Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Nach der Übung des Hohen Hauses und einem alten Brauch entsprechend wird das Parlament von dem jeweils ältesten Abgeordneten des Deutschen Bundestages eröffnet. Ich bin am 7. Juli 1895 geboren und richte an Sie, um jeden Irrtum auszuschließen, die Frage, ob ein älteres Mitglied im Hause anwesend ist. - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann eröffne ich die erste Sitzung des Deutschen Bundestages der 6. Wahlperiode.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen bekanntzugeben, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung festgestellt worden ist: Die am 1. Oktober 1969 in Kraft getretene geänderte Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gilt auch für die 6. Wahlperiode. Auf gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen der SPD und der FDP sollen davon § 7 Abs. 3 und 4 und § 67 der Geschäftsordnung ausgenommen werden. Die CDU/CSU-Fraktion hat mich wissen lassen, daß sie dem zustimme. Es besteht Einvernehmen zwischen allen Fraktionen darüber, daß damit keine materielle Vorentscheidung über den Inhalt dieser beiden Paragraphen verbunden ist. Ich stelle fest, daß das Haus von diesen interfraktionellen Vereinbarungen Kenntnis genommen hat. - Es ist so beschlossen.
Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung sollen die wiedergewählten Schriftführer der 5. Wahlperiode mir als vorläufige Schriftführer zur Seite stehen. Ich bitte daher die Abgeordneten Berger, Frau Geisendörfer, Frau Griesinger, Josten, Ruf, Varelmann, Berlin, Folger, Frau Krappe, Lange, Marquardt, Frau Meermann und Dr. Rutschke, dieses Amt zu übernehmen. Ich darf die Abgeordneten Berger und Frau Krappe bitten, neben mir Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Wahl des Präsidenten dieses Hohen Hauses kommen, darf ich darauf hinweisen, daß zum vierten Male in der Geschichte des Deutschen Bundestages ein Abgeordneter aus Berlin die Ehre hat, die erste Sitzung eines neu gewählten Parlaments zu eröffnen.
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Das ist in erster Linie natürlich eine Frage des Lebensalters. Darüber hinaus aber glaube ich doch, daß dieser Tatsache eine gewisse symbolische Bedeutung innewohnen kann. Ich will an dieser Stelle nicht den fatalen ,,Frontstadt"-Mythos erneut beschwören; dennoch will ich in aller Deutlichkeit und sehr scharf zum Ausdruck bringen, daß nach dem Willen aller Berliner im freien Teil dieser Stadt wir unverbrüchlich dem Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland angehören.
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Für uns gibt es dazu keine Alternative. Wir Berliner Abgeordneten nehmen vollberechtigt unseren Platz im Bundestag ein, wo nicht die unausweichliche Einsicht in politische Notwendigkeiten gewisse Einschränkungen erfordert. Wir hoffen, daß der Ausgleich zwischen Ost und West in absehbarer Zeit die volle Integration ermöglichen wird. Daß bis dahin durch die unveränderte Übernahme der Gesetze, welche von diesem Hohen Hause beschlossen worden sind, Berlin im politischen Geschehen dem System der Bundesrepublik angeglichen ist, sichert die Zusammengehörigkeit.
Unseren Verbündeten - das muß auch hier gesagt werden - danken wir Berliner, daß infolge ihres Schutzes und ihrer tatkräftigen Hilfe bis heute, und zwar 25 Jahre, weder durch die nackte Gewalt noch durch Drohung mit ihr noch durch die Mittel raffinierten Nervenkriegs das freie Berlin dem totalitären System der geographischen Umwelt hat botmäßig gemacht werden können.
Dieser überzeugende äußere Schutz hätte naturgemäß wirkungslos bleiben müssen, wenn nicht die Bundesrepublik ihrerseits getreu der von ihr übernommenen Verpflichtung durch wirtschaftliche, finanzielle, kulturelle und soziale großzügige Hilfe das materielle und geistige Leben in der Hauptstadt der Deutschen gesichert hätte. Sie wird es auch weiterhin tun.
Dieser Erfolg darf uns dennoch nicht zu der Annahme verleiten, daß die aufgezwungene und spannungsgeladene Situation ein statischer Endzustand sein könne. Angesichts der Kräfteverteilung und der Waffensysteme in der Welt können auch antagonostische Positionen heute nicht mehr durch Gewalt geklärt werden, sondern - als klare Alternative zur gegenseitigen Vernichtung - nur durch geduldige Versuche der Annäherung. Das ist schon ein dornenreicher Weg, und nur allzu leicht bringt
Alterspräsident Borm
er den Vorwurf ein, daß er in immer neue Sackgassen führen müsse. Hier mag die Erfahrung eines langen Lebens eine gewisse hilfreiche Parallele bieten. In meiner Jugend ging das Wort um von der „Erbfeindschaft" zwischen dem Deutschen Reich und seinem Nachbarn Frankreich. Nichts mehr ist davon geblieben als für die Älteren eine verblassende, aber immer noch lehrreiche Erinnerung und für die Jungen das Unverständnis dafür, daß es jemals so etwas habe geben können. Da liegt doch sicherlich der Schluß nahe, daß, was im Westen möglich war, im Osten nicht unbedingt ausgeschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren! Wir haben einen bewegten und den vielleicht politischsten Wahlkampf der Nachkriegszeit hinter uns. Er hatte seine Licht- und .er hatte seine Schattenseiten. Neben teilweise an Diffamierung grenzender Polemik und neben den Fällen, in denen 'von der Polizei - der wir dafür ausdrücklich Dank zu sagen haben - Saal- und Straßenschlachten verhindert wurden,
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erlebten wir erfreulich oft sachliche Argumentation und offene Diskussion mit den Bürgern.
Am ersten Sitzungstage des neuen Bundestages haben wir den Wunsch, dem Wähler dafür zu danken, daß er allen extremen Kräften eine Absage erteilt hat.
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Das gilt sowohl für die reaktionären Kräfte von rechts wie auch für die Neuauflagen abgestandener I Ideologien von links. Die Demokratie in der Bundesrepublik hat eine weitere Probe bestanden.
Nun wird gerätselt, meine Damen und Herren, welcher Extremismus wohl der gefährlichere sei, der von rechts oder der von links. Sie sind beide gefährlich, denn sie bedeuten beide die Diktatur. Derzeit allerdings ist der rechte Extremismus bedrohlicher, denn er tarnt sich geschickter und ist in seiner Propaganda skrupelloser; außerdem wird er nicht belastet durch das abschreckende Beispiel der totalitären Herrschaftsform in der DDR.
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Verbote allein reichen in der Auseinandersetzung mit dem Extremismus aber nicht aus. Eine starke, selbstbewußte Demokratie sollte ihrer auch nicht bedürfen, es sei denn zur Abwehr krimineller und grundgesetzwidriger Handlungen. Die Gefahr ist erst überwunden, wenn die Propaganda der Extremen täglich überzeugend durch die politische Arbeit sichtbar widerlegt wird. Das Mittel dafür: dieser Bundestag hat zu beweisen, daß unser parlamentarisches Regierungssystem auch und gerade heute reformwillig und leistungsfähig ist. Extreme Parteien werden dann nur noch ein Kümmerdasein am Rande führen, und das ist die für sie angemessene Position in jeder gesunden Demokratie.
Große Aufgaben erwarten uns im nächsten Jahrzehnt, die dringend der Lösung bedürfen: in der Außenpolitik die weitere Ausgestaltung unserer Verflechtung mit dem Westen, Versöhnung, Ausgleich auch mit den Völkern im Osten; in unserer nationalen Politik schrittweise Entkrampfung durch zunächst atmosphärische Verbesserung unseres Verhältnisses zur DDR, so wenig, meine Damen und Herren, uns die Machthaber dort angenehm sind.
Der Weg zum notwendigen - ich betone: zum notwendigen - Erfolg ist schmal. Er ist voller Unsicherheiten und Gefahren. Das Gelände muß sorgfältig und sehr vorsichtig sondiert werden, wobei nicht außer acht gelassen werden darf, daß die deutsche Frage unlösbar mit der politischen Gesamtentwicklung auf der Welt verbunden ist.
Der große Dialog zwischen Ost und West ist eingeleitet, und er wird notgedrungen, wenn auch zähflüssig weitergehen. Wir Deutschen in der Bundesrepublik und in der DDR dürfen dabei nicht abseits stehen, denn es geht mittelbar oder unmittelbar stets um uns selber mit. Auch die DDR wird auf die Dauer nicht abseits stehen können. Ich bin sicher, daß die Äußerungen aus Ostberlin bei uns sorgfältige Beachtung finden werden, und das mag auch für die orakelhaften jüngsten Verlautbarungen gelten.
Diese großen außenpolitischen und gesamtdeutschen Aufgaben dürfen uns aber nicht von den ungelösten Problemen in unserer eigenen Gesellschaft ablenken. In erster Linie ist unsere ständige fundamentale Aufgabe die Durchführung überfälliger Reformen im Bildungs- und im Ausbildungswesen. Hier geht es um die Schaffung unumgänglicher Voraussetzungen für das Mündigwerden aller unserer Menschen als Grundlage der Demokratie. Die geistigen Abhängigkeiten von überkommenen Anschauungen und Institutionen müssen zugunsten eigener Urteilsfähigkeit abgebaut werden. Sie sind mit der modernen pluralistischen Gesellschaft unvereinbar. Anders sind auch die neuen und ungewohnten Probleme einer sogenannten Wohlstandsgesellschaft nicht zu lösen.
Ein Weiteres, meine Damen und Herren! Unsere wirtschaftliche Bedeutung und unsere geographische Lage gestatten keine politische Abstinenz. Wir sind vielmehr gezwungen, unser Verhältnis auch zur eigenen Geschichte endlich zu bereinigen. Daß bereits wiederum einer skrupellosen Agitation nach berüchtigtem Muster ein gewisser Erfolg möglich wurde, ist bedenklich, und wir haben uns zu fragen, ob wir vielleicht irgend etwas falsch gemacht haben.
Es bleibt die gemeinsame Aufgabe aller Fraktionen in diesem Hohen Hause - Regierung wie Opposition -, unser Volk, unsere Gesellschaft zu einem bewußt engagierten und realistischen Verhältnis zur Politik und zur Geschichte zu führen. Es ist einfach ein Unding, daß in unserem Lande der Politiker in der Rangordnung der Wertschätzung von Berufen im unteren Drittel rangiert. Es ist ebenso ein Unding, daß von unserem Volke noch immer die jeweilige Regierung höher bewertet wird als die Opposition. Auch totalitäre Staaten haben ihre Regierungen. Die Opposition und ihre gewährleisteten Möglichkeiten sind das Kriterium wahrer Demokratie.
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Alterspräsident Borm
Hier aufklärend mitzuwirken, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die unserer Publizistik gestellt bleibt. Allen, die darin tätig sind, möchte ich von hier aus ausdrücklich für die hohe Aufmerksamkeit danken, mit der sie über den abgelaufenen Wahlkampf und andere politische Dinge berichtet haben.
Endlich, meine Damen und Herren, ist es ein Unding, daß kontinuierlich Parteien und Einzelpersonen, deren demokratische Zuverlässigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, mit der Behauptung diffamiert werden, daß sie die Interessen unseres Vaterlandes verrieten, daß sie den Untergang herbeiführen würden, daß sie Verzichtpolitik betrieben - und sattsam Bekanntes mehr.
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Die davon Betroffenen mögen es mit Martin Luther King halten: „Kühl planen, tapfer handeln und sich auf einiges gefaßt machen!"
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Ein Wort an die junge Generation sei mir noch gestattet. Denken Sie, meine jungen Mitbürger, daran, daß Ihnen die bitteren Erfahrungen der mittleren und der älteren Generationen erspart geblieben sind! Dies mag mit erklären, daß wir nicht selten aneinander vorbeireden. Achten Sie auf Ihren politischen Stil! Form und Inhalt sind in der Politik nun einmal nicht zu trennen. Denken Sie praktisch und erschöpfen Sie sich nicht nur in Theorien! Gerade für eine Politik der permanenten Reform benötigen wir konstruktive Phantasie und praktischen Reformeifer. Und endlich: Bleiben Sie weiterhin jeglicher behaupteten - von ihr selbst behaupteten - Autorität und Obrigkeit gegenüber kritisch und mißtrauisch! Die Dynamik, die Sie dadurch in unsere Nachkriegsgesellschaft eingebracht haben, ist ihr bemerkenswertes Aktivum geworden.
Meine Damen und Herren, ich habe während des Wahlkampfes wiederholt an unser Grundgesetz denken müssen, besonders an die Bestimmungen über die Aufgaben der Parteien und über die Pflichten der Abgeordneten, weil ich landauf, landab die politische Wirklichkeit beobachten konnte. Nichts widerspricht mehr dem Willen des Grundgesetzes als das Bestreben, die eigene Partei mit dem Staat gleichzusetzen!
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Da sollte doch wohl die Erinnerung an die unheilvolle Zeit der Diktatur von 1933 bis 1945 einen überzeugenden Anschauungsunterricht geliefert haben, ebenso wie die kongruente totalitäre Parteiherrschaft im anderen Teil unserer Nation.
Der Herr Bundeskanzler und die Herren Bundesminister leisten den feierlichen Eid, daß sie dem Wohle des Volkes dienen werden. Das bedeutet bei unvermeidlichen Interessenkollisionen den Vorrang des Staatswohls vor den Interessen irgendeiner Partei. Sinngemäß gilt das mit gleicher Eindringlichkeit für jeden von uns, für jedes Mitglied dieses Hohen Hauses, obgleich wir den Eid nicht ausdrücklich leisten.
Meine Damen und Herren, was ist nun unter den heutigen Voraussetzungen unabdingbar, und was ist
primär notwendig für das Wohlergehen unseres Volkes, ja für dessen Bestand? Der Herr Bundespräsident hat es genannt und sich allein schon dadurch ein bleibendes Verdienst erworben: Es ist die Sicherung des Friedens als unser aller Aufgabe, als umfassende gesellschaftspolitische Aufgabe. Nicht das „Gleichgewicht des Schreckens" sichert uns den Frieden auf Dauer, sondern vorzüglich die wissenschaftlich fundierten Einsichten in die Bedingungen des Friedens, seien sie ökonomischer, soziologischer, psychologischer oder politischer Natur, und dann natürlich auch die Anwendung des daraus resultierenden Instrumentariums. Und da bedeutet es - wir sollten alle sehr darüber nachdenken - eine unerträgliche Gewichtsverschiebung, daß in unserem Verteidigungsetat, dessen Notwendigkeit unumstritten ist, 20 Milliarden DM stehen, während für die Erforschung der Grundlagen von Frieden und Konflikten zur Zeit noch keine einzige D-Mark bereitgestellt worden ist.
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Wenn wir im Lichte solcher Erkenntnisse und solcher Präferenzen unsere Aufgabe angehen, habe ich keinen Zweifel, daß der 6. Deutsche Bundestag vor der Nation bestehen wird.
Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, nun an die Arbeit gehen!
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Ich komme nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Namensaufruf der Abgeordneten.
Ich empfehle zur Vereinfachung des Geschäftsganges, diesen Punkt der Tagesordnung mit dem Punkt 3 zu verbinden:
Wahl des Präsidenten.
Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich lasse zunächst die Namen der beurlaubten Abgeordneten bekanntgeben. Ich bitte den Herrn Schriftführer zu meiner Rechten, die Namen zu verlesen.
Wegen Krankheit ist entschuldigt Abgeordneter Lücke ({0}).
Die Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter ist in § 2 unserer Geschäftsordnung geregelt. Diese bestimmt erstens, daß die Wahl des Präsidenten mit verdeckten Stimmzetteln durchzuführen ist, und zweitens, daß gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Das sind derzeit mindestens 260 Stimmen.
§ 54 a der Geschäftsordnung bestimmt ergänzend dazu, daß in diesem Falle die Wahl geheim stattfindet. Er bestimmt weiter, daß die Stimmzettel erst vor Betreten der Wahlzelle ausgehändigt werden. Die auf beiden Seiten aufgestellten Wahlzellen sind bei der Stimmabgabe zu benutzen. Die gekennzeich4
Alterspräsident Borm
neten Stimmzettel sind in einem Wahlumschlag in die dafür vorgesehene Wahlurne zu legen.
§ 52 Abs. 6 Buchstabe a der Bundeswahlordnung gilt entsprechend, d. h. ein Abgeordneter muß zurückgewiesen werden - das bitte ich sehr zu beachten, um Zeit einzusparen -, wenn er seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder ihn außerhalb der Wahlzelle in den Wahlumschlag eingelegt hat.
Die Berliner Abgeordneten sind - das ist mir eine besondere Freude - heute stimmberechtigt; im Saal ist daher nur eine Urne aufgestellt.
Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt um Vorschläge zur Wahl des Präsidenten dieses Hohen Hauses. - Herr Abgeordneter Dr. Barzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen vor, Herrn KaiUwe von Hassel zum Präsidenten des 6. Deutschen Bundestages zu wählen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Dr. Barzel gehört. Ich frage Sie, ob weitere Vorschläge gemacht werden. - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, Sie erhalten, nachdem Herr Abgeordneter von Hassel vorgeschlagen worden ist, die Stimmkarten an den zu meiner Rechten und meiner Linken vor den Wahlkabinen stehenden Tischen. Im Interesse einer gleichmäßigen Inanspruchnahme der Wahlzellen bitte ich die Damen und Herren, sich zu den ihnen am nächsten gelegenen Wahlzellen zu begeben, d. h. die Damen und Herren, die, von hier aus gesehen, links vom Mittelgang sitzen, begeben sich zu den links, und diejenigen, die rechts von mir sitzen, begeben sich zu den rechts befindlichen Wahlzellen.
Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, alsdann in die Wahlzellen zu gehen und dort, falls Sie den vorgeschlagenen Kandidaten wählen wollen, „ja", im anderen Fall das Wort „nein" auf die Stimmkarte zu schreiben und sie in den Wahlumschlag zu legen. Wer sich der Stimme enthalten will, kann dies dadurch zum Ausdruck bringen, daß er eine unbeschriebene Karte abgibt.
Ich darf nochmals darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß die Kennzeichnung der Stimmkarten und das Einlegen in den Wahlumschlag nicht außerhalb der Wahlzelle erfolgen dürfen und daß dies zur Zurückweisung des Abgeordneten führen muß. Allerdings verliert dieser dann nicht das Recht zur Ausübung der Wahl, sondern er muß darauf noch einmal formgerecht seinen Gang zur Wahlurne antreten. Dagegen macht die Verwendung anderer als der amtlichen Stimmkarten die Stimme unweigerlich ungültig. Das gleiche gilt, wenn eine Stimmkarte den Namen eines nicht vorgeschlagenen Kandidaten oder irgendeinen sonstigen Zusatz enthält.
Von der Wahlzelle begeben Sie sich dann bitte zur Wahlurne und werfen dort nach Aufruf Ihres Namens Ihre Stimmkarte hinein. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Kennzeichnung Ihres Namens in der Namensliste durch den neben der Urne sitzenden Schriftführer an die Stelle der Eintragung in die sonst übliche Anwesenheitsliste tritt und daß damit gleichzeitig ein urkundlicher Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl stattfindet.
Die Schriftführer zu meiner Rechten und zu meiner Linken werden nunmehr die Namen aller Abgeordneten nach dem Alphabet aufrufen. Ich bitte Sie, den Namensaufruf an Hand der Ihnen vorliegenden Mitgliederliste zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme Ihrer Stimmkarte nach vorn zu begeben. Die diensttuenden Schriftführer bitte ich, ihre Stimme zum Schluß abzugeben. Ich selbst werde als letzter ebenfalls abstimmen.
Nunmehr bitte ich die Schriftführer, die den Dienst an der Wahlurne und an den Wahlzellen übernommen haben, ihren Platz einzunehmen. - Sind alle Plätze besetzt? - Das ist der Fall.
Dann eröffne ich hiermit die Wahl, und ich bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.
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Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet.
Ich bitte jetzt den Abgeordneten Varelmann, für kurze Zeit meinen Platz, und die eingeteilten Herren Schriftführer, die Plätze neben mir einzunehmen. Wir werden jetzt unserer Wahlpflicht genügen. Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch ein Mitglied im Saale ist, das seine Stimme nicht abgegeben hat. - Offenbar ist das nicht der Fall.
Darf ich fragen, ob alle Damen und Herren Schriftführer ihre Stimmkarte abgegeben haben. - Auch das ist der Fall. Ich selbst habe ebenfalls gewählt.
Dann erkläre ich hiermit die Wahl für geschlossen. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.
Ich erlaube mir, Ihnen den Vorschlag zu machen, meine Damen und Herren, daß wir die Sitzung für 20 Minuten unterbrechen. Ich darf aber bitten, daß von jeder Fraktion einige Damen und Herren hier bleiben, um die Öffentlichkeit der Auszählung zu gewährleisten.
Ich unterbreche die Sitzung bis zehn Minuten vor sechs Uhr.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder und gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es wurden 517 Stimmen abgegeben. Damit ist die Beschlußfähigkeit des Hauses bestätigt.
Alterspräsident Borm
Der vorgeschlagene Kandidat, Herr von Hassel, erhielt 411 Stimmen.
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Es wurden 72 Nein-Stimmen abgegeben. Der Stimme enthalten haben sich 34 Abgeordnete. Ungültige Stimmen wurden keine abgegeben. Erforderlich zur Wahl im ersten Wahlgang sind mindestens 260 Stimmen.
Ich stelle hiermit fest, daß der Abgeordnete von Hassel die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses auf sich vereinigt hat und somit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt worden ist.
Herr Abgeordneter von Hassel, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?
von Hassel ({3}) : Ich nehme die Wahl an.
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Herr Präsident, ich übermittle Ihnen die Wünsche des Hauses und bitte Sie, Ihren Platz einzunehmen.
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Präsident von Hassel: Meine Damen und Herren! Mit der soeben vollzogenen Wahl zum Präsidenten des 6. Deutschen Bundestages haben Sie mir ein großes Vertrauen bewiesen. Ich danke Ihnen mit dem Versprechen, daß ich mich nach besten Kräften bemühen will, es zu rechtfertigen.
Nicht nur, weil es vielleicht zur Übung geworden ist, der ein Gewählter entsprechen muß, bitte ich insbesondere auch diejenigen, die mich nicht gewählt haben, um ihre Unterstützung und um die Mitwirkung, auf die jeder Präsident dieses Hauses angewiesen ist. Sie sollen wissen, daß ich mich bemühen werde, für jeden von Ihnen dazusein, ganz unabhängig davon, wie er sich heute entschieden hat.
Meine Damen und Herren, ich spreche sicherlich in Ihrer aller Namen, wenn ich zunächst Ihnen, Herr Alterspräsident Borm, ein herzliches Wort des Dankes dafür sage, daß Sie die Sitzung heute gleichermaßen souverän, würdig und der politischen Bedeutung dieser Stunde entsprechend eröffnet haben.
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Mit Ihnen begrüßt der ganze Deutsche Bundestag in großer und selbstverständlicher Verbundenheit unsere Kollegen aus Berlin, deren besonderer Status uns an den schmerzlichen Widersinn der Teilung Berlins und der Teilung Deutschlands erinnert. Ebenso herzlich begrüßen wir aber auch die 155 Mitglieder des Hauses, die erstmalig in unserer Mitte sind und denen wir eine wirksame, erfolgreiche Arbeit wünschen.
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Meine Damen und Herren, eine große Zahl von Abgeordneten gehört dem 6. Bundestag nicht mehr an. Viele von ihnen waren Frauen und Männer der ersten Stunde, die seitdem in zwei Jahrzehnten in diesem Hause ihre Pflicht getan und ihr Bestes gegeben haben. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch waren sie bereit, politische Verantwortung zu übernehmen. Die parlamentarische Arbeit, die in diesen zwei Jahrzehnten beschlossen liegt, ist ein lebendiges Stück deutscher Geschichte. Dafür gebührt ihnen, die ausgeschieden sind, unser Dank.
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Wir beginnen heute unsere Arbeit in einem immer noch geteilten Deutschland, in einem geteilten Europa, in einer Welt, die unruhig ist und deshalb damit fertig werden muß, Krisen zu bewältigen und Gegensätze zu überwinden. Am Anfang seiner 6. Legislaturperiode bekennt darum der Deutsche Bundestag, daß er sich auch weiterhin in den Dienst eines sozialen und gerechten Friedens für alle Völker stellt. Wir wollen aktiv dazu beitragen, daß Hunger, Not, Elend und Rechtlosigkeit in der Welt überwunden werden. Wir bleiben unruhig darüber, daß unser Land bald ein Vierteljahrhundert widernatürlich und gegen den Willen aller Deutschen geteilt ist. Wir werden uns weiter um die Unterstützung der ganzen Welt für das Recht aller Deutschen
auf Selbstbestimmung bemühen. Dort aber, wo wir eigene Möglichkeiten erkennen, werden wir unsere Pflicht nicht vernachlässigen, um vernünftige und für alle Völker Europas gerechte Lösungen zu ringen. Unser ganzes Volk erhofft sich von unserer Arbeit Fortschritt in der Bewältigung eines europäischen Zustandes, der noch gegen alle Vernunft von Barrieren, von Minenfeldern und Stacheldraht diktiert wird. Diese Ziele gehören zu den gemeinsamen Grundpositionen, die auch im 6. Deutschen Bundestag unbestritten sind. Kein Ort und keine Stunde ist geeigneter, um unserem Volk dafür zu danken, daß wir als der respektierte Partner für diese Ziele weiterhin in der Welt wirken können.
In freier und demokratischer Entscheidung ist am 28. September rechts- und linkradikalen Kräften der Weg in dieses Haus verlegt worden. Unser Land hat eine Bewährungsprobe bestanden; unsere parlamentarische Demokratie hat an Selbstbewußtsein und innerer Kraft gewonnen. Dieses darf uns aber nicht in Selbstzufriedenheit dazu verleiten, den Konflikten in unserer Gesellschaft auszuweichen. Im Gegenteil: der Auftrag zu ständiger Erneuerung, zu Reformen und zur Festigung unseres sozialen und freien Rechtsstaates ist uns mit auf den Weg gegeben. Daß es im Ringen um die besten Lösungen im 6. Deutschen Bundestag wieder lebhafter und oft kontrovers zugehen wird, spürt sicher jeder von uns. Dieses aber ist es gerade, was unserer Demokratie guttun wird. Wenn wir uns dabei stärker nach außen offen zeigen, wenn wir zudem durch die energische Fortführung der Parlamentsreform zu zeitgerechteren, verständlicheren Formen der Willensbildung und des Entscheidungsprozesses beitragen, können wir den Rang des Deutschen Bundestages weiter festigen und rechtfertigen. Keiner von uns kann sich diesem Auftrage entziehen, der
Präsident von Hassel
vor allem durch kritische, drängende Fragen unserer jungen Generation immer wieder erneuert wird. Ihr müssen wir einen modernen, offenen Parlamentarismus anbieten. Nur dann wird diese Generation bereit sein, sich in der Mitarbeit zu engagieren. Unsere Demokratie wäre erkennbar in Gefahr, wenn wir diese Pflicht vernachlässigen würden. Wir brauchen aber auch die Unterstützung von Presse, Fernsehen und Rundfunk. Wir erbitten sie, weil wir darauf angewiesen sind, damit das Für und Wider unserer Entscheidungen deutlich wird und besser verstanden werden kann.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nun an die Arbeit gehen für den Frieden, für die Gerechtigkeit und für die Wohlfahrt unserer Bürger!
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Meine Damen und Herren, auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 5 der heutigen Tagesordnung, Wahl der Stellvertreter des Präsidenten, abgesetzt werden - Ich sehe, daß das Haus damit einverstanden ist. Die Wahl der Vizepräsidenten soll unmittelbar vor der Abgabe der Regierungserklärung stattfinden.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich gebe Ihnen noch folgendes bekannt: Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages berufe ich ein auf Dienstag, morgen also, den 21. Oktober 1969, 10 Uhr. Einziger Punkt der Tagesordnung: Wahl des Bundeskanzlers. Wie Ihnen in einem Rundschreiben mitgeteilt wurde, sind folgende weitere Sitzungen vorgesehen: am 21. Oktober - morgen -, am Nachmittag um 16 Uhr zur Eidesleistung des Bundeskanzlers, am Tage darauf, am 22. Oktober, um 10 Uhr zur Bekanntgabe der Bildung der Bundesregierung und zur Eidesleistung der Bundesminister und am 28. Oktober 1969 um 10 Uhr zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung und, wie ich bereits angekündigt habe, zur Wahl der Vizepräsidenten vor Abgabe der Regierungserklärung. Präzenspflicht besteht in dieser Woche nur heute und am 21. sowie am 22. Oktober 1969.
Die erste Sitzung des 6. Deutschen Bundestages ist geschlossen.