Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sich durch die Brüsseler Preisbeschlüsse vom 25. März 1971 die Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft spürbar verbessern wird.
Ich glaube, Herr Präsident, es ist zweckmäßig, daß ich die zweite Frage gleich mit beantworte, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, haben Sie Bedenken?
Wenn es möglich ist, möchte ich erst eine Zusatzfrage stellen.
Präsident von Hassel: Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Zusatzfragen, ob zusammen aufgerufen wird oder getrennt, das ist für Ihre Situation gleichgültig. Einverstanden?
Einverstanden.
Präsident von Hassel: Dann wird auch die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz aufgerufen
Wie hoch beziffert die Bundesregierung die durch die Preisbeschlüsse zu erwartende Einkommensverbesserung global und differenziert nach Produkten?
Eine zuverlässige Berechnung der zu erwartenden Einkommensverbesserungen ist im voraus nicht möglich, weil die Auswirkungen der Preisbeschlüsse in starkem Maße von der Entwicklung der Marktsituation bei den einzelnen Erzeugnisse beeinflußt werden. Davon wird es auch abhängen, ob die Marktpreise im Wirtschaftsjahr 1971/72 wiederum über dem Interventionspreisniveau liegen werden. Die Einkommensverbesserungen können daher nur unter einer bestimmten Annahme geschätzt werden.
Um die Zufälligkeiten eines Wirtschaftsjahres auszuschalten, wurde als Vergleichsbasis das durchschnittliche Preis- und Mengengerüst der drei Wirtschaftsjahre 1967/68 bis 1969/70 gewählt. Nach diesen Schätzungen sind auf Grund der Preisbeschlüsse und der Erhöhung der Beihilfen für flüssige Magermilch und für Magermilchpulver sowie unter Berücksichtigung der höheren Ausgaben für zugekauftes Futtergetreide Einkommensverbesserungen von rund 800 Millionen bis 900 Millionen DM zu erwarten. Das sind rund 3 % der Verkaufserlöse und rund 5 % der Wertschöpfung der Landwirtschaft.
Zum Teil 2 Ihrer Frage darf ich einleitend folgendes bemerken. Hierbei handelt es sich nur um die unmittelbaren Auswirkungen der Preiserhöhungen sowie die Auswirkungen auf die Veredelungsproduktion, soweit sie sich aus dem verfütterten Inlandsgetreide ergeben. Infolge der Preisinterdependenzen kann aber damit gerechnet werden, daß darüber hinaus sich zumindest längerfristig noch weitere einkommensverbessernde Effekte ergeben.
Bei den einzelnen Produkten werden folgende Mehreinnahmen, Kostensenkungen und Mehrausgaben geschätzt: Getreide einschließlich verfüttertes Inlandsgetreide etwa 140 Millionen DM, Milch etwa 550 Millionen DM, Rinder etwa 160 Millionen DM, Kälber etwa 10 Millionen DM, Erhöhung der Beihilfen für flüssige Magermilch und Magermilchpulver etwa 50 Millionen DM, abzüglich Mehrkosten für zugekauftes Futtergetreide etwa 40 Millionen DM. Das ergibt schätzungsweise Einkommensverbesserungen zwischen 800 und 900 Millionen DM auf Grund der Brüsseler Beschlüsse vom 25. März 1971.
Berücksichtigt man die oben genannten Überlegungen, sind weitere Einkommensverbesserungen
möglich, die sich gegenwärtig aber nicht quantifizieren lassen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Bundesminister, haben bei den Preisberatungen in Brüssel auch die unterschiedlichen Kostensteigerungen in den Mitgliedsländern eine Rolle gespielt, und wenn ja, welche?
Ich kann nur sagen, daß die deutsche Delegation die Kommissionsvorschläge als nicht befriedigend bezeichnet hat. Maßgeblich dafür waren auch die Kostensteigerungen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Bundesminister, wie haben Sie die unterschiedlichen Wirkungen von Interventionspreisen, Orientierungspreisen und Richtpreisen bei der Gesamtberechnung, die Sie uns vorgetragen haben, berücksichtigt?
Ich habe Ihnen schon in meiner Antwort erklärt, daß ich natürlich bei meiner Schätzung mit dem Unsicherheitsfaktor rechnen muß, ob die Preise nach der neuen Ernte ebenso wie heute über dem Interventionspreis liegen oder diesem entsprechen werden. Das kann man eben nur schätzen, aber nie genau quantifizieren, Herr Kollege.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Müller-Hermann.
Herr Minister, haben Sie bei Ihren Brüsseler Gesprächen auch darauf hingewiesen, daß nach allen statistischen Unterlagen, die uns derzeit vorliegen, bedauerlicherweise gerade bei den industriellen Erzeugerpreisen mit einem weiteren Anstieg im Laufe dieses Jahres zu rechnen ist und welche Auswirkungen das insbesondere auf die Landwirtschaft hat?
Herr Kollege Müller-Hermann, ich glaube, ich habe diese Frage schon beantwortet. Ich habe namens der deutschen Delegation die Kommissionsvorschläge als nicht ausreichend bezeichnet und durchgesetzt, daß vor allem wegen der Kostensteigerungen die Beschlüsse über die Kommissionsvorschläge hinausgingen. Das war ein maßgeblicher Grund für die Verhaltensweise der deutschen Delegation.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß die effektiv zu
Dr. Schmidt ({0})
erzielenden Preise in diesem Jahr von der Marktlage ganz allgemein und insbesondere von der Vorratslage abhängen werden?
Selbstverständlich! Ich glaube, daß die Bundesregierung, seitdem sie im Amt ist, ihren Teil dazu beigetragen hat, die verschiedenen „Berge" abzubauen, was sich auf den Markt sicherlich nicht ungünstig ausgewirkt hat.
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Herr Minister, wie beurteilen Sie die Auswirkungen der unausweichlich notwendig gewordenen Anhebung der agrarischen Erzeugerpreise auf den Lebenshaltungskostenindex?
Ich kann das noch nicht genau berechnen. Aber es ist sicherlich so, daß sich dadurch der Lebenshaltungskostenindex erhöhen wird. Das hat die Bundesregierung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit auch klar zum Ausdruck gebracht. Sie hofft, dabei die volle Unterstützung der Opposition zu bekommen.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Bittelmann.
Herr Bundesminister, sind bei den Preisverhandlungen die unterschiedlichen Kostensteigerungen bei Löhnen und Produktionsmitteln in den anderen EWG-Ländern berücksichtigt worden, und wie sieht im Augenblick die Kostensteigerung in diesen Ländern verglichen mit der in der Bundesrepublik aus?
Herr Kollege Bittelmann, diese Frage zu beantworten würde weit über die Fragestunde hinausgehen. Ich bin aber gern bereit, sie Ihnen schriftlich zu beantworten. Sie werden dann feststellen, daß es in anderen Ländern zum Teil größere Kostensteigerungen gibt. Natürlich gibt es auch geringere Kostensteigerungen. Ich bin, wie gesagt, gern bereit, Ihnen diese Frage im Detail schriftlich zu beantworten.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Niegel.
Herr Bundesminister, welche Gründe waren maßgebend dafür, daß man die Beihilfe für Futtermagermilchpulver um 57,5 % erhöht hat, wie in Ihrem Pressedienst mitgeteilt wurde, während die Beihilfe für flüssige Magermilch nur um 10 % erhöht worden ist? Bedeutet dies, daß in einigen Bundesländern, z. B. in Schleswig-Holstein und in Bayern, wo in den bäuerlichen Betrieben vor
allem flüssige Magermilch verwendet wird, eine höhere Belastung als in anderen Ländern entsteht?
Von einer Belastung kann nicht gesprochen werden, weil wir eine Erhöhung haben. Die Erhöhung ist auf deutsches Drängen durchgesetzt worden.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Niegel.
Herr Bundesminister, wenn Sie bei den Beschlüssen von einer Erhöhung des Rinderorientierungspreises bereits im nächsten Jahr ausgehen, kann man dann daraus schließen, daß Kommission oder Ministerrat im nächsten Jahr nicht bereit sind, Preiserhöhungen zu beschließen?
Ich weiß nicht, was die Kommission im nächsten Jahr vorschlägt, aber ich nehme an, daß sie sich an die Termine der Marktordnungen hält.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, da Sie selbst hier im Bundestag immer wieder die Frage der kostendeckenden Preise als das zentrale Problem der Agrarpolitik überhaupt bezeichnet haben, darf ich Sie fragen, inwieweit Sie unter Einschluß der Brüsseler Beschlüsse, die Sie uns soeben vorgetragen haben, bei welchen Produkten diesem Ziel der kostendeckenden Preise in Ihrer Amtszeit nähergekommen sind.
Ich darf Ihnen dazu sagen, nachdem Sie mich immer so gerne interpretieren, verehrter Herr Kollege Schulze, ich werde darüber im nächsten Agrarbericht schriftlich genau Auskunft geben.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.
Darf ich noch einmal fragen, bei welchen Produkten Sie, Herr Minister, nach Ihrer Kenntnis in Ihrer Amtszeit Ihrem Prinzip der kostendeckenden Preise nähergekommen sind.
Sie brauchen nur den letzten Agrarbericht zu lesen, verehrter Herr Kollege Schulze-Vorberg.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Bewerunge.
Herr Minister, im Anschluß an die Frage des Herrn Kollegen Dr. Schmidt über die Vorratslage und Preisgestaltung: Sind bei der Festlegung dieser Preise die verschiedensten Auswirkungen von Auf- und Abwertungen berücksichtigt worden, um zu einer Preisfindung zu kommen?
Herr Kollege, ich weiß nicht, was die Vorratshaltung mil. Auf- und Abwertung zu tun hat. Ich weiß nur, daß infolge der Abwertung des Franc im August 1969 das französische Getreide in Massen nach Deutschland geflossen ist und wir uns bemühen mußten, es wieder hinauszubringen.
({0})
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Bewerunge.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß durch die Verlagerung der Handelsströme hier ein Preisdruck entstanden ist, der mit den von Ihnen fixierten Preisen nachher nicht mehr in Übereinstimmung stehen wird?
Nein, ich kann diese Auffassung nicht teilen. Man könnte höchstens sektoral Überlegungen darüber anstellen. Ich gebe zu, daß da und dort, insbesondere an der niederländischen Grenze, solche Probleme aufgetaucht sein können.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Früh.
Herr Minister, darf ich Sie in Ergänzung der eben gestellten Frage von Herrn Bewerunge fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß z. B. in den Stuttgarter Großraum vor der Aufwertung kein einziges lebendes Schwein kam, aus Belgien nach der Aufwertung aber wöchentlich 800 bis 1000 lebende Schweine kommen.
Herr Kollege Früh, ich glaube, ich muß doch ausführlicher auf die Frage eingehen. Zunächst, meine ich, sind die Agrarmarktordnungen so beschlossen, daß man dem günstigen Standort den Vorrang gibt. Ich glaube, es ist bei manchen Kollegen vergessen worden, daß das im Prinzip der EWG-Marktordnungen so festgelegt worden ist. Ich nehme an, daß die Opposition als maßgeblich dafür verantwortliche frühere Regierungspartei diesen Grundsatz heute nicht ableugnet.
Zweitens möchte ich dazu sagen, daß sich die Produktion von Schweinen in der EWG beachtlich ausgedehnt hat. Weil die Preise in Belgien und in den Niederlanden wesentlich niedriger sind, ist es
möglich, von dort bis nach Stuttgart zu liefern. Mit der Aufwertung hat das relativ wenig zu tun.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Früh.
Herr Minister, darf ich fragen, ob Sie die Ansichten teilen, die man jetzt immer wieder zu hören bekommt, daß die in Brüssel zugestandenen Preiserhöhungen ein erster Schritt seien und diese Politik fortgesetzt werden könnte. Sind Sie auch im Hinblick auf den eventuellen Beitritt anderer Länder dieser Meinung?
Die Bundesregierung wird sich immer bemühen, die Landwirtschaft so gerecht wie nur irgendmöglich zu behandeln.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Struve.
Herr Minister, darf ich aus Ihren Antworten an die Kollegen Bewerunge und Dr. Früh entnehmen, daß Sie die im Augenblick völlig unterschiedlichen Erzeugerpreise - nicht zuletzt zu Lasten der deutschen Landwirtschaft - überhaupt nicht zur Diskussion gestellt haben?
Ich glaube, richtig. Ich glaube, daß Ihre Frage gar nicht im Zusammenhang mit den anderen Fragen steht.
({0})
Bedeutet das, Herr Minister, daß Sie die völlig unterschiedlichen Erzeugerpreise innerhalb der EWG leugnen?
Nein, das habe ich ja gar nicht getan. Ich habe z. B. Herrn Kollegen Früh darauf hingewiesen, daß die Niederländer, weil sie niedrigere Schweinepreise haben, und die Belgier in der Lage sind, bis nach Stuttgart preisgünstiger zu liefern.
Präsident von Hassel: Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Struve.
Bestreiten Sie denn mit Ihrer Antwort, daß das überhaupt nicht im Zusammenhang mit Auf- und Abwertung steht?
Das habe ich nicht gesagt. Das wäre ja verkehrt. Letzten Endes gibt es ja einen Zusammenhang zwischen D-Mark-Aufwertung und Franc-Abwertung. Dieser Zusammenhang ist offensichtlich. Deshalb muß z. B. Frankreich am 1. Juli die Getreidepreise noch einmal zusätzlich erhöhen.
Aber das wurde bereits zugestanden. Daraus ergibt sich eine Differenz. Ich habe Sie vielleicht falsch verstanden. Wir wollen aber doch gerade auf dem Veredelungssektor feststellen: trotz der niedrigen deutschen Schweinepreise sind diese in Belgien und Holland noch niedriger als in Deutschland. Das trägt natürlich zur Marktbeschickung in Deutschland bei.
({0})
Das ist doch das Faktum. Danach hat mich auch Herr Früh gefragt.
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Löffler.
Herr Minister, können Sie angeben, welche Veränderungen der Erzeugerpreise von den Landwirtschaftsministern der CDU/CSU in den zurückliegenden Jahren in Brüssel durchgesetzt worden sind, um eine Anpassung an die auch damals steigenden Kosten in der Landwirtschaft vorzunehmen?
Herr Kollege Löffler, ich bin gern bereit, das einmal in einer Dokumentation zu veröffentlichen.
({0})
Nebenbei darf ich erwähnen, daß hier ein Kollege ist, dem ich, weil er mein Amtskollege ist, zu seinem Geburtstag sehr herzlich gratulieren möchte.
Präsident von Hassel: Ich hatte diese Frage zugelassen, obwohl es in der Dringlichen Mündlichen Frage heißt: „in ihren Auswirkungen auf die Einkommenslage", d. h. also nach vorn und nicht nach rückwärts.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Löffler.
Herr Bundesminister, können Sie in etwa meine eigenen Berechnungen bestätigen, wonach das letztlich in Brüssel erzielte Ergebnis etwa um 100% über der Vorlage der Kommission liegt, so daß sich der Einkommenszuwachs innerhalb der deutschen Landwirtschaft um 100 % gegenüber den Kommissionsvorschlägen verbessert hat?
({0})
Ich kann das so ungefähr bestätigen.
({0})
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Nordenskjöld.
Dr. von Nordenskjöld: ({1}) : Herr Minister, treffen Informationen zu, wonach in Brüssel
42 Stunden über die Strukturmaßnahmen und nur 3 Stunden über Preise verhandelt worden ist?
Herr Kollege, ich hatte nicht die Stoppuhr eingeschaltet, ich kann es nicht sagen. Ich kann nur sagen, daß wir über die Preise sehr, sehr lange verhandelt haben. Aber, das gebe ich zu, wir haben auch sehr lange über die Strukturmaßnahmen verhandelt, weil es nicht zuletzt um deutsche Steuergelder ging.
({0})
Präsident von Hassel: Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ehnes.
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Journalisten in der Höfer-Runde deshalb die Unwahrheit ausgesprochen haben?
Ich habe die Höfer-Runde gar nicht gesehen. Ich kann dazu keine Stellung nehmen.
Präsident von Hassel: Zusatzfragen können sich nur auf Maßnahmen der Regierung und nicht auf die Höfer-Runde beziehen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Eine Zusatzfrage dieser Art kann ich nicht zulassen, jedoch eine Zusatzfrage anderer Art.
Herr Bundesminister, sind Sie, wenn Sie das Parlament unterrichten, bereit, auf die Anfrage des Kollegen Löffler hin auch zu veröffentlichen, wie oft die SPD-Fraktion im Europäischen Parlament Preissenkungen vorgeschlagen hat?
Wir sind hier in der Fragestunde des Deutschen Bundestages. Wegen dieser Sache können Sie sich an das Europäische Parlament wenden.
Präsident von Hassel: Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu. Herr Abgeordneter Mertes!
Herr Minister, erinnere ich mich richtig, daß die CDU/CSU-Fraktion dem Vertrag von Rom einmütig zugestimmt hat, und ist meine Annahme richtig, daß die heutigen Fragen beweisen, daß man die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, damals zumindest wohl nicht richtig überschaut hat?
Sie sehen das völlig richtig.
({0})
Präsident von Hassel: Zur letzten Zusatzfrage Frau Abgeordnete Griesinger.
Herr Bundesminister, nachdem Sie vorhin bestätigt haben, daß man die Preiserhöhungen im Blick auf die Einkommenslage noch nicht quantifizieren kann, möchte ich Sie fragen, ob Sie mit den zugesagten Ergänzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene so lange warten wollen, bis Sie eindeutige Zahlen vorliegen haben, oder ob diese nationalen Ergänzungsmaßnahmen von Ihnen sofort begonnen werden?
Verehrte Frau Kollegin, darauf werde ich antworten, wenn die Frage des Kollegen Röhner aufgerufen wird. Es tut mir leid, aber ich kann dem Herrn Kollegen Röhner nicht vorgreifen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Röhner auf:
Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung die Globalsumme, die über nationale Maßnahmen der deutschen Landwirtschaft als Ergänzung zu den Preisbeschlüssen zuerkannt werden soll, und welche Maßnahmen beabsichtigt sie im einzelnen zu ergreifen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Herr Kollege Röhner, die Bundesregierung beabsichtigt, der deutschen Landwirtschaft neben den in Brüssel beschlossenen Preisverbesserungen zusätzlich weitere Mittel aus Einsparungen bei Kapitel 10 03 im Haushaltsjahr 1971 zur Verfügung zu stellen. Dabei denke ich an einen Betrag in einer Größenordnung von rund 480 Millionen DM. Über die genaue Höhe und die Art der Verwendung soll das Kabinett in seiner morgigen Sitzung beraten. Die Verteilung soll auf Grund von § 5 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes 1971 mit Einwilligung des Haushaltsausschusses vor sich gehen. Dabei wird zu beachten sein, daß die Maßnahmen den Bestimmungen des EWG-Vertrages nicht zuwiderlaufen, zur Überbrückung der aktuellen Schwierigkeiten eingesetzt werden, über § 5 Abs. 4 des Haushaltsgesetzes 1971 verwirklicht werden können und verwaltungsmäßig schnell durchzuführen sind. Ohne dem Kabinettsbeschluß vorgreifen zu wollen, möchte ich hinzufügen, daß die kostenmäßige Entlastung der deutschen Landwirtschaft durch eine ausgewogene Mischung von struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen angestrebt werden soll.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Röhner.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß regierungsintern der zusätzliche landwirtschaftliche Einkommensverlust infolge der derzeitigen Preis-Kosten-Schere auf etwa 1,7 Milliarden DM beziffert worden ist, und ist damit nicht die Situation gegeben, daß unter Zugrundelegung der erwarteten Mehreinnahmen durch die Preisbeschlüsse von Brüssel und die von Ihnen soeben genannte Summe von 480 Millionen DM für zusätzliche nationale Maßnahmen die Schließung dieser Preis-Kosten-Schere nicht in ausreichender Weise erfolgen kann?
Unsere Schätzungen liegen zwischen 1,3 und 1,7 Milliarden DM; aber sie sind eine reine Schätzung, weil niemand den Marktablauf bis zum Ende des Wirtschaftsjahres vorhersagen kann. Hier gilt dasselbe, was bereits im vorigen Jahre gegolten hat: Als ich im vorigen Jahr bezüglich der Aufwertung hier Rede und Antwort stehen mußte, wurde auch immer davon gesprochen, wie schlimm es sich auswirken werde. Hinterher stellte sich heraus, daß es doch nicht so schlimm wurde. wie es in diesem Hause von verschiedenen Seiten skizziert worden war. Daher kann ich, zumal da wir noch einen Marktverlauf von nahezu vier Monaten vor uns haben, eine genaue und präzise Vorhersage nicht machen.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Bundesernährungsminister, machen Sie sich zumindest im Hinterkopf schon Überlegungen im Blick auf eine mögliche neue Aufwertung als Folge der Devisenzuflüsse, wiederum als Folge der Hochzinspolitik der Bundesbank? Oder ist das völlig abwegig?
({0})
Verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, in meinem Hinterkopf hat sicherlich vieles Platz. Ich glaube aber, der Herr Kollege Mertes hat mit seiner Zwischenbemerkung recht: Je mehr in diesem Hause schon wieder von Aufwertung gesprochen wird, um so mehr wird es möglicherweise auch Aufwertungsspekulationen geben. Ich möchte darum bitten, daß man dieses Gerücht nicht in die Welt setzt.
({0})
Präsident von Hassel: Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Bundesernährungsminister, ist Ihnen bekannt, daß sowohl Presseinformationsdienste der SPD und der FDP als auch Herr Blessing diese Frage aufgeworfen haben?
({0})
Ich kann mich nicht daran erinnern, aber vielleicht können Sie mir das vorlegen.
({0})
- Ich bedanke mich sehr, daß Sie „Die Welt" zu einem FDP-Organ gemacht haben. Es wäre mir sehr lieb, wenn dem so wäre.
({1})
Präsident von Hassel: Einen Augenblick, hier darf kein Dialog stattfinden. - Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Struve.
Herr Minister, nachdem Sie auf Grund der ersten Frage von einer fühlbaren Verbesserung sprachen und nunmehr von 480 Millionen DM im Rahmen des Haushaltes 1971 reden, möchte ich Sie fragen, ob ich aus dieser Antwort entnehmen darf, daß die von Ihnen beabsichtigten und vorgeschlagenen nationalen Maßnahmen keine Dauermaßnahmen sind, sondern sich nur auf das Rechnungsjahr 1971 begrenzen.
Sie sind möglicherweise auf 1971 begrenzt, das stimmt, aber ich kann jetzt den Beratungen des Kabinetts nicht vorgreifen.
({0})
Sie halten also die Entscheidung von Brüssel in Verbindung mit den 480 Millionen DM, die Sie für Struktur- und Sozialmaßnahmen ausgeben, für ausreichend, um die derzeitige Ertragslage der deutschen Landwirtschaft für 1971 zu gewährleisten?
Herr Kollege Struve, erstens haben Sie mir hier wieder etwas unterstellt, aber das nehme ich hin. Aber weil in der Frage des Kollegen Röhner nach möglichen Einnahmeverlusten in diesem Wirtschaftsjahr gefragt wurde, möchte ich doch darauf hinweisen, daß mehr als zur Hälfte - man kann fast sagen 60 %- der zyklusbedingte Abfall bei den Schweinepreisen Mitverursacher ist, und man wird erst im Laufe des kommenden Wirtschaftsjahres bzw. ab Herbst sehen, wie sich die Schweinepreise im allgemeinen entwickeln, vielleicht auch früher. Sie wissen alle, daß man das nicht präzise auf Tag und Woche oder Monat vorhersagen kann.
({0})
Davon wird sicherlich auch die Entwicklung der Einkommenssituation in der Landwirtschaft im Laufe des nächsten Jahres sehr entscheidend abhängen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Struve.
Herr Bundesminister, können Sie sich nicht nach der sehr langen öffentlichen Diskussion dem Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion anschließen, unbekümmert um diese Marktlage mindestens über die Mehrwertsteuer eine echte Einkommensverbesserung der Landwirtschaft sofort einzuleiten?
Ich bin dazu im Augenblick nicht in der Lage, denn das Kabinett hat sich damit nicht befaßt.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Kiechle.
Herr Bundesminister - Ertl, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident, darf ich auf die Frage von Herrn Rasner antworten?
Präsident von Hassel: Nein. Wenn er sie als Zusatzfrage stellen würde, ja. Jetzt haben wir aber eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kiechle. Herr Abgeordneter Kiechle!
Herr Bundesminister, Sie sagten, Sie beabsichtigen mit den 480 Millionen DM eine Mischung von Preis- und Strukturmaßnahmen. Nun hätte ich die Frage: Beschränken sich die beabsichtigten Strukturmaßnahmen auch auf dieses Jahr, wie Sie vorhin ausgeführt haben, und wie ist die Relation Preis und Struktur?
Ich habe auf soziale Maßnahmen und Strukturmaßnahmen hingewiesen, ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Im übrigen werde ich den Beratungen des Kabinetts in der Fragestunde nicht vorgreifen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Ritz.
Herr Bundesminister, Sie sprachen soeben von dem Einfluß des Schweinezyklus auf die Preisentwicklung. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß dieser Zyklus zusätzlich erheblich erschwert wird durch überproportionale Lieferungen aus EWG-Ländern in die Bundesrepublik, wie wir es zur Zeit erleben?
({0})
Herr Kollege Ritz, ich bin Ihrer Meinung. Ich bitte Sie, mir aber mitzuteilen, wie man das nach Ihrer Meinung im Rahmen der beschlossenen Marktordnung verhindern kann.
({0})
Präsident von Hassel: Verzeihung, Herr Kollege Ritz. Ich kann auf eine Frage, die jetzt aufge6592
Präsident von Hassel
rufen ist, die Frage 3, nur eine Zusatzfrage zulassen.
Herr Dr. Früh, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, da unsere Fragestunde sich auf diesen Schweinezyklus zu konzentrieren scheint, bitte ich Sie doch darum, mir zu sagen, ob es nicht möglich ist, daß man in Ihrem Ministerium dieser Frage wirklich ernsthaft nachgeht, eventuell auch prüft, weshalb z. B. in Belgien im letzten Jahr die tragenden Zuchtsauen um 45 % aufgestockt worden sind,
({0})
weil sich ein guter Markt durch die Aufwertung ergeben hat.
Verehrter Herr Kollege Früh, ich bin gerne bereit, im Hause das noch einmal untersuchen zu lassen, denn ich würde nie wagen, Anregungen aus diesem Hohen Hause nicht aufzunehmen. Nur muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihre letzte Bemerkung nicht teilen kann.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Wagner ({0}).
Herr Bundesminister, da Sie soeben eine Stellungnahme zu dem Antrag der CDU/CSU auf mehrwertsteuerliche Maßnahmen abgelehnt haben mit der Begründung, das Kabinett habe sich damit noch nicht befaßt, möchte ich die Frage stellen, ob sich denn das Kabinett zu dem Zeitpunkt damit befaßt hatte, als der Herr Bundesfinanzminister hier im Plenum diese Mehrwertsteuermaßnahmen bereits ablehnte.
Ich habe die Erklärung von Herrn Kollegen Möller gehört. Er hat auf die schwerwiegenden Bedenken hingewiesen. Das ist das gute Recht des Finanzministers. Im übrigen haben bei der Beratung des Mehrwertsteueranteils im Zusammenhang mit der Aufwertung die Mitglieder der CDU/CSU im Finanzausschuß diese Auffassung geteilt.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Bundesminister, könnte es möglich sein, daß der Kollege Dr. Ritz noch nichts vom Gemeinsamen Markt erfahren hat, der darin besteht, daß natürlich aus Holland und Belgien jederzeit Schweine in unbegrenzten Mengen hereinkommen können?
Herr Kollege Schmidt, ich habe fast dieselbe Überlegung angestellt wie Sie. Man muß ja wirklich fragen, ob die Entwicklung und die
Beschlüsse dieses Hauses unbekannt geblieben sind und wer sie eigentlich mit zu verantworten hat.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete von Alten-Nordheim.
von Alten-Nordheim ({1}) : Herr Bundesminister, der Problemkreis Anhebung der Mehrwertsteuer ist schon mehrfach angeschnitten worden. Welche Haltung nimmt Ihr Haus hierzu ein?
Herr Kollege, ich habe hier schon gesagt, daß ich zu dieser Frage keine Auskunft gebe, bevor das Kabinett nicht beraten hat.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Niegel.
Herr Bundesminister, Sie sprachen vorhin von struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen, die demnächst im Kabinett beschlossen werden sollen. Welche struktur- und sozialpolitischen Maßnahmen werden Sie dem Kabinett dann vorschlagen, über die es beschließen soll, und sind dabei auch einkommenswirksame Maßnahmen?
Herr Kollege Niegel, alle Ihre Versuche werden nichts nutzen. Ich will Ihnen das einmal ganz klar sagen. Es hat noch nie eine Regierung gegeben, die ihre Kabinettsvorlagen, bevor sie im Kabinett beraten wurden, in diesem Hause hat beraten lassen. Daran halte auch ich mich.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Löffler.
Herr Minister, können Sie im Hinblick auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Früh dem Hohen Hause einmal darlegen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung hat, auf die deutschen Sauen, geschweige denn auf die belgischen, einzuwirken?
({0})
Herr Kollege Löffler, es gibt leider noch nicht die Ferkelpille.
({0})
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Klepsch.
Dr. Klepsch ({1}) : Herr Minister, darf ich Ihre beiden Antworten auf die Fragen des Kollegen Früh so verstehen, daß Sie tatsächlich der Auffassung sind, daß die Aufwertung keinen Einfluß auf die Schweinemarktpreise gehabt hätte?
Herr Kollege Klepsch, Sie können es in diesem Hause immer so verstehen, wie Sie es wollen.
({0})
Präsident von Hassel: Verehrter Herr Bundesminister, wir bemühen uns von allen Seiten - ich habe bisher den Eindruck -, in einer sachlichen Fragestunde zu fragen und zu antworten. Ich wäre dankbar, wenn sich alle danach richten würden.
({1})
Ich lasse jetzt bei dieser Frage nur noch zwei Zusatzfragen zu. Die eine ist eine Frage des Abgeordneten Gallus. - Er verzichtet.
Zur letzten Zusatzfrage der Abgeordnete Fellermaier. - Dann wird noch eine Frage aufgerufen.
Herr Bundesminister, nachdem hier von der Opposition immer die Frage der Mehrwertsteuer aufgeworfen worden ist, darf ich Sie fragen, ob nicht jede Mehrwertsteuerregelung gesehen werden muß im Hinblick auf die in Brüssel beginnenden Gespräche über eine Harmonisierung des Mehrwertsteuersatzes für die Gemeinschaft schlechthin, um von der Seite Wettbewerbsverzerrungen in der Zukunft zu vermeiden.
Sicherlich. Es kommt sogar hinzu, wie Sie wissen - das will ich hier kurz nachtragen daß eine Veränderung der Mehrwertsteuer die Zustimmung Brüssels finden muß. Wir hatten unsere großen Schwierigkeiten, den 3 %igen Anteil, der übrigens vor einem Jahr sehr umstritten war und von dem man sagte, er sei keine richtige Maßnahme, durchzusetzen. Ich freue mich, daß man sich inzwischen wenigstens darüber im klaren ist, daß der 3 %ige Anteil beim Einkommensausgleich infolge der Aufwertung und die 920 Millionen DM - damit kann ich vielleicht einige Fragen zusammenfassend und abschließend beantworten - doch eine einigermaßen praktikable Lösung waren, ein Weg, der vielleicht auch nicht ganz unwirksam ist. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir uns bemüht haben, durch die Aufwertung entstehende Nachteile durch Ausgleichszahlungen wettzumachen.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Niegel auf:
Wie werden sich die Beschlüsse zur gemeinsamen Strukturpolitik innerhalb der Gemeinschaft und auf die nationale Strukturpolitik auswirken?
Bitte schön, zur Beantwortung, Herr Bundesminister!
Herr Kollege Niegel, der Rat hat in den Verhandlungen vom 22. März bis 25. März 1971 erstmals gemeinsame Maßnahmen auf strukturellem Gebiet beschlossen, um damit eine Harmonisierung der nationalen Strukturpolitik einzuleiten. Der Beschluß des Rates - in Form einer Entschließung - enthält im wesentlichen nur Grundsätze über die gemeinsamen Maßnahmen, wenn auch z. B. bei der Landabgaberente ein erstattungsfähiger Betrag von 600 Rechnungseinheiten pro Jahr oder eine Zinsverbilligung um maximal 5 % festgelegt wurde.
Zur Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen muß der Rat Verordnungen bzw. Richtlinien beschließen. Erst nach der Verabschiedung der Verordnungen bzw. der Richtlinien, in denen die Details geregelt werden, wird man über die Auswirkungen der gemeinsamen Maßnahmen differenziert Auskunft geben können. Global läßt sich jedoch feststellen:
1. Alle in der Entschließung enthaltenen gemeinsamen Maßnahmen werden in der Bundesrepublik bereits praktiziert. Finanziert werden die Maßnahmen ganz oder teilweise sowohl aus Bundes- als auch aus Landesmitteln.
2. Zur Finanzierung der gemeinsamen Maßnahmen reichen die Mittel der Abteilung Ausrichtung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft für den Zeitraum von vier Jahren aus. Neben dem jährlichen Plafond von 285 Millionen Rechnungseinheiten stehen die bisher nicht vorausgabten Mittel der Abteilung Ausrichtung zur Finanzierung zur Verfügung. Damit wird also der Plafond nicht überschritten.
3. Die Bundesrepublik wird nach Verabschiedung der Richtlinien bzw. der Verordnungen über die gemeinsamen Maßnahmen und deren Inkrafttreten aus der Abteilung Ausrichtung des EAGFL 25 % Zuschuß zu den gemeinsamen Maßnahmen erhalten, die in der Bundesrepublik durchgeführt werden.
4. Ein Zuschuß des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, in Höhe von 65 % ist für die Landabgaberente in den wirtschaftlich benachteiligten landwirtschaftlichen Gebieten vorgesehen, in denen diese Maßnahmen noch nicht eingeführt sind. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß in Italien zunächst die nationalen Rechtsgrundlagen für die Einführung derartiger Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Niegel.
Herr Bundesminister, ist die gemeinsame Strukturpolitik, die jetzt in Brüssel beschlossen wurde, ein Schritt hin zu dem von Mansholt beabsichtigten Plan der Betriebsgrößen?
Mir ist nicht bekannt, daß in der Entschließung irgend etwas über Betriebsgrößen steht.
Präsident von Hassel: Noch eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Niegel.
Wie stehen Sie dann zu der Äußerung von Herrn Mansholt, die laut VWD am
26. März bekanntgegeben wurde? Die Äußerung lautet:
Nach seinen
- des Ministerrats Beschlüssen sollen im Rahmen der gemeinsamen Politik Betriebsgrößen angestrebt werden, die nach einem Übergang von sechs Jahren unter angemessenen sozialen Bedingungen ein Einkommen ermöglichen sollen, das demjenigen vergleichbarer Berufsgruppen in dem gleichen Gebiet entspricht. Diese Betriebsgröße
- so sagte Mansholt entspreche im Grunde den von der Kommission in den Vordergrund gestellten Kriterien von 40 bis 60 Kühen, 400 Schweinen oder 80 ha Anbaufläche.
Herr Kollege Niegel, aus dem Gesagten geht hervor, daß das die Vorstellung von Herrn Mansholt und der Kommission ist. Es ist aber nicht die Vorstellung, die ihren Niederschlag in der Entschließung des Rates gefunden hat. Das sagt wohl alles.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Horstmeier.
Herr Minister, sind die vorgesehenen Maßnahmen im Struktur- und Sozialbereich mit der Wirtschafts- und Währungsentwicklung in der EWG synchron geschaltet, oder soll sich auch dieser Bereich separat entwickeln?
Nach vier Jahren ist, wie Sie wissen, eine Überprüfung der Maßnahmen vorgesehen. Die deutsche Delegation hat bei den Beratungen mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß ihre weitere Verhaltensweise davon abhängig gemacht wird, inwieweit sich Fortschritte bei der Wirtschafts- und Währungsunion abzeichnen.
({0})
Präsident von Hassel: Sie haben keine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Horstmeier.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident, angesichts der beklagenswert geringen Qualität der Antworten des Herrn Bundesministers beantragt meine Fraktion eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema.
({0})
Präsident von Hassel: Sie haben gehört, daß eine Aktuelle Stunde beantragt wird. Sie wird un-unmittelbar nach Abschluß der Fragestunde angesetzt.
Ich lasse deshalb keine Zusatzfragen mehr zu und danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Minister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Slotta ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Frage 2 des Abgeordneten Pieroth wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf, zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Jungmann:
Ist die Bundesregierung inzwischen im Besitz der in ihrer schriftlichen Antwort vom 3. November 1970 ({1}) auf meine Frage Nr. B 22 - Drucksache VI/1339 - angekündigten Vorschläge eines Universitätsinstituts für pharmazeutische Arzneimittellehre zur Prüfung von Arzneimitteln aus pflanzlichen Rohstoffen sowie von homöopathischen Arzneimitteln, und welche Schlüsse wird die Bundesregierung daraus ziehen?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär von Manger-Koenig.
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Ich rufe dann auch die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, nachdem sie die genannten Vorschläge bei den Beratungen im EWG-Ministerrat eingebracht hat, diese Vorschläge auch in der Novelle zum Arzneimittelgesetz als Prüfungsbestimmungen zu verankern?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist inzwischen im Besitz der Vorschläge eines Universitätsinstituts zur Prüfung von Arzneimitteln aus pflanzlichen Rohstoffen sowie von homöopathischen Arzneimitteln. Diese Vorschläge wurden von den Verfassern im Beirat „Arzneimittelsicherheit" vorgetragen und erörtert. Der Beirat „Arzneimittelsicherheit" hat es abgelehnt, diese Vorschläge zu übernehmen. Sie zielten darauf ab, von bestimmten pharmakologischen und klinischen Prüfungen, die in den Beiratsrichtlinien enthalten sind, abzusehen, weil für viele Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs noch nicht genügend exakte Methoden des Wirksamkeitsnachweises bestehen. Der Beirat ist der Auffassung, daß es erreicht werden muß, daß alle Arzneimittel in Zukunft einer wissenschaftlich einwandfreien Prüfung unterzogen werden müssen. Pharmakologen sind der Meinung, daß in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren geeignete Nachweismethoden auch für diese Stoffe und die in Frage kommenden Konzentrationen erarbeitet werden können.
Die Bundesregierung wird demnächst eine Novelle des Arzneimittelgesetzes vorlegen, nach der die behauptete Wirksamkeit der Arzneispezialität nachzuweisen ist, sofern es sich um „neue" ArzneispezialiStaatssekretär Dr. von Manger-Koenig
täten handelt. Für alte Arzneispezialitäten, d. h. für solche, die bereits seit dem 30. September 1961 im Verkehr sind, wird dieser Nachweis noch nicht gefordert. Für diese alten Arzneispezialitäten soll der Nachweis erst zum Ablauf einer Übergangsfrist erbracht werden, wenn die entsprechenden wissenschaftlichen Methoden ausgearbeitet sind.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Peiter auf:
Treffen nach Auffassung der Bundesregierung die vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit gemachten Ausführungen über eine mögliche Gesundheitsschädlichkeit bei der Verwendung von Keramikgeschirr zur Zubereitung und Aufbewahrung von Speisen und Getränken auch für die nach besonders strengen Vorschriften in Deutschland, insbesondere im Kannenbäcker-Land ({0}), hergestellten Keramikerzeugnisse zu?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, die von Frau Minister Strobel auf die mündliche Frage der Frau Abgeordneten Schimschok gemachten Ausführungen über die Bleilässigkeit von Keramikgeschirr treffen auch auf die in der Bundesrepublik hergestellten Erzeugnisse zu. Gesundheitsschäden von auf dem deutschen Markt befindlichen Eß-, Trink- und Kochgeschirren sind nach den Mitteilungen der obersten Landesgesundheitsbehörde nicht bekanntgeworden. Inzwischen wurden auf meine Veranlassung hin sogenannte Römertöpfe, die im Kannenbäckerland des Westerwaldes hergestellt worden sind, erneut auf Bleilässigkeit überprüft. Auch diese Untersuchungen haben keinen Anlaß zu gesundheitlichen Bedenken gegeben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Peiter.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Worten entnehmen, daß die deutschen Prüfvorschriften so streng sind, daß eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher nicht möglich ist?
Ich glaube, daß die bisherige Praxis der Lebensmittelüberwachung eine ausreichende Sicherheit für den Verbraucher gewährleistet.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Peiter.
Herr Staatssekretär, wird Ihr Ministerium dafür sorgen, daß diese Interpretation der Ausführungen von Frau Minister Strobel durch eine Presseverlautbarung in der Öffentlichkeit klargestellt wird?
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß die heutige erneute Erörterung des Themas bestimmte
Fehlinterpretationen der letzten Ausführungen
ebenso ausräumt, wie es Ihre Frage heute getan hat.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Hanz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Beantwortung der Fragen A 52 und 53 aus der Fragestunde vom 5. März 1971 - Drucksache VI/1882 - dahin gehend zu ergänzen, daß die dort erwähnten Gesundheitsschäden durch Benutzung von Keramikgeschirr nicht in der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, sondern sich ausschließlich in den USA und mit Keramik aus Mexiko ereignet haben, und daß bei sogenannten „Römertöpfen" überhaupt keine Glasuren verwendet werden und auch blaugrau salzglasiertes Steinzeug die im Nahrungsmittelgesetz als giftig bezeichneten Stoffe Blei und Zink überhaupt nicht enthält?
Herr Abgeordneter, ich bestätige gern, daß die in der Zeitschrift „Gesundes Leben" erwähnten Gesundheitsschäden in Kanada und Mexiko und nicht in der Bundesrepublik festgestellt wurden. Die Behauptung in der gleichen Veröffentlichung, daß in der Bundesrepublik eine Überwachung der keramischen Bedarfsgegenstände fehle, hat die Bundesregierung in der Antwort auf die Frage der Frau Abgeordneten Schimschok widerlegt; ich habe das eben noch einmal bestätigt. Ich darf insoweit auf das Protokoll über die Sitzung am 5. März verweisen.
Daß die sogenannten Römertöpfe nicht glasiert sind, ist, glaube ich, jeder Hausfrau erkennbar. Ich nahm an, daß dies deshalb keiner besonderen Bestätigung in der Fragestunde bedurfte.
Durch die inzwischen verfeinerten Untersuchungsmethoden können, Herr Abgeordneter, in nahezu allen Naturstoffen Spuren von Blei und Zink festgestellt werden. Ich kann Ihnen daher nicht bestätigen, daß die genannten Geschirre diese Stoffe überhaupt nicht enthalten. Die Mengen - darauf darf ich betonend hinweisen - sind aber so gering, daß kein Anlaß zu gesundheitlichen Bedenken gegeben ist.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hanz.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß bei staatlichen Überprüfungen und Urteilen festgestellt wurde, daß bei blaugrau salzglasiertem Steinzeug Bleispuren nicht vorhanden sind und Blei und Zink nicht verwandt werden?
Herr Abgeordneter, ich kann bestätigen, daß sich bei den Untersuchungen, die auf Grund der Fragen noch einmal eingeleitet worden sind, keine gesundheitlichen Bedenken ergeben haben. Im übrigen haben wir aber auch auf Grund Ihrer Frage nochmals gezielte Untersuchungen etwa der beim blaugrauen Keramikgeschirr verwandten Lösungen initiiert.
Präsident von Hassel: Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Hanz auf:
Präsident von Hassel
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, da durch die allgemeine Beantwortung der erwähnten Fragen und die daraus resultierenden Presseveröffentlichungen nachteilige Auswirkungen für die Keramikindustrie entstanden sind, um die Öffentlichkeit so zu unterrichten, daß für die Geschirrhersteller keine weiteren wirtschaftlichen Schäden entstehen?
Herr Abgeordneter, in der Antwort auf die Frage der Frau Abgeordneten Schimschok hat die Bundesregierung auf die Gefahren hingewiesen, die dadurch entstehen, daß Behältnisse für die Aufbewahrung und Zubereitung von Lebensmitteln Verwendung finden, die dafür an und für sich nicht bestimmt sind. Bei exakter Wiedergabe der Antwort konnten nachteilige Auswirkungen auf die Keramikindustrie nicht entstehen.
Die Bundesregierung begrüßt es, daß über die Fragestunde in der Presse berichtet wird, kann aber bei ihrer Antwort nicht von vornherein mißverständliche Interpretationen durch Dritte ausschließen. Ich glaube jedoch, daß die Antworten auf die heutigen Fragen die Mißverständnisse ausgeschaltet haben.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) auf:
Liegen der Bundesregierung Erfahrungsberichte darüber vor, ob der Lithiumgehalt des Trinkwassers Schutz vor Coronarsklerose bieten soll?
Der Abgeordnete ist anwesend. Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Abgeordnete damit einverstanden ist.
Präsident von Hassel: Er ist einverstanden. Ich rufe dann die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) auf:
Kann die Bundesregierung amerikanische Untersuchungsergebnisse bestätigen, daß Lithium vor gewissen Risikofaktoren der arteriosklerotischen Herzerkrankungen schützt, oder sind ihr andere Einwirkungsmöglichkeiten bekannt?
Bei den gestellten Fragen handelt es sich um rein wissenschaftliche Themen. Deshalb stütze ich mich bei meiner Antwort auf Auskünfte des Bundesgesundheitsamtes Berlin sowie eigens befragter Wissenschaftler.
Bisher wurden nur epidemiologische, nicht aber pathophysiologische Untersuchungen zur Klärung des Zusammenhangs zwischen Lithium und Arteriosklerose angestellt. Eine Abhängigkeit ist bisher nicht bewiesen und muß als hypothetisch angesehen werden. Dies gilt auch im Hinblick auf Wechselwirkungen zu anderen Risikofaktoren.
Aus dem deutschen Schrifttum ist hierüber nichts Schlüssiges bekannt. Auch der Bericht in der Medical Tribune Nr. 7 vom 12. Februar 1971 unter der Überschrift „Bietet Lithiumgehalt des Wassers Schutz vor Kardiosklerose?" ist lediglich als Diskussionsbeitrag aufzufassen.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 10 und 11 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Slotta wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe dann die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen den Import bzw. Verkauf von Thunfischkonserven aus Japan, Kuba und Malaysia zu ergreifen, da nach einem Hinweis des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums vom Freitag, dem 19. März, bei 53 Prozent der neuerlich untersuchten Konserven aus diesen Ländern der Quecksilbergehalt über der Unbedenklichkeitsgrenze gelegen hat?
Der Abgeordnete ist anwesend. Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung bereitet eine Verordnung vor, die unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes festlegen wird, bei welchem Quecksilbergehalt Thunfischerzeugnisse in den Verkehr gebracht werden dürfen. Im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden wird zur Zeit geprüft, ob in die Verordnung neben Thunfischerzeugnissen auch andere Fischerzeugnisse einbezogen werden sollen. Die Verordnung wird auch für Fischerzeugnisse gelten, die in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abg. Dr. Gruhl.
Wird die Verordnung, wie es beispielsweise in den USA Praxis ist, auch bestimmen, daß solche Lebensmittel, die den vorgeschriebenen Höchstgehalt übersteigen, aus dem Verkehr gezogen werden müssen?
Soweit bei Lebensmitteln ein gesundheitsgefährdender Tatbestand festgestellt wird, müssen sie schon nach unserem Lebensmittelgesetz aus dem Verkehr gezogen werden. Nur sind die Auffassungen darüber, was z. B. im speziellen Fall als zu tolerierender Gehalt anzusehen ist, unterschiedlich. Norwegen z. B. toleriert einen wesentlich höheren Quecksilberwert, nämlich 1,5 ppm, Schweden einen Quecksilberwert von 1,0 ppm. Wir glauben, daß allenfalls noch 0,5 ppm zu tolerieren sind.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gruhl.
Ist meine Information richtig, daß nach den Mitteilungen des niedersächsischen Ministeriums die vorhandenen Konserven,
die diese Grenze überschreiten, nicht zurückgezogen worden sind?
Die Untersuchungen des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums dauern noch an, wie ich mich gestern durch Rückfrage versichert habe. Die Werte schwanken außerordentlich.
Präsident von Hassel: Keine Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Burger auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Tatsache, daß offensichtlich durch Lücken im Weinrecht infolge geänderter Weingesetze aus dem europäischen Südosten Weine mit deutschen Etiketten und den Bezeichnungen „Spätlese", „Auslese", „Trockenbeeren-Auslese" usw., deren Qualität nicht den Bestimmungen des deutschen Weingesetzes entspricht, zu niedrigen Preisen gegenwärtig den deutschen Markt überschwemmen?
Zur Beantwortung bitte!
Herr Präsident, ich bitte, wegen des Sachzusammenhanges die Fragen 39 und 40 gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist.
Präsident von Hassel: Keine Bedenken. Dann rufe ich zusätzlich Frage 40 des Abgeordneten Burger auf:
Was gedenkt die Bundesregierung kurzfristig zu tun, um den Verbraucher vor dieser bewußten Irreführung und den deutschen Winzer vor einer Abwertung der auch seitens der EWG ausdrücklich für nach bundesdeutschen Bestimmungen geprüfte Qualitätsweine mit Prädikat reservierten Qualitätsbezeichnungen zu schützen?
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist die geschilderte Sachlage bekannt. Sie beobachtet diese Entwicklung auf dem deutschen Verbrauchermarkt mit großer Sorge, denn durch den Mißbrauch der traditionellen Weinprädikate für Weine, die nicht den hierfür geltenden qualitativen Anforderungen genügen, ist eine Aushöhlung der Qualitätsbegriffe durch fortlaufende Täuschung der Verbraucher und damit ein nicht abzusehender Schaden auch für den deutschen Qualitätsweinbau zu befürchten.
Nach § 5 des Weingesetzes von 1930, das insoweit von den weinrechtlichen Vorschriften der EWG-Verordnungen unberührt und daher weiter anwendbar ist, darf Wein nicht unter irreführenden Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr gebracht werden. Eine Irreführung liegt insbesondere auch dann vor, wenn Weine mit Qualitätsbezeichnungen angeboten werden, ohne daß die in Art. 5 der Ausführungsverordnung zum Weingesetz aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Überwachung dieser Vorschriften obliegt den für den Vollzug des Weinrechts zuständigen Landesbehörden, mit denen die erwähnten Mißstände, auf die Sie, Herr Abgeordneter, in Ihrer Frage hinweisen, im Zuge der Beratungen zum neuen Weingesetz mehrfach eingehend erörtert worden sind.
Der von Ihnen erwähnte Vorbehalt der Weinprädikate „Kabinett", „Spätlese", „Auslese", „Beerenauslese" und „Trockenbeerenauslese" für deutsche Weine ist rechtlich nicht unbestritten. Ihnen ist sicherlich bekannt, daß die von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der für den Weinbau und den Vollzug des Weinrechts zuständigen Landesministerien, der Weinwirtschaft und der zuständigen Bundesressorts erarbeitete Verlautbarung über die Bereitung und Bezeichnung der Weine des Jahrgangs 1970 den Art. 12 der EWG-Qualitätsweinverordnung Nr. 817/70 dahin ausgelegt hat, daß mit den genannten Prädikaten in Deutschland nur deutsche Weine bezeichnet werden dürfen.
Dem hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften jedoch in einem an die Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel gerichteten Schreiben gerade in diesen Tagen widersprochen. Die rechtliche Prüfung durch die Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Wie immer sie ausgehen wird, ich darf Ihnen versichern, daß die Bundesregierung alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, den deutschen Verbraucher vor Täuschung und den deutschen Weinbau vor Schäden aus einer mißbräuchlichen Verwendung der traditionellen Weinprädikate zu schützen.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger. Burger ({0}): Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen - und ich weise dabei auf einen Artikel der Frau Gesundheitsminister hin, in dem sie sinngemäß ausführt, daß die Erhaltung der charakteristischen Eigenschaften deutscher Weine nicht vernachlässigt werden dürfe; sie gab dabei der Hoffnung Ausdruck, daß sich diese Weine durch ihre besondere Eigenart und ihren Bukettreichtum in der Gunst der Kenner plazieren würden -, ob diese Absicht nicht dadurch gefährdet wird, daß unter Bezeichnungen, die eben jene Eigenart deutscher Weine meinen, nunmehr solche Weine angeboten werden, die durch Süße und Art südlicher Weine gekennzeichnet sind?
Wir sehen mit Ihnen, Herr Abgeordneter, die Gefahr, daß die Qualitätsvorstellungen, die mit festeingefahrenen Begriffen verbunden sind, ausgehöhlt werden, und wir sind mit Ihnen der Auffassung, daß dem entgegengetreten werden muß.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Burger.
Herr Staatssekretär, das strenge deutsche Weingesetz soll den berechtigten Interessen des Verbrauchers nach Wahrheit und Klarheit entgegenkommen und einer Förderung der Qualität dienen. Ist diese Klarheit noch gegeben,
wenn südliche Weine als Spätlese angeboten werden, obwohl dieser Qualitätsbegriff in Mittelmeerländern nichts bedeutet, und das Herkunftsland mit gelber Schrift auf goldenem Etikett bezeichnet wird?
Herr Abgeordneter, ich habe hier eine ganze Liste von Weinauszeichnungen, die zu Täuschungen und falschen Vorstellungen im Hinblick auf die Qualitat Anlaß geben. Wir sind bemüht, bei der weiteren Ausgestaltung des Weinrechts wirksame Maßnahmen zu treffen, um dem entgegenzutreten. Ich sagte aber bereits, daß das rechtlich nicht ganz unproblematisch ist, weil die EWG gegen allzu einengende Vorschriften Bedenken angemeldet hat.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, in welchem Sinne hat die Bundesregierung oder ihre Vertretung in Brüssel auf den Brief der EWG geantwortet? Hat sie in ihrer Antwort den Standpunkt, den Sie hier eben dargelegt haben, nämlich gegen Täuschungen und Fälschungen Maßnahmen zu ergreifen, eindeutig vertreten?
Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Antwort eben darauf hingewiesen, daß die Einsprüche der EWG, die an die Vertretung in Brüssel gerichtet worden sind, erst in diesen Tagen eingegangen sind. Die Bundesregierung wird diese Einwände, natürlich im Benehmen mit den verschiedenen beteiligten Ressorts, prüfen müssen. Erst danach ist eine Antwort möglich.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bremm.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, Ihr Haus hätte die Gefahren erkannt. Warum haben Sie in der Novelle zum Weingesetz,. die Sie dem Parlament vorgelegt haben, dann nicht strengere Vorschriften vorgesehen?
Bei diesem Entwurf mußten wir uns an die Vorschriften der EWG-Weinmarktordnung halten. Wir glauben, daß wir in diesem Rahmen das Äußerste - auch zum Schutz des deutschen Qualitätsweinbaus - getan haben.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wagner ({0}).
Herr Staatssekretär, beziehen sich die von der EWG geäußerten Bedenken nur auf die Einengung der Bezeichnungen für Weine aus der Gemeinschaft, oder beziehen sie sich auch auf deutsche gesetzliche Vorschriften, welche die Bezeichnungen für Weine aus dritten Ländern einengen würden?
Die Bedenken der EWG beziehen sich insoweit auch auf einengende Vorschriften für Weine aus Drittländern, als die Anforderungen an die Bezeichnungen gleiche Wirkung haben wie mengenmäßige Beschränkungen der Einfuhr.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, wir sind damit am Ende der Fragen aus rdem Geschäftsbereich Ihres Ministeriums angelangt. Ich danke Ihnen für die Beantwortung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, und zwar zunächst zu Frage 53 des Abgeordneten Eckerland. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Dann werden die Fragen 53 und 54 des Abgeordneten Eckerland schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Hubrig auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die bei der Abwicklung über die Entschädigung von Manöverschäden zugrunde liegenden praxisfernen Verwaltungsvorschriften, nach denen z. B. Flurschadenoffiziere Schadensregulierungen nur bis zu 100 DM in eigener Verantwortung durchführen können, während bei darüber hinausgehenden Anträgen eine schleppende Bearbeitung von sieben bis acht Monaten keine Seltenheit darstellt?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan, bitte!
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, Herr Kollege, darf ich die Fragen 55 und 56 im Zusammenhang beantworten?
Präsident von Hassel: Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 56 des Abgeordneten Dr. Hubrig auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Flurschadensoffizieren Vollmacht zu erteilen, bis zu einem Betrag von 1000 DM Schadensregulierungen vorzunehmen?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, es ist richtig, daß die Flurschadenoffiziere nur Übungsschäden an Ort und Stelle regeln dürfen, wenn es sich um kleinere Schäden bis zu 100 DM handelt. Die Abwicklung von Schäden, die über diesen Betrag hinausgehen, obliegt der Bundeswehrverwaltung.
Ausschlaggebend für die Begrenzung auf 100 DM ist die Tatsache, daß die Flurschadenoffiziere im Unterschied zum Personal der Bundeswehrverwaltung keine landwirtschaftlichen Gutachter sind. Bei Schäden über 100 DM wirken sich Fehleinschätzungen naturgemäß stärker aus und führen daher eher zu Berufungen durch Dritte.
Die Bundesregierung hält es aus diesem Grunde nicht für zweckmäßig, die Flurschadenoffiziere zu
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
ermächtigen, Schäden bis zu einem Betrag von 1000 DM zu regulieren.
Im übrigen teile ich Ihnen mit, daß in den vergangenen Jahren 25 % der Übungsschäden durch Flurschadenoffiziere an Ort und Stelle anerkannt und ausgezahlt werden konnten und daß insgesamt etwa 95 % der durch die Bundeswehr abzuwickelnden Flurschadensfälle innerhalb von zwei Monaten reguliert wurden.
Präsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hubrig.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß 95 % der Flurschadensfälle innerhalb von zwei Monaten reguliert worden seien. Können Sie nicht darauf hinwirken, daß in bestimmten Bereichen, in Schwerpunktgebieten von Manöverschäden diese Frist immer eingehalten wird? Ich spreche aus böser Erfahrung.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, Sie haben Ihre Frage dankenswerterweise sehr vorsichtig formuliert. Vielleicht können wir uns einmal in einem persönlichen Gespräch über dieses Thema unterhalten. Sie wissen, daß wir auf andere Streitkräfte nur einen geringeren Einfluß haben als auf die eigenen.
Präsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hubrig.
Herr Staatssekretär, sehen Sie keine Aussichten, wenigstens den Betrag von 100 DM um einen Betrag X zu erhöhen, oder halten Sie es für völlig aussichtslos?
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich halte es vorerst für völlig aussichtslos, will Ihnen aber gerne zusagen, daß wir das noch einmal prüfen lassen.
Präsident von Hassel: Keine weiteren Zusatzfragen. Dann sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung danken.
Meine Damen und Herren, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, daß es keinen Sinn hat, noch ein weiteres Ressort aufzurufen. Wir haben nur noch eine Minute Zeit. Deshalb beende ich die Fragestunde.
Während der Fragestunde ist beantragt worden, auf der Grundlage der Dringlichen Fragen, die von den Herren Abgeordneten Dr. Ritz, Röhner und Niegel gestellt worden sind, eine Aktuelle Stunde durchzuführen. Ich darf Sie bitten, zu berücksichtigen, daß in Anlage 3 unserer Geschäftsordnung der Ablauf einer derartigen Aktuellen Stunde festgelegt ist. - Es ist eine Aussprache auf Verlangen
gemäß Ziffer 2 begehrt worden. Ich mache auf folgendes aufmerksam. Es stehen 60 Minuten zur Verfügung. Wenn die Regierung mit ihren Antworten 30 Minuten überschreitet, werden 30 Minuten angehängt. Die Debattenbeiträge der Bundesregierung werden auf die 60 Minuten nicht angerechnet. Jeder einzelne Redner hat 5 Minuten zur Verfügung.
Ich eröffne die
Aktuelle Stunde.
Gemäß Ziffer 3 Abs. 3 der Richtlinien ist das Wort zunächst dem Sprecher derjenigen Fraktion zu geben, die diese Aussprache beantragt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve, 5 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beantwortung unserer Fragen hat der Bundesminister Ertl von einer „fühlbaren Verbesserung" auf Grund der Brüsseler Beschlüsse für die deutsche Landwirtschaft gesprochen. Dabei muß berücksichtigt und in Erinnerung gerufen werden, daß der Ministerrat zwei Jahre keine preiserhöhenden Beschlüsse gefaßt hat, daß er sich nunmehr zum drittenmal anschickte und daß die jetzt beschlossenen Preise für das Wirtschaftsjahr und damit für die Ernte 1971/72 gelten.
Herr Minister, wenn Sie von 800 Millionen bis 900 Millionen sprechen und die Relation zu der inflationären Unkostenentwicklung herstellen, dann kann ich die Bezeichnung „fühlbare Verbesserung" für die CDU/CSU-Fraktion nicht anerkennen. Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrem einstimmigen Beschluß, die Erzeugerpreise um 10 % anzuheben,
({0})
um überhaupt einen halbwegs vernünftigen Stand zu bekommen.
Nun ist Brüssel mit schätzungsweise 3 % über die Bühne. Hier und heute erwarten wir von der Bundesregierung, daß das Wort des Herrn Bundeskanzlers eingelöst wird, daß über ergänzende nationale Maßnahmen nicht nur geredet, sondern daß hier gehandelt wird.
({1})
Wenn die Rechnung der Bundesregierung stimmt, dann ist 1 % 300 Millionen. Wenn wir uns an den Aufwertungsausgleich erinnern, dann ist 1 % 260 Millionen. Ob über die Erhöhung der Erzeugerpreise oder ob in Verbindung mit der Erhöhung der Erzeugerpreise über eine Unkostensenkung, die Einkommenslage muß um diese 10 %, um diese 2,6 bis 3 Milliarden, verbessert werden; sonst werden Sie die Existenzangst der deutschen Landwirtschaft nicht bewältigen, und Sie werden - ({2}) Ich bitte, diese Dinge ernst zu nehmen! ({3})
Täuschen Sie sich nicht: wenn konservative Bauern
auf die Straße gehen, dann ist das mehr als Unzufriedenheit über Einkommen. Es ist die Existenz6600
angst, die die deutschen Bauern heute auf die Straße treibt.
({4})
- Von wegen Wahlpropaganda, Herr Wehner; Sie werden sich noch wundern, wenn die Regierung heute nicht handelt.
({5})
Eine fühlbare Verbesserung der Einkommenslage ist nur dann möglich, wenn Sie dem Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion folgen, den Weg über die Mehrwertsteuer zu beschreiten und auf diese Art und Weise die echten Einnahmen der deutschen Landwirtschaft um 3 °/o zu verbessern.
Herr Minister, wir waren auch sehr enttäuscht darüber, daß Sie die Umschichtung in Tit. 10 03 als unseriös bezeichnet haben, als die Anträge der CDU/CSU-Fraktion hier auf dem Tisch lagen. Die Koalitionsfraktionen haben sie abgelehnt. Heute ist diese Umschichtung offenbar deshalb seriös, weil sie von der Regierung vorgeschlagen wird. Gut, wir nehmen das zur Kenntnis. Wir wehren uns aber dagegen, daß hier, wie es in der Fragestunde geschehen ist, von einer im Jahre 1971 einmaligen Angelegenheit gesprochen wird. So kann man mit Unternehmern nicht reden, die ihr Einkommen verbessern sollen.
({6})
Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die über das Jahr 1971 hinaus das Einkommen der Landwirte nicht nur kurzfristig und nicht nur bis zur nächsten Wahl, sondern langfristig verbessern.
Ich halte die Auskünfte des Herrn Bundesministers für völlig unbefriedigend und appelliere an den Herrn Bundeskanzler, nunmehr sofort die erforderlichen Kabinettsbeschlüsse zu fassen und sich im Kabinett, wie heute morgen im Radio gemeldet wurde, nicht ganztägig über Steuerprobleme zu unterhalten.
({7})
- Das kann zurückgestellt werden. Die Landwirtschaft erwartet heute eine Antwort der Regierung.
({8})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat sich bei aller kritischen Betrachtung, die aus seiner Pflicht und Verantwortung heraus von ihm zu erwarten war, nicht so abfällig zu dem geäußert, was Herr Ertl in Brüssel zustande gebracht hat.
({0})
Ich darf dem Hohen Hause aus einem Fernschreiben, das mir Präsident Heereman gestern abend geschickt hat, vorlesen, daß sich das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes am 29. März - das war vorgestern - mit den Preisbeschlüssen des Ministerrats befaßt habe. Dann heißt es weiter wörtlich:
„Es hat dabei anerkannt, daß der Bundesminister für Landwirtschaft den Verhandlungsauftrag der Bundesregierung mit Unisicht und Energie vertreten hat."
({1})
Ich kann das auch von mir aus nur unterstreichen.
Es heißt dann weiter: „Die Preisbeschlüsse des EG-Ministerrats sind ein erster Schritt nach vorn."
({2})
Das will ich hier auch unterstreichen.
({3})
Dann kommen in der Tat weitere durchaus verständlich kritische Betrachtungen darüber, was nun zu geschehen habe.
({4})
Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt, der schon heute morgen in der Fragestunde eine Rolle gespielt hat, ist folgender. Was die Strukturpolitik angeht - das ist unverkennbar ein zweiter Erfolg der Brüsseler Runde in der vergangenen Woche -,
({5})
sind wir bei dem geblieben, was in unserer Regierungserklärung steht und was wir dem Hohen Hause dargelegt haben.
({6})
Das heißt, wir haben nicht, wie andere vor uns, aus einer kritischen Lage heraus neue, unübersehbare finanzielle Verpflichtungen für die Bundesrepublik Deutschland übernommen.
({7})
Das haben wir nicht getan, sondern wir tun mit den heute gegebenen Möglichkeiten das, was europäisch und koordinierend national auf dem Gebiet der Strukturpolitik möglich ist.
Drittens. Herr Kollege Struve, daß sich das Kabinett, wie seit langem vorgesehen, heute in einer Sondersitzung mit der Steuerreform befaßt, sollte man hiermit nicht in Zusammenhang bringen. Die Regierung hat in diesem Fall, meine ich, die Pflicht, nach all dem, was durch die üblichen Indiskretionen richtig oder falsch auf den Markt gekommen ist, sich einen Tag, nachdem Präsident Eberhard das Gutachten im Namen der vom vorigen Finanzminister eingesetzten Sachverständigenkommission überreicht hat - das ist gestern geschehen -, heute nicht aus der Zeitung, sondern durch die kompetenBundeskanzler Brandt
ten Herren informieren zu lassen. Das ist der Sinn der heutigen Sitzung.
({8})
Morgen wird sich das Kabinett mit dem Zusammenhang zwischen den Brüsseler Beschlüssen und dem, was zusätzlich national möglich ist, befassen. Das kann nicht durch eine Debatte hier ersetzt werden. Eine solche Debatte kann uns Anregungen geben,
({9})
aber das Kabinett hat morgen seine Pflicht zu erfüllen. Wenn es erforderlich sein sollte, wird es noch eine zusätzliche Sitzung geben. Jedenfalls wird das Kabinett, wie es seine Pflicht ist, vor der Osterpause über diesen Gegenstand beschließen.
Und jetzt will ich noch einmal sagen: Lassen wir uns bei aller Aufgeregtheit draußen nicht davon abbringen, daß hier niemand so tun soll, als habe nicht er oder seine Gruppe jahrelang die Verantwortung für eine Politik getragen, mit der wir uns heute auseinanderzusetzen haben.
({10})
Ich sage Ihnen außerdem noch, den deutschen Bauern ist nicht durch Polemik und durch unsachliche Agitation gedient, sondern dadurch, daß sachlich geprüft wird, was möglich ist.
({11})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Ab-geordnete Dr. Schmidt ({12}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand es nicht in Ordnung, daß der Kollege Rasner die Antworten des Bundesernährungsministers in der Fragestunde als unzureichend und primitiv bezeichnet hat. Das ist unerhört!
({0})
Die Antworten ergaben sich doch daraus, daß die Fragesteller teilweise sehr außerhalb des Themas stehende Fragen gestellt haben
({1})
und darüber hinaus auch ihrerseits das Unmögliche gefordert haben.
({2})
Zweitens. Herr Kollege Struve, ich muß sagen, so kenne ich Sie in vielen Jahren nicht. Da Sie Schleswig-Holsteiner sind, haben Sie den Versuch gemacht, hier für den Wahlkampf einen Ton anzuschlagen
({3})
- natürlich ist es so -, damit das draußen ankommt. Es kommt nicht an! Sie sind viel zu klug, um nicht zu wissen, daß man dieser Sachlage nur mit vernünftiger Überlegung Herr werden kann.
({4})
Der Herr Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen, was der Bauernverband zu den Ergebnissen von Brüssel gesagt hat. Ich will das noch einmal ausdrücklich unterstreichen. Der Bauernverband hat auch in einer Presseerklärung vom 26. März gesagt:
Trotzdem wird anerkannt, daß die Bundesregierung in Brüssel hart verhandelt hat. Das bestmögliche Ergebnis ist erzielt worden.
Im übrigen, meine Herren von der Opposition, die französischen Bauernverbände haben ihren Ministerpräsidenten ersucht, auch endlich einmal so hart zu verhandeln, wie der Bundesminister Ertl in den letzten Wochen verhandelt hat.
({5})
Ein Letztes. Meine Herren von der Opposition, Sie bezeichnen das Ergebnis als unzureichend und auch im Interesse der Landwirtschaft als ungenügend. Andererseits lese ich hier in einem Nachrichtendienst, der Ihnen auch bekannt ist, folgendes:
({6})
Der Bundesregierung wird vorgeworfen, sie erhöhe die staatlich geregelten landwirtschaftlichen Preise noch über den Anstieg der Lebenshaltungskosten hinaus. Gestützt auf Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, machte sie zu Anfang der Woche in ihrem Pressedienst darauf aufmerksam, daß im Februar der Trinkmilchpreis um 10 % gestiegen sei; im April würden sich Schnittkäse und Milcherzeugnisse verteuern, im August Weichweizen und Futtergetreide und im September das Rindfleisch, und das alles in einem Zuge.
Was ist also bei der Opposition richtig, die Erklärungen der Agrarpolitiker, daß das alles unzureichend sei, auch die Preisbeschlüsse von Brüssel, oder daß andererseits die Verbraucher übermäßig belastet würden? Wozu stehen Sie eigentlich?
({7})
Diese Schizophrenie erleben wir doch ständig.
({8})
- Herr Kollege Haase, regen Sie sich nicht auf, Sie haben noch Gelegenheit genug! - Im übrigen, meine Damen und Herren, Ihre schizophrene Haltung kommt ja dauernd zum Ausdruck. Herr Kollege Wehner hat in der letzten Agrardebatte darauf hingewiesen, was ein Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein von Europa und der europäischen Entwicklung hält, was andererseits Sie in diesem Hause fördern.
Was die Strukturpolitik angeht, so sind wir überzeugt, daß sich Ernährungsminister Ertl konsequent an die Beschlüsse dieses Hauses vom 6. November gehalten hat, daß die Strukturpolitik im nationalen Rahmen, d. h. in nationaler Durchführung bleibt.
Dr. Schmidt ({9})
Sie vergessen auch Ihrerseits einmal die Vergangenheit. Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen. Wollen Sie denn ganz verschweigen, daß es Ihr Wirtschaftsminister Schmücker im Jahre 1964
({10})
- das hören Sie nicht gern - als die glücklichste Stunde seines Lebens bezeichnete, als er die Getreidepreise um 15 bis 20 % senkte!
({11})
Sie tun hier so, als ob
Das alles vergessen Sie, und Sie tun hier so, als ob
Sie die Welt von heute auf morgen ändern könnten.
Meine Damen und Herren, die Regierung wird das tun, was im Rahmen der Entwicklung der europäischen Verhältnisse möglich ist. Wir sagen noch einmal: wir werden die Bauern dabei nicht im Stich lassen.
({12})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Peters ({13}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen am Beginn dieser Stunde feststellen, daß Bundesminister Ertl bei den Verhandlungen in Brüssel im Kompromiß das Mögliche erreicht hat. Es überschreitet wesentlich das, was objektive Beobachter erwarten konnten.
({0})
Das Ergebnis liegt im Bereich der Forderung der europäischen Bauernverbände, der COPA. Daß damit berechtigte Forderungen der deutschen Bauern nicht völlig erfüllt sind, ist von uns nie bestritten worden. Deshalb werden das Bundeskabinett und die Koalition über zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen beraten.
Herr Struve, es ist, glaube ich, politisch nicht entscheidend, ob das heute im Kabinett oder morgen entschieden wird.
({1})
Es ist von vornherein gesagt worden, daß Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden. Hier wird der Landwirtschaft entscheidend geholfen werden.
Aber Sie haben in den Debatten über diese Fragen immer wieder die Indexzahlen herangezogen. Wenn Sie das tun, meine Damen und Herren, müssen Sie auch mit werten, daß die Indexzahlen in erster Linie durch den Schweinezyklus, durch den Fleischmarkt heruntergezogen worden sind, und zwar mindestens zur Hälfte. Tatsache ist auch, daß die Steuerung des Schweinezyklus zwar eine wichtige Aufgabe der Agrarpolitik ist, daß Sie aber die Agrarpolitik der Bundesregierung für diesen Schweinezyklus nicht verantwortlich machen können.
({2})
Nun wird alles in die Erwägung einbezogen werden. Es wird zu Ausgleichsmaßnahmen kommen, wie es der Minister heute morgen gesagt hat. Daß
er Ihnen vor den Kabinettsbeschlüssen nicht definitiv sagen kann, welche Ausgleichsmaßnahmen getroffen weiden, ist völlig klar. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Was wollen Sie eigentlich? Sie haben zweimal Anträge gestellt. Einmal haben Sie einen Warenhauskatalog mit 20 Positionen über Struktur- und Sozialmaßnahmen vorgelegt, und einige Wochen später haben Sie einen Katalog unterbreitet, der ganz anders aussah, wo die Altershilfe, die Zinsverbilligung und Investitionshilfen enthalten waren. Ich frage Sie: Was wollen Sie denn nun wirklich? Das müssen Sie bei dieser Gelegenheit einmal erklären.
({3})
- Sicher kommen Sie mit neuen Vorschlägen. Aber, Herr Struve, man muß Ihnen entgegenhalten, daß es verhältnismäßig einfach ist, Vorschläge zu machen.
({4})
Aber was haben Sie denn in den letzten 20 Jahren getan, um dieser Entwicklung, deren Früchte wir jetzt ernten, vorzubeugen?
({5})
Sie haben die Getreidepreissenkung angenommen; Sie haben die Ausgleichszahlungen dafür nicht eingehalten; und Sie haben alle negativen Gründe für diese Entwicklung gelegt; Sie haben ein Jahr zu spät die D-Mark aufgewertet,
({6})
und als wir vernünftige Ausgleichsmaßnahmen beschlossen, sagten Sie noch dazu, man müsse die französische Lösung treffen, nämlich in zwei Jahren angleichen. Das wäre ein schönes Geschäft für die deutsche Landwirtschaft geworden!
({7})
Das wäre so miserabel geworden, Herr Struve, daß die Preise zunächst geblieben wären, in zwei Jahren wären sie angeglichen worden, und es wäre kein Ausgleich gewährt worden. Seien Sie doch der Landwirtschaft gegenüber so ehrlich zuzugeben, daß das, was wir heute in der Agrarpolitik haben, nicht eine Auswirkung der Aufwertung und eines mangelnden Ausgleichs ist,
({8})
sondern daß ganz andere Komponenten dazu beigetragen haben.
({9})
Jedenfalls wird die jetzige Koalition der Lage der Landwirtschaft durch entsprechende Beschlüsse gerecht werden. Daß der Minister vor Kabinettsbeschlüssen hier keine spezifizierten Aussagen machen konnte, ist eine Selbstverständlichkeit. Das wertet aber erstens nicht ab, was er in den Verhandlungen getan hat, und zweitens nicht, was das Kabinett oder die Koalition für die Landwirtschaft bereit ist zu tun.
({10})
Präsident van Hassel: Das Wort hat Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Probleme der Agrarpolitik müssen in ihrem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. Die deutsche Landwirtschaft darf sich nicht isoliert und im Stich gelassen fühlen.
({0})
Der Herr Bundeskanzler spricht sehr viel über die Vergangenheit. Wir sollten uns mehr über die Gegenwart unterhalten, meine Damen und Herren.
({1})
Der Unterschied zwischen heute und der Zeit vorher für die deutsche Landwirtschaft liegt darin, daß sie bei weitgehend gebundenen Preisen mit exorbitanten Kostensteigerungen fertig werden muß.
({2})
Das ist doch das entscheidende Problem, durch das jetzt auch gesunde, außerordentlich rationell geführte Betriebe in die roten Zahlen geraten sind.
({3})
Die industriellen Erzeugerpreise sind 1970 im Jahresdurchschnitt um mindestens 6 % angestiegen,
({4})
die Investitionsgüterpreise um mindestens 9 %, die Baupreise annähernd um 20 %. Für 1971 ist doch weiß Gott, Herr Bundeskanzler, mit einer Preisberuhigung und damit für die Landwirtschaft mit einer Kostenberuhigung nicht zu rechnen.
({5})
Für diese Entwicklung können Sie nicht Ihre Vorgänger verantwortlich machen; die Verantwortung für diese Kosten- und Preisentwicklung trägt diese Bundesregierung.
({6})
Ein Zweites: Wir wissen alle, wie gerade die landwirtschaftlichen Probleme mit den währungspolitischen Fragen eng verknüpft sind. Um so erstaunlicher finde ich - in Zustimmung zu dem, was vorhin gesagt wurde: daß währungspolitische Dinge Fragen außerordentlicher Delikatesse sind -, daß Informationsdienste der SPD und der FDP in der vergangenen Woche davon gesprochen haben, daß man angesichts der Hochzinspolitik der Bundesbank und der sich daraus ergebenden Devisenzuflüsse sich darüber Gedanken machen müsse, ob es nicht richtig ist, entsprechend dem kanadischen Beispiel, das heißt durch eine Freigabe der Wechselkurse, praktisch eine neue Aufwertung der D-Mark ins Auge zu fassen!
({7})
Diese Überlegung ist nicht völlig abwegig, wenn
man weiß, daß die Devisenreserven bei der Bundesbank insgesamt etwa 60 Milliarden DM erreicht
haben. Es ist also nicht ganz falsch, den Herrn Bundesernährungsminister, den Herrn Bundeskanzler oder den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu fragen, was von solchen Informationen zu halten ist und wie sie die währungspolitischen Schwierigkeiten in den nächsten Monaten in den Griff zu bekommen beabsichtigen.
Ein Drittes und Letztes, meine Damen und Herren. Wir wissen alle, daß die agrarischen Erzeugerpreise auch ihren Einfluß auf den Lebenshaltungskostenindex haben. Wir können nach den Erfahrungen, die hinter uns liegen, davon ausgehen, daß 1970 und auch zu Beginn dieses Jahres das starke Absinken der agrarischen Erzeugerpreise bis zu 12 % den Lebenshaltungskostenindex bisher erheblich gemindert hat.
({8})
Ohne Berücksichtigung der Nahrungs- und Genußmittel wären die Lebenshaltungskosten im Jahre 1970 erheblich stärker, nämlich um 4,3 % statt um 3,8 % angestiegen, und für Januar 1971 wäre das Ergebnis noch deutlicher: Anstieg der Lebenshaltungskosten insgesamt einschließlich Nahrungs- und Genußmittel 3,8 %, ohne Nahrungs- und Genußmittel 5 %.
({9})
Ich weise darauf hin, daß naturgemäß, wenn jetzt zwangsweise und unausweichlich die agrarischen Erzeugerpreise angehoben werden, das auch Wirkungen haben muß auf den Lebenshaltungskosten-index der nächsten Monate. Ich möchte nur gerade aus diesem Anlaß rechtzeitig einer falschen Legendenbildung entgegenwirken, daß jetzt die Landwirtschaft etwa, wenn der Lebenshaltungskostenindex ansteigen sollte, zum neuen Prügelknaben der Nation erhoben wird.
({10})
Wir haben, meine Damen und Herren, nicht nur aus den Vorstufen die industriellen Erzeugerpreise und Investitionsgüterpreise des vergangenen Jahres, wir haben auch erhebliche Lohn- und Gehaltssteigerungen zu verkraften, die, weil man sich an die Orientierungsdaten der Bundesregierung auf beiden Seiten der Tarifpartner nicht recht halten will, sehr stark abweichen von dem wirklichen Produktivitätszuwachs unserer Wirtschaft, und wir haben noch mit einer erheblichen Anhebung der sogenannten administrativen Preise bei Bahn, Güterverkehr, Post und bei den Kraftfahrzeugversicherungsprämien fertig zu werden. All das zusammen wird - darüber müssen wir uns im klaren sein, meine Damen und Herren - den Lebenshaltungskonstenindex nicht in der von uns allen erhofften Weise, sondern - darüber muß heute ein klares Wort gesagt werden - in einem weiteren Auftrieb beeinflussen.
({11})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn irgendwelche obskuren Dienste irgendwelche obskuren Bemerkungen über Paritätsveränderungen machen, dann haben Sie noch lange nicht das Recht, Herr Dr. Müller-Hermann, in unverantwortlicher Weise diese obskuren Dienste in eine offizielle Debatte des Deutschen Bundestages einzuführen.
({0})
Sie tragen die Verantwortung für das, was jetzt an spekulativen Folgen kommen kann, Herr Dr. MüllerHermann; das ist Ihre ökonomische Weisheit.
({1})
Und eine zweite Bemerkung: Die CDU/CSU sollte, wenn sie mit Begriffen wie naiv und primitiv arbeitet, vielleicht einmal fragen, ob nicht diese Begriffe für sie galten, als sie vor einigen Jahren die Agrarpolitik in Brüssel akzeptierte mit den langfristigen Bindungen, die sie eingegangen ist und die uns heute diese Schwierigkeiten machen.
({2})
Denn - Herr Kollege Schmidt ({3}) hat schon darauf aufmerksam gemacht - Sie haben damals die Preise gesenkt, und Sie haben für alle Bereiche die Agrarpolitik, die Marktordnungen akzeptiert, die uns heute weitgehend handlungsunfähig machen, und nun tun Sie nicht so, als läge der Schwarze Peter woanders!
({4})
Und eine dritte Bemerkung, meine Damen und Herren: Hier wird wieder einmal die ganze Schizophrenie der CDU/CSU deutlich. Heute in der Agrardebatte wird demonstriert - mit einem gewissen Verständnis von meiner Seite dafür -, daß das Brüsseler Ergebnis nicht voll befriedigend ist. Ihr Fraktionsvorsitzender beklagt einige Tage vorher den aktuellen Preisindex der Lebenshaltung. Daß zwischen beiden Dingen ein Zusammenhang besteht, wird von Ihnen tunlichst geleugnet, weil Sie sich ja jeweils an andere Interessengruppen wenden.
({5})
Nur, meine Damen und Herren, so dumm ist der Wähler nicht, wie Sie vielleicht meinen. Ich will Ihnen dazu einiges sagen. Wir haben diese Brüsseler Beschlüsse begrüßt, die Bundesregierung hat der Öffentlichkeit vorgerechnet, was das kostet - auch für den Index. Wir machen niemanden zum Prügelknaben, wir lassen uns aber auch nicht von Ihnen zum Prügelknaben für eine Politik machen, die Sie geformt haben.
Und eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Wenn wir uns diese Legislaturperiode mit ihren 17 Monaten anschauen, dann können wir erstens feststellen, daß diese Bundesregierung aufgewertet hat. Dies war nicht nur konjunkturell vonnöten, sondern auch im Interesse der Landwirtschaft,
um die Preise der für die Erzeugung notwendigen Rohstoffe stabiler zu halten, als es sonst der Fall gewesen wäre.
({6})
- „Ha, ha, ha" ist natürlich auch eine Antwort.
Zweitens. Diese Bundesregierung hat dann anschließend den vollen Ausgleich der Aufwertungsverluste gezahlt.
({7})
Es gibt überhaupt keinen Beweis dafür, daß die Aufwertung die Konsequenz hat, ,daß jetzt z. B. die ausländischen Schweine billiger auf den deutschen Markt kommen. Dies müßten Sie einmal nachweisen. Das ist die Konsequenz Ihrer Marktordnung. So ist die Wahrheit.
Drittens. Diese Bundesregierung hat jetzt Preiserhöhungen durchgesetzt.
Viertens. Diese Bundesregierung wird flankierende nationale Maßnahmen beschließen.
Ich sage Ihnen: was Sie hier tun, ist billigste Demagogik. Sie wird auf Sie selbst zurückfallen. Ich schließe mich dem an, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Uns geht es nicht um Landtagswahlen, uns geht es um die Landwirtschaft und ihre Sorgen.
({8})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Gallus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel befinden wir uns mit der gesamten EWG-Politik in einer Situation, die uns alle nicht befriedigt. Ich glaube, das können sowohl die Opposition wie auch die Regierungsparteien hier feststellen, und zwar deshalb, weil wir an dem Punkt, wo wir hinkommen wollen, nämlich die Wirtschafts- und Währungsunion zu erhalten, noch lange nicht angekommen sind. Man muß hier feststellen - ich habe das schon einige Male getan -, daß doch sicher keiner derjenigen, die diesem EWG-Vertrag zugestimmt haben, geglaubt hat, der Marsch dorthin sei ein Spaziergang ins Paradies.
Es wird heute davon geredet, wie Herr MüllerHermann das getan hat, daß die Landwirtschaft nun von dieser Regierung zum Prügelknaben der Nation gemacht werden soll.
({0})
Ich möchte die Opposition einmal fragen, ob sie sich nicht auf diesem Wege befindet mit ihrem Verhalten, das sie in den letzten Wochen und Monaten an den Tag gelegt hat. Wo würden wir denn hinkommen, wenn wir den Weg gegangen wären, den Sie vor einigen Wochen gewiesen haben mit dem Antrag, den Grünen Dollar auszusetzen?
({1})
Jetzt vor wenigen Tagen hat Ihr Fraktionsmitglied
Herr von Weizsäcker die Bundesregierung aufgeDeutscher Bundestag - 6. Wahlperiode
fordert, die Europäische Gemeinschaft zu vergrößern und weiterhin den Beitritt Englands zu betreiben.
({2})
Ich möchte hier feststellen, daß es der Opposition an einem Gesamtkonzept fehlt,
({3})
an einem Gesamtkonzept, das überhaupt die Überlegungen und die Möglichkeiten zuläßt, diese gesamte Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden.
ln diesem Zusammenhang müssen wir Herrn Minister Ertl dafür dankbar sein, daß er nun einmal das Rad umgedreht hat und daß er die negativen Erscheinungen, die uns in der EWG-Agrarpolitik zuteil geworden sind, einmal ins Gegenteil umwandelt. Dabei sind wir alle durchaus der Meinung, daß das nur ein erster Schritt ist. Auch dazu, daß nationale Maßnahmen folgen müssen, haben die Bundesregierung und selbst der Bundeskanzler ihre Zustimmung gegeben. Ich glaube sagen zu müssen, die Opposition bedauert, daß diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen sich insbesondere der Agrarpolitik so intensiv annehmen.
({4})
Meine Damen und Herren von der Opposition,
das können Sie auch draußen in der Öffentlichkeit mit noch so polemischen Äußerungen nicht wegwischen. Nach dem, was ich heute morgen hier in der Fragestunde gehört habe, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß manche Politiker vor zwölf Jahren im Halbschlaf in die EWG hineingestolpert sind.
({5})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordneter Dr. Ritz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, wir haben uns nicht abfällig über die Brüsseler Ergebnisse geäußert. Ich möchte das hier nur feststellen.
({0})
Nur eines möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen: zu Elogen über die harte Verhandlungsführung scheint uns insofern wenig Anlaß zu sein, als Herr Mansholt bereits im Dezember bei der Bereisung des Ausschusses in Brüssel uns bis auf Butter im Grunde genau die Preise genannt hat, die nun herausgekommen sind. Ich möchte das hier nur einmal festhalten.
({1})
Ich sage noch einmal, das ist für uns kein Grund, uns hier jetzt abfällig zu äußern.
Uns will nur scheinen, daß eines der entscheidenden Probleme nicht erkannt worden ist. Herr Kollege Gallus, von wegen „blind in die EWG gestolpert!" Da kann ich nur sagen:
({2})
Sie sind blind in die Folgen der Aufwertung gestolpert. Ganz allein mit diesem Problem haben wir es zu tun.
({3})
Die geradezu leichtfertige Art, wie Herr Kollege Schmidt ({4}) und auch der Minister in der heutigen Fragestunde die Vorgänge, die sich auf dem Gemeinsamen Markt für Agrarprodukte abspielen, verniedlicht haben, halte ich schlicht für verantwortungslos.
({5})
Natürlich kennen wir die Marktordnungen, aber - hier stimme ich dem Kollegen Apel zu - die Marktordnungen sind in der Tat nicht mehr handlungsfähig, weil wir durch die Folgen von Abwertung und Aufwertung innerhalb der Gemeinschaft in völlige Ungleichgewichte gekommen sind.
({6})
Hier werden uns zur Zeit die Hauptprobleme beschert. Daher kommt es, daß sich etwa die Schweineimporte im Vergleich zum Vorjahr um 140 %, 150 % erhöht haben. Hier liegen die Ursachen dafür, daß auch bei anderen Agrarprodukten überproportionale Steigerungen von Warenlieferungen aus der EWG in die Bundesrepublik vorliegen.
Ich finde es geradezu erschreckend, daß man offensichtlich nicht bereit ist, sich ernsthaft mit diesen Konsequenzen zu befassen. Herr Bundesminister, Sie sollen bis zum 1. April einen Bericht über die Folgen des Aufwertungsausgleichs in Brüssel vorlegen. Sie haben da die große Chance, gerade diese Zusammenhänge deutlich zu machen, um von daher die entscheidenden Korrekturen anzubringen, die erforderlich sind, wenn wir nicht erleben wollen, daß leistungsfähige Produktionsstätten der Landwirtschaft in der Bundesrepublik durch den Verdrängungswettbewerb kaputtgehen, dem sie durch Abwertung und Aufwertung innerhalb der EWG ausgesetzt sind.
({7})
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler sprach von einem zweiten Erfolg im Hinblick auf die Einigung im Strukturbereich. Wir können das alles sicher noch nicht abschließend übersehen. Wir müssen aber heute und hier schon auf einige Widersprüche aufmerksam machen. Herr Bundesminister Ertl sagt, wir bewegen uns im Bereich der gemeinsamen Finanzierung der sozialen und Strukturmaßnahmen im Plafond. Das hört sich bei Herrn Mansholt völlig anders an. Dieser sagte expressis verbis, es gebe keinen Plafond, Herr Conitat, der französische Landwirtschaftsminister, hat im zugestimmt. Wir müssen zumindest wissen, was nun gilt. Gilt für den Zeitraum von vier Jahren der Plafond oder nicht? Das ist die eine Frage, die sich stellt.
Die zweite Frage: Wir haben unterschiedliche Quoten von 65 % für unterentwickelte Räume und von 25 % für die übrigen Räume. Wir werden zu
fragen haben, welche Konsequenzen das für diese Maßnahmen im Hinblick auf das hat, was die Bundesrepublik aus dem Ausrichtungsfonds zurückerhält. Wenn wir, was zu erwarten steht, sehr viel weniger erstattet bekommen, werden wir dann zu einem nationalen Ausgleich kommen?
Wir werden also eine Altersrente in der Größenordnung von 600 Rechnungseinheiten einführen. Das mag gut und richtig sein. Nur, ist es dann nicht endlich an der Zeit, unseren Antrag auf Erhöhung der Altershilfe hier zu diskutieren und anzunehmen?
({8})
Wir liegen zur Zeit noch unter den Rechnungseinheiten, die man jetzt, wie ich meine, zu Recht, Süditalien und anderen Räumen zugestehen will.
Wir kommen in dieser Situation nicht um ergänzende nationale Maßnahmen herum, die nicht auf das Rechnungsjahr 1971 befristet sind, sondern die längerfristig sicherstellen, daß die Landwirtschaft der Bundesrepublik die notwendigen Anpassungsvorgänge innerhalb der EWG weiter vollziehen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit mit anderen tüchtigen Landwirten auch für die Zukunft sichern kann.
({9})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Struve und auch des Herrn Kollegen Dr. Ritz sind eigentlich nur aus der etwas aufgeladenen Atmosphäre eines Wahlkampfs in Schleswig-Holstein zu verstehen; sie ist dadurch aufgeladen, daß in Ihren Reihen eine erhebliche politische Unsicherheit besteht.
({0})
Nur deshalb können Sie heute hier über eine Enttäuschung sprechen und versuchen, das Ergebnis, das die Regierung in Brüssel erreicht hat, zu schmälern. Das muß hier mit einigen Strichen richtiggestellt werden.
Wie sah es am Anfang aus? Die Vorschläge der Kommission sahen verhältnismäßig geringe Preiserhöhungen vor, die einen Mehrertrag von etwa 400 Millionen DM im Jahr für die deutsche Landwirtschaft erbracht hätten, und verhältnismäßig große Aufwendungen für eine gemeinsame europäische Agrarstrukturpolitik. Die jetzige Bundesregierung hat erstmals in der Geschichte der EWG eine Gegenposition zur Kommission aufgebaut. Sie hat diese Gegenposition nicht durch lautes Reden, nicht bloß dadurch wie Sie es empfohlen haben -, daß mit der Faust auf den Tisch geklopft werden soll, sondern durch diplomatisches Geschick gegenüber der Kommission in Brüssel durchgesetzt, indem sie eine Mehrheit dafür bei den anderen beteiligten Ländern gefunden hat.
({1})
Das ist ein einmaliges historisches Verdienst in der
Geschichte der EWG, das dieser Regierung zukommt.
({2})
Mehr war nicht drin. Man darf dabei die unterschiedliche Interessenlage der Länder nicht vergessen. Ich möchte sogar so weit gehen: Das, was in Brüssel herausgekommen ist, ist, verglichen mit der Vorlage Mansholts, mehr als ein Kompromiß. Hier hat die Bundesregierung die Vorstellungen von Brüssel alternativ unterlaufen, um herauszuholen, was herauszuholen ist. Sie hat damit das Wort des Bundeskanzlers eingelöst, daß wir die deutschen Bauern in der jetzigen Situation nicht allein lassen werden.
Herr Dr. Ritz, Sie haben eben über unser Gespräch, das wir in Brüssel mit Herrn Dr. Mansholt hatten, gesprochen. Sehr hübsch, Herr Dr. Ritz. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: In Brüssel die sanfteste CDU, die es je gab. Ich bin neidisch und wehmütig geworden, als ich daran gedacht habe, wie Sie hier in Bonn agieren und wie Sie sich dort Pupille in Pupille mit Herrn Dr. Mansholt verhältnismäßig vorsichtig und sanft verhalten haben.
({3})
Da hätten Sie mit der Faust auf den Tisch klopfen können, das wäre da wahrscheinlich angebrachter gewesen. Es ist schon richtig: Man muß auch einmal mit der Faust auf den Tisch klopfen; aber auf den richtigen Tisch, und das hat Herr Minister Ertl getan.
({4})
Herr Kollege Schmidt hat schon darauf hingewiesen, wie die französischen Bauernverbände die Haltung der deutschen Bundesregierung gesehen haben und daß sie ihren Ministerpräsidenten ausdrücklich auf die Haltung der Bundesregierung hingewiesen und gesagt haben, so solle er sich möglicherweise auch in Brüssel verhalten.
Ich darf noch eines sagen. Der Erfolg, den Minister Ertl in Brüssel herausgeholt hat, ist nur möglich gewesen, weil die Bundesregierung insgesamt eine Strategie gegenüber der Kommission entwickelt hat und weil sie den zuständigen Minister mit Vollmachten ausgestattet hat, wie sie bisher noch kein Landwirtschaftsminister von einer Regierung für Verhandlungen in Brüssel erhalten hat. Das muß auch einmal gesagt werden. Ich sage: wir lassen uns diesen Erfolg nicht schmälern. Es ist eine Verbesserung der ursprünglichen Kommissionsvorschläge eingetreten - das hat die Fragestunde gezeigt - um ganze 100 %. Nun frage ich Sie: Ist das ein Erfolg oder ist das kein Erfolg?
Selbstverständlich ist die Situation in der deuschen Landwirtschaft damit nicht gerettet;
({5})
sicherlich reicht das nicht aus. Aber wie sollte man
das überhaupt erreichen? Es ist angekündigt worLöffler
den, daß nationale Maßnahmen getroffen werden und daß das Kabinett darüber befinden wird.
({6})
Herr Dr. Ritz, wenn Sie jetzt von der Altershilfe sprechen, dann lesen Sie sich bitte einmal durch, was der Präsident des Deutschen Bauernverbands u. a. zur Altershilfe im Zusammenhang mit den nationalen Maßnahmen gesagt hat. Hier werden wir uns von der Opposition nicht drängen und drücken lassen, sondern hier werden wir bei sorgfältiger Abwägung der Gegebenheiten ein Programm vorlegen. Ich will Ihnen das eine sagen: Mir wäre es
sogar sehr angenehm - ich habe das vorhin einem
Kollegen Ihrer Fraktion gesagt - , wenn wir bei
der Ausarbeitung und Durchsetzung der agrarpolitischen Maßnahmen zumindest partiell auch mit Ihrer Zustimmung rechnen könnten. Es muß ja nicht immer so sein, daß Sie bei jeder Gelegenheit irgend etwas herumzumäkeln haben.
({7})
Ich möchte abschließend folgendes feststellen. Welche Haltung die Opposition zu dem, was die Bundesregierung in Brüssel erreicht hat, auch immer einnimmt - von unserer Seite aus, von der Seite der Koalitionsfraktionen: ich stehe dafür, der Regierung und insbesondere dem Minister Ertl für die Haltung und für das herausgeholte Ergebnis Dank zu sagen. Ich bin sicher, daß sich die deutschen Bauern diesem Dank anschließen werden.
({8})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ein Problem ansprechen, und zwar die Verlagerung der Handelsströme in der EWG, die heute morgen hier von der Opposition laufend als so gefährlich dargestellt wurde. Zunächst darf ich feststellen, daß wir in der Tat eine starke Zunahme der Marktzufuhren aus EWG-Ländern zu deutschen Märkten zu verzeichnen haben. Ich sehen dieses Problem durchaus, und zwar, wie ich Ihnen versichern kann, mit Sorge.
Nun zu den Ursachen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie machen es sich wohl zu einfach, wenn Sie sagen, das alles sei eine Folge der DM-Aufwertung. Sie machen es sich auch zu einfach, wenn Sie sagen, die DM-Aufwertung sei eine Folge dieser Regierung. Haben Sie denn vergessen, daß die Aufwertung an sich schon durch die Freigabe der Wechselkurse unter Bundeskanzler Kiesinger eingeleitet wurde? Ich möchte das nicht untergehen lassen.
({0})
Wenn Sie von der Aufwertung sprechen, dürfen Sie auch nicht übersehen, daß schon vor der DM-Aufwertung Folgen der Franc-Abwertung zu verzeichnen waren. Dies waren erhebliche Folgen zu
Lasten der deutschen Landwirtschaft, bedingt durch den Zustrom von französischem Getreide in die deutschen Läger. Das hat damals zu sehr erheblichen Preisrückgängen für die deutsche Landwirtschaft geführt.
Sie haben scheinbar ganz vergessen, Herr Kollege Dr. Ritz, daß wir EWG-Marktordnungen mit gemeinsamen Preisen von Sizilien bis zur Nordsee haben, auch mit diesen vielzitierten Schweinepreisen. Es sind gemeinsame Marktordnungen ohne die Möglichkeit von Handelsbeschränkungen oder irgendeiner politischen Einflußnahme.
({1})
- Sicherlich, Sie wissen es, aber Sie vergessen dabei, daß gerade die CDU/CSU seinerzeit diese Marktordnungen geschaffen hat. Wir haben damals - daran erinnere ich mich sehr genau - immer wieder vor gemeinsamen Preisen ohne gemeinsame Kosten innerhalb der von mir genannten Räume gewarnt. Ich bin der Meinung: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht so mit Steinen werfen, wie Sie es in diesem Punkt tun.
({2})
Schon vor der DM-Aufwertung - auch das müssen Sie hinnehmen - gab es eine starke Ausdehnung der Geflügelfleisch- und Eierproduktion. Darüber dürfte es keinen Streit geben; die Zahlen sind ja nachweisbar. Damals gab es auf Grund der guten Preise auch schon eine starke Ausdehnung der Schweineproduktion. Herr Kollege Dr. Ritz, es gibt seit eh und je, solange es Schweinemärkte gibt, auch einen Schweinezyklus.
({3})
Es gab dauernd eine Auf- und Abwärtsbewegung.
Die starke Erhöhung der Schweineproduktion in Belgien, Holland und auch in der Bundesrepublik ist nach meiner Auffassung mit eine der Hauptursachen für die starken Zufuhren von Schweinen zu unseren Märkten. Wir sollten es uns eigentlich angewöhnen, bei Zufuhren aus der EWG, aus Partnerländern, nicht von Importen oder Einfuhren zu sprechen.
({4})
Es geht um Marktzufuhren, die sich am inneren Markt abspielen und bei denen man nicht eingreifen kann.
Nach meiner Auffassung ist es durchaus so - das haben die bisherigen Untersuchungen ergeben -, daß man nicht einfach sagen kann: Die Ursache dafür ist die Aufwertung. Wir dürfen dabei als Landwirte auch nicht vergessen, daß immerhin ein Aufwertungsausgleich in Höhe von 1,7 Milliarden DM gezahlt wird, den wir auch bei den Schweinen in irgendeiner Form mitrechnen müssen. Ich weiß von der Praxis her, daß das oftmals nicht geschieht.
({5})
- Ich halte ihn nicht für zu hoch. Ich bin der Meinung, daß dieser Betrag sehr wohl nach oben hin in
Frage gestellt werden müßte, wenn wir die Kostensteigerungen einbeziehen, die wir im Augenblick in der Landwirtschaft zu verkraften haben.
Wir haben bei unseren Untersuchungen lediglich feststellen können - Herr Kollege Struve, wir haben es uns nicht leicht gemacht, deshalb sage ich das -, daß erkennbar wird, daß in Holland, etwas niedrigere Preise für Mischfutter vorhanden sind. Das führe ich auf den hohen Anteil an Substituten in diesem holländischen Mischfutter zurück. Hierin
liegt eine gewisse Kostenbegünstigung für die holländischen Schweinemäster.
Nun bilden sich - auch das muß doch gesagt werden - etwa 50 % der landwirtschaftlichen Preise aus Angebot und Nachfrage. Nur die anderen rd. 50 % sind administrative Preise, die wir über die EWG steuern. Deshalb ist hier die Bedeutung der Schweinepreise so groß, durch deren Bewegungen ja in den verschiedenen Agrarberichten Erlösschwankungen - einmal mit i Milliarde jährlich nach oben, aber auch einmal mit 1 Milliarde jährlich nach unten - auftreten. Deshalb sind wir durchaus bemüht, alle Ursachen zu prüfen, die zu verstärkten Einfuhren in die Bundesrepublik geführt haben.
({6})
- Nein, das liegt nicht auf der Hand! Das weise ich zurück. Wir haben wirklich sehr genau untersucht, wo die Ursachen liegen, und wird sind bisher nur auf diesen einen Punkt gestoßen.
Wir werden also - das wollte ich abschließend sagen - die Entwicklung der Handelsströme weiter sehr genau verfolgen, weil sie ja für die Einnahmeseite in der Landwirtschaft von Bedeutung sind. Wir werden also weiter laufend beobachten und werden überlegen, welche nationalen und EWG-Initiativen notwendig sind und entsprechend ergriffen werden können.
({7}) Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiechle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung führt, wenn sie über ihre eigene Politik spricht, stets die Worte „realistisch", „nüchtern", „vernünftig" im Mund.
({0})
Bei den heutigen Beiträgen zu dieser Debatte, insbesondere bei den Antworten des Herrn Bundesministers, war allerdings von dem, was diese Worte besagen, wenig zu spüren.
Herr Bundesminister, Sie haben im Rahmen Ihrer Antworten - und ich möchte das jetzt einmal ganz nüchtern, wie Sie es sich immer wünschen, sagen - ganz besonders auf die großen Erfolge, die Sie auf dem Milchsektor hatten, hingewiesen. Dieses Problem der Milch ist wichtig für 40 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Bundesrepublik. Sie haben die Zahl 550 Millionen genannt. Auf
der anderen Seite aber stand über Ihren Aussagen die Feststellung: man kann die Marktentwicklung und daher auch die Preise, die die Bauern auf Grund dieser Erhöhungen in Brüssel erhalten werden, noch nicht genau vorhersagen. - Ich weiß zwar nicht, wie das zusammenpaßt, aber ich kann Ihnen in etwa vorrechnen, daß die 550 Millionen mit Sicherheit nicht stimmen werden.
Sie gehen davon aus, daß sich die Interventionspreise, die jetzt bestanden, nun voll auf das Niveau der jetzt neu beschlossenen Preise erhöhen, und berücksichtigen nicht, daß bereits jetzt andere Marktpreise - nämlich höhere - vorhanden sind.
({1})
Die Differenz kam aber bis heute nicht den Bauern zugute, sondern wurde aufgefressen durch die rapide Kostenentwicklung auf dem Verarbeitungssektor.
({2})
Insofern entsteht nun eine wesentlich geringere Spanne, die für die Bauern im Jahre 1971 zur Verfügung stehen wird.
Selbst wenn ich also für Sie, Herr Bundesminister, freundlich rechne, komme ich bei der Milch nicht auf 550, sondern auf höchstens sage und schreibe 250 Millionen.
({3})
Wir können uns am Schluß des Jahres darüber unterhalten, wem diese Entwicklung recht gegeben hat.
Ich habe während der Debatte außerdem feststellen müssen, daß mehr als ein Redner besonders die Fürsorge der Bundesregierung für die Bauern herausgestellt hat. Auch hier möchte ich unter der Devise des Realismus, den Sie immer so sehr herausstellen, am Schluß folgendes sagen. Bis heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben die Bauern von dieser „Fürsorge" ganz realistisch nur dies gespürt: gesenkte Preise, rapide gestiegene Kosten und Verunsicherung hinsichtlich ihres Grundeigentums. Dies ist bis jetzt Ihre Politik gewesen!
({4})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Bemerkungen möchte ich in dieser kurzen Zeit machen. Heute morgen hat hier mein Kollege Dr. Martin Schmidt an eine Feststellung erinnert, die ich in der Agrardebatte am 10. März gemacht habe, und ich finde es aktuell, sie in dieser Aktuellen Stunde in Erinnerung zu bringen. Damals habe ich die „Dithmarscher Landeszeitung" vom 5. März dieses Jahres wörtlich zitiert, in der zu einer Rede des Herrn Landesministers in Schleswig-Holstein Dr. Narjes, der ein CDU-Landesminister ist, folgendes berichtet wurde:
In der Diskussion machte der Minister zu den
hinsichtlich des Grünen Dollars gestellten Fragen und Vorschlägen darauf aufmerksam, daß
eine Aufhebung oder Aussetzung der EWG die Existenzfrage stellen müßte. Auch ein Grenzausgleich werde die EWG vor das gleiche Problem stellen. Man dürfe auch nicht vergessen, sagte der Minister, daß Brüssel nicht frei von den USA sei. Aber auch höhere Preise lösten eine Problematik aus; denn sie würden eine größere landwirtschaftliche Erzeugung nach sich ziehen. Zu dem Vorschlag einer Umsatzsteuererhöhung meinte Herr Dr. Narjes, daß auch sie einen Verstoß gegen die EWG darstelle.
Meine Damen und Herren, obwohl ich das am 10. März im Plenum des Deutschen Bundestages zitiert habe, hielten Sie es bis heute nicht für aktuell, klarzustellen, was nun eigentlich die Meinung der CDU/CSU und insonderheit die Meinung Ihrer maßgebenden Sprecher zu den aktuellen Problemen der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ist.
({0})
In der heutigen, angeblich aktuellen Stunde hat der verehrte Herr Kollege Struve so gesprochen, als liege eine Umsatzsteuererhöhung in den Befugnissen der Bundesregierung; sie nütze diese Befugnisse nur nicht aus. Ich wiederhole: Ihr eigener Minister, Herr Dr. Narjes, hat erklärt, auch eine Umsatzsteuererhöhung stelle einen Verstoß gegen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft dar. Das ist meine erste Bemerkung.
Ich komme zu der zweiten Bemerkung. Ich bitte Sie, nachzulesen - denn ich kann das in dieser kurzen Zeit nicht ausführlich in Ihre Erinnerung bringen -, was der verehrte Herr Kollege Dr. Burgbacher, der ja noch immer zur CDU/CSU-Fraktion gerechnet werden darf, in der 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am Freitag, dem 18. Oktober 1968, in der 190. Sitzung in der Debatte erklärt hat. Er begründete damals wie folgt: „ . . . weil für die EWG-Entwicklung die jetzt so heftig kritisierte EWG-Agrarpolitik eine unverzichtbare Voraussetzung war, von der alle Völker Europas profitiert haben." Er sagte weiter: „Der Aufschwung in der EWG, innerhalb der EWG-Märkte und außerhalb der EWG-Märkte, war an diese Voraussetzung gebunden." - Ich bitte Sie im Interesse der Sachlichkeit: Sagen Sie das den Bauern, zu denen Sie mit gespaltener Zunge reden, wenn Sie ihnen einmal dies und einmal jenes sagen.
({1})
Meine dritte und letzte Bemerkung ist folgende. Der Kollege Dr. Ritz hat hier heute davon gesprochen, daß man blind in die Folgen der Aufwertung gestolpert sei.
({2})
Die Bundesregierung der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten hat 1969 einen Ausgleich für die Aufwertungs- und Einkommensverluste in Höhe von jährlich 1,7 Milliarden DM - also in vier Jahren in Höhe von 6,8 Milliarden DM beschlossen. Sie von der CDU/CSU haben Ihre Zustimmung damals verweigert und haben auch kein alternatives Programm vorgelegt.
({3})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Marksteine für die heute notwendigen Entscheidungen sind vor 14 Jahren mit der Gründung der EWG und vor sieben Jahren mit dem Beschluß zur Getreidepreissenkung gesetzt worden. Ihre Entscheidungen waren es, verehrte Kollegen von der CDU/CSU, die uns heute dazu zwingen, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.
Erstmalig ist es einem Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik gelungen, in Brüssel nicht nur eigene Vorstellungen vorzubringen, sondern diese Vorstellungen, weil er Verbündete dafür gewonnen hat, auch durchzusetzen. Das ist das Verdienst von Ertl und von niemand anderem.
({0})
Es gibt Kollegen in den Reihen der CDU/CSU - Sie haben das heute genausowenig vom Tisch bringen können wie in der Vergangenheit -, die den Grünen Dollar abschaffen wollen, und es gibt gleichzeitig Kollegen, die beklagen, daß die Europäische Gemeinschaft noch nicht weiter entwickelt ist.
({1})
Ich kann hier nur feststellen: Die Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation wird nur von der Arroganz übertroffen, mit der geleugnet wird, daß in Brüssel Erfolge erzielt worden sind.
({2})
Präsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höcherl.
({3})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es nicht korrekt ist, meine Herren von der FDP, daß Sie hier in einer Aktuellen Stunde - und es ist das gute Recht der Opposition, hier eine Aktuelle Stunde zu verlangen; das ist keine Sanktion gegen die Regierung, das ist ein ganz normales Mittel , vier Redner vorschicken; das ist eine Verletzung der Fairneß, nicht wahr.
({0}) - Natürlich!
Zweitens darf ich der FDP folgendes sagen. Hier wird eine Legendenbildung versucht. Die FDP spielt sich hier als Gegner der damaligen EWG-Beschlüsse auf. Meine Damen und Herren, Sie wollten eine erweiterte EWG mit zehn und mehr Mitgliedern 6610
das wollten Sie! - , mit noch größeren Schwierigkeiten. Aber heute tun Sie so ({1})
- Das ist eine ganz entscheidende Frage. Warum?
({2})
Weil man hier mit einer doppelten Art und Weise spielt. Draußen sagen Sie, Sie seien gegen die EWG gewesen. Das stimmt ja nicht. Das wäre auch unverantwortlich. Das will ich ihnen sagen.
Nun zu den aktuellen Fragen selbst. In den Jahren 1969 und 1970 sind keine Preisentscheidungen gefallen. Sie wissen ganz genau, daß von der Einkommensentwicklung, die im Jahre 1970 in breiten Schichten rund plus 14 °/o war, ein einziger Berufsstand ausgeschlossen war.
({3}) Sie haben also 1970 nichts unternommen.
({4})
Jetzt haben Sie 1971 einen ganz bescheidenen Schritt
nach vorn gemacht. Das ist doch die Frage. - Bitte?
Abg. Dr. von Dohnanyi: Herr Höcherl, wer
war denn 1969 Landwirtschaftsminister?)
- Im Jahre 1969 sind die letzten, noch von mir eingeleiteten, Preisanpassungen für das Wirtschaftsjahr geschehen. Im Jahre 1970 ist nichts geschehen und jetzt im Jahre 1971 ein bescheidener Schritt. Das ist ja nur eine Wiedergutmachung, die längst fällig war. Das ist ja nicht die Anpassung.
({5})
Herr Bundeskanzler, Sie haben als Kronzeugen Herrn von Heereman genannt. Warum haben Sie denn nicht alles vorgelesen, was Herr von Heereman gesagt hat? Es waren ja nicht nur diese beiden Sätze, die Sie herausgegriffen haben, um für Sie zu argumentieren. Nehmen Sie auch den kritischen Teil und sagen Sie den kritischen Teil diesem Hause!
({6})
Darüber hinaus fehlt etwas. Es heißt in den Mitteilungen des Bundesernährungsministeriums, daß die deutsche Delegation Vorbehalte gemacht hat. Ich möchte wissen: welche Vorbehalte sind gemacht worden?
Darüber hinaus hat Herr Dr. Ritz schon gesagt, der Plafond für den Ausrichtungsteil ist verschwunden. Sie wissen ganz genau, daß wir bisher aus dem Ausrichtungsteil ungefähr dieselbe Summe zurückbekommen haben, die heute praktisch verloren ist. Sie haben den Haushalt gekürzt. Diese Ausgleichsmittel sind ebenfalls nicht mehr zur Verfügung; sie gehen nach Italien oder nach Frankreich. Das ist doch die Wirklichkeit.
Noch eine weitere Frage! Darf ich einmal fragen, warum Sie jetzt nationale Ausgleichsmittel verlangen? Warum haben Sie sie nicht schon im Haushalt vorgelegt? Sie waren ja längst fällig.
({7})
- Nein, Sie haben doch alle Vorschläge niedergestimmt, die wir gemacht haben. So war es doch.
({8})
Warum? Wenn Sie sagen: „wegen der Verhandlungen in Brüssel", dann geben Sie ja selber zu, daß das Ergebnis nicht ausreicht. Wie können Sie sich dann hinstellen und sagen, ein großartiges - ({9})
- Wie können Sie denn so etwas sagen?
({10})
- Nein, Sie selber sagen: mit den Ausgleichsmitteln, die Sie jetzt geben wollen. Nachdem Sie unsere Vorschläge abgelehnt haben, kommen Sie jetzt mit Ausgleichmitteln, weil Sie inzwischen die Situation zugeben müssen. Anders ist es ja nicht.
Wir gehen doch in unserer Kritik nicht so weit, Herr Wehner, daß wir sagen, es sei nichts. Das sagen wir doch gar nicht. Wir sind doch korrekt und sagen: Gut, Sie haben sich angestrengt, aber es reicht nicht aus. 1970 haben Sie gar nichts gemacht. Und jetzt frage ich Sie, wo sind Ihre Ausgleichsmittel? „Auf ein Jahr", sagen Sie. Nein, meine Damen und Herren, die Einkommensverluste sind ja dauernde Verluste. Sie können hier nicht mit einjährigen Maßnahmen im Haushaltsjahr 1971 oder im nächsten Haushaltsjahr ausgleichen. Das ist doch die Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren, es geht nicht um einen Wettbewerb um die Landwirtschaft in einem Wahlkampf, sondern hier geht es darum, Gerechtigkeit für die Landwirtschaft herzustellen, und daran fehlt es bei Ihnen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Fellermaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Höcherl hat hier, obwohl er es besser wissen mußte, nur die halbe Wahrheit gesagt.
({0})
Er sprach lediglich davon, daß der Ministerrat im Jahre 1970 keine Preiserhöhungen beschlossen hat. Er verschweigt aber, daß die Verwirklichung der Kommissionsvorschläge, die auf eine Preissenkung abzielten, durch die harte Haltung von Bundesminister Josef Ertl verhindert worden ist.
({1}) Das gehört zur ganzen Wahrheit.
Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung machen. Ich bin dankbar, daß der Kollege Wehner nochmals
({2})
- aber Herr Stücklen! -, an das erinnert hat, was
der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister gesagt hat. Er konnte das sagen, weil er viele Jahre in Brüssel tätig war und deshalb nicht bereit ist, so schizophren zu argumentieren, wie es die CDU/CSU seit vielen Monaten tut,
({3})
indem sie nämlich im Rahmen der christlich-demokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments anders handelt als hier in der Bundesrepublik Deutschland.
({4})
Herr Abgeordneter Fellermaier, Sie müssen zum Schluß kommen. Die Zeit ist um.
Das, meine Damen und Herren, mag für Landtagswahlen geeignet sein, aber es eignet sich nicht im Deutschen Bundestag. Hier wird danach gefragt, wie gehandelt wird, und diese Regierung wird handeln.
({0})
Das Wort hat Herr Bundesminister Ertl.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß auch die Opposition damit einverstanden ist, daß sich der zuständige Minister zu dem äußert, was hier ({0})
- Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich mir von der Opposition eine Lizenz zum Reden erteilen lassen muß.
({1})
Ich habe heute schon genug hören müssen, was nicht unbedingt sehr freundschaftlich war. Aber ich werde das verkraften.
Verehrter Herr Kollege Höcherl, zunächst noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
({2})
Ich hätte mir eine größere Freude gewünscht als Ihre Rede. Ich will Ihnen einmal folgendes sagen.
An seinem Geburtstag sollte man nicht unbedingt ein Selbsttor schießen.
({3})
Das sollte man an anderen Tagen tun. Am Geburtstag sollte man freudig sein. Wenn schon alle damit argumentieren - auch der Kollege Struve hat damit argumentiert -, daß in den Jahren 1969 und 1970 keine Preiserhöhungen beschlossen worden seien, muß ich Ihnen sagen: im Jahre 1969, Herr Kollege Höcherl, waren Sie noch zuständiger und verantwortlicher Minister. Das wollen wir hier einmal festhalten. Das war ein schönes Selbsttor. Ich danke Ihnen dafür. Aber das habe ich jetzt richtiggestellt.
Das Zweite. Im Wirtschaftsjahr 1969/70 ist das allgemeine Einkommen um 11 % gestiegen. Das ist im Agrarbericht nachzulesen und wird auch von der Opposition nicht bestritten. Das sage ich wiederum nur zur Klarstellung des Sachverhalts.
Nun zur Frage ad referendum. Natürlich habe ich nur zugestimmt ad referendum, weil ich mir die Zustimmung des Kabinetts holen und das Kabinett insgesamt informieren wollte. Ich habe übrigens nicht von einem großen Erfolg gesprochen. Aber ich habe gesagt - und dazu stehe ich auch-, daß das, was vom Ministerrat beschlossen worden ist, weit über das hinausgeht, was die Kommission vorgeschlagen hat. Das entspricht den Tatsachen.
Wenn gesagt wurde, daß Herr Mansholt dieselben Zahlen genannt habe, Herr Kollege Ritz, dann frage ich mich, warum er es nicht als Kommissionsvorschlag vorgelegt hat. Im übrigen kann ich mich nur an eines erinnern, und das will ich hier auch sagen: bezüglich der Milch haben wir mindestens so viel durchgesetzt, wie der Deutsche Bauernverband gefordert hat. Da die Milch in den Einnahmen insbesondere der bäuerlichen Betriebe eine sehr entscheidende Rolle spielt, kann ich nur sagen, hier kann ich dem Bauernverband sogar Vollzugsmeldung machen, und zwar auf das Prozent genau. Ich glaube, man muß das doch mindestens als ein Ergebnis werten, das den Tatsachen entspricht, verehrter Herr Kollege Kiechle.
Im übrigen, Herr Kollege Kiechle, von realistisch spreche ich gar nicht so sehr. Wenn ich das angenommen habe, dann nur von meinem früheren Lehrmeister. Da besteht dann eine Kontinuität. Als ich in der Opposition war, wurde ein Antrag von mir überhaupt nicht akzeptiert; im Gegenteil, da wurde gesagt, ich hätte gar nicht das Recht, weil ich das nicht realistisch bewertete. Ich bin also höchstens in der Kontinuität der Agrarpolitik, in die ich einzusteigen gezwungen war.
Dann wurde - auch das will ich hier einmal klarlegen - über den Plafond gesprochen. Ich lese einmal den Text vor, er lautet:
Die in Art. 6 der Verordnung Nr. 729 vorgesehenen Mittel sowie die in den vorangegangenen Haushaltsjahren nicht aufgebrauchten Mittel werden zur Verwirklichung der gemeinsamen Maßnahmen herangezogen, und zwar unbeschadet der Bestimmungen des genannten Artikels.
Das heißt, er nimmt auf die Finanzordnung bezug, in der der Plafond beschlossen ist. Der Artikel sagt: Plafond plus aufgesparte Mittel. Dann heißt es in der Entschließung weiter, daß nach vier Jahren eine Überprüfung der Maßnahmen erfolgt.
Herr Kollege Ritz, bezüglich der Altersrente war ein Irrtum in Ihren Äußerungen, den ich auch richtigstellen muß: Beschlossen wurden für die Landabgabeiente 600 Rechnungseinheiten, und die Landabgaberente beträgt in der Bundesrepublik 350 DM im Monat. Wenn Sie diese Summe mal 12 nehmen, können Sie ausrechnen, wieviel Rechnungseinheiten das sind. Sie können feststellen, daß wir über 600 Rechnungseinheiten liegen. Das ist der Tatbestand.
Herr Bundesminister, die fünf Minuten sind um.
Verehrter Herr Präsident, ich komme zum Schluß. Ich wollte nur diese Irrtümer aufklären, damit hier nicht wiederum Behauptungen im Raume stehenbleiben, die in keiner Weise der Sachlage entsprechen.
Eines, verehrter Herr Kollege Struve, will ich Ihnen allerdings sagen: die Opposition muß sich darüber im klaren sein, welchen Beitrag sie zur Verunsicherung der Landwirtschaft geleistet hat und welchen Anteil auch ihre Politik daran hat.
({0})
Und ein Zweites: Wenn Sie hier von 10 % reden, müssen Sie den Bauern offen und ehrlich sagen, daß selbst die COPA als die Interessenvertretung der Bauern nur 5 % verlangt hat und daß selbst im Europäischen Parlament nicht mehr als 5 % erreicht wurden; ein Antrag des Kollegen Klinker hat keine Mehrheit, auch nicht innerhalb der CDU gefunden. Ich möchte es in aller Deutlichkeit sagen, diese Art von einseitiger Darstellung trägt in der Tat zu einer Verunsicherung der Landwirtschaft bei, deren politische Folgen Sie mitzutragen haben.
({1})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Herr Präsident, haben dem letzten Redner aus dem Hause nur eine begrenzte Redezeit gegeben, ich glaube, nur ein oder zwei Minuten, weil die Aktuelle Stunde dann ablief. Wenn der Herr Minister daraufhin von der Regierungsbank das Wort ergreift, ist die Debatte unzweifelhaft neu eröffnet.
({0})
Es steht im Ermessen des Hauses, sie zu schließen.
Ich stelle fest, daß offensichtlich erstens die Fraktionen der Regierungskoalition vor der Fortsetzung dieser Debatte Angst haben.
({1})
- Warum haben Sie dann widersprochen? Warum wollen Sie dann eine Ältestenratssitzung dazwischenlegen? Das alles haben Sie ja angekündigt. Lassen Sie uns doch weiter debattieren.
({2})
- Herr Wehner, wenn Sie hier lautstark reden, ist das noch kein Argument. Wir wollen in der Sache und ruhig debattieren, und zwar jetzt.
({3})
Darüber hinaus wollen wir, Herr Kollege Schmidt, wenn schon zitiert wird, mit richtigen Zitaten zitieren. Die Debatte, Herr Präsident, muß, nachdem die Regierung eine Regierungserklärung abgegeben hat, fortgesetzt werden.
({4})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verlauf der Aktuellen Stunde macht überdeutlich, daß die Koalitionsfraktionen eine Fortsetzung dieser Debatte nicht I zu scheuen brauchen;
({0})
denn sie haben bisher die mit Abstand besten Argumente vorgetragen.
({1})
Außerdem wurde für jeden sichtbar gemacht, daß die Koalitionsfraktionen und diese Bundesregierung als einzige in diesem Hause Lösungsmöglichkeiten für die gegenwärtige Situation unserer Landwirtschaft anbieten.
({2})
Wir scheuen also die Fortsetzung der Debatte nicht. Sie, meine Herren von der Opposition, können hier jede Debatte haben. Wir sorgen nur dafür, daß Sie Ihr Ziel nicht erreichen, nämlich die konstruktive Arbeit der Bundesregierung zu blockieren.
({3})
Wenn ich jetzt im Namen der Koalitionsfraktionen die sofortige Einberufung des Ältestenrats beantrage, dann bedeutet das nicht, daß wir eine Fortführung dieser Debatte verhindern wollen,
({4})
sondern es geht uns lediglich um die Klärung einer Geschäftsordnungsfrage, die hier im Plenum nicht geklärt werden kann.
({5})
Wir sind der Ansicht, daß die Aktuelle Stunde nicht beendet war und der Bundesernährungsminister im Rahmen der Aktuellen Stunde gesprochen hat.
({6})
- Hier bestehen Meinungsverschiedenheiten. Zu ihrer Klärung ist der Altestenrat da, dessen Zusammentritt ich beantrage. Das bedeutet nicht, daß wir den Fortgang der Debatte scheuen.
({7})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Schulte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Rasner lagen völlig neben der Sache. Die Aktuelle Stunde ist dann geschlossen, wenn sie der Präsident schließt, und nicht eher.
({0})
Erst dann gibt es einen Anspruch auf eine Fortsetzung der Aktuellen Stunde - das wissen auch Sie, Herr Kollege Rasner -, wenn die Regierung in ihr mehr als 30 Minuten für sich in Anspruch genommen hat.
({1})
Die Regierung hat hier durch den Herrn Bundeskanzler vier Minuten und durch den Herrn Bundesernährungsminister einige Minuten, höchstens zehn Minuten, gesprochen.
({2})
Sie können sich darauf also überhaupt nicht berufen.
({3})
Wenn aber der Beitrag von Bundesminister Ertl im Rahmen der Aktuellen Stunde gelegen hat - und das mußte so sein, weil der Präsident die Stunde noch nicht geschlossen hatte -, kann es sich nicht um eine Regierungserklärung handeln, Herr Rasner. Ich will das hier nur formell klarstellen. Aber ich möchte noch einmal deutlich unterstreichen, was hier auch Kollege Mertes gesagt hat: wir haben die Fortsetzung dieser Aussprache in keiner Weise zu scheuen. Wenn Sie das wünschen - der Herr Präsident mag entscheiden -, dann werden wir weiter darüber sprechen.
({4})
Meine Damen und Herren, es ist eine Übung dieses Hauses, daß, wenn eine große Fraktion - hier ist es die Mehrheit - ein Zusammentreten des Altestenrats verlangt, dem stattgegeben wird. Nichtsdestoweniger wird es Sache des Präsidenten sein zu entscheiden. Der Altestenrat. wird nicht lange Zeit brauchen. Wir haben jetzt 11.20. Ich unterbreche bis 11.35 Uhr.
({0})
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich stelle zunächst fest, daß die Aktuelle Stunde beendet ist.
Ich rufe dann Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung
- Drucksache VI/ 1819 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache VI/2017 - Berichterstatter: Abgeordneter Baier
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({1})
- Drucksache VI/1997 Berichterstatter: Abgeordneter Köster ({2})
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Köster, Frau Dr. Henze, Müller ({3}), Burger, Winkelheide und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung
- Drucksache VI/1818 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({4})
- Drucksache VI/1997 Berichterstatter: Abgeordneter Köster ({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Köster als Berichterstatter. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst bitte ich darum, in unserem Schriftlichen Bericht - Drucksache VI/1997 - eine kleine Berichtigung anzubringen. Unter Punkt b) - Antrag des Ausschusses - heißt es:
Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Gesetzentwurf - Drucksache VI/ 1819 - in der anliegenden Fassung anzunehmen;
2. den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache VI/1818 - für erledigt zu erklären.
Ziffer 2 müßte an dieser Stelle dahin gehend ergänzt werden, daß die Drucksache VI/1572 ebenfalls als erledigt zu betrachten ist.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß hat sich beim Dritten Änderungsgesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung Mühe gegeben, die inzwischen aufgelaufenen Probleme zu bereinigen und eine Anzahl technischer wie auch substantieller Verbesserungen zu erwirken.
Zunächst ist das Problem der Fachoberschüler mit und ohne Berufsvorbildung befriedigend gelöst worden. Wir haben bezüglich der Anrechnung von Vermögen und Einkommen vorgeschlagen, nicht mehr den konkreten Bedarf in jedem Falle zur Grundlage zu machen, sondern vom abstrakten Bedarf auszugehen, weil sich die andere Regelung in der Praxis doch mit zu vielen Schwierigkeiten herumschlagen mußte.
Ich möchte Ihnen hier noch ein wesentliches Ergebnis der Ausschußberatungen vortragen. Seit dem 1. Januar 1971 brauchen Halbwaisen und Vollwaisen nach dem Zweiten Änderungsgesetz einen Betrag von 70 DM aus ihren eigenen Einkünften der Waisenrente nicht anzurechnen. Durch die Änderung von § 10 Abs. 2 haben wir erreicht, daß Auszubildende, die Vollwaisen sind, in Zukunft immer den höheren Bedarf in Anspruch nehmen können. Für die einzelnen Schularten stellt sich der Bedarf wie folgt dar: 320 DM plus 70 DM, 350 DM plus 70 DM, 380 DM plus 70 DM. Auf diesen Bedarf wäre dann die Vollwaisenrente anzurechnen.
Wir haben uns des weiteren im Ausschuß entschlossen, den Fachschülern, Abendgymnasiasten und Besuchern der Kollegs die freie Entscheidung über ihre Unterbringung zu überlassen, d. h. die Unterbringung nicht mehr von dem Wohnort der Eltern abhängig zu machen.
So viel als Erläuterungen zum Bericht. Der Bericht des Ausschusses liegt dem Hohen Hause ja vor.
Herr Präsident, darf ich jetzt gleich die Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/ CSU auf Umdruck 165 anschließen?
Bitte!
Auf Umdruck 165 *) wird beantragt, in Art. 1 Nr. 4 dem § 10 Abs. 1 Nr. 2 folgende Fassung zu geben:
2. für Schüler von Berufsaufbauschulen und Abendrealschulen sowie Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, . . . 320 DM,
Das Ausbildungsförderungsgesetz ist im Sommer 1969 unter der Großen Koalition beraten und beschlossen worden. Es trat am 1. Juli 70 gleichzeitig mit dem Ersten Änderungsgesetz in Kraft. Das Zweite Änderungsgesetz trat am 1. Januar 1970 in Kraft. Das Dritte Änderungsgesetz, das heute zur Beratung ansteht, soll rückwirkend zum 1. Januar 1971 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf der Großen Koalition sah vor, daß alle vergleichbaren Leistungen des Ausbildungsförderungsgesetzes den Förde-
*) Siehe Anlage 2
rungsmeßbeträgen des Honnefer Modells anzupassen seien. Mir scheint, daß sich in der Zwischenzeit eine nicht begrüßenswerte Entwicklung angebahnt hat. Wesentliche Strukturen der ersten Konzeption werden geändert. Während in dem Entwurf von 1969 noch ein Betrag von 320 DM monatlich für alle auswärts untergebrachten Schüler und Studierenden vorgesehen war, d. h. für die Schüler von Berufsfachschulen, Abendrealschulen, Kollegs, Abendgymnasien, für Studierende an Hochschulen usw., sind in dem vorliegenden Entwurf vier Stufen vorgesehen, die den Bedarf deutlich differenzieren: 320 DM für Schüler von Berufsfachschulen und Fachoberschulen, 350 DM für Schüler von Berufsaufbauschulen und Abendrealschulen, 380 DM für Schüler von Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs und 400 DM für die Studierenden an Hochschulen. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes sieht eine weitere Differenzierung dieser Sätze vor. Der untere Satz von 320 DM soll beibehalten werden; er ist übrigens seit 1969 unverändert. Der Satz für Studierende an Hochschulen soll auf 420 DM erhöht werden. Hier sind zum Nachteil des zweiten Bildungsweges Entwicklungen im Gange, die wir im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfes und des Antrags Umdruck 165 dem Hohen Hause noch einmal ins Bewußtsein rufen wollen.
Die Gefahr des Einbruchs von schichten-spezifischer Begabungsförderung liegt offenkundig vor. Es wird dem befriedigend Begabten schwerer gemacht, seine Chancen wahrzunehmen und mittlere Abschlüsse anzustreben, als dem gut Begabten, ein Hochschulstudium zu absolvieren.
Heute morgen hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß man nicht durch Polemik, sondern durch sachlich geprüfte Vorschläge hier im Hause etwas erreichen solle und etwas erreichen könne. - Ich sehe, daß bei der Fraktionsführung der SPD kein Interesse besteht, bei diesem Problem zuzuhören.
Meine Damen und Herren, die Berufsaufbauschüler und Abendrealschüler hatten bis zum 31. Dezember vorigen Jahres einen Bedarfssatz von 300 DM, genauso wie die Schüler von Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz sieht zum 1. Oktober dieses Jahres wieder gleiche Sätze vor, nämlich 320 DM für beide Gruppen. In der Zwischenzeit haben nun die Koalitionsfraktionen aus völlig unerfindlichen Gründen beschlossen, für Realschüler, die bei ihren Eltern am Ausbildungsort wohnen, 20 Mark weniger zu zahlen; also 9 Monate vom 1. Januar bis zum 1. Oktober Abendrealschüler 20 Mark weniger, hingegen Schüler von Abendgymnasien und Kollegs 20 Mark - die die anderen erst ab 1. Oktober bekommen - schon ab 1. Januar.
Wir halten diese Beschlußfassung der Mehrheit des Ausschusses für einen Willkürakt. Er ist mit den Kosten begründet worden. Diese Mehrkosten würden 3,15 Millionen DM betragen, also 3 150 000 DM. Wenn wir diese Kosten zu der Gesamthaushaltswirklichkeit des Ausbildungsförderungsgesetzes in Beziehung setzen, wird die Unrichtigkeit dieser
Argumentation deutlich. Erstens: Im Jahre 1970 blieben in der Etatposition „Ausbildungsförderungsgesetz" über 100 Millionen DM übrig. Zweitens: Die Etatansätze enthalten, wie Kenner wissen, ein Schätzrisiko von über 50 Millionen DM jährlich. Drittens - das ist das, was mich am meisten
empört -: Irrtum vorbehalten - aber da hat mir
im Ausschuß niemand widersprechen können -, hat
der Bundesfinanzminister seine Beamten ermächtigt, bei den Verhandlungen mit den Ländern bis zu einem Limit von 450 DM für die Studenten als monatlichen Förderungsmeßbetrag zu verhandeln. Die Einigung mit den Ländern ergab einen Betrag von nur 400 DM. Es ist also nachweislich, daß der Bundesfinanzminister 50 DM monatlich mehr für die Ausbildungsförderung der Studenten ausgeben wollte, als tatsächlich festgelegt worden ist.
In Anbetracht dieser Gesamtsituation wagt man zu argumentieren, daß die 3,15 Millionen DM für die 9 Monate nicht da seien. Der Bedarf als solcher kann doch nicht bis zum 1. Januar gleich sein, dann für 9 Monate unterschiedlich sein und ab 1. Oktober plötzlich wieder der gleiche sein. Mir scheint, daß es die Bundesrepublik nicht notwendig hat, an den Berufsaufbauschülern und Abendrealschülern in 9 Monaten 3,15 Millionen DM zu sparen. Ich denke, ein klärendes Wort des Bundesfinanzministers täte in diesem Punkte Wunder.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Köster, Sie können es anscheinend, wenn Sie hier reden, nicht unterlassen, Seitenhiebe zu verteilen. Wenn Sie sagen, daß die Fraktionsführung der SPD kein Interesse an diesem Gesetz habe, dann muß ich das mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
({0})
Denn heute morgen ist es ja der Fraktionsführung bezüglich der Geschäftsführung in diesem Hause nicht ganz leicht gemacht worden. Wenn ich aber böswillig sein wollte, könnte ich auch sagen: jetzt bei der Debatte, nachdem Sie sogar einen Antrag gestellt haben, ist Ihre Fraktionsführung nicht einmal da.
({1})
Aber lassen wir das! Das hat alles keinen Sinn. Wir wollen ja in der Sache weiterkommen.
({2})
- Das tut mir leid. Aber dann muß ich Herrn Köster sagen, daß er, da er weiß, was heute morgen alles geschehen ist - die Fraktionsführung hat sich während eines Teils seiner Rede unterhalten -, seine Bemerkung hätte unterlassen können.
({3})
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Katzer?
Nein.
({0})
- Ja, danke! Ich nehme das zurück. Das ist eine
Entschuldigung, die ich gelten lassen kann. Ich hätte diese Bemerkung auch gar nicht gemacht, wenn ich nicht herausgefordert worden wäre.
({1})
Meine Damen und Herren, zu Ende der 5. Legislaturperiode ist das Ausbildungsförderungsgesetz vom Bundestag verabschiedet und am 1. Juli 1970 in Kraft gesetzt worden. Während der bisherigen Amtszeit dieser Bundesregierung sind die Sätze der individuellen Ausbildungsförderung im Rahmen des Honnefer Modells zweimal angehoben worden. Nach dem in der vergangenen Woche eingebrachten Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes soll nun zum 1. Oktober 1971 bereits eine dritte Erhöhung erfolgen.
({2})
Wir haben also im Verlauf von zwei Jahren folgende Erhöhungen zu verzeichnen. Am 1. Januar 1970 gab es eine Erhöhung von 300 auf 350 DM, am 1. Januar 1971 von 350 auf 400 DM, und am 1. Oktober dieses Jahres wird eine Erhöhung von 400 auf 420 DM vorgenommen werden. Das heißt, daß in der Zeit von Januar 1970 bis Ende dieses Jahres die Sätze nach dem Honnefer Modell um 40 0/o erhöht worden sind. Das ist, glaube ich, eine respektable Leistung. Ich erwähne das, um mit dem Gerede aufzuräumen, daß die Regierung und die sie tragenden Fraktionen in diesem Hause etwas versäumt hätten.
Mit dem Entwurf, der heute zur abschließenden Beratung ansteht, wird die letzte Erhöhung der Sätze des Honnefer Modells an die Studierenden der Ausbildungseinrichtungen des Zweiten Bildungsweges weitergegeben, so wie das bisher stets üblich war. Nach wie vor bedürfen nach unserer Überzeugung diejenigen einer besonderen Förderung, die die Anstrengungen des Zweiten Bildungsweges auf sich nehmen. Wir wissen, daß das Ausbildungsförderungsgesetz Mängel hat, die sich bei der praktischen Anwendung dieses neuen Gesetzes immer wieder herausstellen. Deshalb begrüßen wir es - das hat auch der Herr Berichterstatter extra hervorgehoben -, daß im Zusammenhang mit dem Dritten Änderungsgesetz Verbesserungen vorgenommen wer6616
den konnten. Dies gilt insbesondere für die Gleichstellung der Besucher besonderer Fachoberschulklassen nach abgeschlossener Berufsausbildung mit Besuchern von Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges und vor allen Dingen für die verbesserte Förderung der Vollwaisen. Wegen anderer Einzelheiten dieses Gesetzes darf ich auf den sehr ausführlichen Ausschußbericht verweisen.
Ich komme nun zu der strittigen Frage, zum Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 165. Er geht offenbar von der Vorstellung aus, auch in Zukunft die Bedarfssätze der Besucher aller Ausbildungsstätten des Zweiten Bildungsweges so zu gestalten wie die Bedarfssätze der Studierenden an Hochschulen. Das ist dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion für ein Drittes Änderungsgesetz zum Ersten Ausbildungsförderungsgesetz eindeutig zu entnehmen, wird aber auch im Umdruck 165 wieder deutlich sichtbar. In der Vergangenheit war dies angesichts der geringen Höhe der Bedarfssätze angemessen. Aber bei den steigenden Bedarfssätzen müssen wir zu einer Differenzierung der Bedarfssätze nach dem durchschnittlichen Alter der Auszubildenden, den einzelnen Schulgattungen und den unterschiedlichen Ausbildungskosten kommen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß den Absolventen des Zweiten Bildungsweges meist Lehrmittelfreiheit gewährt wird, während die Studenten diese für sich nicht in Anspruch nehmen können.
Zweitens müssen wir zu einer sinnvollen Einordnung der Bedarfssätze der Studierenden der einzelnen Schulgattungen zwischen dem Höchstsatz für die Studenten an Hochschulen und dem niedrigsten Satz für die Schüler an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien kommen. In einem solchen System bilden nach dem durchschnittlichen Alter und den durchschnittlichen Ausbildungskosten die Schüler von Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen und Fachoberklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, einerseits und die Studierenden von Fachschulen, Abendgymnasien und Kollegs andererseits jeweils eine Gruppe. Diese in dem Entwurf der Koalitionsfraktionen für ein Drittes Änderungsgesetz zum Ersten Ausbildungsförderungsgesetz vorgenommene Differenzierung ist auch in dem Regierungsentwurf zum Bundesausbildungsförderungsgesetz vorgesehen und hat dort bei den vorbereitenden Beratungen und im ersten Durchgang durch den Bundesrat die Zustimmung der in diesen kultur- und bildungspolitischen Fragen sehr erfahrenen Vertreter der Länder gefunden. Dieser Differenzierung der Gruppen wird in dem Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes, wie ihn der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit vorgelegt hat, in den Bedarfssätzen Rechnung getragen. Das ist der Unterschied zum Antrag der CDU/CSU.
Man kann sich darüber streiten, ob die Bedarfssätze insgesamt überhaupt höher festgesetzt werden sollten. Wir alle würden das sicher begrüßen. Aber praktisch scheitert diese Möglichkeit an den finanziellen Mitteln, die uns hierfür zur Verfügung stehen. Der Einwand, es werde zwischen den beiden genannten Gruppen, soweit sie während der Ausbildung im Elternhaus wohnen, nur bis zum Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes am 1. Oktober differenziert, ist unrichtig. Es wird dabei verkannt, daß der vom 1. Oktober 1971 an im Regierungsentwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorgesehene Bedarf von 320 DM bei den Schülern der Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen und Fachoberklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, die Fahrkostenabgeltung umfaßt, während die Fahrkosten bei der anderen Gruppe zusätzlich geleistet werden. Ich muß zu meinem Bedauern sagen, daß auch hier wieder wie in vielen anderen Fällen die finanzielle
Frage von entscheidender Bedeutung ist; denn die zur Deckung des Vorschlages der CDU/CSU erforderlichen rund 3,2 Millionen DM stehen uns leider nicht zur Verfügung.
Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, den Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 165 abzulehnen und dem Antrag des Ausschusses für Familie, Jugend und Gesundheit zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Berichterstatter und der beantragende Sprecher der Opposition zum Änderungsantrag haben festgestellt, daß es im Ausschuß möglich war, substantielle Verbesserungen im Gesetzentwurf zu erreichen. Ich glaube, das ist ein Positivum, das wir vorweg festhalten können. Damit wird deutlich, daß sich die Opposition nicht darüber beklagen konnte und es auch nicht getan hat, daß wir uns mit ihren Argumenten und ihren Vorstellungen im Ausschuß nicht ausgiebig auseinandergesetzt hätten. Diese Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen machen deutlich, daß wir gemeinsam im Ausschuß Neuformulierungen und Verbesserungen gefunden haben. Dem von der Opposition vorgeschlagenen Weg, möglichst wenige Differenzierungen in dieses verbessernde Übergangsgesetz einzubauen, mußten wir uns jedoch im ganzen versagen. Diese Frage wird bei der Beratung des dem Ausschuß bereits überwiesenen Entwurfs eines Berufsausbildungsförderungsgesetzes erneut anstehen. Das sehen wir klar. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir es aber für absolut richtig und zweckmäßig, die feinen Differenzierungen, über deren Berechtigung im Ausschuß lange gesprochen wurde, beizubehalten, wie es jetzt vorgesehen ist.
Meine Damen und Herren, die große Nivellierung, welche die CDU/CSU in ihrem Leistungskatalog vorgeschlagen hat, den sie in ihrem Änderungsantrag auf Umdruck 165 noch einmal vorbringt, konnte uns nicht überzeugen. Im Grunde genommen läuft der Vorschlag der CDU/CSU darauf hinaus, daß man bei unterschiedlichen Bildungswegen weitgehend den gleichen Betrag gewähren will. Eine solche Regelung mag verwaltungstechnisch zunächst bestechend sein. Bei der Frage, ob sie mehr Gerechtigkeit bringt und ob sie dabei das
Alter und die unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme berücksichtigt, komme ich aber zu einem Nein. Denn es muß ein Unterschied entsprechend der längeren oder weniger langen Inanspruchnahme, die zum Abschluß des gewählten Zweiten Bildungswegs führt, gemacht werden.
Ein Letztes. Die Opposition stellt oft die Behauptung auf, im Haushalt 1971 entstünden ohnehin Deckungslücken. Wenn wir den Antrag der CDU/CSU, wie er vorliegt, annehmen, muß sich der Haushaltsausschuß mit dieser Vorlage erneut befassen und die 3 Millionen DM suchen. Ich meine, wir sollten den Kollegen der CDU/CSU die Peinlichkeit ersparen, in die sie im Haushaltsausschuß kämen, wenn dieser Antrag angenommen würde.
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Schon als liebenswürdige Menschen sollten wir daher die CDU/CSU-Mitglieder des Haushaltsausschusses nicht in die Verlegenheit bringen, sich selbst erneut widersprechen zu müssen.
Wir lehnen diesen Antrag ab, weil er erstens nicht mehr Gerechtigkeit bringt und weil zweitens die finanzielle Deckung nicht gegeben ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Spitzmüller, glauben Sie nicht, daß man, wenn im Haushaltsausschuß die Deckung für diese Vorlage schon damit gefunden werden muß, daß man darauf hinweist, der Ansatz enthalte so viel Luft und dadurch könnten 24 Millionen DM frei gemacht werden, nicht auch noch 2 weitere Millionen DM in diese Schätzung einbeziehen könnte?
Herr Kollege Baier, wieviel Luft im Haushalt ist, vermag niemand zu sagen.
({0})
Ich hörte bei Ihnen in der Debatte zur Reformgesetzgebung, in der Debatte zum Haushaltsgesetz immer nur, daß die Regierung hier nicht sorgsam genug vorgegangen sei und daß am Ende Deckungslücken entstünden. Sie verbreiten draußen im Lande die Angst, daß diese Regierung nicht sorgfältig genug arbeite, so daß ich es als geradezu grotesk empfinde, wenn Sie hier immer wieder Anträge stellen, die mehr Ausgaben erfordern, wenn wir ihnen folgen würden.
({1})
Haben Sie deshalb Verständnis dafür, daß wir diesen Antrag ablehnen, auch um deutlich zu machen, daß diese Regierung in finanzpolitischen Dingen, selbst wenn es um Größenordnungen von 3 Millionen DM geht, ihre Aufgabe und ihre Verpflichtung dem Ganzen gegenüber außerordentlich ernst nimmt.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Westphal.
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Gelegenheit nehmen, mich bei den Fraktionen herzlich dafür zu bedanken, daß sie uns dazu geholfen haben, durch Initiativgesetzentwürfe den Anpassungsvorgang für diejenigen, die sich auf dem Zweiten Bildungsweg befinden, und die Fachschüler in Richtung auf die Honnefer Sätze, die zum 1. Januar 1970 erhöht worden sind, zu beschleunigen. Dies ist ein hilfreicher Vorgang. Er erspart uns, wie Sie wissen, einige Wochen der vorherigen Bearbeitung, zumal wir damit rechnen können, daß der Bundesrat in dieser Frage selbstverständlich mittut.
Zweitens möchte ich, bevor ich zu etwas mehr politischen Bemerkungen zu dem komme, was Herr Köster gesagt hat, einfach von der Sache her noch einmal aufklärend sagen, wie es um das Thema des Änderungsantrags der CDU/CSU-Fraktion mit den 320 DM hier steht.
Der Einwand, es werde zwischen den beiden genannten Schülergruppen, soweit sie während der Ausbildung im Elternhaus wohnen, nur bis zum Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes am 1. Oktober 1971 differenziert, ist ja unrichtig. Dabei wird verkannt, daß der im Regierungsentwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes für die Zeit ab 1. Oktober 1971 vorgesehene Bedarfssatz von 320 DM bei den Schülern der Berufsaufbauschulen, der Abendrealschulen und der Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, die Fahrkostenabgeltung umfaßt, während die Fahrkosten bei der anderen Gruppe zusätzlich getragen werden. Es ist zwar richtig, Herr Köster, -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ich möchte dies gern im Zusammenhang sagen, Herr Köster.
Es ist zwar richtig, Herr Köster, daß der Bedarfssatz für Schüler der Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen und Fachoberschulklassen - wie gesagt wieder derjenigen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt - zum 1. Oktober 1971 über die Fahrkostenabgeltung hinaus um 10 DM angehoben wird - ich denke, dahin zielte sicher Ihre Frage -, während die andere hier angesprochene Schülergruppe vom 1. Januar 1971 an schon um 20 DM höhere Förderungsbeträge erhält, die dann allerdings am 1. Oktober 1971 bei dem voraussichtlichen Inkrafttreten des Bundesausbildungsförderungsgesetzes unverändert bleiben. Abgesehen davon, daß Ihr Antrag dem in der Höhe nicht Rechnung trägt - Sie beantragen ja eine Erhöhung von 20 DM und nicht von 10 DM -, ist hierzu zu sagen: wollten wir Ihrer Anregung folgen, müßten wir den Bedarfssatz für diese Schüler jetzt um 10 DM erhöhen und zum 1. Oktober 1971 erneut um 10 DM. Schon mit Wirkung vom 1. Januar
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
1971 ist dieser Bedarfssatz um 20 DM zu erhöhen, hätte zur Folge, daß diese Schüler vom 1. Oktober 1971 an durch den Wegfall der Fahrkostenerstattung schlechtergestellt würden. Die zweimalige Erhöhung um 10 DM in neun Monaten erscheint uns nicht zuletzt aus verwaltungsmäßigen Gründen nicht vertretbar.
Herr Köster, Sie haben das Ganze benutzt, um einige Schlußfolgerungen für das Verhalten der Bundesregierung oder der anderen Fraktionen -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Köster?
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ja, bitte!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen entgangen, daß ich von Abendrealschülern und Abendgymnasiasten gesprochen habe, die bei den Eltern am Ausbildungsort wohnen? Sie haben nur von Abendrealschülern und Abendgymnasiasten gesprochen, die bei den Eltern wohnen. Das ist ein Unterschied.
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Ich habe in dieser Hinsicht aus Zeitersparnisgründen einfach nur auf das zu verweisen, was Frau Schanzenbach vorgetragen hat. Sie hat dieses Thema ja auch schon angesprochen und geklärt.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen entgangen, daß Frau Schanzenbach übersehen hat, daß der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktion zum erstenmal für viele Schülergruppen einen geringeren Bedarfssatz vorsieht, als es nach dem Honnefer Modell bis zum 31. Dezember dieses Jahres der Fall gewesen ist, und daß also eine Anpassung in Richtung auf die Honnef-Sätze - wie Sie gesagt haben - nicht vorliegt, sondern eine Anpassung von den Honnef-Sätzen weg?
Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit: Genau das ist der Punkt, auf den ich jetzt zu sprechen kommen will. Herr Köster, Sie sagen von sich aus: Dies, was die Regierungsfraktionen vorgeschlagen haben und zu dem sich die Regierung selbst ja auch in den Ausschußberatungen bekannt hat, sei etwa eine Benachteiligung des Zweiten Bildungsweges, und dabei würden sogar solche Ideen herauskommen, wie sie mindestens - bestimmt auch nicht bei anderen - bei den Sozialdemokraten ganz und gar nicht vorhanden sind, nämlich die Idee, neue schichtenspezifische Förderungen einzubauen. Wir haben sie ja noch in einigen Dingen - nicht im Ausbildungsförderungsbereich, aber in anderen Feldern - und müssen sie dort endlich wegschaffen. Wenn Sie uns dies an dieser Stelle sagen, heißt das, Dinge verkleistern zu wollen, die offen angesprochen worden sind.
Heute erhält zum Glück endlich derjenige, der auf dem Zweiten Bildungsweg seine zusätzlichen Ausbildungen schulischer Art macht, seine Lernmittel frei, während der Student an der Hochschule dafür nach wie vor selbst zur Kasse gebeten wird. Er muß dafür selbst aufkommen. Der Unterschied, den wir in den Pauschalsätzen haben, ist wahrscheinlich - was die Bücherkosten und ähnliches betrifft - noch größer als das, was wir in den Pauschalsätzen ausdrücken können. Insofern ist hier ein Stück neuer Gerechtigkeit enthalten und nicht etwa irgend etwas, was schichtenspezifische Förderungsformen enthält. Darauf zielen wir nicht ab.
Frau Schanzenbach hat mit guten Gründen darauf hingewiesen, daß es sowohl altersmäßige als auch die von mir genannten Gründe gibt, die auf eine stärkere Differenzierung der Sätze abzielen.
Wir haben die Chance eines solchen Anpassungsgesetzes, das vor dem Bundesausbildungsförderungsgesetz liegt - welches ja auch in seinem Entwurf bereits bekannt ist und diesem Hause zugeleitet ist -, genutzt, um diese Stufung einzuleiten, die größere Gerechtigkeit bringt. Das ist kein Willkürakt, sondern dient dazu, die Möglichkeiten in der richtigen Richtung zu entwickeln.
Nun zu Ihren Überlegungen vom Finanziellen her, Herr Köster. Sie haben drei Punkte genannt:
Erstens. Im Jahre 1970 sei bei dem Etattitel des Einzelplans 15 für Ausbildungsförderung sehr viel übriggeblieben. Sie haben recht, daß dort viel übriggeblieben ist. Das war das erste halbe Jahr nach Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes mit einem schwierigen Antragssystem. Wir haben uns alle Mühe gegeben, unsere gesamte Bevölkerung darauf hinzuweisen, daß es jetzt möglich ist, Ausbildungsförderung für den Besuch weiterführender, allgemeinbildender und berufsbildender Schulen zu beantragen. Wir hatten noch nicht den Erfolg, den wir uns selbst gewünscht haben. Aber wir wissen, daß wir im zweiten Jahr nach dem Wirksamwerden dieses Gesetzes diesen Erfolg haben werden. Auch jetzt aus den Januar- und Februarzahlen ist das höhere Ausgeben der Mittel für den Zweck der Ausbildungsförderung nach dem ersten Ausbildungsförderungsgesetz erkennbar. Insofern kommt es dahin, wie wir es alle hier wollen. Insofern kann man auf diese vom vorigen Jahr übrigen 100 Millionen DM nicht rekurrieren.
Zweitens. Sie haben von einem Schätzrisiko gesprochen und Sie haben eine Zahl von 50 Millionen DM dafür genannt. Diese Zahl ist auf das Jahr 1972 bezogen. Wissen Sie, wie hoch dann der Ansatz für Ausbildungsförderung in der mittelfristigen Finanzplanung dafür ist? 1 066 000 000 DM. Dort 50 Millionen DM Schätzrisiko zu überlegen, ist wohl nicht unberechtigt. Aber Schätzrisiko heißt ja nicht, daß das eingeplant ist, daß unser Topf dadurch dicker geworden ist und mehr Luft enthält, sondern das heißt, es kann sein, daß es vielleicht überzogen werden würde und dann eine gesetzliche Aufgabe uns vor das Problem überplanmäßiger Ausgaben stellt. Niemand kann das vorhersagen, aber das ist das, was gemeint ist, wenn man vom Schätzrisiko spricht.
Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
Drittens dann diese Verhandlungsmarge, die der Finanzminister einmal erwähnt hat, als es darum ging, neu mit den Ländern über die Erhöhung des Honnefer Modells zu verhandeln. Das war bis dahin nicht in der Zuständigkeit des Jugend- und Familienministers. Dazu ist nur zu sagen: Der Ablauf war so, daß im Jahre 1970 die Mittel für das Honnefer Modell um nicht weniger als 30 Millionen DM überplanmäßig erhöht werden mußten, also dort eine Marge für irgendwelche Verbesserungen in der Zukunft in gar keiner Weise zur Verfügung stand. Verstehen Sie es bitte richtig, wenn die Regierung mit Hilfe der Koalitionsfraktionen sehr genau aufpaßt, die Finanzschätzungen korrekt zu machen und nicht mehr Belastungen hineinzufügen, als das denkbar und möglich ist. Wir haben das in diesem Gesetz schon ausgiebig getan.
({0})
Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben vereinbart, daß die Beratung von Punkt 2 unterbrochen werden soll.
({0})
Dann kommen wir zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag auf Umdruck 165. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr in zweiter Beratung zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Ausschußfassung: Art. 1, Art. 2, Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 abzustimmen, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU für erledigt zu erklären. Das gleiche soll, wenn ich recht informiert bin, für den Antrag auf Drucksache VI/1572 gelten. Wer einverstanden ist, gebe das Handzeichen. - Kein Widerspruch, es ist so beschlossen.
Nunmehr sollen die Punkte der Tagesordnung, die ohne Debatte erledigt werden können, aufgerufen werden, nämlich die Punkte 3, 4, 5, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13 und 14. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken
- Drucksache VI/1459 Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
- Drucksache VI/2007 Berichterstatter: Abgeordneter Bremer ({2})
Wird Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, - § 6, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur Abstimmung über II des Ausschußantrages. Es handelt sich um einige Entschließungsanträge und Ersuchen an die Bundesregierung sowie um Appelle an Länder und Gemeinden. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch hier einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ({3})
- Drucksache VI/ 1720 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache VI/2014 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl ({5})
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses ({6})
- Drucksache VI/2009 Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks
({7})
Berichterstattung wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5, -§ 6, - § 7, - § 8, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wir stimmen über das Gesetz im ganzen ab. Wer zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir stimmen nunmehr über II und III des Antrags des Ausschusses ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst
- Drucksache VI/1840 Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung als Ausschuß, an den Innenausschuß und den Verteidigungsausschuß als mitberatende Ausschüsse sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
- Drucksache VI/2006 Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Altestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Rechtsausschuß vor. Die Federführung ist noch offen. - Es wird vorgeschlagen, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Federführung zu betrauen.
({8})
- Ist das Haus damit einverstanden, daß der Rechtsausschuß federführend wird? - Ist das Haus auch im übrigen mit der Überweisung einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Abgabenordnung ({9})
- Drucksache VI/1982 Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Entwurf dem Finanzausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Rechtsausschuß und dem Innenausschuß als mitberatenden Ausschüssen zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für Sera und Impfstoffe
- Drucksache VI/1989 Das Wort wird nicht gewünscht.
Nach dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates soll der Gesetzentwurf an den Ausschuß für
Jugend, Familie und Gesundheit als federführenden Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eine Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise
- Drucksache VI/1998 Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Innenausschuß vor. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes ({10})
- Drucksache VI/1999 Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates geht dahin, den Gesetzentwurf dem Innenausschuß sowie dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({11}) über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 08 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen
- Umdruck 140, Drucksache VI/2008 Es wird offenbar keine Berichterstattung gewünscht.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
den Entschließungsantrag - Umdruck 140 - für erledigt zu erklären.
Ist das Haus einverstanden? - Einverstanden! Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 13 und 14 auf:
13. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({12}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Bestimmung der Empfänger, der Bedingungen für die Gewährung und der Sätze der Vergütung, die Beamten zum Ausgleich für bestimmte Dienstleistungen besonderer Art gewährt werden kann
- Drucksachen VI/ 1460, VI/ 1992 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer ({13})
Vizepräsident Dr. Schmid
14. Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({14}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung ({15}) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/ 67/EWG, Nr. 5/67/Euratom des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes
- Drucksachen VI/1850, VI/1993 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer ({16})
Es handelt sich um Berichte des Innenausschusses über Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zur Aussprache verlangt? - Das ist nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam über die Ausschußanträge abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen VI/1992 und VI/1993. Wer zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme; es ist entsprechend beschlossen.
Die nächsten Punkte der Tagesordnung werden heute nachmittag behandelt werden. Ich denke, daß es richtig ist, jetzt die Pause eintreten zu lassen. Oder will das Haus noch mit der Beratung von Punkt 6 a beginnen?
({17})
- Dann treten wir jetzt in die Mittagspause ein. Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.
({18})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe die Punkte 6 a und b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Ottokraftstoffe für Kraftfahrzeugmotore
- Drucksache VI/1902 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
- Drucksache VI/1950 -Ich erteile zur Begründung zu Punkt 6 a dem Herrn Bundesinnenminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt dem Hohen Hause mit diesem Gesetzentwurf eine Vorlage vor, die sie im Sofortprogramm im Herbst des vergangenen Jahres angekündigt hatte. Es besteht in diesem Hohen Hause wie in der Öffentlichkeit kein Zweifel über die Dringlichkeit dieser Vorlage. Mehr als 14 Millionen Kraftwagen sind in der Bundesrepublik zugelassen. Sie emittieren in Atemhöhe neben anderen Schadstoffen rund 7000 t Blei jährlich. Damit hat die Vergiftung unserer Umwelt durch bleiförmige Zusätze zum Ottokraftstoff ein bedrohliches Ausmaß an gesundheitsgefährdender Verschmutzung unserer Atemluft erreicht. Wenn auch die von unseren Kraftfahrzeugen emittierte Menge an Bleiverbindungen rein mengenmäßig hinter den anderen Giften zurücksteht, etwa der Menge des ausgestoßenen Kohlenmonoxyds, so ist doch die von ihr verursachte Gesundheitsgefährdung als noch stärker anzusehen. Nach arbeitsmedizinischen Untersuchungen sind Bleiverbindungen etwa tausendmal so gefährlich wie Kohlenmonoxyd.
Im Mai 1970 veröffentlichte das Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Erlangen die Ergebnisse einer Untersuchung über berufliche Bleibelastungen durch Autoabgase in Großstadtstraßen. Bei 158 Beschäftigten des Fuhrparks der Stadt Frankfurt ({0}), je zur Hälfte Straßenwärter und Müll-Lader, waren Blutblei- und andere medizinische Messungen durchgeführt worden. Sie brachten folgende Ergebnisse:
1. Beide Berufsgruppen, die verkehrsreiche Straßen als Standort ihrer Berufsarbeit haben und damit einer besonders starken Belastung durch Abgase und Staub aus dem Verkehr ausgesetzt sind, wiesen eine höhere Bleilast auf als die übrige Bevölkerung.
2. Der mittlere Bleiblutspiegel lag bei den Straßenwärtern, die einen noch engeren Kontakt mit dem bleihaltigen Straßenstaub haben, sogar noch höher als bei den Müll-Ladern. 3. Der festgestellte Vergiftungsgrad wurde bei 15 % der Untersuchten arbeitsmedizinisch als nicht mehr vertretbar angesehen.
Dieser Befund muß im Zusammenhang mit den kürzlich festgestellten ungewöhnlich hohen Bleikonzentrationen in der Atmosphäre der Frankfurter Innenstadt gesehen werden. Hier sind vom Meteorologischen Institut der Universität Frankfurt Werte gemessen worden, wie sie sonst nur auf den Autobahnen von Los Angeles gefunden werden. Frankfurt ist leider kein Einzelfall. Fraglos ist die Verunreinigung der Luft in unseren verhältnismäßig eng gebauten Städten besonders besorgniserregend.
Diese alarmierenden Befunde waren für die Bundesregierung Veranlassung genug, Maßnahmen gegen die seit Jahren ansteigenden Bleiemissionen aus dem Verkehr zu treffen. Sie entschloß sich daher, den Bleigehalt der Ottokraftstoffe zum frühestmöglichen Termin auf eine dem Stand der Technik entsprechende Konzentration zu senken. Zur Zeit schwanken die Bleigehalte in Kraftstoffen aus deutscher Raffinerieproduktion zwischen 0,2 und 0,65 Gramm pro Liter. Der Mittelwert liegt bei 0,44
Gramm pro Liter, bei Importbenzin sogar bei etwa 0,50 Gramm im Liter. Die bedrohliche Entwicklung wird um so deutlicher - und das bitte ich zu beachten -, wenn rückschauend festgestellt wird, das noch im Jahre 1966 das gewogene Mittel des Bleigehalts im Benzin nur 0,36 Gramm je Liter betrug.
Nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf sollen daher die Bleizusätze im Benzin in zwei Stufen drastisch vermindert werden. Ab 1. Januar 1972 ist eine obere Begrenzung auf 0,40 Gramm Blei je Liter vorgesehen, was bedeuten würde, daß die Mittelwerte entsprechend tiefer lägen. In einer weiteren Stufe soll der Bleigehalt je Liter auf 0,15 Gramm gesenkt werden. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, die zweite Stufe am 1. Januar 1976 zu erreichen, um der Mineralölindustrie eine ausreichende Frist für Planung und Errichtung neuer, zusätzlicher Benzinveredlungsanlagen zu geben. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, daß es der Mineralölindustrie in der ihr eingeräumten Umstellungsfrist gelingen wird, auch bei vermindertem Bleigehalt von 0,15 Gramm je Liter Benzin rein qualitätsmäßig gleichwertiges und klopffreies Benzin herzustellen. Außerdem besteht bei der vorgesehenen Übergangsfrist die Hoffnung, daß die Mineralölindustrie die Kosten der Umweltschutzinvestitionen durch kostenmindernde technische Maßnahmen ausgleichen kann.
In Sorge - wie ich hinzufügen möchte: in berechtigter Sorge - wegen der Umweltbelastung durch die Bleiemissionen der Kraftfahrzeuge hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetz gefordert, die Frist bis zum zweiten Schritt um zwei Jahre zu verkürzen. Die Bundesregierung teilt die Sorge des Bundesrats. Sie wird sich für eine beschleunigte Prüfung des Anliegens des Bundesrats im weiteren Gesetzgebungsverfahren einsetzen, um so schnell wie möglich zu einer entscheidenden Verbesserung unserer Umwelt zu kommen.
Schon die Herabsetzung des maximalen Bleigehalts auf 0,40 Gramm ab 1. Januar 1972 wird dazu führen, den Durchschnittsbleigehalt im Benzin zwangsläufig wesentlich unter der Höchstbegrenzungsmenge zu halten. Das muß immer wieder beachtet werden, wenn die Zahlen in der Öffentlichkeit zur Diskussion stehen. Realistische Prognosen gehen davon aus, daß ein Bleigehalt von durchschnittlich 0,35 Gramm pro Liter Benzin noch unterschritten werden kann. Bei der Herabsetzung des Bleigehalts auf höchstens 0,15 Gramm pro Liter werden schließlich verantwortungsbewußte Hersteller zu Durchschnittswerten von ungefähr 0,10 Gramm pro Liter kommen.
Ich möchte hervorheben, daß die Bundesrepublik durch dieses Bleigesetz als erstes Land der westlichen Welt den Bleigehalt im Benzin derart weitgehend vermindern wird. Um Ihnen einen Vergleich der vorgesehenen Regelungen mit entsprechenden Planungen anderer Länder zu ermöglichen, weise ich darauf hin, daß z. B. die Schweiz eine Begrenzung der Bleizusätze auf 0,54 Gramm und Schweden auf 0,70 Gramm je Liter beabsichtigen. Alle anderen Länder Westeuropas haben bisher noch keine Maßnahmen dieser Art eingeleitet. Nach den amerikanischen Vorschriften wiederum wird von den Raffinerien lediglich verlangt, daß sie gewisse Mengen bleifreien Benzins bereitstellen.
Die Bundesregierung hat ihrem Willen, eine wirksame allgemeine Verminderung des Bleigehalts zu erreichen, auch dadurch Ausdruck verliehen, daß sie für die zweite Verminderungsstufe keine Ausnahmeregelung mehr für einzelne Erzeuger oder Importeure vorsieht. Sie ist der Ansicht, daß bei der zugestandenen Frist - selbst dann, wenn sie verkürzt wird - die Erfüllung der Vorschriften im Interesse der Gesunderhaltung unserer Bürger allen Herstellern und Importeuren in gleicher Weise zugemutet werden kann. Nur für die kurzfristig geforderte Umstellung auf die erste Verminderungsstufe zum 1. Januar nächsten Jahres ist eine sehr restriktiv gefaßte Ausnahmeregelung im Einzelfall möglich.
Lassen Sie mich zum Schluß noch Befürchtungen ausräumen, daß eine Verminderung des Bleigehalts im Benzin sich möglicherweise nachteilig auf die Luftreinhaltung durch Vermehrung anderer Abgasbestandteile auswirken könnte. Insbesondere wird fälschlicherweise behauptet, daß sich der Ausstoß gesundheitsschädigender Kohlenwasserstoffe auf Grund einer Veränderung der Treibstoffzusammensetzung erhöhen würde. Es darf darum hier festgestellt werden, daß die Zusammensetzung von Kraftfahrzeugabgasen kaum von der Zusammensetzung des eingesetzten Kraftstoffes, vom Bleigehalt abgesehen, abhängt. Entscheidend sind vielmehr die motorische Gestaltung, die Gemischaufbereitung, die Gemischverteilung, die Gestaltung der Brennräume der Motorzylinder, der Verbrennungsablauf und insbesondere die Tatsache des Vorhandenseins einer Abgasentgiftungseinrichtung.
Mit der vorgesehenen starken Senkung des Bleigehalts von Kraftstoffen werden in naher Zukunft die Voraussetzungen für den Einsatz der effektivsten Abgasreinigungsanlagen im Kraftfahrzeug, der katalytischen Nachverbrenner, entscheidend verbessert. Damit wird auch eine weitgehende Beseitigung gerade jener restlichen Abgasbestandteile erreicht, die krebserzeugend sein können.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung leistet durch dieses Gesetz einen wirkungsvollen Beitrag; sie geht im Grunde einen Schritt, und zwar einen großen Schritt, in Richtung auf den schadstoffarmen Motor voran. Die jetzige Regelung läßt viele künftige Verbesserungen in greifbare Nähe rücken: das bleifreie Benzin ist ebenso wie die technisch ausgereifte Abgasreinigungsanlage das Ziel dieser unserer Bemühungen. Die Bundesregierung ist sich dabei der Tatsache bewußt, daß sie mit ihrer Gesetzesvorlage auch Schrittmacher über den Rahmen des Bundesgebiets hinaus sein wird. Sie gibt deshalb der Erwartung Ausdruck, daß der von ihr angestrebten Lösung auch die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften folgen. Ich wäre Ihnen, meine Damen und Herren, dankbar, wenn das Hohe Haus diesen Gesetzentwurf mit Vorrang beraten würde.
({1})
Damit ist die Regierungsvorlage zu Punkt 6 a begründet. Wir treten in die Aussprache in erster Beratung ein.
({0})
- Ich bin auf Grund der ausschließlich zu 6 a und b vorliegenden Wortmeldungen davon ausgegangen, daß die beiden Punkte gesondert behandelt werden. Ich glaube, das läßt sich auch aus der Sache durchaus begründen.
({1})
- Haben Sie noch Bedenken, wenn wir die Punkte 6 a und 6 b einzeln behandeln?
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelsberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Verminderung der Luftverunreinigungen durch Ottokraftstoffe für Kraftfahrzeuge setzt sich zum Ziel, die Bleibelastung der Luft durch Auspuffgase zu vermindern. Es besteht allgemeine Übereinstimmung, daß Blei sehr giftig ist und auf Mensch und Umwelt außerordentlich nachteilige Auswirkungen hat. Der starke Anstieg der Zahl der in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik
- der Bestand hat sich von 1950 bis 1970 verzwanzigfacht - erfordert schnellstens gesetzliche Maßnahmen, um die giftigen und schädlichen Bestandteile in den Autoabgasen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Das Problem der Autoabgase ist komplex. Die Bleifrage ist nur ein Teilaspekt. So werden von den 14 Millionen in der Bundesrepublik zugelassenen Autos pro Jahr folgende Mengen Gift und Schadstoffe an die Umwelt abgegeben: 8 Millionen t Kohlenmonoxyd, 0,9 Millionen t Stickoxyde, 1,2 Millionen t Kohlenwasserstoffe, 12 000 t Schwefelteilchen und 7000 t Blei. Aus diesen Zahlen wird deutlich, welch einen bescheidenen - wenn auch sehr schädlichen - Anteil der Autoabgase der vorliegende Gesetzentwurf berührt.
Das Blei in den Autoabgasen wirkt sich in zweifacher Hinsicht negativ aus, einmal durch seine Giftigkeit und zum anderen durch seine negative Wirkung auf Katalysatoren in Nachbrennern, die das Kohlenmonoxyd und die übrigen Abgase durch eine dem Motor nachgeordnete Verbrennung unschädlich machen sollen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, daß der Bleigehalt pro Liter Benzin ab 1. Janaur 1972 von jetzt im Mittel 0,44 g pro Liter auf ein Höchstmaß von 0,4 g pro Liter gesenkt wird und daß ab 1. Januar 1976 im Benzin nur noch 0,15 g Blei pro Liter enthalten sein dürfen.
Die erste Stufe mit einer Begrenzung des Bleigehalts auf 0,4 g pro Liter kann mit Hilfe der bereits vorhandenen Raffinationseinrichtungen in den Kraftstoffherstellungsbetrieben erreicht werden, ohne daß längerdauernde Maßnahmen erforderlich sind. Allerdings wird die Sofortbegrenzung der Bleizusätze auf 0,4 g pro Liter durch die weitere starke Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs schon in den nächsten Jahren wieder wettgemacht werden, so daß die emittierte Bleimenge von ca. 7000 t pro Jahr auch weiterhin unsere Umwelt vergiften wird.
Erst ab 1. Januar 1976 soll dann der Bleigehalt auf 0,15 g pro Liter begrenzt werden, um den betroffenen Wirtschaftszweigen die Möglichkeit zu geben, rechtzeitig die von ihnen zu treffenden Maßnahmen zu planen.
Der Bundesrat hat sich hier nicht dem Vorschlag der Bundesregierung angeschlossen, sondern will die Herabsetzung auf 0,15 g pro Liter bereits ab 1. Januar 1974. Ein Anpassungsseitraum von drei Jahren, so glaubt man, sei für die Mineralölindustrie ausreichend.
Dieser Vorschlag liegt in Richtung der Absichten der CDU/CSU. Die Fraktion der CDU/CSU ist der Ansicht, daß die Bundesregierung es in ihrem Gesetzentwurf versäumt hat, die weitere Entwicklung ins Auge zu fassen. Bei der zu erwartenden Verdoppelung des Kraftfahrzeugbestandes bis zum Jahre 1990 dürfte auch das mit 0,15 g Blei pro Liter versetzte Benzin eine Gefahr für die Umwelt werden. Die Bundesregierung sollte die Kraftstoffhersteller und die Motorenkonstrukteure im Hinblick auf die Vermeidung von Fehlinvestitionen darauf hinweisen, daß eine weitere Dezimierung des Bleigehalts im Benzin notwendig werden wird. Ein Gesetzentwurf sieht in den Vereinigten Staaten ab 1975 ein Verbot jeglichen Bleizusatzes im Benzin vor. In den USA hat man bereits begonnen, sich auf bleifreies Benzin umzustellen. Die Oktanzahl dieses bleifreien Benzins beträgt nur 91 ROZ. Sie entspricht etwa der Oktanzahl unseres Normalbenzins. Für Fahrzeuge mit hoher Kompression ist dieses Benzin nicht verwendbar. Die Ursache des hohen Anteils giftiger Autoabgase liegt in der Konstruktion hochgezüchteter Motoren, die, durch die Hubraumsteuer bedingt, möglichst kleine Hubvolumen aufweisen, deshalb schlecht verbrennen und mit Blei klopffest gemachte Treibstoffe benötigen.
Durch den heute anschließend zur ersten Beratung anstehenden Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes soll die Hubraumsteuer beseitigt werden. Dadurch soll ermöglicht werden, daß die schädlichen Autoabgase im gesamten verringert werden. Großvolumigere Hubräume lassen eine vollständigere Verbrennung zu, und der verwendete Kraftstoff benötigt weit weniger Bleizusatz, soweit die Verdichtung verringert wird. Allerdings muß vermieden werden - daraufhin hat auch schon der Herr Bundesinnenminister hingewiesen -, daß die Herabsetzung des Bleigehalts im Benzin zu einer beträchtlichen Steigerung des Benzinverbrauchs pro Auto führt, weil sonst wieder mehr Abgase insgesamt anfallen wür6624
den. Der schnelle technische Fortschritt wird auch auf diesem Gebiet hilfreich sein.
Fast gleichzeitig haben zwei bedeutende Mineral-ölfirmen in der Bundesrepublik ihre Benzine mit neuen Additiven versehen. Beide Firmen versprechen den Kraftfahrern eine höhere Kilometerleistung, sauberen Motor und Vergaser und eine Reduktion der Luftverunreinigung durch die Auspuffgase. Diese Entwicklung ist eine Bestätigung dafür, daß die Industrie sehr wohl in der Lage ist, im Bereich des Umweltschutzes Fortschritte zu machen. Auch der Motorenbau wird durch besondere konstruktive Maßnahmen wie z. B. die Verwendung elektronischer Zündanlagen oder besondere Beschaffenheit der Verbrennungsräume dazu beitragen können, daß der Bleigehalt im Benzin weiter herabgesetzt werden kann.
Daß gerade diese Bundesregierung - der größere Koalitionspartner hat die Reinhaltung der Luft in den Wahlkämpfen der 60er Jahre immer deutlicher herausgestellt - so zaghaft an das Abgasproblem herangeht, ist überraschend. Frühere Wahlversprechen, daß der Himmel wieder blau gemacht werden solle, wagt diese Bundesregierung heute nicht mehr zu geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bardens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die letzten Bemerkungen meines Vorredners anknüpfen. Im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ist eine Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Fellermaier vom 11. Januar veröffentlicht, in der die Kommission mitteilt, daß ihr bekannt sei, daß eine der Mitgliedsregierungen sich zur Zeit mit einem Gesetzentwurf befasse, der die Herabsetzung des Bleigehalts im Benzin erwirken solle. Diese eine Regierung ist die jetzige Bundesregierung.
Eben ist hier behauptet worden, daß die Bundesregierung in dieser Hinsicht zu wenig aktiv sei. Das Problem, um das es hier geht, ist längst bekannt. Seit vielen Jahren befassen wir uns alle damit. Jetzt ist zum erstenmal ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, der das Problem einer Lösung zuführen soll. Das Problem ist zwar erkannt und im Vorblatt des Gesetzentwurfes beschrieben, aber, wie ich meine, bei der Formulierung des Gesetzentwurfes vielleicht doch nicht intensiv genug angepackt worden. Auch wir meinen, daß man der Anregung des Bundesrates, zu prüfen, ob die Fristen - vor allem die für den zweiten Termin - nicht wesentlich kürzer gehalten werden könnten, in geeigneter Form folgen sollte.
Die Bleiintoxikation ist tatsächlich eine außerordentlich ernst zu nehmende Sache. Sie ist uns aus der Gewerbehygiene von früher her bekannt. Damals ging es um die Bleilöter und die Setzereiarbeiter. Wir befinden uns, soweit wir Großstädter sind, inzwischen alle in einer Belastungssituation, die der der Bleilöter von damals entspricht. Man
muß dieses Problem also genauso ernst nehmen wie die durch Bleiintoxikation bedingten Berufskrankheiten.
Wir danken also der Regierung für die Initiative, daß sie diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat, bitten sie aber gleichzeitig, mit dem Parlament zusammen nach Möglichkeiten zu suchen, wie man den Vorgang beschleunigen könnte.
Über den Zusammenhang mit der Kraftfahrzeugsteuer möchte ich jetzt nichts sagen; es ist ja jetzt eine getrennte Debatte vereinbart worden. Ich möchte nur - zum Schluß - feststellen: im Grunde ist technisch fast alles möglich, was der Gesundheit dienen kann, wirtschaftlich zumutbar muß aber alles sein, was gesundheitlich notwendig ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krall.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Verminderung der durch Kraftfahrzeuge hervorgerufenen Luftverunreinigung ist 'heute zu einer vordringlichen Aufgabe des Umweltschutzes geworden. Ich begrüße daher für die Fraktion der Freien Demokraten die Vorlage eines Entwurfs eines Gesetzes zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Ottokraftstoffe für Kraftfahrzeugmotoren, werden doch unter den luftverunreinigenden Stoffen in den Kraftfahrzeugabgasen die Bleiverbindungen als besonders gesundheitsgefährdend angesehen.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen daher die Bleizusätze zum Benzin in zwei Stufen vermindert werden: ab 1. Januar 1972 ist die Begrenzung auf 0,4 g Blei je Liter und ab 1. Januar 1976 auf 0,15 g Blei je Liter vorgesehen, während zur Zeit den Kraftstoffen in der Bundesrepublik durchschnittlich 0,5 g Blei je Liter zugesetzt wird.
Auch meine Fraktion wird gerne prüfen, ob ein früherer Zeitpunkt für das Inkraftsetzen der zweiten Stufe möglich ist. Die Beratungen im Ausschuß werden u. a. darauf abzustellen sein. Mit der Begrenzung auf 0,4 g Blei wird eine Verminderung um etwa 30 % erreicht, da der Durchschnittsgehalt zwangsläufig unter der mit hohen Geldbußen bewehrten Maximalgrenze liegen muß. Demnach wird die zweite Stufe eine Herabsetzung um etwa 80 % - gemessen zam heutigen Stand - bedeuten.
Mit diesen Vorschriften wird die Bundesrepublik, wie der Herr Bundesminister des Innern bereits ausführte, unter 'den Ländern Westeuropas die schärfsten Begrenzungen für Bleizusätze zum Benzin vorsehen, obwohl auch in diesen Ländern bedenkliche Konzentrationen festgestellt worden sind. Das bisherige Bundesrecht zur Luftreinhaltung geht davon aus, daß Einrichtungen, die bereits in der Wirtschaft eingeführt sind, verbessert werden müssen, um den Schutz der Umwelt zugewährleisten. Sicherlich ist es besser, daß neue Arbeitsstoffe und Technologien schon, bevor sie angewandt werden, auf ihre Verträglichkeit überprüft und nur dann, wenn sie als geeignet befunden sind, eingeführt werden.
Es kommt also darauf an, nunmehr die Versäumnisse der Vergangenheit zu korrigieren. Im vorliegenden Fall wird von der Bundesregierung die Umstellung auf einen Kraftstoff vorgeschlagen, der das Auftreten von Vergiftungsfällen von vornherein vermeidet. Dieser künftige Kraftstoff wird dann den Weg ebnen zur Einführung von effektiven Abgasreinigungsanlagen im Kraftfahrzeug. Bekanntlich werden solche Anlagen durch das Vorhandensein von Blei im Benzin stark gestört. Somit war bisher eine ausreichende Lebensdauer nicht gewährleistet. Wir können daher annehmen, daß mit der Einführung der Benzine mit niedrigerem Bleigehalt auch solche Entgiftungsanlagen seitens der Kraftfahrzeugindustrie mit der erforderlichen Lebensdauer gleichzeitg hoffentlich gleichzeitig - in die Kraftfahrzeuge eingebaut werden. Damit wird das Auftreten von krebserregenden und smogbildenden Stoffen künftig verhindert werden können. Erst dann ist das Kraftfahrzeug mit seinem derzeitigen Antrieb, mit dem wir sicherlich noch lange leben müssen, aus der Sicht des Umweltschutzes akzeptabel.
Abschließend möchte ich auch der Hoffnung Ausdruck geben, daß unsere. Partner in den Europäischen Gemeinschaften alsbald diesem Beispiel folgen und entsprechende Maßnahmen einleiten, da in ihren Ländern ähnliche Verhältnisse vorliegen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur ersten Beratung von Punkt 6 a liegen nicht vor.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Innenausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - mitberatend - zu überweisen. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Ich darf davon ausgehen, daß das Hohe Haus entsprechend beschließt. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 6 b. Zur Begründung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU hat der Herr Abgeordnete Dr. Gruhl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den großen Schlagworten zum Umweltschutz müssen wir nun zu den ersten Taten kommen. Wir greifen naturgemäß zuerst diejenigen Probleme auf, deren Lösung nicht gleich die allergrößten Kosten verursacht. Das Kraftfahrzeug, des Wohlstandsbürgers liebstes Kind, gehört leider zu den schlimmsten Luftverschmutzern, die wir kennen. Den Umfang des jährlichen Ausstoßes hat mein Kollege Engelsberger bereits genannt. Es ist uns völlig klar, daß die Bekämpfung der Abgase sehr schwierig sein wird und auch eine lange Zeit erfordert. Es ist aber nicht länger zu vertreten, daß der Gesetzgeber heute noch ein zu Kaisers Zeiten eingeführtes Besteuerungsgesetz aufrechterhält, denn gerade diese Steuer zwingt die Hersteller dazu, Motoren zu bauen, die nicht nach dem Prinzip der höchstmöglichen Verbrennung und des geringsten
Lärms konstruiert sind. Bereits im Jahre 1967 schrieb der verstorbene Professor Nordhoff an den Bundestag - ich darf zitieren -:
Da eine Begrenzung des Hubvolumens durch das bei uns gültige Steuersystem der Forderung nach Entgiftung der Abgase direkt entgegengesetzt wirkt, wird man das Hubvolumen als Steuerbemessungsgrundlage verlassen müssen, wenn man es mit der Entgiftung der Abgase ernst meint.
Die Konstrukteure und die Wissenschaftler, der Verein der Deutschen Automobilindustrie, der ADAC und die Mineralölwirtschaft sind sich darin einig, daß diese Steuer schnellstens beseitigt werden muß. Bei einem ADAC-Symposium am 17. Februar dieses Jahres bestätigten alle Beteiligten - wörtlich -, „daß eine wesentliche Ursache für die zur Zeit unbefriedigende Abgassituation in der geltenden Kfz-Hubraumsteuer zu suchen ist. Ihre Abschaffung ist deshalb eine entscheidende Voraussetzung für alle weiteren Schritte in Richtung auf eine Reinigung der Autoabgase." Soweit dieses Zitat. Diese Überzeugung teilen sowohl die Kraftfahrer als auch die Verbände, wie z. B. der Präsident des Ringes der Deutschen Naturschutzverbände. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zu dem soeben in erster Lesung beratenen Gesetzentwurf zur Verminderung des Bleigehalts in gleicher Weise geäußert. Ich glaube, in der gesamten Bundesrepublik ist allein die SPD-Fraktion anderer Auffassung; denn sie hat in einer Presseerklärung verlautbart, die Hubraumsteuer habe nicht das geringste mit dem Umweltschutz zu tun.
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- Bitte schön!
Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich die Bundesregierung darauf festgelegt hat, im Rahmen der Steuerreform auch die Kraftfahrzeugbesteuerung zu ändern,
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und ist Ihnen klar, daß man, wenn man den Bleigehalt reduzieren will, natürlich auch die Hubraumbesteuerung ändern muß?
Herr Kollege Apel, ich habe nicht von der Bundesregierung gesprochen,
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sondern ich habe mich lediglich auf eine Presseerklärung der SPD-Fraktion gestützt.
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Diese Erklärung ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für die Beratung dieses Entwurfs. Als ich sie las, mußte ich annehmen, Herr Apel, daß dies die Auffassung Ihrer Fraktion sei. Es ist gut, wenn Sie jetzt schon zum Ausdruck bringen, daß das zumindest nicht die Auffassung Ihrer Gesamtfraktion ist.
Natürlich führt die Umstellung der Steuer allein noch nicht dazu, daß neue Autos gebaut werden. Sie schafft aber die Voraussetzung zu deren Konstruktion, Erprobung und Serienproduktion. Da dieser Vorgang ohnehin noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird, ist es an der Zeit, diese Umstellung der Besteuerung so schnell wie möglich vorzunehmen, um den Herstellern Gewißheit darüber zu geben, auf welche Besteuerung ihre jetzt entwickelten Modelle in einigen Jahren treffen werden. Außerdem ist das Abgehen von der Hubraumbesteuerung Voraussetzung dafür, daß man nicht nur die Verbrennung im Motor verbessert, sondern daß man gleichzeitig die thermische oder die katalytische Nachbrennung in die Entwicklung einbezieht. Da bei all diesen Maßnahmen eine Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und den Produzenten der Mineralölindustrie erfolgen muß, ist ebenfalls ein schnelles Vorgehen dringend geboten.
Auf eine Kleine Anfrage, wie es mit einer europäischen Regelung stehe, hat uns die Regierung am 26. November 1970 geantwortet:
Es ist nicht damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit innerhalb der EWG eine einheitliche Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen eingeführt wird.
Darum hat es sicher auch keinen Sinn, länger auf eine europäische Regelung zu warten. Übrigens hat Herr Staatssekretär Dr. Reischl auf eine Anfrage des Kollegen Picard im Dezember 1970 auch bestätigt, daß die Bundesregierung nicht die Einführung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Personenkraftwagen in der EWG abwarten werde.
Verkehrsminister Leber erklärt allerdings das Gegenteil. Als wir unseren Gesetzentwurf eingebracht haben, hat er sich dahin gehend geäußert, er wolle auf eine europäische Regelung warten.
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Ich vermute aber darin nur eine gewisse Ausflucht, um das Problem vor sich herzuschieben.
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In diesem Hause kann niemand überrascht sein, daß wir diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, auch Sie sicher nicht, Herr Kollege Dr. Bardens; denn ich habe hier bereits am 16. Dezember erklärt, daß wir einen solchen Gesetzentwurf einbringen würden. In den vergangenen drei Monaten haben wir noch einmal bei allen Instanzen, sowohl der Wissenschaft als auch der Technik, sondiert und haben überall die Auskunft bekommen, daß wir mit unserem Entwurf auf der richtigen Linie liegen. Es gibt sicherlich noch viele Möglichkeiten, diese Hubraumsteuer zu ersetzen, und dann auch noch Kombinationen dieser verschiedenen Möglichkeiten. Wir haben diese alle in unsere Prüfung einbezogen und sind schließlich zu dem Ergebnis gekommen, daß es zwar keine hundertprozentige Lösung geben kann, die allen recht wäre, daß man sich aber schließlich für eine entscheiden muß, die die wenigsten Einwände gegen sich hervorruft.
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club tritt fast fanatisch für eine Einheitssteuer ein. Wir sind der Meinung, daß es sozial nicht zu vertreten wäre, wenn die kleinsten und die größten Wagen den gleichen Steuersatz zahlten. Selbst der ADAC ist der Meinung, daß man dann eine Übergangsfrist von mehreren Jahren schaffen müßte. Sobald man aber mit einer Übergangsfrist arbeitet, ist man ja auch genötigt, für diese Übergangsfrist eine andere Grundlage für die Differenzierung zu suchen. Diese hat der ADAC leider nicht vorgeschlagen.
Wir sehen im höchstzulässigen Gesamtgewicht lediglich eine Möglichkeit der Differenzierung. Wir glaubten weiterhin, wenn dieses Steuersystem schon geändert wird, sollte man zugleich die Prinzipien einer Vereinfachung mit zum Zuge bringen, indem man eben nicht eine sehr große Anzahl von Gruppen schafft, sondern der Einfachheit halber möglichst wenige Gruppen. Wir haben sie in unserem Entwurf für kleine bis mittlere Wagen, für Mittelklassewagen und für große Wagen einschließlich der Kleintransporter. Wenn es zu keinem größeren Aufwand beim Steuereinzug führt, kann unser Vorschlag durchaus modifiziert werden, indem man einige Gruppen mehr bildet, weil man dann die Möglichkeit hat, stärker zu differenzieren.
Die Lastkraftwagen behalten ihren jetzigen Steuersatz. In unseren Antrag ist, wie ich hier ausdrücklich bemerken möchte, ein Formulierungsfehler hineingekommen, aus dem man schließen könnte, daß die Lastkraftwagen jetzt auch in ,der Steuer anders veranschlagt würden. Ich bitte, das zu korrigieren. Wir gehen davon aus, daß auch für den Lastwagen der Grundbetrag von 350 DM zu zahlen ist und darüber hinaus genau in der bisherigen Art und Weise gestaffelt wird.
Die Personenkraftwagen werden bereits in vielen Ländern nach dem höchstzulässigen Gesamtgewicht besteuert, nämlich in den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Finnland, weitgehend in der Vereinigten Staaten - allerdings differiert es dort etwas von Staat zu Staat sowie in Südafrika und Australien. Nur der Herr Bundesverkehrsminister weiß das nicht. Er hat erklärt, daß wir das erste und einzige Land der Welt seien, welches Personenkraftwagen nach Gewicht besteuern werde.
({4})
Unser Vorschlag würde nach Meinung des Ministers außerdem zur Leichtbauweise führen. Wenn Sie jetzt bedenken, welche Länder ich aufgezählt habe und was für Wagen man dort fährt, dann ist dieses Argument wohl sehr wenig stichhaltig.
({5})
Unsere Fraktion hat aber darüber hinaus in letzter Zeit mit Konstrukteuren verschiedener Firmen und Wissenschaftlern gesprochen. Alle erklärten übereinstimmend, daß es schon immer ein Grundprinzip des Fahrzeugbaus gewesen ist, das Eigengewicht so niedrig wie irgend möglich zu halten. Denn es leuchtet ein, daß die Fortbewegung des Eigengewichts Brennstoff und Geld kostet, ohne daß man
dafür den geringsten Nutzen hat. Dieses Grundprinzip ist so stark, daß es durch keine Art der
Besteuerung überhaupt noch verstärkt werden kann.
Wäre das Argument des ADAC richtig, der auch sagt, eine solche Besteuerung werde zur Leichtbauweise führen und verkehrsunsichere und schnell verschleißende Fahrzeuge hervorbringen, dann wundere ich mich, warum der ADAC in den letzten Jahren nicht schon längst Protest erhoben hat. Denn in unserer vorgesehenen niedrigsten Steuerklasse von 140 DM fahren heute 7,9 Millionen Fahrzeuge; das ist über die Hälfte der 14 Millionen fahrenden Fahrzeuge.
({6})
Der ADAC hätte schon längst protestieren müssen, daß wir jedes zweite Fahrzeug viel zu leicht, schnell verschleißend und unverantwortlich verkehrsunsicher bauten. Da er es nicht getan hat, glaube ich, daß sein Argument auch jetzt nicht stichhaltiger ist.
Das Gesamtgewicht der Fahrzeuge in unserer untersten Klasse differiert heute zwischen 500 und 1300 kg; der Durchschnitt liegt bei etwa 1100 kg. Auch das in der Entwicklung befindliche Sicherheitsauto hat laut Plänen eine Auslegung von 900 bis 1000 kg Eigengewicht. Hinzu kommt noch das Zuladegewicht. Das heißt also, daß selbst dieses Sicherheitsauto knapp unter 1300 kg liegen und noch in die unterste Steuerklasse unseres Entwurfs fallen würde. Die Amerikaner entwickeln ein Sicherheitsauto im Gewicht von 2000 kg. Daraus ergibt sich auch, daß dieses Sicherheitsauto der großen Klasse wieder genau in der obersten Steuerklasse unseres Vorschlags liegen wird. Auch hier keinerlei Schwierigkeiten für die technische Entwicklung.
Um nun aber die Besitzer von Kleinwagen, die heute unter 800 ccm liegen und zum Teil unter 100 DM Steuern kosten, nachträglich nicht übermäßig zu belasten, da sie ihren Wagen unter den jetzt geltenden Steuervoraussetzungen gekauft haben, wollen wir diese Fahrzeuge bis 1980, d. h. bis sie voraussichtlich kaputtgefahren sind, in der alten Steuerklasse lassen.
Wir gehen weiterhin bei unserem Gesetzentwurf davon aus, daß die gleiche Einnahme erzielt wird. Sollte sich bei genauer Nachrechnung mit den Zahlen der Ministerien etwa ergehen, daß unsere Sätze ein klein wenig nicht entsprechend festgesetzt sind, dann sind wir gern bereit, diese Sätze noch um einige Mark zu erhöhen oder zu vermindern - je nachdem, was nötig ist.
Als weiteren Punkt unseres Entwurfes muß ich erwähnen, daß wir die Besteuerung der Elektrofahrzeuge, die bei uns jetzt geradezu diskriminiert sind, während sie in anderen europäischen Ländern steuerliche Vorteile haben, beseitigen wollen. In anderen europäischen Ländern fahren auf Grund der Begünstigung einige zehntausend Elektrofahrzeuge. Es erscheint einleuchtend, daß wir hier einen Anreiz schaffen - und zwar sofort -, diese Art der Fahrzeuge auch hier in stärkerem Maße zu produzieren.
({7})
Ich teile nicht die Ansicht der Bundesregierung, die in den letzten Tagen mehrfach zum Ausdruck gekommen ist, man wolle zunächst abwarten, bis solche Fahrzeuge vorhanden sind und laufen. Das ist ein völlig falscher Standpunkt.
({8})
Im Gegenteil, es muß sofort der Anreiz gegeben werden, daß die Industrie solche Fahrzeuge entwickelt. Denn die Investitionen dafür betragen viele Millionen, und natürlich wollen die Entwicklungsfirmen wissen, auf welche Besteuerung dann solche Fahrzeuge treffen, die derartig hohe Kosten verursacht haben. Ich bitte, doch auch hier in Zukunft praktischere Überlegungen in die Regierungsvorlagen und in die Pläne der Regierung aufzunehmen.
Ich komme zum Schluß. Ich hatte zu Anfang gesagt, daß wir endlich mit konkreten Schritten zur Verbesserung der Umwelt beginnen müssen. Wer bessere Vorschläge auf dem Gebiete der Kraftfahrzeuge hat, der möge das sagen. Wir werden alle diese Vorschläge in den Beratungen aufgeschlossen aufgreifen.
({9})
Die heute vorliegenden beiden Gesetzentwürfe sind nur ein Anfang bei der Bekämpfung der Autoabgase und des Lärms. Die CDU/CSU-Fraktion hat ein langfristiges Gesamtkonzept für dieses Gebiet, dessen erster Teil sich in etwa fünf Jahren praktisch auswirken wird. Darum haben wir auch als Termin des Inkrafttretens dieser Steueränderung den 1. Januar 1974 vorgesehen. Man könnte sich darauf einigen, vielleicht sogar noch ein Jahr hinzuzufügen.
Durch weitere Gesetze zur Abgasminderung, die wir einreichen werden, verfolgen wir das Ziel, trotz der Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs um etwa 50 % bis 1980 die jetzigen Gesamtabgasmengen dennoch auf weniger als die Hälfte reduzieren zu können.
({10})
Meine Damen und Herren! Damit ist die Vorlage der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung der Kraftfahrzeugsteuergesetzes begründet. Wir treten in die Aussprache der ersten Beratung ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fellermaier.
({0})
- Aber, lieber Herr Stücklen, so einfach ist es doch nicht, unter dem anspruchsvollen Namen Langzeitprogramm hier mit einem sehr dünnen Gesetzentwurf aufzutreten, der so gut vorbereitet worden ist, daß eine so große Fraktion wie die Ihre, die sich einen eigenen Planungsstab zugelegt hat, trotzdem nicht gemerkt hat, was sich jetzt nach der Korrektur des Kollegen Gruhl an höherer Besteuerung für Lastkraftwagen eingeschlichen hat.
Lassen Sie mich gleich zu den Lastkraftwagen - ({0})
- Lassen Sie mich doch hier einmal einen Gedanken entwickeln.
({1})
- Nein, weil der Kollege Stücklen gleich mit monteren Zwischenrufen begonnen hat, bevor ich ansetzen konnte.
Lassen Sie mich zum Problem der Lastkraftwagen hier etwas sagen. Wenn die CDU/CSU heute hier in ihrer Erklärung das, was im Gesetzentwurf steht, mit den Worten korrigiert, es bliebe bei den alten Sätzen, dann muß sie sich fragen lassen, ob sie das Problem der Wegekosten für den schweren Lkw dadurch regeln will, daß sie alles beim alten beläßt. Hier besteht ein großer Unterschied zwischen der sozialdemokratischen Auffassung zur Regelung des Wegekostenproblems und der Auffassung der CDU/ CSU.
({2})
- Ach, wissen Sie, Herr Lemmrich, jeder blamiert
sich, so gut er kann, und darin sind Sie ein Meister.
({3})
Lassen Sie mich zu dem Gesetzentwurf noch eine andere Bemerkung machen. In der Quantität der Gesetzentwürfe muß man Ihnen von der Opposition das Prädikat „fleißig" in der Tat zugestehen. Was die Qualität anbetrifft, drehen Sie sich eigentlich bei der Frage der Kraftfahrzeugsteuer im Kreise. In der letzten Legislaturperiode gab es aus Ihren Reihen einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, Drucksache VI/ 1452, Antrag der Abgeordneten Erhard ({4}), Picard, Dr. Häfele und Genossen. Davon ist bei Ihrer Neufassung nichts mehr übriggeblieben. Sie hatten es in Ihrem Gesetzentwurf sehr eilig. Sie konnten nicht einmal das Ergebnis der Beratungen der unabhängigen Steuerreformkommission abwarten, die noch Ihr Bundesfinanzminister eingesetzt hat und die auch zur Frage der Kraftfahrzeugsteuer eigene Vorstellungen entwickelt hat.
({5})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gruhl?
Bitte sehr, Herr Dr. Gruhl.
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß das Ziel unseres Gesetzentwurfs der Umweltschutz ist? Ich nehme nicht an, daß sich die Steuerreformkommission der Bundesregierung mit Prinzipien des Umweltschutzes befaßt.
Dann scheint Ihnen entgangen sein, Herr Kollege Gruhl, daß die Bundesregierung in ihrer Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU am 26. November 1970 bereits erklärt hat - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Im Rahmen der Steuerreform wird bereits an der Reform der Kraftfahrzeugsteuer gearbeitet. Dabei wird auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes und insbesondere der Luftreinhaltung geprüft, ob der Hubraum als Besteuerungsgrundlage für Personenkraftwagen noch beibehalten werden kann. Die Bundesregierung wird Lösungen vorlegen, sie wird jedoch den Vorschlägen der Steuerreformkommission nicht vorgreifen, sondern zunächst deren Gutachten abwarten.
Wenn man Respekt vor solchen Kommissionen hat, dann muß man ihnen diesen Respekt auch dadurch zollen, daß man jetzt, nachdem diese Vorschläge vorhanden sind, abwägt, was das Parlament politisch daraus verwerten kann und was nicht.
({0})
Herr Abgeordneter Fellermaier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich?
Nein, Herr Kollege Lemmrich, von Ihnen nicht! Man kann nicht unqualifizierte Zwischenrufe damit korrigieren wollen, daß man sich hier ans Fragemikrophon stellt. Das, was Sie hier versuchen, richtet sich von selbst.
({0})
- Wenn Sie zum Kneifen etwas sagen, dann hat Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Herr Stoltenberg in einer Wahlkampfrede für Schleswig-Holstein in der letzten Woche über 60 Minuten lang ein Zeugnis für Kneifen bei ganz anderen Fragen hier abgegeben.
({1})
Lassen Sie mich nun zu diesem Gesetzentwurf der CDU/CSU folgendes feststellen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, daß im Vorgriff auf die große Steuerreform eine Lösung für eine Änderung der Kraftfahrzeugsteuer erarbeitet wird mit dem Ziel, die Hubraumsteuer abzulösen und durch eine Steuer zu ersetzen, die den Bau großvolumiger Motoren im Interesse der Luftreinhaltung ermöglicht.
Wir sind aber als Bundestagsfraktion offen für die vielfältigen Vorschläge, die es in der deutschen und darüber hinaus auch in der europäischen Öffentlichkeit hinsichtlich einer endgültigen Gestaltung der Kraftfahrzeugsteuer gibt, sei es Gewichts- oder Flächen- oder Einheitsbesteuerung.
Alle drei Komplexe sind ineinander verzahnt. Es gibt verkehrspolitische Überlegungen, es gibt fiskalische Überlegungen, es gibt dabei die ÜberFellermaier
legungen der Steuervereinfachung im Interesse des Steuereinzuges bei den Ländern, und es gibt den Kamplex, es nicht losgelöst zu sehen von der Gesamtharmonisierung der Probleme Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und Belastung des Kraftverkehrs im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
In dem Zusammenhang darf ich noch anmerken, weil die CDU/CSU in ihrem Gesetzentwurf in diesem Bereich keine Lösung aufgezeigt hat, daß die EWG-Kommission noch in diesem Jahre eine erste Richtlinie für die Abgeltung der Benutzung der Wegekosten für Lastkraftwagen vorschlagen wird. In diesem Zusammenhang muß diese Frage dann auch bei uns einer Lösung zugeführt werden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion befürwortet, daß in den Ausschüssen alle Vorschläge, die auf den Tisch des Hauses gelegt werden, einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden. Wir sind sicher, daß die Bundesregierung einen eigenen Gesetzentwurf innerhalb des Gesamtkomplexes der Großen Steuerreform vorlegen wird, der den Problemen des Umweltschutzes, aber auch der Steuergerechtigkeit gerecht wird.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Umweltschutz ist ja das Thema der Stunde. Wer gegen die zunehmende Luftverschmutzung gesetzgeberische Maßnahmen fordert oder wer die bestehende Luftverschmutzung mit Gesetzesinitiativen verringern will, findet ein williges Ohr.
Zweifellos ist es so, daß das Kraftfahrzeug mit seinen Abgasen erheblich an der Luftverschmutzung teilhat, vornehmlich in den Städten und Ballungsgebieten. Es scheint sehr notwendig zu sein, nach einem Weg zu suchen, der eine Verminderung der Schadstoffe in den Abgasen der Kraftfahrzeuge aufzeigt.
Die Hubraumsteuer, die das Thema der CDU/ CSU-Vorlage ist, steht schon seit langen Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Maßgebliche Verbände der Kraftfahrzeughalter, auch maßgebliche andere Verbände messen der Hubraumsteuer eine erhebliche Schuld an der unbefriedigenden Abgassituation zu. Das tun Sie ja auch in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs.
Ich bin aber sehr im Zweifel - und meine Fraktion, die Freien Demokraten teilen die Zweifel -, daß eine Veränderung der Hubraumsteuer oder ihre Abschaffung und Ersetzung durch eine andere Kraftfahrzeugsteuer auf Grund anderer Kriterien die in der Vergangenheit aufgetretene unerwünschte Entwicklung in der Konstruktion von Motoren verändert. Denn wenn vor 10, 15 oder 20 Jahren die Kraftfahrzeugsteuer bei den Überlegungen des Käufers, welches Automobil er sich anschafft, ein
wesentliches Kriterium gewesen sein mag, spielt sie heute eine nur untergeordnete Rolle,
({0})
- Sie können anderer Auffassung sein, Herr Kollege Stücklen; das ist meine Auffassung als ein normaler Pkw-Fahrer - zumal sie in ihren Sätzen seit einem Dutzend Jahren unverändert geblieben ist.
Und wenn Sie sagen, Herr Kollege Stücklen, das stimme nicht, dann kann ich Ihnen nur sagen: Die Haftpflichtkosten sind ein viel wichtigerer Gesichtspunkt bei der Anschaffung eines Autos als die Steuer.
({1})
Die Haftplichtprämien haben sich in den letzten Jahren verdoppelt, und die Haftplichtprämie hängt von anderen Kriterien ab, die im Grunde genommen im Gegensatz zum Hubraum stehen. Das wissen Sie ja auch, Herr Kollege Stücklen. Die PS-Leistung ist die Grundlage für die Berechnung der Haftplichtprämie. Hier wäre es viel notwendiger, den Hebel anzusetzen, als bei der Hubraumsteuer, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern. Denn wir legen im Interesse der Verkehrssicherheit Wert darauf, leistungsstarke Fahrzeuge zu haben, die über ein Anzugsvermögen verfügen, um Unfallsituationen begegnen zu können.
Nun ersetzen Sie die Hubraumsteuer für Pkw und Krafträder durch die Gewichtssteuer analog der Versteuerung der Nutzfahrzeuge. Ich will auf den Druckfehler nicht eingehen, der Ihnen bei der Abfassung der Vorlage unterlaufen ist. Daran, Herr Kollege Lemmrich, mögen Sie nur erkennen, daß auch Ihnen in Ihrer Fraktion gelegentlich Irrtümer unterlaufen.
({2})
- Herr Kollege Lemmrich, nach Ihrer Auffassung haben die Vertreter der Regierungskoalition ja insgesamt keine Ahnung, und die Ahnung ist in Ihrer Fraktion beheimatet.
({3})
Das wissen wir. Ich nehme an, daß Sie, wenn Sie gleich hier heraufkommen, das gleiche feststellen werden.
Sie ersetzen die Hubraumsteuer durch eine Gewichtssteuer. Zunächst bleibt festzustellen, daß die Umwandlung nach Ihrer Vorlage eine Änderung des Aufkommens zur Folge haben wird. Denn mit wenigen Ausnahmen zahlen die Pkw-Besitzer nach den von Ihnen angeführten Sätzen erheblich weniger als zur Zeit. Das gilt vor allen Dingen für diejenigen, von denen man auf Grund Ihres Status annehmen kann, daß sie durchaus die jetzigen oder noch mehr Steuern zahlen können. Ich muß jetzt eine Firmenmarke nennen, sonst kann ich das nicht näher kennzeichnen. Für alle Fahrzeuge vom Mercedes 250 an aufwärts werden die Steuern nach Ihrer Vorlage drastisch gesenkt, am drastischsten beispielsweise
für den Mercedes 600, während Sie die VW-Besitzer nach Ihrer Vorlage durchweg zur Kasse bitten werden.
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gruhl? Dr. Gruhl ({0}) : Herr Kollege Ollesch, ist Ihre Fraktion der Meinung, daß man für die wenigen Dutzend Mercedes 600, für die zweifellos eine ganz drastische Steuerverminderung eine eigene Steuerklasse schaffen sollte? Sie können das ja vorschlagen.
Nein, ich bin nicht der Auffassung, daß wir eine eigene Steuerklasse schaffen sollten. Wenn wir aber schon umwandeln mit dem Anspruch, das Aufkommen nicht verändern zu wollen, dann wollen wir nicht, daß durch die drei Steuerklassen, die Sie schaffen wollen, erstens das Aufkommen drastisch verringert wird - das wird der Fall sein - und zweitens die schweren Wagen so drastisch von den Steuern entlastet werden, daß Sie dafür sicherlich keine Begründung finden können. Denn die Vereinfachung allein kann keine Begründung dafür sein, daß vornehmlich - vornehmlich! - diejenigen, die diese Wagen unterhalten und die nicht Privatpersonen sind, so entlastet werden.
Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Ollesch, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid-Burgk? Dr. Schmid-Burgk ({0}): Herr Ollesch, Sie sprachen davon, daß unser Vorschlaginsgesamt das Aufkommen drastisch vermindern würde. Können Sie sich vorstellen, Herr Kollege, daß wir an Hand von ganz genauen, neuen Statistiken aus Flensburg errechnet haben, daß das bisherige Aufkommen tatsächlich bis auf einen ganz geringen Prozentsatz erreicht wird?
Wenn ich mir Ihre Vorlage anschaue, dann habe ich nicht den Eindruck, daß diese sorgfältige Vorarbeit bei der Erarbeitung dieser Vorlage angestellt wurde.
({0})
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gruhl?
Ja. Das ist aber die letzte; ich möchte mit meiner Zeit auskommen.
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß ich vorhin bei der Begründung unseres Entwurfs ausdrücklich gesagt habe, daß wir, wenn sich gewisse Differenzen ergeben sollten, unsere Sätze pro Klasse um einige Mark bereinigen würden?
Das habe ich zur Kenntnis genommen. Aber ich beschäftige mich im Moment mit der Vorlage und nicht mit Erklärungen, die Sie abgegeben haben.
({0})
Meine Damen und Herren, im Grunde genommen ist Ihr Entwurf die Übernahme des ADAC-Vorschlags für die Einheitssteuer. Sie haben sie nur in drei Staffeln geteilt, um differenzieren zu können.
({1})
- Sie haben sie in vier Staffeln geteilt - Herr Müller-Hermann, ich korrigiere mich; ich habe die siebziger Staffel im Moment übersehen -, um eine etwas gerechtere Basis zu finden.
Nun zur Vorlage selbst. Sie wollen mit der Abschaffung der Hubraumsteuer zu größeren Hubräumen kommen. Sie wollen zu besseren Abgasen kommen und führen dafür die Gewichtssteuer ein. Die Versteuerung nach Gewicht führt doch wiederum dazu, Herr Kollege Müller-Hermann, daß der Wagen möglichst leicht gebaut wird.
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- Werden sie sowieso, Herr Stücklen? - Leichtbau bedeutet: wie bisher kleinere Motoren, weil die kleineren Motoren leichter sind als größere Motoren.
({3})
- Ich weiß, das ist sehr primitiv. Nur Ihre Erkenntnis basiert auf höherer Weisheit, das weiß ich.
Zum anderen werden Sie mit der Abschaffung der Hubraumsteuer den Trend zum kleinen Hochleistungsaggregat ohnehin nicht weitgehend beeinflussen können; denn der Konstrukteur ist aus vielen Gründen bemüht, aus einem kleinen Aggregat eine größtmögliche Leistung herauszuholen. Diese Entwicklung vollzieht sich auf allen Gebieten unserer Technik, völlig unabhängig von der Hubraumbesteuerung.
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich hatte erklärt, ich lasse keine Zwischenfragen mehr zu. Ich möchte meinen Gedankengang zu Ende bringen.
Wir sind der Auffassung, daß ein Vorziehen der ins Auge gefaßten Veränderungen unserer Steuern, speziell bei den Kraftfahrzeugsteuern, unter Umständen eine Lösung verbauen könnte, die auf anderen Kriterien beruht, die besser durchdacht sind,
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- ich werde einige angeben - und die die Nachteile, die Ihr Entwurf im Hinblick auf die Sicherheit bringen wird, vermeidet. Denn leichter Bau macht die Fahrzeuge windempfindlicher, daher gefährlicher.
Es sind fünf Lösungsmöglichkeiten denkbar. Erstens. Beibehaltung der jetzigen Hubraumbesteuerung, weil sie nicht mehr konstruktionshindernd empfunden wird.
Zweitens ist Ihr System der Versteuerung nach dem Gesamtgewicht möglich.
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Drittens ist eine Kombination der Steuer nach der Fläche und nach der höchstzulässigen Geschwindigkeit denkbar, eine Komposition beider Kriterien. Denn das großflächige Auto belastet die öffentliche Hand mehr als das kleinflächige Auto, wenn wir an Stadtverkehr und an ruhenden Verkehr denken. Außerdem führt die Abhängigkeit von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit dazu, konstruktiv den Wert nicht mehr auf Höchstgeschwindigkeit, sondern auf Beschleunigung zu legen, auf die Leistung und die Beschleunigung in der Leistung.
Viertens ist eine Abschaffung der Kfz-Steuer insgesamt und die Erhöhung der Mineralölsteuer in eben demselben Umfang als Ersatz für die Kfz-Steuer denkbar. Diese Lösung hätte den Vorteil, daß sie die verwaltungskostenärmste Lösung wäre.
Fünftens wäre eine Besteuerung nach dem Preis möglich.
Jede dieser fünf Lösungen hat Vorteile und Nachteile. Einige dieser fünf Lösungen beeinflussen die Automobilentwicklung. Fast neutral bezüglich der Entwicklung - ganz neutral wird keine Lösung sein - ist die Übernahme auf die Mineralölsteuer und die Versteuerung nach dem Preis.
Wir werden in den zuständigen Ausschüssen Ihren Entwurf daraufhin prüfen, ob er angesichts der Auseinandersetzung über die Steuerreform realisiert werden soll und ob eine Änderung der Kraftfahrzeugsteuer zum jetzigen Zeitpunkt vertretbar erscheint, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die Steuerreform nicht allzu lange auf sich warten lassen wird. Wenn die Besteuerung nach dem Gewicht erst einmal eingeführt ist, sind andere Lösungen für die erste Zeit zwar nicht ausgeschlossen, aber nur noch schwer durchsetzbar.
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassend folgendes sagen. Die Bedeutung der Hubraumsteuer für die Konstruktion ist in dem Maße, wie es draußen in der Öffentlichkeit angenommen wird, nicht mehr vorhanden. Ihr Vorschlag der Besteuerung nach dem Gewicht zwingt den Automobilbau in eine besondere Richtung hinein, die aus sicherheitlichen Gründen nicht gewünscht werden kann. Die Einführung von vier Grundstaffeln führt zu einer verminderten Besteuerung bei denjenigen Autotypen, die wegen ihres kleinvolumigen Motors Ursache Ihrer Änderungswünsche sind. Nach Ihrem Entwurf wird die Besteuerung bei allen Wagen der 1000er und 1200er Klasse geringer als heute. Von daher entfällt der Zwang, einen Motor mit größerem Hubraum zu bauen.
Eine Lösung im Sinne des Umweltschutzes werden wir kaum über die Kraftfahrzeugsteuer erreichen, gleichgültig, nach welchen Kriterien Sie die
Steuer festsetzen, weil die Steuer beim Kauf- und Konstruktionsverhalten angesichts des Gesamtpreises des Automobils und angesichts der Mineralölpreise, die der Kraftfahrer heute - vielleicht wird diese Belastung in Zukunft noch größer sein - zu zahlen hat, keine besondere Rolle mehr spielt.
Sie werden dem Problem „Reinhaltung der Luft" nur gerecht, wenn sie Abgasvorschriften erlassen, die den Konstrukteur zwingen, Motoren zu bauen, die den Bedingungen, die hinsichtlich der Zusammensetzung der Abgase gesetzt werden können, entsprechen. Diese Vorschriften werden auch Anlaß sein, Abgasentgiftungsanlagen zu bauen und sie dem Käufer zu einem annehmbaren Preis anzubieten.
Mir und der Fraktion der Freien Demokraten scheint der Weg, Standards für die Abgaszusammensetzung zu setzen und alles übrige den Konstrukteuren zu überlassen, sinnvoller und besser zu sein als der, über eine Kraftfahrzeugsteuer, die nach bestimmten Zielsetzungen ausgerichtet ist, zu Entwicklungen zu kommen, die, insgesamt gesehen, im Grunde genommen gar nicht erwünscht sein können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. MüllerHermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis für die Probleme einer Fraktion wie die der FDP, die mit wenigen Persönlichkeiten ein weites Feld der Politik abdecken muß.
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Deshalb halte ich Ihnen zugute, Herr Kollege Ollesch, daß Sie mit der Materie wirklich wenig vertraut sind. Sonst hätten Sie diese Ausführungen hier heute nicht machen können.
({1})
Ich meine, daß die Koalitionsfraktionen eigentlich allen Anlaß hätten, dankbar zu begrüßen,
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wenn von unserer Seite eine konstruktive, konkrete Gesetzesvorlage eingebracht wird, die zumindest einmal eine echte Diskussionsgrundlage darstellt. Leider muß man nach den Worten, die hier gefallen sind, den Eindruck bekommen, als ob ein Stück kleinlicher Neid dazu führte,
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daß man unsere Vorlage hier in dieser Form debattiert.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns darüber im klaren sein - das kam
eigentlich heute morgen auch schon bei der Agrardebatte zum Ausdruck -,
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daß man Probleme wie Verkehr oder Umweltschutz nur noch im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang sehen kann. Und das muß festgehalten werden: Umweltschutz wird - so möchte ich beinahe sagen - ein teurer „Spaß" sein; Umweltschutz wird teuer sein und wird uns alle einiges kosten. Mit der Abschaffung der Hubraumsteuer haben wir eine Stelle
gefunden, an der man noch ohne gewaltige Kosten
durch rechtzeitige Umstellung wirksam etwas für den Umweltschutz tun kann.
Warum drängen wir in dieser Sache? Nicht nur, weil die Umweltprobleme drängen. Ich will auf einen Tatbestand ganz besonders hinweisen. Sie wissen, einige Kollegen meiner Fraktion waren vor 14 Tagen in den Vereinigten Staaten, zwar aus ganz anderen Gründen, aber wir haben uns auch um das Problem „Umweltschutz" in den Vereinigten Staaten etwas gekümmert. Wir wissen - und alle Beteiligten wissen es -, daß bis 1975 in den Vereinigten Staaten die sogenannten „Federal Motor Vehicle Safety Standards" in Kraft treten, d. h. sehr hochgeschraubte Ansprüche für das Sicherheitsauto und für die Abgasbeseitigung. Wir müssen daher, schon um unserer deutschen Automobilindustrie eine gespaltene Produktion zu ersparen, rechtzeitig alle Hemmnisse aus dem Wege räumen, die die Umstellung der Automobilproduktion behindern könnten.
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Ich möchte ein zweites hinzufügen, meine Damen und Herren. Wenn sich die deutsche Automobilproduktion für den Export nach Amerika auf diese hochgestellten Bedingungen einstellen muß, dann sollten wir als deutsches Parlament Wert darauf legen,
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daß auch die Bedienung des deutschen Binnenmarktes zu den gleichen hochgeschraubten Bedingungen erfolgt und erfolgen kann.
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Ich bitte, dieses Argument sehr ernst zu nehmen, und ich hoffe sogar, daß wir darin eine Übereinstimmung erzielen werden.
Es gibt drei Einwände gegen unseren Vorschlag, die wir natürlich prüfen müssen. Herr Kollege Gruhl hat es schon gesagt, und ich wiederhole es: Wir haben hier eine Diskussionsgrundlage. Wenn bessere, überzeugendere Vorschläge gemacht werden, werden Sie mit uns darüber jederzeit sprechen können. Herr Kollege Ollesch, soweit ich weiß, hat auch die Steuerreformkommission gewisse Richtungen zumindest schon angedeutet. Ich glaube, sie sieht vier pauschalierte Gruppierungen für die Besteuerung der Kraftfahrzeuge mit einer Fixsteuer, wie die Kraftfahrzeugsteuer es ja ist, vor. Sicherlich wird auch dieser Vorschlag die Diskussion anreichern.
Herr Minister Leber hat nun den Einwand erhoben, man könne der EWG-Entwicklung hier nicht vorgreifen. Sehr verehrte Herren auf der Regierungsbank, im Hinblick auf das Kartellrecht hörte man genau das gegenteilige Argument. Es hieß, man müsse aktiv werden und der EWG-Entwicklung mehr Impulse geben.
Es wurde hier weiter angeführt, wir müßten auf die Wegekostenberechnung der EWG für Lastkraftwagen warten. Unsere Vorlage hat mit der Besteuerung der Lkws überhaupt nichts zu tun. Das ist ein völlig separater Themenkreis.
Fin Zweites. Herr Kollege Ollesch, Sie sprachen von der Gefahr, daß die Automobilkonstrukteure bei einer Besteuerung nach Gewicht zu einer Leichtbauweise verführt werden könnten. Auch Herr Minister Leber hat sich in polemischer Form in einigen Tageszeitungen ähnlich geäußert. Ich muß Herrn Minister Leber oder denjenigen, die solche Einwände erheben, deutlich sagen, daß die Sicherheitsbestimmungen für Fahrzeuge in der Straßenverkehrszulassungsordnung niedergelegt sind. Diese Art der Besteuerung kann also überhaupt kein Kriterium sein.
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- Das kommt noch hinzu.
Ein dritter Kreis von Einwänden ist getragen von der Sorge, daß unsere Vorlage nicht ganz den sozialen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Herr Kollege Gruhl hat darauf hingewiesen, daß diejenigen Fahrzeuge, die einer relativ geringen Besteuerung unterliegen, zumindest bis 1980 weiter in dieser Weise besteuert werden sollen. Natürlich werden einige Fahzeugtypen einer etwas höheren Besteuerung unterliegen, andere wiederum einer geringeren. Der Käfer z. B. wird bisher mit 172 DM besteuert; in Zukunft wird er mit 140 DM besteuert. Das ist eine Vergünstigung. Hier werden sich also geringe Verschiebungen ergeben.
Zwei Vorschläge stehen aber völlig im Widerspruch zu einer sozialen Auffassung. Ich meine den Einheitssteuersatz und die Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer.
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Der Einheitssteuersatz ist sehr stark vom ADAC propagiert worden. Man sollte fairerweise aber bei der Argumentation hinzufügen, daß der Einheitssteuersatz irgendwo in der Mitte liegen muß, wenn man das Gesamtaufkommen der Kraftfahrzeugsteuer nicht schmälern will. Das heißt, daß bestimmte Besteuerungssätze ganz erheblich angehoben werden müßten. Ich glaube nicht, daß das im sozialen Interesse liegt.
Ähnliches läßt sich im Hinblick auf die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer sagen. In diesem Fall müßte die Mineralölsteuer um mindestens 15 Pfennig je Liter angehoben werden, um das gleiche Volumen zu erreichen. Durch die Abschaffung der Fixkostenbesteuerung würden zweifellos gerade wohlhabende Schichten begünstigt, die sich
einen Zweitwagen leisten können. Auch wenn dieser Wagen nur wenig gefahren wird, so muß für ihn doch Platz auf der Straße vorgehalten werden.
Ich meine, daß die Überlegungen, die zu dieser Vorlage geführt haben, es durchaus verdienen, gewürdigt zu werden. Wir bestehen durchaus nicht darauf, daß diese unsere Vorschläge nun schon der Weisheit letzter Schluß sind.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen; es gehört hierher. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir - ich glaube, das ist eine solide Grundhaltung - mit dieser Vorlage den Autofahrern jetzt nicht ein billiges Geschenk machen wollen, indem wir versprechen, die Steuern könnten ganz erheblich gesenkt werden. Im Gegenteil! Ich unterstreiche noch einmal, was der Kollege Gruhl gesagt hat. Die Kraftfahrzeusteuer soll, gerade weil sie den Ländern zufließt, in ihrem Gesamtvolumen durch unsere Vorlage nicht angetastet werden.
In dem Zusammenhang muß aber auch ein Wort zu den Vorstellungen in den Reihen der Regierungskoalition gesagt werden, die Mineralölsteuer um einen eklatanten Satz von, wie Herr Kollege Apel vorgeschlagen hat, 5 Pf anzuheben. Ich möchte nicht im Raume stehen lassen, Herr Kollege Apel - sosehr ich Ihre lauteren Absichten in dieser Sache unterstelle -, daß Sie hier für den Verkehrsausschuß als Ganzen gesprochen haben; denn das ist in der Öffentlichkeit zum Teil so dargestellt worden. Ich will Ihnen sagen, Herr Kollege Apel - und ich glaube, das gehört hier vor dieses Hohe Haus -, daß man mit vernünftigen Argumenten über alle Dinge auch mit der derzeitigen Opposition sprechen kann. Wir sind offen für alle Argumente.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß wir es ja gewesen sind, die 1966 eine Mineralölsteueranhebung um 3 Pf zugunsten des innerstädtischen Verkehrs vorgeschlagen und dann mit Ihnen von der SPD gemeinsam durchgesetzt haben. Damals war aber die Situation folgende. Wir hatten nicht nur einen großen Bedarf an Verkehrsbautätigkeit im innerstädtischen Bereich, sondern wir hatten eben damals sehr stabile, ja sogar abfallende Baupreise, so daß mit der Zusatzbelastung von 3 Pf dem Autofahrer, der vermehrt zur Kasse gebeten wurde, auch effektiv durch verbesserte Bauleistungen etwas geboten wurde.
Heute - und das ist eben der Unterschied, Herr Kollege Apel - haben wir gerade im Baubereich Preissteigerungen bis zu 20 %. Aus dem Hause des Herrn Bundesverkehrsministers stammt die Meldung, daß allein im Jahre 1970 durch die Preissteigerungen im Fernstraßenbau ein Substanzverlust in einer Größenordnung von sage und schreibe über 800 Millionen DM eingetreten ist. Wir wissen natürlich auch, Herr Kollege Apel - nehmen Sie das bitte so ab, wie ich es sage -, daß unterbliebene öffentliche Investitionen auch einer späteren Regierung als eine Last anhängen werden. Ich gehe davon aus, daß wir 1973 die jetzige Koalition wieder ablösen werden.
({11})
Aber trotzdem werden wir unter den gegebenen
Umständen einer Anhebung der Mineralölsteuer um
5 Pf je Liter unter keinen Umständen unsere Zustimmung geben können. Denn solange Sie die Baupreise nicht wieder in den Griff bekommen haben, ist jedes weitere Abkassieren von Steuermitteln durch den Staat ein Hineinschütten in ein Faß ohne Boden.
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Ein Weiteres kommt hinzu. Der Herr Bundesverkehrsminister hat bei verschiedenen Gelegenheiten sein großes verkehrspolitisches Gesamtkonzept angekündigt. Auf dieses verkehrspolitische Gesamtkonzept warten wir leider seit langem, aber vergeblich. Sie werden mir, Herr Kollege Apel, nicht als eine böswillige Auslassung unterstellen, wenn ich Ihnen sage: der von der Bundesregierung vorgelegte Verkehrsbericht kann auf jeden Fall nicht in Anspruch nehmen, von uns oder diesem Hohen Hause als Verkehrskonzept anerkannt zu werden.
Ich darf noch auf einen Punkt eingehen, auf den ich schon bei der letzten Debatte über dieses Thema im Parlament hingewiesen habe. Wenn man überhaupt daran denkt, den Autofahrer für Zwecke des Straßenbaues vermehrt zur Kasse zu bitten, dann muß auch der Staat einen bescheidenen, aber entsprechenden Beitrag leisten, indem die Zweckbindung langsam - wenn auch gewiß nur in begrenztem Maße - gleichfalls angehoben wird.
Nun weiß man ja im Augenblick innerhalb der Koalition nicht so recht: wer ist eigentlich der Bundesverkehrsminister? Herr Leber hat gelegentlich auch mal von dieser Plattform aus seine private Meinung zum Thema Steuererhöhung zum Ausdruck gebracht. Nun, uns interessiert die Meinung von Herrn Leber als Privatperson nur sehr am Rande. Wir wollen wissen: was hat die Bundesregierung vor? Wenn Herr Kollege Apel in dieser Angelegenheit die Initiative ergreift, so muß man ja beinahe mutmaßen, er ist der eigentliche Sprecher für die Regierung und für die Koalition in Verkehrsfragen. Daher mein Appell an alle, die sich innerhalb der Koalition dafür zuständig fühlen oder zuständig sein sollten: schaffen Sie bitte in dieser Frage möglichst bald Klarheit in Ihren eigenen Reihen!
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zum vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU einige Bemerkungen mache, drei Vorbemerkungen machen.
Erstens, Herr Kollege Müller-Hermann, finde ich es wenig geschmackvoll, wenn Sie einen Kollegen in diesem Hause, nämlich den Kollegen Ollesch, so „abbürsten", wie Sie das getan haben. Das ist einfach, meine ich, unter dem Niveau dieses Hauses. Sie sollten sich einmal genau überlegen, ob es Ihnen zusteht, auf diese Art und Weise in der Verkehrspolitik Zeugnisse zu erteilen.
({0})
Die zweite Vorbemerkung. Ich glaube, Herr Müller-Hermann, Sie schätzen diese Debatte falsch ein, wenn Sie meinen, „kleinlicher Neid" - so haben Sie wörtlich gesagt - veranlasse uns zu Kritik an diesem Entwurf, weil die CDU einen solchen Entwurf als erste eingebracht hat. Das ist es durchaus nicht. Wir sind es gewohnt, daß Sie als Opposition versuchen, als erste mit einem Problem in dieses Haus zu kommen.
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Das ist Ihr gutes Recht und liegt auch durchaus im Sinne des Parlamentarismus. Nur müssen Sie sich dann natürlich auch gefallen lassen, daß wir uns Ihren Entwurf kritisch ansehen; denn es geht hier um die Sache und nicht um „kleinlichen Neid".
Die dritte Vorbemerkung. Sie erwarten doch allen Ernstes nicht, Herr Kollege Müller-Hermann, daß wir jetzt eine Debatte über die Höhe der Mineralölbesteuerung in diesem Lande vom Zaune brechen. Ich kann Ihnen versichern, daß ich meine Bemerkungen hierzu als Privatmann oder Parlamentarier, als Mitglied dieses Hauses, als ein Fünfhundertstel, mache. Ich spreche dabei weder für meine Fraktion noch für den Verkehrsausschuß.
Ich nehme die Debatte, zu der der Herr Verkehrsminister aufgefordert hat, sehr ernst. Ich mache es eben nicht so, wie z. B. der Kollege Stoltenberg im schleswig-holsteinischen Wahlkampf, der, wie ich festgestellt habe, immer zweierlei sagt. Im ersten Teil einer Rede stellt er dar, wieviel Geld dem Bundesverkehrsminister für seinen Bedarfsplan fehlt, und dann zieht er kräftig darüber her. Im zweiten Teil wirft er dann düstere Steuererhöhungspläne an die Wand. Natürlich merken nur intelligente Zuhörer, daß er zweimal kritisiert und beide Male keine eigene Konzeption entwickelt hat. Das, Herr Müller-Hermann, wollen Sie jetzt offenbar auch tun, indem Sie uns sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite kritisieren, im Gegensatz zu der 66er Entscheidung aber einer eigenen Stellungnahme ausweichen.
Natürlich hat es das Preisphänomen gegeben. Ob es in diesem Jahr noch vorhanden sein wird, ist völlig unsicher. Ich persönlich habe das Gefühl, daß sich die Konjunktur mehr und mehr stabilisiert. Hinzu kommt noch, daß Sie sich, wenn wir über diese Frage debattieren, nicht an den Jahren 1971 oder 1972 orientieren dürfen. Die Pläne zum Ausbau der Bundesfernstraßen reichen bis in das Jahr 1985 hinein.
Herr Müller-Hermann, ich muß noch ein Zweites sagen. Da Sie, als Sie in der Regierungsverantwortung standen, die Zweckbindung eingeführt haben, ist es doch eigentlich ein bißchen illusionär, zu meinen, diese könne angesichts der Verfestigung der Finanzstrukturen heutzutage übersehen werden. Ich muß Ihre Aussage hierzu so interpretieren, daß Sie weiterhin in einer negativen Position verharren wollen, indem Sie der Bundesregierung zwar vorwerfen, sie baue nicht genügend Straßen und orientiere sich nicht genügend am eigenen Bedarfsplan, es aber ablehnen, dazu einen konstruktiven Vorschlag zu machen. Ich nehme das zur Kenntnis. Auch das ist ein Beitrag der Opposition zur Debatte, aber ein Minusbeitrag, ein Negativbeitrag, also kein Sachbeitrag.
Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf machen, den Sie vorgelegt haben. Wir wissen natürlich, daß sich auf diesem Gebiet in Amerika einiges tut. Wir sind selber drüben gewesen, leider ohne Sie. Wir sind auch der Meinung, daß etwas getan werden muß, um die Absatzmärkte zu erhalten. Wir wollen natürlich auch nicht zu lange auf die EWG warten, sondern im eigenen Lande etwas tun.
Herr Gruhl, Ihr Gesetzentwurf umfaßt, wenn ich ihn richtig interpretiere, vier Abschnitte. Erster Abschnitt: Umstellung der Bemessungsgrundlage für Pkw vom Hubraum auf das zulässige Gesamtgewicht. Hier bin ich mit Ihnen einig in der ersten Hälfte meiner Festellung: Umstellung der Bemessungsgrundlage für Pkw. Das wollen wir auch. Nur gibt es mindestens acht Modelle der Kfz-Besteuerung, und Sie können diese Modelle dann wiederum variieren, so daß Sie zu einer Vielzahl von Modellen kommen können. Sie werden mir zustimmen. Herr Gruhl, daß in Ihrem Modell auch Fehler sind, daß es konstruktive Nachteile zur Folge haben könnte.
Wir empfinden Ihren Entwurf als einen ernst zu nehmenden Diskussionsbeitrag und wir nehmen Ihre Aufforderung ernst, eigene Beiträge zu entwickeln. Wir fordern auch die Bundesregierung auf, dazu einen Beitrag zu leisten, und dann werden wir Ihren Entwurf ebenso wie andere Möglichkeiten prüfen, um zu einer Regelung zu kommen. Das impliziert, Herr Kollege Dr. Gruhl - und da spreche ich als Ausschußvorsitzender -, daß Sie nicht erwarten können, daß wir morgen und übermorgen ein abschließendes Urteil finden. Das heißt, wie ich meine, daß wir dieses Jahr noch brauchen, um in einer Diskussion über die beste Form den besten Weg zu finden.
Herr Abgeordneter Dr. Apel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Vehar?
Ja.
Herr Kollege Dr. Apel, Sie haben soeben von unserer gemeinsamen USA-Reise gesprochen. Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie laut Parlaments-Korrespondenz „heute im Bundestag" vom 2. November 1970 gerade im Hinblick auf die Bestrebungen zum Bau eines Sicherheitsautos gesagt haben:
In diesem Zusammenhang solle die Bundesregierung auch gefragt werden, ob nicht die Kfz-Besteuerung von Hubraum auf Gewicht umgestellt werden müsse.
Darf ich Sie fragen, ob Sie heute an dieser Auffassung noch festhalten. Denn das würde ja dann einer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf entsprechen.
Nein, ich habe nur eine Frage gestellt, und diese Frage stellen Sie heute auch, Herr Vehar. Ich habe gerade gesagt, daß ich die Frage für berechtigt halte, daß die Frage aber nicht aus der „la main" beantwortet werden kann. Es gibt mindestens sieben weitere Modelle - ich bin Anhänger eines anderen Modells -, die wir alle zusammen in Sachlichkeit und Ruhe ausdikutieren wollen. So werden wir uns wohl auch einig werden. Ich meine, Herr Dr. Gruhl, Sie können mir zustimmen, wenn ich sage, wir wollen eine Kraftfahrzeugsteuer, die einfach in der Erhebung ist, keine konstruktiven Nachteile hat - Ihr Modell hätte einen konstruktiven Nachteil; das müßte man prüfen -und die sozial gerecht ist. Danach suchen wir. Sie haben einen Vorschlag gemacht, es gibt weitere Vorschläge, es werden weitere folgen.
Der zweite Punkt in Ihrem Gesetzentwurf, Herr Kollege Dr. Gruhl, ist die steuerliche Begünstigung abgasfreier Fahrzeuge. Hier will ich nur darauf aufmerksam machen - Sie werden mir zustimmen, Herr Vehar -, daß wir erfahren haben, daß man in Amerika meint, noch mindestens zehn Jahre zu brauchen, bis es vernünftige Elektrofahrzeuge im Pkw-Bereich gibt. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, Herr Dr. Gruhl, daß die Busse im Stadtverkehr sowieso schon von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind, so daß dies kein Argument zugunsten Ihres Vorschlages wäre.
Sie sprechen drittens in Ihrem Gesetzentwurf von einer unveränderten Besteuerung der Nutzfahrzeuge. Hier kann ich für meine Person sagen, ich glaube, aber auch für meine Fraktion, dem stimmen wir nicht zu. Wir wollen hier unter Wegekostengesichtspunkten eine andere Regelung haben, die den schweren Lkw wenigstens analag zur erhöhten Straßenbenutzung steuerlich heranzieht. Ich weiß, um welche Unsicherheiten es hier geht. Es könnte sein, daß wir davon abweichen müssen.
Viertens sagen Sie: nur noch jährliche Bezahlung der Kraftfahrzeugsteuer. Das scheint mir vernünftig zu sein, denn wir alle zusammen wollen ja eine Verbilligung der Erhebung. Wir wollen die Finanzbeamten für wichtigere Aufgaben freisetzen.
Lassen Sie mich abschließen. Ich darf wohl feststellen. Erstens ist dies einer von vielen Diskussionsentwürfen. Hier liegt seine Qualität, hier liegen aber auch seine Nachteile. Zweitens: Wir werden in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung sehr genau zu prüfen haben, welches System das richtige ist. Es muß auch in den europäischen Kontext passen. Drittens: Dieses heißt für mich, daß wir auch abwarten müssen, was die Bundesregierung entwickelt. Viertens: Dieses heißt ferner, daß dieses die erste Lesung eines Diskussionsentwurfs war und daß es in absehbarer Zeit keine endgültige Lösung in diesem Hause geben kann.
Wenn wir uns so verständigen, sind, glaube ich, die Schärfen aus der Debatte heraus, und wir können in aller Ruhe, aber mit der festen Absicht, etwas zu reformieren, an die Arbeit gehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten sind gewiß nicht empfindlich, Herr Kollege Müller-Hermann, nur es ist uns unerträglich, daß gerade aus Ihrer Fraktion ständig Zensuren, nicht über Wohlverhalten hier im Haus, aber über die Leistung erteilt werden.
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Sie haben mich gerade zensuriert, zwar von oben herunter mit Verständnis für eine kleine Fraktion, bei der der einzelne nicht wie bei Ihnen ein kleines Spezialgebiet behandeln kann, sondern das Gebiet im ganzen bearbeiten muß. Aber, Herr Kollege Müller-Hermann, Sie haben mir eines nicht nachweisen können. Ich habe von drei Stufen gesprochen, die Sie einführen, und im Zusammenhang damit davon, daß der ADAC die Einheitssteuer will. Ich habe darauf hingewiesen, daß Sie im Grunde genommen den ADAC-Vorschlag aufgegriffen haben. Sie haben ihn etwas differenziert durch drei Stufen. Diese Zahl von drei Stufen haben Sie zum Anlaß genommen, mir vorzuhalten, ich hätte keine Ahnung und Ihren Entwurf nicht gelesen. Es sind aber drei Stufen. Ich sprach vornehmlich vom Pkw. Für diesen haben Sie drei Stufen. Herr Dr. Müller-Hermann, damit das ganz klar ist: drei Steuerstufen für den Pkw. Diese Stufen habe ich gemeint, als ich von drei sprach.
Herr Abgeordneter Ollesch, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Es wird keine gestattet.
Zum anderen haben Sie mir vorgehalten, Sie verfügten über ausreichende Zahlen vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg über das Steueraufkommen und das Aufkommen nach Ihrem Plan. Dazu darf ich darauf hinweisen, daß die weitaus größte Masse unserer Automobile in die erste Stufe hineinfällt, und zwar Automobile bestimmten Typs, für die alle bei unverändertem Hubraum auf Grund ihres Gewichts weniger gezahlt werden soll. Ich darf darauf hinweisen, daß der Zug des Automobilkäufers ohnehin zum Mittelklassewagen geht, zum Wagen der 1700-, der 1800- und der 2000-ccmKlasse. Das sind die Wagen, die die breite Masse unserer Bevölkerung in den nächsten Jahren fahren wird. Für diese Wagen wird nach Ihrem Entwurf in der Masse die Steuer etwas geringer.
Nun noch einmal zum Grundsatz selbst. Ich habe mir nicht widersprochen. Wenn Sie nach Gewicht an Stelle des Hubraums besteuern wollen, wird am Ende, wenn Sie damit Entwicklungen einleiten wollen, die Entwicklung wieder zur kleinen Maschine zurückgehen, oder es wird bei der kleinen Maschine bleiben, weil sie weniger wiegt als die große. Die kleine Maschine hat einen kleinen Hubraum. - Das sind meine Bedenken gegenüber Ihrem Entwurf.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Gruhl?
Ich werde jetzt keine Zwischenfrage zulassen; ich bitte um Entschuldigung.
Ich habe fünf Möglichkeiten einer Besteuerung aufgezeigt, die alle Vor- und Nachteile haben. Ich bin der Auffassung, daß Ihr Entwurf eine der Möglichkeiten ist. Diese Auffassung habe ich hier vorgetragen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme lediglich das Wort, um folgendes festzustellen. Es hat mir nicht im geringsten daran gelegen, etwa Sie persönlich, Herr Kollege Ollesch, oder Ihre Fraktion zu kränken. Was die Schulmeisterei betrifft, so würde ich auch bei Ihnen selbst einmal eine gewisse Haussuchung anstellen, inwieweit Sie sich ähnlichen Gepflogenheiten widmen. Im übrigen belasse ich es bei meiner Feststellung, daß ein großer Teil Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Ollesch, den Eindruck hervorrufen mußte, daß Sie sich mit der Materie und vor allem mit der Vorlage unserer Fraktion nicht intensiv genug beschäftigt haben.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe wie folgt zu überweisen: Den Gesetzentwurf Drucksache VI/1902 an den Innenausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit; den Gesetzentwurf Drucksache VI/1950 an den Finanzausschuß - federführend - sowie an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, den Ausschuß für Wirtschaft, den Innenausschuß, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit. - Andere Anträge werden nicht gestellt; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 15 der heutigen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und zur Änderung des Gesetzes des Mineralölsteuergesetzes 1964 vom 24. April 1967
- Drucksache VI/ 1879 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache VI/2022 Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf ({1})
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2})
- Drucksache VI/1988 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pohle ({3})
Ich frage zunächst, ob von den Herren Berichterstattern noch jemand das Wort wünscht. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe § 1 auf. Zu § 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 166 *) vor. Das Wort dazu hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmid-Burgk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion - Umdruck 166 - möchte ich wie folgt begründen. Die Heizölsteuer, die jetzt zum drittenmal verlängert werden soll, ist als energiepolitische Maßnahme eingeführt worden und kann auch nur als solche gerechtfertigt werden, nämlich zur Anpassung des Steinkohlebergbaues, und zwar mit der Doppelfunktion, einerseits als flankierende Maßnahme zugunsten der Steinkohle das Vordringen des Heizöls durch dessen Belastung zu verlangsamen und andererseits die für die Steinkohle erforderlichen Finanzierungsmittel aufzubringen. Sie ist - und das betont ja auch die Regierung in ihrer Gesetzesvorlage - keine Fiskalsteuer und darf das auch nicht werden; denn die Besteuerung eines so wichtigen Produktionsfaktors wie Energie ist wirtschafts- und finanzpolitisch fragwürdig. Unter diesem Gesichtspunkt muß die Heizölsteuer - wenn man sie jetzt schon nicht völlig auslaufen lassen kann - so doch der Höhe nach den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend der erwähnten Doppelfunktion angepaßt werden.
Eine unverändert starke steuerliche Bremse zugunsten des Steinkohleabsatzes ist energiepolitisch gegenwärtig unnötig, ja sogar absurd; denn die Steinkohle hat keine Absatzsorgen und kann zeitweilig sogar nicht einmal alle Verbraucherwünsche erfüllen.
Die andere Seite der genannten Doppelfunktion: Die notwendigen direkten Kohlehilfen, für 1971 auf 326 Millionen DM geschätzt, zuzüglich der rund 230 Millionen DM für andere energiepolitische Maßnahmen, sind wenig mehr als die Hälfte des veranschlagten Heizölsteueraufkommens von über 1000 Millionen DM. Die Mehrbelastung beim Bundeszuschuß zur Knappschaftsversicherung von mehr als einer Milliarde D-Mark kann schwerlich als aus der Heizölsteuer zu alimentieren angesehen werden;
*) Siehe Anlage 3
anderenfalls wäre die unveränderte Heizölsteuer verewigt.
Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Degression von je fünf DM zum 1. Januar 1972 und zum 1. Januar 1973 ist unzureichend. Sie ist unzureichend im Zeitpunkt und unzureichend in der Höhe.
Was den Zeitpunkt anlangt, meine Damen und Herren: Vom erwähnten Zweck der Heizölsteuer her ist es nicht zu rechtfertigen, die Degression erst ab 1972 vorzusehen und nicht schon zu dem sich natürlich anbietenden Zeitpunkt der Verlängerung, zu dem eine Anpassung erwartet wurde und erwartet werden konnte. Die benötigte Kohlehilfe ist 1971 ja sogar niedriger als ab 1972.
Meine Damen und Herren, es geht hier auch uni die Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers. Im übrigen, schon einmal - nämlich 1963 - wurde die Heizölsteuer mit der Maßgabe einer späteren Degression verlängert, die dann 1967, als es soweit war, gestrichen wurde. Der Gesetzgeber sollte auch nur den Anschein einer möglichen Parallele scheuen. Wenn wir mit unserem Antrag wie der Bundesrat für eine sofortige Degression eintreten, so vor allem auch deshalb, weil sie vom Verbraucher her und wirtschaftspolitisch jetzt besonders geboten ist. Wir gehen dabei davon aus, daß entsprechend der eindeutigen Erklärung der Mineralölindustrie die Senkung an den Verbraucher weitergegeben wird.
Die Heizölpreise sind, wie Sie wissen, aus verschiedenen Gründen - wie Frachtverteuerung und höhere Rohstoffpreise durch Teheran im letzten Jahr besonders stark, nämlich um 50 % gestiegen, und es ist leider nicht auszuschließen, daß sie noch weiter steigen, wenn man z. B. an die gegenwärtig laufenden Verhandlungen in Tripolis denkt. Bei den besonders energieintensiven Industriezweigen wie vor allem Papier-, Zement- und Glasindustrie, aber auch bei Teilen der chemischen Industrie schlägt der Heizölsteueranteil erheblich zu Buche. Er verschärft die schwierige Situation, in der sich diese Industriezweige teilweise auch im Wettbewerb zum Ausland befinden. Daran können wir nicht einfach vorbeigehen.
Man muß ja doch bei all dem auch berücksichtigen, daß die Steuer für das schwere Heizöl in der Bundesrepublik höher als in allen anderen Ländern liegt und demgemäß auch der Heizölpreis einschließlich Steuer in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich oben liegt. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß sich der Heizölpreis auch auf andere Energiearten wie Erdgas auswirken wird, und so gesehen ist die Senkung der Heizölsteuer auch preispolitisch von allgemeiner Bedeutung und wünschenswert. Gegen eine sofortige Degression kann also vom Zweck der Steuer her kaum etwas eingewendet werden.
Bezüglich des fiskalischen Einwandes, daß das Minderaufkommen von 100 Millionen DM im Bundeshaushalt nicht vorgesehen ist, frage ich nur: Wieso ist bei den gegebenen Verhältnissen, die ja nicht ganz neu sind, die Bundesregierung für 1971
von der völlig unveränderten Heizölsteuer ausgegangen? Im übrigen würde sich die Bundesregierung auf diesen Einwand in Widerspruch setzen zu ihrer erwähnten Beteuerung, daß die Heizölsteuer nun einmal keine Fiskalsteuer sei und sein dürfe.
Auch der Umfang - ich sprach bisher von dem Zeitpunkt der Degression - der vorgesehenen Senkung -, nämlich zwei mal 5 DM, ist, so sagte ich bereits, unzureichend. Wir schlagen wie der Bundesrat deshalb zwei mal 7,50 DM vor. Nach diesem unserem Antrag würde - und das ist ja wichtig -für die projektierte Zeit von 1971 bis 1974 so viel Heizölsteuer aufkommen, daß daraus die Aufwendungen für die Kohlehilfen und auch für die weiteren energiepolitischen Maßnahmen wie Erdölbevorratung und Deminex-Sofortprogramm gedeckt werden könnten.
Der Hinweis der Regierung, daß sich möglicherweise und nicht näher spezifiziert in späteren Jahren weitere Aufwendungen ergeben könnten, reicht nicht aus. Auf solche Möglichkeiten hin kann man die Steuer nicht bestimmen. Es besteht dabei der Verdacht, daß fiskalische Erwägungen mitbestimmend sind, und es besteht die Gefahr, daß die Heizölsteuer als Fiskalsteuer unsterblich wird. Vor einer solchen Verewigung der Heizölsteuer als Fiskalsteuer müssen wir uns hüten, so verlockend es Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, auch scheinen mag. Deshalb kann auch der Hinweis auf Mindereinnahmen von 600 Millionen DM für die Zeit bis 1974, die sich übrigens durch Mehreinnahmen bei anderen Steuern verringern würden, im Prinzip nicht ziehen.
Im übrigen ist es doch auch so, daß nach dem Harmonisierungsvorschlag der EWG-Kommission die Heizölsteuer bis 1976 auf zwei Rechnungseinheiten, also auf 7,20 DM, gesenkt werden müßte. Der Regierungsentwurf hält sich zwar im Rahmen des dort vorgesehenen Angleichungsplans. Danach muß nämlich die Heizölsteuer bis 1974 auf die Hälfte des Unterschiedes zu diesem Preis -- das würden in der Bundesrepublik 16 DM sein - gebracht werden. Es kann aber nur im Interesse der Bundesrepublik und ihrer Wirtschaft liegen, den Unterschied zu den konkurrierenden anderen Ländern schneller, als von der Kommission vorgeschlagen, abzubauen. Denn - ich zitiere aus dem Richtlinienvorschlag der EWG-Kommission - „bedeutende Unterschiede im Niveau der Heizölsteuer können die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft verfälschen".
Ich fasse zusammen. Die von uns vorgeschlagene Degression wird nach Zeitpunkt und Umfang dem Zweck der Heizölsteuer, den wirtschaftspolitischen Erfordernissen und auch der Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers gerechter als der Regierungsvorschlag. Ich bitte deshalb um die Annahme unseres Änderungsantrags.
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Haus vorgeschlagen, die Heizölsteuer noch einmal zu verlängern. Seien Sie versichert, daß ihr dieser Vorschlag nicht leichtgefallen ist. Er war aber aus kohle- und energiepolitischen Gründen nicht zu vermeiden. Diese Tatsache hat auch der Bundesrat jedenfalls im Prinzip - anerkannt.
Herr Kollege Schmid-Burgk, man kann der Bundesregierung bei der gegebenen Sachlage nicht vorwerfen, sich durch den Verlängerungsvorschlag unglaubwürdig zu machen, wie leider immer wieder behauptet wird. Die Kritiker verschweigen nämlich, daß die Heizölsteuer bewußt und gewollt als ein Instrument der Energiepolitik eingeführt worden ist. Auf ein solches Instrument kann erst dann verzichtet werden, wenn es wirklich nicht mehr benötigt wird.
Die Schwierigkeiten der Umstrukturierung im Kohlebergbau erweisen sich doch zweifellos größer als angenommen. Außerdem sind neue energiewirtschaftliche Probleme hinzugekommen. Daraus zieht die Bundesregierung mit ihrer Gesetzesvorlage nur die Folgerung. Sie bleibt mit ihrem Vorschlag eindeutig innerhalb des Konzepts, auf Grund dessen die Steuer eingeführt worden ist.
Nun hat die Bundesregierung nicht etwa, wie das Echo auf ihren Entwurf vermuten lassen könnte, eine unbefristete und nicht eine volle Verlängerung vorgeschlagen. Denn sie meint es ,durchaus ernst damit, daß die Heizölsteuer abgebaut werden muß. Der Regierungsentwurf enthält eine Befristung auf den 31. Januar 1974 und bis zu diesem Zeitpunkt zwei Degressionen des Steuersatzes für schweres Heizöl. Damit sollen Zeichen in Richtung des künftigen Abbaus gesetzt werden. Zugleich wird auch dokumentiert, daß die Bundesregierung nicht etwa beabsichtigt, die Heizölsteuer in eine Fiskalabgabe zur Deckung allgemeiner Ausgabenbedürfnisse umzuwandeln.
Die Verlängerung ist im wesentlichen aus drei Gründen unabweisbar. Erstens: Das Aufkommen wird weiterhin für Stützungsmaßnahmen zugunsten des Kohlebergbaus benötigt. Zweitens: Das Aufkommen ist darüber hinaus im Rahmen der Energiepolitik auch für Vorsorgemaßnahmen energiewirtschaftlicher Art dringend erforderlich. Drittens: Auch heute kann noch nicht auf die Schutzwirkung der Heizölsteuer verzichtet werden.
In der Öffentlichkeit wird nun häufig darauf hingewiesen, daß der Kohlebergbau keine Schwierigkeiten mehr beim Kohleabsatz habe. Mit diesem Hinweis werden die Dinge aber nur sehr vordergründig gesehen. Die allgemein günstige Konjunkturlage hat eine starke Erhöhung des Energieverbrauchs in allen Ländern und auch in der Bundesrepublik gebracht, eine Tatsache, die dem Kohleabsatz ebenso wie dem Ölverbrauch zugute gekommen ist. Es besteht aber keine Gewähr dafür, daß sich diese Verhältnisse nicht kurzfristig ändern können. Eine Aufhebung der Steuer auf schweres Heizöl würde den Übergang vieler Industrieverbraucher zu ihm fördern. Die Bundesregierung hält es zur Zeit
noch nicht für vertretbar, auf den Schutz der Kohle, der sich aus der Steuer auf dem schweren Heizöl ergibt, zu verzichten. Allenfalls im vorsichtigen Rahmen der Ihnen vorgeschlagenen Degressionen kann der Schutz langsam und unter ständiger Beobachtung der Auswirkungen abgebaut werden.
Beim leichten Heizöl spielt diese Schutzwirkung zwar praktisch kaum eine Rolle; dort sind jedoch andere Gesichtspunkte maßgeblich. Das Aufkommen aus seiner Besteuerung wird weiter benötigt, worauf ich noch eingehen werde. Vor allem aber ist nicht damit zu rechnen, daß ein Wegfall der sehr geringen Steuerbelastung beim leichten Heizöl von weniger als einem Pfennig pro Liter dem Verbraucher überhaupt zugute käme. Die wegfallende Belastung würde auf dem Wege vom Produzenten oder Importeur bis zum letzten Händler zwischen ,den Rabatten untergehen, die Entlastung wäre nicht zu spüren.
Beim schweren Heizöl liegen andere Verhältnisse vor. Maßgebliche Vertreter der Mineralölwirtschaft haben uns zugesichert, daß die Degressionen weitergegeben werden. Die Bundesregierung vertraut auf diese Zusage.
Der Schwerpunkt der Gründe für die Verlängerung der Heizölsteuer liegt darin, daß das Aufkommen für energiepolitische und energiewirtschaftliche Zwecke noch dringend benötigt wird. Nach der neuesten Verbrauchsschätzung für Heizöl ergeben sich bis 1974 3560 Millionen DM. Weil gegenüber der geltenden Finanzplanung bereits die Regierungsvorlage eine Mindereinnahme von 670 Millionen DM zur Folge hätte, ist eine weitere Modifizierung nicht möglich. Das Aufkommen aus der Heizölsteuer ist durch besondere gesetzliche Bestimmungen für Maßnahmen gebunden - darauf bitte ich ganz besonders zu achten -, die dem Steinkohlebergbau die Anpassung an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt erleichtern sollen. Solche Maßnahmen sind im vergangenen Jahr in hohem Umfang finanziert worden. Sie müssen weiterlaufen und weiter finanziert werden, wobei jetzt das Schwergewicht auf der Strukturhilfe liegen wird. Hierzu gehören die unmittelbaren Kohlehilfen und ebenso die mittelbaren Hilfen, die letzten in Gestalt der krisenbedingten Zuschüsse zur Knappschaftsversicherung, d. h. derjenigen Zuschüsse, die auf Grund der Umstrukturierung im Kohlebergbau jährlich mit einem Betrag von nahezu 1 Milliarde DM geleistet werden müssen. Steuerliche Hilfen kommen hinzu, ferner Hilfen, die sich, wie eine möglicherweise wieder erforderlich werdende Kokskohlehilfe und eine Anschlußregelung für die Verstromungsgesetze im gegenwärtigen Zeitpunkt in ihrer Höhe noch gar nicht beziffern lassen. Würden alle diese Hilfen beendet oder in Zukunft verweigert - und sie müßten beendet oder in Zukunft verweigert werden, wenn das Aufkommen aus der Heizölsteuer entfiele -, würde sich die Situation des Steinkohlebergbaus schlagartig ins Krisenhafte verschlechtern, und zwar in ganz anderen Größenordnungen, als zur Zeit erkennbar ist. Das wünscht doch sicherlich niemand.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Über den Kohlebereich hinaus sind weitere erhebliche Finanzbedürfnisse der Energiewirtschaft erkennbar geworden. Sie haben alle in den letzten Wochen das Verhalten der rohölfördernden Länder beobachten können. Die Entwicklung wird dazu zwingen, die Versorgungssicherheit entscheidend zu verbessern. Das Mineralöl deckt heute in der Bundesrepublik über 50 v. H. des Primärenergieverbrauchs. Es ist deshalb eine ernste politische Aufgabe, die Versorgung mit diesem wichtigen Primärenergie-Rohstoff in Krisenzeiten zu gewährleisten. Für zwei Programme in dieser Richtung sind bereits jährliche Ausgaben in Höhe von rund 300 Millionen DM bis 1974 geplant. In diesem Zusammenhang ist die Anlage von größeren Rohölvorräten erforderlich. Die Vorräte und die Lagerhaltung müssen finanziert werden. Den deutschen Gesellschaften müssen Hilfen gegeben werden, damit sie Rohölkonzessionen erwerben und ausbeuten können. Hinzu treten anderweitige energiewirtschaftliche Vorhaben wie die Verbesserung des Erdgasverbundes, die sich vor allem zugunsten der revierfernen Bundesländer auswirken wird.
Für alle diese Vorhaben bedarf es einer Finanzierungsquelle, für die nur die Heizölsteuer in Betracht kommt. Sie ist von Anfang an auf ernergiepolitische Notwendigkeiten abgestellt gewesen. Die Bundesregierung schlägt dem Hohen Haus deshalb vor, die Zweckwidmung des Aufkommens aus der Heizölsteuer auf den genannten Bereich zu erweitern. Auch in dieser Beziehung hat sich im übrigen der Bundesrat der Auffassung der Bundesregierung angeschlossen. Er befürwortet ebenfalls die Erweiterung der bestehenden Zweckwidmung.
Hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns und der Höhe der Degressionen für den Steuersatz beim schweren Heizöl will die Fraktion der CDU/CSU leider erheblich weitergehen. Die Vorschläge würden nicht nur eine Änderung des Haushalts 1971 erfordern, sondern zugleich ein Minderaufkommen von 600 Millionen DM an Heizölsteuer bis 1974 bedeuten. Dem muß die Bundesregierung mit Rücksicht auf den kommenden Finanzbedarf auf energiepolitischem Gebiet widersprechen. Sie ist mit den vorgeschlagenen Degressionen bereits bis an die Grenze des Tragbaren gegangen.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein kurzes Wort zur Situation in der EWG. Die Kommission hat inzwischen einen Richtlinienvorschlag für den Rat vorgelegt, der mit Hilfe von Höchststeuersätzen zur Harmonisierung der Heizölbesteuerung in der EWG führen wird. Für das schwere Heizöl soll ab 1. Januar 1974 eine erste Angleichungsstufe wirksam werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit höher liegt als der deutsche Steuersatz für schweres Heizöl, der bis dahin nach dem Regierungsvorschlag erreicht sein wird. Für das leichte Heizöl sieht die Kommission den sehr hohen Höchstsatz von 18 DM pro Tonne vor, gegen den sich die Verlängerung der Besteuerung bei uns mit 10 DM pro Tonne bescheiden und doch sicher vertretbar ausnimmt.
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Ich darf also feststellen, daß sich die Regierungsvorlage nicht nur durchaus innerhalb der Brüsseler
Vorstellungen bewegt, sondern sogar noch unter diesen liegt. Ich bitte Sie nicht zuletzt auch aus diesem Grunde, der Regierungsvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wolfram.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In dem vorliegenden Entwurf des Mineralölsteueränderungsgesetzes schlägt die Bundesregierung neben der stufenweisen Senkung der Steuersätze für schweres Heizöl eine Erweiterung der Zweckbindung vor. Das Aufkommen soll auch zur Finanzierung allgemein notwendiger energiewirtschaftlicher Maßnahmen herangezogen werden. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung hat verständlicherweise zu einer Vielzahl von Stellungnahmen geführt, die unsere Fraktion alle ernst geprüft und abgewogen hat.
Der Bundesrat schlägt für schweres Heizöl eine schnellere und stärkere Degression der Steuersätze vor. Eine Reihe von Verbänden der Wirtschaft fordert die Abschaffung der Heizölsteuer. In allen diesen Vorschlägen wird zur Begründung angeführt, daß energiepolitisch keine Notwendigkeit mehr zur Erhebung dieser Steuer besteht und daß diese Steuer zur Verzerrung des Wettbewerbs beitrage. Wie schaut die Lage wirklich aus? Wir sind uns alle einig, daß die Heizölsteuer keine Fiskalsteuer werden soll. Die SPD-Fraktion ist allerdings der Meinung, daß auf die Heizölsteuer als energiepolitisches Instrument noch nicht verzichtet werden kann. Die derzeitige Lage auf dem Energiemarkt und die zu erwartenden Entwicklungstendenzen, aus denen Konsequenzen gezogen werden müssen, zwingen uns dazu, die Heizölsteuer zur Finanzierung der erforderlichen energiepolitischen Maßnahmen zunächst zu erhalten.
Der Konsolidierungsprozeß des Steinkohlenbergbaus muß weiter gefördert werden. Dazu bedarf es öffentlicher Investitionshilfen. Das ist nicht nur für den Gesundungsprozeß des Steinkohlenbergbaus von Bedeutung; damit wird auch ein entscheidender Beitrag zur Sicherung der Versorgung geleistet. Dieses Hohe Haus wird sich in absehbarer Zeit sicherlich auch mit der Frage einer Anschlußregelung für die beiden Mitte dieses Jahres auslaufenden Verstromungsgesetze beschäftigen. Wir werden auch zu prüfen und zu entscheiden haben, inwieweit wir im Rahmen einer aktiven Versorgungspolitik Hilfen für Kohleforschung und -entwicklung geben sollten.
Die Entwicklung auf dem internationalen Mineralölmarkt hat gezeigt, wie notwendig und dringend die Durchführung des Mineralölbevorratungsprogramms ist. Eine Beschleunigung der Bevorratungsmaßnahmen und ein Vorziehen der geplanten finanziellen Aufwendungen sind nicht auszuschließen. Das Starthilfeprogramm für die einheimische Mineralölgesellschaft Deminex und die sich daraus ergebenden finanziellen Aufwendungen sind bekannt. Zur Sicherung der Mineralölversorgung wird es
höchstwahrscheinlich notwendig werden, auch noch Mittel zur Förderung eines Tankerprogramms bereitzustellen.
Die Kernenergieforschung und ihre Ergebnisse sind für die künftige Energieversorgung von großer Bedeutung. Der Bundeshaushalt wird durch die Ausgaben für die Kernenergieforschung und für Kerntechnik erheblich belastet. Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung werden allein in diesem Bereich jährlich über eine Milliarde DM bereitzustellen sein.
Um den Katalog der notwendigen energiepolitischen Maßnahmen abzuschließen, muß auch noch auf die dringend notwendige Verbesserung der Energieversorgung in strukturschwachen Gebieten der Bundesrepublik hingewiesen werden. Die Integrierung des Erdgases in den Gesamtmarkt, vor allem als Mittel zur versorgungswirtschaftlichen Erschließung auch relativ dünn besiedelter Regionen, wird finanzielle Aufwendungen des Bundes erfordern. Ich stelle fest, daß gerade in dieser Beziehung Bund und Länder die Bedeutung einer solchen strukturpolitisch wie energiepolitisch wichtigen Maßnahme gleich positiv beurteilen.
Die von mir aufgezeigten energiepolitischen Maßnahmen, die laufen oder geplant sind, erfordern einen beträchtlichen finanziellen Aufwand. Das ist zu berücksichtigen, wenn wir über das Heizölsteueraufkommen und seine zweckgebundene Verwendung urteilen. Das Ergebnis ist, daß kein Überschuß an Mitteln besteht, sondern daß eher Deckungslücken zu erwarten sind, wenn alle diese notwendigen Maßnahmen durchgeführt werden. Wir haben Verständnis für den Wunsch vor allem von Großabnehmern, den Steuersatz für schweres Heizöl zu senken oder gar abzuschaffen. Andererseits bitten wir um Verständnis dafür, daß die Regierung und wir alle Aspekte berücksichtigen müssen, um die Energieversorgung sicherzustellen und die Finanzierung der energiepolitischen Maßnahmen durchführen zu können.
Bei unserer Entscheidung muß die Zielsetzung einer gemeinschaftlichen Energiepolitik im Rahmen der EWG berücksichtigt werden. Die Kommission hat in ihrem Richtlinienentwurf einen Harmonisierungsvorschlag vorgelegt. Ich will den Beratungen nicht vorgreifen; ich will nur feststellen, daß der Regierungsentwurf einen ersten wesentlichen Schritt in Richtung auf die im Richtlinienentwurf geforderte Harmonisierung der Besteuerung darstellt. Der Kommissionsentwurf sieht ab 1. Januar 1976 Höchstsätze der Heizölsteuer bei schwerem Heizöl von 7,30 DM je Tonne und bei leichtem Heizöl von 18,30 DM je Tonne vor. Bei leichtem Heizöl liegen wir mit 10 DM je Tonne weit unter dem von der Kommission für Anfang 1976 angestrebten Höchstsatz.
Bei schwerem Heizöl ist es nicht zu leugnen, daß wir im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zur Zeit den höchsten Steuersatz haben. Aber der Regierungsentwurf berücksichtigt auch für diesen Bereich den Kommissionsvorschlag, bis zum 1. Januar 1974 die Differenz zwischen den Steuersätzen zu halbieren. Im Regierungsvorschlag führt die Degression der Besteuerung bereits am 1. Januar 1973 zu einem Steuersatz von 15 DM je Tonne.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Preisen und den Auswirkungen auf die Wettbewerbslage sagen. Zunächst möchte ich feststellen, daß sich die Preise für Heizöl nach der internationalen Marktlage und nicht nach der Steuerbelastung richten. Bei Einführung der Steuer für schweres Heizöl im Jahre 1960 hat sich der Preis für schweres Heizöl zunächst längere zeit hindurch nicht erhöht. Eine Preiserhöhung war wegen eines bestehenden Überangebots auf dem Markt nicht durchzusetzen; wir hatten einen Käufermarkt. Die später eingetretenen Preissteigerungen waren marktbedingt.
Trotz der sehr unterschiedlichen Steuerbelastungen auf Heizöl in den Ländern der Gemeinschaft differieren die tatsächlichen Verbraucherpreise nur geringfügig. Das führt zu dem Schluß, daß die unterschiedlichen Steuerbelastungen keinen entsprechenden Niederschlag in den Verbraucherpreisen finden und daß Wettbewerbsnachteile für unsere Industrie daraus nicht abgeleitet werden können.
Aus den dargelegten Gründen komme ich zu folgendem Ergebnis. Wir können auf ein umfangreiches und alle Bereiche berücksichtigendes energiepolitisches Programm nicht verzichten. Der Bund braucht dazu die erforderlichen finanziellen Mittel. Er kann den zusätzlichen Steuerausfall, der bei Berücksichtigung des Änderungsvorschlages der Opposition bis 1974 rund 600 Millionen DM betragen würde - davon allein in diesem Jahre rund 100 Millionen DM , nicht in Kauf nehmen. In der derzeitigen wirtschaftlichen Situation stellt sich auch die Frage, ob eine solche Steuersenkung aus konjunkturpolitischen Gründen empfehlenswert wäre.
Aus diesen Gründen unterstützt die SPD-Fraktion den Regierungsentwurf. Er ist ein ausgewogener Kompromiß. Er berücksichtigt die energiepolitischen Notwendigkeiten und deren Finanzierung ebenso wie die berechtigten Interessen der Heizölverbraucher. Er ist ein entscheidender Schritt zur Harmonisierung im Bereich der EWG.
Unter Abwägung aller Aspekte ist der Regierungsvorschlag Teil einer koordinierten Energiepolitik, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Energieversorgung mittel- und langfristig zu möglichst günstigen Bedingungen sicherzustellen; anders ausgedrückt, er ist vor allem für unseren Energiemarkt und für unsere Energieverbraucher eine Art Sicherheitsprämie.
Ich bitte Sie daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Änderungsantrag der CDU/CSU abzulehnen und der Regierungsvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang meiner kurKirst
zen Ausführungen nach den Klarstellungen, die hier eben schon von seiten der Regierung und vom Kollegen Wolfram gegeben worden sind, darf ich ja wohl einmal daran erinnern, daß am Beginn der Geschichte dieser Heizölsteuer, über deren Verlängerung wir heute sprechen, ein - wie es damals so schön hieß - Sündenfall stand. Das sollte man bei dieser Gelegenheit vielleicht einmal in Erinnerung rufen.
({0})
Und wenn Herr Kollege Dr. Schmid-Burgk hier von der Glaubwürdigkeit gesprochen hat, dann meine ich nur: wer 1971 bei einer solchen Gelegenheit von Glaubwürdigkeit spricht, hätte das auch 1963 und 1967 tun müssen.
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Denn das eine steht doch nun einmal fest: Diese Heizölsteuer ist unter CDU-Führung erstens eingeführt, zweitens fortgeführt und verlängert worden, und drittens ist ihre Degression 1967 nicht, wie vorgesehen, durchgeführt, sondern ausgesetzt worden. Das sind Tatsachen, die wir bei einer Beurteilung dieser Frage nicht außer acht lassen dürfen. Insbesondere sollten das, glaube ich, diejenigen, die sich jetzt vielleicht freuen, daß hier ein CDU-Antrag gestellt worden ist, der abgelehnt wird, dabei berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, wir hatten 1963 schon l einmal eine Degression vorgesehen. Sie ist, wie ich eben schon erwähnte, im Jahre 1967 einfach nicht durchgeführt worden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kirst, würden Sie einen Unterschied zu den Verlängerungen von früher nicht darin sehen, daß damals der Bedarf, der aus der Heizölsteuer finanziert werden mußte, höher war als jetzt und daß sich die Situation insbesondere im Steinkohlebergbau seitdem ja nun gottlob ganz anders entwickelt hat?
Herr Kollege Dr. Schmid-Burgk, ich meine, es ist eben überzeugend und unwiderlegbar - wie auch schon im Haushaltsausschuß vom Finanzminister und dann auch vom Kollegen Wolfram dargelegt worden, daß diese Rechnung, die Sie hier aufzumachen versuchen, nicht stimmt. Das müssen Sie doch nun einmal zur Kenntnis nehmen. Das ist auch an Hand der Zahlen - Sie waren in der vorigen Woche als stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuß selbst anwesend - klar und deutlich geworden.
({0})
Meine Damen und Herren, wir begrüßen es, daß es gelungen ist, die jetzige Verlängerung mit einer klaren und gesetzlich fixierten Aussage über eine Degression zu verbinden. Im Gegensatz zu früher
- eine Degression war ja schon einmal vorgesehen - muß die Degression diesmal so durchgeführt werden, wie sie im Gesetz steht. Das ist unsere feste Absicht. Das Gesetz muß Gesetz bleiben.
Im übrigen ist bekannt, daß wir Freien Demokraten es gern gesehen hätten, wenn jetzt sofort noch eine dritte Degressionsstufe gesetzlich fixiert worden wäre. Es ist aber festzustellen und anzuerkennen, daß eine solche dritte Degressionsstufe durch das zur Beratung anstehende Gesetz in keiner Weise verbaut wird. Sie kann jederzeit beschlossen werden.
Wir werden im übrigen verfolgen müssen, wie sich die EWG-Entwicklung darstellt. Wir wissen, daß für die Bemessung der ersten Stufe der EWG-Harmonisierung ab 1. Januar 1974 die Notifizierung der entsprechenden Richtlinien entscheidend sein wird. Wir kommen mit der dann schon erreichten Stufe entweder aus oder auch nicht, je nach Lage der Dinge. Herr Kollege Schmid-Burgk, Sie sprachen von der Gefahr der Verewigung. Wir müssen uns aber an die Gegebenheiten auf Grund der Richtlinien der EWG halten. Darüber kommen wir nicht hinweg.
Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Fiskalsteuer handeln soll oder nicht - ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß es sich nicht um eine Fiskalsteuer handeln soll; wir unterscheiden uns nur in der Beurteilung, ob das Aufkommen zur Zeit in einem angemessenen Verhältnis zu den begünstigten Zwecken steht oder nicht; wir haben das eben ja schon erörtert -, bleibt die Tatsache bestehen, daß ein Wegfall oder eine frühere Degression die Bereitstellung der Mittel in Frage stellen würde, die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein Wort zu den Vorschlägen des Bundesrates sagen, die sich ja mit den Vorschlägen der CDU/CSU decken. Ich meine, daß der Bundesrat, der sich ja teils als Ganzes, teils in bestimmten Gruppen - ich erinnere an die Debatte über die Finanzzuweisungen im Rahmen der Haushaltsberatungen - laufend darum bemüht, vom Bund neue Mittel zu bekommen, mit solchen Vorschlägen, die Geschenke zu Lasten Dritter bedeuten, etwas vorsichtiger sein sollte.
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Wir haben in den letzten Wochen und Monaten ja alle stapelweise Briefe von Verbänden und Einzelfirmen bekommen. Es ist natürlich sehr einfach für diese Leute, ihre Argumentation noch mit dem Hinweis abzurunden, der Bundesrat habe ja auch so entschieden. Ich glaube, daß es eine gefährliche Entwicklung ist, wenn die beiden parlamentarischen Körperschaften in der Bundesrepublik sich immer gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, daß sie Entlastungsvorschläge jeweils zu Lasten des anderen vorlegen. Das ist sicherlich keine günstige Entwicklung.
Im übrigen würde die Annahme des Antrags der CDU/CSU die Verabschiedung des Gesetzes heute unmöglich machen. Da sich die Haushaltsfrage stellte, müßte der Antrag noch einmal an den Haus6642
haltsausschuß zurückverwiesen werden. Wir kämen dadurch in eine schwierige Situation. Aber nicht nur aus diesem Grunde, sondern auch deshalb, weil wir den Antrag, der sich, wie gesagt, mit dem Antrag des Bundesrates deckt, im Augenblick nicht für vertretbar halten, werden wir diesen Antrag der CDU/CSU ablehnen und der Regierungsvorlage zustimmen.
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Weitere Wortmelmeldungen liegen in der zweiten Beratung nicht vor.
Die Fraktion der CDU/CSU hat auf Umdruck 166 einen Änderungsantrag gestellt. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen dann zunächst über Umdruck 166 Ziffer 1 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über § 1 in der Fassung der Ausschußvorlage ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Umdruck 166 Ziff. 2. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit derselben Mehrheit wie vorher abgelehnt.
§ 1 als Ganzes. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
§§ 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen. Ende der zweiten Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem in der zweiten Lesung der Antrag meiner Fraktion abgelehnt worden ist, der mit der Bundesratsfassung eine andere Degression ins Spiel bringen wollte, möchte ich namens der Fraktion folgende Erklärung abgeben.
Wir können dem Gesetz aus den hier vorgetragenen Gründen nicht zustimmen. Ich wiederhole nur vier unter vielen anderen.
Erstens. Außer bei der Steinkohle - und von der Steinkohle abgesehen - ist der Kostendruck über die Energiepreise auf die gesamte übrige Industrie so stark, daß wir eine stärkere Progression wünschen.
Zweitens. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß aus der Heizölsteuer doch eine Fiskalsteuer gemacht wird. Das lehnen wir ab.
Drittens. Das Programm der Regierung ist unseres Erachtens kein genügendes, koordiniertes energiepolitisches Konzept. Wir wünschen eine stärkere
Koordinierung der Energiepreise. Wir sehen, daß die Senkung der Energiepreise das Gebot der Stunde ist.
Viertens. Wir glauben nicht, daß fiskalische Gründe für die 600 Millionen DM, die der Herr Bundesfinanzminister eben angeführt hat, für die nächsten vier Jahre ein entscheidender Punkt sein können, weil auch das durch die Bundesratsfassung verminderte Steueraufkommen den gedachten Bedarf voll deckt.
Aus diesem Grunde können wir dem Gesetz nicht zustimmen. Nachdem unser Änderungsantrag zu § 1 - nämlich die Bundesratsfassung herzustellen - abgelehnt worden ist, wird sich meine Fraktion bei der Gesamtabstimmung in der dritten Lesung der Stimme enthalten.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungen sind nicht erfolgt. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen und Gegenstimmen angenommen.
Wir stimmen nunmehr über Ziffer 2 des Ausschußantrages ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen, des Bewertungsgesetzes und des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes ({0})
- Drucksache VI/1901 Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971 enthält Regelungen für zwei steuerliche Probleme, deren Lösung wegen ihrer Dringlichkeit nicht bis zur Verwirklichung der Steuerreform aufgeschoben werden kann.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Staatssekretär doch Gelegenheit zu geben, seine Begründung vorzutragen.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das erste Problem ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 1970 entstanden. Nach diesem
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
Beschluß ist die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes verfassungswidrig, soweit sie unterschiedslos die Land- und Forstwirtschaft bei der Veräußerung von Grundstücken aus dem Betriebsvermögen privilegiert. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zur Folge, daß von ihrem Bekanntwerden an die entsprechende Bestimmung nicht mehr angewendet werden kann und daß infolgedessen seit dem 1. Juli 1970 eine Gesetzeslücke besteht, die durch die im Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 enthaltenen Regelungen geschlossen werden soll.
Diese Regelungen sehen vor, daß grundsätzlich auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft Bodengewinne der Einkommensteuer unterliegen. Dies soll jedoch, um den Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen in die bisherige Rechtslage nicht zu verletzen und vor allen Dingen, um ein sprunghaftes Ansteigen der Preise auf dem Bodenmarkt zu vermeiden, nur insoweit geschehen, als die Gewinne auf Wertsteigerungen entfallen, die nach dem 30. Juni 1970 entstanden sind.
Die Bundesregierung ist sich der Problematik dieser vorgeschlagenen Regelung wohl bewußt. Es kann nicht verhehlt werden, daß es gesellschaftspolitisch gerechter wäre, auch vor dem 30. Juni 1970 entstandene Wertsteigerungen des land- und forstwirtschaftlichen Grund und Bodens insbesondere dann steuerlich zu erfassen, wenn sie dadurch entstanden sind, daß der Grund und Boden Bauland geworden ist. Auf der anderen Seite war aber zu berücksichtigen, daß die durch die Bodengewinnbesteuerung entstehende stärkere steuerliche Belastung der Grund und Boden veräußernden Land- und Forstwirte von diesen auf den Käufer abgewälzt würde und so letztlich eine merkliche Verteuerung des Grund und Bodens die Folge wäre. Dies war unter allen Umständen zu vermeiden.
Die Bundesregierung schlägt deshalb in dem Ihnen vorliegenden Entwurf vor, daß nur die nach dem 30. Juni 1970 entstandenen Wertsteigerungen des Grund und Bodens besteuert werden sollen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, daß fiktive Anschaffungskosten auf den 1. Juli 1970 festgelegt werden, für die aus Gründen einer dringend gebotenen Vereinfachung grundsätzlich Pauschalwerte anzusetzen sind.
Es gibt dann noch eine Reihe von technischen Änderungen in dem Gesetz, auf die ich nicht näher eingehen will. Eines scheint mir aber wichtig und bei der Einbringung des Gesetzentwurfs erwähnenswert zu sein. Es geht nämlich darum, Sondervorschriften für diejenigen Land- und Forstwirte zu schaffen, die nicht mehr existenzfähig sind und die womöglich durch die vorgesehene Regelung davon abgehalten werden könnten, ihren Grund und Boden zu veräußern. Die Inhaber solcher Betriebe sollen durch die neue Bodengewinnbesteuerung nicht an der Veräußerung oder Aufgabe ihres Betriebs gehindert werden. Deshalb ist in dem vorgesehenen neuen § 14 a des Einkommensteuergesetzes ein Freibetrag von 60 000 DM für Gewinne vorgesehen, die durch die Veräußerung oder Aufgabe nicht existenzfähiger land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe entstehen. Ein gleicher Freibetrag soll auch dann zum Zuge kommen, wenn ein Land- und Forstwirt einzelne Grundstücke verkauft, um Schulden zu bezahlen oder weichende Erben abzufinden. Die Bundesregierung verbindet mit diesen Vorschriften die Hoffnung, daß dadurch die notwendigen strukturellen Verbesserungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft erleichtert werden.
Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich an sich nur auf land- und fortswirtschaftliche Betriebe und nicht auf die Bodengewinne von Kleingewerbetreibenden und selbständig Tätigen. Diese Gewinne sind jedoch bisher nach § 5 Abs. 1 letzter Satz des Einkommensteuergesetzes ebenfalls steuerfrei. Deshalb muß sich aus verfassungsrechtlichen Gründen der Gleichbehandlung die gesetzliche Neuregelung auch auf diesen Personenkreis erstrecken, was in dem Entwurf vorgesehen ist. Zur Vermeidung einer unzulässigen Rückwirkung soll eine Besteuerung dieser Bodengewinne aber erst mit dem Inkrafttreten des vorgelegten Gesetzentwurfs eintreten.
Ich will es mir versagen, auf weitere Einzelheiten des Entwurfs, soweit er die Besteuerung der land-und forstwirschaftlichen Grundstücke betrifft, einzugehen, und nur noch am Schluß erwähnen, daß neben diesem Freibetrag von 60 000 DM noch vorgesehen ist, daß der Veräußerungsfreibetrag des § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes von 20 000 auf 30 000 DM erhöht wird und bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe aus Altersgründen sogar verdoppelt wird. Dadurch soll sozialen Härten, die durch die Neuregelung der betrieblichen Bodengewinnbesteuerung insbesondere bei Kleingewerbetreibenden und kleinen und mittleren Landwirten entstehen können, entgegengewirkt werden.
Der zweite Komplex, der in diesem Gesetzentwurf behandelt wird, ist ein völlig anderer, nämlich der der berühmten Sonderabschreibungen für Seeschiffe und Flugzeuge und der Steuervergünstigungen für Kapitalanlagen nach dem Entwicklungshilfesteuergesetz. Diese Maßnahmen wurden in letzter Zeit zunehmend von Steuerpflichtigen mit hohem Einkommen als Instrument einer bevorzugten Vermögensbildung ausgenutzt. Es gab da eine sinnige Methode, eine GmbH und Co zu gründen, dort als Kommanditist einzutreten und den Betrag dann gar nicht einzuzahlen. Dann macht dieser Betrieb natürlich am Anfang während der Aufbauzeit Verluste. Die Verluste werden auf die einzelnen Kommanditisten verteilt, die setzen sie von ihrem sonstigen Einkommen ab, und am Schluß bezahlen die mit dem, was sie auf Kosten aller übrigen Steuerzahler an Steuern sparen, ihre Kommanditeinlage.
Daß das nicht so bleiben kann, hat die Bundesregierung schon bei dem Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes erkannt. Sie hat deswegen dort eine Regelung eingebaut, die ausdrücklich bestimmt, daß die Förderung nicht zur Entstehung oder Vergrößerung von Verlusten führen kann. Diese Regelung wird jetzt, wie es der Bundesrat damals auch gefordert hat, auf alle ähnlichen Fälle ausgedehnt,
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
und zwar im Interesse der Gleichbehandlung, und ich glaube, es ist im Interesse aller Steuerzahler, daß derartige Manipulationen mit Hilfe einer Steuervergünstigung, die zu ganz anderen Zwecken gedacht war, unterbunden werden.
Diese Einschränkungen der Steuerbegünstigungen für Schiffe, Flugzeuge und nach dem Entwicklungshilfesteuergesetz sollen grundsätzlich auf den 17. Dezember 1970, also den Tag zurückbezogen werden, an dem das Bundeskabinett seinen Beschluß gefaßt und veröffentlicht hat, den gesetzgebenden Körperschaften derartige Einschränkungen vorzuschlagen. Ich glaube, es ist ganz einleuchtend, warum diese Zurückbeziehung erfolgen muß; es ist auch keine echte Rückwirkung, denn der gute Glaube des Steuerzahlers, daß er weiter solche Manipulationen vornehmen kann, ist mit dem 17. Dezember 1970 zerstört worden und die Neuregelung kann - das ist feststehende verfassungsgerichtliche Rechtsprechung - infolgedessen mit diesem Tage in Kraft treten. Man kann sich vorstellen, welchen Manipulationen Tür und Tor geöffnet wäre, wenn man eine solche Regelung etwa erst in Zukunft mit Inkrafttreten des Gesetzes endgültig in Kraft setzen wollte.
Anführen darf ich noch ganz kurz, daß bei den Schiffen auch weiterhin eine gewisse Abschreibung der Verluste möglich bleibt, weil die Verhältnisse in der Seeschiffahrt ganz besondere sind. Ich möchte es mir versagen, auf die Einzelheiten einzugehen, aber hier bleibt für die Hälfte der Verluste die Möglichkeit bestehen, sie abzuschreiben.
In einer Zeit, in der alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ihren festen Willen bekundet haben, eine umfassende Steuerreform durchzuführen, deren oberstes Ziel die Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit sein soll, sind Regelungen, wie sie hier im Vorgriff auf die Arbeiten der nächsten Monate und Jahre dieser Legislaturperiode vorgeschlagen werden, eine Notwendigkeit. Die Verwirklichung dieser Maßnahme duldet auch keinen Aufschub, wenn sich Bundesregierung und Bundestag nicht vorhalten lassen wollen, sie ließen die Landwirte und Kleingewerbetreibenden über die steuerliche Behandlung ihrer Bodenverkäufe im unklaren. Sie werden alle aus zahllosen Eingaben von Gemeinden wissen, wie problematisch es ist, hier lange Zeit Unklarheit bestehen zu lassen. Außerdem glaube ich, daß es im Interesse der Einheitlichkeit der Besteuerung liegt, die Verkürzung der Einkommensteuerpflicht durch einige wenige Privilegierte endgültig zu unterbinden.
Ich bitte Sie daher, die Beratungen über den Ihnen heute vorgelegten Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Steueränderungsgesetz 1971 so schnell wie möglich durchzuführen und den darin vorgeschlagenen Regelungen zuzustimmen.
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Der Gesetzentwurf ist eingebracht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache in erster Beratung. - Das Wort hat der Abgeordnete Kreile.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in seiner Rede zum Agrarbericht 1971 am 10. März 1971 einen bewegenden Appell an dieses Parlament gerichtet. Er hat es aufgefordert - ich zitiere -,
„gemeinsam um die beste Lösung ({0}) ringen, die wir auch im Interesse der Allgemeinheit der Landwirtschaft und vor allem den betroffenen Menschen schuldig sind!"
Das sind schöne und beherzigenswerte Worte. Um so mehr erstaunt es, daß die Bundesregierung diesen ihren eigenen Appell bei dem vorgelegten Entwurf eines Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971 ganz offensichtlich in den Wind geschlagen hat. Das Zweite Steueränderungsgesetz 1971 ist das erste Steuererhöhungsgesetz dieser Bundesregierung.
Sicherlich, den Anstoß zu diesem Gesetz gab das Bundesverfassungsgericht durch seinen Beschluß vom 11. Mai 1970. Das Gericht stellt fest, es sei verfassungswidrig, mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG nicht vereinbar, die Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden durch Landwirte steuerfrei zu belassen. Doch so eindeutig, wie die Reaktion der Bundesregierung vermuten lassen will, ist dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht. Was einen bei diesem Gesetz wundert, ist die Sicherheit, mit der die Bundesregierung alle Zweifelsfragen, die das Bundesverfassungsgericht aufgeworfen hat, in einer Weise beantwortet, daß stets die für den Steuerpflichtigen schlechtestmögliche Alternative gewählt worden ist.
Es steht fest: Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es, die Gewinne aus der Veräußerung land- und forstwirtschaftlichen Bodens künftig zu versteuern. Muß dieser Gewinn aber auch bei einer bloßen Betriebsaufgabe versteuert werden, bei einer Maßnahme also, bei der der Bauer kein Geld in die Hand bekommt, mit welchem er die anfallende Steuer zahlen kann? Und hat die Bundesregierung bedacht, daß der Kaufpreis für einen solchen Grundstücksverkauf heute immer einen großen Teil inflationär aufgeblähter Scheingewinnbestandteile enthält? Uns ist doch allen klar: Wer heute nach nominellen Maßstäben Bodengewinne erzielt, hat nicht unbedingt einen finanziellen Zuwachs, einen tatsächlichen Gewinn in der Hand. Der Steuerpflichtige aber ist auf diese Scheingewinne dringend angewiesen, um im Wirtschaftsleben bei dem nunmehr mit jährlich mehr als 4 % steigenden Preisniveau ohne Verlust mithalten zu können. Muß ein Steuerpflichtiger aber von diesem Inflationsgewinn Steuern zahlen, so tritt er dem Staat einen Teil seiner Vermögenssubstanz ab. Um diesen Scheingewinnbestandteil des Kaufpreises wird der Steuerpflichtige durch die Steuer enteignet.
Unter diesen Umständen muß man es geradezu für verwegen halten, daß die Bundesregierung ein solches Gesetz zu einem Zeitpunkt vorlegt, wo der Zusammenhang zwischen Geldentwertung und landwirtschaftlichen Problemen allgemein geläufig geworden ist. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hätte es nicht ausgeschlossen, den FragenDr. Kreile
kreis steuerlicher Gewinnermittlung und scheinbarer Wertsteigerungen im Anlagevermögen grundsätzlich neu zu überdenken. Mehr noch: Artikel 14 des Grundgesetzes macht es wahrscheinlich unabweisbar, die Definition des Veräußerungsgewinnes generell zu revidieren. Man wird künftig nicht mehr davon ausgehen können, daß ein Anschaffungspreis sowie ein Verkaufspreis gegeben sind und daß die Differenz der Veräußerungsgewinn ist. Künftig muß auch der reale oder der fiktive Wiederbeschaffungswert berücksichtigt werden. Dieses Gesetz hätte Anlaß dazu gegeben, diese Maßnahme mit einzubeziehen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf führt ein Verfahren ein, das den ersten gravierenden Fehler durch einen zweiten noch übertrifft. Er schlägt mit den sogenannten Ertragsmeßzahlen einen pauschalierten Ausgangswert vor, der - wie heute schon feststeht auf der vorgesehenen Basis zumindest regional zu niedrig ist und deshalb übersteigerte Gewinnzahlen als Scheingewinne geradezu provoziert.
Warum hat diese Bundesregierung hier nicht die sich anbietende Regelung getroffen, und warum hat das Bundeslandwirtschaftsministerium, das das Problem doch ganz genau kennt, nicht darauf gedrungen, daß diese Werte auch regional aufgegliedert werden. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten: gebietsweise gestaffelte Multiplikatoren oder einen Zuschlag. Steuersystematische oder gar verfassungsrechtliche Gründe können es nicht sein, die dem entgegenstehen; denn solche regionalen Modifizierungen sind im Steuerrecht geläufig. Wir kennen diese Regelung bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte 1964 mit dem Mietspiegel. Warum also fragt man sich hier wählt bei einem solchen Steuererhöhungsgesetz diese Bundesregierung stets die Alternative, die den Steuerpflichtigen am meisten belastet?
Die steuerpflichtigen Landwirte werden also darauf angewiesen sein, das befristete Wahlrecht auszuüben, und sich für die Ansetzung eines Teilwertes als gerechter Berechnungsbasis entschließen müssen. Dieses Votum wird aber nach dem Entwurf bestraft. Es ist, wie hier in Drucksache lakonisch - sehr lakonisch - bemerkt, mit dem Risiko der Artfortschreibung als Bauland belastet, also mit dem Risiko eines Bündels negativer steuerlicher Folgeerscheinungen.
Nehmen wir ein Beispiel. Ein Landwirt, der sieht, daß er seinen Betrieb am Rande einer wachsenden Stadt auf die Dauer nicht aufrechterhalten kann, muß sich überlegen, ob er nicht besser den Teilwert wählt, weil er möglicherweise in zehn Jahren sein Grundstück veräußern muß. Wo aber verlangt die hier immer wieder beschworene Steuersystematik, daß sein landwirtschaftliches Grundstück bewertungsrechtlich zum Grundvermögen im Wege der Artfortschreibung fortgeschrieben wird - mit der Folge, daß der Landwirt, obwohl er seinen Grund und Boden nach wie vor landwirtschaftlich nutzt, eben diesen Grund und Boden nunmehr als Grundvermögen mit einer Grundsteuer versteuern muß, die neunmal höher liegt, als wenn es nach wie vor
bewertungsrechtlich landwirtschaftlicher Grund und' Boden wäre. Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Es ist der Bauer, der seinen Grund und Boden nach wie vor landwirtschaftlich nutzt. Nur deswegen, weil er in seine steuerliche Bilanz den richtigen Wert einsetzt - nämlich den Teilwert statt des nach Ertragsmeßzahlen ermittelten fiktiven Anschaffungswertes -, soll er nun neunmal höhere Grundsteuern zahlen; deswegen soll er einen wesentlich höheren Vermögensteuerbetrag entrichten.
Dies ist nicht einzusehen; denn hier bereitet eine mißverstandene steuerliche Gerechtigkeit dem Steuerpflichtigen eine ebenso unerträgliche wie auch unnötige Zwickmühle. Gerade diese Regelung - wir sollten es nicht übersehen wirkt auf den ratlosen, zur Entscheidung zwischen zwei steuerlichen Übeln gezwungenen Steuerpflichtigen geradezu unmenschlich.
Was nützen da kasuistische Milderungen, die - das soll gerne anerkannt werden dieses Gesetz in einigen Fällen, in einigen durchaus wesentlichen Punkten, enthält? Nichts! Vermißt wird aber hier eine verfassungsrechtlich durchaus zulässige Milderung in zwei wesentlichen Fällen: Einmal beim Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks von einem Landwirt an einen anderen Landwirt. Hier befürchtet die Bundesregierung, daß durch eine solche Begünstigung Mißbräuchen Tür und Tor geöffnet ist. Dies ist nicht der Fall, und wer die Qualität der Bundesfinanzverwaltung und der Länderfinanzverwaltung, der Veranlagungsbeamten und auch der Betriebsprüfungen kennt, der weiß, daß solchen Mißbräuchen seitens der Verwaltung ohne weiteres begegnet werden kann.
Zum anderen aber ist eine Begünstigung erforderlich bei der Landabgabe zu öffentlichen Zwecken. Hier bietet es sich doch gerade an, einen Freibetrag zu gewähren. Das dagegen vorgebrachte Argument, daß bei einer öffentlichen Landabgabe doch stets der richtige Kaufpreis gezahlt wird, überzeugt denjenigen, der solche öffentlichen Landabgaben einmal durchgeführt hat, durchaus nicht.
Zum dritten aber sind die Milderungen des Gesetzes dort, wo sie vorgesehen sind, zu gering bemessen, denn sie sind an einen Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs bis zu 20 000 DM gebunden, einen Einheitswert, der zu niedrig ist, um überhaupt wesentlich ins Gewicht zu fallen.
Die Bundesregierung geht aber auch sonst bedenkliche Wege. Sie hat sich nicht gescheut, eine Rückwirkung dieses Gesetzes und damit der Besteuerung noch für die letzten sechs Monate des vergangenen Jahres vorzusehen. Sie will also Veräußerungen und Betriebsaufgaben nach dem 1. Juli 1970 erfassen. In dem Zeitraum zwischen der Bekanntgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts bis heute war aber überhaupt noch nicht erkennbar, wie der recht unbestimmte Beschluß des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert werden würde und endgültig werden wird. Dafür haben wir einen sehr ehrenwerten Zeugen, den Herrn Bundesminister der Finanzen. Er hat am 30. September 1970 auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion wörtlich geantwortet:
Die zu regelnden Probleme sind so komplex, daß heute noch nicht zu übersehen ist, welche Vorschläge für eine gesetzliche Neuregelung die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften unterbreiten wird.
Wenn dem aber so war, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn also der veräußernde Landwirt sich über die steuerlichen Folgen seiner Disposition ebenso im unklaren war wie der Bundesfinanzminister, dann verstößt ein rückwirkendes Gesetz, das den Steuerpflichtigen belastet, gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.
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Man kann hier nicht sagen, auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts mußte der Landwirt wissen, daß er Steuern zahlen muß. Das wußte er tatsächlich. Aber er wußte nicht, wie; er wußte nicht, auf welcher gesetzlichen Grundlage; er wußte nicht, wie das Gesetz gestaltet werden wird. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz verlangt aber ganz eindeutig, daß eine rückwirkende Belastung des Steuerpflichtigen nur dann möglich ist, wenn der Steuerpflichtige genau wußte, wie er belastet werden wird. Nicht daß er belastet wird, sondern wie er belastet wird, das ist für den Steuerpflichtigen das einzig Maßgebende, und man fragt sich, warum in einer solchen Frage diese Bundesregierung bei einer solchen juristisch doch zumindest umstrittenen Rechtslage ohne jeden Anlaß den schneidigsten, den Steuerpflichtigen am meisten belastenden Weg geht.
Eine Rückwirkungsakrobatik betreibt der Entwurf auch in seinem zweiten Teil, der die Sonderabschreibungen für Seeschiffe, Luftfahrzeuge und Vergünstigungen des Entwicklungshilfesteuergesetzes beschränkt. Man kann sehr wohl, meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber reden, ob die wirtschaftspolitischen Ziele, die mit diesen Steuerhilfen seinerzeit erreicht werden sollten und wohl auch erreicht wurden, vorrangig sind oder ob nicht vielmehr eine Weitergeltung dieser Steuerhilfen sowohl als unzweckmäßig wie als steuerlich ungerecht empfunden werden müßte. Allerdings befremdet es sehr, wenn hier an dieser Stelle der Staatssekretär des Bundesfinanzministers erklärt, die Steuerpflichtigen hätten hier Manipulationen vorgenommen. Das haben die Steuerpflichtigen nicht, sondern die Steuerpflichtigen haben eine Rechtslage, die gegeben ist, nicht einmal ausgenutzt, sondern sie haben sich lediglich gemäß dieser Rechtslage verhalten. Wir sollten doch nicht so weit gehen, daß wir Steuerpflichtige, die gesetzliche Möglichkeiten benutzen, hier als Manipulanten bezeichnen. Ich bin, wenn ich es noch einmal sagen darf, durchaus dafür, daß man den Sachverhalt miteinander bespricht und möglicherweise zu einer Regelung dieses Sachverhalts kommt. Ich bin aber dagegen, Steuerpflichtige, die das Recht ausnutzen, zu denunzieren.
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Man wird geteilter Meinung darüber sein können, ob die nunmehr vorgeschlagene Regelung nach ihrem technischen Ansatz, der nur Verluste, nicht
aber Gewinnminderungen ausschließt, logisch und systematisch richtig ist, mit anderen Worten: willkürfrei ist. Das Gesetz verbietet es lediglich, daß Verluste, die aus solchen GmbH & Co-Kommanditgesellschaften entstehen, mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen werden. Das Gesetz verbietet es aber nicht, daß innerhalb dieser Kommanditgesellschaft durch die dort gegebenen Sonderabschreibungen Gewinne vermindert werden. Das ist eine Frage, die man sich doch wohl seitens des Bundesfinanzministeriums wie auch seitens der Parteien noch einmal genau überlegen muß, damit man zu einer willkürfreien gesetzlichen Regelung kommt.
Ich sage, das sind zwei Punkte, über die man reden kann. Worüber man aber in diesem Hause nicht sollte reden müssen und worüber es in diesem Hause nur eine einhellige Meinung geben sollte, ist folgendes. Es geht einfach nicht an, daß sich die Bundesregierung als Leitsatzgeber zum vorweggenommenen Gesetzgeber macht, sich als Gesetzgeber durch Leitlinien geriert.
Am 16. Dezember 1970 hat das Bundeskabinett Leitlinien veröffentlicht.
Ihre Lampe leuchtet rot.
Ich glaube, Herr Präsident, für mich wurden 20 Minuten Redezeit beantragt.
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Das hat man mir nicht gesagt. Aber ich verlängere Ihre Redezeit.
Ich bedanke mich. Ich bin nämlich an einem wichtigen Punkt.
Die Bundesregierung hat Leitsätze veröffentlicht. Die Bundesregierung geht ganz offensichtlich davon aus, daß dieses Parlament Kabinettsbeschlüsse, die sie getroffen hat, auf jeden Fall sanktioniert. So weit sollte es nicht gehen; denn wenn das Schule macht, wird das Parlament zu einem Urkundsbeamten für Kabinettsbeschlüsse denaturiert.
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Gerade an diesem Fall der Rückwirkung eines den Staatsbürger belastenden Gesetzes, eine Maßnahme, die nur in ganz ungewöhnlichen Fällen und vom Bundesverfassungsgericht genau vorgezeichnet beschlossen werden kann, zeigt sich: der Kampf um grundgesetzverbriefte Kompetenzen ist auch hier ein Kampf um den Rechtsstaat.
Deswegen kann meine Fraktion den Entwurf des Zweiten Steueränderungsgesetzes in der vorgelegten Form nicht akzeptieren. Wir meinen, daß die darin behandelten Fragen aus den von mir genannten Gründen in einen sehr allgemeinen Zusammenhang gehören. Er umfaßt einmal den Wertzuwachs im betrieblichen Anlagevermögen, im Problemkreis Steuer und Geldentwertung also, zum anderen die wirtschaftspolitisch motivierte SonderDr. Kreile
abschreibung und zum dritten das Problem des Selbstverständnisses dieses Parlaments.
Daß dieser Zusammenhang übersehen wird, obwohl sich die Bundesregierung doch bei großem personellem und zeitlichem Aufwand mit Fragen der Steuerreform auf sehr gründliche Weise befaßt, enttäuscht. Es enttäuscht um so mehr, als gerade der Teil unserer Bevölkerung darunter zu leiden hat, der sich heute in der schwersten existenzbedrohenden Krise befindet. Die Bundesregierung hat es versäumt, das Gebotene und Mögliche zu tun, nämlich steuerliche Gerechtigkeit und Rücksichtnahme auf landwirtschaftliche Notlagen miteinander zu vereinbaren. Das wäre ihre Aufgabe gewesen. Da sie diese nicht wahrgenommen hat, wird es unsere sein, gemeinsam, wie ich hoffe, in den weiteren Beratungen dies zu tun.
({1})
Meine Damen und Herren, was wir soeben gehört haben, war eine Jungfernrede. Ich beglückwünsche Herrn Kollegen Kreile zu der Eloquenz und Sachkunde, mit der er sich an das spröde Thema gewagt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Kreile soeben den Entwurf in fast allen Punkten als zu bauernfeindlich hingestellt hat, könnte man dazu fast nur sagen: er wollte das „Wort zum Sonntag" speziell für die Landwirte sprechen.
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Wir sollten doch umgekehrt einmal sagen, daß dieses Parlament dem Verfassungsgericht in Karlsruhe Dank schuldet, daß es in seinem Beschluß vom 26. Mai 1970 endlich Grundsätze für eine gerechte steuerliche Behandlung aufgestellt und daß es herausgestellt hat, daß steuerliche Privilegierungen mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung in unserem Staat nicht vereinbar sind. Das ist einer der obersten Grundsätze des Rechtsstaates.
Das Bundesverfassungsgericht hat darauf verwiesen, daß sich seit 1949/50 - solche Fälle werden doch mit diesem Gesetz erfaßt - die Gesamtfläche der landwirtschaftlichen Grundstücke jährlich um etwa 23 000 ha vermindert hat. Der Parlamentarische Staatssekretär Ravens hat am 4. März 1971 in der Fragestunde klargestellt, daß nach den Berechnungen des Städtetages die Wertsteigerungen, zu denen es durch Umwandlung von Ackerland in Bauland gekommen ist, seit 1960 zu Verkaufsgewinnen von rund 50 Milliarden DM geführt haben, die von uns steuerlich überhaupt nicht erfaßt worden sind. Hierauf zielt doch dieses Gesetz ab. Deswegen begrüßt meine Fraktion, daß diese Regierung die schuldhaften Versäumnisse der Vergangenheit, in diesem Fall für steuerliche Gleichbehandlung zu sorgen, endlich ausräumen will.
Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutige Pflöcke gesetzt. Es hat gesagt, seit 1948 hätte auf diesem Gebiet etwas getan werden können und müssen. Es sagt, die Wertermittlung könne selbst auf das Jahr 1958 zurückgreifen. Ich verstehe nicht, Herr Kollege Kreile, wie sie eine Rückwirkung auf den Stichtag, den die Bundesregierung angenommen hat, nämlich den 1. Juli 1970, noch als unzulässig bezeichnen. Wir alle sollten uns einen Satz ins Gebetbuch schreiben, den das Verfassungsgericht herausgestellt hat: daß der Gesetzgeber in der Vergangenheit - Herr Präsident, ich darf die nächsten paar Worte zitieren - „die äußerste Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit überschritten hat".
Hier wird gesagt, damit werde ein anderer Personenkreis in der Zukunft ungleich belastet. Wir sollten uns vielmehr ernsthaft überlegen, wie wir steuerliche Regelungen finden können, die auf der einen Seite das marktpolitische Gleichgewicht auf dem Grundstücksmarkt nicht allzusehr zerstören und auf der anderen Seite zu einer steuerlichen Gleichbehandlung führen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, daß nur die nach dem 1. Juli 1970 abgeschlossenen Kaufverträge steuerlich erfaßt werden und die Wertermittlung auf den 1. Juli 1970 festzustellen ist. All die Wersteigerungen, die von 1958 bis zum 1. Juli 1970 entstanden sind, bleiben also steuerlich unberücksichtigt. Das führt doch dazu, daß Millionengewinne - Herren der Steuerreformkommission haben von einem politischen Skandal gesprochen, als sie diese Ausgangsüberlegungen hörten -, die in der Vergangenheit zu Unrecht angehäuft worden sind, weiterhin unversteuert dort stehenbleiben, wo sie zu Unrecht entstanden sind.
Herr Kollege Kreile spricht davon, daß der inflationär aufgeblähte Scheingewinn der Bestandteil des Kaufpreises sei. Ich muß darauf genauso sophistisch reagieren und kann nur sagen: Bitte: wenn es ein Scheingewinn ist, dann macht es auch nichts aus, Scheinsteuern davon zu zahlen.
Wir stehen vor der Schwierigkeit, in diesem Gesetz eine Regelung zu finden, die auf der einen Seite vermeidet, daß die Grundstückspreise sprunghaft in die Höhe getrieben werden könnten, weil nicht genügend andere Instrumente für eine Mobilität auf dem Grundstücksmarkt vorhanden sind, und die auf der anderen Seite eine gerechte steuerliche Behandlung ermöglicht. Der Gesetzentwurf - wer das nicht wahrhaben will, der hat das Gesetz nicht gelesen - trägt in seinen abgestuften Freibeträgen den agrarsozialen Erwägungen meiner Fraktion - ich möchte fast sagen: bis zum Grundsatz der Ungleichheit, weil er nämlich wiederum so viele steuerliche Vergünstigungen einführt - hinreichend Rechnung. Wir müßten in den Ausschußberatungen umgekehrt sorgfältig prüfen, ob das nicht wiederum von anderen Berufsgruppen angegriffen werden kann, die steuerlich nicht privilegiert sind.
Im zweiten Teil des Gesetzes geht es um die Einschränkung der Sonderabschreibungen. Hier möchte ich der Bundesregierung besonders danken, daß sie den Ankündigungseffekt ausgenutzt hat und damit Rechtswirkungen dieses Gesetzes insoweit zum 17. Dezember 1970 ausgenutzt hat. Denn es war doch in der Tat höchste Zeit, mit dem Unwesen Schluß
Dr. Weber ({1})
zu machen, potenten Steuerzahlern zu ermöglichen, sich mit ersparten Steuergeldern Beteiligungen zu kaufen. Das hat mit unzulässiger Rückwirkung überhaupt nichts zu tun, sondern das ist eine Beseitigung eines Krankheitsherdes, die längst fällig war. Das hat auch nichts damit zu tun, daß die Bundesregierung durch diese Verkündung von Leitlinien in die Kompetenz des Gesetzgebers eingegriffen hätte. Die Bundesregierung hat damit nur jedem anderen draußen für die Zukunft und mit Recht den Vertrauensschutz nehmen wollen.
Meine Fraktion begrüßt deshalb die Vorlage dieses Gesetzentwurfs.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Kühlmann-Stumm.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es besteht kein Zweifel, daß es sich hier um ein Gesetz handelt, das durch das Bundesverfassungsgericht verursacht worden ist. Es besteht aber auch kein Zweifel, daß für die Betroffenen - ich spreche zunächst einmal von den Hauptbetroffenen, den landwirtschaftlichen Kreisen - auf Grund dieses Gesetzes eine Verschlechterung eintritt.
Nun haben alle Parteien dieses Hauses in mehreren Debatten - zum letzten Male heute morgen in einer Aktuellen Stunde - erklärt, daß sie alles tun wollen, um das, was in Brüssel nicht erreicht worden ist, anderweitig auszugleichen. Der Ernährungsminister wird sicher in absehbarer Zeit seine Vorschläge dazu machen, nachdem in Brüssel, wie wir alle angenommen haben, nicht alle Blütenträume gereift sind. Also kommt es jetzt unabhängig von den Parteien, die hier sprechen, darauf an, daß wir zwar dem Petitum des Bundesverfassungsgerichts folgen, Herr Staatssekretär, aber nur, insoweit es das Urteil gebietet und nicht einen Schritt weiter. Darauf muß das Gesetz im Ausschuß abgeklopft und untersucht werden.
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Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, daß wir auf der einen Seite mit erheblichen Mitteln des Bundeshaushalts doch von allen Parteien erkannte Mängel in der landwirtschaftlichen Finanzstruktur beseitigen und die Kostenschere etwas mehr schließen - wir wissen ja alle, um welche Summen es sich da dreht - und auf der anderen Seite die Landwirte mit neuen Kosten belasten.
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Dabei darf ich auf eines hinweisen. Eine Verschuldung der Landwirtschaft von 28 bis 30 Milliarden DM zeigt, daß es schon in der Vergangenheit in sehr vielen Fällen nicht möglich gewesen ist, Investitionen, Modernisierung, Rationalisierung, Aufstockung usw. ohne Grundstücksverkäufe zu finanzieren. Ich glaube, man sollte diese Finanzierungsart, auf die der Landwirt, je nachdem in welcher glücklichen oder unglücklichen Lage er sich C befand, zurückgreifen konnte, nicht noch weiter einschränken. Es darf also nicht der Fall eintreten, daß diese Dinge bestraft werden. Wir begrüßen es, daß in dem Gesetz eine Fülle von Maßnahmen ergriffen worden ist, um die anfallende Steuer auf den verkauften Grund und Boden zu mäßigen, das heißt, zu mindern. Das ist günstig.
Aber es ist eine ganze Menge von Punkten darin enthalten, die ich doch ganz kurz aufzeigen möchte. Ich glaube aber, man sollte in einer ersten Lesung nicht zu sehr auf die Einzelheiten eingehen, sondern die Sache vom Grundsatz her betrachten.
Der Landwirt ist im allgemeinen nicht aufzeichnungsfreudig; ein großer Teil unserer Landwirte führt keine Bücher. In einem Paragraph des Gesetzes sind die zu führenden Verzeichnisse festgelegt.
Wir sollten auch folgendes berücksichtigen: Wir betrachten nach wie vor die Landwirtschaft auf der Basis des bäuerlichen Familienbetriebs als das Ziel unserer Agrarpolitik.
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Die FDP hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie die Betriebsgröße des bäuerlichen Familienbetriebs als maßgeblich bezeichnet. Wir sollten diesem bäuerlichen Familienbetrieb keinen unnötigen Papierkrieg zumuten.
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Ebenso halte ich es für sehr schwerwiegend, daß durch viele in diesem Gesetz angeführte Paragraphen den unteren Verwaltungsbehörden große zusätzliche Belastungen aufgezwungen werden. Denken Sie z. B. daran, daß sich der Landwirt bis zum 1. Januar 1974 entscheiden muß, wie er sich bewerten lassen will, ob er eine Teilbewertung vornehmen lassen will oder nicht. Die Beratungen können nur die Verbände vornehmen; die Finanzämter sind dazu gar nicht in der Lage. Wer die örtlichen Verhältnisse auf dem flachen Land kennt, weiß, wie schwierig es ist, einen Bauern überhaupt zu einer Entscheidung zu bewegen.
Hinzu kommt folgendes - ich sage das, um auch etwas Politisches anzuführen -: Es ist heute so, daß sich eine Menge Bauern ernsthaft überlegen - aus Gründen, die ich hier nicht weiter zu nennen brauche -, ob sie sich von ihrem Grund und Boden trennen sollen oder nicht. Der Bauer hat, wie alle anderen Bürger dieses Staates eine sehr feine Nase für das, was vorgeht.
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Deswegen legen wir Freien Demokraten Wert darauf, daß in diesem Gesetz verpachtete Grundstücke nicht schlechter als ruhende, auf keinen Fall aber schlechter als verkaufte Betriebe behandelt werden. Es muß gleiches Recht für alle gelten, gerade im Hinblick auf die besondere Lage und die Eilbedürftigkeit des Gesetzes.
Vom Stichtag ist hier bereits gesprochen worden. Es liegen eine ganze Menge Gutachten namhafter Persönlichkeiten vor, die zu dem Ergebnis kommen,
daß man den Stichtag wie bei den Kleingewerbetreibenden auf den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verlegen kann. Das muß man im Ausschuß prüfen. Professor Flume hat ein Gutachten darüber erstellt und ist der Meinung, daß man den Landwirt bezüglich seiner Verkäufe genauso behandeln kann wie den Kleingewerbetreibenden, für den als Stichtag der Tag des Inkrafttretens des Gesetzes gilt.
Auch der Stichtag 1. Januar 1974 muß, glaube ich, sorgfältig geprüft werden, weil wir immer davon ausgegangen sind, daß am 1. Januar 1974 die Große Steuerreform in Kraft tritt und dann auch die damit zusammenhängenden Maßnahmen getroffen werden, z. B. Inkraftsetzung der neuen Einheitswerte und anderes. Es kann nur so sein, daß, wenn dieser Termin eingehalten wird, wir ihn auch in diesem Gesetz beibehalten. Man sollte zumindest darauf hinweisen, daß der Termin 1. Januar 1974 verschoben wird, sofern die Große Steuerreform später in Kraft tritt.
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Wir wissen alle nicht, wie sich die Dinge auf diesem Gebiet entwickeln.
Über Freibeträge ist hier schon gesprochen worden. Ich möchte Ihnen ein anderes Beispiel nennen. Wenn ein Landwirt sich im Laufe von einigen Jahren entschließt, seinen Betrieb zu verpachten oder zu verkaufen, ist es üblicherweise so, daß er sein Wohngebäude behält und von dort in seinen neuen Betrieb pendelt. Oft ist es aber so, daß durch die Wertsteigerung des Landes die gesamten Freibeträge verbraucht sind. Das Gebäude, das er behält, wird noch einmal neu bewertet. Nachdem die Bundesregierung und, wie ich glaube, alle Parteien in diesem Hause immer wieder darauf hingewiesen haben, daß die Landwirte, besonders die kleinen und mittleren, wenn sie nicht die entsprechenden Ergebnisse erzielen, in andere Berufe überwechseln sollten, und das durch viele Maßnahmen, auch steuerlicher Art, gefördert wird, sollte man nicht in diesem Gesetz Regelungen vorsehen, die eine solche von der Bundesregierung geförderte Politik ad absurdum führen und ins Gegenteil verkehren. Strukturpolitisch richtiges Verhalten sollte nicht durch die Steuer bestraft werden.
Ich möchte noch einmal betonen: Das Gesetz muß darauf abgestellt sein, daß der Landwirt unabhängig von steuerlichen Gesichtspunkten entscheiden kann, ob er seinen Betrieb nur verpachtet oder ihn verkauft.
Es ist hier noch einmal von dem zweiten Teil des Gesetzes gesprochen worden, wonach Steuervergünstigungen für Investitionen in bestimmten Wirtschaftszweigen Flugzeuge und Schiffe eingeschränkt bzw. abgeschafft werden sollen, wobei mich im Hinblick auf das Zonenrandgebiet besonders interessiert hat, daß man bei Schiffen, Herr Staatssekretär, ja doch nur zu einer halben Beseitigung der steuerlichen Verlustzuweisung gekommen ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eines sagen. Es gibt auch steuerliche Begünstigungen für gewerbliche Massentierhaltung, bei der man auch eine ganze Menge Geld verdienen kann. Wir haben
gar nichts gegen diese Dinge. Aber wenn man einmal die verschiedenen Steuervergünstigungen abklopft, sollte man auch darauf sehen, daß diese gewerblichen Massentierhalter nicht in eine steuerliche Situation versetzt werden, die sie in eine günstigere Wettbewerbsposition versetzt.
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Über die durchschnittlichen Ertragsmeßzahlen ist hier bereits etwas gesagt worden, und ich will das nicht wiederholen. - Auch über die Frage des Antrages auf Ermittlung eines Teilwertes wurde hier schon gesprochen.
Wir möchten auf jeden Fall erreichen, daß in diesem Gesetz dem Landwirt alle Chancen geboten werden, seinen Status nicht wesentlich zu verschlechtern. Der Landwirt muß auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsurteils selbstverständlich erkennen - und er muß entsprechend beraten werden -, daß eine neue Situation für ihn eingetreten ist. Man muß ihm aber auch Zeit geben, sich mit den neuen Verhältnissen vertraut zu machen, und auch die Möglichkeit geben, unabhängig von zu nahen Stichtagen eine Entscheidung zu treffen.
Ich darf noch ein Wort zur Frage der Bewertung sagen. Es ist hier in Art. 3 die Änderung des Bewertungsgesetzes vorgesehen. Ich glaube, daß in diesem Artikel eine beachtliche Schwierigkeit verborgen ist, indem sich nämlich hier bei der Bewertung unter Umständen Ergebnisse einstellen könnten, die nicht im Sinne der agrarpolitischen Aussagen aller Parteien dieses Bundestages lägen. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil schreibt nicht zwingend vor, daß das Bewertungsgesetz geändert werden muß. Ich würde also vorschlagen, daß wir im Ausschuß prüfen, ob wir die Änderung des Bewertungsgesetzes nicht der Großen Steuerreform überlassen, zu der der erste Schritt ja jetzt durch die Übergabe des Gutachtens getan worden ist. Ich vermute - und ich sage Ihnen das ganz offen - in diesem Artikel eine Fülle von Sprengstoff. Man sollte auf jeden Fall abwarten, welche Änderungen durch die Steuerreform auch beim Bewertungsgesetz notwendig werden.
Wir haben hier alle in einer Fülle stundenlanger Diskussionen betont, daß wir die Situation des Bauern verbessern wollen. Hier ist für alle Parteien die Gelegenheit gegeben, im Ausschuß dafür zu sorgen, daß in diesem Gesetz eine gerechte Lösung gefunden wird. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, daß der Landwirt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht in eine Situation versetzt wird, die wesentlich schlechter ist als sein bisheriger Status. Wir freuen uns, daß diesem Gesichtspunkt auf verschiedenen Gebieten - Reinvestitionen, Abfindung der Erben, Rückzahlung von Schulden - Rechnung getragen worden ist. Wir sollten nicht immer nur nach draußen hin in Wahlreden verkünden, was wir alles für den Bauern tun wollen. Im Rahmen dieses Gesetzes können Maßnahmen ergriffen werden, die dem Bauern wirklich helfen. Der Bauer darf nicht für einen Zustand be6650
straft werden, den er nicht verschuldet hat. Hier kann man beweisen, daß man wirklich bereit ist, der Landwirtschaft auch in dieser neuen Situation die Hilfe angedeihen zu lassen, die wir ihr immer versprochen haben. Das Gesetz sollte für den Bauer und für die Behörden, die es durchführen müssen, so einfach wie möglich gestaltet sein.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Als Abgeordneter dieses Hauses bedaure ich eigentlich, daß wir uns mit diesem Gesetzentwurf befassen müssen. Ich, der ich kein Landwirt bin, habe den Eindruck, daß das Bundesverfassungsgericht dieses Haus in eine recht schwierige Lage bringt. Das Bundesverfassungsgericht zwingt uns, Betriebe gleichzustellen, die man eigentlich nicht gleichstellen kann. Soweit ich es übersehe, konnte die Landwirtschaft seit 1933 nicht mehr nach marktwirtschaftlichen Ordnungen geführt werden und auch die Preise nicht nach diesen Ordnungen festlegen. Hier aber wird sie im Steuerrecht genauso gestellt wie Betriebe, die marktgerecht operieren können und keinen politischen Preisen unterworfen sind. Was mich an diesem Gesetz, zu dessen Erlaß wir gezwungen sind - das gebe ich ehrlich zu -, stört, ist die Tatsache, daß der Gewinn, der beim landwirtschaftlichen Betrieb entsteht, der Besteuerung unterliegt, daß aber der Gewinn, der beim Privateigentum, das auch landwirtschaftlicher Kleinbesitz sein kann, entsteht, nicht versteuert wird. Somit werden manche Spekulanten durch dieses Gesetz nicht betroffen, wohl aber manche Bauern, die ihren Hof seit Generationen in schwerer Arbeit bewirtschaftet haben. Dieses Parlament und der federführende Ausschuß haben daher, wie ich glaube, wirklich die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß den Landwirten so viel Gerechtigkeit widerfahren kann, wie es nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts überhaupt noch möglich ist.
({0})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl.
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht unnötig verlängern. Ich muß hier aber noch einmal das Wort ergreifen, um einen Irrtum richtigzustellen, dem Herr Kollege Kreile offensichtlich unterlegen ist. Er sprach davon, daß das Kabinett am 17. Dezember 1970 Leitsätze zu diesem Gesetz verabschiedet habe. Er verwechselt somit offensichtlich diesen Gesetzentwurf mit dem sogenannten, wie es im Volksmund heißt, Steueroasengesetz, für das es bis jetzt offiziell überhaupt nur Leitsätze gibt, die damals verabschiedet wurden.
Am 17. Dezember ist der vorliegende Regierungsentwurf in vollem Wortlaut vom Kabinett verabschiedet worden. Am 18. Dezember ist er in diesem vollen Wortlaut bereits dem Bundesrat zugeleitet worden, der ihn sonst am 29. Januar 1971 gar nicht hätte behandeln können. Es kann also keine Rede davon sein, daß das Kabinett durch Leitsätze etwas hätte regeln wollen. Der Gesetzentwurf liegt vielmehr hier vor.
Herr Kollege Kreile, es ist feststehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, daß ein verfassungswidriger Zustand rückwirkend beseitigt werden kann. Wir könnten viel weiter zurückgehen, als das hier in diesem Gesetzentwurf geschehen ist. Der Vorschlag des Gesetzentwurfs ist ohnehin schon die mildeste unter den verschiedenen Möglichkeiten.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kreile?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich bin zwar schon am Ende meiner Ausführungen, beantworte die Frage aber trotzdem gerne.
Herr Staatssekretär, mit den Leitsätzen vom 17. Dezember verhält es sich durchaus so, wie Sie es dargestellt haben. Aber meinen Sie nicht auch, daß das Schreiben des Bundesfinanzministers vom 9. Oktober 1970, in dem zumindest für die Finanzverwaltung bereits die Einschränkungen im Hinblick auf diese Sonderabschreibungen angekündigt wurden bzw. mit der Weisung zur vorläufigen Nichtbehandlung der Anträge bereits angeordnet wurden, letztlich also bereits solche Leitsätze enthält? Gehen Sie wirklich davon aus, daß immer, wenn die Bundersregierung in einem Kabinettsbeschluß ein Gesetz verabschiedet hat, dann das Parlament dieses Gesetz in derselben Form verabschieden wird, so daß der Steuerpflichtige den Vertrauensschutz nicht mehr genießen kann?
Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen: Aber, Herr Kollege, ich habe doch nicht davon geredet, daß das Kabinett die unveränderte Verabschiedung durch das Parlament verlangt.
Aber eines steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest. Wenn ein Gesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet ist, dann ist damit der Vertrauensschutz des Steuerzahlers zerstört. Denn er muß nunmehr damit rechnen, daß ein ähnlicher Gesetzentwurf in absehbarer Zeit kommt. Dabei bleibe ich, weil ich mich mit dem Verfassungsrecht weiß Gott sehr genau und lange Jahre, auch in diesem Hause, befaßt habe und es sehr genau, auch selbst vor der Verabschiedung dieses Gesetzes, selbst nachgeprüft habe. Ich sage also hier etwas, was ich sehr sorgfältig geprüft habe. Es ist möglich.
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
I Wir könnten sogar bis 1958 zurückgehen, nebenbei gesagt. Das Schreiben vom 9. Oktober hat ja gar keine - ({0})
- Kein Mensch redet davon, daß das eine Rückwirkung auslösen soll. Es wird ja immer nur von einer Rückwirkung zum 17. Dezember gesprochen.
({1})
Wird das Wort zur Aussprache noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Finanzausschuß - federführend -, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Mitberatung und gemäß § 96 GO an den Haushaltsausschuß. Wer mit diesem Überweisungsvorschlag einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf morgen, Donnerstag, den 1. April, 14 Uhr, zu einer Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.