Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/28/1971

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Kollege Engelsberger, nach der Anerkennung der DDR durch Chile wird die Bundesregierung intern und in Gesprächen mit der chilenischen Regierung prüfen, wie der Gesamtbereich der bilateralen Beziehungen zu Chile in der Zukunft gestaltet werden kann. Diese Klärung wird einige Zeit benötigen. Die Entwicklungshilfe muß als ein wichtiger Teilbereich dieser Beziehungen gleichfalls in diese Prüfung einbezogen werden. Dies gilt nicht für die laufenden Verträge und Projekte. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Engelsberger.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ist die chilenische Regierung durch Erklärungen von Vertretern der Bundesregierung - ich meine hier insbesondere die Erklärung von Staatssekretär Sohn im Februar -, daß Entwicklungshilfe auch nach einer Anerkennung der DDR gewährt und die diplomatischen Beziehungen nicht abgebrochen würden, nicht geradezu ermuntert worden, die DDR anzuerkennen? Das ist ja auch dann erfolgt.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Kollege, erstens stand die Anerkennung der DDR bereits im Wahlprogramm der Unidad Popular, die die Wahlen gewonnen und den Präsidenten Allende gestellt hat. Zweitens hat die Bundesregierung sowohl in Santiago als auch gegenüber einigen Emissären des Präsidenten hier eindeutig klargestellt, daß eine Anerkennung der DDR die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Chile belasten würde. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Erklärung von Staatssekretär Sohn oder etwa eine ähnliche Erklärung Ihres Kollegen Kiep irgendeinen Einfluß auf die Haltung der chilenischen Regierung in dieser Frage gehabt haben könnte. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Engelsberger.

Matthias Engelsberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000475, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ist durch die Anerkennung der DDR durch Chile und die schwache Reaktion der Bundesregierung nicht ein Präzedenzfall für andere Staaten, vor allen Dingen für Entwicklungsländer, geschaffen wor6718 den, daß es kein Risiko mehr ist, die DDR anzuerkennen?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Kollege, wir sind nicht dieser Meinung. Und ich hoffe, daß die Opposition nicht durch eine derartige Bewertung dessen, was wir in Sachen Chile beschlossen haben, nun tatsächlich einen solchen Effekt hervorruft. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf, und zwar zunächst die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Schirmer: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Hallen- und Freibädern oft die Schwimmaufsicht nicht gewährleistet und der Schwimmunterricht nicht erteilt werden kann, weil Schwimmmeistergehilfen fehlen und deren Ausbildungsberuf und Ausbildungsordnung nicht gesichert sind? Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dorn. Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten dürfte. Präsident von Hassel: Bitte schön! Keine Bedenken, auch Frage 37 ist aufgerufen: Beabsichtigt die Bundesregierung, die erfreulichen Initiativen und Anstrengungen der Gemeinden, Landkreise und Bundesländer für den Bäderbau zu unterstützen, indem sie alsbald die Verordnung für den Ausbildungsberuf des Schwimmeistergehilfen und die entsprechende Ausbildungsordnung erläßt, um eine noch bessere Nutzung der Bäder durch Bürger und Schüler zu ermöglichen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Schirmer, die Schwierigkeiten, Aufsichtspersonal für Hallen- und Freibäder zu gewinnen, sind der Bundesregierung bekannt. In meinem Hause wurde daher nach Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes der Entwurf einer Rechtsverordnung über die staatliche Anerkennung des Ausbildungsberufes Schwimmeistergehilfe und die Ausbildungsordnung für Schwimmmeistergehilfen erarbeitet. Er wird zur Zeit mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, dessen Zustimmung nach § 25 des Berufsbildungsgesetzes erforderlich ist, abgestimmt. Ich hoffe, daß die Nachwuchsschwierigkeiten für die Schwimmaufsicht in Hallen- und Freibädern durch die staatliche Anerkennung dieses Ausbildungsberufes und die einheitliche Ausbildungsordnung gemildert werden können. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Schirmer.

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, nachdem bekannt ist, daß diese Bemühungen jahrelang währen, dafür zu sorgen, daß sie alsbald abgeschlossen werden? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir sind bei den Verhandlungen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in dieser Frage kurz vor einer abschließenden Entscheidung. Nach unserer Auffassung kann das in wenigen Wochen entschieden werden. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Müller ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, als Konsortialpartner in den Gremien des Organisationskomitees und der Olympia-Baugesellschaft für die Spiele der XX. Olympiade 1972 zu erwirken, daß über die im fünften Zwischenbericht der Bundesregierung über Vorbereitung und Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 ({1}) aufgeführten Sportanlagen hinaus keine weiteren Sportstätten mehr gebaut werden, wie dies z. B. mit der Errichtung einer Eisschnellaufanlage geschehen sollte? Zur Beantwortung, bitte schön, Herr Staatssekretär! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Müller, die Bundesregierung ist dazu gern bereit; eine entsprechende Auffassung hat sie bereits mehrfach bekundet. Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Gesamtbetrag der olympiabedingten Investitionskosten in München von 1350 Millionen DM und der Gesamtbetrag der olympiabedingten Investitionen in Kiel von 95 Millionen DM als Endbeträge anzusehen sind, die nicht mehr überschritten werden sollten. Dies setzt vor allem voraus, daß keine weiteren zusätzlichen Anforderungen an die Bauprogramme gestellt werden, daß insbesondere keine Anlagen neu hinzukommen. Schon in den Sitzungen des Konsortialausschusses Kiel 1972 am 16. Januar 1971 und des Aufsichtsrats der Olympia-Baugesellschaft am 10. März 1971 haben die Vertreter des Bundes nachdrücklich auf diese Sachlage hingewiesen. Ich selbst habe diese Haltung in Schreiben an den Vorsitzenden des Konsortialausschusses - das ist der Hauptgeschäftsführer der Olympia-Baugesellschaft - und den Präsidenten des Organisationskomitees noch einmal unterstrichen. Die Bundesregierung zweifelt nicht darin, daß ihre Auffassung bei allen Beteiligten Verständnis und hoffentlich auch Unterstützung finden wird. Der Hauptgeschäftsführer der OlympiaBaugesellschaft hat mir gestern in diesem Sinne geantwortet. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Müller ({2}).

Willi Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, darauf zu drängen, daß diese von Ihnen hier vorgetragenen Grundsätze, die zu begrüßen sind, auch ihre Anwendung auf das immer noch im Gespräch befindliche Vorhaben, die Ostkurve im Stadion zu überdachen, finden? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zu dem Ostdach hat es bis jetzt schon viele Diskussionen gegeben, Herr KolParlamentarischer Staatssekretär Dorn lege Müller. Für den Bau des Ostdachs über dem Oympiastadion ist im Gesamtkosten- und Finanzierungsplan der Olympia-Baugesellschaft bereits jetzt ein. Betrag von 14 Millionen DM enthalten. Der Bau des Ostdaches würde also keine Ausweitung der Kosten verursachen. Allerdings gibt es über die Frage der Notwendigkeit des Ausbaues dieses Ostdaches nicht nur hier im Parlament, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit erheblich unterschiedliche Meinungen mit sehr vielen kritischen Anmerkungen. Der Ausbau dieses Daches ist nicht bis zur Olympiade 1972 geplant. Diese Frage stellt sich erst nach 1972. Sie ist im Zusammenhang mit der Herrichtung des Olympiastadions für einige Spiele der Fußballweltmeisterschaft diskutiert worden. Wie gesagt, hier gehen die Meinungen sehr auseinander, ob man dieses Ostdach dazu braucht oder nicht. Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Müller ({0}).

Willi Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mich in meiner Auffassung zu bestätigen, daß in bezug auf die Überdachung der Ostkurve doch ernsthaft ein Bemühen besteht, Entscheidungen vorwegzunehmen, die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Stadien für die Fußballweltmeisterschaft im Raume stehen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich würde es nicht so klar beantworten können, Herr Kollege Müller, weil die Diskussionen darüber damals in der Vorplanung anders begründet worden sind, als sie heute begründet werden. Insofern liegt eine Diskrepanz in der Argumentation für den Ausbau dieses Daches. Wie sich die Dinge jetzt darstellen, möchte ich mehr Ihren Vermutungen zustimmen. In der ursprünglichen Planung sah die Begründung noch anders aus. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Müller ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, zu verhindern, daß von den Vertretern der Konsortialpartner und der olympischen Gremien öffentliche Äußerungen zur Entwicklung der Organisations- und Investitionskosten gemacht werden, die erheblich voneinander abweichen und zur berechtigten Kritik in der Öffentlichkeit Anlaß geben? Bitte, Herr Staatssekretär! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Müller, die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß es zu Mißverständnissen und Kritik führen muß, wenn über die Höhe und die Entwicklung der olympiabedingten Kosten in der Öffentlichkeit unterschiedliche Angaben gemacht werden. In Ihrem Bericht vom 13. März 1971 hat die Bundesregierung eine umfassende und detaillierte Ubersicht über die Gesamtfinanzierung der Olympischen Spiele 1972 nach dem Stand vom 10. März 1971 gegeben. Die Angaben des Berichts beruhen auf der jeweils letzten Fortschreibung der Gesamtkosten und Finanzierungspläne des Organisationskomitees, des Konsortialausschusses Kiel 1972 und der Olympia-Baugesellschaft. Der Bericht dürfte daher allen Beteiligten die Möglichkeit bieten, voneinander abweichende Zahlenangaben zu vermeiden. Ich bin sicher, daß man diese Möglichkeit auch nutzen wird, und werde in den zuständigen Gremien, auch im Vorstand des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele, gern noch einmal darauf hinweisen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf: Wird die Bundesregierung den Vorschlag des Verbandes kommunaler Unternehmen aufgreifen und bei Planungen neuer Wohngebiete nur solche Vorhaben fördern, die den Einbau emissionsfreier Heizformen vorsehen, wo immer das technisch und örtlich möglich ist? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär. Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Gruhl, zunächst erscheint mir folgende Klarstellung notwendig. Die Verwendung der Elektrizität oder von Fernwärme zur Gebäudeheizung ist zwar für das einzelne Gebäude emissionsfrei, verlagert aber das Problem des Umweltschutzes auf die Erzeugung der Energie in Kraft- oder Fernheizwerken. Dort ist die Wärmeerzeugung gegenüber der Einzelheizung allerdings besser regelbar, die Abgase werden über hohe Kamine besser verteilt und so direkte Belästigungen der Nachbarschaft vermieden. Insofern stellt die zentrale Wärmeversorgung eine Verbesserung gegenüber der Einzelfeuerung dar. Sie kann aber nicht, wie es oft geschieht, als emissionsfrei bezeichnet werden. Durch die Förderung zentraler Wärmeversorgungsanlagen ist also das Problem der Luftverunreinigung durch die Beheizung der privaten Haushalte nicht generell zu lösen. Zentrale Wärmeversorgungsanlagen reduzieren vor allem die Belästigung der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Bundesregierung bemüht sich insbesondere bei Wohnungsbauvorhaben, auf die sie direkt Einfluß nehmen kann, den Anforderungen des Umweltschutzes in steigendem Maße Rechnung zu tragen. Sie wird bei der Planung neuer Wohngebiete darauf hinwirken, daß die Emissionen aus Heizungsanlagen so gering wie möglich sind. Dies kommt in den Einsatzrichtlinien für den sozialen Wohnungsbau 1971 der Bundesregierung auch klar zum Ausdruck. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gruhl.

Dr. Herbert Gruhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000741, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hat die Bundesregierung die Absicht, in dieser Richtung irgendeine gesetzliche Initiative zu ergreifen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Gruhl, Sie wissen, daß in der Frage des Immissionsschutzgesetzes immer noch die Kompetenzprobleme zwischen Bund und Ländern bestehen und wir hier seit vielen Monaten versuchen, in ständigen Kontakten und Beratungen auch mit den Vertretern der Länder zu einer übereinstimmenden Regelung zu kommen. 6720 Deutscher Bundestag - G. Wahlperiode Parlamentarischer Staatssekretär Dorn Die ersten Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes sind ja jetzt auf Grund von Entscheidungen der Bundesregierung angelaufen. Die Vorlagen sind auch dem Parlament zugeleitet worden. Sie haben sicher aus Presse- und sonstigen Meldungen entnommen, daß auch der Bundesrat auf diesem Gebiet des Umweltschutzes in einigen Punkten in erster Lesung Grundgesetzänderungen bereits seine Zustimmung gegeben hat. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Gölter auf: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bei Hinterbliebenen, die unter die Mindestversorgung fallen, den Schutz im Krankheitsfall zu verbessern und nach Gewährung der Beihilfen verbleibende Kostenlücken zu decken? Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Gölter, die Beihilfevorschriften sind so gestaltet, daß durch die Beihilfen und die den Bediensteten zumutbare Eigenvorsorge in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen die Aufwendungen nahezu gedeckt werden. Gleichwohl verbleiben insbesondere in Krankheitsfällen mit hohen Kosten den Beihilfeberechtigten nicht unerhebliche eigene Aufwendungen, die nicht nur die Empfänger der Mindestversorgungsbezüge, sondern allgemein die Bezieher niedriger Dienstoder Versorgungsbezüge belasten. Die Beihilfevorschriften bieten schon in der geltenden Fassung der Nr. 12 Abs. 7 Ziffer 4 die Möglichkeit, in Ausnahmefällen den zustehenden Bemessungssatz so weit zu erhöhen, daß die verbleibende Eigenbelastung des Beihilfeberechtigten auf ein erträgliches Maß verringert wird. Darüber hinaus wird im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Novellierung der Beihilfevorschriften geprüft werden, ob durch weitere Verbesserungen dem genannten Personenkreis eine zusätzliche Hilfe gewährt werden kann. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Gölter auf: Wie groß ist der Personenkreis, der unter die Mindestversorgung fällt? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Gölter, die Mindestversorgung wird rund 67 000 Versorgungsempfängern des Bundes einschließlich Bundesbahn und Bundespost gewährt. Davon sind rund 47 000 Personen Empfänger von Hinterbliebenenversorgung. Die Mindestversorgungsbezüge werden auf Grund des Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern nach Besoldungsgruppe A 3 statt nach A 2 bisher bemessen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Gölter.

Dr. Georg Gölter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, wie groß der Kreis der Mindestversorgungsempfänger ist, der bei Inanspruchnahme von Beihilfe keinen Krankenversicherungsschutz nachweisen kann? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das kann ich Ihnen jetzt nicht auswendig sagen. Ich bin gern bereit, diese Frage in meinem Haus nachprüfen zu lassen und Ihnen die Zahlen schriftlich nachzureichen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Brück ({0}).

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie den Personenkreis ,des Bundes mit rund 67 000 Menschen angegeben haben, darf ich die Bitte äußern, daß Sie, wenn Sie die Zahlen nicht präsent haben, in absehbarer Zeit Ermittlungen auch darüber anstellen lassen, wie groß der Personenkreis der Mindestversorgungsempfänger in den einzelnen Bundesländern, getrennt nach den verschiedensten Gruppen, ist, damit wir für künftige Beratungen diese Zahlen zur Verfügung haben? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Brück, ich bin bereit, das mit den Ländern zu vereinbaren. Nur bitte ich um Verständnis, daß die Beantwortung dieser Frage sich dann um eine Reihe von Wochen verzögern wird. ({0}) Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Haase ({1}) auf: Wieviel Raubüberfälle wurden im Jahre 1970 in der Bundesrepublik Deutschland auf Banken und Sparkassen sowie Geldtransporte verübt, und welche Geldbeträge fielen bei dieser Gelegenheit den Tätern in die Hände? Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär, bitte! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Haase, nach den vom Bundeskriminalamt errechneten vorläufigen Zahlen sind im Jahre 1970 in der Bundesrepublik Deutschland 227 Raubüberfälle auf Geldinstitute und öffentliche Kassen einschließlich Überfälle auf Kassenboten verübt worden. Die genaue Höhe der Geldbeträge, die dabei Straftätern in die Hände fielen, läßt sich an Hand der Unterlagen des Kriminalamtes nicht genau errechnen. Sie ließe sich nur durch Rückfrage bei den Ländern feststellen. Ich bin gern bereit, die Zahlen hierfür bei den Ländern anzufordern und Ihnen nachzureichen. In der Kürze der Zeit war es dem Bundeskriminalamt nicht möglich, dieses Zahlenmaterial zu beschaffen. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Haase ({2}) auf: Wie lauten die Vergleichszahlen für das Jahr 1960? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Vergleichszahl für das Jahr 1960 beträgt 53 Fälle. Die zahlenmäßige Entwicklung seit dieser Zeit ergibt sich aus folgender Aufstellung: 1960 53 Fälle, 1961 53 Fälle, 1962 71 Fälle, 1963 100 Fälle, 1964 202 Fälle, 1965 229 Fälle, 1966 389 Fälle, 1967 430 Fälle, 1968 322 Fälle, 1969, 212 Fälle, 1970 227 Fälle. Ich wollte Ihnen absichtlich die Gesamtzahl dieser Skala einmal vortragen. Aus diesen Zahlen ergibt sich, Herr Kollege Haase, daß von 1960 bis 1967 eine ständige Zunahme der Raubüberfälle zu verzeichnen war, daß aber 1968 und vor allen Dingen 1969 erhebliche Abnahmen gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen waren und daß für das Jahr 1970 kaum eine Veränderung gegenüber dem Jahr 1969 festzustellen ist. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es aber zu, daß bei dieser Art Gewaltverbrechen gerade im laufenden Jahr ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen ist, besonders auch, was die Summen der erbeuteten Beträge betrifft? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Anzahl hat sich in diesem Jahr, soweit bisher feststellbar, nicht erheblich erhöht. Was die Beträge angeht, so kann ich Ihnen auch aus der Tendenz des Jahres 1971 noch keine Zahl nennen. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie hier zufällig etwas über die Aufklärungsquoten sagen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Aufklärungsquoten haben sich, wie Sie in der letzten Zeit auch aus den Veröffentlichungen ersehen haben, in den letzten Jahren doch sehr erhöht. Wir haben eigentlich nur am Anfang einen Tiefstand gehabt. Aber seit dieser Zeit sind die Aufklärungsquoten . nicht zurückgegangen. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Dr. Evers auf: Ist die Bundesregierung bereit, die Namen der an der Einfuhr und Ablagerung giftiger Abfallstoffe beteiligten deutschen Firmen bekanntzugeben? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Evers, der Bundesregierung sind die an der Einfuhr und Ablagerung giftiger Abfallstoffe beteiligten deutschen Firmen nicht bekannt. Ich nehme an, daß solche Firmen bisher den Landesregierungen in der Regel nur dann bekannt werden, wenn nach Landes- oder Ortsrecht Genehmigungen für die Beseitigung giftiger Abfallstoffe eingeholt werden. Die Bundesregierung hält eine Bekanntgabe der Firmen, die für die Beseitigung giftiger Abfallstoffe behördliche Genehmigungen hatten, nicht für zweckmäßig. Dringend erforderlich dagegen ist, daß durch geeignete gesetzliche und administrative Maßnahmen sichergestellt wird, daß schädliche Abfälle nicht mehr ohne Genehmigung eingeführt und beseitigt werden können und daß diese Genehmigung nur dann erteilt wird, wenn durch die Beseitigung keine Schäden für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt entstehen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Glauben Sie nach diesen Ausführungen nicht, Herr Staatssekretär, daß die Bekanntgabe der Namen dieser Firmen schon vor dem Erlaß gesetzlicher Regelungen einen entsprechenden Druck durch die Öffentlichkeit herbeiführen würden und daß schon dadurch mindestens eine Verminderung dieser Einfuhren verzeichnet werden könnte? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Dr. Evers, ich glaube nicht, daß man ohne eine gesetzliche Handhabung hier etwas erreichen kann. Denn wenn wir die Namen der Firmen veröffentlichten, die die Genehmigungen durch die Behörden erhalten haben, würden wir in letzter Konsequenz die Schuldigen nicht bei den Firmen zu suchen haben, sondern auch bei den Behörden, die die Genehmigungen erteilt haben. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, es ist bekannt, daß diese Genehmigungen legal erteilt worden sind. Aber es gibt die Möglichkeit für die beteiligten Firmen, freiwillig darauf zu verzichten, und diese Möglichkeit veranschlagen Sie offenbar gering. Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Evers, nach allen Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, müssen wir, glaube ich, davon ausgehen, daß ohne gesetzliche Regelungen auf diesem Sektor keine effektiven Ergebnisse erzielt werden können. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Evers auf: Welche Schritte hat die Bundesregierung seit meinen mündlichen Fragen A 13 und 14 ({0}) unternommen, um die Einfuhr giftiger Abfallstoffe in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern? Zur Beantwortung bitte! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung hat zur Zeit noch ,keine gesetzlichen Möglichkeiten, die Parlamentarischer Staatssekretär Dorn Einfuhr giftiger Abfallstoffe zu verhindern. Sie prüft gegenwärtig entsprechend der Anregung des Bundesrates, in welcher Form eine Regelung in den Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes aufgenommen werden kann. Vorgesehen ist ein Genehmigungsverfahren, durch welches eine einwandfreie Kontrolle der Einfuhr von Abfallstoffen, notwendigenfalls eine Abweisung, ermöglicht wird. Die Vorschläge dafür werden im Mai idem Bundestag in der Gegenäußerung der Bundesregierung zum Beschluß des Bundesrates über den Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes vorgelegt werden. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage ides Herrn Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bedeutet diese Auskunft, Herr Staatssekretär, daß Sie vor Erlaß gesetzlicher Bestimmungen weder durch Bekanntgabe von Namen noch durch Verhandlungen mit Ländern und Gemeinden glauben entsprechende Schritte unternehmen zu sollen, die den gleichen Zweck erreichen könnten wie eine gesetzliche Regelung? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wenn eine Regelung ohne Gesetz möglich wäre, könnte das ohne Zweifel erfolgen. Aber auch nach der Auffassung des . Bundesrates, die bei der ersten Beratung des Abfallbeseitigungsgesetzes im Bundesrat sichtbar geworden ist, sollte eine entsprechende gesetzliche Regelung durch das Parlament vorgenommen werden. Präsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das heißt, daß Sie glauben erst dann, wenn gesetzliche Schritte unternommen worden sind, hier Abhilfe erreichen zu können? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Endgültig und effektiv, ja, Herr Kollege Evers. Aber es liegt natürlich auch an dem Beratungstempo in diesem Hause, wie schnell wir in den Besitz gesetzlicher Regelungen kommen können. Präsident von Hassel: Die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Scheu sowie 49 und 50 des Abgeordneten Baeuchle werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Meinike ({0}) auf: Nach welchen Kriterien bemißt die Bundesregierung die Förderungswürdigkeit von internationalen Filmwochen in der Bundesrepublik Deutschland, und welche Bedeutung kommt dabei insbesondere haushaltsrechtlichen Bestimmungen zu? Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Meinike, die Förderungswürdigkeit bzw. die Förderungsfähigkeit von internationalen Filmwochen in der Bundesrepublik Deutschland wird vom Bund unter zwei Gesichtspunkten gesehen, nämlich a) der Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Filmförderung und b) dem in § 23 Bundeshaushaltsordnung bestimmten „erheblichen Interesse des Bundes". Zu a) : Eine sinnvolle Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Filmförderung wurde für solche filmkulturellen Einrichtungen angestrebt und verwirklicht, an deren Finanzierung der Bund neben der jetzt überwiegenden Länderfinanzierung nur mitgewirkt hat. Zu b) : Das in § 23 Bundeshaushaltsordnung bestimmte „erhebliche Interesse des Bundes" ist dort nicht gegeben, wo ein Filmfestival ganz von den Kommunen bzw. Sitzländern geprägt wird. Da es sich bei den Westdeutschen Kurzfilmtagen Oberhausen und den Nordischen Filmtagen Lübeck um Einrichtungen handelt, an deren Finanzierung der Bund neben der jetzt überwiegenden Länderfinanzierung nur mitgewirkt hat und diese Festivals auch von den Kommunen bzw. Sitzländern geprägt werden, wurde bereits im Jahre 1969 seitens des Bundes darauf hingewiesen, daß die Mitfinanzierung dieser Festspiele eingestellt wird. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Meinike ({1}).

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für fragwürdig, die Förderungswürdigkeit von Filmwochen überwiegend von haushaltsrechtlichen Bestimmungen abzuleiten, zumal da doch allzusehr der Verdacht auftreten könnte, daß die wirklichen Gründe damit verdeckt werden sollen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Meinike, der Bundestag und die Bundesregierung sind an die Bundeshaushaltsordnung gebunden. Das ist für uns und für den Bundestag Gesetz; daran kommen wir nicht vorbei. Zweitens ist es eben so, daß im Rahmen der Zuständigkeiten bei bestimmten Veranstaltungen im kulturellen Bereich - das gilt nicht nur für den Film und für diese beiden Veranstaltungen -, bei denen bisher auch in der Vergangenheit nur eine Mitwirkung des Bundes in einem ganz begrenzten Ausmaß vorgesehen gewesen ist, eine Verabredung zwischen Bund und Ländern stattgefunden hat, daß die Länder diese Aufgaben auch finanziell in ihre endgültige Zuständigkeit übernehmen und der Bund bei anderen Aufgaben, wo die Bundesinteressen größer sind, den Ländern wieder eine entsprechende Entlastung gewährt. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Meinike.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mit mir unbeschadet Ihrer Ausführungen zum ersten die Befürchtung zu teilen, daß durch die Ablehnung von BundeszuschüsMeinike sen für Filmwochen, die nun doch einen nicht unerheblichen übernationalen Charakter haben, vor allen Dingen bei den ausländischen Gästen ein negativer Eindruck entstehen könnte, was sicherlich insbesondere für die Filmwochen in Oberhausen Geltung haben könnte? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Meinike, ich bin der Meinung, daß ein solcher Eindruck entstehen kann, vor allen Dingen dann, wenn er durch entsprechende Publizierungen dieser Art zusätzlich intensiv herbeigerufen wird oder herbeigerufen werden soll. Da folge ich Ihnen.. Auf der anderen Seite ist es so, daß die große Zahl der ausländischen Vertreter in Oberhausen die verfassungsrechtliche ,Lage, wie wir sie in der Bundesrepublik mit der kulturellen Zuständigkeit der Länder und einer nur begrenzten Zuständigkeit des Bundes haben, einfach nicht kennt und aus der Nichtkenntnis dieser staatlichen Verfassungssituation die Dinge auch anders beurteilt. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Möhring auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Frage der Versorgungsansprüche ehemaliger Berufsunteroffiziere das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in Urteilen vom 24. September 1969 und 29. März 1971 festgestellt hat, daß im 131er-Gesetz Lücken dadurch bestehen, daß die Anrechnung der Dienstzeiten: Arbeitsdienst ({0}) - Wehrmachtsdienstzeit - Kriegsgefangenschaft bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes unterschiedlich gehandhabt wird und für persönlich unverschuldet unterbliebene Beschulung auf den künftigen Zivilberuf kein Berufsschadensausgleich geschaffen wurde? Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen gemeinsam beantworten könnte. Präsident von Hassel: Bitte schön! Frage 53 wird auch aufgerufen: Wann und in welcher Weise gedenkt die Bundesregierung, diese ungerecht geregelte Versorgungssituation der ehemaligen Berufsunteroffiziere zu beseitigen und die offensichtlich vorhandenen Lücken im 131er-Gesetz zu schließen? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Möhring, die angesprochene unterschiedliche Anrechnung der Dienstzeiten beruht auf der Tatsache, daß das Gesetz zu Art. 131 bei der Regelung der Rechtsverhältnisse für den von ihm erfaßten Personenkreis von dem am 8. Mai 1945 in Geltung befindlichen Recht ausgeht. So enthält auch der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1970 betreffend die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 24. September 1969 folgenden Leitsatz: Die Dienstzeit von mindestens 10 Jahren in § 54 Abs. 4 Satz 1 G 131 ({1}) bestimmt sich ebenso wie die ({2})Dienstzeit in § 53 Abs. 1 Satz 2 und in § 54 Abs. 2 und Abs. 3 G 131 nach den Vorschriften des am 8. Mai 1945 geltenden Wehrmachtsfürsorge- und -versorgungsrechts. Dienstzeit im Freiwilligen Arbeitsdienst ist danach nicht anrechenbar. Dies bedarf keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung mehr. Wegen der unterbliebenen Beschulung auf den künftigen Zivilberuf - regelmäßig der Beamtenberuf - sieht das G 131 bereits insofern eine Erleichterung vor, als für die Einstellung im Rahmen von § 54 Abs. 2, § 55 G 131 der Vorbildungsnachweis auch durch andere Zeugnisse als die der Wehrmachtsabschlußprüfungen erbracht werden kann. Das Urteil vom 29. März 1971 konnte unser Haus noch nicht bekommen; das ist also das neueste, das Sie auch in Ihrer Frage mit angesprochen haben. Aber zur Sache darf ich noch sagen, daß die in beiden Fragen erwähnte Problematik von dem Bericht zum G 131 erfaßt wird, der dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages vorliegt. Ich meine also, daß wir auch hier die Entscheidungen des Parlaments abwarten sollten. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Möhring.

Helmuth Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001519, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mir ist bekannt, daß die Berufsvertretungen zum sogenannten Härtebericht unterschiedlicher Auffassung sind. Herr 'Staatssekretär, plant die Bundesregierung gerade wegen dieser unterschiedlichen Auffassung der Vertretungen der Betroffenen in dieser Angelegenheit ein Anhörverfahren? Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, wir haben, bevor wir unseren Bericht vom Innenministerium aus abgegeben haben, mit den Verbänden noch eine Reihe von Gesprächen geführt. Durch den Innenausschuß wird entschieden werden müssen, ob in diesem Hause das Anhörverfahren stattfindet oder nicht. Das ist reine Parlamentsangelegenheit. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet; Frage 55 ebenfalls. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen, zu nächst die Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Haase ({1}). Er ist nicht anwesend. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens: Trifft es zu, daß Blinde bei der Vergabe von Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt benachteiligt werden und aus diesem Grunde allgemein in schlechteren Wohnverhältnissen leben müssen? Präsident von Hassel Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Ravens. Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege Dr. Ahrens, der Bundesregierung sind bisher keine Fälle bekanntgeworden, in denen Blinde ihrer Blindheit wegen gegenüber anderen Wohnungsuchenden bei der Anmietung von Wohnungen benachteiligt worden sind und aus diesem Grunde in schlechteren Wohnverhältnissen als diese leben müssen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf: Auf welche Weise könnten solche Benachteiligungen bei der Vergabe öffentlich geförderter Wohnungen ausgeglichen werden? Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege Dr. Ahrens, das Wohnungsangebot wird den sich aus ihrer Behinderung ergebenden Belangen und Wohnbedürfnissen der Blinden wie auch anderer Körperbehinderten nach Lage, Grundriß und Ausstattung nicht immer gerecht. Um das Wohnungsangebot für die Schwerbehinderten zu verbessern, hat mein Ministerium bereits mit Schreiben vom 19. März 1969 die für das Bau-, Wohnungs-und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder gebeten, einen Teil der Sozialwohnungen von vornherein so zu planen, daß sie für Familien mit Schwerbehinderten Angehörigen oder für alleinstehende Schwerbehinderte, die selbständig wohnen und wirtschaften wollen und können, geeignet sind. Zu diesem Zweck haben wir Planungsempfehlungen erarbeitet, die bautechnische Einzelheiten, vor allem Grundriß- und Ausstattungsregeln, enthalten. Sie gelten auch heute noch für die Beurteilung der Förderungswürdigkeit von Schwerbehindertenwohnungen und sollen durch DIN-Normen für den Wohnungsbau für Schwerbehinderte ersetzt werden. Ich darf hierbei insbesondere auf das Blatt 2 der DIN-Norm 18025 „Wohnungen für Blinde und wesentlich Sehbehinderte" hinweisen. Die erste Entwurfsfassung ist im Januar dieses Jahres im zuständigen Normenausschuß unter zahlreicher Beteiligung der Blindenverbände erörtert und von diesen sehr begrüßt worden. Unser Ministerium beteiligt sich zusätzlich zur Förderung durch die Länder an der Finanzierung des Wohnungsbaus für Schwerbehinderte, um die Mehrkosten, die sich aus dem besonderen Bauaufwand im Schwerbehinderten-Wohnungsbau ergeben, nicht voll in die Miete bzw. die Belastung durchschlagen zu lassen. Im Jahre 1970 wurden für diese Förderung von Wohnungen für Schwerbehinderte rund 2,1 Millionen DM eingesetzt. Mit diesem Betrag konnten 288 Wohnheimplätze, 343 Familienheime und 128 Mietwohnungen gefördert werden. Gegenüber dem Förderungsergebnis des Jahres 1969 wurde damit eine Steigerung von rund 77 % erreicht; mit einer weiteren Steigerung ist zu rechnen. Außerdem wird der Wohnungsbau für Schwerbehinderte in Zukunft auch im Rahmen der Intensivförderung des langfristigen Wohnungsbauprogramms der Bundesregierung besonders gefördert werden. Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Ahrens.

Dr. Karl Ahrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000017, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zu prüfen, ob man die von Ihnen soeben genannten Förderungsrichtlinien nicht in einem etwas weiteren Maße publizieren sollte, um einmal den Betroffenen eine bessere Information zu ermöglichen und zum anderen auch der Behauptung entgegenzutreten, diese Personengruppe komme bei der Wohnungsversorgung besonders schlecht weg? Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Ich bin Ihnen dankbar, Herr Kollege, daß Sie mir diese Frage gestellt haben. Sie haben mir damit die Möglichkeit gegeben. Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Brandt ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang Bürger der Bundesrepublik Deutschland Zweitwohnungen ({1}) im In- und Ausland besitzen? Der Fragesteller ist anwesend. Bitte, Herr Staatssekretär! Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Herr Kollege Brandt, nach den Ergebnissen der letzten Gebäude- und Wohnungszählung gab es im Zeitpunkt der Erhebung, Ende Oktober 1968, in der Bundesrepublik rund 160 800 Zweitwohnungen. Bezogen auf den gesamten Wohnungsbestand waren das 0,8 %. Von den 160 800 Wohnungen lagen rund 17 300 in Wochenend- und Ferienhäusern mit mindestens 50 qm Wohnfläche. Außerdem sind in der Zählung noch rund 26 100 kleinere Wochenend- und Ferienhäuser mit weniger als 50 qm Wohnfläche festgestellt worden. Über Zweitwohnungen und Ferienhäuser von Deutschen im Ausland liegen naturgemäß keine statistischen Feststellungen vor. Wegen der wachsenden Bedeutung der Zweit- und Ferienwohnungen ist für die Bundesrepublik eine erneute Feststellung im Rahmen der nächsten amtlichen 1%igen Wohnungsstichprobe beabsichtigt, die im Frühjahr nächsten Jahres durchgeführt werden soll und zur Zeit vorbereitet wird. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen. Die Frage 35 des Abgeordneten Weigl wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Präsident von Hassel Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Gallus auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der gärtnerischen Produktion in Holland seit Monaten Zuschüsse zur Energieversorgung für Gärtnereibetriebe durch Rückerstattungen bei der Mineralölsteuer bzw. Zuschüsse für die Umstellung auf Erdgas gewährt werden, was bei der starken Konkurrenzstellung des holländischen Gartenbaus auf deutschen Märkten zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung für Gärtnereiprodukte am deutschen Markt führt? Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Es ist der Bundesregierung bekannt, daß den niederländischen Gärtnern 1. bei der Umstellung ihrer Heizungsanlagen von cl- auf Erdgasheizung ein Zuschuß gewährt wird, 2. die Zinsen erstattet werden, wenn sie ihre Heizung noch nicht auf das in Holland billigere Erdgas umstellen konnten und Kredite in Höhe der Kostendifferenz aufgenommen haben - der zinslose Kredit machte bisher 9,15 Gulden je Tonne schweres Heizöl aus und soll auf 13,15 Gulden erhöht worden sein -, 3. eine 75%ige Rückerstattung der Verbrauchsteuer für Heizöl gewährt wird - die Rückerstattung beträgt 10,50 Gulden je Tonne schweres Heizöl -. Ich darf auf das Schreiben des Herrn Staatssekretärs Dr. Griesau vom 1. März 1971 an Sie hinweisen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Gallus auf: Wird die Bundesregierung die von der Arbeitsgruppe „Wettbewerbsbedingungen in der Landwirtschaft" der EG-Kommission getroffene Feststellung, daß diese von den Niederlanden durchgeführten Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt nicht vertretbar sind, zum Anlaß nehmen, für den deutschen Gartenbau einen Ausgleich durch nationale Maßnahmen herbeizuführen? Bitte, Herr Staatssekretär! Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Die Arbeitsgruppe „Wettbewerbsbedingungen in der Landwirtschaft" der Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat sich auf meine Veranlassung mit den unter Punkt 1 und 2 aufgeführten niederländischen Maßnahmen befaßt. Mit Ausnahme ,der niederländischen Delegation waren alle übrigen Delegationen im wesentlichen der Meinung, daß die holländischen Maßnahmen zur Verbilligung von Heizöl - zinslose Kredite für die Kostendifferenz zwischen 01- und Erdgaspreis - nicht EWG-konform seien. Die Kommission der EG hat bisher jedoch noch keine Entscheidung hinsichtlich der niederländischen Maßnahmen getroffen, eine solche aber in Bälde angekündigt. Die unter Punkt 3 ausgeführte 75%ige Rückerstattung der Verbrauchsteuer für Heizöl wird von der Arbeitsgruppe „Wettbewerbsbedingungen in der Landwirtschaft" noch behandelt werden. Es erscheint nicht angebracht, der in Aussicht gestellten EG-Entscheidung durch eventuelle nationale Maßnahmen vorzugreifen. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Löffler auf: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um abgabewillige Landwirte, die jedoch keinen Pächter für ihr Land finden, in den Kreis der Berechtigten für die Landabgaberente einzubeziehen? Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Löffler, bei der Verabschiedung des Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes hat der Deutsche Bundestag in seiner 78. Sitzung am 11. November 1970 den Entschließungsantrag Drucksache VI/1384 angenommen, der sich auf den gleichen Sachverhalt bezieht wie Ihre Frage. Dieser Entschließungsantrag verpflichtet die Bundesregierung, dem Hohen Hause zu berichten, welche Maßnahmen getroffen oder vorgesehen sind, das angesprochene Problem zu lösen. Die Bundesregierung wird diesen Bericht am 31. Mai vorlegen. Ich bitte Sie, Herr Kollege Löffler, sich bis dahin zu gedulden. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Löffler auf: Wieviel Pflanzenschutzmittel sind bisher auf Grund des § 7 Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes zur Zulassung angemeldet worden, und wieviel endgültige Zulassungen hat die Biologische Bundesanstalt bisher ausgesprochen? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Nach mir vorliegenden Unterlagen wurden auf Grund des § 7 des Pflanzenschutzgesetzes von den Herstellerfirmen Zulassungen für 2030 Einzelpräparate auf der Basis von 450 Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen beantragt. Von diesen Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen wurden 356 Stoffe, das sind rund 79 %, zum Vertrieb zugelassen. 94 Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen - das sind rund 21% - wurde die Zulassung, zumeist wegen Fehlens der toxikologischen Unterlagen, bisher verweigert. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß in den Zahlen, die Sie eben genannt haben, ein gewisses Mißverhältnis zwischen den angemeldeten und den zugelassenen Pflanzenschutzmitteln hervortritt und daß dieses Mißverhältnis eine Unsicherheit bei Herstellern und Verbrauchern hervorruft? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bis zum 15. Mai, dem vorgesehenen Stichtag, diese Unsicherheit zu beheben? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Wir sind nicht ohne weiteres in der Lage, diese Unsicherheit zu beheben. Es hängt auch von den Herstellern ab, wie sie sich verhalten. Ich kann dazu keine konkrete Aussage machen. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wäre die Bundesregierung eventuell bereit, durch die Gewährung einer angemessenen Aufbrauchfrist, während deren die Zulassungsanträge beschleunigt bearbeitet werden könnten, sowohl Herstellern als auch Verbrauchern der Pflanzenschutzmittel die Möglichkeit einer sinnvollen Umstellung einzuräumen? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Löffler, dafür werden wir natürlich Sorge tragen. Wir werden uns bemühen, so schnell wie möglich zu handeln. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Früh auf: Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Aussage von Vizepräsident Mansholt in „Agrar-Europe" ({0}), daß bei den Brüsseler Beschlüssen im Hinblick auf Strukturmaßnahmen „nichts wesentliches" aus dem Memorandum von 1968 ({1}) aufgegeben worden sei? Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Dr. Früh, die Entschließung des Rates vom März 1971 über gemeinsame Maßnahmen auf strukturellem Gebiet enthält im wesentlichen Grundsätze ohne Detailregelungen, die den noch zu beschließenden Richtlinien vorbehalten sind. Die Grundsätze der Entschließung weichen von dem materiellen Inhalt des Memorandums wesentlich ab. So wird heute über die starren technischen Produktions- und Betriebseinheiten wie Produktionseinheiten und Moderne LandwirtschaftsUnternehmen überhaupt nicht mehr gesprochen, weil auch die Kommission - so habe ich den Eindruck - eingesehen hat, daß dieser Weg falsch war. Die PE und MLU waren ein wesentliches Element des Memorandums. Andererseits ist in der Entschließung nicht davon die Rede, daß eine bestimmte Zahl von Erwerbstätigen aus der Landwirtschaft ausscheiden soll, ohne Alternativen zu haben, oder daß ein bestimmter Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche stillgelegt werden soll. Die Reihe der einzelnen Punkte könnte beliebig fortgesetzt werden, in denen die Kommission zum Teil selbst im Verlauf der Diskussion von dem Memorandum von 1968 abgewichen ist. Die Bundesregierung betont, daß sie gegen das Ziel der Kommission, die Einkommens- und Lebensverhältnisse zu verbessern, nie Bedenken erhoben hat, allerdings, Herr Kollege Dr. Früh, gegen die vorgeschlagenen Wege zur Erreichung dieses Ziels. Die Bundesregierung ist durchaus der Auffassung, daß von den Gedanken des Memorandums sehr Wesentliches aufgegeben wurde und nicht davon gesprochen werden kann, daß durch den Brüsseler Beschluß nichts Wesentliches aufgegeben worden sei. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen für diese Antwort sehr dankbar, in der Sie die Grundsätze des Memorandums von 1968 zurückweisen, möchte mir jedoch die Frage erlauben, wieso dann Herr Mansholt laut „Agrar-Europe" davon sprechen kann, daß nichts Wesentliches aufgegeben worden sei, und weshalb die Bundesregierung diese Aussage nicht dementiert hat. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich habe eben, glaube ich, sehr deutlich gesagt, daß nach unserer Auffassung ein großer Unterschied zwischen dem Memorandum und den jetzt vorliegenden Aussagen besteht. Ich meine, das ist deutlich genug geworden. Im übrigen haben wir in allen Diskussionen schon seit Wochen die gleiche Auffassung vertreten. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, lassen das Lob Ihres Förderungsprogramms durch Herrn Mansholt und die Aussage von Herrn Bundesminister Ertl, daß an den gegebenen Richtlinien eigentlich nichts zu ändern sei, nicht doch den Schluß zu, daß wesentliche Ziele des Mansholt-Planes mit dem Förderungsprogramm erreicht werden sollen? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich meine, durchaus nicht. Es ist wohl eher umgekehrt so zu sehen, daß Herr Mansholt sich bemüht, in seinen Gedanken den Richtlinien unseres einzelbetrieblichen Förderungsprogramms zu folgen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage ides Abgeordneten Höcherl.

Hermann Höcherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, diese ihre Meinung, die sie jetzt mitteilt, in „Agrar-Europe" zu veröffentlichen, damit die offizielle Meinung der Bundesregierung dort mit der Auffassung, die Mansholt vertreten hat, konfrontiert wird? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Höcherl, Sie wissen ja aus Ihrer eigenen Tätigkeit als Landwirtschaftsminister, daß wir solche Veröffentlichungen in unseren Hausmitteilungen vornehmen. Das werden wir Parlamentarischer Staatssekretär Logemann auch in diesem Falle gern tun. Wahrscheinlich wird „Agrar-Europe" unsere Mitteilung dann übernehmen. ({0}) Präsident von Hassel: Verzeihung, Herr Kollege, Sie haben nur eine Zusatzfrage. Bei der nächsten Frage können Sie noch eine Zusatzfrage stellen. Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Früh auf: Kann die Bundesregierung den Widerspruch klären zwischen der Aussage des französischen Landwirtschaftsministers und derzeitigem Ratspräsidenten Cointat, „es gibt keinen Plafond mehr" und der Auffassung von Staatssekretär Emde, daß die Strukturmaßnahmen nach wie vor plafondiert seien? Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär! Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Dr. Früh, die von Ihnen zitierte Aussage des Ratspräsidenten Cointat ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Frage des Plafonds ist in Art. 6 der Verordnung 729 ({1}) eindeutig geregelt. Dort heißt es unter anderem: Die Mittel des Fonds, Abteilung Ausrichtung, betragen ab 1. Januar 1972 jährlich 285 Millionen Rechnungseinheiten. Dieser Betrag kann vom Rat lediglich für die in Absatz 2 vorgesehenen gemeinsamen Maßnahmen . . . erhöht werden. An dieser geltenden Rechtslage hat sich nichts geändert. In der Entschließung des Rates vom 25. März 1971 wird vielmehr auf diesen Artikel der Verordnung Bezug genommen. Die finanziellen Konsequenzen der Brüsseler Beschlüsse vom 23. bis 25. März 1971 machen nach den vorliegenden Berechnungen eine Erhöhung des Plafonds für den Zeitraum von vier Jahren nicht erforderlich. Das bedeutet, die jährlich bereitgestellten 285 Millionen Rechnungseinheiten einschließlich der bisher nicht verausgabten Mittel früherer Haushaltsjahre sind für die Deckung der beschlossenen Maßnahmen voll ausreichend. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß ich, da Ihnen die Aussage von Herrn Cointat nicht bekannt ist, davon ausgehen, daß im Bundesernährungsministerium „Agrar-Europe" nicht gelesen wird? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Im Bundesernährungsministerium werden sehr viele landwirtschaftliche Mitteilungsblätter und Zeitschriften gelesen. Uns ist aber in der Tat eine offizielle Meldung über diese Aussage von Herrn Cointat noch nicht bekannt. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Früh.

Dr. Isidor Früh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann Ihre Aussage stimmen, daß der Plafond nicht überschritten wird? Hier ist doch auch vor dem Plenum erklärt worden, daß die sozialen Ausgaben, die man Italien zugestanden hat, überhaupt nicht abmeßbar wären und daß man die Hoffnung habe, daß sie in diesem Zeitraum deshalb nicht realisiert werden würden, weil dort noch keine gesetzlichen Grundlagen vorlägen. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Dazu kann ich sagen, daß erstens zu diesem Plafond von 285 Millionen Rechnungseinheiten die Reste, die in den letzten Jahren angesammelt worden sind, hinzugerechnet werden müssen, und daß zweitens vorgesehen ist, 1974 im Ministerrat über den Plafond und die daraus zu finanzierenden Maßnahmen neu zu beraten. Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 18 auf, die auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 19 des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim auf: Weshalb hat die Bundesregierung bislang nicht den Aufwertungsverlust ausgeglichen, der den Zuckerherstellern dadurch entstanden ist, daß ihre Fabrikationsspanne ebenso wie die Agrarpreise an die EWG-Rechnungseinheit gebunden ist, und obwohl die Kommission der europäischen Gemeinschaften die Berechtigung derartiger Ausgleichszahlungen anerkannt hat? Zur Beantwortung der Frage der Herr Parlamentarische Staatssekretär. Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Der von der Bundesregierung mit Zustimmung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften durchgeführte Aufwertungsausgleich im Anschluß an die Aufwertung der D-Mark im Jahre 1969 hatte das erklärte Ziel, die der Landwirtschaft durch die Bindung ihrer Preise an die Rechnungseinheit entstandenen Aufwertungsnachteile auszugleichen. Das Kabinett hat bei seinem damaligen Beschluß eine Überprüfung der Ausgleichsleistungen für einzelne Wirtschaftszweige auf Grund einer späteren genauen Analyse der Aufwertungsfolgen vorgesehen. Hinsichtlich der in der Frage angesprochenen Auswirkungen der Aufwertung auf die Zuckerhersteller hat das Kabinett seine endgültige Entscheidung in einem weiteren Beschluß zurückgestellt, bis ein Urteil über den Geschäftsverlauf des Jahres 1970/71 in der Zuckerindustrie möglich ist. Aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes läßt sich entnehmen, daß die Zuckerfabriken ihre Abgabepreise in den letzten Monaten beträchtlich erhöht haben. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr von Alten-Nordheim. von Alten-Nordheim ({0}) : Herr Staatssekretär, darf ich die Beantwortung so verstehen, daß Sie in dem durch die Zuckerhersteller erzielten höheren Marktpreis, der zeitbegrenzt ist, ein gewisses Motiv für die Nichtzahlung des gesetzlich verankerten Aufwertungs-Verlustausgleichs sehen? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Das will ich damit nicht angedeutet haben. möchte aber darauf hinweisen daß hier ja doch zusätzliche Einnahmen für die Zuckerindustrie entstanden sind. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Alten-Nordheim. von Alten-Nordheim ({1}) : Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht in dieser Haltung auch eine Wettbewerbsungleichheit für die Zuckerhersteller in der Bundesrepublik im Vergleich zu den Zuckerherstellern in den übrigen Partnerstaaten, die sich ja letztlich indirekt auch auf den Auszahlungspreis ,der Erzeuger auswirkt? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß dazu der Ablauf des Geschäftsjahres 1970/71 genau analysiert werden müßte. Wenn sich hier in der Tat herausstellen sollte, daß wie in der von Ihnen angesprochenen Frage - sich Wettbewerbsnachteile oder Wettbewerbsverzerrungen ergeben sollten, würde das ja in der Bilanz sichtbar werden. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Kollege!

Dr. Gerd Ritgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001858, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für richtiger, eine verwaltungsmäßige Regelung herbeizuführen, als ein gerichtliches Urteil abzuwarten, das wahrscheinlich doch in einem anderen Sinne ausfällt, als Sie es dargestellt haben? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Wir sind gehalten, diese Verfassungsbeschwerde, die eingereicht worden ist, abzuwarten. Wir können nach meiner Auffassung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorgreifen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bittelmann.

Otto Bittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000187, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie denn mit einer Uberprüfung? Wann können die Beträge dann eventuell doch gezahlt werden? Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Das müßte sich aus dem Ablauf der kommenden Monate ergeben. Ich kann Ihnen hier keinen genauen Tag sagen. Ich bin aber bereit, nachprüfen zu lassen, bis wann mit dem Ergebnis der Uberprüfung zu rechnen ist. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage. Die Frage Nr. 20 des Abgeordneten von AltenNordheim wird im Rahmen des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Finanzen beantwortet. -Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Die Frage Nr. 21 des Herrn Abgeordneten Memmel - er ist nicht anwesend - wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Frage Nr. 22 des Herrn Abgeordneten Cramer - er ist nicht anwesend -- wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Fragen 23 und 24 des Herrn Abgeordneten Rawe - er ist nicht anwesend - werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zur Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Gruhl: Wie beabsichtigt die Bundesregierung, auf den Hinweis der dänischen Botschaft zu reagieren, daß die beabsichtigte Versenkung von 3000 Giftfässern im Nordmeer durch deutsche Firmen zu ernsten Schäden für den Fischbestand in diesem Seegebiet führen wird? Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bereits reagiert. Das Vorhaben ist zunächst abgestoppt. Im übrigen werden zur Zeit nähere Untersuchungen durchgeführt. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage? Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Peiter auf: Wird die Bundesregierung die ungleichmäßige Behandlung von Bediensteten der Deutschen Bundesbahn und des Postreisedienstes beseitigen, in dem sie die Vorschriften für den Postreisedienst den Dienstdauervorschriften der Deutschen Bundesbahn angleicht? Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Börner. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, Unterschiede zwischen den Arbeitszeitrichtlinien der Deutschen Bundespost und den Dienstdauervorschriften der Deutschen Bundesbahn müssen auch in Zukunft in Kauf genommen werden. Sowohl für die Deutsche Bundesbahn als auch für die Deutsche Bundespost gilt die Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten in der Fassung vom 1. Januar 1971. DarParlamentarischer Staatssekretär Börner über hinaus haben beide Verwaltungen wegen der Besonderheiten ihrer betrieblichen Verhältnisse Sonderregelungen erlassen, die sich im Rahmen dieser Verordnung bewegen. Diese Sonderregelungen können naturgemäß wegen der Verschiedenartigkeit der Aufgabenstellung bei Bahn und Post nicht gleich sein. Sie können aber davon ausgehen, daß beide Verwaltungen bemüht sind, die Unterschiede so gering wie möglich zu halten. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Apel auf: Sieht die Bundesregierung in der Umschreibung des 9000 BRT großen Motorschiffes Woermann-Nyanga der Deutschen AfrikaLinie auf liberianische Flagge einen ersten Versuch, auf diese Weise den Bestimmungen der westdeutschen Steuer- und Sozialgesetzgebung zu entgehen? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, die Bundesregierung möchte nicht die Schlußfolgerung ziehen, in der Registrierung des genannten Schiffes unter liberianischer Flagge einen Versuch zu erblicken, der deutschen Steuer- und Sozialgesetzgebung zu entgehen. Die betroffene Reederei hat nämlich mitgeteilt, daß der Grund für eine Umregistrierung ausschließlich in notwendigen Investitionen über zirka 500 000 bis 1 Million DM für das im Ausland gebaute, fünf Jahre alte Zweithand-Schiff liege. Diese Kosten sind auf Grund baulicher Auflagen der Seeberufsgenossenschaft und des Amtes für Arbeitsschutz nach den Unfallverhütungsvorschriften notwendig. Wenn das Schiff seine deutsche Besatzung behält, wird die Berufsgenossenschaft trotz Flaggenwechsel auf Erfüllung der Unfallverhütungsvorschriften bestehen. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß die Eigner dieses Schiffes bereits beim Kauf sehr genau wissen mußten, daß dieses Schiff nicht den deutschen Vorschriften entspricht, und daß sie bereits beim Kauf vorhatten, dieses Schiff unter liberianische Flagge zu bringen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, diese Frage berührt die unternehmerische Disposition. Es ist für die Bundesregierung nicht möglich, das zu bewerten. Ich gebe aber zu, daß Ihr Gedankengang durchaus logisch ist. Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist sichergestellt, daß die deutschen Seeleute auch dann, wenn sie unter „billigen" Flaggen fahren, den Arbeitgeberbeitrag für die deutsche Sozialversicherung erhalten, oder muß befürchtet werden, daß sie dann aus der Alterssicherung herausfallen und somit Nachteile haben werden? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß diese Frage auch auf die Entscheidung Einfluß haben würde, ob die Seeleute diese Arbeitsplätze behalten wollen oder nicht. Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß hier im Sinne der positiven Entscheidung gehandelt wird. Es muß also befürchtet werden, daß sie abmustern und auf anderen Schiffen anmustern. Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Dr. Apel auf: Ist die Bundesregierung bereit, deutschen Reedereien, die den Schritt zu den „billigen Flaggen" gehen, jegliche Neubauzuschüsse und andere schiffahrtspolitische Vorteile insbesondere im Bereich der Steuergesetzgebung zu sperren? Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär. Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, generelle Maßnahmen der in der Frage genannten Art zieht die Bundesregierung zur Zeit nicht in Betracht. Sollten jedoch Umschreibungen deutscher Schiffe auf „billige" Flaggen in erheblichem Ausmaß vorgenommen werden, so ergäbe sich für uns eine neue Lage. Nach den zur Zeit gültigen 'Grundsätzen für die Förderung der deutschen Seeschiffahrt werden Neubauzuschüsse nur für Schiffe gewährt, die die Bundesflagge führen und deren Verwendungszweck schifffahrtspolitisch förderungswürdig ist. Bei Veräußerungen ins Ausland ist die Möglichkeit gegeben, den Zuschuß nach bestimmten Modalitäten zurückzufordern. Auch die Inanspruchnahme der einkommensteuerlichen Sonderabschreibungen setzt voraus, daß das Handelsschiff in einem inländischen Schiffsregister eingetragen ist und innerhalb von acht Jahren nicht veräußert wird. In ähnlicher Weise setzen die Vergünstigungen nach dem EntwicklungshilfeSteuergesetz und dem Auslands-Investitions-Steuergesetz eine schiffahrtspolitische Unbedenklichkeitserklärung des Bundesministers für Verkehr voraus. Mit Neubauhilfen geförderte Schiffe sind bisher vor Ablauf des zugrunde liegenden Vertrages nicht ins Ausland veräußert worden. Ebensowenig sind bisher Unbedenklichkeitserklärungen nach den 'genannten Steuergesetzen für Investitionen zur Anschaffung von Schiffen, die im Ausland registriert werden sollten, erteilt worden. Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den Verband Deutscher Reeder darauf aufmerksam zu machen, daß die Bundesregierung rechtlich in der Lage ist, die Grundsätze für Schiffahrtshilfen in der Weise zu ändern oder zu ergänzen, daß sie ihren schiffahrtspolitischen Zielsetzungen entsprechen, und daß es sicherlich nicht den schifffahrts6730 politischen Zielsetzungen der Bundesregierung entspricht, wenn die Reeder einen Teil ihrer Flotte unter fremde, „billige" Flagge bringen? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege, ich nehme en, daß die Erörterung dieser Frage hier in der Fragestunde genügend Publizität haben wird, um ein zusätzliches Aufmerksammachen der Reedereien entbehrlich zu machen. Ich teile aber voll Ihre Meinung. Präsident von Hassel: Eine zweite und letzte Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in der Debatte über dieses Thema spielt die Behauptung der deutschen Reeder eine Rolle, die Schiffsbesetzungsordnung sei Ursache für den Flaggenwechsel. Könnten Sie die deutschen Reeder einmal darauf hinweisen, daß zweifelsfreie Untersuchungen Ihrer Abteilung „Seeschiffahrt" in Hamburg ergeben haben, daß die deutschen Reeder nach der für alle schifffahrttreibenden Nationen gültigen Schiffsbesetzungsordnung bei der Besetzung von Kapitäns-, Techniker- und Schiffsoffiziersstellen nicht schlechtergestellt sind und dieses Argument deshalb falsch ist? Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen: Ich bin Ihnen sehr dankbar für ) diese Zusatzfrage, Herr Kollege. Das Argument .der Bezugnahme auf die Schiffsbesetzungsordnung ist nach meiner Auffassung ein vorgeschobenes Argument. Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen. - Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Werner auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen, Herr Staatssekretär. Wir sind ebenfalls am Ende der Fragestunde angelangt. ({0}) Meine Damen und Herren, im Alter von 58 Jahren verstarb unser Kollege Alfred Hein am 18. April 1971 in Salzgitter nach einer Operation. Alfred Hein wurde am 11. Oktober 1914 in Königsberg geboren. Nach dem Besuch der Oberrealschule und dem Abschluß der kaufmännischen Lehre nahm er als Eisenbahner im Osten am zweiten Weltkrieg teil. Aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, ging Alfred Hein wieder in den Dienst der Bundesbahn, wo er zuletzt als Bundesbahninspektor tätig war. Unmittelbar nach seiner 'Rückkehr aus der Gefangenschaft trat Hein energisch für die Eingliederung der Vertriebenen ein. Als Mitglied 'des Landesvorstandes des Bundes der Vertriebenen und der ostpreußischen Landsmannschaft in Niedersachsen hat er sichhervorragend um die Lösung dieser so wichtigen Probleme verdient gemacht. Seine politische Arbeit begann Hein in der Christlich-Demokratischen Union. Bis zu seinem Tode war er Fraktionsvorsitzender -der CDU im Rat der Stadt Salzgitter und stellvertretender Ratsvorsitzender in seiner Stadt. Dem Niedersächsischen Landtag hat er drei Legislaturperioden angehört. In den Deutschen Bundestag kam Alfred Hein am 27. April 1970 nach dem Tode unseres Kollegen Burgemeister. Mit großer Sachkunde hat er als ordentliches Mitglied im Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und im Ausschuß für Verkehr gearbeitet. Im Namen des Deutschen Bundestages habe ich der Witwe, den drei Kindern und der Fraktion der CDU/CSU unser Mitgefühl ausgesprochen. Der Deutsche Bundestag wird den Kollegen Alfred Hein ehrend in Erinnerung behalten. Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen. Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Hein ist am 19. April der Abgeordnete Dr. Hellige in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße den uns bereits bekannten Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag. ({1}) Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe die Punkte 2 a) unid 2 b) -der Tagesordnung auf: a) Beratung der Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses ({2}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen - Drucksache VI/2035 - b) Beratung der Sammelübersicht 20 des Petitionsausschusses ({3}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen - Drucksache VI/2072 Ich danke den Berichterstattern und darf fragen, ob dazu das Wort gewünscht wird? - Bitte schön, das Wort hat der Abgeordnete Peiter.

Willi Peiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche für den Petitionsausschuß, einen Ausschuß, der hier nicht allzuoft zu Worte kommt, der etwas im Verborgenen blüht und dessen Arbeit sich dennoch so segensreich auswirkt. Vor Ihnen liegen heute die Sammelübersichten 19 und 20, Drucksachen wie jede andere auch. Dennoch bergen die vorliegenden Drucksachen in sich viele Schicksale; hinter jeder Ziffer in diesen Drucksachen steht ein Mensch mit seinen Sorgen und Nöten. Ein Blick in die Vorlagen zeigt Ihnen, daß 25 Jahre nach Kriegsende die Kriegsfolgelasten noch immer einen erheblichen Anteil an -den eingegangenen Petitionen ausmachen, und gerade diese Kriegsfolgelasten greifen so besonders hart unid tief in das menschPeiter liche Leben ein. Hier treten die Härtefälle ganz besonders gravierend auf, die durch Fristversäumnisse oder mangelnde Möglichkeiten des Schadensnachweises entstanden sind. Lassen Sie mich in aller Kürze einen Fall aufgreifen, der diese Problematik besonders aufzeigt. Es handelt sich um einen Mitbürger, dessen Fleischfabrik im Jahre 1948 in der damaligen sowjetisch besetzten Zone enteignet wurde und der ein Jahr später in die Bundesrepublik flüchtete und einen neuen Betrieb aufbaute. Der Petent hat bis Ende 1945 für die damalige Reichsstelle für Tiere und tierische Erzeugnisse Konserven hergestellt. Durch die Ereignisse zu Ende des Krieges war ein Anspruchsausgleich nicht mehr möglich. Der Petent wandte sich deshalb im Jahre 1960 an die Einfuhr- und Vorratsstelle als Abwickler der damaligen Reichsstelle. Mangels vollständiger Unterlagen war es nicht möglich, Klarheit über die Höhe der Forderung zu erhalten. Die spätere Überprüfung der Akten führte jedoch zu dem Ergebnis, daß berechtigte Forderungen in Höhe eines fünfstelligen Betrages bestanden. Bei der später einsetzenden endgültigen Abwicklung der Reichsstelle hätte die umgestellte Forderung berücksichtigt werden müssen. Dies geschah jedoch nicht, da im Abwicklungsgesetz vom 6. September 1965 bestimmt war, daß Ansprüche nur innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes geltend gemacht werden konnten. Diese Frist lief am 30. September 1966 ab, ohne daß sich der Petent an den Abwickler gewandt hätte. Er hatte ja - das war seine Meinung, und die ist meiner Ansicht nach berechtigt - seinen Antrag bereits lange vor Inkrafttreten des Gesetzes bei einer damals zuständigen Stelle gestellt und vertraute darauf, daß diese Stelle ihm rechtzeitig Mitteilung über eine spätere gesetzliche Regelung machen würde. Dies ist jedoch in der Regel und so auch in diesem Fall nicht geschehen. Als der Petent von Bekannten auf die Notwendigkeit einer neuen Antragstellung aufmerksam gemacht wurde, lag er krank zu Bett. Es kam durch die verspätete Antragstellung zu einer Fristüberschreitung von fünf Monaten. Soweit der Fall. Ich will Sie, meine Damen und Herren, nicht weiter mit Einzelheiten belästigen, obwohl sie zur Aufhellung des Falles vonnöten wären. Mir geht es jetzt um zweierlei: erstens darauf hinzuweisen, daß bei künftigen ähnlichen Gesetzesbestimmungen mit Ausschlußfristen grundsätzlich festgelegt wird, daß frühere Anmeldungen zu berücksichtigen sind, und zweitens zu sagen, daß die Bildung eines Härtefonds erforderlich ist, der in einem Fall wie dem hier vorgetragenen einen Ausgleich schaffen kann. Ich halte die Berücksichtigung dieser beiden Forderungen für vordringlich. Wir sollten uns damit sehr ernsthaft und sehr schnell befassen. Meine Damen und Herren, die heute zu beratenden Sammelübersichten enthalten nur einen kleinen Teil der hier eingehenden Eingaben. Seit Beginn der Legislaturperiode bis zum 31. März - das sind knapp eineinhalb Jahre - haben sich fast zehntausend Bürger - genau 9989 - mit schriftlichen Eingaben an den Bundestag gewandt. Ich meine, das zeugt von einem großen Vertrauen, das diesem Parlament entgegengebracht wird. Ich glaube aber auch sagen zu dürfen, daß auch die vielen, tagtäglich eingehenden, an Sie, meine Damen und Herren, gerichteten Petitionen in einer hohen Zahl sehr bedeutungsvoll sind. Diese Petitionen werden von Ihnen mit der gleichen Sorgfalt erledigt, wie sie von den Mitgliedern des Ausschusses bearbeitet wurden. Die Mitglieder des Petitionsausschusses und die Damen und Herren des Petitionsbüros tun ihr Mögliches, um in angemessener Zeit die Eingaben zu bearbeiten und einer Entscheidung zuzuführen. Leider sind jedoch die Möglichkeiten, noch wirksamer zu helfen, sehr begrenzt. Sie wissen, daß diesem Haus seit einigen Monaten ein Gesetzentwurf vorliegt, der die Erweiterung der Befugnisse des Petitionsausschusses zum Inhalt hat. Dieser Gesetzentwurf müßte vordringlich verabschiedet werden. Es geht darum, den Ausschuß unabhängiger von der Bürokratie zu machen und ihm das Recht zur Anhörung der Betroffenen und zur Prüfung von Sachverhalten zu gewährleisten. Das ist eine Forderung, wie ich betonen möchte. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren auf beiden Seiten des Hauses, alles daranzusetzen, daß dieser Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause verabschiedet wird und das Gesetz in aller Kürze wirksam werden kann. ({0}) Präsident von Hassel: Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Darf ich unterstellen, daß Sie den Anträgen des Ausschusses auf den Drucksachen VI/2035 und VI/2072 zustimmen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 3 auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 - Drucksache VI/1180 - aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/1969 - Berichterstatter: Abgeordneter Haehser bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({2}) - Drucksache VI/1967 Berichterstatter: Abgeordneter Lemmrich ({3}) b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({4}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Verkehrsbericht 1970, Abschnitt IX betr. Verkehrsinfra6732 Präsident von Hassel struktur und Abschnitt X betr. Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und der Verdichtungsräume - aus Drucksache VI/ 1350, Drucksache VI/2054Berichterstatter: Abgeordneter Ollesch Das Haus ist wohl damit einverstanden, daß wir wie folgt verfahren: Zunächst wird Punkt 3 a zur zweiten Beratung aufgerufen. Die Generalaussprache zu Punkt 3 a wird mit der Beratung von Punkt 3 b verbunden. Nacht Beendigung dei allgemeinen Aussprache werden in zweiter Beratung die Anträge zur Abstimmung gestellt. Es liegen bereits zwei Anträge vor. Nach dem Ende der zweiten Beratung treten wir in die dritte Beratung ein. Ich rufe also zur zweiten Beratung der Vorlage unter a und zur Beratung der Vorlage unter b auf. Ich danke den Herren Berichterstattern und erteile nunmehr dem Abgeordneten Lemmrich das Wort zur Berichterstattung zu Punkt 3 a und zur allgemeinen Aussprache.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz zum Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 setzt den planmäßigen Ausbau der Bundesfernstraßen fort, der mit dem Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 begonnen wurde. Dieser erste Ausbauplan wurde in drei Vierjahresplänen in den Jahren 1959 bis 1970 vollzogen. Die Grundlage der Realisierung der Straßenbaupläne bildete eine gesetzlich gesicherte Finanzierung. Ohne gesicherte und ausreichende Finanzierung bleiben alle Pläne letztlich nur Papier. Die Grundlage der Finanzierung war von 1960 bis 1963 die weitgehende Zweckbindung der Mineralölsteuer für den Bundesfernstraßenbau durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. März 1960. Vom damaligen Mineralölsteueraufkommen - das waren im Jahre 1961 zirka 2,8 Milliarden DM -wurde ein Sockelbetrag von 600 Millionen DM für die Bundeskasse einbehalten, 250 Millionen DM wurden als Finanzierungshilfe an die Deutsche Bundesbahn und zirka 90 Millionen DM an nicht bundeseigene Eisenbahnen gegeben. Ab 1964 trat dann die 50 °/oige Zweckbindung der Mineralölsteuer in Kraft, nachdem durch das Gesetz über die Umstellung der Abgaben auf Mineralöl vom 20. Dezember 1963 der Mineralölzoll in die Mineralölsteuer eingerechnet werden mußte. Nach diesen gesetzlichen Finanzierungsgrundlagen wurde der dritte Vierjahresplan vollzogen und wird auch der erste Fünfjahresplan zum Ausbau der Bundesfernstraßen, der von 1971 bis 1975 laufen wird, aufgestellt. Es handelt sich also bei diesem Gesetz vor allen Dingen darum, die geschaffenen Finanzierungsgesetze im Straßenbau zu vollziehen. Das vorliegende Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 geht von einem Bedarfsplan aus, der auf Grund des Straßenbedarfs für das Jahr 1990 erstellt wurde und der nach den finanziellen Möglichkeiten verwirklicht werden soll. Im Verkehrsausschuß wurde von der CDU/CSU der Antrag gestellt, neben dem Bedarfsplan einen konkreten Ausbauplan für die Jahre 1971 bis 1985 vorzulegen, aus dem zu ersehen ist, welche Baumaßnahmen auf Grund der derzeitigen Finanzierungsgegebenheiten und nach dem derzeitigen Preisstand bis 1985 ausgeführt werden sollen bzw. ausgeführt werden können. Dieser Antrag wurde von der Ausschußmehrheit, von SPD und FDP, abgelehnt. Aufgenommen wurde eine Anregung, nach der der Bundesminister für Verkehr beauftragt wird, jährlich einen Bericht über den Fortgang des Bundesfernstraßenbaus vorzulegen. Dabei gehen wir davon aus, daß dies in einer übersichtlichen und einfachen Weise geschieht, in etwa so, wie das in den Vereinigten Staaten üblich ist, wo in einer Karte dargelegt wird, was fertiggestellt, was im Bau und was in Planung begriffen ist. Der Bedarfsplan ist in drei Dringlichkeitsstufen eingeteilt, die nach verkehrswirtschaftlichen und raumpolitischen Kriterien sowie nach dem Zustand des bestehenden Straßennetzes ermittelt wurden. Die drei Dringlichkeitsstufen haben nichts mit den beabsichtigten drei Fünfjahresplänen, die von 1971 bis 1975, von 1976 bis 1980 und von 1981 bis 1985 durchgeführt werden sollen, zu tun. Nach der derzeitigen Finanzregelung können im günstigsten Fall die Strecken der ersten Dringlichkeitsstufe und die als im Bau bezeichneten Strecken bis 1985 gebaut werden. Der Bedarfsplan erfordert nach dem Preisstand von Ende 1970 Investitionsmittel in Höhe von 147 Milliarden DM. In Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU hat der Bundesminister für Verkehr den Betrag von 150 Milliarden DM genannt. Hinzu kommen noch für die 15 Jahre Straßenunterhaltungsmittel und Mittel zur Deckenerneuerung auf bestehenden Straßen in Höhe von zirka 30 Milliarden DM. Sollte der Bedarfsplan bis 1985 erfüllt werden, wären somit insgesamt rund 180 Milliarden DM erforderlich. Bei einer erwarteten Einnahme aus dem zweckgebundenen Anteil der Mineralölsteuer in Höhe von 99 Milliarden DM das ist eine außergewöhnlich optimistische Schätzung - ergibt sich somit eine Lücke von 81 Milliarden DM. Infolge weiterer Preissteigerungen wird sich diese Lücke weiter vergrößern. Soweit meine Erläuterungen zu dem vorliegenden Bericht. Als Sprecher meiner Fraktion möchte ich nun im folgenden zu diesem Gesetzentwurf und zu dem Bericht des Ausschusses über die Investitionen im Verkehrsbereich Stellung nehmen. Das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile. Das gilt auch für den von Herrn Minister Leber Ende 1967 - vor nunmehr dreieinhalb Jahren - angekündigten Gesamtverkehrswegeplan, auf den wir seither warten. Wir haben diesen Gesamtverkehrswegeplan in diesem Haus schon wiederholt moniert. Das hat aber nichts daran geändert, daß er bis heute noch nicht vorgelegt worden ist. Das Vorziehen des Straßenbauplans läßt dieses Versäumnis nur noch deutlicher werden. Sicher sind bei dem Gesamtverkehrswegeplan schwere Entscheidungen zu fällen und wichtige finanzpolitische Fragen zu klären wie die, woher z. B. die Deutsche Bundesbahn die 31 Milliarden DM nehmen soll, um ihre Neubauvorstellungen im Wegebereich zu realisieren. Sicherlich ist es auch eine berechtigte Frage, wohin im Bundeswasserstraßenbau die Reise gehen soll. Wenn ein Gesamtverkehrswegeplan vorgelegt wird, muß natürlich die Frage des Saar-Pfalz-Kanals geklärt sein. Das zeigt schon, wieviel Explosivstoff darin ist. Ich erinnere nur an die Rede des Herrn Bundesministers Leber zu diesem Punkt hier im Hause. Das sind alles schwierige Probleme. Aber es wird wirklich allerhöchste Zeit, daß dieser Plan vorgelegt wird, weil er von außergewöhnlicher raumordnerischer Bedeutung und für den Gesamteinsatz der nun einmal nicht sehr reichlichen Investitionsmittel unerläßlich ist. ({0}) Das zentrale Problem des Bundesfernstraßenbaus ist und bleibt aber seine Finanzierung. Für 1971 wird bereits mit einer Preiserhöhung im Straßenbau von weiteren 10 °/o gerechnet. Das bedeutet, daß die Investitionsmittel von 150 Milliarden DM um 15 Milliarden DM auf 165 Milliarden DM steigen würden. Im Bildungsbericht der Bundesregierung geht diese Bundesregierung von Preissteigerungen auf dem Bausektor von 3% aus. Nachdem sie dies nun in der Bundestagsdrucksache VI/925 schriftlich fixiert hat, kann sie dieses Verfahren beim Fernstraßenbau nicht ablehnen, wie sie dies in Beantwortung unserer Kleinen Anfrage getan hat. Oder ist es hier wieder einmal so, daß in dieser Bundesregierung der eine nicht weiß, was der andere tut? ({1}) Dies bedeutet, daß bis 1985, wenn wir diese 3 % zugrunde legen, weitere 35 Milliarden DM für den Investitionsbereich erforderlich werden. Insgesamt ergibt sich dann bei einer realistischen Betrachtung bis 1985, wenn dieser Bedarfsplan erfüllt werden soll, ein Bedarf von 230 Milliarden DM für Investitionen und Straßenunterhalt, wovon maximal 99 Milliarden DM gedeckt sind. Geht man davon aus, daß ein Pfennig Mineralölsteuer in diesen 15 Jahren 6 Milliarden DM erbringt, so wäre eine Erhöhung der Mineralölsteuer und ihre volle Zweckbindung für den Fernstraßenbau in Höhe von 22 Pfennig erforderlich. An dieser Zahl ändert sich auch nichts, wenn die Bundesregierung in der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage behauptet, diese Zahlen würden nicht zutreffen. Dies ist ein Betrag, der dem Autofahrer nicht zugemutet werden kann. Er hat ein Ausmaß, der das gesamte Steueraufkommen beträchtlich beeinflussen würde. Bei einem solchen Betrag würde der Verbrauch sicherlich stark rückläufig sein. Das macht deutlich, daß dieser Bedarfsplan im vorgesehenen Zeitraum, d. h. in dem Zeitraum bis 1985, nicht realisiert werden kann. Wenn man das wollte, müßte man diese Erhöhung vornehmen. Andernfalls wäre es sicherlich sinnvoller, dieses Gesetz „Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 2000" zu nennen. Auf unsere Kleine Anfrage vom 8. April 1971 antwortete die Bundesregierung uns gestern, daß sie zur Zeit an einer umfassenden Konzeption für die Neuordnung der Abgaben des Kraftfahrzeugverkehrs arbeite. Daß diese Bundesregierung laufend an neuen Konzeptionen arbeitet, ist ja schon bekannt. Das gehört vermutlich auch in diese Inflationsmentalität, die diese Regierung in unserem Land geschaffen hat. ({2}) Dann muß ja auch etwas kommen; sonst paßt das alles nicht so recht zusammen. ({3}) - Ich weiß, daß Ihnen das nicht paßt, meine Herren Kollegen von der SPD! Doch müßte auch endlich etwas herauskommen. Wir mußten schon das Gesetz über die Straßengüterverkehrsteuer um ein Jahr verlängern, weil die Bundesregierung mit dieser Konzeption immer noch nicht zu Rande gekommen ist. Wir müssen uns also fragen: Wie lange wird denn die Sache mit der neuen Konzeption noch dauern? Immerhin ist ja der jetzige Bundesminister für Verkehr schon viereinhalb Jahre Bundesminister für Verkehr; eigentlich gar keine kurze Zeit, auch um neue Konzeptionen auszuarbeiten. Auf der anderen Seite muß ich fragen, Herr Bundesminister Leber, wie die Sache jetzt mit der von Ihnen im Bundestag und von einigen Ihrer Kollegen geforderten Erhöhung der Mineralölsteuer aussieht, ob die Erhöhung der Mineralölsteuer jetzt ein bißchen mit dem Flair einer neuen Konzeption umrahmt werden soll. Bei der Verabschiedung dieses Gesetzes wäre es an der Zeit, zumal ja Zeit gewesen ist, auch die Frage der Finanzierung zu klären. Man würde dann aber sehr deutlich machen müssen, daß der Bedarfsplan eben nur den Bedarf angibt und über die Verwirklichung nichts aussagt. Allerdings hat der Herr Bundesminister Leber nicht behauptet, der Bedarfsplan würde erfüllt. Aber er hat ganz bewußt den Eindruck und die Hoffnung erweckt, dieser Bedarfsplan würde realisiert. In der Debatte am 10. Februar 1971 beklagt sich Herr Minister Leber darüber, daß ihm vorgeworfen wird, er mache zweifelhafte Versprechungen und er übertreibe. Nun, Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie die Publikationen wirklich gelesen haben, die unter Ihrem Namen firmieren, so wie Ende 1969 diese reizende Karte hier, die wir alle noch haben, ({4}) wo alles drin ist, was Sie verwirklichen wollen. Oder ich denke an die Informationsschrift „Neue Ordnung im Verkehr", wo Sie uns einige Nettigkeiten über den Autobahnbau sagen. Herr Minister, wenn Sie so etwas unter Ihrem Namen veröffentlichen, dann können Sie sich nicht darüber beklagen, daß man Ihnen vorwirft, Sie machten zweifelhafte Versprechungen. ({5}) - Möglicherweise! Sie werden's mir sicherlich erläutern. Unter dem reizenden Bild von Herrn Minister Leber - ich muß wirklich sagen, das ist ausgezeichnet, sicherlich würde mancher Filmstar ob dieses Bildes neidisch - ist zu lesen: Mit fast 100 Milliarden DM werden bis 1985 rund 8000 km neue Autobahnen gebaut. ({6}) daß jeder Das Autobahnnetz wird so dicht, daß jeder zweite Autofahrer nach höchstens 6 km die nächste Ausfahrt erreicht. Ein Kilometer Autobahn, meine sehr verehrten Damen und Herren, kostet zirka 8 Millionen DM. Ich verweise auf die Tabellen in dem Buch „Ausbau der Bundesstraßen 1971 bis 1985" Seite 21. Dort sind die Preise genau angegeben. Wenn Sie die Preiserhöhungen dazuschlagen, kommen Sie auf den durchschnittlichen Wert von 8 Millionen DM. 8 Millionen mal 8000 sind ganze 64 Milliarden DM. Für Investitionen stehen 70 Milliarden zur Verfügung. Dann bleiben also in den 15 Jahren für die Bundesstraßen sage und schreibe noch 6 Milliarden DM. Das Verhältnis der Bundesstraßeninvestitionen zu den Autobahninvestitionen liegt ungefähr bei 50 zu 50. Also augenscheinlich stimmen diese Zahlen nicht, auch wenn in der Antwort auf die Kleine Anfrage behauptet wird, das mit den 8000 km Autobahn treffe zu. Hier werden falsche Hoffnungen erweckt, und es verstärkt sich immer mehr der Eindruck, daß diese Bundesregierung die Öffentlichkeit über die Möglichkeiten im Bundesfernstraßenbau irreführt. ({7}) Anders ist es ja auch kaum zu verstehen, daß die SPD unseren Antrag im Ausschuß ablehnte, neben diesem Bedarfsplan einen Ausbauplan vorzulegen, aus dem eindeutig zu ersehen ist, was bis 1985 gemacht werden kann. Das Ablehnungsargument der SPD lautete damals, wir wollten mit der Forderung nach diesem Ausbauplan eine Position der Negativpropaganda aufbauen. Uns geht es nicht um Propaganda, sondern uns geht es darum, daß den Bürgern die Wahrheit gesagt wird, und um nichts anderes. ({8}) - Ach, Herr Kollege Wehner, im „Herunterspielen" kann ich mich kaum auf Sie verlassen; ({9}) denn darin sind Sie nicht sehr meisterhaft. ({10}) Man könnte sagen: Gut, da werden falsche Hoffnungen erweckt; das passiert natürlich auch im Privatleben immer wieder einmal, und warum soll es nicht auch im öffentlichen Sektor passieren; es würde sich sowieso nur in die Reihe der falsch erweckten Hoffnungen dieser Bundesregierung einfügen; warum denn eine Ausnahme vom generellen Trend machen? ({11}) Aber, meine Damen und Herren, die Sache hat eben noch eine andere Seite, und da geht es um die Verantwortlichkeit und um unverantwortliches Handeln. Bauunternehmer, die auf diese Redensarten der Bundesregierung hereinfallen, diese Redensarten für bare Münze nehmen, werden natürlich in der Hoffnung auf zunehmende Aufträge investieren. Sie werden sich verschulden und der großen Aufträge harren, die dann eben nicht kommen. Für manchen wird das am Ende Anlaß sein, den Bankrott anzumelden, weil seine Maschinen stehen und nicht Geld verdienen können. ({12}) Das ist ja nichts Außergewöhnliches. Im Moment ist schon eine starke Verschärfung der Situation, vor allem im Straßenbausektor, sichtbar. Das kann keiner von der Hand weisen, weil es die Wirklichkeit ist. Herr Minister Leber erweckt, wie auch in der schönen Schrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, den Eindruck: 100 Milliarden haben wir allein für die Autobahnen! Da wird sich natürlich der normale Bundesbürger fragen, warum er eigentlich zusätzlich zur Kasse gebeten werde und mehr Mineralölsteuer zahlen soll. ({13}) Ich erinnere an die interessante Rede des Herrn Bundesministers Leber am 2. Dezember hier im Bundestag, wo er die gleiche Frage gestellt und als Abgeordneter Ausführungen über die Möglichkeiten des Bundesfernstraßenbaus und seiner Finanzierung gemacht hat. Das paßt dann logisch nicht zusammen. Diese Art der Propaganda dient sicher nicht den Plänen der Bundesregierung, die Mineralölsteuererhöhung den Bürgern schmackhaft zu machen. Unsere Auffassung zur Frage der Mineralölsteuererhöhung hat schon der Kollege Dr. Müller-Hermann hier dargelegt. Ich will noch einmal ganz eindeutig sagen: wir erwarten von dieser Bundesregierung erst einmal, daß sie konkret sagt, was sie will, und dann muß sichergestellt sein, daß zusätzliche Mittel zu effektiven Mehrleistungen und nicht zu weiteren Preiserhöhungen führen. Erst dann wird man mit uns reden können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gehört zu den Gepflogenheiten von Herrn Minister Leber und vor allen Dingen der SPD, die Leistungen seines Vorgängers, Herrn Dr. Seebohm, und der CDU/CSU herabzusetzen, damit das eigene Licht, das sonst vielleicht nicht ganz so leuchten würde, im Kontrast etwas stärker zur Geltung zu bringen. Das geht so weit, daß in einem Artikel, den Herr Bundesminister Georg Leber am 21. Juni 1969 im Bulletin der Bundesregierung geschrieben hat, „50 Jahre Reichs- und Bundesverkehrsministerium", zwar alle Verkehrsminister von 1919 bis 1945 naLemmrich mentlich aufgeführt werden, aber der Name seines Vorgängers nicht mit einer Silbe erwähnt wird. ({14}) Da kann man nicht sagen, daß das eine besonders vornehme Gesinnung ist; der Bundesverkehrsminister legt ja sonst Wert darauf, daß ihm diese bescheinigt wird. Dabei haben Sie, Herr Bundesminister, im Bundesfernstraßenbau bis jetzt jedenfalls nichts grundsätzlich Neues geschaffen, sondern Sie haben das weitergeführt - ich sage: weitergeführt, das ist auch etwas , was Ihr Vorgänger in die Wege geleitet hatte, nämlich langfristige Straßenbauplanung seit 1957, gesetzliche Sicherung der Straßenbaufinanzierung seit 1960. Auf dieser Basis haben Sie stehen können und stehen Sie noch heute. Manchmal habe ich den Eindruck, Herr Minister, daß Sie Ihre Praxis als Maurer vergessen haben. Sonst müßten Sie sich eigentlich so wie ich - ich arbeitete 1948 und 1949 auch als Maurer in Frankfurt noch daran erinnern, wie zerstört dieses unser Land war und wie wir damit beschäftigt waren, alte Ziegelsteine abzuputzen, um bauen zu können. ({15}) - Da war ich schon dabei, Herr Kollege.-Wenn Sie das im Gedächtnis hätten, könnten Sie, Herr Minister, nicht so reden, wie Sie das hier im Bundestag am 10. Februar getan haben. ({16}) Im Jahre 1950 wurden für den Bundesfernstraßenbau 200 Millionen DM ausgegeben, 1955 waren es 479 Millionen DM, 1961 1 837 000 000 DM und 1965 3 315 000 000 DM. Der Anteil des Bundesfernstraßenbaus am Gesamtbundeshaushalt betrug im Jahre 1955 2,1 %, 1964 waren es 5,4 %, und 1970 sind es 5,8%, Herr Minister. ({17}) - Es geht rauf und runter, auch nach 1966, Herr Kollege. - Ich möchte die Steigerung von 0,4 % in Ihrer Amtszeit, Herr Minister, keineswegs als gering veranschlagen. Es ist schon eine Leistung, wenn der Anteil gehalten wird. Aber man kann die Leistung der Steigerung von 2,1 % Anteil am Bundeshaushalt auf 5,4 % nicht herabsetzen; ({18}) Diese Dinge können nur im Zusammenhang gesehen werden. Sonst muß man sich sagen lassen, daß man hier primitiv operiere. Dabei müssen wir natürlich an die exorbitant hohe Steigerung des Mineralölsteuerverbrauchs in den letzten Jahren denken. Ich möchte hier ganz eindeutig feststellen: im Bundesfernstraßenbau hat die CDU/CSU nichts versäumt, das Sie, Herr Minister, nachholen müßten, wie Sie in Ihrer Rede am 10. Februar hier etwas salopp äußerten. Tm Rahmen der Möglichkeiten der deutschen Politik und des Bundeshaushalts haben wir in diesem Bereich unser Bestes getan. Die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein sind zwar vorüber. - Was Sie, Herr Bundesminister, am 10. Februar dieses Jahres hier über den Bundesfernstraßenbau in Schleswig-Holstein gesagt haben, kann aber der Wahrheit wegen so einfach nicht stehenbleiben. Das, was Sie hier behauptet haben, ist, schlicht gesagt, unwahr. Laut Protokoll erklärten Sie: Während mein Vorgänger 2 Millionen DM in 16 Jahren nach Schleswig-Holstein getragen hat 2 Millionen DM! -, haben wir in diesen vier Jahren, Herr Kollege Heck, - dieser war angesprochen für den Autobahn- und Bundesstraßenbau 817 Millionen DM nach Schleswig-Holstein getragen. Herr Bundesminister, es ist natürlich betrüblich, daß Sie die Zahlen Ihres Hauses so unzureichend kennen. Ihrem Vorgänger ist so etwas nie passiert. Von 1950 bis 1966 wurden nicht 2 Millionen DM für Autobahnen und Bundesstraßen nach Schleswig-Holstein getragen und verbaut, sondern 888 Millionen DM. ({19}) Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Alles andere richtet sich selbst. Und was heißt denn schließlich „wir" ? „Wir" - etwa die Regierung Brandt, etwa die SPD? „Wir" - das ist durchaus richtig, Herr Minister. Es ist nur die Frage, wen wir unter den anderen verstehen. Sie verstehen darunter davon gehe ich jetzt einmal aus - den Bundesminister der Finanzen. Ohne ihn konnten und können Sie nichts machen. Das geht Ihnen so wie Ihrem Vorgänger. Deswegen ist das „wir" durchaus richtig. Es war schließlich bekannt, daß der Herr Kollege Strauß als Bundesfinanzminister dem Bundesfernstraßenbau außerordentlich aufgeschlossen gegenübergestanden hat. Mit so einem Bundesfinanzminister kann man Vierjahrespläne natürlich gut realisieren. Das soll Ihren Anteil nicht schmälern. Sie sollten aber den Anteil der anderen nicht für sich okkupieren. Herr Minister, warum erkennen Sie eigentlich auch die Tatsache nicht an, daß die Bundesrepublik Deutschland unter Ihrem Vorgänger, Dr. Seebohm, im Straßenbau in der Weltrangliste auf die zweite Stelle gelangte und daß die Bundesrepublik für den Straßenbau mehr Geld ausgab als die übrigen fünf EWG-Staaten zusammen? Warum gestehen Sie das nicht ein? Warum sagen Sie auf die Frage des Kollegen Dr. Müller-Hermann: Nein! Es fällt Ihnen doch kein Stein aus der Krone, wenn Sie das zugestehen. Das ist doch nur ein kleiner Akt der Höflichkeit. Sie haben doch, kurz nachdem Sie Bundesminister für Verkehr geworden waren, doch auch schon einmal freundliche Worte für Ihren Vorgänger gefunden. Warum denn jetzt nicht mehr? Oder wollen Sie sich etwa wie jener Elefant gegenüber dem Veilchen verhalten? Dieser Elefant wollte nicht glauben, daß es Veilchen gibt. Stand eines am Wege und sagte: Es gibt Veilchen; hier steh ich!, so stellte er sich darauf mit Vollgewicht und sagte: Veilchen? Die gibt es nicht! ({20}) Meine verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einige wenige Worte zu aktuellen Straßenbauproblemen sagen. ({21}) - Ich weiß, daß Ihnen das „endlich" sehr vorn Herzen kommt. Auf der anderen Seite sehe ich, daß Sie sich immer sehr „freuen", wenn ich hier spreche. ({22}) Der Bundesfernstraßenbau leidet seit 1970 stark unter der inflationären Politik dieser Bundesregierung. ({23}) Durch Preissteigerungen wurden allein 1970 800 Millionen DM aufgezehrt. Die Fernstraßenausgaben betrugen das ist das Ist im Jahre 1970 5,1 Milliarden. Ziehen Sie die 800 Millionen davon ab, bleiben 4,3 Milliarden. Das sind 270 Millionen weniger als die im Jahre 1969 verbauten 4,570 Milliarden DM. Auch wenn Sie hier bestritten haben, Herr Minister, daß mit mehr Geld effektiv weniger geleistet würde, - der Sachverhalt bleibt bestehen. Sie haben es ja im Haushaltsausschuß selber erklärt. Lesen Sie Ihre Rede vom 10. Februar einmal durch! Sie haben am Anfang etwas völlig anderes gesagt, als Sie am Ende dann auf Zwischenfragen von Herrn Kollegen Leicht zugestehen mußten. Das dient nicht Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Minister. Weil dem so ist, weil diese exorbitant hohen Preissteigerungen das Geld aufzehren, können begonnene Baumaßnahmen nicht fortgeführt werden. l Draußen im Lande stehen dann die Brücken umher, und die Leute fragen sich: Warum geht es denn eigentlich nicht weiter? Wie z. B. in Landsberg am Lech, wie an der B 303 in Oberfranken und wie auch jetzt südlich Augsburg! Das sind doch die Folgen dieser Politik, die Sie, Herr Minister, nicht als Verkehrsminister, sondern als Mitglied des Kabinetts mit zu vertreten haben. Der Volksmund hat diesen Bauwerken natürlich auch schon gleich einen Namen gegeben. So haben wir jetzt nach dem Leber-Plan die Leber-Ruinen. ({24}) Die Inflationsmentalität führt zu einer weiteren Verschärfung der Situation auch auf den Straßen. Herr Minister, ich mache das nicht so, wie es Ihre politischen Freunde von 1950 bis 1966 getan haben: die Verkehrstoten dem Straßenbau zuzurechnen, obwohl, Herr Minister, unter Ihrer Ägide ja nun der traurige Rekord der höchsten Zahlen der Verkehrstoten auf unseren Straßen eingetreten ist. Aber, Herr Minister, sicher ist, daß sich durch diese inflationäre Politik die Situation auch auf den Straßen verschärft, weil die Leute aus Angst ihr Geld in Sachwerte investieren, aus Angst vor Geldentwertung, und u. a. auch kräftig Autos kaufen. ({25}) Die Zunahme, meine verehrten Herren - ({26}) Das Lachen der Herren der SPD macht nur sehr deutlich - ({27}) Herr Strohmayr, Sie brauchen das ja nicht, Sie haben ja Sachwerte genug, nicht wahr. Nun, meine verehrten Damen und Herren, die Herren der SPD mögen darüber lachen; aber vielleicht unterhalten sie sich einmal mit ihren Wählern draußen. Dann wird ihnen das Lachen darüber vergehen. Es beginnt die Flucht in die Sachwerte, auch in die Autos. Wir haben im letzten Jahr eine Zunahme von 2,2 Millionen zu verzeichnen, das sind ungefähr 10 % Auf der anderen Seite kann auf Grund eben derselben Mentalität weniger Straßenraum geschaffen werden. Die Schere zwischen Bedarf und Angebot öffnet sich weiter. All diese Sachverhalte sind durch Schönmalerei, wie sie diese Regierung mit viel Geld und ihrem Propagandaapparat unter die Leute bringt, nicht zu bereinigen. ({28}) Hier sind Nüchternheit und entschiedenes Handeln die einzige Lösung. Zu diesem nüchternen Handeln gehört zunächst einmal die Wahrhaftigkeit, einzugestehen, was möglich und was nicht möglich ist. Sie wollen das möglichst verschleiern. Deswegen all die schönen Schriften, - das sind ja nur wenige hier, es gibt noch einen ganzen Haufen -, um diesen Eindruck zu erwecken. Für eine solche Politik kann die CDU/CSU ihre Hand nicht reichen. Sie sieht sich deswegen nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. ({29}) Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Wende. Für ihn hat die Fraktion der SPD 30 Minuten beantragt.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gewundert, warum der Kollege Lemmrich eine Redezeit von 40 Minuten beantragt hat; denn für das, Herr Kollege Lemmrich, was Sie in diesen 40 Minuten zu sagen vermochten, hätte sich ein Gespräch beim Mittagessen in der Kantine ebensogut geeignet. ({0}) Es konnte sachlich nichts beitragen zu der Diskussion, um die es heute geht. ({1}) Ich muß schon sagen: Die Rechenkunststücke der Opposition sind wieder einmal interessant und in ihrem Vorwärtsgalopp mittlerweile schon einigermaßen witzig anzuschauen. Denn in Ihrer Kleinen Anfrage, die vom 8. April 1971 datiert ist, haben Sie den Fehlbedarf im Fernstraßenhaushalt mit 197 Milliarden DM errechnet, heute, 20 Tage danach, am 28. April, sind es schon 230 Milliarden DM geworden. ({2}) - 230 Milliarden, das haben Sie gesagt. Wenn Sie verlangen, daß mit solchen Kriterien eine Finanzierung über einen Zeitraum von 15 Jahren gemacht werden soll, wären selbst Sie, Herr Kollege Lemmrich, glaube ich, auch überfordert. Sie haben vorhin gefragt, was denn eigentlich bei dieser Verkehrspolitik, bei diesen Bemühungen des Bundesverkehrsministers und dieser Regierung, herauskomme. Ich kann Ihnen das in Zahlen sagen, Herr Kollege Lemmrich. ({3}) Im Jahre 1971 sind in der Bundesrepublik Deutschland 350,3 km neue Autobahnen gebaut worden, so viel, wie noch in keinem Jahr zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik. 350,3 km! ({4}) Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Ich kann Ihnen noch mehr Zahlen nennen. ({5}) Ich könnte es mir leicht machen und Ihnen hier die Statistik vortragen. 1957 waren es 11,2 km - Sie haben ja Seebohms Zeiten so gelobt -, 1958 147 km, 1960 131 km und demgegenüber 1969 ebenfalls schon 350 km; und diese Zahl ist im Jahre 1971 noch übertroffen. ({6}) Man muß Ihnen also sagen, Herr Kollege Lemmrich: Bleiben Sie auf dem Teppich, und bleiben Sie nüchtern in der Betrachtung dieser Dinge! Sie haben ja gegen Ende Ihrer Ausführungen selber dazu aufgerufen. Es ist natürlich auch eine Frage des Geschmacks, Herr Kollege Lemmrich, wenn man glaubt, in einem solchen Zusammenhang der amtierenden Bundesregierung vorhalten zu müssen, daß das tragische Ansteigen der Zahl der Verkehrsunfälle auf unseren Straßen und der Zahl der Toten und Verletzten, die wir zu beklagen haben, nun ausgerechnet auf ein Versäumnis derjenigen zurückzuführen sei, die gerade heute vor dieses Parlament hintreten mit einer konkreten Straßenplanung, um für die Zukunft, für die nächsten fünfzehn Jahre, den akuten Notstand auf unseren Straßen zu beseitigen. ({7}) Hierzu haben Sie doch überhaupt nichts gesagt; Sie haben doch das, worum es hier geht, eigentlich gar nicht gewertet. ({8}) Wie ist denn die Situation? ({9}) Mit Ablauf des Jahres 1970 endete der im Jahre 1959 begonnene erste Ausbauplan für die Bundesfernstraßen. In diesem Zeitraum wurden 38 Milliar- den DM dafür aufgewendet. Ursprünglich waren nur 22 Milliarden DM veranschlagt. Das Netz der Bundesautobahnen wurde dabei von rund 2000 km auf heute knapp 5000 km erweitert. Der Ausbauplan war durch ein Bundesgesetz von 1957 festgelegt worden, das den Ausbau von rund 15 000 km Bundesfernstraßen vorsah. Er ist bei den Autobahnen zu 100 % und bei den Bundesstraßen nur zu 70 °/o erfüllt worden. Es gab Abweichungen vom ursprünglichen Plan. Der volle Bedarf an Straßenraum konnte jedoch bis 1970 bei weitem nicht gedeckt werden, Und zum Zeitpunkt des Auslaufens des ersten Ausbauplans bestand ein rechnerisches Defizit von 50 Milliarden DM. Das ist faktisch die Hypothek, mit der wir nun in die zweite Ausbauphase hineingehen. Dieses Gesetz, das heute diesem Hohen Hause zur Beschlußfassung vorliegt und das den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 festlegen soll, ist - das scheint mir der fundamentale Irrtum in der Betrachtungsweise der Opposition zu sein - kein Investitionsgesetz ({10}) - Sie haben vorhin sogar selbst expressis verbis gesagt, es handle sich um Investitionen -, indem etwa auf Heller und Pfennig vorausbestimmt würde, wieviel Geld wann und für welche Straßenneubauten ausgegeben werden soll. Das ist angesichts eines so großen Zeitraums und einer Zahl von mehr als 20 000 Einzelmaßnahmen auch gar nicht möglich. Da außerdem die Summe der bis 1985 zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel nicht bekannt ist, wären jedes Parlament und jede Regierung damit überfordert. ({11}) Wenn man sich die von der CDU/CSU genannten vermeintlichen Steigerungsraten der Baukosten und die Zahlen, die sie daraus schlußfolgert, einmal genauer ansieht, merkt man, daß die CDU es sich sehr leicht gemacht hat, destruktiv illusionäres Wunschdenken einerseits und Panikmache, was die steigenden Baupreise anbetrifft, andererseits, ein bißchen über den Daumen gepeilt miteinander zu vermengen. Ebensogut hätte man nämlich statt der ermittelten 197 Milliarden DM wie in Ihrer Anfrage 230 Milliar- den DM oder jede andere Zahl plus oder minus 30 oder 40 Milliarden DM nennen können. ({12}) Dabei hat man doch im Jahre 1967/68 gerade beim Tiefbau erlebt - Herr Kollege Lemmrich, Sie haben das Beispiel der Bildungsanfrage angeführt, als von steigenden Baukosten gesprochen wurde, die leider auch von der Regierung angenommen werden mußten, als es um diese Frage ging -, daß die Firmen - hier erinnere ich mich an meine Zeit als Stadtverordneter und Mitglied des Bauausschusses einer Stadt - unter bestimmten konjunkturellen Einwir6738 kungen außerordentlich rasch in der Lage waren, auch einmal mit den Preisen herunterzugehen, etwa 1967/68. Sie haben sich damals sogar gegenseitig unterboten. Eine solche Entwicklung wird man doch künftig nicht völlig ausschließen können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Wende, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, ja!

Karl Heinz Mursch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001577, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wende, Sie sprachen soeben im Zusammenhang mit den Preisen für den Straßenbau von „Panikmache". Wollen Sie bestreiten, daß im Jahre 1970, also im Laufe von zwölf Monaten, die Preise für den Deckenbau um 16,5 % und für den Brückenbau um 22,5 % gestiegen sind? Wenn man davon ausgeht, daß der Autobahnbau zu 20 % - das ist eine zutreffende Zahl - aus dem Bau von Brücken besteht, betrug die Preiserhöhung im Durchschnitt 18 bis 19 %. Wenn man das feststellt und Sie darauf mit dem Wort „Panikmache" reagieren, ist das zweifellos eine Reaktion, der man nicht zustimmen kann.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich möchte jetzt nicht untersuchen, warum es zu diesen Preissteigerungen gekommen ist. Aber unterstellt, die Zahlen stimmten - ({0}) - Ja, ja! Sie haben mich um eine Antwort gebeten. Nun werde ich sie doch wohl geben dürfen. - Herr Kollege, ich weigere mich nur, Ihrer Überlegung zu folgen, nämlich die augenblicklichen Preissteigerungen für den Zeitraum bis zum Jahre 1985 festschreiben und darauf jetzt irgendeine illusionäre und utopische Finanzierung aufbauen zu wollen. Darum geht es doch in Ihrer Frage. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Karl Heinz Mursch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001577, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wende, ich darf also davon ausgehen, daß Sie die Zahlen, die ich genannt habe, bestätigen. Ist Ihnen ferner bekannt, daß man nach den neueren Angaben der Fachorganisation auch im Jahre 1971 mit Preissteigerungen um mindestens 10 % rechnet? Meine erste Frage haben Sie nicht beantwortet, nämlich ob man die Nennung von Zahlen, die den Tatsachen entsprechen, als „Panikmache" bezeichnen darf, wie Sie es getan haben, oder nicht.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, dann haben Sie meine Antwort leider nicht richtig aufnehmen können. Ich habe nämlich gerade ausgeführt, daß es Panikmache ist, wenn Sie unterstellen, daß eine Entwicklung, wie sie aus besonderen Gründen im letzten Jahr nun einmal stattgefunden hat, automatisch und sukzessive 15 Jahre lang weitergehen müsse. Ich weigere mich, das heute hier anzuerkennen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Wende, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger?

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wende, glauben Sie nicht, daß es im Interesse einer realistischen Planung geboten ist, gewisse Preisbewegungen zugrunde zu legen? Das ist beispielsweise bei unserer Anfrage geschehen, so wie es die Regierung auch bei der Bildungsfinanzierung gemacht hat, nämlich eine maßvolle Steigerung der Preise um 3 %. Wenn dann zu diesen Zahlen dieses Ergebnis herauskommt, kann man das doch nicht als Panikmache bezeichnen.

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jenninger, ich muß bedauern, daß Sie sich als einer, der nicht Mitglied im Verkehrsausschuß ist, zu dieser Frage gemeldet haben, ({0}) denn sonst hätten Sie beim Studium des Gegenstandes, um den es heute geht, feststellen müssen, daß hier überhaupt keine finanziellen Aussagen gemacht werden, ({1}) sondern daß es hier lediglich darum geht, den Straßenbaubedarf in der Bundesrepublik Deutschland, bezogen auf das Jahr 1990, his zum Jahre 1985 festzulegen. ({2}) Hier werden überhaupt keine finanziellen Aussagen gemacht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine zweite Frage des Herrn Abgeordneten Jenninger?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wende, wie erklären Sie es sich dann, daß der Herr Verkehrsminister eine Aussage trifft, auch der Verkehrsbericht bzw. der Bericht der Regierung, wonach auf der Preisbasis 1968/69 etwa 125 Milliarden DM erforderlich sind?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich werde auf diese Dinge zu sprechen kommen. Dieses Straßenbaugesetz ist ja trotz Ihrer, ich muß schon sagen, etwas krampfhaften Versuche, es in das Zwielicht spekulativer Finanzierungsprobleme und Preissteigerungen zu rücken, ({0}) ein Fernstraßen b e da r f s plan und sonst nichts, nicht mehr und nicht weniger. Es ist ein fundiert festgestellter Bedarf, der auf breiter wissenschaftlicher Grundlage unter Zugrundelegung neuester Untersuchungsmethoden erarbeitet wurde. Es ist ein Ausdruck vorsorgender und weitschauender Regierungspolitik, wenn der Entwicklungsstand des Straßenverkehrs, auf das Jahr 1990 bezogen, diesem Hohen Hause in aller Realität vorgelegt wird. Auf Grund der so geschaffenen Überschaubarkeit wird es auch für alle anderen Träger des Straßenbaus - in den Ländern, den Regierungsbezirken, Landkreisen und Gemeinden - möglich, ihre eigenen regionalen Straßenplanungen diesem Gesamtkonzept sinnvoll anzugliedern und sich langfristig darauf vorzubereiten. Damit ist die Voraussetzung dafür geschaffen, daß für einen denkbar weit gewählten Zeitraum, bis zu dessen Ende die Motorisierungsdichte aller Voraussicht nach einen Sättigungsgrad erreicht hat, ein Überblick über das gegeben wird, was von allen Straßenbauträgern gemeinsam noch bewerkstelligt werden muß, um unser Land möglichst optimal mit Straßenverkehrswegen zu bedienen. Dies ist der Kern dessen, was dankenswerterweise hiermit geschaffen wurde und worauf nun aufgebaut werden kann. Wenn die Opposition diesen zweiten Ausbauplan als zu verschwommen und illusionär bezeichnet, kann man doch auch einmal daran erinnern, welche Bewandtnis es mit dem ersten Ausbauplan hatte. Ich darf Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen - und das ist ein Gegensatz zu dem, Herr Kollege Lemmrich, was Sie vorhin dargestellt haben -, daß auch der erste Ausbauplan aus dem .Jahre 1957 ohne finanzielles Konzept eingebracht wurde und daß erst drei Jahre danach im ersten Straßenbaufinanzierungsgesetz etwas über die Art der Bedarfsdeckung ausgesagt wurde, allerdings in einer, wie man heute nur noch neidvoll feststellen kann, außerordentlich günstigen Weise, denn damals war nur ein Sockelbetrag - Sie haben es erwähnt - von 600 Millionen DM von den Einnahmen aus der Mineralölsteuer abzuziehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Wende, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Bitte schön!

Karl Heinz Mursch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001577, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wende, würden Sie mir nicht zustimmen, wenn ich sage, daß Ihre Bezugnahme auf die bei dem ersten Ausbauplan fehlende finanzielle Grundlage die Stellungnahme notwendig macht, daß dieses gerade darauf hindeutet, daß wir heute, wo wir durch die 50%ige Zweckbindung der Mineralölsteuer eine finanzielle Grundlage haben, natürlich von dieser Basis ausgehen müssen, daß man also wenn man in der heutigen Situation einen Plan mit einer festgefügten finanziellen Basis aufstellt, dann auch sagen muß, wie man diesen Plan finanzieren will? Das ist doch etwas ganz anderes als beim ersten Plan, als man anfing. ({0}) Die Situationen sind doch nicht gleich! Ihre Argumentation spricht genau - ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, Sie dürfen fragen, aber keine Zwischenreden halten. ({0}) Nein, nicht erläutern!

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke; ich hätte es auch begriffen, wenn Sie sich etwas kürzer gefaßt hätten und bei der Fragestellung geblieben wären. ({0}) Sie greifen dem voraus, was ich hier sagen werde. Natürlich werden wir etwas zur Finanzierung sagen. ({1}) Es ist Ihnen ja bekannt, daß diese Regierung beabsichtigt, die Finanzierung auch auf eine neue Grundlage zu stellen. Der Herr Minister hat hier schon mehrfach angekündigt, daß ein solches umfassendes Konzept vorbereitet wird. ({2}) - Bitte, seien Sie doch nicht so ungeduldig! Zu gegebener Zeit wird das diesem Hause sicher vorgetragen. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, würden Sie dem SPD-Bundestagsabgeordneten Helmut Schmidt zustimmen, der am 6. Juli 1957 vor diesem Hause erklärte: „Ein Bauherr, der öffentlich die Errichtung eines großen Neubaues" - ob Straßen oder Häuser - „ankündigt und im gleichen Atemzug erklärt, die Finanzierung allerdings sei noch völlig offen, wird von seinen Zuhörern kaum als seriös empfunden werden können."? ({0})

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist eines der vielen guten Worte meines Parteifreundes Helmut Schmidt. Ich muß Ihnen sagen, daß Sie das auch hier realisiert finden werden. Worum es geht, ist, daß wir Stück für Stück, Jahr für Jahr und, wie Sie, Herr Kollege Lemmrich, nach der Ausschußbeschlußfassung wissen, alle fünf Jahre durch Gesetz sehr genau die Entwicklung im Bundesfernstraßenbau festsetzen werden. Worum es uns heute geht, ist, daß wir die Weichen in diese Richtung stellen, damit die generelle Planung einmal vorliegt. Das werden wir uns von Ihnen nicht zerreden lassen. Ich sprach vorhin davon, daß die Straßenbaufinanzierung damals, 1960, auf anderer Basis stand. Bei dieser Gelegenheit darf ich auch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen. daß es die Sozialdemokraten waren, die `1963, ({0}) als es um die Festlegung der Zweckbindung mit einer Forderung von 55 % ging, in diesem Hause niedergestimmt wurden. ({1}) Es ist also keineswegs die Schuld der SPD, wenn Sie heute solche Finanzierungslücken beim Straßenbau festzustellen haben. ({2}) - Machen Sie doch einmal einen Vorschlag, Herr Kollege Lemmrich; dann werden wir uns darüber unterhalten können. ({3}) Sie haben doch vorhin über die Finanzierung eine ganze Menge sagen wollen. Ich habe mich am Ende Ihrer Rede allerdings vergeblich gefragt, was Sie nun eigentlich zu diesem Thema gesagt haben. ({4}) Aber wenn schon von Zahlen die Rede ist, obwohl dies, wie gesagt, heute keineswegs Gegenstand des zu beschließenden Gesetzes ist, so sei gern zugegeben, daß der ursprünglich geschätzte Bedarf von 125 Milliarden DM beim derzeitigen Preisstand 145 bis 150 Milliarden DM betragen könnte. Jedoch muß dann auch gesagt werden, daß das tatsächliche Aufkommen der zweckgebundenen Mineralölsteuer auf Grund der Zunahme der Motorisierung - auch darüber haben Sie vorhin plastische Zahlen genannt - ebenfalls stärker steigen wird, so daß eine eventuelle Preiserhöhung im Straßenbau in nicht unbeträchtlichem Ausmaß zum Teil davon aufgefangen werden kann. Trotzdem kann es zu einem Unterschied zwischen Bedarf und Bedarfsdeckung kommen. Auch bei stabilen Preisen wäre der Plan übrigens nicht voll finanziert. Das ist vom Minister auch immer in dieser Weise herausgestellt worden. ({5}) - In diesem Hause. ({6}) - Lesen Sie den Sitzungsbericht vom 2. Dezember 1970 nach! Auch bei stabilen Preisen wäre dieser Plan also nicht voll finanziert. Aber nun wissen wir - das ist erfreulich -, daß wir längerfristige finanzpolitische Entscheidungen auf Grund der im Plan ermittelten Ergebnisse mit aller Ruhe und aller Umsicht treffen können. Daß dabei - das will ich gern aussprechen - eine Erhöhung der Mineralölsteuer denkbar ist oder an eine Veränderung der Kraftfahrzeugsteuer zu denken ist oder, wie es auch gelegentlich geschehen ist, an eine Autobahngebuhr gedacht werden kann, ist naheliegend. Die Diskussionen über die künftige Finanzierung des Straßenbaus sind nun durch diese gesetzliche Arbeit, die wir hier tätigen, in Gang gekommen. In der Öffentlichkeit wächst die Bereitschaft, auch eine höhere Belastung hinzunehmen, wenn diese voll zweckgebunden der Verbesserung unserer Straßen zugute kommt. Ich finde, auch diese Entwicklung ist positiv und ein Verdienst des vorliegenden Plans. Ich stehe gar nicht an, auch von mir aus einzuräumen, daß mir z. B. eine Erhöhung der Mineralölsteuer von den gegebenen Möglichkeiten die günstigste zu sein scheint. Ich will das auch begründen. Die Belastung aller Verkehrsteilnehmer würde sich entsprechend der Fahrleistung und des Verbrauchs am gerechtesten gestalten. Die Erhebung wäre ohne Verfahrensänderung einfach. Es würden keine zusätzlichen Verwaltungskosten und Kontrollschwierigkeiten entstehen. Schließlich würde es sich um eine verhältnismäßig niedrige Mehrbelastung handeln. Für einen Pkw bei durchschnittlicher Jahresfahrleistung und einmaliger Erhöhung um 5 Pfennig würde dies im Jahr ganze 75 DM ausmachen. Wenn man andererseits bedenkt, daß man bei einer Mineralölsteuererhöhung um einen Pfennig jährlich 321 Millionen DM und, berechnet auf einen Zeitraum von 1971 bis 1985, 5,5 Milliarden DM einnehmen würde, dann kann man doch einigermaßen abschätzen, wie es sich hier verhält, und erwägen, ob das nicht ein gangbarer Weg sein sollte. Aber daß die Dinge nicht so einfach zu lösen sind, wie es sich manche vorstellen, geht u. a. auch aus der Tatsache hervor, daß beabsichtigt ist, innerhalb von zehn Jahren die Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuern in der EWG zu vereinheitlichen. Nationale Sonderregelungen erschweren im gegenwärtigen Zeitpunkt diese Harmonisierung. Das ist sicher mit ein Grund dafür, daß wir uns diese Dinge nicht so leicht machen können und daß wir nicht mit fertigen Rezepten vor das Hohe Haus treten können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Wende, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Manfred Wende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte doch darum bitten, das jetzt zu Ende führen zu können. Eine Autobahngebühr, die immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, muß meiner Ansicht nach wegen ihrer schwerwiegenden Nachteile von der Verwirklichung ausscheiden. Einerseits muß eine Abwanderung von der Autobahn auf das gegenwärtig schon erheblich belastete parallele Straßennetz vor allem aus Gründen erhöhter Unfallgefahren vermieden werden. Zum anderen wäre ein erheblicher Verwaltungsaufwand bei der Einziehung oder bei der Kontrolle nicht zu vermeiden. Beides macht eine Autobahngebühr unratsam. Lassen Sie mich aber noch eine Bemerkung zu dem Begehren der Opposition auf die Festlegung der effektiven Durchführung der einzelnen Baumaßnahmen nach Reihenfolge und Umfang - so hat es Ihnen ja auch in den Ausschußberatungen vorgeschwebt - machen. Es ist keine Utopie, und es kommt auch längst nicht den Sünden der vergangenen Jahre, beispielsweise der 50er Jahre, gleich, wo Reihenfolge und Dringlichkeit von Auto: bahnneubauten gelegentlich sich nach der Wahlkreiszugehörigkeit einflußreicher Verkehrspolitiker orientierte oder ein sonst geartetes Zugriffsverfahren praktiziert wurde, ({0}) sondern es ist harte Realität und politisch einflußfrei gehaltene, ehrliche Aussage, wenn, wie es hier in dem Plan steht, festgestellt wird, wo und in welchem Maße die Dringlichkeit am stärksten ist. Daher begrüßen meine Freunde und ich diese Einteilung der Dringlichkeit in drei Stufen. Sie beruht auf dem planerischen Konzept einer größeren Objektivierung des Straßenbaues. Die Fünfjahrespläne, in denen sie verwirklicht werden sollen, sind dann der Ausdruck der verkehrspolitischen Entscheidung sowie der finanziellen Möglichkeiten. Selbst wenn im ganzen Planungszeitraum unterstellen wir einmal das Allernegativste, Herr Kollege Lemmrich - zunächst nur die Maßnahmen der ersten Dringlichkeitsstufe ausgeführt werden sollten, wäre es nach dem heutigen Kostenstand sicher, daß in den Jahren bis 1985 immerhin 7000 bis 8000 km Autobahnen und 6000 bis 7000 km Bundesstraßen in unserem Lande neu gebaut würden. Zum Vergleich gebe ich den heutigen Stand an. Wir haben knapp 5000 km Autobahnen und 10 000 km Bundesstraßen. Dies würde also schlicht eine Verdoppelung des Gesamtbestandes an Bundesfernstraßen bedeuten. ({1}) - Nein, Sie müssen nur die richtigen Zahlen richtig zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Lemmrich. Dann hätten Sie nicht solche Schwierigkeiten, mir hier zu folgen. ({2}) Sollten wir mit einem solchen Ergebnis, wie ich es es gerade dargestellt habe - 7000 bis 8000 km neuer Autobahnen, 6000 his 7000 km Bundesstraßen selbst nach diesen ungünstigsten Berechnungsgrundlagen , eigentlich so unzufrieden sein? Schließlich ist, wenn es um die Finanzierung von Straßenbauten geht, auch noch zu berücksichtigen, die Koordinierung der verschiedenen Planungen von Eisenbahn, Wasserstraße, Luftverkehr und Straße innerhalb des von der Bundesregierung in Angriff genommenen Bundesverkehrswegeplanes. Daß es hierbei Finanzierungslücken nicht nur im Bundesfernstraßenbau, sondern auch im öffentlichen Personennahverkehr und im Fernstreckennetz der Deutschen Bundesbahn zu verzeichnen gilt, muß eine verantwortungsbewußte Verkehrspolitik doch dazu veranlassen, nicht übereilt Belastungen zugunsten des einen und möglicherweise zuungunsten des anderen Verkehrsträgers zu schaffen und damit die Entwicklung einer optimalen Verkehrsinfrastruktur zu behindern. Kritik wird da und dort auch daran geübt, daß in dem vorliegenden Gesetz und in den Fünfjahresplänen keine starren Länderquoten mehr zu verzeichnen sind. Die sachliche Notwendigkeit, Straßen zu bauen, ergibt eben das Maß des Straßenbaus in einem Bundesland. Strukturpolitische Gesichtspunkte sind bei der Entstehung des zweiten Ausbauplans angemessen berücksichtigt. Auch die Erfordernisse der Erschließung von Landschaften sind bereits Bestandteil des zweiten Ausbauplans. Hervorzuheben ist auch die stärkere Berücksichtigung der Raumordnung. Ferner wurden die Änderungen der Verkehrsstruktur im Wechsel von Werktags-, Wochenend- und Urlaubsreiseverkehr sowie schließlich die Erfordernisse der europäischen Integration voll zur Geltung gebracht. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt daher, daß diese für unsere Bevölkerung, ich möchte sagen: lebenswichtige Planung von diesem Hohen Hause, d. h. von der Volksvertretung, sanktioniert werden kann. Dadurch wird die Kontinuität der Planung und Ausführung gesichert. Wirtschaft und Verwaltung sowie nachfolgende Gebietskörperschaften können klar disponieren. Es ist nun ein brauchbarer Rahmen für die Fünfjahrespläne gegeben. Unbeschadet dessen können die mit den Ländern abgestimmten Straßenbaupläne, wenn es ein unvorhergesehener Verkehrsbedarf erfordert oder wenn es sich um Einzelfälle handelt, auch vom Bedarfsplan abweichen. Den Einwendungen des Bundesrates, der unter anderem die Anpassung des Bedarfsplans nach jeweils fünf Jahren mit einer Verordnung empfohlen hat, wird durch den Beschluß des Verkehrsausschusses des Bundestages besser Rechnung getragen, die Anpassung alle fünf Jahre nicht durch Verordnung, sondern durch Gesetz vorzunehmen. Damit ist gewährleistet, daß diese Dinge jeweils in diesem Hause gebilligt werden müssen. Eine weitere auf Grund der Ausschußberatungen erfolgte Verbesserung ist, daß der Bundesverkehrsminister jährlich dem Bundestag über den Stand des Bundesfernstraßenbaus berichtet. Ich möchte darüber hinaus dem Herrn Minister die Anregung geben, wenn einmal die Frage zusätzlicher Mittel einer Entscheidung zugeführt sein wird, dem Hause einen Bericht über wichtige Projekte vorzulegen, die voraussichtlich bis 1985 verwirklicht oder begonnen werden können. Mit einer solchen Zusicherung müßten meiner Ansicht nach auch die von der Oppo6742 sition bisher geäußerten Bedenken gegenstandslos geworden sein. Eine breite Zustimmung für dieses imponierende Gesetzeswerk, dem die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zustimmen wird, sollte in diesem Hause sicher sein. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 stellt den Anschluß an den im Jahre 1970 ausgelaufenen ersten Ausbauplan für die Bundesfernstraßen dar. Der erste Ausbauplan für die Bundesfernstraßen wurde mit einem Aufwand von 38 Milliarden DM durchgeführt. Das Autobahnnetz wurde von 2000 km auf 4500 km erweitert. Allerdings wurde das Ausbauziel bei den Bundesstraßen nicht erreicht. Der Ausbauplan für die Bundesstraßen wurde nur zu 70 % erfüllt. Der vorliegende Ausbauplan vermeidet es, darzustellen, in welcher zeitlichen Rangfolge welche Maßnahmen in dem vorgesehenen Zeitraum von 1971 bis 1985 durchgeführt werden sollen. Er ist - und das wird ausdrücklich betont - kein Ausbau-, sondern ein Bedarfsplan, der sich nach dem Sättigungsgrad an Kraftfahrzeugen richtet, der für das Jahr 1985 erwartet wird. Die Kritik der Opposition an diesem Bedarfsplan geht vornehmlich dahin, daß hier der Bevölkerung ein Vorhaben vorgelegt werde, ,das nach den voraussehbaren Finanzierungsmöglichkeiten in voller Gänze nicht durchgeführt werden kann. Das wird nicht bestritten. Es wurde von der Bundesregierung, aber auch von den Koalitionsfraktionen, die diesem Gesetzentwurf in den Ausschußberatungen mit kleinen Änderungen zugestimmt haben, immer wieder betont, daß dieser Plan ein Bedarfsplan ist, daß er, wenn Sie so wollen, im Grunde genommen die optimale Lösung unserer Verkehrsprobleme, soweit es die Bundesfernstraßen anbelangt, darstellt. Dieser Ausbauplan, meine Damen und Herren, stellt den zu erwartenden Bedarf bis 1985 fest. Er erklärt, daß der Ausbau nach Dringlichkeiten vorgenommen wird, die im Bedarfsplan bezeichnet sind, nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel. Hier ist also eindeutig gesagt, daß nur in dem Umfange Maßnahmen durchgeführt werden, wie auch Mittel zur Verfügung stehen. Nach Ablauf von fünf Jahren wird dieser Bedarfsplan den unter Umständen veränderten Verhältnissen angepaßt, und hier hat der Ausschuß beschlossen, daß entgegen der Vorlage die Anpassung durch ein Bundesgesetz vorgenommen wird. Wir sind der Auffassung, daß diese Veränderung der Vorlage, wonach also der Bundestag selbst durch ein Gesetz festlegt, wie und ob angepaßt werden soll, der Bedeutung dieses Bedarfsplans gerechter wird. Der Bedarfsplan ist Grundlage für die Fünfjahrespläne, die der Bundesverkehrsminister aufzustellen hat. Wir waren nicht in der Lage, einem Antrag der CDU zuzustimmen, der die Festlegung der Fünfjahrespläne von der Zustimmung des Deutschen Bundestages abhängig machen wollte. Hier sollte es nach unserem Willen dabei bleiben, daß der Bundesminister für Verkehr die Fünfjahrespläne aufstellt. Schließlich hat der Verkehrsausschuß einstimmig beschlossen, daß der Bundesverkehrsminister dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über den Fortgang des Bundesfernstraßenbaus gibt. Soweit das Gesetz. Nun hat Herr Kollege Lemmrich wie bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs dargelegt, daß die Finanzierung des Bedarfsplans keineswegs gesichert sei, daß sie angesichts steigender Baupreise immer schwieriger werden würde über den schon bisher geschätzten Fehlbedarf hinaus. ({0}) - Nein, das ist gar keine Panikmache. Die Koalitionsfraktionen haben bei der Einbringung des Gesetzes in voller Offenheit erklärt, daß dieser Bedarfsplan finanziell nicht gesichert ist, und von daher, Herr Kollege Lemmrich, müssen wir den Vorwurf zurückweisen, daß mit dem Bedarfsplan falsche Hoffnungen in der Bevölkerung erweckt worden seien, ({1}) denn niemals und an keiner Stelle wurde verschwiegen, daß die Finanzierung dieses Bedarfsplans nach den derzeitigen gesetzlichen Grundlagen nicht gegeben ist. ({2}) - Nein, das hat auch der Bundesverkehrsminister nicht erklärt. Er hat sehr deutlich, expressis verbis, hier einige mögliche Wege zur Finanzierung aufgezeigt und die Entscheidung dem Deutschen Bundestag anheimgestellt, ob, wie und wann er eine veränderte Straßenbaufinanzierung vornehmen will.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ollesch, sind Ihnen vielleicht die Informationsschriften, die der Herr Bundesminister Leber zu diesem Problem herausgegeben hat, nicht bekannt? Wenn sie Ihnen nicht bekannt sind, bin ich gern bereit, Ihnen welche zukommen zu lassen.

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lemmrich, mir sind Informationsschriften des Bundesverkehrsministers bekannt; vielleicht sind mir auch einige unbekannt. Aber ich beziehe mich darauf, was er hier bei der Einbringung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag gesagt hat. Ich habe mich damit auseinanderzusetzen, was in diesem Hause gesagt worden ist. Und da ist in voller Offenheit und voller Deutlichkeit von der Regierung wie von den Vertretern der Koalitionsfraktionen, den Freien Demokraten und den Sozialdemokraten, erklärt worden, daß die Finanzierung des Bedarfsplanes -- und wir haben unterschieden zwischen Ausbau und Bedarf - nicht gesichert ist. Von daher können Sie nicht den Vorwurf erheben, hier hätten die Regierung oder die Fraktionen, die die Regierung tragen, falsche Hoffnungen erweckt. Herr Kollege Lemmrich, dieser Vorwurf ist - das darf ich Ihnen sagen - unredlich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kollege Ollesch?

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ollesch, wenn Sie sich das, was Herr Bundesminister Leber gesagt hat und was in seinen Broschüren ganz anders steht, vergegenwärtigen, meinen Sie dann nicht, daß durch Ihre Ausführungen vielleicht der Eindruck verstärkt würde, der Herr Bundesminister argumentiere doppelzüngig?

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein! Herr Kollege Lemmrich, unterschieben Sie mir nicht etwas. Ich habe hier in voller Deutlichkeit erklärt, was der Herr Bundesverkehrsminister in diesem Hause gesagt hat, und das ist für mich authentisch, und was die Koalitionsfraktionen zu dem Problem erklärt haben. Ich habe mich damit beschäftigt, was Sie vorhin noch vor einigen wenigen Minuten an diesem Pult erklärt haben. Im Verlaufe Ihrer Behandlung des Gesetzentwurfs, die zu dreiviertel eine Kritik an früheren Äußerungen des Bundesverkehrsministers war - ich habe mich damit nicht zu beschäftigen; das wird der Bundesverkehrsminister sicher selbst tun können -, haben Sie ausgeführt, daß hier von veränderten Kfz-Abgaben, daß von neuen Konzeptionen gesprochen werde; die Bundesregierung spreche immer wieder von neuen Konzeptionen und führe dadurch Verwirrung in der deutschen Öffentlichkeit herbei. Herr Kollege Lemmrich, auch Sie haben noch vor einigen Wochen eine neue Konzeption zu den Kfz-Abgaben hier vorgetragen, beispielsweise eine Veränderung der Kfz-Besteuerung. Die Kraftverkehrsabgaben befinden sich überhaupt ob ihrer Höhe und Eigenart in der Diskussion. ({0}) - Nun, wie lange noch? Wir sind zur Zeit in der Beratung einmal Ihres Entwurfes, wir sind in der Beratung einiger anderer Vorschläge, und es gibt die Auseinandersetzung über die Steuerreform, Herr Kollege Lemmrich, die sich auch mit den Kfz-Abgaben und den Kraftverkehrsabgaben beschäftigt. Sie können nicht den Vorwurf erheben, die Diskussion über neue Konzeptionen in den Abgaben oder die Vorschläge über Veränderung der Kfz-Steuern seien geeignet, Verwirrung hervorzurufen. Die Diskussion ist notwendig und sicherlich auch - da stimmen Sie mir zu - eine neue Konzeption bei den Kraftverkehrsabgaben; jedenfalls eine Veränderung gegenüber den bisherigen Systemen, die wir haben. Sie haben im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über die Finanzierung des Straßenverkehrswegebaues wieder einmal die alte Platte von der inflationären Politik der Bundesregierung abgespielt. Ich weiß, das ist werbewirksam. ({1}) Wenn man diesen Vorwurf erhebt, ist man der Notwendigkeit enthoben, eigene präzise Vorschläge zu machen. Man kann immer so schön über die inflationäre Politik daherreden. Ich habe in diesen Tagen gelesen, daß Ihr Fraktionschef, der Kollege Barzel, wieder einmal davon gesprochen hat, daß beispielsweise die Haushaltspolitik dieser Bundesregierung die inflationären Tendenzen verstärke. ({2}) - Natürlich bestreite ich das. ({3}) - Bei den Auseinandersetzungen in der Haushaltsberatung konnten Sie uns ja nicht widerlegen, ({4}) daß der Haushalt entgegen Ihren Befürchtungen, die Sie im Sommer des vergangenen Jahres noch geäußert haben, konjunkturgerecht ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Jenninger?

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ollesch, würden Sie neben dem Kollegen Barzel auch noch den Herrn Kollegen Wehner zitieren, der dieser Tage von besorgniserregenden Entwicklungen dieser Politik gesprochen und gesagt hat, es seien Alarmzeichen da, die eine Antwort erheischten?

Alfred Ollesch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001647, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich weiß nicht, ob Sie den Kollegen Wehner richtig zitiert haben. Soweit ich das Zitat im Kopf habe, hat er nicht von einer besorgniserregenden Entwicklung der Politik gesprochen, sondern sich mit dem Preisauftrieb beschäftigt. ({0}) - Ja, er hat sich mit dem Preisauftrieb beschäftigt, und nun wollen Sie doch wohl nicht wieder einmal den alten Vorwurf erheben, die Bundesregierung sei an diesem Preisauftrieb schuld. ({1}) - Dann darf ich Sie doch daran erinnern, daß es mit Ausnahme der Jahre 1967 und 1968 immer einen Preisauftrieb in der Bundesrepublik gegeben hat, und Sie haben in der Masse der Jahre die Bundesregierung verantwortlich geführt. ({2}) - Ja, das Ausmaß - ({3}) Vielleicht erinnern Sie sich einmal zurück an das Ausmaß der Preissteigerung im Jahre 1965, Herr Kollege Lemmrich, oder an das Ausmaß der Preissteigerung im Jahre 1964. ({4}) Nun, Sie haben wieder einmal vor der inflationären Politik der Bundesregierung gewarnt, uns aber andererseits den Vorwurf gemacht, daß wir hier eine Planung vorlegten und dabei nicht gleichzeitig erklärten, wie wir die bis 1985 benötigten Milliarden durch zusätzliche Steuererhöhungen aufbringen wollten. Ich habe schon zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt: es wäre eine müßige Fleißarbeit, für den langen Zeitraum den Finanzbedarf exakt ermitteln zu wollen. Ich habe damals erklärt, daß immer wieder Situationen eintreten könnten, die uns veranlaßten, von den vorgesteckten Zielen abzugehen. Auch im Jahre 1970 haben wir aus übergeordneten wirtschaftlichen und konjunkturellen Gesichtspunkten heraus die ursprünglich vorgesehenen Beträge für den Verkehrswegebau nicht ausgeben können. Dieser Zustand kann in den nächsten 14 oder 15 Jahren unter Umständen wieder eintreten, und von daher scheint es mir nicht erforderlich zu sein, hier und heute, im Jahre 1971, vor Abschluß der Auseinandersetzung über die Steuerreform, vor Abschluß der Auseinandersetzung über die Umstrukturierung unserer Kraftverkehrsabgaben, detaillierte Finanzierungsvorschläge für Bedarfspläne bis 1985 vorzulegen. Die Erfüllung dieser Pläne stellt das Optimum dar. Doch niemals sind in der Vergangenheit optimal gezogene Pläne hundertprozentig erfüllt worden. Wir Freien Demokraten stimmen dem vorliegenden Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Lesung zu. ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Bundesminister Leber.

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich auf ein kleines Mißverständnis hinweise, das mir hier aufgefallen ist. Wir haben es mit drei Faktoren zu tun, die in den Sachverhalt, der heute zur Debatte steht, hineinspielen, wobei aber nicht alle drei Faktoren zur Beschlußfassung anstehen. Das ist erstens der Bedarf an Straßenbau, den man in einem Bedarfsplan erfassen kann, zweitens die konkrete Bauabsicht, die man sich im Rahmen des erkannten Bedarfs vornimmt - das würde ich mit dem Wort „Ausbauplan" überschreiben -, drittens die Finanzierung für die konkrete Bauabsicht oder die im ganzen erkannten Bauerfordernisse. Wir haben es hier mit dem von der Bundesregierung sehr sorgfältig ermittelten Bedarf an Straßenraum und damit auch an Straßenbautätigkeit zu tun. Wir haben es hier nicht zu tun mit der konkreten Absicht, was in 15, 20 oder noch mehr Jahren gebaut werden soll. Wir haben es in dieser Debatte auch nicht mit der Frage zu tun, wie die Deckung des Bedarfs oder einer konkreten Bauabsicht über das hinaus, wofür jetzt schon die Finanzierung sichergestellt ist, noch sichergestellt werden soll. Erlauben Sie mir, daß ich noch etwas zu dem konkreten Sachverhalt sage, nämlich zum Bedarfsplan; so ist auch das Gesetz überschrieben. Meine Damen und Herren, dies ist eine sehr sorgfältig erarbeitete Unterlage, wie es sie nach meiner Kenntnis bisher noch in keinem Lande gibt. Wir sind dabei zu wissenschaftlichen Untersuchungen gekommen„ mit denen wir in Neuland vorstoßen mußten. Wir haben versucht, neue Wege, auch in der Prognose, zu gehen, enge Zusammenarbeit zwischen Wegebau und Strukturpolitik zu suchen und sie miteinander zu synchronisieren. Wir haben versucht, die Entwicklung der Bevölkerung, die Wanderung der Bevölkerung in der überschaubaren Zukunft von zwei Jahrzehnten zahlenmäßig in den Griff zu bekommen. Wir haben versucht, die Entwicklung der Wirtschaft, die Wanderung der Wirtschaft dabei in das Konzept einzubeziehen. Als Ausfluß all dieser objektiven und unabhängigen Untersuchungen, in die nicht nur mein Haus, sondern zahlreiche wissenschaftliche Institute und Universitäten im Lande mit bestimmten Aufträgen einbezogen worden sind, ist dann festzustellen, was an Straßenbautätigkeit entfaltet werden müßte, wenn all die Prämissen stimmen. Dies haben wir deswegen getan, um folgendes zu bewirken. Erstens: Wir wollten einfach einmal das Gesicht unseres Landes für das Ende dieses Jahrhunderts hochrechnen und dabei Antwort auf die Frage bekommen, wieviele Straßen wir dann eigentlich brauchten, wenn sich unser Land so entwickelt, wie das heute vorausschaubar und überschaubar ist. Ich glaube, es ist doch Aufgabe der Politik, den Versuch zu machen, mit modernen Mitteln und Möglichkeiten in dem Maße, in dem das möglich ist, in die Zukunft hineinzuleuchten, insbesondere in bezug auf die Bewältigung von Aufgaben, die nicht kurzfristiger Art sind, sondern langfristiger Natur. ({0}) Das haben wir getan. Wir haben also den Bedarf, die Größenordnung des Bedarfs ermittelt. Wir haben das erstens getan, um objektiv zu sehen, wieviel Bedarf auf unser Land zukommt, zweitens um es so sorgfältig wie möglich zu machen, mit allen Mitteln, die man heute bieten kann, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Fehlentscheidungen sind ja nicht ausschließbar, wenn man nicht alle modernen Möglichkeiten einsetzt. Man sollte nicht irgendwo etwas bauen, was sich nachher als nicht notwendig herausstellt. Dabei standen wir vor einer Fülle schwierigster Fragen. Ich will Ihnen einige davon sagen. Wie wird die Funktion des Bayerischen Waldes im Jahre 1980 sein? Wird unser Land im Jahre 1990 noch geteilt sein? Viele können darüber philosophieren. Bei der Erarbeitung dieses Planes mußte man sich konkret mit der Frage befassen, wie das Straßennetz in diesem Lande dann aussieht, das geteilt war. Dazu kamen viele andere Dinge, die schwierig abzuwägen waren. Wenn hier schon manche Dinge nicht klar beantwortbar waren, mußte man wenigstens in all den Fragen, die nun durchschaubar und überschaubar sind, so viel Klarheit wie möglich herbeiführen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Ich sage das hier ohne jede Polemik, damit dieses Haus weiß, wie bei diesem kostspieligsten Projekt, das jemals vorgelegt worden ist, vorgegangen wurde. Drittens: Bei Summen dieser Größenordnung - auch das sage ich Ihnen offen, meine Damen und Herren -, bei einer Summe weit über der 100-Milliarden-Grenze waren wir uns über folgendes klar -ich habe entsprechende Anweisungen an alle gegeben, die damit zu tun hatten -: Wir wollten ausgeschlossen haben, daß wir uns, unabhängig von den objektiven Daten und Sachverhalten, die ermittelt werden müssen, in ein politisches Tauziehen einlassen und quasi mit den Ländern darum kämpfen, wo nun eine Autobahn gebaut wird, hinter dem Dorf oder vor dem Dorf, an dem Gebirgszug entlang oder an dem Flußtal entlang oder wo auch immer. Wir wollten die Dinge also objektivieren und damit auch das politische Tauziehen, das nicht immer Fehlentscheidungen vermeidet, ausschließen und reduzieren, weil es ja etwas gab, was wahrer ist als die Verständigung im politischen Tauziehen. Viertens: Wir wollten langfristig Klarheit schaffen. Die verantwortlichen Organe sollten sich langfristig Klarheit darüber verschaffen können, wie man die Probleme bewältigen kann, oder auch darüber, welche großen Aufgaben eben nicht bewältigt werden können. Das ist doch auch wichtig für eine Institution wie dieses Hohe Haus. Fünftens: Wir haben lange darüber nachgedacht - ich gestehe hier gerne ein, daß dies für mich gar nicht schlüssig war -, ob es notwendig sei, den so ermittelten Bedarf in die Form eines Gesetzes zu gießen, in einen Bedarfsplan, der gar keinen konkreten Auftrag für eine bestimmte Autobahn gibt. Ich bin dann schließlich zu der Schlußfolgerung gekommen: Ja, ich schlage der Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes vor, weil dieser Bedarf, der so ermittelt worden ist, im ganzen einen so bedeutenden Sachverhalt für die Entfaltung und die Entwicklung dieses Landes und seiner Gesellschaft und Wirtschaft darstellt, daß es der Autorität des Bundestages durchaus adäquat ist, wenn er feststellt: Jawohl, wir stimmen darin überein; dies ist das, was in diesem Lande eigentlich nötig wäre. So viel zum Bedarfsplan. Meine Damen und Herren, wer in diesem Zusammenhang jetzt über etwas anderes diskutiert, diskutiert über etwas, was nicht in diesem Gesetz steht, was a priori von uns gar nicht hineingeschrieben worden ist und auch nicht hineingeschrieben werden sollte. Unabhängig davon stellt sich natürlich die Frage: Was könnte außerdem noch geschehen, und wieviel muß im Rahmen dieses im Gesamten erkannten Bedarfs nun in den nächsten fünf Jahren, in den nächsten zehn oder fünfzehn Jahren gebaut werden? Dies ist der eigentliche Kampf, den wir auf der politischen Ebene - beispielsweise mit den Landesregierungen - durchzustehen haben. Über den Bedarf und darüber, daß er so richtig fixiert ist, besteht kein Streit. Streit besteht darüber, wie nun für die nächsten zwei Jahrzehnte Prioritäten gesetzt werden, wo ewas vorgezogen wird und wo etwas später drankommt usw. Meine Damen und Herren, so sind wir vorgegangen. Wir haben bei der Fixierung der Prioritäten politische Auseinandersetzungen bewußt vermieden. Wir haben vielmehr ermittelt, wo das Verkehrsaufkommen, die Wirtschaftstätigkeit, die Nachfrage nach Verkehrswegen sich so darstellen, daß dem durch Straßenbau zuerst entsprochen werden muß.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vehar?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Bitte sehr!

Max Vehar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002363, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wäre es nach den Ausführungen, die Sie eben gemacht haben, nicht redlicher, entsprechend dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion in der Überschrift des Gesetzesentwurfes nicht von einem Ausbauplan, sondern von einem Bedarfsplan zu sprechen?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Ich streite mit Ihnen nicht um Worte. Mir geht es lediglich darum, was hier zur Debatte steht. Meine Damen und Herren, es wird, wenn man einen solchen Bedarfsplan vorlegt, immer offenbleiben, wie man ihn in die Praxis umsetzt. Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang auf ein paar Fragen zu sprechen zu kommen, und zwar frei von aller Polemik, die man damit verbinden kann. Es kann nicht meine Aufgabe sein, mich auf das Gebiet der Polemik zu begeben. Hier ist zunächst bezweifelt worden, ob die Preissituation richtig eingeschätzt worden ist. Vielleicht haben diejenigen recht, die ein Fragezeichen hinter die oder die Größe machen. Vielleicht haben diejenigen recht, die dieses Fragezeichen für falsch halten. Ich kann Ihnen objektiv nur folgendes sagen. Im Verlauf der letzten zehn Jahre - bis zum Jahre 1970 - sind die Preise im Straßenbau stabil ge6746 blieben. Ich bilde mir sogar ein, daß ich - nicht hier in diesem Hause, sondern ehe ich ein Ministeramt übernommen habe - einen Teil dazu beigetragen habe. ({0}) - So kleinkariert, Herr Mursch, das überlasse ich Ihnen; ich rede hier über eine große Entwicklung. ({1}) Die Preise sind nicht nur stabil gewesen, sondern sie haben sich angesichts einer heftigen Rationalisierungsentwicklung bei Verbesserung der Qualität des Autobahnkilometers nach unten entwickelt. Glauben Sie vielleicht, ich würde meine Hand dazu geben, nun eine Prognose zu machen, daß das in den nächsten 20 Jahren bei der Verwirklichung dieses Programms nicht auch weiter möglich wäre, würde mich hier auf fahrlässige Preisprognosen einlassen? Ich kann nur sagen: worum es hier geht, ,das sind ein paar andere Größen. Das sage ich ohne Vorwurf und Kritik, sondern mit der Bitte, daß jeder versucht, das für sich selbst zu bedenken. Ich möchte erstens daran erinnern, daß das Bauvolumen jährlich gestiegen ist, von Anfang der fünfziger Jahre an bis heute, Jahr für Jahr, auch in den Jahren meines Vorgängers. Ich habe nie bestritten, daß die Bundesrepublik auch, bevor ich das Amt übernommen habe, gute Straßenbauleistungen vollbracht hat, habe immer zum Ausdruck gebracht - das steht im Verkehrsbericht an guter I Stelle -, wo wir im internationalen Konzert lagen, aber auch dazugefügt, welcher besondere Bedarf diesem Lande mit seiner hohen Transitfunktion, seiner wirtschaftlichen Entwicklung im besonderen, gestellt ist, was es auf dem Gebiet von anderen Ländern in Europa unterscheidet. Das erste, um was ich bitten möchte, ist, wenn Sie die Frage aufwerfen „Kann das finanziert werden?": Hüten wir uns alle bitte davor, die Mittel, die jetzt schon durch Gesetz zur Verfügung stehen und von denen wir wissen, daß sie nicht voll ausreichen, für andere Zwecke verbraucht werden als für die, die hier nach dem Bedarfsplan notwendig sind. ({2}) Darin ist keiner von uns frei. Erst vor ein paar Monaten haben wir über einen Gesetzentwurf und ein politisches Vorhaben diskutiert, das aus den Reihen der Opposition kam, Mittel, die hier zur Verfügung stehen und für den Bundesfernstraßenbau vorgesehen waren, für andere Zwecke als für den Bundesfernstraßenbau zu verwenden. ({3}) Wer kritisiert, daß das nicht ausreicht, muß zunächst einmal die Finger von dem lassen, was hier an sich vorgesehen ist. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mursch?

Karl Heinz Mursch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001577, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesverkehrsminister, Sie wissen doch, daß die großen Preissteigerungen Straßenbau - ich habe die Zahlen ja vorhin genannt - im Jahre 1970 eingetreten sind. Womit wollen Sie Ihren Ausdruck „kleinkariert" rechtfertigen, wenn ich Ihre Zahl 1970 auf 1969 korrigiert habe im vollen Bewußtsein, daß die Preissteigerungen im Jahre 1970 in diesem Maße gekommen sind?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Lieber Herr Mursch, ich wollte Ihnen nur dies sagen: ich habe Verständnis dafür, wenn der persönliche Referent meines Herrn Vorgängers bei solchen Dingen noch aufmerksamer zuhört, als der Abgeordnete Mursch es an sich braucht. Im übrigen bin ich der Auffassung: man muß nicht bei jedem Satz, der hier gesprochen wird, Zwischenrufe machen, die in einen anderen Sachzusammenhang gehören. ({0}) - Ich komme auf das Thema Preise noch zurück, - Das hat mit billig nichts zu tun. Wir haben es hier zunächst mit einem durch Gesetz gesicherten Bedarf in der Größenordnung von 95 Milliarden DM zu tun. Sie sagen nun, Sie haben Zweifel an der Bautätigkeit. Ich möchte Ihnen da sagen: wir haben in den letzten Jahren Jahr für Jahr mehr gebaut, und dies mag auch eine Antwort auf Ihre Zwischenfrage sein. Ich weiß sehr genau, was gebaut worden ist. Bis zum .Jahre 1950 gab es in diesem Gebiet, in der Bundesrepublik Deutschland, 2100 km Autobahn. In 16 Jahren, von 1950 bis 1966, sind 1400 km Autobahn gebaut worden. Im letzten Vierjahresplan - in vier Jahren - sind etwa 850 km Autobahn gebaut worden. Hier sieht man die Steigerung in der Zeit von 1950 bis 1970. Diese Steigerung setzt sich auch 1971 fort. Wir haben 1970 für den Straßenbau des Bundes 5,1 Milliarden DM aufgewandt. In diesem Jahr stehen im Bundeshaushalt für diesen Zweck 5,7 Milliarden DM. Ich bin dem Hohen Hause sehr dankbar dafür, daß es diese Mittel bewilligt hat, die die Bundesregierung dafür vorgesehen hat. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch etwas zu einem Wort sagen, das in der polemischen Auseinandersetzung um diesen Sachverhalt draußen immer wieder hochkommt! Mit der Frage, ob dieser Bedarfsplan finanziert sei, wird draußen im Lande das Gespenst verbreitet, als gebe es keine Vollbeschäftigung in der Bauwirtschaft. Ich kann Ihnen nur sagen: So voll ausgelastet, wie die Straßenbauwirtschaft von der Nachfrage des Bundes her war und wie sie 1971 durch Daten, die im Haushalt festgeschrieben sind, ausgelastet wird, war sie noch nie in der Vergangenheit. Ich bin davon überzeugt - nachdem jedermann hier im Hause weiß, daß das nicht eine Aufgabe ist, die man unterackern kann -, daß das auch in der Zukunft so bleiben wird. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu der Frage, warum Bedarfsplan und warum nicht Ausbauplan! Hier liegt nämlich die Verwirrung. Wir hatten zuerst die Absicht, einen Ausbauplan vorzulegen. Das hängt auch mit den Texten zusammen. Es war auch im Kern, innerhalb des Gesetzes, ein Ausbauplan für fünfzehn Jahre. Das war im Jahre 1969. Auf dieses Vorhaben bezogen sich auch Reden, die heute in diesem Hohen Hause zitiert werden. Diese Reden habe ich damals so gehalten. Wir sind aber dann in der Auseinandersetzung mit den Ländern von der ursprünglichen Idee: wir wollen ein konkretes Konzept mit genannten Projekten, die in fünfzehn Jahren finanziert und baulich durchgeführt werden, vorlegen, abgetrieben worden, weil beispielsweise im Bundestagswahlkampf 1969 in Bayern die Behauptung aufgestellt worden ist, wir hätten eine ganze Reihe wichtiger Autobahnen nicht in den Plan aufgenommen, die im bayerischen Konzept stehen. Dabei war das bayerische Konzept, das synchron mit dem, was die Bundesregierung erarbeitet hat, entwickelt worden war, auf zwanzig Jahre bezogen, nicht auf fünfzehn. Ich dachte, es sei eigentlich gar nicht nötig, daß wir uns hier vorwerfen lassen, wir bauten nicht, was eigentlich nötig sei was nicht zu bestreiten ist -, und wir nähmen in ein Konzept von fünfzehn Jahren nicht das auf, was in einem anderen Konzept für zwanzig Jahre vorgesehen war. Wir haben deshalb die Vorstellung verlassen, ein Fünfzehn-Jahres-Programm zu fixieren, sondern sind vom Gesamtbedarf ausgegangen und haben das übernommen, was auch nach unseren Ermittlungen im ganzen erforderlich war. ({1}) Dies ist der Plan, der Ihnen vorliegt, meine Damen und Herren. Die zweite Frage, die sich damit verbindet, ist: Warum lassen wir uns mit dem, was wir konkret ins Auge fassen, zunächst nur auf einen Zeitraum von fünfzehn Jahren ein und erfüllen damit den Gesamtbedarfsplan nicht? Jeder hier im Hause muß wissen, daß der Gesamtbedarfsplan in fünfzehn Jahren nicht verwirklicht wird, es sei denn, man setzt viel mehr an, als bereits jetzt angesetzt werden muß. Wir sind davon ausgegangen, daß man fünfzehn Jahre notfalls noch halbwegs exakt übersehen kann. Eine längere Zeit läßt sich schwerer übersehen, schwerer prognostizieren. Es gibt keine zuverlässigen Methoden, wie man das machen kann. Wir sind außerdem schon in den letzten zwei, drei Jahren zu der Erkenntnis gekommen, daß es unabhängig von den Preisen Dinge gibt, die man nicht abwägen kann. Wie schnell sich die Entwicklung vollziehen kann, zeigt beispielsweise die Tatsache, daß wir in den letzten beiden Jahren einen Zugang an Kraftfahrzeugen haben, der höher ist als alles, was früher einmal vermutet worden ist. Da können Sie sagen. was Sie wollen, meine Damen und Herren: das ist nicht gerade ein Beweis dafür, daß die Kaufkraft in unserem Lande nachgelassen hat. ({2}) Vielmehr ist die Möglichkeit, ein Auto zu kaufen, größer geworden; es ist schneller gekauft worden. Das alles wirft natürlich Probleme auf, die die Dichte des Verkehrs betreffen und dazu führen, daß der Rang des Straßenbaus auch politisch neu überdacht werden muß. Erlauben Sie mir noch ein paar Bemerkungen zum Vergleich zwischen dem ersten und dem zweiten Plan! Der erste Plan war ein Ausbauplan. Man hätte ihn genausogut „Bedarfsplan" nennen können; denn an dem Tag, an dem er vom Parlament beschlossen wurde, gab es überhaupt keine vom Gesetzgeber vorgesehene finanzielle Sicherung seiner Durchführung. Die erste gesetzliche Regelung für die Festlegung von Mitteln in der öffentlichen Hand für den Bau von Bundesfernstraßen gab es erst drei Jahre später, nämlich im Jahre 1960. ({3}) Insofern stimmte die Bemerkung des damaligen Abgeordneten Schmidt, die soeben unter dem Beifall der CDU von Herrn Kollegen Müller-Hermann zitiert worden ist, dies sei ein sehr unseriöser Plan gewesen, weil keinerlei Finanzierung bei seiner Beschlußfassung vorgesehen war. Ich will das hier nicht wiederholen. Sie haben es beklatscht. Deshalb wird das, was Helmut Schmidt damals gesagt hat, nicht falsch gewesen sein. ({4}) Dieser Plan, meine Damen und Herren, unterscheidet sich von dem damaligen Plan, den Sie vorgelegt haben und der beschlossen worden ist, dadurch, daß er zum überwiegenden Teil, was auch von Ihnen unbestritten ist, durch Gesetz finanziert ist. Wenn niemand daran rütteln will, stehen unstreitig rund 95 Milliarden DM bei einem Bedarf, den man mit 150 Milliarden DM oder wie auch immer veranschlagen kann, zur Verfügung. Etwa zwei Drittel sind durch Gesetz finanziert. Ich finde, das ist eine gute Sache. Im übrigen bin ich im Bauen erfahren genug, um zu wissen, daß man sich in der Regel während des Bauens um die Restfinanzierung Gedanken macht. Das ist die Restfinanzierung, und dazu werden wir schon noch kommen. Der größte Brocken der Finanzierung liegt hinter uns. Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Preisen. Das gehört zwar nicht in den Zusammenhang, aber es hängt mit der Frage zusammen, wie sich das durchführen läßt. Herr Lemmrich hat vorhin gefragt, ob ich nicht wisse, wie es damals gewesen sei. Er hat gesagt, ich wisse nicht, daß man damals Ziegelsteine saubergemacht habe. Herr Lemmrich, ich weiß nicht, ob es viele in diesem Hause gibt, die so etwas gemacht haben. Ich habe jedenfalls damals welche saubergehackt. Ich habe dort gestanden und gearbeitet, ({5}) wo sie saubergemacht werden mußten. - Andere auch; ich weiß sehr wohl, wie das war. ({6}) - Ich weiß nur dies: Hier gibt es ein paar Unwägbarkeiten, die man richtig einschätzen und politisch richtig einsetzen muß. Sie haben mir vorgehalten, in einem Papier der Bundesregierung stehe, man müsse für die nächsten 15 Jahre mit jährlichen Preissteigerungen von 3 % rechnen. Ich kann nicht bestreiten, daß das in einem Papier des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft steht. ({7}) - Gut! Aber es bezieht sich auf eine Aufgabe im Bereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Dort werden keine Straßen gebaut, sondern damit sind ganz andere Objekte gemeint. Ich vermag auch jetzt nicht zu entscheiden, inwieweit diese Angabe den Tatsachen standhält, wenn man später einmal rückwirkend betrachtet, ob es so gekommen ist oder nicht. Ich sage Ihnen nur folgendes, und das nehme ich für mich in Anspruch: Aufgabe einer Regierung muß es sein, dafür zu sorgen, daß es nicht zu Preissteigerungen kommt, und wenn sie es mit Preissteigerungen zu tun hat, müssen sie bekämpft werden. ({8}) Man sollte nach Möglichkeit darauf hinwirken, daß die Preissteigerungen aufhören, und sich nicht darauf einlassen, Preissteigerungen für 15 Jahre zu prognostizieren. ({9}) - Doch, Sie bringen den Humor auf. ({10}) Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ein wenig polemisch folgendes einzuflechten. Wenn Sie behaupten, wir müßten in den nächsten 15 Jahren mit jährlichen Preissteigerungen von 3 °/o rechnen - Sie haben sogar eine Hochrechnung aufgestellt -, und erklären, wenn ich richtig gehört habe, die CDU sei die Partei der stabilen Preise, während SPD und FDP die Parteien der Inflation und der Preissteigerungen seien, dann rechnen Sie doch wohl damit, daß wir in den nächsten 15 Jahren regieren. Sonst dürfte es doch nicht dazu kommen. ({11}) - Ja, das ist immer so, wenn ich so etwas sage. Ich wollte Ihnen nur sagen, ich nehme das nicht ernst. ({12}) Das wollte ich nur einflechten. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, 15 Jahre lang Preissteigerungen zu prognostizieren, sondern wir haben dafür zu sorgen, daß wir es nach Möglichkeit im nächsten Jahr nicht mehr mit Preissteigerungen zu tun haben. ({13})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Ich möchte den Gedanken nur abschließen. - Ich sage das jetzt gar nicht - ({0}) - Frau Kalinke, Sie sind in Sachen Straßenbau, glaube ich, nicht die Allersachverständigste. ({1}) - Es war nicht schön, was Sie gesagt haben; aber ich verzeihe es Ihnen trotzdem. ({2}) Meine Damen und Herren, in allem Ernst: ich freue mich darüber, dem Hohen Hause sagen zu können, daß der Gipfel der Preissteigerungen - das hoffe ich wenigstens -, die wir auch im Straßenbau registriert haben, nach meinem Eindruck hinter uns liegt. Ich stelle nämlich zwei Dinge fest, erstens, daß wir es partiell mit einem neuen Unternehmerverhalten bei der Abgabe von Angeboten zu tun haben. Vor einem Jahr war es noch gar nicht so leicht, genügend Angebote zu bekommen, man mußte froh sein, wenn genügend Unternehmer ein Angebot abgaben. Im Augenblick ist es so, daß die Zahl der Bewerber viel größer geworden ist. Wir bekommen im Augenblick Preisangebote in die Hand, die nicht nur geringere Preise als im vergangenen Jahr auszeichnen, sondern die den Preisstand des Jahres 1968 durchaus wieder aufnehmen. Ich hoffe, daß sich das in der ganzen Breite langsam fortsetzt, dann sind wir über den schwierigsten Berg hinweg. Ich halte es für meine Aufgabe, mit dafür einzutreten, daß diese Abwärtsentwicklung der Preise weiter anhält. Meine Damen und Herren, nun zu dem Punkt, der noch offen ist. Niemand hat den Bedarf bestritten; das eigentliche Gesetz steht hier überhaupt nicht in Streit, sondern es ist nur die Frage, inwieweit die Finanzierung gesichert werden kann. Dazu habe ich bei der Vorlage des Verkehrsberichts im Dezember 1970 meine Meinung gesagt und drei Möglichkeiten aufgezeigt. Ich sage hier dem Hohen Hause, ohne daß ich mich jetzt über die Finanzierung weiter auslasse: soweit es eine Lücke gibt, die über die jetzt gesetzlich vorgesehene Bindung hinausgeht, ist sich die Bundesregierung durchaus bewußt, daß sie eine Antwort an das Hohe Haus zu geben hat. Ich habe damals drei Möglichkeiten dargestellt, vor denen wir stehen, und ich sage dem Deutschen Bundestag heute, ,die Bundesregierung läßt sich nicht darauf ein, zu einem Zeitpunkt, den sie selbst für falsch hält, Antwort auf diese Frage zu geben. DesBundesminister Leber halb haben wir auch Ihre Kleine Anfrage nicht präzise beantwortet, wie Sie sagen werden. ({3}) - Sie sollten zuhören, Herr Kollege Rawe, was ich jetzt sage. ({4}) Ich sage hier, das Gesetz, wie hoch der Betrag sein soll, wird im Jahre 1971 hoffentlich vom Deutschen Bundestag beschlossen. Die Bundesregierung wird nach der Beschlußfassung des Hohen Hauses über das Gesetz im Jahre 1971 so rechtzeitig, daß der Deutsche Bundestag noch vor dem 1. Januar 1972 zur Beschlußfassung in der Lage ist, ihre Antwort auf die Frage geben, wie die finanzielle Lücke im Bundesfernstraßenhausnalt geschlossen werden soll. Dann ist die Zeit allerdings vorbei, in der man den Mund spitzen kann, dann muß gepfiffen werden. Und ich sage Ihnen, aus dem ganzen Klima dieser Debatte heute, auch wenn es manchmal ein bißchen kontrovers war, schöpfe ich die Hoffnung, daß das Hohe Haus wohlwollend bereit sein wird, dem Straßenbau dann zu geben, was er nach der Auffassung aller Fraktionen und nach meiner Auffassung notwendig hat. ({5})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich habe die große Ehre und Freude, seine Exzellenz, den Präsidenten der Nationalversammlung der Islamischen Republik Mauretanien, Herrn Präsidenten Youssof Koita, und den Herrn Abgeordneten Mohammed Fall Babaha zu begrüßen. Es ist eine besondere Freude, Gäste aus Mauretanien in unserem Lande und hier im Deutschen Bundestag willkommen zu heißen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir fahren fort in der Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Klarheit, die Herr Minister Leber eingangs seiner Rede angekündigt hat, ist er uns heute erneut schuldig geblieben. In seinen Ausführungen ist er genauso wie bei seinem Verkehrsbericht, den er dem Hohen Hause im vergangenen Jahr vorgelegt hat, um den heißen Brei herumgegangen. Ich meine, in der Weise, wie er den Kollegen Mursch abqualifiziert hat, in dieser billigen Weise zeigt sich doch, daß sich der Verkehrsminister seiner Sache nicht sicher ist. ({0}) Der Straßenausbauplan, Herr Bundesverkehrsminister, den Sie vorgelegt haben, wurde - das ist doch eine Tatsache - auf das vermeintliche Verkehrsaufkommen im Jahre 1990 ausgerichtet, und zwar mit dem Ziel, den sich daraus ergebenden Verkehrsbedarf dann zu decken. Dieser Plan wurde in der Öffentlichkeit als das große Werk herausgestellt, wodurch alle notwendigen Straßen beschafft werden könnten. Wie auf manch anderen Gebieten wurde auch hier der Öffentlichkeit suggeriert, als könnten diese Straßen nun tatsächlich gebaut werden. Wenn aber heute, Herr Verkehrsminister, feststeht -- das konnten Sie gar nicht bestreiten -, daß nur die Hälfte des Bedarfs gedeckt werden kann, weil nur die Hälfte des Finanzvolumens für die Bedarfsdeckung bis 1985 bzw. 1990 zur Verfügung steht, dann steht doch auch fest, daß wir bis zum Jahre 1990 - vermutlich schon in viel früherer Zeit - ein erhebliches Verkehrschaos zu erwarten haben. ({1}) Eine weitere Hypothek, die auf Ihren Verkehrsausbauplan zukommt, ist die Tatsache, daß noch Maßnahmen im Gange sind, die bereits längst hätten abgeschlossen werden sollen. Damit wird also ihr ganzer Plan erneut verdrückt. Daraus ergibt sich doch eindeutig, Herr Verkehrsminister, daß Ihr Gesetzentwurf kein realer Plan ist. Er ist nicht ehrlich. Diese Unaufrichtigkeit beginnt schon bei der Überschrift. Sie haben heute wieder behauptet, es sei ein Bedarfsplan. Der Gesetzentwurf trägt die Überschrift „Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985". Daraus muß doch gefolgert werden, daß man hier in der Öffentlichkeit etwas ganz anderes erreichen möchte, als dieser Plan in Wirklichkeit darstellt. ({2}) Dieser Plan, der der Öffentlichkeit immer wieder als ein Kolossalgemälde präsentiert wurde - ich möchte gar nicht auf den Bundestagswahlkampf 1969 eingehen -, der, wie Herr Kollege Lemmrich augenfällig aufgezeigt hat, immer wieder als die große Hoffnung für den Straßenbau und den Verkehr herausgestellt wurde, hat, wie sich gezeigt hat und Sie es heute haben einräumen müssen, kein Fundament. Er ist also kein realer Plan, sondern ein reines Kartenhaus, man muß sagen: eine Utopie. Denn dieser Plan ist nicht auf das Jahr 1985, sondern auf das Jahr 2000 ausgerichtet. Dies sollte man dem Bürger draußen klarmachen. Man sollte ihm klaren Wein einschenken, damit er weiß, wie er dran ist. Sie, Herr Minister, haben heute einen gewissen Rückzug angetreten, indem Sie darauf hingewiesen haben, daß es nur ein Bedarfsplan sei und nicht mehr gewünscht sei. Aber warum haben dann die Koalitionsparteien unseren Antrag im Verkehrsausschuß abgelehnt, der diesem Gesetzentwurf die klare Bezeichnung geben wollte? Bei dieser irreführenden Überschrift können wir dem Gesetzentwurf in keiner Weise zustimmen. Die Schere zwischen Bedarf an Straßen und Finanzmasse wird sich infolge der hohen Preissteigerungen in keiner Weise verändern, sondern weiter öffnen. Wenn bis 1969 der Preisanstieg weitaus niedriger war, dann war das in erster Linie auf die damalige Finanz- und sicher auch auf die Wirtschaftspolitik, die von der Finanzpolitik beeinflußt war, zurückzuführen. Zur Finanzierung - hierauf hätten wir heute von Ihnen eine Antwort erwartet - hat sich die Regierung wieder ausgeschwiegen. Die Erwartungen, die an den Verkehrsbericht des vergangenen Jahres geknüpft wurden, sind nicht erfüllt worden. Wir sind damals enttäuscht worden. Damals haben Sie schüchterne Andeutungen gewagt, wie dieses Kolossalgemälde finanziert werden soll. Herr Kollege Wende hat heute einige Modellspiele getrieben. Er hat nur etwas anklingen lassen. Aber von Ihnen, Herr Verkehrsminister, wäre heute eine Antwort fällig gewesen. Wir sind nicht enttäuscht worden, weil wir nach dem, was wir in der Vergangenheit und vor allem auf unsere Anfragen gehört und gelesen haben, nichts anderes erwarten konnten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube also, gerade in dieses Gesetz, in diesen Ausbauplan muß mehr Wahrheit und Klarheit hinein, damit sich die Bevölkerung und auch die Verkehrswirtschaft darauf einrichten können. ({3}) Die Verkehrsprobleme stehen heute deshalb mit im Mittelpunkt des allgemeinen öffentlichen Interesses, weil das Straßennetz nicht mehr einwandfrei funktioniert. Das Angebot entspricht nicht mehr der Nachfrage. Die Funktionsfähigkeit des Verkehrs ist aber sowohl für die Bevölkerung wie auch für die Wirtschaft von existentieller Bedeutung. Ein moderner Industriestaat kann sich eben auf Dauer keinen kranken Verkehr leisten. Deshalb kommt dem weiteren Ausbau des Straßennetzes eine ganz große Bedeutung zu. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein anderes Problem zur Sprache bringen, die Bedeutung des Straßenausbaues für die Strukturpolitik. Gerade für die Strukturpolitik hat der Straßenausbau eine weittragende Bedeutung. Die strukturschwachen Gebiete in den peripheren Räumen können ihre Nachteile nur dann abbauen, und ihre Wirtschaftskraft kann nur dann angehoben werden, wenn die Infrastruktur entscheidend verbessert wird. Dazu gehören in erster Linie moderne Straßen in diese Räume. Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse - das heißt, bessere Straßen - ist in diesen Gebieten, besonders in dem revierfernen ostbayerischen Zonenrandgebiet, das Sie eben auch erwähnt haben, Herr Verkehrsminister, ein Problem erster Ordnung. Es ist zwingend notwendig, dort im Wege von Betriebserweiterungen oder Betriebsansiedlungen weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Dies läßt sich aber nur dann leichter ermöglichen, wenn diese Gebiete verkehrlich gut erschlossen sind und gut an das Fernstraßennetz angeschlossen sind. Beim Straßenausbau in diesen Räumen darf deshalb nicht ausschließlich vom Bedarfsdeckungsprinzip, vom sogenannten Frequenzdenken, ausgegangen werden, sondern hierbei muß auch die Erschließungsfunktion der Straßen für diese Räume gesehen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Bedarfsplan wird das Zonenrandgebiet weiter abgehängt. Dieser an sich unverbindliche Bedarfsplan - wie er immer hingestellt wird und der in seiner Finanzierung völlig in der Luft hängt. - legt nämlich eines verbindlich fest: die Reihenfolge der Baumaßnahmen. Daraus ergibt sich, daß die strukturschwachen Räume nicht ihren Notwendigkeiten entsprechend berücksichtigt worden sind. Das „Rot", das die Maßnahmen der ersten Dringlichkeit auf der Karte kennzeichnet, ist sehr spärlich vertreten. Von der politischen Farbe rot bin ich wohl nicht begeistert. Aber in diesem Plan hätte ich mir mehr Rot gewünscht, damit er den Notwendigkeiten dieser unterstrukturierten Gebiete gerecht wird. Gerade in diesen Gebieten sind die meisten Maßnahmen nämlich in der zweiten und dritten Dringlichkeit eingestuft. Dies bedeutet, nachdem bis 1985 nur die erste Dringlichkeit erfüllt sein kann, daß bis dahin die weiteren Dringlichkeitsmaßnahmen nicht in Angriff genommen werden. Infolgedessen können die Straßen, die dort besonders notwendig sind, erst nach 1985 gebaut werden. In diesem Plan ist auf Kosten der Erschließungsfunktion der Bedarf für die Ballungsräume in der Dringlichkeit weit überzogen worden. Dies wirft die anderen Räume in ihrer weiteren Entwicklung, wenn der Plan so abgewickelt wird, erheblich zurück. Im Bericht über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes vom 6. November 1970 wird behauptet, im Zonenrandgebiet betrage die Zunahme des Netzes im Bedarfsplan 60 °/o. Damit wird nur Sand in die Augen gestreut; denn die Tatsachen sehen leider Gottes anders aus. Durch die verbindliche Dringlichkeitsfeststellung in diesem Gesetz werden die Maßnahmen für diese Räume nämlich in die Zeit nach 1985 verwiesen. Von einer gleichrangigen Behandlung kann hier keine Rede sein. Den vielen Versprechungen und Beteuerungen der Bundesregierung sind auch hier die Taten nicht gefolgt. Ich darf nur erwähnen, daß in der Regierungserklärung ausgeführt worden ist, daß die Verbesserung der Infrastruktur unserer Wirtschaft ein leistungsfähiges Verkehrswesen erfordert. Weiter ist in dieser Regierungserklärung gesagt worden, daß ein Schwerpunkt die Verbesserung der Chancen strukturell schwacher Gebiete sein müsse. In § 4 des Zonenrandförderungsgesetzes, das dem Hohen Hause im vergangenen Jahr vorgelegt wurde, steht: „Die Verkehrserschließung und Verkehrsbedienung sind im Zonenrandgebiet im Rahmen des Ausbaues der Bundesverkehrswege bevorzugt zu fördern." Auch die Kollegen von der SPD aus dem ostbayerischen Raum haben inzwischen eingesehen, daß das Zonenrandgebiet und hier insbesondere der ostbayerische Raum beträchtlich benachteiligt wurde. Auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Grenzland am 26. Januar 1971 in St. Englmar hat der Herr Kollege Zebisch namens der anwesenden Kollegen der SPD zugesagt, daß er ein Gespräch aller ostbayerischen Abgeordneten mit dem Herrn Bundesverkehrsminister herbeiführen werde, um die Prioritäten für diesen Raum zu verändern. Dieses Gespräch ist bis heute nicht zustande gekommen. Ich habe den Eindruck, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie von Ihrem Gesetzentwurf nicht so sehr überzeugt sind, sondern - und das zeigt Ihr Verhalten gerade zu diesem Termin - mehr ein ungutes Gefühl darüber haben. Die Auswirkungen dieser Dringlichkeitsregelung, die hier im Gesetz verbindlich festgelegt wird, haben sich in manchen Gebieten, insbesondere in Bayern, schon im Frühjahr dieses Jahres deutlich eingestellt. Auf dem flachen Land und vor allem in den Randgebieten ist ein erheblicher Rückgang der Straßenbautätigkeit mit allen nachteiligen Folgen und Begleiterscheinungen festzustellen. Um weitere Schäden zu verhindern, müssen im Hinblick auf die Unsicherheit und Unsolidität des Ausbauplans die zeitlichen Prioritäten geändert werden. Es müßte vor allem, was in der Regierungserklärung und vor allem auch in diesem Zonenrandförderungsgesetz zum Ausdruck kommt, den Gesichtspunkten der Raumordnung mehr Geltung verschafft werden. Herr Bundesverkehrsminister, ich glaube, die bittere Wahrheit, die Sie uns heute verschwiegen haben, wird sich bei der Vorlage des ersten Ausbauplanes offenbaren. Dann wird sich zeigen, daß in manchen Gebieten nur wenige Neubauprojekte bis 1975 in Angriff genommen werden können und daß es sich bis dahin nur um den Fertigbau der auslaufenden Projekte handelt. Dies ist aber angesichts des Bedarfs an Straßen für die Verkehrserschließung wie auch für die Wirtschaftsentwicklung auf die Dauer nicht haltbar. Das Barometer der Verkehrspolitik läßt also auf düstere Ausblicke schließen. Die Verhältnisse beim Straßenbau offenbaren dies allzu augenscheinlich. Grundvoraussetzung, um hier voranzukommen, ist eben die Wiederherstellung der Stabilität. Hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir von der Opposition die Hoffnung inzwischen begraben müssen. All diese Untätigkeit und all diese schlechte Wirtschaftspolitik strahlt eben in besonderem Maße auf den Verkehr aus. Das, was Sie, Herr Verkehrsminister, vorgelegt und heute nur sehr zaghaft verteidigt haben, ist nicht geeignet, eine Grundlage für einen realen Straßenbau für die nächsten 15 Jahre abzugeben. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Wrede.

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen der Sprecher der Opposition am heutigen Vormittag machen zum wiederholten Male das Dilemma deutlich, in dem sich diese Opposition im Deutschen Bundestage befindet. ({0}) Diese Partei, die nach ihrem Selbstverständnis davon ausgeht, daß nur sie regierungsfähig sei, ({1}) kann sich nicht überwinden, zuzugeben, daß diese Regierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine beachtliche Leistung auf den Tisch dieses Hauses gelegt hat. ({2}) Dieses Dilemma wird auch weiterhin deutlich in der Beurteilung dieses Gesetzentwurfs durch den Kollegen Lemmrich. Während er bei der ersten Beratung im Ausschuß durchaus sehr positiv zu diesem Gesetzentwurf Stellung nahm, war seine Stellungnahme bei der ersten Lesung doch schon merklich abgekühlt, in einigen Punkten sehr kritisch, und das hat sich fortgesetzt bis zu dem, was er am heutigen Tage hier zum Ausdruck gebracht hat. Ich glaube, daß diese Entwicklung einfach damit zusammenhängt, daß nach der Ansicht der Opposition nicht sein kann, was nicht sein darf. Und es darf nicht zugelassen werden das paßt nicht in die Politik dieser Opposition -, zuzugeben, daß diese Regierung in der Lage ist, Leistungen aufzuweisen, und daß sie insbesondere in diesem Punkt etwas auf den Tisch gelegt hat, was eigentlich bei sachlicher Prüfung auch der Opposition Anlaß zu positiver Beurteilung geben sollte. Zur Sache ist schon so viel gesagt worden, daß ich mich nur auf einige wenige Bemerkungen zu einzelnen Punkten beschränken kann. Ich hatte auch erwartet - Herr Kollege Wende hat das ausgeführt , daß Herr Kollege Lemmrich, nachdem er seine Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf losgeworden ist, die Stellung der Opposition deutlich machen und sagen würde, was sie denn an Stelle dieses Gesetzentwurfes hier im Bundestag vorbringen wolle. Ich sah mich auch hier enttäuscht. Herr Kollege Lemmrich hat dann eine Mischung gefunden von persönlichen Vorwürfen und Kritik am jetzigen Bundesverkehrsminister und einer Rückblende auf die großen Zeiten seines Vorgängers. Wenn man, Herr Kollege Lemmrich, eine solche Mischung anbringt, muß man das sehr genau überlegen; sonst kommt es sehr leicht vor, daß man Eigentore schießt. Wenn Sie also hier und ich meine, nicht einmal ganz zu Unrecht - zum Ausdruck bringen, daß der Herr Bundesverkehrsminister Leber auf dem aufgebaut und an dem weitergearbeitet habe, was sein Vorgänger getan habe, und wenn Sie weiterhin in Ihren Ausführungen für manche Mängel und Fehlleistungen, die wir sicher ganz allgemein heute im Verkehr zu beklagen haben, die Schuld dem jetzigen Verkehrsminister in die Schuhe schieben, dann sollten Sie doch einmal darüber nachdenken, daß das ja wohl nicht gehen kann, einmal die Leistungen der Vergangenheit in Anspruch zu nehmen und zu sagen, darauf baut der jetzige Verkehrsminister auf, zum anderen, wenn kein so positives Ergebnis dasteht, sondern es zu Fehlentwicklungen kommt, aber zu sagen, das ist die Schuld des jetzt amtierenden Ministers. Denn auch Sie wissen - und das ist wiederholt festgestellt worden daß im Bereich des Straßenbaus von der ersten Planung bis zur Fertigstellung der Maßnahme ein Zeitraum von einigen Jahren, viele Leute sagen, von sechs bis acht Jahren, vergeht. Dann müssen Sie doch Fehlentwicklungen, die Sie heute selbst beklagen, auf Planungen des früheren Verkehrsministers zurückführen. Ich muß Ihnen auch ganz ehrlich sagen, Herr Kollege Lemmrich, was Sie hier im Zusammenhang mit der bedauerlichen Entwicklung im Bereich der Verkehrstoten zum Ausdruck gebracht haben, würde man bei uns zu Hause „Schlitzohrigkeit" nennen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wrede, haben Sie wirklich noch genau im Gedächtnis, was ich gesagt habe? ({0}) Vielleicht lesen Sie all das einmal, was Ihre politischen Freunde 15 Jahre lang im Deutschen Bundestag dazu gesagt haben, und vielleicht darf ich Sie fragen, wären Sie bereit, auch einmal zu studieren, inwieweit Ihre Freunde nie die Gelegenheit vorbeigehen ließen, dieses Problem hier breit auszuwalzen?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Lemmrich, das Institut der Zwischenfrage eignet sich natürlich nur zu Zwischenfragen.

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Lemmrich, Sie hätten sich diese Zwischenfrage ersparen können, denn genau zu idem, was Sie gesagt haben, wollte ich kommen. Ich sage noch einmal: so, wie Sie das hier behandelt haben, würde man bei uns zu Hause das als Schlitzohrigkeit bezeichnen. Sie haben sich hingestellt und gesagt: Ich werde nicht wie die Sprecher der Opposition 15 Jahre lang die Schuld für die bedauerlichen Verkehrstoten dem Bundesverkehrsminister zuschieben, obwohl - und jetzt kommt das, was ich mit Schlitzohrigkeit meine - genau unter der Verantwortung des jetzigen Bundesverkehrsministers die Zahl der Verkehrstoten in so bedauerlichem Maße zugenommen hat. Herr Kollege Lemmrich, so kann man es also doch nicht darstellen, erst sagen: „Ich werde nicht ..." und dann mit einem Nachsatz genau ,das tun, wovon man vorher groß angekündigt hat, daß man es nicht tun wolle. Das nenne ich - und jetzt gebrauche ich Ihre Worte - wahrlich nicht sehr seriös. Nun ist hier gesagt worden ich war eigentlich der Meinung, bis der Kollege Dr. Jobst sich meldete, daß nach der Diskussion, insbesondere nach der Stellungnahme des Bundesverkehrsministers, mittlerweile auch Ihnen allen klargeworden sei, um was es bei diesem Bedarfsplan gehe -, das ist kein konkreter Ausbauplan; es ist auch zum Ausdruck gebracht worden, warum das nicht so ist. ({0}) Herr Kollege Dr. Jobst und, ich glaube, auch Herr Kollege Lemmrich haben ausgeführt, wenn man nach den finanziellen Vorausschauen, wie sie jetzt zur Verfügung stehen, geht, dann ist das ein Bedarfsplan bis in das Jahr 2000 hinein. Wenn ich mir das anhöre, dann muß ich sagen, genau an diesem Punkt fängt wohl das mangelnde Verständnis für die Grundlagen dieses Bedarfsplanes an. Warum denn - meine Herren, das sollten Sie wissen -, ist das Jahr 1985 gewählt worden? Weil davon ausgeganggen werden kann - und so ist es auch in den Beratungen deutlich geworden -, daß dann der Sättigungsgrad bei der Kfz-Zunahme erreicht ist, und daß danngenau der Punkt ist, wo man ausmachen kann, in welchem Umfang die Straßen in der Lage sind, den unter dieser Prognose entstehenden Verkehr aufzunehmen, und in welchem Maße sie weiter ausgebaut bzw. neu gebaut werden müssen. Darum doch das Jahr 1985 und nicht das Jahr 2000. Hier spielt nicht das Finanzproblem die Rolle. Ich will auf diese Dinge nicht weiter eingehen, die hier schon aesaat worden sind. Es geht weder um einen Ausbau- noch um einen Finanzplan, sondern es geht ganz eindeutig um die Ermittlung des Bedarfs. Hier haben Sie, Herr Dr. Jobst, noch einmal in breiten Worten die Bedeutung des Verkehrs auch für die Strukturpolitik angesprochen. Es sollte Ihnen doch eigentlich klargeworden sein - das ist vorhin vom Herrn Minister noch einmal kurz angesprochen worden -, daß genau diese Daten der Strukturpolitik, der Bevölkerungsbewegung, der Entwicklung der Wirtschaft in den verschiedenen Regionen, im Gegensatz zum ersten Ausbauplan, Grundlage für die Erarbeitung dieses Planes waren, daß alle diese Daten in diesem Plan eingeflossen sind, um sicherzustellen, daß, wenn nach diesem Ausbauplan die Fernstraßen in der Bundesrepublik ausgebaut werden, in allen Bereichen der Bundesrepublik, auch in den von Ihnen besonders angesprochenen, eine gleichmäßige Bedienung nach dem zu erwartenden Verkehrsbedarf erreichen wird. Ich meine, wir hätten allen Grund, über diesen Bedarfsplan zu reden; denn er gibt uns die Möglichkeit, konkret über einzelne Maßnahmen und über den Ausbau nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Finanzmittel zu sprechen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst?

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wrede, wollen Sie bestreiten, daß die Maßnahmen für die peripheren Räume zum überwiegenden Teil in der zweiten und dritten Dringlichkeit stehen?

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jobst, Sie sollten sich an die Grundlagen zur Ermittlung des Bedarfs erinnern. Es ist dort deutlich ausgeführt worden, warum verschiedene Maßnahmen entweder in der ersten oder in der zweiten Dringlichkeitsstufe erfaßt sind. Das hängt auch mit dem Verkehrsbedarf in den einzelnen Räumen zusammen. Sie können doch nicht eine Straße danach beurteilen, ob auf dieser Karte ein roter Strich dicker ist oder ob die roten Striche in bestimmten Bereichen enger beieinander liegen. Sie müssen ganz einfach davon ausgehen, daß die Verkehrsentwicklung zugrunde liegt und daß man der realen Verkehrsentwicklung mit diesem Ausbauplan gerecht werden muß, daß man also nicht Straßen in einer Breite und in einem Ausmaß dort baut, wo auch 1985 nach dieser Prognose der Verkehr nicht zu erwarten ist, der einen solchen Ausbau notwendig macht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter. gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte sehr!

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wrede, wenn Sie das, was ich in der Frage angeschnitten habe, nicht bestreiten, wollen Sie dann einräumen, da diese Maßnahmen erst nach dem Jahre 1985 in Angriff genommen werden können, wenn heute feststeht, daß nur jede zweite Maßnahme bis dahin bedient werden kann, d. h. also nur die erste Dringlichkeit in Angriff genommen werden kann?

Lothar Wrede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Genau das, Herr Dr. Jobst, möchte ich Ihnen nicht bescheinigen, weil ich nicht davon ausgehen kann, daß bis zum Jahre 1985 nur die erste Dringlichkeitsstufe befriedigt werden kann. Sie haben ganz außer acht gelassen - und der Minister hat es eben noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht; er hat von den drei Möglichkeiten gesprochen, die wir haben -, daß wir bei der jetzigen Finanzierungsvorausschau von dem ausgehen, was nach dem heutigen Stand und nach den heutigen gesetzlichen Möglichkeiten uns für diesen Zeitraum an Finanzmitteln zur Verfügung. steht, und Sie haben nicht einbezogen, daß wir alle miteinander - das mag dem einen oder anderen nicht so angenehm und nicht so populär erscheinen - uns darüber zu unterhalten haben, wie wir die Mittel, die für den Straßenausbau notwendig sind, wenn wir eben nicht 1985 im Chaos ersticken wollen, zusätzlich bereitstellen können. Insofern gehe ich also nicht davon aus, daß bis 1985 nur die erste Dringlichkeitsstufe verwirklicht werden kann. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Sollte nur diese erste Dringlichkeitsstufe verwirklicht werden, wäre ich persönlich bei all dem, was wir miteinander besprochen haben, sehr enttäuscht. Wir werden bei Gelegenheit wieder darüber sprechen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wagner.

Dr. Carl Ludwig Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002404, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Haushaltsdebatte im Februar hat der Herr Bundesverkehrsminister in einer Reihe von Punkten Angaben gemacht, die nicht ohne Widerspruch im Plenum dieses Hauses bleiben können. Zu einigen solchen Punkten hat Herr Lemmrich hier schon Stellung genommen. Ich will mich auf Aussagen beziehen, die der Herr Bundesverkehrsminister zum Straßenbau in Schleswig-Holstein und namentlich in Rheinland-Pfalz gemacht hat. Der Herr Bundesverkehrsminister hat damals vorgetragen, daß im dritten Vierjahresplan diesen beiden Ländern mehr Mittel für den Autobahnbau und den Fernstraßenbau schlechthin zur Verfügung gestanden hätten als je zuvor. Das ist richtig. Allerdings hat Herr Leber damals auch den Eindruck erweckt, daß er es gewesen sei, der diese Steigerung der Mittel im dritten Vierjahresplan herbeigeführt habe. Ich will am Beispiel Rheinland-Pfalz für Schleswig-Holstein liegen die Dinge ganz ähnlich - kurz dartun, daß dies nicht richtig ist. Die Quote für Rheinland-Palz im dritten Vierjahresplan - 1967 bis Ende 1970 - ist bereits 1965 in Verhandlungen zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Ministerium des Landes Rheinland-Pfalz festgelegt worden. ({0}) Zu dieser Zeit war Herr Leber noch nicht Bundesverkehrsminister. Er kann also mit diesen Arbeiten und Beschlüssen nichts zu tun gehabt haben. Er kann dies - das ist meine zweite Feststellung - auch nicht bestreiten. Deshalb hat er hier im Plenum vorgetragen, als er sein Amt übernommen habe, seien zwar die Vorarbeiten für den dritten Vierjahresplan schon geleistet gewesen, letztlich aber habe er die politische Entscheidung getroffen. In diesem Sinne hat sich auf Fragen von mir auch Herr Staatssekretär Börner in der Fragestunde im März dieses Jahres geäußert. Diese Darstellung des Herrn Bundesverkehrsministers und des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs ist unrichtig. Der dritte Vierjahresplan lag im Dezember 1960, also bevor Herr Leber das Amt übernahm, ausgedruckt vor. Er ist noch Ende November 1966 durch den damaligen Verkehrsminister Seebohm dem Kabinett vorgelegt worden. Es war also auch die politische Entscheidung, soweit sie nicht das Kabinett als Ganzes betraf, vor der Amtsübernahme durch den Herrn Bundesverkehrsminister Leber bereits erfolgt. Später hat dann Herr Leber den Plan, weil der Kabinettswechsel eingetreten war, aus rein formalen Gründen erneut vorgelegt. Dabei ist der Plan mit einem neuen Deckblatt versehen, der Inhalt aber nicht verändert worden. Dieses neue Deckblatt war praktisch der Beitrag des jetzigen Bundesverkehrsministers zum Zustandekommen dieses dritten Vierjahresplans. ({1}) Ich stelle weiter fest, daß es sonderbar ist, wenn einerseits Herr Leber und andererseits auch Herr Staatssekretär Börner den Versuch machen, für ihre unrichtige Darstellung das Zeugnis bekannter rheinland-pfälzischer Politiker der CDU in Anspruch zu nehmen. In der Haushaltsdebatte haben Sie, Herr Minister Leber, behauptet, der Ministerpräsident Kohl habe sich bei Ihnen für die Steigerung der Straßenbauleistungen in den letzten Jahren ausdrücklich bedankt. Diese Behauptung trifft nicht zu. Herr Dr. Kohl hat sich bei Ihnen dafür bedankt, daß Sie das Werk des dritten Vierjahresplans jetzt im neuen Fünfjahresplan, der ab 1. Januar dieses Jahres läuft, fortsetzen. Er hat wörtlich formuliert, daß hier die Ära Seebohm nahtlos in die Ära Leber übergeht. Das bestätigen wir. Es ist allerdings genau das Gegenteil von dem, was Sie, Herr Minister Leber, hier behauptet haben. Ähnlich ist es mit der Behauptung Dr. Wagner ({2}) des Herrn Staatssekretärs Börner in der Fragestunde, daß Herr Holkenbrink ihm die Sachdarstellung der Koalitionspolitiker und der Regierung zum Zustandekommen des dritten Vierjahresplanes bestätigt hat. Auch dies ist nicht geschehen. Meine Damen und Herren, es muß um eine Sache schlecht bestellt sein, wenn in dieser Weise Zeugnisse, die es nicht gibt oder die in genau gegenteiliger Weise vorliegen, herangezogen werden, um Behauptungen zu stützen. Ich fasse zusammen. Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben den dritten Vierjahresplan von Ihrem Amtsvorgänger übernommen. Dieser Plan war nicht nur ausgearbeitet, sondern er lag dem Bundeskabinett auch schon vor, als Herr Verkehrsminister Leber sein Amt antrat. Es ist unter diesen Umständen unbegreiflich, daß Herr Leber sich einerseits der nach dem dritten Vierjahresplan erbrachten Bauleistung rühmt und gleichzeitig die Leistungen seines Amtsvorgängers, der den Plan geschaffen hat, in beleidigender Weise herabsetzt. Dies hat Herr Minister Leber hier im Deutschen Bundestag getan. Das Vergnügen an diesen politischen Methoden überlassen wir ihm gern. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der allgemeinen Aussprache. Auf Umdruck 167 *) liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu drei Punkten vor. Ich nehme an, daß der Herr Abgeordnete Jenninger die drei Punkte gemeinsam begründet. Das Wort hat Herr Abgeordneter Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu dem Umdruck 167 namens meiner Fraktion folgendes ausführen: Dieser Gesetzentwurf über den Ausbau der Bundesfernstraßen 1971 bis 1985 ist ein Paradebeispiel dafür, wie diese Regierung allein schon durch großsprecherische Überschriften, durch bewußt falsche, besser gesagt: irritierende Formulierungen im Gesetz selber ({0}) die Basis für ihre Propagandamaschinerie schafft, mit der man dann die deutsche Öffentlichkeit über die wahre Sachlage hinwegtäuscht und falsche Hoffnungen und Erwartungen weckt, die man nach eigenem Zugeständnis nicht erfüllen kann. ({1}) Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen schon sagen, wie es in Wirklichkeit ist. Ich begründe das schon. Werden Sie nur nicht nervös! Herr Verkehrsminister, ich habe nichts gegen eine Bedarfsermittlung. Aber wir haben die Sorge, daß Sie eines Tages auf Grund dieser Bedarfsermittlung Broschüren drucken mit der Überschrift, daß diese Bedarfsermittlung auch verwirklicht wird, so wie *) Siehe Anlage 2 Sie es in der Vergangenheit immer gemacht haben. Das wird in diesem Entwurf schon in der Überschrift zum Ausdruck gebracht: „Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985". Der unbefangene Leser muß annehmen oder nimmt an, daß es sich hier in der Tat um einen Ausbauplan für die Bundesfernstraßen bis zum Jahre 1985 handelt. Das wird durch die Formulierung in § 1 des Gesetzes unterstützt, wo es heißt: In den Jahren 1971 bis 1985 wird das Netz der Bundesfernstraßen nach einem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut, der diesem Gesetz als Anlage beigefügt ist. Und das, obwohl jedermann in diesem Hause, vor allem der Verkehrsminister weiß, daß dieser Bedarfsplan eben nicht in der Zeit von 1971 bis 1985 verwirklicht werden kann. Sie haben selber vorher gesagt, der Plan enhalte lediglich die Feststellung des Bedarfs, sei aber kein verbindlicher Ausbauplan. Statt vieler Worte möchte ich nur das zitieren, was die Regierung in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage gesagt hat: „Der Bedarfsplan läßt offen, in welchem Zeitraum er erfüllt werden soll." „Die Bundesregierung hat nie behauptet, daß sie den ermittelten Bedarf bis 1985 erfüllen kann." „Der Plan trifft keine Aussagen über den Zeitpunkt, zu dem er erfüllt sein wird." „Die Bundesregierung hat niemals erklärt, daß sie den ermittelten Bedarf bis 1985 erfüllen wird." Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht doch eine Diskrepanz zwischen diesen Aussagen und den Aussagen des Gesetzentwurfs und der Überschrift. Diese Diskrepanz zwischen Ihren amtlichen Aussagen und dem, was Sie sonst geäußert haben, können Sie doch nicht einfach im Raum stehen lassen. Deswegen wünschen wir von der CDU/CSU, daß Sie die Überschrift des Gesetzentwurfs ändern und wie folgt formulieren: „Entwurf eines Gesetzes über einen Bedarfsplan zum Ausbau der Bundesfernstraßen" und daß Sie § 1 wie folgt neu fassen: Grundlage für den Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 ist ein Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der diesem Gesetz als Anlage beigefügt ist. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen möchte ich zu diesem Antrag Stellung nehmen und begründen, weswegen wir ihm nicht zustimmen werden. Herr Dr. Jenninger, ich werde aber nicht auf Ihren Ton eingehen. Ich finde, daß es nicht angebracht ist, in diesem Stil miteinander umzugehen. Aber bitte, das überlassen wir Ihnen. ({0}) Es gibt für uns vier Gründe, weswegen wir Ihrem 1 Antrag nicht zustimmen können. Erstens. Der im Jahre 1957 vorgelegte damalige Bedarfsplan, der, wie heute morgen dargestellt worden ist, finanziell überhaupt nicht abgesichert war - das Geld kam drei Jahre später; Sie haben in diesem Zusammenhang Helmut Schmidt zitiert , hieß „Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen". Sie haben also damals diese Terminologie eingeführt, obwohl Sie überhaupt kein Geld hatten. Wir sehen gar keinen Grund, diese eingeführte Terminologie heute zu ändern. Zweitens. Dies ist in der Tat ein Ausbauplan, denn er orientiert sich nicht nur an dem Bedarf, sondern er setzt auch Prioritäten. Das, was in diesem Ausbauplan in der dritten Stufe vorgesehen ist, kommt auch erst in der dritten Stufe und nach den gegenwärtigen Finanzierungsmöglichkeiten relativ spät dran. Drittens. Dieser Ausbauplan ist teilweise finanziert. Insofern stehen durchaus ökonomische Realitäten hinter ihm, wenn auch nicht in ausreichendem Maße. Viertens. Es wird an diesem Hohen Hause liegen, diesen Ausbauplan finanziell so abzusichern, daß er auch in einem absehbaren Zeitraum durchzuführen und abzuwickeln ist. Dann wird auch die Opposition ihre eigene Position fixieren müssen. Heute morgen haben wir bei ihr keine andere Position als die der doppelten Kritik erkennen können. Zum einen wurde gesagt, wir machten etwas vor, und zum zweiten hieße es, wir äußerten uns noch nicht klar zu Steuererhöhungen. Einige von uns haben sich dazu geäußert. Die Bundesregierung wird sich ebenfalls äußern. Dann werden Sie sich auch äußern müssen. ({1}) Wir lehnen deswegen Ihren Antrag ab. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe § 1 auf. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 167 Ziffer 2 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über § 1. Wer § 1 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. -- Ich danke. Gegenprobe! Danke. Stimmenthaltungen? - § 1 ist bei einer Stimmenthaltung angenommen. Ich rufe die §§ 2, 3 und 4 auf. Wer den §§ 2 bis 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung sind die §§ 2, 3 und 4 angenommen. Ich rufe § 5 auf. Zu § 5 Abs. 1 liegt ein Änderungsantrag vor, der an sich durch die Ablehnung des Änderungsantrages zu § 1 erledigt ist. Legen Sie Wert darauf, daß wir über diesen Antrag noch abstimmen? ({0}) - Danke. Ich rufe §§ 6, 7, 8, Einleitung und Überschrift auf. Soll über den Änderungsantrag Umdruck 167 Ziffer 1 - betreffend die Überschrift - noch gesondert abgestimmt werden? Ich muß Sie formell fragen. ({1}) Wer den §§ 5, 6, 7, 8 sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen. Wir kommen noch zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter B, 2. die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären; 3. den Bericht der Bundesregierung über Verkehrsverbindungen zwischen Hamburg und dem Ostseeraum -- Drucksache VI/1329 - zur Kenntnis zu nehmen. Ich stelle allgemeine Zustimmung fest. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Punkt 3 b der Tagesordnung. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 168 *) auf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vehar.

Max Vehar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002363, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag Umdruck 168 zu Punkt 3 b bittet Sie die CDU/CSU-Fraktion, über den Antrag des Ausschusses hinaus die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag einen Bericht vorzulegen, aus dem sich die Vorstellungen der Bundesregierung ergeben, inwieweit erstens die Befreiung der Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs von der Mineralölsteuer, zweitens die Übernahme der Mindereinnahmen aus den Sozialtarifen für Schülerbeförderung auf die Landeshaushalte, drittens die Neuregelung der Kilometerpauschale und viertens Schalldämpfungsmaßnahmen an Straßen durch Wohnungsgebiete unter Berücksichtigung aller Umstände verwirklicht werden können. Ich darf im übrigen auf den Ihnen vorliegenden Text verweisen. Die CDU/CSU-Fraktion nimmt damit Aussagen der Bundesregierung aus ihrem Verkehrsbericht 1970 auf. Unter der Textziffer 195 hat sich die Bundesregierung zu dem Problem der Befreiung der Linienverkehrsunternehmen und der Linienunternehmun- *) Siehe Anlage 3 gen im Nahverkehr von der Mineralölsteuer geäußert. Im Verkehrsbericht hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt, diese Möglichkeit auf Grund eines Initiativgesetzentwurfs des Bundesrates zu prüfen. Dieser Initiativentwurf des Bundesrates hat dem Plenum in der Zwischenzeit vorgelegen. Aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf geht hervor, daß die Einstellung der Bundesregierung zu dieser Forderung der Linienunternehmen sehr negativ ist. Wir glauben aber, daß sich in der Zwischenzeit, insbesondere auch auf Grund der Ereignisse im Ruhrgebiet. an dieser Einstellung der Bundesregierung etwas geändert haben wird. Wir bitten deswegen mit diesem Antrag, daß wir möglichst bald eine eindeutige Aussage der Bundesregierung zu dieser Forderung der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen erhalten. Was die Übernahme der Mindereinnahmen aus den Sozialtarifen für die Schülerbeförderung auf die Landeshaushalte angeht, so hat die Bundesregierung in ihrem Bericht dazu ebenfalls unter der Ziffer 195 Aussagen gemacht. Sie hat darauf hingewiesen, daß der Bund der Deutschen Bundesbahn Zuschüsse für sozial begünstigte Tarife zahlt und daß aus diesem Grunde auch die Länder auf Grund ihrer Verwaltungskompetenz für den öffentlichen Personennahverkehr den Betrieben die Lasten abgelten müssen, die ihnen aus übergeordneten politischen Gesichtspunkten auferlegt sind. Ein Anfang sollte von seiten der Länder mit der Übernahme einer eindeutigen Verpflichtung gemacht werden, die Mindereinnahmen bei den Tarifen für Schülerbeförderung abzugelten. Uns ist bekannt, daß einige Länder schon entsprechende Maßnahmen ergriffen haben. Aber wir möchten gern von der Bundesregierung einen abschließenden Bericht bekommen, wie weit die Bemühungen bezüglich einer Vereinbarung mit den Ländern in diesem Sinne gediehen sind. Als drittes hat die Bundesregierung in ihrem Bericht unter der Ziffer 203 das Problem der Neuregelung der Kilometerpauschale aufgegriffen. Sie hat angeführt, es sei denkbar, allen Berufstätigen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unabhängig von den benutzten Verkehrsmitteln eine steuerliche Absetzungsmöglichkeit in gleicher Höhe einzuräumen. Damit ließen sich, so sagt die Bundesregierung im Verkehrsbericht, verkehrspolitisch unerwünschte Gegenwirkungen neutralisieren. „Die Bundesregierung wird die sich dafür anbietenden Möglichkeiten prüfen." Wir fragen deshalb die Bundesregierung, wie diese Prüfung in der Zwischenzeit ausgegangen ist und welche Vorstellungen sie zu diesem Problem hat. Viertens haben wir darum gebeten, das Problem der Lärmbekämpfung an Straßen, die durch Wohngebiete führen, zu prüfen. Die Bundesregierung hat in ihrem Verkehrsbericht unter der Ziffer 205 zu dem Problem der Belästigung der Menschen durch den Straßenverkehrslärm Aussagen gemacht und selber darauf hingewiesen, daß es sich hier um ein immer dringlicher werdendes Problem handelt. Auch uns ist bekannt, daß man solche Maßnahmen beim Bau von Fernverkehrsstraßen nur zu Lasten der Quantität der zu bauenden Straßen berücksichtigen kann. Wir sind aber der Meinung, daß es auf lange Sicht nicht nur darauf ankommt, Straßen zu bauen, sondern darauf, sie so zu bauen. daß auch kommende Generationen sagen werden: es sind Straßen gebaut worden, die insbesondere auch die Probleme des Umweltschutzes berücksichtigen. Wir bitten deshalb die Bundesreigerung, auch zu diesem in Aussicht genommenen Bericht dem zuständigen Ausschuß und dem Bundestag möglichst bald eine endgültige Stellungnahme zuzuleiten. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen können diesem Antrag nicht zustimmen, weil er ihnen zu schwach ist. Dieser Antrag geht den Koalitionsfraktionen nicht weit genug, und aus diesem Grunde wollen wir ihn nicht annehmen. ({0}) Erstens. Die ersten beiden Punkte befassen sich mit der kritischen Lage im öffentlichen Personennahverkehr. Wir wollen nicht einen Bericht von der Bundesregierung haben, sondern wir wissen, daß die Bundesregierung im Wort ist, in der zweiten Hälfte dieses Jahres ihr Konzept für die Sanierung des öffentlichen Personennahverkehrs vorzulegen. Konzept ist mehr als Bericht. Ein Konzept wird nämlich Aussagen zu treffen haben über die Frage der Finanzierung der Investitionen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs und auch über den Erlaß der Mineralölsteuer. Daß in dieses Konzept natürlich die Frage der Abgeltung der betriebsfremden Lasten gehört, ist völlig klar. Wir gehen hier also wesentlich weiter; wir wollen keinen Bericht, sondern wir weisen von dieser Stelle aus darauf hin, daß die Bundesregierung im Wort ist. Dies hat auch die erste Lesung des unter Punkt 2 von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurfs des Bundesrates deutlich gemacht. Zweitens. Wir sehen die Frage der Neuordnung der Kilometerpauschale als Teil der Steuerreform, nämlich Teil 2, Einkommen- und Lohnsteuer. Die Bundesregierung ist dabei, ihr Konzept zu entwickeln. Sie haben dazu auch Vorstellungen des Herrn Bundesfinanzministers lesen können. Auch hier wollen wir keinen Bericht; hier wollen wir zu gegebener Zeit klare gesetzliche Vorschriften. Drittens zu Punkt 4. Auch hier geht uns die Vorlage der CDU/CSU-Fraktion nicht weit genug. Wir wollen keinen Bericht, sondern wir wollen diese Problematik, die bei der Bundesregierung in Arbeit ist - denn die Bundesanstalt für Straßenwesen arbeitet ja an diesem Problem -, mit einbezogen sehen in die große Problematik des Umweltschutzes, und in diesem Zusammenhang erwarten wir von der Bundesregierung eine Vorlage. Wenn wir also gegen diesen Antrag stimmen, dann nicht deshalb, weil wir diese Anliegen für unDr. Apel berechtigt halten, sondern deshalb, weil uns der Antrag nicht weit genug geht und wir die Bundesregierung nicht aus ihrer Verpflichtung entlassen wollen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich freue mich, feststellen zu können, daß der Herr Präsident des Hessischen Landtags auf der Tribüne unseren Beratungen folgt. ({0}) Weitere Wortmeldungen zu Punkt 3 b der Tagesordnung liegen nicht vor. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag zum Antrag des Ausschusses auf Umdruck 168 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Einfügung eines neuen Buchstaben d. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, daß der Antrag abgelehnt ist. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer den Ziffern 1 und 2 a) bis c) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe!- Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Beratungen dieses Vormittags. Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis 15.00 Uhr. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung verschiedener Vorschriften über die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern an die Neuregelung der Finanzverfassung ({0}) - Drucksache VI/1771 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache VI/2023 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Evers ({2}) Der Herr Berichterstatter hat mich wissen lassen, daß er noch eine Ergänzung des Berichtes wünscht. - Herr Dr. Evers, Sie haben das Wort.

Dr. Hans Evers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000503, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Finanzanpassungsgesetzes bezweckt die Regelung von drei unterschiedlichen Zielsetzungen, erstens eine Neuregelung der Erstattung von Verwaltungskosten zwischen Bund und Ländern, wie sie durch das Finanzreformgesetz des Jahres 1969 erforderlich geworden ist, zweitens eine organisatorische Neuordnung der Finanzverwaltung, ebenfalls auf Grund der Finanzreform, und drittens eine allgemeine Modernisierung der Finanzverwaltung und ihre Anpassung an akut gewordene Erfordernisse. Das Grundgesetz in seiner durch die Finanzreform entstandenen Fassung schließt grundsätzlich die Erstattung von Verwaltungskosten zwischen Bund und Ländern aus. Der Gesetzentwurf stellt klar, daß das nicht für die Erstattung von Verwaltungsarbeit gilt, die im Wege der Finanzhilfe entsteht, und daß es ebenfalls nicht gelten soll, wenn wechselseitige Verwaltungskosten auf Grund besonderer Vereinbarung dadurch entstehen, daß die Länder für den Bund - oder auch umgekehrt - Verwaltungsaufgaben erledigen. Im Zuge dieser Zielsetzung wird eine Reihe von Gesetzen mit der Maßgabe geändert, daß durch diese Änderungen eine Entlastung des Bundeshaushalts in der Größenordnung von 190 Millionen DM entsteht. Der wesentliche Teil dieser den Ländern verbleibenden Mehrbelastung von 190 Millionen DM entfällt auf die Änderungen zum Lastenausgleichsgesetz: ein Betrag von mehr als 180 Millionen DM. Gegen diese Regelung liegt demzufolge auch eine kritische Stellungnahme des Bundesrates vor, und es wird hierzu ein Änderungsantrag eingebracht werden. Ich gehe auf diese Problematik deshalb nicht im einzelnen ein. Die Neuordnung der Finanzverwaltung bezweckt eine Reihe von Gesetzesänderungen, die das Ziel haben, die Verwaltungsaufgaben so zu ordnen, wie es auf Grund der Verwaltungsreform erforderlich gewesen ist. Bei den organisatorischen Änderungen, die eine Anpassung an den neuen Rechtsstand bezwecken, ist in erster Linie die Errichtung eines Bundesamtes für Finanzen zu nennen, das als Bundesoberbehörde die bisher von der Betriebsprüfungsstelle für Steuern wahrgenommenen Betriebsprüfungsaufgaben übernehmen soll. Des weiteren soll diese Behörde die zentrale Bearbeitung der Auslandsbeziehungen übernehmen. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand, der dadurch für den Bundeshaushalt entsteht, beläuft sich auf etwa 1 Million DM pro Jahr. Weitere Regelungen haben zum Ziel, daß Aufgaben einer Oberfinanzdirektion auf andere Oberfinanzdirektionen übertragen werden können, um eine großräumigere Organisation und eine Zentralisierung des Kassenwesens zu verwirklichen, wie sie insbesondere durch den Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen erforderlich wird. Es gab im Finanzausschuß eine Diskussion über die Frage, ob nicht mit den Bestimmungen des Gesetzes über die elektronische Datenverarbeitung möglicherweise eine Erschwerung verbunden ist, daß nämlich die Einrichtung von regionalen Datenverarbeitungszentren erschwert wird, die für verschiedene Verwaltungsträger tätig werden sollen. Die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf hebt sehr stark auf die eigenständigen Probleme der Finanzverwaltung auch bei der elektronischen Datenverarbeitung ab, so daß die Vermutung naheliegt, daß die Bereitschaft der Finanzverwaltung zur Kooperation mit anderen Verwaltungszweigen hier in der Praxis nicht genug zum Zuge kommen kann. Selbstverständlich ist bei allen Arbeiten der Finanzverwaltung die Wahrung des Steuergeheimnisses ein übergeordneter Gesichtspunkt. Es muß aber auch - das ist die Erwartung, die der Finanzausschuß ausdrücklich an die Zustimmung zu den entsprechenden Paragraphen geknüpft hat - daß cinc rationelle Ausnutzung gewährleistet sein daß eine rationelle Ausnutzung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen möglich ist. Das ist nur dann gewährleistet, wenn größere Anlagen für verschiedene Verwaltungsträger in regionaler Dezentralisierung eingerichtet werden. Ein weiterer Punkt, über den es zu einer intensiven Aussprache im Finanzausschuß gekommen ist, war das Auskunfts- und Teilnahmerecht der Länder und Gemeinden bei den Betriebsprüfungen. Hier hat der Finanzausschuß ,den Entwurf in der Weise geändert, daß neben der Auskunftserteilung an die Gemeinden auch das Recht auf Akteneinsicht gewährleistet wird. Hierzu liegt eine Eingabe des Deutschen Städtetages und der anderen kommunalen Spitzenorganisationen vor. Wir glauben, daß die Änderungen, die in den Entwurf eingefügt worden sind, den berechtigten Anliegen der kommunalen Verbände entsprechen. In den Gesetzestext hat sich auf Seite 14 der Drucksache VI/2023 ein Druckfehler eingeschlichen, den ich gleich mit berichtigen darf. In § 14 Abs. 1 3) - das ist die rechte Spalte - heißt es im letzten Satz: „zoll- und steuerbegünstigte Lagerung". Es muß statt dessen „zoll- oder steuerbegünstigte Lagerung" heißen. Vom Senator für Bundesangelegenheiten in Berlin ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß ein Teil der gesetzlichen Bestimmungen nicht in Berlin anwendbar wäre, wenn nicht eine Änderung der jetzt vorliegenden Fassung erfolgte. Diese Änderung bezieht sich auf Art. 5, und zwar auf § 22 Nr. 5 Satz 2 FVG. Hierzu liegt der interfraktionelle Änderungsantrag Umdruck 170 *) vor, dessen Annahme gewährleistet, daß die Bestimmungen des Gesetzes auch in Berlin angewendet werden können. Dies liegt im Interesse der Rechtsvereinheitlichung. Der Ausschuß hat in einer Reihe von Fragen sowohl die abweichenden Stellungnahmen des Bundesrats wie auch die dazu abgegebenen Stellungnahmen der Bundesregierung erörtert. Er ist dem Votum des Bundesrats dann gefolgt, wenn die Bundesregierung diesen Änderungsvorschlägen ebenfalls ihre Zustimmung gegeben hat. In den anderen Fällen hat der Ausschuß entweder die Vorlage der Bundesregierung übernommen oder Änderungen beschlossen, die Sie in der Ihnen vorliegenden Drucksache finden. Ich bitte namens des Ausschusses um die Annahme des Gesetzentwurfs nach Maßgabe der hier vorgetragenen Änderungen. ({0}) *) Siehe Anlage 4

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und frage, ob zum Bericht das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Art. 1 bis 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe Art. 5 auf. Hierzu hat der Herr Berichterstatter dankenswerterweise eine Druckfehlerberichtigung auf Seite 14 mitgeteilt, wo im letzten Satz des § 14 Abs. 1 in „zoll- und steuerbegünstigte Lagerung" das Wort „und" durch „oder" zu ersetzen ist. Außerdem hat er auf den interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 170 aufmerksam gemacht. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 170 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Einstimmige Annahme. Wir stimmen über Art. 5 ab. Wer Art. 5 in der geänderten Fassung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! -- Stimmenthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe nunmehr auf: Art. 6, - Art. 7, - Art. 8, - Art. 9, - Art. 10, - Art. 11, - Art. 12, Art. 13, - Art. 14, - Art. 15 - und Art. 16. - Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe Art. 17 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 169') vor. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Fircks.

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Finanzanpassungsgesetzes sieht in Ausführung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 eine modifizierte Regelung der Verwaltungskostenverteilung zwischen Bund und Ländern entsprechend der Neugestaltung der Finanzverfassung vor. Er führt mit Schwerpunkt im Bereich des Lastenausgleichs zu einer erheblichen Minderung der Verwaltungskostenerstattungen durch den Bund. Nach der bisherigen Regelung des § 351 des Lastenausgleichsgesetzes werden die Verwaltungskosten für die regionale Durchführung des Lastenausgleichs in den Ländern sowie in den Stadt- und Landkreisen zu 50% vom Bund erstattet. Die Verwaltungskosten des Bundesausgleichsamtes sowie der bei ihm gebildeten Gremien, der Heimatauskunftsstellen, sowie die Kosten der Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds werden vom Bund in voller Höhe getragen. Die Verwaltungskosten für die überregionale Durchführung des Lastenausgleichs durch sonderzuständige Ausgleichsbehörden erstattete der Bund bisher ebenfalls bis zur vollen Höhe. *) Siehe Anlage 5 Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode Nach dem Entwurf der Bundesregierung soll der Bund künftig, und zwar mit Wirkung ab 1. Januar 1972, nur noch die Kosten des Bundesausgleichsamtes und der beim Bundesausgleichsamt selbst gebildeten Gremien tragen. Alle übrigen Kostenerstattungsregelungen sollen in Wegfall kommen. Im Falle einer kurzfristigen - hierauf liegt die Betonung - Änderung der bisherigen Erstattungsregelungen nach § 351 LAG entsprechend dem Regierungsentwurf wird mit hoher Sicherheit die weitere Durchführung des Lastenausgleichs auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen. Dies gilt insbesondere für die Durchführung der dem Bund obliegenden Aufgaben durch Dienststellen der Länder und Kommunen nach Art. 120 a GG, vor allem im Bereich der Schadensfeststellung. Diese Aufgaben konnten und können nicht zentral vorn Bundesausgleichsamt als der dafür zuständigen Bundesbehörde wahrgenommen werden. Die sachgerechte Durchführung des Lastenausgleichs ist im übrigen entscheidend davon abhängig, daß bestimmte Aufgaben zentraler und überregionaler Art, die nicht in bezug zum regionalen Bereich der einzelnen Länder und Kommunen stehen und daher als Bundesaufgaben zu betrachten sind, tatsächlich bundeseinheitlich durchgeführt werden. Zur Milderung der zu erwartenden erheblichen organisatorischen und auch personellen Schwierigkeiten bei der weiteren Durchführung erscheint daher die befristete Fortgeltung der bisherigen Kostenerstattungsregelung mit Ausnahme der 50%igen Kostenerstattung durch den Bund für die regionale Durchführung des Lastenausgleichs mindestens für die Dauer einer angemessenen Übergangszeit dringend geboten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Ausgleichsverwaltung, die ja heute bereits über unzureichende Personalausstattung klagt, einer zunehmenden Belastung ausgesetzt sein wird, die sich vor allem aus der Durchführung der Schadensfeststellung und der Entschädigung der Vermögensverluste in Mitteldeutschland, für die Spätaussiedler und auch im Bereich des Reparationsschädensgesetzes ergibt. Die Fraktion der CDU/CSU hat daher den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag eingebracht, der die bisherige Kostenerstattungsregelung im Bereich der überregionalen Durchführung des Lastenausgleichs für die Dauer einer zweijährigen Übergangszeit aufrechterhält, so daß der Wegfall dieser Kostenerstattung entsprechend Art. 2 Abs. 2 des Regierungsentwurfs erst am 1. Januar 1974 in Kraft tritt. Bezüglich der finanziellen Größenordnung stellt sich das Bild hiernach künftig wie folgt dar: Erstens. Der jährliche Verwaltungsaufwand für das Bundesausgleichsamt und die bei ihm gebildeten Gremien beträgt zur Zeit rund 4 Millionen DM. Diese Kosten trägt der Bund auch künftig. Zweitens. Für die überregionale Durchführung des Lastenausgleichs entstehen zur Zeit jährlich Verwaltungskosten in Höhe von rund 18 Millionen DM. Diese sollen nach unserem Antrag für eine Übergangszeit von zwei Jahren weiterhin vom Bund erstattet werden. Drittens. Die derzeit für die regionale Durchführung des Lastenausgleichs geltende 50%ige Kostenerstattungspflicht des Bundes entfällt ab 1. Januar 1972. Dies führt zu einer jährlichen Entlastung des Bundeshaushalts und einer entsprechenden Mehrbelastung der Länderhaushalte um rund 170 Millionen DM. Die sich aus der befristeten Fortgeltung der bestehenden Kostenerstattungsregelung ergebende Mindereinsparung des Bundes beträgt demnach in den Jahren 1972 und 1973 nur jeweils 18 Millionen DM. Wir erwarten, daß sich nach Ablauf der vorgesehenen Karenzzeit von zwei Jahren die derzeit bestehende arbeitsmäßige Überbelastung der Ausgleichsverwaltung in einem solchen Maße verringert haben wird, daß eine sachgerechte weitere Durchführung des Lastenausgleichs gewährleistet ist. Der Ihnen vorliegende Änderungsantrag will aber vor allem auch verhindern, daß die von diesem Haus in den vergangenen Jahren verabschiedeten Gesetze des Lastenausgleichs daran scheitern, daß ihre Durchführung infolge einer kurzfristigen Änderung der bestehenden Kostenerstattungsregelung und der dadurch eintretenden vielfachen Schwierigkeiten praktisch unmöglich wird, mindestens aber in einem, wie wir meinen, nicht vertretbaren Ausmaß verlangsamt wird. Auf diese Gefahr hat auch der Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt in seiner an den Finanzausschuß gerichteten Entschließung vom 1. März 1971 eindringlich hingewiesen. Die CDU CSU-Fraktion bittet Sie daher, dem von ihr vorgelegten Änderungsantrag Umdruck 169 zuzustimmen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit ist der Antrag begründet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Das Finanzanpassungsgesetz ist ein Ausführungsgesetz zur Finanzreform. Mit dem Gesetz sollen diejenigen gesetzlichen Regelungen geändert werden, die der Finanzverfassung nicht mehr entsprechen. Es soll also ein Verfassungsauftrag erfüllt werden. Im Grundgesetz heißt es in Art. 104 a Abs. 5: „Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben." Danach ist also die Erstattung von Verwaltungsausgaben in all den Fällen nicht mehr zulässig, nicht mehr verfassungsgemäß, in denen Bund und Länder Aufgaben wahrnehmen, die ihnen auf Grund der Aufgabenverteilung durch das Grundgesetz obliegen. Bisher hat der Bund, wie schon ausgeführt, die Hälfte der Kosten der Lastenausgleichsverwaltung der Länder und der Gemeinden getragen. Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar und muß deswegen entfallen. Nach dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion soll für eine Übergangszeit bis 1974 eine Ausnahme für die Ämter mit Sonderzuständigkeiten und für die Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds getroffen werden. Auch die CDU/CSU geht also wie wir und wie der Finanz6760 ausschuß insgesamt davon aus, daß die Lastenausgleichsbehörden, die Sonderzuständigkeiten wahrnehmen, Länderbehörden sind. Das ist das Entscheidende. Wenn das aber so ist, dann ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Verfassungsgrundsatz des Art. 104 a Abs. 5 zu befolgen. Für eine Ausnahme bis 1974 gibt es wirklich keine Gründe. Die Behörden sind da, Herr von Fircks. Sie arbeiten seit langem, und es wird auch in der Zukunft keine praktischen Schwierigkeiten geben. Die gleichen Behörden, die diese Lastenausgleichstragen bisher bearbeitet haben, weiden auch in Zukunft weiter arbeiten. Nur die Kosten werden von den Ländern getragen. Ich halte die Sorge für unbegründet, daß die Länder beim Wegfall der Erstattung von Kosten ihre Aufgaben in diesem Bereich nicht mehr sachgerecht erfüllen werden. Wir können davon ausgehen, daß die Länder die Aufgaben erfüllen, die ihnen nach der Verfassung obliegen, so wie sie das bei anderen Bundesgesetzen tun, die oft mit viel höheren Kosten verbunden sind. In diesem Fall geht es um Ausgaben in Höhe von rund 27 Millionen DM. Der Finanzausschuß hat dieses Gesetz einstimmig beschlossen. Ich sehe keinen Anlaß, von der Empfehlung des Finanzausschusses jetzt abzugehen. Meine Damen und Herren, bei der Finanzreform vor zwei Jahren hatten Bundestag und Bundesrat den Versuch gemacht, die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern klarzustellen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks?

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin schon am Ende, Herr Präsident. Der Bundestag sollte nun nicht bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, wieder mit Ausnahmen anfangen. Damit täten wir genau das Gegenteil von dem, war wir bei der Finanzreform alle miteinander hier im Bundestag und im Bundesrat anstrebten. Ich bitte deshalb darum, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 169 abzulehnen und dem einstimmigen Votum des Finanzausschusses zu folgen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege von Fircks, von der Sache her, wie Sie sie begründet haben, haben wir sehr viel Verständnis für das Anliegen. Darüber kann kein Zweifel sein. In der Tat ist es eine Frage, ob die Auskunftsstellen, die ja nicht für die Landeskinder der Sitzländer tätig sind, von den Ländern allein finanziert werden sollen. Aber rechtlich ist es nun einmal so, daß das Grundgesetz nicht darauf abstellt, für wen eine Behörde tätig ist, sondern darauf, wer Träger der Verwaltung ist. Und da kann wohl kein Zweifel sein, daß nach dem Lastenausgleichsgesetz die Länder Träger der Auskunftsstellen sind. Das Grundgesetz, das ja zur Zeit der Großen Koalition geändert worden ist, hat nun einmal die Dinge in diesem Sinne geregelt, daß die Verwaltungskosten allein von den jeweiligen Trägern zu tragen sind. Und damals hat niemand von Ihnen protestiert. Jetzt sind wir nach dem bestehenden Verfassungsrecht gehalten, in einer Anpassung des jetzigen Zustandes an das Verfassungsrecht so zu verfahren, daß wir dieses Gesetz, so wie es mit überwiegender Mehrheit in den Ausschüssen beschlossen worden ist, auch annehmen. Das schließt ia nicht aus, Herr Kollege von Fircks, daß man sich über eine Änderung des Lastenausgleichsgesetzes unterhalten und die Trägerschaft überprüfen kann; aber so, wie es jetzt ist, sind wir an das Verfassungsrecht gebunden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Fircks?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön!

Otto Fircks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, würden Sie mir zugeben, daß, wenn es echte Landesbehörden wären, die Landesregierungen diese Behörden auch abschaffen könnten und daß dann die ganzen Aufgaben dieser Behörden, weil es nur übertragene Aufgaben sind, voll auf das Bundesausgleichsamt zukämen und vom Bund die Kosten zu tragen wären?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, es ist ja nicht das Kriterium, ob einer das Recht hat, etwas aufzulösen, sondern das Kriterium ist, wer Träger der Stelle ist und wer die Beamten ernennt, die dort tätig sind, wer also praktisch Dienstherr dieser Verwaltungsstelle ist. Und darüber kann ja wohl kein Zweifel sein, daß das die Länder sind. Daß es, auch wenn man Eigentümer ist, Bindungen geben kann, durch die die volle Verfügbarkeit eingeschränkt wird, wissen wir alle. Darüber werden wir uns ja noch sehr nachdrücklich unterhalten, wenn wir über die Städtebau- und ähnliche Gesetze reden. Das ist nicht das Kriterium. Das Kriterium ist in diesem Augenblick eindeutig, daß, nachdem das Grundgesetz in diesem Sinne geändert worden ist, wir in der Folgewirkung an das Grundgesetz gebunden sind. Darum können wir Ihren Antrag nicht annehmen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 169 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! - Danke. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über Art. 17. Wer Art. 17 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Danke schön. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Bei zahlreichen Stimmenthaltungen angenommen. Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wir treten in die dritte Beratung ein. In der dritten Beratung hat Herr Abgeordneter Bartsch das Wort gewünscht.

Willy Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der SPD habe ich folgende Erklärung abzugeben. Durch dieses Gesetz wird als Folge der Finanzreform die Erstattung zwischen dem Bund und den Ländern neu geregelt; insbesondere soll die Verwaltungskostenverteilung entsprechend den Grundsätzen unserer Verfassung vereinfacht durchgeführt werden. Zu dieser Neuregelung im Rahmen des Finanzanpassungsgesetzes gehört u. a. auch, daß der Bund ab 1972 im Rahmen des Lastenausgleichs nur noch die Kosten des Bundesausgleichsamtes, des Kontrollausschusses und des Ständigen Beirats zu tragen hat. Eine Erstattung der Verwaltungskosten für die überörtlichen Sonderzuständigkeiten von Ausgleichsbehörden durch den Bund entfällt in Zukunft, da es sich auch hier - wie in anderen Sachbereichen -um Aufgaben der Länder handelt. Meine Fraktion betrachtet es aber als eine Selbstverständlichkeit, daß die seit Jahren reibungslos funktionierenden Heimatauskunftsstellen, Auskunftsstellen und alle sonstigen überregional tätigen Bewertungsdienststellen ihre Arbeit entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag mit aller Intensität fortsetzen, um in Auswirkung der von der Bundesregierung und vom Bundestag beschlossenen und zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetze - ich nenne hier nur die 23. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz - den Geschädigten, insbesondere aus der DDR und aus Ost-Berlin, die Möglichkeit zu geben, ihre Hauptentschädigung zu erhalten. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung in der dritten Beratung. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Änderung vom 28. September 1970 der Satzung der Internationalen Atomenergie-Organisation - Drucksache VI/ 1830 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({0}) - Drucksache VI/2048 Berichterstatter: Abgeordneter Flämig Abgeordneter Dr. Probst ({1}) Der Herr Berichterstatter hat mich gebeten, ihm das Wort zu einer kurzen Ergänzung seines Berichtes zu erteilen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Flämig.

Gerhard Flämig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000561, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesetzestext und Begründung sprechen für sich, so daß ich es mir ersparen kann, hier langatmige Ausführungen zu machen. Ich weise lediglich darauf hin, daß diese Sache es verdient, beachtet zu werden; denn es ist ein alter Wunsch der Bundesrepublik gewesen, sich einen festen Sitz im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation zu sichern. Dieses Gesetz ist deswegen von besonderer aktueller Bedeutung, weil die Internationale Atomenergie-Organisation nicht nur - wie seither - dem weltweiten Kenntnis- und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie dient, sondern seit Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrags die weltweite Kontrollinstanz für spaltbares Material geworden ist. Es ist also nicht gleichgültig, ob wir dort nur Mitglied oder ob wir dort im Gouverneursrat sind. Die Bundesrepublik nimmt durch diesen Beschluß, den wir Ihnen empfehlen, endlich den Rang ein, der ihr nach ihrer wissenschaftlichen Leistung und nach ihrer wirtschaftlich-technischen Kapazität zukommt. In 15 Jahren hat es die Bundesrepublik fertiggebracht, im weltweiten Wettkampf der Industriemächte einen Rückstand von zehn Jahren aufzuholen. Endlich haben wir nun auch in der IAEA das erreicht, was wir seit Jahren anstreben. Ich möchte deshalb all denen, die dabei mitgewirkt haben - es waren die vorige Regierung und die Vertreter der jetzigen Regierung, insbesondere erwähne ich auch die Herren Botschafter Schnippenkötter und Roth - unseren Dank aussprechen. Der federführende Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft und der Auswärtige Ausschuß empfehlen Ihnen einstimmig die Annahme dieses Gesetzes. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird nicht begehrt. Ich rufe in zweiter Beratung Art 1, Art. 2, Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer diesen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes zu den Verträgen vom 14. November 1969 des Weltpostvereins - Drucksache VI/ 1389 6762 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0}) Drucksache VI/2049 Berichterstatter: Abgeordneter Weber ({1}) ({2}) Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Auch sonst wird das Wort nicht begehrt. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1, Art. 2, Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift auf.-Wer diesen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Vor der Schlußabstimmung hat der Herr Kollege Collet das Wort zu einer Erklärung gemäß § 54 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 36 und 39 der Geschäftsordnung.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um dem Hohen Hause mitzuteilen, daß ich an der nun folgenden Abstimmung nicht teilnehmen werde. Lassen Sie mich dies kurz begründen. Ich weiß nicht, was auf diesen 213 eng gedruckten DIN-A-4-Seiten steht. Mancher - vielleicht nicht so sehr hier in diesem Hause, aber von den Bürgern draußen im Lande - mag nun sagen: Dann hättest du eben die Drucksache lesen sollen. Nun, meine I sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hier ist die Sitzungsmappe dieser Woche, etwa 4500 Seiten. Ich frage jeden: Wer konnte das auch nur oberflächlich lesen? Wer konnte das auch noch verstehen und verarbeiten, ehe er, seinem Gewissen folgend, hier zustimmt? So sieht es beinahe in jeder Sitzungswoche aus. Im allgemeinen mögen es etwa 1000 Seiten weniger sein. In dieser Woche haben wir ja eine besonders hohe Produktion. Aber sicher ist es so, daß man das nicht schaffen kann, selbst wenn man auf Wahlkreisarbeit und auf eigene Initiativen verzichtet. Ich erzähle Ihnen da sicherlich nichts Neues. Das sind Selbstverständlichkeiten. Man verläßt sich eben auf die Fachleute der Fraktion. Gerade bei diesem Gesetz erhebt sich aber für mich die Frage, ob die Fachleute der Fraktion oder meinetwegen - wenn sich die Regierungskoalition aufs Kabinett verläßt - des Kabinetts diese 213 Seiten vorher verdauen konnten. Sie werden sagen: Wir wissen auch nicht, was darin steht, sehen uns aber genötigt, zuzustimmen. Hier zeigt sich doch unsere Abhängigkeit von der Exekutive, von der Bürokratie. Das Verfahren ist in irgendeiner Form fragwürdig. Wie ist denn der Verlauf? Wir bekommen eine Drucksache, wir bekommen die sehr umfangreiche Stellungnahme der Betroffenen, ferner die Stellungnahmen der eigenen wie der anderen Parteien und schließlich noch die Ausschußvorlage. ({0}) Ich weiß, daß ich bei diesem Verfahren, das ich heute gewählt habe, nicht bleiben kann, einmal weil ich selbst politische Vorstellungen habe, bei denen ich meine Partei unterstütze, zum anderen weil ich die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause natürlich kenne. Ich habe deshalb auch ein nicht umstrittenes Gesetz gewählt, um einmal zu demonstrieren, was für Anforderungen hier an uns gestellt werden. Heute kann ich keine Vorschläge unterbreiten. Der Präsident würde mich mit Recht rügen; denn dies gehört nicht zur Tagesordnung. Aber ich glaube anregen zu müssen, daß wir erstens erneut darüber nachdenken. wie wir hier unsere Arbeit vollbringen müssen. Die in der 5. Legislaturperiode begonnenen Reformen müssen unbedingt ihre Fortsetzung finden. Schon bei den Beratungen zum Haushalt 02 habe ich gesagt, daß die Hassel-Kommission meines Erachtens überfordert ist, weil die dort tätigen Kolleginnen und Kollegen sowieso eine Menge Funktionen in diesem Hause haben und deswegen überlastet sind. Ich muß aber einfach noch einmal die Frage stellen, ob wir die Verantwortung für alles das übernehmen müssen, was wir nicht im einzelnen beurteilen können. Wir müssen uns zweitens auch weiter darum bemühen, die Arbeitsbedingungen der Abgeordneten sachlich und personell zu überprüfen und zu verbessern. Wir dürfen nicht noch zusätzlich Dinge abbauen, wie wir das etwa bei der Festlegung der Pauschale für die Bezahlung unserer Mitarbeiter in der Weise getan haben, daß wir nicht einmal unsere eigenen Beschlüsse aufrechterhalten. Denn wir hatten 1969 beschlossen, daß der BAT in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden sollte. Ich darf Sie also um Verständnis bitten. Ich wollte erneut darstellen, daß wir uns Zeit nehmen müssen, über unsere eigene Arbeitsweise mehr nachzudenken.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung so beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Mai 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia über die Benutzung liberianischer Gewässer und Häfen durch das N.S. „Otto Hahn" - Drucksache VI/1790 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({0}) - Drucksache VI/2050 Berichterstatter: Abgeordneter Maibaum ({1}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur zweiten Beratung. Wird das Wort zur Aussprache begehrt? - Das ist nicht der Vizepräsident Frau Funcke Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. Juli 1969 über die gegenseitige Anerkennung der Beschußzeichen für Handfeuerwaffen - Drucksache VI/1641 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({2}) - Drucksache VI/2043 Berichterstatter: Abgeordneter Wüster ({3}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur zweiten Beratung. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die Art. 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: a) Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/1941, VI/2053 - b) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung - Drucksachen VI/1951, VI/2053 - Das Wort hat der Abgeordnete Kiep.

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die erste Debatte über die Entwicklungspolitik in diesem Hause und dankt den Beamten der Bundesregierung für die außerordentlich schnelle Beantwortung der Großen Anfrage, die die CDU/CSU-Fraktion eingebracht hat. Es bleiben jedoch noch eine Reihe von Punkten und Fragen offen, die wir zum Gegenstand der heutigen Aussprache machen möchten. Ebenso wie bei den Ankündigungen der sogenannten inneren Reformen, der Wirtschaftspolitik, der Außenpolitik - insbesondere der Deutschland-und Ostpolitik - hat die Bundesregierung auch auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik große Erwartungen erweckt. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung die quantitativen Zielsetzungen des Pearson-Berichts übernommen, d. h. daß die Bundesrepublik sich dem Ziel, 0,7 % des Bruttosozialprodukts an öffentlichen Leistungen zu erreichen, anschließt. Der Bundeskanzler und die Bundesregierung haben sich nach dieser in der Regierungserklärung bekundeten Absicht im internationalen Bereich mit dieser Feder geschmückt und in der dritten Welt und bei den engagierten Gruppen in der Bundesrepublik große Befriedigung ausgelöst, insbesondere deshalb, weil sich die Bundesrepublik Deutschland als erste große Industrienation mit dieser Erklärung zu diesem Ziel, dem Wunsch der Entwicklungsländer bekannt hat. Von allen Beteiligten wurde von dieser Zusage ein Durchbruch, eine Signalwirkung erhofft. Meine Damen und Herren, ein Jahr später, als das Strategiedokument der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, lehnten die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Japan und Italien diese Zielsetzung in realer Einschätzung ihrer finanziellen Möglichkeiten ab, obwohl diese Länder zum Teil mehr für die Entwicklungspolitik aufwenden als die Bundesrepublik Deutschland. Als im Februar 1971 bereits feststand, daß die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland im ersten Jahr der Regierung Brandt von 0,43 % auf 0,33% des Bruttosozialprodukts zurückgegangen waren, und darüber hinaus aus dem Bundesfinanzministerium Kürzungswünsche und -absichten hörbar wurden, haben Sie, Herr Minister Eppler, es in der Ihnen gelegentlich eigenen Musterschülermentalität für richtig gehalten, das 0,7 %-Ziel als - ich zitiere wörtlich -„akzeptables Minimum" darzustellen. Sie können nicht darauf verweisen, als Minister der Regierung Brandt/Scheel aus der Opposition heraus in die Verantwortung eingetreten zu sein; Sie können sich also nicht dadurch exkulpieren, daß Sie darauf hinweisen, daß Sie die Tatbestände und insbesondere den Bestand der Kasse der Entwicklungshilfe nicht kannten. Sie waren ja bekanntlich bereits vorher Minister in der Regierung der Großen Koalition und wußten daher ganz genau, wie die Möglichkeiten einzuschätzen waren. Die Festlegung auf das 0,7 %-Ziel als ein „akzeptables Minimum", wie Sie es formuliert haben, erscheint uns um so bedenklicher, als sich die Aufwendungen für die Entwicklungshilfe bei der vorgesehenen Steigerungsrate von 11% pro Jahr und einer Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von 12,4% im vergangenen Jahr ständig weiter von diesem Ziel entfernen. Im Zeichen der allgemeinen wirtschaftspolitischen Unsicherheit, die diese Regierung verbreitet hat, ist kein Wunder, daß auch die Privatinvestitionen in den Entwicklungsländern zurückgehen. Die Verketzerung von Privatinvestitionen in Entwicklungsländern als Ausbeutung von seiten linker Kräfte - auch in Ihrer Partei, Herr Minister - hat sicherlich zu dieser Entwicklung ihren Teil beigetragen. Ich hoffe, daß jetzt vielleicht manchem auf der linken Seite der politischen Bühne, der höhere entwicklungspolitische Leistungen dieses Staates fordert, gleichzeitig aber die Marktwirtschaft als ein Relikt des ausbeuterischen Kapitalismus abschaffen möchte, ({0}) klargeworden ist, daß hier ein enger Zusammenhang besteht, daß nämlich staatliche Leistungen der Entwicklungspolitik - vor allen Dingen in der Zukunft auf das engste mit einer florierenden, gewinnbringenden und funktionierenden sozialen Marktwirtschaft verbunden und von ihr abhängig sind. ({1}) Meine Damen und Herren, mir scheint, als verhalte sich die Bundesregierung hier, wie auf anderen Gebieten der Politik, umgekehrt proportional zu dem, was notwendig wäre: Sinkende Leistungen versuchen Sie durch steigende Versprechungen und Beschönigungen wettzumachen. Allerdings werden hier darüber sollten sich der Bundeskanzler und auch Sie, Herr Minister Eppler, klar sein - nicht nur der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch einer breiten Weltöffentlichkeit Versprechungen gemacht. Die Ernüchterung in den Entwicklungsländern wird bei einer solch unglaubwürdigen Politik, die auf kurzfristige politische Erfolge abzielt, nicht lange auf sich warten lassen. Es ist einfach ein schlechter politischer Stil, meine ich, wenn international abgegebene Erklärungen, die finanziell nicht eingelöst werden können, nun einfach als „Jahrzehnte-Perspektiven" abgetan werden. Ich persönlich habe es als besonders peinlich empfunden, als der UN-Entwicklungsdirektor Paul Hoffmann neulich bei einer Veranstaltung, an der verschiedene Mitglieder des Hauses teilgenommen haben, sich bei uns in aller Form dafür bedankte, daß die Bundesregierung als erstes großes Industrieland die Verpflichtung der 0,7 % übernommen hat. Sie können es schon deshalb, Herr Minister Eppler, nicht als eine „Jahrzehnte-Perspektive" abtun, weil - daran möchte ich Sie in aller Höflichkeit erinnern - das Mandat dieser Regierung nur bis zum Jahre 1973 reicht und damit diese Regierungserklärung nicht nachträglich als ein futurologisches Papier dargestellt werden kann, - mit Versprechungen, deren Erfüllung man dann vielleicht im Jahre 1980 erwarten kann. Ich darf das auch deshalb sagen, weil neben dem außenpolitischen Schaden, der hier entsteht, selbstverständlich auch kommende Bundesregierungen Hypotheken übernehmen, die sie dann eines Tages abtragen müssen. Im übrigen ist dieser unser Eindruck nicht allein der Eindruck der Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Das von Bundespräsident Heinemann berufene Forum für Entwicklungspolitik hat unsere Besorgnisse und Befürchtungen fast wörtlich bestätigt. In seiner Erklärung vom 22. April 1971, die Ihnen wahrscheinlich bekannt sein wird, erklärt das Forum seine Besorgnis darüber, daß die Bundesregierung - ich zitiere von der früher öffentlich geäußerten Verpflichtung, das 0,7 %-Ziel noch in dieser Dekade zu erreichen, wieder abgerückt und wegen der gegenwärtigen Geldentwertung der Zeitpunkt zur Verwirklichung dieses Zieles in weite Ferne gerückt ist. So weit das Entwicklungsforum, das aus Experten aus Wissenschaft, Politik und der gesamten gesellschaftlichen Kräfte in der Bundesrepublik besteht. Ob es sich nun um überdrehte Reformvorhaben oder um nicht realisierbare Versprechungen und falsche Hoffnungen in der Ostpolitik handelt, ich meine, die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie endlich einmal den Mut aufbrächte, Fehleinschätzungen und Mißerfolge zuzugeben, anstatt zu versuchen, sie durch neue Versprechungen zu übertönen. ({2}) Sie fragen so oft nach unserer Alternative, hier im Deutschen Bundestag und draußen. Ich möchte Ihnen unsere Alternative in dieser Frage mit einem Satz sagen: Wir rechnen erst und versprechen dann. Dieser Grundsatz scheint mir in der Entwicklungspolitik noch wichtiger zu sein als in den Fragen der Innenpolitik, weil es hier um den internationalen Bereich und damit um die internationale Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland geht und weil Schäden hier nur sehr schwer wiedergutzumachen sind. ({3}) Als Sie, meine Herren von der Bundesregierung, in Ihrer Regierungserklärung die „Verbesserung und die Straffung" der Entwicklungshilfe insgesamt angekündigt haben, fanden Sie dabei unsere volle Unterstützung. Das einzige, was seit Bestehen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit bisher für eine bessere Organisation geschehen ist, war der Organisationserlaß von Bundeskanzler Erhard aus dem Jahre 1964. ({4}) Dieser Erlaß müßte heute fortgeschrieben werden. Der Bundeskanzler ist dazu offensichtlich nicht gewillt oder nicht in der Lage auf Grund des Ressortegoismus seiner Minister. Wir müssen die Frage stellen, wie ernst denn dann überhaupt Ankündigungen des Herrn Bundeskanzlers zu nehmen sind. Auf diesem entscheidenden Gebiet könnte nämlich eine Reform vorgenommen werden, die gegenüber den anderen Reformen, mit denen Sie angetreten sind, sogar den Vorteil hätte, daß sie nichts kostete. In dieser Frage vermissen wir die Ausübung der Richtlinienkompetenz durch den Bundeskanzler. Wir haben in unserem Parteiprogramm unmißverständlich unsere Meinung hierzu und die Notwendigkeit eines funktionsgerechten Ministeriums dargelegt und haben erklärt: die Zuständigkeiten für alle entwicklungspolitischen Maßnahmen sind in einem Ministerium zusammenzufassen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, verweisen auf interministerielle Vereinbarungen, in denen Sie die Kompetenzen zwischen den beteiligten Ministerien abgrenzen. WelKiep chen Inhalts diese Vereinbarungen sind, möchte ich Ihnen, die Sie nur selten mit der Entwicklungspolitik in nähere Berührung kommen, an einem Beispiel darlegen. In § 5 der Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Bundesministerium für Wirtschaft heißt es - ich zitiere : Ist bei Besuchen aus Entwicklungsländern im Ministerrang ein Gespräch auf Minister- oder Staatssekretärsebene nur im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgesehen, werden die Besucher zunächst im BMZ, evtl. in Anwesenheit eines Vertreters des BMWi, empfangen. Besucher der Weltbank und der IDA aber werden zunächst im BMWi empfangen. Und schließlich heißt es in § 7: Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit werden auf Grund praktischer Erfahrungen um eine ständige Verbesserung der gegenseitigen Zusammenarbeit bemüht sein. In den Ministerien meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung diese unsere Besorgnisse durch neue und zusätzliche Vereinbarungen ausräumen könnte -, werden die getroffenen Vereinbarungen seit längerer Zeit abweichend voneinander interpretiert. Staatssekräte der Bundesregierung verbringen ihre Zeit damit, gegenseitig Vermerke zu schreiben, und es existiert heute in den beiden Häusern, von denen ich soeben sprach, etwas, was dort als „DivergenzKatalog" bezeichnet wird, in dem 20 Punkte verzeichnet sind, in denen BMZ und Bundeswirtschaftsministerium die Abmachungen der interministeriellen Vereinbarungen unterschiedlich interpretieren. Es ist ein Unding, wenn ein Ministerium seine Kompetenzen aus interministeriellen Vereinbarungen herleiten muß und wenn die Konzeptionen, die im BMZ sicherlich vorhanden sind, im interministeriellen Entscheidungsprozeß verwässert werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tallert?

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gern.

Harry Tallert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002296, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kiep, halten Sie es für ein Unding, wenn man bei der komplizierten Materie der Entwicklungspolitik etwas unterschiedlich interpretiert, noch dazu in Ministerien?

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe großes Verständnis für Schwierigkeiten, für Mißverständnisse und auch für unterschiedliche Interpretationen. Ich habe aber nicht den Eindruck, daß bei den Differenzen zwischen diesen beiden Häusern die Ursache in der Schwierigkeit liegt, daß sich die in der Materie tatsächlich tätigen Beamten nicht einigen können, sondern ich habe den Eindruck, daß an der Spitze der Häuser der Einigungswille nicht vorhanden ist. ({0}) Auf welch tönernen Füßen solche Vereinbarungen stehen, wird deutlich, wenn der Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Entwicklungspolitik mit Außenpolitik verwechselt oder wenn die Entwicklungspolitik andererseits zu einem Instrument der Wirtschaftspolitik gemacht wird. Wer ist denn nun wirklich zuständig? Wer macht denn nun wirklich die Konzeption? Herr Scheel oder Herr Eppler? - Bitte schön, Herr Tallert!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zwischenfrage.

Harry Tallert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002296, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kiep, würden Sie sich die Mühe machen, den hübschen Begriff des Einigungswillens, den Sie hier in die Debatte eingeführt haben, etwas näher zu definieren?

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich könnte das tun; ich müßte dann allerdings das Vertrauen einiger Herren dieses Hauses, die auf der anderen Seite von uns sitzen, mißbrauchen. Aber ich kann so viel sagen: Ich bin von Mitgliedern Ihrer Fraktion, verehrter Herr Tallert, angesprochen und darauf hingewiesen worden, es sei doch eigentlich geradezu paradox, daß ausgerechnet die CDU/CSU-Fraktion eine Zusammenfassung der Kompetenzen sprich: Übertragung der Kapitalhilfe an Herrn Eppler - fordere; die CDU könne doch daran wohl kaum ein Interesse haben. ({0}) Es ist hinzugefügt worden, daß gerade deshalb Herr Schiller so entschiedenen Widerstand leiste. Es gibt in dieser Frage wirklich keine Klarheit, und gerade diejenigen, meine Damen und Herren, die deutsche Entwicklungspolitik draußen zu vertreten haben, bekommen das zu spüren. Ich komme nachher noch kurz auf den Fall Chile zu sprechen. Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, daß der Außenminister seinerseits vom Abbruch der Beziehungen spricht, während der Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit davon spricht, Chile zu einem neuen Zentrum der deutschen entwicklungspolitischen Aktivität in Südamerika zu machen. Der Bundeskanzler ist aufgerufen, ein Ministerium mit klaren Kompetenzen zu schaffen. Diese Kompetenzen müssen es diesem Ministerium ermöglichen, Entwicklungspolitik aus einem Guß zu betreiben und eine integrierende Funktion auszuüben. Wenn das nicht möglich ist - ich möchte das hier in aller Offenheit sagen -, wäre es besser, das Ministerium aufzulösen. ({1}) Es gibt nur entweder ein funktionierendes oder gar kein Ministerium. ({2}) Ich meine, daß das, was wir heute gelegentlich zu sehen bekommen, nicht ein funktionierendes und mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattetes Ministerium ist, sondern daß hier eher Ministerium gespielt wird. Die Kompetenzen dieses Hauses sind eben für die Lösung der Aufgabe völlig unzureichend. Dies ist um so bedauerlicher, als es sich bei der Entwicklungspolitik, einer langfristigen, großen Aufgabe, um eine ganz ungewöhnliche und gewaltige Herausforderung handelt, die alle Kennzeichen einer echten Zukunftsaufgabe ausweist und die man einfach nicht in uralte Verwaltungsformen hineinpressen kann. So sehr wir es begrüßen. Herr Minister. wenn Konzeptionen und Strategiepapiere entstehen, so sind wir doch der Meinung, daß es nicht die Hauptaufgabe des Entwicklungsministers sein darf, die entwicklungspolitische Literatur zu bereichern, sondern praktische Entwicklungspolitik bei größter Effizienz zu leisten, dies um so mehr, als erstens die Mittel immer knapper werden und zweitens die Menschen, die in der Entwicklungspolitik engagiert sind, einen Anspruch darauf haben, in einer Organisation tätig zu sein, die eine klare Konzeption und eine klare Zielsetzung hat. Auch die Steuerzahler verlangen für die von der Natur der Sache her gesehenen risikoreiche Aufgabe der Entwicklungshilfe eine ganz klare Linie und klare Zuständigkeiten. Meine Damen und Herren, der dritte Punkt, der uns in diesem Zusammenhang besonders bewegt, ist die Frage, inwieweit die Entwicklungspolitik auf Grund einiger Ereignisse der letzten Zeit immer stärker in den Bereich der Deutschland- und Ostpolitik einbezogen wird. Nachdem Chile die DDR schneller als erwartet anerkannt hat - wozu, glaube ich, nicht zuletzt die Äußerungen des Staatssekretärs des BMZ beigetragen haben, ({3}) der erklärt hat, daß die Bundesregierung Chile zu einem Schwerpunktland der Entwicklungspolitik machen wolle, auch wenn Chile die DDR anerkenne -, fragen wir die Bundesregierung heute, wie sie sich eigentlich die oft angekündigte friedliche Koexistenz zwischen DDR und Bundesrepublik in den Ländern der Dritten Welt vorstellt. Was in Guinea geschehen ist, darf sich nicht wiederholen, wenn nicht die Entwicklungshilfe insgesamt weiteren, entscheidenden Schaden nehmen soll. Die politische Auseinandersetzung zwischen der freien und der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die wir in Deutschland und die wir in Europa kennen, wird von der DDR in die Dritte Welt getragen. Daß sich die Regierung in Ost-Berlin bei ihren Bemühungen, dort einzudringen, nicht an irgendwelche uns geläufige und für uns selbstverständliche Spielregeln hält, ist inzwischen allen klargeworden. Die DDR verfolgt ihre Entwicklungspolitik ausschließlich unter klaren außen- und machtpolitischen Gesichtspunkten, ohne sich - im Gegensatz zur Bundesrepublik - bei ihren Bemühungen in etwa an den Anliegen der Entwicklungsländer zu orientieren oder sich gar mit der Präsenz der Bundesrepublik in diesen Ländern abzufinden oder sich einem friedlichen Wettbewerb stellen zu wollen. Die intrigante Rolle, die diese Regierung dort spielt, zielt darauf ab, die Bundesrepublik und ihre Entwicklungspolitik -- und das ist die Arbeit von 20 Jahren unter Einsatz von viel menschlicher Kraft und viel Geld - zu diffamieren. Wir müssen deshalb die Bundesregierung fragen, wie sie sich das Nebeneinander von Bundesrepublik und DDR in der Dritten Welt und auch in den internationalen Organisationen vorgestellt. Es ist einmal davon gesprochen worden, daß die „querelles allemandes" , die deutschen Streitigkeiten, wenn einmal die DDR in den Organisationen der Vereinten Nationen tätig wäre, endlich von dieser internationalen Bühne verschwinden würden. Ich meine vielmehr, daß eine Mitgliedschaft der DDR in diesen Organisationen und eine Präsenz der DDR in der Dritten Welt zu einer Institutionalisierung dieser Streitigkeiten auf lange, lange Zeit führen wird und daß die Organisation der Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen durch diesen Streit, der dann zwangsläufig entstehen muß, schweren Schaden nehmen werden. In der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage wird auf das starke Interesse einer Reihe osteuropäischer Länder an einer Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik verwiesen. Wir müssen die Frage stellen, ob hier nicht das Interesse der Bundesregierung die treibende Kraft ist, ob hier nicht der Versuch gemacht wird, eine so wichtige Aufgabe wie die Entwicklungspolitik in etwa in den Dienst der Ostpolitik zu stellen. Ist es z. B. richtig, Herr Minister, daß Sie, nur um das Zustandekommen eines Kooperationsvorhabens mit der CSSR nicht zu gefährden, vom Grundsatz der Nichtliefergebundenheit abgehen wollen, obwohl dieses Abgehen eindeutig zu Lasten der Entwicklungsländer erfolgt? Ist es richtig, daß sich die Bundesregierung auch an solchen Projekten beteiligt, bei denen von vornherein erhebliche Zweifel an ihrer Wirtschaftlichkeit bestehen, nur um zu einer Kooperation mit den Ostblockstaaten in den Entwicklungsländern zu kommen? Offensichtlich geht es Ihnen dabei weniger darum, die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe zu erhöhen, als um den Effekt zugunsten Ihrer ostpolitischen Ambitionen. Ich warne davor, daß die Entwicklungspolitik nunmehr in diesem Zusammenhang vor den Karren einer Ostpolitik gespannt wird, ({4}) deren Erfolg täglich fragwürdiger und deren Scheitern täglich wahrscheinlicher wird. Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes festhalten. Um die Leistungen der Bundesrepublik in der Entwicklungspolitik ist es nicht zum Besten bestellt. Es wird höchste Zeit, daß die Kette des Versagens der Bundesregierung nicht auch auf diesen Bereich übergreift. Die Entwicklungspolitik gehört zu den wenigen weltpolitischen Aufgaben, an deren Lösung die Bundesrepublik aktiv und an führender Stelle mitarbeiten kann. Die Bundesrepublik hat sich auf Grund ihrer entwicklungspolitischen Leistungen in den vergangenen Jahren bei den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ebenso wie bei den internationalen Organisationen Ansehen erworben. Auch in der eigenen Bevölkerung wächst langsam das Verständnis, daß wir hier eine über unsere eigene Generation hinausgehende Aufgabe zu erfüllen haben. Dieses Verständnis und dieses Vertrauen wird sich in Mißtrauen und Ablehnung verwandeln, wenn sich die Bundesregierung nicht bald entschließt, ihrer Entwicklungshilfe durch bessere Organisation, durch solidere Finanzplanung und durch weniger Ideologie hier und draußen wieder Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Die Opposition, Herr Minister, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist dabei stets zur Zusammenarbeit bereit. ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Brück ({0}).

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern abend sagte mir ein Außenstehender, diese Debatte werde ja wohl nicht hart werden, er habe das Fernsehgespräch zwischen dem Kollegen Kiep und dem Minister gesehen und festgestellt, daß es da doch große Einigkeit gebe. Ich habe ihm widersprechen müssen und gesagt: Ich habe menschliches Verständnis für die Situation des Kollegen Kiep; angesichts der allgemeinen Kampfstimmung in der Opposition kann er ja jetzt nicht von sich aus eine sachliche Debatte führen. ({0}) Ich habe mir, um das jetzt zu beweisen, einige Worte aus Ihrer Rede aufgeschrieben. Sie warfen dem Minister Musterschülermentalität vor, da war von Verketzerung die Rede, von schlechtem politischen Stil, und zum Schluß haben Sie von Ideologie gesprochen. Herr Kollege Kiep, ich habe den Eindruck, Ideologie ist immer nur bei den anderen. ({1}) Oder haben Sie nicht vielleicht auch eine Ideologie zu vertreten? Ich muß Sie auch fragen, wo denn Ihre Alternative bleibt. Sie haben gesagt: Wir rechnen zuerst, und dann erst versprechen wir. Was haben Sie denn gerechnet? Wir erinnern uns nur daran, daß Sie einmal in der Haushaltsdebatte „gerechnet" haben, es sei populär und bringe Stimmen, wenn man im Etat des Entwicklungshilfeministeriums kürzt, um diese Mittel an einer anderen Stelle einzusetzen. Das ist die einzige Rechnung, die wir bisher von Ihnen erfahren haben. Ich will Ihnen auch etwas zur Frage der Organisation sagen. Ich verhehle hier nicht, daß ich mit vielen meiner Freunde der Auffassung bin - das will ich ganz offen sagen -, daß die Kapitalhilfe im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ressortieren sollte. Aber, Herr Kollege Kiep, Auseinandersetzungen über Kompetenzen hat es schon immer gegeben, nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern. Man muß einfach fragen, ob die Arbeit denn nicht so, wie sie läuft, gut läuft. Ich glaube, sie läuft besser, als sie früher gelaufen ist. Aber es ist nicht Sinn dieser Debatte, Ausschußsitzungen fortzusetzen. Sie haben das leider ein bißchen getan. Sie haben darauf hingewiesen, daß das im Deutschen Bundestag nach langer Zeit die erste Debatte in der Öffentlichkeit über Entwicklungspolitik ist. Daher glaube ich, daß wir diese Gelegenheit benutzen sollten, uns über die Ziele und die Strategie unserer Entwicklungspolitik zu unterhalten, statt daß wir hier nur in Einzelprobleme einsteigen und so dahinwursteln. Seit der Debatte 1967, die wir im Plenum des Deutschen Bundestages hatten, hat sich in der Diskussion manches gewandelt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es, wenn es Kritik an unserer Politik gab, immer nur eine Kritik gegeben, in der uns gesagt wurde, daß wir zuviel Entwicklungshilfe leisteten. In den letzten Jahren hatten wir es mit einer Kritik zu tun - auch von einer anderen Seite -, in der uns vorgeworfen wurde, wir leisteten zuwenig Entwicklungshilfe. Von der gleichen Seite kommt dann oft auch der Vorwurf, daß wir bei unserer Entwicklungspolitik eigentlich nicht genügend die Interessen der Entwicklungsländer, sondern zu sehr unsere eigenen Interessen sähen. Ich halte das für eine falsche Diskussion. Ich meine, daß wohlverstandene Entwicklungspolitik im Interesse der Geber- und der Empfängerländer liegt. Wir sollten dabei auch ehrlich gegenüber den Empfängerländern sein, indem wir ihnen sagen, daß es dabei natürlich auch Interessen der Geber gibt, zumal da es für diejenigen, die empfangen, auch demütigend ist, wenn immer nur von der wohltätigen Seite gesprochen wird. Wenn ich von den Interessen der Geberländer spreche, dann meine ich deren langfristige Interessen. Diese liegen in der Sicherung des Friedens, aber auch in der Schaffung neuer Märkte für uns. Ich füge hinzu, daß ich glaube, daß manchmal die Verfechtung kurzfristiger Interessen in der Tat unsere eigenen langfristigen Interessen gefährden würde, sowohl im Bereich der Wirtschafts- als auch im Bereich der Außenpolitik. Entwicklungspolitik ist Politik eigener Art. Aber sie spielt natürlich auch in der Außenpolitik eine Rolle. Wir alle sind uns bewußt, daß das Bild eines Volkes in der Weltöffentlichkeit u. a. auch dadurch geprägt wird, wie und wieviel Entwicklungshilfe gegeben wird, nicht nur bei den Nehmern, sondern auch bei den Gebern. Ich glaube, hier sind wir, die Bundesrepublik, in den letzten Jahren in eine gute Position gekommen. Wir sind Vorreiter für neue Vorstellungen geworden, für Vorstellungen - Sie haben das soeben erwähnt -, wonach weniger liefergebundene Hilfe gegeben werden sollte, für Vorstellungen, daß verstärkt die multilaterale Hilfe gegeben werden sollte, und auch für Vorstellungen, daß man von kurzfristigen Interessen wegkommen muß. Wie sehr dieses Beispiel in der Welt gewirkt hat, wird an den beiden Botschaften deutlich, die der amerikanische Präsident im Herbst des vergangenen Jahres und jetzt erst im April wieder an den Kongreß gerichtet hat und in denen er im Grunde die amerikanische Entwicklungspolitik umgestellt hat, und zwar - das muß man doch bei aller Be6768 Brück ({2}) scheidenheit sagen - stark nach dem deutschen Beispiel. Sie haben, Herr Kollege Kiep, in der Debatte auf die Möglichkeit der Beeinflussung der Entwicklungspolitik durch den Ost-West-Konflikt hingewiesen. Natürlich können wir nicht daran vorbei, daß der Ost-West-Konflikt eine Rolle spielt. Wir wissen auch ganz genau - die Bundesregierung hat das in ihrer Antwort auch so gesagt -, daß die Staaten des Warschauer Paktes ihre Entwicklungshilfe vor allem nach ihren eigenen außenpolitischen Interessen geben. Aber die Frage taucht auf, wie lange sie das eigentlich durchhalten können, bis auch die Länder der Dritten Welt erkennen, daß das so ist, bis sie spüren, daß das nur eigene Interessen sind trotz allem Propagandageschrei, das von dort kommt. Im übrigen müßte man an dieser Stelle auch sagen: es wäre gut, wenn von den Seiten des Warschauer Paktes mehr Entwicklungshilfe als bisher gewährt würde; denn diese Aufgabe ist nicht nur eine Aufgabe der westlichen Industrienationen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zur Zusammenarbeit sagen. Wir glauben, daß diese Zusammenarbeit notwendig ist. Herr Kollege Kiep, ich muß Sie daran erinnern, daß wir einmal gemeinsam beschlossen haben, daß Entwicklungspolitik nicht ein Feld des Wettbewerbs zwischen Ost und West sein dürfe, sondern ein Feld der Zusammenarbeit sein müsse. ({3}) Wir wissen, daß das schwierig ist. Aber wir sollten das immer wieder versuchen. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort zu Chile sagen. Ich halte die Reaktion der Bundesregierung für richtig. ({4}) - Ich halte die Reaktion, die diplomatischen Beziehungen nicht abzubrechen, für richtig. Ich halte es für richtig, unsere Beziehungen zu überprüfen. ({5}) - Herr Kollege, ich wundere mich, daß Sie überhaupt Kritik daran geübt haben. Ich habe von dieser Stelle schon einmal gesagt, ich kann mich entsinnen, daß Sie von Chile zurückgekehrt waren und an Freundlichkeit für Chile in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk kaum zu übertreffen waren. Damals wußten auch Sie so gut wie wir alle, daß die Regierung Allende die Absicht hatte, die DDR anzuerkennen. Dann muß ich Sie einfach fragen, warum Sie das damals gesagt haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Brück, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Kiep!

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie daran erinnern, Herr Kollege Brück, daß ich damals gesagt habe - und dazu stehe ich selbstverständlich heute noch -, ich wäre dagegen, daß im Falle einer Anerkennung der DDR durch Chile die Entwicklungshilfe für Chile abgebrochen würde? Dazu stehe ich nach wie vor. Ich halte es für eine ungeeignete Maßnahme als Antwort auf einen solchen Schritt. Der Unterschied zwischen dem, was ich gesagt habe, und dem, was der Herr Staatssekretär gesagt hat, dürfte daraus deutlich hervorgehen.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber dann frage ich mich, Herr Kollege Kiep, warum Sie überhaupt das Problem Chile in diese Debatte eingebracht haben, wenn Sie meinen, daß die Entwicklungspolitik nicht tangiert wird. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön, Herr Gewandt!

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie es nicht für möglich, Herr Kollege - ich werde nachher darauf zurückkommen -, daß wir der Auffassung sind, bei einem anderen Verhalten der Bundesregierung hätte die Entscheidung der chilenischen Regierung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden können? Ist Ihnen bekannt, daß eine andere, asiatische Industrienation, die in Chile nicht so verankert ist wie wir, es immerhin erreicht hat, daß Nordkorea diplomitisch nicht anerkannt wird, obwohl die chilenische Regierung dies ursprünglich vorgesehen hatte?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gewandt, ich kenne da andere Äußerungen, wie sich die chilenische Regierung bei einer anderen politischen Konstellation verhalten hätte. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Meine Damen und Herren, Entwicklungspolitik spielt natürlich auch in den Bereich der Wirtschaft hinein. In diesem Bereich stehen wir alle vor einem großen Problem, dem Problem der Arbeitslosigkeit in den Ländern der Dritten Welt. Wir stehen hier zugleich vor einem Widerspruch, dem Widerspruch, daß auch in den Ländern der Dritten Welt - so sagen alle Fachleute - kapitalintensiv investiert werden muß, damit man auf dein Weltmarkt konkurrenzfähig bleibt, daß man aber auf der anderen Seite viele arbeitsintensive Betriebe braucht, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Ich weiß, daß dieses Problem nicht einfach zu lösen ist. Aber das scheint mir eine echte Aufgabe zu sein. In diesem Zusammenhang kann man an dieser Stelle die Entscheidung des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaften nur begrüßen, den Entwicklungsländern Zollpräferenzen zu gewähren und ihnen damit unseren Markt zu eröffnen. ({0}) Denn die Möglichkeit, Produkte in den Industrienationen zu verkaufen, erleichtert es den Entwicklungsländern, Industrien aufzubauen, und bringt sie auch aus ihrer schwierigen Situation der Verschuldung. Brück ({1}) Wir wissen, daß mit dem Beschluß des Ministerrats nicht alles geschehen ist. Denn diese Politik hat Einfluß auf die inneren Strukturen der Industrienationen. Ich glaube, daß hier die regionale Strukturpolitik der Bundesregierung beispielhaft ist, die dafür sorgt, daß bei uns überholte Strukturen geändert werden, und dafür die Möglichkeit schafft, daß Produkte aus den Ländern der Dritten Welt eingeführt werden und daß wir eine bessere Arbeitsteilung in der Welt bekommen. Ich weiß, daß das alles nicht über Nacht geschehen kann. Es wäre vermessen, anzunehmen, daß wir ganze Regionen in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen wollten, die einseitig strukturiert sind. Ich will hier nur das Beispiel der Textilindustrie erwähnen. Wir wissen, daß das ein langsamer Prozeß ist. Trotzdem muß dieser Prozeß im Interesse aller in Gang gesetzt werden, und wir dürfen bei uns überholte wirtschaftliche Strukturen nicht durch Erhaltungssubventionen erhalten, wie auch die Bundesregierung gesagt hat. Nun, Herr Kollege Kiep, komme ich zu einem Thema, von dem Sie gesagt haben, es werde verketzert.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Brück, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte, Herr Kollege Ott!

Anton Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001664, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, habe ich Sie mißverstanden, wenn ich Ihren Ausführungen die Behauptung entnommen habe, daß in der Textilindustrie bei uns zulande überholte Strukturen vorhanden seien, die mit Unterstützung der Bundesregierung am Leben gehalten würden?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ott, ich wollte mit diesem Beispiel sagen, daß es auch für uns nicht gut ist, Strukturen zu erhalten, die überholt sind, wenn man in anderen Ländern besser und billiger produzieren kann. Ich habe vorher gesagt, daß ich nicht daran glaube, daß diese Strukturen über Nacht geändert werden können, daß wir aber dieses Ziel anstreben müssen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ott?

Anton Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001664, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, mir scheint das sehr wichtig zu sein. Denn es hängt eine halbe Million Arbeitsplätze davon ab, ob sich Ihre Auffassung durchsetzt. Ist Ihnen unbekannt, daß die bundesdeutsche Textilindustrie keine Subventionen hat und daß die Leistungssteigerung dieser bundesdeutschen Textilindustrie an der Spitze der deutschen Industrie liegt?

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ott, wenn Sie die Diskussion um die Zollpräferenzen richtig verfolgt hätten, hätten Sie spüren müssen, daß der Widerstand gerade aus dem Bereich der Textilindustrie kam, weil eine Freigabe der Einfuhr die Textilindustrie natürlich in Schwierigkeiten bringt. Es tut mir leid, daß Sie das nicht verfolgt haben. Aber ich würde jetzt gern fortfahren, da wir uns alle zusammen vorgenommen haben, kurze Beiträge zu liefern. Ich will jetzt etwas zu den privaten Investitionen sagen, von denen Sie behauptet haben, Herr Kollege Kiep, sie würden bei uns verketzert. ({0}) In unserer Anfrage haben wir deutlich nach der Bedeutung der privaten Investitionen gefragt. Ich meine, daß die privaten Investitionen ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Probleme sind, die in den Entwicklungsländern anstehen. Ich meine aber auch, daß wir es immer in die Entscheidung des betreffenden Landes stellen müssen, ob es private Investitionen zuläßt; denn es steht uns nicht an, Entscheidungen über die Wirtschaftsform dieser Länder zu fällen. Wir fördern private Investitionen unter anderem mit dem Entwicklungshilfesteuergesetz. Ich muß heute die Frage stellen, ob dieses Gesetz noch richtig ist. Ich glaube, daß dieses Gesetz ein Gesetz ist nach dem Motto: „Wo Tauben sind, fliegen Tauben hin." Wir mußten leider feststellen, daß ein großer Teil der privaten Investitionen in den Entwicklungsländern dort erfolgt sind, wo sie ohne Hilfe des Entwicklungshilfesteuergesetzes ohnehin erfolgt wären. Von daher, meine ich, müssen wir bei einer Neufassung dieses Gesetzes alle gemeinsam Überlegungen anstellen, ob es nicht möglich ist, mit Hilfe dieses Gesetzes Investitionen an solche Stellen zu lenken, wo sie ohne dieses Gesetz nicht erfolgt wären. Lassen Sie mich zum Schluß einige Bemerkungen dazu machen, daß Wirtschaftswachstum allein noch kein entscheidendes Kriterium für die Entwicklung eines Landes ist, so wichtig Wachstum der Wirtschaft ist. Wir meinen - und vielleicht werden Sie, Herr Kollege Kiep, wieder sagen, das sei Ideologie daß Fortschritte im gesellschaftspolitischen Bereich zur Entwicklung eines Landes ebenso notwendig sind wie die Entwicklung der Wirtschaft dieses Landes. Denn was nutzt es, die Wirtschaft eines Landes zu entwickeln, wenn damit nicht allen Menschen in diesem Land geholfen wird! Daher ist der soziale Bereich für uns besonders wichtig. Es gilt, nicht nur einer Oberschicht, sondern allen Menschen in diesen Ländern zu helfen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Minister Eppler.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vom ersten Augenblick an, als es um die Debatte zu diesen Großen Anfragen ging, war ich der Meinung, daß hier nicht zuerst die Regierung, sondern zuerst dieses Hohe Haus das Wort haben sollte, daß also nicht am Anfang eine Erklärung der Regierung stehen sollte. Nach dem, was ich von Herrn Kollegen Kiep gehört habe, habe ich einige Zweifel, ob dies im Interesse der Sache richtig war. Was Sie, Herr Kiep, nicht gesagt haben, war wesentlich interessanter als das, was Sie gesagt haben. Sie haben auch heute kein Wort über das Konzept dieser Regierung gesagt, genauso wie Sie seit dem Beschluß des Kabinetts vom 11. Februar 1971 weder ein positives noch ein negatives Wort dazu gesagt haben. ({0}) Sie haben heute versucht, den ersten Kabinettsbeschluß einer Bundesregierung, der für alle Ressorts verbindlich die Entwicklungshilfe auch für die Öffentlichkeit sichtbar definiert, als einen Beitrag zur entwicklungspolitischen Literatur darzustellen. Herr Kollege Kiep, ich wünsche Ihnen nach dieser Rede nicht, daß Sie einmal auf meinem Stuhl sitzen. Aber dann würden Sie sehen, was der Unterschied zwischen Literatur und einem Kabinettsbeschluß dieser Art ist. ({1}) Im übrigen haben Sie zu keinem der Schwerpunkte dieses Programms auch nur einen Ton gesagt, nichts zu den länderbezogenen Programmen, nichts zu der internationalen Koordinierung, nichts zu der stärkeren Betonung sozialer Aspekte, z. B. Beschäftigung, Erziehung, Agrarstruktur. Sie haben mit keinem Wort die sichtbaren, auch draußen anerkannten Aktiva unserer Entwicklungspolitik erwähnt, keinen Ton dazu gesagt, daß wir in zwei Jahren die Lieferbindung von 57 % auf 26 % heruntergeschraubt haben. Dies wird draußen wesentlich ernster genommen als alle Reden von Ihnen zusammen, Herr Kiep. ({2}) Sie haben nichts gesagt von der Reduzierung des Durchschnittszinses in einem Jahr von 3,24 % auf 2,84 %. Sie haben nichts gesagt von unserer konstruktiven Schlüsselrolle bei der Aufstockung der International Development Agency, der IDA. Sie haben nichts gesagt von unserer Schlüsselrolle und unserem Anstoß in Sachen internationaler Koordinierung von Heidelberg bis zu dem, was jetzt im DAC verhandelt wird. Sie haben nichts gesagt über den Beitrag der Bundesregierung zu der Dekadenplanung. Herr Kollege Kiep, Sie haben in einem Punkt wohl recht gehabt, nämlich, daß es nun darauf ankommt, das, was als Konzept nicht nur national, sondern auch international in den letzten zwei Jahren erarbeitet worden ist, in Realität umzusetzen. Sie wissen so gut wie ich, daß die letzten zwei Jahre in der internationalen Diskussion durch das ausgefüllt waren, was man Dekadenplanung nennt, durch ein Überdenken dessen, was getan, was erreicht worden ist, durch das Ausarbeiten neuer Konzepte. Und wenn Sie dies als Literatur abtun, nun gut, dann ist das Ihr Privatvergnügen. Jetzt sind wir in die Phase der Realisierung der Dekadenplanung eingetreten. Aber Sie haben nicht recht, wenn Sie sagen, es sei nichts geschehen. Sie haben über die Kompetenzen wieder so prononcierte Meinungen von sich gegeben, wie Sie das überhaupt tun, seit Sie in der Opposition sind. Das Schlimme ist nur, daß Sie das vorher nie getan haben. Ich hoffe nur, Herr Kollege Kiep, daß dieser Elan, den Sie auch heute wieder in Sachen Kompetenzen an den Tag gelegt haben, Ihre Oppositionsrolle noch überleben wird.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Bitte sehr!

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich Sie daran erinnern, daß es der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit war, der im Jahre 1968, also zu einer Zeit, als Herr Kiesinger, der der CDU angehört, Bundeskanzler war, die Regierung dazu gezwungen hat, unter Drohungen, sonst den Haushalt nicht zu verabschieden, sich zu einigen, und zwar eine Einigung zwischen Bundesminister Wischnewski und Bundesminister Schiller herbeizuführen? Erinnern Sie sich daran, daß ich derjenige war, der damals, obwohl es eine von uns mitgetragene Regierung war, diesem Anliegen Nachdruck verschafft hat?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Der Unterschied zwischen damals und dieser Regierung ist, daß Herr Schiller und ich I uns ohne die Drohung eines Ausschusses oder von Ihnen geeinigt haben. ({0}) Sie selber haben vorhin die Abmachung vom 15. Mai letzten Jahres zitiert. Es geht jetzt in der Tat darum, das, was wir konzeptionell erarbeitet haben, durchzusetzen. Der erste Schritt - das werden Sie später einmal merken - war der Kabinettsbeschluß vom 11. Februar. Warum ist es denn in den CDU-geführten Regierungen nie gelungen, alle Ressorts auf ein Konzept zu einigen? Warum ist das erst bei dieser Regierung gelungen? Auch darüber sollten Sie einmal nachdenken. Jetzt werden wir versuchen müssen, von den vielen winzigen oder kleinen Einzelprojekten in insgesamt hundert Ländern zu Verbundprojekten, zu größeren Programmen zu kommen. Wir haben im Augenblick - Sie werden zugeben, dies ist nicht Schuld dieser Regierung - 426 Kapitalhilfeprojekte, davon 111 im Verkehrswesen, 42 im Energiewesen, 39 in der Landwirtschaft, 30 allein in der Trinkwasserversorgung und Abwässerbeseitigung. Wir haben 1400 Projekte der technischen Hilfe, allein 405 im gewerblichen Sektor, 342 in der Landwirtschaft. Warum ist das denn so gekommen? Sie wissen sehr genau, wer die Gießkanne erfunden hat und warum sie erfunden worden ist. Jetzt steht diese Regierung vor dem Problem: Wie kann man aus diesen verzettelten Projekten Programme machen, wie kann man sich auf größere Verbundprojekte konzentrieBundesminister Dr. Eppler ren, die nicht nur effizienter sind, sondern auch die Verwaltung erleichtern? Wir haben damit, Herr Kiep, am 1. September letzten Jahres durch die Umorganisation meines Hauses angefangen. Wir haben die Regionalreferate verstärkt, um das, was in der Konzeption steht, in Administration zu übersetzen. Wir sind jetzt dabei, zu prüfen, was das für die Durchführungsorgane bedeutet, die neuen Anforderungen gerecht werden müssen. Dafür haben wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und ich habe jetzt entschieden, daß in der Durchführung der Entwicklungshilfe die sogenannte GAWI die volle Arbeitgeberfunktion erhält, daß die Bundesstelle für Entwicklungshilfe, in dem Maße, wie sie dazu in der Lage ist, die Verantwortung für die Einzelprojekte übernimmt, daß in meinem Hause die Fachreferate die Kontaktstellen für diese Frankfurter Stelle sind und die Projekte, soweit dies ministeriell nötig ist, bearbeiten und daß die Regionalreferate nun voll für die Planung eingesetzt werden können. Herr Kiep, zu allen Punkten haben Sie nur Kritik geäußert. ({1}) - Gut, in der Tat, das ist Ihre Aufgabe. Aber, verehrter Herr Kiep, die Partei, der Sie angehören, habe ich bisher in Sachen Entwicklungspolitik etwas ernster genommen; ich habe nämlich geglaubt, sie hätte ein eigenes Konzept. Davon habe ich überhaupt nichts gehört. ({2}) Ich greife ein paar Beispiele heraus. Sie haben vom 0,7%-Ziel gesprochen. Sie wissen, daß die Bundesregierung dieses Ziel in der Regierungserklärung akzeptiert hat, ohne einen Zeitpunkt zu nennen. Im übrigen ist der Zeitpunkt, den Pearson genannt hat, 1980; das geht also in jedem Fall über das Jahr 1973 hinaus. Warum hat eigentlich kein Abgeordneter der Opposition auch nur einen Ton gehustet, als der Bundeskanzler dies vor eineinhalb Jahren hier vortrug? Warum kommen Sie jetzt? ({3}) - Na gut. ({4}) Das nehmen wir zur Kenntnis. Jetzt haben Sie so getan, als sei dies eine Art von Privatvergnügen der Bundesrepublik gewesen. Ich will Ihnen die Länder nennen, die sich bereits verpflichtet haben, dieses Ziel bis 1975 zu erreichen. Das sind Belgien, Finnland, die Niederlande, Norwegen und Schweden. Frankreich hat sich zwar nicht auf das 0,7%-Ziel festgelegt, aber sich zu einem öffentlichen Ziel bekannt; es liegt in der Nähe der 0,7 %. Die Angabe, die Sie vorhin gemacht haben - die meisten Zahlen waren übrigens falsch -, ({5}) die öffentliche Entwicklungshilfe sei von 0,43 % auf 0,33 % abgesunken, ist falsch. Es waren 0,39 %. Ich kann Ihnen, Herr Kiep, nachher einmal privatissime erklären, was der Unterschied zwischen öffentlicher Entwicklungshilfe und öffentlichem Kapitaltransfer ist. ({6}) Die öffentliche Entwicklungshilfe, also die Bezugsgröße zu den 0,33%, die Sie erwähnt haben, ist die Zahl 0,39, und die Bezugsgröße zu den 0,43, die Sie erwähnt haben, wäre die Zahl 0,36. Ich bin gern bereit, darüber im einzelnen zu reden, fürchte aber, daß wir die Kollegen langweilen. Nur eines, Herr Kiep, werden Sie der deutschen Öffentlichkeit nicht klarmachen können: warum Sie hier darüber lamentieren, daß die Bundesrepublik zu wenig öffentliche Entwicklungshilfe leiste, und warum Sie dann bei der zweiten Lesung des Haushalts 1971 einen Kürzungsantrag über 81 Millionen DM einbringen. ({7}) - Herr Wulff, - ({8}) - Verehrter Herr Kollege Wulff, wenn hier einer Grund hätte sich zu ärgern, dann wäre das ich. Da ich es nicht tue, bitte ich, es auch bleiben zu lassen. ({9}) - Ja, jetzt müssen Sie mal zuhören. ({10}) - Es ist überhaupt nicht gekürzt worden, weil Sie niedergestimmt worden sind, und Sie sind u. a. auch deshalb niedergestimmt worden - ich habe das von der Regierungsbank ganz genau beobachtet -, weil die Kollegen Ihrer Fraktion, die mit Entwicklungshilfe zu tun haben, bei dieser Abstimmung überhaupt nicht mitgestimmt haben. Das haben sie wohl deshalb nicht getan, weil sie selber ein ungutes Gefühl hatten. Ich bin gern bereit, Ihnen nachzuweisen, warum es sich bei diesen 81 Millionen DM um einen klaren Kürzungsantrag gehandelt hat. Aber es wäre vielleicht besser, wenn Sie hier darstellen würden, warum das nicht so gewesen ist. Herr Kiep, was ist denn nun die Alternative? Sind Sie für das 0,7%-Ziel oder sind Sie es nicht? Das möchte die Öffentlichkeit wissen, nicht nur die deutsche, sondern auch die internationale. Wie steht die Opposition, die ja immer so tut, als könnte sie morgen die Regierung übernehmen, zu dieser international eingegangenen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland? Will sie das oder will sie das nicht? Dazu hätte ich gerne ein Wort von Ihnen gehört. ({11}) - Herr Kollege Kiep, das ist keineswegs klar. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das noch klarstellen würden. Herr Kiep, Ihre Behauptung, daß die privaten Direktinvestitionen zurückgegangen seien, ist falsch. Erstaunlicherweise haben Sie diese Behauptung jetzt wiederholt, obwohl ich für alle sichtbar - sie Ihnen in der Fernsehdiskussion schon einmal an Hand von Zahlen widerlegt habe. Damit das klar ist: die privaten Direktinvestitionen betrugen im letzten Jahr 314,4 Millionen Dollar und im Jahr vorher 233,6 Millionen Dollar. Das bedeutet also - und deshalb ist der Ausgangspunkt Ihrer theoretischen Überlegungen auch falsch -: wir haben im letzten Jahr einen Stand der privaten Direktinvestitionen gehabt wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. ({12}) - Herr Kollege Wulff, davon ist aber geredet worden; denn Herr Kiep hat sich auf die Kritik gegen die privaten Direktinvestitionen bezogen. Das können Sie im Protokoll nachlesen. Apropos Privatinvestitionen. Herr Kollege Kiep, ich darf einmal einen Satz aus Ihrem Berliner Programm zitieren. Da heißt es: Private Investitionen ... dürfen aus öffentlichen Mitteln nur gefördert werden, wenn sie den entwicklungspolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik und der Entwicklungsländer entsprechen. Gleichzeitig haben Sie gesagt, Herr Kiep, Sie seien für die Fortsetzung des jetzt geltenden Entwicklungshilfe-Steuergesetzes. Ist Ihnen klar, daß das Entwicklungshilfesteuergesetz diesem Grundsatz genau widerspricht? Ist Ihnen klar, daß es jede Art von Direktinvestitionen in Entwicklungsländern fördert und eben nicht nur das, was in Ihrem Programm steht? Ich würde gerne wissen, was nun eigentlich stimmt. Ist Ihr Parteiprogramm oder Ihre Aussage, das Entwicklungshilfesteuergesetz solle so, wie es ist, verlängert werden, gültig? All das wäre für die Öffentlichkeit sehr interessant.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rudolf Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß das Risiko, in einem Land zu investieren, dadurch beeinflußt wird, daß dieses Land den Vorstellungen, die wir haben, zustimmt oder nicht? Macht das einen Unterschied im Risiko aus und beeinflußt das die Frage des Entwicklungshilfesteuergesetzes oder nicht? Meiner Ansicht nach hat das überhaupt nichts damit zu tun. Ihr Argument ist in diesem Zusammenhang vollkommen falsch.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Verehrter Herr Kollege Werner, ich fürchte, Sie haben Ihr eigenes Partei-Programm nicht gelesen. In Ihrem Programm steht doch, daß private Direktinvestitionen nur aus öffentlichen Mitteln und damit natürlich auch aus öffentlichen Steuermitteln - das macht etwa 100 Millionen DM Steuerausfall im Jahr - gefördert werden dürfen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Nun möchte ich von Ihnen wissen, wie Sie das in Gesetzgebung oder in Administration umsetzen wollen oder ob das schon Makulatur ist, ehe es überhaupt in der Öffentlichkeit bekannt wird. Herr Kollege Kiep, Sie haben die übliche Pflichtübung in Sachen Chile gemacht. Sie haben wieder meinen Staatssekretär Sohn angegriffen. Zu Recht!) (Abg. Wohlrabe: Zu Recht! Ich habe das erwartet. Dabei ist kein einziges neues Argument herausgekommen. ({0}) Aber jetzt möchte ich von Ihnen, Herr Kollege Kiep, wissen: Was hätte nach Ihrer Meinung diese Bundesregierung in Sachen Chile eigentlich tun sollen? ({1}) Von einigen Ihrer Kollegen habe ich gehört, das, was die Bundesregierung gegeben habe, sei richtig gewesen. Von anderen höre ich jetzt, alles sei falsch. Was denn nun eigentlich richtig gewesen wäre, das müßte eine Partei dieses Zuschnitts einmal sagen. ({2}) Herr Kiep, Sie haben nach Ihrer Rückkehr sinngemäß gesagt - ich sage es aus dem Gedächtnis; wenn es nicht stimmt, können Sie mich sofort korrigieren ({3}) es wäre töricht, wenn wir auf die Anerkennung der DDR, die damals bevorstand - das wußten Sie so gut wie alle anderen auch -, mit einer Veränderung unserer Entwicklungshilfepolitik reagierten. Stimmt's? ({4}) - Gut! Ich wäre dankbar, wenn ich jetzt einmal erfahren könnte, ob dies etwa auch die Meinung des Herrn Kollegen Wrangel ist und was die Opposition eigentlich sachlich zu all dem zu sagen hat. Denn Sie wissen ganz genau, daß die Interpretation jener Äußerung des Staatssekretärs nicht richtig ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Bitte schön!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Bitte, Herr Gewandt!

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wären Sie bereit, darauf zurückzukommen, wenn wir Gelegenheit gehabt haben, im Laufe der Debatte zu diesem Fall etwas ausführlicher Stellung zu nehmen? Ich habe vor, das zu tun.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Gut! Ich habe nur auf das repliziert, was Herr Kiep gesagt hat. Sie müssen ja irgendwelche Informationsquellen haben, die ein bißchen trübe sind. ({0}) - Doch! Meistens ist ein bißchen was Richtiges dran. Herr Kiep, Sie haben weiter gesagt, ich würde ein Projekt in Bolivien fördern, obwohl es nicht wirtschaftlich sei. Es würde nur gefördert, weil hier eine Unterlieferung aus einem Ostblockland im Spiel sei. ({1}) - Dann antworte ich Ihnen auf diese Frage: Dieses Projekt ist mit der Gründlichkeit von den Ressorts und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau geprüft worden wie alle anderen Projekte, Es ist in diesem Augenblick noch nicht einmal entscheidungsreif, weil die Prüfung sich sogar noch etwas länger hinzieht als bei vielen anderen Projekten. Herr Kollege Kiep, am Schluß haben Sie sich dann diesen Schlenker mit der Ideologie nicht verkneifen können. Sie müssen jetzt wirklich einmal sagen, was Sie meinen. Sie haben jetzt mehrfach, z. B. in einem Rundfunkinterview, deutlich erklärt - soll ich es Ihnen denn vorlesen; Sie wissen es doch sehr genau -, daß diese Bundesregierung eine nichtideologische, pragmatische Entwicklungspolitik betreibt. Das haben Sie zu mir gesagt; also müssen Sie auch mich gemeint haben. Sie haben in der Haushaltsdebatte im Bundestag dann auf einen entsprechenden Vorwurf gesagt, Sie könnten dies gar nicht zurücknehmen, weil Sie es nie behauptet hätten. Heute klingt das unterschwellig nun wieder an. Glauben Sie eigentlich, daß das irgend jemand noch ernst nimmt? ({2}) - Ich möchte nur einmal klarlegen, mit wieviel Zungen zu reden Ihnen gegeben ist. ({3}) Herr Kollege Kiep, meine Damen und Herren, ich fürchte, die Sache, um die es hier heute geht, ist zu wichtig, die Partei, die Sie repräsentieren, wohl etwas zu groß und das Eis, auf dem diese entwicklungspolitische Debatte in unserer öffentlichen Meinung vor sich geht, doch zu dünn, als daß man so kleinkariert operieren könnte, wie Sie es heute getan haben. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung. Für ihn sind 20 Minuten Redezeit angemeldet.

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sprecher der Opposition, Herr Kollege Kiep, hat hier heute nach altbewährter Manier wieder eine Wahlkampfplatte aufgelegt. Herr Kollege Kiep, ich meine, damit kann man vielleicht draußen bei Lieschen Müller Eindruck machen. Sie sollten doch aber wie alle hier in diesem Hause wissen, daß eine Regierungserklärung ein Ziel für vier Jahre angibt und daß man hier nicht einfach sagen kann: Diese Regierung hat versagt, weil sie in anderthalb Jahren nicht das erreicht hat, was sie damals angekündigt hat. Herr Kollege Kiep, ich möchte Ihnen wie meine Vorredner folgendes sagen. Die Alternative, die Sie als Oppositionspartei in der Entwicklungspolitik hier aufzuzeigen haben, haben Sie bisher nicht aufgezeigt. Sie sprachen von den Kompetenzen. Nun gut, sicher ist nicht alles optimal, und Herr Kollege Brück hat das ausgedrückt, was auch ich dazu sagen möchte. Aber dabei ist mir die Vision gekommen, wie es denn wohl wäre, wenn Sie als Entwicklungshilfeminister oder als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hier arbeiten müßten und Ihnen gegenüber Ihr Superfinanz- und -wirtschaftsminister Strauß säße. Diese Vision können Sie sich einmal weiter durchdenken. ({0}) - Herr Kollege Kiep, natürlich, aber Sie haben ja so damit begonnen, und Sie haben die klare Alternative, die ich erwartet habe, hier vermissen lassen. Dann haben Sie das Beispiel von Chile in den Zusammenhang von Entwicklungspolitik und Ostpolitik gebracht. Nun, der Minister hat heute früh bereits in der Fragestunde, wie ich meine, sehr klar die Position dieser Regierung dargestellt. Er ist auch eben noch einmal auf diesen Punkt zu sprechen gekommen. Wir müssen aber doch nüchtern erkennen, daß die Entwicklungspolitik in den beiden letzten Jahrzehnten leider in zu starkem Maße unter dem verhängnisvollen Einfluß der Politik des Kalten Krieges gestanden hat, d. h. der Spaltung der Welt in zwei sich feindlich gegenüberstehende Lager. Beide Weltblöcke haben bei ihrer Entwicklungspolitik in nicht unerheblichem Maße zuerst an die Sicherung ihrer eigenen Gesellschaftssysteme und an den Ausbau und die Erweiterung ihrer Einflußsphäre gedacht und haben dabei häufig die besonderen Probleme der Entwicklungsländer außer acht gelassen. Die Folge davon ist, daß heute die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik unter dem Einfluß der Hallstein-Doktrin auf über hundert Staaten zersplittert ist. Dieser Zustand ist bedauerlich. Wir müssen ihn aber im Augenblick als Faktum hinnehmen, da wir nicht kurzfristig bestimmten Entwicklungsländern Mittel entziehen können, die sie bisher von der Bundesrepublik erhalten haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe?

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie der Auffassung, Herr Kollege, daß die derzeitige Entwicklungshilfe6774 politik uns weiterführt, wenn man heute in der Zeitung lesen muß, daß die Vereinten Nationen, insbesondere der Generalsekretär auf Entwicklungshilfeeinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland in Berlin sehr negativen, um nicht zu sagen, abwürgenden Einfluß geltend macht?

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bedaure diese Zwischenfrage. Aber Herr Kollege Matthöfer als Präsident der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer, der sich gerade meldet, wird gleich darauf zurückkommen. ({0}) Sie hätten an der Besprechung um 14 Uhr 30 teilnehmen müssen. ({1}) - Ich kann natürlich darauf eingehen, denn ich bin ja in der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer. Sie, Herr Kollege Wohlrabe, hätten sich aber Ihre Frage ein bißchen mehr überlegen sollen nach der interfraktionellen Vereinbarung vor einer Stunde.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer?

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß fragen, ob Sie es nicht nur bedauern, sondern auch für die deutschen Interessen als schädlich betrachten, daß auf der Grundlage einer ungeklärten Zeitungsmeldung derartige Fragen gestellt werden?

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, meine Damen und Herren, ich halte diese Zwischenfrage von Herrn Kollegen Wohlrabe für schädlich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe?

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege, daß heute diese Meldung so, wie sie in der Zeitung steht, von der Deutschen Presseagentur erhärtet wurde?

Kurt Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001038, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege Wohlrabe, die Presseerklärung, die auch von Ihren Kollegen getragen wird, nachzulesen, die morgen in den deutschen Zeitungen zu diesem Thema steht. Damit möchte ich dieses Thema abschließen. Wenn die Bundesregierung die notwendigen Forderungen aufstellt, von der Unterstützung der einzelnen Projekte zur Unterstützung von Projektprogrammen überzugehen, d. h. in verstärktem Maße in Zukunft regionale Programme und sektorale Programme zu fördern, so verstehe ich darunter die Konzentration der Mittel auf bestimmte Gebiete in den einzelnen Entwicklungsländern, nicht aber den kurzfristigen Abbau der Entwicklungshilfe für einzelne Länder und die kurzfristige Konzentration der Entwicklungshilfe auf bestimmte auserwählte Entwicklungsländer. Es kann nicht Aufgabe der Entwicklungshilfepolitik sein, den Entwicklungsländern ein bestimmtes Gesellschaftssystem vorzuschreiben. Die Entwicklungsländer müssen in nationaler Unabhängigkeit ihr eigenes Gesellschaftssystem finden. Die schematische Übertragung etwa westeuropäischer Wertvorstellungen auf die Entwicklungsländer kann sich nur zum Schaden für die Beziehungen zwischen den Völkern auswirken, zur Schmälerung des Ansehens der Geberländer beitragen und den Erfolg der Entwicklungspolitik überhaupt in Frage stellen. Maßstab für die Entwicklungspolitik muß ihre Effektivität bezüglich der Entwicklungsziele sein, deren oberstes es ist, die Entwicklungsländer zu leistungsfähigen, ökonomisch starken und gesellschaftspolitisch stabilen Staaten zu entwickeln, die im internationalen Gefüge ihren Platz haben und diesen ausfüllen können. Wer auf internationale Friedenssicherung ausgeht, muß wissen, daß der Friede dieser Welt auf die Dauer nur gesichert werden kann zwischen gleichberechtigten und wirtschaftlich starken Partnern. Vor diesem Ziel sind alle anderen Fragen zweitrangiger Natur. Nur die internationale und multinationale Kooperation wird auf die Dauer den Erfolg garantieren. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch die multinationale Kooperation der Geberländer zum Zwecke einer erfolgreichen Entwicklungspolitik. In diese multinationale Kooperation beziehen wir auch die Staaten des Ostblocks mit ein. Ich hielte es für durchaus gut, Herr Kollege Kiep, wenn es gelänge, auch zu einer Kooperation mit der DDR bei der Durchführung entwicklungspolitischer Programme zu kommen. Ich bin auch der Ansicht, daß der friedliche Wettbewerb zwischen den Staaten des Westens und den kommunistischen Staaten für die Entwicklungspolitik von Vorteil ist. Leider haben hier beide Seiten in der Vergangenheit den Wettbewerb oftmals gefürchtet und sich aus diesem Grunde entwicklungspolitisch falsche Entscheidungen aufdrängen lassen. Ich sehe in der Entwicklungspolitik nach wie vor eine der großen Chancen für die politisch zerrisene Welt, wieder zu einer Einheit zu kommen. Die Entwicklungspolitik darf nicht - wie in ,der Vergangenheit so oft geschehen - zum Instrument der Bewältigung der eigenen Angst werden, in Machtsicherung und Festschreibung verhärteter außenpolitischer Strukturen ausarten und zum Opfer von Ideologien werden. Wir müssen einkalkulieren, daß die Entwicklungsländer dabei selbst manchmal innenpolitische Phasen durchlaufen, die unseren eigenen Leitbildern widersprechen. Die Vorstellung, die Entwicklungsländer mit Hilfe der Entwicklungspolitik geradewegs zu Demokratien westlicher Prägung entwickeln zu können, ist ein zwar schöner und uns angenehmer Gedanke, bleibt aber insgesamt gesehen ein Traum und wird von der Realität nicht bestätigt. Ich glaube auch, daß das Denken eines wilhelminischen Oberlehrers, der stets das Rezept für die Genesung anderer Völker bereit hatte, nämlich sein eigenes Handlungsrezept, für die Entwicklungspolitik untauglich ist. ({0}) Wir müssen auch einkalkulieren, daß auch das rechtsstaatliche Denken in den Entwicklungsländern einer Entwicklung unterliegt. Das gilt in bestimmtem Maße auch für die Einhaltung internationaler Verpflichtungen. Wir haben eine Anzahl von Beispielen dafür, daß Länder, die vor einigen Jahrzehnten noch der Kategorie der Entwicklungsländer zugehörten und heute bedeutende Industrienationen geworden sind, mit ihrem eigenen wirtschaftlichen Aufstieg sich in immer stärkerem Maße auch bei ihren internationalen Beziehungen anerkannt haben und den in der westlichen Welt entwickelten Rechtsnormen angenähert haben. Wir sollten weiterhin einkalkulieren, daß die Entwicklungsländer häufig diffiziler auf Aktionen des Westens reagieren, als es in den erfahrenen Industrienationen der Fall ist. Wir haben solche Reaktionen an einigen Beispielen selbst erfahren. Verhängnisvoller für die Beziehungen zu den Entwicklungsländern könnte sich meines Erachtens aber auch der eventuelle Mißbrauch von Ausrüstungshilfe auswirken, die im Rahmen der NATO-Verträge hier und da geleistet wird. Es sollte ernsthaft überprüft werden, inwieweit unter Umgehung oder weitergehender Auslegung von Verträgen der Einsatz von in der Bundesrepublik hergestelltem Gerät oder von Waffen für militärische Maßnahmen hingenommen werden kann. Wir können es meiner Meinung nach nicht verantworten, daß auf diese Weise die guten Absichten der Bundesrepublik und darüber hinaus insbesondere der NATO diskreditiert werden. Zum partnerschaftlichen Verhalten gehört es meines Erachtens auch, daß wir uns in der Entwicklungshilfe in angemessenerer Weise als bisher mit den besonderen Problemen der Entwicklungsländer vertraut machen und unsere Entwicklungspolitik noch mehr auf die Interessen der Partnerstaaten abstellen. Ich denke hierbei primär an die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrswesens, des Bildungswesens, des Aufbaues von Dienstleistungssystemen und der bürokratischen Organisation. Dabei muß die Entwicklung der Infrastruktur dem Entwicklungsstand angemessen sein. Die Ausbildung der für die Entwicklungsländer benötigten Fachkräfte sollte nach Möglichkeit in den Entwicklungsländern selbst vorgenommen werden. Hand in Hand damit sollte die Förderung kleinerer und mittlerer, vor allem arbeitsintensiver Betriebe mit mittlerer Technik vor sich gehen. Ich sehe in dem Vorhaben der Bundesregierung, von der Unterstützung der Einzelprojekte zur Förderung geschlossener Gebiete überzugehen, insoweit einen wesentlichen Fortschritt, als hierdurch ganze Entwicklungssysteme geschaffen werden, die beispielgebend für das ganze Land sein können und ein ungleichgewichtiges Wachstum auslösen, von dem starke Anreize ausgehen, vor allem dann, wenn sie in Austausch mit anderen Entwicklungsgebieten treten. Hier hat die Bundesregierung ein Zeichen moderner Entwicklungspolitik gesetzt, dem international große Anerkennung entgegengebracht wird. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rosenthal. Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Handelspolitik verhält sich zur Entwicklungspolitik ein bißchen wie das Benzin zum Motor, und nur zur Handelspolitik will ich hier etwas sagen. Diese Frage ist nicht kontrovers, denn der Wirtschaftsausschuß hat mit Zustimmung aller Fraktionen die Richtlinien gebilligt, die dazu geführt haben, daß am 30. März im EG-Ministerrat das Schema für die Präferenzabkommen abgeschlossen werden konnte. Kontrovers, Herr Kiep - darüber bin ich bei Ihnen ein bißchen enttäuscht -, sind die Versuche, alten Streit aufzuwärmen. Herr Kiep, ich bin verhältnismäßig neu in diesem Ministerium, aber ich habe gemerkt, daß viele Meinungsverschiedenheiten nicht einmal mehr bis zu den Staatssekretären gehen, sondern jetzt von der Bürokratie beider Häuser bestens erledigt werden. Mit anderen Worten: § 7 des Erlasses des Kanzlers, wonach die praktischen Erfahrungen die Zusammenarbeit verbessern würden und den Sie etwas lächerlich gemacht haben, hat sich gerade hier bewährt. ({0}) Aber reden wir über den Stand der Dinge. In den Jahren 1969 und 1970 - das sind Zahlen und keine Parolen - lag die Einfuhr aus den Entwicklungsländern in die Bundesrepublik um 20 % höher als unsere Ausfuhr. Absolut stehen wir an vierter Stelle in der Welt und an erster Stelle in Europa. 17% der deutschen Einfuhren kommen aus den Entwicklungsländern. ({1}) Das ist die Eigenleistung. Vielleicht noch entscheidender ist aber die Initiative, die wir in der EG mit diesem - beinahe hätte ich gesagt - „Edikt" vom 31. März ergriffen haben, das am 1. Juli in Kraft tritt. Ich meine das Zollpräferenzschema. Dies ist die größte Zollerleichterung der EG seit der Kennedy-Runde: Zollfreiheit statt früher 9,4% durchschnittlicher Zölle. Mengenmäßig ergeben sich Veränderungen durch die Plafonds - die Zahl hört sich klein an -: plus 5 % auf die Einfuhren des Jahres 1968 aus Drittländern. Dies bedeutet für die Entwicklungsländer die Chance, ihre Einfuhr in die EG von 488 Millionen auf mehr als 1 Milliarde zu erhöhen. Nun ist vorhin ein bißchen die Frage der notwendigen Balance zwischen einer Öffnung der Märkte für die Entwicklungsländer und dem notwendigen Tempo der Anpassung - so möchte ich es nennen - für die in Deutschland betroffenen Industrien angeklungen. Hier haben wir nicht nur die Quoten verändert. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß unsere Quote der Einfuhr in die EWG nach dem Zollpräferenzschema 37,5% ist gegenüber einem bisherigen Einfuhranteil von 57 %. Darüber hinaus haben wir als Feuerwehr noch die berühmte Schutzklausel, wenn eine Industrie zu hart betroffen ist. Parlamentarischer Staatssekretär Rosenthal Nur sind wir der Ansicht, daß man, wie bei allen Feuerwehren, diese nicht zu oft rufen soll. Letztlich haben wir den Nebeneffekt, daß durch diesen Weg die Industrieansiedlung aus dem EG-Markt und auch aus Deutschland in diesen Ländern durch den zollfreien Rückfluß von Fertig- und Halbfertigwaren sehr viel interessanter wird. Ich kann also abschließend sagen: die Zusagen, die der Bundeskanzler in der Regierungserklärung zu diesem Thema den Entwicklungsländern gemacht hat, sind eingehalten, und im Außenhandel hat Karl Schiller Erhard Eppler einiges Benzin für seinen Entwicklungsmotor gegeben. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Roser. Seine Fraktion hat eine Redezeit von 20 Minuten für ihn beantragt.

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklungshilfe, ich muß sagen, w a r bislang einer der Bereiche, Herr Bundesminister Eppler, einer der wenigen Bereiche, großer grundsätzlicher Übereinstimmung zwischen Regierungskoalition und Opposition. Zwar meinen wir, daß diese gemeinsame Basis im Interesse der Aufgabe der dritten Welt gegenüber und im Interesse unserer Bemühungen gegenüber der Öffentlichkeit nötig ist, ich habe aber den Eindruck, daß Sie, Herr Minister, heute dazu nichts beigetragen haben, sondern eher diese gemeinsame Basis gefährden. Zu einem Wort, Herr Minister, muß ich Ihnen sehr widersprechen: Wir lassen uns als Opposition nicht von Ihnen vorschreiben, welche Themen hier zur Diskussion zu stellen sind. ({0}) Wir meinen, daß es nicht nützlich ist, über die Konzeption zu reden, sondern es muß über die Realitäten geredet werden, auch hier und heute. Ich will Ihnen dafür dann, Herr Minister, ein Beispiel nennen, Ihnen, der Sie für sich in Anspruch nehmen, der Bundesrepublik im internationalen Entwicklungsgespräch - ein wenig reichlich ambitiös sagen Sie das - eine Schlüsselrolle erworben zu haben: an einem Punkte haben Sie eine Schlüsselrolle erreicht - am Punkte der Versprechungen. Das Musterbeispiel, das ich nennen möchte, ist die personelle Hilfe. Dazu hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober lapidar und frohgemut festgestellt: „Die Zahl der Entwicklungsexperten und -helfer wird erhöht mit dem Ziel, sie bis zur Mitte der siebziger Jahre zu verdoppeln." Zu welchem Ergebnis hat eigentlich diese Ankündigung „noch mehr und natürlich noch besser" geführt? Was ist aus dem Versprechen geworden, das 1963 der seinerzeitige Entwicklungshilfeminister in Anwesenheit von Präsident Kennedy bei der Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes abgegeben hat, als er in Aussicht stellte, von diesem Dienst sollten 3000 bis 5000 Entwicklungskräfte betreut werden? Wie sieht die Realität aus? Ich darf Ihnen die Zahlen nennen. Am 15. Januar 1970 hatten wir beim Deutschen Entwicklungsdienst 1018 Experten und Helfer. Ein Jahr später, am 15. Januar 1971 - welch eine verheißungsvolle Zahl! - zählte man 999. Ich kann der Bundesregierung gegenüber nur feststellen: das ist Stabilität am falschen Punkt, das ist schon Rezession, hier aber bräuchten wir die Inflation! In der „Süddeutschen Zeitung" stand am vergangenen Samstag - ich lege Wert darauf, festzustellen: nicht im „Bayernkurier", sondern in der „Süddeutschen Zeitung" - der Satz: „Hätte man doch den Mund nicht so voll genommen!" Rückgang der Entwicklungshelfer ist aus dem Versprechen der Verdoppelung geworden. Eines freilich hat man kräftig vermehrt - ein bißchen zu kräftig -, nämlich die Zahl der Verwaltungskräfte beim Deutschen Entwicklungsdienst. Hier kann man immerhin stolz einen Fortschritt um 9 0,0 innerhalb eines Jahres vorweisen. Das mag gerechtfertigt sein. Nur erinnert mich das Verhältnis „ein Verwalter, fünf Helfer" eher an vorgestern, als daß es auf morgen hoffen läßt. Woran liegt es eigentlich, Herr Minister, daß Frankreich über 40 000 Helfer hat, Schweden immerhin 1500 Helfer und die Bundesrepublik - jedenfalls über DED - nur 999? Das kann seine Ursache doch nicht nur in der Kolonisationstradition Frankreichs haben; denn auf Schweden trifft das nicht zu.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

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Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Roser, ist es nicht ein falscher Vergleich, wenn Sie die 40 000 französischen Helfer nennen? Wissen Sie nicht so gut wie wir alle anderen, daß es sich hier auch um französische kulturelle Arbeit im Ausland handelt?

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie wissen sehr genau, daß diese Statistik - ich habe übrigens nur von 40 000 gesprochen, obwohl es 48 000 sind - den Stand aufzeigt, den an Entwicklungshelfern die Franzosen laut OECD haben. Hier möchten wir von der Regierung nicht nur Ankündigungen hören - das war ein Beispiel -, wir möchten eine klare Auskunft über die Ursache der Defizite bekommen. Es gibt einige Mängel, die nach meinem Dafürhalten nicht dazu beitragen, den Dienst in der Entwicklungshilfe attraktiv zu machen. Ich nenne ein Beispiel. Bei einem Besuch in Indien mußten wir erfahren, daß vier Wochen vor Auslauf des Vertrages über das Mandi-Projekt die dortigen Experten noch nicht wissen, was aus diesem Projekt und was aus ihnen wird. Andere wissen es drei Tage vorher noch nicht. Wie soll da eigentlich das Denken der Entwicklungshelfer sein? Meinen Sie, daß das eine gute Werbung für diesen Dienst ist? Wo liegen die Ursachen für diese verspätete Information, für dieses verspätete Bemühen um diese Leute? Liegt es im Haus? Liegt es an Kompetenzschwierigkeiten? Liegt es vielleicht am Hin und Her zwischen Regional- und Fachreferaten im BMZ? Wir möchten wenigstens die Antworten darauf hören. Das ist jedenfalls eine miserable Werbung für mehr Engagement in der Entwicklungshilfe. Ein weiterer Mangel gerade im Bereich der personellen Hilfe scheint mir die Unklarheit über den Dienst, über das Selbstverständnis, über die Stellung des Entwicklungshelfers zu sein. Ich habe den Eindruck, daß hier die Spitze des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit kräftig zur Unklarheit beiträgt. Ich zitiere aus einer Rede von Minister Eppler, gehalten vor der Regionalkonferenz der internationalen freiwilligen Helfer in Straßburg; einer Rede, die viele gute, richtige, schöne - ich muß sagen: oft allzu schöne - Sätze enthält, einer Rede, die man sogar für wert befunden hat, aus ihr sechs Gebote für Entwicklungshelfer herauszudestillieren. Ich habe den Eindruck, zu zehn Geboten, einem vollständigen Dekalog, hat offensichtlich die Einsicht des „neuen Mose" der Entwicklungshilfe nicht gereicht. Immerhin, da wird nun dekretiert - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Entwicklungshelfer machen sich frei von den Errungenschaften einer satten Gesellschaft. Was soll das eigentlich? Wollen wir den Entwicklungsländern nicht zu vergleichbaren Errungenschaften helfen? Was soll dann die eigene Charakterisierung als einer nur satten Gesellschaft? Oder weiter: Wenn sie sich mit den Unterdrückten identifizieren, enthüllen sie unseren Reichtum, unsere 31 Rechtssicherheit und unsere parlamentarische Demokratie als das beschämende Privileg eines Viertels der Menschheit. Ist unsere parlamentarische Demokratie ein Privileg, dessen man sich schämen muß? Ich hätte gemeint, Herr Minister, es müßte heißen: Die Entwicklungshelfer stellen unsere parlamentarische Demokratie dar als ein uns alle verpflichtendes Privileg, das nicht unser Privileg allein bleiben soll. In der gleichen Rede erklärte der Minister: Der Entwicklungshelfer ist ein friedlicher Revolutionär . . . Wörtlich weiter: Entwicklungsdienst ist politisch. Der Entwicklungshelfer braucht Rückhalt in einer politisch bewußten Organisation. Er steht angesichts von Ausbeutung und Unterprivilegierung auf der Seite derer, die sie zu überwinden trachten. Was soll das eigentlich? Was ist er nun eigentlich? Ist er Revolutionär, oder hat er den Auftrag, Friedensdienst zu leisten? Friedlicher Revolutionär, das gibt jedenfalls nach unserem Sprachgebrauch keinen Sinn, mag es noch so sehr bei Repräsentanten unseres Staates Mode werden, revolutionäre Kraft zu beschwören. Wir halten von dieser Sprachverwirrung nichts. Denn das verwirrt auch die Entwicklungshelfer. Das hat z. B. jenen Entwicklungshelfer in Kolumbien verwirrt, der plötzlich von der „friedlichen Koexistenz" mit den Guerillas spricht und damit einen öffentlichen Protest der dortigen Regierung kurz nach dem Besuch unseres Präsidenten dort auslöst. Der Protest wurde erstens über Rundfunk bekanntgegeben. Ich fürchte, zweitens wird damit unsere Möglichkeit, in Entwicklungsländern Entwicklungshilfe zu treiben, zunehmend eingeschränkt. Denn Revolutionäre, mag es so oder so verstanden sein - ich hoffe, Sie verstehen es evolutionär, Herr Minister -, will man in keinem Land, will keine Regierung haben. Ich frage mich, ob nicht die da und dort und allenthalben feststellbare Entwicklungshelfermüdigkeit mit diesem mißverständlichen, unklaren, zumindest dialektischen Gerede zusammenhängt. ({0}) Deshalb wollen wir, Herr Minister, konkret und klar von Ihnen wissen, was nun eigentlich an Ihrer Straßburger Rede gilt. Jedenfalls scheint mir das Wort vom friedlichen Revolutionär genauso undeutlich und unklar und mißverständlich zu sein wie das, was in der Antwort dieser Regierung auf die beiden großen Anfragen über die eigentlichen Kriterien des Verhaltens in entwicklungspolitischen Fragen steht. Da heißt es nämlich einmal: Wir entscheiden nach Interessenlage. Dann wieder heißt es: Wir orientieren uns an den Zielen und Prioritäten der Entwicklungsländer. Was gilt nun eigentlich?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

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Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege 'Roser, würden Sie Ihren christdemokratischen Kollegen Frei in Chile, der eine Revolution in Freiheit durchführen wollte, als kompetent auf dem Gebiet dieser Terminologie betrachten?

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Matthöfer, ich nehme halt das Wort, das ich für eindeutig und unmißverständlich halte, und das ist für uns, gerade für Christdemokraten, der Begriff der Evolution, der allmählichen Verbesserung: mehr Gerechtigkeit auf friedlichem Wege und nicht durch Umsturz, was „Revolution" in deutscher Sprache nach wie vor bedeutet. ({0}) Erlauben Sie in diesem Zusammenhang auch einige Anmerkungen zur Frage der Sicherheit der Entwicklungshelfer. Herr Minister, wir begrüßen und unterstützen jede sinnvolle Aktivität in diesem Bereich. Wir möchten zugleich anerkennen, daß Sie bei der Rückführung der Entwicklungshelfer aus Ostpakistan sehr schnell und sehr richtig gehandelt haben. Aber bislang haben wir noch keine großen Erfolge im Blick auf Ihre diesbezüglichen Ankündigungen erkennen können. Was haben wir denn in Fragen Sicherheit bislang erreicht? Jedenfalls scheint mir die Zurückhaltung bei U Thant, über den aus sehr viel aktuellerem Anlaß heute noch einiges von Ihnen gehört werden könnte, und bei Paul Hoffmann in New York sehr viel größer gewesen zu sein als Ihr eigenes Urteil über den Gang der Gespräche dort. Die Auskunft, die die Bundesregierung in der Frage der Sicherheit der Experten gibt, kann uns nicht befriedigen, und sie beunruhigt die Entwicklungshelfer draußen wie ihre Familien in unserem Land. ({1}) - Lassen Sie mich doch ausreden! Herr Matthöfer, seien Sie doch so nett, und hören Sie zu! - Wir vermissen in der Antwort der Bundesregierung z. B. den Vorschlag, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die Verhaftung von Entwicklungshelfern drüben wie von Praktikanten bei uns nicht mehr zu ermöglichen, indem die bestehenden Verträge entsprechend geändert und die neu zu schaffenden bilateralen Verträge entsprechend abgefaßt werden. Hier wäre eine Möglichkeit, etwas zu tun, und wir wären gespannt, zu hören, was Sie darüber denken. Im übrigen, Herr Minister, würden wir in diesem Zusammenhang gern erfahren, wann nun eigentlich mit der Freilassung von Marx in Guinea zu rechnen ist, und vor allem, was die Bundesregierung in diesem Fall unternommen hat. Ständig zu schweigen mit dem Hinweis, dieser Mann dort drüben solle nicht gefährdet werden, kann ja auch - ich drücke mich behutsam aus - eine bestimmte Form der Preisgabe sein, die nicht in Ihrem, nicht in seinem, nicht in unserem Interesse ist. Wir haben, Herr Minister, in unserer Anfrage eine Auskunft darüber erbeten, wie Sie über die Europäisierung des Deutschen Entwicklungsdienstes denken. Wir haben gerade die Bundesregierung gefragt, weil ihr so halb und halb gewissermaßen doch zuständiger Minister nicht müde wird, mit gutem Grund bewegte Klage über die immer noch bestehenden nationalen Konkurrenzen im Bereich der Kapitalhilfe zu führen. Hier, im personellen Bereich, bestünde eine Chance, zu einer stärkeren Integration zu kommen auf dem Wege einer Europäisierung der personellen Hilfe. Eigentlich, Herr Minister, müßten nur die Initiativen aufgegriffen werden, die Ihr Haus schon vor einigen Jahren in Gang zu bringen sich anschickte. Aber Sie haben die ganze Frage mit vier Sätzen abgetan, und die sind weder Fisch noch Fleisch. Wenn wir zumindest eine Europäisierung der personellen Hilfe anpeilen, dann meinen wir damit das freie, das demokratische Europa, eine europäisch konzipierte personelle Hilfe. Wir glauben, daß dies auch den Intentionen der heute multilateral denkenden jungen Generation entspricht. Und wir sind der Meinung, daß es Ausdruck des Integrationswillens des freien Europa wäre. Nach meinem Urteil ist der Bestand des demokratischen Europa auch an das gemeinsame Leistungsvermögen, das diese hoffentlich politisch bald integrierten und von uns zu integrierenden Nationen gegenüber der Dritten Welt aufbringen, gebunden. Ich darf hier sagen, daß auch wir den Beschluß des Ministerrats vom 30. März 1971 ausdrücklich begrüßen, zunächst 91 Entwicklungsländern ab 1. Juli die Gewährung der Zollpräferenzen zukommen zu lassen. Hier hat außer der EWG-Nahrungsmittelhilfe zum erstenmal - möchte ich meinen - eine weltweite entwicklungspolitische Tätigkeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Platz gegriffen, und das ist zu begrüßen. Aber wie ware es nun eigentlich, Herr Minister, wenn die Bundesregierung zur Schaffung eines entwicklungspolitischen Lenkungsausschusses im Rahmen der EWG die Initiative ergriffe? So könnte sie ihren europäischen Integrationswillen darstellen. Das wäre doch sinnvoll. Lassen Sie mich ein letztes Kapitel kurz ansprechen. Wir haben in unserer Anfrage in Erfahrung bringen wollen, was die Regierung eigentlich zur Förderung des entwicklungspolitischen Willens der jungen Generation zu tun gedenkt. Herr Minister, Ihre Antwort beschränkt sich in der Substanz auf ein bißchen Schulbuchkritik. Das ist zu wenig. Demgegenüber halten wir die Schaffung eines entwicklungspolitischen Jugendprogramms für dringend erforderlich, das die vorhandenen Initiativen unterstützt und insbesondere ehrenamtliche Aktivitäten, die überall im Lande zu beobachten sind, ausdrücklich fördert. Das unverkennbare Interesse junger Leute an der Entwicklungshilfe ist Ausdruck ihres Willens zu mehr internationaler Gerechtigkeit. Dieser Wille darf nicht enttäuscht werden. Einige Jugendorganisationen schlagen vor, ein entwicklungspolitisches Jugendprogramm zu entwickeln, das die Bereitschaft zum persönlichen Engagement weiter fördert. Wir unterstützen das und bitten Sie, Herr Minister, einem vor Wochen bereits im Ausschuß eingebrachten Antrag zufolge alsbald ein solches Programm vorzulegen. Wir sind bereit zur Zusammenarbeit, aber wir erwarten, Herr Minister, mehr Klarheit und mehr Eingehen auf die Fragen, die wir stellen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Herr Bundesminister Eppler.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Punkte. Erster Punkt: die Zahlen. Es ist richtig, daß die Zahl der Entwicklungshelfer, in diesem Falle der DED-Freiwilligen von 1018 auf 999, also um 19 Mann zurückgegangen ist. Sie wissen ganz genau, daß es, wenn man hier eine neue Werbung anlaufen läßt, einige Zeit dauert, bis sie sich auswirkt. Lassen Sie mich Ihnen ein paar andere Zahlen nennen. Die Bewerbungen zum Deutschen Entwicklungsdienst sind im Jahre 1969/70 von 1700 auf 3200 angestiegen, die Interessenten von 22 000 auf 50 000. Der Trend hält an. Zweite Bemerkung. Sie haben angedeutet, Herr Kollege Roser, als ob ich die Idee gehabt hätte, aus meiner Rede sechs Gebote zu destillieren. Daß das geschmacklos wäre, weiß ich sehr wohl. Aber schlimm ist, daß Sie ganz genau wissen, weil man. es Ihnen im Ausschuß gesagt hat und weil das Ministerium dies ausdrücklich erklärt hat, daß dem nicht so ist. Wiederum haben Sie unterschwellig versucht, dies hier zu suggerieren. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich Sie fragen: Haben Sie in Straßburg diese Rede gehalten oder nicht, und erinnern Sie sich, daß ich hier in meiner Rede gesagt habe, aus dieser Rede wurden sechs Gebote herausdestilliert? ({0}) - Doch nicht Sie! Aber in Ihrem Hause doch wohl!

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Roser, dann ist klar, daß Sie hier nichts unterstellen wollten. Aber jetzt das Schlimmste an alledem: Sie haben vom friedlichen Revolutionär zitiert und haben dann einiges über Gorillas gesagt, wahrscheinlich meinten Sie Guerillas. ({0}) Herr Kollege Roser, die Formulierung in der Rede heißt folgendermaßen - und jetzt bitte ich Sie, einmal genau zuzuhören -: ob man daraus nun Reden über Guerilleros ableiten kann: Der Entwicklungshelfer - habe ich in Straßburg gesagt ist ein friedlicher Revolutionär, Da haben Sie nun aufgehört. Jetzt geht der Satz weiter nach einem Komma: der durch praktische Arbeit auf gewaltlose Weise politischen und gesellschaftlichen Fortschritt bewirkt. Er teilt Trauer und Beschämung der Entrechteten, nicht ihren Haß. Politischer Haß trägt selten dazu bei, geistige Versklavung zu überwinden und neue Solidaritäten zu schaffen. Der Entwicklungshelfer braucht ihn nicht als Motor. Herr Kollege Roser, ich würde Sie bitten, mal über das achte Gebot nachzudenken. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tallert.

Harry Tallert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002296, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich mich kurz fassen kann. ({0}) Entwicklungspolitik ist, wie ich oft gehört habe, Weltproblem Nr. 1. Aber die Debatte, die wir heute führen, hört sich nicht so an. Die Opposition, die sehr viele Angriffspunkte hätte haben können, hat diese Punkte nicht genutzt, ({1}) oder mir ist das entgangen. Ich glaube es nicht. Die Regierung hat ziemlich viel geredet; um so mehr kann ich mich kurz fassen. Ich darf mich auf einige Bemerkungen beschränken. Die erste Bemerkung beziehe ich auf Chile. Ich komme noch einmal auf die Ausführungen zurück, die mein Freund Brück hier gemacht hat. Ich stelle fest, wir haben keine Hallstein-Doktrin, wir haben auch kein Hallstein-Doktrinchen, und wir haben auch keine Modifikation eines solchen Doktrinchens. Das heißt, daß wir gemäß den Interessen der Bundesrepublik verfahren werden und daß wir uns nicht auf Grund irgendwelcher Dogmen in Situationen begeben werden, die wir für abwegig halten. Ich glaube, daß diese Feststellung angesichts der vielen Pressekommentare unterschiedlicher Prägung zu diesem Thema notwendig ist. Die Haltung der Regierung ist klar, und sie wird auch nicht dadurch unklarer, daß viele Kommentatoren sich nicht darüber einig sind, wie sie dieses Thema kommentieren sollen. Ich gebe zu, es ist ein sehr hübsches Thema. Der zweite Punkt, zu dem ich noch kurz etwas sagen möchte, ist die Situation in Pakistan. Hier bitte ich die Bundesregierung, zu erwägen, ob sie ein Programm unterstützen kann, das die nordischen Staaten in einem Beschluß angeregt haben, den pakistanischen Flüchtlingen in Indien zu helfen. Ich bitte darum, ein solches Programm und eine solche Unterstützung zu erwägen. Ich betone, daß eine solche Unterstützung, wenn sie wirksam sein soll, leider nicht der pakistanischen Regierung überlassen werden kann; denn die pakistanische Regierung ist nach meiner ganz persönlichen Meinung und Erfahrung sehr effizient, wenn es darum geht, parlamentarische Mehrheiten niederzuschlagen. Sie ist nach meiner ganz persönlichen Erfahrung sehr wenig effizient, wenn es darum geht, internationale Lebensmittelspenden zu verteilen. Deswegen bitte ich, bei diesen Erwägungen zu bedenken, daß man diese Hilfen den Flüchtlingslagern in Indien zuteil werden lassen sollte. Vielleicht empfinden manche diese Bemerkung als etwas deplaciert. Aber ich möchte Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß ich noch vor wenigen Monaten die Gelegenheit hatte, mit Herrn Kollegen Roser in Pakistan, auch in Ost-Pakistan zu sein, und daß wir sehr viele gute Gesprächspartner hatten. Herr Kollege Roser, Sie werden genauso wie ich daran denken, daß wahrscheinlich die meisten dieser Gesprächspartner nicht mehr am Leben sind. Sie sind höchstwahrscheinlich niedergemetzelt worden. Ich wollte das an dieser Stelle wenigstens in einer persönlichen Bemerkung einmal erwähnen. Ich möchte es auch als ein Beispiel der internationalen Ohnmacht erwähnen. Wir haben ein Strategiepapier der Vereinten Nationen, in dem steht, daß jeder Nation und jedem Individuum dieser Nation eine Chance gegeben werden soll. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Wir müssen die Diskrepanz sehen, die zwischen solchen Resolutionen der Vereinten Nationen und der Wirklichkeit besteht, und wir müssen feststellen, es gibt zwar eine gemeinsame Redaktionskommission der Vereinten Nationen, aber es gibt keinen gemeinsamen Willen, diese Politik durchzusetzen. Nun, ,das ist nichts Neues. Ich möchte diesen Beitrag auch nicht in Pessimismus einmünden lassen, sondern sagen, daß wir trotzdem unter allen Um6780 ständen zu helfen versuchen sollten. Aber wir sollten es realistisch versuchen. Wir sollten uns nichts vormachen. Bei einem internationalen Vergleich muß man sagen, daß diese Bundesrepublik und diese Bundesregierung einen sehr guten Beitrag geleistet haben, der sich sehen lassen kann. Wir sollten uns durch alle diese Rückschläge nicht entmutigen lassen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kienbaum.

Gerhard Kienbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001093, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In ihrem Vorwort zur Beantwortung der Großen Anfragen von Regierungskoalition und Opposition hat die Regierung mitgeteilt, welche Dokumente ihrer Entwicklungspolitik zugrunde liegen. Sie hat ferner mitgeteilt, daß sie sich der UN-Verpflichtung anschließt, die eine gerechtere und sinnvollere Wirtschafts- und Sozialordnung in der Welt anstrebt. Mit beiden Feststellungen - so werte ich den bisherigen Verlauf der Debatte - scheint die Opposition einverstanden zu sein. Bei der Beantwortung spezieller Probleme sollte der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit das ist eine Erwartung der FDP-Fraktion - baldmöglichst noch konkreter werden, ({0}) damit die mit der Entwicklungspolitik befaßten Abgeordneten zusätzliche Erkenntnisse gewinnen können, aber auch damit die in der Entwicklungshilfetätigen Organisationen, Institute, Firmen und Private einen Kompaß oder Beurteilungsmaßstab erhalten ({1}) und schließlich damit die praktizierte Arbeitsweise weiterentwickelt und verbessert werden kann. Alles das - dessen ist sich die FDP-Fraktion sicher - ist notwendig und wird wahrscheinlich im Hohen Hause nirgendwo bestritten. Diese Feststellung gilt insbesondere für die Beurteilung der wachsenden Verschuldung fast aller Entwicklungsländer. Ohne eine Meisterung dieses Problems wird diese Verschuldung neue Abhängigkeiten begründen, die wiederum von niemandem gewollt werden. Sie gilt auch für die Präsentation von Lösungsmöglichkeiten gerade für diesen Komplex und gilt auch für die Würdigung des Beitrags privater Entwicklungsaktivitäten zu eben dieser Lösung und zur Förderung dieser Aktivitäten. Mit diesem Problembereich als einem Teilausschnitt aus dem ganzen großen Blumenstrauß der angeschnittenen Fragen werde ich mich daher namens der FPD beschäftigen. Gestatten Sie mir einige Feststellungen. Die heutige Verschuldung ist ein Ergebnis der Tatsache, daß Auslandskapital zur Initialzündung gewünschter beschleunigter Wirtschaftsentwicklung unerläßlich war und von allen nach schnellerer Entwicklung strebenden Entwicklungsländern angenommen wurde. Höhe und Zuwachs, ja sogar Abbau der Verschuldung hängen heute und morgen allerdings von der weiteren Entwicklung des Außenhandelssaldos aller dieser Länder und ganz besonders von der Entwicklung der Zahlungsbilanz ab. Lassen Sie mich daraus eine Feststellung treffen. Ich sehe zur Zeit keine reale Chance, den Bedarf an Kapital für die 70er Jahre aus den internen Ressourcen der Entwicklungsländer oder auch aus Quellen öffentlicher Hilfe der Industrieländer auch nur annähernd zu decken. Wir sollten uns klar darüber sein, daß daran auch die Veränderungen der Anteile technische Hilfe zu Kapitalhilfe - mit einer Betonung und Verstärkung der technischen Hilfe - nichts ändert. Deshalb sollten wir festhalten, daß privates Kapital zum Gesamterfolg unserer Entwicklungspolitik unerläßlich ist ({2}) und daß unser Engagement auf allen Gebieten der Entwicklungshilfe weit über die Möglichkeiten des öffentlichen Bereichs hinausgehen muß. Welche Folgerungen lassen sich darauf ableiten, wenn wir dem Ziel der UN-Erklärung auch nur einen angemessenen Schritt näherkommen wollen? Privates Engagement erfordert nutzbare Information, und sie erfordert Pflege des Engagements. Das gilt sowohl für diejenigen, die Entwicklungspolitik als Hilfe betreiben, wie für die Länder, die Entwicklungshilfe empfangen wollen. Ich glaube, daß wir daher die Beurteilungskriterien für unsere Projekte ergänzen müssen. Aus den Dokumenten, die uns vorliegen, haben wir festgestellt, daß neben Wirtschaftswachstum angesichts der großen Arbeitslosenzahl die Arbeitsbeschaffung als Kriterium hinzugekommen ist. Ja, es gibt Äußerungen, die die Arbeitsbeschaffung sogar mit einem Vorrang gegenüber dem Wirtschaftswachstum ausstatten. Unter Berücksichtigung aber der schon heute hohen Verschuldung, der weiter wachsenden Verschuldung, des nicht erkennbaren Chancenpotentials, diese Verschuldung auch nur zum Stehen zu bringen, ist es erforderlich, auf denjenigen Beitrag zur Entwicklungspolitik zurückzukommen, den der Staatssekretär Rosenthal bereits angesprochen hat. Ich halte als Ergänzung ein drittes Kriterium, nämlich eine noch stärkere Förderung des Güter- und Leistungsaustausches für unabdingbar, wenn wir aus dem Kreislauf, der eigentlich nur ein Kreislauf in einer Richtung ist, herauskommen wollen. ({3}) Speziell heißt das Förderung des Güter- und Leistungsaustausches aus der Richtung Entwicklungsländer auf diejenigen Märkte in den Industrieländern, die aufnahmefähig sind, d. h. Förderung des Exports und des Fremdenverkehrs, weil auch aus dem Fremdenverkehr ein großer und sehr schnell realisierbarer Strom an Geld zum Ausgleich der Zahlungsbilanz erwachsen kann. Wir haben dafür z. B. eine Reihe außergewöhnlich positiver Beispiele in Ländern des Mittelmeerraums. Das erfordert schließlich auch Förderung der Lohnveredelung, einer bestimmten, ganz spezifischen Form der Arbeitsteilung in der Weltwirtschaft. Gestatten Sie mir auch einige Feststellungen zur Begründung. Mit diesem Ergänzungspaket, das in der Rangfolge nach vorn gehört, wird die Chance eröffnet, einen schnelleren Ausgleich der Zahlungsbilanz zu erreichen. Aber ich halte weitere Wirkungen für viel bedeutender. Wenn in den Entwicklungsländern auch die Befähigung zum Güter- und Leistungsaustausch, zum Exportieren, zur Lohnveredelung und zum Wettbewerbsfähig-Werden auf stark umkämpften Märkten gefördert wird, dann wird daraus auch ein interner Leistungswettbewerb und eine wesentlich stärkere Produktivitätssteigerungsrate entstehen. Nach unseren Erfahrungen sollte uns folgendes besonders am Herzen liegen. Die freizügige Entscheidung, das flexible Sich-Anpassen .an Bedürfnisse auf den verschiedenen Märkten der Welt geht mit einer Befähigung der Führungskräfte in diesen Entwicklungsländern Hand in Hand. Dies wird zu einem Abbau von zentraler Überverwaltung führen. Ein besonders schlagendes Beispiel für ,eine solche Überverwaltung ist Indien. Im Gebiet unseres größten Problempartners haben wir ja immer wieder diese Überverwaltung zu beklagen. Neben diese drei Kriterien - Wachstum, Arbeitsbeschaffung und Güteraustausch - muß aber, wie mir scheint, schon wegen der Knappheit der Mittel, der Knappheit sowohl an Kapital als auch an Menschengleichberechtigt und damit .stärker als bisher die Faktoreffizienz und - das mag Sie vielleicht verwundern - die Fristeneffizienz der Projekte als Auswahlkriterium treten. Ganz besonders die Arbeitsbeschaffung als Projektziel bedarf der Effizienzprüfung, wollen wir in Zukunft „Entwicklungsruinen", wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, vermeiden. Die Ergänzung der Beurteilungskriterien ist auch nötig, um privates Engagement zu motivieren und urn Methoden und Mittel zum Gewinnen privaten Engagements weiterzuentwickeln. Ich kann hier erklären, daß die FDP die Nutzung des nach unserer Prüfung reichlich verfügbaren privaten Potentials und des guten Willens nachdrücklich unterstützen wird. Die Ergänzung der Beurteilungskriterien verlangt schließlich eine Überprüfung der Ansatzpunkte und des Chancenkatalogs zu fördernder Projekte 'sowie der Anforderung an Projektbearbeiter und Projektmanagement. Wir können uns auf diesem Gebiet keineswegs zufriedengeben. Diese Anforderungen haben sich z. B. durch ein Mehr an Verbundprojekten das wird ja in dem Regierungsdokument besonders hervorgehoben - entscheidend verändert. Daher ist auch eine Verstärkung der Qualifikationsvorbereitung von Projektteams nötig, die befähigt werden 'sollen, vielgestaltige und integrierte Verbundprojekte zu Ergebnissen zu führen. Ich fasse zusammen. Ich habe aus den Großen Anfragen und der Antwort der Regierung einen Problembereich herausgegriffen, dem zentrale Bedeutung zukommt: die Verschuldung, die Defizite und die Zahlungsströme. Eine Lösung für die Entwicklungsländer scheint mir nur zusammen mit privater Initiative und privatem Engagement möglich zu sein, und zwar aus quantitativen wie aus qualitativen Gründen. Die FDP-Fraktion wird die Regierung bei der Erschließung ,dieser Ressourcen nachdrücklich unterstützen. Sie wird dabei, Herr Kiep, allerdings auch der Verteufelung privaten Engagements und der Konditionen solchen Engagements, wo immer sie aufkommt, entgegentreten. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Willy Brandt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier zunächst doch noch einmal an das Konzept für die zweite Entwicklungsdekade erinnern, das die Bundesregierung am 11. Februar beschlossen und veröffentlicht hat. Zum erstenmal gibt es damit eine für alle Ressorts verbindliche Leitlinie, die über allgemeine Grundsätze hinaus Angaben über Methoden, Werkzeuge und Verfahrensweise unserer Entwicklungspolitik bietet. Jedermann im Lande und draußen kann nun selbst nachlesen, was die Bundesrepublik Deutschland tut und tun wird. Dieses Konzept - so haben wir es z. B. aus der OECD erfahren - hat im Ausland ein positives Echo gehabt. Das Echo bei uns zu Hause ist, soweit es ein solches gab, auch nicht ungünstig gewesen. Ich verstehe dies als ein Zeichen dafür, daß unsere Entwicklungspolitik in ihren entscheidenden Teilen von diesem Hause weiterhin gemeinsam getragen wird. In meiner Regierungserklärung vom. 28. Oktober 1969 hatte ich der Entwicklungspolitik einen besonderen Akzent gegeben. Davon ist nichts zurückzunehmen. Ich hatte mich dabei auch über die Organisation der Entwicklungshilfe geäußert. Nun, in jedem Land gibt es Schwierigkeiten - das ist kein Geheimnis -, eine neue Aufgabe wie die der Entwicklungspolitik in die hergebrachten administrativen Strukturen einzufügen. So wissen die Interessierten, daß die Vereinigten Staaten, die am frühesten mit der Entwicklungshilfe begonnen und lange Zeit die Hauptlast getragen haben, jetzt dabei sind, ihre Organisation zu ändern. Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland hat Bundeskanzler Erhard Ende 1964 versucht, die Aufgaben. und Kompetenzen auf diesem Gebiet zu ordnen. Es hat sich gezeigt, daß dieser Erlaß nicht ausreichte. Daher wurde durch Vereinbarungen zwischen dem BMZ, dem Presse- und Informationsamt, dem Landwirtschaftsminister und vor allem dem Wirtschaftsminister dieser Kanzlererlaß von 1964 ergänzt und modifiziert. Wenn ich dies hier feststelle, Herr Kollege Leisler Kiep - Sie hatten dieses Thema vorhin behandelt; ich konnte leider nicht selber zuhören -, dann schafft das, glaube ich, für alle Beteiligten, die dies machen sollen und die es kontrollieren und kritisch begleiten sollen, die erforderliche oder gewünschte Klarheit. Im BMZ selber hat Herr Kollege Eppler im Herbst 1970 eine Reorganisation durchgeführt, deren Auswirkungen auf die nachgeordneten Behörden in diesen Tagen nach eingehender Diskussion mit den Beteiligten geregelt wurden. Ich will nun nicht behaupten, daß damit schon Formen gefunden wären, die für alle Zeiten als optimal gelten könnten. Aber ich möchte doch behaupten, daß noch keine Bundesregierung ein besser durchdachtes, rationaleres Konzept für die Entwicklungshilfe und auch keine adäquatere Organisation vorzuweisen hatte als diese. Nun ist in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit zuweilen die Frage gestellt worden, ob nicht unsere Aufgaben in der Entwicklungshilfe und unser Wille, innere Reformen voranzutreiben, zueinander in Widerspruch stünden. Ich glaube dies nicht. Wir wissen ja alle miteinander, daß wir nicht auf einer Insel der Seligen leben. Wir leben auf einem Globus, wo die gegenseitige Abhängigkeit zunimmt, wo Elend und Gewalttat an einer Stelle Wohlstand und Sicherheit an allen anderen Punkten beeinträchtigen. Dies werden auch diejenigen im Lande noch einsehen, denen Begriffe wie internationale Solidarität wenig sagen. Zu unseren inneren Aufgaben gehört eine vernünftige Strukturpolitik, damit das wirtschaftliche Gefälle innerhalb unserer Bundesrepublik keine Spannungen erzeugt, die dem Ganzen schaden. Vor demselben Problem stehen wir im Grunde innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Entwicklungspolitik aber ist, wenn man es so sehen will, eine Form internationaler Strukturpolitik, bei der nicht nur die Räume und Entfernungen, sondern auch das Ausmaß des wirtschaftlichen und sozialen Gefälles und damit der drohenden Gefahren oft unsere Vorstellungen übersteigt. Diese internationale Strukturpolitik steht nicht im Widerspruch zu inneren Vorhaben; sie ergänzt sie und sichert sie ab. Unser Volk - lassen Sie mich auch dies noch einmal von dieser Stelle aus deutlich unterstreichen - braucht Partner in der Welt, politisch und wirtschaftlich. Es gibt Länder, wo diese Partnerschaft bei der Hilfe beginnen muß. Sie soll und wird damit aber nicht enden. Sie soll überführt werden in eine verstärkte Begegnung der Menschen, in einen Austausch von Ideen und Gütern, von Erfahrungen und Anregungen, die jeweils beiden Seiten zugute kommen. Entwicklungspolitik ist daher ein Teil unserer Gesamtpolitik, den keine verantwortungsbewußte Regierung vernachlässigen kann. Ich begrüße es, wenn dies in dieser Debatte - und alle Kontroversen im einzelnen dürften daran nichts ändern - von allen Fraktionen dieses Hauses noch einmal 'deutlich gemacht wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Werner.

Rudolf Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anscheinend - auch nach den letzten Worten des Herrn Bundeskanzlers - herrschen hier über den Sinn dieser Debatte Auffassungsunterschiede. Es handelt sich hier doch darum, daß die Opposition eine Anfrage gestellt hat und auf diese Anfrage eine Antwort erwartet, und nicht darum, als verlängerter Arm der Öffentlichkeitspolitik der Regierung die Entwicklungshilfe zu loben. Dieses Geschenk können wir weder dem Herrn Minister Eppler noch dem Herrn Bundeskanzler machen. ({0}) Wir haben hier Kritik geübt, und meinem Kollegen Kiep wird vorgeworfen, er habe kein Wort zu dem Konzept der Regierung gesagt. Wenn wir aber hier eine Anfrage stellen, auf die wir Antworten haben wollen, ist es jedenfalls nicht unsere Aufgabe, das Konzept der Regierung zu loben. Weiterhin wurde gesagt, der Kollege Kiep habe den Kabinettsbeschluß wie eine Art Literatur zur Kenntnis genommen. Sie, Herr Bundeskanzler, haben soeben gesagt, in Ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 hätten Sie Aussagen gemacht, von denen Sie nichts zurückzunehmen hätten. Eine dieser Aussagen ist die Verpflichtung zur Leistung von 0,7 % des Bruttosozialprodukts. Das ist ein wesentlicher Punkt der ganzen Erklärung, weil alle Maßnahmen, welche auch immer Sie ergreifen mögen, seien sie humanitärer, seien sie technischer, seien sie ausbildungsmäßiger Art, bezahlt werden müssen. Wenn Sie also solche Erklärungen abgeben, die Sie finanziell nicht erfüllen können, dann ist Ihre ganze Konzeption in Frage zu stellen. Ich will Ihnen auch beweisen, warum das so ist. Sie haben sich in Ihrer Begründung, warum Sie das nicht einhalten können, warum Sie nicht 0,7 % des Bruttosozialprodukts ausgeben können, darauf hinausgeredet, der Anteil am Bruttosozialprodukt sei stets gewissen Schwankungen unterworfen; im Jahre 1970 hätten besondere Umstände vorgelegen, wofür Sie das Ansteigen des Bruttosozialprodukts um 12,4 % anführten; die privaten Leistungen seien um rund 3,5 Milliarden DM abgesunken und die Mittel, die in Einzelplan 23 für das Jahr 1970 vorgesehen waren, seien nicht vollständig abgerufen worden. Zum ersten Einwand, dem besonderen Ansteigen des Bruttosozialprodukts im Jahre 1970, kann man nur sagen: 1969 betrug der Anstieg 11,6 % und 1970 12,3 %. Das Umglück liegt doch nicht in den 0,6 %, sondern Sie mußten sich von vornherein darüber im klaren sein, daß die Zusage, einen bestimmten Prozentsatz vom Bruttosozialprodukt für die Entwicklungshilfe zu leisten, bedeutete: vom nominalen Bruttosozialprodukt. Hier sind Sie doch in die Schwierigkeiten eines „Riesendeflators" gekommen, weil Sie von Anfang an 11 % Zuwachs selbst ausgerechnet und vorgeschlagen haben und nun plötzlich erkennen müssen, daß allein das nominale Wachstum des BSP pro Jahr 11,7 % oder 12,3 % beträgt, mit dem Sie nicht weiterkommen können. Wenn Sie wenigstens vernünftige Vorschläge gemacht hätten! Wir wollen ja die 0,7% auch. Wir wehren uns nur dagegen, daß sie mit Argumenten versprochen werden, bei denen man von vornherein beweisen kann, daß sie nicht eingehalten werden können. Wenn Sie bis 1972 wegen der mittelfristigen Finanzplanung die 11 % beibehalten wollten, müßten Sie, wenn Sie bis 1980 soweit sein wollen, wenigWerner stens eine Zuwachsrate von 15,4 % einrechnen. Wollen Sie die Zuwachsrate von 11 % bis 1975 belassen, müssen Sie von 1975 bis 1980 eine Rate von 17,7% vorschlagen. Das können Sie doch hier alles ruhig sagen, und wir können doch darüber diskutieren! Ich will jetzt verzichten, darauf einzugehen, daß Sie sich in Ihrer Kabinettsvorlage zur zweiten Dekade auch noch dazu bekannt haben, die einmal erreichte Höhe unserer Gesamtleistungen - das war eine einmalige Glanzleistung -, nämlich 1,33 % des Bruttosozialprodukts, zu halten. Ich glaube, es geht selbst über die Illusionskapazität dieser Regierung hinaus, dazu Vorschläge machen zu können. ({1}) Wir wehren uns doch nur gegen die Irrealitäten, die hier zutage treten. Wir wissen genau und sind uns alle darin einig, daß Entwicklungspolitik nur in ihrer langfristigen Anlage sinnvoll ist. Wir meinen eben, daß jede Regierung, gleichgültig in welchem Land, die sich mit solchen Erklärungen einen kurzfristigen Erfolg verschaffen will, mit einer ebenso schnellen Ernüchterung bei ihren Partnern draußen rechnen muß. Darum wehren wir uns dagegen. ({2}) Ein Wort noch, Herr Minister, zur Verwendung der Rückflüsse aus gewährten Darlehen und Zinsen. Bisher ist im Gegensatz zum sonstigen Haushaltsgebaren, nach dem alle Eingänge in einen Topf fließen, in einem Generalvertrag zwischen der Bundesregierung und der KfW vom 1. Januar 1966 festgelegt, daß die Rückflüsse an die KfW gehen und für eingegangene Verpflichtungen benutzt werden können. Die KfW ruft also weniger Mittel ab, wenn sie sie durch die Rückflüsse ersetzen kann. Diese Rückflüsse betragen in diesem Jahr 280 Millionen DM, im Jahre 1975 etwa 400 Millionen DM und im Jahre 1980 etwa 500 Millionen DM. Es ist bei vielen Gelegenheiten über den Wunsch gesprochen worden, diese Mittel über den normalen Haushalt hinaus einzusetzen. Ich weiß nicht, ob Sie sich dazu noch äußern wollen. Ein letztes Wort noch zum Punkt 6 unserer Anfrage. Hier liegt mir besonders die Koordination der bilateralen Entwicklungshilfe der Sechs in der Europäischen Gemeinschaft am Herzen. Die Gemeinschaft hat einige Instrumente und auch nicht unerhebliche Beträge, die sie für die Hilfe an die assoziierten Staaten einsetzen kann. Für alle anderen Felder der Entwicklungspolitik fehlen ihr aber die Instrumente. Ich würde es für bedauerlich halten, wenn die Europäische Gemeinschaft in anderen Gebieten auf die Dauer in den Ruf käme, sie kümmere sich nur um die ihr assoziierten Staaten. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn die Bundesregierung von sich aus geeignete Schritte unternähme, zumindest so lange, wie die Gemeinschaft über kein entsprechendes Instrumentarium verfügt, praktische Ansätze zu machen, die eine gewisse Koordination der bilateralen Entwicklungshilfe der Sechs ermutigen könnten. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Matthöfer.

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung stützt sich bei der Beantwortung der Anfragen der Fraktionen auf ihre entwicklungspolitische Konzeption für die zweite Entwicklungsdekade, die sie kürzlich vorgelegt hat. Zweifellos liegt in dieser Konzeption ein großer Fortschritt. Ich glaube aber, es wird sich noch erweisen müssen, ob sie den Anforderungen der Zukunft ganz genügen wird, wobei diese Anforderungen sowohl an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer als auch an den Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland, die immerhin eines der reicheren und größeren Industrieländer ist, zu messen sind. Man wird der Bundesregierung und besonders dem zuständigen Minister zugestehen, daß Probleme der Entwicklungspolitik heute deutlicher aufgezeigt und nachdrücklicher in Angriff genommen werden als noch vor einigen Jahren. Zu fragen bleibt dennoch, meine ich, ob die bisherigen Erfahrungen bei den Entwicklungshilfebemühungen der Industrieländer in entwicklungspolitischen Diskussionen in der Bundesrepublik so unvoreingenommen, wie es erforderlich wäre, zur Kenntnis genommen und aufgearbeitet worden sind; denn trotz vieler Milliarden vermeintlicher oder tatsächlicher Entwicklungshilfe durch die Industrieländer hat sich in den letzten Jahren der Abstand zwischen den Industrieländern und den Ländern der dritten Welt nicht vermindert, sondern er hat sich vergrößert. Einer der wohl kompetentesten Experten für die Fragen der Entwicklungshilfe, der Schwede Gunnar Myrdal, meint unumwunden: Was wir brauchen, ist eine neue Theorie der Unterstützung für unterentwickelte Länder. Dafür ein Beispiel. Die Bundesregierung bekennt sich zu dem von den Vereinten Nationen kürzlich in dem Strategie-Dokument für die zweite Entwicklungsdekade verkündeten Grundsatz, „eine gerechtere und sinnvollere Wirtschafts- und Sozialordnung in der Welt herbeizuführen, eine Ordnung, in der sowohl die Nationen als Ganzes wie auch die einzelnen Menschen das Recht auf gleiche Chancen haben". Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders auf diese Forderung der Vereinten Nationen lenken, „eine gerechtere und sinnvollere Wirtschafts- und Sozialordnung in der Welt herbeizuführen". Denn diese Forderung enthält offenbar zwei Erkenntnisse, erstens, daß die vorherrschenden Wirtschafts- und Sozialstrukturen in der Welt die Entfaltung voller Gerechtigkeit verhindern, wenn nicht gar unmöglich machen, und zweitens, daß die bloß qualitative Ausweitung der Entwicklungshilfe, d. h. die zusätzliche Bereitstellung von Milliarden, so wichtig das natürlich ist, allein nicht ausreicht, Entwicklungshilfe erfolgreicher zu machen. Wenn man das feststellt, so begegnet man immer wieder dem absurden Argument, wir dürften die Strukturen in den Entwicklungsländern nicht verändern helfen, sondern wir müßten sie nur pragmatisch - ich darf hinzufügen: manchmal auch geschäftstüchtig - zur Kenntnis nehmen. Einfluß üben wir aber - wir, die Industrieländer - auf jeden Fall aus. Die Frage ist nur, in welcher Richtung wir das tun. Mir scheint das die zentrale Frage zu sein. Ich meine, die Bundesregierung ist hier vielleicht nicht ganz deutlich geworden. Wenn sie etwa bei der Frage nach der Ausrichtung der verschiedenen Hilfsformen und ihrem Verhältnis zueinander betont, sie orientiere sich an den Zielen und Prioritäten der einzelnen Entwicklungsländer, sie versuche, ihre Maßnahmen in internationale Programme einzuordnen, schließlich, sie werde einen stets größeren Anteil unserer öffentlichen Entwicklungshilfe überstaatlichen Organisationen zur Verfügung stellen, dann werden die Ziele der Regierungen der Entwicklungsländer, anderer Industrieländer und der internationalen Organisationen unter Umständen als unproblematisch und nur der nachhaltigen Unterstützung bedürftig unterstellt. Die Wirklichkeit ist leider ganz anders. Ich darf hierzu noch einmal Myrdal zitieren. Er sagt: Die meisten unterentwickelten Länder weisen das nämliche Modell grober sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten auf, die fast überall zuzunehmen scheinen. Welcher Art auch ihre Regierungsform ist, sie werden von kleinen, einander abwechselnden Oligarchien regiert. Es sind fast ausschließlich schwache Staaten, von Korruption beherrscht, die allgemein ansteigt. Die Bodenreform, selbst wenn als vorrangiges politisches Ziel verkündet, ist fast regelmäßig vereitelt worden. Versucht man die vorliegenden Befunde der Entwicklungsländerforschung auf einen Nenner zu bringen, so erweisen sich Ungleichheit in den Entwicklungsländern und ihre strukturelle Verfestigung als das zentrale Problem. Grundlage und Sicherung einer jeden Sozialordnung, die sich durch krasse Ungleichheit auszeichnet, bilden private Macht und Besitz, in den Entwicklungsländern vor allem das private Eigentum am Boden. Nicht selten steht einer kleinen Gruppe von Grundbesitzern die Masse der Bevölkerung verarmt, unterernährt, unausgebildet, apathisch gegenüber. Die Oligarchie der Besitzenden kontrolliert oder stellt selbst die Regierung und den Staatsapparat. Angesichts solcher Verstrickungen ist es kaum verwunderlich, wenn die verschiedensten Reformen zwar immer wieder verkündet, aber nicht durchgeführt werden. Es gibt kaum ein Entwicklungsland, in dem nicht schon einmal eine Bodenreform verkündet wurde, aber außerhalb des kommunistischen Einflußbereichs kaum ein Land, in dem sie tatsächlich durchgeführt würde. Was bedeutet dies nun alles für unsere Entwicklungspolitik? Wie können wir angesichts der bestehenden Strukturen schon heute Entwicklungshilfe so betreiben, daß sie unseren eigenen Vorstellungen entsprechend dem Fortschritt dient? Bis heute stellen wir immer wieder fest, daß eine Entwicklungshilfe, die die Ungleichheit in den betreffenden Ländern verschärft, eben nicht nur das politische Ziel der Gleichheit, sondern auch das Ziel des wirtschaftlichen Wachstums verfehlt. Wenn manche Leute trotzdem immer noch behaupten, Ungleichheit z. B. in der Einkommensverteilung sei eine Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum, so unterliegen sie dem groben Irrtum, daß sich die Entwicklung in der Dritten Welt ähnlich vollziehe wie die frühkapitalistische Entwicklung in Europa und Nordamerika: Krupp hat mehr verdient, deshalb mehr gespart und mehr investiert als ein Arbeiter; und so wird es wohl auch der Grundbesitzer X in Brasilien halten. Das ist nicht der Fall. Dieser verpraßt den größten Teil der herausgepreßten Profite mit Luxus- und Geltungskonsum, schafft den Rest ins Ausland und investiert eben nicht. Ich meine, es gibt vornehmlich zwei Mechanismen, über die die Industrielander Ungleichheit und Ausbeutung der Armen in den Entwicklungsländern bisher - gewollt oder ungewollt - verstärkt haben. Einen indirekt wirkenden Mechanismus stellen die Beziehungen auf dem Weltmarkt dar, worüber viel geschrieben worden ist. Das freie Spiel der Marktkräfte neigt nun einmal dazu, auf allen Ebenen jeweils die Stärkeren zu bevorzugen. Einigermaßen direkt wirkt dagegen die Korruption. Der Korrupteur weiß heute ganz genau, daß und in welchem Maße die ihn interessierenden Mächtigen zu stärken sind. Über die beiden Mechanismen sind die Erste und die Dritte Welt aufs engste miteinander verbunden. Darum kann man sie bei der Entwicklungspolitik nicht außer acht lassen. Korruption und Ungleichheit verstärken sich gegenseitig. Am Wechselspiel zwischen korrupten Machthabern in den Entwicklungsländern und ausländischen Unternehmen wird diese politisch verheerende Mechanik besonders deutlich. Vom untersten Beamten bis zum Minister werden Bestechungsgelder machtproportional verteilt, dienen der Festigung ihrer Stellungen, dem Luxuskonsum und der Abkapselung von der Bevölkerung, und sie fördern politisch Gleichgültigkeit und Zynismus. Nicht das Unternehmen, das die entwicklungspolitisch bedeutsamsten Investitionen und Projekte plant, wird von den Behörden bevorzugt behandelt, sondern dasjenige, das die meisten Schmiergelder locker macht. Manche sagen nun: Schmiergeldpraktiken sind zwar bedauerlich, aber das behindert den Einsatz der öffentlichen Entwicklungshilfe doch nicht. Dieser Eindruck ist falsch. Solange die korrupten Kräfte immer wieder neu gestärkt und damit Gleichheit und Wachstum gleichermaßen unterbunden werden, bleibt Entwicklungshilfe unvermeidlich eine Farce.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zwischenfrage!

Peter Petersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001699, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Matthöfer, wollen Sie das sehr harte Urteil, das Sie soeben gefällt haben, auf alle Partner verallgemeinern, die wir in der Welt haben?

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte das verallgemeinern auf die Mehrheit der Entwicklungsländer, leider ja. Besonders zu betonen ist die verheerende sozialpsychologische Wirkung der Korruption. Bei den korrupten Machthabern wächst der Zynismus, bei den Armen Resignation und Apathie. Integre Kräfte unterliegen einem ständigen Zermürbungsprozeß: Wenn alle korrupt sind, was kann ich dann tun? Mit anderen Worten, das Engagement der Menschen, das die Entwicklungsländer dringender benötigen als vieles andere, wird durch die Praxis der Korruption zerstört. Viele der unsinnigen Gesetze, Verordnungen, Eingriffe von Behörden in diesen Ländern, die die Entfaltung dynamischer Kräfte behindern und einen durch nichts zu verantwortenden und zu rechtfertigenden Verschleiß dieser Kräfte herbeiführen - jeder, der einmal dort gewesen ist, kann ein Lied davon singen -, lassen sich nur dadurch erklären, daß ihre Existenz die Notwendigkeit von Bestechungen zynischer Politiker und Beamter schafft. Es kommt mir nun nicht darauf an, zu behaupten, daß die Korruption die Ursache allen Übels sei. Es geht darum, deutlich zu machen, daß eine Entwicklungspolitik, die diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt bzw. gezielt bekämpft, ihr eigenes reales Feld nicht kennt. Myrdal geht so weit, zu sagen, daß die Industrieländer den Entwicklungsländern nur in einer Hinsicht direkt bei ihren Reformbestrebungen behilflich sein können jetzt zitiere ich -: indem sie ihre eigenen Geschäftsleute daran hindern, die Beamten und Politiker in jenen Ländern zu bestechen. Damit würde eine der stärksten Ursachen der wachsenden Tendenz zur Korruption eliminiert.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zwischenfrage!

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Matthöfer, darf ich Ihren Beitrag als ein Alibi zum Nichtstun in der staatlichen Entwicklungspolitik betrachten, oder haben Sie einen konkreten Vorschlag zu machen, wie Sie auf Grund Ihrer Erkenntnisse und Ihrer Bewertung der Partnerregierungen staatliche Entwicklungshilfe in Zukunft betreiben wollen?

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kiep, ich will Ihnen gerne sagen, was ich jetzt sowieso gesagt hätte, und das soll ein Vorschlag zur Weiterentwicklung der vorzüglichen Politik sein, die hier vorgeschlagen wird. ({0}) Wir müssen in den Industrieländern einen internationalen Feldzug gegen die Korruption organisieren. Wo von uns Korruption in die Entwicklungsländer getragen wird, muß sie an ihrem Ursprung, nämlich hier, bekämpft werden. Wenn wir das schon nicht können, müssen wir wenigstens aufhören, die Zahlung von Bestechungsgeldern auch noch steuerlich zu privilegieren, wenn die Verwendung öffentlicher Mittel für die Entwicklungshilfe sinnvoll sein soll. Wenn Sie die Mechanismen erfahren wollen, über die man das tun kann, bin ich gerne bereit, Ihnen zu sagen, was eigentlich erforderlich wäre. Vielleicht setzen wir das mal auf die Tagesordnung einer Ausschußsitzung. Wir müssen zweitens, wollen wir wirklich eine gerechtere und sinnvollere Wirtschafts- und Sozialordnung in der Welt nach dem Vorschlag der UNO herbeiführen, politische und gewerkschaftliche Reformbewegungen unterstützen, damit von diesen ein Programm radikaler Strukturveränderungen und Reformen durchgesetzt werden kann: Agrar-, Steuer-, Verwaltungs- und Bildungsreformen, Sicherung und Ausweitung des Rechtsstaates und der demokratischen Beteiligungsrechte der Bevölkerung, Verbesserung der gesellschaftlichen Mobilität, d. h. Abbau der Klassenschranken, Reform des Kreditwesens und der Unternehmensverfassung, Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaftsplanung, Ausbau der Infrastruktur, Förderung der Aktivitäten öffentlicher Unternehmen und der Genossenschaften, Nationalisierung der Bodenschätze dort, wo sie sich in fremdem Eigentum befinden, Schaffung größerer Märkte usw. usw. Höhere Wachstumsraten der Wirtschaft in den Entwicklungsländern werden im wesentlichen nicht durch größere Entwicklungshilfe erzielt, sie hängen sehr viel mehr von diesen inneren Strukturreformen ab. Ohne diese Reformen wird die Arbeitslosigkeit weiter wachsen, das Elend immer zahlreicherer Menschenmassen noch größer, die ungleiche Einkommensverteilung noch ausgeprägter werden. Drittens müssen die Reformbewegungen, sobald sie die politische Macht erobert haben - Herr Gewandt, hören Sie mal zu -, sobald sie die Regierung stellen, von uns mit massiven Entwicklungshilfeprogrammen unterstützt werden, ({1}) auch dann, wenn wir uns über die Betreffenden einmal ärgern müssen. Der Ausstrahlungseffekt eines einzigen Beispiels erfolgreicher Reformen auf andere Länder wird beträchtlich sein. Tun wir das alles nicht, so werden unsere Bemühungen, Planung, Technik, Organisation und Ablauf der Entwicklungshilfe zu verbessern, und auch unsere Debatte hier einigermaßen sinnlos sein. Verhalten wir uns richtig, so werden wir einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des Friedens in der Welt und zur Förderung des Wohlstands der Völker leisten. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Rinsche.

Prof. Dr. Günter Rinsche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001855, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit darauf hingewiesen, daß die öffentlichen und privaten Entwicklungshilfeleistungen der Bundesrepublik nur nach Maßgabe der deutschen Wirtschaftskraft möglich sind. Nun, meine Damen und Herren, diese These ist ebensowenig zu bestreiten wie die Gültigkeit des kleinen Einmaleins. Mit einer solchen These wird aber keine Antwort auf jenen Teil unserer Frage gegeben, der sich auf die mißglückte Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung und die daraus zu erwartenden negativen Folgen für die deutsche Wirtschaftskraft bezieht. In der Kurzfassung des Wirtschaftsberichts 1971 der deutschen Bundesregierung heißt es wörtlich - ich darf zitieren, Herr Präsident -: „Wir können uns in diesem Jahr nur dann auf eine Preissteigerungsrate von etwa 3 % herunterbewegen, wenn die Unternehmer nicht die Gewinnmargen eines überzogenen Booms konservieren und die Effektivlöhne nicht uni mehr als 7 bis 8 % steigen. Andernfalls könnte sich das reale Wachstum des Sozialprodukts wegen der dann drohenden weiteren Verminderung der Zuwachsrate der privaten Investitionen stärker verlangsamen, als die Regierung gegenwärtig annimmt. Bei der somit möglichen Abschwächung der Zunahme des realen Sozialprodukts auf nur 21/2 bis 31/2% würde zwangsläufig auch die Auslastung der industriellen Kapazitäten spürbar verringert. Dies könnte - so fährt der Bundesminister fort für die zweite Hälfte des Jahres und insbesondere für 1972 den hohen Stand der Beschäftigung spürbar beeinträchtigen. Die Beschreibung dieser Gefahren sollte für jedermann eine unüberhörbare Warnung sein. Zudem kann niemand mehr sagen, er habe von diesen Gefahren nichts gewußt. Soweit, meine Damen und Herren, der Bundesminister für Wirtschaft, der sich, nach diesen Worten zu schließen, in den Stand eines handlungsabstinenten Beobachters zurückversetzt hat, um seine Hände in Unschuld waschen zu können. Während früher die CDU-geführten Bundesregierungen die volle Verantwortung für Stabilität und Wachstum zu tragen hatten - jedenfalls nach Meinung von Professor Schiller - ist die jetzige Bundesregierung augenscheinlich nur dann verantwortlich, wenn die Sache gut geht. Für den Fall möglicher Mißerfolge wird vorsorglich darauf hingewiesen, daß Unternehmer, Gewerkschaften und Konsumenten die Verantwortung zu tragen hätten. ({0}) Meine Damen und Herren, unabhängig vom Ausgang dieses „Schwarze-Peter-Spiels" bleibt die „unüberhörbare Warnung" des Bundeswirtschaftsministers von beachtlicher Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der deutschen Entwicklungspolitik. Zwar ist im Wirtschaftsbericht 1971 nur von möglichen Abschwächungen die Rede. Aber es gibt immerhin eine ganze Reihe von ernstzunehmenden Sachkennern, die von tatsächlichen Abschwächungen der Investitionsneigung und Minderungen der Wirtschaftskraft sprechen. Hier, meine Damen und Herren, liegen Gefahren für die deutsche Entwicklungspolitik, die nicht übersehen werden dürfen. Die Palmström-Philosophie, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, enthebt die Regierung nicht der Aufgabe, die konkreten Gefahren sichtbar zu machen, um ihnen mit Vorbedacht begegnen zu können. ({1}) Auf unsere Fragen hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit etwas ironisch bemerkt, die Opposition solle doch einmal sagen, ob sie nun für mehr oder für weniger Entwicklungshilfe sei. Nun, unsere Haltung ist von den Kollegen meiner Fraktion bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Die CDU/CSU-Fraktion ist für eine stetige Steigerung der Entwicklungshilfe im Rahmen unserer wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten. Wir wollen, meine Damen und Herren - hier liegt ein konkretes Kooperationsangebot meiner Fraktion vor -, mit dabei sein und mit dabei helfen, daß die Stabilitäts- und Wachstumspolitik wieder jenen Effekt erzielen wird, den wir brauchen, um langfristig Entwicklungspolitik gestalten zu können. ({2}) Im übrigen, meine Damen und Herren, hat mein Kollege Werner bereits eben darauf hingewiesen, daß es sich heute nicht um eine Fragestunde der Regierung an die Opposition handelt, sondern es handelt sich darum, daß wir eine Große Anfrage an die Regierung gestellt haben und nicht umgekehrt. ({3}) Schließlich geht es gar nicht in erster Linie um das, was die Opposition hier konkret will, sondern es geht um die vertrauenszerstörenden Unterschiede zwischen Wort und Wirklichkeit, für die nicht wir, sondern diese Bundesregierung die volle Verantwortung trägt. ({4}) Die deutsche Entwicklungspolitik ist nicht nur durch die mangelhafte Wirtschaftspolitik gefährdet. Zunehmend problematischer wird auch die negative Zangenwirkung der Finanzpolitik auf die öffentlichen und privaten Leistungen der Entwicklungshilfe. Die durch eine Inflation von Versprechungen, Plänen und Reformankündigungen genährte irreale Vorstellung, als ob eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung das kleine Einmaleins außer Kraft setzen könnte, hat den Sinn für die finanziellen Möglichkeiten verkümmern lassen. Erst seit der Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion über die Realisierbarkeit der angekündigten sogenannten inneren Reformen begann die ernüchternde Erkenntnis der Wirklichkeit. Heute weiß jeder in diesem Hause, daß die Konkurrenz der Ressorts um die begrenzten finanziellen Mittel immer schärfere Formen annimmt. Es ist zu befürchten, daß in diesem Konkurrenzkampf jenen Ressorts Präferenzen eingeräumt werden, die für die Politik einer Maximierung von Wählerstimmen unentbehrlich scheinen. Jedenfalls gibt es Anzeichen dafür, daß diese Regierung bei der Aufstellung der Priorität zunächst an die nächste Wahl denken wird. Da es leider bis heute noch nicht gelungen ist, der Entwicklungspolitik jenen Platz in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik einzuräumen, der ihr auf Grund ihrer säkulären Bedeutung zukommt, glauben wir, daß die konkreten Zusagen für die Entwicklungspolitik, die in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 enthalten sind, mit größeren Risiken behaftet sind, als von den BefürDr. Rinsche wortern einer stärker steigenden deutschen Entwicklungshilfe ursprünglich angenommen wurde. Meine Damen und Herren, nach den sich hier anbietenden und anbahnenden Haushaltskürzungen zu Lasten der Entwicklungspolitik ist die Beeinträchtigung der privaten Leistungen im Rahmen der Entwicklungspolitik durch die Finanzpolitik dieser Bundesregierung ebenso gefährlich. Die Absicht des Finanzministers, durch eine starke Ausweitung der öffentlichen Verschuldung mittelfristig wenigstens einen Teil der versprochenen Maßnahmen zu finanzieren, ist bereits im August 1970 durch die Deutsche Bundesbank sachkundig kritisiert worden. Hier ist zu bemerken, daß die überproportionale Beanspruchung des Kapitalmarkts durch die öffentliche Hand negative Auswirkungen auf die private Investitionsnachfrage haben muß. Die Gefahr für die private Investitionsnachfrage wird besonders dann deutlich, wenn man in Rechnung stellt, daß der Nettokreditbedarf der Unternehmen ({5}) von 1966 bis 1969 rund 57 Milliarden DM, d. h. etwa 40 °/o aller Nettoinvestitionen in Höhe von 145 Milliarden DM, betrug. Wenn die Bundesregierung ihre Ankündigung wahrmacht, den Kapitalmarkt stärker zu beanspruchen als bisher - und in diesem Fall besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln -, dann muß mit ziemlicher Sicherheit eine Beeinträchtigung der privaten Investitionstätigkeit, insbesondere auch in der Dritten Welt, für die Zukunft befürchtet werden. Die verbale Anerkennung der großen Bedeutung der privaten Investitionen in Entwicklungsländern durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit nützt nichts, wenn der Finanzminister diese privaten Investitionen durch seine Politik indirekt beeinträchtigen und behindern wird. Festzustellen bleibt somit: Eine mangelhafte Wirtschaftspolitik und die negative Zangenwirkung einer mittelfristig defizitären Finanzpolitik verringern und gefährden die wirtschaftliche Grundlage einer von allen Seiten dieses Hauses als wichtig erkannten Entwicklungspolitik. Wenn die sachverständigen Warner recht behalten - und diese Möglichkeit hat hohe Wahrscheinlichkeit und muß daher beachtet werden- dann verkleinert sich das objektive Können der deutschen Entwicklungspolitik in den nächsten Jahren. Meine Damen und Herren, wir bestreiten gar nicht die guten Absichten des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber, um in den Worten eines deutschen. Finanzwissenschaftlers zu sprechen, die meisten Übel dieser Welt entstehen aus der Verbindung von guter Absicht mit falscher Voraussicht und mangelndem Können. Wie die öffentlichen Leistungen der deutschen Entwicklungshilfe nur dann gesteigert werden können, wenn die privaten Unternehmen ihre Ertragsfähigkeit verbessern und damit besteuerungsergiebig bleiben, so werden auch die privaten Investitionen in den Entwicklungsländern nur dann möglich sein, wenn sich die Konkurrenz des Staates am Kapitalmarkt nicht zu Lasten des privaten Sektors verschärft. Die unternehmerische Initiative und Investitionsbereitschaft als eine wichtige Antriebskraft des wirtschaftlichen Wachstums kann nur dann erwartet und gefördert werden, wenn die Gesamtpolitik dieser Bundesregierung dafür ,sorgt, daß ausreichende Ertragserwartungen, eine auf Stabilität der Wirtschaftsordnung und des Geldwertes ausgerichtete Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten gewährleistet werden. ({6}) Die Entwicklungspolitik hat, meine Damen und Herren, die Aufwärtsentwicklung der deutschen Volkswirtschaft zur Voraussetzung. Hier besteht eine Art Gesetz der kommunizierenden Röhren, das unsere volle Aufmerksamkeit bei diesem Thema verlangt. Nun besteht eine weitgehende Übereinstimmung in der Auffassung, daß ein sich selbst tragendes wirtschaftliches Wachstum in den Entwicklungsländern durch eine verbesserte weltwirtschaftliche Arbeitsteilung und durch eine stärkere Eingliederung in den Welthandel gefördert werden kann. Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, die liberale Außenwirtschaftspolitik früherer Bundesregierungen forzusetzen. Wir ,stehen der Gewährung von Zollpräferenzen und der verbesserten Exportberatung für Entwicklungsländer positiv gegenüber. Nachdrücklich weisen wir aber darauf hin, daß mit diesen Maßnahmen allein nicht jene Probleme gelöst werden können, die sich einer langfristigen Entwicklungspolitik stellen. Voraussetzung für die stärkere Eingliederung der Entwicklungsländer in den weltweiten Wettbewerb ist die klare Zielvorstellung einer weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung, die in der Antwort der Bundesregierung nur in dem verschwommenen Begriff eines möglichst hohen weltwirschaftlichen Nutzens zum Ausdruck kommt. ({7}) Meine Damen und Herren, was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff weltwirtschaftlicher Nutzen? Schwammworte dieser Art reichen nicht aus, wenn klare Zielvorstellungen nötig sind. Ein Mangel an Konzeption aber bedeutet Verschwendung von Zeit und Geld, eine Verschwendung, die wir uns heute und in Zukunft weniger denn je erlauben können. Der Mangel an klarer Zielvorstellung wird dadurch besonders problematisch, daß die Koordinierung der beteiligten Ressorts allen Zusicherungen zum Trotz immer noch sehr zu wünschen übrig läßt. Dieser Tatbestand läßt sich übrigens schon bei der Verschiedenheit der Situationsanalysen nachweisen. Während z. B. der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit von einer zunehmenden Verschlechterung der Terms of Trade zu Lasten der Entwicklungsländer ausgeht, setzt der Bundesminister für Wirtschaft die Akzente anders. In einer Ausarbeitung des Bundesministers für Wirtschaft heißt es u. a. - ich zitiere aus den Tagesnachrichten des Bundesministerium für Wirtschaft vom 19. Februar dieses Jahres - unter der Überschrift „Austauschverhältnisse fast unverändert" : Die Austauschverhältnisse ({8}) der Entwicklungsländer haben sich im vergangenen Jahrzehnt gegenüber dem Ausgangsjahr 1960 etwas abgeschwächt. ... Ent6788 scheidende Änderungen haben sich demnach nicht ergeben. Längerfristig gesehen ist ... eine Normalisierung mit einer Verbesserung der Austauschverhältnisse der Entwicklungsländer festzustellen. Soweit der Bundesminister für Wirtschaft. - Ohne diese Akzent- und Bewertungsunterschiede überbewerten zu wollen, gibt es jedenfalls auch hier Grund zu der Annahme, daß die Koordinierung zwischen den entwicklungspolitisch relevanten Ressorts nicht das notwendige Optimum erreicht hat. Hier ist wohl auch der Grund dafür zu suchen, daß eine Konzeption der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung in der Antwort der Bundesregierung nicht einmal in Umrissen sichtbar wurde. Nun wissen die Sachkenner, daß die entwicklungspolitische Diskussion der Gegenwart stark beeinflußt ist durch drei größere Problemanalysen, die mit den Namen Pearson, Jackson und Tinbergen verbunden sind. Die vom Tinbergen-Ausschuß gegebenen Empfehlungen verdienen aber ebenso unsere Aufmerksamkeit wie die im Pearson-Bericht und im Jackson-Bericht gegebenen Empfehlungen. Hier ist eine detaillierte Stellungnahme der Bundesregierung angebracht, zumal bei einer Realisierung der Vorschläge des Tinbergen-Ausschusses einschneidende Veränderungen der Struktur unserer Volkswirtschaft in Rechnung gestellt werden müssen. Im Zusammenhang mit den Vorschlägen von Professor Tinbergen taucht die grundlegende Frage nach dem System weltwirtschaftlicher Arbeitsteilung auf. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Vorstellung, daß sich um ein großes Industriegebiet der Welt die übrigen Agrar- und Rohstoffgebiete gruppieren, entspricht weder der Wirklichkeit noch den Notwendigkeiten. Andererseits scheint mir aber die der Politik dieser Bundesregierung zugrunde liegende orthodoxe Außenhandelstheorie von Ricardo mit den sogenannten „komparativen Kostenvorteilen" als Grundlage einer Entwicklungspolitik nicht wirklichkeitsnah genug zu sein. Unter den Aspekten einer realistischen Konzeption zur Förderung weltwirtschaftlicher Arbeitsteilung sind meiner Meinung nach jene Überlegungen beachtenswert, die u. a. Professor Predöhl über das System „industrieller Kraftfelder" und „industrieller Randkerne" veröffentlicht hat. Predöhl und seine Mitarbeiter sind der Frage nachgegangen, wo sich in der Weltwirtschaft heute neue industrielle Kraftzentren gebildet haben, die über das Ausmaß von „Randkernen" zu „industriellen Kraftfeldern" hinausgewachsen sind oder zu neuen Kraftfeldern zu wachsen tendieren.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Bitte kommen Sie zum Schluß.

Prof. Dr. Günter Rinsche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001855, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich möchte nur noch wenige Sätze zum Thema der Strukturpolitik als Folge dieser weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung sagen. Es genügt eben nicht, einfach zu sagen: Wir wollen einen hohen weltwirtschaftlichen Nutzen, sondern es kommt darauf an, auch hier jene Strukturüberlegungen in die Diskussion einzubringen, die über den 'Rahmen der Entwicklungspolitik in den Entwicklungsländern hinausgehen. Wenn wir die Vorschläge von Tinbergen oder die Gewährung von Zollpräferenzen ernst nehmen, müssen wir die Voraussetzungen für eine Strukturwandlung in unserer Volkswirtschaft schaffen und dürfen diese Strukturwandlung nicht einfach dem Zufall überlassen. Die stärkere Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft erfordert erstens die Schaffung von entsprechenden Voraussetzungen in den Entwicklungsländern, zweitens den Abbau der zwischenstaatlichen Handelshemmnisse, drittens aber die rechtzeitige Vorbereitung einer harmonischen Bewältigung der in den Industrieländern zu erwartenden Strukturveränderungen sowie die gerechte Verteilung der daraus entstehenden Belastungen. Ich komme zum Schluß. Die Leistungskraft unserer Entwicklungspolitik ist abhängig von dem, was wir wollen - das ist die Frage nach den konkreten Zielvorstellungen -; sie ist ebenso abhängig von dem, was wir können - das ist die Frage nach der deutschen Wirtschaftskraft -; sie ist schließlich abhängig von dem, was wir sollen das ist die Frage einer praktizierten Solidarität mit allen Mitmenschen und Völkern dieser Erde -. In allen diesen Bereichen gibt es offene Fragen und ungelöste Probleme, Fragen, für die keine Antworten der Bundesregierung vorliegen, Probleme, für die diese Bundesregierung keine Lösungsvorschläge vorgelegt hat. Wir sind bereit und willens, daran mitzuwirken, daß diese Fragen beantwortet und die Probleme gelöst werden. Wir müssen aber feststellen, daß die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage hier völlig unbefriedigend ist. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lauterbach.

Ellen Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001298, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Neuling zur Entwicklungshilfe-Debatte habe ich eigentlich das Gefühl, ich müßte, wenn ich hier herausgehe, mit den Worten enden: Und ging hinaus und weinte bitterlich. Das, was heute zum Thema „Entwicklungshilfe" gesagt worden ist, rechtfertigt eigentlich die Überschrift in der heutigen Ausgabe der „Welt": „Entwicklungshilfe auf dem Nebengleis". Die einmalige Chance, nach vier Jahren in diesem Parlament einmal etwas zu diesem Thema im Rahmen der Antwort auf die Großen Anfragen für die Öffentlichkeit zu sagen, ist leider von vielen nicht genutzt und wahrscheinlich von vielen auch nicht verstanden worden. Lassen Sie mich einiges aus der Debatte aufgreifen. Herr Kollege Kiep, Ihre Ausführungen zu Beginn Ihres Diskussionsbeitrages haben mich ein wenig bestürzt. Als ich in den Entwicklungsausschuß als Neuling kam, wurde immer vom großen EntwickFrau Lauterbach lungspolitiker der CDU gesprochen: die Koryphäe der Opposition. Ich muß sagen - daraus mache ich kein Hehl -, das, was ich im Laufe der letzten Wochen gehört und gesehen habe, war mehr als enttäuschend. Das war heute eine Platte, die ich vor wenigen Tagen im Fernsehen, in einer Rundfunksendung gehört habe. Das waren im Grunde genommen die gleichen Aussagen der Kompetenzen, der Ideologien, Dinge, die man manchmal schon bis zum Überdruß gehört hat und die durch ständige Wiederholung weiß Gott auch nicht wahrer werden. ({0}) Ich glaube, hinsichtlich Ihrer Angriffe im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik, Dritte Welt und Ostpolitik und hinsichtlich Ihrer Angriffe, daß die Entwicklungshilfe der Ostblockstaaten inklusive der DDR die Entwicklungsländer vom Westen trennen sollen, daß diese die Dinge politisch anders sehen, hat der Bundesminister schon eindeutig gesagt, daß wir vor dieser Konkurrenz eigentlich gar keine Angst haben sollten, weil sie nämlich keine ist. Ich darf Ihnen aus eigenem Erleben und eigenen Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr folgendes berichten. Ich habe an einer der entscheidenden Sitzungen der 77er Gruppe bei der UNO teilgenommen, die das Strategiedokument ausgearbeitet hat. Ich war an dem Tag anwesend, als die Russen erstmals wieder in die Sitzung zurückkamen, die sie ja aus Protest gegen unsere Teilnahme verlassen hatten. Dort wurde ganz eindeutig festgestellt - ich glaube, wir sollten das auch in unserem Kreis ein bißchen mehr zur Kenntnis nehmen -, daß die Entwicklungsländer heute wesentlich realistischer denken, als sie manchmal von Ihnen eingeschätzt werden, daß sie sich gar nicht so sehr durch Ideologien von Ost oder West mißbrauchen lassen. Die Russen hatten sehr große Mühe, den einzigen Artikel - ich empfehle Ihnen, den Art. 38, den Sie sicherlich kennen, einmal nachzulesen -, der etwas über die sozialistischen Ostblockstaaten aussagt, in dieser Sitzung zu behandeln. Aber im Grunde genommen sagt dieser Artikel gar nichts aus. Die Entwicklungsländer, die dort zur Diskussion zusammengetreten waren, wollten von Ideologien gar nichts wissen, sondern sie wollten Leistungen, eben auch Leistungen vom Osten sehen. Solange der Osten keine Leistungen bietet, wissen auch die Entwicklungsländer, mit wem als Partner sie besser dran sind. Ich glaube, wir sollten also von dieser verschärften Diskussion der Ostpolitik, bezogen auf die Dritte Welt, wegkommen. Und wer, wie einige von uns, im letzten Jahr in den Entwicklungsländern unterwegs gewesen ist, weiß, daß von den Regierungen gerade die neue Ostpolitik der Bundesregierung als Entspannungsbeitrag auch in den Beziehungen zu ihnen gewertet worden ist. Wenn die Kollegen Rinsche und Werner davon ausgegangen sind, daß die Opposition die Anfrage stellt und die Regierung zu antworten hat, ist das sicherlich berechtigt. Wenn allerdings behauptet wird, es sei keine Antwort gegeben worden, muß ich folgendes feststellen. Ich glaube, man kann sagen, eine Große Anfrage ist selten so ausführlich - ich meine jetzt nicht vom Volumen, sondern vom Inhalt her gesehen - beantwortet worden wie diese beiden Großen Anfragen von Ihnen und von uns. Wenn Herr Kollege Rinsche sagt, es gehe nicht darum, was die Opposition wolle, dann muß ich feststellen: man sollte doch einmal davon wegkommen, nur ständig zu kritisieren. Wir waren uns in unserem Ausschuß eigentlich darin einig, hier gemeinsam handeln zu wollen. Wenn ferner gesagt wird, es sei nicht Aufgabe der Opposition, der Regierung zu sagen, was sie wolle, muß ich feststellen, daß wir hier einmal die Chance haben, unabhängig von der Regierung als Parlament zu sagen, was wir wollen. Darum geht es doch, glaube ich. Ich bin der Meinung, daß das heute bedauerlicherweise zu kurz gekommen ist. Zu meinem eigentlichen Beitrag. Ich habe mich ein wenig ausführlicher mit dem Thema der technischen Hilfe, den Bildungs- und Ausbildungsfragen und der Situation der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeschaffung befaßt. Herr Kollege Kienbaum hat vorhin von den drei Kriterien bei der Auswahl gesprochen: Wachstum, Arbeitsbeschaffung und Güteraustausch. Ich möchte diese Reihenfolge nicht gelten lassen, sondern ich möchte heute Wachstum und Arbeitsbeschaffung in derselben Größenordnung auf der gleichen Ausgangsbasis sehen. Dabei ist vielleicht folgendes bezüglich des Güteraustausches vergessen worden. Ehe ich das alles tun kann, muß ich erst einmal Menschen haben, die eine Ausbildung genossen haben. In dem am 24. Oktober letzten Jahres von der UNO-Vollversammlung verabschiedeten Strategiedokument wird im Kapitel „Aufgaben und Ziele" auch darauf hingewiesen, daß das Endziel der Entwicklung die Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen ist und daß es dabei u. a. darauf ankommt, den Beschäftigungsstand - das kann man nicht nachdrücklich genug unterstreichen - beträchtlich zu erhöhen und Erziehungseinrichtungen zu erweitern und zu verbessern. Aus Abschnitt 66 des UNO-Strategiedokuments geht klar und deutlich hervor, daß die Entwicklungsländer zukünftig ihre gesamte Politik unter dem Aspekt einer gleichzeitigen Förderung von Beschäftigung und wirtschaftlichem Wachstum überprüfen sowie der technischen Ausbildung, der Berufsausbildung und der Umschulung Priorität beimessen. Damit wurde erstmals die Bedeutung der Förderung von Beschäftigung, parallel zu wirtschaftlichem Wachstum, für diese Dekade von einem weltweiten Forum herausgestellt, nachdem man in der ersten Dekade bisher immer von der These ausgegangen war, daß die Probleme der Arbeitsbeschaffung allein durch wirtschaftliches Wachstum gelöst werden könnten. Das erwies sich aber als Irrtum. Pearson hat in seinem Bericht dazu festgestellt - ich möchte diesen einen Satz zitieren -: Das schlimmste Versagen der Entwicklungspolitik der 60er Jahre ist ihr Versagen, genügend Arbeitsplätze, genügend produktive Beschäftigung in der Welt zu schaffen. Angesichts der Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern, die immerhin drei Viertel der Erde ausmachen, sprechen viele Anzeichen dafür, daß das Problem der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in diesen Ländern in den kommenden Jahren eine Größenordnung erreichen wird, die man sich heute kaum vorstellen kann. Die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, hat sich seit längerem mit diesem Problem beschäftigt und 1969 ein Weltbeschäftigungsprogramm veröffentlicht, das der deutsche Vertreter der ILO beim Hearing des Entwicklungshilfeaussrhusses in seine Ausführungen einbezogen hat. Wenn laut ILO noch in diesem Jahrzehnt die Erwerbsbevölkerung um weitere 226 Millionen Menschen anwächst, die Zahl der Arbeitsfähigen in den Entwicklungsländern bis zum Jahr 2000 auf 1,7 Milliarden gegenüber einer Milliarde heute ansteigt und wenn man dabei von der gegenwärtigen Arbeitslosenquote von 10 % ausgeht, müssen bis zum Jahr 2000 immerhin zusätzliche Arbeitsplätze für etwa 800 Millionen Menschen geschaffen werden. Ich glaube, durch diese wenigen Zahlen wird klar, daß die Entwicklungshilfe in dieser Dekade neue Wege gehen und neue Prioritäten setzen muß, damit diese Dekade nicht zu einem erneuten und dann nicht mehr reparablen Versagen führt. Die Bundesregierung - das ist meine Meinung und die Meinung meiner Fraktion, auch wenn einige von Ihnen anderer Auffassung sind - hat diese neue Zielsetzung nicht nur erkannt, sondern sie hat auch international an ihrer Realisierung mitgearbeitet und sie in ihrer eigenen Entwicklungspolitik bereits berücksichtigt. Sie hat das UNO-Strategiedokument nicht nur grundsätzlich akzeptiert, sondern in Anlehnung daran am 11. Februar eine eigene entwicklungspolitische Konzeption der Bundesrepublik für die zweite Dekade verabschiedet und einige Schwerpunkte gesetzt, auf die wir auch in unserer Ausschußarbeit entsprechend mehr Gewicht legen sollten. Es sind dies folgende Schwerpunkte. Erstens: Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, vor allem durch Förderung arbeitsintensiver Vorhaben. Zweitens: Schaffung eines arbeits- und umweltorientierten Bildungssystems. Drittens: Strukturverbesserungen in den ländlichen Regionen und in Verbindung damit Erstellung von gewerblichen Arbeitsplätzen außerhalb der Ballungszentren. Viertens: Beratung und Managementhilfen sowie Fortbildung von qualifiziertem Personal. Diese Frage hatte Kollege Kienbaum vorhin angesprochen. Im Rahmen dieser Konzeption kommt deshalb der Förderung der technischen Hilfe und innerhalb der technischen Hilfe der Bildungshilfe eine ständig wachsende Bedeutung zu, die personell und finanziell durch eine überproportionale Steigerung der Haushaltsansätze berücksichtigt wurde. Ich glaube, man kann nicht nachdrücklich genug das unterstreichen, was die Bundesregierung in dieser Hinsicht im Haushalt getan hat. Aus der Vielfalt der Aufgaben und Probleme der' technischen Hilfe, der Bildung und Ausbildung möchte ich in Ergänzung zur Beantwortung der Großen Anfragen noch einige Punkte herausgreifen. Erstens. Die Bildung beginnt in entscheidendem Maße in der Schule. Aber mit einem aus Europa übertragenen Bildungssystem aus der Kolonialzeit können die Probleme nicht gelöst werden. Immer mehr Jugendliche - und wer im vergangenen Jahr unterwegs war, hat es sicher festgestellt - finden deshalb mit ihren schulischen Fähigkeiten keine Arbeitsmöglichkeit nach ihrem Schulabschluß Ein arbeits- und umweltbezogenes Bildungssystem ist daher dringend notwendig. Die bisher vernachlässigte technische Ausbildung müßte wesentlich verstärkt werden. Allerdings ist auch hier ein Umerziehungsprozeß notwendig, denn noch immer herrscht das Prestigedenken für einen White-collar-Job, für einen Weißen-Kragen-Job, vor. Dringend notwendig - und wir sollten von unserer Seite diese Vorhaben unterstützen - für die Lösung dieser Aufgaben im Bildungs-, Ausbildungs- und arbeitsmarktpolitischen Bereich ist eine entsprechende Planung auch von seiten der Entwicklungsländer, wie sie auch im Strategiedokument der UNO angesprochen wurde. Hier gibt meines Erachtens das ostafrikanische Land Tansania, dessen Fünfjahresplan ich an Ort und Stelle im vergangenen Jahr kennenlernen konnte, mit seiner Bedarfsdeckung und seiner Bedarfsplanung für Arbeitskräfte ein lohnendes Beispiel. Hier wird das Bildungspotential der Bevölkerung mit den Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten des Landes abgestimmt und Auskunft über den Bedarf an Fachkräften gegeben. Hier wird eine Planungspolitik für Maßnahmen der Zukunft von einem Entwicklungsland betrieben, daß man als Lernprozeß manchem Kollegen der Opposition während ihrer 20jährigen Regierungszeit gewünscht hätte. Probleme der Landflucht und der Massenarbeitslosigkeit in den Städten bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit. Eine gewaltige Ausbildungslücke herrscht meiner Meinung nach aber vor allem im Bereich des Managements. Die Besetzung dieser Positionen noch auf längere Zeit durch Experten aus Industrienationen verursacht in den Regierungen der Entwicklungsländer ein Gefühl des Unbehagens und der Abhängigkeit. Selbst im UN-Strategiedokument ist festgehalten, daß auch technische Hilfe keinesfalls von den Industriestaaten dazu benutzt werden darf, die nationale Souveränität der Empfängerländer zu beeinträchtigen. Um so mehr ist die Absicht der Bundesregierung zu begrüßen, auf Grund der großen Nachfrage und der entwicklungspolitischen Wirkung ein Management-Ausbildungszentrum mit deutschen Partnern zu errichten. Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf einige Themen eingehen, die bereits im Hearing angeschnitten worden sind und dort die Zustimmung durch die Experten der Praxis gefunden haben. Da ist einmal das Problem der Förderung der FreiFrau Lauterbach stellung von Experten nicht nur von öffentlichen, sondern auch von Arbeitgebern der Privatwirtschaft. Mit dem Einsatz in der Entwicklungshilfe sollte gleichzeitig eine entsprechende Betreuung von seiten der Firma erfolgen und für den Zeitpunkt der Rückkehr die Sicherheit des Arbeitsplatzes im Unternehmen gewährleistet sein. Im Zusammenhang mit diesem Problem ist immer wieder das Thema der Weiterbildung angeschnitten worden, das meines Erachtens noch nicht ganz zufriedenstellend gelöst worden ist: die Weiterbildung unserer Experten während eines längerfristigen Einsatzes im Ausland, um ihrerseits beruflich und fachlich immer auf dem laufenden zu sein. Hier scheint mir eine Aufgabe der Bundesregierung zu liegen. Im übrigen kann ich die Regierung nur ermutigen, die inzwischen in dieser Richtung begonnenen Maßnahmen fortzusetzen, und darf gleichzeitig vom Parlament aus an die Wirtschaft und ihre Verbände appellieren, diese Bemühungen der Regierung zu unterstützen und den damit verbundenen beiderseitigen Lernprozeß zu begreifen. Im Zusammenhang - und das ist der letzte Beitrag - mit den in absehbarer Zeit ständig wachsenden Anforderungen unserer Entwicklungshilfe scheint mir die Schaffung der Position eines in unseren Auslandsvertretungen speziell nur mit Entwicklungsaufgaben befaßten Referenten dringend geboten. Eine Fülle eigener Erfahrungen und die Befragung der Experten haben die Tatsache bestätigt, daß das vielseitige Aufgabengebiet der Entwicklungshilfe nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial-, bildungs- und gesellschaftspolitisch gesehen werden und entsprechend intensiv bearbeitet werden muß. ({1}) - Ich bin sofort fertig. - Eine Laufbahn „Entwicklungshilfeattaché" - oder wie immer man ihn nennen mag - neben den Laufbahnen der Wirtschafts-, Kultur-, Sozial- und Militärattachés scheint mir eine Überlegung von seiten der Regierung wert zu sein. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Josten.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Kollegin Lauterbach hat hier insbesondere das Thema Bildungs- und Ausbildungshilfe behandelt. Dazu möchte auch ich von seiten der CDU/CSU-Fraktion Stellung nehmen. Sie sprach zu Beginn von der Präambel des Dokuments der Vereinten Nationen über die internationale Entwicklungsstrategie für das zweite Entwicklungsjahrzehnt. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten einige Sätze daraus vorlesen; denn sie unterstreichen das, was uns gemeinsam als Aufgabe vorgeschrieben ist: An der Schwelle der siebziger Jahre bekennen sich die Regierungen erneut zu den grundlegenden Zielen, die vor 25 Jahren in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt wurden, nämlich Schaffung der Voraussetzungen für Stabilität und Wohlstand in der Welt und Sicherung eines menschenwürdigen Mindestmaßes an Lebensstandard durch Fortschritt und Entwicklung auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Weiter heißt es in der Präambel: Der Lebensstandard ungezählter Millionen Menschen in den Entwicklungsgebieten der Welt ist nach wie vor beklagenswert niedrig. Oft sind diese Menschen immer noch unterernährt, ohne Schulbildung und ohne Arbeit, und viele entbehren die elementarsten Annehmlichkeiten des Lebens. Während eine Minderheit in der Welt in großem Wohlstand, ja, im Überfluß lebt, leidet ein weitaus größerer Teil der Menschheit unter größter Armut, und die Kluft vertieft sich ständig. Das ist ein Thema, auf das ja der Kollege Matthöfer hingewiesen hat. Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß auf dem Gebiet der Bildungs- und Ausbildungshilfe entscheidende Maßnahmen getroffen werden müssen, um wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt überhaupt erreichen zu können. Es gibt heute auf der Welt rund 810 Millionen Analphabeten. Der Bevölkerungszuwachs in den Entwicklungsländern erhöht die Zahl ständig. Nehmen wir als Beispiel Lateinamerika: Man schätzt, daß 45 % der Bevölkerung dieses Erdteils weder lesen noch schreiben können. 75 % aller Kinder dieses Erdteils können ihren Schulunterricht nicht beenden; sie müssen zum Unterhalt ihrer Familie frühzeitig mit beitragen. So sieht die Welt aus, in der wir leben. Darum hat die CDU/CSU-Fraktion auch in ihrer Großen Anfrage u. a. die Bundesregierung gefragt: Welche Konzeption leitet die Bundesregierung bei ihren zukünftigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungs- und Ausbildungshilfe auf Grund der gemachten Erfahrungen? Wir alle begrüßen in der Antwort der Bundesregierung, daß sie der Verbesserung der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Erziehung in Entwicklungsländern hohe Priorität zumißt. Die CDU/CSU begrüßt es auch, daß die Bundesregierung beabsichtigt, ein Grundsatzprogramm der Bildungs und Wissenschaftshilfe aufzustellen, in dem sie ihre Konzeption auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik präzisiert. Wir hoffen, daß auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen auf dem Gebiet der Bildungs- und Ausbildungshilfe ein Grundsatzprogramm aus einem Guß entsteht. Lassen Sie mich nun einige Gedanken zur Bildungshilfe im Rahmen unserer Entwicklungspolitik darlegen! Wir glauben, daß unsere Bildungshilfe von der Alphabetisierung bis zum Bildungsabschluß reichen muß. Die Erfahrungen von Experten und Organisationen unseres Landes, die seit vielen Jahren, sei es in der staatlichen oder privaten Entwicklungshilfe oder den Entwicklungsdiensten, tätig sind, sollen auf diesem Gebiet Berücksichtigung finden. Ich glaube, gerade diese Männer und Frauen haben nicht nur dem Ansehen unseres Volkes genützt, sondern sie haben oft das erste Gesetz der Menschen praktiziert: die Nächstenliebe. Ihre Erfahrungen helfen uns auch zu richtigen Entscheidungen auf dem Gebiet der Bildungs- und Ausbildungshilfe. So müssen wir z. B. überprüfen, wieweit es zu- trifft, wenn Dieter Dankwortt im jetzigen Aprilheft von „Entwicklung und Zusammenarbeit" schreibt: Aus- und Fortbildung an den Hochschulen entspricht nicht den Bedürfnissen. Bleiben die Probleme der Stipendienpolitik in den siebziger Jahren weiter ungelöst? Wird es auch zukünftig an der Zusammenarbeit der Stipendiengeber fehlen, so daß Bundes- und Länderministerien miteinander konkurrieren? Ist es nicht bedauerlich, wenn bei einer dreitägigen Konferenz der Deutschen Stiftung zum Thema „Die Rolle der Stipendienpolitik in den siebziger Jahren im Rahmen der Entwicklungsförderung" die über hundert Fachleute zu dem Ergebnis kommen, daß die Aus- und Fortbildung an den deutschen Hochschulen weder quantitativ noch qualitativ den Bedürfnissen der Entwicklungsländer entspricht? So ist es zu bedauern, daß die Bundesregierung Stipendien aus verschiedenen Töpfen vergibt, aber auf die Durchführung der Aus- und Fortbildungsprogramme an den Hochschulen wenig oder keinen Einfluß hat. Mit Recht weist Dankwortt auf die Tatsache hin, daß hier auf Grund mangelnder Zusatzprogramme für Studierende aus Entwicklungsländern Chancen vertan werden. ) Meine Damen und Herren, unser gemeinsames Bemühen, durch Bildungs- und Ausbildungshilfe die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu schaffen, kennt auch manchen Erfolg. So kann man mit Freude von einem Teilerfolg jahrelanger Berufsbildungshilfe in der Dritten Welt berichten. Die Entwicklung vieler Ausbildungsstätten in den einzelnen Ländern zeigt eine stolze Bilanz. Vielleicht wäre es zweckmäßig, Herr Minister, wenn Sie allen Abgeordneten unseres Hauses einmal eine Zusammenstellung zukommen ließen, aus der zu ersehen ist, wo in der Welt Ausbildungsstätten von uns gefördert werden oder bereits übergeben wurden oder was noch von Ihrem Hause betreut bzw. neu geplant ist. Zur Information und zur Diskussion auch mit unserer Jugend wäre eine solche Zusammenstellung sehr nützlich. Ich kann die Ausführungen des Kollegen Rinsche, der auf das besonders bei unserer Jugend vorhandene Interesse hinwies - das hatten vorher auch schon andere Redner gesagt -, nur unterstreichen. Unsere Jugend ist, gerade was die Entwicklungshilfe und was auch die Frage der Bildungshilfe angeht, sehr interessiert. Ich erwähnte bereits, daß wir die Erfahrungen von Experten und Organisationen unseres Landes, die seit Jahren in der Entwicklungshilfe tätig sind, berücksichtigen sollten. Ich meine, daß auch bei allen zukünftigen Entscheidungen auf dem Gebiet der Berufsbildungshilfe die zwölfjährige Erfahrung der Bundesrepublik berücksichtigt werden muß. So hat sich z. B. in den vergangenen Jahren gezeigt, daß die gewerbliche Berufsbildung am besten dadurch erfolgt, daß theoretische und praktische Ausbildung zu gleicher Zeit durchgeführt werden. Die CDU/CSU-Fraktion teilt auch die Meinung des Ministeriums, daß die Ausbildungsstätten erst dann übergeben werden sollten, wenn sie von unseren Partnern allein weitergeführt werden können, ohne daß dabei ein Leistungsverlust eintritt. Darum wünschen wir auch eine gute Überwachung der Vorhaben in den einzelnen Ländern und eine solide Counterpart-Ausbildung. In diesem Jahr wurde der Neubau der Zentralstelle für gewerbliche Berufsbildung in Mannheim fertiggestellt. Wir haben hier eine Zentralstelle für alle deutschen technischen Lehrkräfte im Ausland und zugleich eine Zentrale für alle Counterparts. Wir alle freuen uns über diesen Fortschritt und sollten nicht verkennen, daß durch die personelle und materielle Hilfe des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1963 die Gründung dieser Zentralstelle möglich wurde. Der Anfang und die damalige Unterbringung im CVJM-Haus in Mannheim waren nicht ideal; aber die Entwicklung bis zum heutigen Tag verdient Anerkennung. Wie bedeutungsvoll für die Entwicklung einer Schule oder Ausbildungsstätte die personelle Entscheidung über die Leitung ist, sehen wir an dieser Zentralstelle. Auch Sie, Herr Minister, haben bei der Eröffnung darauf hingewiesen. Der jetzige Oberstudiendirektor, Diplomingenieur Stützle, den ich 1958 in Bangkok kennengelernt habe, ist beispielsweise ein Mann, der wegen der Erfahrungen, die er bei seiner Tätigkeit im Ausland gesammelt hat, an der richtigen Stelle sitzt. Wir alle wissen, daß für alle unsere Projekte gerade die personelle Frage eine große Rolle spielt. Hier haben wir ein gutes Beispiel. Meine Damen und Herren, im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit sind wir in vielen Fragen einer Meinung, auch was die Bedeutung der Fortbildung von Fachkräften aus Ländern der Dritten Welt zu technischen Lehrern betrifft. Wir wissen, daß gerade in den Entwicklungsländern ein großer Bedarf an Handwerkern und Industriefacharbeitern besteht. Das, was heute schon erwähnt wurde, trifft zu, nämlich daß gerade das Problem der Arbeitslosigkeit in diesen Ländern überhaupt nur annähernd gemeistert werden kann, wenn es gelingt, breiten Bevölkerungsschichten durch Berufsbildung die Grundlage zur Berufsausübung zu geben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie, Herr Minister Eppler, auch noch einmal auf das Problem hinweisen, welches wir im Rahmen der Haushaltsberatungen in unserem Ausschuß schon im vergangenen Jahr angeschnitten hatten. Es geht beispielsweise darum, daß wir ausgebildeten Handwerkern, die sich in ihren Heimatländern selbständig machen wollen, helfen sollten. Sie haben im Rahmen der Großen Anfrage bei der Beantwortung einer Frage von der SPD/FDP auch schon darauf hingewiesen. Es dürfte zweckmäßig sein, wenn wir im Ausschuß mit Ihnen und den Vertretern Ihres Hauses über dieses Thema einmal eingehend sprechen. Es würde den Rahmen der heutigen Debatte sprengen. Wir sind sicherlich alle der Meinung, daß es notwendig ist, gerade in den Entwicklungsländern dazu beizutragen, daß für die Fachleute, die bei uns ihre Ausbildung bekommen haben, auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß sie sich schließlich selbständig machen können. Meine Damen und Herren, ich möchte sagen, die CDU/CSU sieht wie die Regierung die gesamte Entwicklungspolitik als eine Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Hilfe beginnt bei den Bürgern unseres Volkes, die persönliches Wissen weitergeben. Ich möchte heute auch erwähnen, es gibt Hunderttausende, welche Bildungshilfe aus ideeller Gesinnung in Fabriken und Schulen, oder wo immer sie ihre Arbeisplätze haben, leisten, die auch mit ausländischen Arbeitnehmern zusammenarbeiten und die dort ihr Wissen weitergeben. Ich glaube, diesen Mitbürgern sollten wir danken, denn diese Mitbürger tragen zum Ansehen unseres Volkes bei, und sie helfen auch, Spannungen in dieser Welt abzubauen. Meine Damen und Herren, in der Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage bezüglich Bildungs- und Ausbildungshilfe wird darauf hingewiesen, daß auch die Arbeit der deutschen kulturellen Einrichtungen in den Entwicklungsländern in wachsendem Maße die spezifischen Bildungsziele der Entwicklungsländer berücksichtige. Hierzu könnte man viel sagen. Die Zeit reicht jetzt nicht aus, und ich erwähnte schon, ich möchte unsere Ausschuß-arbeit nicht im Plenum erledigen. Aber doch noch ein Hinweis: Wir erhielten vor kurzem - es war in der letzten Woche - den Bericht der Kommission für die Reform des auswärtigen Dienstes. Dieser Bericht, welchen eine Kommission erarbeitet hat, die im Herbst 1968 ihre Arbeit aufnahm, ist lesenswert. Es betrifft nicht nur die Fragen der Aufgaben des auswärtigen Dienstes auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik. Dieser Bericht zeigt deutlich, wie wichtig eine Koordinierung entwicklungspolitischer Fragen auf dem Gebiet der Bildungshilfe und der auswärtigen Kulturpolitik ist. Bei den Auslandsvertretungen wurde unsere Bildungshilfe eine Aufgabe der Kulturreferenten. Frau Lauterbach schnitt das vorhin auch schon an. Wir brauchen hier eine personelle Verstärkung, denn viele Vertretungen sind personell nicht so besetzt, daß jetzt im Rahmen der zweiten Entwicklungsdekade die Bildungs- und Ausbildungshilfe entsprechend unterstützt bzw. überwacht werden kann. Hier muß also eine Uberprüfung und eine personelle Verbesserung erfolgen. Sie liegt in unser aller Interesse. Darüber hinaus ist es sicher wichtig, daß die Ausbildung im auswärtigen Dienst in Zukunft auch alle Fragen unserer vielschichtigen Bildungshilfe umfaßt. Wo immer wir durch Bildungs- und Ausbildungshilfe zu wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt beitragen, muß auch der einzelne erkennen, daß ohne persönlichen Fleiß kein Erfolg zu erreichen ist. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich daher zum Schluß sagen, ich glaube, hier trifft ein chinesischer Spruch zu: Lernen ist wie Rudern gegen den Strom: sobald man aufhört, treibt man zurück. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war an sich nicht meine Absicht, noch in die Debatte einzutreten, da aber bisher einige Argumente, die Herr Kollege Roser vorgetragen hat, nicht aufgegriffen wurden, meine ich, ihm doch noch einiges zu bedenken geben zu sollen. Ich will das nicht kontrovers machen, etwa mit der von ihm befürchteten Folge, daß wir dann auch in diesem Ausschuß zur harten Kontroverse kommen, sondern ich will einfach nur darstellen, weil mir das notwendig erscheint. Herr Roser erwähnte z. B. die geringe Zahl der Entwicklungshelfer im DED und stellte ihnen die 40 000 - er nannte sogar die Zahl 48 000 - aus den Listen gegenüber, wie sie in Frankreich zur Diskussion stehen. Ich meine, dazu muß man wissen und hier deutlich machen, daß es sich dort um Lehrer handelt, die in früheren Kolonialländern dazu beitragen, daß die dort zum Teil als Amtssprache geltende französische Sprache auch weiterhin gesprochen wird. Hier kann man nicht von Entwicklungshelfern im üblichen Sinne reden. Wenn man einen Vergleich mit den Zahlen anderer Länder hinsichtlich der personellen Hilfe anstellt, muß man auch die Mitarbeiter zählen, die meinetwegen durch Leistungen der Kirchen oder durch andere zusätzliche Einrichtungen, wie sie unter „Lernen und helfen in Übersee" zusammengefaßt sind, getragen werden. Möglicherweise trägt Herr Roser dazu bei, daß die Zahl unserer Entwicklungshelfer noch kleiner wird, nämlich indem er sich meinetwegen an dem Ausdruck „friedlicher Revolutionär" stößt. Was soll denn jungen Menschen, einen jungen Mann, eine junge Frau, ein junges Mädchen, beeinflussen, sich als Entwicklungshelfer zu melden, wenn es nicht die Überzeugung ist, daß ihr Einsatz ein anderer Weg der Friedenssicherung ist, daß ein solcher Einsatz der sozialen Gerechtigkeit und der Verbesserung der Chancengleichheit zwischen den Ländern in Nord und Süd dient, aber auch der Überwindung der sozialen Unterschiede und der mangelnden Chancengleichheit innerhalb der Länder, in denen man tätig ist! So verstehen sich doch die jungen Menschen, die sich bewerben. Wenn man ihnen da eine Bremse vorsetzt, sich als solche zu empfinden, die etwas verändern wollen - wir brauchen uns nicht über das Wort zu streiten -, dann verhindert man auch ihren Einsatz; so meine ich jedenfalls. ({0}) Es ist Aufgabe der Ausbildungsstätten, dann darauf hinzuwirken, daß die Helfer wissen, wie sie sich als Gast in einem Entwicklungsland zu verhalten haben, um das Gastrecht nicht zu mißbrauchen. Das ist selbstverständlich. Insofern könnte ich mit Ihnen einer Meinung sein. Ich glaube, die Frage der Sicherheit der Entwicklungshelfer, die Herr Kollege Roser ebenfalls angesprochen hat, ist der Diskussion wert, man muß sie überprüfen. Aber, wir können auch feststellen, daß wir in der Vergangenheit glücklicherweise nicht Anlaß hatten, über viele Fälle zu klagen. Es ist an sich im allgemeinen da, wo die Entwicklungshelfer vorher rechtzeitig und gut belehrt wurden, auch nichts passiert.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roser?

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Collet, sind Sie nicht - gerade im Blick auf die pädagogischen Absichten, die Sie angesprochen haben - der Meinung, daß es hilfreich wäre, wenn man sich im Umgang mit jungen Leuten einer klaren, unmißverständlichen und nicht falsch interpretierbaren Diktion bediente? Was halten Sie eigentlich von folgendem Beispiel? Ich zitiere die Wächtersbacher Erklärung: „Es gibt keinen wirklichen Fortschritt, solange die gegenwärtigen Herrschaftsformen in den Ländern der Dritten Welt bestehen." Können solche Aussagen nicht durch eine mißverständliche, falsch interpretierbare Aussage wie die vom „friedlichen Revolutionär" unterstützt werden?

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob es sich um die Erklärung handelt, die zu verändern ich selber im Rahmen des DED mich bemüht habe, wofür ich leider keine Mehrheit finden konnte. Ich weiß es jetzt nicht. Ich kann also nicht konkret antworten. Ich bin aber mit Ihnen einer Meinung, wenn es darum geht, daß man das eine in der Grundtendenz billigt und billigen muß - denn sonst bewegt man nichts in dieser Welt, auch keine jungen Menschen - und daß man andererseits die Aufgabe hat, in der Vorbereitungszeit - um es noch einmal zu sagen - deutlich zu machen, daß man Gast in einem Land ist und wie man sich dort entsprechend den Verhältnissen zu verhalten hat. ({0}) - Ich bin bei meiner Schlußbemerkung. Ich hatte versprochen, nur dreieinhalb Minuten zu sprechen. Sie zwingen mich, länger zu reden. Bitte schön!

Hans Roser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001884, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie beurteilen Sie dann die möglichen internationalen Auswirkungen einer solchen Rede vom „Revolutionär"?

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich meine einfach - das ist vorhin schon vom Herrn Minister selbst gesagt worden -: man muß dann den ganzen Satz lesen. Was heißt es denn, wenn man vom „friedlichen Revolutionär" spricht? Ich habe das nicht deswegen erwähnt, weil ich mich mit Ihnen isoliert über diese Frage auseinandersetzen wollte, sondern weil ich den Zusammenhang zwischen Ihrer Kritik an den fehlenden Zahlen auf der einen Seite und dem Punkt, den ich jetzt angesprochen habe, herstellen wollte. Ich meine einfach, junge Menschen, die sich irgendwo freiwillig melden und engagieren, haben das Streben, in dieser Welt einen verbessernden und verändernden Beitrag zu leisten. Da sollte man sich doch nicht an Worten festbeißen. Ich wollte mich im Grundsatz nicht über ein Wort streiten, sondern deutlich machen, daß ich auch das Wort „friedlicher Revolutionär", wenn man es nicht aus einem Zusammenhang herausnimmt, aus meiner Sicht billigen kann und will. Nun noch zur Frage der Sicherheit, bei der ich schon war, als Sie sich zu Wort meldeten. Da hatte ich zu dem ersten Teil gesagt, daß die Dinge bisher glücklicherweise recht gut gelaufen sind. Auf der anderen Seite meine ich, daß das - ich will an Ihnen nicht nur Kritik üben -, was Sie hier als Diskussionsbeitrag gebracht haben, sicherlich einer Diskussion im Ausschuß und einer Überprüfung im Hin blick auf die Sicherheit wert ist. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Wulff.

Prof. Dr. Otto Wulff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, gestatten Sie mir zunächst eine kleine Vorbemerkung zu Ihrem Hinweis, die CDU/CSU habe einer Erhöhung der Entwicklungshilfe nicht zugestimmt, im Gegenteil, sie sei für eine Herabsetzung eingetreten im Hinblick auf die 81 Millionen DM im Rahmen der IDA, die Sie erwähnt haben. Herr Minister, Sie wissen genauso gut wie ich, daß es sich einfach um ein technisches Problem gehandelt hat. Es ging darum, daß diese Zahlungen in vier Raten erfolgen sollten und daß Sie die Zahlungen in drei Raten zusammengefaßt haben. Die IDA hatte aber die zwei Raten vorweg nicht nötig. Im Grunde genommen war es ein Rechenfehler Ihres Herrn Staatssekretärs, der hier nicht zugegeben werden sollte. Dafür werfen Sie uns vor, wir seien gegen eine Erhöhung der Entwicklungshilfe gewesen. Ich muß sagen, Sie als ein Mann von Courtoisie hätten sich ein wenig vorsichtiger ausdrücken sollen. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat u. a. in ihrer Großen Anfrage in ganz besonderem Maße auf die Bedeutung der Privatinvestitionen in den Entwicklungsländern und auf die Verschuldung der Entwicklungsländer hinweisen wollen. Wir glauben uns zu diesen speziellen Fragen um so mehr aufgefordert, als die Privatinvestitionen 1970, Herr Minister, in der Tat zurückgegangen sind. Sie meinen die privaten Direktinvestitionen. Das ist etwas anderes. Ich spreche von den gesamten Privatinvestitionen, die in der Tat um 3,5 Milliarden DM gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind. Ich gebe Ihnen zu, mit den direkten Privatinvestitionen haben Sie recht. Aber insgesamt gesehen sind die Privatinvestitionen zurückgegangen. Das ist bedauerlich, bedauerlich einmal im Hinblick auf die berechtigten Forderungen der Entwicklungsländer, bedauerlich aber auch für unsere eigene Wirtschaft und Industrie und ganz bedauerlich deshalb, weil gerade Sie in Ihrer Regierung häufig erklärt haben, daß Sie beispielsweise den Pearson-Bericht als eine gute Grundlage Ihrer Entwicklungspolitik akzeptierten. Gerade der Pearson-Bericht fordert aber diese private Entwicklungshilfe in sehr starkem Maße. Daß jetzt ein Rückgang zu verzeichnen ist, bringt auch Schaden für unser internationales Ansehen und Schaden für unsere industrielle Entwicklung, weil, wie es Herr Kienbaum beispielsweise erwähnt hat, die Entwicklungsländer unsere Märkte und unsere Handelspartner von morgen sind. Es ist erfreulich, daß die Bundesregierung - wie es in ihrer Antwort heißt - den privaten Kapitaltransfer wie auch die privaten Direktinvestitionen begrüßt und unterstützen will. Doch hätte es uns wesentlich mehr interessiert, Herr Minister, wie denn diese Unterstützung im einzelnen aussehen soll. Die Bundesregierung „anerkennt" in ihrer Aussage, sie „begrüßt", sie will „lenken und fördern". Bei diesen Aussagen bleibt es. Nichts Konkretes! Wie will man denn, so frage ich Sie, eine Erhöhung konkret herbeiführen? Sieht Ihre entwicklungspolitische Konzeption so aus, daß es nur um Anerkennen, Begrüßen, Lenken und Fördern geht? Meine Damen und Herren, es geht einzig und allein darum, daß uns diese konkreten Maßnahmen geschildert werden, die den Wunsch nach verstärkten Privatinvestitionen wecken, die durch Vereinbarung mit den Entwicklungsländern auch auf die Dauer gefördert und aufrechterhalten werden können. Ich habe den Eindruck, daß der Schatten des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei der Formulierung der Antwort einiges kompetenzmäßig verdunkelt hat, daß der Herr Minister Eppler nicht sagen kann, was er nicht sagen darf. Und, verehrter Herr Kollege Rosenthal, das, was Sie eben hinsichtlich des beglückenden Zusammenspiels gesagt haben, das sich neuerdings in der Bundesregierung vollziehe, das nehme ich Ihnen nicht ab. ({0}) Ich gestehe Ihnen zu, Herr Minister, daß bei den mehr als komplizierten Zusammenhängen in der Entwicklungspolitik, gerade was die Privatinvestitionen anlangt, eine gewisse Askese in der Regierungsaussage angebracht sein kann. Aber etwas mehr hatten wir heute in der Tat erwartet, obwohl ich eingestehe, daß konkrete Maßnahmen, die man nun anzeigen soll und anzeigen will, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Investitionstätigkeit in der Wirtschaft und unter Berücksichtigung der in der Tat schweren Malaise in der Wirtschaftspolitik allgemein mehr als schwierig sind und daß man diese konkreten Maßnahmen so nicht aufzeigen kann, weil die Voraussetzungen durch die Wirtschaftspolitik, durch die Arbeit des Herrn Bundeswirtschaftsministers, nicht gegeben sind. ({1}) Wer nun gedacht hatte, daß beispielsweise durch angemessene zusätzliche Verbesserung des Entwicklungshilfesteuergesetzes eine Erhöhung der Privatinvestitionen hätte erreicht werden können, sieht sich durch die Antwort der Bundesregierung ebenfalls enttäuscht. Lapidar heißt es da: Das Entwicklungshilfesteuergesetz ist bis zum 31. Dezember 1972 befristet. Die Bundesregierung plant bis dahin - man höre genau zu! keine weiteren Änderungen dieses Gesetzes. Verehrter Herr Minister, diese Ihre Antwort zeigt, wie konfus die Entwicklungspolitik in Ihrem Ministerium mittlerweile geworden ist. Haben Sie eigentlich Ihre Antwort mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt? Wie kann es geschehen, daß Sie Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage am 31. März 1971 dem Bundestag zuleiten, das Kabinett aber bereits am 16. Dezember 1970, also vor 31/2 Monaten, Einschränkungen beim Entwicklungshilfesteuergesetz verabschiedet hat, wonach Bewertungsabschlag und steuerfreie Rücklage nicht mehr zu Verlusten führen, sondern sich nur noch bis zu null DM auswirken dürfen, und daß diese Vorschriften auch noch rückwirkend Anwendung finden sollen? Das bedeutet, daß sich in bezug auf das Entwicklungshilfesteuergesetz keine Verbesserungen, sondern im Gegenteil Verschlechterungen ergeben. ({2}) Und das ist das, was Sie uns in Ihrer Antwort nicht gesagt haben! Ich halte es, nebenbei gesagt, für einen nicht ganz fairen Stil gegenüber der Opposition, wenn man sie mit einer solchen lapidaren, ja geradezu arroganten Antwort abspeist. ({3}) An dieser Stelle scheint mir aber noch eine persönliche Bemerkung angebracht zu sein. Abgesehen von dem Vorgehen der Bundesregierung sollte unsere Privatwirtschaft erkennen, daß Entwicklungshilfe nicht ausschließlich eine Aufgabe der großen Konzerne ist, daß vielmehr auch die Unternehmen mittlerer und kleinerer Größenordnung eine Aufgabe haben, den Menschen in der Dritten Welt durch ihre wirtschaftliche Betätigung zu helfen. Ich meine, daß es auf die Dauer unvorstellbar ist, daß sich die Menschen in der Dritten Welt mit dem Sozialgefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsstaaten zufrieden geben. Die furchterregende, ja zutiefst erschütternde Tatsache, daß alle sieben Sekunden in dieser Welt ein Mensch verhungert, daß eine Unzahl von Menschen sich mit ihrer Arbeit nur ein menschenunwürdiges Existenzminimum sichern kann, sollte auch unsere Wirtschaft veranlassen, ihre soziale Aufgabe zu erkennen. Gewiß, Gewinn und Rentabilität sind Begriffe, die für den Unternehmer in der Tat eine Rolle spielen müssen und ohne die auf die Dauer gesehen keine sinnvolle Entwicklungshilfe durch Privatinvestitionen geleistet werden kann. Aber es gibt auch Abstufungen im Gewinn und in der Rentabilität, wenn damit gleichzeitig eine soziale Verbesserung der Menschen herbeigeführt und zum Frieden in der Welt beigetragen werden kann. Ich bin der Meiung, daß die soziale Verantwortung privater Investoren gerade in der Gesellschaftsordnung eines freien Unternehmertums nicht an zufällig gezogenen Staatsgrenzen haltmachen darf. Darauf sollte die Regierung verstärkt hinweisen. Meine Damen und Herren, es stünde unserer Wirtschaft - auch zur besseren Selbstdarstellung - gut an, im Hinblick auf Investitionen in den Entwicklungsländern einmal an Hand von Unterlagen nachzuweisen, welche sozialen und menschlichen Verbesserungen auch und gerade durch ihre wirtschaftliche Betätigung in den Ländern der Dritten Welt entstanden sind. Verehrter Herr Matthöfer, Sie werden mir zugestehen müssen, daß in der Tat auch durch solche Betätigungen Wesentliches für das soziale Gefüge in den Entwicklungsländern geleistet werden kann. Ich muß Ihnen zugestehen, daß Sie bei einer Reihe Ihrer Aussagen bedauerlicherweise Recht haben. Nur möchte ich davor warnen, alles so zu verallgemeinern, wie Sie es getan haben. Zumindest möchte ich aber vor einem warnen: wenn es dem Herrn Minister Eppler darum geht und ich stimme ihm darin voll zu - , daß unsere Entwicklungshilfe darauf gerichtet sein muß, dem anderen, d. h. den Menschen in den Entwicklungsländern zu helfen, sich zurechtzufinden, ihnen beim Finden ihrer eigenen Möglichkeiten behilflich zu sein, dann sollten wir uns davor hüten, ihnen gewissermaßen wie ein Phönix aus der Asche Strukturverbesserungen oder Gesellschaftsformen vorzuschlagen, die sie nicht wollen. Davor möchte ich ausdrücklich warnen. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir sprechen doch alle von der Notwendigkeit der Konzentration der Entwicklungshilfe. Sind Sie dann nicht mit mir der Meinung, daß wir uns auf diejenigen Länder konzentrieren sollten, in denen solche Reformen, wie wir sie beide wünschen, durchgeführt werden?

Prof. Dr. Otto Wulff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Matthöfer, ich bin der Meinung, daß alle, die Entwicklungshilfe nötig haben, von uns in irgendeiner Art und Weise unterstützt werden sollten. Ich muß Ihnen ganz offen sagen, für mich sind die politischen Gegebenheiten in einem Entwicklungsland kein Grund dafür, ob ich Entwicklungshilfe leiste oder nicht, sondern jedem, dem es zusteht, haben wir, soweit es uns möglich ist, zu helfen. Was nun die Verschuldung der Entwicklungsländer anbetrifft, so ergibt sich in der Tat in einer Reihe von Fällen Anlaß zu großer Sorge. Die verstärkte und zuweilen übermäßige Verschuldung bestimmter Entwicklungsländer ist zum Teil auf planloses Vorgehen der verschiedenen Geberländer zurückzuführen, indem oft das eine Land nicht von dem anderen wußte, was es an Entwicklungshilfe leistete. Aber noch viele andere Gründe spielen eine Rolle, auf die ich infolge der Kürze der Zeit einfach nicht eingehen kann. Wesentlich ist jetzt nur die Frage: Wie können wir auf die Dauer die Entwicklungsländer vor einer Überschuldung bewahren? Wir stimmen mit der Bundesregierung darin überein, daß ein Frühwarnsystem, daß es ermöglicht, eine Verschuldung rechtzeitig zu erkennen, auch eine Möglichkeit bietet, Schaden frühzeitig abzuwenden. Aber, Herr Minister, wir hätten bei dieser Gelegenheit gern einmal gewußt, wie denn ein solches Frühwarnsystem aussehen soll. Das heißt, wo soll es geführt werden? Wer soll melden, die Öffentlichen oder nur die Privaten oder beide zusammen? Wird ein solches Frühwarnsystem eventuell auch mit den Ostblockstaaten abgesprochen, die doch zumindest in diesem Falle auch eine Rolle spielen sollten? Hier spricht man nur von einem Frühwarnsystem, aber die Regierung sollte sich doch zumindest einige Gedanken darüber machen, wie ein solches Frühwarnsystem funktionieren soll, und uns einmal erläutern, wie sie sich das vorstellt. Man starrt auf der anderen Seite so sehr auf die Untersuchungen bei der Weltbank und wartet, was sie unter Umständen demnächst an Plänen gegen eine Überschuldung anzubieten hat. Herr Minister, wir waren mit einer Reihe Kollegen aus diesem Haus vor einiger Zeit in Washington. Dort wurde uns erklärt, daß beispielsweise die Verschuldung der Entwicklungsländer sich alle fünf Jahre verdoppelt. Ich kann Ihnen sagen, das, was man uns -jedenfalls zu der Zeit, im Oktober -- zur Lösung anzubieten hatte, war nicht gerade beglückend. Ich frage mich: muß eine Bundesregierung so lange warten, bis die Weltbank vielleicht akzeptable Vorschläge bietet? Hat sie nicht die Verpflichtung, selber einmal auf diese Dinge hinzuweisen und sich zu überlegen, wie die Lösungen aussehen sollten? Ich meine, hier wäre eine eigene Untersuchung angebracht, wobei ich mir vorstelle, daß vielleicht die Lösungsvorschläge der Weltbank im Hinblick auf viele Industriestaaten sehr differenziert sein könnten und uns vielleicht nicht gerade die Möglichkeit für eine echte Lösung bieten. Noch etwas hat die Bundesregierung verabsäumt hier zu sagen. Man sagt zwar, wie es auch Herr Kienbaum hervorgehoben hat, daß man der Verschuldung u. a. begegnen könne durch Exportförderung, Tourismus, Gewerbeförderung oder durch Kapitalhilfe für besonders rentable Projekte. Da stimme ich mit Ihnen überein. Völlig d'accord! Nur eines Herr Minister: Vor einigen Tagen - das möchte ich zum Schluß meiner Ausführungen sagen , und zwar unter dem 25. April 1971, habe ich in der „Neuen Zürcher Zeitung" einen sehr bemerkenswerten Artikel gelesen, der auf ein Problem hinweist, das Sie uns in Ihrer Antwort schuldig geblieben sind und worauf zumindest der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rosenthal hätte eingehen können. Verehrter Herr Rosenthal, Sie wissen, daß die Zollpräferenzen in Ihrem Ministerium kompetenzmäßig beheimatet sind. Aber diese Zollpräferenzen spielen im Rahmen der Entwicklungspolitik eine Rolle. Durfte vielleicht Herr Minister Eppler dazu nichts sagen? Entscheidet darüber nur Herr Minister Schiller? Ich zitiere einen sehr wesentlichen Satz aus der „Neuen Zürcher Zeitung": Die internationale Verschuldung vieler Entwicklungsländer hat Ausmaße angenommen, die eine undifferenzierte Fortführung bloßer Finanzhilfen für beide Seiten als problematisch erscheinen lassen. Eine finanzielle Entlastung der Dritten Welt scheint eine beschleunigte Steigerung ihrer Exporterlöse zur Voraussetzung zu haben. Mißt man dem handelspolitischen Liberalismus nach klassischer Doktrin eine wohlstandsfördernde Wirkung zu, so wird man im Präferenzsystem einen - wenn auch nicht unproblematischen Schritt in der guten Richtung sehen. Herr Minister Eppler, wo sind Ihre Vorschläge - was Herr Brück ja leicht angeschnitten hat - zu den Steuerpräferenzen? Wir sprechen über Entwicklungshilfe. Dann müssen Sie ungeachtet der Kompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums hier an dieser Stelle darauf eingehen. Es sind viele Fragen offengeblieben. Dieser Debatte lag die Absicht zugrunde, die Öffentlichkeit für die Entwicklungspolitik zu engagieren, und wir hatten uns aus den Antworten der Bundesregierung ein solches verstärktes Engagement erhofft. Hier hat sich eine große Chance geboten, Nur, verehrter Herr Minister Eppler, ist die Chance für heute vertan. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht darüber nachdenken, ob und durch wen heute eine Chance vergeben worden ist. Darüber müssen wir vielleicht alle miteinander später noch einmal nachdenken. Ich will nur auf wenige Punkte der Ausführungen des Herrn Kollegen Wulff eingehen. Erstens die Zollpräferenz. Darüber steht etwas in unserem Kabinettsbeschluß. Was heute der Herr Kollege Rosenthal vorgetragen hat, ist mit mir abgestimmt. Da gibt es also keine Differenzen innerhalb der Bundesregierung. Zweitens. Herr Kollege Wulff, ich glaube Ihnen ja, daß Sie überzeugt sind, daß die 81 Millionen DM seinerzeit keine materielle Kürzung waren. Vielleicht glauben Sie mir, warum ich überzeugt bin, daß es eine war. Wir haben insgesamt 856 Millionen DM für die IDA-Aufstockung zugesagt. Die kann man in drei oder in vier Jahren in den Haushalt einstellen. Wenn man sie in vier Jahren einstellt, macht das pro Jahr 81 Millionen DM weniger, als wenn man sie in drei Jahren einstellt. Die Schwierigkeit besteht nur darin, daß wir dann noch im Jahre 1974 eine hohe IDA-Tranche haben werden. Jeder von uns, der den Haushalt kennt, weiß, daß die Abflüsse in der Kapitalhilfe im Augenblick noch relativ gering sind, weil die Verpflichtungsermächtigungen Mitte der 60er Jahre gering waren, daß sie aber 1974 sehr hoch sein werden, weil in den letzten Jahren die Verpflichtungsermächtigungen gestiegen sind. Wenn wir also das auf vier Jahre verteilten, so wie das Ihr Antrag vorsah, würden wir im .Jahre 1974 bei den bisherigen Plafonds mit unserer Entwicklungshilfe in Schwierigkeiten geraten. Dann würde man sagen: Damals habt ihr 81 Millionen DM nicht ausgegeben, und jetzt fehlen sie da. Deshalb ist das für uns faktisch eine Kürzung gewesen. Das hat auch der Herr Kollege Esters Ihnen seinerzeit klarzumachen versucht. Offenbar ist das aber allen miteinander bislang noch nicht gelungen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Werner?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Bitte.

Rudolf Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, mit welchem absoluten Betrag für die Gesamtentwicklungshilfe im Haushalt 1974 rechnen Sie?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Sie kennen ja die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung. Die sind bislang gültig, und wir sind von diesen Zahlen ausgegangen. Wir haben uns dann vorgestellt, daß eine weitere IDA-Tranche - zu der vielleicht schon eine für die nächste IDA-Aufstockung kommen würde, denn die nächste ist ja dann fällig - mit den dann fälligen Abflüssen nicht in Einklang zu bringen sei. Drittens. Herr Kollege Wulff, wir haben offenbar aneinander vorbeigeredet. Ich verstehe unter Privatinvestitionen Direktinvestitionen und habe das auch gesagt. Das, was sonst an privatem Kapitaltransfer vor sich geht, sind keine Investitionen, es sei denn Portfolio-Investitionen. Aber sehr häufig sind es Exportkredite oder Anleihen der Weltbank auf unserem Kapitalmarkt. Das ist Kapitaltransfer und nicht private Investition. Deshalb haben wir offenbar aneinander vorbeigeredet. Viertens. Maßnahmen zur Förderung von Privatinvestitionen. Jeder von Ihnen weiß doch, was getan wird. Es gibt die Kapitalanlagegarantien, es gibt das Entwicklungshilfe-Steuergesetz, es gibt die Deutsche Entwicklungshilfegesellschaft, und es gibt ERP-Mittel. Ich glaube nicht, daß man darauf noch im einzelnen eingehen muß. Nur bin ich bei dem, was Sie, Herr Kollege Wulff, hier über das Entwicklungshilfe-Steuergesetz gesagt haben, ganz sicher, daß Sie es so nicht gemeint haben. Was wir am 16. Dezember beschlossen haben, war die Abstellung eines eklatanten Mißbrauchs dieses Gesetzes, nämlich daß man durch den sogenannten Verlustvortrag schließlich mehr von der Steuer absetzen konnte, als man überhaupt investiert hat. Deshalb waren ja auch die grotesken Annoncen in der Zeitung, die Sie so sehr geärgert haben wie uns. Ich bin ganz sicher, wenn wir uns darüber exakt unterhalten, werden Sie der erste sein, der sagen wird: Selbstverständlich war die Abstellung dieses Mißbrauchs nötig, schon deshalb, weil sonst das ganze Gesetz in Mißkredit gerät. Was jedoch die Zukunft angeht, Herr Kollege Wulff, schlage ich vor, daß wir uns, und zwar gern auf der Basis Ihres Programms, einmal überlegen sollten, was denn nun nach dem 31. Dezember 1972 mit dem Entwicklungshilfe-Steuergesetz geschehen soll. Daß es nicht so weitergehen kann, daß überwiegend Investitionen gefordert werden, die ohne6798 hin auch ohne dieses Gesetz in bestimmten Gebieten getätigt worden wären, wird sich, wenn Sie Ihr Programm ernst nehmen, sehr rasch ergehen. Dann kommen wir vielleicht gemeinsam zu einer konstruktiven Lösung. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat heute die Schützenhilfe des Herrn Bundeskanzlers erhalten, der in sehr wohlgesetzten Worten zur Entwicklungspolitik gesprochen und Aussagen in diesem Hause gemacht hat, denen niemand widersprechen kann. Aber ich meine, Sinn der Debatte ist, nicht wohlgesetzte Erklärungen entgegenzunehmen, sondern kritisch zu analysieren, inwieweit die wohlgesetzten Absichtserklärungen dieser Regierung mit den Realitäten übereinstimmen. Deshalb kann ich nicht verstehen, Herr Bundesminister, daß Sie während Ihrer ersten Ausführungen etwas ungehalten auf die bohrenden Fragen geantwortet haben, die wir stellen mußten. Wegen der vorgerückten Stunde möchte ich jetzt auf ein Thema zu sprechen kommen, das deshalb von so großer Bedeutung ist, weil es möglicherweise exemplarisch ist für die weitere Entwicklung unserer Beziehungen zur Dritten Welt und weil diese Angelegenheit in der deutschen Öffentlichkeit mit Recht Aufsehen erregt hat. Ich meine die Angelegenheit Chile. Diese Angelegenheit spielt deshalb in der deutschen Öffentlichkeit mit Recht eine so große Rolle, weil seit Generationen das deutsche und das chilenische Volk in engster Freundschaft verbunden gewesen sind und weil diese Freundschaft unbeschadet der jeweiligen politischen Regime bestanden hat. Nun hat die Bundesregierung eine Erklärung abgegeben, wie sie sich im Fall Chile zu verhalten gedenkt. Ich billige diese Erklärung im Prinzip, und Sie wissen, Herr Bundesminister, daß sich die Vorschläge der Regierung mit einem Telex decken, das ich mir erlaubt habe, aus Chile dein Herrn Bundesaußenminister zu übersenden. Wir sollten alles vermeiden, um die Lage zu verschärfen. Ich weise deshalb - ich muß sagen: mit Entrüstung und Empörung - die Unterstellung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" zurück, wir oder gar ich hätten den Präsidenten des chilenischen Volkes, der aus freien Wahlen hervorgegangen ist, mit Herrn Sekou Touré in Verbindung gebracht. ({0}) Aber wir müssen das Thema leider etwas vertiefen. Die chilenische Regierung hat nach ihrem Amtsantritt drei Emissäre hierher geschickt. Interessanterweise hat uns die Regierung nie konsultiert. Die Chilenen hatten aber einen Emissär geschickt, der uns besuchen sollte, der dann auf der Reise leider erkrankt ist. Interessanterweise hat die chilenische Regierung daran sehen Sie, daß die Herren über die Verhältnisse in Deutschland sehr genau informiert sind - ihre Emissäre zu Herrn Bahr und zu dem Herrn Bundeskanzler geschickt. Daraus ist zu entnehmen, daß man außerhalb unserer Grenzen ganz genau weiß, wo in Deutschland Außenpolitik gemacht wird. Was haben die Herren Emissäre ausweislich der Protokolle des chilenischen Senatsausschusses für auswärtige Politik nun erklärt? Sie haben erklärt, die Bundesregierung habe ihnen versichert, sie habe grundsätzlich keine Bedenken gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen; sic bitte nur um einen gewissen Aufschub wegen der schwebenden Verhandlungen. Insofern stehen diese Äußerungen im Gegensatz zu dem, Herr Eppler, was Sie heute morgen gesagt haben: Sie hätten den Chilenen energisch gesagt, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im gegenwärtigen Zeitpunkt Folgen hätte. Meine Damen und Herren, damit ist die Affäre aber noch nicht abgeschlossen. Der turning point war der Besuch des Herrn Sohn in Chile. Herr Sohn hatte noch einmal Gelegenheit, den Chilenen deutlich zu machen, daß sich die übertriebenen Erwartungen dieser Regierung, mit der DDR zu einem Arrangement zu kommen, nicht erfüllt haben. Die Chilenen wären ganz sicher bereit gewesen, weiter abzuwarten, denn - ich habe in einem Zwischenruf schon einmal darauf hingewiesen eine Industrienation aus Asien hat es erreicht, daß Chile keine diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea aufgenommen hat. Meine Damen und Herren, ein anderes Vorkommnis hat auch noch eine psychologische Auswirkung gehabt. Herr Sohn war als Staatssekretär und nicht als sozialdemokratischer Parteivertreter in Santiago de Chile. Er hat am zweiten Tage seines Besuches an einem Parteitag der leninistisch-marxistisch-sozialistischen Partei teilgenommen und sich dort gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern aus der DDR begrüßen lassen. ({1}) Meine Damen und Herren, daß dadurch natürlich der Eindruck entsteht, man könne so verfahren, wie man es dann getan hat, ist verständlich. Im Senatsausschuß in Chile ist die chilenische Regierung dreimal gefragt worden: Hat diese Anerkennungspolitik Auswirkungen auf das Verhältnis zur Bundesrepublik? Die chilenische Regierung hat - und ich muß sagen: nach meiner Auffassung in gutem Glauben -- geantwortet: Nein! Die deutsche Öffentlichkeit hat nach meiner Auffassung Anspruch auf Klarheit, denn die chilenische Regierung hat ihre Position in der Öffentlichkeit, in ihrer Zeitung „La Nación" und vor den Ausschüssen des chilenischen Parlaments klargemacht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Gewandt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthöfer?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gewandt, Sie sagten, daß die Chilenen bereit gewesen wären, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und damit die Anerkennung der DDR hinauszuschieben. Haben die Emissäre der CDU/CSU, die ja auch in Chile waren, über ihre christdemokratischen Freunde in Chile, ohne die Herr Allende sich ja nicht bewegen kann, auf eine Verzögerung der Aufnahme dieser diplomatischen Beziehungen hingewirkt?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Matthöfer, ich kann Ihnen dazu folgende Erklärung abgeben. Die christlichen Demokraten haben zu keiner Zeit, obwohl sie auch Pressionen unterlegen sind, an eine Anerkennung der DDR gedacht, und die christlichen Demokraten haben mir sogar, wie auch die äußerste Rechte in Chile, erklärt : Auf Grund dieser Darstellung unseres Außenministers und auf Grund der Darstellung unserer Emissäre in Bonn sehen wir als Opposition keine Möglichkeit, jetzt unsere Regierung anzugreifen. Das ist das Fehlverhalten eurer Leute in Bonn. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön!

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir führen hier eine Debatte über Entwicklungspolitik. Kann ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Sie meinen, wir hätten den Chilenen sagen müssen: Wenn ihr diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmt, werdet ihr keine Entwicklungshilfe mehr bekommen? Meinen Sie, daß das gewirkt hätte?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich halte nichts von Erpressungen, aber ich glaube, Freundschaft ist keine Einbahnstraße. Die Chilenen wissen ganz genau - sie werden es in der nächsten Zeit noch deutlicher merken -, mit wem die Zusammenarbeit für sie nützlicher ist. Ich habe Ihnen ja an einem anderen Beispiel dargelegt, daß man in einem freundschaftlichen Gespräch durchaus in der Lage gewesen wäre, die Dinge zu verändern. Aber nun taucht die Frage auf: Was passiert jetzt? .Jetzt, meine ich, muß die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die Botschaft der DDR - die Räumlichkeiten, die man gemietet hat, zeigen, mit welcher Ausstattung man rechnet; die Residenz ist größer angelegt als die unseres Botschafters - sich jetzt so verhält, wie Botschaften es im internationalen Verkehr tun müssen. Ohne diese Garantie ist eine Weiterarbeit der deutschen Entwicklungshilfe in Gefahr. Denn bereits heute sind Methoden, wie sie in Guinea angewandt worden sind, im Gange. Schon heute werden deutsche Lehrer deutscher Institute, die völlig unpolitisch sind, denen man nichts nachweisen kann, in das Schußfeuer der DDR genommen. Diese Frage muß auf höchster Ebene mit den Chilenen geklärt werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Matthöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001439, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gewandt, wie Sie richtig berichten, hat die Bundesregierung die Chilenen gebeten, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen noch zu verschieben. Da Sie auch mit uns der Meinung sind, man soll die Entwicklungshilfe nicht abbrechen, wir sollen auch unsere Beziehungen zu Chile nicht verschlechtern, - was, Herr Gewandt, frage ich Sie, hätte die Bundesregierung denn sagen sollen, um ihrer Bitte um Verzögerung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen Nachdruck zu verleihen?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Bundesregierung, verehrter Herr Kollege Matthöfer, hat erklärt, sie hätte eindeutig und sehr nachdrücklich den Chilenen erklärt, daß die Aufnahme der Beziehungen unser Verhältnis stören würde. ({0}) - Ich bestreite, daß sie das getan hat. ({1}) Ich glaube, wenn sie es nachhaltig getan hätte, wären die Chilenen bereit gewesen, zuzuwarten. Aber ich sage erneut: es kommt jetzt darauf an, daß wir die zukünftigen Beziehungen zu Chile wieder in ein freundschaftliches Geleise zu lenken uns bemühen. ({2}) Das heißt erstens die Zusicherung, daß die DDR sich an die internationalen Gepflogenheiten hält. Zweitens ist die Frage gestattet: was geschieht mit den deutschen Investitionen, was geschieht mit den deutschen Schulen? Werden wir sie weiter ausbauen und vorhalten, damit sie möglicherweise eines Tages nicht in die chilenischen, sondern in andere Hände übergehen? Es stehen auch Investitionen in erheblichem Umfange zur Diskussion. Auch hier muß man Klarheit haben, wie sich die chilenische Regierung zu diesen Investitionen stellt, damit wir wissen, in welcher Weise es am zweckmäßigsten ist, die wirtschaftliche Zusammenarbeit fortzusetzen. Nun möchte ich, bevor ich zum Schluß komme, wegen der vorgerückten Zeit nur noch ein Thema anschneiden, und das ist der DED. Herr Bundesminister, ich glaube, der DED hat jahrelang Hervorragendes geleistet. Er hat in selbstloser Weise an der Verwirklichung von Projekten mitgewirkt. Ich habe bei meinem letzten Südamerikaaufenthalt allerdings feststellen müssen, daß jetzt eine neue DED-Generation nach außen kommt, die deutsche Entwicklungsprojekte verspotten, die den Projektleitern erklären: Das, was Ihr hier tut, das verhindert ja nur den Ausbruch einer Revolution. Etwas im Kontrast zu meinen verehrten CSU-Kollegen würde ich mich zu einer Revolution in Freiheit be6800 kennen. Aber was diese Leute wollen, ist nicht die Revolution in Freiheit, sondern eine andere Revolution. ({3}) Es fragen sich heute die Mitarbeiter der GAWI, es fragen sich heute die Projektleiter und es fragen sich heute die Botschaften: was sollen wir mit Entwicklungshelfern anfangen, die hier rüberkommen, die sich an der Arbeit nicht beteiligen wollen und die nur einen Wunsch haben: zu diskutieren? Aber zurück 711 dem wag ich einleitend sagte Lange Zeit hat die Vorstellung geherrscht, man könne dort, wo auch die DDR präsent sei, im friedlichen Wettstreit bestehen und sich durchsetzen. Wenn es diesen fairen Wettbewerb gäbe, brauchten wir die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Aber bisher hat es sich doch gezeigt, daß die DDR überall da, wo sie präsent war, mit illegalen Methoden in perfidester Weise ({4}) - wie in Guinea - versucht, deutsche Einzelpersonen, deutsche Firmen und deutsche Projekte zu beschießen, die Mitarbeiter zu verunsichern, ihre Familien zu beunruhigen. Ich bin - um wieder auf Chile zurückzukommen - in Chile schon gefragt worden: Was werdet ihr tun, um uns zu beschützen, wenn dieser Aktivität nicht Einhalt geboten wird? Wir brauchen also ein klares Konzept der Bundesregierung, wie sie sich in den Fällen zu verhalten gedenkt, in denen die DDR und wir präsent sind. Nun zum Abschluß! Es hat immer ein hohes Maß an Übereinstimmung in der Entwicklungspolitik gegeben, vielleicht auch heute noch in größerem Umfang, als angenommen wird. Wir alle wollen die radikalen Wandlungen der überholten Strukturen, aber natürlich auf der Basis der wirtschaftlichen Vernunft. Und wenn diese Regierung auf Grund der Erfahrungen, die wir gemeinsam gesammelt haben, und auch auf Grund des Lehrgelds, das wir in diesem neuen Bereich natürlich alle bezahlen mußten, bereit ist, weiterhin auf diesem realistischen Weg Entwicklungspolitik zu betreiben, wird sie der Unterstützung unserer Fraktion gewiß sein. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium des Auswärtigen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gewandt hat der Bundesregierung gegenüber heftige Vorwürfe wegen des Falles Chile gemacht. Herr Kollege Gewandt, ich muß Sie hier an einen Satz erinnern, den Sie selbst in dem von Ihnen erwähnten Telex an den Bundesaußenminister geschrieben haben. Sie haben nämlich mit Recht gesagt: Ich persönlich halte von dramatischen Gesten nichts. Dazu sollten Sie stehen. Was Sie soeben getan haben, war aber nicht nur eine Art dramatischer Geste im nachhinein, sondern auch ein Beitrag zur Legendenbildung. Das will ich Ihnen jetzt hier im einzelnen darlegen. ({0}) - Sie müssen es ja wissen, Herr Reddemann; Sie waren in Chile sicherlich dabei. Herr Gewandt, Sie haben der Bundesregierung vorgeworfen, sie habe der chilenischen Regierung nicht eindeutig klargemacht, daß sie die Anerkennung der DDR in der Phase unserer Gespräche und der Viererverhandlungen in Berlin als störend empfindet. Ich muß Ihnen sagen: Sie hätten eigentlich wissen müssen - und Sie wissen es vermutlich auch in einigen Fällen; Sie haben nämlich nur zwei Fälle angeführt , was alles von der Bundesregierung unternommen worden ist. Was Sie hier gesagt haben, ist ein Vorwurf, den ich energisch zurückweisen muß, auch im Namen unserer Beamten, z. B. des Botschafters Dr. Osterheld. Außerdem muß ich Ihnen sagen, daß nicht nur Staatssekretär Bahr und der Bundeskanzler ein Gespräch mit Herrn Miranda und anderen geführt haben. Es haben allein im Auswärtigen Amt - ich habe das soeben prüfen lassen - mindestens zehn Gespräche stattgefunden, und zwar zwei davon mit Minister Scheel, mehrere Gespräche mit Staatssekretär Dr. Frank, und ich selbst habe dreimal mit chilenischen Vertretern Gespräche geführt, darunter mit einer Parlamentarierdelegation, und dem Senator Miranda. Der Vorwurf, den Sie hier in die Welt setzen, ist also völlig unberechtigt. Die Tatsachen sind anders. ({1}) - Wir haben genau das gesagt, was in der Erklärung steht, nämlich, daß wir die Aufnahme von Beziehungen zur DDR jetzt als eine Störung empfinden und daß wir uns die Konsequenzen vorbehalten müßten. Nichts anderes. Sie kennen sicherlich die Weisungen, die hier gegeben worden sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt?

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, damit setzen Sie sich bewußt in Gegensatz - und diese Erklärung ist für uns ja nötig zu den Erklärungen des chilenischen Ausschusses vor dem Außenpolitischen Ausschuß des Kongresses, und Sie setzen sich in Gegensatz zu der offiziellen Erklärung der chilenischen Regierung, veröffentlicht aus Anlaß der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen in der Zeitung „La Nación" in der auf das hingewiesen worden ist, was ich hier gesagt habe, und in der man im übrigen darauf hingewiesen hat, daß die Bundesregierung über alle Schritte der chilenischen Regierung bestens unterrichtet worden sei.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Gewandt, Sie müssen eine Frage stellen. Das war eine Aussage. Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, Ihre Behauptungen werden durch diese Darstellung nicht zutreffender. Ich bin in der Lage, Ihnen die Aufzeichnung der von uns geführten Gespräche zur Verfügung zu stellen. Sie hätten sie auch bekommen können, wenn Sie sich vorher dafür interessiert hätten. Sie haben ja selbst Kontakte gehabt. Ich kann mich nur wundern, daß Sie Nachrichten von anderer Seite in dieser Form wiedergeben, während Sie Mitgliedern der Bundesregierung und Beamten unterstellen, daß sie nicht das getan hätten, was ihre Pflicht gewesen sei. ({0}) - Nein. Wenn hier andere Darstellungen gegeben werden, sind sie nicht maßgebend. Maßgebend sind die Unterrichtungen, die wir vorgenommen haben. ({1}) Darüber haben wir Unterlagen, und zwar von Leuten, die unter Hinweis auf ihren Beamteneid erklären können, das so und nicht anders gesagt zu haben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kiep? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Bitte!

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie in Ihre Würdigung und Darstellung der Bemühungen der Bundesregierung in der chilenischen Frage auch die Tätigkeit des Staatssekretärs Sohn und insbesondere seinen Besuch in Chile einbeziehen? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter Kiep, ich bin selbstverständlich bereit und in der Lage - ich habe das auch vorgesehen -, auf diese Frage einzugehen. Auch hier muß ich sagen, daß Herr Kollege Gewandt etwas behauptet hat, das einer Nachprüfung nicht standhält, und das hat mir Herr Sohn soeben noch einmal bestätigt. Herr Sohn hat mir soeben noch einmal dargestellt - ich bezweifle nicht, daß das den Tatsachen entspricht, denn schließlich war er und nicht Herr Gewandt dort -, daß er auf dem erwähnten Kongreß überhaupt nicht begrüßt worden ist, daß er als privater Beobachter daran teilgenommen und keinen Vertreter der DDR gesehen hat. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte! Sie können doch nicht von mir eine Bestätigung Ihrer Vorurteile verlangen. Sie müssen doch die Tatsachen zur Kenntnis nehmen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja.

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, die über den Besuch von Herrn Staatssekretär Sohn in Santiago de Chile in der Deutschen Botschaft in Santiago vorhandenen Unterlagen einschließlich der Darstellungen in der chilenischen Presse einmal einer Würdigung zu unterziehen, um die psychologischen Auswirkungen, von denen ich gesprochen habe, auch wirklich richtig beurteilen zu können? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen versichern, daß ich hier eine Unterlage habe, in der diese Berichte enthalten sind. Sie haben Behauptungen aufgestellt, für die Sie den Beweis schuldig geblieben sind. Das stelle ich hier fest. ({0}) - Entschuldigen Sie mal! Ich habe soeben gesagt, wie es gewesen ist. ({1}) - Ach so! Sie haben die Wahrheit wohl für sich gepachtet! Das, was Sie sagen, ist natürlich zutreffend. Sie müssen es ja genau wissen. Ich glaube, daß es in diesem Hause bisher üblich war, Beweise vom Hörensagen nicht als Beweise gelten zu lassen, sondern die Aussage eines Betroffenen als das zu nehmen, was sie ist, nämlich als seine Darstellung des Sachverhalts. ({2}) Herr Sohn hat eine Darstellung gegeben, und ich habe keinen Grund, an dieser Darstellung des Staatssekretärs zu zweifeln. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ja, bitte!

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich meine Intormationen aus erster Hand habe, weil ich mich in Santiago de Chile aufhielt, und daß ich sie nicht nur von chilenischer Seite, sondern auch von deutschen Stellen in Santiago de Chile erhalten habe? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, ich kann mich nur darüber wundern, daß Sie Zeugnisse vom Hörensagen höher bewerten als die Aussage des Betroffenen. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Marx? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Bitte schön!

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sagten gerade, Sie hätten die Unerlagen bei sich. Könnten Sie uns helfen und uns sagen, wann und bei welcher Gelegenheit Herr Sohn in seiner Eigenschaft als Staatssekretär und wann er in der Eigenschaft als Privatmann oder Tourist dort war. Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter, ich habe das vorhin schon dargelegt. Herr Gewandt hat einen Fall, den Besuch eines Parteikongresses, herangezogen und gesagt, Herr Sohn sei dort mit Vertretern der DDR zusammengetroffen. Herr Sohn hat gesagt, das sei nicht zutreffend. Herr Gewandt hat behauptet, er sei dort begrüßt worden. ({0}) - Das hat er soeben in diesem Saal behauptet; das haben Sie alle gehört. ({1}) - Sie können das auch im Protokoll verifizieren. Ich habe es mitgeschrieben. Wir brauchen, glaube ich - ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Ruhe bitten. Vielleicht wird die Verhandlung dadurch vereinfacht, daß zunächst der Herr Staatssekretär spricht. Nachher können Sie auf seine Ausführungen erwidern. Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Ich habe mir Notizen gemacht. Sie können es im Protokoll nachlesen. Zumindest haben Sie den Eindruck erweckt - vielleicht sehen Sie das inzwischen etwas anders -, daß eine Begrüßung gemeinsam mit Vertretern der DDR stattgefunden habe. Das ist hier vorhin zum Ausdruck gekommen, und das ist unzutreffend. ({0}) - Wenn das nicht so ist, Herr Gewandt, haben Sie Gelegenheit, genau darzustellen, wie Sie es gemeint haben. Ich muß Ihnen nämlich sagen, daß ich auch aus anderen Darstellungen von Ihnen nicht schlau geworden bin, z. B. aus der Frage, wie das mit Japan und Nordkorea gewesen sei. Da konstruieren Sie einen fabelhaften Zusammenhang. Ich habe mich bemüht, bei unseren Beamten den Zusammenhang zu erkunden, weil Sie ausdrücklich auf die Botschaft in Santiago Bezug genommen haben. Das ist mir bis heute nicht gelungen, das ist ein Rätselspiel; ich verstehe auch gar nicht, wo hier eingentlich ein Zusammenhang sein soll. Ihn herzustellen, ist Ihnen gelungen, anderen nicht. Sie haben sich in der Übung sibyllinischer Wendungen in diesem Telegramm kräftig entwickelt. Ich bin bereit, daraus einiges vorzulesen. Es hat doch gar keinen Sinn, wenn man mit der Frage hinterherhinkt: „Was wäre, wenn ...?" Die Frage, die Sie hier aufgeworfen haben, ist allein: Hat die Bundesregierung das Nötige getan, um eine Störung ihrer Verhandlungen und Gespräche zu verhindern oder nicht? Ich sage Ihnen, sie hat es getan. Sie haben zum Beweis lediglich zitiert, daß nach Ihrer Meinung in Santiago diese Meinung verbreitet gewesen sei. Ich kann Ihnen nur sagen, daß niemand von den chilenischen Gästen im Zweifel war, wie wir es gemeint hatten. Ich habe darüber Aufzeichnungen. Abgeordnete aus dem chilenischen Parlament haben mir selbst nach einem langen Gespräch im Auswärtigen Amt ausdrücklich bestätigt, daß sie das so verstanden hätten, daß eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR - der Abgeordnete, der mir das sagte, hat sich mir gegenüber sogar als Kommunist bezeichnet - während des Verlaufes der Deutschland-Gespräche und BerlinGespräche von uns als störend empfunden würde, und sie haben erklärt, sie würden in ihrer Heimat darauf hinwirken, daß diese Störung nicht einträte. Darüber gibt es Aufzeichnungen im Auswärtigen Amt, darüber gibt es Dolmetscherprotokolle. Daran waren etwa 20 chilenische Abgeordnete beteiligt. Die Delegation kennen Sie sicher auch.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tallert? Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Bitte!

Harry Tallert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002296, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben Sie aus den Zwischenfragen der Opposition den Eindruck gewonnen, daß der Herr Staatssekretär Sohn die chilenische Außenpolitik erfunden hat? ({0}) Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Nein. - Ich will zum Schluß kommen. Ich wollte die Debatte nicht aufhalten. Ich fühle mich verpflichtet - ({1}) - Sie können ja nachher noch einmal reden, Herr Gewandt. ({2}) - Selbstverständlich will ich antworten! Bitte schön!

Heinrich Gewandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Tatsache, daß der chilenische Außenminister auf Befragen im Auswärtigen Ausschuß des chilenischen Kongresses auf die Frage, ob die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik Folgerungen nach sich zöge, unter Bezugnahme auf seine Gespräche mit der Bundesregierung erklärt hat: „Nein"? Diese Frage ist ihm dreimal gestellt worden; sie wurde dreimal verneint. Moersch,, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter Gewandt, es ist mir völlig unmöglich, mich in die Situation des chilenischen Außenministers in diesem Augenblick hineinzuversetzen. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn er das so gesehen hat, hat er meiner Ansicht nach eine Wertung unserer Information einschließlich derjenigen unserer Botschaft vorgenommen, die nicht zutreffend war. Wir haben das ganz klar erklärt, und niemand war eigentlich im Zweifel, daß das so ist. Es gibt andere Äußerungen von chilenischer Seite - Sie kennen sich dort ja sehr gut aus, Sie haben ja in diesem Bereich vielfältige Beziehungen -, die uns deutlich gemacht haben, daß ursprünglich gar nicht beabsichtigt war, mit uns über diese Frage zu sprechen, daß das also bereits ein Entgegenkommen gewesen sei, daß aber leider von ihrer Seite diese Entscheidung nicht mehr aufzuhalten gewesen sei, weil sie im Grunde genommen schon viel früher gefallen war und in diesem Sinne überhaupt nicht mehr zu beeinflussen gewesen ist. Diese Äußerungen von chilenischer Seite widersprechen der Darstellung, die Sie hier gegeben haben. Ich frage mich wirklich, was Sie eigentlich wollen. Wenn Sie selbst respektieren, daß sich die Bundesregierung gar nicht anders verhalten konnte, als sie sich in unserem Interesse verhalten hat ({0}) - was heißt hier „hinterher"? -, wenn sie also nicht - und darauf kam es doch an - ein Land, mit dem wir versuchen, auch weiterhin Beziehungen zu haben, in eine Richtung treiben, die den Interessen dieses Landes gar nicht entspricht, von dem Sie selbst in Ihrem Telegramm gesagt haben, daß man vorsichtig sein müsse, was also heißt das dann, was soll diese Kritik im nachhinein? Ich muß Ihnen sagen, ich halte sie für nichts anderes als unbegründete Beckmesserei. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Esters.

Helmut Esters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier scheint es so zu sein, daß die gesamte Reisedelegation, die in den letzten Monaten in Chile war, antritt und in der verschiedensten Weise versucht, aus bestimmten Vorgängen in Chile innenpolitisches Kapital bei uns zu schlagen. Ich kann dazu nur folgendes feststellen: 1. Im Februar dieses Jahres habe ich auch eine ausführliche Unterredung mit dem Präsidenten der Republik gehabt. Fest steht dabei eins: im Regierungsprogramm der Unidad Popular war festgelegt, daß die DDR in nächster Zukunft anerkannt werden sollte. 2. Nach der Wahl Allendes zum Präsidenten ist in einer Fülle von Verlautbarungen, die von den Christlichen Demokraten Chiles unterstützt worden sind, bestätigt worden, daß die Anerkennung so bald wie möglich vollzogen werde. 3. Im Dezember 1970 hat Außenminister Almeida vor dem Außenpolitischen Ausschuß des Senats bereits den März-Termin verbindlich genannt, zu einem Zeitpunkt also, Herr Kollege Gewandt, wo Herr Staatssekretär Sohn noch nicht in Chile gewesen war. 4. Die Äußerung, gegen die sich Herr Kollege Kiep bei der Beratung des Einzelplans 23 hier so heftig gewehrt hat, hat Präsident Allende mir bestätigt, nämlich daß die Hinauszögerung des Zeitpunkts der Anerkennung der DDR ausschließlich etwas mit der Hochachtung vor dem Herrn Bundeskanzler zu tun habe. ({0}) 5. Eine Feststellung, Herr Kollege Gewandt, der man in politischen Kreisen, die nicht zur christlichen Demokratie in Chile gehören, ständig antrifft, ist die - das würde ich hier wiederholen wollen und würde damit eine ganze Reihe politischer Kreise, die jetzt in der Administration sitzen, vertreten -: Nicht Staatssekretär Sohn, sondern Heinrich Gewandt und seine Einmischungen in innere chilenische Angelegenheiten - wobei auf Chile Invadido und ähnliches verwiesen wird - haben einen Beitrag dazu geleistet, daß die jetzige chilenische Regierung kein sonderlich gutes Verhältnis im Augenblick zu uns hat und in der ersten Phase zu uns hatte. Wenn Herr Kollege Gewandt die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile auf ein freundschaftliches Gleis bringen will, dann könnte man der chilenischen Regierung eines empfehlen, nämlich Herrn Heinrich Gewandt die Einreise zu verweigern. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wolf.

Dr. Erika Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002552, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kenne Chile leider nicht und kann infolgedessen über die chilenischen Verhältnisse nichts sagen. Ich nehme an, daß noch eine Antwort auf die letzten Ausführungen des Kollegen Esters gegeben wird. Ich möchte noch ein paar Worte zu dem Thema sagen, das vorhin schon besprochen worden ist, zu den Schwerpunkten der Entwicklungspolitik in der Kabinettsvorlage, nämlich zur Arbeitsbeschaffung und zum Bildungs- und Ausbildungssystem. Ich glaube, nichts macht uns deutlicher als das Problem der Arbeitsbeschaffung, daß wir uns im Augenblick in der Entwicklungspolitik auf Gebieten bewegen müssen, die unserer eigenen Entwicklung nicht entsprechen. Es ist ja wohl auch die Erkenntnis der ersten Entwicklungsdekade, daß die Entwicklung nicht eine Nachahmung der Industrieländer sein darf, sondern wirklich eigene Wege gehen muß. In der Beantwortung der Fragen 16 und 17 wird mit Recht darauf hingewiesen, daß es vor allem darum geht, das Land zu entwickeln, um eine Strukturentwicklung auf dem Lande, die dort Arbeitsplätze beschafft, um die heutige Landbevölkerung, 70 % der gesamten Bevölkerung, soweit wie möglich auf dem Lande zu halten. Ich meine, daß die Ziele, die in der Antwort herausgestellt worden sind, noch nicht völlig ausreichen, und würde die Regierung bitten, sie noch einmal zu überprüfen. Mir scheint, daß die Ausweitung des Tertiärsektors in dieser Antwort nicht hinreichend beachtet worden ist. Es reicht nicht aus, die Wirtschaftsstruktur zu verbessern. Auch der Tertiärsektor sowohl in der Verwaltung wie in den Diensten wie in der Freizeitgestaltung sollte mehr beachtet werden. Ich darf noch einmal die Bemerkung aufgreifen, daß wir uns um eine gezielte Erarbeitung, Übertragung und Anpassung von Technologien bemühen wollen, und ich möchte sehr herzlich darum bitten, daß wir diesem überaus schwierigen Thema noch mehr Aufmerksamkeit widmen, als es bisher der Fall ist. Ich bin mir darüber klar, wie schwierig es ist, und ich meine, daß wir hierzu dringend der Zusammenarbeit zwischen der verschiedenen Industrieländern, vor allem mit den Vereinigten Staaten, bedürfen, die ja, anders als wir, auch in den Fragen der Arbeitsbeschaffung in ihrem eigenen Land heute nach neuen Wegen suchen müssen. ({0}) Lassen Sie mich darüber hinaus ein Wort zu der Frage des umweltorientierten Ausbildungssystems sagen. Es wird in den Entwicklungsländern sehr viel davon gesprochen, daß wir eine Ausbildung nach dem Bedarf des Arbeitsmarktes unterstützen müssen. Hier müssen wir auch noch einmal überprüfen, ob unsere Hilfe zur Ausbildung - ich meine hier, um das englische Wort zu gebrauchen, „occasional training", also nicht die Ausbildung an den Universitäten, sondern in unseren Gewerbeschulen zu Facharbeitern - wirklich den Ansprüchen, die heute gestellt werden, völlig entspricht. Nach meinen Erfahrungen ist es wichtig, Schulbildung, Ausbildung und Unterbringung am Arbeitsplatz in einem engen Zusammenhang zu sehen und nicht die Ausbildung in einem reinen Schulsystem vorzunehmen, wie es vielleicht am Anfang unserer Entwicklungstätigkeit notwendig war, weil es damals nicht genügend Arbeitsplätze gab, mit denen ein Zusammenhang hätte hergestellt werden können. Ich halte es für dringend notwendig, daß man sich bei dem allgemeinen Bildungssystem, dem Schulbildungssystem, einmal über die ganz offensichtlichen Fehler in den Entwicklungsländern klar wird, Fehler, die dazu führen, daß heute unendlich viele junge Menschen nach ein, zwei oder drei Jahren die Schule verlassen und auf Grund dieser sehr mangelhaften Bildung meinen, sie brauchten nicht mehr ihre Hände zu rühren, sondern hätten eigentlich schon Anspruch auf den so begehrten Schreibtisch, nach Möglichkeit mit einem Telefon. Bei der Ausbildung, meine ich, muß mehr die Beziehung zum Betrieb hergestellt werden. Auch bei unseren Investitionen sollte man darauf sehen, daß auch deutsche Betriebe arbeitsintensive Methoden in Entwicklungsländern einführen. Ein sehr gutes Beispiel dafür bietet die Firma Philips in Holland, die in dieser Weise bereits eine Fabrik in Ghana ausgestattet hat und die, wie ich auf meiner letzten Reise gehört habe, auch in der Fabrik, die für Ecuador in Angriff genommen ist, arbeitsintensive Methoden einführen will. Eine weitere Bemerkung zu diesem Sektor. Wir wissen, daß die Entwicklungsländer ganz ungeheure Beträge, bis zu 25 %, für die allgemeine Bildung ausgeben, daß aber für die Berufsausbildung sehr wenig ausgegeben wird und daß im Verhältnis zu der allgemeinen Erziehung auch im Rahmen der Verwaltung die Arbeitsverwaltung einen sehr niedrigen Stellenwert hat. Die meisten unserer Gewerbeschulen unterstehen der Erziehungsverwaltung, dem Erziehungsministerium. Ich würde bitten, darauf zu achten, daß man auch in Entwicklungsländern bei den Strukturmaßnahmen für die Verwaltung, auf die ja hingewiesen wird, immer darauf achtet, daß die Arbeitsverwaltung angehoben wird, daß die Zusammenarbeit zwischen Erziehungsministerium und Arbeitsministerium sehr viel enger gestaltet wird, daß die Arbeitsverwaltung in die Berufsausbildung eingeschaltet wird und gleichzeitig auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, wie es bei uns der Fall ist, zur Berufsausbildung gehört werden. Nur in diesem Stufensystem scheint mir eine sinnvolle Berufsausbildung für die Entwicklungsländer möglich zu sein. Ich möchte das Wort „Stufensystem" hier noch in einem weiteren Sinn verstanden wissen: daß wir in Stufen ausbilden müssen, von denen jede schon zu einem Abschluß führt, auf den man schließlich sein Leben aufbauen kann. Ich glaube, daß wir hier nicht nur die wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Fragen zu beachten haben, sondern auch auf die Mentalitätsänderung in den Entwicklungsländern immer wieder hinarbeiten müssen. Denn nach meiner Überzeugung ist der wirtschaftliche Erfolg eines Industrielandes nur - oder auch - damit zu erklären, daß man dem Stand der Facharbeiter ebensoviel Achtung, ebensoviel Ansehen zukommen läßt wie dem des kleinen Angestellten, des „petit fonctionnaire", der in vielen Ländern Westafrikas heute noch eine sehr viel größere Bedeutung zu haben scheint. Lassen Sie mich mit einem Wort über unsere Experten schließen. Ich habe immer wieder feststellen müssen, daß trotz der guten Vorbereitung und trotz des Einsatzes der Experten sehr häufig Mißverständnisse in ihrer Arbeit, über ihr Auftreten, über ihr Verhalten - ein Verhalten, das durch unsere Gesellschaft geprägt ist - entstehen. Hier sollten wir es mit der Partnerschaft etwas ernster nehmen. Wir haben uns bisher, soweit ich zugehört habe, im ganzen Verlauf unserer Debatte mit unseren Leistungen beschäftigt und nicht davon gesprochen, wo wir Hilfe, wo wir Unterstützung, wo wir Mitarbeit von den Entwicklungsländern zu erwarten haben und sie dringend brauchen. In dem Einsatz der Experten sollten wir uns an die Entwicklungsländer wenden, um diese unnötigen Mißverständnisse zu vermeiden und zu einer wirklichen Zusammenarbeit zu kommen. Denn ich verstehe Entwicklungspolitik im Sinne der Partnerschaft als ein Geben und Nehmen von beiden Seiten. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin von den Kollegen, auch denen der Regierungsfraktionen, gebeten worden, es möglichst kurz zu machen. Ich werde mich bemühen und darum mein vorbereitetes Manuskript nicht benutzen. Aber zunächst ein Wort an den Kollegen Esters. Kollege Esters, ich weiß nicht, ob Sie sich nicht noch einmal überlegen sollten, ob es nicht aus vielerlei Gründen - ich werde einen gleich nennen - zweckmäßig wäre, daß Sie den letzten Satz, den Sie vorhin in Ihrer Rede in Richtung auf den Kollegen Gewandt gesprochen haben, vielleicht zurücknehmen oder die Frage in irgendeiner Form elegant aus der Welt schaffen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie ein Interesse daran haben, in der deutschen und - wer weiß, wo diese Worte hingehen, die Sie hier als Empfehlung ausgesprochen haben - auch in der chilenischen Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Sie seien daran interessiert, hier in der Bundesrepublik eine Opposition zu haben, die hier nicht reden darf und ins Ausland nicht reisen soll. ({0}) Ich glaube, diese Frage sollten wir uns überlegen. Vielleicht sollten Sie sich über die Auswirkungen solcher Äußerungen etwas Gedanken machen. Ich habe Verständnis dafür, daß so etwas herausrutschen kann. Aber ich halte dies eben nicht für einen guten Stil, weil es im letzten doch jeden einzelnen von uns - wir sind hier ja alle irgendwo frei gewählt - abwerten und in einer Form klassifizeren könnte, die schlicht unvertretbar ist und uns sicher nicht zur Ehre gereicht. Hier ist gesagt worden - und einige meiner Kollegen sind schon darauf eingegangen -, die Opposition habe sehr wenig gesagt, sie habe vielleicht auch nichts gesagt. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer der Debatte bis zum jetzigen Zeitpunkt gefolgt ist, wird sicher seine Meinung ändern müssen, oder er war einfach nicht in der Lage, vier oder fünf Stunden hier zuzuhören und auch genau hinzuhören, damit er weiß, was die Opposition zu dieser Großen Anfrage insgesamt zu sagen hat. Nur vor einem Irrtum sollte sich die Regierungskoalition hüten: anzunehmen, daß diese Opposition gewissermaßen Bundesbeauftragter für Opposition ist, d. h. den Auftrag der Bundesregierung hat, nur zu loben und nicht zu kritisieren. Wenn gelobt werden soll, suchen wir uns das aus, und wenn kritisiert werden soll, suchen wir es uns auch aus, und die Situation in Beantwortung der Großen Anfrage hat zum Lob nicht gereicht. Das wollte ich als Abklärung zu diesen laufenden Argumenten, die hier kommen, noch hinzufügen. Ich hatte vor, einige Worte zur Öffentlichkeitsarbeit zu sagen, weil sich die Bundesregierung zumindest in Beantwortung der Frage 29 diesem Komplex zugewandt hat. Ich glaube, daß die Antwort, vor allen Dingen im ersten Teil, etwas leichtsinnig geschrieben worden ist, denn die Untersuchungen über die Effektivität der Öffentlichkeitsarbeit auch im Bereich der Jugendlichen, soweit sie einen repräsentativen Charakter haben, die mir bis zum heutigen Zeitpunkt bekanntgeworden sind, zeigen doch sehr deutlich, daß mit Ausnahme des kritischen Engagements wirklich die große „schweigende Masse", wenn man diesen Begriff, der in die Politik eingeführt worden ist, hinzunehmen kann, in zunehmendem Maße über Entwicklungspolitik - unabhängig von der Wertung auch über diese Entwicklungspolitik - eher negativ denkt als positiv. Es gibt sicher den einen oder anderen Grund, sich genau zu überlegen, was wir in dieser Richtung tun müssen. Wir haben bei der Beratung des Einzelplans im Ausschuß auch in Übereinstimmung mit dem zuständigen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit einige Positionen herauskristallisiert, bei denen wir glaubten, daß das Engagement der Jugend noch positiver werden könnte. Dabei habe ich die Bundesregierung gelobt, ({1}) weil der Öffentlichkeitsplan, der uns im Jahre 1971 vorgelegt worden ist, doch besser war als der Plan, der im Jahre 1970 zur Verabschiedung bzw. zur Diskussion im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen anstand. Es hat dann den berühmten Ausrutscher mit der Schrift „Terra" gegeben, über die wir uns im Ausschuß sehr ausführlich unterhalten haben, und ich bedaure, daß die Auflage im Grunde genommen schon verteilt war, weil ich den Eindruck hatte, daß die Bundesregierung bereit gewesen wäre, bei noch größerer vorhandener und nicht verteilter Auflage „Terra" einzustampfen. Dies wäre vielleicht positiv gewesen, weil nach unserer Auffassung diese Zeitschrift nicht dazu beigetragen hat, das Image der Entwicklungspolitik in der Öffentlichkeit weiterzutragen. Vor einigen Tagen, Herr Minister, ist uns dann der zweite Ausrutscher bekanntgeworden. Diesen Ausrutscher möchte ich doch als recht eklatant bezeichnen. Es ist von irgend jemandem - ich vermute vom Bundespresse- und Informationsamt, aber doch sicherlich in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit -eine Akte herausgegeben worden, von der jeder den Eindruck hat, es handle sich hier um eine geheime Kommandosache, weil es in der Form auch recht geckig als „streng geheim" aufgebaut worden ist. Ich habe nichts gegen gute Einfälle in der Werbung, und ich habe auch nichts gegen gute Ideen, die man hier von Herrn Wilp, für den man hier zumindest auf der ersten Seite die größte Werbung hat, übernimmt. Wogegen ich allerdings etwas habe: wenn dem Betrachter oder dem Empfänger oder dem, der so etwas zu begutachten hat, der dazu Stellung zu nehmen hat, nicht klargemacht werden kann, wer z. B. der Empfängerkreis solcher Werbemittel ist, wenn aus dieser Broschüre nicht hervorgeht, welches entwicklungspolitische Ziel - sie ist herausgegeben vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit - mit dieser Broschüre verfolgt wird. Wenn man dann auch noch die Kosten dieser Ausgabe kennt, die sich nach groben Schätzungen auf etwa 13,50 bis 14 DM belaufen ({2}) - pro Stück -, und wenn man dann sieht, was dahintersteckt, vor allem an Aussage im Sinne einer vernünftigen Entwicklungspolitik, dann kann ich nur sagen, halte ich diese Form der Werbung für die Entwicklungspolitik doch für äußerst komisch, im letzten sogar für negativ. Wenn Sie die Seite 1 aufschlagen, dann ist dies die erste Aussage zur Entwicklungspolitik: ({3}) der Herr Bundeskanzler mit der Angabe, daß er in seinem Privatleben als Münzensammler und Angler fungiert - eine sicherlich recht wichtige Aussage, Herr Minister Eppler, zu der entwicklungspolitischen Auffassung der Bundesregierung. Die Seite 2, die Sie hier sehen - ich zeige dies auch einmal den Kollegen dieses Hauses -, ist dann nicht mehr in deutsch gehalten, offensichtlich weil man Deutschen verschweigen will, was die Bundesregierung an Leistungen erbracht hat, wie sie hier drinstehen; denn einiges von dem, zumindest das In-den-Griff-Bekommen der Wirtschaftspolitik, ist heute nicht mehr aktuell. Da hat man also in englischer Sprache noch große Lobeshymnen auf die eigene Regierungstätigkeit gesungen. Die Seite 3 ({4}) - das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, die offizielle Reihenfolge eines, ich weise nochmals darauf hin, Werbeprospekts für Entwicklungshilfe - zeigt den Außenminister. Auch das scheint mir schon recht bezeichnend zu sein. Als Hobby ist angegeben - ob das zur entwicklungspolitischen Profilierung reicht, weiß ich nicht -, daß Herr Außenminister Scheel - das interessiert vor allen Dingen die Gäste, die so etwas bekommen - Möbel bastelt. ({5}) Das scheint eine recht interessante Geschichte zu sein. Dahinter stehen, wieder als geheime Reichssache, in englischer Sprache die Grundzüge der Außenpolitik der Bundesregierung. Herr Eppler, ich kann es mir nicht verkneifen, es ist wirklich das schönste Bild. Ich hab's getauft: Herr Eppler in der .Jacke oder im Aufzug des guten Hirten. ({6}) Mir scheint, Herr Minister Eppler, man hätte sich doch in Ihrem Ministerium überlegen sollen, ob man in Anbetracht der Gesamtsituation der Entwicklungspolitik so etwas tun sollte. ({7}) Ich weiß nicht, wer das in die Finger bekommt. Ich weiß nur eines, wenn ich ausländischer Gast bei Inter Nationes wäre - dort sind die Sachen vorrätig, und das ist auch wahrscheinlich der einzige Adressat, der feststellbar ist - und ich bekäme so etwas in die Hand, insbesondere wenn ich aus einem Entwicklungsland käme und wüßte, daß diese Imagewerbung der Bundesregierung pro Stück 13,50 DM kostet, die nicht anders effektiv eingesetzt werden können, würde ich doch sehr nachdenklich nach Hause fahren. Ich wollte nur diesen einen Punkt nehmen, um darauf hinzuweisen, daß dies unseres Erachtens der zweite Ausrutscher in der Öffentlichkeitsarbeit ist. Wir werden uns überlegen müssen, inwieweit wir - und wir erwarten hier Ihre Stellungnahme - im Ausschuß noch darüber Auskunft erhalten müssen, oder vielleicht können Sie jetzt sagen, wie Sie zu dieser Werbung zur Entwicklungshilfe vor dem Deutschen Bundestag stehen und ob Sie an die Effizienz einer solchen Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf ein stärkeres Engagement der Jugend glauben. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. ({0})

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht darüber reden, ob wir auf diese Weise wirklich weiterkommen. Aber bitte, jeder hier kann reden, was er will. ({0}) Diese Broschüren oder diese ({1}) Bilder, die vom Bundespresseamt hergestellt worden sind, sind in 800 Exemplaren in englischer und in 200 Exemplaren in deutscher Sprache insgesamt zu einem Preis von 6324 DM - also nicht zu dem von Ihnen angegebenen Preis; das bezieht sich auf die Gesamtbroschüre hergestellt worden. Diese 800 plus 200 Exemplare - das ist mir jetzt mitgeteilt worden, ich hatte das vorher auch nicht gewußt - werden überwiegend an Besucher der Bundesrepublik aus dem Ausland über die Deutsche Stiftung verschenkt. ({2}) Herr Kollege Breidbach, man kann darüber streiten, ob dies alles besonders geschmackvoll ist. Sie sind ja ein hoffnungsvoller junger Abgeordneter. Ich bin überzeugt, daß Sie es noch weit bringen werden. Aber wenn in Ihrem Leben nichts passiert, was mehr an Personenkult erinnert als diese 800 plus 200 Exemplare, dann werden Sie ein bescheidener Demokrat bleiben. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Esters.

Helmut Esters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den ungerechtfertigten Angriffen des Kollegen Gewandt auf die Bundesregierung und bei dem eigenen Engagement in der Materie habe ich eine Bemerkung gemacht, die nicht abgewogen war. Ich nehme den letzten Satz meines Diskussionsbeitrages zurück. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Bühling.

Reinhard Bühling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000298, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz einem Thema zuwenden, das ich für wesentlicher halte als die letzten Verästelungen der chilenischen Innenpolitik, die wir hier so ausführlich diskutiert haben, und für wesentlicher als dieses Heft mit der kleinen Auflage. Zu den beiden Großen Anfragen - wir haben zwei Große Anfragen und nicht nur eine, wie das hier vorhin so häufig gesagt worden ist - gehört die Frage der 2 Millionen ausländischen Arbeiter und ihres Zusammenhangs mit der Entwicklungshilfe. Frau Kollegin Dr. Wolf hat schon auf das Beschäftigungsproblem der Entwicklungsländer hingewiesen. Bisher haben wir diese 2 Millionen Arbeiter im wesentlichen nur vom Standpunkt der deutschen Wirtschaft aus betrachtet. Zwar kommt ein geringer Teil von ihnen aus einem EWG-Land, ein weiterer Teil kommt aus Ländern, bei denen es umstritten ist, ob sie Entwicklungsländer sind, aber der größte Teil kommt aus Entwicklungsländern. Ich will gar nicht bestreiten, daß es hier um Interessen der deutschen Wirtschaft geht, die sich wohltätig für die Arbeitnehmer auswirken, die sonst in ihrem eigenen Land keine Arbeit bekämen. Aber wir müssen auch die Interessen der Entsendeländer mehr beachten. Von daher begrüße ich, daß mit einem Qualifizierungs- und Rückgliederungsprogramm schon ein Anfang gemacht worden ist. Zu so später Stunde möchte ich darauf nicht im einzelnen eingehen, aber doch darauf hinweisen, daß das eben nur ein Anfang ist. Die Erfahrungen, die damit in der nächsten Zeit gemacht werden, sind sehr sorgfältig auszuwerten. Wir sollten nicht nur davon ausgehen, daß die Beschäftigung dieser ausländischen Arbeiter den Beschäftigungsdruck in den Entsendeländern verringert und daß diese Beschäftigung Devisen für die betreffenden Entwicklungsländer bringt, sondern wir sollten vor allem daran denken, daß dadurch auf lange Sicht der Innovationsprozeß, wie man so schön sagt, die Dynamik, der Industrialisierungsprozeß dieser Länder gefördert wird. Hier ist schon von Öffentlichkeitsarbeit die Rede gewesen. Ich glaube, man sollte diese Gedanken in der Öffentlichkeitsarbeit mehr herausstellen; denn nichts ist so gut für die Öffentlichkeit und auch für die deutschen Kollegen dieser ausländischen Arbeitnehmer wie wenn sie wissen, daß die Beschäftigung hier dazu beitragen wird, später auch in den Entsendeländern den langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiep.

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Äußerungen des Herrn Bundesministers Dr. Eppler zu Beginn unserer Debatte zwingen mich dazu, zum Schluß noch einmal das Wort zu ergreifen. Aber ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Herr Minister Eppler, ich habe den Eindruck gewonnen, daß Sie Sinn und Zweck einer Großen Anfrage, Sinn und Zweck einer Debatte um eine Große Anfrage total mißverstehen. Sie, Herr Dr. Eppler, sind hier aufgetreten und haben sich in bitteren und von persönlicher Aggressivität nicht ganz freien Worten gegen mich gewandt, weil ich in meiner Einlassung während der Debatte um die Große Anfrage der CDU/CSU die Entwicklungspolitik der Bundesregierung nicht genügend gewürdigt hätte. Sie haben darauf hingewiesen, daß ich es unterlassen hätte, z. B. das Dokument der Bundesregierung vom Februar 1971 noch einmal ausdrücklich zu erwähnen. Ich hätte sogar von Literatur gesprochen. Sie haben dann auch gemeint, meine Einlassung bezüglich der Entwicklungspolitik unter dieser Literatur registrieren zu müssen. Herr Minister Eppler, ich habe zweimal, einmal im Fernsehen und einmal in einer großen Rundfunkdebatte, ganz klar und deutlich meine Zustimmung zu der Zielsetzung der Entwicklungspolitik der Bundesregierung kundgetan. Sie, Herr Minister, fanden diese meine Einlassung immerhin so bemerkenswert, daß Sie veranlaßt haben, daß das gesamte Interview, das gesamte Gespräch im Rundfunk auf Kosten der Bundesregierung im Bulletin der Bundesregierung gedruckt und veröffentlicht wurde. Also kann es wohl kaum so sein, daß hier etwa irgend jemand im unklaren darüber sein könnte, wie wir über die Zielsetzungen und über die langfristige Anlage der Entwicklungspolitik der Bundesregierung denken. Aber, Herr Minister, dieses Parlament ist keine Mutual Admiration Society. Wir kommen nicht zusammen, um uns gegenseitig zu loben, um in Gemeinsamkeiten zu schwelgen, sondern Zweck und Aufgabe der Opposition ist es, kritisch Stellung zu nehmen, Zweck und Aufgabe ist es, nach der Beantwortung einer Großen Anfrage dort anzusetzen, wo die Regierung die Fragen nicht ausreichend beantwortet hat und wo Zweifel offengeblieben sind. Genau das haben wir heute getan. Die Kollegen, die im Verlauf der Debatte von der Fraktion der CDU/ CSU gesprochen haben, haben sich genau darum bemüht, nämlich deutlich zu machen, wo Fragen offengeblieben sind, wo nach unserer Meinung die Politik der Bundesregierung verbesserungsbedürftig ist. Das ist nach meiner Überzeugung die Pflicht und Schuldigkeit einer Opposition. Ich weiß, daß Sie offensichtlich eine andere Einschätzung der Rolle der Opposition haben. Sie wünschen sich eine Opposition, die zustimmt. Sie haben es gern, wenn hier zunächst einmal die Gemeinsamkeit bekannt wird und dann vielleicht höchstens noch in dem einen ander anderen Detail eine abweichende Meinung mit der notwendigen Vorsicht vorgetragen wird. Wir sind aber nicht bereit, uns von Ihnen diesen Stil der Opposition aufzwingen zu lassen, sondern wir werden fortfahren, ganz deutlich das zu sagen, was wir meinen. Lassen Sie mich nicht noch einmal auf das eingehen, was Sie wieder vorgetragen haben, nämlich den berühmten Kürzungsantrag der CDU/CSU im Haushaltsausschuß. Ich habe das Protokoll der Sitzung des Haushaltsausschusses hier. Ich könnte es verlesen. Ich möchte wegen der fortgeschritten Zeit davon absehen. Ich habe auch das von Ihrem Hause - Pressereferat - am 8. März dieses Jahres veröffentlichte Hintergrundmaterial zur Entwicklungspolitik hier, Herr Minister, aus dem die von mir zitierten Sätze, nämlich bezüglich des Rückgangs der Leistungen in Prozentsätzen des Bruttosozialprodukts, genauso wiedergegeben sind, wie ich sie hier vorgetragen habe. Aber lassen Sie mich noch zu einem weiteren Punkt etwas sagen. Wir haben bei jeder Gelegenheit unsere volle Unterstützung der Entwicklungspolitik bekanntgegeben und auch in der Öffentlichkeit vertreten, auch in Zeiten, in denen das schwierig war. Wir werden das auch weiterhin tun. Bitte mißverstehen Sie diese Gemeinsamkeit in dieser wichtigen Frage aber nicht mit einer Zustimmung zur Politik der Bundesregierung. Uns geht es um die Sache. Und die Gemeinsamkeit in der Sache erscheint uns deshalb so wichtig, weil die Entwicklungspolitik wegen ihrer Schwierigkeit, wegen ihres hohen Risikogehalts für die kontroverse Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit einfach nicht geeignet ist. Deshalb sind wir für Gemeinsamkeit und deshalb haben wir diese Gemeinsamkeit bisher immer offen bekundet und werden auch in Zukunft dabei bleiben, ohne uns hindern zu lassen, unsere divergierenden Meinungen zu jedem Punkt hier und draußen öffentlich bekanntzugeben. Es ist über Chile gesprochen worden. Herr Staatssekretär Moersch vom Auswärtigen Amt hat sein Haus verteidigt. Er hat beredt dargestellt, was das Auswärtige Amt unternommen hat, um die chilenische Regierung auf die Konsequenzen einer Anerkennung der DDR durch Chile hinzuweisen. Er hat es trotz meiner Frage vermieden, eine Wertung der Äußerungen von Staatspräsident Sohn vorzunehmen, die dieser nach seinem Besuch in Chile in der Öffentlichkeit gemacht hat. Ich meine, gerade darauf kommt es an. Ich darf daran erinnern, daß der Außenminister Scheel nach der Rückkehr von Herrn Sohn sehr eindeutige Bemerkungen über dessen außenpolitische Tätigkeit von sich gegeben hat. Ich darf Sie weiter daran erinnern, daß die korrigierte Version der Sohnschen Chile-Eindrücke im Bulletin der Bundesregierung den Bundeswirtschaftsminister zu der treffenden Bemerkung veranlaßt haben: „Das war Sohns Deutschstunde". Ich glaube, daß diese Wertung, wie sie durch Mitglieder der eigenen Regierung erfolgt, es doch wohl als berechtigt erscheinen läßt, daß sich auch die Opposition erlaubt, danach zu fragen, wie dieser Besuch verlaufen ist und was der Staatssekretär unternommen hat, um die chilenische Regierung von diesem Schritt abzuhalten. Sie haben es für richtig gehalten, auch auf meine Äußerungen nach meinem Besuch in Chile und nach meinem Gespräch mit Präsident Allende hinzuweisen. Ich möchte nicht in den Fehler von Herrn Sohn und auch nicht in den Fehler von Herrn Esters verfallen, den Inhalt eines Gesprächs mit einem Staatspräsidenten in der Öffentlichkeit wiederzugeben. Ich halte das einfach für schlechten Stil, insbesondere wenn ein Staatssekretär das tut, der den Staatspräsidenten in amtlichem Auftrag besucht hat. ({0}) - Es gilt für alle Situationen, Herr Kollege Brück, wenn ein Staatssekretär oder Minister in offiziellem Auftrag einen Minister oder gar Staatspräsidenten eines befreundeten Landes oder überhaupt eines Landes besucht und dann hinterher in der Presse Einzelheiten der Gespräche bekanntgibt. Im Falle von Herrn Sohn waren die Einzelheiten sogar noch ausgesprochen beleidigend für einen früheren Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ich meine, das sollten wir festhalten. Das gilt, glaube ich, für alle Parteien. Die Frage stellt sich doch so: Wie ist die Lage der Bundesrepublik gegenüber unserem chilenischen Gesprächspartner dargestellt worden - darauf kommt eis an -, und wie nachhaltig sind die Konsequenzen dargelegt worden? Ich habe mich bei meinem Besuch bemüht, dies zu tun. Ich habe nach meinem Besuch gesagt, daß, wenn Chile die DDR anerkennt, der Abbruch der Entwicklungshilfebeziehungen sicherlich nicht das geeignetste Instrument ist, weil ich nicht daran glaube, daß wir in der Entwicklungspolitik weiterkommen, wenn wir weiße Gebiete auf der Landkarte schaffen. Ich bin mir aber ebenso klar darüber, daß die Präsenz der DDR, die nicht zur Koexistenz, sondern zur Konfrontation gesonnen ist, uns in ernste Schwierigkeiten bringt. Deshalb meine ich, es wäre besser gewesen, wenn Herr Staatssekretär Sohn als Staatssekretär des BMZ, das für Entwicklungspolitik zuständig ist, bei seinem Besuch in Chile gerade auf diesem Punkt besonders hingewiesen hätte. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst noch ein Wort zu Chile. Der Herr Bundesaußenminister hat mir ausdrücklich mitgeteilt, daß der Staatssekretär Professor Sohn nach den Berichten, die er offiziell vom Botschafter in Santiago de Chile bekommen hat, dort die Linie der Bundesrepublik völlig korrekt vertreten hat, also auch vor der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der DDR gewarnt hat. Ein Zweites. Herr Kollege Gewandt, könnte es nicht sein, daß der Widerspruch, den Sie heute hier dargestellt haben, gar nicht so groß ist, wie Sie glauben? Sie haben, wenn ich es aus dem Gedächtnis richtig zitiere - Sie dürfen mich sonst gern korrigieren -, gesagt, der chilenische Außenminister habe vor dem Senat mitgeteilt, die Bundesregierung habe keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die Anerkennung der DDR, sondern nur gegen den Zeitpunkt der Anerkennung. Ich kann mir vorstellen, daß ein Außenminister, dem man in der Bundesrepublik sagt: Lieber Freund, es mag ja einmal ein Zeitpunkt kommen, wo wir gegen eine solche Maßnahme nichts mehr einzuwenden haben, aber jetzt ist dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen!, dann, wenn er ins Gedränge kommt, ähnliche Äußerungen, wie ,das in diesem Fall geschehen ist, Äußerungen, die ja in der Sache, nicht unbedingt falsch sind. Ich glaube, daß sich daraus der Widerspruch erklären läßt, von dem Sie gesprochen haben. ({0}) - Nein, das widerspricht nicht Herrn Moersch. Herr Moersch hat nur klargemacht - was ich übrigens auch dem Senator Miranda gesagt habe -, daß wir in der Bundesrepublik diese Aufnahme der diplomatischen Beziehungen als eine Belastung der Partnerschaft empfinden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des. Abgeordneten Werner?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist es nicht möglich, daß Ihr Staatssekretär zu den Vorwürfen, die hier erhoben worden sind, selbst Stellung nimmt?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Soweit ich weiß, widerspricht das der Geschäftsordnung dieses Hauses. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Petersen?

Peter Petersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001699, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Dr. Eppler, könnte dieses ganze Dilemma in verschiedenen Teilen der Dritten Welt im Zusammenhang mit der Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR nicht darauf zurückzuführen sein, daß die Bundesregierung seit der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 den Eindruck erweckt, als ob sie es für möglich halte, mit der DDR in der Dritten Welt zu einem geregelten Miteinander zu kommen, was sich inzwischen ja wohl als Illusion erwiesen hat?

Dr. Dr. h. c. Erhard Eppler (Minister:in)

Politiker ID: 11000484

Herr Kollege Petersen, wenn ich jetzt nicht an bestimmte Formen der Vertraulichkeit gebunden wäre, könnte ich Ihnen jetzt mindestens zwei Staaten nennen, die eigentlich die Absicht hatten, im Jahr 1969 die DDR anzuerkennen, und die dies nachher nur deshalb nicht getan haben, weil sie die Deutschlandpolitik dieses Bundeskanzlers nicht stören wollten. Ich hoffe, daß Sie mir das einfach glauben. Und dies sind sicherlich nicht die einzigen. ({0}) - Nein, es gibt sogar noch ein anderes Land, wo ich nicht mit den Leuten gesprochen habe, wo wir in der alten Bundesregierung damit gerechnet haben - und ein sehr großes Land -, daß es im Herbst 1969 die DDR anerkennt. Es hat bis heute die DDR nicht anerkannt, und zwar aus denselben Gründen, die ich eben für die anderen beiden angeführt habe. Aber nun noch einige Bemerkungen zum Deutschen Entwicklungsdienst. Was mit dem friedlichen Revolutionär gemeint sein kann, dazu haben ja Sie, Herr Kollege Gewandt, einiges gesagt. Es gibt im Deutschen Entwicklungsdienst ganz verschiedene junge Menschen. Es gibt solche, die diesen Dienst noch als reinen Fachdienst verstehen, und es gibt andere, die diesen Dienst als eine Möglichkeit verstehen - wie sie sagen -, gesellschaftliche Strukturen in den Entwicklungsländern zu ändern. Herr Kollege Roser, wenn Sie meine Straßburger Rede einmal daraufhin durchlesen, werden Sie feststellen, daß ich versucht habe, diesen jungen Menschen zu sagen: Ich verstehe ja euren Impuls, Strukturen zu ändern, aber, bitte, wenn ihr das versucht, dann tut das durch eure praktische Arbeit im Projekt, sei es nun eine Handwerkergenossenschaft oder sei das ein medizinisches Projekt, aber tut es bitte nicht in der VV eise, daß ihr euch in die inneren Auseinander setzungen des Entwicklungslandes einmischt. Schließlich noch, Herr Kiep: ich glaube, daß mein Ministerium vielleicht das einzige ist, das in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit Angriffe gegen den Minister finanziert. Es geht heute ganz bestimmt nicht darum, daß ich der Opposition die Rolle eines Bundesbeauftragten für Opposition zuteilen möchte. ({1}) - für Oppositionswesen, gut! -, weil ich hier besonders empfindlich bin. Es geht auch nicht darum, daß es aus dem Wald ebenso herausschallt, wie man hineinruft, sondern es geht um das, was Herr Kollege Breidbach gesagt hat. Er hat von der schweigenden Mehrheit in unserem Volk gesprochen, die mit Entwicklungshilfe nicht so übermäßig viel im Sinne hat. Dies hat hinter dem gestanden, Herr Kollege, was ich in meinem einleitenden Beitrag gemeint habe mit dem dünnen Eis, auf dem wir hier alle operieren. Ich glaube, wir sind heute auf diesem Eis ein bißchen mehr herumgetrampelt, als nötig und gut war. Dies war meine Sorge in bezug auf die Debatte. Aber lassen Sie mich zum Schluß noch etwas sagen über eine andere Sorge. Vielleicht verstehen Sie dann auch, warum ich in einigen Punkten gereizt reagiert habe. Diese Sorge, die ich insgesamt in bezug auf die Länder der Dritten Welt habe, steht in einem eigentümlichen Widerspruch und Abstand zu dem, was und wie wir heute teilweise diskutiert haben. Es könnte ja sein, daß die Dekade, die wir jetzt anfangen, die wir unter schrecklichen Schwierigkeiten anfangen, nicht die Dekade einer großen gemeinsamen Anstrengung wird, nicht die Dekade eines raschen wirtschaftlichen Wachstums und sozialen Ausgleichs. Es könnte ja sein, daß dies eine Dekade der Enttäuschung, der Verbitterung, ja vielleicht eine Dekade der Gewalttätigkeiten wird. ({2}) Es könnte ja sein, daß wir in eine Eskalation des Mißbehagens hineinlaufen, daß nämlich wir in den Industrieländern Mißbehagen fühlen gegenüber dem, was etwa jetzt an Gewalt in Pakistan und anderswo aufbricht, und daß dadurch unsere Bereitschaft in den Industrieländern immer weiter abnimmt, hier zu helfen, und daß umgekehrt das Mißbehagen dort immer größer wird an der Haltung, die wir, die Industrieländer, auf Grund unseres Mißbehagens zeigen. Das heißt, ich fürchte die Eskalation des Mißbehagens. Wir haben Strategien. Es hat mir ein bißchen weh getan, daß wir darüber heute so wenig geredet haben. Einige haben das ja getan. Wir haben Strategien der Welternährungsorganisation für die Ernährung, wir haben Strategien für das wirtschaftliche Wachstum. Aber seien wir doch ehrlich: wir haben keine vernünftige Strategie für das Thema Bevölkerungswachstum, wir haben - mit „wir" meine ich jetzt alle miteinander - keine vernünftige Strategie in bezug auf Beschäftigung, wir haben keine vernünftige Strategie in Sachen globaler Umweltschutz. Frau Kollegin Lauterbach hat über Arbeitslosigkeit gesprochen. Ich will Ihnen noch eine andere Zahl nennen: in Indien werden in dieser Dekade insgesamt 170 Millionen Menschen fünfzehn Jahre alt, streben also in den Arbeitsprozeß hinein. Man hat ausgerechnet, daß hier nur geholfen werden kann, wenn im Augenblick wöchentlich 100 000 Arbeitsplätze neu geschaffen werden und gegen Ende der Dekade etwa 140 000. Jeder weiß, daß so, wie die Dinge liegen, nicht einmal die Hälfte dessen geleistet werden kann. Wir wissen, daß heute etwa 60 % der jungen Menschen in Städten arbeitslos sind. Wir wissen, daß der Zuwachs der Bevölkerung nicht nachläßt, sondern von 2,5 auf 2,7, 2,8, möglicherweise auf 3,0 % ansteigt. Die Anstrengungen in der Familienplanung laufen nur noch darauf hin, wieder auf etwa 2,5 % herunterzukommen. Das aber bedeutet ja schon eine Verdopplung innerhalb von 20 bis 25 Jahren. Die Kinder, die heute geboren werden, werden, wenn sie ins Rentenalter kommen, diesen Globus höchstwahrscheinlich mit 12 Milliarden Menschen teilen. Nun kommt es aber nicht nur darauf an, daß diese 12 Milliarden zu essen haben. Dies wäre vielleicht mit modernen Methoden noch zu leisten. Aber niemand weiß, wie sie beschäftigt, niemand weiß, wie sie erzogen, niemand weiß, wie sie behaust werden sollen. Niemand weiß, wie das mit unserer Biosphäre aussieht, von der man heute so viel redet. Ganz sicher ist, daß diese Biosphäre es schon heute nicht aushalten würde, wenn die jetzt lebenden Menschen einen Konsum hätten wie etwa die Bewohner der Vereinigten Staaten. Schon heute wäre dieser Globus dann unbewohnbar. Wenn Sie nun alles das, was da so an uns heranrückt, sehen, spüren Sie ja auch, daß Entwicklungshilfe nicht ein Hobby für ein paar Idealisten ist, nicht eine Pflichtübung, die man irgendwie erledigen muß, auch kein Ablaßpfennig der reichen Welt, sondern eine Dimension unserer gesamten Politik, wenn wir die Zukunft sicher wollen. Ich sage dies jetzt hier im 6. Bundestag, weil ich sicher bin, daß dies spätestens im 8. Bundestag die Spatzen von den Dächern pfeifen werden. Dann aber soll das wenigstens im Protokoll nachzulesen sein. Entwicklungshilfe muß eine Dimension unserer Handelspolitik werden. Herr Rosenthal hat heute dazu ganz kurz einiges gesagt. Sie muß wahrscheinlich ein Teil unserer EWG-Strukturpolitik werden. Entwicklungspolitik muß eine Dimension unserer Agrarpolitik werden. Denken Sie etwa nur an das Thema Zucker! ({3}) - Nein, gerade nicht, Herr Kollege Wulff. Aus dem, was ich jetzt sage, möchte ich nicht die geringste Kompetenzerweiterung ableiten, weil gerade das zeigt, daß man dies alles nicht in einem Ministerium unterbringen kann. Entwicklungshilfe muß eine Dimension unserer Bildung werden. Unsere jungen Menschen müssen merken, in welche Welt sie hineingehen. Die Kinder, die jetzt in die Schule kommen, werden im Jahre 2000 noch wesentlich jünger sein, als Sie und ich, Herr Kiep, jetzt sind. ({4}) - Wir sind zufällig vom selben Jahrgang. - Deshalb muß Entwicklungshilfe, wie gesagt, eine Dimension unser Bildung werden. Sie muß vielleicht auch noch eine Dimension unserer Sicherheits- und Friedenspolitik werden, viel stärker, als wir das heute sehen. Denken Sie nur an den arabischen Raum, denken Sie an den indischen Subkontinent. Sie muß unter Umständen sogar eine Dimension der Verkehrspolitik werden. Es gibt eine Zahl, die besagt, daß es heute zwar schon eine halbe Million Autos in Indien gibt, daß es aber, gemessen am deutschen Standard, dort heute eigentlich bereits 150 Millionen Autos geben müßte. Kein Mensch kann sich vorstellen, wie Indien das im Hinblick auf den Umweltschutz verkraften würde. Was aber bedeutet es für uns, wenn wir den Indern sagen müssen: Diese Art von Verkehr werdet ihr euch nicht leisten können? Es ist richtig, daß uns allen das Hemd näher ist als der Rock. Aber es könnte sein, daß wir in ein Klima hineingehen, das so kalt ist, daß wir im Hemd allein frieren oder gar erfrieren werden. Wir haben in der Bundesrepublik eine Menge Aufgaben. Aber manches von dem, was wir heute als notwendig, pragmatisch oder realistisch ansehen, werden wir vielleicht schon zum Ende der Debatte als illusionär betrachten müssen. Vor 200 Jahren war das nächste Dorf das, was draußen war. Vor 100 Jahren war für uns Schwaben Berlin draußen. Jetzt ist für uns Lima oder Dacca draußen, und in absehbarer Zeit ist draußen wohl nur noch der Mond. Lassen Sie mich deshalb zum Schluß noch etwas von jemandem zitieren, dessen Buch ich ansonsten nicht nur hilfreich gefunden habe. Claus Jacobi schreibt: Das Schicksal der unterentwickelten Welt ist unser Schicksal. Das mögen wir beklagen; ändern können wir es nicht. Dieser Planet Erde hat auf seiner Reise durch die Unendlichkeit die Intimität, die Gemeinschaft und die Verwundbarkeit eines Raumschiffes gewonnen. Die Besatzung vom Raumschiff Erde wird gemeinsam überleben oder gemeinsam zugrunde gehen. Diese Art internationaler Verantwortung scheint mir heute ein Gebot nationaler Klugheit zu sein. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Kiep.

Dr. h. c. Walther Leisler Kiep (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001094, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Eppler, wenn es uns nicht genauso ginge wie Ihnen und wir nicht ähnlich dächten, wie Sie es soeben dargestellt haben, säßen wir wahrscheinlich heute abend nicht hier. ({0}) Wenn wir die Entwicklungspolitik nicht so ernst nähmen und die Probleme der jetzt beginnenden Dekade nicht so sähen, wie Sie es gerade in sehr drastischer, aber meiner Ansicht nach in keineswegs übertriebener Weise geschildert haben, wären unser Engagement und unsere Sorge um die Bewältigung dieser Probleme nicht so groß. Aber gerade weil wir uns in einer Phase des Unbehagens befinden, weil sich die Menschen draußen im Lande fragen, warum Entwicklungspolitik, wenn in Pakistan trotzdem Kriege stattfinden, warum Entwicklungspolitik, wenn hier und dort Tausende von Menschen verhungern wenn Entwicklungspolitik Frieden bringen soll, müßte es sich doch bier zeigen; sie bringt keinen Frieden, also ist sie nicht gut -, müssen wir dafür sorgen, daß in unserer Bevölkerung die Überzeugung wächst, daß verantwortungsbewußte Entwicklungspolitik gemacht wird. Deshalb verstehe ich nicht - ich begrüße es natürlich, daß Sie zum Schluß wieder einen versöhnlichen Ton in die Debatte eingeführt haben -, daß Sie, Herr Dr. Eppler, in Ihrer Einlassung heute gesagt haben, Sie hätten es schmerzlich empfunden, daß wir am Anfang auf Probleme zu sprechen gekommen seien. Wir sind doch deshalb auf diese Probleme zu sprechen gekommen, weil es einfach notwendig ist, die Entwicklungshilfe so effizient zu gestalten, daß die Steuergelder, die dafür verwandt werden, wirklich zu dem Ziel führen, daß wir uns gesetzt haben, und daß keiner Zweifel darüber haben darf, daß deutsche Entwicklungspolitik mit der allergrößten Sorgfalt und mit allen Erkenntnissen, die uns zugänglich sind, durchgeführt wird. Darauf kommt es doch schließlich auch in der öffentlichen Auseinandersetzung heute in erster Linie an. Wenn ich mir einmal vor Augen führe, was Sie eben über die Probleme dieser Welt, in der wir uns befinden und mit der wir, ob wir es wollen oder nicht, unlösbar verbunden sind, gesagt haben, und wenn ich dann unsere Anstrengungen sehe, zur Lösung dieser Probleme beizutragen, sprich: unsere Entwicklungspolitik - denn unsere Entwicklungspolitik ist der einzige Sektor unserer Politik, die sich tatsächlich heute schon mit der Lösung dieses Weltproblems befaßt; alles andere ist mehr oder weniger auf heute und morgen und auf unsere Bedürfnisse im eigenen Lande gerichtet -, wenn ich mir das also vor Augen führe, wird mir die ungeheuerliche Diskrepanz zwischen der Größe der Probleme und den von uns zu ihrer Lösung eingesetzten Mittel klar. Da meine ich, kommt nicht nur die Frage, wieviel Geld wir einsetzen, sondern da kommt unausweichlich die Frage auf uns zu: Welche organisatorischen Voraussetzungen schaffen wir? Wir können doch nicht Entwicklungsländer organisieren, ihnen den Weg zum Aufbau zeigen, zum Aufbau in wirtschaftlicher Beziehung, zum Aufbau auch für die Menschen, zur Veränderung der Strukturen, über die wir heute gesprochen haben, und gleichzeitig eine Entwicklungspolitik betreiben, die sich an Strukturen klammert, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Das ist doch der Zweck unserer Einlassung. Diese Entwicklungspolitik ist eine ressortübergreifende Aufgabe - Sie haben es völlig richtig geschildert -, aber, Herr Eppler, sollen wir vielleicht an der Tatsache vorbeigehen, daß heute, während wir hier debattieren - und Sie müssen mir das zugeben - z. B. unsere technische Hilfe nicht so läuft, nicht so überwacht wird, der Erfolg nicht so kontrolliert wird, wie es eigentlich notwendig wäre? Wir wissen es doch, Sie wissen es, und ich weiß es; ich weiß es seit drei oder vier oder fünf Jahren, und Sie wissen es auch schon lange. Wir haben unter früheren Regierungen über diese Dinge gesprochen, und ich fürchte, wir werden auch unter der nächsten Regierung wieder darüber sprechen. Wir müssen darüber sprechen. Wir können doch nicht angesichts der Größe der Probleme, die vor uns stehen, schweigen über Zustände, die bei uns sichtbar werden und die wir beseitigen müssen, wenn wir überhaupt zu einem Ansatz in der Lösung der wirklich großen Probleme kommen wollen. Ich kann nicht verstehen, daß Sie das als ein Treten auf dünnem Eis betrachten, daß Sie davor Angst haben, daß Sie Angst haben, daß die Menschen draußen vielleicht sagen könnten: Wenn die sich schon so über die Methode streiten, dann ist womöglich an der Entwicklungspolitik etwas faul. Nein, ich meine vielmehr, die Leute draußen werden sagen: Diese Leute machen sich Gedanken darüber, daß das, was wir an Steuergeldern in die Entwicklungspolitik einbringen, so effizient wie möglich verwandt wird. Es war unser Anliegen, dies heute deutlich zu machen. Betrachten Sie einen Teil unserer Bemühungen hier heute im Plenum des Deutschen Bundestages auch als den Versuch, Ihnen in den Auseinandersetzungen, die Sie sicherlich in der Bundesregierung haben, die der nächste Bundesminister in der nächsten Bundesregierung haben wird, etwas Rückenwind in dem Bemühen zu geben, der Entwicklungshilfe im Rahmen der Bundesregierung die nötige Priorität zu geben. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache. Es liegt der Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Umdruck 171 *) vor. Wird Überweisung beantragt? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. s) Siehe Anlage 6 Ich rufe die Punkte 10 bis 18 der Tagesordnung auf : 10. Erste Beratung des von den Abgeordneten Bockelberg, Gewandt, Lampersbach, Stücklen, Frau Griesinger, Rollmann, Ott, Josten, Dr. Luda und Genossen eingebrachten Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes - Drucksache VI/2047 11. Erste Beratung des von den Abgeordneten Röhner, Kiechle, Stücklen, Struve, Ehnes, Dr. Ritz, Bewerunge, Dr. Althammer und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes - Landwirtschaft - Drucksache VI/2051 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kennzeichnung von Bleikristall und Kristallglas ({0}) - Drucksache VI/2073 13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehender Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen - Drucksache VI/2114 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung der Leistungen der Zusatzversorgungsanstalten des öffentlichen Dienstes - Drucksache VI/2095 15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesstatistik für das Hochschulwesen ({1}) - Drucksache VI/2115 -16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Januar 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über den Luftverkehr - Drucksache VI/2119 -17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen - Drucksache VI/2120 17. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 121 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 8. Juli 1964 über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten - Drucksache VI/2097 Vizepräsident Dr. Jaeger Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um einen Augenblick Geduld, wir werden die Tagesordnung bald abgewickelt haben. Es handelt sich bei den Tagesordnungspunkten um von Mitgliedern des Hauses und von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch, es ist so beschlossen. Damit ist überwiesen der Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes an den Rechtsausschuß - federführend -, den Finanzausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend -; der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes an den Finanzausschuß - federführend -, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ferner an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung; der Entwurf eines Kristallglaskennzeichnungsgesetzes an den Ausschuß für Wirtschaft; der Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen an den Ausschuß für Wirtschaft; der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung der Leistungen der Zusatzversorgungsanstalten des öffentlichen Dienstes an den Innenausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mitberatend - sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß; der Entwurf eines Hochschulstatistikgesetzes an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft-federführend -, den Innenausschuß - mitberatend - sowie den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung; der Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen über den Luftverkehr mit dem Königreich Jordanien an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen; der Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag mit dem Spanischen Staat über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen an den Auswärtigen Ausschuß - federführend - sowie an den Rechtsausschuß - mitberatend -; der Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 121 der Internationalen Arbeitsorganisation über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Die Punkte 19 und 20 der Tagesordnung werden am Freitag behandelt. Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: 21. Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer 264 ha großen Teilfläche des Rüstersieler Grodens in Wilhelmshaven an die Alusuisse Atlantik GmbH - Drucksache VI/2038 Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe die Punkte 22 bis 29 auf: 22. Beratung des Mündlichen Berichts des Haushausausschusses ({2}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hauser ({3}), Dr. Pohle, Leicht, Frau Schanzenbach, Porzner, Spitzmüller, Bremm, Röhner und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 08 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen - Umdruck 157, Drucksache VI/2045 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bülow 23. Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Haushaltsgesetz 1971 - Umdruck 145, Drucksache VI/2046 -Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf ({5}) 24. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier : Einzelplan 10 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Umdruck 70, Drucksache VI/2033 - Berichterstatter: Abgeordneter Vit 25. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({7}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EG für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung und den Handel mit natürlichen Mineralwässern - Drucksachen VI/816, VI/2024 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. von Bismarck 26. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({8}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung ({9}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden - Drucksachen VI/1715, VI/2031 6814

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordneter Dr. Schäfer ({0}) 27. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der EG-Kommission für eine Verordnung ({2}) des Rates mit den allgemeinen Regeln für die Bestimmung des bei der Berechnung des Rücknahmepreises für bestimmte Fischereierzeugnisse zugrunde zu legenden Hundertsatzes des Orientierungspreises eine Verordnung ({3}) des Rates über die Erstattung bei der Erzeugung für Olivenöl zur Herstellung von bestimmten Konserven eine Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 1052/68 über die Regelung für die Einfuhr und die Ausfuhr von Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnissen eine Verordnung ({6}) des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Fischereierzeugnissen und über die Kriterien für die Festsetzung der Erstattungsbeträge eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Beihilfe für Flachs und Hanf eine Verordnung ({7}) des Rates über die Bestimmung des Ursprungs von Fleisch und genießbarem Schlachtabfall von bestimmten fleischliefernden Haustieren, frisch, gekühlt oder gefroren - Drucksachen VI/1599, VI/1648, VI/1632, VI/1691, VI/1769, VI/1787, VI/2034 -Berichterstatter: Abgeordneter Rainer 28. Beratung des Schriftlichen Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({8}) über den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu ,dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften über den. Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vorn 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften und des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften - Umdrucke 85, 86, Drucksache VI/2065 -Berichterstatter: Abgeordneter Schwabe 29. Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Riedl ({10}), Dr. Althammer, Frau Tübler, Geisenhofer und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier : Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - Umdruck 149 ({11}), Drucksache VI/2086 -Berichterstatter: Abgeordneter Säckl Es handelt sich um Berichte der Ausschüsse über Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowie über Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache verlangt? - Auch das ist nicht der Fall. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die Punkte gemeinsam abstimmen? ({12}) - Dann werde ich zunächst über die Punkte 22 bis 29 mit Ausnahme des Punktes 24 abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Jetzt kommen wir zu Punkt 24. - Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende unserer heutigen Arbeit. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf morgen, Donnerstag, den 29. April 1971, 14 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.