Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um die erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie - Drucksache V/1458 -. Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Wir kommen zunächst zur Fragestunde
- Drucksachen V/1446, V/1447, V/1448, V/1461 Ich rufe als erste Frage die Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ertl - Drucksache V/1447 - auf:
Ist der in der Zeitung „Bild am Sonntag" vom 19. Februar 1967
veröffentlichte Text eines Atomsperrvertrages authentisch?
Herr Präsident, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie es mir möglich machen würden, nach dieser Dringlichkeitsanfrage die Anfrage des Herrn Abgeordneten Genscher zu behandeln, weil beide in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
Ich rufe auch die Frage II/2 des Herrn Abgeordneten Genscher aus der Drucksache V/1446 auf:
Wird sich die Bundesregierung mit dem Ziel, für die deutsche Wissenschaft und Forschung die friedliche Nutzung der Kernenergie auch für die Zeit nach Abschluß eines Atomsperrvertrages sicherzustellen, um eine gemeinsame Initiative der Mitgliedstaaten von Euratom bemühen?
Danke schön.
Darf ich zunächst folgendes sagen. Der in der Frage ,des Herrn Abgeordneten Ertl genannte deutsche Übersetzungstext ist nicht authentisch. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß es- den Gesamtentwurf eines Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen - und darum handelt es sich ja bei dem, was manche bei uns „Atomsperrvertrag" nennen - noch nicht gibt. Jedenfalls ist uns ein solcher nicht bekannt.
Wir diskutieren seit Mitte Dezember auf der Grundlage von möglichen Elementen eines in Genf zu erörternden Entwurfs. Ich bin jedoch sicher, daß wir durch den Text eines von den beiden Weltmächten in Genf einzubringenden Entwurfs nicht überrascht werden würden.
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung von den Partnern ausreichend und zufriedenstellend konsultiert wird?
Wir haben uns, seit die Gespräche während meiner Amtszeit in Gang gekommen sind, zu diesem Gegenstand nicht zu beschweren. Ich kann mich über das, was da vorliegt, nicht äußern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Bundesminister, würden Sie mir in diesem Zusammenhang auch die Frage beantworten, ob innerhalb des Kabinetts eine gemeinsame Basis für eine deutsche Stellungnahme gegeben ist?
Herr Abgeordneter, das Kabinett hat zweimal, einmal Anfang Januar und einmal in der vorigen Woche, einen Bericht des Außenministers entgegengenommen, in der vorigen Woche gestützt auf das Ergebnis meiner Besprechungen in Washington. Das Kabinett konnte aber aus den Gründen, die ich schon erwähnt habe, noch gar nicht in der Lage sein, sich zu einem Gesamtentwurf für einen solchen Vertrag zu äußern. Das Kabinett hat den Bundesverteidigungsrat beauftragt, sich mit wichtigen Elementen dieser Sache zu befassen. Das ist geschehen, und sobald etwas beschlußreif wird, wird natürlich das Kabinett in seiner Gesamtheit damit befaßt werden.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, treffen Pressemeldungen zu, daß ein Mitglied des Kabinetts entschieden Widerspruch gegen die jetzt bekanntgewordenen Vertragsformulierungen, und zwar auch aus militärischen Gründen, eingelegt hat?
Mir ist kein Kabinettsmitglied bekannt, das nicht mit allen anderen zusammen sagte, daß wir uns unser Votum - wie es der Bundeskanzler ausgedrückt hat - auf Grund eigener Einsicht und unseres eigenen Gewissens zu erarbeiten haben. Ich kenne kein Mitglied des Kabinetts, das sich grundsätzlich gegen den Gedanken wendet, Ordnungselemente einzuführen, kein Atomchaos eintreten zu lassen, d. h. das dem Grundgedanken widersprechen würde, etwas zu tun, was zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen führt.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Moersch.
Ist es dann richtig, daß nur ein Kabinettsmitglied in einem Brief seine Vorbehalte zu diesen bisher bekanntgewordenen Vertragstexten und -entwürfen gegenüber dem Bundeskanzler geäußert hat?
Ich kann mich nicht gut über Briefe äußern, die Mitglieder des Kabinetts oder andere an den Herrn Bundeskanzler richten.
Keine weiteren Fragen. Dann bitte ich den Herrn Minister, die Anfrage des Abgeordneten Genscher zu beantworten.
Ich könnte die Frage, die der Herr Abgeordnete Genschen an uns gerichtet hat und die sich vor allen Dingen auf Euratom bezieht, mit einem schlichten Ja beantworten. Ich möchte aber gleich folgendes hinzufügen dürfen. Die wissenschaftliche Forschung und die friedliche Nutzung auf dem Gebiet der Kernenergie müssen selbstverständlich gesichert bleiben, was auch sonst immer zwischen den Staaten dieser Welt verabredet wird. Eine gemeinsame Initiative der Mitgliedstaaten von Euratom könnte von Nutzen sein, um Zweifelsfragen zu klären und Besorgnisse zu zerstreuen. Das Problem ist im Ausschuß der Ständigen Vertreter der Räte der Gemeinschaften am 17. Februar dieses Jahres in Brüssel behandelt worden. Die Euratom-Kommision hatte ihre Stellungnahme zu Kontrollvorstellungen des möglichen Entwurfs eines Nichtverbreitungsvertrages am 10. Februar dem Ministerat übermittelt, nachdem sie von der amerikanischen Mission bei den Gemeinschaften über solche sich auf die Kontrolle beziehenden Vorstellungen unterichtet worden war. Der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EWG und bei Euratom hat sich in der erwähnten Sitzung am 17. Februar im Namen der Bundesregierung um eine gemeinsame Haltung der Mitgliedstaaten von Euratom zu den sich durch den
Entwurf eines Nichtverbreitungsvertrages für die Europäische Atomgemeinschaft stellenden Problemen bemüht. Er wird diese Bemühungen, unbeschadet einiger zunächst nicht sehr positiver Reaktionen, fortsetzen. Diese Bemühungen werden durch bilaterale Demarchen unserer Botschaften bei den Regierungen der Euratom-Partner ergänzt.
Zum Inhaltlichen möchte ich noch folgendes erklären. Die Bundesregierung - und insofern ist die Verbindung zu dem gegeben, was ich schon zur vorigen Frage zu sagen hatte - hatte und hat nicht die Absicht, sich gegen den Grundgedanken der Nichtverbreitung von Atomwaffen zu wenden. Eine solche Opposition stünde in Widerspruch zu unserer Friedenspolitik. Wir erstreben nicht weniger, sondern mehr Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle in der Welt. Als bisher einziges Land der Welt haben wir schon, wie alle in diesem Hohen Hause wissen, 1954 auf die Produktion von atomaren Waffen verzichtet. Wir erstreben weder den Besitz noch Verfügungsgewalt über Atomwaffen. Worum wir uns gemeinsam mit anderen zu bemühen haben, ist die Mitwirkung an der Friedenssicherung durch die westliche Allianz und für das wachsende Europa. Vor allem aber ist für uns wie für andere, und zwar durchaus im Sinne der Frage des Herrn Abgeordneten Genscher, die friedliche Nutzung der Kernenergie eine existentielle Notwendigkeit als Industriestaat. Wir wollen ohne Benachteiligung am Fortschritt für den Frieden teilnehmen. Das wird uns auch niemand streitig machen können, und dieses vitale Interesse, davon bin ich überzeugt, werden wir durchsetzen.
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Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Herr Bundesminister, teilt die Bundesregierung die in der Öffentlichkeit gelegentlich vertretene Auffassung, daß die Teilnehmer von Euratom nur dann durch die Unterzeichnung des Atomsperrvertrages nicht gehindert seien, wenn eine volle Übereinstimmung aller Mitglieder von Euratom erzielt werde?
Es ist sicher erwünscht, wenn nicht notwendig, auch wenn man sich den Text des Euratom-Vertrages vor Augen hält, daß eine Abstimmung zwischen allen Partnern herbeigeführt wird, gerade auch für den Fall, daß einer der Euratom-Partner z. B. nicht einem solchen Vertrag beitreten wollte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Genscher.
Wird die Bundesregierung bemüht sein - und in welcher Weise -, die langfristige Versorgung der Bundesrepublik mit Kernstoffen für die friedliche Nutzung auch für die Zeit nach der Unterzeichnung eines Sperrvertrages sicherzustellen, etwa durch vertragliche Abmachungen mit dafür in Frage kommenden Staaten?
Ja, Herr Abgeordneter, es wird sicher so sein, wenn es zu einem solchen Vertrag kommt, daß wir nicht nur mündliche Vereinbarungen treffen, sondern vertragliche Vereinbarungen anstreben und, wie ich glaube sagen zu können, auch erzielen werden, die die von Ihnen erwähnte Versorgung sicherstellen.
Herr Schulze-Vorberg, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, versteht man Ihre Antwort richtig, wenn man aus ihr entnimmt, daß die Bundesregierung die Notwendigkeit strenger und sicherer Kontrollen einsieht und diese sogar ausdrücklich wünscht, zumal bei den neuen Reaktoren große Mengen von Plutonium anfallen, daß aber diese Kontrollen bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie gleichmäßig und gleichermaßen allen Mächten auferlegt werden sollten?
Dies ist eines der Elemente, über die gesprochen wird, über die verhandelt wird. Dabei müssen wir natürlich von vornherein wissen, Herr Abgeordneter, daß, wenn ein Kernwaffenstaat sich auch bereit ,erklärt, seine friedliche Befassung mit der Kernenergie kontrollieren zu lassen, ihm schwer die Grenze vorzuschreiben sein wird, die er zwischen dem friedlichen und dem militärischen Sektor zieht. Es ist ja bekannt, daß die Vereinigten Staaten einen ihrer großen Reaktoren neuerdings unter IAEO-Kontrolle gestellt haben. Für Großbritannien gilt das gleiche. Im Prinzip ist dies unsere Position: Wenn Kontrolle, dann umfassend; wenn einige sich von der Kontrolle ausschließen, dann sollen sie nicht gerade diejenigen sein, die in bezug auf die Kontrolle anderer bevorzugt sind.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung, Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang den automatischen Kontrollmaßnahmen bei, die vor allen Dingen von Karlsruher Wissenschaftlern entwickelt worden sind und in internationaler Zusammenarbeit weiterentwickelt werden sollen, automatischen Kontrollen, für die der Fachausdruck black boxes verwandt wird?
Verehrter Herr Abgeordneter, ich will hier einmal ganz offen sagen, in welcher Lage sich der Außenminister befindet. Er gerät nämlich hier leicht in die Situation, als ein Hochstapler zu erscheinen. Ich weiß erst seit vier Wochen, was schnelle Brüter sind, und rede heutzutage darüber, als ob man das auf der Schule gelernt hätte.
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Von den „black boxes" weiß ich seit einer guten
Woche; nachdem ich vor wenigen Tagen mit Professor Heisenberg zu Abend gegessen habe, weiß ich ein bißchen mehr darüber als vorher.
Zwei andere Wissenschaftler von hohem Rang, die uns in der Arbeitsgruppe des Auswärtigen Amtes bzw. des Bundesverteidigungsrates zur Verfügung stehen, haben es ebenfalls dargelegt. Wie hervorragend diese Wissenschaftler sind, ergibt sich daraus: sie haben es so beschrieben, daß ich es z. B. auch habe verstehen können.
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Jedenfalls habe ich es so verstanden, daß beide jetzt praktizierten Kontrollsysteme, sowohl das von Euratom als auch das der Wiener Behörde IAEO - beide Systeme sind übrigens weitgehend identisch, was die Art der Kontrolle angeht -, wahrscheinlich durch die wissenschaftlich-technische Entwicklung im Laufe weniger Jahre aus den Gründen, die Sie angedeutet haben, Herr Abgeordneter, überholt sein werden. Man nennt beides Buchhaltungsmethoden, von denen die Kontrolle am Schornstein, wie man es mir beschrieben hat - das, was man „black boxes" nennt -, die wirksamere Kontrolle sein würde. Sie würde außerdem Teams überflüssig machen, - allerdings wohl noch immer des Menschen bedürfen, der sich vergewissern muß, was solche boxes ausweisen.
Herr Abgeordneter Flämig zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, trifft es zu, daß in dem bisher bekanntgewordenen Vertragsentwurf die Kontrollen sich nur auf spaltbares Material und nukleare Einrichtungen beziehen, nicht aber beispielsweise auf Waffenträger wie Raketen usw., wie dies heute morgen in einem Teil der Presse behauptet worden ist?
Das verstehe ich nicht ganz. Man geht ja davon aus, Herr Abgeordneter, daß die Waffen, und zwar sowohl die war heads, also die Sprengsätze für Atomwaffen, als auch das, was im Angelsächsischen peaceful explosives" genannt wird, also Sprengkörper, Sprengsätze für friedliche Verwendung, eben nicht weitergegeben werden sollen, während diejenigen, die Kernwaffenstaaten sind, sich insoweit keiner Kontrolle unterwerfen. Dies, glaube ich, ist ein weiterer - übrigens erhoffter - Vorgang mit der Aussicht, daß es dann auch mal zu Rüstungsbegrenzungen und -kontrollen kommt, was den militärischen Sektor betrifft.
Eine weitere Frage.
Herr Präsident, ich hatte mich auf eine Überschrift bezogen, die sinngemäß lautete: „Muß die Bundeswehr jetzt ihre Raketen abliefern?"
Ich darf aber noch eine zweite Frage stellen, Herr Minister: ist es so, daß die Diskussion über den Atomsperrvertrag sich bisher in der Bundesrepublik nur auf nichtoffizielle Texte erstreckt und daß deswegen alle Äußerungen, insbesondere die mit natio4418
nalen Untertönen, der guten Sache doch eigentlich mehr schaden als nützen können?
Brandt Bundesminister des Auswärtigen: Ich komme in eine etwas schwierige Situation, wenn ich das zensieren soll, was in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert wird. Das ist nicht meines Amtes. Aber ich möchte doch so viel sagen - ohne irgendjemandem zu nahe zu treten, der an dieser öffentlichen Diskussion teilgenommen hat -, daß in den letzten Wochen manches geäußert worden ist, was von irrigen Voraussetzungen ausgeht. Das kann man zu einem wesentlichen Teil übrigens gar nicht denen anlasten, die sich geäußert haben. Denn der Vorgang hat sich so entwickelt, daß nicht genügend Informationen auf den Tisch gelegt werden konnten. Aber, Herr Abgeordneter, ich muß, wenn Sie mich schon danach fragen, offen sagen, daß einige Elemente in der öffentlichen Diskussion von der Regierung als durchaus hilfreich empfunden worden sind, andere uns eher in die Gefahr brachten, unsere Interessen - identisch mit den Interessen anderer - nicht wirksam genug vertreten zu können. Diese nicht genügend wirksame Vertretung unserer Interessen tritt dann ein, wenn wir erscheinen als diejenigen, die im Grunde etwas anderes wollen, als was sie sagen, oder die den böswilligen Widersachern, mit denen wir es in der Welt zu tun haben, Argumente zuspielen, die sie dann gegen uns benutzen.
Herr Abgeordneter Ertl zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre letzte Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung von sich aus alles tun will, um durch rechtzeitige Information auch des Parlaments zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen, soweit sie dazu in der Lage ist und selbst über ausreichende Informationen verfügt?
Herr Abgeordneter, was den Minister des Auswärtigen angeht, so habe ich im Laufe dieser Wochen zweimal dem Auswärtigen Ausschuß berichtet. Ich habe einer großen Fraktion dieses Hauses zur Verfügung gestanden, um ihr bei der Meinungsbildung zu helfen. Das würde entsprechend für jede Fraktion gelten, die einen solchen Wunsch hätte. Aber im übrigen ist die Regierung natürlich nicht so frei in ihren Dispositionen, wie man vielleicht meinen möchte. Das hat jetzt nichts mit sklavischer und unvernünftiger Auslegung von Geheimhaltungsvorschriften zu tun, sondern es hat damit zu tun, daß einige der - zunächst - Interpretationsvorgänge und - jetzt - Konsultationsvorgänge mit anderen Regierungen der Natur der Sache nach eine Weile vertrauliche Vorgänge bleiben müssen. Der Gang solcher Verhandlungen würde erschwert, wenn er von Tag zu Tag seine Widerspiegelung in der Presse fände.
Herr Dr. Eppler zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, gibt es heute schon Anhaltspunkte dafür, daß die Regierung der Vereinigten Staaten den Bedenken Rechnung zu tragen versucht, die Sie bei Ihrem Besuch in Washington vorgetragen haben?
Herr Dr. Eppler, ich glaube, ein Teil der deutschen Presse hat, jedenfalls in Form kurzer Hinweise, über das berichtet, was vorgestern in Genf durch den amerikanischen Chefdelegierten namens des Präsidenten der Vereinigten Staaten vorgetragen worden ist. Ich würde auch den Mitgliedern des Hohen Hauses - vor allen Dingen denen, die sich in besonderem Maße für diese Materie interessieren - raten, sich diesen Text sehr genau anzusehen, weil er zeigt, daß der Präsident der Vereinigten Staaten ganz offensichtlich, und zwar in diesem zumindest halböffentlichen Vorgang, seine Bereitschaft bekundet, über solche Fragen zu sprechen und internationale Regelungen solcher Fragen zu finden, wie sie auch uns am Herzen liegen.
Zweitens kann ich den Hinweis in der einen oder anderen Zeitung von heute früh bestätigen, daß - gestützt auf die Besprechungen zwischen den Außenministern der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland - der Vorgang einer Interpretation dessen, worum es sich in verschiedenen Fragen handeln würde, eingeleitet worden ist, d. h. daß man darüber nicht mehr nur miteinander spricht, sondern versucht, etwas miteinander zu formulieren.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, dem Hohen Hause mitzuteilen, welche Repräsentanten der Koalition gemeint gewesen sind, von denen andere Teile der Koalition gesagt haben, sie würden mit einer hysterischen Reaktion dem deutschen Interesse schaden?
Ich glaube nicht, daß das eine Bemerkung war, die sich auf die Koalition bezogen hat, sondern es war eine Bemerkung, die sich insgesamt auf die Debatte in der deutschen Öffentlichkeit bezogen hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist Ihnen nicht erinnerlich, Herr Minister, daß bestimmte Personen, die der Regierungskoalition angehören, zu diesem Hinweis auf eine hysterische Reaktion Anlaß gegeben haben könnten?
Ich dachte, Sie meinten jetzt eine bestimmte Persönlichkeit und hätten deshalb historisch gesagt.
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Ich danke Ihnen, Herr Bundesaußenminister. Keine weiteren Fragen.
Dann rufe ich die Dringlichen Mündlichen Anfragen des Herrn Abgeordneten Mattick aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf:
Wie sieht die Bundesregierung die Auswirkungen des von der Volkskammer in Ostberlin verabschiedeten Staatsbürgerschaftsgesetzes auf die deutschen Bürger allgemein und insbesondere auf die Bürger, die jetzt in der Bundesrepublik wohnen, aber früher im anderen Teil Deutschlands ansässig waren?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den allgemein gefährlichen Auswirkungen dieses Gesetzes entgegenzuwirken?
Gestatten Sie mir, daß ich beide Fragen zusammen beantworte.
Das von der Volkskammer am 20. 2. 1967 beschlossene Staatsbürgerschaftsgesetz hat keine Rechtswirkung auf die einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit. Wer nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, ist und bleibt deutscher Staatsangehöriger. Das gilt auch für die Bewohner Mitteldeutschlands. Auch diese sind nach Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes weiterhin deutsche Staatsangehörige. Für die in der Bundesrepublik lebenden Deutschen, die die Sowjetzone als Staatsbürger für sich in Anspruch nimmt, ist die DDR-Staatsangehörigkeit gegenstandslos. Sie ist auch völkerrechtlich unbeachtlich.
Die Bundesregierung wird dafür sorgen, daß dieser unveränderten Rechtslage in den Staatsangehörigkeitsverhältnissen auch in der Praxis entsprochen wird. Sie kann allerdings nicht verhindern, daß das SED-Regime in seinem Machtbereich Folgerungen aus dem neuen Gesetz zieht. Das Regime in der Sowjetzone hat die seiner Gewalt unterworfenen Menschen schon seit Jahren anders behandelt als sonstige deutsche Staatsangehörige.
Es ist noch nicht zu übersehen, unter welchen Gesichtspunkten Flüchtlinge bei einer Reise nach Mitteldeutschland in stärkerem Maße gefährdet sein können als bisher. Die Bundesregierung wird die Öffentlichkeit unterrichten, sobald Anhaltspunkte für Näheres bekannt sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mattick.
Herr Minister, das heißt also, die Bundesregierung sieht wohl Gefahren für diejenigen, die jetzt in Westdeutschland oder in West-Berlin leben und wohnen und die früher im anderen Teil gelebt haben, wenn sie erstens den Interzonenweg benutzen oder sonst in den anderen Teil Deutschlands, z. B. zur Leipziger Messe, fahren. Darf ich weiter fragen: Sieht die Bundesregierung Gefahren für solche Bürger, die eventuell die größere Freizügigkeit in Ostblockländern jetzt benutzen, um in diese Länder zu reisen?
Die Bedeutung, die diese Frage für den betroffenen Personenkreis hat, macht es erforderlich, daß dieses Thema im Innenausschuß alsbald eingehend behandelt wird. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat um die Behandlung dieses Fragenkreises gebeten. Sie erfolgt dort alsbald.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Mattick.
Herr Minister, hat die Bundesregierung aus Anlaß dieses Gesetzes mit unseren Schutzmächten in Berlin und mit den Pariser Vertragsmächten schon ein Gespräch geführt? Ich möchte die Frage an die Bundesregierung richten, ob sie in diesem Gesetz nicht einen weiteren Schritt sieht, der den Status quo, an den wir zur Zeit ja alle gebunden sind, verändert und wieder einen Minuspunkt unter den Status quo setzt.
Die Bundesregierung hat ihrerseits alle erforderlichen Schritte eingeleitet und wird dies auch weiterhin tun.
Herr Abgeordneter Liehr!
Herr Bundesminister, beabsichtigt die Bundesregierung, diesen neuerlichen Versuch der Kommunisten, unser Volk unter Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts auseinanderzureißen, auch vor das Weltforum der Vereinten Nationen zu bringen?
Auch über diese Frage wird die Bundesregierung weiter verhandeln.
Herr Abgeordneter Klepsch!
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, bekanntzumachen, welche Erfahrungen sie im Zusammenhang mit der Handhabung des Republikschutzgesetzes in der Zone hat sammeln können?
Die Bundesregierung ist dazu bereit.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Klepsch.
In Ergänzung der Frage des Herrn Abgeordneten Mattick wäre ich dankbar, wenn Sie zusagen könnten, auch die Frage zu prüfen, inwieweit Kinder, deren Eltern - beide oder ein Elternteil - aus der Zone geflüchtet sind, bei einem Betreten der sowjetischen Besatzungszone Einwirkungen ausgesetzt sein können.
Diese Frage wird die Bundesregierung mit in ihre Prüfung einbeziehen.
Wir kommen dann zu den Fragen auf der Drucksache V/1446. Ich rufe die Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Schultz ({0}) auf:
Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung klarzustellen, daß die Behauptungen in dem 1954 erschienenen Buch von W. F. Flicke Agenten funken nach Moskau, der Berlinbeauftragte des Bundeskanzlers, Bundesminister a. D. Ernst Lemmer, sei im zweiten Weltkrieg unter dem Decknamen Agnes in der Informantenliste des sowjetischen Geheimdienstes geführt worden, unrichtig ist?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Jung übernommen.
Die Bundesregierung hat weder die Möglichkeit noch die Absicht, die Unterlagen eines fremden Geheimdienstes einzusehen und nachzuprüfen. Sie setzt aber auch keine Zweifel in die Erklärung, die der frühere Bundesminister Ernst Lemmer zu den Behauptungen in dem Buch von Flicke abgegeben hat, und verweist auf diese Erklärung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.
Ist demnach die Bundesregierung der Ansicht, daß die Angaben in dem Buch von Flicke, unterstellt, sie seien richtig, einen Vorwurf gegen den früheren Bundesminister Lemmer darstellen würden?
Nein.
Eine weitere Frage.
Ist dann die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß der Berlin-Beauftragte des Bundeskanzlers diesen Vorwürfen besser dadurch hätte begegnen sollen, daß er bei Erscheinen dieses Buches gegen den Verfasser und eventuell auch gegen den Verleger gerichtlich vorgegangen wäre?
Soweit ich dieses Buch beurteilen kann, wäre damit dem Buch zuviel Ehre angetan worden.
Dann die Frage VII/6 des Herrn Abgeordneten Schultz ({0}) :
Was hat die Bundesregierung im Jahre 1956, bei dem Eintritt Bundesministers a. D. Ernst Lemmer in die Bundesregierung, gegen den Verfasser und den Verleger des in Frage VII/5 erwähnten Buches unternommen, um diesen Vorwürfen wirksam entgegentreten zu können?
Vielleicht befriedigt Sie diese Antwort etwas mehr, Herr Kollege.
Das Buch von Flicke, der in der Zwischenzeit gestorben ist, ist zwar unter Benutzung von gewissem Tatsachenmaterial geschrieben worden, insgesamt aber wie so viele andere Bücher, die sich mit Spionage befassen, eine mehr romanhafte Schilderung und keine beweiskräftige Dokumentation. Die Bundesregierung hat damals aus diesem Grunde keinen Anlaß gesehen, der romanhaften Schilderung in dem Buch von Flicke nachzugehen.
Keine weitere Frage. Dann rufe ich die Frage VII/7 des Herrn Abgeordneten Hübner auf:
Wie kann sich der Bürger der Bundesrepublik Deutschland dagegen zur Wehr setzen, daß seine durch die Deutsche Bundespost eingezogenen Rundfunkgebühren dazu beitragen, daß Wolfgang Ross im Bayerischen Rundfunkrat auf der Grundlage des Manifestes seiner Partei politisch rechtsextreme Tendenzen verwirklichen kann?
Die Möglichkeit von Herrn Ross, im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks tätig zu werden, beruht auf Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts Der Bayerische Rundfunk in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags. Einen Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr vermag ich hier nicht zu erkennen. Wie auch immer man diese Frage beantwortet, in keinem Fall würde sich aus einer Rundfunkgebührenhoheit ein so weitgehendes Recht des Bundes zum Eingriff in die Besetzung der Organe der Rundfunkanstalten ergeben, wie es in Ihrer Frage wohl angedeutet wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß .es ein Zeichen für die Gesundheit einer Demokratie wäre, wenn ein Bürger meint, Widerstand dagegen leisten zu müssen, daß in den Rat einer öffentlichen Rundfunkanstalt der Vertreter einer Partei einzieht, in deren Parteimanifest es heißt, man fordere die Aufhebung der zersetzenden Meinungsmonopole in Fernsehen, Funk und Film?
Ich glaube nicht, daß sich ein rechtlich vertretbarer Ursachenzusammenhang zwischen der Gebührenpflicht und rechtsextremen Äußerungen eines Rundfunkratsmitglieds herstellen läßt. Es ist deshalb sehr schwer, hier eine befriedigende Antwort zu geben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Bundesminister, daraus, daß ich meine Frage auch umformulieren mußte, werden Sie schon ersehen, daß es wirklich nicht nur schwierig ist zu antworten, sondern auch zu fragen. Darum möchte ich noch einmal nachhaken und fragen: Wie soll sich aber ein Bürger, der es ganz ernst meint mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dagegen wehren, daß er es mittelbar durch Finanzierung unterstützt, daß diese Grundordnung - und davon gehe ich bei diesem Manifest aus - untergraben wird?
Die Partei, um die es sich hier handelt, ist nicht verboten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage VII/8 des Herrn Abgeordneten Westphal auf:
Wie weit sind die Vorarbeiten der Bundesregierung zur Feststellung und Vergabe eines einheitlichen Personenkennzeichens fortgeschritten, das auch - zur Vereinfachung der Verwaltung - von Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung verwendet werden kann?
Da die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Westphal einen einheitlichen Fragenkomplex betreffen, bitte ich, sie zusammen beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Ich rufe auch die Frage VII/9 des Herrn Abgeordneten Westphal auf:
Welche Kriterien wird die Bundesregierung ihrer Entscheidung über die Art und Zusammensetzung des Personenkennzeichens und über die für die Verteilung zuständigen Behörden zugrundelegen?
Die Beratungen zur Einführung eines einheitlichen Personenkennzeichens haben noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung geführt. Dies geht nicht zuletzt darauf zurück, daß bisher nur bei wenigen Länderverwaltungen Interesse für die Lösung dieser Frage bestand. Überhaupt lag das Interesse an einem Personenkennzeichen bisher mehr auf seiten der Gemeinden, die sich auf elektronische Datenverarbeitung umstellen.
Zweifellos wäre eine bundeseinheitliche Lösung des Problems wünschenswert. Dem steht aber noch eine Reihe ungelöster Fragen entgegen, die sich aus den grundgesetzlich beschränkten Zuständigkeiten des Bundes, aus finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten ergeben.
Die Kosten der Einführung eines einheitlichen Personenkennzeichens werden nicht unerheblich sein. Die derzeitige Haushaltslage in Bund, Ländern und Gemeinden steht der baldigen Verwirklichung solcher Pläne entgegen.
Eine Entscheidung über die Daten, die ein einheitliches Personenkennzeichen enthalten sollte, ist noch nicht gefallen. In den bisherigen Besprechungen bestand weitgehende Übereinstimmung, daß die ersten sechs Stellen durch das Geburtsdatum zu bilden sind und dann der Anfangsbuchstabe des Familiennamens folgen soll.
Welche Behörden ein einheitliches Personenkennzeichen vergeben sollen, ist noch offen. Übereinstimmung besteht nur darüber, daß hierfür kein neuer Behördenapparat aufgebaut werden soll.
Grundsätzlich darf ich bemerken, daß die Bundesregierung dem Gedanken der Einführung eines einheitlichen Personenkennzeichens unverändert positiv gegenübersteht, wie es schon mein Amtsvorgänger von diesem Platz aus zum Ausdruck gebracht hat.
Herr Abgeordneter Westphal zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, da ich erfreut zur Kenntnis nehme, daß die Bundesregierung dem Gedanken positiv gegenübersteht, möchte ich nur ergänzend fragen, welche Behörden und Stellen an den Vorarbeiten und Besprechungen, die es auf diesem Gebiet bisher gegeben hat, beteiligt gewesen sind.
Da bin ich überfragt. Ich darf Ihnen die Frage schriftlich beantworten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.
Würden Sie mir bestätigen können, Herr Bundesminister, daß die Bundesregierung bei ihren weiteren Bemühungen auf diesem Gebiet darauf bedacht sein wird, daß eine einheitliche Regelung für alle Stellen getroffen wird, die ein Personenkennzeichen verwenden können, daß also eine Zersplitterung und ein Nebeneinander verschiedener Personenkennzeichen vermieden wird?
Das ist die Absicht der Bundesregierung.
Zu einer dritten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Bundesminister, Sie haben im Hinblick auf Ausgestaltung, Form und Struktur eines solchen Personenkennzeichens hier nur eine erste Antwort geben können. Trotzdem würde ich gern fragen, ob schon Klarheit auf der Ebene der Bundesregierung darüber besteht, daß in ein solches Kennzeichen sinnvollerweise eine Prüfziffer eingebaut werden sollte, um Verwechslungen zu vermeiden.
Ich darf Ihnen auch diese Frage schriftlich beantworten, weil sonst Irrtümer unterlaufen .
Ich rufe die Frage VII/ 10 des Abgeordneten Opitz auf:
Wieviel Gutachten, Berichte, Übersichten, Erhebungen und dergleichen sind dem Deutschen Bundestag oder der Bundesregierung in regelmäßigen Abständen vorzulegen?
Ich darf auch hier bitten, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Opitz zusammen beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Ich rufe auch die Fragen VII/ 11 und 12 des Abgeordneten Opitz auf:
Auf welche der in der Frage VII/ 10 genannten Berichte könnte nach Ansicht der Bundesregierung verzichtet werden?
Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag eine Vorlage über die Berichte zu machen, auf die nach Ansicht der Bundesregierung verzichtet werden kann?
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen oder von Beschlüssen dieses Hohen Hauses in regelmäßigen Abständen Berichte in folgender Anzahl vorzulegen.
20 jährlich vorzulegende Berichte, davon 10 gesetzlich vorgeschrieben und 10 weitere auf Grund von Bundestagsbeschlüssen;
5 alle zwei Jahre vorzulegende Berichte, davon 2 gesetzlich vorgeschrieben und 3 auf Grund von Bundestagsbeschlüssen;
3 alle vier Jahre vorzulegende Berichte, und zwar sämtlich auf Grund gesetzlicher Vorschriften.
Diese Angaben beziehen sich auf den Stand vom 31. Dezember 1966.
Es sind im allgemeinen politische Gründe, die für die Einführung dieser Berichte maßgebend waren und die auch heute noch gültig sind. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, dem Bundestag eine Vorlage zuzuleiten, die Ausführungen in dem von Ihnen bezogenen Sinne macht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Opitz.
Herr Minister, werden die Ministerien durch diese Vielzahl von Berichten und Erhebungen nicht zum Teil in ihrer eigentlichen Arbeit behindert?
Bei sorgfältiger Überprüfung dieser Frage, die mir am Herzen liegt, habe ich eigentlich keinen derartigen Bericht feststellen können. Ich glaube, der Bundestag muß über diese Dinge gründlich informiert werden, und das geschieht bei dem Gewicht dieser Fragen am besten durch sorgfältig vorbereitete und erarbeitete Berichte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Opitz.
Herr Minister, ist es dann nicht zumindest eine zum Teil vergebliche Arbeit, wenn die Berichte, wie z. B. die Konzentrationsenquete, anschließend hier niemals diskutiert werden?
Ich bin als Mitglied der Bundesregierung nicht befugt, mich in die Kompetenzen des Bundestages und in die Geschäftsführung einzumischen.
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Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Opitz.
Herr Minister, ist es nicht zum Teil eine Flucht vor der Verantwortung, wenn man, statt klare Entscheidungen zu treffen, immer wieder auf Berichte und Erhebungen ausweicht?
Ich glaube nicht, daß der Deutsche Bundestag nicht bereit ist, Verantwortung zu tragen. Er hat ja diese Berichte verlangt.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, eine Zusatzfrage.
Wären Sie bereit, Herr Minister, dem Herrn Kollegen von der FDP mitzuteilen, wie viele Berichte davon auch auf Antrag und auf Wunsch der FDP hier erstattet werden?
Ich bin im Moment überfragt, werde die Antwort aber schriftlich nachholen.
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Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den weiteren Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe zunächst die Frage I/1 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf:
Ist sich die Bundesregierung bei ihrer Einflußnahme auf das Land Baden-Württemberg wegen des neuen, angeblich nicht mit dem Reichskonkordat vom Jahre 1933 übereinstimmenden, Schulgesetzes darüber klar, daß das Land Baden-Württemberg, wie das Bundesverfassungsgericht verbindlich festgestellt hat, durch das Reichskonkordat nicht gebunden ist?
Frau Abgeordnete, das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1957 darüber entschieden - wenn man so will: lediglich darüber entschieden -, ob der Bund gegenüber dem Land Niedersachsen einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, daß die schulrechtlichen Bestimmungen des Reichskonkordats vom Landesgesetzgeber beachtet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht anerkannt und deshalb damals den Antrag des Bundes zurückgewiesen.
Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß das Reichskonkordat als Staatsvertrag weiterhin fortgilt und daß als Partner die Bundesrepublik Deutschland - das sind verfassungsrechtlich der Bund und die Länder als Ganzes - anzusehen ist. Verfassungsrechtlich ist der Landesgesetzgeber nicht daran gehindert, auf dem Schulgebiet Bestimmungen zu erlassen, die mit dem Reichskonkordat in Widerspruch stehen,
Auf der völkerrechtlichen Ebene könnte hierdurch allerdings die Bundesrepublik Deutschland dem Heiligen Stuhl gegenüber vertragsbrüchig werden. In einer solchen Situation bleibt der Bundesregierung kein anderer Weg als der des direkten Kontaktes mit dem betreffenden Land, um auf diese Weise zu erreichen, daß das Land bei der Ausübung seiner Rechte auf die Verpflichtungen des Gesamtstaates Rücksicht nimmt.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Minister, in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch folgende Feststellung getroffen:
So betrachtet ist der Artikel 7 des Grundgesetzes in der Tat dahin aufzufassen, daß er die verfassungsrechtlichen Beschränkungen des Landesgesetzgebers, jedenfalls hinsichtlich der bekenntnismäßigen Gestaltung des Schulwesens, vollständig enthält. Artikel 7 setzt auf diesem Gebiet das Maximum der Schranken, die den Ländern rechtlich zugemutet werden können.
Es kommt ganz klar zum Ausdruck, daß für die Länder Art. 7 - das wird im Urteil wiederholt ausgeführt - und Art. 141 des Grundgesetzes maßgeblich sind. Daraus ergibt sich ja, daß diese Bindung der Länder an das Konkordat nicht besteht.
Hat nicht jetzt auch die Bundesregierung, die doch genauso an das Grundgesetz gebunden ist, diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, und zwar sowohl bei der Einflußnahme auf die Länder, vor allen Dingen aber auch bei eventuellen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl?
Ich weiß nicht, ob der Bundesaußenminister hier nicht für eine Frage in Anspruch genommen wird, über die man besser ein Rechtsgutachten bestellen müßte. Meine Referenten haben mir natürlich aufgeschrieben, was man alles dem damaligen Urteil entnehmen kann. Ich habe in meiner Antwort das zusammengefaßt, was sich daraus meiner Überzeugung nach politisch ergibt. Das Verfassungsgericht war damals vorsichtig, und es hat in dieser Vorsicht beides gesagt: einmal kann das Land das machen, und zweitens bleiben die Pflichten des Bundes völkerrechtlich bestehen. Mit dieser Situation müssen wir fertig werden. Das andere müßte ich an den Kollegen Justizminister abgeben. Aber der ist jetzt nicht gefragt.
Gefragt ist die Bundesregierung. Wer antwortet, ist dem Hause gleich. Wir wollen eine gute Antwort haben. - Bitte, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus!
Herr Bundesaußenminister, in Zeitungen wurde berichtet, daß seitens der Bundesregierung mit dem Heiligen Stuhl auch über diese Frage verhandelt worden ist. Können Sie mir Auskunft geben, ob bei diesen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch von der Nichtverpflichtung der Länder hinsichtlich der Einhaltung des Konkordats ausgegangen wurde und wie die Verhandlungen bisher verlaufen sind?
Die Bundesregierung mußte, als der Nuntius die Bedenken gegen die Schulgesetzgebung vorbrachte, von beiden Ausgangspunkten ausgehen, nämlich von dem einen Element, das Sie nennen, und von dem anderen, daß das Reichskonkordat völkerrechtlich weitergilt. Darum war es ganz natürlich, daß wir hier und anderswo diese Frage mit den Vertretern des Heiligen Stuhls besprochen haben, natürlich auch mit der Landesregierung. Der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident waren schon vor Wochen bei mir, und wir - ich selbst und andere Mitglieder der Bundesregierung - haben alles getan, um zu einer Regelung zu kommen, die keinen Protest auslöst. Soviel kann ich sagen: daß die jetzt vorliegende Äußerung des Heiligen Stuhls zwar Bedenken zum Ausdruck bringt, aber keinen Protest zum Inhalt hat. Ich bin sehr froh darüber, weil es jetzt einen Streit vermeidet. Ich weiß es auch anzuerkennen, daß die Landesregierung in Stuttgart selbst daran interessiert war, nicht einen Konfliktsfall eintreten zu lassen.
Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz, eine Zusatzfrage.
Herr Außenminister, jeder gültige völkerrechtliche Vertrag schließt für den Bund, da ratifiziert, die Verpflichtung zur Erfüllung ein. Der Spruch des Bundesverfassungsgerichts kann, wenn man ihn etwa als Prinzip darstellt - wie es vielfach geschieht -, dazu führen, daß der Bund in die Lage kommt, daß ihm die Erfüllung unmöglich ist. Sind Sie nicht der Ansicht, daß dieses Prinzip des Bundesverfassungsgerichts so einschränkend wie möglich ausgelegt werden muß?
Ja.
Herr Abgeordneter Bucher für eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie angesichts dieses doch wenig befriedigenden Zustandes - die Bundesregierung muß einerseits darauf hinweisen, daß das Reichskonkordat gültig ist, andererseits können aber die Länder nicht verpflichtet werden, es durchzuführen - nicht der Ansicht, daß es das beste wäre, wenn man im Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl zu einer neuen, besseren Regelung käme?
Ich bin gern bereit, über diese Frage nachzudenken oder nachdenken zu lassen und sie dann im Kabinett zu erörtern. Zunächst muß ich von dem ausgehen, was gilt. Nach Art. 33 des Reichskonkordats, das
weitergilt, besteht im Falle einer Meinungsverschiedenheit wegen der Auslegung oder der Anwendung zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland für uns die Pflicht, daß wir uns in gegenseitigem Einvernehmen um eine freundschaftliche Lösung bemühen. Genau das haben wir in diesem Falle, wie gesagt, in Verbindung mit der Landesregierung und unserem völkerrechtlichen Partner, dem Heiligen Stuhl, versucht.
_ Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Meister.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, den Bundestag über die weitere Entwicklung dieser hochpolitischen Sache laufend zu unterrichten?
Herr Abgeordneter, meinen Sie damit die Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses?
Oder des Hauses!
Ich glaube, die Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses wäre zunächst zweckmäßiger. Diesem Wunsche will ich gern nachkommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Süsterhenn.
Herr Bundesaußenminister, sind Sie nicht der Überzeugung, daß ein starkes außenpolitisches Interesse der deutschen Bundesregierung daran besteht, an der völkerrechtlichen Gültigkeit des Reichskonkordats festzuhalten?
Wir haben wegen unserer Einschätzung der international-rechtlichen Zusammenhänge erhebliche Energie darauf verwendet, nicht gegen die Bestimmungen des Reichskonkordats zu verstoßen.
Wir kommen zur Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann:
Welche neuen Vereinbarungen konnten bei der Besprechung zwischen Ministerialdirektor Werz und dem Leiter der Kulturabteilung im französischen Außenministerium bei ihrer Besprechung am 20. Januar 1967 über den Status der Goethe-Institute in Frankreich erzielt werden?
Herr Abgeordneter, ich könnte die Frage nach etwaigen neuen Vereinbarungen zwischen den genannten Herren mit dem einen Wort „keine" beantworten. Aber ich möchte dem gleich folgendes hinzufügen. Die Frage des Status der Zweigstellen des Goethe-Instituts in Frankreich ist nicht Gegenstand von Besprechungen der Leiter der Kulturabteilungen der beiderseitigen Außenministerien, da hierüber eine unter Vorsitz des Bundesfinanzministeriums stehende deutsche Delegation verhandelt und bislang keine die Zweigstellen betreffenden Probleme aufgetaucht sind, die die Einschaltung der Leiter der Kulturabteilungen erforderlich gemacht hätten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, halten Sie es nicht angesichts der ärgerlichen Tatsache, daß die französische Regierung nach wie vor für die Einfuhr von Material und von Einrichtungsgegenständen hohe Zollforderungen an die Bundesrepublik stellt, für notwendig, diese leidige Frage im gegenseitigen Einvernehmen und unter Einbeziehung einer Prüfung der Stellung der Institute der Französischen Republik in Deutschland im Sinne der Vereinbarungen des Freundschaftsvertrages und seiner kulturellen Bestimmungen bald zu regeln?
Das wäre sehr gut, Herr Abgeordneter. Wenn ich es richtig sehe, dann ist eine Schwierigkeit deswegen entstanden, weil die deutsche Schule, die in diesen Bereich gehört, nach französischer Auffassung nicht als Begegnungsschule betrachtet und deshalb nicht als ein Instrument des Kulturaustauschs angesehen wird. Gleichwohl haben mir meine Mitarbeiter gesagt, daß nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen auf der Ebene, die ich genannt habe, etwa bis zur Jahresmitte eine Vereinbarung paraphiert sein dürfte. Sollte sich das nicht bewahrheiten, würde ich nicht zögern, gerade auch aus der Sicht des Auswärtigen Amtes und seiner Kulturabteilung dem zuständigen Kollegen in der Bundesregierung gegenüber, tätig zu werden.
Ich rufe nun die Fragen des Herrn Abgeordneten Rehs auf, die unter dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft aufgeführt sind, zunächst die Frage IX/ 1:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür zu sorgen, daß auf der diesjährigen Weltausstellung in Montreal ({0}) auch die deutschen kulturellen Leistungen in den polnisch verwalteten deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße herausgestellt werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat den deutschen Generalkommissar für ihre Beteiligung an der Weltausstellung Montreal 1967 beauftragt, die kulturellen Leistungen ganz Deutschlands darzustellen. Eine regional begründete besondere Ausstellung ist dabei allerdings nicht ins Auge gefaßt worden. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Weltausstellung natürlich nicht eine kulturelle Präsentation im engeren Sinne und auch keine politische Veranstaltung ist. Wenn man aber diese Punkte als Voraussetzungen wertet, so lauten auf diesem Hintergrund die Bitte und der Auftrag an den Generalkommissar - wie ich schon sagte -, die kulturellen Leistungen ganz 'Deutschlands herauszustellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rehs.
Herr Bundesminister, ich habe Verständnis für diese Vorstellung. Ich bitte, mir nur noch die weitere Frage zu beantworten, ob auch unter dem von Ihnen genannten Aspekt immerhin unzweifelhaft entscheidende Teile der deutschen Gesamtleistung in bezug auf die Herkunft des ostdeutschen Beitrages in die Gesamtdarstellung miteingeschlossen werden.
Wenn ich das durch ein Beispiel klarmachen darf, Herr Abgeordneter, so möchte ich aus meiner Sicht sagen, daß jedenfalls im Rahmen der Darstellung der deutschen Kulturlandschaft auf die Dichter Goethe und Schiller ebenso eingegangen wird wie auf den Philosophen Immanuel Kant.
Ich rufe die Frage IX/2 des Herrn Abgeordneten Rehs auf:
Besteht die Absicht, auf der Weltausstellung in Montreal ({0}) auf das Lebenswerk des 1473 in Thorn geborenen deutschen Astronomen Nikolaus Kopernikus hinzuweisen, um so das frühere friedliche Zusammenleben von Deutschen und Polen auch östlich der Staatsgrenzen von 1937 zu verdeutlichen und irreführende Darstellungen zu berichtigen?
Die räumliche Begrenzung des deutschen Pavillons auf der Weltausstellung in Montreal läßt es nicht zu, das Lebenswerk aller Schöpfer kultureller deutscher Leistungen zur Darstellung zu bringen. Die Bundesregierung ist jedoch bereit, prüfen zu lassen, ob und wie sich die in Ihrer Anfrage enthaltene Anregung verwirklichen läßt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs.
Herr Bundesminister, ist in diese Überlegungen auch die eventuell notwendige Abwehr bzw. Richtigstellung unzutreffender Darstellungen, z. B. von polnischer Seite hinsichtlich bestimmter Persönlichkeiten aus dem gesamten Kulturkreis, einbezogen?
Herr Abgeordneter, für den Fall irreführender Darstellungen wird die Bundesregierung an den allen Teilnehmern bekanntgegebenen Wunsch des Veranstalters nach Erhaltung des Ausstellungsfriedens appellieren und dort, wo es notwendig ist, selbst Klarstellungen vornehmen.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage XI/I des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, im Hinblick auf die von der Konferenz der Arbeitsminister der Länder gegebene dringende Empfehlung, beschleunigt und unabhängig von Reformplänen, eine Änderung des Finanzierungssystems der Rentnerkrankenversicherung vorzuschlagen, damit die Krankenkassen die 11-v.-H.-Grenze einhalten können?
Die allgemeine Finanzlage der Krankenkassen läßt sich nur durch strukturelle Maßnahmen im Rahmen einer Gesamtreform der Krankenversicherung nachhaltig verbessern. Bei der derzeitigen Finanzlage der Rentenversicherung wird es nicht möglich sein, diese mit einem vollen Ausgleich der Defizite der Krankenkassen aus der Rentnerkrankenversicherung zu belasten. Um den derzeitigen Schwierigkeiten der Krankenkassen abzuhelfen, wird vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erwogen, Vorschläge zu einer möglichst schnellen Lösung vordringlicher Probleme zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, das Ergebnis der vom Herrn Arbeitsminister in der Fragestunde der 42. Sitzung zugesagten Überprüfung eines innerorganisatorischen Ausgleichs der Fehlbeträge der Rentnerkrankenversicherung mitzuteilen?
Ich habe von einer solchen Zusage des Herrn Minister Katzer nichts in Erinnerung, werde aber mit ihm sprechen und Ihnen die Antwort schriftlich geben.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Geiger.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort in der Fragestunde vom 27. Januar, daß Ihr Ministerium nicht daran denke, den § 389 RVO mit der Beitragsbegrenzung von 11 % zu ändern, dahin gehend auslegen, daß Sie mit Ihrem Ministerium der Auffassung sind, daß die Grenze von 11 % für die Krankenversicherten und ihre Arbeitgeber die Grenze des Zumutbaren darstellt?
Das ist die Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung.
Ich rufe die Frage XI/2 des Herrn Abgeordneten Brück ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß auch Deutsche, die im französischen Bergbau beschäftigt waren oder noch sind, Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistungen nach § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes haben?
Die Frage, ob auch Deutsche, die im französischen Bergbau beschäftigt waren oder noch sind, Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes haben, beantworte ich mit Nein. Der Grund hierfür ist, daß die Knappschaftsausgleichsleistung langjährigen Hauern und den
ihnen gleichgestellten Bergleuten, die infolge von Strukturveränderungen im deutschen Bergbau ihren Arbeitsplatz verlieren, eine finanzielle Unterstützung geben soll. Damit wird der Erfahrung Rechnung getragen, daß die über 55 Jahre alten Bergleute nach einer jahrzehntelangen Tätigkeit als Facharbeiter im Bergbau eine entsprechende Tätigkeit auf dem übrigen Arbeitsmarkt kaum finden können. Die Voraussetzungen für die Knappschaftsausgleichsleistung sind deshalb auch auf die besonderen Verhältnisse im deutschen Bergbau und auf den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik abgestellt. Die Knappschaftsausgleichsleistung kann daher nur den von strukturellen Maßnahmen im deutschen Bergbau betroffenen Bergleuten zugute kommen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, ist es also Auffassung der Bundesregierung, daß dieser Paragraph des Reichsknappschaftsgesetzes vor allem dem deutschen Bergbau und erst in zweiter Linie dem deutschen Bergmann dient, oder mit anderen Worten, daß er nur eine Möglichkeit für den deutschen Arbeitgeber ist, überflüssige Arbeitskräfte möglichst elegant loszuwerden?
Herr Abgeordneter, ich kann Ihrer Frage nicht zustimmen. Man muß hier doch klar feststellen: die Verhältnisse nach französischem und nach deutschem Recht unterscheiden sich grundlegend und sind kaum miteinander zu vergleichen. Nach französischem Recht haben die Bergleute, denen nach deutschem Recht die Knappschaftsausgleichsleistung zustehen würde, bereits Anspruch auf das Altersruhegeld. Dabei werden auf die Wartezeit von 15 Jahren auch solche Zeiten angerechnet, die im deutschen Bergbau zurückgelegt wurden.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie selbst gesagt haben, daß es für einen Hauer sehr schwer ist, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, wieder einen Arbeitsplatz zu erhalten, darf ich Sie fragen: Glauben Sie, daß das nicht auch für die vielen saarländischen Bergleute zutrifft, die im lothringischen Bergbau beschäftigt waren und aus Rationalisierungsgründen dort entlassen worden sind?
Herr Abgeordneter, ich habe gesagt, daß die Arbeitskräfte, die im französischen Bergbau gearbeitet haben, andere Ansprüche haben. Die Vergleichbarkeit der deutschen und der französischen Ansprüche ist außerordentlich kompliziert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hussong.
Herr Staatssekretär, finden Sie nicht auch, daß die Nichteinbeziehung der im Saarland wohnhaften und auf den lothringischen Gruben arbeitenden Bergleute in die im deutschen Bergbau für den Stillegungsfall getroffene gesetzliche Regelung für die Betroffenen eine menschliche Härte darstellt, dies insbesondere, wenn man die Dinge auch unter dem Gesichtspunkt des wechselvollen Geschicks der Grenzveränderungen in diesem Raum sieht?
Herr Abgeordneter, ich sagte, es gibt Ansprüche aus deutschem Recht und es gibt Ansprüche aus französischem Recht. Wenn in einem besonderen Falle Ihnen eine Unbilligkeit bekannt wird, wäre ich dankbar, wenn Sie sie mir mitteilten, damit ich dann den Einzelfall nachprüfen kann.
Weitere Frage des Herrn Abgeordneten Hussong.
Herr Staatssekretär, liegt nicht eine besondere Härte schon darin, daß die Betroffenen auf den saarländischen Gruben keine Möglichkeit haben, dort angelegt zu werden, während das auf den Gruben anderer Kohlenreviere immerhin teilweise praktiziert werden kann?
Herr Abgeordneter, leider ist es zur Zeit nicht möglich, daß jemand, der auf einer Grube seinen Arbeitsplatz verliert, mit Sicherheit einen Arbeitsplatz auf einer anderen Grube findet. Das gilt heute auch für das Ruhrgebiet nicht mehr.
Dann noch die Frage XI/ 3 des Herrn Abgeordneten Moersch:
Ist die Bundesregierung bereit, die neuerdings auch von den Professoren Blanckertz. Claessens und Edding empfohlene Errichtung eines zentralen Forschungsinstituts für Berufsbildung vorzunehmen?
Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft beantworte ich die Frage wie folgt:
Die vielfältigen Erfordernisse einer modernen beruflichen Bildung machen eine gründliche Erforschung sämtlicher Probleme auf diesem Gebiet notwendig. Die Bundesregierung begrüßt daher alle Anregungen für eine Koordinierung und Verbesserung der verzweigten Forschungstätigkeit im Bereich der Berufsbildung. Eine eingehende Darstellung ihrer Auffassung zu diesen Fragen nach dem gegenwärtigen Stand gibt die Bundesregierung in der Antwort - Drucksache V/1422 - auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann und Genossen. Sie weist dabei auch auf den Zusammenhang mit der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hin. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat für diesen Forschungsbereich bereits ein Institut errichtet, das in diesem Jahr
seine Arbeit aufnimmt und namentlich die Auswirkungen des technischen Fortschritts auf den Arbeitsmarkt und die Berufsstruktur untersuchen wird.
Auf dem Gebiet der Berufsbildungsforschung prüft die Bundesregierung gegenwärtig beschleunigt die sachlichen, organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten für Verbesserungen sowie deren Auswirkungen. Dabei bezieht sie in ihre Überlegungen das von den Professoren Blanckertz, Claessens und Edding erstattete Gutachten über die Errichtung eines zentralen Forschungsinstituts für Berufsbildung ein.
Keine Zusatzfragen. Wir sind dann am Ende der Fragestunde.
Ich gebe bekannt, daß im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung der Abgeordnete Dr. Hammans die Fragen XII/ 4, XII/5 und XII/ 6 und der Abgeordnete Collet die Fragen XII/ 13, XII/ 14 und XII/ 15 zurückgezogen haben.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen werden.
Damit ist die Fragestunde geschlossen.
Ich rufe nun zunächst den Zusatzpunkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie
- Drucksache V/1458 Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Das Wort wird auch nicht gewünscht.
Der Gesetzentwurf soll an den Ausschuß für Arbeit federführend und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung überwiesen werden. - Darüber herrscht Einverständnis; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann den Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses ({0}) über den von der Bundesregierung vorgelegten Bericht der Wahlkreiskommission für die 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
- Drucksachen V/1174, V/1412 -Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-Vokkenhausen
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Vermeidung von Mißverständnissen darf ich hier noch einmal mündlich den Bericht dahin gehend erläutern, daß im Innenausschuß nur der unmittelbar vorliegende Bericht der Wahlkreiskommission und die Frage der
Nachwahlen beraten worden sind und die Regierung aufgefordert worden ist, bis zum 31. Dezember 1967 einen Änderungsvorschlag vorzulegen. Darüber hinaus hat der Ausschuß den Wunsch, erneut die Frage zu prüfen, inwieweit in vermehrtem Umfange deutsche Staatsangehörige im Ausland an den Bundestagswahlen teilnehmen können.
Ich darf Sie bitten, dem Vorschlag des Ausschusses zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Es liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1412 vor. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme und Bereitstellung von Krediten zur Belebung der Investitionstätigkeit und zur Sicherung eines stetigen Wirtschaftswachstums im Rechnungsjahr 1967 ({0})
- Drucksache V/1436 Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
- Drucksache V/1472 Berichterstatter: Abgeordneter Leicht ({2})
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Leicht als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung heute morgen das sogenannte Kreditfinanzierungsgesetz behandelt. Er ist sehr spät fertig geworden. Deshalb muß ich als Berichterstatter wenigstens darauf hinweisen, was im Ausschuß heute morgen beschlossen worden ist. Dabei darf ich davon ausgehen, daß die Damen und Herren Kollegen den von den Fraktionen eingebrachten Entwurf bereits vor der Einbringung eingehend behandelt haben. Ich darf mir deshalb gestatten, nur auf die Änderungen hinzuweisen.
Wir haben heute morgen den § 2 dieses Kreditfinanzierungsgesetzes geändert, indem wir erstens bei der Position für den sozialen Wohnungsbau, insbesondere für Flüchtlinge die Worte „insbesondere für Flüchtlinge" gestrichen haben, weil mittlerweile von der Bundesanstalt in Nürnberg mitgeteilt worden ist, daß für den Flüchtlingswohnungsbau ein Betrag von 130 Millionen DM zur Verfügung gestellt werde.
Wir haben bei der Position Landwirtschaft den Betrag von 138 Millionen DM auf 200 Millionen DM heraufgesetzt, d. h. eine Erhöhung um 62 Millionen DM vorgenommen für folgende Zwecke: 1. 12 Millionen DM mehr für Wegebau, 2. 50 Millionen DM
mehr für die sogenannte Investitionshilfe, für die die Richtlinien nach dem Willen des Ausschusses eingeschränkt werden müssen. Wir haben weiter bei den Hochbaumaßnahmen des Bundes statt der im Entwurf vorgesehenen 50 Millionen DM 18 Millionen DM eingesetzt, und wir haben bei der Förderung der Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung statt der vorgesehenen 50 Millionen DM 20 Millionen DM vorgesehen.
Außerdem hat der Ausschuß diesem Paragraphen einen Abs. 2 angefügt, der lautet:
Bei der Vergabe von Aufträgen sind Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit bevorzugt zu berücksichtigen.
Ein neuer § 2 a wurde eingefügt mit dem Wortlaut:
Die Investitionsmaßnahmen nach § 2 sind in den außerordentlichen Haushalt des Entwurfs des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 zu übernehmen.
Schließlich haben wir dem § 3 einen Abs. 2 angefügt, damit im Rahmen des sogenannten Sofortprogramms über die Beträge bis zu 300 Millionen DM für die Deutsche Bundesbahn, bis 200 Millionen DM für den Bundesfernstraßenbau, bis 250 Millionen DM für die Deutsche Bundespost und schließlich 100 Millionen DM für die Landwirtschaft, insbesondere für den Landeskulturbau, mit Inkrafttreten dieses Gesetzes, das wir heute mittag verabschieden wollten, sofort verfügt werden kann.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Eine Aussprache wird in der zweiten Beratung nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1, -§ 2, - § 2 a, - § 3, - § 4, - § 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmt, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zwei Stimmen in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen dann zur
dritten Beratung.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute das Kreditfinanzierungsgesetz das in der vorigen Woche, genau am 17. Februar, von den Koalitionsfraktionen in diesem Hohen Hause eingebracht worden ist. Hinsichtlich der Zielsetzung dieses Gesetzes befindet sich die Mehrheit einschließlich der Opposition in Übereinstimmung mit der Bundesregierung. Nachdem wir in den zurückliegenden Wochen und Monaten seit Bestehen der Großen Koalition bereits beachtliche Schritte zur Sanierung des Haushalts getan haben, verfolgen wir nunmehr mit diesem Gesetz die gleichrangige und gleichfalls dringende Aufgabe einer Belebung der Investitionstätigkeit um der Sicherung eines stetigen Wirtschaftswachstums willen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist angebracht, einmal darauf zurückzublicken, daß in den zweieinhalb Monaten seit Bestehen dieser großen Koalition insgesamt 11,2 Milliarden DM bewegt worden sind: Finanzplanungsgesetz, Steueränderungsgesetz, Nachtragshaushalt und jetzt Eventualhaushalt. Damit, daß dieses Haus einen Vorschlag, den die Bundesregierung gemacht hat, als Initiative übernommen hat, ist der Beweis erbracht, daß auch das Parlament rasch und schnell Maßnahmen zur Konjunkturbelebung treffen kann. Ich glaube, es war eine beachtliche Leistung dieses Hauses, daß es in den letzten zwei Monaten, in dieser kurzen Zeit, mit so entscheidenden Einschnitten von 11,2 Milliarden DM fertig geworden ist. Das muß auch einmal gesagt werden, um die immer wiederkehrende Kritik am Parlament insofern zurückzuweisen, als hier ganz deutlich geworden ist, daß sich das Haus seiner Verantwortung bewußt ist und auch bereit ist, Wege zu gehen, die normalerweise nicht üblich sind, nämlich als Initiativen Vorschläge zu übernehmen, die eigentlich von der Regierung kommen müßten, um so rasch wie möglich Schwierigkeiten in der Wirtschaft entgegenwirken zu können. Das Parlament hat mit dieser Gesetzesvorlage einen Weg gewählt, der natürlich auf die Dauer nicht praktikabel ist und nur in Ausnahmefällen gewählt werden kann. Aber daß diese Ausnahme gewählt wurde, spricht für einen lebendigen, arbeitsfähigen Parlamentarismus.
Die Investitionsmaßnahmen, zu deren Finanzierung wir jetzt die Bundesregierung ermächtigen - in einem Volumen von 2,5 Milliarden DM -, werden im Verlaufe der Beratungen ordnungsgemäß in den Haushalt des Bundes eingesetzt und sind damit der Überprüfung des Parlaments unterworfen. Auch hierbei ist das Petitum dieses Hauses sichergestellt, daß wir für diese Maßnahmen stets eine parlamentarische Kontrolle haben. Im übrigen haben wir im vorliegenden Initiativgesetzentwurf in § 3 die politische Mitwirkung bei der Festlegung des Investitionsprogrammes insoweit gesichert, als für die beabsichtigte Verteilung der Kreditmittel innerhalb der einzelnen Bereiche die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vorgeschrieben ist. Mit dieser Bestimmung geht der Koalitionsgesetzentwurf über die ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehene Fassung hinaus. Die parlamentarische Mitwirkung an der Handhabung dieses konjunkturpolitischen Instruments erscheint uns damit ausreichend gesichert. Auf Grund dieser eingebauten Sicherung war es nicht notwendig, den Investitionsrahmen von 2,5 Milliarden DM im vorliegenden Gesetzentwurf im Detail aufzugliedern. Wir konnten uns darauf beschränken, für die Verwendung der Kreditmittel globale Summen gesetzlich zu fixieren.
Hinsichtlich der Verwendung - auch das wollen wir hier noch einmal nachdrücklich betonen - werden durch das Investitionsprogramm einschließlich des Sofortprogramms nur solche InvestitionsHermsdorf
projekte berücksichtigt, die durch schnelle Vergabe in Bereiche großer unausgenutzter Kapazitäten maximale konjunkturelle Wirksamkeit erwarten lassen. Dieser strenge Maßstab war für die Ausschuß- und Fraktionsberatungen bei uns maßgebend, um so mehr als meine Fraktion bekanntlich noch in der Stellung als Opposition die Möglichkeit und Notwendigkeit des uns jetzt vorliegenden neuen Instruments des konjunkturpolitisch ausgerichteten Eventualhaushalts aufzeigte. Ich erinnere daran, daß mein Kollege Dr. Alex Möller hier noch unter der Minderheitsregierung diese Vorstellungen von einem Eventualhaushalt vorgetragen hat und wir sie als Diskussionsbeitrag damals in die Haushaltsberatung brachten. Wir freuen uns, daß diese sozialdemokratische Grundvorstellung nunmehr in diesem Gesetzentwurf ihren Niederschlag findet.
Ich möchte aber noch eine Bemerkung machen. Als wir den Nachtragshaushalt und die Kürzungen zu beraten hatten, waren wir uns in diesem Hause - ich hoffe, auf allen Seiten - darüber einig, daß uns bei den Kürzungen nicht Titel angeboten werden sollten, die nun im Investitionshaushalt wieder erscheinen würden. Das konnte und das kann nicht der Sinn des Nachtragshaushalts sein. Ich muß deshalb hier ein besonderes Wort an den Landwirtschaftsminister richten. Ich halte es für kein seriöses Verfahren, wenn ein Minister Kürzungen in einer Höhe von fast 400 Millionen DM anbietet und von vornherein weiß, daß diese Kürzungen falsch sind, daß sie unrealistisch sind, und daß er dann später den Versuch macht, diese vorgeschlagenen Kürzungen in den Investitionshaushalt wieder einzubringen. Dieses Verfahren ist eines Ministers unwürdig.
({0})
Ich möchte deshalb hinzufügen, daß meine Fraktion bei der Beratung des Einzelplans 10 diesen Einzelplan sehr genau überprüfen wird hinsichtlich seiner IstAusgaben, um die vorgeschlagene Kürzungshöhe, die uns Herr Höcherl ursprünglich angeboten hat, dann zu erreichen.
In der vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfes kommt in dem neuen Abs. 2 des § 2 nachdrücklich der politische Wille zum Ausdruck, daß bei der Vergabe von Aufträgen die Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit bevorzugt zu berücksichtigen sind. Ich halte das für eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Regierungsentwurf, um dort, wo die Arbeitslosigkeit wesentlich größer ist als in den Ballungszentren, Maßnahmen für die Konjunkturbelebung ergreifen zu können.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß dieser Gesetzentwurf als Ganzes gesehen werden muß. Ich möchte deshalb den § 3 Abs. 2 des Gesetzes, wo das Sofortprogramm, das ja bereits läuft, angesprochen ist, noch einmal ausdrücklich hier so interpretieren, daß es nur dieser Aufzählung des Sofortprogramms bedurft hatte, um eine Legalisierung für den Gesetzentwurf zu haben, daß aber die 2,5 Milliarden DM als ein Ganzes gesehen werden müssen und nicht sozusagen stückweise und allmählich ausgegeben werden dürfen.
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion sieht in diesem Entwurf eine Konzeption, die der jetzige Wirtschaftsminister einmal Aufschwung nach Maß genannt hat. Da im Augenblick die Konjunkturabschwächung noch anhält, hoften wir, daß durch Beschlüsse dieses Hauses und durch die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes dieser Aufschwung nach Maß erfolgen kann. Wir bitten um Zustimmung, und wir bitten nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs vor allen Dingen um das Vertrauen auch draußen in der Bevölkerung und in der Wirtschaft. Hier ist vom Bundestag ein Gesetz verabschiedet worden, um die Sicherheit des Arbeitsplatzes zu garantieren und um die Wirtschaft wieder zu beleben. Wir wünschen der Regierung bei diesen Maßnahmen vollen Erfolg.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.
Die Fraktionen der Koalition haben in einem Akt geradezu heroischer Selbstverleugnung vor weniger als einer Woche das Kreditfinanzierungsgesetz initiativ hier eingebracht, und sie stehen jetzt davor, nach weniger als einer Woche dieses Gesetz mit sehr weitreichenden Folgen in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Das Parlament hat darauf verzichtet, dieses Gesetz in seinen Ausschüssen gründlich zu beraten. Das ist ihm sicher nicht leicht gefallen. Es hat sachliche und auch formale Bedenken zurückgestellt, einfach in der Erkenntnis, daß hier rasch gehandelt werden muß. Die Regierung möge das bitte recht würdigen, sie möge aber nicht in die Versuchung geraten, dieses Verfahren ohne Not zu wiederholen.
({0})
Ein solches Verfahren muß die Ausnahme bleiben. Meinen Freunden ist die Zustimmung auch deswegen schwergefallen, weil in dem von der letzten Regierung bereits vorgelegten Stabilitätsgesetz ohnehin Kreditermächtigungen - und zwar sogar in einem Umfang von 5 Milliarden DM - für konjunkturpolitische Zwecke vorgesehen waren. Das Parlament ist damals 14 Tage früher
({1})
- 3 Wochen - ich berichtige mich - aus den Ferien hierhier zurückgekehrt, um das Stabilitätsgesetz recht bald zu verabschieden. Es ist immer noch nicht verabschiedet, während wir jetzt in panischer Hast dieses Gesetz durchpeitschen müssen.
({2})
Dürfen wir nun hoffen - das ist gleichermaßen ein Appell an das Haus, an die Koalition und an die Regierung -, daß das Stabilitätsgesetz, das inzwischen auch noch für Wachstum zuständig geworden ist,
({3})
nun wenigstens bald fertig wird? Allerdings wird
uns die Verabschiedung des Kreditfinanzierungs4430
gesetzes dadurch erleichtert, daß jetzt klargestellt ist, daß es Bestandteil des außerordentlichen Haushaltes ist. Zwar ergibt sich das ohnehin zwingend aus Art. 110 des Grundgesetzes, in dem steht, daß alle Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan eingesetzt werden müssen. Aber offensichtlich war das nicht überall und nicht zu jeder Zeit klar.
Bei der Beratung und bei der Verabschiedung dieser Maßnahmen müssen wir eines ganz deutlich sehen - Herr Kollege Hermsdorf hat schon darauf hingewiesen, und ich möchte es sehr nachdrücklich unterstreichen -: Der Zweck des vorliegenden Gesetzes ist die nachhaltige Belebung unserer Wirtschaft, sonst gar nichts. Dieses Gesetz ist nicht etwa ein Ersatzhaushalt für unerfüllt gebliebene Wünsche oder gar ein Resevefonds für die Rotstiftgeschädigten. Die Maßnahmen dürfen nur soweit eingeleitet werden, als der Arbeitsmarkt belebt wird, als die produktiven Investitionen angeregt werden, vor allem durch Verbesserung der Infrastruktur, und sie dürfen nur dort eingeleitet werden, wo ein hoher werbender und ,ein hoher Sekundäreffekt erzielt wird, der die Wirkung möglichst verstärkt und multipliziert. Dieses ganze Programm - das sollten wir uns sehr deutlich vor Augen halten - ist ja nur kurzfristig finanziert. Die Mittel, die wir hier einsetzen, müssen in zwei bis vier Jahren, also in Zeiten voraussichtlich gleich großer Haushaltsenge, zusätzlich zurückgezahlt oder aber konsolidiert werden. Der Einsatz solcher Mittel ist daher nur dort und nur in einem solchen Umfang vertretbar, wo rasch sehr kräftige Impulse und starke Rationalisierungseffekte erzielt werden, die uns eine baldige Tilgung ermöglichen. Gelingt das nicht, dann sind die Ausgaben heute nur eine zusätzliche Belastung für morgen und sollten besser unterbleiben.
({4})
Lassen Sie mich, nachdem gerade die Kollegen aus der Landwirtschaft so eifrig und erfolgreich um Teilhabe an diesem Programm gekämpft haben, ein Beispiel aus dem ländlichen Bereich wählen: Die Mittel des Kreditfinanzierungsgesetzes dürfen nicht Unterhaltungsfutter sein für unsere Volkswirtschaft. Dafür sind sie zu teuer,
({5})
und dafür ist die Belastung für die Zukunft zu groß. Sie müssen vielmehr Kraftfutter sein für größeren Leistungszuwachs in der nächsten Zukunft,
({6})
damit die zusätzlichen Tilgungslasten überhaupt getragen werden können. Nur dann und nur so weit sind diese Ausgaben vertretbar. Deswegen wäre bei diesem Gesetz auch jede vordergründige sozialpolitische Argumentation bedenklich, weil jede Verzettelung der Maßnahmen eine dauerhafte Konsolidierung als Voraussetzung für notwendige sozialpolitische Maßnahmen nur verzögern, wenn nicht gar verhindern würde. Wir sind ja nicht deswegen in diese scheußliche Klemme gekommen, die uns gezwungen hat, auch wichtige Sozialleistungen rigoros zu kürzen, weil wir etwa in der Vergangenheit
zuviel Geld für Investitionen ausgegeben haben, sondern ganz im Gegenteil.
({7})
Während die konsumwirksamen Bundesausgaben kräftig gestiegen waren, gingen die Investitionsausgaben des Bundes in letzter Zeit sogar zurück. Wir werden künftig nur in dem Maße wieder Geld für sozialpolitische Maßnahmen bekommen, wie wir unsere knappen und zudem gepumpten Mittel jetzt so wirtschaftlich und effektiv wie nur möglich einsetzen. Das ist nicht Ausdruck einer unsozialen Einstellung, ganz im Gegenteil.
({8})
Ich glaube, unser Volk hat durchaus begriffen, daß wichtiger als hohe Nominaleinkünfte im Augenblick Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Stabilität auf Dauer sind, daß ein sicherer Arbeitsplatz wichtiger ist als noch so hohe Arbeitslosenunterstützung.
({9})
Der Herr Wirtschaftsminister hat sich sehr energisch und auch wirksam zuletzt im Haushaltsausschuß noch einmal für die rasche Verabschiedung dieses Gesetzes eingesetzt. Ich weiß nicht, was ich bei ihm mehr bewundern soll, seinen Einfallsreichtum oder seine sprachschöpferische Produktivität. Als neuen Begriff hat er in der ersten Lesung den der „sozialen Symmetrie" geliefert. Ich bin leider nicht so abstrakt begabt. Ich möchte es deswegen ein wenig gegenständlicher ausdrücken und bei einem Bild aus der Landwirtschaft bleiben.
Wenn ich den Begriff der sozialen Symmetrie richtig verstanden habe, dann geht es offenbar darum, Herr Minister, die Kuh, die man melken will, erst einmal zu kräftigen. Man muß die Kuh erst einmal wieder auf Leistung bringen und die Kuh füttern und nicht erst den Melker,
({10})
damit aus den steigenden Milcherträgen die kreditierten Kraftfutterkosten nebst Zinsen auch wieder bezahlt werden können
({11})
und dann noch etwas übrigbleibt für den Bauern, für seine Familie, für den Melker, für den Anstrich des Kuhstalls vielleicht und, wenn es ganz gut geht, auch für den Milch- und Butterkunden in Form von sinkenden Preisen.
({12})
Unsere Bauern werden zugeben, daß das ein sehr anspruchsvolles Vorhaben ist.
({13})
Aber deswegen sollten wir wenigstens für diese Zeit darauf verzichten, auf der Kuh zu reiten,
({14})
sie vor eine Kutsche zu spannen oder sie anderweitig zu erschrecken oder zu beunruhigen
({15})
- ja, natürlich, lassen Sie uns also auf Pferden reiten -, weil nämlich das alles die Kuh an ihrer wichtigsten Aufgabe hindern würde, mehr Milch zu geben.
({16})
- Nun, das ist eng miteinander verknüpft, wenn ich da richtig informiert bin. - Wir sollten die Kuh aber auch nicht überfüttern; denn sie soll kein Fett ansetzen, sondern sie soll Milch geben.
({17})
- Nein, sie soll kein Fett ansetzen, sie soll Milch geben.
Deswegen sollten wir dieses Programm nur so lange und nur so weit fortführen, wie es notwendig ist, um die erforderliche Belebung der Wirtschaft zu erzielen. Die Bundesbank hat das in ihrem letzten Bericht so ausgedrückt:
Die Bundesbank hat sich im Hinblick auf die konjunkturelle Lage bereit erklärt, die Unterbringung der Kreditmarktpapiere, die zur Finanzierung des Eventualhaushalts nötig sein werden, nach Maßgabe der konjunkturellen Bedürfnisse und der währungspolitischen Möglichkeiten zu unterstützen.
An anderer Stelle des gleichen Berichts heißt es:
Dies kann teilweise dadurch geschehen, daß die Art und der zeitliche Ablauf der Finanzierung von Haushaltsdefiziten und insbesondere des Eventualhaushalts ständig der sich entwikkelnden Lage angepaßt werden, etwa indem nach Beginn der Wiederbelebung der Konjunktur zunehmend von kürzerfristigen Finanzierungsmethoden auf eine mittel- und schließlich längerfristige Kapitalmarktfinanzierung übergegangen wird. Vor allem sollte der Eventual-haushalt nur dann in der vollen vorgesehenen Höhe von 2,5 Milliarden DM durchgeführt werden, wenn sich zeigt, daß das Sofortprogramm in Höhe von 850 Millionen DM zusammen mit den sonstigen . . . expansiven Faktoren nicht ausreicht.
Nun, das ist nicht nur die Meinung der Bundesbank, das ist auch unsere Meinung.
Lassen Sie mich noch wenige Worte zu den Änderungen sagen, die der Haushaltsausschuß an der ursprünglichen Vorlage vorgenommen hat und die er Ihnen nun zur Annahme empfiehlt.
Der Herr Berichterstatter hat in seinem hier mündlich gegebenen Bericht bereits die Schwerpunkte bezeichnet. Der neue Abs. 2 in § 2 will noch einmal das Ziel der Arbeitsmarktbelebung ausdrücklich unterstreichen. Die Kollegen aus den strukturschwachen Gebieten mit teilweise erschreckender Arbeitslosigkeit, an der Spitze der Kollege Niederalt, haben sich für diese Formulierung besonders nachdrücklich eingesetzt. Wir sind sehr froh, daß diese Bestimmung Eingang gefunden hat.
Der neue § 2 a betont ausdrücklich, daß alle Maßnahmen dieses Gesetzes in den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen sind und damit den Bestimmungen des Haushaltsrechts unterliegen.
Die materiellen Änderungen, die der Haushaltsausschuß zur Annahme vorschlägt, bewegen sich in einem sehr, sehr bescheidenen Rahmen. Weniger als 3 '°/o wurden bewegt gegenüber den Vorstellungen der Regierung. Sie enthalten im wesentlichen eine Verstärkung der Mittel für investive Maßnahmen bei der Landwirtschaft, und zwar um 62 Millionen auf 200 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß hat sehr deutlich gesagt, daß diese Mittel nicht der Zweckbestimmung dieses Gesetzes zuwider verwendet werden dürfen, sondern natürlich im Rahmen dieser Zweckbestimmung eingesetzt werden müssen und daß dafür nötigenfalls die Richtlinien geändert werden müssen. Wir glauben, daß das nicht sehr schwierig ist. Der aufgestaute Bedarf bei Baumaßnahmen, bei der Beschaffung von Landmaschinen ist so groß, daß meines Erachtens ein sehr rascher und sehr wirksamer Einsatz auch dieser Mittel möglich ist.
Insoweit möchte ich auch die etwas harte Kritik, die hier gegen den Landwirtschaftsminister erhoben worden ist, auf das vertretbare Maß zurückführen.
({18})
Die Kürzungen im Einzelplan 10 bedeuten eine schwere Einbuße gerade in konjunkturell besonders benachteiligten Regionen und im Bereich der sehr hart bedrängten Landmaschinenindustrie.
Herr Hermsdorf möchte eine Frage stellen.
Herr Windelen, haben Sie mich nicht richtig verstanden? Ich habe gesagt, daß die Kürzungen, die vom Landwirtschaftsminister angeboten worden sind, falsch waren und daß er selbst davon überzeugt war, daß sie falsch waren, und daß er hier den Eventualhaushalt als Rangierbahnhof benutzt.
Herr Kollege Hermsdorf, wir werden daran festzuhalten haben, daß es sich um Maßnahmen des Kabinetts handelt, keineswegs nur eines einzelnen Ressortministers.
({0})
Insofern möchte ich noch einmal sagen: Ich will die Kritik auf ein vertretbares Maß zurückführen.
Die fast völlige Streichung der Investitionshilfe hätte einen schweren Rückschlag für die Modernisierung und Rationalisierung unserer Landwirtschaft bedeutet, gerade in der Zeit, da der Übergang in die EWG besondere Anforderungen stellt. Die dafür vorgenommenen Kürzungen von 32 Millionen DM im Bereich des Hochbaus des Bundes und von 30 Millionen DM bei der Förderung der
Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung erscheinen vertretbar. Insgesamt werden nämlich die Mittel für die elektronische Datenverarbeitung gegenüber dem Vorjahr massiv erhöht, und das sollte man sehen. Sie werden nicht nur um den im Kreditfinanzierungsgesetz verbleibenden Ansatz von 20 Millionen DM für die Förderung der Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung, sondern um weitere 11 Millionen in dem gleichen Gesetz für die Beschaffung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen für die Kernforschung und dann noch um weitere 10 Millionen DM auf Grund eines neuen Titels im Einzelplan 31 erhöht.
Darüber hinaus ist sich der Haushaltsausschuß darin einig, daß die ordentlichen Mittel im Bundeshaushalt für diese Zwecke im Rahmen des Möglichen weiter erhöht werden sollen, so daß insgesamt 40 bis 50 Millionen DM für diesen Zweck in diesem Jahr zusätzlich aufgebracht werden. Zudem wäre auch der Einsatz von Darlehen in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang, nämlich 50 Millionen DM, für diesen speziellen Zweck nicht ganz unproblematisch gewesen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister kennt meine Haltung gerade zur Frage der elektronischen Datenverarbeitung; er kann also insoweit ganz beruhigt sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zum Schluß kommen. Alles in allem erscheint uns das Gesetz in der vom Haushaltsausschuß einstimmig verabschiedeten Fassung ein tragbarer Kompromiß zu sein.
Wir bitten um Annahme in dritter Lesung.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser rhetorisch großartigen und mit sehr sachverständigen Beispielen aus der Landwirtschaft gewürzten Rede des Herrn Kollegen Windelen muß ich doch zu zwei Äußerungen Stellung nehmen. Ich habe hier eine scharfe und dort eine maßvolle Rüge bekommen. Ich möchte eigentlich keine von beiden akzeptieren.
({0})
- Herr Kollege Hermsdorf, Sie werden mich jetzt nicht auf den Weg bringen, hier nicht die Regierungsvorlage zu verteidigen. Diese ist eine puritanische, hervorragende Leistung der Selbstentäußerung und wird von mir in vollem Umfang verteidigt.
Andererseits stehe ich aber nicht an, die Weisheit des Parlaments zu loben, dessen Haushaltsausschuß eine hervorragende Entscheidung für den ländlichen Raum getroffen hat.
({1})
Herr Abgeordneter Hermsdorf möchte eine Frage stellen.
Herr Minister, haben Sie nicht den Eindruck, daß Sie hier zwei Sachen ein wenig vermischen? Das Angebot der Kürzungen der einzelnen Ressorts war kein Kabinettsbeschluß, sondern hier haben die einzelnen Ressorts etwas angeboten. Da haben Sie die Investitionshilfe angeboten, Herr Minister Höcherl - das Parlament kennt Sie doch lange genug -, weil Sie wußten, daß das Parlament vernünftig sein und Ihre „falschen" Kürzungen wieder einsetzen würde.
({0})
Ich möchte meinen Respekt vor der Weisheit des Parlaments nicht so weit treiben, daß ich eine Erklärung, wie Sie sie mir zumuten, abgebe.
({0})
Ich darf aber folgendes sagen. Ich hatte hinsichtlich der Summe bzw. ihrer Höhe überhaupt keine Wahl. Der Umgang mit dem Finanzminister ist eine sehr komplizierte und schwierige Angelegenheit, auch wenn er der eigene Parteivorsitzende ist.
({1})
Andererseits ist es, um jetzt einmal ganz ernst zu sprechen, so, daß ich es angesichts der Situation, in der sich die Landwirtschaft heute befindet - wir haben den schlechtesten Grünen Bericht seit dem Jahre 1961/62, zusätzliche Belastungen im sozialen Bereich und eine hohe Arbeitslosigkeit gerade in den ländlichen Randgebieten -, nicht auf mich nehmen konnte, auf der Einkommensseite zu streichen. Das wäre angesichts des absoluten und des relativen Abfalls vom Vergleichslohn nicht korrekt gewesen.
Es war ganz und gar nicht einfach für mich, Maßnahmen, die wir schon lange gemeinsam betreiben und die auf lange Sicht fortgeführt werden müssen, in ihrer Wirkung zu gefährden. Deshalb habe ich bei der Flurbereinigung z. B. praktisch nichts gestrichen. Bei der Investitionshilfe, die ja in Zukunft die entscheidende Strukturmaßnahme, auf den Betrieb bezogen, sein soll, mußte ich leider streichen, um die 150 Millionen DM unterzubringen, die das Hohe Haus nicht in das Gemeinlastverfahren bei der Berufsgenossenschaft umwandeln wollte. Das hätte nämlich bedeutet, daß die Beiträge um 75 % hätten erhöht werden müssen. Das waren die Motive; ich glaube, sie sind korrekt und gerechtfertigt.
Und nun haben Sie mich aus einer großen Verlegenheit befreit. Sie haben mir trotzdem die Gelegenheit gelassen, hier die Regierungsvorlage anzuerkennen und zu verteidigen. Das halte ich für ein sehr erfreuliches Ergebnis. Ich werde durch meine Richtlinien dazu beitragen, daß auch der ländliche Raum, der darauf genauso einen Anspruch hat wie die Ballungsräume, die auf dem Investitionssektor natürlich in erster Linie angesprochen werBundesminister Höcherl
den, eine Belebung erfährt und nicht das Gefühl hat, daß er vergessen wird.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Haas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Abgeordnete Windelen von einem Prozeß heroischer Selbstverleugnung bei dieser Gesetzesinitiative gesprochen hat, wollen wir bei der Opposition auch keine Unmenschen sein. Es ist so schön, und es ist in einer parlamentarischen Geschichte auch, glaube ich, ziemlich einmalig, wenn man einen so weitgehenden Läuterungsprozeß durchmacht.
Also schön, meine Damen und Herren von der Koalition: wir, die Opposition, stimmen der Gesetzesinitiative zu, wir stimmen auch dem Änderungsantrag zu, und wir sind so freundlich, daß wir dem Herrn Landwirtschaftsminister noch nicht einmal eine Rüge erteilen. Im Gegenteil, wir freuen uns, Herr Landwirtschaftsminister, daß Sie heute morgen im Ausschuß und daß Sie wahrscheinlich auch heute nachmittag hier im Plenum ein Pflaster von plus 62 Millionen DM bekommen haben. Das ist ja immerhin etwas. Natürlich mußten die irgendwo weggenommen werden, und da tut es nun natürlich auch wieder weh, z. B. bei der Datenverarbeitung. Aber das kann man im Moment nicht ändern. Nur möchten wir wegen der Dringlichkeit dieser Vorhaben hier wenigstens die Hoffnung äußern, daß die auf diesem Gebiet vorgesehenen Programme und Kreditbereitstellungen irgendwie in Kürze nachgeholt werden können.
Wir freuen uns auch darüber, daß man dem § 2 einen Abs. 2 angefügt hat, der dafür sorgen soll, daß Aufträge bevorzugt in Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit gegeben werden, wobei man, wie wir meinen, insbesondere an die Zonenrandgebiete zu denken hat.
Über alle Freude und Zustimmungsfähigkeit der Fraktion hinaus möchte ich aber doch noch einige grundsätzliche Dinge sagen. Grundsätzliche Einwendungen sind ja immerhin in mehrfacher Hinsicht gegen diesen Gesetzentwurf erhoben worden. Ich will ganz kurz darauf eingehen. Es ist gesagt worden, daß dieser Eventualhaushalt vornehmlich dem Ausgleich vorgenommener Kürzungen diene. Dieser Einwand ist - ich möchte das sagen - auch nach unserer Meinung zum größten Teil ungerechtfertigt.
({0})
Ernst zu nehmen ist aber ein weiterer Einwand, nämlich der, daß das Volumen dieses Haushalts in Höhe von 2,5 Milliarden DM nicht ausreichend erscheine, daß die Gefahr gegeben sei, daß diese Beträge in den Wirtschaftszweigen, in die sie gegeben würden, versickern würden und am Ende „verkleckert" seien. Meine Damen, meine Herren, wir können nicht bestreiten, daß diese Möglichkeit gegeben ist. Uns fehlt die prophetische Gabe in bezug auf die zukünftige Entwicklung der deutschen
Wirtschaft, in bezug auf das Abklingen der feststellbaren Rezession. Es ist möglich, daß diese Gefahr sich am Ende realisiert. Diese Tatsache ist es auch gewesen, die bei uns erhebliche Bedenken bei der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf hervorgerufen hat.
Es wird drittens genau der gegenteilige Einwand gegen dieses Gesetz erhoben und gesagt, daß der Betrag von 2,5 Milliarden DM zu hoch sei, da die Rezession ohnedies bereits sichtbar im Abklingen begriffen sei und es dieser 2,5 Milliarden DM also gar nicht bedürfe. Ich will offen sagen, daß mir, soweit die bisherigen Statistiken ein klares Bild über das Ausmaß dieser Rezession erkennen lassen, dieser Einwand nicht sehr glaubhaft erscheint.
Herr Kollege Junghans von der SPD hat im ersten Durchgang hier das Verdienst erworben, statistische Angaben gemacht zu haben, die uns nach Prüfung richtig erscheinen. Danach sieht es eben nicht so aus, als sei im Augenblick ohne diese Kredithilfe auszukommen und der konjunkturelle Abschwung zu vermeiden. Es ist also durchaus möglich, daß diese 2,5 Milliarden DM nötig und auch ausreichend sind, die jetzige Rezession aufzufangen.
Meine Damen und Herren, ich bin weit davon entfernt, die heutige wirtschaftspolitische Situation etwa mit der großen Wirtschaftskrise der Jahre 1930 bis 1932 zu vergleichen. Aber immerhin, wir Älteren, die wir diese Zeit durchlebt und die deflationäre Entwicklung insbesondere der Jahre 1931 und 1932 mit ihren verheerenden staatspolitischen Folgen noch durchaus im Gedächtnis haben, wissen, wie sich solche Entwicklungen von der Wirtschafts- und Innenpolitik sehr rasch auf die Staatspolitik, auf das demokratische Verhalten des Staatsbürgers auswirken können. Ich entsinne mich z. B. sehr genau, im Jahre 1931 eine Abhandlung des bekannten Volkswirtschaftlers Bonn gelesen zu haben, der damals gefordert hat, man solle die deflationäre Tendenz des Jahres 1931 damit konterkarieren, daß man ein Arbeitsbeschaffungsprogramm in einem Umfang von 1,5 Milliarden RM auflege. Herr Bonn ist damals nicht durchgedrungen. Man ist dem Schrumpfungsprozeß der deutschen Wirtschaft im damaligen Deutschen Reichstag nicht mit Taten begegnet, im Gegenteil: man hat ihn durch Notverordnungen, Gehaltskürzungen usw. noch aktiv gefördert. Das war sicherlich falsch, und das hat am Ende das furchtbare Ergebnis des Jahres 1933 mit herbeigeführt.
Wenn hier nun sehenden Auges ein anderer Weg beschritten wird, so wird man dafür grundsätzlich Verständnis haben müssen. Bitte haben Sie aber auch Verständnis dafür, daß wir an der grundsätzlichen Regel Haushaltsvolumensmehrung gleich Bruttosozialproduktsmehrung festhalten wollen. Auch der Kollege Scheel von meiner Fraktion, der im ersten Durchgang hierzu sprach, hat erklärt, daß man an diesem Grundsatz festhalten solle, wenn man ihn selbstverständlich auch nicht sklavisch anwenden dürfe.
Es mögen einmal besondere Verhältnisse vorliegen, und wir glauben ja, daß wir jetzt exzeptionelle Verhältnisse haben, welche dieses exzeptionelle Gesetz rechtfertigen. Es mag also einmal so sein, daß solche Verhältnisse vorliegen und daß man es am Ende mit seinem wirtschafts- und finanzpolitischen Gewissen gerade noch vereinbaren kann, in concreto bis zu einer Volumensmehrung von 11 % zu gehen, wie Ihnen das ja der Kollege Scheel attestiert hat. Aber dann muß man natürlich zu irgendeiner späteren Zeit einen Ausgleich finden. Man muß dann auch wieder einmal unter die Bruttosozialproduktsmehrung herunterkommen, und das ist natürlich schwierig. Die Bundesregierung hat das in den letzten Jahren nie fertiggebracht. Noch viel weniger haben es die Landesregierungen fertiggebracht. Bei einem Rückblick auf die letzten vier oder fünf Jahre muß man sagen: sie sind mit ihren Volumensmehrungen in aller Regel über den Volumenszuwachs des Bundes hinausgegangen. Darauf ist hinzuweisen; denn wir müssen ja wieder einmal auf gleich kommen. Wenn man das nicht tut, werden die Folgen natürlich spürbar sein.
Ich habe Ihnen unsere Bedenken dargelegt, aber gleichwohl gesagt, daß und warum wir willens sind, zuzustimmen. Damit haben wir dem Wachstumsgesetz zugestimmt. Dieses Gesetz ist sehr rasch über die Bühne gegangen. Das andere Gesetz, das lange vorausgegangen ist und doch in etwa ein Korrelat zu diesem Gesetz darstellen soll und muß, das Stabilitätsgesetz, ist noch nicht über die Bühne gegangen.
({1})
Ich will die Gründe nicht untersuchen. Es ist allzu lange in irgendwelchen Ausschüssen, im Rechtsausschuß usw., hängengeblieben. Aber Sie, meine Damen und Herren, und selbt die jetzige Regierung, Sie werden unglaubwürdig, wenn Sie dieses Stabilitätsgesetz nicht sehr bald zur Verabschiedung bringen.
({2})
Sie können heute auch nicht mehr sagen, daß irgendwelche Hinderungsgründe bestünden;- denn die Koalition schafft Ihnen ja auch die verfassungsändernde Mehrheit, die Sie für dieses Gesetz brauchen. Ich vermag also nicht einzusehen, warum die weitere Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzes noch lange hintangehalten wird.
({3})
Die Verabschiedung beider Gesetze sollte eigentlich in einem Akt geschehen; denn die Parole heißt ja bekanntlich Stabilität und Wachstum, wobei wir nicht, wie es neulich in der Regierungserklärung geschehen ist, die beiden Begriffe umkehren. W i r sagen nicht: Wachstum und Stabilität, sondern: Stabilität und Wachstum.
Also bitte, ziehen Sie so rasch wie möglich dieses andere Gesetz nach! Das ist nur gerechtfertigt.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen dieser allgemeinen Aussprache möchte ich mir nur einige wenige allgemeine Bemerkungen zu dem berühmten § 2 des Gesetzes erlauben, der bekanntlich die Position enthält, für die die Mittel vorgesehen sind. Haben Sie keine Sorge, meine Ausführungen gehen nicht in Richtung eines Ergänzungshaushalts, um damit wieder die Haushaltsgeschädigten zu trösten, obwohl ich großes Verständnis habe für die legitimen Bemühungen der Landwirtschaft - ich sage: für die legitimen Bemühungen, mindestens soweit die Maßnahmen in das Investitionsgesetz hineinpassen -, in Ihrer Sache wieder einigermaßen zum Zuge zu kommen. Ihre Mittel sind nach meiner Meinung im ordentlichen Haushalt weit über dem Durchschnitt gekürzt worden.
Der § 2 hat -- Herr Kollege Windelen hat darauf schon hingewiesen - durch seinen Abs. 2 eine wert volle Ergänzung erfahren. Meine Freunde von der CSU und ich haben in der Drucksache V/1384 die Bundesregierung in Form einer Kleinen Anfrage schon auf das Phänomen aufmerksam gemacht, daß die Arbeitslosigkeit innerhalb der Bundesrepublik außerordentlich differenziert ist, daß wir Gebiete mit 15 und 20% Arbeitslosen, da und dort sogar Landkreise mit 35 und 40 % Arbeitslosen haben. Diese Differenziertheit hat uns veranlaßt, die Bundesregierung mittels einer Kleinen Anfrage auf das Problem aufmerksam zu machen, mit der stillschweigenden Bitte, beim Eventualhaushalt diese Problematik mit in die Maßnahmen einzubauen.
Leider hat die Bundesregierung in dem Entwurf, den sie den Koalitionsparteien als Ausgangsposition für deren Initiative vorgelegt hat, eine derartige Maßnahme nicht vorgesehen. Aus diesem Grunde wurde von mir im Arbeitskreis der Antrag auf Ergänzung des Gesetzes gestellt.
Ich muß ehrlich sagen, meine Damen und Herren: ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß die Bundesregierung diese Regionalwirtschaftsfrage nicht in das Gesetz hat einbauen wollen. Denn es ist nicht ganz einfach, die Frage der regionalen Wirtschaft, wie ich sie sehe, und die Zielsetzung des Kreditfinanzierungsgesetzes in eine harmonische Übereinstimmung zu bringen. Die Zielsetzung dieses Gesetzes ist, Maßnahmen mit unmittelbar konjunkturbelebender Wirksamkeit zu ergreifen, und damit Maßnahmen für eine Wirtschaftsförderung in wirtschaftsleeren Räumen in sinnvollem Zusammenhang zu bringen, ist natürlich sehr schwierig. Ich glaube aber trotzdem, daß mit dem vorgeschlagenen Abs. 2 eine vernünftige Lösung gefunden wurde.
Das Ansteigen der Arbeitslosenzahlen in weiten Teilen des flachen Landes unserer Bundesrepublik zeigt wiederum die Unausgeglichenheit unserer Wirtschaftsstruktur. Deshalb, Herr Bundeswirtschaftsminister, eine sehr herzliche Bitte. Regionale Wirtschaftsfragen haben leider Gottes in der Vergangenheit nach meiner Kenntnis innerhalb der Bundesregierung noch nie die Rolle gespielt, die ich ihnen immer gern zugewiesen hätte. Nach meiner Auffassung müssen wir ernsthaft an eine sinnNiederalt
volle Raumordnung, an eine sinnvolle Strukturpolitik herangehen; und das bedeutet: Schaffung von Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren, und sonst gar nichts.
Es ist von der menschlichen Seite aus untragbar, wenn in einem Gebiet 30, 35 und 40 % Arbeitslose sind, während der Bundesdurchschnitt viel niedriger ist. Es ist aber politisch außerordentlich gefährlich, wenn dieses Gebiet noch dazu entlang des Eisernen Vorhangs liegt.
({0})
Ich glaube, dann wird diese menschliche Frage, die uns alle bewegen muß, für die wir alle die Verantwortung tragen, zu einem ernsthaften Politikum. Deshalb immer wieder die Bitte, durch Schaffung von Arbeitsplätzen langsam aber sicher diese unausgeglichene Wirtschaftsstruktur in unserer Bundesrepublik etwas zu verbessern.
Ich bin in meinem Wahlkreis, der ja leider Gottes auch von der großen Arbeitslosigkeit betroffen ist, in vielen Gesprächen der Ursache dieses sehr raschen Ansteigens nachgegangen.
Herr Abgeordneter Niederalt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Niederalt, können Sie sich vorstellen, daß jener Raum, von dem Sie sprechen, auch von einer anderen Ebene als vom Bund in der Vergangenheit hätte gefördert werden können und auch in der Zukunft gefördert werden könnte, was Raumordnung und vorsorgliche Maßnahmen betrifft? Wäre das nicht z. B. auch eine Sache des Bayerischen Landtags?
Aber natürlich! Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Das habe ich ja schon vor zehn Jahren hier ununterbrochen gesagt. Im übrigen - das muß man der Gerechtigkeit halber sagen - sind fast alle Länder sehr intensiv in die regionale Wirtschaftsförderung eingestiegen. Ich kann Ihnen beispielsweise von Bayern sagen, daß ein sehr ausgeprägtes Grenzlandprogramm besteht. Ich kann Ihnen das auch von Niedersachsen, ich kann es Ihnen von Nordrhein-Westfalen sagen. Die Länder haben in den letzten Jahren - das muß der Gerechtigkeit halber gesagt werden - in diesen Punkten schon ihre Pflicht erfüllt. Wir müssen uns - ich nehme an, Herr Kollege, daß Ihre Zwischenfrage der Sache dienen will -, glaube ich, bei unseren steuerpolitischen Maßnahmen im Laufe der Zeit etwas einfallen lassen.
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Langebeck? - Bitte sehr!
Herr Kollege, sind Sie der Auffassung, daß die Maßnahmen im Lande Bayern - und hier meine ich gerade den Bayerischen Wald - heute schon die Erfolge hinsichtlich der
Arbeitsplätze, von denen Sie sprachen, zeitigen, oder ist nicht auch eine Unterlassung darin zu sehen, daß wir dort mit einer Arbeitslosigkeit von 35 bis 40 % zu rechnen haben?
Ihre Frage, Herr Kollege, bringt mich auf ein sehr interessantes Thema, das ich bei dieser Gelegenheit ganz kurz behandeln möchte. Ich war auch erschüttert, als ich diese hohen Arbeitslosenziffern sah. Ich habe mir gesagt: Jetzt haben wir im Bund seit 1953 das regionale Förderungsprogramm, wir wenden Jahr für Jahr etwa 140 Millionen DM - seit einigen Jahren sind es 170 Millionen DM - für diese Zwecke auf. Auch die Länder haben viel getan. Wie kommt es, daß man noch keine sichtbaren Erfolge dieser Maßnahmen sieht? Ich bin darauf gekommen. Ein großer Teil dieser Arbeitslosen entsteht immer wieder neu dadurch, daß im gleichen Maße, wie man neue Arbeitsplätze schafft, neue Arbeitskräfte zuwachsen. Wir haben in diesen Räumen einen wesentlich größeren Zuwachs von Arbeitskräften als in den übrigen Räumen. Das ist der Grund, weshalb die Erfolge der bisherigen Maßnahmen, die zweifellos vorhanden sind, nicht optisch sichtbar werden.
({0})
Meine Damen und Herren, ich will Sie nur auf dieses Problem aufmerksam machen, um ganz allgemein wieder einmal die Bedeutung einer regionalen Wirtschaftsförderung zu unterstreichen. Aus der Zeit, als ich noch im Kabinett war, als ich im sogenannten Fünferausschuß mitwirken mußte oder durfte, weiß ich, daß man sich in den Überlegungen innerhalb der Verwaltung vielleicht auch ein wenig an das regionale Förderungsprogramm gewagt hat. Wir konnten es verhindern, und ich bin auch der jetzigen Bundesregierung dafür dankbar, daß sie auf diesem Gebiet nichts hat streichen lassen. Ich glaube, wir müssen diese Maßnahmen sogar noch intensivieren.
Der Abs. 2, der so schön lautet: „Bei der Vergabe von Aufträgen sind Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit bevorzugt zu berücksichtigen", ist vom Gesetzgeber, wenn Sie, meine Damen und Herren, ihn in der dritten Lesung so beschließen, sicher gut gemeint und ist auch gut durchdacht. Er wird aber in seiner Wirksamkeit erst gut werden - und das ist der eigentliche Grund, warum ich mich zu dieser Frage zum Wort gemeldet habe -, wenn die Exekutive in allen ihren Ressorts ernsthaft den guten Willen hat, diese Maßnahme auch sinnvoll durchzuführen.
Nehmen wir beispielsweise den Bereich des Bundesverkehrsministers. Er hat ja die Aufsicht über die Bundesbahn. Bundesbahn - da stocke ich schon. Nach meinen Erfahrungen als Wahlkreisabgeordneter, meine sehr verehrten Damen und Herren - ich muß das hier einmal sagen -, ist die Bundesbahn nach wie vor bestrebt, so etwas wie ein Staat im Staate zu sein. Ich habe Verständnis, daß die Bundesbahnverwaltung in Frankfurt und in den Direktionen natürlich in erster Linie an die Bundesbahninteressen denkt. Aber wir müssen erwarten - und ich bitte den Herrn Bundesverkehrsminister speziell,
mit uns darüber zu wachen -, daß alle Maßnahmen der Bundesbahn in die Gesamtrichtung der Wirtschaftspolitik eingebettet sind. Es darf einfach nicht mehr vorkommen, meine Damen und Herren, daß der Steuerzahler, daß der einfache Bürger das Gefühl hat: Da gibt man in Bonn für das regionale Förderungsprogramm Jahr für Jahr soundso viele Millionen aus, da tut die Bayerische Staatsregierung noch ein Übriges mit Grenzlandmitteln, und was die eine Hand gibt, das nimmt die andere Hand dadurch, daß die Bundesbahn aus engstirnigen Bundesbahninteressen Maßnahmen einleitet, die das Gegenteil von dem bewirken, was die Steuerzahlergelder bewirken sollen. Das muß in die Gesamtrichtung der Bundespolitik eingebettet sein; das ist mein ernster Appell an den Bundesverkehrsminister.
Mein Appell an den Bundespostminister: Ich darf Ihnen aus meinem Wahlkreis ein praktisches Beispiel erzählen.
({1})
- Doch! Damit Sie sehen, wie diese Maßnahmen praktisch vollzogen werden können. Wir haben in einem Landkreis einen neuen Betrieb. Der neue Betrieb braucht ein zweites Telefon, braucht einen Fernschreiber. Nichts bekommt er, weil der Plan der Bundespost, das Ortsnetz zu verstärken, nicht durchgeführt wurde. Dafür sind diese Mittel hier. Dort können sie eingesetzt werden. Deshalb brauchen wir den guten Willen der Exekutive.
Wir brauchen den guten Willen auch bei den Ländern.
({2})
- Ich muß aus meiner Verantwortung sprechen, Sie aus Ihrer. Wir brauchen den guten Willen der Länder bei der Durchführung. Meine Bitte geht dahin, bei allen Zuteilungen an die Länder, die global erfolgen, auf diesen Abs. 2 besonders hinzuweisen. Nur dann, wenn die Exekutive wirklich guten Willen mitbringt, wird dieses Gesetz, wie wir alle hoffen, ein gutes Gesetz werden.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit großem Recht haben verschiedene Sprecher dieses Hohen Hauses betont, daß dieses wichtige Gesetz vom Plenum und vom Haushaltsausschuß in ungebührlicher Eile behandelt werden mußte. Wir von der Bundesregierung können das nur anerkennen, wir können das zur Kenntnis nehmen. Wir können nur sagen: Diese Eile ist nicht durch uns veranlaßt. Sie ist veranlaßt durch das, was wir in der deutschen Wirtschaft vorgefunden haben, einfach durch die Lage, die wir konstatieren müssen, und durch die Fülle der Maßnahmen,- die wir ergreifen mußten. Denken Sie an die Kürzung oder Eliminierung des Haushaltsdefizits, denken Sie an die Einbringung der Verordnung über die Sonderabschreibungen, die dieses Hohe Haus ebenfalls mit sehr großer Eile beschlossen hat, und denken Sie an diese Operation!
Wie wir allesamt durch die wirtschaftliche Situation zu schnellem Handeln gezwungen sind, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen an einem Beispiel zeigen. Ich habe gerade in diesen Tagen die letzten Ergebnisse des Ifo-Testes für Januar 1967 bekommen, aus der schönen Stadt München und damit in jeder Weise über jede Kritik erhaben.
({0})
In den Testergebnissen für Januar 1967 zeichnet sich noch keine Wende der Industriekonjunktur ab. Ich darf zitieren:
1. Die Nachfrage blieb ausgesprochen schwach. Der Auftragseingang ging weiter zurück. Die Auftragsbestände gelten - bei rückläufiger Entwicklung - häufiger als im Dezember 1966 als unzureichend, ({1}).
2. Die Produktion wurde unter diesen Bedingungen mehr als saisonüblich gedrosselt. Die Kapazitätsausnutzung sank auf 77 % gegenüber 85 °/o im Januar 1966. Trotzdem nahm der Druck der Fertigwarenbestände noch zu.
3. Für die kommenden Monate erwartet man eine schwache Produktionsentwicklung. Der für die Herbstmonate 1966 typische Pessimismus
- und nun kommt ein Silberstreif hat jedoch nicht weiter um sich gegriffen; er scheint im Gegenteil abzuklingen. Die Zahl der Firmen, die eine Verschlechterung der Geschäftslage erwarten, sinkt.
Soweit das Zitat aus dem besagten neuesten Konjunkturtest.
Sie sehen also, die Lage im Januar war noch wenig schön, aber ein leichter, leichter Silberstreifen war zu sehen. Deswegen die Eile von uns allen in diesem Hause. Sie ist also damit begründet: wir müssen konjunkturpolitisch schnell, zügig und zugleich sorgfältig handeln.
Ein Zweites zur Interpretation des Gesetzes, wie es jetzt dem Hohen Hause zur endgültigen Abstimmung vorliegt. Es geht um 2,5 Milliarden DM als Ganzes.
({2})
Ich halte mich bei der Interpretation des § 3 Abs. 2,
wo das Sofortprogramm noch einmal erwähnt wird
- mit einzelnen Positionen -, an die wohl offizielle Interpretation und die Aussage des Herrn Abgeordneten Hermsdorf: Mit dem § 3 Abs. 2, wo also das Sofortprogramm erwähnt wird - so habe ich es verstanden, und so faßt es nun die Bundesregierung auf -, wird nachträglich das rasche Handeln des Bundesfinanzministers legalisiert. Genau genommen - diese Bemerkung darf ich mir in Klammern erlauben - wird das schon durch den § 2 legalisiert, wo in allen Summen des GesamtBundesminister Dr. Schiller
programms natürlich das Sofortprogramm enthalten ist. Aber wir nehmen diese Interpretation mit großer Freude entgegen und fassen damit dieses ganze Werk nicht als eine Sache auf, die in Raten, in Teilzahlungen abgewickelt wird, sondern wir halten uns an § 3 Abs. 1, so daß wir zügig, ohne Ratenzahlung, ohne Tranchenbildung, in Fühlungnahme mit dem Haushaltsausschuß, die 2,5 Milliarden DM so schnell wie möglich in die deutsche Wirtschaft bringen. Das ist unsere Interpretation. Ich sehe, daß der Herr Abgeordnete Hermsdorf mir zustimmt; ich danke sehr dafür.
Wir haben heute morgen einen großen Kampf gekämpft um läßliche und nicht mehr läßliche Sünden, einen fast theologischen Kampf. Dieser Kampf ist abgeschlossen.
({3})
Im Namen der Bundesregierung danke ich dem Hohen Hause für seine große Hilfsbereitschaft und für sein Verständnis. Wir nehmen als Resultat: Mit diesem Beschluß heute macht der Deutsche Bundestag eine Offerte, eine Offerte an die deutsche Wirtschaft und an alle, die für das Wirtschaftsleben in unserer Gesellschaft verantwortlich sind. Das heißt, mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages wird dokumentiert, wird eindeutig klargestellt: Der Staat geht hier voran. Jetzt ist die Privatinitiative am Zuge.
({4})
Marktwirtschaftler aller Ränge und aller Dienstgrade, bewährt euch nun!
({5})
Damit möchte ich abschließen und noch einmal danken.
({6})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die dritte Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über das Kreditfinanzierungsgesetz 1967. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. Bei einigen wenigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe den Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, des Gesetzes über das Branntweinmonopol, des Zollgesetzes und des Umsatzsteuergesetzes ({0})
-- Drucksache V/1358 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/1467 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2})
- Drucksachen V/1455, zu V/1455 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SchmidBurgk
({3})
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Dr. Schmid-Burgk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht des federführenden Finanzausschusses liegt Ihnen vor. Gestatten Sie mir als Berichterstatter noch einige Ergänzungen. Sie können und werden kurz sein, denn dieses Gesetz ist ohne Glanz und Gloria. Im wesentlichen war es bisher nicht kontrovers, und es wird es wohl auch nicht sein. Es ist auch ohne irgendeinen spezifischen geistigen Gehalt, es sei denn den - nun allerdings sehr wichtigen -, möglichst ohne Ärgernis und Schaden und ohne Steuererhöhung Geld in die leere Bundeskasse zu bringen, wo auch immer man es findet.
Die, wie ich meine, sicherlich allgemein gebilligte Grundrichtung dieses Gesetzes - wenn man das Gemeinsame der heterogenen Bestimmungen sieht -- liegt wohl darin, daß den Steuervergünstigungen zu Leibe gerückt werden soll, bevor allgemeine oder spezielle Steuererhöhungen erfolgen. Nun allerdings zeigt sich - wie so oft, so auch hier -: So richtig und allgemein gepriesen der Grundsatz, Subventionen und Steuervergünstigungen abzubauen, ist, so schwierig und problematisch wird es dann im einzelnen, wenn man im konkreten Fall entscheiden soll. Und so ist es auch hier dazu gekommen, daß bei aller grundsätzlichen Zustimmung zu dem ja von den Regierungsparteien selbst eingebrachten Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen werden.
Ein besonderes weiteres Merkmal des Gesetzentwurfs, auf das ich an dieser Stelle besonders hinweisen möchte, ist, daß die vorgesehenen Einnahmeverbesserungen ganz überwiegend, nämlich in Höhe von 1,1 Milliarden DM von insgesamt 1,3 Milliarden DM für die beiden Jahre 1967 und 1968, und nach den Vorschlägen des Finanzausschusses sogar fast ausschließlich auf der Verkürzung der Verbrauchsteuerfristen beruhen. Nun, solche Mehreinnahmen sind einmalig. Sie sind nicht wiederholbar. Die Struktur der Staatsfinanzen wird aufs Ganze gesehen natürlich wenig geändert, wenn ein Teil der Verbrauchsteuern nun wenige Wochen oder vielleicht sogar nur wenige Tage früher bezahlt wird und dadurch bisherige Januar-Zahlungen noch im alten Haushaltsjahr hereinkommen. Wir sind uns dieses beschränkten und vielleicht auch fragwürdigen Wertes bewußt. Wir halten es aber doch für legitim und vertretbar, solange es eben im Haushalt die Zäsur der Sylvesternacht gibt.
Unter dem Motto des Abbaues zinsloser Staatskredite sollen, wie ich sagte, die Verbrauchsteuerfristen verkürzt werden. Das ist im Grunde wiederum überzeugend und beifallswert, obwohl man nicht
vergessen darf, daß dadurch doch den Betrieben, die diese Kredite bisher haben, wichtige Liquidität entzogen wird. Bei näherem Zuschauen wurden die Dinge auch hier problematischer. Wir standen nämlich vor der Frage: Wann liegt nun ein zinsloser Staatskredit vor? Die Steuerschuldner der Verbrauchsteuern sind ja im Grunde unsere - des Staates -, wenn Sie so wollen, unbezahlte Steuereintreiber, indem sie mit jeder Zigarette, mit jedem Liter Benzin, mit jeder Flasche Sekt und was noch verbrauchsbesteuert ist, im Preis das einziehen, was der Staat vom Verbraucher haben will.
Es ist ein allgemeiner - und wie ich meine einleuchtender - Grundsatz, daß dieser Steuereinzieher nicht gezwungen werden sollte, diese Steuer vorzufinanzieren, anders ausgedrückt, sie nicht früher in die Fiskalkasse einzuzahlen, als er sie im Erlös von seinen Abnehmern der Ware erhalten hat oder erhalten kann. Diese letztere Frist nun ist durch betriebsnotwendige Vorratshaltung, durch Transportzeiten, durch den ganzen betriebswirtschaftlichen Ablauf und auch durch die Zeit des Geldeingangs bestimmt. Aus Wettbewerb und Marktstruktur heraus ergeben sich dabei auch gewisse Zahlungsziele, die man aber nun natürlich nicht ad infinitum sozusagen mit der Steuerzahlungsfrist beliebig lange honorieren und damit vielleicht erst ermöglichen kann.
Das, meine Damen und Herren, war der Ausgangspunkt in den Beratungen des Finanzausschusses. Soweit er sich in der kurzen - und wie ich sagen möchte: leider zu kurzen - Zeit, die ihm zur Verfügung stand, ein Bild machen konnte, kam er zu dem Ergebnis, das im Schriftlichen Bericht niedergelegt ist, daß nämlich eine Verkürzung der ohnehin, gemessen an den anderen Verbrauchsteuerfristen, relativ kurzen Frist bei der Zigarettensteuer, zur Zeit jedenfalls, nicht angebracht ist und daß die Steuerfristverkürzung bei der Mineralölsteuer zu halbieren ist.
Die Entscheidung wurde dem Finanzausschuß dadurch erleichtert, daß durch eine einmalige Vorziehung der Zahlungen zum Jahresende bei der Zigarettensteuer und durch gewisse Manipulationen bei der Mineralölsteuerzahlung insgesamt - jedenfalls für das Jahr 1967 - keine haushaltsmäßige Verschlechterung eintritt. Allerdings wird das im Jahre 1968 etwas anders sein.
Nun noch kurz zu den fortdauernden Einnahmen, die nach dem Gesetzentwurf beabsichtigt waren. Über die 3 Millionen DM Tabaksteuer, die sich aus der Abschaffung der Steuerfreiheit der Deputate ergeben sollten - der Finanzausschuß hält das nicht für richtig -, möchte ich keine weiteren Worte verlieren. Wichtiger ist, daß in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, die Bemessungsgrundlage beim aktiven Eigenveredelungsverkehr in der Ausfuhrvergütung zu mindern. Das kann sachlich durchaus berechtigt sein. Hier liegt in der Tat eine gewisse steuerliche Bevorzugung. Aber dem steht entgegen - und deswegen erwähne ich es hier -, daß es die Umsatzsteuer betrifft und daß wir, wie ich hoffe, am 1. Januar 1968 die neue Nettoumsatzsteuer haben werden und sich dann das alles automatisch auflöst. Der Finanzausschuß hielt es nicht für richtig, für die kurze Zeit-bis dahin nun noch Änderungen vorzunehmen, über deren wirtschaftliche Auswirkungen teilweise gar keine Klarheit besteht und die sicherlich manche Härte und Komplikationen gebracht hätten, wenn es sich im nächsten Jahr doch automatisch regelt.
Von einer gewissen grundsätzlichen Bedeutung ist schließlich der letzte Posten der Einnahmeverbesserungen, die nach dem Entwurf fortdauernd sein sollten, die Aufhebung des sogenannten Mineralölsteuerprivilegs bei der Weiterverarbeitung in den Raffinerien. Der Ausdruck Privileg mag dazu angereizt haben, das auf die Abschußliste zu setzen. Aber es zeigt sich, daß das, ob man es nun Privileg nennt oder nickt, selbst wenn man grundsätzlich Privilege abschaffen will, bedenklich ist. Es geht darum, daß seit Einführung der Mineralölsteuer der Mineralölverbrauch - insbesondere der Heizölverbrauch - der Raffinerien im eigenen Betrieb nicht noch einmal einer besonderen Mineralölsteuer unterliegt. Diese Steuerfreiheit ist ringsum in den EWG-Staaten ebenfalls vorhanden. Würden wir nun diese Steuerfreiheit beseitigen, so würde - und das war für den Finanzausschuß wesentlich - die deutsche Mineralölindustrie gegenüber der der Nachbarländer benachteiligt. Es könnten sich Wettbewerbsverschiebungen und auch für die Bundesrepublik ungünstige Entscheidungen bei den Investitionen ergeben. Wir haben deswegen, jedenfalls für das Jahr 1967, die Aufhebung dieser Mineralölsteuerfreiheit nicht für richtig gehalten. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß diese Mineralölsteuerfreiheit auch in den anderen Ländern beseitigt wird. Sollte das nicht der Fall sein, so müßte über die getroffene Regelung erneut gesprochen werden.
Es zeigt sich auch hier, daß dieses Gesetz im Grunde manche Fragen offen läßt, daß es eben ein Zwischengesetz ist, ein Gesetz ohne Glanz und Gloria, allerdings ein insofern unausweichlich nötiges Gesetz, als es die Haushaltslücke des Jahres 1967 decken hilft. Ich bitte daher um Annahme.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Änderungsanträge in zweiter Beratung liegen nicht vor. Es liegen auch keine Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Art. 1 bis 8 sowie über Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende
Gesetz sollte den Effekt verfolgen, eine Deckungslücke im Haushalt ausgleichen zu helfen. Nun ist es ja bei einem Finanzminister nicht anders als bei einem normal Sterblichen. Wenn es jemandem schlecht geht, beginnt er, darüber nachzudenken, wie er an anderer Leute Geld kommt. Bei diesem Gesetz ist es ganz ähnlich. Der Finanzminister oder, besser gesagt, die Herren seines Hauses haben darüber nachgedacht, wie sie an das Geld der Bürger herankommen können, und zwar bevor sie eigentlich dazu berechtigt gewesen wären.
({0})
- Der Finanzminister ist eben ein Mann, der eine Phantasie hat. Er muß sich auch bemühen, an das Geld der Leute heranzukommen.
({1})
- Wir haben gar nichts dagegen. Ich bin nicht der Meinung, daß das a priori ein Zug des Finanzministers wäre, der ihm nicht zukommt, sondern ich würde sagen, das Haus hat dafür zu sorgen, daß das Ganze in entsprechenden vernünftigen Bahnen verläuft. Das ist die Aufgabe.
Wir halten diesen Gesetzentwurf, wie er uns ursprünglich vorgelegt wurde, für eine sehr bedenkliche Sache. Denn in ihm sind eine Reihe von Maßnahmen gebündelt, die verschieden bewertet werden müssen.
Verbrauchsteuern - das vorweg - sind Steuern, die, wie schon der Name sagt, der Verbraucher zahlt. Der Hersteller ist eine Art Steuereinnehmer. Er ist jetzt schon der Steuerschuldner, was problematisch genug ist. Man sollte ihn nicht auch noch dazu zwingen, Steuern, die erst beim Verbraucher fällig werden, aus seiner eigenen Tasche zu zahlen; denn damit würde man ihn zum Gläubiger des Bundes machen.
Nun ist in der Begründung des Gesetzentwurfs gesagt, daß die Fristen, die für die verschiedenen Verbrauchsteuerarten vorgesehen waren, zu lang waren. Die Prüfung hat ergeben, daß diese Begründung nur sehr partiell zutrifft. Bei einem großen Teil der hier angeführten Sachverhalte ergab sich, daß die Termine in gar keiner Weise zu lang waren und daher auch eine Änderung dieser Termine nicht möglich war.
Die Vorlage, die dem Hohen Hause heute zur Annahme in dritter Lesung vorliegt, ist im Finanzausschuß und im mitberatenden Wirtschaftsausschuß sehr stark zerzaust worden. Sie stellen schon äußerlich fest, wenn Sie sich in der Vorlage ansehen, was da alles nicht wieder in das Haus zurückkam. Ich würde sagen, daß der Finanz- und auch der Wirtschaftsausschuß eine Reihe sehr vernünftiger Änderungen an diesem Gesetzentwurf vorgenommen haben. Meine Fraktion hat, wie die Kollegen des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses zugeben werden, versucht, konstruktiv mitzuarbeiten. Daher ist das, was hier heute vorliegt, schon wesentlich vernünftiger als das, was uns ursprünglich vorgelegt wurde.
Bei der Tabaksteuer ist nur, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, der „Silvestertrick" übriggeblieben. Der Finanzminister bekommt also eine Art verspätetes Weihnachtsgeschenk. Die Januarrate erhält er bereits am 27. Dezember. Damit war das Petitum abgegolten.
Hinsichtlich der Frage der Deputate der Arbeiter in den Zigarren- und Zigarettenfabriken haben wir uns nicht dazu entschließen können, diese Steuerbegünstigungen wegfallen zu lassen, weil wir uns nach dem alten deutschen Sprichwort gerichtet haben: Man soll dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Möglicherweise hätten die Diebstähle in den Betrieben überhandgenommen. Wir haben deshalb die Deputate nicht in das Gesetz hineingenommen.
Bei der Mineralölsteuer wurde der ursprüngliche Vorschlag, von 70 auf 40 Tage zurückzugehen, dahin gehend geändert, daß man sich auf 50 Tage geeinigt hat. Trotzdem sind die kleinen und mittleren Betriebe des Mineralölhandels sehr hart getroffen. Ich möchte deshalb heute anläßlich der Verabschiedung dieses Gesetzes an den Herrn Finanzminister folgende Bitte richten: Sollte für die größeren Betriebe eine Bundesbürgschaft vorgesehen sein - es wird davon gemunkelt -, so sollte man diese nicht zu Lasten der kleinen Betriebe gehen lassen, sondern sollte sich auch daran erinnern, daß eben diese besonders hart getroffen sind. Man sollte auch ihnen helfen, die auf sie zukommenden finanziellen Belastungen mit abzudecken.
Beim Mineralöl ist es im Ausschuß gelungen, die bisherige steuerliche Situation des Eigenverbrauchs beizubehalten. Wir haben ein Versprechen des Finanzministers, daß, wenn es ihm nicht gelinge, in den übrigen EWG-Staaten eine Änderung der Situation in der Richtung herbeizuführen, daß auch dort eine Besteuerung des Eigenverbrauchs ab 1. Januar 1968 erfolgt, auch ab 1. Januar 1968 in der Bundesrepublik auf diesem Gebiet keine Änderung eintreten werde. Wir werden den Herrn Finanzminister zu gegebener Zeit an diese Zusage erinnern.
Alles in allem sind eine Reihe von Verbesserungen festzustellen. Wir haben, wie ich soeben sagte, in unserer Fraktion ernsthaft darüber diskutiert, ob wir uns nicht dazu verstehen sollten, dem Gesetz in der nunmehr vorliegenden Fassung unsere Zustimmung zu erteilen. Wenn wir das Gesetz trotzdem in dritter Lesung ablehnen werden, so deshalb, weil wir die hier angewandte Methode als eine bedenkliche Methode ansehen und zweitens in dem ganzen Verfahren eine Verschleierung des effektiven haushaltsmäßigen Tatbestandes sehen. Denn durch die Vorwegnahme von Zahlungsfristen vom Januar des nächsten Jahres auf den Dezember dieses Jahres ergibt sich rein optisch eine andere Situation. Hier wird die tatsächliche Haushaltssituation nur verschleiert, aber nicht verändert. Drittens haben diese Maßnahmen teilweise eben doch einen steuererhöhenden Effekt. Deshalb hat sich meine Fraktion entschlossen, das Gesetz in dritter Lesung abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt dem Gesetz zu, wie sie es ja auch bereits in der zweiten Lesung getan hat.
Natürlich ist auch die Beratung dieses Gesetzes unter Zeitdruck vor sich gegangen. Es hatte den zugegebenen Zweck, gerade für den Haushalt 1967 Mittel zu beschaffen. In diesem Zusammenhang ging es um außerordentlich schwierige und zum Teil weitreichende Probleme der Zahlungsfristen bei den Verbrauchsteuern, die - das muß man allerdings sagen - ohnehin einmal - wenn auch nicht unter einem solchen Zeitdruck - hätten behandelt werden müssen. Ich möchte jedoch an die Adresse des Herrn Kollegen Zoglmann sagen: so einfach ist die Frage, ob der Finanzminister hier das Geld anderer Leute nimmt oder ob jemand mit Staatskredit arbeitet und verdient, wirklich nicht, jedenfalls nicht so einfach, wie Sie das hier vorgetragen haben.
Wir geben zu, daß diese schwierigen Probleme nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit gründlich untersucht werden konnten. Wir waren uns sehr bald darin einig, daß es von vornherein ein Fehlgriff gewesen sein dürfte, die Frage der Zigarettendeputate in diesem Zusammenhang auf den Tisch zu legen. Sie hat, nebenbei bemerkt, Herr Kollege Zoglmann, auch eben nicht einfach etwas mit Ochsen, die dreschen, und mit Diebstahlsneigung von Tabakarbeitern zu tun. Die Dinge liegen hier wesentlich komplizierter und sollten, wenn man über sie redet und wenn man sie hier auf den Tisch des Hauses legt, sehr viel gründlicher betrachtet werden, als das hier zunächst geschehen ist. Das war ein Fehlgriff.
Auf der anderen Seite haben wir uns die Frage des Eigenverbrauchprivilegs der Ölraffinerien für das Jahr 1968 zur Behandlung vorgemerkt. Denn auch hier sind Probleme gegeben, die wir in diesem Zusammenhang eben noch nicht lösen konnten.
Wir sind aber mit diesen Beschlüssen zu Ergebnissen gelangt, die erstens zweifellos die für 1967 verlangten Haushaltszahlen gehalten haben - das war verlangt -, die zweitens im Einvernehmen mit der Wirtschaft und mit dem Finanzminister - ob auch mit dem Bundesfinanzministerium, dazu möchte ich nachher noch ein Wort sagen - erzielt worden sind. Wir sind uns bewußt gewesen, daß wir damit gewisse technische Probleme der Fristverkürzungen einstweilen zurückgestellt haben, deren Lösung bis spätestens 1969 erfolgen muß, wenn nicht erhebliche finanzielle Auswirkungen eintreten sollen. Das wissen wir.
Der Haushaltsausschuß hat den Beschlüssen zugestimmt. Ich bin etwas erstaunt, in dem Bericht des Haushaltsausschusses zu lesen, daß dort ein Einnahmeausfall von etwa 300 Millionen DM im Jahre 1968 errechnet wird. Nach den Berechnungen, die uns vorlagen und die wir angestellt haben, müßte dieser Einnahmeausfall erst für das Jahr 1969 eintreten. Ich will das aber nicht vertiefen. Die Zustimmung liegt jedenfalls vor.
Ich möchte aber doch mit einem Wort auf eine Meldung eingehen, die ich heute in ,der Zeitung gelesen habe. Nach dieser Meldung in der FAZ von heute hat sich in der Sitzung des Haushaltsausschusses der Vertreter des Bundesfinanzministeriums vergeblich bemüht, die rund 300 Millionen DM Einnahmeausfall abzuwenden, die durch die Beschlüsse des Finanzausschusses zum Steueränderungsgesetz 1967 im Jahre 1968 entstehen würden. Der Sachverhalt als solcher ist mir auch von Mitgliedern des Haushaltsausschusses bestätigt worden. Herr Bundesfinanzminister, es ist nicht das erstemal, daß ich davon höre, daß im Haushaltsausschuß von der dort zuständigen Abteilung Ihres Hauses Ausführungen gemacht werden, die an Argumenten, die im Finanzausschuß von Ihrem Hause akzeptiert worden sind, vorbeigehen und sie verschweigen. Es ist immerhin das erstemal, daß ich in der Zeitung lese, daß ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums im Haushaltsausschuß gegen Beschlüsse des Finanzausschusses opponiert, die in Ihrer persönlichen Gegenwart, Herr Bundesfinanzminister, und mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung - wenn auch schweren Herzens; ich gebe Ihnen zu, daß Sie das gesagt haben - gefaßt worden sind. Herr Bundesfinanzminister, derartige Vorgänge bedeuten eine Erschwerung der Arbeit des Parlaments, die künftig nicht mehr geduldet werden sollte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir bitten um Zustimmung zu diesem Gesetz.
({0})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Steueränderungsgesetz 1967 im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist der Punkt 12 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({0})
- Drucksache V/1088 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden ({1})
- Drucksache V/1431 Berichterstatter: Abgeordneter Leukert ({2})
Ich habe keine Änderungsanträge und keine Wortmeldungen zur zweiten Beratung vorliegen. Wer dem Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Vizepräsident Dr. Mommer Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU zur Verabschiedung der 19. Novelle LAG folgende Erklärung abgeben.
Die Bundesregierung hat die Vorlage am 3. November des vergangenen Jahres dem Bundesrat zugeleitet. Der zuständige Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden hat bereits im Dezember die ersten Beratungen durchgeführt, und ich darf sagen, daß das Ergebnis die einstimmige Verabschiedung der 19. Novelle in dem zuständigen Ausschuß war und daß vorher der mitberatende Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge ebenfalls zugestimmt hatte. Der Vorsitzende unseres Ausschusses, Herr Kollege Mick, hatte veranlaßt, daß die Vertreter der Geschädigtenverbände, also der Verbände der Vertriebenen, der Zonenflüchtlinge, der Kriegssachgeschädigten, aber auch auf ihren Wunsch die Mitglieder des Kontrollausschusses und des Ständigen Beirats geladen wurden, damit die Wünsche, die die Verbände oder die Mitglieder des Kontrollausschusses und des Beirats zu der 19. Novelle LAG hatten, vorgetragen werden konnten. Am Schluß dieser Aussprache mit den Geschädigtenvertretern konnten wir feststellen, daß diese im wesentlichen nur einen Wunsch hatten, nämlich daß die 19. Novelle so bald wie möglich verabschiedet würde. Ich glaube, diesem Wunsch hat der Ausschuß Rechnung getragen.
Die Verbesserungen, die in dieser 19. Novelle enthalten sind, habe ich in meinem Bericht im wesentlichen und auch im einzelnen dargelegt. Als Summe, die allerdings nicht so verstanden werden darf, als wären die Leistungen schon heute und morgen möglich, darf .ich den Betrag von 2,5 Milliarden DM nennen. Dabei muß ich einschränkend sagen, daß die baren Erfüllungen in der Hauptentschädigung und desgleichen natürlich hinsichtlich der Verzinsungsbeträge erst ab 1. Januar 1972 erfolgen.
Ich darf nur einige der Verbesserungen herausgreifen, vor allem die Stundung der Vermögensabgabe für die Zonenflüchtlinge, wenn analoge Vermögensschäden vorliegen. Ich darf auf die beachtliche Verbesserung der Hauptentschädigung verweisen - ein Wunsch, der bei der Verabschiedung der 18. Novelle offengeblieben war -, nämlich die beachtliche Anhebung in den sogenannten mittleren Schadensgruppen. Wir haben weiterhin alle die Personen, die nach der jetzt geltenden Regelung des Lastenausgleichsgesetzes nicht einbezogen werden können - die sogenannten Nichtstichtagsberechtigten -, die aber auch bei dem demnächst vorzulegenden Reparationsschädengesetz nicht berücksichtigt werden können, jetzt in diese Regelung einbezogen; dafür ist auch ein Betrag in Höhe von etwa 200 Millionen DM vorgesehen.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die Verbesserungen für Kriegsschadensrentenempfänger, soweit sie auch vermögensgeschädigt gewesen sind, natürlich früher in Anspruch genommen werden können. Das bedeutet eine Verbesserung der Entschädigungsrente; das soll nicht unerwähnt bleiben.
Der Stichtag für die Zonenflüchtlinge wurde entsprechend der Situation bis zum 31. Dezember 1969 nachgezogen.
Ich darf damit feststellen, daß die Fraktion der CDU/CSU der Regierungsvorlage gefolgt ist, so wie das mein Kollege Ernst Kuntscher schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs ausgesprochen hat. Ich darf weiterhin feststellen, daß wir damit die finanziellen Möglichkeiten, die im LastenausgleichsSondervermögen steckten, ausgeschöpft haben, und ich hoffe, daß Sie diesem Gesetzentwurf in der dritten Lesung Ihre Zustimmung geben.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die nun zur Verabschiedung anstehende 19. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz ist für die Betroffenen keine neue und keine Enthusiasmus auslösende Gesetzesleistung. Was mit ihr vorgelegt wird, ist nur die Heilung eines gesetzgeberischen Unfalls und die Wiedergutmachung eines wesentlichen Teiles dessen, was der Bundestag bei der 18. Novelle schon einmal beschlossen hatte, was dann aber an der Hürde der notwendigen Zustimmung des Bundesrates scheiterte. Es wäre den Betroffenen viel Enttäuschung sowie den beteiligten Ausschüssen, der Legislative insgesamt und auch der Exekutive viel Sorge und Arbeit erspart worden, wenn man seinerzeit die Einsichten gezeigt und die Voraussetzungen geschaffen hätte, die nunmehr in der 19. Novelle zum Tragen kommen. Ich will in diesem Augenblick auf die zur unglücklichen Vorgeschichte dieser Novelle gehörenden Umstände nicht mehr eingehen; das habe ich anläßlich der ersten Lesung am 23. November vorigen Jahres getan.
Immerhin ist es zu begrüßen, daß der seinerzeit unter den Tisch gefallene Teil der 18. Novelle, der die Verbesserung der Hauptentschädigung betraf, mit der jetzigen Novelle wiederhergestellt wird. Herr Kollege Leukert hat die einzelnen Verbesserungen schon hervorgehoben; ich will sie nicht wiederholen. Die bisher in den mittleren und oberen Schadensbereichen noch verhältnismäßig starke Degression wird durch die jetzigen Anhebungen gemildert. Dadurch wird im ganzen gesehen ein gerechterer Ausgleich innerhalb der einzelnen Schadensgruppen erreicht. Wenn diese Verbesserungen im Einzelfall auch nicht immer überragend zu Buche schlagen, so ist das Ergebnis doch nicht unrespektabel, und das sollte man nicht schmälern. Auch für die SBZ-Flüchtlinge, deren Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen noch im argen liegt, sind hinsichtlich der Stundung der Vermögensabgabe nicht
unbeträchtliche Verbesserungen herbeigeführt worden. Herr Kollege Leukert hat auch schon auf die Verlegung des Anwesenheitsstichtages für Zonenflüchtlinge auf den 31. Dezember 1969 hingewiesen.
Aber abgesehen davon ist natürlich mit Bedauern festzustellen, daß es nicht möglich gewesen ist, alle mit der 19. Novelle von manchen Seiten verbundenen Erwartungen und Wünsche zu erfüllen. Hinsichtlich des Zeitpunktes, von dem an die jetzt beschlossene Leistung erfolgen soll, hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, daß durch die vorgesehene Erfüllung mit der Begründung von Spareinlagen und durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen schon eine wesentliche Erleichterung geschaffen wird. Dankenswert ist auch, daß die zuständigen Ausschüsse den Vorschlag gemacht haben, daß die Bundesregierung den Termin für die Barerfüllung bei günstiger Gestaltung der Lage des Ausgleichsfonds durch Rechtsverordnung vormerken möge. Ich hoffe sehr, daß von dieser Empfehlung Gebrauch gemacht werden kann und wird.
Schmerzlich ist natürlich besonders, daß manche Hoffnungen auf Beseitigung der Unzulänglichkeiten und Härten bei der Altersversorgung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, vorwiegend der ehemals Selbständigen, die in großer Zahl während der Beratung an uns herangetragen worden sind, bei der Novelle nicht berücksichtigt werden konnten. Auch sonst ist das Problem verschiedener Stichtage noch offengeblieben. Aber die Diskussion mit den Vertretern der verschiedenen Geschädigtengruppen, von der Herr Kollege Leukert schon gesprochen hat, hatte doch im federführenden Ausschuß eine weitgehende Annäherung hinsichtlich der für die gesamte Novelle zur Verfügung stehenden Summe, des Gesamtvolumens, und des nach der Anhebung der Hauptentschädigung noch verbleibenden restlichen Spielraums ergeben. Die Ausschüsse und Ausschußmitglieder haben sich bei allem Bedauern über die dadurch gegebene sehr enge Bewegungsmöglichkeit eben nicht der Tatsache verschließen können, daß - wie es im Schriftlichen Bericht vermerkt ist - ein Betrag von 200 Millionen DM für die nach dem bevorstehenden Reparationsschädengesetz anstehenden Leistungen angesetzt bleiben muß.
Der leider viel zu früh abberufene Kollege Wenzel Jaksch hat seinerzeit im Zusammenhang mit dem Schicksal der 18. Novelle das Bild von dem zu hoch beladenen Wagen gebraucht, der infolgedessen umgekippt war. Die Ausschußmitglieder in beiden Ausschüssen haben nach wirklich gründlicher Prüfung die Verantwortung für das Risiko einer solchen Wiederholung im Interesse der 1,4 Millionen Menschen, denen die jetzige Novelle zugute kommt, nicht für tragbar gehalten.
({0})
Das hat nichts mit ängstlicher Enthaltsamkeit oder falscher Rücksichtnahme der Bundesregierung gegenüber zu tun. Für jeden, der die derzeitige Lage kennt und die tatsächlichen Möglichkeiten nüchtern
einschätzt, blieb dies nur eine Frage zwar schmerzlicher, aber notwendiger Einsicht.
({1})
- Eben! - Meine Damen und Herren, ich habe aber bereits in der ersten Lesung der Novelle darauf hingewiesen, daß mit diesem Änderungsgesetz die Probleme des Lastenausgleichs nicht erschöpft werden. Es ist notwendig - ich möchte das wiederholen -, in der kommenden Zeit nicht nur erneut Soll und Haben hinsichtlich der finanziellen Zahlen zu prüfen, sondern auch Soll und Haben im Sinne der Präambel des Lastenausgleichsgesetzes, d. h. hinsichtlich der noch bestehenden, nicht beseitigten Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten festzustellen. Ich habe in diesem Zusammenhang von einer Schlußkonzeption - nicht von Schlußgesetz - gesprochen. Nach dem bisherigen Stand der Beweisbarkeit hinsichtlich der finanziellen Reserven und in Anbetracht der derzeitigen allgemeinen finanziellen Situation in Bund und Ländern wird nur auf dem Wege über eine solche Schlußkonzeption in diesem Fragenbereich weiterzukommen sein.
Ich möchte daher allen Berufenen, vorab dem Herrn Bundesvertriebenenminister, erneut ans Herz legen, nun auf diese gewiß sehr schwierige, aber unerläßliche Aufgabe alle Anstrengungen zu verwenden.
Die sozialdemokratische Fraktion wird der 19. Novelle in der vorliegenden Fassung zustimmen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei habe ich die Ehre, zur Verabschiedung der 19. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz folgende Erklärung abzugeben.
Die 19. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz enthält mehr, als manche befürchtet, aber auch wenigem als viele Betroffene auf Grund von Versprechungen erhofft haben. Sie ist im Grunde nur ein teilweiser Nachvollzug der 18. Novelle, die in ihrer ursprünglichen Fassung am Einspruch der Länder gescheitert ist. Wir bedauern, daß eine Reihe von Verbesserungen aus der gegebenen Situation heraus nicht mit in diese Novelle aufgenommen werden konnten.
Zentrales Thema der Beratungen war, wie auch in früheren Fällen, die Finanzierung der vorgesehenen Leistungsverbesserungen, eine Finanzierung, die in diesem Falle den Haushalt nicht berührt. Das wird vielfach in der Öffentlichkeit nicht gesehen, sollte hier aber auch einmal gesagt werden, wenn von dem Milliardenvolumen solcher Änderungsgesetze gesprochen wird.
Im Grunde handelt es sich wie auch in der Vergangenheit um das alte Problem der Beurteilung der inneren Reserven des Fonds während der restlichen Laufzeit. Heute bestehen zwar nicht mehr die krassen Unterschiede wie vor Jahren; es sind aber Schmidt ({0})
und das haben wir, glaube ich, auch bei den Ausschußberatungen immer wieder feststellen dürfen -bei den Schätzungen doch noch Differenzen beachtlichen Umfanges vorhanden. Neben der Bewertung der Reserven des Fonds sind es die Kostenschätzungen der jeweiligen Änderungsgesetze, die meist sehr unterschiedlich ausfallen. So hat sich auch bei dieser 19. Novelle gezeigt, daß häufig Verbesserungen bei der Hauptentschädigung gegenüber der Regierungsvorlage, gegenüber den ursprünglichen Schätzungen einen niedrigeren Betrag aufwiesen.
Die Erhöhung der Grundbeträge der Hauptentschädigung ist das Kernstück dieser 19. Novelle. Sie ist der Versuch - und wir begrüßen diesen Versuch, aber es ist nur ein Versuch, noch kein Ende -, zu einer etwas gerechteren Entschädigung im Verhältnis zum erlittenen Schaden zu kommen. Allerdings sind die jetzt vorgesehenen Erhöhungen nicht mehr ganz das, was zunächst einmal in der 18. Novelle vorgesehen war.
Ein Wort zur Auszahlung dieser Erhöhungsbeträge. Es sind gerade ältere Mitbürger, aus deren Zuschriften deutlich zu spüren ist, daß sie befürchten, die Auszahlung der Leistungsverbesserungen gar nicht mehr zu erleben. In diesem Schreiben sind dann meist mehrere Gründe mit der Bitte enthalten, doch dafür zu sorgen, daß sie das Geld bald erhalten können. Wir begrüßen es daher, daß durch den neuen Abs. 5 des § 252 in der vorgeschlagenen Fassung die Möglichkeit geschaffen wird, die Ansprüche schon vor dem 1. Januar 1972 über den Weg einer Rechtsverordnung zu erfüllen, wenn Mittel hierzu zur Verfügung stehen. Wir bitten die Bundesregierung sehr, insbesondere im Hinblick auf diese älteren Mitbürger, dafür zu sorgen, daß sie nach rund 22 Jahren seit der Vertreibung nunmehr möglichst bald in den Genuß der zusätzlichen Leistungen kommen. Vor allem sollte auch um der Sache willen mit einer Verordnung nicht bis zur nächsten Bundestagswahl gewartet werden, um diese Leistungen nicht in den Geruch von Wahlgeschenken zu bringen.
Neben der Erhöhung der Grundbeträge der Hauptentschädigung ist die Ergänzung des § 55 a besonders hervorzuheben. Durch die nunmehrige Stundungsmöglichkeit der Vermögensabgabe wird zumindest ein Schritt, wenn auch ein kleiner Schritt, zur Gleichstellung der Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen getan.
Diese 19. Novelle ist zwar im Vergleich zu einigen Vorgängerinnen kein Glanzstück, weder ihrem Inhalt nach noch im Hinblick auf die unmittelbaren Erfüllungsmöglichkeiten der vorgesehenen Leistungsverbesserungen. Wir sind jedoch mit den Sprechern der anderen Fraktionen der Auffassung, daß es richtig ist, jetzt das gesetzlich zu regeln, was bei allen Parteien unbestritten war.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, kann jedoch nicht auf ein Wort zur Regierungserklärung verzichtet werden. Die Aussagen zur Kriegsfolgenpolitik waren zwiespältig und interpretationsbedürftig, so daß sie bei den Betroffenen gerade wegen ihrer Auslegungsmöglichkeiten zum Teil schwere Befürchtungen hervorgerufen haben.
Es ist auch bei den Beratungen dieses Gesetzes nicht ersatzweise deutlich geworden, welchen Ort, welchen Rang und welche Stellung die Kriegsfolgengesetzgebung innerhalb eines Gesamtprogramms der Bundesregierung in der nächsten Zeit haben soll oder haben könnte. Neue, gar positive Aspekte haben sich seit Bildung der neuen Bundesregierung bisher jedenfalls nicht gezeigt. Auch seit der Regierungserklärung ist nichts Neues, was als positiv hätte interpretiert werden können, zu hören gewesen.
So bleibt diese Novelle auch nur ein weiterer Mosaikstein im Bereich der Kriegsfolgengesetzgebung. Aber bis zur vollen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Heimatvertriebenen sowie bis zur echten und oftmals versprochenen Gleichstellung der Flüchtlinge untereinander und mit den Heimatvertriebenen wird noch manche weiße Fläche auszufüllen sein. Wir Freien Demokraten glauben, daß gerade in diesem Bereich der Gesetzgebung von Abschlußgesetzen - wie es die Regierungserklärung andeutete - überhaupt keine Rede sein kann, wenn man nicht ganze Bevölkerungsgruppen mit unerfüllten Entschädigungsansprüchen einfach auf der Stecke lassen will.
Vieles war ursprünglich einmal für die 19. Novelle vorgesehen. Manches davon wird hoffentlich in der bald zu erwartenden 20. Novelle verwirklicht werden. Ich denke hier besonders an die notwendigen Angleichungen der Rentenleistungen aus dem Lastenausgleich und im Flüchtlingsbereich, die parallel zu den Anhebungen in anderen Bereichen erfolgen müssen. Wir haben die Hoffnung, daß bis zur 20. Novelle - die, wenn die Zusage, die einmal gegeben wurde, eingehalten wird, im Sommer dieses Jahres in unseren Händen sein wird - Vorstellungen der Bundesregierung über die künftige Entwicklung der Leistungen in der Kriegsfolgengesetzgebung, insbesondere der Sozialleistungen in dem Bereich, die der Lebenssicherung dienen, in etwa vorhanden sind.
Wir stimmen dieser 19. Novelle in der Erkenntnis zu, daß nunmehr wenigstens teilweise das nachgeholt ist, was in der 18. Novelle bereits einmal vorgesehen war.
({1})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die dritte Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem 19. Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes zustimmen will, möge sich erheben. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig angenommen ist.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) als Untersuchungsausschuß gemäß Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes über die Untersuchung des Unfalles und der damit zusamVizepräsident Dr. Mommer
menhängenden Rettungsaktion von Oberleutnant Siegfried Arndt vom 18. Juli 1966
- Drucksache V/1438 Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Damm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuß in dieser Angelegenheit ist seinerzeit von den Sozialdemokraten gefordert worden. Trotzdem spreche ich hier für alle im Ausschuß vertretenen Fraktionen. Das ist nun nicht ein Zeichen für ein gewandeltes Klima seit Bildung der großen Koalition; denn auch die neue Opposition steht hinter diesem Bericht. Dieser Bericht ist im Verteidigungsausschuß einstimmig gebilligt worden.
Die Untersuchungen, die Mitte Oktober 1966 begonnen haben und sich über acht Wochen erstreckten, sind von den „atmosphärischen Störungen" während dieser Wochen völlig unberührt geblieben. Das ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Dennoch möchte ich mich dafür bei den beiden Mitberichterstattern, den Kollegen Iven und Ollesch, sehr herzlich bedanken. Ich möchte mich ferner -sicherlich auch im Namen der beiden Kollegen - herzlich bei dem Assistenten bedanken, den der Herr Wehrbeauftragte dem Untersuchungsausschuß zur Unterstützung zur Verfügung gestellt hat.
Bei dieser Untersuchung ging es um den Tod eines Piloten, um die Umstände, derentwegen und unter denen er sein Leben hat lassen müssen. Hinter diesem Einzelschicksal steht das Schicksal von vielen toten Piloten, die die deutsche Luftwaffe zu beklagen hat, und natürlich steht dahinter auch die Frage Starfighter. Darum war doppelte Sorgfalt geboten, darum ist die Ausführlichkeit des Berichts gerechtfertigt, darum ist es auch berechtigt, daß der Verteidigungsausschuß den Berichterstatter gebeten hat, seinen Bericht vor dem Plenum zu erläutern. Ich will einzelne Punkte herausgreifen.
1. Oberleutnant Arndt hatte einen Flugauftrag mit besonderem Schwierigkeitsgrad zu erfüllen. Das Luft-Luft-Schießen ist aber eine wesentliche Aufgabe für einen Abfangjäger. Der Flugauftrag für Oberleutnant Arndt fiel also nicht aus dem Rahmen.
2. Alle erforderlichen Flugvorbereitungen sind sorgfältig und sachgerecht getroffen worden.
3. Die Gefährlichkeit des Flugauftrages ist - das muß ohne Einschränkung hervorgehoben werden - durch den Ausbau eines wichtigen Teiles der automatischen Warn- und Flugkorrekturanlage, des sogenannten Kickers, erhöht worden. Der Ausschuß hat sich lange mit der Frage beschäftigt, ob der Befehl zum Ausbau der Anlage richtig war und ob dieser Befehl nicht ganz bestimmte, befohlene Flugverbote hätte im Gefolge haben müssen. Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß die beteiligten Dienststellen nicht falsch und schon gar nicht fahrlässig gehandelt haben. Wir haben uns allerdings gehütet, wie jemand, der nach seinem Besuch im Rathaus klüger geworden ist, zu sagen: das hätte alles anders geregelt werden müssen. Die Feststellung jedoch, daß die verantwortlichen Stellen für den in Frage stehenden Zeitpunkt und den zugrunde liegenden Tatbestand vertretbare Entscheidungen getroffen haben, schließt nicht aus, daß nicht auch andere Entscheidungen hätten getroffen werden können. Sie schließt erst recht nicht aus, daß die tragischen Erfahrungen dieses Unfalles zu entsprechenden Schlußfolgerungen für künftige Führungsentscheidungen führen müssen.
4. Oberleutnant Arndt ist abgestürzt, weil sein Flugzeug in einem sogenannten pitch-up, d. h. in einen überzogenen Flugzustand geraten ist. Die Ursachen für diesen pitch-up konnte der Ausschuß nicht mit letzter Sicherheit feststellen.
5. Oberleutnant Arndt hat sich mit dem Schleudersitz herauskatapultiert. In Übereinstimmung mit den flugmedizinischen Sachverständigen nimmt der Ausschuß im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Oldenburg als sicher an, daß der Schleudersitzausschuß einwandfrei abgelaufen ist. Oberleutnant Arndt hat - das kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesagt werden - gelebt, als er am Fallschirm hing.
Es ist auch unrichtig, wenn das Gutachten des Instituts für gerichtliche und soziale Medizin der Universität Kiel, das für die Staatsanwaltschaft erstellt worden ist, feststellt, daß bei einem Schleudersitzausschuß von einer, wie es wörtlich heißt, „regelmäßig eintretenden Bewußtlosigkeit" gesprochen werden könne. Der Ausschuß ist zu der Feststellung gelangt, daß Oberleutnant Arndt innerhalb eines Zeitraumes von etwa 10 Minuten nach Eintauchen ins Wasser ertrunken ist. Diese Feststellung steht in Widerspruch zu dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft nämlich hat festgestellt, Oberleutnant Arndt sei beim Schleudersitzausschuß durch Kehlkopfbruch getötet worden. Im einzelnen ist das des näheren auf den Seiten 7 bis 9 in dem Bericht ausgeführt.
6. Die Voraussetzungen für eine Rettung Oberleutnant Arndts waren denkbar günstig. Sein Flugunfall ist von seinen drei Kameraden beobachtet worden. Diese haben den Unfall sofort über Funk gemeldet. In unmittelbarer Nähe der Absturzstelle befand sich ein Schiff der Marine, der Zerstörer „Bayern". Es ist aber weder zu einer rechtzeitig koordinierten Rettungsaktion gekommen noch zu einer Verständigung zwischen den den Unfall beobachtenden Flugzeugen und der „Bayern".
Hier gestatten Sie, meine Damen und Herren, dem Berichterstatter, daß er für einen Augenblick von der Diktion der sachlichen Darstellung abweicht. Ich meine, es ist eine bestürzende Tragik, daß durch vielerlei Umstände, vor allem durch unselige Mißverständnisse, die Bayern nicht zu der Eintauchstelle des am Fallschirm hängenden Piloten hat hingeführt werden können. Wäre das Verständigungsmanöver zwischen der F 86 und der Bayern geglückt, so hätte der Zerstörer fast zu dem gleichen Zeitpunkt an der Eintauchstelle eintreffen können, zu dem Oberleutnant Arndt mit dem Fallschirm eintauchte.
So tragisch der Verlauf der Rettungsaktion war, so wenig haben sich für den Ausschuß Anhaltspunkte für die Feststellung ergeben, daß irgendeiner der Beteiligten fahrlässig gehandelt hätte.
7. Die Bergungsaktion hat mancherlei Mängel aufgezeigt. Im einzelnen will ich sie nicht nennen, sondern insoweit auf den Bericht verweisen.
8. Diese Feststellungen haben den Ausschuß bewogen, eine Reihe von Folgerungen zu ziehen, Folgerungen, die den Bereich der Seenotausbildung und Seenotrettung betreffen. Der Berichterstatter würde aber seine Erläuterung vor dem Plenum falsch handhaben, wenn er die Einzelheiten, die im Bericht aufgeführt sind, hier mündlich wiederholen würde. Statt dessen will ich auf drei Punkte verweisen, die besondere Bedeutung verdienen.
1. Seenotrettung und ihre Organisation. Die Aufgaben der bundesdeutschen Luftwaffe lassen sich - und .das leuchtet auch dem Laien ein - innerhalb des relativ schmalen Luftraums über dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nur erfüllen, wenn auch Teile der Nord- und der Ostsee in den zu befliegenden Luftraum einbezogen werden. Das aber macht eine wirkungsvolle und jederzeit einsatzbereite Such- und Rettungsorganisation dringend notwendig. Im Falle des untersuchten Unfalls ist festzustellen, daß es an einer ausreichenden Koordinierung der Such- und Rettungsaktion zwischen Luftwaffe und Marine gefehlt hat. Die Ende vergangenen Jahres angeordneten Maßnahmen des Ministeriums zur Verbesserung des Such- und Rettungsdienstes lassen die Hoffnung zu, daß künftig die Organisation funktionieren wird.
Es war nicht Aufgabe des Ausschusses, und es kann auch nicht die Aufgabe eines parlamentarischen Ausschusses sein, zu beurteilen, ob organisatorische Einzelmaßnahmen eines Ministeriums richtig sind oder nicht. Wir haben jedoch keinen Zweifel daran gelassen, daß der Ausschuß erwartet, daß das Bundesverteidigungsministerium alle Fragen der Seenotrettung mit großem Nachdruck behandelt. Es würde dem Wunsch des Verteidigungsausschusses sehr entsprechen, wenn künftig die Seenotrettungsorganisation auch praktisch unter wirklichkeitsnahen Bedingungen erprobt wird.
2. Die persönliche Seenotausrüstung der Piloten. Der Ausschuß hat festgestellt, daß die Seenotausrüstung Oberleutnant Arndts mangelhaft gewesen 'ist. Das bedeutet, die persönliche Seenotausrüstung aller Piloten - Oberleutnant Arndt hatte ja die gleiche wie seine Kameraden - war zu diesem Zeitpunkt mangelhaft. Auch heute ist sie noch nicht so, daß man zufrieden sein könnte. Wir brauchen z. B. dringend einen neuen Fallschirm mit einem Gurtzeug, das mit einem einzigen Griff gelöst werden kann. Leider ist die Feststellung nicht auszuschließen, daß Oberleutnant Arndt innerhalb kurzer Zeit ertrunken ist, weil er sich von dem Gurtzeug seines Fallschirms nicht hat lösen können.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf Fragen der Erprobungs- und Beschaffungsorganisation für diese Ausrüstungsgegenstände. Zu den tragischen Unglücksumständen gehört nämlich auch die Behandlung von Beanstandungsmeldungen aus der Truppe, Beanstandungen, die hier die Schwimmwesten betrafen. Die tatsächlich erfolgte Reaktion war so: Es handelt sich um einen Einzelfall, wir warten erst einmal ab.
Meine Damen und Herren, diese Reaktion der zuständigen Stellen mag in Bereichen der allgemeinen Verwaltung angebracht sein. Wo es sich um persönliches Rettungsgerät handelt, ist sie sicherlich völlig fehl am Platze.
3. Die Seenotausbildung. Oberleutnant Arndt hatte eine nur mangelhafte Seenotausbildung. Auch in diesem Punkt unterschied er sich nicht von seinen Fliegerkameraden. Heute erhalten unsere Piloten eine praktische Seenotausbildung. Das wird jedem von Ihnen als eine Selbstverständlichkeit erscheinen. Leider war es zehn Jahre lang in der Luftwaffe nicht selbstverständlich, praktische Seeenotausbildung zu betreiben. Dabei zeigt eine Inaugenscheinnahme der jetzt praktizierten Ausbildung, daß sie mit den einfachsten Mitteln zu bewerkstelligen ist. Auch für diesen Punkt gilt, daß ein Parlamentsausschuß nicht kompetent ist, Einzelheiten zu beurteilen. Aber das Ministerium möge zur Kenntnis nehmen, daß der Ausschuß davon ausgeht, daß künftighin alle deutschen Piloten eine Seenotausbildung erhalten, die unter den harten Bedingungen tatsächlicher Notfälle vorgenommen wird. Und diese Ausbildung muß natürlich jährlich wiederholt werden.
Ich komme jetzt zu einigen Schlußbemerkungen. Der Verteidigungsausschuß hatte sich als Untersuchungsausschuß mit einem tragisch verlaufenen Luftunfall zu beschäftigen. Der Ausschuß hat ohne Beschönigung die erkannten Mängel bloßgelegt und entsprechende Schlußfolgerungen vorgeschlagen. Der Ausschuß hat zur Kenntnis genommen, daß das Verteidigungsministerium schon vorher oder im Zusammenhang mit dem Unfall von Oberleutnant Arndt eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen getroffen hat.
Der Ausschuß erwartet, daß alle von ihm erkannten und gerügten Mängel und Tatbestände schnell abgestellt werden. Der Verteidigungsausschuß ist darüber hinaus der Ansicht, daß der Bundestag fünf Anträgen zustimmen sollte, die Ihnen mit dem Ausschußbericht vorgelegt worden sind. Zu den Punkten 1 bis 4 brauche ich nicht zu sprechen; diese verstehen sich von selbst. Punkt 5 bedarf aber einer kurzen Erläuterung. Dieser Antrag beinhaltet nämlich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich mit den Länderregierungen darüber zu verständigen, daß bei allen Sektionen von bei Flugunfällen getöteten Soldaten auch dann eine Beteiligung des Flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe gesichert wird, wenn - wie im vorliegenden Falle - die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist. Die gutachtliche Mitwirkung von Medizinern bei der Sektion von Flugunfalltoten setzt nämlich besondere flugmedizinische Qualifikationen voraus. Leider ist das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe in Deutschland allein in der Lage, solcherart qualifizierte Sachverständige zur Verfügung zu stellen. Anzunehmen, diese Sachverständigen seien, weil Angehörige der Luftwaffe, in einem solchen Fall Partei, ist nach Mei4446
nung des Ausschusses und wohl auch nach Meinung des Hauses abwegig.
Es bleibt dem Berichterstatter noch übrig, festzustellen: Es war nützlich, in einem förmlichen Verfahren nach Art. 45 a des Grundgesetzes den Unfall Arndt zu untersuchen. Die Ergebnisse werden dazu beitragen, die Flugsicherheit in der deutschen Luftwaffe zu erhöhen. Es muß aber auch gesagt werden: Solche Untersuchungsverfahren müssen die Ausnahme bleiben, und zwar aus zwei Gründen, erstens, um die Waffe des Parlaments nicht vorschnell abzunutzen, zweitens, um die Truppe nicht - ungewollt zwar - in den Zustand ängstlicher Nervosität zu versetzen, deren Folge wäre, daß nirgendwo sich noch eine Bereitschaft zur Verantwortung, ja zum Risiko fände.
Im übrigen, meine Damen und Herren, Luftfahrt ohne Unfälle, ja auch ohne Unfälle mit Todesfolge, gibt es nicht. Die Unfallquote der deutschen Starfighter hat im letzten Jahr einen günstigen Verlauf genommen; sie war günstiger als 1965. Was wir hier erreicht haben, reicht noch nicht aus, doch stimmt es hoffnungsvoll. Aber immer wieder werden wir vor die tragische Tatsache gestellt sein, zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß wieder ein Soldat sein Leben hat lassen müssen. Wir aber sind es, dieses Parlament ist es, das verlangt, daß der deutsche Soldat auch in Friedenszeiten sein Leben gegebenenfalls einsetzt. Das wiederum verpflichtet uns, diesen Bundestag, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen und Schritte zu unterstützen, die das Leben unserer Soldaten in höchstmöglichem Maße schützen. Diesem Ziele dient auch der Bericht des Untersuchungsausschusses.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Sache selbst hat Herr Kollege Damm alles gesagt, was vielleicht noch in Ergänzung dieses konkreten Berichtes zu sagen war. Ich habe mich heute zu Wort gemeldet, obgleich ich keinerlei Ahnung von den technischen Problemen habe, mit denen dieser Ausschuß befaßt war. Ich weiß nichts von Schleudersitzen, und ich weiß nichts von all diesen Dingen, die da zu behandeln waren. Aber ich habe mich gemeldet - auch auf Wunsch meiner Fraktion -, weil ich meine, daß der Bericht und die Arbeitsmethoden dieses Untersuchungsausschusses grundsätzliche Bedeutung für uns alle haben, für alle, auch für diejenigen, die direkt nichts mit dem Verteidigungsausschuß und mit dessen Fragen zu tun haben.
Für jemanden, der wie ich, leidvollerweise einiges mit Untersuchungsausschüssen und auch mit den Theorien darüber zu tun gehabt hat, ist die Feststellung geradezu zwingend geboten, daß dieser Untersuchungsausschuß und sein Bericht einem wieder Mut machen, von der an sich so wichtigen Waffe des Parlaments, Untersuchungsausschüsse zu bestellen, auch wirklich Gebrauch zu machen. Denn dieser Ausschuß hat etwas getan, was selbstverständlich sein sollte, was aber leider in der Praxis der deutschen Parlamente und dieses Hauses nicht immer selbstverständlich gewesen ist.
Dieser Ausschuß hat nämlich erstens eine vernünftige Arbeitsmethode gefunden entsprechend der, die in dem Benda-Ausschuß der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft als Methode vorgeschlagen werden wird, daß nämlich ein kleiner Unterausschuß das Material sichtet und damit dafür sorgt, daß es im gesamten Ausschuß nicht zu sehr ausgebreitet wird.
Der Ausschuß hat darüber hinaus einen Bericht erstattet, der - das ist vielleicht der Grund, warum ich hier spreche - in seiner Prägnanz und Klarheit und Kürze und mit seinem guten Deutsch ein vorbildlicher Bericht ist. Auch das ist nicht selbstverständlich, das gute Deutsch. Ich kann all den Kollegen in diesem Hause, die den Bericht nicht gelesen haben, nur empfehlen, das nachzuholen. Es lohnt sich, einfach, weil der Bericht lesbar ist. Es lohnt sich wirklich!
Ich meine außerdem - auch das ist leider bisher nicht selbstverständlich gewesen -, daß die Arbeit des Ausschusses in dieser Form nicht möglich gewesen wäre, wenn sie nicht auch von dem zuständigen Ministerium, nämlich vom Verteidigungsministerium, unterstützt worden wäre. Das Ministerium hat ohne Rücksicht auf das, was vielleicht durch den Ausschuß auf es zukommen konnte, das gesamte Material freigegeben, auch das geheime Material, und hat allen Beamten, Offizieren usw. eine Aussagegenehmigung erteilt. Auch das war nicht immer so. Es sollte aber in Zukunft so sein, daß Untersuchungsergebnisse nicht dadurch verhindert werden, daß man Beamte nicht aussagen läßt, obgleich ihre Aussage erforderlich ist, und daß man Akten nicht herausgibt, obgleich nur über diese Akten Feststellungen möglich sind. Also Lob in diesem Fall auch dem Verteidigungsministerium!
Ein Lob, von einem Juristen ausgesprochen, insbesondere den Mitgliedern des Ausschusses, unter denen kein Jurist war! Die Staatsanwaltschaft, die sich mit demselben Sachverhalt befaßt hat, hat sich im Vergleich mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses, also den Nichtjuristen, kein Ruhmesblatt eingehandelt. Gerade als Jurist muß man sagen, daß das, was der Ausschuß konkret über die Todesursachen festgestellt hat, so überzeugend, so absolut überzeugend ist, daß man sich tatsächlich wundert, wie die Staatsanwaltschaft zu einem anderen Ergebnis hat kommen können. Auch das sollte man hier ruhig einmal sagen. Dieses Parlament ist vielleicht nicht ganz so schlecht, wie es manchmal gemacht wird. Es kann auch auf diesem Gebiet etwas leisten, wenn es die richtigen Methoden findet und sich traut, an die Probleme heranzugehen.
Weiter halte ich für sehr bemerkenswert, daß der Ausschuß auch ganz prägnant und ohne Scheu vor irgendwelchen Angriffen von dieser oder jener Seite die konkreten Folgerungen aus seinen Ermittlungen gezogen hat, in drei Punkten zusammenHirsch
gefaßt mit einer für jedermann verständlichen Begründung, auch für denjenigen, der von Schleudersitzen und den anderen technischen Problemen nichts weiß. Auch das sollte beispielgebend für künftige Arbeiten von Untersuchungsausschüssen sein.
Meine Damen und Herren, mir ging es eigentlich nicht darum, wie Sie vielleicht meinen, eine Laudatio für die Kollegen auszusprechen, die in dem Ausschuß waren. Diese Laudatio haben sie verdient. Viel wichtiger ist, daß die Arbeit, die Methoden und das Ergebnis dieses Ausschusses beispielgebend für die Arbeit weiterer Untersuchungsausschüsse in der Zukunft sein sollten. Man sollte sich diesen Bericht sehr gut aufheben und ihn in eine besondere Mappe legen für den Fall, daß man an einem Untersuchungsausschuß teilnimmt. Man kann hier einiges lernen. Wenn wir in Zukunft mit dieser Methode arbeiten könnten, wären wir mit unserem Parlamentarismus weitergekommen.
Es steht ja ein neuer Untersuchungsausschuß vor uns, aber nicht im Rahmen des Verteidigungsausschusses. Ich kann nur sagen: Wenn auch dieser Ausschuß so ohne Rücksicht auf Parteipolitik und ohne Rücksicht auf alle möglichen anderen Dinge arbeitete, dann wäre das eine schöne Sache und dann würde es Spaß machen, an diesem neuen Ausschuß teilzunehmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Darf ich Sie, Herr Kollege Hirsch, nach Ihrer freundlichen Begutachtung dieses Berichts und nach einigen Bemerkungen über die Zusammensetzung des Ausschusses fragen, ob dieser Ausschuß nach Ihrer Meinung deshalb so gut gearbeitet hat, weil keine Juristen dabei waren?
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Ganz so weit würde ich nicht gehen. Ich würde sagen: Es spielt keine Rolle, ob ihm Juristen angehören oder nicht, sondern es kommt darauf an, daß der Ausschuß - das ist das Entscheidende - mit gesundem Menschenverstand, ohne Vorurteile und mit Mut an die Sache herangeht. Beides kann man haben, man muß es nicht haben. Beides können Juristen haben, sie müssen es aber nicht haben. Können wir uns auf der Basis einigen, Herr Sänger?
Ich glaube, das ist das Wesentliche, was im Grundsatz zu sagen ist. Man muß bei dieser Gelegenheit aber auch ganz eindeutig feststellen, daß dieser Ausschuß im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung, die sagt, da komme ja doch nichts heraus, nicht nur Feststellungen getroffen hat, sondern daß während der Arbeit des Ausschusses bereits gewisse Mängel bereinigt worden sind und daß weitere bereinigt werden.
Die Ausschußberatung hat also nicht nur ein feststellendes, sondern tatsächlich ein echtes, konkretes Ergebnis gehabt, ein Ergebnis, durch das das Leben dieses jungen Mannes namens Arndt zwar nicht wiedererweckt werden kann, das aber sicher - das ist jedenfalls mein Eindruck - schon jetzt dafür gesorgt hat, daß andere wertvolle junge Menschen am Leben bleiben werden, die ohne den Ausschuß vielleicht ähnlich oder genauso verunglücken würden. Mehr kann man von der Arbeit eines Ausschusses nicht verlangen.
Ich kann eigentlich nur sagen, liebe Kollegen: Vivant sequentes!
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Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Annahme des Antrags des Ausschusses in dem hier vorliegenden Bericht wird im Hohen Hause die Erörterung über ein Unglück abgeschlossen, das wegen der Umstände und offenbar gewordener Unzulänglichkeiten wochenlang Grundlage der Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit war. Dieses Unglück ist auch das Objekt der Arbeit des Untersuchungsausschusses, die Ihnen nunmehr vorliegt.
Ich darf vorab, Herr Kollege Damm, feststellen, daß die Freien Demokraten dem Bericht in vollem Umfang und ohne Abstriche zustimmen. Sie tun das ohne Rücksicht auf eine Stellung im Parlament, ob in der Regierungsbeteiligung oder in der Opposition, wie ja das Ergebnis eines Untersuchungsausschusses nicht von der Stellung einer Fraktion oder von Fraktionsmitgliedern her beeinflußt werden sollte.
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Wir haben nach den sachlichen Fakten entschieden.
Erlauben Sie mir, dem Bericht, den Ihnen der Kollege Damm gegeben hat, einige Erläuterungen hinzuzufügen. Ich schließe mich der Auffassung des Kollegen Damm an, daß die Voraussetzungen für das Gelingen einer Rettungsaktion denkbar günstig waren. Der Flugzeugführer hätte gerettet werden müssen, wenn die Besatzungen der Schiffe, die sich in der Nordsee befanden - Besatzungen waren Augenzeugen des Unfalls -, Gelegenheit gehabt hätten, sich in Übungseinsätzen mit solchen Situationen vertraut zu machen. Das ist zweifellos nicht geschehen. Gegen Schluß des Berichts wird darauf hingewiesen, daß von seiten des Ministeriums Schlußfolgerungen aus dem Fehlen dieser Übungen gezogen werden.
Ich möchte aber ganz besonders auf Seite 14 hinweisen, auf der zu lesen ist, daß die Wahrscheinlichkeit zu überleben, in erster Linie von einer zuverlässigen Seenotausrüstung abhängig ist. Neben dem Fehlen einer gut funktionierenden Rettungsorganisation - gut funktionierend, weil in Übungen darauf vorbereitet - sind eben diese festgestellten Mängel Ursache des Todes des Oberleutnants Arndt.
Die Mängel an seinem persönlichen Seenotgerät, an der Schwimmweste, am Fallschirm und am Not4448
paket waren zum Teil bekannt, und nur mit Verwunderung kann man feststellen, daß trotz des Bekanntwerdens dieser Mängel durch Beanstandungsmeldungen von der Truppe her Schlußfolgerungen aus diesen Beanstandungsmeldungen von den Dienststellen, die für die Seenotausrüstung verantwortlich sind, nicht gezogen wurden. Es war durch Meldungen der Truppe bekannt, daß die Schwimmweste den Kräften, die beim Eintauchen in das Wasser auftreten, nicht gewachsen ist. Man ist diesen Beanstandungsmeldungen in einer etwas sorglosen Art nachgegangen und hat sie erledigt, wie sich so vieles erledigt, zum Teil eben durch langes Liegen.
Auch die Schwierigkeiten mit dem Fallschirm waren den zuständigen Stellen bekannt; denn ein halbes Jahr vorher hat sich in Wittmund ein tödlicher Unfall über Land unter viel günstigeren Voraussetzungen ereignet, weil der Flugzeugführer nicht in der Lage war, das Kappentrennschloß zu öffnen. Die Öffnung des Kappentrennschlosses bewirkt das Zusammenfallen des Fallschirmes. Der Flugzeugführer wurde durch einen sehr starken Wind zu Tode geschleift. Die Beanstandungsmeldung ist vorhanden; sie ist auch angekommen, aber Entscheidungen sind nicht getroffen worden.
Die Unzulänglichkeit des Notpakets hat sich leider erst nach dem Unfall bei Truppenversuchen herausgestellt. Wenn ein Pilot überhaupt überleben will, müssen eben diese drei Dinge, die Schwimmweste - über See -, der Fallschirm und das Notpaket in Ordnung sein und ihm die Chance geben zu überleben, nämlich dann zu überleben, wenn die Seenotorganisation wie hier in diesem Falle nicht funktioniert. Mit dem Nichtfunktionieren einer Organisation muß man auch in der heutigen Zeit der technischen Perfektion ja immer rechnen.
Wir Freien Demokaten können nur feststellen, daß im Grunde genommen die Feststellungen des Untersuchungsausschusses, die in dem Bericht niedergelegt sind und die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglassen, eine massive Kritik an der bisherigen Arbeitsweise und Organiation des Verteidigungsministeriums darstellen. Es ist betrüblich, daß erst der Unfall des Oberleutnants Arndt und die offenbar gewordenen Pannen, die sich in Zeitungsartikeln ausdeuteten, für das Verteidigungsministerium Veranlassung waren, eine zentrale Dienststelle für Rettungs- und Seenotfragen einzurichten.
Wir begrüßen die inzwischen angelaufenen Maßnahmen zur Intensivierung der Seenotausbildung der Piloten und auch die Verstärkung und Konzentration der Seenotrettungseinrichtungen, bedauern aber nachdrücklich, daß es erst eines unglücklichen Vorkommnisses bedurfte, um zu erkennen, daß es auch eine wichtige Aufgabe der für die Verteidigung verantwortlichen Stellen ist, darauf zu achten, daß die Angehörigen unserer Bundeswehr nicht unnötig zu Schaden kommen.
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Das Wort hat Professor Carstens, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat den Bericht des Verteidigungsausschusses über den Unfall des Oberleutnants Siegfried Arndt, der am 18. Juli vorigen Jahres tödlich verunglückte, gehört. Dieses tragische Ereignis, das wir alle tief betrauern, kann von niemandem mehr ungeschehen gemacht werden. Ich möchte jetzt nicht auf den Hergang des Unfalls, zu dem sich der Ausschuß gründlich und, wie ich glaube, erschöpfend geäußert hat, eingehen. Aber mir liegt um so mehr daran, dem Hohen Hause darzulegen, welche Maßnahmen inzwischen seitens der Luftwaffe getroffen worden sind, um die Zahl der Unfälle, die mit diesem Flugzeugtyp verbunden waren, herabzumindern und um für den Fall eines Unfalls die Möglichkeit zur Rettung des Piloten wesentlich zu erhöhen. Ich darf mir erlauben, diese Maßnahmen kurz darzustellen.
Erstens. Die in den Vereinigten Staaten ausgebildeten jungen Flugzeugführer erhalten nach der Rückkehr aus den USA eine Einweisung in die speziellen meteorologischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Das Flugprogramm, das bisher 34 Flugstunden dieser Art umfaßte, wurde im Rahmen der Verbesserung der Flugsicherheit der F 104 auf 48 Flugstunden erhöht.
Zweitens. Zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Flugzeugführer werden ab September 1966 unter ärztlicher Leitung bewegungstherapeutische Lehrgänge für Strahlflugzeugführer in Garmisch durchgeführt. Diese Lehrgänge dauern jeweils vier Wochen. Die Erfahrungsberichte der Flugzeugführer sind sehr positiv, die Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit ist erwiesen.
Drittens. Zur Verbesserung der Information der Flugzeugführer beim Endanflug zur Startbahn und damit der Flugsicherheit erhalten alle Flugplätze, auf denen Flugbetrieb mit Strahlflugzeugen durchgeführt wird, eine Anflugblitzbefeuerung. F-104-Plätze werden vordringlich damit ausgerüstet.
Viertens. Die bisher auf den F-104-Plätzen vorgesehenen Flugzeugnotfang-Anlagen sollen so schnell wie möglich durch neue Anlagen ersetzt werden. Die Vorbereitung für dieses umfassende Beschaffungsprogramm sind im Gange und so weit abgeschlossen, daß mit dem Einbau der ersten Anlagen im Juni dieses Jahres begonnen werden kann. Auch hierbei werden die F-104-Plätze vorrangig behandelt.
Fünftens. Neun Hubschrauber des Heeres sind an die Marine übergeben und mit Geräten ausgestattet worden, die die Anpeilung von in Seenot geratenen Flugzeugführern ermöglichen. Je ein Rettungshubschrauber steht einsatzbereit in Kiel, in Husum, auf Sylt und auf Borkum.
Sechstens. Die in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Flugzeugführer erhalten dort bereits eine umfassende Überlebensausbildung in Theorie und
Staatssekretär Carstens
Praxis einschließlich der Rettung auf offener See. Die Flugzeugführer in den Geschwadern werden durch eine kanadische Mannschaft in Kurzlehrgängen in Decimomannu im Überleben auf See ausgebildet. Die Luftwaffe bereitet in Decimomannu auf Sardinien eine eigene Ausbildung für das Überleben in offener See vor. Der Beginn dieser Ausbildung ist für April 1967 festgesetzt. Jeder Flugzeugführer muß künftig einmal jährlich an einer praktischen Übung „Überleben See" teilnehmen.
Siebentens. Im Verlauf der letzten Monate wurde eine Vielzahl von technischen Maßnahmen eingeleitet und zum Teil abgeschlossen, um die Einsatzbereitschaft der Verbände zu erhöhen und um das Flugzeug selbst zur Hebung der Einsatzfähigkeit sowie der Flugsicherheit technisch zu verbessern. Die wichtigsten Programme umfassen eine Einrichtung zur Verhütung des Aufbäumens des Flugzeuges - das ist der von dem Herrn Berichterstatter vorhin erwähnte Kicker - und ferner eine sogenannte Schubdüsen-Notschließanlage, die dem Flugzeugführer die Möglichkeit gibt, einen durch Ausfall der automatischen Einrichtungen entstehenden Schubverlust mittels manueller Betätigung auszugleichen. Dieses System ist in alle F-104-Maschinen eingebaut.
Achtens. Der bisher verwandte C 2-Schleudersitz wurde in den letzten Monaten im Rahmen seiner Leistungsgrenzen wesentlich verbessert. Weitere Verbesserungen im Hinblick auf eine einwandfreie Stabilisierung und eine einwandfreie Trennung des Sitzes vom Mann werden zur Zeit untersucht. Parallel hierzu wurden alle auf dem Markt und in der Entwicklung befindlichen modernen Schleudersitzsysteme geprüft. Das Ziel ist, für die F-104 das beste, dem letzten technischen Erkenntnisstand entsprechende integrierte Rettungsgerät mit möglichst vollautomatischem Ablauf der Rettungsphasen einzuführen.
Neuntens. Die Seenotausrüstung der Piloten und ihre Schwimmwesten wurden verbessert. Dabei wurde insbesondere den Mängeln Rechnung getragen, die hier von mehreren Rednern gerügt worden sind. In mehreren Truppenversuchen wurde das neue Gerät unter Beteiligung aller betroffenen Stellen überprüft und in Ordnung befunden.
Zehntens. Die Einführung eines neuen, verbesserten Fallschirms, des Fallschirms BA 18, der in der US-Luftwaffe eingesetzt wird, ist im Gange.
Elftens. das bisherige Notsendergerät, welches jeder Flugzeugführer bei sich hat, soll durch ein anderes, besseres Gerät ersetzt werden. Da das neue Gerät - ein deutsches Gerät - noch in der Entwicklung ist, werden zur Zeit Übergangslösungen geprüft.
Zwölftens. Alle Jet-Piloten haben orangefarbene Fliegerkombinationen, die weithin sichtbar sind. Die schwerpunktmäßig über See fliegenden Verbände wurden bevorzugt mit Kälteschutzanzügen ausgerüstet.
Mit diesen und weiteren Maßnahmen, die ich hier im einzelnen nicht vorgetragen habe, hat die Luftwaffe wirksame Schritte zur Verminderung der Unfallquote und zur Rettung von Piloten, die in Unfälle verwickelt sind, getan. Mir lag daran, dem Hohen Hause davon Kenntnis zu geben.
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Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir haben mit Untersuchungsausschüssen oft Kummer gehabt. Heute haben wir über diesen Untersuchungsausschuß nur Lob gehört. Ich bin nicht sicher, daß die Namen unserer Kollegen genannt worden sind, die diese Arbeit geleistet haben. Es waren unserere Kollegen Damm, Iven und Ollesch.
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Ich danke diesen Kollegen für ihre Arbeit. Auf Grund dessen, was wir von der Bundesregierung-gehört haben, können wir hoffen, daß in Zukunft weniger Menschenleben bei diesem Geschäft verlorengehen werden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wir sollen von diesem Antrag Kenntnis nehmen. Das ist geschehen. Wir haben also noch über die Empfehlungen abzustimmen, die der Ausschuß der Bundesregierung gibt. Wer diesen Empfehlungen des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung ein auf Mittwoch, den 15. März 1967, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.