Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst folgendes bekanntzugeben. Die Tagesordnung soll um die Ihnen in Ihrer Mappe vorliegende Liste von Vorlagen ergänzt werden. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Weiter habe ich mitzuteilen, daß nach der Fragestunde das gestern abend eingebrachte Kreditfinanzierungsgesetz, Drucksache V/1436, aufgerufen werden soll. Im Anschluß an das Kreditfinanzierungsgesetz soll die zweite und dritte Beratung des Siebenten Änderungsgesetzes zum AVAVG stattfinden. Anschließend soll der Gesetzentwurf über die Parlamentarischen Staatssekretäre beraten werden. Zusätzlich muß dann noch über zwei Berichte des Ernährungsausschusses Beschluß gefaßt werden. Ich sage das, damit die Mitglieder des Hauses sich über den Ablauf der heutigen Tagesordnung schon jetzt im klaren sind.
Die weiteren amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat am 14. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Jacobi ({0}), Frau Enseling, Frau Dr. Schwarzhaupt, Frau Dr. Kuchtner, Stingl, Dr. Vogel ({1}) und Genossen betr. Einstellung des „Frauenspiegels" - Drucksache V/1362 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1421 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und der Bundesminister für Wirtschaft haben am 4. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. Vogel ({2}), Frau Blohm, Josten, Dr. Wörner, Dr. Geißler und Genossen betr. Berufsausbildung - Drucksache V/1162 - beantwortet. Ihr Schreiben wird als Drucksache V/1422 verteilt.
Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat am 10. Februar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Berkhan und Genossen betr. europäische Raumforschungsgemeinschaft - Drucksache V/1373 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1437 verteilt.
Dann rufe ich Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksachen V/1399, V/1405 und V/1426 Wir beginnen mit den Dringlichen Mündlichen Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung. Ich rufe also die Fragen des Herrn Abgeordneten
Schmidt ({3}) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, Drucksache V/1426, auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, nachdem in den letzten Tagen erkennbar geworden ist, daß die Verhandlungen mit dem Berliner Senat über die Rückerstattung der von den ostberliner Stellen erhobenen Straßenbenutzungsgebühren für Transporte im Berlin-Verkehr zu keinem Ergebnis geführt haben?
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die jetzt praktizierte Regelung, nach der in Berlin ansässige Transportunternehmen die Straßenbenutzungsgebühren zu 100 %, dagegen westdeutsche Unternehmen nichts erhalten, beibehalten werden kann?
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß bereits zahlreiche westdeutsche Transportunternehmen entgegen ihren sonstigen wirtschaftlichen Interessen zu Betriebsverlegungen nach Berlin gezwungen werden, um dadurch die volle Erstattung der Gebühren zu erlangen?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal? - Herr Bundesfinanzminister, wollen Sie antworten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Fragen folgendermaßen.
Zu Frage 1: Die Verhandlungen der Bundesregierung über ihre Vorschläge zur Erstattung der Straßenbenutzungsgebühren mit dem Senat von Berlin sind leider ergebnislos geblieben. Das Kabinett wird deshalb demnächst über neue Lösungsvorschläge beraten.
Zu Frage 2: Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß es bei der gegenwärtigen Regelung bleiben solle. Sie strebt vielmehr die Beseitigung der derzeitigen unterschiedlichen Behandlung der Berliner Unternehmen einerseits und der westdeutschen Unternehmen andererseits an.
Zu Frage 3: Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung eine Lösung finden wird, bei der Verlagerungen von westdeutschen Unternehmen nach Berlin allein aus dem Grunde, um die Berliner Betriebsbeihilfe in Anspruch zu nehmen, für die Transportunternehmen binnen kurzem uninteressant werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß durch diese Verlagerung der Bundesetat unter Umständen höher belastet wird als durch die Wiederherstellung des bis zum 31. Dezember 1966 gültigen Verfahrens?
Wenn durch die Verlagerung von Unternehmen die Steuerkraft von Berlin gestärkt wird und damit die Notwendigkeit eines Bundeszuschusses für Berlin in entsprechendem Umfang vermindert würde, ließe sich auch eine gegenteilige Rechnung aufmachen. Aber hier sind die Kalkulationen wohl zu ungewiß. Außerdem ist es unerwünscht, wenn aus diesem Grunde Unternehmen nach Berlin verlegt werden.
Sind damit Ihre drei Fragen erledigt?
({0})
Dann rufe ich die Frage VIII/ 1 des Abgeordneten Dr. Friderichs, ebenfalls aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, auf:
Macht sich die Bundesregierung die am 27. Januar 1967 in der „Welt" veröffentlichte Forderung zu eigen, die der Bundesschatzminister anläßlich der Eröffnung des Wirtschaftstages 1967 der CDU/CSU erhoben hat und die wie folgt lautet:
Es sollte bei der angestrebten Belebung der Konjunktur nicht ein Pfennig zur Erhaltung überholter Strukturen ausgegeben werden.?
Herr Bundesminister, bitte!
Bei den von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur ist nicht beabsichtigt, Mittel zur Erhaltung überholter Strukturen einzusetzen. In der derzeitigen Phase unserer Wirtschaft werden die Maßnahmen der Bundesregierung solche Bereiche berücksichtigen, die durch die allgemeine Abschwächung der Konjunktur, besonders durch einen überdurchschnittlichen Auftragsrückgang oder durch überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, betroffen sind, sofern sichergestellt ist, daß damit für die Wiederbelebung unserer Wirtschaft die höchste Effizienz erreicht wird.
Herr Friderichs!
Herr Bundesminister, sind Sie in der Lage, mir zu sagen, welche Strukturen der Bundesschatzminister, der es ja nicht nur auf den Eventualhaushalt bezogen hat - die Ausdrücke waren vielmehr allgemein gehalten -, damit gemeint hat?
Der Bundesschatzminister ist bekanntlich Mitglied der Bundesregierung und damit auch in der Fragestunde auskunftspflichtig. Ich schlage vor, ihn selbst zu fragen.
Die nächste Frage, die Frage VIII /2 stellt der Abgeordnete Lemmrich:
Wie groß waren 1966 die Einnahmen aus der Mineralölsteuer?
Aus der Mineralölsteuer kamen 1966 8,016 Milliarden DM auf; davon entfielen 716 Millionen DM auf die Mineralölsteuer auf Heizöl.
Herr Minister, da die Ausgaben für den Bundesfernstraßenbau um einiges unter diesem für die Zweckbindung vorgesehenen Betrag liegen, möchte ich fragen, ob für das Jahr 1968 damit zu rechnen ist, daß die Zweckbindung von 50 % wiederhergestellt wird?
Für 1967 werden 9,872 Milliarden DM, für 1968 10,3 Milliarden DM bei den zugrunde gelegten Zuwachsraten erwartet. Die auf Grund dieser Einnahmeschätzung nach Art. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes für den Straßenbau zur Verfügung zu stellenden Mittel werden annähernd ausreichen, um den 3. Vierjahresplan zu finanzieren. Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß die Finanzierung der einzelnen Jahresraten des 3. Vierjahresplans bei den Haushaltsüberlegungen um eine ausgeglichene und konjunkturgerechte Haushaltsgestaltung mit einbezogen werden muß und damit von den finanziellen Möglichkeiten des Bundes in den kommenden Jahren abhängig ist, d. h. daß auch dieser Bereich in den Zusammenhang der mittelfristigen Planung einbezogen werden muß.
Herr Lemmrich!
Herr Minister, da diese Mittel insbesondere für Investitionen verwendet werden und gerade in diesem Bereich auch von der Konjunktur her Notwendigkeiten dazu vorhanden sind, könnte doch damit gerechnet werden, daß von 1968 ab wieder 50 % der Mineralölsteuer zweckgebunden werden.
Ich werde mich hüten, vor Abschluß der mittelfristigen Finanzplanung Angaben dieser Art zu machen und mich festzulegen.
Die nächste Frage, die Frage VIII/ 3, stellt der Abgeordnete Rollmann:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Mischung von Alkohol verschiedener Destillate bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Spirituosenindustrie auf den in- und ausländischen Märkten förderlich ist?
Herr Minister, bitte!
Die Bundesmonopolverwaltung ist gesetzlich verpflichtet, allen im Bundesgebiet hergestellten Branntwein mit Ausnahme von Branntwein aus Korn, Wein, Steinobst, Beeren und Enzianwurzeln zu übernehmen. Das gilt nicht nur für den begehrteren Branntwein, z. B. aus Kartoffeln oder aus Mais, sondern auch für weniger geschätzten Branntwein, z. B. aus Rübenstoffen oder Kernobst, der im Betriebsjahr 1964/65 rund 44 % des gesamten Branntweins aus landwirtschaftlichen Rohstoffen ausmachte, der an die Bundesmonopolverwaltung abgeliefert wurde. Ein Sortenverkauf würde zu einer einseitigen Nachfrage nach einzelnen Branntweinsorten und demzufolge zu einem Anwachsen der Bestände nicht absetzbarer sonstiger Branntweine, insbesondere an
Rüben- und Kernobstbranntwein, führen. Damit würde die Funktionsfähigkeit des Monopols in Frage gestellt. Die Bundesmonopolverwaltung kann daher von ihrer Übung, übernommenen Branntwein aus verschiedenen Rohstoffen zu mischen, zu reinigen und als eine einheitliche Ware auf den Markt zu bringen, leider nicht abweichen.
Der von der Bundesmonopolverwaltung zu Trinkzwecken abgegebene Primasprit braucht den Vergleich mit dem in anderen Ländern auf den Markt kommenden Alkohol nicht zu scheuen. Aus sogenannten Monopolsprits können auch solche Spirituosen hergestellt werden, die jeden internationalen Vergleich aushalten. Das Bedürfnis nach Herstellung von Spezialitäten aus einem einzigen Rohstoff kann ohne weiteres aus ablieferungsfreiem Branntwein aus Korn, Wein, Steinobst, Beeren und Enzianwurzeln befriedigt werden.
Herr Rollmann!
Herr Minister, wie erklären Sie es sich dann, daß nach Deutschland große Mengen ausländischer Spirituosen importiert werden, die aus Sortensprit hergestellt sind, während umgekehrt die deutsche Ausfuhr von Spirituosen, die eben zum großen Teil aus Monopolsprit hergestellt sind, außerordentlich gering ist?
Ich bin überzeugt, daß das Verhältnis von Ein- und Ausfuhr auf diesem Gebiet nicht auf diesen Grund zurückgeht.
Keine weitere Frage. Ich rufe die Frage VIII/ 4 des Abgeordneten Dr. Stammberger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 280/63 vom 17. November 1966 Ergebnisabführungsverträge zwischen einem Einzelkaufmann bzw. einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft steuerlich nicht mehr anerkannt werden und damit mit einer jahrzehntelangen Rechtsprechung gebrochen wird?
Gestatten Sie, daß ich die drei Fragen des Abgeordneten Dr. Stammberger zusammen beantworte?
Einverstanden. Ich rufe also auch die Fragen VIII/5 und VIII/6 des Abgeordneten Dr. Stammberger auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den durch die in Frage VIII/4 erwähnte Rechtsprechung betroffenen Steuerpflichtigen, die im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der durch die frühere Rechtsprechung aufgestellten Norm ihr Unternehmen in mehrere rechtlich selbständige Teileinheiten aufgegliedert haben, eine Anpassung an die neue Rechtslage zu ermöglichen?
Ist die Bundesregierung bereit, eine Übergangszeit, in der Ergebnisabführungsverträge noch Geltung haben, einzuführen und gesetzliche Maßnahmen vorzubereiten, die eine Zusammenfassung der rechtlich selbständigen Teilbetriebe ermöglichen, zum Beispiel durch ein steuerliches Umwandlungsgesetz nach dem Muster des bis 1959 geltenden Umwandlungsgesetzes?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Bundesfinanzhof in seinem. Urteil vom 17. November 1966 -- I 280/63 - einem Ergebnisabführungsvertrag die steuerliche Anerkennung versagt hat, und zwar mit der Begründung, daß ein Personenunternehmen - Einzelunternehmen, Personengesellschaft - nicht Organträger sein könne. Damit ist von einer mehr als vierzigjährigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs abgewichen worden.
Das Bundesfinanzministerium wird den Finanzministerien der Länder vorschlagen, auf der Grundlage des § 131 der Abgabenordnung im Verwaltungswege eine Übergangsregelung zu treffen, nach der Ergebnisabführungsverträge in den durch die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betroffenen Fällen für eine Übergangszeit bis einschließlich 1967 auch weiterhin anerkannt werden. Den betroffenen Unternehmen soll dadurch die Anpassung an die neue Rechtslage ermöglicht werden. Die Bundesregierung wird darüber hinaus prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise für die im Zuge solcher Anpassungsmaßnahmen durchgeführten Umwandlungen steuerliche Erleichterungen zu gewähren sind. Hierbei muß auch geprüft werden, ob das bis 1959 geltende Umwandlungssteuergesetz als Grundlage für eine solche Regelung in Betracht gezogen werden kann.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Ich rufe die Frage VIII/7 des Abgeordneten Strohmayr auf:
In welcher Stückzahl wird die neue Leibniz-Gedenkmünze im Nennwert von 5 Deutsche Mark hergestellt?
Ich bitte auch hier, die beiden Fragen des Abgeordneten Strohmayr wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Frage VIII/8 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Wie wird sichergestellt, daß die neue Leibniz-Gedenkmünze möglichst weit gestreut wird und nicht schon bei Herausgabe zum Spekulationsobjekt werden kann?
Bei der Ausprägung der 5-DM-Leibniz-Gedenkmünze ist erstmals davon abgesehen worden, von vornherein die Gesamtauflage festzusetzen. Es ist daher möglich und auch beabsichtigt, die Ausgabe dieser Münzen dem Bedarf anzupassen und spekulative Maßnahmen auszuschließen.
Die Münzen werden, wie es das Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen vorsieht, von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe des Bedürfnisses in den Verkehr gebracht. Die Gedenkmünzen werden wie bisher über die Landeszentralbanken so verteilt, daß eine breite Streuung erzielt wird.
Die sich aus der zunächst nicht begrenzten Gesamtauflage zwangsläufig ergebende Erhöhung der Stückzahl und die Möglichkeit, diese der Nachfrage anzupassen, dürften sicherstellen, daß die LeibnizMünze nicht schon bei Ausgabe zum Spekulationsobjekt werden kann.
Herr Strohmayr!
Herr Minister, auf welche Weise soll der voraussichtliche Bedarf von Ihrem Hause festgestellt werden? Sollen sich jetzt etwa Interessenten bei Kreditinstituten anmelden?
Das Bayerische Hauptmünzamt hat bisher rund 1,2 Millionen Leibniz-Gedenkmünzen ausgeprägt. Sie sind in der vorgesehenen und vorher dargestellten Weise zur Verteilung gelangt. Wir werden erfahren, in welchem Zeitraum wieviel davon verkauft werden, und dann die Entscheidung über eine etwa erforderliche weitere Ausprägung treffen.
Herr Strohmayr!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Auflage wahrscheinlich vervielfacht werden muß, wenn man die Verknappung der Fichte-Münze in Betracht zieht, die schon heute für 10 bis 12 DM gehandelt wird, obwohl sie ein reguläres Zahlungsmittel ist?
Wir würden uns freuen, wenn die Auflage vervielfacht werden müßte.
Ich rufe die Frage VIII/ 9 des Abgeordneten Dröscher auf:
Welche steuerlich bedingten Kostenunterschiede entstehen zwischen Kraftstoffen, die über Pipelines an die Raffinerien gebracht werden, und solchen, die über Binnenschiffahrtswege und Straßen kommen?
Die Frage wird übernommen vom Abgeordneten Schmidt ({0}).
Bitte, Herr Bundesminister!
Die steuerliche Belastung ist unterschiedlich, je nachdem, ob der Kraftstoff zu den Raffinerien auf dem Binnenschiffahrtsweg, in Pipelines oder mit Kraftfahrzeugen transportiert wird. Die Beförderung des Kraftstoffs auf dem Binnenschiffahrtsweg unterliegt weder der Umsatzsteuer noch der Beförderungssteuer. Es wird auch keine Mineralölsteuer erhoben. Die Beförderung in Pipelines im Inland unterliegt, soweit sie für andere erfolgt, der Umsatzsteuer. Der Steuersatz beträgt 4 v. H. des gezahlten Beförderungsentgelts.
Im Straßenverkehr sind Kraftstofftransporte wie folgt belastet: Im Werkfernverkehr wird Beförderungsteuer mit 3 Pf je Tonnenkilometer erhoben. Im genehmigten Güterfernverkehr beträgt die Beförderungsteuer 6,542 v. H. des Beförderungsentgelts. Der gewerbliche Güternahverkehr unterliegt der Umsatzsteuer mit 4 v. H. des Beförderungsentgelts, während der Werknahverkehr für eigene Zwecke weder zur Umsatzsteuer noch zur Beförderungsteuer herangezogen wird. Außerdem besteht im Straßenverkehr eine allerdings kaum ins Gewicht fallende Kraftfahrzeugsteuer- und Mineralölsteuerbelastung, z. B. Kraftfahrzeugsteuer etwa 1 Pf für 10 Liter. Praktisch ist jedoch bei den in Ihrer Frage angesprochenen Transporten zu den Raffinerien zu berücksichtigen, daß bei solchen Transporten im wesentlichen nur die Binnenschiffahrt und die Pipelines zueinander in Konkurrenz stehen, so daß in diesem Bereich der unterschiedlichen Belastung des Straßenverkehrs keine besondere Bedeutung zukommen dürfte.
Keine weitere Frage.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Fragen X/1 bis X/3 stellt der Abgeordnete Schmidt ({0}) :
Welchen Preis für frische Magermilch und analog für Magermilchpulver hält die Bundesregierung bei der Verwertung über das Tier für vertretbar?
Weshalb sind in der Zeit von Januar 1966 bis Januar 1967 die Preise für Sprühmagermilchpulver in der Bundesrepublik von 127,75 DM auf 147 DM pro 100 kg zuzüglich Stützung von 5,50 DM gestiegen, obwohl einerseits im Kalenderjahr 1966 die Produktion um 22 v. H. den Inlandsverbrauch überstieg und andererseits die Milcherzeuger selbst keinerlei Vorteil von der Preissteigerung hatten?
Was berechtigt die Bundesregierung, bei der Ein- und Auslagerung von Magermilchpulver von der bestehenden Verpflichtung der Ausschreibung nach der Verdingungsordnung für Leistungen, ausgenommen Bauleistungen ({1}) abzuweichen?
Die Frage 1 darf ich wie folgt beantworten. Frische Magermilch wird in großen Mengen - etwa 2,5 Millionen Tonnen - an Schweine verfüttert und steht als tierisches Eiweißfutter in Konkurrenz mit dem Fischmehl. Bei den derzeitigen Fischmehlpreisen dürfte ein Preis bis zu etwa 7 Pf pro Kilogramm vertretbar sein.
Für Magermilchpulver, das überwiegend für die Kälberfütterung verwendet wird, ist ein Preis von 138,10 DM/ 100kg, der dem derzeitigen Schwellenpreis für Magermilchpulver zu Futterzwecken entspricht, nach Meinung unseres Hauses vertretbar.
Zu Frage 2. Der Preisanstieg in der Bundesrepublik steht im Zusammenhang mit .dem 1966 erfolgten Beihilfenabbau auf dem Milchsektor. Der Beihilfenabbau muß im Interesse angemessener Erzeugerpreise durch höhere Marktpreise ausgeglichen werden. Diese werden durch höhere Schwellenpreise ermöglicht. Dadurch erhöhte sich der Schwellenpreis für Magermilchpulver von 127,80 DM auf 143,60 DM/ 100 kg. Da dieser Preis im Verhältnis zu anderen Eiweißfuttermitteln zu hoch ist, wird Magermilchpulver zu Futterzwecken ab Ende Dezember 1966 um einen Betrag von 5,50 DM gestützt. Der Bundesregierung sind daraus in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1966 zugunsten ,der Landwirtschaft Verpflichtungen in Höhe von rund 15 Millionen DM entstanden. Ein höherer Stützungsbetrag würde dem Bestreben, dem Eiweiß im Verhältnis zum Fett zu einer besseren Verwertung und Bewertung zu verhelfen, entgegenwirken. Die Produktion, die den Inlandsbedarf überstieg, wurde zum entscheidenden Teil exportiert.
Zu Frage 3. Nach § 3 der Verdingungsordnung kann die freihändige Vergebung bei Leistungen
dann angewandt werden, wenn nur bestimmte Unternehmer vorhanden sind, das heißt also in diesem Falle die deutschen Trockenmilchwerke. Die Bundesregierung hat von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht, ,da das Verfahren die geringsten Kosten für die öffentliche Hand entstehen läßt.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Minister, ist es richtig, daß der Preisanstieg im vorigen Jahr mit darauf zurückzuführen war, daß man den Export subventionierte, obwohl bei einem niedrigen Inlandspreis kein Export notwendig, sondern die Verarbeitung zu Kraftfutter möglich gewesen wäre?
Wir haben eine sehr hohe Steigerung in ,der Produktion gehabt. Sie wissen ganz genau, daß wir hier in einer Spannung zwischen der Verwertung für die Landwirtschaft und der Erzielung eines angemessenen Milchpreises leben. Diese Spannung läßt es nur zu, auf eine mittlere Linie zu gehen.
Herr Schmidt ({0}).
Herr Minister, ist es richtig, daß die EWG-Empfehlung 130 DM als Richtpreis ansieht, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um in dieser Richtung aktiv zu werden?
Sie wissen, daß die Schwellenpreise neu festgelegt werden, und wir werden uns in einer angemessenen Form, einem Kompromiß zwischen den Vorstellungen der Kommission und den Notwendigkeiten unserer Milchpreisbildung, einpendeln.
Herr Schmidt ({0}) .
Darf ich eine letzte Frage stellen, Herr Minister. Wenn also die EWG- Richtlinie 130 DM enthält - wird die Bundesregierung dann in den Verhandlungen mit der EWG auch bezüglich des gespaltenen Marktes sich noch weiterer Möglichkeiten bedienen, um dem Milcherzeuger auch, wenn schon Preissteigerungen erfolgen, eine Möglichkeit zu geben, davon zu profitieren, was im vergangenen Jahr nicht der Fall war?
Wir werden bei der Neufestsetzung auf die Erfahrungen dieses Jahres zurückgreifen können. Auf der anderen Seite sieht es so aus, als ob sich die Preisentwicklung auch auf dem Weltmarkt etwas beruhige.
Die Fragen X/4, 5 und 6 stellt der Abgeordnete Sander. Können sie zusammen beantwortet werden?
({0})
- Ich rufe Frage X/4 auf:
Wie ist der Stand der Planung auf dem Gebiet der deutschen Kartoffelforschung?
Im Grundsatz darf ich feststellen, daß die Bundesregierung - im Interesse der Freiheit der Wissenschaft - keine speziellen Planungen für einzelne landwirtschaftliche Kulturarten betreibt. Vielmehr ist sie bemüht, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten wissenschaftliche Untersuchungen aktueller Probleme zu fördern wie z. B. bei Kartoffeln: Ernte- und Lagerungsverfahren, Eignung der Sorten für bestimmte Verwertungszwecke, Fütterungstechnik und Ähnliches mehr.
Herr Sander!
Herr Minister, sind Sie aber nicht doch der Meinung, daß bei der großen Bedeutung des deutschen Kartoffelbaues - soweit mir bekannt, steht der deutsche Kartoffelanbau in der Welt an der dritten Stelle - mehr Mittel für die Forschung auf diesem Sektor eingesetzt werden sollten?
Herr Kollege, wir haben in den letzten Jahren - ich werde in der Antwort auf eine spätere Frage noch darauf zurückkommen - Jahr für Jahr nicht unbedeutende Mittel für solche Forschungsaufgaben verwendet. Wir haben eine Enquete im Anlaufen. Ich bin sehr gern bereit, wenn mir der Bundestag mehr Mittel bewilligt - die Entscheidung steht noch aus -, auch auf diesem Sektor, den ich für genauso wichtig halte wie Sie, das zu tun, was notwendig ist.
Herr Sander!
Herr Minister, es ist Ihnen ja doch bekannt, daß Ihnen eine Globalsumme zur Verfügung steht. Der Sinn meiner Frage ist, ob Sie nicht der Meinung sind, daß jetzt, in diesem Augenblick, wo, wie ja auch Ihnen bekannt ist, der direkte Speisekartoffelverzehr zurückgeht, aus Gründen, auf die ich nachher noch zurückkomme, die Kartoffelforschung besonders gefördert werden sollte.
Ich halte die Kartoffelforschung für einen sehr wichtigen Zweig unserer Forschungsaufgaben. Wir haben, wie gesagt, auch diesen Zweig sehr gepflegt. Ich habe aber nur 3 Millionen DM für zusätzliche Förderungsaufgaben wissenschaftlicher Art zur Verfügung, die natürlich in den weiten Bereich unserer Aufgaben in etwa eingeteilt werden. Was notwendig ist, ist, glaube ich, in der Vergangenheit geschehen, soll aber auch in der Zukunft geschehen.
Frage X/5:
Was gedenkt die Bundesregierung auf den einzelnen Gebieten der Kartoffelforschung ({0}) zu tun?
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren folgende Beträge speziell für die Kartoffelforschung zur Verfügung gestellt: 1964: 151 000 DM, 1965: 240 000 DM, 1966: 248 000 DM. Es ergibt sich also eine zunehmende Steigerung. Insbesondere wurden damit Forschungsvorhaben auf dem Gebiete der Resistenzzüchtung gegen Viren und Nematoden, Verbesserung von Ernteverfahren und Lagerungsfragen sowie Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten von Futterkartoffeln und Fragen der Kartoffeltrocknung finanziell gefördert.
Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten - die, wie gesagt, haushaltsmäßig noch offen sind - solche gezielte Vorhaben auf dem Gebiet der Kartoffelforschung auch künftig finanziell zu fördern.
Außerdem werden im Rahmen der vom Deutschen Bundestag angeregten Enquete über die Struktur der Märkte und über die Entwicklung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse auch Markt- und Absatzfragen der Kartoffel und ihrer Veredelungsprodukte ganz besonders untersucht werden. Für die Gesamtenquete werden 1967 vom Bundesernährungsministerium rund 250 000 DM bereitgestellt werden.
Herr Sander!
Herr Bundesminister, sind Sie angesichts der Tatsache, daß immer mehr rohe Speiseware zu Veredelungsprodukten - Kartoffelpüree, Chips, Klöße, Kloßmehl usw. - verarbeitet werden, bereit, hier Prioritäten zu schaffen und gerade auf dieses Gebiet, auf dem, soweit mir bekannt ist, noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist - ich denke hier an die Lagerung der Rohware - Ihr besonderes Augenmerk zu richten?
Herr Kollege, ich möchte nicht selbst Prioritäten schaffen, sondern ich möchte natürliche Prioritäten beachten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sander.
Herr Minister, sind Sie dazu bereit, daß wir uns auch im Ernährungsausschuß einmal über die Kartoffelforschung und in .dem Zusammenhang über Prioritäten unterhalten?
Ich bin gern dazu bereit.
Dann die letzte Frage des Abgeordneten Sander, die Frage X/6:
Welche Mittel stehen für die in Frage X/4 erwähnte Forschung bereit?
Dem Ministerium stehen ganz allgemein für spezielle Forschungsaufgaben auf ,dem Gebiete der Ernährungs-, Landbau- und Forstwissenschaften Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung. Hierfür sind im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplans 1967 für den gesamten Agrarbereich 3 Millionen DM veranschlagt. Aus diesen Mitteln können, wenn sie vom Bundestag 'bewilligt werden, auch Forschungsvorhaben, die auf dem Gebiete der Kartoffelforschung notwendig sind, wie bereits erwähnt, gefördert werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sander.
Herr Minister, sind Sie bereit, einmal nachzuprüfen, welchen Wert die Bodenproduktion Kartoffel hat, und sind Sie dann bereit, prozentual Mittel für Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet einzusetzen?
Ich weiß nicht, ob die prozentuale Aufteilung ,der richtige Weg ist. Ich glaube vielmehr, daß ,die natürlichen Bedürfnisse und die wissenschaftlichen Erkenntnisse die Faktoren sein sollten, ,die die Aufteilung bestimmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen X/7 und X/8 sind von dem Abgeordneten Dröscher gestellt worden. Die Fragen werden von Herrn Abgeordneten Müller ({0}) übernommen.
Ich würde gern die beiden Fragen wegen ihres Sachzusammenhanges zusammen beantworten.
Bitte! Dann rufe ich die Fragen X/7 und X/8 des Abgeordneten Dröscher auf:
Inwieweit sind Nachrichten zutreffend, wonach wegen Verteuerung der Durum-Weizenpreise eine Erhöhung der Teigwarenverkaufspreise um ca. 30 % bevorstehen soll?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der in Frage X/7 erwähnten Verteuerung des Preises eines Grundnahrungsmittels entgegenzuwirken?
Durch den Wegfall der Abschöpfungsbegünstigung für Hartweizen, der nach der EWG-Regelung ab 1. Juli 1967 eintritt, wird eine preisliche Veränderung für Teigwaren zu erwarten sein, die aber nicht 30 %, sondern nach unseren Berechnungen 12 bis 14% betragen wird. Die Bundesregierung ist zur Zeit bemüht, in Gesprächen mit den inländischen Teigwarenherstellern, die noch nicht abgeschlossen sind, zu prüfen, ob und inwieweit einer Verteuerung der Teigwaren entgegengewirkt werden kann. Es könnte daran
gedacht werden, daß für die Herstellung von Teigwaren in stärkerem Maße als bisher der billigere Weichweizen verwendet wird. Die Qualität der Teigwaren müßte dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Minister, ist es zutreffend, daß neben Luxemburg und den Niederlanden die EWG-Kommission gemäß Art. 93 Abs. 2 des EWG-Vertrages ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik wegen Verbrauchssubvention bei Getreideerzeugnissen eingeleitet hat, weil die Bundesrepublik die Abschöpfung für Hartweizen zur Konsumgrießherstellung ermäßigte?
Ich darf Ihnen diese Zusatzfrage schriftlich beantworten, weil ich den neuesten Stand dieses Verfahrens nicht kenne.
Die Fragen X/9 bis X/11 des Abgeordneten Dr. Siemer sind zurückgezogen. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen XI/ 1, XI/ 2 und XI/ 3 sind von dem Abgeordneten Kohlberger gestellt. Ich rufe zunächst die Frage XI/1 auf:
Ist dem Beirat für Orthopädietechnik im Bundesarbeitsministerium die in Wien entwickelte bioelektrische Armprothese entsprechend der Ankündigung des Bundesarbeitsministers in der 45. Sitzung des Deutschen Bundestages vom Erfinder vorgeführt worden?
Dem Beirat für Orthopädietechnik bei dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wurde die in Wien entwickelte bioelektrische Armprothese auf seiner 20. Arbeitstagung am 27. Januar 1967 vom Erfinder an einem Armamputierten vorgeführt. Zu derselben Tagung war außerdem auch ein italienischer Erfinder geladen, der ein ähnliches, von ihm entwickeltes Modell vorstellte.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage XI/ 2 auf:
Wie weit sind eigene Entwicklungen auf dem Gebiet der elektrischen Prothesentechnik gediehen?
Die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der bioelektrisch gesteuerten Armprothesen ist zwischenzeitlich fortgesetzt worden. Sie hat dazu geführt, daß in Kürze zur praktischen Erprobung versuchsweise Personen mit dem österreichischen sowie dem italienischen Modell in Zusammenarbeit mit den einschlägigen
Forschungsinstituten versorgt werden sollen. Von diesem Ergebnis soll die Entwicklung eigener Konstruktionen abhängig gemacht werden.
Herr Kohlberger!
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Forschungsergebnisse des Arbeitskreises für biophysikalische Prothetik bekannt, und inwieweit wurde dieser Arbeitskreis bis jetzt vom Bund unterstützt?
Herr Abgeordneter, ich werde Ihnen die Frage, wieweit diese Forschungsvorhaben unterstützt worden sind, schriftlich beantworten.
Herr Kohlberger!
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Arbeiten dieses Arbeitskreises bekannt, und könnten Sie sich einmal mit dem Bundesgesundheitsministerium in Verbindung setzen? Denn soweit mir mitgeteilt wurde, ist dieser Arbeitskreis bereits finanziell unterstützt worden, um seine Forschungsarbeiten weiterführen zu können.
Die Arbeiten sind mir bekannt. Ich werde mich mit dem Bundesministerium für das Gesundheitswesen in Verbindung setzen.
Ich rufe die Frage XI/3 des Abgeordneten Kohlberger auf:
Bis wann können die rund 80 000 Unterarmamputierten mit modernen Prothesen versorgt werden?
Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst klarstellen, daß die Zahl der ein- und doppelseitig armamputierten Kriegsbeschädigten am 30. September 1966 rund 40 000 betrug. Davon waren rund 15 700 unterarmoder handamputierte Personen.
Die Aufnahme der allgemeinen Versorgung Unterarmamputierter mit der bioelektrisch gesteuerten Prothese wird von dem Ergebnis der weiteren technisch-wissenschaftlichen Untersuchungen und von der erwähnten praktischen Erprobung abhängen. Die Bundesregierung bemüht sich, die Voraussetzungen für eine baldige Versorgung der Beschädigten mit bioelektrisch gesteuerten Prothesen zu schaffen. Es wird jedoch noch ein gewisser Zeitraum zur Erreichung dieses Ziels benötigt werden. Unter anderem muß auch das orthopädische Mechanikerhandwerk zunächst geeignetes Fachpersonal heranbilden, um einen ausreichenden Kundendienst für Instandsetzungen zu gewährleisten.
Herr Kohlberger!
Kohlberger ({0}) : Herr Staatssekretär, mir ist bekannt, daß die ersten Versuche mit ausgereiften biologischen und bioelektrischen Prothesen im März dieses Jahres in Heidelberg durchgeführt werden sollen. Inwieweit gibt es eine Unterstützung des Bundes für diesen Arbeitskreis und für diese Forschungszentrale?
Auch diese Frage, Herr Abgeordneter, werde ich Ihnen schriftlich beantworten.
Ich rufe die Fragen XI/ 4, XI/ 5 und XI/ 6 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Personenkreis der Bezieher von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Rentennachzahlungen nach den Rentenanpassungsgesetzen erst nach monatelangem Warten erhält?
Worauf sind die in Frage XI/4 erwähnten langen Wartefristen zurückzuführen?
Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die in Frage XI/4 erwähnten betroffenen Rentner schneller in den Genuß der Nachzahlungen gelangen?
Ist der Herr Abgeordnete im Raum? - Ja. Bitte, Herr Staatssekretär!
Der Bundesregierung ist die Tatsache bekannt, daß ein Teil des Personenkreises, der Renten sowohl aus der gesetzlichen Altersversicherung als auch aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, mitunter auf Rentennachzahlungen etwas länger warten muß als solche Versicherte, die Renten ausschließlich aus der Altersversicherung erhalten. Die Bundesregierung ist- soweit das in ihren Kräften steht - darum bemüht, zu einer möglichst raschen Abwicklung der für die Anpassung erforderlichen Berechnungen beizutragen und damit eine möglichst schnelle Anweisung der Nachzahlungen zu fördern.
Der Grund für die etwas längeren Wartezeiten, die hier auftreten, liegt vor allem in der Notwendigkeit, die sogenannten Ruhensvorschriften der Rentengesetze anzuwenden. Diese Bestimmungen sehen vor, daß bei Versicherten, die einen Anspruch auf Altersrente u n d auf Unfallrente haben, die Unfallrente zu einem Teil auf die Altersrente angerechnet wird, wenn beide Renten zusammen eine bestimmte Höhe überschreiten. Wenn nun ein solcher Fall vorliegt, also die Unfallrente zu einem Teil auf die Altersrente angerechnet wird, so ergibt sich zwangsläufig, daß eine auf Grund der Rentenanpassungsgesetze erforderliche Erhöhung der Altersrente erst dann erfolgen kann, wenn die neue Unfallrente, die ebenfalls auf Grund der Rentenanpassungsgesetze erhöht wird, bekannt ist.
Wir alle wissen, daß die verschiedenen Träger der Unfall- und der Altersversicherung durch die umfangreichen Berechnungsarbeiten zur jährlichen Rentenanpassung stark belastet werden und diese trotz intensiven Bemühens nicht gleichmäßig schnell bewältigen können. Vor allem bei den kleineren Berufsgenossenschaften dauern die zur Rentenanpassung erforderlichen Berechnungen meist etwas länger. Die Rentenversicherungsträger bemühen sich aber durchaus mit Erfolg, die erforderlichen Arbeitsgänge immer mehr zu beschleunigen und damit die Wartefristen zu verkürzen.
Einem Teil der Rentenversicherungsträger, und zwar den Knappschaften, von denen mehr als die Hälfte der in Betracht kommenden Renten angepaßt werden, ist es bereits gelungen, nahezu alle in Betracht kommenden Erhöhungsbeträge ohne größere Verzögerung zur Auszahlung zu bringen. Im muß allerdings bemerken, daß- hier besonders günstige Voraussetzungen gegeben sind, weil im allgemeinen nur ein einziger Unfallversicherungsträger, nämlich die Bergbauberufsgenossenschaft betroffen ist. Bei den anderen Versicherungsträgern läßt sich ein solches Ergebnis wegen der Verschiedenartigkeit der Fälle und der Täger nicht ganz erreichen, wenn auch mit weiteren Verkürzungen der Bearbeitungsdauer gerechnet werden kann.
Allgemein ist noch anzumerken, daß es sich bei den Versicherten, für die aus diesem Grunde bei den Rentennachzahlungen - und ich betone: nicht bei der laufenden Rentenzahlung, nur bei den Nachzahlungen auf Grund der jährlichen Rentenanpassungsgesetze --- eine gewisse Verzögerung eintritt, um solche Rentner handelt, -die meist verhältnismäßig hohe Gesamtbezüge aus ,der Unfall- und der Altersversicherung erhalten, deren Renteneinkommen also in der Regel merklich über ,den Durchschnittsrenten für die vergleichbaren Einkommensgruppen liegt. In Anbetracht dessen erscheint es wohl auch nicht unbillig, wenn ihnen, was natürlich zu bedauern ist, eine gewisse durch die Berechnungstechnik verursachte Verzögerung von Nachzahlungen zugemutet werden muß.
Herr Müller ({0}) !
Herr Staatssekretär, Sie sprachen eingangs davon, daß es etwas länger dauere. Nun ist der Begriff ja sehr dehnbar. Ich möchte Sie fragen, ob Sie unter „etwas länger" Verzögerungen bis zu einem halben Jahr oder mehr verstehen.
Herr Abgeordneter, eis gibt in der Tat Verzögerungen, die mehr .als ein halbes Jahr dauern. Wir werden uns gemeinsam mit den Versicherungsträgern bemühen, die Fristen zu verkürzen.
Herr Müller ({0}) !
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten, die Berufsgenossenschaft, durch deren längeren Berechnungsweg diese Verzögerungen eintreten, zu veranlassen, Untersuchungen anzustellen, ob nicht durch gewisse gezielte Maßnahmen gesichert werden kann, daß es doch zur Abkürzung derartig langer Lauffristen kommt?
Ich werde mich mit den Berufsgenossenschaften in diesem Sinne in Verbindung setzen.
Herr Müller ({0}) !
Darf ich fragen, ob Sie hier beispielsweise in der Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen einen möglichen Weg sehen, um zügiger voranzukommen.
Herr Abgeordneter, ich glaube, im Augenblick wird es nicht allein ausreichen, mit Datenverarbeitungsanlagen zu arbeiten. Ich sprach davon, daß die Schwierigkeiten gerade bei den kleineren Berufsgenossenschaften auftreten. Damit wird aber ein anderes Problem angeschnitten, nämlich das, ob die Größe der einzelnen Versicherungsträger noch die richtige ist. Das Hohe Haus hat der Bundesregierung einen Auftrag erteilt, ,die Frage zu prüfen, ob die Versicherungsträger in ihrer Konstruktion noch richtig gegliedert sind.
Herr Müller ({0}) !
Darf ich daraus folgern, Herr Staatssekretär, daß ernsthafte Überlegungen angestellt werden, verwaltungsmäßige Größenordnungen .zu finden, die sichern, daß in Form von Arbeitsgemeinschaften oder Zusammenschlüssen hier bessere Erfolge auf verwaltungsmäßigem Gebiet zu erzielen wären?
Herr Abgeordneter, wir werden uns bemühen, aber wahrscheinlich bedürfen wir dazu der Unterstützung des Hohen Hauses.
Ich rufe die Fragen XI/ 7, XI/ 8 und XI/ 9 des Abgeordneten Bartsch auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die Bedeutung der mehr und mehr auftretenden gesundheitlichen Spätschäden und der Frühalterung nach extremen Lebensverhältnissen in Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern eine besondere Erforschung erforderlich macht?
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, die auch von Heimkehrer-Ärztekongressen vertreten wurde, daß die Gesamtanalyse am besten in Koordinierung von Ergebnissen auf gemeinsamer Basis, Forschung und Nutzbarmachung für extreme Lebensverhältnisse in Gegenwart und Zukunft in zentraler Zusammenfassung in einem besonderen Institut zu erarbeiten ist?
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, für den in Frage X118 erwähnten Plan finanzielle Mittel zu gewinnen, indem sie mit den Ministerpräsidenten der Länder ein Einvernehmen herstellt über die Verwendung von Restmitteln für Kriegsgefangenenzertifikate?
Zu Ihrer ersten Frage: Es ist auch die Ansicht der Bundesregierung, daß die Frage, ob und welche gesundheitlichen Spätschäden nach extremen Lebensverhältnissen auftreten und ob eine vorzeitige Alterung durch extreme Lebensverhältnisse eintritt, erforscht werden muß. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat, wie auch schon in Fragestunden des Deutschen Bundestages - zuletzt am 6. Oktober 1966 auf Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher - ausgeführt wurde, in den letzten Jahren verschiedene Forschungsaufträge vergeben und Sachverständigengespräche geführt, die aufschlußreiche Ergebnisse gezeigt und auch Eingang in die Begutachtung gefunden haben. Ich erinnere dabei vor allem an die Gebiete der Leberspätschäden und der arteriosklerotischen Komplikationen. Einige Forschungsaufträge über Probleme der Frühalterung und der gesundheitlichen Spätschäden laufen noch und werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel weitergeführt.
Zu der zweiten Frage: Die medizinische Forschung auf diesem Gebiet wird in erster Linie von den' medizinischen Fakultäten der Universitäten wahrgenommen. Es wirkt sich erfahrungsgemäß für die Forschung sehr nützlich aus, wenn sie auf eine möglichst breite Basis gestellt wird, wie das gerade an Universitäten möglich ist. Dies gilt vor allem bei einem Forschungskomplex, der vielschichtig ist und in alle Bereiche der Medizin eingreift. Man kann die Voralterung nicht isoliert als Folge extremer Lebensverhältnisse sehen, sondern man muß sie in Beziehung zum normalen Altern und zu anderen Einflüssen des Lebens setzen. Da die Alternsforschung bereits von einer ganzen Anzahl von Stellen betrieben wird, erscheint es nicht erforderlich, eine neue Forschungsinstitution zu schaffen. Man könnte indessen durchaus erwägen, an einer zentralen Stelle das bereits vorhandene Material und die weiteren Ergebnisse der Forschung zu sammeln und wissenschaftlich auszuwerten.
Zu der dritten Frage, Herr Abgeordneter: Die westlichen Alliierten haben zur Zeit der Währungsreform den Ländern der Bundesrepublik einen Fonds von damals 76 Millionen DM zur Verfügung gestellt, um die Ansprüche der Kriegsgefangenen aus ihren Arbeitsverhältnissen in der Kriegsgefangenschaft zu erfüllen. Die Länder verwalten diesen Fonds in eigener Zuständigkeit. Federführend ist der hessische Minister der Finanzen. Die Initiatoren des Plans, ein derartiges Institut zu schaffen, wollen sich unmittelbar an den hessischen Minister der Finanzen wenden.
Herr Bartsch!
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antworten dahingehend auslegen, daß die Bundesregierung den dringenden Empfehlungen namhafter medizinischer Forscher zu folgen gedenkt, doch ein besonderes Institut an einer Universität einzurichten, damit diese Fragen zentral zusammengefaßt und nicht so vielfältig wie bisher behandelt werden?
Kattenstroth Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat nicht die Absicht, ein besonderes Institut zu errichten. Ich kann nur sagen, daß eine Koordinierung erforderlich ist. Auf dem Gebiete der Dokumentation der Literatur erfolgt schon eine Koordinierung: mit der Dokumentation der Literatur befaßt sich die Dokumentationsstelle für Versorgungs- und Sozialmedizin in Bielefeld, eine Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Rat des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung steht für eine Koordinierung stets zur Verfügung.
Herr Bartsch!
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung diese Form für ausreichend, wenn man z. B. bedenkt, daß die Forschung auf diesem Gebiete auch für die Folgen, die heute durch die technologische Entwicklung oder durch die Hungererscheinungen in der Welt bedingt sind, äußerst wichtig sein und hierfür besser als bisher in dieser zersplitterten Form wertvolles Material bringen könnte?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat bisher diese Form der Koordinierung für ausreichend gehalten. Sie wird aber laufend prüfen, ob eine andere Form gefunden werden muß.
Herr Bartsch!
Herr Staatssekretär, kann da zu gegebener Zeit eine Unterrichtung erfolgen?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter.
Herr Schmidt ({0}) !
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammenhang fragen, ob sichergestellt ist, daß bei diesen Koordinierungsversuchen auch die einzelnen bereits im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes auf Grund von Erforschungen von extremen Lebensverhältnissen in Konzentrationslagern vorliegenden Ergebnisse auf die Heimkehrer und die Kriegsversehrten übertragen und für sie genutzt werden.
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen dazu nur sagen, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Konferenz der Entschädigungsreferenten der Länder auf ihrer Sitzung am 6. und 7. Juli 1965 in Mainz die Einschaltung weiterer Organisationen und Institutionen in die Begutachtung für das Bundesentschädigungsgesetz nicht für notwendig erachtet hat. Aber auf
Grund Ihrer Frage werden wir uns der Angelegenheit nochmals annehmen.
Herr Schmidt ({0}) !
Darf ich vielleicht meine Frage dahingehend präzisieren: Im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes ist beispielsweise die Beweislast bei Spätschäden usw. wesentlich leichter, als es in anderen Bereichen der Kriegsfolgengesetzgebung geregelt ist. Hier liegen im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes hinsichtlich der notwendigen Rentenleistungen usw. Forschungsergebnisse vor. Darf ich darum bitten, daß diese Ergebnisse auf alle Fälle herangezogen werden.
Diese Ergebnisse werden wir, Herr Abgeordneter, hinzuziehen.
Herr Schmidt ({0}) !
Darf ich abschließend noch fragen, ob es die Bundesregierung für möglich hält, daß man am Ende dieser Forschungsergebnisse das Beweislastverfahren einheitlich regelt, so wie es bereits im Bundesentschädigungsgesetz geregelt ist.
Herr Abgeordneter, ich habe die Hoffnung, aber ich bin nicht sicher, daß das möglich ist.
Ich rufe die Frage XI/ 10 des Herrn Abgeordneten Höhmann ({0}) auf:
Ist der Bundesarbeitsminister bereit, den infolge der beabsichtigten Schließung des Untertagebaues der Braunkohlenzeche Glimmerode und Stellberg der Hessischen Braunkohlenwerke ({1}) GmbH im nordhessischen Zonenrandgebiet frei werdenden Bergleuten ebenso Anpassungshilfe zu gewähren, wie sie die Arbeitskräfte aus dem Stein- und Pechkohlenbergbau erhalten?
Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten.
Die Bundesregierung prüft zur Zeit, ob die Richtlinien vom 12. Juli 1966 für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus auch in den Betrieben des Braunkohlenbergbaus, die unter den Montanunionvertrag fallen, angewandt werden sollen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Ich mache vorsorglich darauf aufmerksam, daß gegebenenfalls auch die Hohe Behörde der Montanunion der Anwendung der Richtlinien zustimmen muß.
Ich möchte außerdem darauf hinweisen, daß die Frage einer besonderen Prüfung bedarf, ob gerade die von Ihnen genannten Betriebsstätten Glimmerode und Stellberg der Hessischen Braunkohlenwerke GmbH dem Montanunionvertrag unterliegen.
Herr Höhmann!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß eine solche Prüfung längst hätte abgeschlossen sein können, nachdem mir der Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik in Ihrem Hause schon im September des vergangenen Jahres mitgeteilt hat: Ich habe dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft und dem Herrn Bundesminister der Finanzen bereits vorgeschlagen, falls notwendig, den Arbeitnehmern der unter Art. 56 Abs. 2 des Montanunionvertrages fallenden Braunkohlenbetriebe Beihilfen nach den Richtlinien vom 12. Juli 1966 zu gewähren?
Herr Abgeordneter, ich kenne die Mitteilung. Ich muß Ihnen sagen, daß die Prüfung des Vorschlages durch die beteiligten Ressorts noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Ich bitte um Verständnis, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung das Ergebnis der Prüfung abwarten muß.
Herr Höhmann!
Herr Satatssekretär, welchen Zeitraum, glauben Sie, wird die Prüfung dieser Frage denn in Anspruch nehmen, und glauben Sie nicht auch, daß man, nachdem bei der Pechkohle als Nicht-Steinkohle praktisch schon ein Sündenfall vorgekommen ist, die Braunkohle in jedem Fall mit einbeziehen sollte?
Herr Abgeordneter, ich meine nicht, daß die Behandlung des Falls der Pechkohle einen Sündenfall darstellt. Aber es gibt keine Fristen, innerhalb deren die Ressorts der Bundesregierung untereinander zu antworten haben.
Könnten Sie auch sagen, welcher prominente Abgeordnete den Wahlkreis vertritt, in dem die Pechkohle seinerzeit gefördert wurde?
Mir scheint, die Frage geht etwas weit.
({0})
Ich rufe die Fragen XI /11 und XI/ 12 des Herrn Abgeordneten Buschfort auf:
Trifft es zu, daß Soldaten auf Zeit nach Ablauf ihrer Dienstzeit bei eintretender Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben?
Glaubt die Bundesregierung, bei Bejahung der Frage XI/ 11 die entstandenen Härten sofort oder aber erst mit Verabschiedung der großen Novelle zum AVAVG regeln zu können?
Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten.
Es trifft zu, daß Soldaten auf Zeit nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die zur Ableistung des Grundwehrdienstes Einberufenen sind nach § 56 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert, sofern sie vor der Einberufung als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung beschäftigt waren, weil ihre Beschäftigung durch die Einberufung unterbrochen wird. Soldaten auf Zeit hingegen gehen freiwillig ein Dienstverhältnis mit beamtenähnlicher Besoldung ein, das kein Beschäftigungsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne ist und deshalb auch nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegt. Im Falle der Arbeitslosigkeit steht einem ehemaligen Soldaten auf Zeit jedoch ein Anspruch auf Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe auf Grund des § 145 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und des § 3 Nr. 3 der Fünften Durchführungsverordnung zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu. Voraussetzung ist, daß der Betroffene bedürftig ist.
Der Bund ist seiner Verpflichtung nach § 31 des Soldatengesetzes, im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Soldaten auf Zeit auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu sorgen, im Rahmen des Soldatenversorgungsgesetzes nachgekommen. Auf Grund dieses Gesetzes werden den Soldaten auf Zeit bei Beendigung ihres Dienstverhältnisses Übergangsgebührnisse oder Übergangsbeihilfen gewährt. Es besteht somit kein Raum dafür, die Soldaten auf Zeit über die ihnen zustehende Versorgung hinaus noch für den Fall der Arbeitslosigkeit zu versichern. Deshalb ist auch nicht beabsichtigt, die jetzige Regelung im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der vorgesehenen großen Novellierung zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu ändern.
Herr Abgeordneter Buschfort!
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß die danach eingeführten Übergangsbeihilfen nicht mit Rücksicht auf eventuell eintretende Arbeitslosigkeit eingeführt wurden?
Herr Abgeorneter, sie sind sicher nicht im Hinblick auf eine zu befürchtende Arbeitslosigkeit eingeführt worden, aber sie sind doch in einer Höhe festgesetzt, daß die Bundesregierung nicht der Ansicht ist, die Betroffenen sollten seitens des Bundes noch bei der Nürnberger Bundesanstalt versichert werden. Wenn Sie aber einen bestimmten konkreten Fall im Auge haben, in dem sich eine große Ungerechtigkeit ergibt, d. h. die Zahlungen aus dem Soldatenversorgungsgesetz nicht ausreichen, bin ich gern bereit, diesen Fall zu prüfen und eine Möglichkeit zu suchen, auch dort zu helfen.
Herr Buschfort!
Herr Staatssekretär, welches, glauben Sie, werden die Auswirkungen der heute von Ihnen gegebenen Antwort sein, wenn diese Antwort in der Presse veröffentlicht wird, wieviel Soldaten sich überlegen werden, ob sie künftig noch ihre freiwillige Wehrdienstzeit als Zeitsoldat verlängern sollen?
Herr Abgeordneter, wenn meine Antwort eine negative Wirkung haben sollte, müßten wir auf die einzelnen Leistungen auf Grund des Soldatenversorgungsgesetzes hinweisen. Die Übergangsgebührnisse und die Übergangsbeihilfen sind doch relativ hoch. Die Frage ist, ob es bei der jetzigen Haushaltssituation möglich ist, die betreffenden Soldaten auf Zeit noch zusätzlich zu versichern. Die Versicherung kann ja nicht von Nürnberg selbst vorgenommen werden, sondern einer muß zahlen, und der Zahlende wäre in diesem Fall doch der Bundeshaushalt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Buschfort.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht eine sehr unterschiedliche Behandlung darin, daß auf der einen Seite Wehrdienstzeiten für die Rentenversicherung berücksichtigt werden und eine volle Anrechnung erfolgt, auf der anderen Seite aber, wenn Arbeitslosigkeit eintritt, keine Berücksichtigung stattfindet?
Herr Abgeordneter, wir sind der Ansicht, daß bei den Soldaten auf Zeit, die ausscheiden, selten damit zu rechnen ist, daß sie arbeitslos werden. Ich habe vorhin schon gesagt: wenn Sie einen Einzelfall haben oder solche Fälle in größerem Umfang vorliegen, sind wir gern bereit, diese Frage zu prüfen; denn dann müssen wir selbstverständlich helfen.
Herr Buschfort!
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzen Sie zur Zeit die Zahl der nicht bezugsberechtigten ehemaligen Soldaten auf Zeit?
Kattenstroth Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung: Herr Abgeordneter, ich habe versucht, diese Zahl festzustellen; es ist mir bis zur heutigen Fragestunde nicht gelungen. Ich werde mich weiter bemühen und, sobald ich eine Zahl habe, sie Ihnen schriftlich bekanntgeben.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage XIII/ 1 des Herrn Abgeordneten Schwabe auf:
Soll der südöstliche Ausgang am Bahnhof Bonn zum Bahnhofvorplatz trotz allgemeiner Aufhebung der Bahnsteigsperren weiterhin vorwiegend verschlossen bleiben oder kann er wenigstens mit einem Drehkreuz versehen werden, um so zahlreichen ankommenden Reisenden, die zu den Autobushaltestellen gehen müssen, den umständlichen Umweg über das Hauptgebäude zu ersparen?
Ist Herr Schwabe im Raum? - Wird die Frage übernommen? - Dann wird sie schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage XIII/ 2 des Herrn Abgeordneten Picard auf:
Wann ist mit dem Bau der Bonner Südbrücke zu rechnen?
Herr Präsident, darf ich die nächste Frage gleich mit beantworten?
Bitte. Dann rufe ich ferner die Frage XIII/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing ({0}) auf:
Ist mit dem Beginn des Baues der Bonner Südbrücke gemäß den Aussagen des Bundesverkehrsministers in der 101. und 190. Sitzung ({1}) des 4. Deutschen Bundestages in diesem Jahre zu rechnen?
Die Frage des Herrn Abgeordneten Picard wird von Herrn Dr. Kliesing übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Terminplanung für die Bonner Südbrücke war und ist auf einen Baubeginn noch im .Jahre 1967 abgestellt. Nach dem Stand der Planungen und Bauvorbereitungen werden die Bauarbeiten jedoch frühestens Ende 1967 anlaufen.
Herr Dr. Kliesing zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß auch die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß die gegenwärtige schwierige Verkehrssituation im Bonner Raum durch die Inbetriebnahme der Nordbrücke nicht gemeistert werden kann, sondern der Bau der Südbrücke sich unmittelbar anschließen muß?
Wir teilen diese Auffassung und planen auch entsprechend.
Erscheint die Finanzierung gesichert, oder muß sie aus dem Eventualhaushalt erfolgen?
Der Eventualhaushalt wird für diese Brücke kaum in Frage kommen, weil noch, wie Sie schon vermuten, einige Finanzierungsfragen, und zwar seitens des Landes, geklärt werden müssen. Es handelt sich um die Verlegung eines öffentlichen Verkehrsweges, eines Schienenweges über die Brücke.
Herr Abgeordneter Kliesing, ich habe den Eindruck, daß damit Ihre
Vizepräsident Schoettle
eigene Frage eigentlich schon beantwortet ist. - Dann rufe ich die nächste Frage, die Frage XIII/4 des Herrn Abgeordneten Kliesing auf:
Wird der Bau der EB 42 im Amtsbereich Oberkassel, wie der Bundesverkehrsminister in der 190. Sitzung ({0}) des 4. Deutschen Bundestages sagte, spätestens im Frühjahr 1967 begonnen, so daß „die Straße 1967 voll im Bau sein wird"?
Ich hoffe sehr, daß die Bauarbeiten an der EB 42 im Amtsbereich Oberkassel noch im Laufe des Jahres 1967 anlaufen werden. Voraussetzung für den Baubeginn ist jedoch der baldige Abschluß des Planfeststellungsverfahrens und ein zügiger Grunderwerb.
Herr Dr. Kliesing!
Welche Umstände wären geeignet, dieses von Ihnen dargelegte Vorhaben weiterhin zu verzögern?
Ich glaube, Herr Abgoerdneter, daß sich die Landesauftragsverwaltung, die zur Zeit mit der Planfeststellung befaßt ist, selbst größte Mühe geben wird, diese Arbeit zu beschleunigen. Aber Sie wissen, daß der Grunderwerb, der sich anschließt, in vielen Fällen zu großen Schwierigkeiten führt. Es wird nach unseren vorläufigen Feststellungen nur möglich sein, den Grunderwerb zum Teil „freihändig" zu tätigen. Es wird also auch hier mit den Rechtsmitteln gerechnet werden müssen, und
das bringt natürlich immer Verzögerungen.
Herr Dr. Kliesing!
Wäre die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls dadurch auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken, daß sie darauf hinweist, daß insbesondere für die Bevölkerung der Gemeinden Niederdollendorf und Oberkassel die Situation durch die Verzögerung des Straßenbaues allmählich unhaltbar geworden ist?
Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie wissen selbst, daß wir - sowohl der bisherige als auch der derzeitige Herr Minister - sehr bemüht sind, in diesem Sinne tätig zu werden, und wir werden es auch weiter sein.
({0})
Herr Josten!
Herr Staatssekretär, wird in Ihrem Hause auch der Bau der Rheinbrücke im Raum Sinzig-Remagen weiterverfolgt, weil dadurch ja auch eine starke Entlastung der B 9 und der B 42 erfolgen würde?
Die Angelegenheit wird geprüft. Mehr kann ich im Augenblick dazu nicht sagen.
Frage XIII/ 5 des Herrn Abgeordneten Opitz:
Wie viele Anfragen oder Anträge auf Mittel aus der erhöhten Mineralölsteuer sind bei der Bundesregierung bereits eingegangen?
Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten!
Herr Abgeordneter, bisher sind förmliche Anfragen oder Anträge bei der Bundesregierung nicht eingegangen.
Darf ich gleich die beiden anderen Fragen beantworten?
Dann rufe ich noch die Fragen XIII/ 6 und XIII/ 7 des Abgeordneten Opitz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sofern nicht schon anderweitig geschehen, die Kommunen auf Grund dieser Fragestunde über den voraussichtlichen Weg aufzuklären, der zu dem in Frage XIII/ 5 erwähnten Geld führt?
Wann etwa rechnet die Bundesregierung damit, daß die ersten Mittel aus dem in Frage XIII/ 5 erwähnten Steueraufkommen zur Verfügung gestellt werden können?
Zur Frage XIII/ 6: Der Weg zur Erlangung der Bundesmittel wird in den Richtlinien geregelt, die die Bundesregierung zusammen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden zur Zeit vorbereitet. Darüber hinaus hat die Bundesregierung den Ländern vorgeschlagen, vorläufige Anträge der Kommunen bereits jetzt entgegenzunehmen. Auch hierüber sind die kommunalen Spitzenverbände unterrichtet.
Zur Frage XIII/ 7: Wenn die Richtlinien nach Zustimmung des Bundesrates von der Bundesregierung erlassen worden sind und der Bundeshaushalt 1967 verabschiedet ist, können die ersten Mittel aus diesem Steueraufkommen zur Verfügung gestellt werden.
Herr Abgeordneter Opitz!
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die aufkommenden Mittel nur für einige Großprojekte verwendet und die Kommunen generell nicht beteiligt werden sollen?
Nein, das stimmt nicht. Es ist richtig, ,daß darüber gesprochen wird und die Auffassungen noch geteilt sind, will ich mal sagen. Aber es liegt nicht In der Absicht der Bundesregierung.
Herr Opitz!
Herr Staatssekretär, stimmt es demnach auch nicht, daß 60 % für den schienengebundenen Nahverkehr verwendet werden sollen?
Es sind überhaupt noch keine Beschlüsse gefaßt.
Keine weiteren Fragen.
Frage XIII/8 stellt der Abgeordnete Ramms:
Hält die Bundesregierung das Verbot, wonach Fahrschulen Autobahnen nicht benutzen dürfen, in Anbetracht der Erkenntnis noch für zeitgemäß, daß viele Besitzer neuer Führerscheine, die zum erstenmal auf einer Autobahn fahren, durch ihre Unerfahrenheit sich selbst und andere oft erheblich gefährden?
Das Verbot, Fahrunterricht auf Autobahnen zu erteilen oder Fahrerlaubnisprüfungen dort abzunehmen, ist im Entwurf der neuen Straßenverkehrs-Ordnung nicht mehr enthalten. Nach Inkrafttreten der neuen Straßenverkehrs-Ordnung wird es daher möglich sein, den Fahrerlaubnisbewerber im Rahmen des Fahrunterrichts auch an die besonderen Verkehrsverhältnisse auf der Autobahn heranzuführen. Es ist selbstverständlich, daß dies nur im Endstadium des Fahrunterrichts geschehen kann. Auch die Verkehrssicherheit und die Reibungslosigkeit des Schnellverkehrs auf der Autobahn dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Herr Ramms!
Wann ist mit dem Inkrafttreten der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zu rechnen?
Es ist damit nach Verabschiedung der internationalen Straßenverkehrsordnung zu rechnen, die im Jahre 1968 zu erwarten ist.
Herr Ramms!
Wird dann auch die Empfehlung an die Fahrlehrer herausgehen, die Autobahn im Endstadium ,der Ausbildung zu benutzen?
Die wird sofort herausgehen, sobald die Rechtslage geschaffen ist. Es ist ja so, Herr Abgeordneter, daß schon heute die Richtlinien für die Prüfung vorsehen, daß die Prüflinge möglichst auch auf Schnellverkehrsstraßen ausgebildet werden. Eine gewisse Möglichkeit ist also heute schon gegeben, denn der Unterschied zwischen den Schnellverkehrsstraßen und den Autobahnen ist nicht mehr zu groß.
Frage XIII/9 stellt Herr Abgeordneter Balkenhol:
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei der Verteilung der Mittel aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer ({0}) zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden die entsprechenden Anträge für Einzelmaßnahmen vorlegen zu lassen oder die Mittel den Ländern pauschal zur Verfügung zu stellen?
Herr Abgeordneter, die Auffassungen über die von Ihnen gestellte Frage sind zwischen den Bundesressorts und den Vertretern der Länder noch geteilt. Die Erörterungen sind im Gange. Ich bitte um Verständnis, daß ich im Augenblick Näheres noch nicht mitteilen kann.
Frage XIII/ 10 des Herrn Abgeordneten Balkenhol:
Sofern die in Frage XIII/9 erwähnten Mittel für die Einzelmaßnahmen bewilligt werden, wieviel Prozent der bereitgestellten Mittel unterliegen damit dem Einfluß der Bundesregierung?
Da es sich um Bundesmittel handelt, nicht um Zuweisungen im Wege eines vertikalen Finanzausgleichs, muß die Verwendung aller Mittel einem Einfluß der Bundesregierung unterliegen. Die Bundesregierung trägt ja für die Verwendung die parlamentarische Verantwortung. Der Grad dieses Einflusses kann für verschiedene Gruppen von Vorhaben verschieden sein.
Herr Balkenhol!
Glaubt die Bundesregierung, daß bei dieser komplizierten Verfahrensweise ein Konjunktureffekt erreicht wird?
Das ist richtig, ja.
Keine weitere Frage. Die Frage XIII/11 stellt ebenfalls Herr Abgeordneter Balkenhol:
Wenn die in Frage XIII/9 erwähnten Mittel den Ländern nicht pauschal zur Verfügung gestellt werden, so ist zu fragen, ob diese Einflußnahme des Bundes mit dem in Artikel 83 des Grundgesetzes gegebenen Grundsatz der Landesexekutive vereinbar ist?
Die Mittel sollen für solche Vorhaben zur Verfügung gestellt werden, die Bundesaufgaben sind oder jedenfalls mit Bundesaufgaben in einem Sachzusammenhang stehen. In diesem Rahmen ist eine Einflußnahme des Bundes auf die Ausgaben der Vorhaben mit dem in Art. 83 GG ausgesprochenen Grundsatz der Landesexekutive vereinbar.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Frage XIII/ 27 des Herrn Abgeordneten Josten und die Fragen XIII/ 24, XV/ 2 und XV/ 3 des Abgeordneten Fritsch ({0}) zurückgezogen sind.
Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.
Vizepräsident Schoettle
Entsprechend dem heute vormittag gefaßten Beschluß auf Ergänzung der Tagesordnung rufe ich jetzt auf die
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme und Bereitstellung von Krediten zur Belebung der Investitionstätigkeit und zur Sicherung eines stetigen Wirtschaftswachstums im Rechnungsj ahr 1967 ({1}) - Drucksache V/1436 Wir treten in die erste Beratung ein. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause den Initiativantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksache V/1436 zu begründen.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 13. Dezember 1966 ausgeführt:
Die Bundesregierung wird, wenn es erforderlich ist, durch gezielte Ausgaben die Investitionstätigkeit in unserer Volkswirtschaft beleben. Für den Straßenbau, für die Modernisierung von Bundesbahn und Bundespost sowie für andere vordringliche Investitionen ist für diesen Fall im Rahmen eines Eventualhaushaltes ... ein zusätzlicher Betrag bis zu 2,5 Milliarden DM vorzusehen.
Der Herr Bundeskanzler hat das in der Erklärung
zum Ausgleich des Bundeshaushalts 1967 am 20. Januar 1967 weiter ausgeführt. Er hat damals gesagt:
Wir haben gestern ein Programm beschlossen, das dem Doppelziel Stabilität und Wachstum entspricht. Um das weitere Wachstum unserer Wirtschaft sicherzustellen, haben wir die Vorlage eines Eventualhaushalts beschlossen, der sofortige erhebliche Investitionen ... vorsieht. Dieser Sonderhaushalt soll auf dem Kreditwege finanziert werden, und ich kann mitteilen, daß der Präsident der Bundesbank dieses Vorhaben voll unterstützt und dem Zentralbankrat empfehlen wird, die notwendigen kreditpolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzuregen.
Der Bundesfinanzminister hat im engen Einvernehmen mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister in der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses dieses Hohen Hauses am 25. Januar 1967 den Faden des Gesprächs weitergesponnen. Er hat damals gesagt, es werde in einer interministeriellen Arbeitsgruppe Rahmen und Inhalt eines Kreditfinanzierungsgesetzes in einer Höhe bis zu 2,5 Milliarden DM festgesetzt; nach seiner Kenntnis der Dinge solle dieses Gesetz auf dem Initiativweg eingebracht werden, um die Fristen zu verkürzen; mit Mitteln bis zur Höhe von 2,5 Milliarden DM sollten verschiedene Vorhaben investiver Art und eventuell noch weitere einzelne Investitionsprojekte des Verteidigungssektors bewältigt werden. Damit diese Maßnahmen schnell wirksam würden, sei die Regierung bereit, einen Betrag von 750 Millionen DM für ein Sofortprogramm zur Verfügung zu stellen.
In der Plenarsitzung vom 1. Februar 1967 hat der Herr Bundesfinanzminister - ebenfalls im engen Einvernehmen mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister - noch einmal darauf hingewiesen, daß zur Anregung der Wirtschaftstätigkeit und der privatwirtschaftlichen Investitionsneigung ein Eventualhaushalt mit einem Volumen bis zu 2,5 Milliarden DM vorgesehen sei. Durch Aufstockung des außerordentlichen Haushalts um ein Volumen in dieser Größenordnung sollten zusätzliche Investitionen in gleicher Höhe finanziert werden. Die erwartete anregende Wirkung auf die allgemeine Wirtschaftstätigkeit lasse sich aber nur dann erreichen, so sagte er damals, wenn die von der Bundesregierung vorgesehenen Schritte schnell verwirklicht würden. Die Bundesregierung habe deshalb ein Dreistufenprogramm entwickelt, um möglichst schnell durch Investitionsmaßnahmen einen weiteren Konjunkturabschwung zu bremsen und ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu erreichen. Zunächst werde die Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Durchführung von Investitionsmaßnahmen mit einem Volumen von 850 Millionen DM einleiten. Zur Schaffung der gesetzlichen Voraussetzung dafür und für die Finanzierung der vorgesehenen Investitionsmaßnahmen werde deshalb die Bundesregierung in aller Kürze den Entwurf eines Kreditfinanzierungsgesetzes vorlegen, das nach Auffassung der Regierung noch vor Verabschiedung des Bundeshaushalts 1967 in Kraft treten sollte. Deshalb erbitte die Bundesregierung auch die parlamentarische Initiative für die Behandlung dieses Kreditfinanzierungsgesetzes. Die zur Wirtschaftsbelebung ergriffenen Maßnahmen des Eventualhaushaltes würden nur dann die gewünschte Wirksamkeit erreichen, wenn jetzt ohne unnötige formelle oder prozedurale Verzögerungen die Gelder zur Verfügung gestellt würden.
In der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung haben alle Fraktionen ihre grundsätzliche Zustimmung erteilt. Namens meiner Freunde hat Herr Kollege Leicht die Ankündigung dieses Investitionshaushalts mit dem Sofortprogramm begrüßt und hat gleich einige Fragen gestellt. Er hat damals ausgeführt, es geschehe hier etwas grundlegend Neues; die Bundesregierung versuche erstmals durch gezielte Haushaltsausgaben, kurzfristig die abklingende Konjunktur anzuregen, die Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft zu beleben. Er hat gleichzeitig darauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen in einem richtigen Zusammenhang gesehen werden müßten, um den gelegentlichen Behauptungen entgegenzutreten, daß hiermit eine ungezügelte Kreditfinanzierung eingeleitet werde. Ähnliche Ausführungen sind von den Rednern aller Parteien gemacht worden, auch von dem Herrn Vertreter der Oppositionspartei, und insbesondere vom Kollegen Herrn Dr. Möller, der, wie ich gleich bemerke, bereits am 10. November 1966 in einer grundlegen4318
den Rede den hier zum Tragen kommenden Gedanken entwickelt hatte.
Meine Damen und Herren, damals haben also die Sprecher aller Parteien ihre grundsätzliche Billigung zu dem vorliegenden Gesetz zum Ausdruck gebracht. Damals ist weiter darauf hingewiesen worden, daß die zusätzlichen Investitionen durch eine Aufstockung des außerordentlichen Haushalts ausgewiesen werden müßten. Man kann also nicht sagen, daß der von der Regierung vorformulierte und heute dem hohen Hause in erster Lesung vorgelegte Gesetzentwurf Parlament und Öffentlichkeit unvorbereitet trifft.
({0})
Er wird als Initiativentwurf der Regierungsparteien eingebracht. Dies findet seinen Grund in der Eilbedürftigkeit des Gesetzes. Soll es alsbald in den Konjunkturablauf eingreifen, bedarf es kürzester Ingangsetzung des Mechanismus dieses Gesetzes.
Meine Damen und Herren, wenn im Parlament ein gewisses Mißbehagen spürbar wird, falls die Formulierungshilfen zu Gesetzesinitiativen so spät eintreffen, daß sie zum mindesten von dem mit der Materie nicht befaßten Abgeordneten nicht aufgenommen, geschweige denn geistig verarbeitet werden können, so ist das verständlich. Doch stellt dieses Gesetz ja nur einen Bestandteil des allgemeinen und des allgemein bekannten Regierungsprogramms auf wirtschaftlichem und finanziellem Sektor dar. Gleichwohl hoffen wir, daß künftig die Regierung ihr Programm von sich aus vorlegt und vertritt. Aber weil wir diese Regierung tragen, haben wir ihr Programm zu unserem eigenen gemacht.
Das Gesetz bezweckt, durch Zurverfügungstellung von Mitteln zusätzliche Investitionen des Bundes mit einem Volumen von 2,5 Milliarden DM durchzuführen, den gegenwärtigen Konjunkturabschwung aufzufangen und auf eine Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit hinzuwirken. Um eine schnelle Wirkung im Investitionsgüterbereich zu erzielen, ist ein Sofortprogramm über 850 Millionen DM aufgestellt worden. Es kann ohne weitere gesetzliche Maßnahmen durch Einschaltung der Sondervermögen des Bundes und mit Hilfe von Kreditinstituten sofort verwirklicht werden. In das Sofortprogramm sind nur vergabereife Vorhaben aufgenommen worden, die bereits im Laufe der nächsten Zeit zu Vertragsabschlüssen führen werden.
Für unsere Meinungsbildung war wesentlich, daß die Finanzierung des Sofortprogramms durch die Zusage der Deutschen Bundesbank gesichert ist, mittelfristige Papiere des Bundes zusätzlich am Markt unterzubringen, wie wir hören, durch dreibis vierjährige Kassenobligationen, 7 1/2%ige Schatzanweisungen. Die Durchführung des ordentlichen Haushalts 1967 wird daher durch das Sofortprogramm nicht in Frage gestellt.
Natürlich bedeutet dies eine Verschuldung im außerordentlichen Haushalt und die Notwendigkeit der Tilgung aus Haushaltsmitteln in drei bis vier Jahren. Deshalb muß die Endfinanzierung all dieser Maßnahmen durch Übernahme in das mittelfristige
Gesamtprogramm zur Füllung der auf uns zukommenden Deckungslücken eingefügt werden.
Auch die im Gesetz weiter vorgesehenen Investitionsmaßnahmen in Höhe von 1,65 Milliarden DM - 2,5 Milliarden DM minus Sofortprogramm von 850 Millionen DM ergibt 1,65 Milliarden DM - sollen auf Grund der gegenwärtigen konjunkturellen Lage alsbald durchgeführt werden. Dieses Ziel kann durch die selbstverständliche spätere Übernahme der Maßnahmen in den außerordentlichen Bundeshaushalt 1967 zeitlich nicht mehr erreicht werden, da das Haushaltsgesetz 1967 erst Ende Mai oder gar erst Anfang Juni 1967 in Kraft treten dürfte. Um schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt eine Rechtsgrundlage für die Aufnahme und Herauslegung von Krediten nach Art. 115 des Grundgesetzes zu schaffen, mußten deshalb die Koalitionsfraktionen das Kreditfinanzierungsgesetz 1967 - es gilt nur für dieses eine Rechnungsjahr - einbringen. Denn nur bei kürzestem Durchlauf durch die gesetzgebenden Körperschaften kann das von der Bundesregierung für erforderlich gehaltene Investitionsprogramm bis zu Beginn der namentlich für die Bauindustrie günstigen Witterung voll anlaufen. Die öffentliche - nicht primär die private - Nachfrage soll auf dem für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bedeutsamen Sektor der Investitionsgüter durch die im Kreditwege beschafften Mittel gestärkt werden. Natürlich wird damit mittelbar auch die private Investitionstätigkeit angeregt.
Die globale Verteilung dieser Mittel ist in § 2 des Entwurfs vorgesehen. Sie bedeutet kein Patentrezept, kein starres System. Über Einzelheiten der Verteilung soll und muß im Rahmen der Ausschußberatung gesprochen werden. Hier wird eine Prüfung der Einzelpositionen erfolgen.
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Wenn auch im Gesetz - und das ist vernünftig - keine weitere Aufschlüsselung im einzelnen vorgenommen worden ist, so wird doch im Ausschuß Auskunft über die Absichten der Regierung zu erteilen, wird die Frage der Finanzierungsbedingungen zu erörtern und wird die Brücke zum Haushaltsrecht und zur Haushaltsgebarung zu schlagen sein. Die Bundesregierung wird darzulegen haben, wohin im einzelnen die 850 Millionen DM des Sofortprogramms gehen; dabei ist anzuerkennen, daß auch der Investitionsbereich der Landwirtschaft bedacht werden soll. Die Bundesregierung muß aber auch dartun, wie sie sich die Verwendung der weiteren 1,6 Milliarden DM denkt.
Wir legen Wert darauf, daß eine stufenweise Prüfung der erforderlichen Einzelmaßnahmen erfolgt.
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Der zuständige Ausschuß wird dabei besonders darauf zu achten haben, daß die Mittel insbesondere auch in Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosenziffer fließen, in Regionen, deren Erwerbszweige besonders unter dem Rückgang der Beschäftigung leiden. Auch wird darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Förderungsmaßnahmen nicht Bereiche berühren, die jahrelang unter ÜbernachDr. Pohle
frage gelitten haben. Der Rationalisierungs- und Umstrukturierungsprozeß darf nicht durch Anreize zugunsten der Wachstumsbereiche gefährdet werden, die unwirtschaftliche Kapazitäten und Strukturen nach sich ziehen. Eine möglichst große Absicherung gegen Fehlinvestitionen ist ein weiterer wichtiger Punkt für die Handhabung des Gesetzes.
Ich verhehle nicht, daß manche meiner politischen Freunde erhebliche grundsätzliche Bedenken gegen das Gesetz hegen. Manche von ihnen glauben, ernsthafte Argumente dafür ins Feld führen zu müssen, daß ein solcher Haushalt, gespeist aus mittelfristigen Geldtiteln, zu einer Gefährdung des Geldwertes führen und damit den Bemühungen von Regierung und Parlament um die Konsolidierung der Verhältnisse entgegenstehen und entgegenwirken könnte. Wir würden nicht verantwortungsbewußt handeln, wenn wir diese Argumente hier unterdrücken und nicht auf sie hinweisen.
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Die Argumentation geht dahin, daß die deutsche Wirtschaft zur Zeit noch an einem Ungleichgewicht einmal zwischen kurz- und langfristiger Verschuldung und zum anderen zwischen Fremdmitteln und Eigenkapital leide und daß zunächst dieses Ungleichgewicht beseitigt werden müsse. Zu einer solchen Stabilisierungspolitik stehe in Widerspruch, daß nunmehr die kurz- und mittelfristige öffentliche Verschuldung ausgedehnt würde, noch dazu, wenn Deckungslücken außergewöhnlichen Ausmaßes in den nächsten Jahren auf uns zukämen; sie würden durch die kurz- und mittelfristigen Kredite vergrößert. Betrachte man die gegenwärtige Konjunkturphase als Konsolidierungsprozeß, so werde dieser Prozeß durch neue Geldschöpfung mit der Gefahr inflationärer Folgen unterbrochen. Der Konsolidierungsprozeß sei aber notwendig, weil die volkswirtschaftliche Ersparnisbildung hinter dem Verbrauch und hinter der Kreditschöpfung zurückgeblieben sei.
Es wird zu überlegen sein, ob entsprechend dieser Grundhaltung z. B. in der Präambel Hinweise gegeben werden können, die auch die Bedeutung der Zielsetzung der Geldwertstabilität hervorheben. Andererseits läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, daß viele Gastarbeiter nach Hause zurückgekehrt sind, daß verschiedene Sektoren eine außergewöhnliche Stagnation aufweisen, daß die Wachstumsraten nicht nur zurückgegangen, sondern teilweise ins Gegenteil umgeschlagen sind und daß nach den neuesten Nachrichten die Kurzarbeit in vielen Betrieben erhebliche Ausmaße angenommen hat. Daß das Umsatzsteueraufkommen im Januar 1967 gegenüber Januar 1966 um 4 % gesunken ist, mag auch mit der Steigerung des Exports zusammenhängen, aber es ist doch ein alamierendes Zeichen für den auf das Wachstum seiner Einnahmen angewiesenen Fiskus.
So ist es verständlich, daß eine Regierung in einer Periode schwindenden Wachstums, in einer Periode des hinter den Vorausschätzungen zurückbleibenden oder gar rückläufigen Steueraufkommens, in einer Periode stagnierender Entwicklung verschiedener
Sektoren - Stahl, Stahlbau, Bauindustrie und manche andere - den Anfängen zu wehren sucht. Wir leihen ihr dabei unsere Hilfe und machen die von ihr gegebene Begründung zu der unseren.
Die Einreichung dieses Investitionshaushalts wird uns erleichtert durch die positive Stellungnahme der Deutschen Bundesbank, jedenfalls zum Sofortprogramm, auch in ihrem letzten Monatsbericht, der Bundesbank, zu der als Hüter und Wahrer des Wertes der Deutschen Mark wir auf Grund ihres bisherigen Verhaltens durchaus Vertrauen haben. Dabei darf ich am Rande bemerken, daß selbstverständlich. Voraussetzung für die Realisierung des Gesetzes ist, daß der Geldmarkt die Beschaffung der Mittel auf dem gedachten Wege ermöglicht. Auch die Bundesbank hat aber auf die nicht zu überhörenden Zeichen des Konjunkturverlaufs reagiert. Die gestrige Diskontsenkung auf 4%, von der mir gestern abend noch der Herr Bundeswirtschaftsminister Mitteilung gemacht hat, und die weitere Minderung der Mindestreserven um 10 % sind sicherlich Indizien dafür. Zudem kann der Investitionshaushalt, jedenfalls soweit er das Sofortprogramm übersteigt, jederzeit gebremst werden, wenn die wirtschaftliche Lage es erfordert.
Der jetzt beschrittene Weg ist nicht außergewöhnlich. Auch das Stabilitätsgesetz sieht eine Ermächtigung für Kreditaufnahmen des Bundes bis zu 5 Milliarden DM vor. Freilich wünschen wir, wenn nicht zugleich, so doch in schneller Folge, auch die Verabschiedung dieses Stabilitätsgesetzes, das zur Beratung noch immer ansteht.
Gegenüber dem Regierungsvorschlag, der Regierungs-Vorformulierung, haben die Regierungsparteien zwei Änderungen in das Gesetz eingefügt.
Die erste betrifft die Einschaltung des Haushaltsausschusses in § 3. Dort heißt es:
Die Festlegung des Investitionsprogramms bedarf der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Darin kommt der Wunsch des Parlaments zum Ausdruck, in irgendeiner Form in die Verteilung der Kreditmittel eingeschaltet zu werden. Der sachkundige Ausschuß bietet zugleich ,die Gewähr dafür, daß ohne Verzögerung gearbeitet werden kann.
Die zweite Änderung betrifft die Wiederaufnahme der gestrichenen Worte in § 2 im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau, der Worte „insbesondere für die Flüchtlinge". In der Regierungskoalition sind wir uns einig darüber, daß dieser Passus gestrichen werden kann, wenn sich ergibt, daß im ordentlichen Haushalt 1967 ein ausreichender Kreditbedarf für den Flüchtlingswohnungsbau - es ist die Rede von 130 Millionen DM gewesen - zur Verfügung gestellt werden kann.
Namens der Regierungsparteien bitte ich, die Vorlage dem Haushaltsausschuß zur Beratung zu überweisen. Sicher, meine Damen und Herren, dieses Gesetz hat vitale Bedeutung für viele Ausschüsse dieses Hohen Hauses. Die Vertreter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsfragen machen ebenso 'gewichtige Gründe für ihre Zuständigkeit geltend wie die Vertreter des Finanzausschusses.
Aber sie sind nicht die einzigen; ,denn eine große Zahl weiterer Ausschüsse könnte mit dem gleichen Recht auf die Notwendigkeit ihrer Mitarbeit verweisen. Über allem aber, meine Damen und Herren, steht ,das Zeitmoment. Wenn wir dieses Instrument zum Tragen bringen wollen, muß schnell gehandelt werden. Das ist nach Lage der Dinge nur möglich, wenn das Gesetz heute in acht Tagen verabschiedet wird und bis dahin im Haushaltsausschuß durchläuft. Andernfalls würde eine Verzögerung von einigen Wochen eintreten, die meines Erachtens nicht zu verantworten wäre. Der Haushaltsausschuß ist zudem schon aus grundgesetzlichen Gründen zuständig; denn da der Investitionshaushalt in den außerordentlichen Haushalt eingehen wird, ergibt sich die Zuständigkeit dieses Ausschusses schon aus Art. 110 des Grundgesetzes. Wir schlagen deshalb vor, das Gesetz dem Haushaltsausschuß zur Beratung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft, insbesondere ,der Markt, ist psychologischen Einflüssen viel mehr zugänglich, als man gemeinhin von diesem Apparat harten ökonomischen Denkens annimmt. Vom Vertrauen des Konsumenten in die künftige Entwicklung und in die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, vom Vertrauen ides Investors in die Rentabilität seiner Investitionen hängt nun einmal die weitere Entwicklung der Wirtschaft ab. Dieses Vertrauen wird insbesondere geweckt und gefördert durch die allgemeine Überzeugung, in einem Staate zu leben, dessen Regierung und Parlament es fertigbringen, geordnete Verhältnisse zu erhalten. Wir wissen, daß auch das Kreditfinanzierungsgesetz nur eine weitere Etappe auf diesem Wege ist und daß der schwerste Teil der Aufgabe, wie auch von der Regierungsseite wiederholt betont worden ist, noch vor uns steht, insbesondere was den Ausgleich des Haushalts 1967 und den Ausgleich der künftigen Haushalte anbelangt. Aber allein die Tatsache, daß der einzelne Staatsbürger und daß darüber hinaus die Geschäftsleute und auch die Beobachter des Auslandes sehen und erkennen, daß eine Regierung handelt, sät jenes Vertrauen, das zur Aufrechterhaltung unserer wirtschaftlichen Stärke notwendig ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Eventualhaushalt, um den es hier geht, ist das Ringen der Bundesregierung mit einem Phänomen, das nicht neu ist, das wir in regelmäßigen Abständen in diesem Parlament behandelt haben, nämlich der Versuch, Stabilität und Wachstum in einer Wirtschaft in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Herr Kollege Pohle hat soeben gesagt, daß unsere Wirtschaft noch ein gewisses Ungleichgewicht zeigt. Nun, das ist gar nicht außergewöhnlich, das tut eine Wirtschaft immer in einer Wirtschaftsordnung wie der, in der wir leben, - und wir sind ja inzwischen alle darüber einig, daß wir die Ordnung, die wir haben, behalten wollen. Es ist geradezu ein Charakteristikum der marktwirtschaftlichen Ordnung, mit welchen Epitheta wir sie auch noch belegen mögen, daß sich die Wirtschaft in einem permanenten Ungleichgewicht befindet, und das ist die Ursache oder die Grundlage der Notwendigkeit zur Dynamik, die am Ende ja auch die Antriebskräfte wieder freigibt.
Der Eventualhaushalt, der hier eingebracht ist, ist also ein Versuch, mit diesem Problem fertig zu werden. Das Problem ist nicht neu. Wir erleben es nur, möchte ich sagen, auf einem etwas erhöhten Niveau. Wir haben in diesem Hause ja mehrfach darüber gesprochen, und die früheren Bundesregierungen haben immer Mühe gehabt, damit fertig zu werden. Das war so zu Zeiten, als wir das sozusagen als Radfahrer erlebten, wir haben es vom Moped aus erlebt, und nun haben wir das gleiche Problem sozusagen aus der Perspektive des Mittelklassewagen-Fahrers. Das macht es nicht einfacher. Ganz im Gegenteil, es macht es schwerer.
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- Nein, höher sind wir noch nicht. Sie wissen ja, daß die Automobilindustrie im Moment durch Typenänderungen etwas zurückzugehen versucht. - Also, wir betrachten das 'Problem jetzt aus dem Mittelklassewagen, und das macht es natürlich nicht einfacher.
Neu an dem Versuch der Lösung dieses Problems ist die Sprache, die die Bundesregierung eingeführt hat. Sie hat eine ungewöhnlich blumenreiche Sprache in die wirtschaftspolitische Diskussion eingeführt. Sie hat auch die Sprache der Soziologie eingeführt, die ja sehr differenziert ist. Ich weiß nicht genau, ob die breite Öffentlichkeit durch diese Sprache von dem Problem abgelenkt wird oder auf das Problem gestoßen wird. Auf jeden Fall verfolge ich die sprachschöpferische Begabung unseres verehrten Wirtschaftsministers mit außergewöhnlichem Interesse und großem Wohlwollen. Man lernt unerhört viel!
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Da gibt es Maximierung, Minimierung, Optimierung, Konzertierung, Gemeinsinn, Aktion, gezielt, geplant. Wer weiß, wohin das noch alles führen wird!
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Vor allem glaube ich, Herr Professor Schiller, daß Sie am Ende in die gleichen Schwierigkeiten kom-. men wie ihr Vorvorgänger im Amt, der ja auch nicht unbegabt war
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und, was die Sprache angeht, auch nicht glücklicher
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in der barocken Art, in der er sich immer gegeben hat. Er hat ja eine Menge von Termini eingeführt und damit das gleiche Problem zu lösen versucht, bis dann die Öffentlichkeit zu einem gewissen Zeitpunkt etwas ermüdete. Sie wissen ja, daß das „Maßhalten" am Ende jedem zum Ohr heraushing.
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- Das ist kein gutes Bild; ich würde sagen, sprachlich schlecht. - Ich weiß nicht, ob jetzt die FormuScheel
lierungen aus der Musikwissenschaft länger durchhalten.
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Ich halte mich aber empfohlen, Herr Minister, Ihnen bei der Findung neuer Begriffe behilflich zu sein. Das ist ja eine Seite des Parlamentarismus, die geradezu Spaß machen kann.
Nun will ich aber eines nicht verschweigen - ich gucke da einmal zu den Herren herauf, die uns immer so aufmerksam beobachten -: Bei all dieser nuancierten Sprache muß es doch einer ganzen Anzahl von Damen und Herren völlig entgangen sein, daß z. B. dieser Haushalt, über den wir im Augenblick diskutieren, gegenüber dem vorigen eine Wachstumsrate - ich weiß nicht, ob ich ein guter Rechner bin - von immerhin 11 % aufweist.
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Ich weiß nicht, ob ich das richtig gesehen habe. Das scheint jedenfalls den Beobachtern völlig entgangen zu sein, weil sie offenbar sprachlich unerhört beeindruckt waren. Aber es ist leider wohl nicht zu bestreiten.
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Nun glauben Sie bitte nicht, ich wollte sagen, daß dieses Wachstum von 11 % möglicherweise gefährlich sei. Nein! Ich gehöre nämlich zu den Leuten - Sie werden es kaum glauben -, die schon zu der Zeit, als hier im Hause noch die Apostel herumgingen und die totale, sklavische Abhängigkeit des Wachstums der öffentlichen Haushalte vom Wachstum des Bruttosozialprodukts predigten, der Meinung waren, daß das nicht richtig sei. Ich bin also auch jetzt nicht der Auffassung, man müsse das Wachstum des Haushalts zurückführen auf das Wachstum des Bruttosozialprodukts.
Ich habe in den letzten Stunden einmal versucht, bei den Gelehrten herauszufinden, wie sich denn das Wachstum im Jahre 1967 entwickeln wird. Junge, sind die vorsichtig mit ihren Prophezeiungen! Sie haben, wie ich festgestellt habe, ganz unterschiedliche Meinungen. Immerhin, die Meinungen sind nicht so weit auseinander, daß man nicht sagen könnte: Es ergibt sich nicht ein hohes Mittelmaß, sondern das Mittelmaß der Schätzungen liegt ziemlich weit unten. Schon deswegen wäre es eine Illusion, anzunehmen, man könnte aus der erreichten Preisstabilität heraus die Bewegung in ein wirtschaftliches Wachstum ohne Ausdehnung der öffentlichen Haushalte schaffen. Denn für eine Belebung der privaten Investitionstätigkeit ist nach meinem Gefühl die Konsolidierung noch nicht weit genug gediehen. Das ist nämlich das Problem.
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Ich komme nachher noch einmal darauf.
Nun, meine verehrten Damen und Herren, wie kann man denn nun überhaupt aus einer erreichten Stabilität wieder zu Wachstum kommen, zu einer Expansion kommen - das ist das erste Problem -, ohne die Gefahr der Preissteigerung auf sich nehmen zu müssen? In der Vergangenheit - ich habe es eben schon erwähnt - hat der Bundeskanzler - damals nannte man das Seelenmassage, Maßhalteappell oder ähnlich - den Versuch unternommen, den Kern des Problems einzukreisen, nämlich die Autonomie der Sozialpartner und ihre Bereitschaft, die Verantwortung zu übernehmen, die sie nun einmal für die Wirtschaftsentwicklung haben. Ob das unserer Bundesregierung mit der neuen Formulierung „konzertierte Aktion" - ich habe eben schon darauf hingewiesen, wie sehr mich das alles freut - gelingt, vermag ich nicht zu sagen. Ich wünsche es aber, denn das müssen wir ja letzten Endes alle wünschen.
Eines ist sicher: Sie werden eine solide Expansion nicht auf einem hohen Kostenniveau erreichen können.
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Das ist ganz ausgeschlossen, denn die Wirtschaft hat überhaupt nur Neigung zu Investitionen - auch da ist doch sehr viel Psychologie dabei -, wenn sie wettbewerbsfähig ist, und - ich will es doch einmal ganz offen sagen - sie hat auch nur dann Neigung zu Investitionen, wenn sie die Aussicht hat, Gewinne zu machen.
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Wenn sie die Expansion nur aus den Gewinnen finanzieren soll, werden wir bald keine Investitionen mehr haben. Das ist doch nun einmal ein nüchterner Tatbestand, den wir berücksichtigen müssen
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und den, so glaube ich, die Bundesregierung ja auch berücksichtigen möchte. Ich habe also gar nichts gegen das, was hier geschieht. Ich möchte es nur etwas verdeutlichen.
Nun, was ist denn ein Eventualhaushalt? Lassen Sie mich das doch auch einmal etwas zu deuten versuchen. Ich bin ein harmloser Mitteleuropäer, der nicht in den hohen Ebenen der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftswissenschaften zu Hause ist, sondern ich beobachte aus der Bank des Abgeordneten,
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und ich habe mir immer gedacht: Eventualhaushalt, das ist doch so etwas wie ein Haushalt, den man vorsichtshalber einmal einrichtet, und dann guckt man mal im Laufe der Jahre, ob man darauf zurückgreifen muß. Aber das, was jetzt hier eingebracht wird, ist eine spezielle Form des Eventualhaushalts; es ist nämlich der Teil des Gesamthaushalts, dessen Mittel mit absoluter Sicherheit sofort und viel schneller als alle anderen ausgegeben werden.
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Wenn ich es richtig sehe, ist es doch so: Im Moment sind gerade 850 Millionen dran, die anderen 1,6 Milliarden - oder wieviel es sein mögen - kommen ja ganz schnell. Auf keinen Fall verteilt er sich über die zwölf Monate des Jahres gleichmäßig wie der Rest. Es ist also sozusagen ein Haushalt, den man vor den anderen geschaltet hat.
Die die Regierung tragenden Fraktionen hatten ja teilweise einen bedeutenden Anteil an der Verantwortung für die in einer Veröffentlichung der jetzigen Bundesregierung über das Jahr 1966 mit der Überschrift Leistung und Erfolg bezeichnete Regierungstätigkeit der früheren Regierung.
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- Ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben. Die Überschrift hieß „Leistung und Erfolg" - ein Überblick über das Jahr 1966. Nun, ich will damit sagen: Die hier sitzenden Fraktionen haben ja an der früheren Wirtschaftspolitik einen gewissen Anteil, und sie sollten sich hüten, die Dinge nicht so zu sehen, wie sie sind. In Wirklichkeit haben wir nämlich das, was in der vorigen Bundesregierung solche Qualen verursacht hat. Wir haben nämlich den aufgeblähten Haushalt. Ich weiß nicht, ob Ihnen das klar geworden ist. Um den ging es auch beim vorigen Mal. Herr Kollege Leicht weiß, wie hart wir hier ans Werk gegangen sind: Kein Prozent mehr als das Bruttosozialprodukt durfte der Haushalt wachsen. Wir haben jetzt den aufgeblähten Haushalt. Mit dem wären wir selbstverständlich auch in der vorigen Bundesregierung zurechtgekommen.
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Aber wie dem auch sei, ich meine, der neue Titel darüber ist natürlich imponierend, und er hat - ich betone das ausdrücklich - insofern einen realen Hintergrund, als er berücksichtigt, daß in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik die nüchternen ökonomischen Daten allein natürlich nicht wirksam sind. Dazu gehört eben Psychologie. Und das psychologische Verständnis der jetzigen Bundesregierung für 'diese Fragen ist in der Tat höher, als das der vorigen Bundesregierung gewesen ist.
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- Ich bekomme Kritik, nein, keine Kritik, das ist Zustimmung aus meinen eigenen Reihen.
Meine Damen und Herren, das Problem des Haushaltsausgleichs ist überhaupt in einer faszinierenden Form angefaßt worden. Ich sehe das auch aus der Bank heraus. Ich erinnere mich, daß die beiden verantwortlichen Minister vor dieser berühmten Kabinettssitzung - ich habe zwar nicht zugehört, aber in ihren Presseerklärungen nachgelesen - mit Recht darauf hingewiesen haben, daß in der Zwischenzeit der Haushalt bereits nicht mehr ein Teildefizit von 3,6 Milliarden DM, sondern eines von 4,7 Milliarden DM erreicht habe, und zwar durch neuerlich errechnete Mindereinnahmen für das Jahr 1967. Ich habe mir ernste Sorgen gemacht. Aber als ich dann den Herrn Bundeskanzler am nächsten Vormittag an dieser Stelle 'erlebte, als er uns darlegte, wie in einer langen Sitzung um Mitternacht - ich glaube, dies war der entscheidende Zeitpunkt: um Mitternacht - die Frage gelöst worden ist, und als er dann einfach sagte: Es ist uns in einer i- ich glaube, in der Presse wurde das herkulinisch genannt; ich weiß nicht, ob das richtig ist - herkulinischen Arbeit gelungen, um Mitternacht das Haushaltsdefizit von 3,6 Milliarden DM zu beseitigen, da habe ich meinem
Nachbarn - das war mein Parteivorsitzender Erich Mende - gesagt: Menschenskind, noch nie erlebt, durch eine rein rhetorische Leistung 1,1 Milliarden schon weg, vorab gelöst!
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Ich will damit nur sagen: Das Zahlenspiel um den Haushalt ist ja für alle faszinierend gewesen, aber es hat zweifellos Symphathien gefunden. Ich hoffe, daß wir die Zustimmung zu der Richtung weiter haben. Denn ich betone noch einmal: die Richtung der Politik der beiden Herren - ich will jetzt nicht wiederholen, was liebenswürdige Kommentatoren in der Presse über die beiden Herren gesagt haben - 'sagt mir in der Tat zu. Ich erlaube mir nur, sie etwas - wie soll man sagen? - zu entmythologisieren.
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Aber 'das 'dient ja nur der Sache.
Nun haben die beiden Herren insofern Glück, als sie außerordentlich günstige Voraussetzungen für ihre Politik gefunden haben, die nicht ihrer 'eigenen Politik entsprungen sind, sondern die das Erbe der früheren Bundesregierung waren.
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- Lassen Sie mich ruhig weiter erzählen: die das Erbe der früheren Bundesregierung waren!
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- Vorsicht, Herr Schmitt-Vockenhausen, passen Sie auf! Die beiden Herren können ja ihre Politik nur treiben, weil ein gewisses Maß an Preisstabilität erreicht ist, und das - das wird man wohl offen zugestehen - kann ja wohl noch nicht durch sie erreicht sein, wiewohl irgendein kluger Beobachter der CDU/CSU-Fraktion gesagt hat: Diese Regierung ist schon deswegen so hervorragend: Kaum war sie im Amt, schon war Weihnachten.
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Aber in diesem Falle ist es so, daß die Preisstabilität erreicht worden ist infolge der wirtschafts- und finanzpolitischen Umstände in der Zeit der vorigen Bundesregierung.
Ich weiß, was man sagen wird. Man wird. sagen: Das habt ihr ja nicht gemacht - ich war übrigens gar nicht Ressortminister -, sondern das war die Bundesbank. Ja nun, das Zusammenspiel von Bundesbank und Bundesregierung ist eine Wechselwirkung - ich zitiere den Herrn Bundeswirtschaftsminister - von zwei autonomen Organismen. Wie sie zusammenwirken, das ist eine Frage des Geschmacks und der Organisation dieses Wirkens. Selbstverständlich - ich verrate damit hoffentlich kein Geheimnis - war auch früher der Herr Präsident der Bundesbank recht häufig Teilnehmer der Kabinettssitzungen, und die früheren Ressortminister - das ist sicherlich auch kein Geheimnis geblieben - sind doch recht häufig bei den Sitzungen des Zentralbankrats zugegen gewesen. Also auch dort gab es ein irgendwie geartetes Verhältnis. Scheel
Diese Preisstabilität ist die erste Voraussetzung für den Erfolg ihrer Politik, den ich wünsche.
Die zweite Voraussetzung ist etwas, was auch nicht jetzt entstanden ist, sondern im Jahre 1966. Das ist die Liquidität, die wir am Geldmarkt haben. Zum Teil bedingt sich das sogar. Denn der gewaltige Exportboom des letzten Jahres war nur bei nachlassenden Preisen und auch nur bei schrumpfenden Gewinnen möglich. Das hat man in Kauf genommen. Immerhin haben wir eine Liquidität am Geldmarkt, die die Lösung der Fragen, die wir lösen müssen, möglich macht. Aber auch das ist eine Voraussetzung, die sie vorgefunden haben.
Ich will nur sagen, mit diesen Voraussetzungen wird es - hoffentlich - gelingen, dieses Mal aus einer etwas schwierigeren Lage als früher, das immer wiederkehrende Problem des Ausgleichs von Stabilität und Wachstum zu lösen.
Es gibt natürlich Probleme. Eines dieser Probleme ist z. B.: Wieweit kann man den Geldmarkt überhaupt in Anspruch nehmen? Sind wir die einzigen? Ich habe einmal so über den Daumen gepeilt; es sind schon ein paar Milliardchen in Rede, die wir da haben wollen. Es kommen außer dem Eventualhaushalt und dem, was im ordentlichen Haushalt - oder wie man das heute nennt; nicht im ordentlichen, im Kernhaushalt, so nennt man das - drin ist - das sind schon ein paar hundert Millionen -, zweifellos noch zu erfüllende Devisenanforderungen. Ich bin mit dem Bundesfinanzminister völlig einig, daß sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt werden müssen. Dann sehen wir aber weiter, - natürlich in der anderen Richtung.
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Dann gibt es das Problem der Länder und das Problem der Gemeinden. Ich glaube, es war der Herr Kubel, der schon zwei Tage später in einer Pressekonferenz in sehr zurückhaltenden Formulierungen gesagt hat: Also, die Länder dürft ihr nicht vergessen, die wollen auch. Das ist ein schweres Problem. Hier muß ich sagen, es tut mir eigentlich ein bißchen leid, daß der Bundeswirtschaftsminister bei dem Versuch der Modifizierung des Stabilitätsgesetzes den Schwerpunkt etwas verlagert hat. Ich glaube, daß gerade unter diesen Umständen der Schwerpunkt auf dem ersten Teil liegen sollte, nämlich auf der Möglichkeit, die öffentliche Hand in all ihren Schichten zu koordinieren. Denn wir kommen an das Problem heran, wie wir das insgesamt beschneiden. Der Herr Bundeswirtschaftsminister scheint die günstige Gelegenheit nutzen zu wollen, den anderen Teil etwas nuancierter zu gestalten, d. h. die Instrumente der Beeinflussung der Wirtschaft stärker ausbauen zu wollen. Da läßt sich über dies und jenes absolut reden. Aber im Augenblick muß im Vordergrund die Möglichkeit stehen, durch dieses Gesetz die Aktivität von Bund, Ländern und Gemeinden auf dem Geld- und Kapitalmarkt hart zu koordinieren.
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Daß Entschlossenheit besteht, das weiß ich. Aber deswegen sollte man nicht der Gefahr erliegen, eine langwierige Diskussion über das Stabilitätsgesetz dadurch zu provozieren, daß man unendlich viele geheime Wünsche in diesem Gesetz unterzubringen versucht. Man sollte es in der klaren Form tun, die nun einmal schon vorgelegen hat.
({25}) Das ist ein Problem.
Das nächste Problem - ich will jetzt eine ganz heikle Frage ansprechen; ich habe das Gefühl, daß der Bundesfinanzminister ähnlich denkt -: Wie wollen wir das denn nachher wieder loswerden? Denn dadurch, daß wir den Eventualhaushalt über den Geldmarkt finanzieren, ist er noch nicht haushaltsmäßig ausgeglichen. Wir müssen es einmal zurückzahlen. Das heißt, wir verschulden uns zum erstenmal in ansehnlichem Umfang. Ich habe aus Äußerungen des Bundesfinanzministers entnommen, daß er schon jetzt an mittelfristige Papiere denkt. Es wird darüber diskutiert, daß in die Offenmarktpolitik der Bundesbank auch Kapitalmarkttitel eingeführt werden könnten, nicht in dem engen Zusammenhang, sondern überhaupt. Herr Bundesfinanzminister, Sie werden erstaunt sein - ich drücke jetzt keine Parteimeinung, sondern meine ganz persönliche Meinung aus -: ich halte die Bundesrepublik wirtschaftlich und finanziell für ein so solides Unternehmen, daß ich es ihr zumuten würde, einige konsolidierte Schulden zu haben. Das müssen wir sehen. Ich will Ihnen damit den Weg erleichtern, die Konsolidierung der ganzen Angelegenheit sehr langfristig zu machen. Denn eins ist doch sicher: kein Mensch glaubt daran, daß wir bei den errechneten weiteren Defiziten in den nächsten Jahren zusätzlich auch noch die Schulden kurzfristig oder mittelfristig zurückzahlen könnten. Das ist doch eine Illusion. Ich habe mit großem Interesse vernommen, daß der Herr Bundesfinanzminister bei` irgendeiner Gelegenheit sehr mutig und sehr richtig davon gesprochen hat, daß unsere ganze Sozialpolitik in der Struktur umgebaut werden müsse und daß wir dabei Einsparungen machen könnten. Das schien für mich seine Meinung auszudrücken. Er will die im Augenblick immer noch drohenden lästigen Milliardendefizite allernächster Jahre langsam in der Sache beseitigen und anschließend oder gleichzeitig ein bißchen von den nun einmal entstandenen Schulden zurückzahlen. Das ist ein Problem, über das wir uns hier sicher noch in der Zukunft werden unterhalten müssen. Ich wiederhole noch einmal: das kann man nicht in einem Haushalt, auch nicht in zwei, drei Haushalten machen. Da muß man vielleicht aus der traditionellen Art der Betrachtung der Haushalte einmal etwas herausgehen. Man muß das ein wenig dynamischer in engem Zusammenhang mit der Entwicklung und der wirtschaftlichen Situation betrachten.
Die Kernfrage lautet auf jeden Fall: Gelingt es unserer Bundesregierung in der konzertierten Aktion, die sie begonnen hat, gemeinsam mit den verantwortlichen Sozialpartnern durchzusetzen, daß sich die Stabilisierung der Verhältnisse auf einem vernünftigen Lohnniveau vollzieht? Wenn das gelingt, habe ich große Hoffnung.
({26})
Ich möchte - lassen Sie mich das in aller Offenheit für meine Fraktion sagen - der Bundesregierung und den verantwortlichen Ministern zu diesem Weg alles Gute wünschen und hoffen, daß sie Erfolg haben werden. Auch als Opposition sind wir dieser Meinung.
({27})
Ich unterscheide mich ganz unwesentlich von Herrn Dr. Pohle -- Sie werden das gemerkt haben; wahrscheinlich wird auch bei der SPD dieser oder jener ähnlich denken -, aber ich habe ein Petitum, das sich von seinem Antrag unterscheidet. Ich möchte gern, daß dieses Gesetz im Wirtschaftsausschuß beraten wird; denn es ist primär wirtschaftspolitischer Natur. Der Haushaltsteil ist ein sekundärer Teil. Ich bin mir darüber im klaren, daß ich, so wie die Mehrheitsverhältnisse nun einmal in diesem Hause liegen, möglicherweise mit meinem Antrag nicht direkt durchkomme. Aber denken Sie doch einmal darüber nach!
({28})
Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Scheel hat soeben einmal mehr bewiesen, wie es doch bildet, wenn man einmal von oben nach unten wechselt.
({0})
Wir haben das bisher immer nur aus der Abgeordnetenbank gesehen. Ich freue mich - das ist ja manchmal das Schicksal des Züngleins an der Waage, daß man mal oben, mal unten ist -,
({1})
daß Sie hieraus wenigstens den Schluß gezogen haben - ({2})
- Herr Dr. Mende, da muß noch ein bißchen was dabeigepackt werden!
({3})
- Herr Dr. Mende, Sie meinen doch nicht leichte Gewichte?!
Ich möchte aber noch die folgende Bemerkung machen. Es ist natürlich richtig - ich möchte das hier nachdrücklich unterstreichen, Herr Kollege Scheel -, daß die Voraussetzungen für die Politik dieser Bundesregierung - Sie meinten vorhin offenbar auch die Tätigkeit des bisherigen Finanzministers, Herrn Dahlgrün, den Sie gestellt haben - von dieser segensreichen Tätigkeit abhängen. Sie sprachen von dem „Erbe" der früheren Bundesregierung. Ich sehe das allerdings etwas anders. Ich meine, diese Bundesregierung wäre gar nicht in der Lage gewesen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wenn er nicht vorher reingekommen wäre; das ist die Voraussetzung.
({4}) So sehe ich das jedenfalls.
({5})
- Herr Kollege Scheel, lassen Sie mich noch sagen: Das ist so ähnlich wie mit dem Abschleppdienst bei den Fuhrunternehmern; die leben auch davon, daß andere Karambolage machen. Es gibt so viele in der Wirtschaft, die von den Fehlern anderer leben, und das ist, glaube ich, auch des Lebens Lauf.
Bitte schön, Herr Kollege Scheel!
Eine Zwischenfrage, bitte, Herr Abgeordneter Scheel!
Herr Kollege, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die wirtschaftliche und finanzielle Situation, mit der wir es im Augenblick zu tun haben, durch Gesetze entstanden ist, die dieser Bundestag - wenn ich mich nicht sehr täusche - meist mit den Stimmen Ihrer eigenen Fraktion beschlossen hat?
({0})
Herr Kollege Scheel, es ist ein alter Trick, die Verantwortlichkeiten nachher von der Mehrheit auf die Minderheit zu übertragen. Damals waren Sie auf der Seite der Mehrheit.
({0})
- Wir wollen uns darüber nicht weiter verbreiten.
Herr Kollege Scheel, Sie sprachen von dem permanenten Ungleichgewicht und - in sehr launiger Weise - von „neuen Sprachschöpfungen" in der Wirtschaft. Ich finde, das ist eine sehr zarte Umschreibung. Ich bin der Auffassung, daß wir das Problem des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes in dieser Schärfe bisher noch nie gehabt haben. Ein Zweites haben wir bisher noch nie gehabt: es ist nämlich nicht nur die Sprache der Bundesregierung neu, sondern neu in der Wirtschaftspolitik ist für uns auch, daß hier nicht nur geredet wird - wenn auch mit neuen, schönen Worten; ich stimme Ihnen da zu -, sondern daß diese Bundesregierung innerhalb der drei Monate - es sind noch nicht ganz drei Monate -, die sie im Amt ist, bewiesen hat, daß sie entschlossen gehandelt hat. Das ist der Unterschied.
({1})
Meine Damen und Herren, nun noch ein Wort an die Bundesratsbank. Meine Fraktion - ich nehme an, auch das ganze Haus - möchte nachdrücklichst erklären, daß sie das hier eingeschlagene Verfahren, nach dem das Parlament ein von der Bundesregierung ausgearbeitetes Gesetz kurzfristig als Initiativantrag einbringt, nur als äußerste Ausnahme von der Regel betrachtet wissen will. Wir bitten den Bundesrat wegen der Fristverkürzung, die seine
Beratungen beeinträchtigt, um Verständnis, da von den vorgeschlagenen Investitionen nur dann die erwartete Initialzündung für eine Wiederbelebung erfolgen kann, wenn schnell und entschlossen gehandelt wird. Die neue Bundesregierung hat das getan, und das Parlament sollte deshalb ebenso schnell handeln.
Mit dem vorliegenden Kreditfinanzierungsgesetz - wir haben es auch einmal Eventualhaushalt, Stabilitätshaushalt, genannt; Namen sind Schall und Rauch, Herr Kollege Scheel - ist das Bündel der fiskalischen Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft, die wir damals vor Eintritt in die Koalition gefordert haben - ich erinnere an die Ausführungen des damaligen Abgeordneten Professor Schiller, ich erinnere an die Ausführungen von Dr. Möller -, komplett. Ich darf auch unterstreichen, daß mit den Mitteln der Geldpolitik allein in dieser Lage nichts mehr zu machen ist, um die Lähmung der wirtschaftlichen Aktivität zu beseitigen.
Dennoch begrüßen wir ausdrücklich die gestern von der Bundesbank getroffenen Maßnahmen - Senkung des Diskontsatzes, Herabsetzung der Mindestreserven -, die auch - das ist hier nicht zum Ausdruck gebracht worden - bei der Finanzierung der vorgesehenen Maßnahmen eine wichtige Rolle spielen, wenn man z. B. an die dafür vorzusehenden Zinsen denkt.
Die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, daß die Abschwächung der Konjunktur einen Punkt erreicht
hat, der sehr viel tiefer liegt als die Wendepunkte früherer Abschwungsphasen. Die Arbeitslosenquote hat 3,1 % erreicht, wobei zu berücksichtigen ist, daß die regionalen Unterschiede in dieser Globalzahl nicht enthalten sind. Wir wissen, daß in bestimmten Gebieten, z. B. Emsland, Zonenrand und Bayerischer Wald, die Arbeitslosenziffern weit über dieses Durchschnittsmaß hinausreichten. Wir wissen auch, daß strukturelle Schwächen, die bisher konjunkturell überdeckt waren und uns Problemlosigkeit vortäuschten, nun schonungslos aufgedeckt werden. Wir wissen auch, daß zu dieser Arbeitslosenzahl rund eine Viertelmillion Kurzarbeiter hinzukommt.
Die industrielle Gesamtproduktion im Dezember fiel auf eine negative Wachstumsrate von 1,8 % unter das entsprechende Vorjahresniveau. Besonders gravierend ist der Rückgang in den Investitionsgütern, nämlich minus 5,2 N. Auch im Auftragseingang dominiert die schlechte Lage in der Investitionsgüterindustrie. Die Industrie insgesamt hat ein Minus an Auftragseingängen von rund 8 % zu verzeichnen. In der Investitionsgüterindustrie sind es im Dezember fast 18% gewesen. Betroffen sind im nachherein natürlich auch der Handel durch die stagnierenden Einzelhandelsumsätze; ich brauche das hier nicht näher auszuführen.
Ich wiederhole, die monetären Maßnahmen wirken hier zunächst nur langsam. Im allgemeinen - das ist auch schon von den Sprechern der anderen beiden Fraktionen ausgeführt worden - konsolidieren sich in dieser Phase die Unternehmen zunächst einmal in ihrer Bilanz. Allerdings - das möchte ich auch betonen - sollte die psychologische
Wirkung nicht verkannt werden, die darin liegt - das ist auch sehr wichtig -, daß das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wiederhergestellt worden ist. Das ist ein wichtiger psychologischer Gesichtspunkt.
Hier wird die Fiskalpolitik zu antizyklischem Verhalten gefordert. Nach noch nicht einmal drei Monaten hat die Bundesregierung die Aufgabe, die Wirtschaft in eine kontrollierte Expansion zu führen, entschlossen angepackt. Deshalb muß diese Vorlage auch im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden -- das hat Herr Kollege Scheel auch gesagt -, daß die Bundesregierung die Beseitigung des Haushaltsdefizits in Höhe von 3,7 Milliarden DM entschlossen angepackt hat. Wir hoffen - alle Parteien dieses Hauses haben sich zu diesem Ziel bekannt -, daß dieses Ziel auch in den Beratungen des Haushaltsausschusses erreicht wird.
Aber allein mit den Maßnahmen des Haushaltsausgleichs war es wirtschaftspolitisch nicht getan; denn dadurch wäre ja die Talfahrt nur noch beschleunigt worden. Zweitens ist in diesem Zusammenhang zu nennen, daß die private Investitionstätigkeit durch die Gewährung von Sonderabschreibungen - zusätzlich 5 % für unbewegliche Wirtschaftsgüter, 10 % für bewegliche Wirtschaftsgüter - angeregt wurde.
Zum dritten soll jetzt das Kreditfinanzierungsgesetz die öffentlichen Investitionen per sofort mit 850 Millionen DM - und, wie wir meinen, möglichst bald hinterher bis zu 2,5 Milliarden DM - ermöglichen. Damit hat auch die Bundesregierung die Warnung des Sachverständigenrates - Ziffer 12 - verstanden, in der es etwa sinngemäß heißt, daß davor gewarnt wird, die öffentlichen Investitionen noch stärker einzuschränken, da damit die Fiskalpolitik wieder prozyklisch wirken würde. Diese Warnung ist verstanden worden.
Ich möchte aber auch mit Nachdruck darauf hinweisen, daß diese Kredite des Kreditfinanzierungsgesetzes nicht aus irgendwelchen zauberhaften Fonds oder Sonderfonds gespeist werden, sondern Schulden sind, die in den kommen den Jahren - etwa vier Jahre Laufzeit - aus dem ordentlichen Steueraufkommen auf Mark und Pfennig verzinst, getilgt bzw. auch konsolidiert werden müssen. Das ist auf jeden Fall auch bei der mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen.
Das zwingt aber auch Regierung und Parlament zu einer eingehenden Prüfung der Bereiche, für die Kredite gegeben werden sollen. Auf keinen Fall dürfen deshalb mit diesen Krediten Kapazitäten ausgebaut werden, denen auf die Dauer die Bedarfsstruktur nicht entspricht. Es geht hierbei um die Auslastung vorhandener Kapazitäten. In den beiden Bereichen Bundesbahn und Bundespost sehen wir eine solche Gefahr nicht, im Gegenteil, diese Investitionen - z. B. Oberbau, Elektrifizierung und Fernmeldewesen - waren längst fällig. Auch im Wohnungsbau kann von einem Kapazitätsüberhang nicht die Rede sein. Zu begrüßen ist auch - das sage ich hier ausdrücklich - die einzige regionalpolitische Empfehlung der Bundesregierung, nämlich die an
das Verkehrsministerium, die Zonenrandgebiete gebührend zu berücksichtigen.
Die schnelle Auftragsvergabe wird auch dadurch erreicht - das ist hier etwas kritisch angemerkt worden; aber ich bitte Herrn Kollegen Scheel, das auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß es auf eine schnelle Auftragsvergabe ankam -, daß der Schwerpunkt des Kreditfinanzierungsgesetzes auf Bundes- und zentralen Maßnahmen liegt. Mit Ausnahme des Wohnungsbaus gibt es also keine Dotation an die Länder.
Meine Damen und Herren, dieser Wandel in der Wirtschaftspolitik - und darauf bitte ich auch Wert zu legen; es geht hier nicht um alte Hüte, Herr Kollege Scheel; es geht doch wirklich auch um etwas Neues -, nämlich die Ergänzung bzw. Kombination der bisherigen Wettbewerbspolitik, die manchmal auch nicht so ganz Wettbewerbspolitik war, mit antizyklischer Fiskalpolitik läßt uns Sozialdemokraten zuversichtlich hoffen, daß im Laufe des Jahres 1967 die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit entstanden sind, behoben werden. Es geht in der Wirtschaft wieder aufwärts, wenn auch langsam.
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Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich ebenso, wie das der Herr Kollege Pohle getan hat, namens meiner Fraktion bitten, vor allem aus Gründen der schnellen und zügigen parlamentarischen Behandlung die Vorlage nur dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Auf jeden Fall könnten auch noch Verkehrsausschuß, Wohnungsbauausschuß und Ernährungsausschuß mit demselben Recht die Teilnahme an den Beratungen verlangen. Das wären dann etwa ein halbes Dutzend Ausschüsse. Wer dieses Haus kennt, würde dann sofort sagen, 'daß damit die Maßnahme verpuffen würde, wenn die Sache vier Wochen liegen bliebe. Ich meine aber auch, 'daß die Sachkunde des Haushaltsausschusses, die sich aus den Etatberatungen, insbesondere aus dem Einblick in die Einzelpläne und in die im Kreditfinanzierungsgesetz angesprochenen Bereiche ergibt, dem Hause die Gewähr dafür bietet, daß die Mittel den vorgesehenen Zwecken zugeführt werden, die ich hier noch einmal nennen will, nämlich einmal, die vorhandenen Kapazitäten der Wirtschaft besser auszulasten, und zum anderen, sinnvolle und notwendige Investitionen vorzunehmen. Ich bitte also deshalb namens meiner Fraktion, die Vorlage ausschließlich dem Haushaltsausschuß zur Beratung zu überweisen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich Sie um Ihr Verständnis bitten, wenn ich nicht auf alle Probleme eingehe, die - auch im Sinne eines zeitgeschichtlichen Nachhilfeunterrichtes - vom Kollegen Scheel angeschnitten worden sind. Wir werden aber wohl im Laufe dieses Jahres noch mehrmals Gelegenheit haben, uns über Ursachen und Wirkungen, über die causa moyens und die Konsequenzen zu unterhalten. Nicht zuletzt wird das im Zusammenhang mit einer Problematik geschehen, die auch schon in der Terminologie beinahe eine magische Bedeutung bekommen hat, nämlich mit 'der mittelfristigen Finanzplanung. Man kann von ihr genauso wenig wie von der Finanzreform erwarten, daß sie all das löst, was auf anderem Wege bisher nicht gelöst worden ist.
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Sie wird aber in diesen Wochen vorbereitet. Sie wird sich in drei Etappen abspielen, nämlich erstens in der Erarbeitung eines Instrumentariums, das so umfangeich und zuverlässig wie möglich sein soll, zweitens in einer realistischen Schätzung /der Einnahmeseite, ausgehend von der Überzeugung, daß das gesamte Sozialprodukt nicht noch höher 'durch Steuern und öffentliche Zwangsabgaben belastet werden kann, als es ungefähr zur Zeit belastet ist. Selbstverständlich sind unterhalb dieser Grenze Umbauten möglich. Drittens wird eine Konfrontierung aller Prioritäten gleichzeitig miteinander erfolgen. Das ist dann die Stunde der Wahrheit, die Stunde des Mutes und die Stunde der 'Entscheidung.
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Heute geht es nicht darum, sozusagen die Gruselkammer des Finanzministers schon für die Zukunft aufzutun, sondern namens der Bundesregierung mit Genugtuung festzustellen, daß sich dieses Hohe Haus bereits heute in erster Lesung mit dem Kreditfinanzierungsgesetz 1967 befaßt.
Herr Kollege Pohle hat einige kritische Anmerkungen gemacht. Aber es ging nicht nur darum, den Wortlaut eines Gesetzes zu erstellen, es ging auch darum, mit der Bundesbank sicherzugehen, daß das Sofortprogramm und das Anschlußprogramm aus dem mittelfristigen Markt mit Sicherheit finanziert werden können; sonst würde dieses Gesetz eine Blamage werden.
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Die Verhandlungen sind geführt worden, und zwar mit Erfolg. Die Mittel für die Durchführung dieses Gesetzes stehen Tag für Tag nach menschlichem Ermessen zur Verfügung. Sie stehen zur Verfügung, obwohl in der letzten Woche des abgelaufenen Jahres 1 Milliarde D-Mark in Erfüllung des Offset-Abkommens nach den USA überwiesen worden ist, und zwar ebenfalls auf dem mittelfristigen Markt aufgenommen, und obwohl bereits eine weitere halbe Milliarde D-Mark für den gleichen Zweck auf ein Sonderkonto nach den USA, aus denselben Quellen finanziert, überwiesen worden ist.
Wir sind hier sehr schnell vorangegangen, aber nicht schneller, als es unter Anlegung seriöser Maßstäbe möglich war. Wir lassen aber keinen Zweifel daran, daß bei diesem Vorhaben keine Zeit zu verlieren ist.
Ich weise darauf hin, daß die Umsatzsteuerentwicklung im Dezember 1966 ein Minus von 1,7% gegenüber dem Dezember 1965 und im Januar 1967 ein Minds von 4 % gegenüber dem Januar 1966 aufBundesminister Dr. h. c. Strauß
weist. Ich möchte jetzt nicht in tiefsinnige Spekulationen oder Prophezeiungen verfallen, wann die Talsohle erreicht werden wird oder ob wir sie schon hinter uns haben. Wir haben im Laufe der letzten Monate auch kennengelernt, daß manche Prognosen der Sachverständigen eine vaticinatio ex eventu sind, eine Weissagung überabgelaufene Tatbestände mit großen Unsicherheitskomponenten hinsichtlich der zukünftigen Erwartungen. Aber wir haben keine Zeit zu verlieren und danken deshalb dem Bundestag, daß dieses Gesetz so schnell behandelt wird.
Ich kann es mir nach den Ausführungen der Herren Vorredner ersparen, noch einmal auf die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Monate und die voraussichtliche Entwicklung für die nächste Zeit einzugehen. Ich habe zwei Ausschüssen des Bundestages gesagt, daß wir gewisse Unsicherheitskomponenten im Haushalt haben, die Verschlechterung des Basisjahres um abermals 930 Millionen DM und eine Zuwachsrate des nominellen Bruttosozialprodukts von 5 . Wieweit sich diese beiden Komponenten für die Einnahmegestaltung durchsetzen werden und inwieweit sie dort durchschlagen werden, kann erst im weiteren Fortschritt des Jahres bestimmt werden. Aber wir wollen durch dieses Gesetz dafür sorgen, daß die von uns angestrebten Ziele in einem optimalen Maß erreicht werden.
Ich kann auch feststellen, daß heute zwischen Bundesregierung, Bundestag und der autonomen Bundesbank volle Übereinstimmung besteht. Wir müssen gezielte Aktionen zur Wiederbelebung unserer Wirtschaft unternehmen. Wir haben auch Vorkehrungen getroffen, daß die Maßnahmen, die hier geplant sind, in die rechten Kanäle geleitet werden, und das mit dem Ziel, den Verlauf unserer Wirtschaftskurve wieder rasch nach oben zu lenken und zu einem gesunden Wirtschaftswachstum zu kommen.
Für den am 18. Januar dieses Jahres von der Bundesregierung in Aussicht genommenen Investitionshaushalt mit einem Volumen von bis zu 2,5 Milliarden DM - man kann nunmehr ruhig sagen: von 2,5 Milliarden DM - waren von den einzelnen Bundesministerien Vorhaben in Höhe von 4,4 Milliarden DM angemeldet worden. Außerdem gab es auch Stimmen von Länderseite, bestimmte Quoten des Eventualhaushaltes zur Durchführung von Länderinvestitionen verfügbar zu machen. Es gab auch Vorstellungen von privatwirtschaftlicher Seite oder von seiten der Gemeinden, den Eventualhaushalt für ihre sicherlich berechtigten Zwecke fungibel zu machen. Aber dann dürfte ein Volumen von 10 Milliarden DM nicht mehr ausgereicht haben, wenn all das hätte bewältigt werden sollen, was mit dem Eventualhaushalt an Wünschen und Erwartungen verbunden worden ist. Ich darf ein Wort zitieren, das meines Wissens von Herrn Troeger stammt - seine Zitierung ist nicht ein Ausdruck böswilliger Gesinnung -: Kasse macht sinnlich.
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Wenn Geld in der Kasse ist oder in der Kasse zu
erwarten ist, dann erwachen eben gewisse Wünsche.
Nach sehr sorgfältiger Prüfung durch die von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitskommission, durch den Kabinettsausschuß für Wirtschaft und nicht zuletzt durch das Bundeskabinett sind aus diesen Vorhaben die Ihnen im § 2 des Gesetzentwurfs vorliegenden Bereiche ausgewählt worden. Ich verrate kein Betriebsgeheimnis, daß es sicherlich nicht zu den besonders erfreulichen oder angenehmen Stunden des Herrn Bundesministers für Wirtschaft gehörte, als Vorsitzender des Wirtschaftskabinetts die übrigen Kollegen in der ihm eigenen Weise davon zu überzeugen, daß der maximale Rahmen 2,5 Milliarden DM - und nicht 4,4 Milliarden DM oder ein Betrag dazwischen - ist. Aber es ist ihm gelungen.
Wir sind der Meinung, daß die dort angeführten Maßnahmen schnell in Angriff genommen werden können - danach sind sie ausgesucht worden -, daß sie eine konjunkturbelebende Wirkung haben, die wir in dieser Situation brauchen, daß sie in Gebieten und in Bereichen angesetzt werden, wo die Kapazitäten nicht ausgelastet sind oder wo größere Arbeitslosigkeit besteht. Nur unter diesem Gesichtspunkt sind die Maßnahmen ausgewählt worden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß andere durchaus berechtigte Gesichtspunkte - sei es strukturpolitischer Art, sei es die Berücksichtigung einzelner Bereiche soziologischer Art - hierbei nicht eingehalten werden konnten. Wer nämlich mit diesem Programm alle Gesichtspunkte gleichzeitig zu verbinden versucht, wird wahrscheinlich jede Wirkung versäumen und verfehlen.
Sie wissen, daß im Rahmen dieser 2,5 Milliarden DM in diesen Tagen das Sofortprogramm mit einem Volumen von 850 Millionen DM anläuft. Schon von diesem Programm erhoffen wir uns positive Auswirkungen und eine Wiederbelebung. Es handelt sich dabei um 300 Millionen DM für die Deutsche Bundesbahn, 250 Millionen DM für die Deutsche Bundespost, 200 Millionen DM für den Bundesfernstraßenbau und 100 Millionen DM für Baumaßnahmen zur Verbesserung der Landesstruktur und des Küstenschutzes. Wie ich schon sagte, ist die Finanzierung des Sofortprogramms durch die feste Zusage der Deutschen Bundesbank, mittelfristige Papiere des Bundes zusätzlich am Markt unterzubringen, gesichert. Die Ermächtigungsschreiben für die Bewältigung des Sofortprogramms sind fertiggestellt und werden noch in dieser Woche - wahrscheinlich heute - )das Bundesministerium der Finanzen verlassen.
Die gestrigen Beschlüsse der Bundesbank, auf die der Bundesminister für Wirtschaft schon in der Öffentlichkeit hingewiesen und die der Kollege Pohle erwähnt hat, zeigen, daß es der Deutschen Bundesbank ernst ist mit ihrer Zusage, die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Bundes zu unterstützen; sie zeigen, daß die Bundesbank nunmehr die Situation ernster beurteilt, als das manche Seiten noch vor einigen Monaten getan haben.
Die gegenwärtige konjunkturelle Lage macht es notwendig, auch die über das Sofortprogramm hin4328
ausgehend en Investitionensmaßnahmen in Höhe von 1,65 Milliarden DM alsbald durchzuführen. Als Grundlage für die Verwirklichung dieser Vorhaben brauchen wir das heute zur Beratung anstehende Kreditfinanzierungsgesetz, das später bei Verabschiedung des Haushalts 1967 - wir hoffen, im Mai - in den Haushalt 1967, und zwar in den außerordentlichen Haushalt, Besonderer Teil, einfließen soll.
Die regionale Verteilung der in diesem Gesetz vorgesehenen Ausgabemittel, insbesondere die Berücksichtigung von Erwerbszweigen und Gebieten, die besonders hohe Arbeitslosigkeit aufweisen, kann in dem Kreditfinanzierungsgesetz selbst nicht festgelegt werden. Diese Gesichtspunkte müssen vielmehr bei der Ausfüllung der Rahmenbeträge durch die einzelnen Programme mit berücksichtigt werden. Ich hoffe, daß wir auch da zu einer befriedigenden Regelung gelangen werden, und unterstütze das Vorhaben, den Haushaltsausschuß hier in der vorgeschlagenen Weise einzuschalten und auf die Mitberatung durch eine Reihe von jeweils sonst zuständigen Fachausschüssen um der Schnelligkeit der Abwicklung willen zu verzichten. Es dürfte auch schwer werden, innerhalb der Bereiche oder zwischen den Bereichen noch Verschiebungen vorzunehmen. Wenn verschiedene Ausschüsse eingeschaltet sind, wird es wahrscheinlich zu nicht sehr einheitlichen Ergebnissen kommen, weil auch hier die Wünsche den Rahmen dessen übersteigen werden, was mit diesem Gesetz finanziert werden kann; und ein Bundesgesetz, wonach eine Mark hundertfünfzig Pfennig hat, dürfte keine Wirkung haben.
Auch die Finanzierung dieses Restprogramms von von 1,65 Milliarden DM soll nach den Absprachen mit der Deutschen Bundesbank über mittelfristige Gelder mit einer Laufzeit bis zu etwa vier Jahren erfolgen. Die Bundesbank hat dazu ihre grundsätzliche Unterstützung in Aussicht gestellt, ihre verbindliche Zusage jedoch von der weiteren konjunkturellen Entwicklung abhängig gemacht. Die abschließenden Vereinbarungen mit der Deutschen Bundesbank hierüber können so rechtzeitig getroffen werden, daß nach der Verabschiedung dieses Gesetzes für das Ingangsetzen der dann erforderlichen Maßnahmen keine für die Wirtschaft nachteiligen. Verzögerungen zu erwarten sein werden.
Ich bitte als federführender Minister das Hohe Haus, dieses Gesetz baldigst zu verabschieden.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Hause besteht vollständige Einigkeit darüber, daß mit dem jetzt beratenen Kreditfinanzierungsgesetz zusammen mit den vorige Woche vom Bundesrat beschlossenen Sonderabschreibungen entscheidende Daten für einen „Aufschwung nach Maß" unserer Volkswirtschaft gesetzt werden. Es besteht aber, glaube ich, Einigkeit auch darüber, daß wir in diesen Wochen die Geburt einer tatsächlichen antizyklischen Wirtschafts- und Finanzpolitik erleben. Vieles von dem, was wir heute tun, - antizyklische Wirtschafts- und Finanzpolitik - das hätte ich gern Herrn Kollegen Scheel noch gesagt -, war früher in der Welt von Wunsch und Vorstellung vorhanden, in der Welt der Theorie. Es ist in diesen zwei Monaten doch wohl einiges dazu getan worden, daß diese Dinge in die Wirklichkeit umgesetzt wurden.
({0})
Zu diesen beiden eben erwähnten Maßnahmen tritt, wie von allen Rednern betont, die Entscheidung der Deutschen Bundesbank vom gestrigen Tage. Wir alle in diesem Hause und in der Regierung sind glücklich über diese Entschlüsse des Zentralbankrates. Ich möchte sagen, die Beschlüsse des Zentralbankrates passen zu den staatlichen Maßnahmen von voriger Woche und dieser Woche zeitlich und in der Sache wie geschnitzt; so gut sind sie adjustiert.
({1})
Meine Damen und Herren, ich könnte sagen, wir haben nun ein magisches Dreieck anderer Art erreicht. Wir versuchen nicht nur das magische Zieldreieck zu erreichen, das Sie alle kennen, sondern seit dem gestrigen Tage haben wir, glaube ich, ein neues magisches Dreieck, bestehend aus den Instanzen der Finanzpolitik, der Notenbankpolitik und der Wirtschaftspolitik.
({2})
- Es ist neu; denn zwei Jahre lang gab es nur eine aktive Bundesbank als konjunkturpolitisches Instrument, und die Fiskalpolitik war just das Gegenteil von dem, was die Bundesbank machte.
({3})
Das muß ich leider sagen. Ich gehöre sonst zu denjenigen, die Debatten über Schuld und Sühne in der Vergangenheit als wenig fruchtbar ansehen.
Herr Minister, Herr Abgeordneter Ertl möchte eine Frage stellen. - Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Minister, würden Sie sagen, daß daher eine Haushaltspolitik, die sich am Produktivitätszuwachs orientiert hat, falsch war?
Ich stelle nur fest, daß in den Jahren 1965 und 1966 - nur darum geht es - die Finanzpolitik nicht mit den geldpolitischen Maßnahmen harmonisierte, zu denen die Deutsche Bundesbank allein aus der Sache heraus gezwungen war.
Herr Minister, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) möchte eine Frage stellen. - Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Minister, war das Haushaltssicherungsgesetz von 1965 nicht auch ein Teil antizyklischer Finanzpolitik?
Herr Kollege Schmidt, das Haushaltssicherungsgesetz aus dem Jahre 1965 war doch, wie wir alle inzwischen gesehen haben, eine Maßnahme,
({0})
- die uns nicht davor bewahrt hat,
({1})
daß Herr Strauß und ich jetzt bezeichnet werden als deficit brothers. Die großen Defizite sind damals mit diesem Gesetz nicht beseitigt worden, und Sie wissen ja, was uns alles noch bevorsteht.
({2})
- Ich habe schon einmal gesagt, wir wollen uns doch über Schuld und Sühne - ({3})
- Nein! Das soll auch gar nicht gemacht werden. Antizyklische Finanzpolitik ist auch nicht von heute auf morgen zu machen, das ist ein langer Prozeß.
({4})
In diesem Prozeß sind wir alle drin, und dieser Prozeß der Meinungsbildung - das wissen Sie ja selbst
- ist also auch bei zukünftigen gesetzgeberischen Maßnahmen noch zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, es ist - und da stimmen wir, glaube ich, überein - auch schon in der Regierungserklärung vom 13. Dezember gesagt worden, daß ein Eventualhaushalt eben eventuell möglich und nötig werden könnte. Daher der Name! Jetzt sind wir in einer Situation, daß wir aus diesem Eventualhaushalt einen Aktualhaushalt machen. Ich will hier nicht mehr die Analysen über den Verlauf der Gesamtkonjunktur ausbreiten. Die Analysen sind eindeutig. Die Talfahrt in der zweiten Hälfte des Jahres 1966 ist von allen festgestellt worden. Wenn hier gefragt wurde, ob es nicht besser wäre, die Phase der sogenannten Konsolidierung zu verlängern, dann muß ich in Übereinstimmung mit Mitgliedern aus dem Sachverständigenrat und mit den Instituten, aber wohl auch mit einigen Herren von der Bundesbank hinzufügen: wir sind leider bei der Talfahrt an dem Punkt der Konsolidierung und dem Punkt des Gleichgewichts vorbeigekommen, wir sind tiefer geraten, als die Ebene der Konsolidierung es vielleicht verlangt hätte. Herr Kollege Schmidt, wir haben jetzt immerhin eine Arbeitslosigkeit von 3,1%. Damit sind wir doch auf jeden Fall an der Untergrenze, wenn Sie wollen, an der magischen Grenze der bisher so definierten Vollbeschäftigung. Und was in der deutschen Wirtschaft noch an unterbeschäftigten Kapazitäten da ist, was an Wachstumsverlusten eingetreten ist, was noch an Unternehmerprognosen und Unternehmerdispositionen in den kommenden Monaten zu verbessern ist, das alles wissen wir auch. Deswegen ist kein Anlaß zu leichtfertigem Optimismus gegeben. Es gibt vor allen Dingen keinen Grund, die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen nicht so schnell wie möglich zu realisieren. Ich glaube, auch da sind wir uns einig.
Wir wollten die Gefahr eines sich selbst nährenden Schrumpfungsprozesses bannen. Das ist in der Regierungserklärung angekündigt, und alle Maßnahmen, die jetzt getroffen oder die in Beratung sind, dienen diesem Ziel. Wir wissen auch, daß Konjunktur, daß Aufschwung nicht nur eine Angelegenheit des Geldes, der Aufträge, der Quanten sind; wir wissen, daß Konjunktur zu 50 % auch Psychologie ist. Deswegen dienen diese Maßnahmen zusammen mit der gesamten Defizitbereinigung auch der Wiederherstellung des Vertrauens, des Vertrauens der Unternehmer bei ihren Dispositionen, aber auch und gerade des Vertrauens der Arbeitnehmer in die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze.
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Was die Sachzuordnung im Kreditfinanzierungsgesetz betrifft, kann ich nur wiederholen: die Objekte dieses Kreditfinanzierungsgesetzes sind nach sehr strengen Grundsätzen ausgewählt, nach den Grundsätzen der schnellen und raschen Vergabe und der konjunkturellen Wirksamkeit und unter dem Gesichtspunkt, wo es in der deutschen Volkswirtschaft große unausgenutzte Kapazitäten gibt. Das sind die Sachgrundsätze, die wir durchzusetzen versucht haben. Sicherlich ist keine Zuordnung vollkommen, und gewiß wird auch der eine oder andere Abgeordnete in dieser Sachzuordnung einen kritischen Punkt oder eine läßliche Sünde finden. Wir hoffen, daß das Haus uns helfen wird, auch in den Sachausgaben dieses Eventualhaushalts eine optimale Lösung zu finden.
Von einigen Stimmen, besonders von der Opposition, wurde die unorthodoxe kreditäre Finanzierung dieses Eventualhaushalts sozusagen mit einem Fragezeichen versehen. Ich kann nur wiederholen, jede weitere Einschränkung der unternehmerischen Selbstfinanzierungsmöglichkeiten und jede weitere Einschränkung der Möglichkeiten einer Kapitalmarktfinanzierung durch unseren Eventualhaushalt hätte den kontraktiven Prozeß verschärft. Deswegen mußten wir den anderen Weg gehen, den unorthodoxen Weg der mittelfristigen oder Geldmarktfinanzierung mit Unterstützung der Deutschen Bundesbank.
Aber zu diesen Maßnahmen - dazu will ich etwas sagen, weil Herr Kollege Scheel darüber gesprochen hat - gehört nicht nur staatliches Wirken, staatliche Aktivität; dazu gehört auch ein konjunkturgerechtes Verhalten der Unternehmer und der Arbeitnehmer. Dieser komplementär notwendigen Maßnahme entspricht unser Versuch, eine konzertierte Aktion, eine freiwillige und gemeinsame Aktion - multilateral am 14. Februar begonnen - durchzuführen. Wenn hier gesagt wurde, das sei gegenüber früheren Versuchen eigentlich nur eine Angelegenheit verschiedener Sprachen, dann muß ich darauf hinweisen, daß
die jetzige konzertierte Aktion, bilateral begonnen am 22. Dezember 1966 im Gespräch mit den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes und wichtiger Industriegewerkschaften, eine ganz klare Diskussion über zahlenmäßige Informationen darstellt. Es geht dabei um Fakten, um Ziffern. Es geht nicht um gegenseitiges Appellieren an Wohlverhalten, sondern es geht dabei um Auseinandersetzungen über bestimmte konkrete Zahlen. Mir scheint dieser Unterschied wesentlicher zu sein als ein möglicher Unterschied rein in der Sprache oder in der Philologie.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben bei der letzten, also der multilateralen Begegnung ein Zahlenwerk vorgelegt, eine Projektion, ein umfassendes Orientierungstableau. Dieses Tableau enthält als Arbeitshypothese das Wirksamwerden der verschiedenen konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und der noch zu beschließenden Maßnahmen des Bundestages. Diese Projektion ist sicherlich mutig. Sie enthält für das reale Sozialprodukt in diesem Jahr eine Zuwachsrate von 2 % oder etwas mehr als 2 %. Das ist mutig gegenüber den Schätzungen der Institute, die vor einigen Wochen gemacht wurden. Diese Schätzungen - es besteht da ja eine Streuung - basierten auf der Hypothese, daß Bundestag, Bundesregierung und Bundesbank nichts tun würden und daß alles so weitergehen würde. Diese Schätzungen bewegten sich zwischen plus 0,5% und minus 1 % als Zuwachs des Sozialproduktes. An der Differenz zwischen diesen Schätzungen von vor wenigen Wochen und unserer neuen Projektion, die die neuen Maßnahmen beinhaltet, sehen Sie den Unterschied in der Sache und nicht nur etwa in der Sprache.
Damit Sie unsere Zielvorstellungen, wie wir sie in der konzertierten Aktion vertreten, auch noch etwas genauer kennenlernen, möchte ich gleichzeitig hinzufügen: Wir haben in der Projektion in bezug auf die Bewegung des Preisniveaus eine Größe eingesetzt, die deutlich unter der Preissteigerungsrate des Jahres 1966 liegt. Es wird ja manchmal der Eindruck erweckt, als ob das Jahr 1966, was die Preissteigerungen betrifft, ein Jahr totaler Stabilität gewesen sei. Natürlich ist mit einer Preissteigerungsrate von 2,6 % im Dezember gegenüber 4,5 % im April ein Erfolg erreicht worden. Gar kein Zweifel! Aber der Gesamtdurchschnitt der Preisniveausteigerung von 3,7 % im Jahre 1966 war doch zu hoch. Was wir vorsehen, ist eine stufenweise Zurückführung der Preissteigerungsrate. Sie werden sicherlich zugeben, daß unser Programm als Programm eines Aufschwungs nach Maß in dieser Beziehung sehr konservativ ist, indem wir ganz auf schrittweise Stabilisierung des Preisniveaus aus sind.
Dabei erhebt sich die Frage: Wie groß ist - wie die Amerikaner es nennen - das nichtinflationäre Potential der deutschen Volkswirtschaft? Wie weit kann man also die effektive Gesamtnachfrage steigern, ohne daß die Preise unnötig in Bewegung geraten? Ich habe Ihnen vorhin unsere Zielvorstellungen für 1967 genannt: Zuwachsrate des realen Sozialprodukts von 2 % oder 2,5%. Ich darf Ihnen erklären, daß Mitglieder des Sachverständigenrates in der konzertierten Aktion eine weit höhere Zahl für das nichtinflationäre Potential der deutschen Volkswirtschaft nannten. Wir sind deutlich darunter geblieben. Sie sehen daraus, daß wir vorsichtig sind sowohl in der Bemessung unserer Maßnahmen wie in der Bemessung unserer Ziele.
Wenn dieser Hinweis mit dieser bescheidenen Bezifferung nicht genügt, weise ich auf eine große Reserve in unserer Gesamtwirtschaft hin, die bei einer Steigerung der Inlandsnachfrage als wichtiger Faktor in Erscheinung treten wird. Das ist die deutsche Einfuhr. Wir leben zur Zeit in einem umgekehrten Prozeß des Anwachsens der Exportüberschüsse. Wir hoffen, daß die Maßnahmen, die beschlossen wurden oder in der nächsten Woche von Ihnen beschlossen werden, zu einer Steigerung der Inlandsnachfrage und damit auch zu einer Steigerung der Einfuhr führen. Die Angebotssteigerung, die dann über eine vermehrte Einfuhr eintritt, ist eine Stabilitätsreserve. Sie ist gleichzeitig ein Weg zum Gleichgewicht unserer Zahlungsbilanz, damit wir nicht in jene Situation geraten, die wir aus früheren Jahren kennen, daß wir nämlich durch übermäßige Exportsalden ein Ungleichgewicht herbeiführen oder gar noch international deswegen auf die Anklagebank kommen. Es decken sich hier also die Ziele der binnenwirtschaftlichen Belebung mit den Zielen des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.
Aber, meine Damen und Herren, es fehlt noch etwas, und das müssen wir auch herbeiführen. Ich habe von der konzertierten Aktion gesprochen, die unter anderem - unter anderem! - zum Ziel hat eine Lohnbildung, ,die auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung abgestellt ist, aber in einem sehr globalen und toleranten Wege, und die ein entsprechendes preis- und investitionspolitisches Verhalten der Unternehmer ebenfalls einschließt. Alles das gehört zu ,dem Paket in der konzertierten Aktion. Das ist also nicht nur eine Sache der Löhne.
Ich muß allerdings eines hinzufügen. Die staatlichen Maßnahmen jetzt sind in dieser Runde eindeutig zugunsten der Unternehmungen vorgeschlagen und konjunkturpolitisch orientiert. Das ist notwendig. Ich darf talle in diesem Hause darauf hinweisen, daß die Vertreter der Gewerkschaften bei der konzertierten Aktion die gesamtwirtschaftliche Einsicht gehabt haben und diese Maßnahmen, die in der ersten Runde also den Unternehmungen zugute kommen - Sonderabschreibungen z. B. -, objektiv zur Kenntnis genommen haben. Ich sage das deswegen, damit nicht vergessen wird, daß eines Tages, wenn wir den Aufschwung haben und ihn nach Maß haben, es für die staatlichen Maßnahmen notwendig sein wird - so möchte ich es ausdrücken -, eine soziale Symmetrie in den wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen herzustellen.
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In der heutigen Situation müssen wir asymmetrisch handeln, das ist gar kein Zweifel. Aber wir müssen auch daran denken, daß wir, wenn wir den Aufschwung haben, allesamt in diesem Haus mehr Wert auf eine Symmetrie in sozialer Hinsicht legen müsBundesminister Dr. Schiller
sen, wenn wir auf Dauer sowohl in preispolitischer als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht Stabilität wollen.
Herr Abgeordneter Dr. Friderichs möchte eine Zwischenfrage stellen. Dr. Friderichs ({0}) : Darf ich Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, fragen, ob die Lohnforderungen im Bereich der Stahlindustrie nach Ihren Vorstellungen in den Bereich der sozialen Symmetrie innerhalb der konzertierten Aktion gehören.
Ich bin der Auffassung, daß Lohnforderungen noch nicht endgültige Lohnabschlüsse sind. Das wissen wir doch alle.
Das ist mir bekannt. Ich habe Sie nur nach der Höhe der Forderung gefragt, ob das symmetrisch im Rahmen der konzertierten Aktion ist. Ich finde das für die Meinungsbildung unserer Fraktion wichtig.
Sehen Sie, das ist die alte Geschichte. Alle schwören wir - und Sie auch -: Wir wollen die Autonomie der Tarifvertragsparteien achten. Jetzt verlangen Sie von einem Bundeswirtschaftsminister, zu der Forderung einer Gewerkschaft punktuell Stellung zu nehmen, und der weigert sich, weil er nämlich die Autonomie respektiert, auch in der Tat.
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Eine weitere Frage.
Sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß eine Meinungsäußerung eines amtierenden Bundesministers kein Eingriff in eine Autonomie ist?
Ich möchte Ihnen etwas Positiveres antworten. Ich bin nach dem Gespräch, das vor wenigen Tagen in multilateralem Kreise war, fest davon überzeugt, daß in diesem Bereich eine Lohnbildung erfolgen wird, die den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen entspricht, und ich glaube, darauf kommt es an, Herr Friderichs. Alles andere ist, so glaube ich, unnötig.
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Die Gewinne werden im Jahre 1967 sicherlich nicht übergroß sein. Natürlich wird ein Anstieg der Gewinne eintreten. Das hoffen wir, nicht wegen eines möglichen Mehrkonsums auf dieser Seite, sondern weil wir wissen, daß wir für den Aufschwung eine höhere Selbstfinanzierungsquote brauchen. Das ist ganz selbstverständlich. Was zur Zeit an Dividenden gezahlt wird oder beschlossen wird, ist sicherlich auch ein Ausdruck dafür, daß die Wirtschaft dokumentieren will: Es geht wieder aufwärts. Was die Börse registriert hat, was gewisse Dividendenbeschlüsse gezeigt haben, alles das beweist doch, daß wir nicht ganz auf dem falschen Wege sind, sondern daß viele der Maßnahmen - ich würde sagen: alle Maßnahmen - angekommen sind und daß man sich, mit einer gewissen Zeit natürlich, auf diese Maßnahmen positiv einstellt.
Ich darf noch ein letztes Wort sagen. Wir brauchen in Zukunft nicht nur ein soziales Gleichgewicht in unserer Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik je nach der Konjunkturlage. Wir brauchen überhaupt ein besseres Gleichgewicht im Gebrauch der Instrumente. Ich habe vorhin schon gesagt, früher hat es die Bundesbank eine ganze Zeit allein betreiben müssen. Eines kann ich Ihnen aus der gestrigen Sitzung des Zentralbankrats hinzufügen: Die Deutsche Bundesbank begrüßt es, daß das Instrumentarium der Fiskal- und Wirtschaftspolitik erweitert wird. Sie begrüßt es, daß sie damit in der Konjunkturpolitik entlastet wird, daß also andere, d. h. die Regierung, einen Teil der Aufgaben mit übernehmen. Sie begrüßt ein solches Gleichgewicht in den Instrumenten.
Das gilt auch für manche der diesem Hause noch vorliegenden gesetzgeberischen Vorhaben. Die Bundesbank begrüßt natürlich - wie bekannt - nicht alle Entwürfe. Aber im Grundsatz ist die Bundesbank überwiegend positiv eingestellt in der Richtung, daß ihr die staatliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in Zukunft gerade im Aufschwung einen Teil der Arbeit abnehmen, damit die Sache geradeliegt und nicht schief allein in Richtung Geldpolitik. Das wollte ich auch in bezug auf einige Äußerungen des Herrn Kollegen Scheel zu dem in diesem Hause beratenen Stabilisierungsgesetz sagen.
Im übrigen kann ich nur hinzufügen, daß die Opposition durch ihren Sprecher erstens eine liebenswürdige Variation über ein Thema gegeben hat: Was wäre, wenn? Das betraf die Vergangenheit. Aber der Sprecher der Opposition hat uns zweitens auch ein liebenswürdiges Ja zu den akuten Maßnahmen gegeben. Ich kann deswegen noch einmal von mir aus und im Namen der Bundesregierung dem ganzen Hause danken für seine Bereitschaft, in dieser Aktion mitzuwirken, schnell mitzuwirken, damit wir alle gemeinsam den Weg zu einem Aufschwung nach Maß finden.
({1})
Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung. Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgesehen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({0})
- Drucksache V/1279 -
Vizepräsident Dr. Dehler
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache V/1429 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Götz
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({2})
- Drucksachen V/1420, zu V/1420
Berichterstatter: Abgeordneter Porten ({3})
Meine Damen und Herren, ich habe ein Bedenken aus Gründen unseres Grundgesetzes und unserer Geschäftsordnung, das ich gern mit Ihnen ausräumen möchte. Sie wissen, es liegt nur ein Regierungsentwurf zur Streichung der §§ 65 und 59 AVAVG zum Zwecke der Anpassung an einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1965 vor, der es mit dem Gleichheitsgrundsatz für unvereinbar erklärt hat, daß bestimmte Personengruppen nicht der Arbeitslosenversicherung unterliegen.
Nun hat der Ausschuß für Arbeit von sich aus die Frage der Verbesserung des Verhältnisses des Arbeitslosengeldes zu dem vorher erzielten Arbeitsentgelt aufgenommen und in seine Vorlage eingebaut. Das widerspricht der Geschäftsordnung; denn es ist einmütig und klar: ein Ausschuß darf nur behandeln, was ihm vom Plenum des Bundestages überwiesen ist. Das widerspricht dem Grundgesetz; denn das ist eine Gesetzesvorlage, die hätte eingebracht werden müssen, entweder von der Bundesregierung oder vom Bundesrat oder aus der Mitte des Hauses.
Nun sind wir aber wohl in dem Ziele einig, daß diese Vorlage Gesetz wird. Darum möchte ich Ihnen vorschlagen, nach § 93 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu verfahren; danach können drei Beratungen eines Gesetzentwurfs am gleichen Tag auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn nicht fünf anwesende Mitglieder widersprechen.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir unterstellen: das Haus bringt diese Bestimmungen des jetzigen Entwurfs, die das Verhältnis des Arbeitslosengeldes zum vorher erzielten Arbeitsentgelt betreffen, in erster Beratung ein, und daß wir dann damit die zweite und dritte Beratung des vorliegenden Entwurfs verbinden. Das ist möglich, wenn dem aus dem Hause nicht widersprochen wird. - Bitte, Herr Abgeordneter Müller ({4}) !
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese vom Herrn Präsidenten von sich aus angeschnittene Frage ist in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit am 15. Februar erstmalig aufgetaucht, in der der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}) von einem Brief der FDP-Fraktion an den Herrn Bundestagspräsidenten Kenntnis gab. In dem Brief stand, daß die FDP aus der Geschäftsordnung heraus Bedenken hat, wenn im Rahmen der Siebenten Novelle diese weitergehenden Änderungen des AVAVG behandelt werden. Der Ausschuß hat sich gegen die Meinung des Herrn Abgeordneten Schmidt ({1}) und damit gegen die Meinung der FDP ausgesprochen und auf die bisherige Übung in diesem Hause hingewiesen. Dabei sind einige sehr konkrete Beispiele genannt worden. Ich darf Ihnen aus der Erinnerung ein Beispiel nennen, das es mir unmöglich erscheinen läßt, zu dem vom Herrn Präsidenten vorgeschlagenen Verfahren meine Zustimmung zu geben.
Ende der 4. Legislaturperiode haben wir in diesem Hause die Änderung der Handwerksordnung beraten. Dieses Änderungsgesetz wurde in erster Lesung mit einer ganz geringfügigen Änderung der Handwerksordnung eingebracht. Der Entwurf ist dann dem Ausschuß für Mittelstandsfragen überwiesen worden. Das, was aus dem Ausschuß herauskam, war eine komplette Änderung der Handwerksordnung, beispielsweise mit Änderungen der Berufsausbildung, die, wenn sie in der ursprünglichen Vorlage enthalten gewesen wären, an den Ausschuß für Arbeit - zumindest zur Mitberatung, wenn nicht sogar als federführenden Ausschuß - überwiesen worden wären.
({2})
Trotzdem hat dieses Haus hier in zweiter und dritter Lesung beraten, ohne daß ein derartiger Hinweis erfolgt wäre, daß das nicht der Geschäftsordnung oder gar dem Grundgesetz entspreche.
({3})
Ich glaube, die ständige Übung dieses Hauses beweist, daß auch in anderen Fällen anders verfahren worden ist
({4})
und daß auch bei anderen Gesetzen, die hier eingebracht worden sind, die Ausschüsse die Möglichkeit hatten, zusätzliche Regelungen zu treffen. Ich würde meinen, daß ausgerechnet das Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht das geeignete Gesetz ist, ein solches Verfahren hier zu demonstrieren.
({5})
Wenn der Herr Präsident trotzdem -
Ich unterbreche einen Augenblick. Ich weise den Zwischenruf „Unerhört!" nachdrücklich zurück. Ich verbitte mir diese Kritik. Es ist die Aufgabe des Präsidenten, die Geschäftsordnung und das Grundgesetz zu wahren. Wenn wir diesen Boden verlassen, kommen wir ins Schwimmen.
({0})
Ich werde das nicht mittun! Das ist mein Grundsatz.
Bitte, Herr Abgeordneter Müller ({1})!
Herr Präsident, ich habe, nachdem dieses Schreiben der FDP-Fraktion an den Präsidenten des Deutschen Bundestages gerichtet worden war, eine Aufforderung vom Herrn Präsidenten bekommen, mich dazu zu äußern. Ich habe ein etwa einstündiges Gespräch mit dem Herrn
Müller ({0})
Präsidenten gehabt und habe ihm die Situation klargelegt.
Ich möchte noch einmal darf hinweisen, daß ich im Namen der Koalitionsfraktionen in der 26. Sitzung des Ausschusses am 26. Januar den Antrag auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes eingebracht habe. Der Ausschuß hat darüber in weiteren Sitzungen beraten. Ausgerechnet an dem Tag, als die endgültigen Abstimmungen erfolgten, lag dieser Brief der FDP auf dem Tisch des Hauses.
Ich habe dem Herrn Präsidenten die Situation geschildert und erklärt, daß die Erhöhung des Arbeitslosengeldes zwingend zum 1. April dieses Jahres notwendig sei. Der Herr Präsident hat mir dann erklärt, daß er die FDP-Fraktion in dieser Weise unterrichten werde. Ich weiß nicht, ob das inzwischen geschehen ist.
Der Ausschuß für Arbeit - und das darf ich als Vorsitzender hier sagen - war der festen Überzeugung, daß er im Sinne der Geschäftsordnung gehandelt hat, weil eben auch bei anderen Gesetzen entsprechend verfahren worden ist. Sollte der Herr Präsident aber auf Grund von § 60 der Geschäftsordnung der Meinung sein, daß der Ausschuß für Arbeit dazu nicht in der Lage sei, so verweise ich auf § 127 der Geschäftsordnung, wonach „Abweichungen von den Vorschriften der Geschäftsordnung im einzelnen Fall mit Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden können, wenn die Bestimmungen des Grundgesetzes dem nicht entgegenstehen".
Für meinen Teil muß ich sagen: Ich sehe keine Verletzung des Grundgesetzes darin, daß der Ausschuß für Arbeit - so wie es in diesem Hause üblich war - anders beschlossen hat. Wenn dem so wäre, wären alle übrigen Gesetze, bei denen ähnlich verfahren wurde, verfassungswidrig.
({1})
Es ist richtig, daß in vereinzelten Fällen gegen die klaren Bestimmungen nicht nur unserer Geschäftsordnung, sondern auch ,des Grundgesetzes, verstoßen worden ist. Ein anderer Fall - abgesehen von dem Fall der Änderung der Handwerksordnung - war der Fall der Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes, die sogenannte „Lex Münnemann".
Meine Damen und Herren, entscheidend ist die Verfassungsüberzeugung des amtierenden Präsidenten. Ich darf und kann nach meinem Gewissen nicht zulassen, was mit dem Grundgesetz in erster Linie und mit der Geschäftsordnung in zweiter Linie nicht im Einklang ist, auch wenn einmal dagegen verstoßen worden ist. Ich habe das niemals gebilligt. Die Änderung des AVAVG, die die Verbesserung des Arbeitslosengeldes betrifft, hat mit der ursprünglichen Vorlage keinen Zusammenhang. Es ist also notwendig, eine solche Vorlage ordnungsgemäß in den Gesetzgebungsgang zu bringen. Das hat einen guten Sinn. Ordnungsgemäß wäre es gewesen, wenn die Regierung unter Darlegung ihrer Gründe, unter Vorlegung des Materials über den Bundesrat an den Bundestag einen Entwurf geleitet hätte. Die andere Möglichkeit ist die, aus dem Hause einen solchen Antrag zu stellen und an den Ausschuß zur Beratung zu überweisen.
Möglich wäre es, nach § 127 unserer Geschäftsordnung den Verstoß gegen § 60 zu heilen. Aber nicht heilbar ist der Verstoß gegen das Grundgesetz, daß eine Gesetzesvorlage in dieser Richtung nicht vorliegt.
Nun mache ich einen Vorschlag, weil wir alle daran interessiert sind, zu einem Ergebnis zu kommen, über § 93 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu einer Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zu gelangen. Ich schlage Ihnen vor, das Haus beschließt, die vorgesehenen Änderungen als aus dem Hause eingebracht anzusehen und dann heute in erster, zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Ich bin der Meinung, damit sind alle Mängel, alle Bedenken, die in geschäftsordnungsmäßiger und verfassungsmäßiger Hinsicht entstehen können und bei mir entstanden sind, geheilt. Noch einmal: Verfassungsfragen leichtzunehmen, wäre gefährlich.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist nicht der Meinung, daß heute über, wie der Herr Präsident es sieht, grundsätzliche Verstöße gegen das Grundgesetz - die in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen seien - verhandelt werden sollte. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist der Meinung, daß diese grundsätzliche Frage im Ältestenrat - da gehört sie hin - zur Debatte gestellt werden sollte.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist ferner der Meinung - und zwar ohne zu untersuchen, ob die Vorwürfe, die jetzt erhoben werden, berechtigt oder unberechtigt sind -, daß es ständige Übung in diesem Hause gewesen ist, bei Gesetzentwürfen, die den Ausschüssen überwiesen sind, im Rahmen der Materie, die in diesen Gesetzentwürfen zur Entscheidung des Hohen Hauses gestanden hat, eigene zusätzliche Veränderungen im Rahmen des Themas zu beschließen.
({0})
Das ist hier im Plenum des Bundestages in sehr, sehr vielen Fällen akzeptiert worden. Es ist so verfahren worden. Ich bitte im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, auch in diesem Falle so zu verfahren. Meine Fraktion ist nicht der Meinung, daß der § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung in diesem Falle angewendet werden dürfte.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht als ein Kenner der Sachmaterie, um die es geht, sondern ich spreche als der von der Fraktion der CDU/CSU be4334
auftragte Vertreter der Fraktion in dieser Stunde, also für die Faktion.
Ich darf zunächst sagen, Herr Präsident, daß es sehr schwierig ist, zugleich zu berücksichtigen - was selbstverständliche Verpflichtung jeden Mitglieds dieses Hohen Hauses ist -, sich einer Kritik an Erklärungen oder Handlungen des Herrn Präsidenten zu enthalten - an diesen Grundsatz werde ich mich streng halten -, und zu gleicher Zeit auf die von dem Herrn Präsidenten hier in seiner Eigenschaft als Präsident aufgeworfenen Sachfragen einzugehen. Dies setzte natürlich eine kritische Auseinandersetzung, wenn man anderer Meinung ist, voraus. Da, Herr Präsident, das werden Sie selber sehen, gibt es Schwierigkeiten, das eine zu tun und das andere, wie es sich gehört, zu unterlassen. Ich merke das nur einfach an, daß das die Schwierigkeit wahrscheinlich für jeden ist, der aus diesem Hause zu den Ausführungen des Herrn Präsidenten jetzt zu sprechen hat.
Ich darf sagen - und insoweit sage ich das aus meiner eigenen Erfahrung von immerhin nahezu zehn Jahren als Mitglied des Rechtsausschusses dieses Hauses -: wir haben im Rahmen des Rechtsausschusses mehrfach Gelegenheit gehabt, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen. Wüßte ich das nicht, so hätte ich gar nicht den Mut, mich zu einer Frage zu äußern, von der ich unmittelbar aus der Debatte überhaupt erst höre, daß sie als Problem besteht; denn bisher kannte ich die Kontroverse nicht. Der Rechtsausschuß hat bis in die jüngste Zeit hinein aus Anlaß einer Fülle von Materien die Auffassung vertreten, wie sie in der Sache von unserem Kollegen Adolf Müller ({0}) und von dem Herrn Kollegen Frehsee hier schon geäußert worden ist. Ich will das hier nur einfach berichten, ohne von mir aus im einzelnen Sachargumente vorbringen zu wollen, warum dies so sei. Aber dies ist die Praxis, und wer etwa die Geschichte so bedeutsamer Gesetzgebungsvorhaben, sogar verfassungsrechtlicher Vorhaben wie der Grundgesetzergänzung zur Einführung der Wehrverfassung im Jahre 1955, kennt, weiß, daß sogar bei einer so bedeutsamen Materie das ganze Parlament glaubte, diesen Weg gehen zu können.
Ich sage das nur deswegen, weil es mir nicht zweckmäßig erscheinen würde, eine solche grundsätzliche Frage jetzt aus Anlaß einer geschäftsordnungsmäßigen Anregung durch die Annahme des Vorschlags des Herrn Präsidenten in einer die zukünftige Behandlung ähnlicher Fragen präjudizierenden Weise zu entscheiden.
({1})
Dies scheint mir also hinter der eigentlichen Sachkontroverse, die man praktisch bereinigen könnte, zu stehen und über sie hinauszugehen. Ich muß zu meinem Bedauern sagen, Herr Präsident, daß es diese Situation meiner Fraktion unmöglich macht, Ihrem Vorschlag zu folgen, so praktisch er sein mag. Er wirft zuviele grundsätzliche Fragen auf, zu denen Herr Kollege Frehsee mit Recht gesagt hat, daß sie natürlich geklärt werden müssen: im Ältestenrat, wahrscheinlich im Geschäftsordnungsausschuß, möglicherweise, da der Herr Präsident das Grundgesetz tangiert sieht, auch im Rechtsausschuß, aber, ich glaube, nicht zu dieser Stunde so im Vorbeigehen vom Hause. Das scheint mir nicht möglich zu sein. Wir bedauern also, Ihrem Vorschlag nicht zustimmen zu können.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich darf an die Spitze meiner Ausführungen die Erklärung und den Willen meiner Fraktion stellen, daß wir diese Vorlage heute aus den von allen Fraktionen erkannten sachlichen Gründen abschließend beraten möchten. Auf der anderen Seite haben wir uns mit der hier von dem amtierenden Präsidenten geäußerten Rechtsauffassung auseinanderzusetzen. Wir sind deshalb bemüht, angesichts dieser Rechtsauffassung einen Weg zu finden, der auch in den Augen des amtierenden Präsidenten konform mit der Verfassung und konform mit der Geschäftsordnung ist.
Ich möchte deshalb die anderen Fraktionen, um die Angelegenheit hier nicht unnötig auszuweiten, doch bitten, noch einmal den von dem Herrn Präsidenten vorgeschlagenen Weg über § 93 der Geschäftsordnung zu überprüfen. Ich gebe dazu, um bestimmte Besorgnisse zu beseitigen, namens meiner Fraktion zwei Erklärungen ab.
Erstens. Wir werden aus einer solchen Praxis in diesem Falle keine Folgerungen für künftige Fälle herleiten, sondern - ({0})
- Verzeihen Sie bitte, wir wollen keine Schau abziehen, sondern wir möchten, daß das Gesetz jetzt und ohne Unterbrechung beraten und beschlossen werden kann. Wir werden daraus keine Folgerungen für die Zukunft herleiten, sondern wir sind mit den anderen Fraktionen der Auffassung, daß man diese Angelegenheit im Ältestenrat behandeln sollte, um für künftige Fälle klare Abgrenzungen und Regelungen zu finden.
Ich erkläre zweitens, daß kein Mitglied meiner Fraktion von den Hinderungsmöglichkeiten, die in § 93 der Geschäftsordnung gegeben sind, in irgendeiner Weise Gebrauch machen wird.
Ich bitte Sie, gehen Sie mit uns diesen Weg, damit wir heute in Übereinstimmung mit dem amtierenden Präsidenten abschließend beschließen können.
({1})
Herr Abgeordneter Rasner hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich in der Verfahrensfrage dem Vorschlag des Kollegen Frehsee
an. Wir sollten die Sache hier und heute so erledigen, wie wir das im Ältestenrat in Anwesenheit des Herrn amtierenden Präsidenten und in Anwesenheit des Herrn Bundestagspräsidenten Gerstenmaier beschlossen haben. Das Vorbringen des Herrn Präsidenten ist sicherlich gewichtig, aber nicht an dieser Stelle. Das wird grundsätzlich untersucht. Ich schlage vor, wir verfahren so, wie alle Fraktionen einvernehmlich beschlossen haben.
({0})
Ich bin anderer Ansicht. Ich kann nicht gegen meine Überzeugung handeln.
Ich unterbreche die Sitzung auf 10 Minuten und berufe den Ältestenrat ein.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Auf Grund der Beratung des Ältestenrats schlage ich Ihnen vor, .daß das Haus nach § 127 der Geschäftsordnung die Abweichungen von den Vorschriften der Geschäftsordnung, die in dem bisherigen Verfahren vorliegen, billigt. Wer damit einverstanden ist, daß so verfahren wird, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Der § 127 erfordert an sich nur eine Zweidrittelmehrheit für Abweichungen von der Geschäftsordnung.
Wir treten damit in die zweite Beratung des vorliegenden Entwurfs ein. Ich rufe auf die Art. I, -II, - III, - IV, - V - sowie Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß als Berichterstatter auf einen Druckfehler im Schriftlichen Bericht Drucksache V/1420 hinweisen.
Auf Seite 5, Artikel III, 4. Zeile, muß es richtig heißen: „§ 59 Abs. 1 Nr. 1".
Ferner bitte ich, den vorliegenden hektographierten Bericht auf Seite 3 durch folgenden Abs. 5 zu ergänzen: „Der Ausschuß faßte seine Beschlüsse einstimmig bei Stimmenthaltung des Vertreters der FDP."
Ferner sind in dem hektographierten Bericht zwei Schreibfehler zu berichtigen:
Auf Seite 5 muß hinter der Zahl 143 der Buchstabe c eingefügt werden.
Auf Seite 9 muß die Zahl 390 durch die Zahl 490 ersetzt werden.
In der Drucksache zu Drucksache V/1420 werden diese Änderungen bereits berücksichtigt sein.
Gestatten Sie mir noch einige Ergänzungen zum Schriftlichen Bericht.
1. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1965 gibt Anlaß, die Fragen der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht erneut zu überlegen und bald in einer den Zeitverhältnissen angepaßten Form zu entscheiden. Dies gilt auch für den Personenkreis nach dem bisherigen § 59 AVAVG.
2. Im Ausschuß wurde die Meinung vertreten, daß bei der bevorstehenden Neuberatung des AVAVG das gesamte materielle Recht für die gestellten Aufgaben zu prüfen sei.
3. Weiterhin wurde dargelegt, .daß erfahrungsgemäß die Feststellung des Bestehens eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus den bisherigen §§ 65 bzw. 59 oft sehr schwierig ist. Im Ausschuß wurde die Meinung vertreten, ,daß nach Streichung dieser Paragraphen bei gezahlter Lohnsteuer der Wille sowohl zur Bildung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als auch zur Arbeitslosenversicherung gegeben sei.
4. Die im Ausschuß beschlossene Aufhebung auch des § 59 zwingt im Interesse des betroffenen Personenkreises erneut dazu, die Regierung zu bitten, die Vorbereitungen zur Einbringung der großen Novelle zum AVAVG bald abzuschließen und diese Novelle dem Hohen Hause vorzulegen.
5. Durch die Neuordnung der Tabelle in Drucksache V/1420 ist die bisherige Zahl der Stufen von bisher mehr als 150 auf etwa 50 verringert worden, ein Tatbestand, der einerseits eine schnelle Berechnung ermöglicht, andererseits erhebliche Verwaltungsarbeit erspart.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Von den Berichtigungen ist Kenntnis genommen worden; sie werden bei der Abstimmung berücksichtigt.
Das Wort zu einer Erklärung hat zunächst der Herr Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Lesung der 7. Novelle zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung einige Ausführungen zu machen.
Diese 7. Novelle zum AVAVG war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht in der Frage der Versicherungspflicht einiger Personengruppen Beschlüsse gefaßt hatte, die eine Änderung des Gesetzes zur Folge haben mußten. Ich möchte auf diese Bestimmungen hier nicht mehr im einzelnen eingehen, sondern nur global erklären, daß meine Fraktion diesen Änderungen zustimmt, sich aber vorbehält, anläßlich der Beratung der in Vorbereitung befindlichen umfassenden Novelle zum AVAVG die gesamte Frage der Versicherungspflicht auch hinsichtlich der jetzt beitragsfreien Arbeitnehmergruppen zu bereinigen.
Müller ({0})
Wir begrüßen es, daß wir mit der Beratung dieser 7. Novelle aus einer Notsituation heraus auch eine Verbesserung der materiellen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beschließen und ein Schulungsgeld neu einführen können.
Schon in der Vergangenheit ist die Frage, ob das Arbeitslosengeld erhöht werden sollte, lebhaft diskutiert worden. In dem Antrag der CDU/CSU - Drucksache V/222 -, der im Juni des vergangenen Jahres vom Hohen Hause angenommen wurde, wurde die Bundesregierung beauftragt, eine Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vorzulegen mit dem Ziel, a) das Gesetz an den technischen Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen und b) notwendige materielle Verbesserungen einzuführen.
Wir vertraten damals die Meinung, daß die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und anderer Leistungen in einer großen Novelle geregelt werden sollte. Zu einer vorzeitigen schnellen Regelung dieses Teiles des Gesetzes bestand damals kein Anlaß, weil jeder, der in der Bundesrepublik arbeiten konnte und wollte, die Chance hatte, einen Arbeitsplatz zu finden. Wir hatten in der Bundesrepublik nicht nur 600 000 offene Stellen, sondern darüber hinaus 1,3 Millionen ausländische Arbeitnehmer, die hier ihren Arbeitsplatz gefunden hatten. Am Ende des vergangenen Jahres änderte sich diese Situation fast schlagartig. Es ist dem Herrn Bundesarbeitsminister zu danken, daß er kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres auf die Notwendigkeit einer schnellen Erhöhung des Arbeitslosengeldes hingewiesen hat.
Der Dank gilt gleichermaßen der gesamten Bundesregierung dafür, daß sie sich zur schnellen Lösung dieser Frage entschlossen hat. Es geht um eine gesellschaftspolitisch notwendige und sozialpolitisch wünschenswerte Maßnahme. Gesellschaftspolitisch notwendig und sozialpolitisch wünschenswert - auf beide Faktoren möchte ich mit Nachdruck hinweisen -, denn der Arbeitnehmer, der durch Arbeitslosigkeit unverschuldet in Not gerät - und hier liegt meine Betonung auf „unverschuldet in Not gerät" -, spürt diese Situation doppelt. Er spürt sie einmal durch eine empfindliche Verringerung seines Einkommens und damit durch eine erhebliche Beeinträchtigung seines bisherigen Lebensstandards. Er spürt sie aber auch rein psychologisch, weil die Tatsache, daß er nicht arbeiten kann, ihn außerordentlich stark belastet.
Es hat in den vergangenen Tagen und Wochen viele Stimmen, aber auch böswillige Schlagzeilen in den Zeitungen gegeben, die uns glauben machen wollten, daß man mit einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes dem Arbeitslosen die Arbeitslosigkeit verschönern wollte und darüber hinaus den Anreiz nehmen würde, sich wieder um neue Arbeit zu bemühen. Beides muß mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Wer so spricht, kann doch in Wirklichkeit nur meinen, daß schuld an der Arbeitslosigkeit der Arbeitslose sei. Ich möchte hier der Meinung Ausdruck geben, daß die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer - das hat die Vergangenheit eindeutig bewiesen - eine gute Arbeitsmoral
hat und daß die Arbeitnehmer die Arbeit dem unwürdigen Anstehen an der Stempelstelle vorziehen.
({1})
Ich möchte all diesen Leuten, die großzügig sagen, die Arbeitslosigkeit sei zwar bitter, aber so doll wäre das ja nun auch wieder nicht, einmal empfehlen, sich mit den alten Arbeitnehmern zu unterhalten, die die Last der Arbeitslosigkeit, nicht nur die materielle, sondern vor allem auch die psychologische Last der Arbeitslosigkeit, in den Jahren um 1930 kennengelernt haben. Es ist sicher auch empfehlenswert, sich einmal in die Brennpunkte der Arbeitslosigkeit zu begeben und sich unerkannt in die Schlange der Arbeitslosen einzureihen. Dann wird man vielleicht auch erkennen, wie bitter die Arbeitslosigkeit wirklich ist.
Wir vertreten nachdrücklich die Auffassung, daß die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das Vermitteln auf einen neuen Arbeitsplatz die beste Arbeitslosenversicherung ist.
({2})
Aus diesem Grunde haben wir größten Wert darauf gelegt, daß die Arbeitsverwaltung in die Lage versetzt wird, Teilnehmern an beruflichen Bildungsmaßnahmen ein Unterhaltsgeld zu gewähren, das 20% über dem Arbeitslosengeld liegt.
In der gleichen Richtung liegen auch die in dieser Novelle vorgesehenen Verbesserungen der Eingliederungsbeihilfe für schwer zu vermittelnde, insbesondere ältere Arbeitslose. Die älteren Arbeitslosen, zu denen heute schon die Fünfundvierzigjährigen gezählt werden, sind, wie es eine Zeitung kürzlich schrieb, zur „Kummerecke des Arbeitsmarktes" geworden. Gerade in den von Strukturkrisen betroffenen Gebieten kann man das häufig feststellen. Diese Arbeitnehmer wieder zu vermitteln, ist unser besonderes Anliegen. Aus diesem Grunde sollen die Arbeitgeber, die schwer zu vermittelnde Arbeitsuchende zu tariflichem oder ortsüblichem Arbeitsentgelt einstellen, eine Beihilfe zu diesem Lohn in Höhe von 60 v. H. bis zu einer Dauer von zwei Jahren erhalten können. Wir hoffen, daß diese Maßnahme mit dazu beiträgt, das schwere menschliche Problem der Arbeitslosigkeit der älteren Menschen zu lösen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat bei den Beratungen zur Verbesserung der materiellen Leistungen der Bundesanstalt einen besonderen Schwerpunkt in der Verbesserung der Lage der Familien gesehen. Das zeigt sich nicht nur in der vorgeschlagenen Erhöhung des Familienzuschlages von 9 auf 12 DM wöchentlich, sondern auch darin, daß in Zukunft etwa gezahltes Kindergeld auf die Familienzuschläge nicht angerechnet wird.
Mit der Erhöhung der Familienzuschläge und der Nichtanrechnung des Kindergeldes auf die Familienzuschläge wollen wir unter anderem erreichen, daß der Arbeitslose nicht gezwungen wird, seine in Berufsausbildung befindlichen Kinder aus einem solchen Ausbildungsverhältnis herauszunehmen oder
Müller ({3})
sie gar nicht erst in ein Ausbildungsverhältnis zu geben, was ja bei der Not der betroffenen Familien menschlich verständlich wäre. Auch die von der Arbeitslosigkeit betroffenen Familien sollen die Möglichkeit haben, ihren Kindern die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, um auf diesem Wege eine künftige Arbeitslosigkeit mit zu verhindern.
Ehe ich zu dem gefundenen Kompromiß zurückkomme, möchte ich noch einen weiteren Punkt, der mir besonders wichtig erscheint, behandeln. Die schleppende Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung bei den Arbeitsämtern ist nicht so sehr eine Frage der Organisation oder der personellen Besetzung. Sie ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß das jetzige Recht ein zu umständliches Verfahren, vor allem für die Berechnung der Familienzuschläge, vorschreibt. Es kam uns darauf an, dieses Verfahren zu vereinfachen und damit den Zeitraum zwischen der Antragstellung und der Auszahlung wesentlich zu verkürzen. Daher sollen die Berechnungsstufen verringert werden, und in Zukunft soll für die Erlangung der Familienzuschläge die Vorlage der Lohnsteuerkarte bei der Arbeitsverwaltung ausreichen. Wir sind uns darüber klar, daß ein solches Verfahren nicht ausschließt, daß hier und da Härten auftreten, die wir aber im Interesse der schnellen Abwicklung in Kauf nehmen müssen.
Doch nun zurück zum Kompromiß. Noch einmal: wir sind der Bundesregierung sehr dankbar, daß sie die Anregung des Bundesarbeitsministers in bezug auf eine schnelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes aufgegriffen hat. Wenn auch zunächst zwischen der Bundesregierung und der Koalition unterschiedliche Meinungen über die künftige Höhe des Arbeitslosengeldes bestanden, so darf ich doch heute für meine Fraktion erklären, daß wir diesen nunmehr gefundenen Kompromiß mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes um 15 % vollinhaltlich bejahen. Meine Damen und Herren, es ist ein Kompromiß, der auch die volle Unterstützung des erkrankten Ministers Katzer hat, der mich zu dieser Erklärung ausdrücklich ermächtigte.
Unsere Zustimmung gilt in gleicher Weise für die Erhöhung der Arbeitslosenhilfe, des Kurzarbeitergeldes, des Schlechtwettergeldes und der Stilllegungsvergütung.
Ein Kompromiß hat es nun einmal an sich, daß man sich im Interesse der Sache gegenseitig ein Stück entgegengeht. Das ist hier in beiderseitiger Verständigungsbereitschaft geschehen, die uns vollauf berechtigt, zu erklären, daß es kein fauler, sondern ein guter Kompromiß ist, zu erklären, daß die Bundesregierung und die Koalition keine orientalischen Teppichhändler sind, wie sich ein Leitartikler auszudrücken beliebte.
({4})
Hier wurden die Verantwortung zur Sache und die Sorge um den Menschen deutlich, eine Sorge, die man auch dann nicht vergessen darf, wenn die Wogen der wirtschaftlichen Konjunktur nicht mehr so hoch schlagen.
Was ist denn Tatsache? War die Erhöhung wirklich notwendig? Oder stimmt es, daß der Anreiz zur Arbeitsaufnahme genommen wird? Nun, einige wenige nüchterne Zahlen sollen überzeugen, wenn Worte dazu nicht ausreichen. Ein Lediger mit einem Bruttowochenlohn von 150 DM, dessen Nettoentgelt 115 DM beträgt, erhält nach bisherigem Recht ein Arbeitslosengeld von 61,80 DM wöchentlich, nach dieser Erhöhung ein solches von 72 DM; er hat also wöchentlich 43 DM weniger auf der Hand. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern mit einem Bruttowochenlohn von 250 DM, dessen Nettoentgelt 203,31 DM beträgt, erhält einschließlich Familienzuschläge nach geltendem Recht 122,10 DM Wochenunterstützung, nach der Erhöhung 150,60 DM; er muß also auch künftig auf 52,71 DM wöchentliches Einkommen verzichten; das sind monatlich rund 228 DM.
Hier möchte ich anknüpfen und darauf hinweisen, daß die Erhöhung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit eine sozialpolitische und eine volkswirtschaftliche Seite hat, eine sozialpolitische in der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes mit ihrer großen Bedeutung für die Lebensmöglichkeit der Familie, eine volkswirtschaftliche Seite, weil das dem Arbeitslosen fehlende Einkommen ja vornehmlich in der Konsumgüterindustrie fehlt und dadurch weitere Arbeitslosigkeit zur Folge haben kann.
Es ist in diesem Zusammenhang darüber gestritten worden, ob es richtig sei, durch die Erhöhung des Arbeitslosengeldes die Rücklage der Bundesanstalt stärker anzugreifen. Ich verkenne nicht, daß die Rücklage der Bundesanstalt eine hohe wirtschaftliche, vor allem investive Bedeutung hat. Dieser Aufgabe hat sich die Selbstverwaltung und Verwaltung in Nürnberg nicht entzogen; aber das Gesetz schreibt eindeutig vor, welche Aufgabe die Rücklage der Arbeitslosenversicherung zu erfüllen hat. Sie soll in Zeiten guter Beschäftigungslage angesammelt werden, damit in Zeiten einer Arbeitslosigkeit darauf zurückgegriffen werden kann.
Meine Damen und Herren, es scheint mir sogar notwendig zu sein, von Zeit zu Zeit auf den Beitragscharakter auch dieser Rücklage hinzuweisen.
Die Arbeitsmarktsituation der vergangenen Jahre war so gut, daß wir den gesetzlichen Beitrag von 2 v. H. nicht ausschöpften, sondern 1,3 v. H. erhoben und trotzdem 8,3 Milliarden DM Rücklage ansammeln konnten.
Ich will Sie hier nicht mit Zahlen füttern, sondern der Überzeugung Ausdruck geben, daß die Rücklage in der Arbeitslosenversicherung die Belastungen der kommenden Jahre verkraften kann, und, was noch viel wichtiger ist, wir hoffen zuversichtlich, daß die wirtschafts- und haushaltspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung Erfolg haben werden und die Zahl der Arbeitslosen wieder abnimmt. Das mag regional und branchenmäßig verschieden sein; aber in der Gesamttendenz wird, wie Herr Präsident Sabel glaubhaft erklärt hat, die Arbeitslosenkurve mit dem Frühjahr abflachen. Trotzdem bleibt uns die Aufgabe - gestatten Sie mir den Blick auf die vor uns liegende Zeit -, durch geeignete Maßnahmen nicht nur zur konjunkturel4338
Müller ({5})
len Belebung, sondern auch zur Strukturverbesserung wirtschaftlich gefährdeter Gebiete beizutragen. Das wird auch in der Anpassung des AVAVG an die wirtschaftliche Entwicklung und den technischen Fortschritt ermöglicht.
Wir haben daher an die Bundesregierung die dringende Bitte, die Arbeiten an der großen Novelle zu beschleunigen, damit die Skala der Möglichkeiten zur Verhinderung oder Beseitigung der Arbeitslosigkeit breiter und vielfältiger wird.
Lassen Sie mich zum Schluß in meiner Eigenschaft als Ausschußvorsitzender ein Wort des Dankes an die Damen und Herren der Abteilung II des Arbeitsministeriums sagen, die zum Teil in zusätzlicher Nachtarbeit die Voraussetzungen dafür schufen, daß wir heute beraten können und das Gesetz zum 1. April in Kraft treten kann.
({6})
Die Fraktion der CDU/CSU gibt diesem Gesetz ihre Zustimmung nach dem bekannten Grundsatz: wer schnell hilft, hilft doppelt.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Folger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Ich habe die ehrenvolle Aufgabe, im Namen der SPD- Bundestagsfraktion folgende Erklärung abzugeben:
1. Die FPD-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe, der Familienzuschläge, des Kurzarbeitergeldes, des Schlechtwettergeldes, der Stillegungsvergütung und der Eingliederungsbeihilfe noch so rechtzeitig beschlossen wird, daß sich diese Verbesserungen zum 1. April 1967 auswirken können. Die SPD- Bundestagsfraktion hatte sich bereits im Frühjahr 1966 durch ihren Sprecher Walter Behrendt für solche Verbesserungen eingesetzt. Wir hatten erwartet, daß die Bundesregierung einen entsprechenden Entwurf vorlegen würde, der es ermöglicht hätte, eine unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte ausgewogene Ausschußberatung durchzuführen und den Arbeitslosen früher, als es jetzt geschieht, die für sie wichtigen Verbesserungen zu gewähren.
2. Die SPD-Bundestagsfraktion beschloß am 20. Januar 1967 eine entsprechende Initiative. Nachdem der Beschluß dem Koalitionspartner, der CDU/CSU, unterbreitet war, konnte bei Beginn der Ausschußberatung des Siebenten Änderungsgesetzes zum AVAVG zugleich die Beratung über die Verbesserung der Leistungen für die Arbeitslosen aufgenommen werden.
3. In der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 26. Januar 1967 bekräftigte der erste stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Alex Möller, im Zuge der für die SPD abgegebenen Stellungnahme zur Regierungserklärung über die Stabilitäts- und Wachstumspolitik ausdrücklich den Beschluß der Fraktion über vordringliche Regelungen auf dem Gebiet der Lohnersatzleistungen nach dem AVAVG.
4. Unter diesen Umständen werten wir es als einen Erfolg der SPD-Fraktion, daß durch unser Drängen eine Erhöhung um 15 % und andere Verbesserungen durchgesetzt werden konnten. Im Herbst vergangenen Jahres hätte es sich noch niemand träumen lassen, daß das so bald möglich wird.
5. Die Neuregelungen beseitigen insbesondere die degressive Gestaltung der Abeitslosengeld-Tabellen, so daß das Verhältnis zwischen den Lohnersatzleistungen und dem vorherigen Arbeitsentgelt besser geordnet wird. Der Familienzuschlag wird künftig neben dem Kindergeld gewährt und nicht mehr von einer Prüfung vorrangiger Unterhaltsverpflichtungen Verwandter, sondern nur noch von den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte abhängig sein. Der Höchstbetrag bei Verheirateten mit zwei Kindern kann bis zu 80 % des Nettolohns betragen.
6. Eine wesentliche Verbessersung liegt in der Einführung eines Schulungsgeldes in Höhe von 120 % des Arbeitslosengeldes. Nachhaltiger als alle Leistungen des AVAVG wirken Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitslosigkeit. In diesem Zusammenhang sei nochmals ausdrücklich gesagt, daß der Arbeitsmarkt durch strukturelle Maßnahmen verbessert werden muß und daß es deshalb dringend geboten ist, die Beratung des von der SPD-Fraktion eingebrachten Entwurfs eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes aufzunehmen. Dieser Gesetzentwurf hat sowohl die qualifizierte Berufsausbildung als auch die Fortbildung und insbesondere die Verhütung von Arbeitslosigkeit durch Umschulung zum Inhalt. Wir erwarten von diesem Gesetz, daß es in größerem Maße, als es bisher geschieht, die strukturell bedingte Arbeitslosigkeit durch rechtzeitig einsetzende Maßnahmen in größtem Umfange beseitigen hilft. Die Gewährung des Schulungsgeldes ist ein erster Schritt auf dem Wege zu strukturellen Interventionen auf dem Arbeitsmarkt.
7. Diese vordringlichen Regelungen auf dem Gebiet der Lohnersatzleistungen nach dem AVAVG sollen die Stabilitäts- und Wachstumspolitik unterstützen. Sie sollen sie nicht ersetzen. Alle Anstrengungen sind darauf zu richten, die Vollbeschäftigung wieder zu erreichen. Die SPD-Fraktion begrüßt daher auch die Beschlüsse des Wirtschaftskabinetts und der Gesamtheit der Regierung über den Eventualhaushalt und die Abschreibungserleichterungen. Wir haben die Hoffnung, daß das bald zu Entlastungen auf dem Arbeitsmarkt führt.
Wenn wir auf Grund der von der SPD-Fraktion ausgegangenen Initiative schnell zu Verbesserungen gekommen sind, so nicht zuletzt deshalb, weil wir ,die Hoffnung haben, daß die weiteren noch notwendigen Regelungen über die Höhe der Hauptbeträge, über die Finanzierung der Leistungen und über die Rücklagenbildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der zu erwartenden großen Novelle verwirklicht werden. Auch wir erwarten von der BundesregieFolger
rung, daß sie die dazu notwendigen Arbeiten beschleunigt.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird aus den genannten Gründen der Vorlage ihre Zustimmung geben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Freien Demokraten begrüßen es, daß ein Weg gefunden wurde, mit dem der verfahrensrechtliche Mangel in Zusammenhang mit § 60 der Geschäftsordnung durch eine einstimmige Entscheidung des Bundestages geheilt wurde. Zugleich begrüßen wir, daß der Ältestenrat sich grundsätzlich für zukünftige Fälle mit dem § 60 der Geschäftsordnung befassen wird. Wir waren stets bereit und haben daran nie einen Zweifel gelassen, alle nach der Geschäftsordnung möglichen Entscheidungen mitzutragen, damit dieses Gesetz heute verabschiedet werden kann.
Der entscheidende Gesichtspunkt hierfür ist die soziale und materielle Situation der Arbeitslosen, um die es bei diesem Gesetz geht.
Die Freien Demokraten haben im Ausschuß für Arbeit - auch das muß man einmal feststellen - bereits am 30. November 1966 im Zusammenhang mit dem Finanzplanungsgesetz vorgeschlagen, die Leistungen beim AVAVG zu überprüfen und zu verbessern; denn uns war bekannt, daß wegen der Anrechnungsbestimmungen gerade kinderreiche Arbeitslose nur knapp 50% des vorherigen Bruttoarbeitsverdienstes - statt der theoretischen 70 %
- erreichen. Für uns war die Arbeitslosenversicherung ein Qualitäts-, kein Quantitätsproblem. Im November des Jahres 1966 waren CDU wie SPD der Meinung, diese Überprüfung und Verbesserung sollte man nur in Zusammenhang mit der großen Novelle vornehmen. Wie schnell haben sich hier die Meinungen gewandelt!
({0})
- Die Situation war für denjenigen, der von Arbeitslosigkeit betroffen war und drei oder vier Kinder hatte, als Einzelperson damals genau die gleiche wie für die vielen Einzelpersonen, die nunmehr von der Arbeitslosigkeit betroffen sind und drei oder vier Kinder haben. Es war bekannt, daß durch bestimmte Abköpfungsvorschriften die Leistungen für Kinderreiche nicht so hervorragend sind.
Herr Kollege Behrendt möchte eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Spitzmüller, ist Ihnen entgangen, daß mein Kollege Folger soeben erklärte, daß ich bereits im April 1966 diese Forderung gestellt habe, wo Sie noch in der Regierung saßen und darauf nicht eingegangen sind?
Herr Kollege Behrendt, das ist mir - ehrlich gesagt - entgangen. Ich habe nicht immer ganz genau hinhören können. Sie wissen, wie das ist, wenn man eine Rede zu halten hat, die man wegen eines geschäftsordnungsmäßigen Umdisponierens ändern muß; dann kann man seinem Vorredner nicht immer bis auf das letzte Wort zuhören. Ich wollte aber darauf hingewiesen haben, daß es nicht so ist, als ob - dieser Eindruck wurde in der Öffentlichkeit manchmal erweckt - die Freien Demokraten diesem Problem nicht auch ihre Aufmerksamkeit widmeten.
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) möchte Ihnen eine Frage stellen.
Herr Kollege Spitzmüller, Ihnen ist doch auch bekannt, daß am 30. November die SPD unsere Vorstellungen abgelehnt hat, über eine Anhebung des Arbeitslosengeldes zu sprechen.
({0})
Sicher! Aber, Herr Kollege Schmidt, ich glaube, wir sollten die Debatte nun nicht so hin- und hergehen lassen. Die SPD hat das Problem im April angesprochen. Die FDP hat es im November wieder aufgegriffen. Im April waren CDU und FDP anderer Meinung als die SPD, im November waren SPD und CDU anderer Meinung als die FDP. Wir wollen nicht zurückkarten; aber wir sehen auf jeden Fall, daß alle drei Parteien sich um die Frage bemüht haben.
Meine Damen und Herren, wie kam es nun eigentlich dazu, daß geschäftsordnungsmäßig Zweifel an dem Verfahren entstehen konnten? Der Grund ist doch nur darin zu suchen, daß die Regierung Kiesinger-Brandt in der Regierungserklärung zwar manche Praktiken der Vergangenheit angeprangert hat, aber die eigene erste Nagelprobe nur in malträtierter Form überstanden hat. Sicherlich haben Sie, meine Damen und Herren, dafür Verständnis, daß wir in diesem Zusammenhang an die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 denken. Dort verkündete nämlich der Bundeskanzler, in frohem Optimismus, möchte ich meinen: „Die Aufgabe des Regierungschefs ist es, diese Ressortwünsche mit dem Gesamtprogramm in Einklang zu bringen, sie also auf das ihnen gebührende Maß zurückzuschneiden. Wie sah nun diese schöne Theorie in der Praxis aus? Vor Weihnachten verkündete der Herr Bundesarbeitsminister, daß seine Pläne eine 20%ige lineare Erhöhung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung vorsähen. Wenn Pressemeldungen stimmen, wurde der Arbeitsminister durch einen Brief des Herrn Bundeskanzlers zur Wahrung der Kabinettsdisziplin ermahnt. Offensichtlich stimmten die Pläne des Arbeitsministers mit dem uns immer noch nicht bekannten politischen Gesamtprogramm nicht überein.
Nach der Erörterung im Kabinett schien es, als sei es dem Regierungschef gelungen, diese Ressortwünsche auf das ihnen gebührende Maß zurückzu4340
schneiden". Verfolgt man nun die weiteren Vorgänge, so zwingt sich ein erneuter Blick in die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 auf. Dort hat nämlich der Herr Bundeskanzler festgestellt, daß den führenden Kräften des Parlaments, insbesondere den Fraktionsvorständen und -vorsitzenden, eine ähnliche Ordnungs- und Führungsaufgabe wie dem Regierungschef im Kabinett zukomme, da es parlamentarische Gremien gebe, die so zusammengesetzt seien - nun darf ich den Herrn Bundeskanzler noch einmal wörtlich zitieren -, daß die Repräsentanten von Gruppeninteressen über ihre eigenen Anliegen entscheiden. An dieser Stelle verzeichnet das Protokoll Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.
Meine Damen und Herren, die Opposition nimmt sich hier und heute das Recht, an einem lehrreichen Beispiel Theorie und Praxis der Politik der Großen Koalition einmal aufzuzeigen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß sich das Kabinett Kiesinger-Brandt nicht durchzusetzen vermochte. Ich erinnere nur an das Finanzplanungsgesetz.
Was im Zusammenhang mit der Beratung der Probleme der Arbeitslosigkeit und der notwendigen Hilfe für die Arbeitslosen den Parlamentsmitgliedern zugemutet wurde, läßt sich mit einer verantwortungsvollen Gesetzgebungsarbeit gerade noch eben vereinbaren. Unter dem Zeitdruck, der einerseits durch die Uneinigkeit von Regierung und Regierungsparteien und andererseits durch die Uneinigkeit der Regierungsparteien untereinander entstand, mußte bei einem Gesetz, das Auswirkungen in Milliardenhöhe haben kann, auf die Anhörung von Sachverständigen verzichtet werden. Es mußte das Kernproblem, wie die Arbeitslosigkeit überwunden werden könnte, zurückgestellt werden. Es mußte pauschal entschieden werden, wo differenzierte Leistungsverbesserungen möglicherweise sinnvoller wären. Es mußte auf die Vorlage ausreichenden, zuverlässigen und aufschlußreichen Materials verzichtet werden.
Wir wollten durch eine mündliche Anfrage des Kollegen Schmidt erfahren, welche Arbeitskräfte durch die Arbeitslosigkeit besonders betroffen worden sind, welche Arbeitskräfte im Hinblick auf eine Entlassung besonders gefährdet sind, ob die strukturell und regional besonders stark auftretende Arbeitslosigkeit ihre besonderen Merkmale erkennen läßt. Leider konnten wir nur unbestimmte, tendenzielle Entwicklungen erfahren, da es der Bundesregierung selbst an den notwendigen Unterlagen fehlt, wie die schriftliche Beantwortung der Frage des Kollegen Schmidt ergibt.
Es ist nicht über die unterschiedlichen Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit gesprochen worden, die regelmäßig und saisonal bedingt vorübergehend auftritt. Denken Sie nur an das Baugewerbe oder die Beschäftigten im saisonalen Fremdenverkehr. Es ist nicht ausreichend über die Probleme des Lohnsteuerjahresausgleichs und seine Auswirkungen gesprochen worden. Die Konsequenzen im Hinblick auf das Wohngeld können wir nur ahnen. Wir wissen erst seit gestern abend, welche Kosten auf den
Bund durch die Gewährung von Zweitkindergeld zukommen, wenn die entsprechenden Einkommen unter die Einkommensgrenze absacken. Wir wissen bis zur Stunde nicht, welche Gesichtspunkte das Kabinett zu seiner ersten Entscheidung - lineare 10%ige Anhebung - veranlaßten. Waren es konjunkturpolitische Gründe, waren es fiskalische Überlegungen, waren es Sorgen um die Liquidität der Bundesanstalt in Nürnberg, war es die Angst, daß sonst der Eventualhaushalt nicht ausreichend bedient werden könnte, oder war es nur das Bedürfnis der Kabinettsmehrheit, durch Halbierung der Ressortwünsche Entschlossenheit zu demonstrieren? Sie sehen: Fragen über Fragen.
({0})
Meine Damen und Herren, die im Ausschuß für Arbeit getroffene Entscheidung wird zwar manche seit Wochen bestehende Erwartung von Arbeitslosen auf Leistungsverbesserungen in etwa erfüllen. Es wird aber möglicherweise auch Enttäuschungen geben. Liest man z. B. den Passus des Art. III Nr. 4, in welchem klargestellt wird, daß der heute bereits Arbeitslose seine Leistungen behält, soweit diese eine für ihn günstigere Regelung ergeben als die neue Regelung, die wir beschließen, so stellt sich doch die Frage: Ist der ganze Änderungsentwurf so wenig ausgegoren, daß man offensichtlich nicht einmal ohne eine Übergangsbesitzstandsklausel auszukommen glaubt?
Bei den Betroffenen besteht die Erwartung, daß die Leistungen, die sie künftig erhalten, mindestens 15 % mehr als bisher betragen. Dieser Eindruck mußte nach den Mitteilungen an die Offentlichkeit entstehen. Vergleichsberechnungen zeigen jedoch ein sehr differenziertes Bild. Familien mit mehreren Kindern und bisher niedrigem Arbeitseinkommen werden zum Teil nur 9 % mehr erhalten, wenn man den vorgelegten Unterlagen des Arbeitsministeriums auf dieser Zahlentabelle folgt, während andererseits die Ledigen im Normalfalle mit 16 bis 21 % rechnen können. Es wird aber auch positive Überraschungen geben, nämlich Steigerungen von 40 bis zu 46 % gegenüber der bisherigen Regelung. Diese besonders günstigen Verbesserungen, die wir in diesem Bereich und bei dieser Kinderzahl durchaus begrüßen, treten nun aber ausgerechnet in den Einkommensbereichen ein, in denen eine graphische Darstellung des Arbeitsministeriums für den unbefangenen Betrachter für die Zukunft niedrigere Leistungen darstellt, als sie heute gelten. Diese graphische Darstellung ist formal korrekt, sie entspricht den geltenden Tabellen in Höhe von 70 Bruttoarbeitsentgeltes. Sehen wir uns aber nicht die theoretischen Werte dieser graphischen Darstellung an, sondern die tatsächlichen Zahlenwerte auf der anderen Darstellung, die wir bekommen haben, so müssen wir feststellen, daß bisher zum Teil nur 52 % des Bruttolohnes erreicht worden sind. Konkret bedeutete dies für den einzelnen Familienvater mit vier Kinder bisher, daß er bei einem früheren wöchentlichen Bruttolohn von 300 DM nicht 210 DM wöchentlich, wie theoretisch auf dieser graphischen Tabelle angezeichnet, sondern nur 131,70 DM beSpitzmüller
kam. In diesem Bereich tritt nun eine begrüßenswerte Verbesserung um 46 % ein.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das alles mag sehr verwirrend klingen; aber es erscheint doch gelegentlich erforderlich, an Hand von Beispielen einmal zu zeigen, wie „einfach" in Deutschland Sozialpolitik ist und wie weit oft Theorie und Praxis auseinanderfallen.
Die Reihe eigenartiger und unterschiedlicher Auswirkungen ließe sich an Hand zahlreicher Einzelbeispiele fortsetzen, die ich mir in Nachtarbeit ebenfalls zusammengeschrieben habe. Wir haben erst vorgestern die Zahlen, die sich nach der Einigungsformel der Koalitionsparteien ergaben, erhalten. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, übrigens auch; insofern genossen wir dieselben Vorzüge wie Sie. Es handelte sich daher bei den erwähnten Beispielen um herausgegriffene Zahlen. Aber sie machen doch deutlich genug, daß die pauschalen Verbesserungen sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluß waren. Soweit wir unterrichtet sind, ist das Problem des Lohnsteuerjahresausgleichs bei dieser pauschalen Erhöhung nicht in die Überlegungen einbezogen worden. Wenn man aus den verschiedensten Erwägungen heraus eine obere Grenze im Verhältnis zum Nettolohn glaubt fixieren zu müssen, dann reicht bei der Kompliziertheit und Differenziertheit unseres sozialen Leistungsrechts und unseres Steuerrechts dieses Änderungsbündel nicht aus, um ruhigen Gewissens behaupten zu können, daß es sich hier um eine sozial optimale und sozial gerechte Lösung schlechthin handle.
Bei einer überschlägigen Berechnung ergibt sich, daß ein Arbeiter mit einem Wochenlohn von zuvor 300 DM brutto im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs bei neun Monaten Verdienst und dreimonatiger Arbeitslosigkeit Anspruch auf etwa folgende Erstattungsbeträge hat: rund 320 DM als Lediger, 241 DM als Verheirateter, 298 DM als Verheirateter mit einem Kind. Ist dieser Mann jedoch nur sechs Monate in Arbeit und sechs Monate arbeitslos gewesen, dann ist sein Anspruch auf Lohnsteuerjahresausgleich ein völlig anderer. Er beträgt dann 449 DM für den Ledigen, 484 DM für den Verheirateten, 598 DM für den Verheirateten mit einem Kind, 723 DM für den Verheirateten mit zwei Kindern, aber nur noch 492 DM für den Verheirateten mit drei Kindern und 378 DM für den Verheirateten mit vier Kindern. Berechnungen in unteren Einkommensbereichen ergeben, daß oft nur noch der Ledige und der kinderlos Verheiratete über den Lohnsteuerjahresausgleich eine zusätzliche Einnahme zu verzeichnen hat.
So wichtig für den einzelnen diese zusätzliche Einnahme bei entsprechenden familiären Verpflichtungen sein mag, so zeigt sich doch in anderen Fällen, daß die neuen Leistungen einschließlich des entsprechenden Anteils des Lohnsteuerjahresausgleichs bis auf wenige Prozent an das jährliche Nettoarbeitsentgelt herankommen können, selbst dann, wenn wir einmal das Problem der Wohngeldzuschüsse völlig außer Betracht lassen.
Es geht bei diesen Einzelbeispielen nicht darum, um ein paar Mark mehr oder weniger zu rechten, sondern darum, einmal mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, daß es an klaren Zielvorstellungen hinsichtlich der Leistungen fehlt, die Lohnersatzfunktion haben. Hier müssen klare Zielvorstellungen entwickelt werden, Vorstellungen darüber, was gesetzesmäßig notwendig ist, um die Lohnersatzfunktion richtig zu gestalten.
Bei der Betrachtung von Details kommt man mehr und mehr zu der Auffassung, daß dieses Gesetz nicht mehr als eine Übergangslösung sein kann. Einmal mehr erweist es sich, wie schlecht es ist, eine Sache, deren Änderungsbedürftigkeit prinzipiell erkannt ist, erst dannn entscheidend in Angriff zu nehmen, wenn dies nicht mehr ein Problem einiger weniger, sondern ein Massenproblem geworden ist. Es sind eine Reihe von Faktoren zusammengetroffen, die bestimmte Leistungsverbesserungen gebieterisch verlangen. Hier wie anderswo besteht die große Gefahr, daß über den Auseinandersetzungen urn die quantitativen materiellen Leistungsverbesserungen die qualitativen Erwägungen zu kurz kommen.
Meine Damen und Herren, wir tragen Ihnen diese scheinbaren Detailfragen vor, um Ihnen deutlich zu machen, daß Sie sicherlich nicht gut beraten waren, als Sie sich in dieser Woche schnell nach dem Prinzip „halbe-halbe ist ein guter Kompromiß" geeinigt haben, nur um sicherzustellen, daß die Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Verbesserung des Arbeitslosengeldes sich im Bewußtsein der Bevölkerung nicht als erste Regierungskrise festsetzten.
({1})
- Aber sicher, meine Damen und Herren! Wenn Sie das noch eine Woche fortgesetzt hätten, hätte sich das im Bewußtsein der Bevölkerung
({2})
als die ersten Schwierigkeiten und großen Auseinandersetzungen in der Koalition festgesetzt.
({3})
Deshalb mußten Sie sich einigen. Und sehen Sie, Herr Kollege Schellenberg, diese Einzelberechnungen, die ich Ihnen vorgeführt habe, zeigen doch auch, daß es möglicherweise sinnvoller wäre, im Zusammenhang mit dem Jahreslohnsteuerausgleich zu einer Regelung zu kommen,
({4})
bei der für die ersten zwölf Wochen ein anderer Leistungssatz gilt als für die dann folgenden weiteren Wochen von Arbeitslosigkeit. Wir konnten das nicht überprüfen, aber ich glaube, daß das ein Punkt ist, den wir uns für die Novellierung, die ja folgen wird, vormerken müssen.
Obwohl uns ausreichende Unterlagen nicht vorliegen, scheinen sich folgende Tendenzen abzuzeichnen:
Erstens. Eine qualifizierte Ausbildung und Fortbildung sind zumindest ein gewisser Schutz vor einer schnellen Entlassung. Daher erweist sich die Förderung einer qualifizierten Ausbildung nicht nur als ein bildungs- und gesellschaftspolitisches Problem, sondern auch als eine vorbeugende Maßnahme für eine relative Sicherung des Arbeitsplatzes oder aber - im Falle einer durch strukturelle Schwierigkeiten erfolgenden Entlassung - als Chance zu einer schnellen Vermittlung in einen anderen Arbeitsplatz.
Zweitens. Wir kennen das Problem der älteren Angestellten. Es droht das Problem der älteren Arbeiter. Vielfach sind sie nur schwer vermittlungsfähig, nicht weil sie in der Leistung nachgelassen haben, sondern weil sie sich der schnellen Entwicklung in der Technik, in der Verwaltung und in sonstigen Bereichen nicht mehr genügend anpassen können. Wir begrüßen deshalb die Verbesserung der Eingliederungsbeihilfen. Für die Zukunft erscheint es uns jedoch noch bedeutungsvoller, daß während des Arbeitslebens ausreichende Chancen gegeben werden, das früher erworbene Wissen und Können entsprechend der allgemeinen Entwicklung fort- und weiterzubilden. Hier liegt eine der entscheidenden Aufgaben der Bundesanstalt für die Zukunft, wobei man sich bei der Durchführung der entsprechenden Maßnahmen der Einrichtungen und deren Erfahrungen bedienen sollte, die heute schon in diesem Sektor Hervorragendes leisten.
Drittens. Die Bereitschaft zur Umschulung ist noch verhältnismäßig gering. Man kann dies positiv und negativ sehen: positiv durch die Erwartung vieler Arbeitsloser, bald einen entsprechenden Arbeitsplatz wiederzufinden - sie hoffen, daß die Wirtschaftsankurbelung schnell vorangehen wird -, negativ in der nur zögernden Bereitschaft, den bisherigen Beruf aufzugeben und sich einer anderen und neuen beruflichen Aufgabe zielstrebig zuzuwenden. Wir verkennen die Schwierigkeiten hierbei für diejenigen nicht, die der jüngeren Generation nicht mehr angehören und aus einem Bereich, in dem sie jahrzehntelang tätig waren, herausgerissen worden sind. Wir begrüßen daher die Bestrebungen, durch entsprechende zusätzliche Leistungen diese Bereitschaft durch die Einführung des Schulungsgeldes zu fördern und zu stärken.
Viertens. Der Mangel an einer schnellen Bereitstellung von Unterlagen und die unterschiedliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit erfordern Maßnahmen zu einer besseren Markttransparenz und zur Förderung der Mobilität der Arbeitskräfte. Auch dies gehört zu den Aufgaben einer großen Novelle.
Fünftens. Durch diese Novelle, die verabschiedet wird, wird insbesondere den kinderreichen Familien wesentlich geholfen. Das ist der entscheidende Kernpunkt dieser Novelle, den wir unterstreichen.
({5})
Meine Damen und Herren, die Mängel des jetzigen Gesetzgebungsverfahrens haben ihre Konsequenzen auch im sachlichen Ergebnis der Beratungen gehabt. Dies mußte - das ist eine Aufgabe der
Opposition - eingangs hier in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Eine vernünftige Gesamtkonzeption ohne Feilschen um zum Teil nur optische Prozente wäre uns lieber gewesen. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen haben wir jedoch Zweifel, ob eine umfassende Lösung in den nächsten Wochen verabschiedungsreif geworden wäre. Nach den verschiedenen Äußerungen aus den Koalitionsfraktionen - auch heute hier noch einmal vom Podium des Bundestages - haben wir die Hoffnung, daß unmittelbar nach Verabschiedung dieses Gesetzes die große Novelle zum AVAVG durch das Bundesarbeitsministerium in Verbindung mit Kabinett und Parlament vorangetrieben wird.
In dieser Erwartung stimmen wir dem vorliegenden Gesetz unter Zurückstellung erheblicher Bedenken als Übergangslösung zu.
({6})
Herr Abgeordneter Müller ({0}) !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht verlängern. Nur wenige Sätze, weil die Ausführungen des Herrn Kollegen Spitzmüller die Ausschußberatungen hier nachgeholt haben, denn etwas Derartiges ist von der FDP in den Ausschußberatungen nicht vorgetragen worden.
({0})
Es ist selbstverständlich, Herr Spitzmüller, daß, wenn man bespielsweise bei einem Arbeitsentgelt von wöchentlich 10 DM jetzt schon eine Unterstützung von 9,60 DM zahlt, dann nicht eine solche prozentuale Erhöhung des Arbeitslosengeldes möglich ist, wie das bei den anderen Einkommen der Fall ist. Die Beispiele, die Sie hier gebracht haben, ergeben ein völlig schiefes Bild. Das wollte ich nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen.
({1})
Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) !
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte nur zwei Sätze sagen, nachdem der Kollege Müller über die angeblich in den Ausschußberatungen von uns nicht vorgetragenen Dinge gesprochen hat. Dazu möchte ich nur feststellen, daß erst bei der letzten Ausschußsitzung vorgestern dem Ausschuß überhaupt vorlag, was heute hier verabschiedet werden sollte.
({0})
Sie werden dafür Verständnis haben, daß es, wenn wir heute hier verabschieden wollten - und das war auch unser Wille -, nicht mehr möglich war, im Ausschuß überhaupt mehr zu sagen; denn dann wären wir wahrscheinlich nächste Woche noch bei der Beratung gewesen, und es wäre nicht möglich
Schmidt ({1})
gewesen, gestern die Klippen im Haushaltsausschuß zu überwinden. Ich möchte auch darauf hinweisen und die Haltung der FDP in diesem Zusammenhang nur erwähnen, Herr Kollege Müller.
({2})
Damit ist die dritte Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung - also auch mit den Änderungen, die der Herr Kollege Porten zu Protokoll gegeben hat - zustimmt, erhebe sich. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre
- Drucksache V/1402 Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigte Einführung parlamentarischer Staatssekretäre hat in Deutschland kein Vorbild. Sie ist aber notwendig. Es hat sich in steigendem Maße gezeigt, daß die Bundesminister in den großen Ressorts einer immer stärker werdenden Belastung ausgesetzt sind. Neben der Leitung der umfangreichen Geschäftsbereiche ihrer Ministerien obliegt ihnen die politische Vertretung dieser großen Aufgaben. Dazu kommt die Mitgestaltung der Regierungspolitik. Das führt gelegentlich zu nicht vertretbaren Überbeanspruchungen.
Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Einrichtung parlamentarischer Staatssekretäre soll die am stärksten belasteten Bundesminister in ihrer politischen Funktion unterstützen und entlasten. Die parlamentarischen Staatssekretäre sollen Aufgaben übernehmen, die nicht unmittelbar zur Ressortleitung gehören. In erster Linie sollen sie die Verbindung zwischen den parlamentarischen Gremien und dem Ministerium pflegen und stärken. Daher müssen die parlamentarischen Staatssekretäre Mitglieder des Deutschen Bundestages sein.
Wir haben in Deutschland noch keine Erfahrung mit einer solchen Einrichtung. Es empfiehlt sich daher, einer vernünftigen Entwicklung keine zu engen gesetzlichen Schranken zu setzen. Dennoch setzen hier die Art. 62 und 65 des Grundgesetzes den Rahmen, in dem sich diese gesetzliche Regelung bewegen muß.
Ein enges persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem parlamentarischen Staatssekretär und dem Bundesminister ist die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. Der Gesetzentwurf macht daher sowohl die Ernennung als auch grundsätzlich die Entlassung eines parlamentarischen Staatssekretärs vom Einvernehmen mit
dem zuständigen Minister abhängig. Aus diesem Grunde endet auch die Tätigkeit eines parlamentarischen Staatssekretärs zugleich mit dem Amtsverhältnis seines Ministers.
Die Unterstützung und Entlastung eines Bundesministers in seiner politischen Funktion ist nun kein Beruf, sondern eine zusätzliche Aufgabe für einen Bundestagsabgeordneten. Deshalb sieht der Entwurf für die parlamentarischen Staatssekretäre keine Amtsbezüge und keine Altersversorgung, sondern lediglich eine Entschädigung vor. Die Bundesregierung hält eine Entschädigung in Höhe der doppelten Aufwandsentschädigung für Mitglieder des Bundestages für angemessen. Die parlamentarischen Staatssekretäre werden daneben die ihnen nach dem Diätengesetz zustehenden Leistungen weiter beziehen.
Weil die Tätigkeit der parlamentarischen Staatssekretäre kein Beruf ist, sieht der Entwurf, der Ihnen vorliegt, von einem generellen Berufsverbot, wie es für die Bundesminister zwingend ist, ab. Es ist selbstverständlich, daß Konflikte zwischen den Aufgaben eines parlamentarischen Staatssekretärs und seinen beruflichen Interessen vermieden werden müssen. Vor der jeweiligen Ernennung wird daher zu klären sein, in welcher Weise das zu geschehen hat.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf beschränkt sich mit Rücksicht auf die dargelegten Punkte bewußt auf die notwendigsten Bestimmungen. Im einzelnen sollen die Befugnisse der parlamentarischen Staatssekretäre durch die Geschäftsordnung der Bundesregierung geregelt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, namens der Bundesregierung würde ich es sehr begrüßen - und ich bitte Sie sehr herzlich darum -, wenn das Hohe Haus dem Gesetzentwurf recht bald seine Zustimmung geben könnte, damit die Arbeit der vorgesehenen Herren in der Bundesregierung beginnen kann.
({0})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt grundsätzlich die vorgesehene Ernennung von parlamentarischen Staatssekretären. Für uns sind dabei folgende Gründe maßgeblich.
Erstens. Die Minister großer Ressorts werden dadurch entlastet.
Zweitens. Die politische Führung wird gestärkt.
Drittens. Es wird ein engerer Kontakt zwischen der politischen Führung der großen Ressorts zu Bundestag und Bundesrat, zu den Ausschüssen dieser beiden Parlamente, zu den Bundestagsfraktionen, zu den politischen Parteien und zur gesamten Öffentlichkeit hergestellt.
Viertens. Die Ernennung parlamentarischer Staatssekretäre fördert wesentlich die Heranbildung befähigter Parlamentarier für die spätere Übernahme von Ministerämtern.
Die Einführung parlamentarischer Staatssekretäre wirft allerdings eine ganze Reihe von Rechtsfragen auf. Es handelt sich dabei um verfassungsrechtliche, verwaltungsrechtliche, beamten- und besoldungsrechtliche sowie um innerdienstliche Probleme. Die Frage des Rechtsstatus der parlamentarischen Staatssekretäre scheint uns im Regierungsentwurf nicht ausreichend präzisiert zu sein. Mit den Erläuterungen in der Begründung und den Regelungen in der gegenwärtigen Geschäftsordnung der Bundesregierung kann ich mich in mehreren Punkten nicht einverstanden erklären.
({0})
Wenn die Einführung von parlamentarischen Staatssekretären sinnvoll sein soll, muß ihre innerdienstliche wie auch ihre äußere Rechtsstellung schärfer umrissen werden.
({1})
Dabei gehen wir davon aus, daß die Regelungen des Grundgesetzes über die Bundesregierung, die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten ihrer Mitglieder nicht angetastet werden sollen. Daraus folgt, daß die parlamentarischen Staatssekretäre keine originären, sondern von ihrem jeweiligen Ressortminister abgeleitete Befugnisse haben sollen. Hieraus darf jedoch nicht gefolgert werden, daß sie nur die Funktion von politischen Hilfsarbeitern haben dürften.
({2})
Im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten muß ihnen daher eine stärkere Stellung eingeräumt werden, als es nach der Begründung und der gegenwärtigen Geschäftsordnung der Bundesregierung vorgesehen ist.
({3})
Ohne meine Fraktion in Einzelfragen festzulegen, scheint mir das insbesondere für gewisse Weisungsbefugnisse gegenüber den Angehörigen des jeweiligen Ministeriums notwendig zu sein. In dem Rahmen des Aufgabenbereichs, den der Minister seinem parlamentarischen Staatssekretär zugewiesen hat, sollte es ein Weisungsrecht zur Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben geben.
({4})
Eingehender Prüfung in den Ausschüssen bedürfen ferner die Fragen der Vertretungsbefugnis, des Titels, der Entschädigung und der scharfen Abgrenzung gegenüber den beamteten Staatssekretären. Meine Fraktion wünscht eine klare Lösung, die einerseits das Ziel einer gestärkten politischen Führung erreicht, andererseits jedoch nicht das reibungslose Funktionieren des Verwaltungsapparats in Frage stellt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den beiden Einführungsreden, die wir zu diesem Thema heute gehört haben, kann ich nur sagen: Wir sind froh darüber, daß sich der Kollege Even in dieser Deutlichkeit für seine Fraktion von dem vorliegenden Gesetzentwurf abgesetzt hat.
({0})
Denn auch uns ist eindeutig klargeworden, daß dieser mehr als unausgegorene Gesetzentwurf der Regierung Kiesinger-Brandt anscheinend mit heißer Nadel genäht ist und dem Parlament plötzlich vorgelegt wird, ohne daß man das an wirklicher Sinngebung hineingeracht hat - es vielleicht auch gar nicht erst versucht hat -, war der Kollege Even hier für seine Fraktion als dringendes Erfordernis vorgetragen hat.
Nun, meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben uns bereits im Jahre 1961 bei der damaligen Regierungsbildung bemüht, das Amt des parlamentarischen Staatssekretärs für die Aufgaben, die der Herr Bundesinnenminister vorhin geschildert hat, zu erreichen. Wir sind damals an den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion und des damaligen Regierungschefs Konrad Adenauer gescheitert, der mit ganzer Entschiedenheit diese Einrichtung als nicht praktikabel und nicht wünschenswert und politisch nicht erforderlich für die Regierung abgelehnt hat.
Wir freuen uns, daß sich nun anscheinend eine klare Mehrheit für das findet, was wir schon im Jahre 1961 für erforderlich gehalten haben. Aber wir hatten uns natürlich nicht nur vorgestellt, daß man die parlamentarischen Staatssekretäre zusätzlich in die Aufgabenposition, in diese Ressorts, für die sie erforderlich sind, hineinbringen sollte, sondern wir hatten damit gleichzeitig eine klare Vorstellung über eine dringend erforderliche Kabinettsreform verbunden. Wenn ich mir die Äußerungen der Fraktionsspitzen und die großen Schlagzeilen der „BildZeitung" aus den letzten vier Tagen vor der Regierungsbildung Kiesinger-Brandt vor Augen halte, muß ich sagen: da schien es fast so weit zu sein, als ob diese Kabinettsreform uns mindestens die Einsparung von fünf bis sechs Bundesministern gebracht hätte. Leider, Herr Bundesinnenminister, ist aus den Vorstellungen, die auch Sie damals geäußert haben, in der Praxis nichts geworden. Vielmehr ist es im Ergebnis jetzt so, daß diese Staatsminister oder Staatssekretäre -- beide Vokabeln werden ja lebhaft durcheinandergeworfen, auch heute in der Presse - zusätzlich geschaffen werden sollen.
Es erhebt sich die Frage: Kann man mit diesem Gesetz das erreichen, was der Bundesinnenminister vorgetragen hat? Wir erklären eindeutig: nein. Wo ist die Funktionsteilung? Wo ist die Kompetenzabgrenzung? Wo ist die Lösung all der Probleme, die auch der Kollege Even geschildert hat und die gelöst werden müssen, um das Amt des parlamentarischen Staatssekretärs zu der politischen Bedeutung und Wirksamkeit zu führen, die es verdient? Nichts ist in dem Gesetzentwurf dieser Bundesregierung zu erkennen. Die Zwischenlösung, die man mit der ÄnDorn
derung des § 14 a der Geschäftsordnung gebracht hat, ist doch eine verschämt angesprochene Problematik. Das kann man doch nicht als Lösung dieser Aufgabe bezeichnen. Wo bleibt die politische Ministervertretung erkennbar? Wo wird das Weisungsrecht eines parlamentarischen Staatssekretärs im Auftrag seines Ministers sichtbar? Herr Kollege Even hat auf diese Dinge hingewiesen. Nichts ist in dieser Regierungsvorlage darüber vorhanden.
Eine andere Frage, die nach unserer Auffassung von einer vernünftigen Regelung der Besoldungsfrage und auch anderer Dinge, die damit zusammenhängen, nicht zu trennen ist und aufgeworfen werden muß: Herr Minister, ist es richtig, daß ein Berufsausübungsverbot für die parlamentarischen Staatssekretäre nicht erfolgen soll, daß man sie hier also völlig anders behandeln soll als die Minister? Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß es zwingend notwendig ist, für die parlamentarischen Staatssekretäre ein Berufsausübungsverbot genauso vorzuschreiben wie für die Minister. Aber daraus ergeben sich zwangsläufig andere Vorstellungen über die besoldungsrechtliche und beamtenrechtliche Auseinandersetzung, als sie hier vorgetragen worden sind. Wenn der Pressechef dieser Bundesregierung sich vor die Bundespressekonferenz stellt und erklären zu können glaubt, wie er sich die besoldungsrechtliche Lage und die richtige besoldungsrechtliche Eingruppierung der parlamentarischen Staatssekretäre vorstellt - vielleicht stimmt das mit dem überein, was der Herr Bundesinnenminister hier vorhin vorgetragen hat -, können wir nur sagen: so kann man Parlamentarier von Rang nicht behandeln, wenn man sie mit einer solchen wichtigen politischen Funktion innerhalb dieser Verbindungsposition zwischen Parlament und Bundesregierung einstufen will.
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Lassen Sie mich etwas sehr Ketzerisches sagen: nach den bisher sichtbaren Vorstellungen der Regierung Kiesinger-Brandt, nach den Vorstellungen, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegen, kann kein Parlamentarier von Rang sich für eine solche Aufgabe zur Verfügung stellen. Was sich hier anbietet - ich sage das sehr deutlich -, ist in letzter Konsequenz eine finanzielle Prämie für Mitglieder dieses Hauses, die sich im besonderen um das Zustandekommen von Koalitionen, ganz gleich welcher Art, verdient gemacht haben. Unter solchen Vorstellungen kann man die Dinge nicht behandeln.
Der Kollege Jahn hat gesagt: „Dieser Gesetzentwurf ist ein Messer ohne Klinge." Ich meine, er hat in der Sache recht. Die SPD-Fraktion hat sich durch Äußerungen einiger Mitglieder dagegen gewehrt, daß man den parlamentarischen Staatssekretären nach den Vorstellungen der Regierung eine Art Quasi-Laufburschen-Funktion übertragen wollte.
Der Bundesinnenminister sollte uns die Fragen, die in der Fragestunde am gestrigen Tage angesprochen wurden und die er leider trotz der Ankündigung der Präsidentin nicht beantwortet hat, vielleicht doch demnächst noch beantworten. Solange das Gesetz, durch das das neue Amt des parlamentarischen Staatssekretärs als Amtsinstitution geschaffen wird, nicht in Kraft getreten ist, kann dieses neue Amt weder übertragen noch ausgeübt werden.
Meine Damen und Herren, wir hätten wirklich gern gewußt - ich sage das ohne jeden polemischen Hintergrund im Interesse der Kollegen, die in den Häusern tätig sind -, wie die Handhabung der Geschäfte, die einzelne Kollegen dieses Hauses in einzelnen Häusern bereits wahrgenommen haben, bisher geregelt worden ist und ob, wie in Pressemeldungen zu lesen war, der eine oder andere Kollege vielleicht sogar schon im Auftrag der Bundesregierung für uns an EWG-Verhandlungen in Brüssel oder an anderen Verhandlungen im Ausland teilgenommen hat.
Die Gesetzesvorlage dieser Regierung und die verschiedenen Äußerungen dazu von seiten mehrerer Kollegen der CDU/CSU und der SPD-Fraktion über die Aufgaben der parlamentarischen Staatssekretäre sind ein klarer Beweis dafür, wie wenig vernünftig gegliedert, wie wenig sinnvoll gestaltet diese Regierungsvorlage bisher ist. Wir Freien Demokraten werden in den Ausschußberatungen dazu beitragen, den Gesetzestorso mit einem sachlich vertretbaren Inhalt zu vervollständigen.
Wir stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dorn hat wieder einmal dem Wunderglauben gehuldigt, eine politische Frage könne durch perfekte Gesetze in Ordnung gebracht werden.
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- Nein! Ich werde gleich etwas dazu sagen. Aber, Herr Kollege Dorn, Sie werden doch nicht glauben, daß diese Institution in der Art eines Maßanzuges verwirklicht werden kann! Es ist eine Frage des politischen Willens und - ich werde das im einzelnen ausführen - auch der Zusammenarbeit der hier in Frage kommenden Herren.
Im übrigen sagen Sie, wenn die Regierung einmal etwas vorlegt und wir es übernehmen, es werde kritiklos von uns übernommen; im anderen Falle
- wenn es geändert wird - wollen Sie eine Niederlage der Regierung Kiesinger-Brandt daraus konstruieren.
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- So ungefähr haben Sie es doch dargelegt, Herr Kollege.
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Allgemein kann man, wie ich meine, doch sagen, daß Sie immer erklären, daß Sie einen ganzen Sack voll wohldurchdachter Vorschläge vorlegen, die angeblich besser ausgereift sind als die der Bundesregierung und der Koalitionsparteien. Sie präsentieren ganze Säcke davon. Wenn man diese öffnet,
) Schmitt-Vockenhausen
zeigt sich, daß lauter Flöhe drin sind, die dann weghüpfen.
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Meine Damen und Herren von der FDP, die Frage der parlamentarischen Staatssekretäre ist eine der vielen Fragen, die Sie zwar oft rhetorisch angesprochen, aber nie einer praktischen Lösung zugeführt haben. Hier ist nun endlich einmal der Versuch gemacht worden, diese Frage auch in die politische Praxis umzusetzen,
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und zwar sollen die Minister, ohne daß man in die eigentliche Verwaltung, in die Beamtenapparatur der einzelnen Ministerien, eingreift, durch parlamentarische Staatssekretäre bei ihren zahlreichen Verpflichtungen innerhalb und außerhalb des Parlaments entlastet werden.
Hier wird natürlich politisches Neuland beschritten, und es ist klar, daß ein solcher Vorschlag unter diesem und jenem Gesichtspunkt auch kritisiert, verbessert oder abgeschwächt werden kann. Im Augenblick sind wir psychologisch in einer besonderen Situation. Nach dem in der Öffentlichkeit viel diskutierten Beginn bei der Regierungsbildung sind wir in der öffentlichen Diskussion allmählich in ein Tal hineingekommen, und es kommt jetzt darauf an, im Parlament jenen mittleren Weg zu finden, der eine saubere und gute Grundlage für diese Institution schafft.
Die Vorlage hat ein richtiges Ziel: Parlamentarier in der geeigneten Weise in eine besondere politische Verantwortung zu bringen und damit auch den zuständigen Minister zu entlasten. Drei wichtige Dinge müssen meines Erachtens dabei beachtet werden.
Erstens. Das Grundgesetz mit seinen Bestimmungen ist nun einmal der Rahmen für unsere Überlegungen; daran kommen wir bei allem, was noch zusätzlich wünschenswert wäre, nicht vorbei.
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Zweitens. Die Institution der parlamentarischen Staatssekretäre lebt nicht davon, daß das Gesetz nun alle Kompetenzen, Einzelbestimmungen und Rangordnungen bis ins Letzte regelt, sondern vor allem davon, daß alle Beteiligten jene inneren Voraussetzungen mitbringen, die für eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit, die sicher nicht immer einfach sein wird, notwendig ist.
Drittens. Autorität und Stellung auch der parlamentarischen Staatssekretäre hängen nicht zuletzt entscheidend von den Persönlichkeiten ab, viel weniger von der Stellung, die ihnen der Gesetzesrahmen gibt.
Worauf es jetzt ankommt, ist, daß die Institution nicht länger schmort, sondern daß schnell ein Gesetz geschaffen wird, damit gearbeitet werden kann, damit die Institution sich - hoffentlich - in der politischen Praxis bewähren kann. Das mag genügen. Eine Plenardebatte bringt uns in dieser Stunde nicht weiter. In den Ausschüssen müssen wir über die Einzelheiten reden. Wir müssen schnell handeln; das ist das Entscheidende.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist Überweisung vorgeschlagen an den Innenausschuß - federführend -, Rechtsausschuß - mitberatend - und Haushaltsausschuß - mitberatend und nach § 96 der Geschäftsordnung-. Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, noch zwei Zusatzpunkte, und zwar erstens:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 70/66/ EWG hinsichtlich der Durchführung der Grunderhebung in Frankreich und Italien
- Drucksachen V/1346, V/1427 - Berichterstatter: Abgeordneter Bading
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Letzter Zusatzpunkt:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und und Forsten ({1}) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 13/64/ EWG in bezug auf Milch und Rahm, frisch, weder eingedickt noch gezuckert
für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 111/64/ EWG in bezug auf Milch und Rahm, frisch, weder eingedickt noch gezuckert
- Drucksachen V/1344, V/1345, V/1428 - Berichterstatter: Abgeordneter Krug
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zur Berichterstattung wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Schluß der Tagesordnung.
Nächste Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 22. Februar 1967, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.