeten.
Nun muß ich ein offenes Wort sagen. Einer Ihrer der Rechtspolitik etwas näherstehenden, hochverehrten Fraktionskollegen hat hier dem Bundesminister der Justiz vor einiger Zeit die Frage gestellt, ob er sich für diese Wahlperiode nicht ein wenig zuviel vorgenommen habe. Seine Sorgen sind sicherlich nicht begründet. Aber sie könnten begründet werden, Herr Kollege Rollmann, wenn wir in diesem Stadium neue Prioritäten setzen würden. Die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbelastung des Bundesministeriums der Justiz sind beachtlich groß, aber nicht unendlich groß. Deswegen mache ich kein Hehl daraus, daß wir vorhaben, in zwei Stufen vorzugehen, nicht, weil wir die Notwendigkeit einer Reform nicht einsehen, sondern weil es auf dem Gebiete des Familienrechts bereits andere umfangreiche Reformvorhaben gibt, die präsentiert worden sind und in der parlamentarischen Beratung in der gehörigen Weise betreut werden müssen. Wir müssen versuchen, mit unseren Kräften, die, wie gesagt, nicht unbegrenzt sind, zu Rande zu kommen.
Wir meinen nämlich, daß noch dringlicher als die Reform des Adoptionsrechts die Neuregelung des elterlichen Sorgerechts ist. Sie ist übrigens eine Voraussetzung dafür, daß die Reform des Adoptionsrechts gelingen kann. Deswegen konzentrieren wir die Bemühungen zunächst darauf, dafür die Vorarbeiten abzuschließen, um dem Hause einen entsprechenden Entwurf vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit werden wir die Regelung erster, dringlichster Fragen aus dem Adoptionsrecht vorziehen, um mit Sicherheit einen Beitrag zu den Bemühungen des Hauses zu leisten, hier erste Schritte zu einer Weiterentwicklung zu tun. Die umfassende Reform des Adoptionsrechts wird insgesamt noch ein wenig länger Zeit in Anspruch nehmen. Aber es gibt keinen Streit darüber: Notwendig ist sie, auf dem Programm steht sie, an ihr wird gearbeitet. Ich denke, in absehbarer Zeit können wir etwas vorlegen, das den Erwartungen des Hauses entspricht.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. DiemerNicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten haben gemeinsam mit den Sozialdemokraten den Antrag auf Drucksache VI/2367 vorgelegt. Herr Kollege Rollmann, in der Fragestunde sind seinerzeit schon Fragen vorausgegangen, die von Herrn Sieglerschmidt gestellt und von mir ergänzt wurden. Sie sehen daraus, daß uns das Problem der Reform des Adoptionsrechts nicht erst jetzt, wo unser Antrag vorliegt, beschäftigt hat, sondern schon wesentlich früher. Es hat mich gefreut, aus den beiden Begründungen und aus den Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers zu entnehmen, daß wir im Prinzip eine einheitliche Auffassung haben und daß die Reformbedürftigkeit als solche anerkannt wird. Auch wir sind der Meinung, die Adoption muß erleichtert werden.
Es gibt aber nicht nur mißratene Kinder, von denen man im Zusammenhang mit der Jugendkriminalität hört. Es gibt auch „mißratene" Eltern, die sich nicht in entsprechender Weise um ihre Kinder kümmern, die wohl das Elternrecht, aber nicht die Elternpflicht für sich anerkennen. Damit kommt sofort das andere Problem hinzu, auf das der Herr Bundesjustizminister zum Schluß seiner Ausführungen hingewiesen hat, nämlich die Frage, wie das elterliche Sorgerecht gegebenenfalls gegenüber dem Recht des Kindes auf die bestmögliche Entfaltung seiner Persönlichkeit zu begrenzen ist, also wann gegebenenfalls das Kindesrecht dem Elternrecht des Art. 6 vorgeht. Das sind die Probleme des § 1666. Ich begrüße es ganz außerordentlich, Herr Bundesjustizminister, daß Sie in erster Linie diesen Problemen Ihre Aufmerksamkeit widmen.
Aber damit ist die Reform des Adoptionsrechtes natürlich nicht erschöpft. Die Notwendigkeit, Adoptionen heutzutage zu erleichtern, ergibt sich nicht nur daraus, daß Eltern sich nicht genügend um ihre Kinder kümmern, sondern auch aus der großen Zahl der Verkehrsunfälle. Denken Sie daran, wie häufig Sie in den Zeitungen lesen, daß beide Elternteile - in der Familie war ein durchaus gutes und glückliches Familienleben - tödlich verletzt werden und Waisenkinder übrigbleiben. Nicht immer werden Verwandte da sein, die sich in vollem Umfang dieser Kinder annehmen können. Dann sind sie Waisenkinder und kommen damit zunächst in die Heime. Es sind kritische Worte über Heimkinder gesagt worden. Man weiß natürlich, daß die Kinder dann, wenn zu viele von einer Person betreut werden müssen, sei es in Kinderkrankenhäusern, sei es in den Heimen, nicht so individuell behandelt werden können, wie sie es brauchen, daß ihnen dann nicht die Liebe zuteil werden kann, die sie für ihre seelische und für ihre körperliche Entwicklung - beides hängt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen - brauchen, Deswegen ist es notwendig, die Voraussetzungen für die Adoption zu erleichtern.
Auch wo „mißratene" Eltern da sind, die sich nicht in dem erforderlichen Maß um ihre Kinder kümmern, muß es möglich sein, die Einwilligung der Eltern leichter, als es jetzt der Fall ist, zu ersetzen. Das ist das Problem des § 1747 Abs. 3, das in dem gemeinsamen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und der freien demokratischen Fraktion besonders hervorgehoben wird. Auch insofern sind wir uns einig.
Herr Kollege Rollmannn, als ich heute morgen, so kurz nach der Parlamentspause, den Antrag und die Grundsätze las, die Sie hier, wahrscheinlich von Ihrer Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion, maßgeblich mit getragen, darstellen, waren mir viele dieser Grundsätze äußerst sympathisch. Grundsätzlich kann ich ihnen sogar im vollen Umfang zustimmen. Auch in den Ausführungen sowohl des Herrn Kollegen Sieglerschmidt wie des Herrn Bundesjustizministers hat sich insofern eine weitgehende Übereinstimmung gezeigt.
Schon seit längerem habe ich Kritik daran geübt, daß wir nicht die Volladoption haben. Ich halte es für unmöglich, daß nach einer Adoption noch die Unterhaltspflichten des Adoptivkindes gegenüber seinen natürlichen Eltern bestehen bleiben. Mir sind Fälle bekannt, in denen die Sozialfürsorge die leiblichen Eltern des Kindes unterstützt hat, die sich um das Kind nicht gekümmert haben, während die Adoptiveltern ihm eine gute Berufsausbildung haben zuteil werden lassen, und in denen das Sozialamt dann mit Regreßforderungen gegen das Kind gekommen ist. Das sind nach meiner Auffassung einfach unmögliche Zustände.
Die Spannungen, die sich ergeben, zeigen sich noch an einem anderen Punkt. Nach dem jetzigen Erbrecht kann das Vermögen der Adoptiveltern, wenn diese zuerst sterben und dann auch noch das Adoptivkind stirbt, auf die leiblichen Eltern übergehen. Das hat doch überhaupt keinen Sinn und keinen Zweck. So darf das Erbrecht nach meiner Auffassung nicht bleiben.
Andererseits haben wir das Nichtehelichenrecht in der Weise reformiert, daß die nichtehelichen Kinder einen Erbersatzanspruch haben, der nicht abbedungen werden kann. Wie ist es aber jetzt, wenn die Kinder von den Adoptiveltern in eine volle Familiengemeinschaft aufgenommen werden? Dann kann ,das Erbrecht immer noch in vollem Umfang abbedungen werden. Solange man übrigens das Erbrecht der leiblichen Eltern nicht vollständig beseitigt, hat das natürlich einen Sinn, und zwar den Sinn, einen Erbübergang auf völlig Fremde zu vermeiden.
Ich führe diese Beispiele nur an, um zu zeigen, wie tatsächlich alles reformbedürftig ist. Ich möchte trotzdem den Herrn Bundesjustizminister unterstützen, der es bei so weit in unser Gesellschaftssystem und unser gesamtes Familienrecht eingehenden Änderungen für notwendig hält, diese Änderungen mit den Verbänden abzustimmen. Ich habe auch Verständnis dafür, daß er für die Stellungnahme eine Frist bis zum 1. April gesetzt hat. Ich kenne auch die Belastung, die nun einmal leider bei uns im Rechtsausschuß vorhanden ist; denken Sie bitte auch an die Reform des Scheidungsrechtes, die bevorsteht. So sehr wir alle wünschen, daß eine volle Reform in kürzester Zeit erfolgt, werden wir uns doch zuerst bei der Beratung der beiden Anträge im Rechtsausschuß überlegen müssen, was noch in dieser Legislaturperiode tatsächlich verwirklicht werden kann, und was nach unserer Auffassung auch unbedingt noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden muß.
Bei mir steht am Anfang, das sage ich in aller Offenheit, die Reform des § 1666, die leichtere Ersetzung der elterlichen Einwilligung in eine Adoption und die Erleichterung der Adoption durch Wegfall mancher heute erschwerender Voraussetzungen, auch durch Wegfall von Altersgrenzen.
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Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP betreffend Änderung des Adoptionsrechtes und des Zusatzpunktes, Beratung des Antrages der Abgeordneten Rollmann, Dr. Stark ({0}), Dr. Gölter, Dr. Wagner ({1}), Dr. Riedl ({2}), Vogel und der Fraktion der CDU/CSU betr. Neuregelung des Adoptionsrechts.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag VI/2367 an den Rechtsausschuß federführend und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mitberatend zu überweisen. Das gleiche gilt für die Drucksache VI/2591. Weitere Vorschläge liegen nicht vor. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 10 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen
betr. Übertragung der dem Bund bei Erhöhung des Grundkapitals der VEBA-AG zustehenden Bezugsrechte auf die Kreditanstalt
für Wiederaufbau und ein Bankenkonsortium
- Drucksachen VI/2535, zu VI/2535 Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Weitere Vorschläge liegen nicht vor. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Punkt 4 der heutigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die befristete Fortgeltung der Mitbestimmung in bisher den Mitbestimmungsgesetzen unterliegenden Unternehmen
- Drucksachen VI/1785, zu VI/1785 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({3})
- Drucksache VI/2566 Berichterstatter: Abgeordneter Buschfort ({4})
Ich frage zunächst, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe § 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wir kommen jetzt zur ersten mit Hoffnungen, aber auch Skepsis begleiteten Abstimmung mit unserer Abstimmungsanlage. Ich darf Sie zunächst bitten, sich alle hinzusetzen, weil nur dadurch die Ordnungsmäßigkeit der Abstimmung ermöglicht wird; Sie kennen ja die Gewichtsprobleme der Abstimmungsanlage. Die Identnummer steht in Ihrem Ausweis. Die Herren Schriftführer sind gern bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie die Nummer aus irgendwelchen Gründen nicht verfügbar haben sollten.
Ich bitte Sie nunmehr, die Taste „Ja", „Nein" oder „Enthaltung" und gleichzeitig den Knopf an der Seite zu drücken. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darauf achteten, daß die rote Lampe bis zum Schluß der Abstimmung brennt. Haben Sie alle die Taste gedrückt?
({5})
Die Abstimmung ist geschlossen. Die Vorlage ist in zweiter Beratung mit großer Mehrheit bei einer Reihe Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Zur Abstimmung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kley zu einer Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 59 der Geschäftsordnung gebe ich namens der Abgeordneten der CSU zur Abstimung eine Erklärung ab.
({0})
Der uns vorliegende Entwurf eines Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes verlängert die Fortdauer der Montan-Mitbestimmung, auch wenn sie nach geltendem Recht wegfallen würde. Außerdem ändert das Gesetz das geltende Recht materiell und greift damit in den Bereich der verarbeitenden Industrie über. Schließlich bestehen auch schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken; insbesondere greift das Gesetz gezielt in schwebende Verfahren ein.
Aus diesen Gründen lehnen wir das Gesetz ab.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung in der dritten Beratung. Ich bitte, erneut, soweit das noch nicht geschehen ist, die Identnummer einzustellen und die Taste „Ja", „Nein" oder „Enthaltung" zu drücken. Gleichzeitig darf ich Sie noch einmal bitten, den Knopf an der Seite. zu drücken. Leuchtet jetzt überall die rote Lampe auf? Haben Sie alle gedrückt?
({0})
Das Ergebnis der Abstimmung in dritter Beratung ergibt eine große Mehrheit bei einer Reihe von Nein-Stimmen und wenigen Enthaltungen. Damit ist die Vorlage in dritter Beratung angenommen.
Ich darf nun noch bitten, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. - Keine andere Meinung; es ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt die Punkte 7 bis 9, 11 bis 15 und 17 his 21 auf:
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes
- Drucksache VI/2533 -8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der gemeinsa men Marktorganisationen ({1})
- Drucksache VI/2553 -9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Schaffung einer leistungsfähigen Struktur des Mühlengewerbes ({2})
- Drucksache VI/2554 -11. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Marktstrukturgesetzes
- Drucksache VI/2508 -12. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze
- Drucksache VI/2250 - Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes
- Drucksache VI/2432 8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Änderung des Abkommens vom 30. April 1964 über Soziale Sicherheit
- Drucksache VI/2430 9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 7. Dezember 1953 zur Änderung des Übereinkommens vom 25. September 1926 über die Sklaverei
- Drucksache V/2433 17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 4. Mai 1949 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels sowie zu dem Protokoll vom 12. November 1947 zur Änderung der Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und des Übereinkommens zur Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen
- Drucksache VI/2440 18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
- Drucksache VI/2520 19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung internationaler Abkommen sowie von Verordnungen, Entscheidungen und Richtlinien des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs
- Drucksache VI/2521 20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik auf dem Gebiete des Wohnungswesens und des Städtebaus ({3})
- Drucksache VI/2543 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
21. Erste Beratung des von der Bundesregie* rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes
- Drucksache VI/2546 Es handelt sich um von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe sowie Gesetzentwürfe des Bundesrates und aus der Mitte des Hauses. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die verschiedenen Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Anderweitige Vorschläge sind weder von den Fraktionen noch nachträglich aus dem Hause gemacht worden. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit sind überwiesen der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
der Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen ({4}) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaft und den Finanzausschuß - mitberatend - sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Schaffung einer leistungsfähigen Struktur des Mühlengewerbes ({5}) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend und an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft mitberatend;
der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Marktstrukturgesetzes an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung;
der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze an den Rechtsausschuß;
der Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15, März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung;
der Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Änderung des Abkommens vom 30. April 1964 über Soziale Sicherheit an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung;
der Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 7. Dezember 1953 zur Änderung des Übereinkommens vom 25. September 1926 über die Sklaverei an den Rechtsausschuß;
der Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 4. Mai 1949 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels sowie zu dem Protokoll vom 12. November 1947 zur Änderung der Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und des Übereinkommens zur Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Mitberatung;
der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
der Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung internationaler Abkommen sowie von Verordnungen, Entscheidungen und Richtlinien des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs an den Ausschuß .für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen;
der Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik auf dem Gebiete des Wohnungswesens und des Städtebaus ({6}) an den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen - federführend -, an den Innenausschuß - mitberatend - und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung;
der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung.
Meine Damen und Herren, der Punkt 16 ist, wie der Herr Präsident schon bekanntgegeben hat, abgesetzt worden.
Ich rufe nunmehr den Punkt 23 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen
betr. Veräußerung des Pionierwasserübungsplatzes Bützfleth an das Land Niedersachsen
- Drucksache VI/2548 Das Wort wird nicht begehrt. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 24 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({8}) des Rates zur Festsetzung
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
des Schwellenpreises für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1971/1972
- Drucksachen VI/2227, VI/2552 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmidt ({9})
Ich frage zunächst den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Weitere Wortmeldungen liegen ebenfalls nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Beschlußfassung und stimmen auch hier wieder mit der Abstimmungsanlage ab. Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie sich wieder auf Ihre Plätze begeben würden, damit wir abstimmen können. Bitte, stellen Sie wieder, soweit sie noch nicht eingestellt oder geändert worden ist, die Identitätsnummer ein. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nunmehr - meine Damen und Herren, bitte, nehmen Sie doch bitte Platz - die Taste „Ja", „Nein" oder „Enthaltung" und gleichzeitig den Knopf an der Seite wieder drücken würden. Die rote Lampe muß dann jeweils bis zum Schluß leuchten. - Die Vorlage ist einstimmig angenommen. Ich danke Ihnen.
Wir kommen zu Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({10})
- Drucksache VI/2249 -
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beseitigung von Abfallstoffen ({11}) ({12})
- Drucksache VI/2401 Ich darf dem Herrn Bundesminister des Innern zur Begründung der Vorlage das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes muß in engem Zusammenhang gesehen werden mit dem Immissionsschutzgesetz, der vierten Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz und dem bereits in Kraft getretenen Benzinbleigesetz. Diese vier Gesetze zusammen bilden den Kern des Sofortprogramms der Bundesregierung. Wir wollen damit erreichen, daß die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, schon eingetretene Umweltschäden zu beseitigen und vor allen Dingen die regionale und sektorale Zersplitterung des Umweltschutzrechtes zu überwinden, um damit den Weg freizumachen für großräumige Lösungen. Zugleich erstreben wir mit dem Sofortprogramm den ersten Schritt hin zu einer präventiven Umweltstrategie mit dem Ziel, Umweltschäden nach Möglichkeit überhaupt nicht entstehen zu lassen.
Ich glaube, daß gerade das Beispiel der Abfallbeseitigung in besonderem Maße die Mängel einer nur reagierenden Umweltschutzpolitik erschreckend deutlich zeigt. Das wird z. B. sichtbar, wenn es dazu kommt, daß Giftschlamm hin und her gefahren wird, weil Abfallbeseitigungsanlagen zunächst nicht zur Verfügung stehen oder nicht nachgewiesen werden können.
Bei der Abfallbeseitigung bedeutet deshalb ein präventiver Umweltschutz erstens die Rückführung des verwertbaren Abfalls in den Rohstoff- und Energiekreislauf und zweitens die Schaffung der Voraussetzungen dafür, daß der nicht weiter verwertbare Abfall schnell und ohne jede Schädigung der natürlichen Umwelt beseitigt werden kann.
Wir befinden uns also in der Umweltschutzpolitik in diesem Bereich in einem Stadium, in dem wir noch reagieren, zugleich aber schon präventive Maßnahmen ergreifen. Gerade die Ereignisse des vergangenen Sommers haben besonders deutlich gemacht, wie groß die Probleme im Bereich der Abfallbeseitigung sind. Alle diese Affären, die die Öffentlichkeit mit Recht aufgeschreckt haben, haben zudem die Dringlichkeit - und das ist das Gute für unser Gesetzgebungsvorhaben - einer bundeseinheitlichen Regelung des Abfallproblems sichtbar gemacht. Die Bundesregierung war sich dieser Dringlichkeit von Anfang an bewußt. Nachdem wir vor einem Jahr das Sofortprogramm verabschiedet hatten, konnte schon am 23. Dezember 1970 der Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes vorgelegt werden. Wir haben dann später die Grundgesetzänderung nachgeschoben und uns inzwischen auch zu der Stellungnahme des Bundesrates geäußert.
Meine Damen und Herren, ich habe hier Anlaß, allen Fraktionen des Deutschen Bundestages dafür zu danken, daß sie eine zügige Behandlung auch für die gesetzgeberische Arbeit vorgesehen haben und daß wir die Möglichkeit haben, schon in der ersten Sitzung nach der Sommerpause die erste Lesung dieser Gesetzentwürfe vorzunehmen.
Der Deutsche Bundestag hat bereits bei der Beratung des Benzinbleigesetzes - auch hier habe ich Anlaß, allen Fraktionen, vor allem aber dem Herrn Vorsitzenden des Innenausschusses zu danken seinen festen Willen bewiesen, die Grundlagen für einen vorausschauenden Umweltschutz schnell und konsequent zu schaffen. Ich habe damals gesagt und unterstreiche das heute, daß die zügige Behandlung des Benzinbleigesetzes zugleich die Hoffnungen derjenigen gemindert hat, die glaubten, durch vielfältige Einflüsterungen Einfluß auf den Ablauf der gesetzgeberischen Arbeit zu nehmen.
Die jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe sollen die Grundlage einer einheitlichen und in die Zukunft weisenden Abfallbeseitigung in der Bundesrepublik Deutschland bilden. Sie werden von der zur Zeit noch in Arbeit befindlichen Schadensschutzverordnung flankiert werden, mit der spezielle Regelungen für den Transport gefährlicher Abfälle geschaffen werden sollen. In diesen Bereich gehört aber auch das Übereinkommen über die hohe See.
Grundsatz des Gesetzentwurfs ist die unschädliche Beseitigung der Abfallstoffe. Die Beseitigung soll unter Vermeidung gesundheitlicher Gefahren für Mensch und Tier und schädlicher VerunreiniBundesminister Genscher
gungen von Lebens- und Futtermitteln und von Gewässern vorgenommen werden. Darüber hinaus sind die Belange der Landwirtschaft, des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Städtebaues zu wahren. Es ist das Ziel des Entwurfs, die Abfallbeseitigung für größere Gebiete zusammenfassend zu planen und auf diese Weise strukturell und wirtschaftlich sinnvolle Regelungen zu erreichen.
In erster Linie sind - wie schon bisher - die Gemeinden oder von den Ländern bestimmte größere Gebietskörperschaften verpflichtet, die auf ihrem Gebiet entstehenden Abfallstoffe zu beseitigen. Die Länder haben jedoch Pläne zur Abfallbeseitigung nach überörtlichen Gesichtspunkten aufzustellen. Dabei geht das Gesetz von der Erwägung aus, daß es eben nicht genügt, den Verursachern von Abfall nur eine Beseitigungspflicht aufzuerlegen. Erforderlich ist vielmehr, daß wir auch die Voraussetzungen dafür schaffen, daß diese Pflichten erfüllt werden können. Ein Abfallbeseitigungsgesetz, daß es sich ersparen würde, derartige Wege zu zeigen, würde im Grunde nicht eine einzige wilde Müllkippe beseitigen. Allenfalls würden wir zunehmende Zahlen von Gesetzesübertretungen feststellen müssen. Es geht deshalb darum, daß die von uns vorgesehenen Abfallbeseitigungspläne sehr schnell verwirklicht werden. Davon hängt auf die Dauer die Lösung des Problems ab, das zu lösen sich dieser Gesetzentwurf vorgenommen hat.
Die Beseitigung des Industriemülls, vor allem des sogenannten Sondermülls, also aller Arten gefährlicher Abfälle, wird von den Gemeinden vielfach nicht übernommen werden können. Nach dem Verursachungsprinzip hat dann der Betrieb selbst für eine schadlose Beseitigung zu sorgen. Das aber ist nur praktikabel, wenn man auch sagen kann, wohin die gefährlichen Abfälle gebracht werden sollen. Sonst irren diese giftigen Stoffe im Lande umher oder verschwinden, wie wir er erlebt haben, genau dort, wo sie nicht verschwinden sollen.
Lassen Sie mich zu einigen wichtigen Punkten des Gesetzes noch folgendes bemerken. Die Einfuhr giftiger Abfälle in das Bundesgebiet bedarf einer genauen Regelung. Wir können und wollen es nicht zulassen, daß die Bundesrepublik Deutschland zur Giftmüllkippe Europas wird.
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Darum sagt der Gesetzentwurf, daß die zuständigen Landesbehörden die Einfuhr von Abfallstoffen in den Geltungsbereich ides Gesetzes zu genehmigen haben. Eis ist richtig, diese Aufgabe den Ländern zu übertragen, da sie im Einzelfall am besten beurteilen können, ob ,die unschädliche Beseitigung ohne Störung der Abfallbeseitigungsplanung insgesamt möglich ist. Einige Fälle von Abfallimporten haben in jüngster Zeit mit Recht Ärgernis erregt. Deshalb sind scharfe und wirksame Kontrollen unerläßlich. Wir müssen dabei aber bedenken, daß sich der zwischenstaatliche Verkehr mit Abfällen nicht nur auf einer Einbahnstraße auf unser Land zu bewegt.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die Frage der Einweg-Verpackungen und Einweg-Behältnisse. Einweg-Verpackungen schaffen für die Abfallbeseitigung zum Teilganz erhebliche Probleme. Deshalb ist es notwendig, daß der Gesetzentwurf den Erlaß beschränkender oder notfalls auch verbietender Rechtsverordnungen ermöglicht. Wir igehen dabei davon ,aus, daß Industrie wie Verbraucher diese Bestimmungen als ein Signal auffassen, sich verstärkt auf die Entwicklung und Benutzung ianderer, umweltfreundlicher Verpackungsmittel zu konzentrieren.
Meine Damen und Herren, für diesen Gesetzentwurf gilt, was für den gesamten Bereich des Umweltschutzes inzwischen erkannt worden ist. Die Gesetze können nur dann wirksam werden, wenn sie in der gesamten Öffentlichkeit auf eine breite Zustimmung und ,auf eine Bereitschaft zum Umweltschutz stoßen, d. h. wenn ein ausreichendes und differenziertes Umweltbewußtsein vorhanden ist. Das bedeutet aber auch, daß sich jedermann darüber im klaren sein muß, daß der Verstoß gegen Umweltschutzvorschriften wahrlich kein Kavaliersdelikt ist. Deshalb kann und muß in allen Umweltschutzgesetzen die Strafdrohung dem Unrechtsgehalt ider Tat entsprechen. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzentwurf für schwerwiegende Verstöße Haftstrafen bis zu fünf Jahren vor. Das macht deutlich, daß fahrlässige oder vorsätzliche Umweltverschmutzung nicht als eine läßliche Sünde oder als ein Kavaliersdelikt angesehen werden darf. Wer die Umwelt vergiftet, handelt nicht weniger kriminell als jemand, der sich an Leib und Leben anderer Menschen vergeht.
Die harten Strafdrohungen sollen auch als ein Beweis für die Ernsthaftigkeit ides Willens verstanden werden, keine weitere schädliche Beeinträchtigung unserer Umwelt zu dulden. Wir brauchen dieses Umweltbewußtsein, um in der Öffentlichkeit um Verständnis für die Lasten, die sich aus dem Umweltschutz ergeben, zu werben.
Ich möchte dennoch an dieser Stelle wiederholen, was ich schongelegentlich gesagt habe, nämlich daß am Anfang nicht die Frage stehen sollte: Was kostet der Umweltschutz?, sondern daß am Anfang die Frage stehen sollte: Welchen Preis müssen wir und unsere Kinder dann zahlen, wenn wir die Aufgabe des Umweltschutzes nicht lösen?
Das Gesetz belastet zwar dein Bundeshaushalt nicht. Aber jedermann weiß, daß die Ziele dieses Gesetzentwurfs nur dann erreicht werden können, wenn es auch zu Belastungen bei den Gemeinden und vor allen Dingen bei der Wirtschaft kommt. Auch Abfallbeseitigung hat ihren Preis. Sie ist nicht umsonst zu haben, und wir alle werden diese Kasten zu tragen haben.
Ich bin aber überzeugt, daß in der breiten Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland Verständnis für diese Lasten vorhanden sein wird. Denn niemand will, daß Erholungslandschaften länger als wilde Müllkippen mißbraucht verden oder daß Abfallstoffe in das Trinkwasser gelangen.
Meine Damen und Herren, eine Verwirklichung der von uns vorgelegten Gesetzentwürfe im Zusammenhang mit den Grundsatzprogramm, das in Kürze vorgelegt werden soll, wird zugleich eine Antwort
auf eine pessimistische Frage geben, die in einem Buchtitel der jüngsten Zeit gestellt wurde, die Frage nämlich: Müssen wir im Dreck ersticken? Wir sind der Überzeugung, daß die Verabschiedung nicht nur dieses Entwurfs, sondern auch der anderen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe uns in die Lage versetzen wird, dazu ein klares Nein zu sagen. Wir erbitten dafür die Unterstützung des Hohen Hauses.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gruhl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich die Problematik des Abfalls zum Anlaß nehme, um dessen Bedeutung in größere Zusammenhänge zu rücken. Wir werden diese Aufgabe nur lösen, wenn sich unsere Einstellung zum Abfall grundlegend ändert. Ein Blick auf die Geschichte beweist, daß sich der Mensch früher nicht im geringsten für den Abfall interessiert hat. Für den Menschen war von Anfang an nur das von Bedeutung, was er nutzen, gebrauchen und anwenden konnte. Alles, was nicht zu gebrauchen war und was bei der Herstellung an Nebenprodukten anfiel, fand nicht die geringste Beachtung, war lästig und unnütz und eben wertloser Abfall. In den Zeiten handwerklicher Produktion mochte das angehen, denn die Mengen waren verschwindend gering. Für diese kleinen Mengen hatte man überdies meist noch eine Verwendung zu Zwecken der Heizung und in der Landwirtschaft zur Düngung der Fluren. Erst im Zeitalter der industriellen Produktion wuchsen nicht nur die Massen der fertigen Erzeugnisse, es wuchsen auch die unbrauchbaren Nebenprodukte, und zwar um ein Mehrfaches der nutzbaren Mengen. Was bei unserer heutigen Produktion bereits an Abfällen entsteht, übersteigt das Gewicht der hergestellten Waren um ein Vielfaches. Hier und da ist das Verhältnis 9 zu 1. Um z. B. aus dem Erz der Erde eine Tonne Stahl zu gewinnen, bekommen wir viele Tonnen Abfall, vor allem wenn die vielen Tonnen verbrauchter Luft und verbrauchten Wassers mit einbezogen werden, denn auch das sind Abfälle der Produktion. Viele Abfallstoffe entstehen bereits bei der Erzeugung der nötigen elektrischen Energie für diese modernen Betriebe.
Gehen Sie, meine Damen und Herren, die verschiedenen Zweige unserer Wirtschaft einmal gedanklich durch. Sie werden fast überall finden, daß das Unbrauchbare, das in den Produktionsvorgängen anfällt, das Brauchbare um ein Mehrfaches übersteigt und selbst das Brauchbare landet letzten Endes ebenfalls im Abfall.
Unsere Einstellung zu diesen Abfallbergen, die heute nur noch in Millionen von Tonnen zu messen sind, ist aber leider so geblieben, wie sie vor tausend Jahren den wenigen Spänen gegenüber war. Der Abfall wird weiterhin als wertlos betrachtet, darf folglich nichts kosten. Niemand ist bereit, für dieses unnütze Zeug auch noch etwas aufzuwenden. Die Zwischenfälle dieses Sommers beweisen, daß diese geistige Haltung bis heute noch weitgehend gültig war. Erst jetzt, im Jahre 1971, bahnt sich ein grundlegender Wandel an. "Durch die Unglücksfälle wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß wir uns heute gegenüber den Massen an Abfällen und vor allem gegenüber den Stoffen, die giftig sind, nicht mehr so verhalten können, als könnte man sie an der nächsten Ecke ablagern. Wenn Arsen und Zyankali als Abfallprodukte anfielen, brachte man sie, wie die letzten Ereignisse bewiesen haben, auf die Müllhalde. Dies ist in Zukunft nicht mehr angängig. Wenn es sich bei den Abfallstoffen, wie z. B. denen der chemischen Industrie, bereits um Tausende und Zehntausende von Tonnen handelt, muß ein ganz anderer Maßstab angelegt werden. Auch die Landwirtschaft, soweit sie heute industriell produziert und Zehntausende und Hunderttausende von Tieren an einem Platz unterhält, schafft neue Probleme des Abfalls, die früher der normale bäuerliche Betrieb in keiner Weise gekannt hat.
Darum müssen wir uns für heute und in der Zukunft damit abfinden, daß der Abfall ein beträchtlicher Kostenfaktor ist. Wenn wir unsere Umwelt nicht verunstalten wollen und den Haushalt dieser Erde, die Ökologie der Natur nicht in Unordnung bringen wollen, müssen wir in Zukunft der schadlosen Abfallbeseitigung allergröße Bedeutung zumessen.
({0})
In verschiedenen industriellen Produktionsverfahren wird es dazu kommen, daß unter Umständen die schadlose Beseitigung der anfallenden Abfälle, Abgase, Abwässer mehr kosten kann als die Herstellung des Produkts als solche. Soweit die Industrie betroffen ist - es gibt ja einige sehr gefährliche Branchen auf diesem Gebiet -, wird in Zukunft die Verantwortung für den Abfall auch nicht am Fabriktor enden können, schon darum nicht, weil mit der Abfuhr und Verbringung an irgendwelche Stellen bereits eine Mischung mit anderen Abfällen eintritt, deren gegenseitige Beeinflussung und Reaktion dann außer Kontrolle gerät. Es wird vernünftiger sein, daß ein Industriebetrieb, zumindest ein großer Industriebetrieb, seinen eigenen Abfall ordnungsgemäß umarbeitet, weil der Betrieb selbst am besten weiß - denken Sie wieder an die Chemie -, wie man ihn behandelt.
Weiterhin wird die Wiederverwendung das große Problem der Zukunft sein. Die Amerikaner sprechen von „recycling", wieder in den Kreislauf einbeziehen. Man wird schon darum die Abfälle in den Kreislauf einbeziehen müssen, weil wir uns in Zukunft gar nicht mehr gestatten können, immer neue Produkte herzustellen. So werden metallische und andere Bestandteile aus dem Abfall auszusortieren sein. Die Masse wird verkompostiert werden müssen, weil die Kompostierung, ökologisch gesehen, die natürlichste und beste Form der Abfallbeseitigung darstellt. Ein Großteil wird allerdings auch verbrannt werden müssen. Auf keinen Fall kann die hohe See weiterhin als Abfallgrube der Menschheit benutzt werden;
({1})
denn auf der anderen Seite erwarten wir für die Ernährung einiges aus diesen Gewässern. Eine Möglichkeit tut sich vielleicht bezüglich der Beseitigung in stillgelegten Bergwerken auf, wie das bereits für den Atommüll glücklicherweise gelöst worden ist.
Ich möchte jetzt noch auf einige Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingehen.
({2})
Besonders vermisse ich die Regelung, die eine größere Verantwortung für die entsprechenden Betriebe mit sich bringt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme Auflagen für gewerbliche Anlagen verlangt, um sie zur schadlosen Beseitigung der im Produktionsvorgang entstandenen Abfallstoffe zu verpflichten. Ich vermisse leider in der Gegenäußerung der Bundesregierung eine Stellungnahme zu dieser sehr wichtigen Anregung.
In bezug auf die Planung der zukünftigen Abfallbeseitigung - die nicht mehr auf den, wie zur Zeit geschätzt wird, 50 000 Müllkippen des Bundesgebietes erfolgen kann, sondern in zentralen Deponien oder Verbrennungsanlagen erfolgen soll -vermisse ich Fristen; denn wir können den Ländern, die dafür zuständig sein werden, für diese Planung keine unbeschränkten Fristen einräumen.
Man hört, daß nach den Berechnungen der Bundesregierung in den nächsten 15 Jahren 2,8 Milliarden DM für die Abfallbeseitigung zu investieren sind. Diese Zahl hört sich sehr imponierend an. Umgerechnet ergibt das aber 181 Milliarden DM pro Jahr oder 3 DM pro Jahr und Einwohner. Ich habe Zweifel, ob man mit diesem Betrag auskommen wird, wenn man eine einwandfreie ökologische Beseitigung des Abfalls erreichen will. Ich habe weiterhin Zweifel, ob man sich hier einen Termin von 15 Jahren setzen kann; denn auch hier ist immer die Zunahme der Produktion und infolgedessen auch der Abfälle einschließlich der Abfälle im Haushalt gegenzurechnen. Für den einzelnen Haushalt, in dem durch wachsenden Wohlstand immer mehr Müll anfällt, wird von seiten der Kommunen in Zukunft eine kostendeckende Gebühr durchgesetzt werden müssen.
Überhaupt ist gerade die Abfallbeseitigung das Gebiet, wo wir den Verursacher am einwandfreiesten feststellen können. Da es sich um feste Abfälle handelt, die nicht unbemerkt in die Luft oder ins Wasser entweichen, sondern irgendwo sichtbar sind, ist hier der Verursacher, gleichgültig, ob es ein Betrieb oder ein einzelner Haushalt ist, wirklich festzustellen und zu erkennen. Darum muß das Verursacherprinzip gerade auf dem Gebiet des Abfalls voll durchgeführt werden, wie es eben auch schon der Herr Innenminister gesagt hat.
Ich sehe für den Bundeshaushalt allerdings gewisse Aufgaben für die Erforschung weiterer technischer Möglichkeiten zur Abfallbeseitigung und für andere Dinge, die wissenschaftlich noch erforscht werden sollen. Hier sollte auch der Bund Mittel zur Verfügung stellen und es nicht den Ländern oder einzelnen Betrieben überlassen, Forschung zu betreiben.
Jetzt komme ich noch zu einem Punkt des Gesetzentwurfs, der unvollständig zu sein scheint. Der Bund sollte in dem Gesetz auch Möglichkeiten schaffen, eine Meldepflicht für die Abfälle einzuführen. Das hätte einen zweifachen Zweck. Einmal kann damit festgestellt werden, welche Abfälle entstehen. Das ist wichtig für die Methoden der Wiederverarbeitung und -verwendung für andere Zwecke, die oft nicht im gleichen Betrieb, sondern eventuell in anderen Betrieben geschieht. Die Industrie hat bereits solche Maßnahmen in Gang gesetzt, d. h. es existiert ein Meldesystem, wodurch Abfälle woanders verwertet werden können. Zweitens hat man durch eine Meldepflicht eine Kontrolle darüber, wo die Abfälle verbleiben, wenn sie beseitigt werden. Es hat sich gerade in diesem Jahr gezeigt, daß die Abfuhr eine zweischneidige Sache ist. Sobald die Abfälle irgendwohin gefahren werden, geraten sie außer Kontrolle. Daher sollte durch die, wie ich es jetzt nennen möchte, Abfallstatistik, die erstellt werden muß, in Zukunft dafür gesorgt werden, daß die Kontrollen ansetzen können. Die Kontrollen über die vorschriftmäßige Abfallbeseitigung müssen in Zukunft zweifellos weiter ausgebaut werden.
Ich möchte zum Schluß für meine Fraktion erklären, daß wir uns um schnellstmögliche Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes bemühen werden. Die aufgeführten Punkte, die in dem Gesetz zu fehlen scheinen, sollten noch hineingebracht werden. Die Entwicklung auf diesem Gebiet geht ja so schnell, daß wir fast täglich neue Erkenntnisse gewinnen. Das Gesetz sollte also auf den neuesten Stand gebracht werden und bald in Kraft treten. Einige Länder haben bereits erklärt, daß sie auf dieses Bundesgesetz warten und keine eigenen Gesetzentwürfe ausarbeiten möchten, eben um sofort ein gemeinsames Vorgehen in allen Teilen des Bundesgebietes zu erreichen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in dieser Legislaturperiode mit dem Fluglärmschutzgesetz und dem Gesetz über den Bleigehalt im Benzin bereits zwei Gesetze verabschiedet, die in Teilbereichen des Umweltschutzes außerordentliche Bedeutung haben. Mit dem Abfallbeseitigungsgesetz wird weiteres wirksames Umweltrecht für einen ungleich größeren Bereich geschaffen, der für die Bundesrepublik erhebliche Bedeutung hat. Gefährliche Mißstände bei der Deponie von Chemikalien und Giftprodukten und die von wilder und ungeordneter Müllagerung ausgehenden Gesundheitsgefährdungen und Landschaftszerstörungen beweisen eindringlich, wie notwendig eine schnelle Regelung dieser Materie ist. Die Zügigkeit, die wir bei der Beratung dieser Gesetzesvorlage zu einem besonderen Grundsatz unseres Handelns machen sollten, liegt auch darin begründet, daß die Abfallpronosen für die Zukunft einfach bedrohlich zu nennen
Müller ({0})
sind. Diese Prognosen machen unverzügliches Handeln erforderlich.
Der Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes liegt Ihnen nunmehr vor. Es ist besonders zu begrüßen, daß der Bundesrat nach anfänglichem Zögern zu der Einsicht gekommen ist, daß der Bund für die Abfallbeseitigung eine Vollkompetenz im Grundgesetz haben muß. Meine Damen und Herren, es bleibt zu hoffen, daß dieses einsichtsvolle Mitgehen des Bundesrates auch in jenen Bereichen des Umweltschutzes erwartet werden kann, in denen zur Vermeidung weiterer Rechtszersplitterung die Vollkompetenz des Bundes im Grundgesetz verankert werden muß.
({1})
Insoweit, denke ich, kann das vorliegende Gesetz auch als Vorbild für die weiter folgenden Umweltgesetze betrachtet werden.
Die erste Lesung des Abfallbeseitigungsgesetzes ist noch nicht der geeignete Zeitpunkt, in die Einzelheiten der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen einzusteigen, doch sollte die Möglichkeit wahrgenommen werden, einige wesentliche Grundfragen anzuschneiden. Dazu gehört nach meiner Auffassung eine konkrete Aussage über das Verursacherprinzip, auf das ja auch bereits der Kollege Gruhl hingewiesen hat. Die Finanzsituation des Bundes, der Länder und Gemeinden ist allen bekannt. Sie zeichnet die Grenzen vor, welche die Investitionen für den Umweltschutz zwingend einengen. In ganz besonderer Weise gilt das für die Gemeinden, deren finanzielle Schwierigkeiten auf der Hand liegen. Hier eine befriedigende Lösung zu finden, muß ein Anliegen der Beratungen dieses Gesetzes sein. Genau da nämlich - das kann man kritisch anmerken - liegt eine gewisse Schwäche des vorliegenden Gesetzentwurfes. Die Vorlage geht von der Abfallbeseitigungspflicht der Gemeinden aus. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen wird der eigentliche Verursacher, die Industrie oder der Handel, zur Beseitigung verpflichtet. Damit trifft die Vorlage noch keine Entscheidung über die Finanzierung der Abfallbeseitigungsanlagen, aber sie geht doch den Weg, der für den Bund der leichtere ist, indem nämlich die Gemeinden zu einem für die Abfallbeseitigungspflicht haftenden Partner gemacht werden. So soll es denn auch nach den Vorstellungen des Entwurfs Sache der Gemeinde sein, ihrerseits über eine strikte Anwendung des Verursacherprinzips die notwendigen Kosten für die Errichtung und den Unterhalt der Abfallbeseitigungsanlagen einzutreiben. Dabei wird es, denke ich, nicht ausbleiben, daß sich die Räte und Verwaltungen der Gemeinden erheblichem Druck ausgesetzt sehen, wenn sie die Entscheidung über die Erhöhung der Gebühren für die Abfallbeseitigung zu beraten haben werden. Insbesondere die wirtschaftlich schwachen und deshalb an strukturellen Verbesserungen interessierten Gemeinden werden sich Belastungen ausgesetzt sehen, wenn es um die Gebührenfreiheit oder ähnliche Hilfen, wie sie gelegentlich angewandt werden, bei der Industrieansiedlung geht. In den Beratungen muß eine Lösung gefunden werden, die nicht einseitig die Lasten den Gemeinden und ihren Bürgern aufbürdet, sondern die Stellung der jeweiligen Gemeinde gegenüber der Industrie durch einheitliche Regelungen verbessert und erleichtert.
Einmal kann die von der Bundesregierung auch schon in den Erläuterungen zum Gesetz abgegebene Willensbekundung, die finanziellen Vorteile, die sich aus der Überwälzung. der Kosten von Umweltbelastungen auf die Allgemeinheit ergeben werden, durch Abgaben auszugleichen, ein denkbarer Weg sein. Wir werden in den Beratungen gerade diesen Vorschlag zu prüfen haben. Sicherlich muß aber auch in die Überlegungen einbezogen werden, ob nicht eine bundes- oder ländereinheitliche Gebührenordnung für die Abfallbeseitigung eine ebenfalls denkbare Lösung wäre.
In der Gesetzesvorlage wird ein Problem nicht ausdrücklich angesprochen, das in Zukunft zunehmend Bedeutung gewinnen wird. Ich denke an die Verwertung und Beseitigung von Autowracks. Hier werden die Beratungen in den Ausschüssen Klarheit schaffen müssen, inwieweit durch gezielte, über die Vorlage hinausgehende Regelungen die in Zukunft zu erwartenden Probleme ausgeräumt werden können. Die bekannten Entwicklungen in Amerika verpflichten den Gesetzgeber, sich nicht nur an den Gegebenheiten von heute, sondern auch an den Notwendigkeiten von morgen zu orientieren. Die Frage drängt sich auf, ob im Preis von Kraftfahrzeugen nicht nur die Produktionskosten und die Gewinnquote zu berücksichtigen sind, sondern auch die Kosten für die notwendige Ausschlachtung und Verschrottung.
Diese kritischen Anmerkungen zu noch nicht zufriedenstellenden Regelungen der Gesetzesvorlage dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Entwurf ganz erhebliche Verbesserungen gegenüber der bisherigen Rechtslage enthält. So wird das Gesetz helfen, die Abfallbeseitigung aus der gelegentlich zu verzeichnenden Improvisation bei den Gemeinden herauszulösen, um zu planvollen und großräumigen Lösungen zu kommen.
Begrüßt werden muß auch, daß der Entwurf die Anregungen des Bundesrates aufgenommen hat und jetzt Maßnahmen gegen sogenannte Einwegverpackungen oder Einwegbehältnisse vorsieht, wenngleich hier der Weg einer Ermächtigung für die Bundesregierung gegangen werden soll. Immerhin hat diese Ermächtigung schon eine ganz erhebliche Warnfunktion gegenüber Industrie und Handel, die sich dadurch veranlaßt sehen werden, umweltfreundlichere, die Abfallbeseitigung nicht so stark belastende Verpackungsmaterialien zu entwickeln und auch auf den Markt zu bringen.
Mit Recht hat die Bundesregierung darauf verwiesen, daß auch die schon heute gegebenen Möglichkeiten der Gewerbeordnung, bei der Genehmigung neuer oder der Veränderung bestehender Anlagen Auflagen zur schadlosen Beseitigung der im Betrieb anfallenden Abfallstoffe zu erteilen, genutzt werden können. In der Tat sollte der Gesetzgeber sich nicht zu vorschnellen Verboten verMüller ({2})
leiten lassen, wenn er mit anderen, milderen Mitteln, auch dem der Aufklärung, die Einsicht in die Notwendigkeit umweltfreundlichen Verhaltens bei der Industrie, dem Handel und nicht zuletzt bei dem Verbraucher fördern kann.
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Meine Damen und Herren, in der erregten Diskussion der letzten Monate ist häufig der Vorwurf erhoben worden, daß sich die Bundesrepublik als eine Art Müllsammelplatz oder Müllkippe für unsere Nachbarn anbiete. Darüber hat dankenswerterweise auch der Herr Innenminister bereits gesprochen. Es ist zu begrüßen, daß der Entwurf der Bundesregierung die Anregung des Bundesrates berücksichtigt, durch ein Genehmigungsverfahren beim grenzüberschreitenden Verkehr mit Abfällen einen besseren Schutz der Interessen der Bevölkerung der Bundesrepublik zu erreichen.
Schon heute, vor Beginn der eigentlichen intensiven Beratungen des Abfallbeseitigungsgesetzes in den Ausschüssen, zeichnet sich ab, daß die interessierte und betroffene Öffentlichkeit starken Anteil an den beabsichtigten Regelungen nimmt. In diesem Zusammenhang darf von dieser Stelle aus versichert werden, daß insbesondere in den von dem Fachausschuß durchzuführenden Anhörverfahren alle wesentlichen Argumente abgewogen und nach Möglichkeit auch berücksichtigt werden. Die Erfahrungen beim Benzinbleigesetz haben bestätigt, daß dies notwendig und auch möglich ist.
Abschließend darf ich der Bundesregierung für ihren Gesetzentwurf danken und für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zusichern, daß wir in gründlicher, aber auch zugleich zügiger Beratung helfen wollen, ein wirksames Gesetz über die Abfallbeseitigung so schnell wie möglich in Kraft treten zu lassen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}) : Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In unserem Lande hört man oft den Satz, das Leben in einer technischen Welt fordere seinen Preis. Aber es gibt einen Preis, den meine Freunde und ich und wohl dieses ganze Haus nicht zu zahlen bereit sind, erstens den Preis der Gesundheit unserer Mitmenschen und zweitens den Preis eines Lebens, bei dem man nur noch die Wahl hat, in verfallenden Mietskasernen à la Stalinallee oder in versteppten Landschaften zu leben. Diesen Preis zahlen wir nicht.
Darum sprechen wir heute auch nicht mit jener in einem Parlament gewöhnlich gebotenen sachlichen Ruhe über ein Thema, bei dem man nicht wirklich innerlich beteiligt ist, das eben einfach abgewickelt werden muß. Hier sind wir innerlich beteiligt. Dies geht uns alle an. Ich bin all den Vorrednern dankbar, die etwas von der Größe des Problems gesagt haben, vor dem wir - das obliegt nun mir, es darzustellen - auch in den Beratungen des Rechtsausschusses stehen werden.
Nach Schätzungen geben die Amerikaner allein über 16 Milliarden DM pro Jahr für die Abfallbeseitigung aus. Wir geben schon heute pro Kopf unserer Bevölkerung 150 DM im Jahr bloß für die Verpackung aus. Man rechnet damit, daß sich dieser Betrag in elf Jahren verdoppelt haben wird. So werden auch die, welche in der Rechtsordnung Verantwortung tragen, nicht zurückstehen wollen, ihren Beitrag zu leisten. Darum ist es mir eine angenehme Pflicht, von dieser Stelle aus zunächst einmal einigen zu danken, die an der Umgestaltung unserer Rechtsordnung beteiligt sind. Ich fange bei solchen an, die in diesem Hause nicht immer sofort genannt werden. Ich denke etwa an ein Gericht in Gelsenkirchen, das uns allen ganz deutlich gesagt hat, daß den Interessen einzelner Interessenten, den finanziellen Wünschen einzelner das Allgemeinwohl vorgeht. Ich hoffe, daß das Beispiel des Verwaltungsgerichts von Gelsenkirchen - ({1})
- Hochverehrter Herr Schäfer, wenn Sie gleich so anfangen wollen! Ich hatte gehofft, daß die Debatte ruhig, wenn auch temperamentvoll verläuft. Ich darf Ihnen sagen, in der Mitte dieses Hauses sitzen Menschen, die schon in dieser Frage tätig waren, als das Schlagwort von der blauen Luft an der Ruhr überhaupt noch nicht erfunden war.
({2})
Wir haben es nicht nötig, uns von der linken Seite dieses Hauses Vorwürfe machen zu lassen, angesichts unserer Bemühungen, von Herrn Meyers in Nordrhein-Westfalen angefangen, über die drei von der CDU regierten Bundesländer, die in den letzten Jahren Immissionsschutzgesetze erlassen haben, bis zu all denen von uns, die Woche für Woche unterwegs sind, um der Bevölkerung zu sagen, daß es fünf Minuten vor zwölf ist.
({3})
Wir haben es, habe ich gesagt, nicht nötig, uns von Ihnen Vorwürfe machen zu lassen. Wenn das, Herr Schäfer, die Antwort auf die Bereitschaft meiner Freunde ist, zügig mitzuarbeiten, wobei wir Ihnen sagen: wir sind mit von der Partie, dann gibt das keine guten Aussichten für den Teil der Beratungen, wo es uni die Details geht. Aber wir lassen uns durch einzelne Zwischenrufe in unserem guten Willen nicht erschüttern.
Darum danke ich von dieser Stelle auch einmal all denen, die, ohne deswegen immer gleich eine Pressekonferenz in den Staatsanwaltschaften zu machen, dafür gesorgt haben, daß das Problem gesehen wird und rasch bearbeitet wird. Ich nenne hier als Beispiel nur das Justizministerium in Saarbrücken, das entsprechende vernünftige Anweisungen gegeben hat. Darum danken wir denen, die draußen dafür sorgen, daß das Problem in der
von Thadden
Breite der Bevölkerung verstanden wird, so etwa der Bayerischen Staatsregierung, die in den Anweisungen an ihre Lehrer gesagt hat, dieses Problem solle mit Nachdruck und gründlich behandelt werden. Ich weiß, daß es heute beliebt ist, alle Schwierigkeiten, die man in der Vorbereitung hat, auf die angebliche Uneinigkeit der Länder zu schieben. Aber so haben wir Grund, auch denen zu danken, die in den Ländern wichtige Vorarbeiten geleistet haben.
Meine Fraktion gibt Ihnen drei klare Zusagen. Die erste ist von Herrn Kollegen Gruhl schon ausgesprochen worden. Wir arbeiten vorbehaltlos und zügig überall dort mit, wo in diesem Hause Entscheidungen fallen.
Die zweite Zusage, die gleichzeitig eine Bitte an die übrigen Fraktionen dieses Hauses enthält, geht dahin, mit einzuwirken auf unsere Nachbarländer, bei denen es manchmal - das hat die Internationale Konferenz für Umweltfragen im Juni gezeigt -, ebenso wie sicherlich gelegentlich auch bei uns, noch an Verständnis dafür fehlt, daß die Problematik, vor der wir stehen, nicht allein mit einer Grundgesetzänderung zu erledigen ist, sondern mit Absprachen im Geiste eines werdenden Europas.
Drittens sagen Ihnen meine Freunde aus dem Rechtsausschuß und ich: wir können helfen, Paragraphen neu zu fassen. Aber eines können wir nicht tun dazu bleibt die gesamte Bevölkerung aufgerufen -: wir können diese Grundgesetzergänzung nicht mit einem wirklichen Inhalt füllen. Das bedeutet, konkret gesprochen: wir haben nicht nur an die zu denken, die in den letzten Monaten durch die Zeitungen und Zeitschriften der ganzen Bundesrepublik gegangen sind, weil sie vermutlich oder tatsächlich Millionenschäden angerichtet haben, wir haben auch an die Aufmerksamkeit der kleinen Sünder zu appellieren. Auch diejenigen, die im Wald ein Autowrack einfach stehen lassen, auch diejenigen, die unseren Bundesbahnarbeitern, die den Müll entlang den Bundesbahnstrecken aufsammeln müssen, mehr als nötig Arbeit schaffen, sollten sich hier angesprochen fühlen.
Noch einmal, meine sehr verehrten Damen und Herren: wir arbeiten mit bei dem Kampf gegen die Umweltgefahren, vor denen wir heute stehen. Wir werden bei anderen Gelegenheiten über unseren gemeinsamen Kampf auch gegen die seelische Umweltverschmutzung sprechen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur noch einige wenige Worte. Sicherlich wird nicht die Verlängerung unserer heutigen Debatte dazu beitragen, das zu schaffen, von dem Herr Kollege von Thadden soeben zum wiederholten Male gesprochen hat: das ganze tiefe und nachhaltige Bewußtsein in der Bevölkerung, daß es sich hier tatsächlich um kriminelle Handlungen dreht, wenn die Umwelt weiterhin in einer Weise vernachlässigt oder beeinträchtigt wird, wie wir es bislang leider in rapide zunehmendem Umfang haben beobachten müssen. Wir sind vielmehr alle aufgefordert, immer wieder in nicht nachlassenden Bemühungen draußen dafür zu werben, die Zahlen, die hier in eindrucksvoller Weise in der Begründung des Entwurfs genannt worden sind, bekanntzumachen und dadurch - obwohl wir sonst nicht dafür sind, Angst zu erwecken - deutlich zu machen, wie sehr spät es schon gewesen ist. Deshalb muß jeder einzelne hier tatsächlich seine Einstellung ändern, wenn es nicht zu einer Katastrophe kommen soll.
Herr Kollege Kleinert, kann man eigentlich sagen, daß die Koalitionsparteien die abschreckende Wirkung der Strafe beim Umweltschutz wiederentdeckt haben?
Das kann man nicht sagen, weil das nämlich bedeuten würde, daß sie das bei anderen Gelegenheiten nicht täten. Das ist aber keineswegs der Fall. Das ist heute der zweite Fall, daß eine Zwischenfrage auf Grund einer falschen Voraussetzung gestellt wird, nämlich auf Grund von etwas, was nie von uns gesagt worden ist. Die abschreckende Wirkung von Strafen wird auch von den Anhängern der Koalitionsfraktionen neben anderen Wirkungen, die in den Vorstellungen Ihrer Freunde vielleicht gelegentlich zu kurz kommen, durchaus gesehen.
({0})
Ich halte es für wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir den gar nicht so häufigen Fall haben, daß eine Grundgesetzänderung, die die gesetzgeberische Tätigkeit des Bundes erst ermöglichen soll, hier dem Hause gleichzeitig mit der Einbringung eines Gesetzes, das schon in Hoffnung auf die noch durchzuführende Änderung des Grundgesetzes ausgearbeitet worden ist, vorgeschlagen wird. Das zeigt, welche Dringlichkeit hier nicht nur verbal postuliert wird, sondern wie tatsächlich mit äußerstem Nachdruck gearbeitet worden ist. Das bedeutet natürlich, daß wir der Grundgesetzänderung hier mit gleicher Schnelligkeit wie dem Gesetz in seinen Einzelheiten im Laufe der Beratungen zum Erfolg verhelfen müssen.
Ein Letztes, ein mehr grundsätzliches Anliegen. Wir haben im § 14 Strafbestimmungen, die in ihrem Rahmen sehr weitgehend dem entsprechen, was ich mich vorhin anzudeuten bemüht habe. Wir halten es nicht für gut, daß derartige Strafbestimmungen immer wieder in Spezialgesetzen auftauchen, besonders wenn sie von der Bedeutung sind wie die hier vorliegenden. Diese Strafbestimmungen gehören, um die Bedeutung der Sache zu unterstreichen, in das Strafgesetzbuch. Der Herr Bundesinnenminister hat diese Ansicht selbst vertreten und bei anderer Gelegenheit schon erklärt, daß es sich bei der Unterbringung in diesem Spezialgesetz nur um eine vorübergehende Lösung handeln kann, bis eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuchs in diesem Punkt möglich wird, damit zunächst einmal die erforderliche Strafdrohung ausgesprochen wird. Aus
grundsätzlichen Erwägungen müssen wir aber, so meine ich, bemüht sein, nicht nur in diesem Fall, in dem das vom Fachministerium ausdrücklich auch so gewünscht wird, sondern auch in allen anderen Fällen dafür zu sorgen, daß die Strafbestimmungen nicht in immer undurchschaubarer werdender Weise überall verstreut sind, sondern möglichst bald in das Strafgesetzbuch eingefügt werden, wo sie hingehören.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Giulini.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen. Herr Minister, zur Zeit ist wohl der alte Spruch „Der Dreck muß weg!" eines der wichtigsten Anliegen dieses Hauses. Dieses Gesetz ist ein Basisgesetz. Die Wirtschaft will wissen, wo sie steht. Die Wirtschaft muß willen, daß als vierter Kostenfaktor neben Lohn, neben Energie und neben Rohstoff jetzt die Abfallbeseitigung hineinkommt. Sie kann in drei Stufen geschehen. Die erste Stufe hat Herr Dr. Gruhl schon genannt: das Zurückführen des Stoffes in den Prozeß. Die zweite Stufe wäre, aus dem Abfall eventuelle etwas Neues und Ersprießliches zumachen. Eine Deponie sollte erst die dritte Stufe sein, wobei es klar ist, daß nur in einer Form deponiert werden sollte, die unschädlich ist. Ich, der ich aus der Chemie komme, kann mir gar nicht denken, daß man einen Stoff, den man einmal synthetisch hergestellt hat, nicht wieder in seine Bestandteile zurückbauen kann. Denken Sie an die Blausäure! In ihr sind Stickstoff und Wasserstoff enthalten. Oder denken Sie an das Kochsalz! Darin ist ein Gift, Natrium, und ein weiteres Gift, Chlor. Aber als Kochsalz ist es für den Menschen vertretbar und sogar eßbar. Ich meine also, die Synthese kann auch wieder zurückgebaut werden.
Ich bin sogar der Ansicht, daß dieses Gesetz und die Öffentlichkeit, die sich im Augenblick sehr stark mit dem Problem der Umweltverschmutzung beschäftigt, einen heilsamen Druck auf die Industrie ausüben können, damit etwas mehr in dieser Richtung gedacht wird. Ich bin weiter der Ansicht, daß man nicht immer gleich vom Geld reden sollte, sondern vom Geist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß es wirklich unmöglich sein sollte, Abfallprodukte in irgendeiner Form zurückzuführen, zu verwerten oder, wenn es wirklich sein muß, zu deponieren.
Ich sehe hier ein Dreieck zwischen dem Staat als dem Vertreter der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Hier muß zusammengearbeitet werden.
Es ist in Deutschland natürlich so: Da wir exportorientiert sind, treiben wir mehr Verschmutzung, als wir eigentlich bräuchten, weil alle Exportgüter, die in der Chemie anfallen, ihre Verschmutzung natürlich auch bei uns zu Hause lassen. Ich habe schon einmal an anderer Stelle angeregt, die Industrie sollte geradezu gezwungen werden, eine Umweltkladde anzulegen, In meinem Hause tun wir das seit einigen Monaten mit Erfolg. Da ist eine Passivseite und eine Aktivseite. Auf der Passivseite werden alle Sünden, die in einem Monat anfallen, mit größter Akribie aufgeschrieben, und auf der Aktivseite werden die Dinge, die wir zur Abstellung dieser Unregelmäßigkeiten tun, aufgeführt. Man kann dann nämlich nach einem gewissen Zeitablauf feststellen, wo eigentlich die allergrößten Schäden auftreten und wo die meisten Pannen passieren.
Es ist z. B. bei der Wasserreinigung, die heute schon einmal angesprochen worden ist, nicht mehr nur notwendig, mechanisch oder biologisch zu reinigen, es muß auch chemisch gereinigt werden. Die Trübstoffe, die Kolloide, muß man herausbekommen. und ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich feststelle, daß es leichter ist, von einer fünfzigprozentigen Verschmutzung auf ein Prozent herunterzukommen als - wie manchmal nötig - von 0,1 auf 0,01 Prozent.
Man sollte bei der Hausfrau anfangen. Ich habe vor diesem Hause schon einmal gesagt: Man müßte zwei Mülltonnen haben, eine rote und eine schwarze. Man müßte den Müll in harten Müll und weichen Müll trennen bereits da, wo er anfällt, damit man ihn nachher in der Industrie besser sortieren kann. Es gibt solche Anlagen. Es gibt Firmen, die schon seit vielen Jahren versuchen, das Abfallproblem vernünftig zu lösen, Die Duisburger Kupferhütte z. B. hat versucht, aus allen Abfällen, die bei der Schwefelsäureherstellung entstehen, bis auf das letzte Gramm an Gold, Silber und Thallium herauszuarbeiten. Warum sollte das bei der PVC-Benutzung und -Wiederverarbeitung nicht auch gehen? Man könnte an drei Stellen in Deutschland PVC so verbrennen, daß eben kein Chlorwasserstoff entsteht.
Meine Damen und Herren, wie gesagt: Der Dreck muß weg. Ich bin Herrn Genscher dankbar, daß wir diesen Gesetzentwurf so zügig bekommen haben, und alle meine Freunde haben ja auch bestätigt, daß wir mitarbeiten werden. Wir müssen aber - und darum möchte ich bitten - die Industrie ganz stark mit engagieren, damit alle Möglichkeiten, die es dort gibt, erstens aufgezeigt und zweitens durchgeführt werden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Konrad.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege von Thadden, als wir im Dezember eine Umweltdebatte hatten und auch das Fluglärm-Gesetz behandelten, hatten Sie mich mit einem besonders unfreundlichen Zwischenruf bedacht; Sie haben ihm nachher ein paar versöhnliche Worte folgen lassen. Deswegen will ich jetzt einmal versuchen, so zurückhaltend wie möglich etwas zu Ihrem Beitrag zu sagen: Schade, daß § 2 des Gesetzes unter die Abfallstoffe nur die beweglichen Sachen rechnet! Sonst hätte man vielleicht einen Teil Ihrer Ausführungen der Wohltat der geordneten Beseitigung zuführen können, wie das in § 2 des Gesetzes für Abfallstoffe vorgesehen ist. Denn es war doch wirklich recht entbehrlich, daß Sie sich hier in eine Erregung hineinsteigerten, die Sie gewisser7842
maßen ja auch noch angekündigt hatten. Sie haben das Wort des jetzigen Bundeskanzlers Willy Brandt vom „blauen Himmel an der Ruhr" erwähnt. Nicht von unserer Seite ist das gekommen, aber Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß damals nur Hohn und Spott über eine in den Wahlkampf eingeführte Forderung ausgegossen worden ist, deren Berechtigung Sie heute für sich selbst und Ihre Freunde in Anspruch nehmen wollen. Wissen Sie, so zwiespältig, so mit gespaltener Zunge hätte man über dieses Thema heute nicht zu reden brauchen.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Thadden?
Mit dem größten Vergnügen.
von Thadden ({0}) : Herr Kollege, darf ich Ihnen nach dieser Sitzung Äußerungen von Politikern der CDU/CSU vorlegen, die lange vor dem eben genannten Wahlkampf und der betreffenden Parole gemacht worden sind und die beweisen, daß uns dieses Problem auch damals wohl bewußt war?
Ich lese alles von der CDU/CSU gerne, denn es ist oft ungemein erheiternd. Aber, Herr Kollege von Thadden, Sie bieten mir für meine knapp bemessene Freizeit Lektüre an, die ich gar nicht brauche. Das habe ich nicht bestritten, was Sie sagen. Ich habe nur gesagt, in welch schäbiger Form damals eine sehr nachdrücklich erhobene Forderung behandelt worden ist - und heute will man darüber hinweggehen. Hätten die damaligen Spötter doch besser eben diese eigenen Darstellungen aus ihrer Partei gelesen. Aber lassen Sie uns das beenden; sonst meine ich selber auch, ich trage hier nichts zur Sache bei.
({0})
- Das möchte ich so nicht sagen. Bei Ihnen vergesse ich nie, was Sie für ein freundlicher und umgänglicher Kollege sind, und ich wollte eigentlich zu Ihrem Ruhm hier heute sagen: Sie haben so schön ruhig angefangen und haben ausdrücklich erklärt, daß die bisherige große Gleichgültigkeit in Umweltfragen sich besonders seit diesem Sommer gewandelt habe, Herr Dr. Gruhl. Das ist doch ein schönes, wenn auch verstecktes Lob für die Bundesregierung und ihre gute Politik.
({1})
- Ach, lassen Sie mich Sie einmal so verstehen, denn wir wollen ja an diesem Gesetzentwurf gemeinsam und zügig arbeiten.
Es ist im Grunde genommen alles gesagt worden, und ich wäre gewißlich nicht bierhergegangen, wenn nicht Herr von Thadden diesen Beitrag gebracht hätte, um den „blauen Himmel an der Ruhr" wenigstens vorübergehend wieder einmal zu verfinstern, und wenn nicht gerade auch jetzt noch der Herr
Kollege Giulini etwas gesagt hätte, was wir uns merken sollten. In der Tat, die Umweltkosten werden ein Kostenfaktor, und es ist Sache des Bundestages, als Gesetzgeber bei der Beratung des Gesetzentwurfes sehr darauf zu achten, daß an den Kosten, die aus der Umweltverschmutzung, aus Abfallbeseitigung entstehen, nichts geändert wird; denn die Kosten müssen getragen werden.
Dem Herrn Innenminister muß man voll beipflichten, wenn er gesagt hat, daß sowohl den Gemeinden Kosten erwüchsen, aber auch von der Hand genommen werden könnten und den Verursachern diese Kosten aufzuerlegen seien. Natürlich - und das scheint mir von einiger Bedeutung zu sein - werden dann gerade aus dem Kreise der Wirtschaft wiederum der Preisanstieg und die Verteuerung der Produkte mit dem erhöhten Umweltschutz begründet werden. Wir werden wieder einmal mehr erleben, daß keineswegs die Verdienstspanne gemindert, der Gewinn verkleinert wird, nur weil ein Kostenfaktor sich vergrößert, und wir wollen doch einmal sehen, ob wir das nicht auch bei der Beratung dieses Gesetzes so behandeln können, daß wir einmal einen Pflock dagegen einschlagen.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit wird unserer Beratung hier eine sehr große Beachtung schenken, auch wenn die Beratung nur kurz war, und zwar aus folgenden Gründen: Der Mann und die Frau auf der Straße werden von dem Gesetz erwarten, daß die Umwelt nicht mehr im bisherigen Umfang durch Abfälle verschandelt oder geradezu gefährdet wird. Die Gemeinden werden wegen der gestiegenen Anforderungen ihre Haushalte sorgfältig prüfen müssen, ob sie den Forderungen gerecht werden können. Die Wirtschaft wird, wie ich schon andeutete, sagen: Wegen der Anforderungen der Gemeinschift wird alles teurer werden. Das sind sehr unterschiedliche Betrachtungspunkte. Wir als Gesetzgeber müssen den Weg finden, der hier zu Gerechtigkeit gegenüber jedermann führt, der aber - das möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen - auch dem Verursacher seinen Teil zuschiebt, um die Verschmutzung der Umwelt durch Abfälle in einem gewissen Umfang zu verringern.
Bei dieser Gelegenheit noch ein letztes Wort. Wir sind sehr erfreut darüber, daß im Kreise des Bundesrates die Bereitwilligkeit erkennbar geworden ist, dem Bund eine grundgesetzliche Zuständigkeit zu geben. Wir wissen, daß sogar die Landesgruppe der CSU in diesem Hause die Zuständigkeit des Bundes für den Umweltschutz vergrößern will. Aber was nützen alle Danksagungen an die Länder oder an Organisationen draußen, wenn wir heute in der „Süddeutschen Zeitung" lesen müssen, daß sich die CSU-Landtagsfraktion darum bemühen wird, ihre Landesgruppe im Bundestag zurückzupfeifen und sie zu veranlassen, dafür zu sorgen, daß der Bund keine Zuständigkeit für die Abfallbeseitigung bekommt?
({2})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist wieder ein Stück Beweis für die Doppelzüngigkeit. Sie
wissen, daß draußen ein energischer Umweltschutz verlangt wird, und darum sagen Sie mit den Lippen ja. Aber es gibt genug Gründe dafür, warum für uns ein gewisser Zweifel an Ihrer echten Bereitwilligkeit zu schneller und wirksamer Mitarbeit an diesem Gesetz übriggeblieben ist.
({3})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Überweisung.
Der Ältestenrat empfiehlt, den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß sowie den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend - zu überweisen. Er schlägt ferner vor, das Abfallbeseitigungsgesetz an den Innenausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft sowie den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit -mitberatend - zu überweisen. Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit haben wir die für heute vorgesehenen Tagungsordnungspunkte erledigt. Die Fragestunde ist für 13 Uhr angesetzt. Ich unterbreche daher die Sitzung und berufe das Haus auf 13 Uhr wieder ein.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache VI/2575 Es ist eine Reihe von Dringlichkeitsanfragen eingekommen. Sie werden morgen aufgerufen werden.
Wir kommen zunächst zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Frage 1 stellt der Abgeordnete Dr. Schmitt-Vockenhausen. Der Fragesteller bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Bremer Gründungsrektors von der Vring, eine CDU-Regierung in Bremen wäre für die Universität, was der Einmarsch der Russen für die CSSR war?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Präsident, Herr von der Vring hat inzwischen erklärt, wie er dieses von Ihnen zitierte Bild gemeint habe, nämlich als Ausdruck der Sorge um die Zukunft der Reformkonzeption des Gründungssenats im Falle eines Regierungswechsels in Bremen. Die Bundesregierung hält den von Herrn von der Vring zum Ausdruck seiner Sorge gewählten Vergleich für unzutreffend, unangemessen und bedauerlich, auch wenn eine derartige Formulierung auf dem Hintergrund unberechtigter und diffamierender Angriffe gegen den Gründungsrektor erfolgt ist.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Gölter auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Berufung des Berliner Politologen Wilfried Gottschalch zum Hochschullehrer auf Lebenszeit an der Bremer Universität?
Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Gölter, die Berufung von Hochschullehrern ist Sache der Länder und der Hochschulen. Die Bundesregierung ist weder befugt noch bereit, in eine Prüfung dieser Vorgänge einzutreten.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die hierzu gestellte Frage 4 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen auf.
Die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Wolfram sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 18 des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann. - Der Abgeordnete ist nicht im Saale. Die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 20 des Abgeordneten Gewandt auf:
Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die offiziellen Pressemitteilungen des Bundesmini ters für Wirtschaft und Finanzen ({1}) sowie auch seine Tagesnachrichten ({2}) dazu mißbraucht werden dürfen, der CDU/CSU u. a. „billige Polemik", das „Fehlen einer eigenen wirtschaftspolitischen Konzeption", angeblich personelle Schwierigkeiten der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU" sowie mangelndes Durchsetzungsvermögen innerhalb der Fraktion vorzuwerfen, ohne auch nur ein einziges Argument für die Begründung derartig schwerwiegender Anschuldigungen zu liefern?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Gewandt, auch ich empfinde die Pressemitteilung vom 13. September 1971 in der Form als nicht sehr glücklich. Aber ich bitte doch auch Rücksicht darauf zu nehmen, daß es, wenn in dem Papier von einer Sozialisierung unserer Politik gesprochen wird, verständlich ist, wenn gerade einem Referenten aus dem Schiller-Ministerium auch einmal die Feder ausrutscht.
Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, daß ein weiterer Vorwurf erhoben wurde, nämlich der, man setze sich in der Fraktion nicht durch, und haben
Sie nicht auch Verständnis dafür, daß uns dieser Vorwurf angesichts der Tatsache, daß alle mittelstandspolitischen Vorlagen dieser Legislaturperiode bisher nicht von der Regierung, sondern von der CDU/CSU-Fraktion gekommen sind, natürlich absurd erscheint?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, ich bin mir nicht bewußt, daß unserem sehr deutlichen und konzentrierten Mittelstandsprogramm ein konzentriertes Mittelstandsprogramm der Opposition gegenübersteht.
({0})
Auf den ersten Teil Ihrer Frage kann ich nur folgendes antworten. Es ist doch wenn schon nicht akten-, so mindestens zeitungskundig - von der „Welt" bis hin zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" -, daß sich zwischen der CDU-Mittelstandsvereinigung und dem CDU-Wirtschaftsrat noch keine Einigung ergeben hat.
Letzte Zusatzfrage!
Ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß es bei unserer Fragestellung nicht um Programme geht, wie sie die Regierung natürlich in jeder gewünschten Menge hat, sondern um konkrete Aktionen, die sich hier in Anträgen in diesem Hause niederschlagen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Präsident, ich glaube, das hat nichts mehr mit der Fragestellung zu tun.
Ich muß eingreifen und sagen, daß Fragestunden keine theoretischen Auseinandersetzungen sind. Sie sind auch nicht dafür eingerichtet, über Abstraktionen zu sprechen.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Gewandt auf:
Ist die Bundesregierung bereit sicherzustellen, daß eine derartige „Informationspolitik", die sich in letzter Zeit vermehrt in offiziellen Erklärungen von Bundesministerien finden lassen, künftig abgestellt werden und die für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag bewilligten Steuergelder ausschließlich für die Verbreitung von Sachinformationen über die Arbeit der Regierung, d. h. nicht zur parteipolitischen Polemik, verwendet werden dürfen?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, die Frage 21 habe ich mit meiner Freimütigkeit am Anfang der Antwort auf die vorige Frage bereits beantwortet.
Ich darf mich dafür bedanken.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Härzschel auf:
Trifft es zu, daß in den Straßenbaubetrieben wegen fehlender Anschlußaufträge zunehmend Arbeitskräfte entlassen werden müssen, und glaubt die Bundesregierung, die Kontinuität und die gesteckten Ziele im Straßenbau trotzdem gewährleisten zu können?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Härzschel, die Reichweite der Auftragsbestände im Straßenbau ist mit 2,2 Monaten sehr niedrig. Sie ist natürlich teilweise auch wetterbedingt. Durch das gute Wetter sind Aufträge vorgezogen worden. Die Bundesregierung ist sich dieser punktuellen, sektoralen Gefahr sehr wohl bewußt. In der letzten Zeit hat mein Minister die Verpflichtungsermächtigung für den Straßenbau von 350 auf 750 Millionen DM erhöht.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ist dann nach Ihren Ausführungen mit keinen weiteren Kürzungen zu rechnen, und sind Sie der Meinung, daß trotzdem das Ziel etwa des ersten Fünfjahresplans erreicht werden kann?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, Sie wissen, daß wir in dieser Frage immer zwischen dem auch von Ihnen stets zitierten Stabilitätsziel und dem Straßenbauziel wählen müssen. Aber schon die Haushaltsgestaltung für 1972 zeigt, daß wir auf dem Gebiet des Straßenbaus die größten Zuwachsraten haben. Also in dem Moment, wo die Möglichkeit eines Umschaltens von Bremsen auf Schieben gegeben ist, wird gerade der Straßenbau wahrscheinlich eines der ersten sektoralen Gebiete sein.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, halten Sie das nicht deshalb für notwendig, weil in einzelnen Bereichen schon jetzt erkennbar ist, daß das Ziel dieses ersten Fünfjahresplans nicht erreicht werden wird?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Härzschel, ich kann nur wiederholen: gerade Ihre Fraktion verlangt ja immer, daß wir die Ziele im Hinblick auf die Haushaltsbegrenzungen, die stabilitätspolitisch notwendig sind, beschneiden.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Es kommt ja noch die Beantwortung der Frage 23.
Haben Sie zur Frage 22 noch eine Zusatzfrage? Nein.
Dann rufe ich die Frage 23 auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Straßenbaubetriebe, daß bei einem weiteren Rückgang der Aufträge später mit erheblichen Kostensteigerungen gerechnet werden muß wegen der unrentablen Auslastung der Kapazität, der Stillegezeiten des baulichen Maschinenparks und der existenznotwendigen Weiterbeschäftigung qualifizierten Fach- und Maschinenpersonals?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, da ich die Fragen eigentlich bereits beantwortet habe, darf ich vorschlagen, daß Sie noch zwei weitere Zusatzfragen stellen; denn ich möchte nicht die Beantwortung, die ich schon vorweggenommen habe, wiederholen.
Herr Staatssekretär, in meiner zweiten Frage ist allerdings die Frage der Verteuerung angesprochen, die dann auftritt, wenn Maschinenparks stillgelegt werden müssen und die Firmen das entsprechende Fachpersonal nicht entlassen können.
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege Härzschel, das ist richtig, und das sehen wir auch. Zunächst einmal muß ich aber darauf hinweisen, daß die Entlassungen noch nicht sehr weit gehen. Tatsächlich sind die offenen Stellen im Straßenbau - 8598 gegenüber 1135 arbeitslosen Straßenbauarbeitern - noch sehr hoch.
Was die Maschinenparks anbetrifft, so ist der Anlauf des Straßenbaus, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird, mit ein Grund, hier nicht abzubauen. Im Hinblick auf die Freigabe von Straßenbauaufträgen wird es auch sehr wichtig sein, wie sich das Preisgefüge beim Straßenbau entwickelt. Sie wissen, daß der Preiszuwachs sehr hoch ist.
Eine Zusatzfrage.
Härzschel (CDU/CSU: Darf ich also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht der Meinung sind, daß bei einer Streckung etwa der Aufträge eine Verteuerung im Straßenbau zu erwarten ist?
Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Herr Kollege, in jedem Gebiet ist bei einer Strekkung, die mit einem Abbau von Maschinen zusammenhängt, mit einem gewissen Teuerungsfaktor zu rechnen. Aber bei dem, was sich in den Preisen durchschlägt, kann es sich nie nur um einen Kostenfaktor handeln, sondern um alle Kostenfaktoren, und der Wettbewerb kann in der entgegengesetzten Richtung, also preissenkend wirken.
Frage 24 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 25 und 26 stelle ich bis zur Ankunft von Herrn Staatssekretär Hermsdorf zurück, der im Augenblick nicht anwesend ist.
Ich rufe inzwischen den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf.
Die Frage 27 wird vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit beantwortet.
Frage 28. Der Fragesteller, Abgeordneter Dr. Bechert, ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 29. Der Fragesteller, Abgeordneter Röhner, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird zusammen mit den Antworten auf die Fragen B 15 und 16 als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Bay gestellte Frage 30 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß Pflanzenvergiftungsmittel wie z. B. Tormona 80 ohne Warnung versprüht werden, wie das in Inneringen, Kreis Sigmaringen, geschehen ist, wo Ferienkinder wegen des Genusses vergifteter Himbeeren in ärztliche Behandlung genommen werden mußten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, -Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Bay, es bestehen bereits Anweisungen der Forstverwaltung, die Anwendung von chemischen Mitteln zur Beseitigung von Beerensträuchern vor ihrer Blüte vorzunehmen oder anderenfalls die behandelten Flächen zur Warnung der Beerensammler zu kennzeichnen. Bedauerlicherweise wurde diese Anordnung in Inneringen, Kreis Sigmaringen, außer acht gelassen. Die zuständige Forstverwaltung, eine Landesbehörde, hat zugesagt, die Einhaltung ihrer Anordnung künftig mehr als bisher zu überwachen.
Außerdem stellt die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft schon seit einiger Zeit mit forstlichen Stellen Überlegungen an, um generell die Gebrauchsanweisungen für Pflanzenschutzmittel hinsichtlich der Warnung von Beerensammlern ausführlich und praxisnah zu fassen.
Im übrigen sind nach meinen Feststellungen in Inneringen nach dem Genuß von Waldhimbeeren erfreulicherweise keine Gesundheitsschäden aufgetreten. Eine dort im Urlaub weilende vierköpfige Familie hat ledgilich vorsorglich den nächsten praktischen Arzt aufgesucht.
Keine Zusatzfragen.
Dann kehre ich zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen, wo ich eben unterbrochen habe, zurück.
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Hier ist noch eine Frage zu beantworten.
Ich weiß es. Ich habe die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich unterbrochen, um Staatssekretär Hermsdorf Gelegenheit zu geben, die Fragen 25 und 26 zu beantworten.
Zunächst Frage 25 des Abgeordneten Dr. Gruhl:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, inwieweit Aufwendungen zur Lärmminderung in privaten Wohnungen ({0}) für abschreibungsfähig erklärt werden können, wie das bisher schon nach § 82 des Einkommensteuergesetzes für solche lärmmindernde Anlagen möglich ist, die im ,,öffentlichen Interesse erforderlich" sind?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Wir werden im Rahmen der Steuerreform untersuchen, ob und wieweit bisher zulässige Sonderabschreibungen erhalten oder ausgebaut werden. Sie wissen, daß wir im Augenblick bei dem Problem, das Sie anschneiden, die Abschreibung bei betrieblichen Maßnahmen schon haben. Wir haben sie nicht bei privaten Maßnahmen im Wohnungsbau, wovon Sie sprechen. Diese Frage wird in der Steuerreform mit geprüft, und hierzu werden auch Vorschläge unterbreitet werden.
Frage 26, Abgeordneter Niegel:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend ihrem jetzt vorgelegten Referentenentwurf, leichtes Heizöl zu färben, auch das System der Gasölerstattung für die Landwirtschaft neu zu regeln, damit die Landwirtschaft steuer- und lastenfrei ohne umständliches Erstattungsverfahren das Gasöl beziehen kann?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Die Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Verkehr sind vom Bundeskabinett beauftragt worden, ein vereinfachtes Verfahren für die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft zu erarbeiten. Sie wissen, daß wir inzwischen vorgeschlagen haben, das Heizöl zu färben. Wir werden bei dieser Gelegenheit auch prüfen, wieweit die Landwirtschaft im Vergleich zu dem bisherigen Verfahren entlastet werden kann.
Zusatzfrage!
Kann man davon ausgehen, daß ,das Ziel der Prüfung ist, zu erreichen, daß die Landwirtschaft den Dieselkraftstoff lasten- und steuerfrei ab Tankstelle oder Tankwagen beziehen kann?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Ich sehe das nicht allein. Es kommt uns hierbei auch darauf an, eine Reihe von, wie soll ich sagen, Betrügereien, die bisher ,damit begangen worden sind, zu beseitigen. Aber ,das Problem, das Sie anschneiden, steht im Mittelpunkt.
Zweite Zusatzfrage!
Besteht in dieser Frage Einverständnis mit der Mineralölwirtschaft?
Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen: Das besteht noch nicht. Wir haben den Referentenentwurf an die Wirtschaft und die Verbände geschickt. Nach der Anhörung der Verbände werden wir dem Haus einen Vorschlag unterbreiten.
Die Fragen sind beantwortet. Wir kehren zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurück.
Frage 31 des Herrn Abgeordneten Bay:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar im Sinne eines umfassenden, d. h. auch die natürlichen Lebensgemeinschaften erhaltenden Umweltschutzes, sowie für vereinbar mit der Erholungsfunktion des Waldes, daß in zunehmendem Maße großflächige Anwendungen von Pflanzenvergiftungsmitteln speziell durch Forstämter vorgenommen werden?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Bay, zu Ihrer zweiten Frage: Die großflächige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Forst ergibt sich aus der weiten Verbreitung einheitlich bewachsener Waldflächen. Unter ihnen spielen die Mittel zur Beseitigung unerwünschter Kräuter und Sträucher in jungen Anpflanzungen die Hauptrolle, weil der zunehmende Mangel an Arbeitskräften für die Unkrautbekämpfung, die ehemals von Hand vorgenommen wurde, zur ersatzweisen Durchführung mit Pflanzenschutzmitteln zwingt. Zudem ist letzteres erheblich billiger. Eine auf Gewinn abzielende Forstwirtschaft kann daher zur Zeit besonders auf Großflächen nicht auf Pflanzenschutzmittel verzichten. In dem bevorzugt der Erholung dienenden Wald sollte ihre Anwendung aber nach Möglichkeit eingeschränkt werden, wobei ,sich daraus ergebende wirtschaftliche Nachteile bewußt in Kauf zu nehmen sind.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, ,daß man sich der Problematik einer großflächigen Behandlung wegen ,der drohenden Entwicklung einer Gesamtintoxikation der Natur durchaus bewußt ist und daß solche Anwendungen im Grunde nur Versuche darstellen können, die uns vielleicht noch Erfahrungen bringen werden, die wir jetzt nicht voraussehen können?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Davon können Sie durchaus ausgehen, Herr Kollege. Ich möchte hinzufügen, daß wir uns besonders bemühen werden, nur solche Mittel anzuwenden, ,die nicht die Gesundheit schädigen.
Die Fragen sind beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Lenzer auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso seine Frage 33. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Maucher auf. - Der Abgeordnete ist ebenfalls abwesend. Die Antwort wird schriftlich gegeben; sie wird als Anlage abgedruckt. Dasselbe gilt für die Frage 35 des Abgeordneten Maucher.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Frage 36 des Abgeordneten Weigl wird auf Wunsch des Fragestellers
Vizepräsident Dr. Schmid
schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Schneider ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht da. Die Frage 37 und die ebenfalls vom Abgeordneten Dr. Schneider gestellte Frage 38 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Dr. Riedl ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Zu den Fragen 40 und 41 bittet der Fragesteller, Abgeordneter Dr. Wörner, um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf. - Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Es erfolgt schriftliche Beantwortung. Dasselbe gilt für die Frage 43 desselben Fragestellers. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Ahrens auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Diese Frage und die Frage 45, ebenfalls vom Abgeordneten Dr. Ahrens, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 der Abgeordneten Frau Dr. Henze auf. - Die Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Beantwortung erfolgt schriftlich. Dasselbe gilt für die Frage 47 der Abgeordneten Frau Dr. Henze. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Nunmehr rufe ich die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Bechert ({2}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe die Frage 48 des Abgeordneten Schmidt ({3}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es erfolgt schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Zu den Fragen 49 und 50 des Abgeordneten Wienand bittet der Fragesteller selbst um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Hansen auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Straßenverkehrs-Ordnung dahin gehend zu ändern, daß in dichtbesiedelten Gebieten alle vor Bahnübergängen länger haltenden Kraftfahrer aus Gründen der Luftreinhaltung gezwungen werden, den Motor ihres Kraftfahrzeugs abzustellen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Straßenverkehrsordnung in ihrer jetzigen Fassung verbietet das unnötige Laufenlassen von Fahrzeugmotoren. Es wird nicht erwogen, dieses Verbot örtlich, z. B. bei einem Halt vor Bahnübergängen, Verkehrsampeln und Fußgängerwegen, oder zeitlich, z. B. bei einem Halt von einer gewissen Zahl von Minuten, zu präzisieren. Der Grund besteht darin, daß bei längerem Halt der Fahrer den Motor in der Regel abstellen wird. Bei kurzfristigem Halt wäre aber das Abstellen des Motors schädlich. In diesem Falle führt das Wiederanstellen des Motors zu einem verstärkten Ausstoß von Abgasen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in vielen Städten, besonders in Ballungsräumen, Kraftfahrer zuweilen vor geschlossenen Bahnschranken bis zu einer halben Stunde halten müssen und daß damit eine ganz gewiß erhebliche Luftverunreinigung in der Umgebung verbunden ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt. Wenn es so wäre, wäre es ein eindeutiger Verstoß gegen geltendes Recht.
Zusatzfrage.
Wären Sie bereit, Herr Staatssekretär, einmal Erhebungen darüber anstellen zu lassen, an wie vielen Bahnschranken in Stadtgebieten das der Fall ist? Ich glaube, bisher fehlen dazu Unterlagen.
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Feststellungen, die Sie hier von mir verlangen, sind außerordentlich umfangreich und deshalb auch sehr kostenaufwendig. Deshalb kann ich Ihnen heute keine Zusage geben. Aber ich weise darauf hin, daß diese Frage im Grunde genommen durch die Straßenverkehrsordnung geregelt ist.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie schon ein gesetzliches Verbot zusätzlicher Art nicht in Erwägung ziehen wollen, wären Sie dann bereit, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll sein kann, in diesen Fällen die Kraftfahrer durch Schilder aufzufordern, bei längerem Halt vor einer geschlossenen Schranke oder an einer Baustelle ihren Motor abzustellen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, es ist nicht eine Frage der gesetzlichen Regelung. Die geltende Straßenverkehrsordnung enthält hier ganz klare Bestimmungen. Es ist eine Frage der polizeilichen Überwachung, das durchzusetzen, bzw. des vernünftigen Verhaltens der Kraftfahrer, sich danach zu richten.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt daß in einigen Staaten der USA inzwischen gesetzliche Regelungen getroffen sind, die es nicht zulassen, Personenkraftwagen im Leerlauf länger als 30 Sekunden laufen zu lassen, und wäre es nicht zweckmäßig, entsprechende Formulierungen auch in unsere Straßenverkehrsordnung aufzunehmen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihnen die wissenschaftlichen Ausarbeitungen unseres Hauses zu diesen Fragen einmal zur Verfügung zu stellen. Das Problem hängt auch mit der Konstruktion der Motoren und mit dem Klima zusammen. Aber ich habe ja gesagt: was wir heute auf Grund der deutschen Erfahrungen tun können, ist in der Straßenverkehrsordnung, wie wir meinen, abschließend geregelt. Alle anderen Vorschriften, die hier zitiert werden, haben ihre Begründung aus der Praxis des betreffenden Landes, aus den besonderen Klimaverhältnissen bzw. aus dem anders gearteten Motorenbau. Wir sind aber gern bereit, uns weiteren Erkenntnissen auf diesem Gebiet nicht zu verschließen. Nur, die Meinungen der Fachleute gerade über diesen Punkt sind zur Zeit noch geteilt. Ich bin gerne bereit, das einmal im Kreise des Verkehrsausschusses näher zu erläutern.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beinhaltet Ihre Antwort nicht eine Priorität insofern, als der Motor mehr geschont werden soll als die Leute, die in der Umgebung wohnen und diese Abgase einatmen sollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Nein, Herr Kollege. Ich habe genau gesagt: wenn der Fahrer den Motor abstellt und nach kurzer Zeit wieder anläßt, ist der Abgasausstoß größer. Dadurch können also die Leute noch mehr geschädigt werden. Das ist eine sehr, sehr schwierige Abwägung der verschiedenen Faktoren.
Zu diesem Punkt gibt es keine Fragen mehr.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Weber auf:
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die katastrophalen Verhältnisse der Nahverkehrsunternehmen zu verbessern?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, das Bundeskabinett hat am 9. September 1971 beschlossen, die Mineralölsteuer um 4 Pfennig pro Liter zu erhöhen. Dreiviertel des Mehraufkommens soll zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden verwendet werden. Es dient damit zu einem wesentlichen Teil der Verbesserung der Lage auch der Nahverkehrsunternehmen. Im übrigen hat der Bundesminister für Verkehr den Entwurf einer Konzeption zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs erarbeitet. Dieser Entwurf wird demnächst mit den Bundesressorts und mit den Ländern erörtert werden. Er befaßt sich u. a. mit der Verbesserung der Infrastruktur und der Leistungsfähigkeit der Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs.
Eine Zusatzfrage.
Erkennt die Bundesregierung an, daß die Nahverkehrsbetriebe eine öffentliche Aufgabe erfüllen, daß ihre Beförderungszahlen sehr hoch sind, daß gleichwohl aber für sie durch die Belastung mit der Mineralölsteuer, der Mehrwertsteuer und zahlreicher anderer Sozialleistungen eine Benachteiligung und eine Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu den anderen öffentlichen Verkehrsträgern gegeben ist?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die besondere Situation der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe ist bekannt. All die Argumente, die Sie genannt haben, werden in unseren Untersuchungen sorgfältig geprüft.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß auch Sie die Erhöhung der Mineralölsteuer um 4 Pfennig nicht als eine Entlastung der laufenden Aufgaben der Nahverkehrsbetriebe ansehen, sondern als eine Maßnahme für den investiven Bereich angesehen wissen wollen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich muß mich mit dem Urteil über diese Frage sehr zurückhalten; denn es handelt sich bis jetzt um einen Vorschlag der Bundesregierung, über den das Hohe Haus in den nächsten Monaten debattieren und abstimmen muß. Ich bitte um Verständnis, daß ich mich heute hier nicht präjudizierend äußern möchte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die möglicherweise bessere Finanzausstattung der Gemeinden auf dem Wege über 3 Pfennig Mineralölsteuer gerade dazu dient, die Inflationsentwicklung auszugleichen, und daß dadurch nicht ein Mehr an Straßenbauleistung und
ein Mehr an Verbesserung der Leistung der Nahverkehrsbetriebe erfolgen kann?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich stimme Ihnen nicht zu. Ich darf auch darauf hinweisen, daß es sich nach dem Vorschlag der Bundesregierung um einen Betrag von einer Milliarde DM für eine Aufgabe handelt, die ihrem Wesen nach nicht oder nur in geringem Maße eine Bundesaufgabe ist.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Dr. Weber auf:
Ist die Bundesregierung insbesondere bereit, die Nahverkehrsbetriebe von der Mineralölsteuer zu befreien?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, in dem Entwurf der Konzeption zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs wird der Bundesminister für Verkehr auch hierzu eine Regelung vorschlagen, die jedoch wie alle übrigen Vorschläge dieses Konzepts noch einer Abstimmung zwischen den Bundesressorts bedarf.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Wie wird in der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt, daß Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen mit größeren Sachbeschädigungen vor ihrer erneuten Inbetriebnahme einer Überprüfung auf ihre Betriebssicherheit hin unterzogen werden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich bitte, es Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten die Fragen des Herrn Kollegen Dr. Apel wegen dzu dürfen.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 55 auf:
Hält es die Bundesregierung für erwägenswert, daß nach dem Vorbild westlicher Nachbarländer alle Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen erst dann wieder eine Betriebserlaubnis erhalten, wenn sie nach Abschluß aller Reparaturarbeiten einer Überprüfung durch die entsprechenden technischen Überwachungsstellen unterzogen wurden?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, in einigen Bundesländern werden an einem Verkehrsunfall beteiligte Fahrzeuge, deren Schäden die Verkehrssicherheit beeinträchtigten, der Straßenverkehrsbehörde gemeldet. Die Straßenverkehrsbehörde kann dann die Beibringung eines Sachverständigengutachtens fordern. In allen anderen Bundesländern überwacht die Polizei selbst, daß bei einem Unfall beschädigte Fahrzeuge erst nach Überprüfung wieder in den Verkehr gebracht werden. Das Verfahren ist nicht einheitlich, reicht aber nach den Erfahrungen aus, um die Belange der Verkehrssicherheit zu erfüllen. Es wurde bisher davon abgesehen, eine außerplanmäßige Untersuchung unfallbeschädigter Fahrzeuge zwingend zu fordern. Dafür war maßgebend, daß man eine weitere Belastung für den Fahrzeughalter vermeiden wollte, ferner die Tatsache, daß es schwierig ist, festzustellen, inwieweit die Unfallschäden für die Verkehrssicherheit von Bedeutung sind.
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß auch der Fahrzeughalter von sich aus für den verkehrssicheren Betrieb seines Fahrzeugs verantwortlich ist. Darüber besteht auch mit den Ländern Einverständnis. Das hat sich kürzlich anläßlich der Neuregelung der amtlichen technischen Fahrzeugüberwachung durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung vom 19. Juli 1971 erneut bestätigt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es zumindest in einigen Bundesländern immer häufiger passiert, daß in Unfälle verwickelte Fahrzeuge anschließend sehr billig verkauft werden, eigentlich mit der Absicht, sie verschrotten zu lassen, daß diese Fahrzeuge dann aber insbesondere von jungen Leuten gekauft, mit eigenen Mitteln repariert und dann doch wieder in den Verkehr gebracht werden, wobei insbesondere die Betriebssicherheit der Bremsanlagen, aber auch z. B. die Spurstabilität nicht gewährleistet sind? Meinen Sie angesichts dieser Situation nicht doch, daß es zweckmäßig wäre, bundeseinheitliche Regelungen einzuführen, die sicherstellen, daß in Unfälle verwickelte Fahrzeuge nur dann wieder in Betrieb genommen werden können, wenn sie sicher sind, d. h. wenn sie dem TÜV vorgeführt worden sind?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich habe Ihnen soeben angedeutet, was bisher die Haltung sowohl des Bundesverkehrsministeriums als auch der beteiligten Länderbehörden war. Wenn aber solche Fälle, wie Sie sie soeben erwähnten, in größerer Zahl geschehen sind, dann ist es ein ernstes Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie mir Ihre Unterlagen zur Verfügung stellen könnten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Nachbarländer, z. B. das Land Luxemburg, in dem ich selber lange Jahre gelebt habe, zwingend vorschreiben, daß Fahrzeuge, die in Unfälle verwickelt waren, durch die technischen Überwachungsstellen laufen, und sind Sie bereit, sich die Erfahrungen dieser Länder einmal anzuschauen und gegebenenfalls - auch im Interesse der Harmonisierung im Rahmen der EWG - für uns nutzbar zu machen?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, wir werden das
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
gern prüfen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß wir bisher in Übereinstimmung mit den Ländern davon ausgegangen sind, daß auch das bisherige Verfahren der Kontrolle im Grunde lückenlos war und solche Zustände, wie Sie sie hier angedeutet haben, dadurch vermieden wurden. Ich bin aber dankbar für Ihre Anregung und bin bereit, alle Unterlagen erneut einer strengen Prüfung zu unterziehen.
Wir kommen zu den Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Lemmrich. - Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.
Frage 58 des Abgeordneten Dr. Evers:
Ist dafür Sorge getragen, daß bei Streckensperrungen der Deutschen Bundesbahn die interessierte Öffentlichkeit über die Rundfunk- und Fernsehanstalten unverzüglich über diese Sperrungen und deren voraussichtliche Dauer informiert wird, wie es im Straßenverkehr in vorbildlicher Weise geschieht?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich wäre sehr dankbar, wenn ich beide Fragen zusammen beantworten könnte.
Sind Sie einverstanden? - Ich rufe also noch die Frage 59 auf:
Falls dies nicht der Fall ist, beabsichtigt die Bundesregierung, die zuständigen Dienststellen der Deutschen Bundesbahn anzuweisen, in diesem Sinne tätig zu werden?
Bitte sehr!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über Rundfunk und Fernsehen ist nach unserer Auffassung grundsätzlich nicht geboten. Im Gegensatz zum Straßenverkehr, wo der Verkehrsteilnehmer die Wahl seines Weges selbst treffen muß, wird bei Streckensperrungen die Beförderung der Reisenden durch die Deutsche Bundesbahn selbst geregelt und sichergestellt. Über dabei von den allgemeinen Betriebsregelungen auftretende Abweichungen werden die Reisenden unterrichtet und beraten.
Im Falle weittragender, z. B. durch Naturkatastrophen oder Streiks herbeigeführter Behinderungen erfolgen Mitteilungen an alle Nachrichtenmedien. Es besteht nach unserer Auffassung auf Grund dieser Situation für die Bundesregierung kein Anlaß, tätig zu werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir dann zu, wenn ich Ihnen Beispiele vorlege, in denen das von Ihnen soeben geschilderte Verfahren nicht praktiziert worden ist, die Betroffenen vielmehr eine Reise angetreten haben und nach zweistündiger Fahrtdauer nach Hause fahren mußten, weil die Strecke gesperrt war, ohne daß man sie davon unterrichtet hatte?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihren Informationen nachzugehen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß dieses wenig kundendienstfreundliche Verhalten vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn gebilligt wurde. Es wird sich hier also um ein Versehen nachgeordneter Instanzen handeln.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sie würden also mit mir der Ansicht ,sein, daß ein solches Verfahren - wenn sich es Ihnen belege - abgestellt werden muß?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Aber natürlich.
Frage 60 des Herrn Abgeordneten Folger:
Sind Behauptungen in der Presse richtig, daß deutsche Viehhändler und Spediteure Kälber und Ochsen auf dem Sammelbahnhof Rosenheim in Oberbayern nach Italien verschicken, die aus Kostenersparnis zu eng in die Waggons gepfercht werden - ohne Einstreu, ohne Futter, ohne Wasser -, so daß nur die stärksten von ihnen die tagelange Fahrt zu dem italienischen Verladebahnhof Fortezza überleben und daß sich den Arbeitern dort regelmäßig das gleiche Bild bietet: Viele der Tiere sind während der Fahrt verhungert, verdurstet, erstickt, bis auf das Fleisch zerschunden oder ganz einfach tot getrampelt?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn Herr Kollege Folger zustimmen könnte, daß ich auch diese beiden Fragen zusammen beantworte.
Einverstanden? - Ich rufe also noch die Frage 61 Ides Herrn Abgeordneten Folger auf:
Kann die Bundesregierung die Deutsche Bundesbahn veranlassen, solche Transporte ab sofort abzulehnen, die geltenden Rechtsvorschriften in der Weise zu ergänzen, daß solche Vorkommnisse in Zukunft unmöglich werden, gegebenenfalls unter Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes an den Deutschen Bundestag?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn kann nicht bestätigen, daß die Ihren Fragen zugrunde liegenden Presseberichte zutreffen. Sie hat mir erklärt, daß weder im laufenden Jahr noch in den vorhergehenden Jahren bei der Beförderung von Großvieh und von Kälbern nach Italien Beanstandungen laut geworden sind. Bei jedem dieser Transporte haben sowohl im Zeitpunkt der Verladung wie beim Grenzübergang in Kufstein Amtstierärzte mitgewirkt. In jedem Falle sind die Verladeweise und der Zustand der Tiere, insbesondere auch ihre Transporttauglichkeit, untersucht und schriftlich bescheinigt worden.
Danach stellt sich die Frage zusätzlicher Rechtsvorschriften nicht. Die vorhandenen Bestimmungen
Parlamentarischer Staatssekretär Börner
reichen aus, um eine unsachgemäße Behandlung lebender Tiere beim Eisenbahntransport auszuschließen. Im übrigen darf ich auf den dem Deutschen Bundestag vorliegenden Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes hinweisen, der die beteiligten Bundesressorts ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zum Schutz !der Tiere bei der Beförderung im Straßen-, Schienen-, Schiffs- und Luftverkehr einzuführen.
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 62 !des Herrn Abgeordneten Seefeld. - Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
Es folgt die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Meister. - Auch er ist nicht im Saal. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
Frage 64 ,des Herrn Abgeordneten Niegel! - Der Fragesteller ist nicht mehr im Saal. Die Beantwortung erfolgt schriftlich. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Zunächst Frage 65 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer. - Er ist nicht im Saal; die Beantwortung erfolgt schriftlich, ebenso die Beantwortung der Frage 66. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.
Frage 67 ,des Herrn Abgeordneten Erpenbeck:
Wann gedenkt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Reform des längst überholten Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes einzubringen, nachdem der Deutsche Bundestag bereits am 30. Juni 1965 in einer einstimmig angenommenen Entschließung die Bundesregierung aufgefordert hat, einen derartigen Gesetzentwurf so bald wie möglich einzubringen?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, die grundlegende Reform des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes kann nach unserer Auffassung in sinnvoller Weise erst in Angriff genommen werden, wenn sich alle Aufgaben übersehen lassen, die sich bei der jetzt beginnenden Durchführung des Städtebauförderungsgesetzes neu stellen.
Dessenungeachtet ist die Bundesregierung allerdings seit 1965 nicht untätig gewesen. Sie hat die Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz durch eine Rechtsverordnung vom 21. November 1969 novelliert und darin u. a. den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen die Möglichkeit gegeben, ihren Geschäftskreis zu erweitern und sich bei ihrer Tätigkeit moderner Organisationsformen zu bedienen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würde es nicht im Interesse einer vom ganzen Hause getragenen Wohnungspolitik liegen, wenn sich die bisherige Nichtuntätigkeit der Regierung auch in konkreten Gesetzesvorschlägen niederschlüge?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Erpenbeck, ich gehe davon aus, daß ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird. Ich bitte allerdings um Verständnis, daß die Bundesregierung zunächst die Erfahrungen sammelt, die sich aus der Einführung des Städtebauförderungsgesetzes ergeben, um auch diese Tatbestände gleichzeitig neu in die Möglichkeiten des Gemeinnützigkeitsrechts mit aufzunehmen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie lange, glauben Sie, wird diese Zeit des Erfahrungsammelns dauern?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Das ist schlecht zu sagen. Das kommt darauf ,an, wie schnell die Maßnahmen in dem Bereich anlaufen. Ich hoffe, daß wir im Laufe des nächsten Jahres soweit sein werden.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Erpenbeck auf:
Teilt die Bundesregierung die in dem vom Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen herausgegebenen Bundesbaublatt ({0}) dargelegte Auffassung des Kommentators, daß die „Neue Heimat" die gemeinnützige Wohnungswirtschaft überwiegend repräsentiert?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege, wie das Impressum ausweist, vertreten die Autoren und Kommentatoren des Bundesbaublattes ihre eigene Meinung. Nur der „Amtliche Teil" des Bundesbaublattes, der ausdrücklich so bezeichnet ist, wird von meinem Hause redigiert.
Im übrigen hat der zitierte Kommentator nicht die Auffassung vertreten - so wie es in Ihrer Frage heißt -, daß „die ,Neue Heimat' die gemeinnützige Wohnungswirtschaft überwiegend repräsentiert", sondern seine Beobachtungen über die öffentliche Meinung widergegeben. Er hat gesagt, daß die Neue Heimat - ich zitiere wörtlich für die Öffentlichkeit die gemeinnützige Wohnungswirtschaft überwiegend repräsentiert.
Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Richtigkeit dieser subjektiven Beobachtung zu prüfen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß sich eine Stellungnahme der Bundesregierung als positiv erweisen könnte, wenn verhindert werden soll, daß durch solche wie von diesem Kommentator geäußerte Auffassungen in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Mißverständnisse aufkommen?
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege Erpenbeck, wir sind stolz auf die Meinungsfreiheit, die im Bundesbaublatt für alle Kommentatoren und Schreiber, die in ihren Bereichen mit eigenem Namen zeichnen, eingehalten wird.
({0})
Wir wollen auch in Zukunft keine Zensur einführen.
Darüber hinaus wird für jeden, der diesen Kommentar wörtlich liest, deutlich werden, daß von der Öffentlichkeit und nicht von einem Faktum gesprochen worden ist.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bei aller Achtung der Meinungsfreiheit - niemand will sie ja beschränken -: wäre es nicht doch zweckmäßig, daß solche Äußerungen, die immerhin im Bundesbaublatt veröffentlicht werden, auch seitens der Regierung richtiggestellt werden.
Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Hier gibt es nichts richtigzustellen, Herr Kollege Erpenbeck. Hier ist die subjektive Äußerung eines
Kommentators dargestellt worden, wie die Öffentlichkeit nach seinem Eindruck auf ein bestimmtes Unternehmen im gemeinnützigen Wohnungsbau reagiert; nicht mehr und nicht weniger. Hier geht es nicht einmal um eine Tatsachenbehauptung, die der Kommentator aufgestellt hat.
Ich darf das Zitat noch einmal verlesen. Der Kommentator sagt, daß nach seiner Auffassung die Neue Heimat
für die Öffentlichkeit die gemeinnützige Wohnungswirtschaft überwiegend repräsentiert.
Damit wird keine Tatsachenfeststellung getroffen, sondern eine subjektive Meinung dieses Kommentators dargelegt. Ich sehe nicht ein, daß es unsere Aufgabe sein soll,- diese subjektive Vorstellung zu überprüfen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Fragestunde und damit auch am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 23. September 1971, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.