Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die Tagesordnung soll um die folgenden Punkte ergänzt werden:
1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über die von der Bundesregierung beschlossene Sechsundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({1})
- Drucksachen V/1325, V/1365 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Krips
2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({2}) über die von der Bundesregierung beschlossene Siebenundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({3})
- Drucksachen V/1326, V/1366 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
3. Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({4}) über die von der Bundesregierung beschlossene Erste Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen
- Drucksachen V/1341, V/1379 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pohle dazu
Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/1380 -
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen Ich höre keinen Widerspruch; dann ist das Haus
einverstanden. Ich schlage vor, daß wir diese Zusatzpunkte gleich nach der Fragestunde behandeln.
Zu der in der Fragestunde der 85. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Januar 1967 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/1290 Nr. VI/10 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 27. Januar 1967 eingegangen:
Die Behörden der Länder führen die Bestimmungen des Ausländerrechts als eigene Angelegenheit aus. Die Bundesregierung kann auf diesem Gebiet nur in den in § 25 des Ausländergesetzes aufgeführten Fällen, die in dem Ihrer Frage zugrunde liegenden Sachverhalt nicht gegeben sind, Weisungen erteilen. Im übrigen hat das Innenministerium in Mainz nach meinen Erkundigungen nicht die unterstellten Behörden aufgefordert, „die" Chinesen auszuweisen. Vielmehr ist der Sachverhalt folgender:
Im Bereich einiger Ausländerbehörden der Länder hat sich im Laufe der Zeit eine größere Zahl von Chinesen niedergelassen, die ursprünglich angegeben hatten, sich nur für begrenzte Zeit im Bundesgebiet aufhalten zu wollen, und denen die zuständigen Behörden erklärt hatten, daß ihnen eine dauernde Niederlassung nicht gestattet werden könne. Nachdem ihnen die befristet erteilten Aufenthaltserlaubnisse wiederholt verlängert worden sind, hat das Innenministerium in Mainz die zuständigen Behörden angewiesen zu prüfen, ob diesen Ausländern, die überwiegend dem Handel mit Textilien nachgehen und sich z. T. seit fünf und sechs Jahren im Bundesgebiet befinden, der Aufenthalt weiterhin gestattet werden kann. Es handelt sich also nicht um eine generelle Ausweisung von Staatsangehörigen bestimmter Staaten, sondern darum, daß ein nur für begrenzte Zeit erbetener und gestatteter Aufenthalt von Ausländern nicht zu dauernder Einwanderung ausgeweitet wird. Nach den gewonnenen Erfahrungen verbinden Chinesen, die in den letzten Jahren verstärkt nach Rheinland-Pfalz gekommen sind, mit ihrer Aufenthaltnahme in viel stärkerem Umfange als andere Ausländer die Absicht, sich für dauernd im Bundesgebiet niederzulassen.
Das Vorgehen des Innenministeriums in Mainz entspricht den zwischen Bund und Ländern abgestimmten Grundsätzen der Ausländerpolitik. Da die Bundesrepublik schon wegen ihrer großen Bevölkerungsdichte und ihrer allgemeinen wirtschaftlichen Struktur kein Einwanderungsland ist, kann eine dauernde Niederlassung von Ausländern nur in beschränktem Umfange in Betracht gezogen werden. Während der Grundsatz der Nichteinwanderung für Staatsangehörige außereuropäischer Staaten allgemein gilt, können sich Staatsangehörige europäischer Staaten nach den Freizügigkeitsbestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie im Rahmen geltender Niederlassungsverträge unter bestimmten Voraussetzungen ständig im Bundesgebiet niederlassen.
Zu den in der Fragestunde der 91. Sitzung des Deutschen Bundestages am 2. Februar 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Meister, Drucksache V/1353 Nr. IV/10 und IV/11 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 2. Februar 1967 eingegangen:
Die Bundesregierung ist durch Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. Oktober 1966 ersucht worden, die Konzeption für die zivile Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Verbindung mit der mittelfristigen Finanzplanung zu überprüfen. Darüber hinaus erfordern die neuerlichen Beschlüsse der Bundesregierung zum Haushaltsentwurf 1967 eine weitgehende Neuplanung auf diesem Gebiet. Hierbei wird auch das Memorandum der Vereinigung deutscher Wissenschaftler e. V. berücksichtigt werden.
*) Siehe 85. Sitzung, Seite 3963 D
*) Siehe 91. Sitzung, Seite 4208 D
Vizepräsident Dr. Mommer
Die im Auftrag der Vereinigung deutscher Wissenschaftler e. V. durchgeführte Kostenschätzung für die Notstandsgesetzgebung ist durch die in der Antwort zur Frage 1 geschilderte Entwicklung weitgehend überholt. Die Bundesregierung wird bei der Neuplanung der zivilen Verteidigung einen neuen Kostenvoranschlag erstellen. Dabei wird sie die Angaben in der genannten Kostenschätzung verwerten, soweit dies möglich ist.
Wir kommen dann zur
Fragestunde
- Drucksachen V/1353, V/1355, V/1375 Ich rufe zunächst die Dringlichkeitsfragen des Herrn Abgeordneten Wellmann aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - Drucksache V/1375 - auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Luftfahrtindustrie gezwungen ist, am 15. Februar 1967 ca. einem Drittel ihrer Entwicklungsteams zu kündigen?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die in Frage 1 erwähnten, für die gesamte deutsche Industrie bedrohlichen Kündigungen zu verhindern?
Bitte, Herr Staatssekretär Dr. Schöllhorn!
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen im Zusammenhang beantworte.
Der Bundesregierung ist die in der Frage 1 dargestellte Situation bekannt. Sie hat diese Lage bereits verschiedentlich mit den Vertretern der Luftfahrtindustrie besprochen. Dabei hat sich herausgestellt, daß auf dem Gebiet „wehrtechnische Entwicklung", das mit rund 8000 Beschäftigten fast 70 % der Entwicklungskapazität der Luftfahrtindustrie ausmacht, die Situation noch schwieriger ist, als in der Frage unterstellt wurde. Wenn im Jahre 1967 für wehrtechnische Entwicklung die gleichen Betriebsleistungen von der Industrie erbracht werden sollen wie im Jahre 1966, würden Mittel in Höhe von 444 Millionen DM benötigt. Demgegenüber konnten vom Bundesminister der Verteidigung in einer reduzierten Planung für 1967 im Haushalt nur Mittel in Höhe von knapp 300 Millionen DM vorgesehen werden. Von diesem Betrag sind jedoch noch die bis 31. Dezember 1966 aufgelaufenen Vorleistungen der Industrie über 177 Millionen DM abzudecken. Hieraus ergibt sich ein Minus von 324 Millionen DM gegenüber dem zur Erhaltung der gegenwärtigen Entwicklungskapazität erforderlichen Betrag. Das heißt, für die Weiterbeschäftigung von rund 5800 in der wehrtechnischen Entwicklung Tätigen - das entspricht 50 % der gesamten personellen Entwicklungskapazität der Luft- und Raumfahrtindustrie - würden die notwendigen Mittel fehlen.
Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die. in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätigen Entwicklungsdienste für die technologische Entwicklung der deutschen Industrie und damit für die Zukunft der Volkswirtschaft von großer Bedeutung sind. Käme es in vollem Umfang zu den Kündigungen, so würde nach Ansicht der Bundesregierung ein schwerer Schaden für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie entstehen. Ein starker Vertrauensschwund bei der Generation der heranwachsenden deutschen
Wissenschaftler in die technologische Zukunft der deutschen Industrie wäre zu befürchten. Die Möglichkeiten für die deutsche Industrie, in Zukunft als gleichwertiger Partner bei fortschrittlichen technologischen Gemeinschaftsvorhaben mit dem Ausland mitzuwirken, würden entscheidend verringert.
Die Bundesregierung ist daher bemüht, in enger Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie einen Weg zu finden, um das Auseinanderfallen der Entwicklungsgruppen und eine drohende Abwanderung von hochwertigen Spezialisten ins Ausland zu verhindern. Die Bundesregierung weiß, daß eine schnelle Entscheidung erforderlich ist. Nach ihrer Auffassung kann auf längere Sicht die gegenwärtige Entwicklungskapazität der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie nur aufrechterhalten werden, wenn zwischenstaatlich neue und ökonomisch sinnvolle Projekte in Angriff genommen werden und damit die Anteile der Entwicklungsarbeiten für den zivilen Flugzeugbau und die Raumfahrt vergrößert werden. Dabei wird es auch nicht zuletzt notwendig sein, organisatorisch durch Schaffung optimaler. Betriebs- und Unternehmenseinheiten die Möglichkeiten der Rationalisierung voll zu nutzen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wellmann.
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, die Kündigungen dadurch zu verhindern, daß Sie vielleicht Mittel aus dem Eventualhaushalt hierfür vorsehen?
Herr Abgeordneter, die Frage wird bereits bei der Programmierung des Eventualhaushaltes geprüft und auch jetzt unter dem Gesichtspunkt der entstandenen Lage besonders berücksichtigt. Ich muß nur darauf hinweisen, daß den Möglichkeiten in zweifacher Hinsicht Grenzen gesetzt sind. Sie wissen, daß der Investitionshaushalt auf 2,5 Milliarden DM limitiert ist. Zum anderen ist der Hauptzweck dieses Investitionshaushalts, die Konjunktur möglichst schnell wieder anzuregen und sofort wieder eine Nachfrage in der Volkswirtschaft entstehen zu lassen. Dieses strenge Kriterium muß selbstverständlich bei allen Vorhaben und bei allen Anmeldungen geprüft werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wellmann.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß schon Teilkündigungen dazu führen können, daß die Teams vollkommen auseinanderfallen, und damit der deutschen Technologie stärkster Schaden zugefügt werden würde, da doch zu befürchten ist, daß bei Teilkündigungen Wissenschaftler, Techniker und Forscher aus Deutschland abwandern können? Ihnen ist doch sicherlich auch bekannt, daß bereits Werbekolonnen unterwegs sind.
Herr Abgeordneter, ich habe von diesem Tatbestand gehört und ich teile Ihre Auffassung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, wenn es solche Schwierigkeiten gibt, Mittel dafür im Investitions- oder Eventualhaushalt vorzusehen, sehen Sie nicht die Möglichkeit, durch Umstrukturierung etwa im Verteidigungshaushalt, wo ja das Wesentliche liegt, zu helfen?
Herr Abgeordneter, ich bitte um Nachsicht, daß ich über die Möglichkeiten des Verteidigungshaushalts im Augenblick keine Auskunft geben kann. Ich kann mir aber vorstellen, daß bei den Kürzungen, die bisher eingetreten sind, auch das schwierig ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß von diesen Technikern und Ingenieuren nicht nur einige nach Amerika und nach Ägypten gehen, was wir schon wissen, sondern das neuerdings auch einige nach Südafrika gehen, ja, daß in letzter Zeit schon Verträge mit China abgeschlossen worden sind, wobei ich nicht Taiwan. meine, sondern das, was gemeinhin Rotchina genannt wird?
Wir haben von solchen Vorgängen gehört. Es war jedoch noch nicht die Zeit, im einzelnen den Tatbestand zu klären und zu prüfen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Gefahr insbesondere in einem Bereich besteht, in dem die deutschen Luftfahrtingenieure und -techniker zur Zeit in der Welt vorn zu liegen scheinen, nämlich im Bereich des Senkrechtstarters, und daß der Senkrechtstarter nicht nur für militärische Zwecke, sondern in nächster Zukunft auch für zivile Zwecke von sehr großer Bedeutung sein wird?
Das ist bekannt, Herr Abgeordneter. Selbstverständlich werden auch die Tatbestände, die sie soeben nochmals charakterisiert haben, bei der Prüfung der Möglichkeiten und bei der Frage nach der Priorität in Rechnung gestellt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
In welcher Höhe halten Sie, Herr Staatssekretär, Mittel aus dem Eventualhaushalt in diesem Bereich überhaupt für einsetzbar?
Herr Abgeordneter, das ist eine Frage der Gesamtprogrammierung und der Entscheidung über die Aufteilung im Eventualhaushalt, wenn alle Anmeldungen der Ressorts vorliegen und wenn alle Anmeldungen der Ressorts nach Dringlichkeitsgesichtspunkten geprüft werden.
Finden Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß angesichts der Entschlossenheit der Bundesregierung, Prioritäten zu setzen, Entscheidungen schnellstens fallen müßten in einem Bereich, in dem es nicht um die Verschiebung von Vorhaben geht, sondern in dem, wie die Fragen des Kollegen Wellmann zeigen, nicht aufholbare Nachteile für die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft entstehen können?
Herr Abgeordneter, selbstverständlich zwingt die jetzige Lage auf diesem Gebiet, alle Möglichkeiten zu erschöpfen und sehr rasch auf Entscheidungen zu drängen. Nur bedeutet der Eventualhaushalt die Verausgabung von öffentlichen Mitteln, und das muß mit einer entsprechenden Sorgfalt geschehen, auch um den erwünschten konjunkturellen Zweck zu erfüllen, der darin besteht, die Nachfrage wieder anzuregen.
Eine dritte Frage, Herr Genscher.
Wenn die Bedenken, die Sie in bezug auf den Eventualhaushalt hier vorgetragen haben, begründet sind, sollte dann nicht im Sinne der Setzung von Prioritäten noch einmal überprüft werden, ob wegen der, wie ich es ausgedrückt habe, nicht aufholbaren Nachteile im normalen Haushalt eine Änderung zugunsten der Luftfahrtindustrie erfolgen müßte?
Ich weiß nicht, welche Möglichkeiten der Normalhaushalt, insbesondere in dem schon erwähnten Bereich, noch bieten könnte. Nur ist, wie Sie wissen, die Gesamtsituation nach den ganz erheblichen Kürzungen sehr, sehr schwierig geworden. Sie setzt den verschiedenen Bemühungen eine notwendige Grenze.
Eine letzte Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung mit den verbündeten Nationen, vor allem mit solchen, mit denen sie Devisenausgleichsabkommen unterhält oder wieder abschließen wird, unverzüglich Ver4226
handlungen über Gemeinschaftsprojekte aufnehmen, die der deutschen Luftfahrtindustrie nützlich sein und die Schwierigkeiten beheben können?
Diese Absicht besteht, und dieses Bemühen der Bundesregierung ist bereits in einigen Fällen und auf einigen Gebieten im Laufen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Westphal.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie es eigentlich dazu kommen konnte, daß so plötzlich eine so heikle Lage in der Luftfahrtindustrie eingetreten ist?
Herr Abgeordneter, ich habe die großen Veränderungen in dem Teilbereich des Verteidigungsetats erwähnt. Der Zusammenhang zwischen der allgemeinen Haushaltsentwicklung und ihren Rückwirkungen auf den Verteidigungsetat und auf die jetzt entstandene Situation ist ziemlich eng.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Westphal.
Herr Staatssekretär, meinen Sie, daß ein schnelles und gutes Zu-Ende-Bringen Ihrer Verhandlungen mit den beiden Partnern England und Frankreich über den Airbus zu einer Besserung der Lage in der Luftfahrtindustrie beitragen könnte?
Ich bin überzeugt, daß das - vor allem, was das Vertrauen dieser Entwicklungsteams in ihre zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten betrifft - ein entscheidender Vorteil wäre.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, bei welchen der mit uns verbündeten Staaten haben diese von Ihnen soeben erwähnten Gespräche über die Frage der Zusammenarbeit Erfolg gehabt?
Herr Abgeordneter, Sie haben von den Verhandlungen über den Airbus gehört, und Sie kennen auch die beteiligten Nationen, nämlich Frankreich und Großbritannien. Aber ich habe am Ende meiner Antwort gesagt, daß es in erster Linie darauf ankommt, ökonomisch sinnvolle, rentierliche, industriell und handelsmäßig gute Projekte zu entwickeln. Gerade dieses Erfordernis zwingt dazu, dieses Projekt sehr sorgfältig nach allen Gesichtspunkten zu untersuchen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich daraus schließen, daß z. B. die Gespräche mit Frankreich trotz der Paris-Besuche noch nicht konkretisiert worden sind?
Ich habe gesagt, daß Frankreich selbstverständlich der erste Partner bei den Gesprächen gewesen ist, die bisher über den Airbus stattgefunden haben.
Ein endgültiger Erfolg hat sich noch nicht eingestellt?
Der Erfolg besteht darin, daß die Vorarbeiten und die Besprechungen der Expertengruppen sehr weitgehend abgeschlossen sind und daß auf der letzten Ministerkonferenz nur noch wenige ungeklärte Punkte herausgearbeitet wurden, so daß sich die weitere Arbeit jetzt auf ganz konkrete Einzelfragen konzentrieren kann.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage II/1 des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitnehmer der Steuerklasse IV, deren Ehegatte im Verlauf des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kein familiengerechtes Kurzarbeitergeld erhalten?
Ich bitte, die Fragen zusammen beantworten zu dürfen.
Der Abgeordnete Geiger ist einverstanden. Dann rufe ich ferner die Frage II/2 des Herrn Abgeordneten Geiger auf:
Will die Bundesregierung vorschlagen, die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen so zu ändern oder zu ergänzen, daß alle Kurzarbeiter, Schlechtwettergeldempfänger und Empfänger von Stillegungsvergütungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in der ihnen sachlich zustehenden familiengerechten Höhe erhalten?
Zu Ihrer ersten Frage: Der Bundesregierung ist bekannt, daß in dem von Ihnen, Herr Abgeordneter, genannten Fall das Ausscheiden des Ehegatten aus einem Arbeitsverhältnis nicht zur Gewährung eines höheren Kurzarbeitergeldes an den tätig bleibenden - anderen - Ehegatten führt. Dies ist die Folge aus § 121 Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und § 3 der 8. Durchführungsverordnung zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, wonach die Leistungsgruppe des Kurzarbeitergeldes und somit dessen Höhe im Einzelfall sich allein nach der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers eingetragenen Steuerklasse richten. Nach den
Steuervorschriften kann jedoch bei Ausscheiden eines mitarbeitenden Ehegatten aus dem Arbeitsverhältnis die Eintragung der Steuerklasse IV auf den Lohnsteuerkarten beider Ehegatten im laufenden Kalenderjahr nicht in die an sich zutreffende Steuerklasse III umgewandelt werden. Gleiches gilt für die Gewährung von Schlechtwettergeld und Stilllegungsvergütung nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Ich möchte darauf hinweisen, daß im vorliegenden Fall auf der Lohnsteuerkarte des tätig bleibenden Ehegatten ein Freibetrag vermerkt werden kann; außerdem kann der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Ehegatte bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Arbeitslosengeld empfangen. Wenn vorausgesehen wird, daß einer der Ehegatten nicht während des ganzen Jahres berufstätig sein wird, kann für ihn darüber hinaus auch eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse V beantragt werden. In diesem Fall erhält der andere Ehegatte die Steuerklasse III und damit entsprechend höhere Leistungen nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine Änderung der zuvor genannten Bestimmungen vorzuschlagen. Die Verknüpfung der Leistungsgruppen des Kurzarbeitergeldes, des Schlechtwettergeldes und der Stillegungsvergütung mit der auf der Lohnsteuerkarte vermerkten Steuerklasse nimmt bewußt in Kauf, daß bestimmte, vom Regelfall abweichende Änderungen in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers, die nicht zur Änderung der Steuerklasseneintragung im laufenden Jahr führen, auch für die Leistungen nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung unberücksichtigt bleiben. Derartige Änderungen können sich umgekehrt auch zum Vorteil des Berechtigten auswirken. Bei alledem hat sich der Gesetzgeber von dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung leiten lassen. Die Betriebe, die die Leistungen errechnen, und die Behörden der Arbeitsverwaltung wären mit den sonst erforderlichen zeitraubenden Ermittlungen über die Familienverhältnisse in unzumutbarer Weise belastet. Auch kann den Arbeitnehmern nicht zugemutet werden, ihre Familienverhältnisse bis ins einzelne dem Arbeitgeber offenzulegen.
Ich meine, Herr Abgeordneter, wir sollten gerade unter den jetzt obwaltenden Verhältnissen einer reibungslosen und schnellen Auszahlung der Leistungen den Vorzug vor einer perfektionistischen Regelung geben.
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Geiger.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß diese Vereinfachung des Verfahrens nicht auf Kosten der Beteiligten gehen darf und es unzumutbar ist, daß durch eine solche Regelung 8 bis 10 DM Kurzarbeiter-Unterstützung in der Woche verlorengehen?
Herr Abgeordneter, das ist bei der Schaffung der Regelung gesehen worden. In der Fragestunde dieses Hohen Hauses vor genau einer Woche habe ich erklärt, daß die Arbeitsverwaltung bemüht ist, Wartefristen bei der Auszahlung der Unterstützungen zu vermeiden; ich bin durch weitere Fragen aus Ihren Reihen auf die Dringlichkeit dieses Problems hingewiesen worden. Um das Schlangestehen vor den Arbeitsämtern zu vermeiden, können wir mit Verstärkungskräften allein nichts ausrichten; dazu gehören auch vereinfachte und pauschalierende Vorschriften. Beachten Sie bitte: Wer schnell gibt, gibt doppelt. Die Frage ist gestern auch im Ausschuß für Arbeit in anderem Zusammenhang erörtert worden, und die Mitglieder des Ausschusses - ein Beschluß ist noch nicht gefaßt worden - waren einmütig der Auffassung, daß wir nicht nur auf bestehende pauschalierende Regelungen nicht verzichten können, sondern daß wir auch noch weitere pauschalierende Regelungen einführen müssen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Geiger.
Herr Staatssekretär, sehen Sie auch keine Möglichkeit- um Ihr erstes Anliegen zu rechtfertigen, nämlich die Unterstützung beschleunigt auszuzahlen -, eine Vereinbarung zwischen Finanzministerium und Bundesanstalt über die Anerkennung dieser veränderten steuerrechtlichen Verhältnisse herbeizuführen?
Herr Abgeordneter, diese Möglichkeit sehe ich kaum. Gestern hat im Ausschuß für Arbeit der Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen darauf hingewiesen, daß gegen die pauschalierende Regelung in der Arbeitslosenversicherung Bedenken auftauchen. Der Vertreter des Bundesrechnungshofs hat sich dagegen gestern im Ausschuß nachdrücklich für eine pauschalierende Regelung eingesetzt. Er hat erklärt, er sei gerade am Tage vorher in Nürnberg gewesen und habe bei einer Prüfung festgestellt, daß gerade die ausführenden Beamten die Möglichkeit einer pauschalierenden Regelung begrüßt hätten, also um eine Erweiterung der Pauschalierungen bäten, damit die Prüfungen, die unter Umständen sechs, acht Wochen dauern, vermieden würden. Ich sehe deswegen zu meinem Bedauern im Augenblick keine andere Möglichkeit. Ich nehme aber an, daß über diese Frage am Mittwoch übernächster Woche im Ausschuß für Arbeit noch einmal gesprochen werden wird.
Würden Sie mir wenigstens in den Fällen zustimmen und um Abhilfe bemüht sein, Herr Staatssekretär, wo das Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten schon im Januar gelöst wird, ohne daß ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung erhoben wird, und würden Sie mir darin zustimmen, daß in diesen Fällen der Verlust unzumutbar ist?
Herr Abgeordneter, wir werden uns bemühen. Ich muß aber noch einmal sagen: bisher sind die Fachleute der Ansicht, daß es außerordentlich schwer ist, Ihrem Anliegen zu entsprechen, weil sonst die Verwaltung wieder in besonderem Maße beansprucht würde. Das wichtigste - so war gestern der Eindruck im Ausschuß - ist, daß schnell gezahlt wird und das unter bewußter Inkaufnahme einiger Ungerechtigkeiten.
Schnell und gut und richtig!, würde ich auch sagen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammenhang fragen, ob die Bundesregierung eine Möglichkeit sieht, ihre Vorstellungen bezüglich einer Anhebung der Arbeitslosengeldsätze noch bis zum 1. April durchzusetzen?
Herr Abgeordneter, die Frage kann allein dieses Hohe Haus beantworten.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie überhaupt eine Aussicht sehen, eine Einigung innerhalb der Regierungsfraktionen in dieser Richtung zu erreichen?
Oh, Herr Abgeordneter! Eine Aussicht sehe ich, ich habe sogar die Hoffnung!
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zunächst die Frage V/1 des Herrn Abgeordneten Rehs:
Ist die Bundesregierung bereit, Ermittlungen über das Schicksal der fünf ostpreußischen Frauen anzustellen, die nach der in der Wochenzeitschrift „Die Zeit" vom 6. Januar unter der Überschrift „Die tapferen Frauen von Königsberg" veröffentlichten Darstellung des amerikanischen Germanisten Prof. Bernhard Blume in San Diego/Kalifornien im Jahre 1942 Opfer der nationalsozialistischen Terrorjustiz geworden sind, weil sie jüdische Kinder 18 Monate bei sich versteckt hatten, um sie vor dem Abtransport in Vernichtungslager zu schützen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Herr Kollege Rehs, Sie fragen nach Ermittlungen aus dem Jahre 1942. Dieser Ausdruck „Ermittlungen" hat mir wahrscheinlich das Vergnügen eingetragen, Ihre Frage beantworten zu sollen, obwohl es sich in keiner Weise um Ermittlungen in irgendeinem rechtsförmlichen Sinn handelt. Sie wollen vielmehr einen historischen Vorgang so festgehalten wissen, daß er nicht in Vergessenheit gerät. Ich bin der Meinung, daß das in erster Linie eine Sache des Innenministeriums sein wird, und ich weiß auch, daß das Innenministerium bereit ist, sich der Feststellung solcher historischer Vorgänge opferbereiter Hilfe von Königsberger Frauen zugunsten jüdischer Kinder zuzuwenden. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung ist grundsätzlich sehr daran interessiert, derartige historische Vorgänge festzuhalten.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs.
Herr Bundesjustizminister, ich bin mit Ihnen einig hinsichtlich des Terminus „Ermittlungen". Darf ich annehmen, daß auch Sie .den Artikel in der „Zeit" gelesen haben, in dem von dem amerikanischen Professor Blume die Anregung ausgesprochen war, doch eventuell zu prüfen, ob nicht ein Assessor abgestellt werden könnte, der die Justizakten der von der nationalsozialistischen Justiz wegen ähnlicher Fälle Verurteilten daraufhin durchsehen könnte, ob und wie diesen Opfern jener Justiz nachträglich Gerechtigkeit zuteil werden kann?
Den soeben erwähnten Artikel, Herr Abgeordneter, kenne ich. Akten historisch auszuwerten - auch Justizakten historisch auszuwerten -, ist aber nicht primäre Aufgabe des Justizministeriums, sondern aller der Stellen, die an historischen Feststellungen beteiligt und interessiert sind. Ich muß deshalb noch einmal darauf hinweisen, daß dies das Bundesinnenministerium angehen wird.
Sie sind also nicht der Auffassung, daß eine justizielle Auswertung in dieser Hinsicht geboten ist?
Eine justizielle Auswertung ist nicht geboten. Hier ist nichts mehr zu entscheiden, sondern nur etwas erinnerungsmäßig festzuhalten.
Wir kommen dann zu der Frage V/2 des Herrn Abgeordneten Rehs:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um über die Fälle der in Frage V/1 erwähnten ostpreußischen Frauen hinaus dem grundsätzlichen Hinweis des Prof. Blume durch eine dokumentarische Feststellung zu entsprechen?
Zu der zweiten Frage kann ich nur wiederholen, daß die Bundesregierung selbstverständlich daran interessiert ist, derartige Vorgänge historisch festzuhalten und ihnen 'deshalb auch nachzugehen, um sie im vollen Tatbestand zu erkennen.
Darf ich insoweit - unter Bezugnahme auf Ihre vorherige Mitteilung, daß nach Ihrer Meinung der Innenminister zuständig und offenbar
auch bereit sei - nur fragen: Können Sie sagen, daß in dieser Hinsicht von dem Herrn Innenminister bereits etwas eingeleitet worden ist?
Ich weiß nur um seine Bereitwilligkeit. Was er in dieser Richtung bereits getan hat, ist mir nicht bekannt.
Ich rufe die Frage V/3 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf:
Wann legt die Bundesregierung einen Entwurf eines Gesetzes für die dringend notwendige Reform des Unehelichenrechts vor?
Frau Kollegin, im Mai vorigen Jahres ist ein Referentenentwurf für das Gesetz über die Rechtsstellung des unehelichen Kindes gefertigt worden, der dann wie üblich allen interessierten Stellen und anderen Ressorts zu einer Stellungnahme zugeleitet worden ist. Es wurde gebeten, daß diese Stellungnahmen bis November vergangenen . Jahres eingehen sollten. Wichtige Teile dieser Stellungnahmen sind aber erst verspätet gekommen, teilweise erst in den allerletzten Tagen. Im Bundesjustizministerium wird an der Überprüfung aller dieser Stellungnahmen beschleunigt gearbeitet, um einen Regierungsentwurf so bald wie möglich vorlegen zu können. Einen präzisen Zeitpunkt hierfür kann ich Ihnen im Augenblick nicht nennen.
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Bundesminister, ich habe Verständnis dafür, daß Sie keinen präzisen Zeitpunkt nennen können. Aber können Sie wenigstens einen ungefähren Zeitpunkt nennen?
Frau Kollegin, ich nenne auch keinen ungefähren Zeitpunkt. Ich teile Ihre Unzufriedenheit darüber, daß das nicht möglich ist. Aber wollen Sie bitte bedenken, daß in der Zeit seit der Bundestagswahl 1961 nicht weniger als zwei Herren Ihrer Fraktion das Bundesjustizministerium 31/2 Jahre regiert haben, während ich erst seit zwei Monaten im Amt bin. Ich konnte also nicht mehr leisten, als meine Vorgänger an Vorarbeit hinterlassen haben.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Justizminister, nachdem in der jetzigen Legislaturperiode kein Freier Demokrat mehr Justizminister war, darf ich folgende ergänzende Frage stellen. Sie haben darauf hingewiesen, daß zahlreiche Stellungnahmen erst jetzt vorgelegt worden sind. Gehen diese Stellungnahmen und vielleicht auch die Auffassung der jetzigen Bundesregierung dahin, daß der Referentenentwurf erhebliche Abänderungen erfahren sollte?
Der Referentenentwurf vom Mai vergangenen Jahres wird in der Tat wesentliche Änderungen erfahren.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage X/1 des Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß nach erfolgtem Ausbau der B 400 bis Rheinböllen und dem Bau über die Mosel bei Winningen auch für das Verbindungsstück zwischen beiden Ausbauteilen der B 400 mit einer starken Zunahme des Verkehrs zu rechnen ist, die auf den schmalen und kurvenreichen Straßen im Bereich Pfalzfeld sich nachteilig auswirken muß und daß daher auf Grund dieser Auffassung eine nochmalige Überprüfung der Neubauplanung erfolgen sollte?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 3. Februar 1967 lautet:
Es ist richtig, daß für 3 bis 4 Jahre zwischen 1971 und 1974 der Verkehr auf der B 327 und den Landesstraßen zwischen Pfaffenheck und Rheinböllen, den beiden Endpunkten der nördlich und südlich gelegenen, bis 1971 voraussichtlich fertiggestellten Streckenabschnitte der BAB-Neubaustrecke Krefeld-Ludwigshafen ({0}), zunehmen wird. Die Verkehrsbelastung wird m. E. jedoch nicht so stark sein, daß die vorhandene zweispurige über Pfalzfeld führende Straße sie nicht vorübergehend aufnehmen könnte. Ein Vorziehen des für 1970 vorgesehenen Baubeginns auf dem Streckenabschnitt der BAB-Neubaustrecke zwischen Pfaffenheck und Rheinböllen ist nach dem Stand der Planungs- und Vorbereitungsarbeiten und aus finanziellen Gründen nicht möglich.
Ich rufe die Frage X/2 des Abgeordneten Ramms auf:
Wieviel Kilometer stillgelegte Eisenbahnstrecken, die in Zukunft wahrscheinlich nicht wieder betrieben werden, gibt es z. Z. im Bundesgebiet?
Ich bitte um die Erlaubnis, die Fragen X/2 und VII/7 des Herrn Abgeordneten Ramms gemeinsam beantworten zu dürfen. Sie gehören zusammen.
Der Herr Abgeordnete Ramms ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage VII/7 auf:
Wie hoch wäre ungefähr der Verkehrswert des betreffenden Geländes der stillgelegten Eisenbahnstrecken, soweit es im Besitz der Deutschen Bundesbahn ist, bei Veräußerung beispielsweise für den Straßenbau zu veranschlagen?
Im Bundesgebiet wurden seit Kriegsende rund 2700 km Eisenbahnstrecken stillgelegt. Davon entfallen auf Strecken der Deutschen Bundesbahn rund 900 km.
Brauchbare Angaben über den Verkehrswert dieser Flächen sind leider nicht zu machen. Die Möglichkeit einer Verwertung des Planums dieser Strekken, also des Oberbaus nach Abnahme der Gleise, für den Straßenbau wird aber in jedem Einzelfall von der Deutschen Bundesbahn und dem beteiligten Straßenbaulastträger geprüft. Die Trassen eignen sich jedoch nur in den wenigsten Fällen für Straßenbauzwecke.
Zu einer Zusatzfrage Herr Ramms.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Trassen in vielen Fällen dringend gebraucht werden, um Umgehungsstraßen zu bauen, damit die Engpässe in den Ortschaften entlastet werden?
Herr Abgeordneter, mir sind solche Fälle in den letzten Jahren wiederholt vorgetragen worden, aber leider stets mit einem negativen Ergebnis. Es hat sich herausgestellt, daß eine Verwertung der Trassen für den Straßenbau nicht möglich ist, und zwar teilweise wegen der Beschränkung des Planums. Es handelt sich bei den stillgelegten Strecken in der Regel um eingleisige Nebenbahnen, und das Planum einer eingleisigen Strecke reicht für eine Straße nicht aus. Teilweise war die Unmöglichkeit der Verwertung für den Straßenbau in der Linienführung begründet. Aber wenn Sie eine bestimmte Strecke im Auge haben, bin ich gern bereit, diesen Fall zu prüfen oder nachprüfen zu lassen.
Noch eine Zusatzfrage.
Darf ich Sie auf die Umgehungsstraße Schermbeck - B 58 - aufmerksam machen. Es handelt sich um die stillgelegte Strecke von Wesel nach Haltern.
Ich werde diese Frage nachprüfen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind von der Bundesregierung Überlegungen dahin angestellt worden, einige stillgelegte Zubringerstrecken zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Anlieger an private Verkehrsunternehmen abzugeben?
Auch diese Frage wird in jedem Einzelfall geprüft.
Dann' eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, sind unter den zur Stillegung vorgesehenen bzw. stillgelegten Eisenbahnstrecken auch in Zonengrenzgebieten befindliche Strecken enthalten?
Es können auch Strecken im Zonenrandgebiet unter Umständen stillgelegt werden, wenn mit dieser Stillegung eine Verbesserung der Verkehrsbedienung des fraglichen Bezirks mit Sicherheit verbunden ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Worten entnehmen, daß Stillegungen im Zonengrenzraum vorher ganz besonders geprüft werden?
Ja.
Wir kommen zu der Frage VII/8 des Herrn Abgeordneten Ramms:
Wie hoch war 1966 das Defizit im Omnibusbetrieb der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost?
Die Wirtschaftsergebnisse für den Omnibusverkehr der beiden Bundesverkehrsanstalten für das Jahr 1966 liegen noch nicht vor; sie werden sich voraussichtlich im Rahmen der Vorjahre halten. Für das Jahr 1965 schloß die Wirtschaftsrechnung des Bahnbusverkehrs mit einem Gewinn von 20,5 Millionen DM ab; der Postreisedienst hingegen hatte 1965 einen Verlust von 81,5 Millionen DM aufzuweisen.
Ich muß aber sofort und nachdrücklich darauf aufmerksam machen, daß es nicht möglich ist, diese beiden Zahlen ohne Vorbehalte miteinander zu vergleichen. Die Abrechnungssysteme bei Bahn und Post sind verschieden, und auch die Aufgabenbereiche der beiden Dienste sind zum Teil sehr unterschiedlich.
Zusatzfrage, Herr Ramms.
Werden Überlegungen angestellt, ob die beiden Anstalten zusammengelegt werden können?
Die Bundesregierung hat bereits vor einigen Monaten die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG beauftragt, sich gutachtlich zu der Frage zu äußern, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Omnibusbetrieb der Bundespost und der Bundesbahn bestehen. Dabei sollen insbesondere auch die Auswirkungen einer etwaigen Zusammenlegung der jetzt getrennt geführten Omnibusdienste untersucht werden. Mit der Fertigstellung des Gutachtens sollte ursprünglich bereits im April 1967 gerechnet werden können. Nach den letzten Mitteilungen wird aber eine kleine Verzögerung eintreten.
Zweite Zusatzfrage, Herr Ramms.
Wird die Bundesregierung dieses Gutachten den Mitgliedern des Verkehrsausschusses zur Verfügung stellen?
Wenn das gewünscht wird, selbstverständlich.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Darf ich in dem Zusammenhang fragen, ob die Meldungen stimmen, die dahingehend lauten, daß ein Teil der bereits durchgeführten Stillegungen sich als negativ bezüglich des Rationalisierungsprogramms der Bundesbahn erwiesen hat.
Mir sind solche Meldungen oder Berichte nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich da näher ins Bild setzten.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen solche Meldungen zuleiten und Sie bitten, sie dann zu überprüfen?
Ja, ich werde sie überprüfen.
Wir kommen zur Frage X/3 des Herrn Abgeordneten Schonhofen:
Sind die Befürchtungen der zuständigen kommunalen Stellen gerechtfertigt, daß die Deutsche Bundesbahn die Einstellung des Schienenpersonenverkehrs auf der Strecke Rahden-Sulingen ({0}) für die nahe Zukunft beabsichtigt?
Herr Abgeordneter, die Deutsche Bundesbahn muß sich einen Überblick über die Wirtschaftlichkeit ihrer Strecken verschaffen. Nach den Ergebnissen der hierfür erforderlichen Untersuchungen schlägt sie entsprechende Maßnahmen vor. In den mir zur Zeit vorliegenden beiden Stufenplänen ist ein Vorschlag der Deutschen Bundesbahn zur Einstellung des Schienenreiseverkehrs auf der Strecke Randen-Sulingen jedoch nicht enthalten. Ich glaube deshalb, Ihre Frage mit einem schlichten Nein beantworten 211 können.
Frage X/4 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) :
Teilt die Bundesregierung auch weiterhin die in der 64. Sitzung des 2. Bundestages vom damaligen Bundesverkehrsminister, Dr.-Ing. Seebohm, vertretene Auffassung, daß Raststätten an den Bundesautobahnen grundsätzlich an Angehörige des Gaststätten- und Hotelgewerbes verpachtet werden sollen und nicht unter Staatsregie geführt werden sollen?
Von den zur Zeit vorhandenen 112 Raststätten an den Bundesautobahnen sind 107 Betriebe an Angehörige des Gaststättengewerbes verpachtet. Fünf Betriebe werden von der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen in Eigenbewirtschaftung geführt. Die Bundesregierung teilt auch weiterhin die mit dieser Einschränkung von dem damaligen Bundesminister für Verkehr in der 64. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vertretene Auffassung, daß die Raststätten an den Bundesautobahnen grundsätzlich an Angehörige des Gaststättengewerbes verpachtet werden sollen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Welche Gründe liegen dafür vor, daß fünf Betriebe in Staatsregie geführt werden?
Herr Abgeordneter, die Gesellschaft für Nebenbetriebe hat ein verständliches und legitimes Interesse daran, sich einen unmittelbaren Einblick in die Wirtschaftlichkeit und die Führung der Raststätten zu verschaffen. Sie wissen, daß mein Minister und mein Haus im Rahmen der Fragestunde und bei sonstiger Gelegenheit auf angebliche oder tatsächliche Mißstände in einzelnen Raststättenbetrieben aufmerksam gemacht worden sind. Ich glaube, daß die Verantwortung dafür erleichtert wird, wenn die Gesellschaft für Nebenbetriebe einige Betriebe unmittelbar bewirtschaftet und so einen unmittelbaren Eindruck bekommt.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, sind die Bundesregierung und Ihr Haus der Meinung, daß diese Prüfung, diese Kontrolle oder diese Möglichkeit, die Dinge etwas näher zu beobachten, ausgerechnet in Bayern notwendig ist, da vier von diesen fünf Betrieben an bayerischen Autobahnen liegen?
Herr Abgeordneter, das hat historische Gründe. Diese vier Betriebe gehören zu den Betrieben, die in Bayern bis zum Jahre 1956 in staatlicher Regie geführt worden sind. Alle anderen Betriebe sind jeweils sofort an Privatpächter übergeben worden, soweit sie von der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen übernommen wurden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein betriebswirtschaftlicher Vergleich
zwischen Regiebetrieben und Betrieben, die von freien Unternehmern geführt werden, unter keinen Umständen möglich ist, weil beim Regiebetrieb die Antriebskraft des Eigeninteresses des freien Unternehmers, das unternehmerische Handeln, fehlt?
Natürlich muß, Herr Abgeordneter, bei einem Vergleich dieser Gesichtspunkt berücksichtigt werden.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Stimmen Sie mir dann darin zu, Herr Staatssekretär, daß die von Ihnen als Grund angegebenen Vergleichsmöglichkeiten, beispielsweise im Ertrag, durch die Aufrechterhaltung von Regiebetrieben überhaupt nicht gegeben sind?
Herr Abgeordneter, ich habe nicht von Vergleichsmöglichkeiten im Ertrag gesprochen, sondern von Vergleichsmöglichkeiten in der Betriebsführung, wie sie dann in den verlangten Preisen zum Ausdruck kommen. Der Gesellschaft für Nebenbetriebe ist es leichter möglich, festzustellen, ob eine Beschwerde über den Preis der Speisen und Getränke angemessen ist, wenn sie selbst Erfahrungen hat, wie hoch die Gestehungskosten sind.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zu der Frage X/5 des Abgeordneten Jung:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, inwieweit das Flugsicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland nach dem Beispiel der US-Flugsicherung - auch hinsichtlich der Kompetenzen - umgestaltet werden kann?
Für die Durchführung der Flugsicherung in der Bundesrepublik ist im unteren Luftraum bis zu einer Höhe von 8000 m die Bundesanstalt für Flugsicherung und im oberen Luftraum über 8000 m die Organisation Eurocontrol zuständig. Grundlage für diese Zuständigkeit sind das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. März 1953 und das Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherheit der Luftfahrt ({0}) vom 14. Dezember 1962.
Die Bundesregierung hat mit dem Bericht über den Stand der zivilen Flugsicherung, Bundestagsdrucksache V/493, den Bundestag über die langfristige Planung der Flugsicherung, wie sie vom Bundeskabinett am 30. Juni 1965 beschlossen worden ist, unterrichtet. Diese Planung sieht vor, daß sich die Bundeswehr in Zukunft im wesentlichen auf die Flugplatz- und örtliche Anflugkontrolle auf Fliegerhorsten beschränkt. Damit wird in Zukunft die deutsche Flugsicherung der US-Flugsicherung nahezu angeglichen sein.
Im oberen Luftraum ist eine vollständige Integration der Flugsicherung auf Grund des Übereinkommens Eurocontrol nicht möglich. Die Organisation Eurocontrol ist nur für die Flugsicherung des allgemeinen Luftverkehrs zuständig. Für die Kontrolle des operativen Luftverkehrs sind militärische Radarkontrollzentralen verantwortlich, die mit den Flugsicherungszentralen der Organisation Eurocontrol allerdings eng zusammenarbeiten.
Keine Zusatzfrage.
Dann die zweite Frage des Abgeordneten Jung, die Frage X/6:
Wann ist mit dem endgültigen Ausbau des LV-Systems für Flugsicherungszwecke über 25 006 ft. ({0}) zu rechnen?
Die Benutzung des sogenannten LV-Systems - des Luftverteidigungssystems - für Flugsicherungszwecke ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Die Bundeswehr benutzt jedoch heute einzelne Einrichtungen des LV-Systems für ihre Radarkontrollzentralen. Die Bundeswehr wird diese Einrichtungen bis 1969 weiter ausbauen.
Keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung? - Dann kommen wir zu der Frage X/7 des Herrn Abgeordneten Flämig:
Liegt es am Mangel entsprechender gesetzlicher Bestimmungen bzw. polizeilicher Kontrollen oder am Unvermögen der einschlägigen deutschen Industrie, leise laufende Hilfsmotore zu entwickeln, so daß Fahrräder mit Hilfsmotoren und Mopeds sich z. B. in Frankreich fast durchweg mit dem lispelnden Geräusch großer Straßenkreuzer fortbewegen, während derartige Kleinstfahrzeuge in der Bundesrepublik bei gleicher Geschwindigkeit nicht selten den Lärm von Rennmotorrädern entwickeln?
Herr Abgeordneter, nach den Bestimmungen der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung dürfen Fahrräder mit Hilfsmotor in ihrer Geräuschentwicklung bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Diese Grenzwerte betragen 70 bzw. 73 Dezibel und liegen erheblich unter denen anderer Fahrzeugarten. Für Personenkraftwagen sind beispielsweise 80 Dezibel als Grenzwert zugelassen.
Die Fahrräder mit Hilfsmotor deutscher Fertigung entsprechen hinsichtlich ihrer Geräuschdämpfung denen anderer Länder, wenn mari sie mit Fahrzeugen gleicher zulässiger Höchstgeschwindigkeit vergleicht.
Die im Verkehr festgestellten Überschreitungen der zugelassenen Lärmgrenzen sind vielfach auf unzulässige Veränderungen des Fahrzeugs- zurückzuführen, oder sie beruhen auf einer unvernünftigen
Fahrweise. Diesen Mißbräuchen kann nur durch polizeiliche Kontrollen entgegengetreten werden. Das Bundesverkehrsministerium ist in dieser Hinsicht wiederholt bei den obersten Landesbehörden vorstellig geworden.
Zusatzfrage, Herr Flämig.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen bekannt, daß es der Polizei oft große Schwierigkeiten bereitet, bei Gerichtsverhandlungen nachzuweisen, daß eine Geschwindigkeit oder eine Phonstärke überschritten wurde, weil es an entsprechenden von den Gerichten anerkannten schreibenden Phonmeßgeräten usw. fehlt?
Das ist bekannt, Herr Abgeordneter. Es wird eine Frage der weiteren Ausrüstung der Polizei mit diesen Meßgeräten sein, um diesem Übelstand abzuhelfen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Flämig.
Herr Staatssekretär, könnte von seiten der Bundesregierung auf die zuständigen Landesregierungen und ihre Polizeiorgane dahin gehend eingewirkt werden, daß man häufiger und sorgfältiger als bisher kontrolliert, ob nicht die sogenannten Mopedknatterprotze die von der Industrie in den Auspuffrohren angebrachten Schalldämpfer beschädigen oder wirkungslos machen, und zwar aus der Sucht, anzugeben und möglichst geräuschvoll durch die Straßen zu fahren?
Herr Abgeordneter, diese Frage ist, wie ich bereits gesagt habe, wiederholt Gegenstand von Verhandlungen und Ersuchen unseres Hauses an die obersten Landesbehörden gewesen. Ich werde aber Ihre Frage in der heutigen Fragestunde zum Anlaß nehmen, bei der nächsten Konferenz mit den zuständigen Behörden der Länder auf diese Spezialfrage erneut zurückzukommen.
Wir kommen zu den Fragen X/8 bis X/10 des Herrn Abgeordneten Kubitza:
Sind der Bundesregierung Zeitungsberichte aus Frankreich bekannt, wonach dort über und unter den Eisenbahngleisen künftige Verkehrsbauten ({0}) errichtet werden können?
Welche Ansicht vertritt die Bundesregierung in bezug auf derartige in Frage X/8 erwähnte Möglichkeiten auch bei uns hier in der Bundesrepublik Deutschland?
Ist die Bundesregierung bereit, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn Richtlinien zu erarbeiten, nach denen es den Städten und Gemeinden sowie Privatgesellschaften ermöglicht wird, über oder unter dem Bahnkörper Hoch- oder Tiefgaragen zu errichten?
Ist Herr Kubitza im Saal? - Bitte, Herr Staatssekretär!
Wenn der Herr Abgeordnete es gestattet, möchte ich die drei Fragen gemeinsam beantworten.
Der Herr Abgeordnete ist einverstanden. Bitte, Herr Staatssekretär!
Wenn mir auch die von Ihnen genannten französischen Zeitungsberichte nicht bekannt sind, Herr Abgeordneter, so kann ich doch versichern, daß von meinem Hause die Bestrebungen, das meist wertvolle Gelände im Bereich der Bahnanlagen mehrschichtig zu nutzen, mit Interesse verfolgt werden. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es bereits Vorschläge für derartige Projekte. Die Deutsche Bundesbahn steht dabei den Überlegungen, Bauten über oder unter ihren Gleisanlagen zu errichten, aufgeschlossen gegenüber. Die in diesen Fällen auftretenden technischen und rechtlichen Fragen müssen dabei in enger Zusammenarbeit zwischen den unmittelbar Beteiligten von Fall zu Fall gelöst werden. Ein unmittelbarer Anlaß, seitens der Bundesregierung tätig zu werden, besteht deshalb nicht.
Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Brück!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, nachdem Sie die Frage des Herrn Kollegen Kubitza im Grundsatz bejaht haben, fragen, ob auch daran gedacht ist, bei Errichtung solcher Mehrzweckbauten dafür Sorge zu tragen, daß sie gegebenenfalls noch für einen anderen Zweck genutzt werden können, der im Zusammenhang mit einer Gesetzgebung steht, die wir demnächst erneut behandeln werden? Ich meine den Selbstschutz.
Das wird im Auge behalten, Herr Abgeordneter.
Wir kommen zu der Frage X/11 des Herrn Abgeordneten Fellermaier:
Sieht sich die Bundesregierung auf Grund der zunehmenden öffentlichen Kritik, zuletzt vom TÜV Bayern vorgetragen, an den Ausbildungsmethoden der Fahrschulen veranlaßt zu prüfen, ob die Fahrlehrerverordnung noch ausreichend ist?
Sie wird von Ihnen übernommen, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Darf ich die drei Fragen gemeinsam beantworten?
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch noch die Fragen X/12 und X/13 des Abgeordneten Fellermaier auf:
Will die Bundesregierung aus der Tatsache, daß immer mehr sogenannte Fahrlehrerinstitute und pädagogische Verkehrsinstitute eröffnet werden, irgendwelche Konsequenzen ziehen?
Ist die Bundesregierung bereit, den Gesamtkomplex der Fahrlehrerausbildung, die Frage der Ausbildungsstätten und ihre Ausbildungsmethoden und die Zulassung von Fahrlehrern und Fahrschulen durch ein Gesetz zu regeln?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Das Bundesministerium arbeitet zur Zeit gemeinsam mit Vertretern der obersten Landesbehörden an dem Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung des Fahrschulwesens. Dieses Fahrlehrergesetz soll die Fahrlehrerverordnung vom 23. Juli 1957 ablösen. Bei den Vorarbeiten zu diesem Gesetz wird die öffentliche Auseinandersetzung über das Fahrschulwesen aufmerksam verfolgt. Sie wird sogar vom Bundesverkehrsministerium gefördert. So hat auf seine Veranlassung die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände am 24. November 1966 in München ein Rundgespräch über dieses Thema veranstaltet, an dem führende Persönlichkeiten der Verkehrswissenschaft, Verkehrsgerichtsbarkeit, der Automobilklubs, der Technischen Überwachungsvereine und der Fahrlehrer selbst teilgenommen haben.
Es zeichnet sich ab, daß in Zukunft mehr von der Ausbildung der Führerscheinbewerber verlangt werden muß als bisher. Sie soll nicht nur für die Prüfung vorbereiten, sondern z. B. auch die typischen Gefahren des Straßenverkehrs aufzeigen und deutlich machen, wie diesen Gefahren begegnet werden kann. Außerdem ist beabsichtigt, die Ausbildung der Fahrlehrer selbst gesetzlich zu regeln und die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis und Fahrschulerlaubnis zu verschärfen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, ist mit dem Erlaß dieses Gesetzes bald zu rechnen?
Herr Abgeordneter, wir hoffen, den Gesetzentwurf nach den großen Ferien, also im Herbst, dem Parlament vorlegen zu können.
Dann rufe ich auf die Frage des Herrn Abgeordneten Biechele, Frage X/14:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die bestehenden Verkehrsverhältnisse im Bereich der Klosterkirche Birnau ({0}) bei der Ein- und Ausfahrt im Bereich der B 31 immer wieder und dies seit Jahren zu schweren Verkehrsunfällen führen?
Ich möchte auf die beiden Fragen eine zusammenhängende Antwort geben.
Herr Abgeordneter Biechele ist einverstanden. Ich rufe also die Frage X/15 auch auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob zur Abwehr der größten Gefahren der in Frage X/14 erwähnten Situation vorlaufige Lösungen noch vor der Reisesaison 1967 verwirklicht werden können?
Eine Rückfrage bei der Auftragsverwaltung 'des Landes Baden-Württemberg hat bestätigt, daß sich auf der Bundesstraße 31 an 'der Abzweigung eines zum Kloster Birnau führenden Gemeindeweges in den vergangenen Jahren tatsächlich mehrere Verkehrsunfälle ereignet haben. Meinem Hause war hierüber bisher nicht berichtet worden. Nach den mir jetzt vorliegenden Mitteilungen sind die Unfallursachen in erster Linie auf die zu große Steigung des einmündenden Gemeindeweges und das damit in Zusammenhang stehende langsame Einbiegen der Fahrzeuge in die Bundesstraße zurückzuführen. Entsprechende Untersuchungen zur Beseitigung der Gefahrenstelle sind nach dem Bericht der Auftragsverwaltung bereits seit geraumer Zeit im Gange. Sie werden jedoch wahrscheinlich erst im Sommer dieses Jahres abgeschlossen werden können. Da die notwendigen baulichen Maßnahmen zudem recht erhebliche Kosten verursachen werden, dürfte die Inangriffnahme der Arbeiten nicht vor 1968 möglich sein, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biechele.
Herr Staatssekretär, würden 'Sie nicht bereit sein, noch einmal zu. prüfen, ob die Lösung dieser Verkehrsschwierigkeiten zeitiger in Angriff genommen werden kann, nachdem seit drei Jahren dieses Problem angeblich einer schnellen Lösung zugeführt werden soll?
Herr Abgeordneter, zu der letzten Frage: Ich kann nur wiederholen, daß wir von der Vordringlichkeit erst jetzt durch diese Rückfrage Kenntnis erhalten haben.
Zur Sache selbst stelle ich aus 'den Berichten fest, daß sich die Auftragsverwaltung zur Zeit noch nicht schlüssig ist, welches von zwei vorgesehenen Projekten zur Verbesserung des Zustandes ausgewählt werden soll. Wahrscheinlich und hoffentlich wird man sich zu einer grundlegenden Entscheidung durchringen, deren Durchführung aber immerhin einen Aufwand von rund einer Million DM erfordern wird. Also die Vorziehung des Projekts scheitert im Augenblick schon an dem Mangel der planerischen Grundlagen; sie sind noch nicht abgeschlossen. Es würde auch sehr schwer sein, nachträglich noch eine Million DM zusätzlich in diesen Haushalt einzuplanen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biechele.
Herr Staatssekretär, würde os nicht möglich sein, um die größten Unfallgefahren für die Reisesaison dort abzuwehren, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der B 31 im Bereich der Klosterkirche Birnau vorzusehen?
Das wäre durchaus möglich. Es ist aber Sache des Landes, für diese Geschwindigkeitsbegrenzung zu sorgen.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, Fragen VI/7 und VI/8 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Trifft es zu, daß mit den Zollnummern an Kraftfahrzeugen häufig Mißbrauch getrieben wird?
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Feststellung, daß 1966 in München in fünf Monaten anläßlich einer systematischen Überwachung der mit Zollnummern versehenen Autos in 45 Fällen der Steuernachweis, bei 40 die Zulassung, bei 27 die Versicherung und in 11 Fällen der Führerschein fehlte?
Darf ich die Fragen VI/7 und VI/8 gemeinsam beantworten, Herr Präsident?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die geltende Regelung über Zollkennzeichen geht auf das Internationale Abkommen über Kraftfahrzeugverkehr vom 24. April 1926 zurück und ist in der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr vom 12. November 1934 enthalten. Sie ist reformbedürftig, nicht zuletzt, weil tatsächlich Mißbräuche vorgekommen sind. Die Überarbeitung der Verordnung ist eingeleitet; ihr Abschluß hängt aber von der Fertigstellung des neuen Weltabkommens der Vereinten Nationen über den Straßenverkehr ab. Es ist beabsichtigt, den Entwurf dieses Abkommens im Frühjahr 1968 auf einer Weltkonferenz zu verabschieden. Die Neuregelung im nationalen Bereich strebt an, künftig Mißbrauchsfälle weitgehend auszuschließen. Auf der anderen Seite wird sie aber auch dem Interesse an einem möglichst reibungslosen zwischenstaatlichen Kraftfahrzeugverkehr Rechnung tragen müssen. Die in München durchgeführte schwerpunktmäßige Überwachung der Kraftfahrzeuge mit Zollnummern habe ich sehr begrüßt; sie entspricht einer Bitte meines Ministers an die Landesbehörden.
Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Fahrer mit Zollnummern an ihren Wagen von behördlicher Seite nicht so stark geprüft werden, weil die Gefahr besteht, daß diese Fahrer ihre Wagen dann im Ausland und nicht in Deutschland kaufen?
Ich glaube nicht, daß das ein Motiv sein könnte. Wir sind den Gründen nachgegangen und haben festgestellt, daß die meisten Mißbräuche dadurch geschehen, daß Wagen, die ins Ausland überführt werden sollen, von der einjährigen Geltungsdauer des Zollzeichens Gebrauch machen und noch große Rundfahrten durch Deutschland unternehmen, während daran gedacht war, daß diese Zollzeichen nur für die Überführung in die Heimat gelten sollen.
Zusatzfrage, Herr Strohmayr.
Herr Staatssekretär, würden Sie wenigstens jetzt dafür sorgen, daß die Wagen versichert bleiben und daß es nicht so ist, daß die Wagen nur für 14 Tage bei der Versicherung angemeldet und trotzdem ein ganzes Jahr gefahren werden?
Herr Abgeordneter, ich will gern prüfen, ob sich das technisch und rechtlich in Kürze ermöglichen läßt.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich rufe zunächst die Frage XI/1 der Abgeordneten Frau Blohm auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die im Bundesgebiet aus eigener Initiative der Kassenärzte zunehmend eingerichteten Arzt-Ruf-Zentralen in der Erfüllung ihres Zweckes dadurch stark behindert werden, daß die zur Verfügung gestellten Telefonnummern nicht nur im Bundesgebiet, sondern selbst in den Landesteilen weder einprägsam noch einheitlich gestaltet sind?
Herr Präsident, ich darf mit dem gütigen Einverständnis der Frau Abgeordneten die beiden Fragen gemeinsam beantworten?
Ja, bitte! - Ich rufe dann auch noch die Frage XI/2 der Abgeordneten Frau Blohm auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, zur Unterstutzung einer reibungslosen Tätigkeit der Arzt-Ruf-Zentralen und damit im Interesse der Bevölkerung bundeseinheitliche Telefonnummern zum nächstmöglichen Termin zur Verfügung zu stellen?
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Arzt-RufZentralen durch die zur Verfügung gestellten Telefonnummern stark behindert werden. Bekannt ist lediglich, daß die Arzt-Ruf-Zentrale in Köln kürzlich eine leicht einprägsame kurze Rufnummer gewünscht hat.
Der Bundesregierung ist es aus technischen Gründen nicht möglich, den Arzt-Ruf-Zentralen bundeseinheitliche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hält es für die beste Lösung des Problems, wenn sich die Arzt-Ruf-Zentralen mit Polizei oder Feuerwehr dahingehend einigen könnten, daß auch Anrufe unter einer der bekannten Notrufnummern 110 oder 112 entgegengenommen würden. Sonst bleibt nur übrig, den Arzt-Ruf-Zentralen möglichst leicht einprägsame Rufnummern zu geben. Hierzu sind die Dienststellen der Deutschen Bundespost angewiesen.
Im übrigen darf ich auf meine Antwort in der Fragestunde der 54. Sitzung vom 1. Juli 1966 dieses Hauses hinweisen, in der ich eine Frage des Herrn
Abgeordneten Dorn in der gleichen Sache ausführlich beantwortet habe.
Keine Zusatzfrage. - Die Frage IX/3 des Herrn Abgeordneten Moersch ist schon anderweitig erledigt.
Dann rufe ich die Frage XI/4 des Herrn Abgeordneten Schultz ({0}) auf:
Welche Maßnahmen gedenkt das Bundespostministerium zu ergreifen, um die Postkunden in wirksamer Weise auf die in dar Fragestunde vom 25. Januar 1967 aufgezeigte Gefahr hinzuweisen, daß bei Verwendung bestimmter Briefmarken für Sendungen nach Mitteldeutschland und den osteuropäischen Staaten Beschlagnahme oder Zurücksendung droht?
Ist Herr Schultz im Saale? - Er ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage XI/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Welche Maßnahmen sind getroffen, um den Empfang des
Zweiten Fernsehprogramms im Raum Oberwesel sicherzustellen?
Im Raum Oberwesel ist zur Fernsehversorgung der Orte Oberwesel, Damscheid und Niederburg mit dem Zweiten Programm die Errichtung eines Lükkenfüllsenders - Fernseh-Frequenzumsetzer - vorgesehen. Die Planung ist abgeschlossen; die Grundstücksverhandlungen sind im Gange. Unter der Voraussetzung, daß sich die Grundstücksverhandlungen und die Genehmigungsverfahren bei den Naturschutz- und Baubehörden nicht verzögern, kann mit der Inbetriebnahme der Fernseh-Frequenzumsetzeranlage voraussichtlich bis zum Sommer 1968 gerechnet werden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wird bei den Grundstückskäufen die Unterstützung der örtlichen Behörden, soweit diese dazu bereit sind, in Anspruch genommen werden?
In jedem Fall sind wir für eine entsprechende Unterstützung sehr, sehr dankbar, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Klepsch.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, dafür zu sorgen, daß eine bessere laufende Unterrichtung der örtlichen Instanzen erfolgt?
Sofern das wider Erwarten bislang nicht der Fall gewesen sein sollte, werden wir das selbstverständlich sehr gern tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, nachdem ich im letzten Jahr Ihren früheren Minister in gleicher Sache angeschrieben habe, fragen, ob sich hier gegenüber dem vergangenen Jahr die Lage etwas gebessert hat?
Dr. Steinmetz: Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen: Ich möchte sagen: ja.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, werden Sie sich also um den kürzesten Termin für die Erreichung des Zieles bemühen?
Uneingeschränkt ja.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau, und zwar zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell. Ich rufe zunächst die Frage XII/1 auf:
Wird die Bundesregierung das Gesetzgebungsvorhaben einer Gebäude- und Wohnungszählung im Jahre 1967/68 unter dem Gesichtspunkt der allseits für notwendig erachteten Sparmaßnahmen prüfen?
Der Abgeordnete ist im Saal. Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident,- wegen des Sachzusammenhangs bitte ich, die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten zusammen beantworten zu dürfen.
Der Abgeordnete ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage XII/2 des Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell auf:
Trifft es zu, daß die Gesamtkosten der in Frage XII/1 erwähnten Zählung nach dem ursprünglichen Erhebungsprogramm in Bund, Ländern und Gemeinden über 80 Millionen DM betragen würden?
Die Bundesregierung hat bereits sehr eingehend geprüft, wieweit bei dem Vorhaben der Gebäude- und Wohnungszählung der allseits schwierigen Finanzlage Rechnung getragen werden kann. Das ursprüngliche Erhebungsprogramm ist unter sorgfältiger Abwägung der wohnungs- und städtebaupolitischen Gesichtspunkte mit den haushalts- und finanzpolitischen Gesichtspunkten erheblich verkleinert worden. Dadurch vermindern sich bei Bund, Ländern und Gemeinden die insgesamt anfallenden Kosten um rund 40 %, nämlich von rund 100 Millionen auf 60 Millionen DM. Diese
Einsparung wird, das muß hinzugefügt werden, mit erheblichen Erkenntnisverlusten erkauft. Dies wird auch von der Bundesregierung bedauert. Angesichts der schwierigen Haushalts- und Finanzlage müssen jedoch auch bei der Wohnungszählung Einschränkungen hingenommen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wäre es nicht im Hinblick auf die Haushaltssituation besser, auf eine selbständige Gebäude- und Wohnungszählung jetzt zu verzichten und die geplante Erhebung in die Volks- und Berufszählung 1970 einzubeziehen?
Diese Frage ist von uns sehr eingehend geprüft worden. Wir befürchten dabei folgende Nachteile. Einmal würden die Ergebnisse aus der Zählung von 1970 voraussichtlich erst 1973 vorliegen. Außerdem wird wahrscheinlich damit zu rechnen sein, daß im Rahmen der großen Zählung das Erhebungsprogramm für die Wohnungszählung noch einmal Kürzungen unterliegen würde. Außerdem ist zu befürchten, daß die Zähler mit einer so großen Zählaufgabe überlastet sein würden.
Keine weitere Zusatzfrage hierzu. Dann rufe ich die Frage XII/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die den Gemeinden und Gemeindeverbänden entstehenden Kosten einer solchen in Frage XII/1 erwähnten Zählung zu übernehmen?
Auch die Gemeinden haben ein zum Teil erhebliches sachliches Interesse an den Ergebnissen der Wohnungszählung. Es kann ihnen daher zugemutet werden, wenigstens einen Teil der bei ihnen anfallenden Kosten selbst zu tragen. Für eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an den bei den Gemeinden entstehenden Zählungskosten bietet das Grundgesetz keinen Raum. Eine angemessene Kostenerstattung an die Gemeinden ist daher Sache der Länder. Ob den Ländern wegen der bei den Gemeinden entstehenden Aufwendungen Finanzzuweisungen des Bundes gewährt werden können, ist nach den Grundsätzen des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes zu entscheiden. Diese Frage wird zur Zeit noch zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung geprüft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, bin ich richtig unterrichtet, daß die Gemeinden im Jahre 1961 einen Zuschuß von 1,35 DM pro Einwohner erhalten haben?
Ich habe es nicht im Kopf. Soviel ich mich erinnere, haben die Gemeinden einen Teil dieses an die Länder gezahlten Betrages erhalten.
Noch eine Zusatzfrage.
Würden Sie erwägen, in diesem Falle wieder eine ähnliche Regelung Platz greifen zu lassen?
Ich bemühe mich, in den Verhandlungen mit den anderen Ressorts einen Bundesanteil zur Aufbringung dieser Kosten zur Verfügung zu stellen.
Die Fragen XII/4, XII/5 und XII/6 des Abgeordneten Müller ({0}) sind vom Fragesteller zurückgezogen. Die Fragen XII/7, XII/8 und XII/9 des Abgeordneten Wurbs sind ebenfalls vom Fragesteller zurückgezogen.
Fragen XII/10 und XII/11 des Abgeordneten Dr. Wörner:
Treffen Behauptungen in der Presse zu, daß die allgemein gehaltenen Bestimmungen des Wohngeldgesetzes sowie die mangelnden Ermittlungsbefugnisse der Behörden dazu führen, daß in vielen Fällen Wohngeld mißbräuchlich beantragt und bezahlt wird?
Welche Vorkehrungen gesetzlicher und organisatorischer Art gedenkt die Bundesregierung vorzuschlagen, um dem in Frage XII/10 Erwähnten in Zukunft vorzubeugen?
Der 'erwähnte Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" enthält eine Reihe von Beispielen, in denen Antragsteller in Nordrhein-Westfalen auf Grund falscher oder unvollständiger Angaben über ihre Einkommensverhältnisse Wohngeld erhalten haben, das ihnen nicht zusteht. Der Verfasser des Beitrags führt die Überzahlungen darauf zurück, daß die Bestimmungen des Wohngeldgesetzes nicht ausreichten, den Sachverhalt genügend aufzuklären und die mit der Einkommensermittlung zusammenhängenden Fragen lösen zu können. Den Umfang der behaupteten Überzahlungen nennt der Verfasser nicht.
Worauf die Überzahlungen zurückzuführen sind und ob tatsächlich Erschleichungen im großen Maßstab oder nur in Einzelfällen vorgekommen sind, kann ich daher noch nicht beurteilen. Um mir einen Überblick zu verschaffen, habe ich alle für 'die Durchführung des Wohngeldgesetzes zuständigen obersten Landesbehörden um Stellungnahme gebeten. Sobald mir diese Äußerungen vorliegen, werde ich zu prüfen haben, welche Gegenmaßnahmen erforderlich sind.
Ich bin aber gern bereit, im Bundestagsausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen über das Ergebnis meiner Nachprüfungen im einzelnen zu berichten.
Keine Zusatzfrage. - Frage XII/12 des Abgeordneten Dr. Wörner:
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, durch organisatorische Maßnahmen ({0}) den Verwaltungsaufwand bei der Wohngeldgewährung zu vermindern?
Für die Durchführung des Wohngeldgesetzes sind nach dem Grundgesetz die Länder zuständig, mithin auch für die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Senkung des Verwaltungsaufwandes. Gleichwohl ist die Bundesregierung bemüht, gemeinsam mit den Ländern Wege zu finden, durch die eine Verminderung des Verwaltungsaufwandes erreicht werden kann. Ich darf in diesem Zusammenhang insbesondere auf den ersten Wohngeldbericht der Bundesregierung verweisen. Dieser Bericht enthält eine Reihe derartiger Anregungen. Dazu gehört auch der Vorschlag, die Bewilligungstätigkeit auf weniger Bewilligungsstellen als bisher zu 'konzentrieren und in größerem Maße elektronische Datenverarbeitungsmaschinen einzusetzen.
Für 'die Verwirklichung dieser Vorschläge hat sich auch der Bundestagsausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung., Städtebau und Wohnungswesen bei der Beratung des ersten Wohngeldberichts eingesetzt. Ich werde mit den Ländern in dieser Frage in enger Fühlung bleiben.
Keine Zusatzfrage.
Wir wollen diesen Geschäftsbereich noch erledigen. Ich rufe deshalb die Fragen XII/13, XII/14 und XII/15 des Abgeordneten Baier auf:
Wie hoch schätzt der Bundeswohnungsbauminister die Zahl der Sozialwohnungen, deren Inhaber ein über die Grenze des § 25 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes hinausgehendes Einkommen haben?
Wie beurteilt der Bundeswohnungsbauminister die in den Niederlanden vorgesehene Regelung zur Einführung einer Ausgleichsabgabe für fehlbelegte Sozialwohnungen?
Welche Pläne hat der Bundeswohnungsbauminister, um der Fehlbelegung. der Sozialwohnungen entgegenzutreten?
Die genaue Zahl der fehlbelegten Sozialwohnungen ist nicht bekannt. Die früher vielfach in der öffentlichen Diskussion genannte Zahl von 300 000 fehlbelegten Sozialwohnungen ging auf mehr oder weniger grobe Schätzungen im Jahre 1963 zurück. Sie entsprach etwa 10 '°/o der seinerzeit vorhandenen 3 Millionen Sozialwohnungen.
Nach einer im letzten Jahr seitens der Unternehmensgruppe „Neue Heimat" in ihrem Bereich vorgenommenen Repräsentativerhebung über die Mieterstruktur waren etwa 25 % des Bestandes des Unternehmens an Sozialwohnungen fehlbelegt. Diese Erhebung bezog sich allerdings auf die Verhältnisse in Groß- und Mittelstädten, braucht also nicht für das ganze Bundesgebiet repräsentativ zu sein.
Immerhin muß davon ausgegangen werden, daß ein beträchtlicher Prozentsatz der nunmehr etwa 4 Millionen Sozialwohnungen fehlbelegt ist. Nähere Aufschlüsse sind aus der Auswertung der einprozentigen amtlichen Wohnungsstichprobe vom Herbst 1965 zu erwarten.
Zur zweiten Frage: Der in den Niederlanden vorbereitete Gesetzentwurf beinhaltet die Erhebung einer sogenannten Ausgleichsabgabe von allen besser verdienenden Mietern bestimmter Sozialwohnungen. Erfahrungen können naturgemäß noch nicht vorliegen, da der Gesetzentwurf noch nicht verabschiedet ist. Deshalb kann zur Zeit auch noch kein Urteil darüber abgegeben werden, ob den in den Niederlanden geplanten Maßnahmen ein Erfolg beschieden sein wird.
Zur dritten Frage: Herr Abgeordneter, nach übereinstimmender Auffassung aller Sachkenner handelt es sich hier um ein besonders schwieriges Problem. Ich muß offen zugeben, daß ich mir in meiner kurzen Amtszeit selbst noch kein abschließendes Urteil habe bilden können, wie man dieses Problem am besten lösen kann.
Mir ist bekannt, daß die Länder verschiedene Maßnahmen eingeleitet haben, um durch finanzielle Anreize einen freiwilligen Wohnungswechsel zu fördern. Sie haben damit auch gewisse Erfolge erzielt. Außerdem werden die bevorstehende Erhöhung der Zinsen für die älteren Sozialwohnungen und die damit verbundenen Mieterhöhungen dazu beitragen, der wünschenswerten Umschichtung etwas nachzuhelfen. Da die Inhaber von fehlbelegten Sozialwohnungen wegen ihres Einkommens kein Wohngeld erhalten können, sondern die höhere Miete selbst tragen müssen, kann damit gerechnet werden, daß vielleicht ein Teil von ihnen zum Auszug veranlaßt wird. Schließlich wäre auch die bereits vorhin erwähnte Ausgleichsabgabe als zusätzliche Maßnahme in Erwägung zu ziehen.
Ich bin mir darüber im klaren, daß alle diese Bemühungen noch nicht ausreichen werden. Ein Vorschlag, der eine wirklich befriedigende Lösung erbringen könnte, ist bisher - und darin stimmen wohl alle Sachkenner mit mir überein - noch von keiner Seite gemacht worden. Ich werde mich aber verstärkt dafür einsetzen, daß diese Fragen weiterhin bearbeitet und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die uns der Lösung dieses Problems näherbringen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Bundesminister, wird uns aus den von Ihnen dargelegten Gründen, aber auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und auch angesichts der Haushaltslage in Bund und Ländern, die es nämlich nicht vertretbar erscheinen läßt, daß in mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen Bezieher höherer Einkommen sitzen, während finanzschwache Personen hohe Mieten bezahlen müssen und dafür dann Wohngeld beantragen können, seitens der Bundesregierung - möglichst
in absehbarer Zeit - ein konkreter Vorschlag zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten gemacht werden?
Wir sollten uns darum wirklich ernstlich bemühen. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir im zuständigen Bundestagsausschuß darüber einmal eine Debatte haben könnten.
Noch eine Frage, Herr Baier.
Herr Bundesminister, können Sie mitteilen, ob und inwieweit durch das Wohnungsbindungsgesetz 1965 bei neugeschaffenen oder frei gewordenen öffentlich geförderten Sozialwohnungen bereits eine Verminderung der Fehlbelegung eingetreten ist?
Ich kann Ihnen darüber jetzt keine Auskunft geben, bin aber gern bereit, diese Frage schriftlich zu beantworten.
Die Fragestunde ist beendet. Die nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.
Wir kommen dann zunächst zur Behandlung der Zusatzpunkte. Ich rufe die Punkte 1 und 2 der Zusatztagesordnung auf:
1. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über die von der Bundesregierung beschlossene Sechsundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({1})
- Drucksachen V/1325, V/1365 -Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Krips
2. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({2}) über die von der Bundesregierung beschlossene Siebenundachtzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({3})
- Drucksachen V/1326, V/1366 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß.
Es handelt sich um Zollverordnungen. Ich frage, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Auch zur Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Wir können über die beiden Berichte gemeinsam abstimmen. Wer den Berichten des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen dann zum Zusatzpunkt 3:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses ({4}) über die von der Bundesregierung beschlossene Erste Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen
- Drucksachen V/1341, V/1379 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pohle dazu
Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/1380 Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Ich frage, ob einer der Berichterstatter das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall.
Zu einer Erklärung wünscht Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({6}) das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe als Vorsitzender des Finanzausschusses gestern meine Zustimmung zu dieser Verordnung nicht geben können. Ich habe das Bedürfnis, vor diesem Hohen Hause eine kurze Erklärung abzugeben, die meine Ablehnung motivieren soll.
Sie wissen, daß Sonderabschreibungen in diesem Hause 20 Jahre hindurch immer sehr umstritten waren. Insbesondere die linke Seite des Hauses hat oft dieses Mittel der Wirtschaftspolitik sehr doktrinär abgelehnt.
Man könnte steuerrechtliche Bedenken geltend machen, man könnte hier betriebswirtschaftliche Bedenken entfalten. Ich würde das alles zurückstellen; aber ich habe nicht den Eindruck, daß hier das rechte therapeutische Mittel in der rechten Diagnose eingesetzt wird. Wenn ich insbesondere daran denke, daß das vergangene Jahr mehr an Investitionen gebracht hat als das Jahr 1965 - das Jahr mit den höchsten Investitionen -, dann kann mich die Tatsache, daß in den letzten drei Monaten sicherlich eine starke Rückentwicklung zu verzeichnen ist, nicht dazu veranlassen, nunmehr so plötzlich dieses Mittel einzusetzen. Daß wir es so frühzeitig und so übereilt einsetzen, hängt meines Erachtens einfach damit zusammen, daß wir die wirtschaftliche Situation nicht gründlich genug und nicht richtig diagnostiziert haben.
Deshalb werde ich gegen die Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen stimmen. Ich hoffe, daß die Erörterungen des Jahresgutachtens in der übernächsten Woche Gelegenheit geben werden, zur wirtschaftlichen Situation Näheres zu sagen.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich auf Grund dieser Erklärung wenigstens eine kurze Bemerkung machen muß.
Herr Dr. Schmidt fühlte sich verpflichtet, hier zu sagen, daß wir aus doktrinärem Verhalten in der Vergangenheit gegen eine Erhöhung der Abschreibungssätze gewesen seien. Dazu darf ich folgendes sagen.
Die Diskussion ging immer darum, ob man nicht bewegliche Steuersätze einführen sollte, d. h. während eines Booms niedrigere Sätze und in einer Zeit der Rezession höhere Sätze anwenden sollte. Sie haben als damalige Regierungskoalition die Auffassung vertreten, daß der niedrigste jetzt vorhandene Satz das Äußerste sei, was man verantworten könne. Darüber gingen die Meinungen auseinander. Wir sind der Auffassung, daß im Zusammenhang mit dem Gesamtpaket der jetzt vorgesehenen Maßnahmen der höhere Satz erforderlich ist. Aus diesem Grunde stimmen wir der Erhöhung zu.
({0})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zweifelsohne kann man sich in diesem Hause darüber unterhalten, ob Abschreibungen ein geeignetes Mittel der Wirtschafts- und Finanzpolitik sind. Man könnte durchaus die Auffassung vertreten, daß Abschreibungen ein rein bilanztechnisches Mittel sind, um unabhängig von irgendwelchen politischen Erwägungen ¡die technische Abnutzung zu berücksichtigen.
Wenn aber in breiten Bereichen dieses Hauses immer wieder die Abschreibungen als ein Mittel der Politik angesehen worden sind - nicht zuletzt jetzt im Stabilitätsgesetz -, so ist es ein wenig unverständlich, Herr Kollege Dr. Schmidt, daß plötzlich ausgerechnet bei diesem 5-10 %igen Anreiz, der gegeben werden soll, systematische Bedenken geltend gemacht werden.
({0})
Ich bin im Gegensatz zu Herrn Kollegen Dr. Schmidt der Auffassung, daß nicht das Volumen ¡der Investitionen des vergangenen Jahres Ausgangspunkt unserer Überlegungen sein kann; denn wir wissen, daß wir eine fallende Quote hatten, die zu Beginn des Jahres 1966 noch sehr hoch, zu Ende 'des Jahres erheblich niedriger war. Ich meine vielmehr, alle Maßnahmen, die in die Zukunft gerichtet sein sollen, müssen von ,dem Auftragsvolumen ausgehen: denn das ist ja das, worauf sich die Wirtschaft in der Zukunft aufbaut. Und da wissen wir ja nun, daß das Auftragsvolumen in der Wirtschaft und insbesondere bei den Investitionsgütern so nachgelassen hat, daß es dort in manchen Bereichen der Wirtschaft zu einer Krise zu kommen droht. Von hier aus gesehen scheinen mir die Maßnahmen, durch ¡die im Investitionsgütersektor ein vorsichtiger und begrenzter Anreiz zu weiteren Bestellungen gegeben werden soll, genau das zu sein, was wir im Augenblick brauchen. Sicherlich hat es in der Vergangenheit Fehlinvestitionen gegeben, und sicherlich müßten wir alles tun, um solche Fehlinvestitionen künftig zu verhindern. Aber mir scheint, daß eine Abschreibungsquote von zusätzlich 5-10 % keinen Anreiz gibt, nun in falscher Weise übertriebene Investitionen zu machen. Es bleibt immer noch ein so hoher Finanzbedarf, daß man in der Wirtschaft sowieso vorsichtiger als in der Vergangenheit disponieren wird.
Meine Fraktion stimmt daher dieser ersten Maßnahme zu. Wir hätten allerdings gewünscht, daß wir diese Frage im Zusammenhang mit all den anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen hätten beraten können; denn' es ist gerade für eine Oppositionsfraktion sehr mühsam, stückweise - und dann noch mit unterschiedlicher Stellungnahme der Regierungsfraktionen - über Dinge zu beraten, die man im Gesamtzusammenhang noch keinesfalls übersieht. Wir möchten hoffen, daß wir in Zukunft ein umfassendes Konzept gleichzeitig und nicht stückweise nacheinander auf den Tisch bekommen und im Zusammenhang beraten und beschließen können. Insoweit könnte ich die Einwendungen des Herrn Kollegen Dr. Schmidt verstehen.
({1})
Keine Wortmeldungen mehr. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses auf Drucksache V/1379. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und, soviel ich sehe, einer Enthaltung angenommen.
Ich höre, es ist eine Vereinbarung unter den Fraktionen getroffen, den Punkt 9 vorzuziehen:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen ({0}) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über das vertragsmäßige und das zusätzliche Zollkontingent für Gefrierfleisch von Rindern
- Drucksachen V/1285, V/1351 Berichterstatter: Abgeordneter Ravens
Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht. Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat Herr Abgeordneter Ehnes.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß der Bericht, der uns hier in der Drucksache V/1351 vorliegt, nicht unwidersprochen hingenommen werden kann, weil er nach Auffassung meiner politischen Freunde und mir aus der Sicht der deutschen Landwirtschaft nicht positiv zu bewerten ist. In diesem Bericht ist eindeutig herausgestellt, daß man die zusätzliche Einfuhr von Gefrierfleisch deswegen begrüße, weil die verarbeitende Industrie und auf der anderen Seite die Verbraucherschaft daran interessiert seien.
Sowohl der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als auch der Ausschuß für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten haben sich mit diesem Problem beschäftigt. Ich darf dazu nur sagen: die deutsche Landwirtschaft bedauert, daß es zu diesem Beschluß gekommen ist; denn es steht einwandfrei fest, daß auf dem Sektor der Schlachtrindermärkte und der Schlachtrinderpreise eine Situation entstanden ist, die man nicht durch zusätzliche außenpolitische oder politische Maßnahmen noch verschlechtern sollte.
({0})
Die Schlachtrinderpreise in der Bundesrepublik haben sich im Jahr 1966 gegenüber dem Jahr 1965 im Jahresdurchschnitt pro Doppelzentner um 21 DM verringert. Das bedeutet, daß dem, was wir der deutschen Landwirtschaft empfehlen, nämlich im Hinblick auf die EWG und im Hinblick auf den 1. Juli dieses Jahres zu einer stärkeren Ausweitung der Veredelungsproduktion zu kommen - diese Empfehlung haben alle drei Fraktionen gemeinsam gegeben -, mit diesem Bericht, der uns hier vorliegt, und mit dem Beschluß, der uns vorgeschlagen wird, widersprochen worden ist.
({1})
Die deutsche Landwirtschaft liefert in einem Jahr ca. 3,9 Millionen Schlachtrinder auf die deutschen Märkte. Allein ein Preisvergleich des Jahres 1965 mit dem Jahre 1966 zeigt, daß die deutsche Landwirtschaft im Berichtsjahr 1966 einen Einkommensverlust von ca. 400 Millionen DM hinnehmen mußte, weil die Preise auf den deutschen Märkten im Rückgang begriffen sind.
Wir glauben deswegen, daß auch der deutschen Landwirtschaft das Recht eingeräumt werden muß, das man in diesem Bericht der verarbeitenden Industrie und den Verbrauchern einräumt. Dabei darf ich bemerken, daß die These, nach der sich die Preise auf den Märkten allgemein auf die Verbraucherpreise auswirkten, schon lange nicht mehr stimmt und widerlegt ist. Wir alle wissen, daß die Rohstoffe, die die Landwirtschaft zur Verfügung stellt, einen von Jahr zu Jahr geringeren prozentualen Anteil am Endverbraucherpreis haben,
({2})
Wir werden also mit Bezug auf diese Sache in den Fraktionen noch einmal grundsätzlich über die Agrarpolitik sprechen müssen, weil wir der deutschen Landwirtschaft - entsprechend den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers - hier eine zusätzliche Belastung dadurch zumuten, daß wir unsere Bereitschaft erklärt haben, diese Streichungsmaßnahmen im Bundeshaushalt hinzunehmen. Diese Streichungsmaßnahmen im Bundeshaushalt werden der deutschen Landwirtschaft sehr fühlbare und sehr schmerzhafte Einbußen auferlegen. Diese Einbußen und diesen schmerzhaften Eingriff kann aber die deutsche Landwirtschaft nur hinnehmen, wenn auf der anderen Seite über das Parlament und die Bundesregierung die Gewähr gegeben ist, daß man in dem ersten Bereich der Agrarpolitik, im Bereich der Markt- und Preispolitik, die Chance ausnützt, die uns der EWG-Vertrag gibt, nämlich den Erzeugern in der Bundesrepublik über den Markt und über die Preispolitik in der Zukunft ein angemessenes Einkommen zu sichern.
({3})
In diesem Bericht ist leider den Landwirten aus Dänemark mehr Interesse gewidmet als der deutschen Landwirtschaft;
({4})
denn sie ist in diesem Bericht nicht erwähnt. Ich muß deswegen mein Bedauern zum Ausdruck bringen und darf abschließend die Bundesregierung und Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, auffordern und bitten, in der Zukunft mehr denn je bei der Markt- und Preispolitik die Bestrebungen, die ich angesprochen habe, hier im Parlament zu würdigen und zu vertreten, damit der deutschen Landwirtschaft nicht zusätzliche Entgelte vorenthalten werden, die über den Preis und über den EWG-Vertrag in dieser Situation der Landwirtschaft gewährt werden könnten.
Ich werde diesem Bericht meine Zustimmung versagen.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sander.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei wird dem Antrag auf Drucksache V/1351 ihre Zustimmung versagen. Lassen Sie mich zu unserer ablehnenden Haltung einige grundsätzliche Ausführungen machen.
Die Agrarpreise 1966 lagen zum Teil weit unter den Vorjahrespreisen, und die Landwirtschaft hat damit im letzten Jahr dazu beigetragen, daß Steigerungen der Lebenshaltungskosten - u. a. bei Schuhen, bei Kleidung, bei Mieten - ausgeglichen wurden. Die Landwirtschaft weiß nun, daß ihr in diesem Jahr weitere Einkommenseinbußen und leider Gottes auch Kostensteigerungen zugemutet werden. Allerdings läßt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht exakt angeben, wie hoch die Einkommenseinbußen sein werden. Doch läßt sich nicht leugnen, daß folgende Vorhaben und Maßnahmen, die für die landwirtschaftlichen Betriebe von weitesttragender Bedeutung sind, anstehen: Senkung der Getreidepreise, Senkung der Zuckerrübenpreise, Halbierung der von Bund und Ländern gezahlten Milchprämien, Kürzung der Dieselkraftstoffverbilligung, Kürzung der Zinsverbilligungsmittel, Erhöhung der Alterskassenbeiträge von 16 auf 20 DM, Erhöhung der Berufsgenossenschaftsumlage.
In Kenntnis der Tatsache, daß auf Grund von Brüsseler Beschlüssen bei einigen Sparten der Landwirtschaft Einkommensverluste zu erwarten sind, forderte die Bundesregierung die Landwirtschaft auf, mehr in die Veredlung landwirtschaftlicher Produkte einzusteigen. So hat die deutsche Landwirtschaft in dem guten Glauben, daß man ihr dies nun auch honorieren würde, die Rindfleischproduktion stark erhöht. Sie tat das nicht zuletzt auch deswegen, weil man annehmen durfte, daß bei diesem
Produktionszweig Rindfleisch, der ja mit der Bodenproduktion verbunden ist, keine Ausweitung in Richtung einer industriellen Erzeugung stattfinden würde. Tatsächlich beabsichtigt man aber, wie mein Kollege Ehnes schon sagte, nicht, dieses Verhalten der deutschen Landwirtschaft zu honorieren. Vielmehr müssen wir feststellen, daß, wie dies schon in der Vergangenheit der Fall war, aus handelspolitischen Gründen andere Länder begünstigt wurden, so daß die Arbeit und der Fleiß der deutschen Landwirtschaft im letzten Jahr nicht den verdienten Lohn fanden.
Ich habe mich gefreut, in der „Welt" vom 31. Januar lesen zu können, daß Herr Professor Weinschenk anläßlich der Strukturtagung geäußert hat, daß mehr Sachlichkeit in die Agrarpolitik gebracht werden müsse und daß die Preispolitik Vorrang vor Subventionen haben müsse. Meine Damen und Herren, das ist eine Forderung, die wir in den letzten Jahren immer wieder gestellt haben, deren Berechtigung man aber nie anerkennen wollte. Ich habe mich weiter gefreut, daß in der gestrigen Nummer der „Welt" Herr Fried sehr deutlich gesagt hat, man müsse im Laufe dieses Jahres das ganze Subventionsgestrüpp in der Landwirtschaft - gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich es so zitiere - bereinigen, und auch er erkennt an, daß dies durch höhere Erzeugerpreise in der Veredlungswirtschaft geschehen muß. Meine Damen und Herren, das ist genau das, was die Landwirtschaft nicht erst heute, sondern seit Jahren fordert, was man ihr aber seit der Währungsreform als beinahe einzigem Berufsstand vorenthalten hat.
Es ist notwendig, in diesem Hause einmal festzustellen, daß die Subventionen, die die Bundesrepublik in diesem Jahr für das Sozialprogramm, für den Wohnungsbau und anderes aufbringt, rund 30 Milliarden DM ausmachen. Und nun hören Sie bitte sehr gut zu: Wer in Deutschland und in diesem Hohen Haus weiß aber, daß im Grünen Plan 1967 nur noch zwei einkommenswirksame Subventionen für die Landwirtschaft stehen, nämlich die Restsubvention für Milch in Höhe von 325 Millionen DM und 10 Millionen DM als Rest der Treibstoffverbilligung?
Meine Damen und Herren, das muß in diesem Hause festgestellt werden. Denn lassen Sie mich bitte sagen - und Sie alle werden ja bei den Landtagswahlkämpfen jetzt auch in den Dörfern mit dieser Tatsache konfrontiert werden -: Die Landwirtschaft will keine Subventionen, sie will den gerechten, ihr zustehenden Preis. Es gibt nur zweierlei: entweder Subventionen oder gerechte Preise.
Lassen Sie mich zwei Beispiele zu den Preisen anführen im Hinblick auf das, was Herr Fried und was Herr Professor Weinschenk gesagt haben.
Der Käse ist innerhalb der EWG in Deutschland am billigsten. Auch die Butter, unser wertvollstes Fett, ist in Deutschland am billigsten. Das Kilo kostet ab Molkerei in Deutschland 6,76 DM, in Frankreich 6,95 DM, in Belgien 7,87 DM. Die Verbraucherpreise sind nur in Holland niedriger, sonst wesentlich höher.
Ich will hier - auch weil heute Freitag ist - keinen großen agrarpolitischen Vortrag halten, hielt es aber doch für notwendig, über die Zusammenhänge zwischen Preisen und Subventionen etwas zu sagen.
Lassen Sie mich nun noch einmal kurz etwas zu der jetzt geplanten Einfuhr von Gefrierfleisch und. Lebendvieh darlegen. Schon im Jahre 1966 hat die deutsche Landwirtschaft -gegenüber 1965 500 000 Stück Schlachtrinder mehr erzeugt, 1967 sind nach den Ergebnissen der Viehzählung weitere 300 000 Schlachtrinder mehr als 1966 zu erwarten. Die Preisentwicklung auf den Märkten der EWG seit dem 1. April 1966 erhärtet die Tatsache der ausreichenden Versorgung. Die Preise haben ununterbrochen unter dem Orientierungspreis oder nur knapp darüber gelegen, so daß in dieser Zeit entweder die halbe oder die volle Abschöpfung erhoben wurde. Zeitweise wurde in der Bundesrepublik und anderen EWG-Ländern auch der Interventionspreis - Herr Kollege Ehnes schnitt es an - erheblich unterschritten. Auch im Januar 1967 lagen die Preise für Schlachtrinder nur geringfügig über dem jetzigen Orientierungspreis. Die mit der Erhöhung des Orientierungspreises zum 1. April 1967 angestrebten Ziele werden ernsthaft in Frage gestellt, Herr Minister, wenn jetzt abschöpfungsfreies Rindfleisch in zu großen Mengen eingeführt wird. Die Behauptung von einer Unterversorgung der EWG mit magerem Rindfleisch ist nicht begründet. Alle Sorten Fleischwaren, welche von der Fleischwarenindustrie erzeugt werden, werden auch vom Fleischerhandwerk hergestellt, obwohl der größte Teil hier keine Verarbeitungstiere kauft.
Nun etwas sehr Interessantes. In Ergänzung zu den hier von mir aufgeführten Argumenten, aus denen sich ergibt, daß eine Erhöhung des Kontingents nicht vertretbar ist, kann ich Ihnen mitteilen, daß am Mittwoch in einer Sitzung des Bundesmarktverbandes für Vieh und Fleisch gemeinsam mit den Länderreferenten der Versorgungsvoranschlag - der ist ja sehr, sehr wichtig - für 1967 konzipiert worden ist. Dabei hat sich gezeigt, daß die Summe aus einer sehr hohen Eigenproduktion, die sich aus einem Mehr gegenüber dem Vorjahr von, wie schon erwähnt, rund 300 000 Rindern ergibt, sowie aus Einfuhren, die sich mit 165 000 t allein aus handelspolitischen Verpflichtungen ergeben, einen ProKopf-Verbrauch im Jahre 1967 von rund 20 kg Fleisch voraussetzt. Diese Menge übersteigt bekanntlich wesentlich den Verzehr in den Vorjahren und wäre allerhöchstens durch einen außergewöhnlichen Preisverfall zu erreichen. Zweifellos wird die eintretende oder bereits eingetretene wirtschaftliche Rezession die Kaufkraft vermindern, und ich bin überzeugt, daß sich das sehr stark in einem Minderverzehr von Fleisch und Butter auswirken wird. Gegenüber einem gesteigerten Angebot an Rindfleisch ist deshalb eine verringerte Nachfrage zu erwarten, so daß sich auch deshalb eine Erhöhung des konsolidierten Kontingents von Gefrierfleisch verbietet. Daher können wir von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei uns, wie ich Ihnen eingangs sagte, niemals hiermit einverstanden erklären.
Lassen Sie mich ein paar abschließende Worte sagen. Ich glaube, Sie alle wissen, welche berechtigte Unruhe in der Landwirtschaft durch Kürzungen im Agraretat und durch Preisverfall im letzten Jahr vorhanden ist. Sie haben teilweise die Grüne Woche miterlebt. Man freut sich, daß auch England diesmal ausgestellt hat. Aber Sie wissen, daß der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Rehwinkel und auch seine anderen Präsidenten nicht gewillt waren, auf der Pressekonferenz zu den Problemen Stellung zu nehmen.
({0})
- Das ist unsere Sorge, mein lieber Freund Rinderspacher. Er hat die Sorge insofern, als sich die deutsche Landwirtschaft tatsächlich verraten und vernachlässigt fühlt und glaubt, daß man auch in Zukunft nicht bereit ist, ihr den gerechten Preis zu geben. Das ist die Sorge des Präsidenten, und wenn er gesprochen hat, dann hat er es getan, damit wir aufwachen und damit bei uns Einsicht und Vernunft zum Zuge kommen und mehr Sachlichkeit in die Probleme der Agrarpolitik hineinkommt. Daher erwähnte ich die Ausführungen von Herrn Professor Weinschenk und von Herrn Fried, und ich will hoffen, daß wir nicht das tun, was ich im Wirtschaftsausschuß leider erleben mußte, daß auf Grund des Antrages des Kollegen Kurlbaum von der SPD nun zu den eigenen großen Vorräten an Lebendvieh auch noch bevorzugt Gefrierfleisch eingeführt werden soll. Ich erkläre noch einmal, daß wir von der Freien Demokratischen Partei dies nicht für gut halten und dieser Drucksache nicht zustimmen können.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sander, Sie haben mehr Sachlichkeit in der Agrarpolitik verlangt. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich selber ein klein wenig mehr an Ihre Forderung angelehnt und diesen Maßstab auch bei sich selber zugrunde gelegt hätten. Ich habe mit bei Ihren Ausführungen gefragt: Die Freien Demokraten haben angeblich die Liberalität im Deutschen Bundestag für sich allein gepachtet; aber das, was wir hier gehört haben, war ein übler Protektionismus, der mit Liberalität weiß Gott nichts mehr zu tun hat.
({0})
Hier, meine Damen und Herren, ist der Deutsche Bundestag. Die Abgeordneten, die hier sprechen, sind durch das Grundgesetz verpflichtet, Vertreter des ganzen deutschen Volkes zu sein. Ich meine, auch das muß man sich überlegen, wenn man nach hier vorn geht und über die Probleme spricht, die wir durchaus sehen und die auch die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bei ihrer Entscheidung gesehen und zugrunde gelegt haben.
Wie sehen denn die .Größenverhältnisse wirklich aus, von denen Sie, Herr Kollege Sander, gesagt haben, daß es hier um die Existenz der deutschen Landwirtschaft gehe?
Herr Abgeordneter Ravens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sander?
Ravens: ({0}) : Ja, bitte, Herr Präsident.
Bitte, Herr Sander.
Herr Kollege Ravens, ich weiß nicht, meinen Sie hier den Liberalismus des Manchestertums oder meinen Sie nicht, daß „libertas" die Freiheit heißt und daß es unsere und nicht zuletzt die Aufgabe jeder Partei ist, dafür zu sorgen, daß alle Berufsstände gleichberechtigt am Einkommen der Volkswirtschaft beteiligt werden?
Herr Kollege Sander, ich meine die Freiheit, die von dem einzelnen Entscheidungsbereitschaft verlangt und von ihm auch verlangt, daß er bereit ist, ein Stückchen Risiko in dieser Welt zu tragen. Ich meine nicht Protektionismus reinsten Wassers - ich darf es einmal in einer Formulierung so sagen -: Grenzen zu, Preise hoch, und dann wollen wir erst einmal sehen, was passiert. So haben Sie das hier vorgetragen.
Ich fahre jetzt fort und versuche, die Gewichte zurechtzurücken. Die Gesamteinfuhr an Rindfleisch einschließlich Gefrierfleisch in die Bundesrepublik betrug 1965/66 274 100 t. Das Kontingent, das durch die EWG-Verordnung eingeräumt werden soll, beträgt einmal als Normalkontingent 1000 t. Das Zusatzkontingent, von dem hier die Rede ist - das Kontingent von 1000 t ist ja unumstritten - beträgt 7200 t Gefrierfleisch. Vergleichen wir einmal die Größenordnung. Die Gesamteinfuhr von 274 100 t im Jahre 1965/66 - das entspricht etwa dem langjährigen Schnitt - stellt 20 % bis 25 % des Rindfleischverbrauchs in der Bundesrepublik dar. Soviel muß also noch importiert, muß also noch hereingeholt werden. Bei diesem Vergleich sehen wir, daß es sich um 3 % des Gesamtkontingents handelt. Wegen 3 % des Gesamtkontingents wird also hier eine solche Serie abgeschossen!
Herr Kollege Sander, wir alle wissen, daß sich die deutsche Landwirtschaft im Augenblick weiß Gott nicht in einer beneidenswerten Lage befindet. Aber ich muß Sie an folgendes erinnern: Als in Brüssel die Beschlüsse über die Getreidepreissenkung gefaßt wurden, waren Sie in der Regierungsverantwortung. Als in Brüssel die Zuckerrübenpreise neu festgelegt wurden, waren Sie in der Regierungsverantwortung. Als die Milchmarktordnung beschlossen wurde, waren Sie in der Regierungsverantwortung. Als den Landwirten die Anpassungsbeihilfe. von 1,1 Milliarden DM versprochen wurde, waren Sie in der Regierungsverantwortung. Als sie dann mit dem Haushaltssicherungsgesetz wieder kassiert wurde, waren Sie ebenfalls in der Verantwortung.
({0})
Ich meine, wenn man das eine tut, dann soll man
vor diesem Hause und vor der Öffentlichkeit auch
Manns genug sein, das zu vertreten, was man damals in der Koalition für gut und richtig gehalten hat. Alles andere ist keine ehrliche Politik.
({1})
Herr Abgeordneter Ravens, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Wir haben noch das lange Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten zu beraten. Ich möchte um 10.45 Uhr nicht dazu beitragen, daß die Debatte über den jetzt zur Erörterung stehenden Punkt über eine vernünftige Zeit hinausgeht.
({0})
Der Wirtschaftsausschuß ist bei seinen Überlegungen von diesen Größenverhältnissen ausgegangen. Er hat sich berichten lassen und hat gesehen, daß die Gesamtschlachtungen in diesem Land im vergangenen Jahr bei 3,6 Millionen Stück Rindvieh gelegen haben. Er hat daneben gesehen, daß wir 1958 einen Handelsvertrag mit Dänemark abgeschlossen haben. Nach diesem Handelsvertrag haben wir jährlich ein Mindestkontingent von 225 000 Stück einzuführen. Im vergangenen Jahr ist ein Absatz von dänischen Rindern in der Höhe unserer vertraglichen Verpflichtungen nicht möglich gewesen. Wir haben nur 179 000 Stück in die Bundesrepublik hineinholen können. Dort drüben werden wir jeden Tag, wenn wir mit den Dänen zu reden haben, gemahnt, unsere Vertragspflichten zu erfüllen. Wir erleben im Augenblick eine neue Offensive der Engländer, um mit in die EWG zu kommen. Wir wissen ganz genau, daß sich Dänemark bereit erklärt hat, im Falle des Beitritts Englands ebenfalls mit in die EWG hineinzukommen. In einer solchen Situation kommt es doch wohl auch darauf an - das mußten der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestags und die Fraktionen des Deutschen Bundestages sich überlegen -, daß nicht alte traditionelle Handelsströme abreißen, das Handelsklima verschlechtert wird. Wie gesagt, wir befinden uns in einem Zeitpunkt, wo diese Partner morgen unsere Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sein können. Wir sollten hier wirklich die Möglichkeiten nutzen.
Nun waren wir vor die Frage gestellt, entweder dieses zollfreie zusätzliche Kontingent von 7200 t anzunehmen und damit gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, unsere Dänemark-Verpflichtungen zu erfüllen - die EWG ist bereit, uns zuzugestehen, daß wir dann auch Lebendeinfuhren zollvergünstigt vornehmen können oder aber auf beides zu verzichten. Der Wirtschaftsausschuß war hier der Meinung, daß man die Möglichkeit nutzen sollte, unsere Handelsverträge zu erfüllen, um unseren Partnern gegenüber ehrlich zu bleiben.
Nun noch ein Wort zu der Preissituation. Ich habe mich, Herr Bundesernährungsminister, in den vergangenen Jahren eigentlich immer gefragt - und ich wäre froh, wenn Sie diese Anregung aufgreifen würden -, warum das Medium Fernsehen für die Verbraucheraufklärung so wenig genutzt worden ist. Ich würde mich freuen, wenn ich alle vier Wochen einmal das vertraute Gesicht des Ernährungsministers im Bildschirm sehen könnte und wenn er dort seinen Verbrauchern, seinen Hausfrauen draußen im Lande einmal erzählte, wie sich denn der Verbraucherpreis und wie sich demgegenüber der Erzeugerpreis in diesem Land verändert hat. Vielleicht würde das ein klein wenig helfen, daß unsere Hausfrauen auch einmal im Schlachterladen fragen, wo denn die 20 Pf Preisverbilligung für Rindfleisch geblieben sind. Das wäre eine Möglichkeit, mitzuhelfen, daß es hier nicht zu Riesenspannen kommt.
({1})
Ich meine wirklich, daß das, was wir an Stagnation auf dem Rindfleischsektor bei den Hausfrauen erleben, zu einem großen Teil damit zusammenhängt, daß das Preisgefüge, daß der Preis dort nicht mehr variabel ist und so hoch gerückt ist, ,daß der Rinderbraten heute der Sonntagsbraten geworden ist und deshalb sich der Absatz nicht steigert.
Meine Damen und Herren, wir haben uns sehr eingehend die Fragen, die mit dieser Verordnung zusammenhängen, angesehen. Wir haben im Wirtschaftsausschuß dieser Verordnung unsere Zustimmung gegeben. Wir haben darüber hinaus verlangt, daß die Bundesregierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt das Kontingent eröffnet, nicht damit mehr, sondern damit gleichmäßiger Einfuhr kommt und nicht in einem kurzen Schub von vier Wochen, wie es vom Ernährungsausschuß vorgeschlagen ist. Wir werden dieser Verordnung zustimmen.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht zum erstenmal, daß sich dieses Hohe Haus zwei sich widersprechenden Empfehlungen zweier Ausschüsse gegenübersieht und eine Entscheidung zu treffen hat. Ich darf diese Entscheidung zu erleichtern versuchen, indem ich noch einige Fakten vortrage, die bisher nicht bekanntgeworden sind.
Sie kennen den Bericht, der zunächst darstellt, welche Vorstellungen die Kommission hatte, die sich in einem Verordnungsentwurf niedergeschlagen haben. Im Rahmen der Verhandlungen wurde diese Verordnung geändert. Wir haben den Tatbestand in den beiden Ausschüssen vorgetragen. Auch darüber hat der Herr Berichterstatter in erschöpfender Weise berichtet.
Die letzten Verhandlungen in Brüssel am 21. und 22. Januar haben eine weitere Entwicklung dieses Fragenkomplexes gebracht. Es hat sich herausgestellt, daß auf der einen Seite der am meisten an den Gefrierfleischimporten interessierte Partnerstaat Italien ist und daß er mit all den bisher eingeräumten und für Italien vorgesehenen Kontingenten nicht
zufrieden ist. Andererseits ist es Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht nur völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber Dänemark hat, sondern auch Verpflichtungen, die sich aus einer langjährigen engen Freundschaft mit Dänemark entwickelt haben. Dabei ist es vollkommen klar, daß wir unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen müssen. Im Jahre 1964 wurde durch den deutschen Außenminister und durch den dänischen Außenminister ein Vertrag unterzeichnet, der vorsieht, daß wir bis zum Jahre 1970 jährlich 225 000 Schlachtrinder Verarbeitungsware abnehmen und daß wir das Äußerste unternehmen, um dieser Verpflichtung gerecht zu werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden mir zustimmen, daß diese Verpflichtung bindend ist und daß wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, auch wenn dies uns manchmal schwerfällt. Niemand wird bestreiten wollen, und alle Redner haben das vorgetragen, daß gerade die deutsche Landwirtschaft in dem Augenblick, in dem ihr sehr viele Opfer zugemutet werden, zusätzlich bei der schlechten Preisentwicklung. auf dem Rindermarkt des vergangenen Jahres ihre großen Sorgen hat.
Aber wir müssen- einen Kompromiß finden. Wir sind immer wieder in die Notwendigkeit eingespannt, Kompromisse zu finden. Das ist nun einmal in meinem Amt so, daß es dem Verbraucher und Erzeuger, dem Verarbeiter und Verteiler in einem angemessenen und gerechten Ausgleich zu dienen hat. Auch in dem großen Bereich der Politik ist dies nicht anders, wo wir außenpolitische Interessen und Interessen innenpolitischer und wirtschaftspolitischer Art auf einen gemeinsamen Nenner bringen müssen. Dasselbe, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist bei den Römischen Verträgen der Fall, in denen sich die Partner auf der einen Seite im Art. 110 verpflichten, die traditionellen Handelsströme zu wahren, auf der anderen Seite verpflichtet sind, eine Präferenz für diese Gemeinschaft zu errichten. Das ist ein eindeutiger Auftrag zu einer Kompromißlösung, und um eine solche Kompromißlösung handelt es sich bei der hier angeschnittenen Frage.
Die Beratungen haben dann ergeben, daß keine Mehrheit für den Vorschlag zu finden war, das Datum des 31. Juli 1967 als das Enddatum zu nehmen, sondern' man hat sich wegen der Unübersichtlichkeit der Marktentwicklung auf den 30. April 1967 in etwa geeinigt; ein formeller Beschluß liegt noch nicht vor.
Ferner waren die italienische und die belgische Delegation der Auffassung, daß über diese Kontingente hinaus eine Zollsenkung für Gefrierfleisch zur Verarbeitung auf 10 bzw. 15 % eintreten müsse. Die Kommission hat daraufhin ihre Vorschläge geändert und eine Verordnung vorgeschlagen, wonach den beteiligten Ländern nicht Kontingente eingeräumt werden, sondern die Ermächtigung erteilt wird, bis zum 30. April 1967 über solche Einfuhren zu verfügen - also keine Verpflichtung, sondern eine Ermächtigung - und darüber hinaus eine Zollermäßigung von 15 % zu gewähren. Die Verhandlungen sind nicht abgeschlossen. Sie werden ihren
Abschluß, wie ich hoffe, in der nächsten Ratssitzung am 8. und 9. dieses Monats finden.
Nun einige Bemerkungen noch zu dem, was sich aus der Diskussion ergeben hat. Es ist zweifellos richtig, daß der Preis der Produkte das entscheidende Einkommenselement für die Landwirtschaft darstellt. Herr Kollege Sander, wir wissen, mit welcher Leidenschaft Sie dies vertreten. Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Es ist aber nicht richtig, hier so zu argumentieren, wie Sie das in dem einen oder anderen Fall getan haben.
Ich darf vielleicht die Zahlen über die Verkaufserlöse der Landwirtschaft für tierische Erzeugnisse aus den letzten drei Jahren hier vortragen. Das waren im Jahre 1963/64 18 Milliarden DM, das waren in 1964/65 19,5 Milliarden DM, und das waren 1965/66 20,5 Milliarden DM. Diese Zahlen, die Sie in dem bereits in Druck befindlichen Grünen Bericht wiederfinden werden, beinhalten einen langsamen und bescheidenen Anstieg, der sich zwar mit den Lohnkosten und mit anderen Kosten nicht zu messen vermag, der aber immerhin zum Ausdruck bringt, daß sich das Hohe Haus und alle beteiligten politischen Kräfte bemühen, der Landwirtschaft das Maß an Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen, zu dem wir unter Abwägung aller Interessen in der Lage sind. Ich könnte das auch auf anderen Gebieten sagen. Die Dinge sind nicht einfach, sie sind schwierig, sie müssen in einem harten, täglich sich erneuernden Kompromiß vollzogen werden. Aber ich glaube nicht, Herr Kollege Sander, daß man so weit gehen kann, wie Sie das vorhin vorgetragen haben.
Nun eine weitere, ganz kurze und abschließende Bemerkung zu Ihrem Vorschlag, Herr Kollege Ravens. Sie haben vorgeschlagen, wir sollten vor der breiten Öffentlichkeit, vor dem Fernsehen die unterschiedliche Entwicklung der Erzeugerpreise und der Verbraucherpreise darlegen. Das geschieht in einem großen Umfang sowohl in der Presse in einer laufenden Regelmäßigkeit; aber auch vor dem Fernsehen haben wir eine Verbraucheruhr eingerichtet, die diese unterschiedliche Entwicklung zeigt.
Es wäre falsch, nun einfach solche Gegensätze in den Raum zu stellen, ohne ihre innere Kausalität zu erörtern.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt bei der Verarbeitung noch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Kostenlage ist beim Verarbeiter anders. Man darf nicht glauben, man könnte den einen Maßstab auf den anderen übertragen; das ist so ohne weiteres nicht der Fall. Ich glaube, diese Diskussion muß ebenfalls objektiviert und entgiftet werden. Sie wissen, was gerade im Rahmen der derzeitigen großen Sorgen der Begriff Kosteninflation bedeutet. Die Kostenfaktoren haben sich eben etwas stärker entwickelt, als andere Elemente sich entwickeln konnten. Dies nur als ein kleiner Hinweis auf ein Thema, das jetzt nicht in dem vielleicht notwendigen großen Umfang zur Debatte steht.
Ich darf Sie bitten, darauf zu vertrauen, daß wir einen vernünftigen Kompromiß schließen werden,
einen Kompromiß, der auch in der Dänen-Frage keine entscheidenden Gefahren für den deutschen Produzenten bringt, andererseits aber dem guten Willen und unseren Verpflichtungen gerecht wird.
Wir haben vorgeschlagen und verlangt, daß in den Zeiträumen, in denen eine hundertprozentige Abschöpfung für Rindfleisch wegen des Unterschreitens des Interventionspreises notwendig wird, nämlich aus der EWG-Automatik heraus, die Abschöpfung gegenüber Dänemark nicht auf 100, sondern auf 50 % festgelegt wird. Das ist ebenfalls ein Kompromiß in Richtung auf völkerrechtliche Verpflichtungen auf der einen und in Richtung auf die Interessen unserer Produzenten auf der anderen Seite.
Schließlich muß man in der dänischen Frage noch einen Punkt berücksichtigen. Ich glaube, daß es wenige Länder in dem großen Kreis der uns befreundeten Staaten gibt, die mit einer solchen Entschiedenheit nicht nur hier in Europa, sondern auch draußen bei ihren Besuchen im Ostbereich für die deutsche Frage in einer Art und Weise eingetreten sind, die höchste Achtung und Anerkennung verdient.
({1})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen auf Drucksache V/1351. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erstere war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Bading, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Anderung des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl
Drucksache V/932 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache V/1350 - Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({2})
- Drucksachen V/1349, zu V/1349 - Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Kurlbaum-Beyer
({3})
Es liegen ein Bericht des Haushaltsausschusses nach § 96 ,der Geschäftsordnung und ein Bericht des Finanzausschusses vor. Als Berichterstatterin wünscht Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer das Wort. Bitte, Frau Abgeordnete!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In ,der Sitzung vom 14. Oktober wurde dem Finanzausschuß - federführend - und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - dieser Gesetzentwurf gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen. Der Finanzausschuß hat sich am 2. Dezember mit diesem Fragenkomplex beschäftigt und beschlossen, den Initiativgesetzentwurf anzunehmen, der vorsah, daß den Altöl verarbeitenden Unternehmen auch in den Jahren 1967 und 1968 noch eine Beihilfe, wenn auch nur von 19,50 DM je 100 kg, gezahlt würde. Damit befand sich der Finanzausschuß in Übereinstimmung mit der Bundesregierung.
Zur Überraschung des Finanzausschusses hat dann der mitberatende Haushaltsausschuß eine sachlich abweichende Auffassung vertreten. Er stellte in seiner Sitzung vom 14. Dezember fest, daß er einen Deckungsvorschlag gemäß § 96 Abs. 3 der Geschäftsordnung nicht machen könne.
Auf Grund dessen wurde dann der Gesetzentwurf an die Ausschüsse zurückverwiesen. Nunmehr hat sich der Finanzausschuß noch einmal am 25., 26. und 27. Januar mit diesem Fragenkomplex befaßt. Der Finanzausschuß vertritt nach wie vor die Auffassung, daß sein ursprünglicher Vorschlag, der den Bundeshaushalt 25 Millionen DM gekostet hätte, sachgerecht war und daß der jetzt vom Haushaltsausschuß vorgelegte Vorschlag, der eine Degression beinhaltet, sachlich nicht gerechtfertigt ist und vor allen Dingen nur 3 Millionen DM weniger kostet als der Vorschlag, der vom Finanzausschuß vorgelegt wurde.
Ich darf nun noch etwas zu den Erwägungen sagen. Der Finanzausschuß ging davon aus, daß im wesentlichen der Bericht, den der Bundesminister für Wirtschaft in der Drucksache V/1072 gegeben hat und der vor allen Dingen die betriebswirtschaftlichen Untersuchungen enthält, maßgebend sein muß. Er hat nämlich bestätigt, daß die Kosten der Altölsammlung und -aufbereitung wesentlich höher sind als die Kosten für die Verarbeitung von Rohöl. Das Altöl muß praktisch jährlich in 280 000 Einzelpartien in der Industrie, bei Tankstellen und kleinen Betrieben gesammelt werden.
Wenn man sich die Kostensituation ansieht, könnte unter Umständen eingewandt werden, daß es Altölraffinerien gibt, die auch mit einer geringeren Beihilfe auskommen könnten. In der Tat gibt es einige Betriebe, deren Verluste aus der Erhöhung der Mineralölsteuer im Jahre 1964 - es ist für die Beurteilung wichtig, daß auch diese Betriebe Mineralölsteuer zahlen - nicht so hoch sind, daß sie auf die volle Beihilfe Anspruch hätten. Ebenso gibt es jedoch Betriebe, bei denen die Steuererhöhung von 1964 so stark zu Buche schlägt, daß die vorgeschlagenen ermäßigten Beihilfesätze nicht mehr ausreichen, die Betriebe am Leben zu erhalten. Wollte man ganz exakt die Höhe der Unterstützung nach der Lage jedes einzelnen Unternehmens berechnen, so müßten mehr als zwanzig einzelne Beihilfen im Gesetz festgelegt werden. Die kostengünstigeren Betriebe erhielten dann weniger Beihilfe als heute, und die kostenungünstigeren Betriebe würden etwas mehr erhalten. Im Endeffekt würde es aber das gleiche kosten.
({0})
Das Parlament insgesamt muß sich von folgenden Feststellungen leiten lassen. Der Betrieb - das hat auch die Untersuchung des Bundeswirtschaftsministers ergeben - mit den geringsten Kosten liegt ausschließlich in einer Großstadt; dort liegen die Sammelpunkte dicht beieinander. Dagegen fallen die höchsten Kosten bei derjenigen Raffinerie an, die auch aufs Land und von Dorf zu Dorf fahren muß. Das Öl muß also auch über weite Entfernungen transportiert werden. Gerade ein solcher Betrieb erzielt mit die besten Sammelergebnisse. Dagegen sammelt der Großstadtbetrieb immer nur geringe Mengen.
Die Kostenuntersuchung des Wirtschaftsministers zeigt nun im übrigen klar, daß die Masse des Öls mit Kosten gesammelt wird, die erheblich oberhalb der gebotenen Durchschnittskosten liegen. Wenn daher die Beihilfe zu stark gekürzt wird, muß sich die Raffinerie mit den höchsten Kosten auf weniger Sammelpunkte beschränken. als bisher; die überregionale Sammlung würde fortfallen: Die Folgen liegen auf der Hand.
Man muß aber auch berücksichtigen, daß sich auf Grund der Kosten auf der Absatzseite Nachteile für die Altölbetriebe ergeben. Die Tankstellen der Konzerne sind für den Absatz der Zweit-raffinate verschlossen; sie geben nur ihre eigenen Erstraffinate ab. Die Ölverbraucher scheuen sich auch, Produkte von Altölbetrieben abzunehmen, weil sie Qualitätsnachteile unterstellen. So ergibt sich praktisch auch für die Zweitraffinate eine Marktenge, der durch entsprechende Preisnachlässe begegnet werden muß.
Die vorgeschlagene Kürzung wird die schwierige Situation noch verschärfen. Aus EWG-rechtlichen Gründen ist die Mineralölsteuer auf Altölerzeugnisse erhöht worden; der daraus entstehende Nettoverlust beläuft sich auf 17,75 DM je 100 kg. Ein Beihilfesatz von 17 bzw. 14 DM ist daher unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen als nicht tragbar zu bezeichnen. Zwar hat auch die Bundesregierung eine degressive Beihilfe vorgeschlagen, die aber in der Form behutsamer-war, um bruchartige wirtschaftliche Entwicklungen bei Altölen zu vermeiden. Unter den jetzigen Umständen ist zu befürchten, daß die zu rasch in die Verlustzone geratenden Betriebe - ich habe soeben dargelegt, daß das gerade die ländlichen Betriebe sind - ihre Arbeit einstellen und daß nur dort gesammelt wird, wo sich Altöl zu günstigen Bedingungen anbietet.
Der Finanzausschuß ist nun unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte zu der Auffassung gekommen, daß die Maßnahme an sich nicht gerechtfertigt ist, daß sie sehr problematisch ist. Aber er stimmt zu, weil er befürchtet, daß das Problem sonst noch größer wird. Der Finanzausschuß erwartet, daß Bund und Länder die Entwicklung möglichst rasch und vor allen Dingen sorgsam verfolgen, um so rasch wie möglich nach einer Lösung zu suchen, die das Problem endgültig und befriedigend bereinigt.
Natürlich ist man auch in der EWG dabei, einheitliche Altölbestimmungen zu schaffen. Hier sind aber die gezahlten Zuschüsse sehr unterschiedlich. Sie gehen bis zu 60 DM je 100 kg. Wir wissen alle, wie schwierig es ist, dann zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Wir dürfen daher dieses Problem nicht außer Betracht lassen. Deshalb gibt der Finanzausschuß nur schweren Herzens seine Zustimmung.
({1})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein außerordentlich interessanter Beitrag zu dem Thema Subventionen, interessant deshalb, weil er zeigt, daß jede Subvention einen komplexen Hintergrund von bestimmten Interessenverflechtungen öffentlicher und privater Art hat und daß diejenigen, die einmal diese Subvention eingeführt haben, sich von ganz bestimmten Motiven haben leiten lassen und ganz bewußt eine bestimmte Gestaltung der wirtschaftlichen und der öffentlichen Verhältnisse herbeiführen wollten. So ist das schlagwortartige Behandeln des Themas Subventionen, wie wir das so aus Volksversammlungen gewöhnt sind, hier eigentlich nicht angebracht. Wir haben uns nach den Gründen zu fragen, ob und in welchem Umfang dieser Weg geboten ist oder ein anderer Weg gegangen werden kann oder ein Weg zu unterbleiben hat.
Meine Damen und Herren, Sie haben aus dem Bericht der Berichterstatterin ersehen, daß eine Konfliktsituation zwischen diesem Hause und der Regierung und innerhalb dieses Hauses zwischen zwei Ausschüssen besteht. Nun, das kommt gelegentlich vor. Aber etwas Überraschendes ist doch in dieser Situation festzustellen.
Im Jahre 1963 mußte die Mineralölsteuer infolge von EWG-Maßnahmen umgestellt werden. Aus diesem Anlaß wurde im Mineralölsteuerumstellungsgesetz vom 20. Dezember 1963 die Mineralölsteuer für Zweitraffinate - um die handelt es sich nämlich, d. h. um die Raffinerie von Altölen - um 22,90 DM auf 35,25 DM erhöht. Das mußte aus internationalen Gründen geschehen. In diesem Gesetz war vorgesehen, daß die bisherige Mineralölsteuervergünstigung überhaupt wegfallen sollte. Damals sagte der Finanzausschuß: Das geht nicht.
Nun, vielleicht etwas unter dem Einfluß der Tatsache, daß ich als Vorsitzender des Finanzausschusses gleichzeitig Vorsitzender der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft bin, die sich der Probleme der Reinhaltung des Wassers und der Luft in besonderer Weise angenommen hat und die ein interfraktioneller Zusammenschluß ist, konnte ich mich mit besonderem Nachdruck dafür einsetzen, daß diese Frage unter sachlichen Gesichtspunkten betrachtet wurde. Wir setzten damals im Finanzausschuß auch durch, daß diese Erhöhung der Mineralölsteuer durch eine angemessene Subvention
Dr. Schmidt ({0})
kompensiert wurde. So war also diese Subvention haushaltsmäßig durchaus gedeckt. Ich betone das deshalb, weil heute die Deckungsfrage zwischen dem Haushaltsausschuß und dem Finanzausschuß eine besondere Rolle spielt.
Diese Konfliktsituation entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. In diesem Falle ist die Bundesregierung einem Antrag beigetreten, den ich als Vorsitzender der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft - gestellt hatte. Die Bundesregierung hat in einem zweiten Votum vom Oktober 1966, das vom Finanzausschuß erbeten worden war, klar gesagt, daß das Petitum der Antragsteller Dr. Schmidt und Genossen - Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft - sachlich gerechtfertigt und geboten sei. Sie hatte nämlich in einer Reihe von Betrieben durch Betriebsprüfer betriebswirtschaftliche Untersuchungen durchführen lassen und war auf Grund deren Gutachten zu der Überzeugung gekommen, daß das Hohe Haus den gerechtfertigten Antrag annehmen sollte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase? - Bitte!
Herr Kollege Dr. Schmidt, warum hat die Bundesregierung, wenn sie dieser Ansicht war, für diesen Subventionsfonds keinen Titel in den Haushaltsentwurf eingestellt?
Ich bin Ihnen für diese Zwischenfrage sehr dankbar. Genau diese Frage möchte ich auch stellen. Aber es gehört zu der Pikanterie des Hintergrundes der ganzen Verhandlungen, daß sich die Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums mit besonderen Argumenten hinter den Haushaltsausschuß gesteckt hat, die im Votum der Bundesregierung entweder beiseite geschoben oder widerlegt wurden, und den Versuch gemacht hat, von daher die Sache überhaupt zu torpedieren.
Das führte dann zu der Situation, daß der Haushaltsausschuß, als wir vor Weihnachten glaubten, den Antrag erledigen zu können, so wie ihn der Finanzausschuß verhandelt hatte, im Hinblick auf § 96 der Geschäftsordnung Bedenken erhob und die Sache vom Tisch wischte. Der Haushaltsausschuß hat dann die Kompromißlösung vorbereitet, über die Sie heute entscheiden sollen und die der Finanzausschuß - ich kann nur sagen: zähneknirschend - akzeptiert hat, weil schlechthin wenig mehr ist als gar nichts.
Damit ist aber das sachliche Problem nicht gelöst. Der Haushaltsausschuß hat als stärkstes Argument ins Feld geführt, daß nach dem Grundgesetz der Bund für die Reinhaltung des Wassers überhaupt nicht zuständig sei. Demgegenüber muß ich darauf hinweisen, daß sich dieses Hohe Haus bisher mit dem Art. 74 Nr. 11 geholfen hat, wonach das Recht der Wirtschaft zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört, und das Motiv der Wasserreinhaltung bewußt der wirtschaftspolitischen Behandlung unseres wertvollsten allgemeinen Grundgutes Wasser untergeordnet hat. So ist es im Detergentiengesetz zum Nutzen der Reinhaltung des Wassers im ganzen Bundesgebiet geschehen. Wie hätte ein zentrales Problem wie das Detergentiengesetz anders als zentral behandelt werden können! So ist es mit dem Pipelinegesetz geschehen, wo auch das Motiv der Wasserreinhaltung maßgebend gewesen ist und das Haus selbstverständlich um der Reinhaltung des Wassers willen, aber aus dem übergeordneten wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt die Zuständigkeit nach dem Grundgesetz bejaht hat. Das gleiche gilt für die Gewerbeordnung.
Im übrigen hat das Bundesjustizministerium auf Wunsch des Finanzministers zu dieser Frage Stellung genommen und sich in positivem Sinne geäußert. Nach meiner Auffassung sollte die Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministers nicht stärker sein als das Votum der Bundesregierung. Wenn die Bundesregierung erklärt, der Antrag Dr. Schmidt und Genossen ist in Ordnung, auch mit der Degression in Ordnung, dann hätte sie eben den Bundesfinanzminister veranlassen müssen, diesen Posten in den Haushalt einzusetzen, und zwar ohne besonderes Deckungsersuchen.
({0})
Die jetzt zu erzielende Ersparnis im Haushalt ist, wie Sie gehört haben, außerordentlich bescheiden. Die Herabsetzung von 19,90 DM oder 19,70 auf 17 DM bringt für 1967 eine Ersparung von 3 Millionen DM und die weitere Herabsetzung für 1968 vielleicht alles in allem 7 Millionen DM. Aber wer weiß, was auf uns zukommt, wenn soundsoviele Betriebe nicht mehr in der Lage sind, dieses Altöl zu sammeln! Ich will nichts wiederholen, was meine verehrte Frau Kollegin Kurlbaum vor Ihnen bereits ausgeführt hat. Es wird zur Zeit - seit dem 1. Januar - nur noch eine Notsammlung vorgenommen. Die Altöltanks bei den Tankstellen sind voll. Irgend etwas muß geschehen. Die beteiligte Industrie muß, soweit sie weit über Land fahren muß, mit Beförderungsteuer - Frischöl befördern wir die weitesten Strecken durch Pipelines ohne Beförderungsteuer - sammeln, und zwar in weiten Bereichen im Umkreis von 200, 250, 300 km. Das ist kostenmäßig nicht darzustellen, das kann sich jeder selbst ausrechnen. Wenn also diese Betriebe einstellen und eingehen müssen, dann stehen wir am Ende dieses Jahres vielleicht vor der Tatsache, daß nur noch etwa 35 bis 40 % des bisherigen Öls gesammelt worden sind. Ich will die Kalamität der Ölsammlung auf unseren Flüssen und die Gefährdung des Bodens durch das Auslaufen von Erdölleitungen und alles andere hier gar nicht berühren. Sie kennen die großen Kalamitäten. Daß wir sie hier aus haushaltspolitischen Gründen verschärfen, ist nach meiner Auffassung nicht vertretbar. Das würde zu ernsten Folgen führen. Deshalb darf die Zustimmung, die wir heute notwendigerweise diesem Gesetz geben müssen, kein Anlaß zur Zufriedenheit sein. Wir müssen sehr sorgfältig auf die Entwicklung der Altölsammlung in der nächsten Zukunft bedacht sein, damit irreparable Schäden verhindert werden. Wir werden uns eine Ersatzlösung einfallen lassen müssen. Wir werden die Länder beteiligen müssen. Wir
Dr. Schmidt ({1})
werden jedenfalls am Ende dieses Jahres wissen müssen, welche effektivere Lösung an die Stelle dieser Regelung treten wird.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Der sehr instruktive und weitreichende Bericht der Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer und die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schmidt haben das Problem sehr deutlich gekennzeichnet als ein Problem, das in dem Spannungsverhältnis zwischen den Gesetzen des Marktes einerseits, den gesundheitspolitischen Forderungen und der Forderung nach einer sparsamen Finanzgebarung andererseits liegt. Hier gibt es zweifelsohne ein Spannungsverhältnis, das in der Vergangenheit nicht so deutlich war, weil die Unterstützung der „Altöler" durch eine Steuerermäßigung erfolgt ist und bekanntlich Steuerermäßigungen nicht so auffällig sind wie direkte Subventionen. Nach den Bestimmungen der EWG mußte die Steuerermäßigung beseitigt werden, und von da aus war die Frage nach den Direktsubventionen gestellt.
Es ist nach den Darlegungen, denen ich mich voll anschließe, keine Frage, daß etwas geschehen muß, um die Wasserverunreinigung zu verhindern. Dies kann nicht allein etwa durch ein Verbotsgesetz erreicht werden, weil dieses Verbot einfach nicht hinreichend kontrolliert werden kann. Es ist auch keine Frage - und das macht das Problem so vielschichtig und schwierig -, daß es in einigen Gebieten und Betrieben durchaus möglich ist, das Altöl rentabel, d. h. zu vertretbaren Kosten und Preisen zu regenerieren, während das Sammeln über weite Strecken die Kosten überhöht. Vielleicht gäbe es einen Weg, der gesucht werden müßte, daß man die Subventionen nicht einfach von der Menge abhängig macht, sondern etwa von den Wegeentfernungen. Man sollte darüber nachdenken. Nur eines scheint uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich oder sinnvoll zu sein: bei den sehr unterschiedlichen Stellungnahmen der verschiedenen Ministerien nun gestützt auf die augenblicklichen Haushaltssorgen den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und ohne erkennbare Zielsetzung und ohne Ersatzvorschläge die Zuschüsse degressiv zu senken und ganz zu befristen, und zwar ohne sich auf irgendwelche akuten und konkreten wirtschaftlichen Berechnungen zu stützen.
Wir stimmen deshalb nur mit großen Bedenken der derzeitigen Regelung zu, wobei wir allerdings die Zweifel einschließen, ob eine ständige Regelung im Sinne einer Subvention den wirklichen Bedürfnissen entspricht. Wir möchten die Regierung bitten, uns möglichst bald eine - wie heißt das heute so schön? - „konzertierte" Aktion zur Regelung dieser Frage vorzulegen, abgestimmt zwischen Wirtschaftsminister, Gesundheitsminister und den beiden feindlichen Abteilungen des Finanzministeriums. Wir bitten darum, uns eine klare Regelung vorzulegen, die auf der einen Seite so marktkonform wie möglich und auf der anderen Seite so gesundheitsfördernd wie nötig ist. Denn, meine Herren und Damen, eines ist sicher - und dies in Richtung Haushaltsausschuß -: Sparen ist immer gut, sogar sehr gut, nur: Sparen auf anderer Leute Kosten ist nicht sehr sinnvoll.
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Daß wir hier 3 Millionen DM sparen und daß die Länder mehr ausgeben müssen, um die Reinhaltung der Flüsse und Gewässer sicherzustellen, scheint uns eine falsche Art und Weise der Sparsamkeit zu sein.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Windelen für den Haushaltsausschuß.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß ist sich mit den Antragstellern und auch mit dem Finanzausschuß völlig darüber einig, daß es sich hier um eine wichtige Frage handelt, die einer angemessenen und sinnvollen Lösung zugeführt werden muß, und zwar sehr dringend. Er war lediglich der Auffassung, daß der Weg, der hier eingeschlagen ist, Anlaß zu einigen Bedenken gibt, und zwar nicht nur vom Haushaltsrecht her.
Ich bedauere, daß offenbar der Eindruck besteht, daß auch wichtige sachliche Anliegen ohne nähere Prüfung der Zusammenhänge einfach aus haushaltsrechtlichen Gründen niedergestimmt würden. Ich bedauere deswegen auch, daß im Finanzausschuß offenbar keine Möglichkeit mehr bestand oder genommen wurde, den zum Haushaltsausschuß entsandten Vertreter, Herrn Kollegen Krammig, über das Ergebnis der Beratungen im Haushaltsausschuß nachher im Finanzausschuß noch zu hören. Ich meine, wenn diese Dinge einen Sinn haben sollen, dann doch nur dann, wenn der entsandte Berichterstatter auch die Möglichkeit hat, über die Ergebnisse der Beratungen im federführenden Ausschuß zu berichten.
({0})
- Mir ist jedenfalls von Herrn Krammig gesagt worden, daß es dazu nicht gekommen ist.
({1})
- Bitte schön, gnädige Frau!
Hat Ihnen Herr Kollege Krammig auch gesagt, daß er an der Sitzung, in der wir die Schlußbesprechung hatten, nicht teilgenommen hat? Es lag nämlich nicht am Finanzausschuß, sondern an Herrn Kollegen Krammig selbst.
Ich habe nicht zu den Gründen Stellung genommen, sondern lediglich festgestellt, daß dem so ist.
Der Abgeordnete Schmidt möchte eine Frage stellen.
Sehr gern.
Herr Kollege Windelen, darf ich fragen: hat Ihnen das Herr Krammig gesagt?
Ja.
Da kann ich nur sagen: warum wendet sich Herr Krammig nicht an mich, um das Wort im Finanzausschuß zu bekommen?
Es ist völlig richtig, was Kollegin Frau Kurlbaum-Beyer gesagt hat: er hat an diesen Sitzungen nicht teilgenommen. Ich meine aber, daß es angemessen ist - ({0})
- Er sagt, die Einladung zu dieser Sitzung, die ja sehr kurzfristig einberufen worden ist, habe ihn nicht erreicht.
Nun, meine Damen und Herren, ich würde sagen, es lohnt sich eigentlich mehr, sich über die sachlichen Zusammenhänge zu unterhalten, und das möchte ich tun, nachdem sich drei sehr exponierte Vertreter des Finanzausschusses dieser Angelegenheit so eingehend und mit soviel Leidenschaft gewidmet haben.
Dem Haushaltsausschuß wird vorgeworfen - und zwar nicht nur hier, sondern auch schon im Schriftlichen Bericht, zumindest im Unterton -, daß er seine Ablehnung mehr aus formalen Gründen ausgesprochen habe, nämlich wegen § 96 der Geschäftsordnung. Ich möchte hier feststellen, daß der Haushaltsausschuß im Dezember gar nicht anders konnte als ablehnen, wenn er seiner Funktion und den rechtlichen Bestimmungen gerecht werden wollte. Wie war die rechtliche Situation? - Herr Dr. Schmidt!
Haben Sie nicht in derselben Sitzung einen Beschluß über 880 Millionen DM ohne die Frage nach der Deckung gefaßt und dann diese Angelegenheit unter dem Gesichtspunkt des § 96 abgelehnt?
Ich hätte es begrüßt, wenn Sie mich wenigstens den Satz hätten zu Ende sprechen lassen.
Darf ich einfügen, Herr Kollege Windelen: Sie sind als Berichterstatter nicht verpflichtet, Zwischenfragen zu beantworten. Zwischenfragen sind nur für die Aussprache vorgesehen.
Ich möchte mich nicht auf einen bloßen Bericht beschränken, sondern ich möchte sehr gern zu den Ausführungen meiner verehrten Vorrednerinnen und Vorredner Stellung nehmen.
Unsere Lage in dieser Frage war deswegen ein wenig schwierig, weil, obschon - was hier immer betont wird - die Regierung völlig gleicher Meinung war wie die Antragsteller, die gleiche Regierung nicht einmal einen Leertitel, viel weniger einen Ansatz ausgebracht hatte.
({0})
Das war für uns der zwingende Grund, warum wir unter den damaligen Auspizien einfach nicht zustimmen konnten und uns deswegen auch mit der Sache nicht mehr sehr eingehend beschäftigt haben.
Man kann mit Recht anführen, daß bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1967, die ja zu einem sehr frühen Zeitpunkt erfolgen mußte, diese Dinge noch nicht zu übersehen waren. Wir waren vor einiger Zeit, nämlich bei der Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes, in einer ähnlichen Situation wie heute. Damals hatte die Regierung als Teil der Deckungsmaßnahmen eine Halbierung der Sätze der Altölsammelsubvention vorgeschlagen. Es wurde damals von den Unterzeichnern dieses Antrags ausgeführt, daß das nicht sehr sinnvoll sei, weil diese Subvention ohnehin mit Ende des Haushalts 1966 auslaufe. Damals sind also offenbar auch die Antragsteller davon ausgegangen - oder zumindest haben sie es erklärt -, daß diese Maßnahme ohnehin auslaufe. Die Regierung kann wohl insoweit für sich in Anspruch nehmen, daß auch sie davon ausging, daß diese Maßnahme nicht weitergeführt zu werden brauchte. Allerdings mußte sich diese Situation ändern, als der Bericht der Bundesregierung, vertreten durch das Wirtschaftsministerium, vorlag. Denn dieser Bericht lag zu einem Zeitpunkt vor, als schon eine ganze Reihe von Ergänzungsvorschlägen zum Haushalt gemacht waren, als also der Ergänzungshaushalt schon in seinen Umrissen klar war. Man hätte also zumindest erwarten müssen, daß die Bundesregierung, wenn sie der Meinung war, daß diese Maßnahme in dem soeben erwähnten Umfang fortgeführt werden müsse, in einen der vielen Ergänzungsvorschläge diese Position einstellte. Auch das ist nicht geschehen. Man kann also mit einigem Recht bezweifeln, ob wirklich die Bundesregierung als Ganzes hinter dieser Vorlage stand.
Noch einige Bemerkungen zur Sache selbst. Es wird hier - vom Gewicht her ist das auch zwingend - in erster Linie mit der Notwendigkeit der Reinhaltung der Gewässer argumentiert, und es ist gesagt worden, wir hätten geltend gemacht, daß das nicht in unsere Zuständigkeit falle. Das ist in der Tat so. Ich erinnere Sie an einen Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend die Reinhaltung der Wasserstraßen. Damals haben die Länder ihre Kompetenz in dieser Frage erstritten. Sie haben es ausdrücklich erstritten, hier habe der Bund keine Zuständigkeit, hier dürfe er nicht tätig werden. Ich glaube, das ist ein sehr gewichtiges Wort, das wir nicht ohne weiteres ignorieren können, und in der Tat haben eine ganze Reihe von Ländern, u. a. auch mein engeres Vaterland Nordrhein-Westfalen, in dieser Zuständigkeit eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen, um den schädlichen Wirkungen der wilden Ablagerung von Altöl zu begegnen. Das
heißt, diese Länder bestätigen dem Grunde nach durch diese Maßnahmen, daß sie sich für zuständig halten.
Herr Dr. Schmidt hat dann auf das Gutachten des Justizministeriums in dieser Frage hingewiesen. Das Justizministerium sagt: In der Frage der Reinhaltung haben wir keine Kompetenz; aber wenn wir aus wirtschaftspolitischen Gründen tätig werden wollen, dann ist das nicht verboten. Natürlich wird man für den Wunsch, Geld auszugeben, immer eine Rechtsgrundlage finden.
Aber wenden wir uns nun der wirtschaftspolitischen Betrachtung zu. Ich bin der Meinung, wirtschaftspolitisch handelt es sich hier um eine Erhaltungssubvention in unvertretbarster Form. Es geht hier - wenn ich wirtschaftspolitisch argumentiere - um zwanzig Betriebe, die also eine Subvention von 26 Millionen DM oder jetzt 22 Millionen DM bekommen sollen, durchschnittlich also 1,3 Millionen DM bzw. jetzt 1,1 Millionen DM pro Betrieb oder, auf die Beschäftigtenzahl umgerechnet -1000 Beschäftigte -, 26 000 DM bzw. 22 000 DM pro Beschäftigten und pro anno aus der Bundeskasse bekommen sollen oder bisher bekommen haben. Ich glaube also, aus dieser Sicht kann man die Vorlage wirtschaftspolitisch kaum vertreten.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß diese Maßnahme zum Ziel hatte, zu einer einheitlichen Regelung innerhalb der EWG zu kommen. Das war das Ziel der Übergangsmaßnahme vor zwei Jahren. Dieses Ziel ist also unverändert geblieben, und auch innerhalb der EWG zeigt sich noch nichts, was zu der Annahme berechtigen würde, daß sich die bisher völlig abweichenden Standpunkte und Maßnahmen zu irgendeinem vernünftigen Zeitpunkt je annähern würden. Italien zahlt etwa das Doppelte, Frankreich etwa das gleiche, die Beneluxländer zahlen gar nichts. Wie es auf dieser Basis in absehbarer Zeit zu einer einheitlichen Regelung kommen soll, ist mir nicht recht klar. Von dieser Überlegung ausgehend, sagte der Haushaltsausschuß: Auch wir wollen nur eine Übergangslösung, wir wollen und müssen das Problem lösen, es wird aber mit Sicherheit nicht gelöst, wenn wir auf dieser Basis weiterarbeiten.
Aber noch ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt hat den Haushaltsausschuß zu seinem Votum veranlaßt, ein Gesichtspunkt, der normalerweise bei uns keine so große Rolle spielt, nämlich der der Rechtssystematik. Wir gehen im allgemeinen bei uns vom Veranlassungsprinzip aus, das heißt, wir halten den Veranlasser an, für die Schäden oder Folgen aufzukommen, die er veranlaßt. Wir verpflichten jeden Staatsbürger, den Müll, den er produziert, auf seine Kosten abfahren zu lassen; jeden, auch den ärmsten, veranlassen wir, sich dafür einen Eimer anzuschaffen und jeden Monat die Müllabfuhrgebühr zu bezahlen. Wir zwingen - aus guten Gründen - jeden einzelnen unserer Bürger, seine Abwässer auf seine Kosten zu beseitigen. Es ist heute in der Regel so, daß die Beseitigung und Klärung der Abwässer teurer ist als der Bezug des Frischwassers.
Hier, beim Altöl aber, haben wir einen Bereich nicht des privaten Lebens, sondern der gewerblichen Wirtschaft, der gewerbliche Leistungen erbringt und der für sich bisher in Anspruch nehmen konnte, daß seine gewerblichen Abfälle auf Kosten der Steuerzahler beseitigt wurden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr Kollege, bei aller sachlichen Berechtigung Ihrer grundsätzlichen Ausführungen - wie wollen Sie verhindern, daß Altöl in den Kanal abgeleitet wird?
Ich komme sehr gern darauf. Ich glaube aber, daß die Frage, wie wir das verhindern sollen, bisher jedenfalls noch nicht angesprochen worden, sondern bisher völlig ausgeklammert worden ist. Lassen Sie mich das noch ein wenig deutlicher machen. Wir haben, ausgehend vom Veranlassungsprinzip, mit guten Gründen die uneingeschränkte und auch der Summe nach unbeschränkte Haftpflicht für Ölschäden eingeführt, z. B. bei Privaten, wenn Heizöl ausläuft. Vorhin wurde die Frage der Pipelines angesprochen; Sie wissen, welche Auflagen die Betriebsgesellschaften für die Pipelines haben, nämlich die unbegrenzte Haftpflicht in jeder Höhe.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte, Frau Dr. Schwarzhaupt!
Herr Kollege, wie wollen Sie aber bei den Altölschäden, die durch das Ablassen aus Schiffen verursacht werden, feststellen, wer der Verursacher des Schadens ist?
Ich komme gern darauf. Die einfache Antwort wäre: Trotz aller dieser Maßnahmen ist ja in diesem Bereich noch kaum etwas geschehen, und es wäre noch weniger geschehen, wenn nicht die Länder in ihrer Zuständigkeit hier Maßnahmen ergriffen hätten. Das heißt, dieses Instrument war gerade in diesem wohl wichtigsten Bereich am unwirksamsten, und daran kann sich ja nichts ändern, weil auch der Finanzausschuß für eine Degression gewesen ist. Diese Argumentation schlägt also, glaube ich, nicht durch.
Wir muten also jedem Besitzer eines Eigenheimes zu, daß er unbeschränkt haftet, wenn ohne sein Verschulden ein Loch in seinen Tank rostet, und Öl ausläuft. Das kann in der Praxis bedeuten - und solche Fälle gibt es -, daß er sein Haus los wird. Bei den Städten, wo durch gewerbliche Nutzung Altöl anfällt, zahlen wir sogar noch etwas dafür, daß der Abfall gesammelt wird, da zahlen wir noch eine Sammelprämie dafür, daß diese Abfallstoffe auf Kosten des Staates abgeholt werden. Ich weiß nicht, wie wir das auf die Dauer - als Übergangslösung bin ich einverstanden - rechtfertigen können. Es besteht, glaube ich, kein Zweifel, daß es bei
Windelen,
Beibehaltung der bisherigen Argumentation, nämlich irgendwann einmal EWG-Lösung, auf unabsehbare Zeit bei diesem Zustand bleiben würde.
Dann ist Kritik daran geübt worden, daß der Haushaltsausschuß völlig willkürlich, um zu sparen, eine andere Grenze gezogen habe. Ich muß darauf hinweisen, daß auch der Finanzausschuß von sich aus eine Degression vorgesehen hat. Dem Grund nach befinden wir uns hier also auf der gleichen Grundlage, und es geht jetzt nur um den Umfang, um die Größenordnung. Auch hier hat aber der Haushaltsausschuß diese Grenze nicht willkürlich festgesetzt, sondern er ist etwa von der durchschnittlichen Belastung aller Betriebe ausgegangen. Ich weiß, daß gerade diese Argumentation im Finanzausschuß - und ich bedaure sehr, daß das durch den 'Vertreter des Wirtschaftsministeriums geschehen ist - zu einer etwas abschätzigen Glossierung unserer durchaus ernsthaften Betrachtung geführt hat. Wir müßten aber doch davon ausgehen, daß, wenn der Sache nach eine Degression vorgesehen ist, die Durchschnittsbelastung eigentlich eine sinnvolle Größe ist. Deswegen haben wir uns zu 17 DM entschlossen, allerdings auch deswegen, damit der Druck auf eine möglichst rasche, vernünftige und rechtssystematisch tragbare Dauerlösung ein wenig verstärkt wird. Unsere Erfahrungen zeigen uns jedenfalls, daß der materielle Druck der einzige realistische Anreiz ist, zu raschen Lösungen zu kommen.
Nun noch eins: Schon jetzt ist die Sammlung des Altöls unvollständig. Auch jetzt schon wird das Altöl nur dort gesammelt, wo es einschließlich der Subvention wirtschaftlich gesammelt und regeneriert werden kann. Das ist überall dort der Fall, wo Altöl in großen Mengen und verkehrsgünstig anfällt.
({0})
- Sie haben sicher recht, Herr Kollege. Grundsätzlich ändert das nichts an meiner Feststellung. - Das sind aber genau die Stellen, wo man die mißbräuchliche Ablagerung mit verhältnismäßig geringem Aufwand sehr wohl überwachen könnte. Überall dort, wo es in kleinen Mengen und abgelegen anfällt, wo es also nicht oder nur sehr schwer zu kontrollieren wäre, wird es auch jetzt noch irgendwo in die Gegend gekippt. Das heißt, das eigentliche Problem lösen wir damit nicht. Wir bezahlen überall dort, wo der Mißbrauch relativ leicht überwacht und geahndet werden könnte, und wir müssen - und das ist kein befriedigender Zustand - überall dort untätig zusehen, wo wir auch bisher schon nichts dagegen machen konnten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Windelen, sind Sie also mit uns der Auffassung, daß, wenn die Bezuschussung, wie Sie es vorhaben, Ende 1968 ausläuft, das Problem erst recht groß wird und daß wir dann vor der Gefährdung all der Gebiete stehen, die Sie aufgeführt haben?
Frau Kollegin, ich möchte nicht unhöflich sein. Aber ich hatte als ersten Satz gesagt, wir sind uns mit Ihnen in der Sache und im Ziel einig. Das habe ich als erstes gesagt, und das möchte ich auch als letztes sagen. Wir sind uns also im Ziel durchaus einig. Das Problem muß gelöst werden, und es muß schnell gelöst werden. Der Haushaltsausschuß stimmt also insoweit den Antragstellern durchaus zu. Wir müssen einen gemeinsamen Weg finden. Ich meine, auch die Kollegen im Haushaltsausschuß werden, wenn sich zeigt, daß trotz aller Bemühungen in dieser Zeit nicht zu einer vernünftigen Regelung zu kommen ist, einen Weg finden, wie wir dann das Problem lösen.
Ich habe ein wenig ausführlicher gesprochen, nicht nur weil die Sache sicher sehr wichtig ist, sondern weil sie auch einen grundsätzlichen Aspekt hat, nämlich den verständlichen Konflikt zwischen verschiedenen Ausschüssen. Ein gesundes Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Ausschüssen ist sicher eher gesund als das Gegenteil. Ich meine nur, wir sollten uns nicht gegenseitig vorwerfen oder unterstellen, daß wir aus sachfremden Gesichtspunkten oder gar wegen des Prestiges versuchen, die Argumente des anderen zu ignorieren oder zu mißachten. Wir sollten sehen, daß sich auch bei uns jeder nach Kräften bemüht, zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen.
Abschließend möchte ich mich bei einem Manne ausdrücklich bedanken, und zwar bei einem der Vertreter der Altölverarbeiter, die in großer Sorge um die Existenz ihrer Betriebe tage- und wochenlang in diesem Hause gewesen sind. Er kam abschließend zu mir und sagte: „Herr Abgeordneter, wir werden besonders 1968 in eine sehr schwierige Situation kommen. Aber nach alledem, was wir hier gehört und gesehen haben, haben wir doch den Eindruck, daß sich alle, auch Sie, die Sie einen anderen Standpunkt haben, redlich gemüht und nach Lage der Dinge das beste daraus gemacht haben." Das war meine Absicht.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hier zur Debatte stehende Problem zwingt dazu, 'daß nun auch. neben dem Berichterstatter des Haushaltsausschusses noch jemand Stellung nimmt, der im Haushaltsausschuß an den Diskussionen beteiligt war und sich dort nicht nur aus finanzieller und haushaltsmäßiger Sicht, sondern auch mit der dahinterstehenden fachlichen Problematik beschäftigt hat. Dabei darf ich an das anknüpfen; was der Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herr Windelen, am Schluß seiner Ausführungen sagte.
Wir sind uns offensichtlich erstens darin einig, wie wir nachher über die Vorlage abstimmen, und
zweitens auch darin, was nun insgesamt zur Sache von der Regierung und - das füge ich jetzt hinzu - von Bund und Ländern zu tun ist: Es gilt, die zwei Jahre, die jetzt im Rahmen der weitergeführten Beihilfe bevorstehen, so zu nutzen, daß dann eine endgültige und befriedigende Lösung - so heißt es im Bericht unserer Kollegin Frau Kurlbaum-Beyer - vorgelegt und verabschiedet werden kann. Dafür stehen also zwei Jahre Zeit zur Verfügung, und sie sollten genutzt werden!
Es geht mir nicht um Polemik in dem Beitrag, den ich hier bringen möchte, wohl aber - .das ist der wesentliche Grund, warum ich jetzt hier heraufgekommen bin - darum, zu verhindern, daß die Empfänger der 'Beihilfen diesen hier vorliegenden Bericht des Finanzausschusses und auch einen größeren Teil der bisher geführten Debatte so auswerten, daß sie uns zu einem späteren Zeitpunkt sagen: „Sehen Sie, selbst der Deutsche Bundestag hat .damals schon gewußt oder angenommen, daß die Subvention nicht reichen wird". Und dann wird auf der Basis dieser Überlegung und unserer heute geführten Debatte - wenn ihr hier nicht auch inhaltlich widersprochen wurde - eire Weiterführung der Beihilfe, vielleicht sogar eine Erhöhung der Beihilfe gefordert. Dem muß entgegengetreten werden; besser jetzt als dann, wenn erneut, sozusagen im Vertrauen auf die Weiterführung einer Subvention, keine entscheidenden, in diesem Felde ja auch möglichen Rationalisierungserfolge erzielt worden sein sollten.
Der Bericht unserer Kollegin Frau Kurlbaum-Beyer spricht von einer Überraschung. Auch Herr Dr. Schmidt hat den Begriff der Überraschung erwähnt, als er davon sprach, daß der Haushaltsausschuß in seiner ersten Entscheidung zu diesem Thema nach § 96 der Geschäftsordnung feststellen mußte, daß keine Deckung für die Weiterführung der Beihilfe im Haushaltsentwurf für 1967 vorgesehen war. Nun stellen Sie sich, Herr Dr. Schmidt, unsere Überraschung im Haushaltsausschuß vor, als wir entdeckten, daß die Bundesregierung zwar in der Drucksache V/1072 gesagt hatte, sie stimme der Initiativvorlage des Herrn Dr. Schmidt und Genossen völlig zu, aber daraus in gar keiner Weise die Konsequenz gezogen hatte, im Haushaltsentwurf, der zur gleichen Zeit zu Debatte stand, einen Ansatz vorzusehen. Es war nicht nur so, daß ein Ansatz fehlte, nicht einmal ein Leertitel war enthalten! Wir mußten also damals im Haushaltsausschuß sagen: Es ist keine Deckung vorhanden. Das Argument, das im Zuge der Diskussionen auch verwandt worden ist, diese Beihilfe sei schon durch die Tatsache gedeckt, daß die Hersteller von Zweitraffinaten eine Mineralölsteuer wie alle anderen Produzenten in diesem Bereich bezahlen, trifft ja nicht zu. Es zieht hier einfach nicht; denn bisher gab es zu diesem Thema auch einen Ansatz im Bundeshaushalt. Das ist nur eines der Argumente hierzu.
Zum Problem der EWG-rechtlichen Gründe, die dazu führten, den gleichen Steuersatz für Frischöle und für Zweitraffinate einzuführen - davon war ja schon die Rede -, daß also gleichwertige Produkte auch gleich zu besteuern seien, möchte ich wenigstens noch einen Gedanken äußern.
Wenn es, wie dargestellt, zweifelhaft ist, daß das Produkt, um das es hier geht, nämlich die Zweitraffinate, gleichwertig ist - nicht von seiner Qualität her; dazu wird ja gesagt, daß es gleichwertig mit dem Frischöl ist, wohl aber in den Kosten und auch in der Sicht mancher möglichen, voreingenommenen Kunden -, wenn es also so ist, wie dargestellt, dann gibt es z. B. doch auch wohl den Weg der geringeren Besteuerung des Produkts; er wäre wenigstens überlegenswert. Italien tut das, wie Sie wissen. Es wird dort das neue Produkt geringer besteuert.
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- Ja! Es wäre also zu überlegen. Ich will es nur als einen der denkbaren Wege andeuten, der mit einbezogen werden müßte bei der Vorbereitung einer Dauerlösung des Altöl-Problems. Die Regierung ist diesen Wege bis jetzt nicht gegangen; er steht aber als eine von mehreren Möglichkeiten nach wie vor an.
Nun - und das ist der wichtigste Punkt für mich
- zur Höhe der vorgesehenen Beihilfe. Hier sind die Zahlen bereits genannt. In dem Initiativentwurf waren zunächst 19,50 DM je 100 kg als Beihilfe vorgeschlagen. Der Haushaltsausschuß hat sich darauf geeinigt, 17 DM für das Jahr 1967 und 14 DM für das Jahr 1968 vorzuschlagen. Ich darf daran erinnern, daß der Bericht der Bundesregierung, der schon mehrfach zitiert worden ist, die Drucksache V/1072 vom Oktober 1966, von einem Nettoverlust im Durchschnitt von 17,75 DM spricht. Die Spanne, in der der Nettoverlust bei beteiligten Firmen liegt, bewegt sich zwischen 21,25 DM auf der einen und 11,60 DM auf der anderen Seite. Sicher ergibt sich das, wie hier schon geschildert worden ist, aus der unterschiedlichen Lage der Betriebe, aus dem unterschiedlich großen Einzugsbereich und aus der Art der Beschaffung. Aber würden Sie nicht mit mir darin übereinstimmen, daß es gleichzeitig auch Unterschiede gibt im technischen Verfahren der Aufbereitung, in dem Fertigungsgrad des verkauften Öles, in der Art des Vertriebes dieses Zweitproduktes und in der Behandlung der Abfallstoffe? Das sind alles Begriffe, die aus dem Regierungsbericht stammen. Das heißt, daß noch eine ganze Reihe von Möglichkeiten der Rationalisierung gegeben ist, die von den beteiligten Betrieben genutzt werden können. Das können die Betriebe ja nun in den vor uns liegenden zwei Jahren versuchen. Es steckt noch Weiteres drin: In dem Bericht der Regierung wird erwähnt, daß 2,20 DM je 100 kg Abholprämie denjenigen gezahlt werden, bei denen das Altöl, das verbrauchte Öl, abgeholt wird, um es neu aufzubereiten. Diese Prämie, die für das Aufheben des Altöls gezahlt wird, wird besonders auch damit begründet, daß derjenige, der es aufbewahrt, es ein wenig sortiert, damit nicht alle Arten von Altöl zusammengeschüttet werden.
Nimmt man es hart, dann muß man leider sagen, daß wir als die Vertreter, die den Bundeshaushalt zu verwalten haben, mithelfen, für die Freundlich keit zu zahlen, daß das Verbot, die Gewässer nicht zu verunreinigen, eingehalten wird.
Die Regierung meint in ihrem Bericht Drucksache V/1072, daß man diesen Prämienanteil von 2,20 DM für das Abholen halbieren könnte; das sind also nach Adam Riese 1,10 DM. Ziehen Sie von dem Durchschnittsnettoverlust in Höhe von 17,75 DM diese 1,10 DM ab, liegen Sie bei einem Durchschnittsbeihilfesatz, der noch möglich wäre, in Höhe von 16,65 DM. Das liegt also unter den 17 DM, von denen der Haushaltsausschuß gesprochen hat. Das ist dann für den, der 11,60 DM Nettoverlust hat, immer noch ein Gewinn von 5 DM aus der Beihilfe. Er kann vielleicht in einer Solidargemeinschaft dem Schlechtergestellten etwas abgeben. Einen gemeinsamen Verband, der sehr aktiv ist, hat die Branche der Altölverarbeiter ja ohne Zweifel. Oder ist es . etwa völlig unrealistisch, im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Regelung auf Solidarität untereinander zu rechnen?
Sie sehen, der Haushaltsausschuß ist gar nicht gegen eine behutsame Lösung dieser Frage. Der Begriff „behutsam" stammt aus dem Bericht der Berichterstatterin. Der Haushaltsausschuß will auch eine bruchartige wirtschaftliche Entwicklung durch eine gestaffelte Herabsetzung der Beihilfesätze vermeiden. Dabei stammt der Begriff der „bruchartigen wirtschaftlichen Entwicklung", die es zu vermeiden gilt, aus dem Regierungsbericht.
Wir stimmen mit dem Schluß des Berichts des Finanzausschusses überein: Bund und Länder sollen das Problem endgültig und befriedigend lösen.
Dafür sind jetzt zwei Jahre Zeit gegeben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: das Vorantreiben der Bemühungen um Harmonisierung auf der EWG-Ebene, eine andere Größenordnung der Produktionssteuer, die Länderregelung aus der Sicht des Gewässerschutzes oder die Überwälzung der Mehrkosten der Altölbeseitigung auf die Ölverbraucher. Letzteres müßte allmählich vor sich gehen, wie es im Bericht des Finanzausschusses vorgeschlagen ist. Die Bundesregierung, die Länder - und ich würde sagen - auch der Verband dieser Branche mögen die zwei Jahre in guter Weise zur Lösung des Problems nutzen.
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Ich schließe die - ich darf sagen - ausspannende Aussprache der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3 - Einleitung und Überschrift auf.
Wer zustimmen will, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz zustimmt, erhebe sich. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ({0})
- Drucksache V/1269 -
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ({1})
- Drucksache V/1319 Ich nehme an, daß der Herr Bundesjustizminister den Entwurf begründet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Entwürfe sind Teil eines größeren oder großen Reformprogramms, dessen Ziel es ist, die massenhafte Verletzung von Ordnungsvorschriften durch ein einfaches Verfahren zu ahnden und die Gerichte von diesen Verfahren zu entlasten. Solche massenhaften Verletzungen von Ordnungsvorschriften kommen insbesondere im Verkehrswesen vor.
Nach dem letzten statistisch abgeschlossenen Jahr 1964 haben sich die Gerichte in der Bundesrepublik mit 1,7 Millionen Strafverfügungen und Strafbefehlen befassen müssen. Bei dieser Flut kann man unmöglich noch von einer eigentlich richterlichen Handlung sprechen. Da wird durch den Richter weder der Sachverhalt genau ermittelt noch die Person des Angeklagten oder Beschuldigten gewürdigt noch irgend etwas Individuelles an Strafzumessung überlegt. Das Ganze ist vielmehr ein riesiger Papierkrieg, und es gilt, die Justizoptik aufzulösen und Verfahrensformen zu wählen, die dieser Sache entsprechen. Das will die Vorlage erreichen. Sie will die Übertretungen, um die es hier gerade im Verkehrswesen bisher geht, in Ordnungswidrigkeiten umstellen, also aus dem kriminellen Strafrecht herausnehmen und nicht mehr mit Geldstrafen, sondern als bloße Ordnungswidrigkeiten mit Buße bedroh en.
Solche Bemühungen um die Herausnahme von Ordnungswidrigkeiten aus dem kriminellen Bereich sind uralt und gehen Jahrzehnte zurück. Es sind auch stückweise Erfolge in dieser Richtung erzielt worden, aber eben doch nur Teilerfolge.
Die Vorlage will nun einen wesentlichen Schritt weitergehen.
Verehrte Damen und Herren, am Beispiel der Verkehrsordnungswidrigkeiten will ich deutlich machen, worauf diese Vorlage abzielt. Wir kennen bisher polizeiliche Verwarnungen mit einer Verwarnungsgebühr. Der Rahmen war bisher 5 DM. Die Vorlage will diese Verwarnungsmöglichkeit des Polizeibeamten bis auf 20 DM ausdehnen, also ein Verwarnungsgeld bis zu 20 DM zulassen.
Darüber hinaus ist vorgesehen, bei fahrlässigem Verstoß gegen Verkehrsregeln eine Buße bis zu 500 DM zuzulassen, bei vorsätzlichem Verstoß eine Buße bis zu 1000 DM und je nach den Umständen
als Nebenfolge auch ein - natürlich zeitlich zu befristendes - Fahrverbot.
Zuständig für dies alles soll nach der Vorstellung der Bundesregierung die Polizei als Behörde sein, mit anderen Worten: nicht der Polizist auf der Straße. Die Länder bei ihrer unterschiedlichen Polizeiorganisation müssen selbst bestimmen, welche Stelle hier als Polizeibehörde gelten soll. Vielleicht wird man im wesentlichen dieselben Beamten einsetzen, die sich heute schon auf Grund der Anzeigen des Polizeibeamten auf der Straße überlegen, welche Strafvorschläge sie nach § 413 der Strafprozeßordnung an das Amtsgericht machen. Man wird also immer mit qualifizierten Beamten rechnen dürfen, die diese Geldbuße festsetzen. Man kann es ausnutzen, daß sie weisungsgebunden sind und Taxen dafür entwickeln, wie die verschiedenen Verstöße belegt werden sollen.
Warum diese sogenannte Polizeilösung? Verehrte Damen und Herren, jede andere Behörde würde ja wieder dasselbe Duplum schaffen, das wir heute haben, nämlich daß die Polizei Vorschläge machen muß für eine Ahndung - jetzt an das Gericht - und daß eine andere Behörde über die Festsetzung entscheidet. Wählen wir an Stelle der Polizei eine andere Behörde, dann kommen wir aus diesem Duplum nicht heraus. Es hat insbesondere keinen Zweck, an die Rechtspfleger der Amtsgerichte zu denken. Der Rechtspfleger wäre überhaupt nicht weisungsgebunden, wie es die Polizeibeamten sind, die nach unseren Vorstellungen die Geldbußen festsetzen sollen. Wir kämen wiederum nicht dazu, die Entkriminalisierung der Ordnungsverstöße auch optisch deutlich zu machen.
Kernpunkt ist also - um es noch einmal zu sagen -, daß die Beamten, die bisher an die Gerichte Vorschläge für Strafverfügungen gemacht haben, jetzt selber die Buße festsetzen und damit die Gerichte mindestens im ersten Verfahrensgang von dieser ganzen Flut von Bagatellsachen entlasten, deren Zahl sich 1964 bis auf 1,7 Millionen gerichtliche Verfahren gesteigert hat. Künftig soll die Polizeibehörde gleich die Geldbuße festsetzen. Wenn der Betroffene damit nicht zufrieden ist, steht ihm selbstverständlich der Weg an das Gericht offen. Dann erst muß auch das Gericht tätig werden, aber eben nicht vorher. Das Gericht behält also das letzte Wort.
Meine Damen und Herren, diese Vorschläge haben, wie das so geht, Zustimmung und Kritik gefunden. Eine überspitzte Kritik lautet so: Abkehr vom Rechtsstaat, zurück zum Polizeistaat. Davon kann wahrlich keine Rede sein. Es bleibt dabei, daß Strafen in der Bundesrepublik nur und ausschließlich durch Gerichte verhängt werden können. Bußen aber sind keine Strafen, sondern sind Mittel zur Ahndung von Handlungen mit wenig kriminellem Inhalt, Mittel zur Ahndung von Verstößen gegen Ordnungsvorschriften, also in Fällen mit geringem Unrechtsgehalt. Diese Fälle sollen als Verwaltungsunrecht einer leicht zu praktizierenden Ahndung durch die Verwaltungsbehörden überlassen bleiben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung im Jahre 1958 zu einer solchen Regelung gesagt:
Der Bürger wird so davor geschützt, wegen einer Handlung, die nach allgemeinen gesellschaftlichen Auffassungen nicht als kriminell strafwürdig gilt, deren Verbotensein häufig weiteren Kreisen gar nicht bekannt ist, mit dem Makel einer strafgerichtlichen Verurteilung behaftet zu werden. Den rechtsstaatlichen Erfordernissen ist dadurch Rechnung getragen, daß gegen jeden Bußgeldbescheid der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die ordentlichen Strafgerichte möglich ist.
Meine Damen und Herren, der Weg zu der Ihnen vorgeschlagenen Lösung ist offen. Ich bitte Sie, ihn zu gehen.
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Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauser.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist schon seit Jahren der Ruf nach einer Reform des Verkehrsstrafrechts laut geworden, das ja der eigentliche Kernpunkt dieser neuen Vorlage, die wir heute vor uns haben, ist. Schon seit Jahren wird die Forderung nach einem Verfahren erhoben, das einfacher, schneller und wirksamer ist, das den Besonderheiten der Verkehrszuwiderhandlung, ihrer Massenhaftigkeit und den verkehrserzieherischen Notwendigkeiten besser angepaßt ist als das bisherige Kriminalverfahren.
Es ist verständlich, daß die Forderung nach einer Entkriminalisierung des Verkehrsstrafrechts um so dringlicher wurde, je stärker die Zahl der Verkehrsdelikte anschwoll. In weiten Kreisen wurde die Frage vor allem immer und immer wieder unter dem Eindruck diskutiert, daß die traditionellen Strafarten, nämlich Geldstrafe und Freiheitsentzug, für eine angemessene Ahndung nicht mehr ausreichten.
Es waren aber nicht allein die Juristen der Ministerialbürokratie, die „unter Ausschluß der Offentlichkeit" die hier in Rede stehende Gesetzesvorlage „ausgeknobelt" haben, wie vorwurfsvoll, aber ohne die leiseste Berechtigung hierzu, noch gestern in einem Interview der „Bonner Rundschau" erklärt wurde. Man muß sich nämlich nur all die Veröffentlichungen vergegenwärtigen, die zu diesem Fragenkreis in den letzten Jahren erschienen sind, und die Diskussionen beachten, die es zu diesem Problem seit langer Zeit gegeben hat, um ermessen zu können, wie viele Anregungen, die von außen kamen, in dieser Gesetzesvorlage mit berücksichtigt und mit verwertet worden sind. Verkehrsrichter und Verkehrsstaatsanwälte, die diesen Fragen tagtäglich konfrontiert sind, haben sich hier ebenso zu Wort gemeldet wie Wissenschaftler, Versicherungsleute, Psychologen und Soziologen, und ihre Äußerungen sind auch sehr wohl gehört und beachtet worden.
Bereits 1958 hat die Kommission, die vom Straßenverkehrssicherheitsausschuß eingesetzt war, die Grundtendenz dieses Gesetzentwurfs zur Umstel4256
Dr. Hauser ({0})
lung von Verkehrsstraftatbeständen auf Ordnungswidrigkeiten befürwortet. Beim Studium der Gesetzesvorlage gewinnt man je länger desto mehr den nachhaltigen Eindruck, daß hier mit viel Fleiß, Umsicht und großem Verantwortungsbewußtsein ein sorgfältiges Werk geschaffen worden ist. Für diese Arbeit, die hier geleistet worden ist, gilt es insbesondere den Herren des Justizministeriums, die die Federführung hatten; zu danken.
Mt dieser Vorlage, die wir nun heute in erster Lesung zu beraten haben, ist in der Tat der Vorstoß in jurstisches Neuland gewagt worden. Meine Freunde und ich halten den Weg, der hier eingeschlagen wurde, grundsätzlich für richtig, was nicht besagt, daß nicht die eine oder andere Frage noch besprochen werden muß oder daß Änderungen und Ergänzungen zur Erörterung gestellt werden; so etwa die Frage, ob nicht eine breitere Skala möglicher Maßnahmen geschaffen werden muß, die so wohl den Verwaltungsbehörden wie auch den Richtern die Möglichkeit gibt, immer mit Rücksicht und im Hinblick auf die Persönlichkeit des Täters zu ahnden. Ich denke etwa auch an das „kleine Fahrverbot", das der Goslarer Verkehrsgerichtstag in der vergangenen Woche vorgeschlagen hat.
Das Ziel, das mit dieser Gesetzesvorlage erreicht werden soll, ist doch, erzieherischen Einfluß auf die Verkehrsteilnehmer zu gewinnen. Aus diesem Grunde muß eine schnelle und praktikable Handhabe geschaffen werden; um Verkehrsverstöße wirksam und nachhaltig zu ahnden. Allein auf diese Weise ist es mit den Mitteln der Justiz möglich, einen erzieherischen Einfluß zu erreichen; kann doch eine rechtzeitige Warnung, erforderlichenfalls verbunden mit einem begrenzten Fahrverbot, einen gedankenlosen, ja, leichtfertigen Fahrer zu der Einsicht bringen, daß er sich im Verkehr einem Reglement zu unterwerfen hat, selbst wenn es ihm schwerfällt. Gerade diese Tendenz des Gesetzentwurfs ist zu begrüßen.
Wenn der Gesetzgeber nunmehr mit dieser Vorlage Übertretungen und leichtere Vergehen aus dem Verkehrsstrafrecht in das Ordnungswidrigkeitsrecht einbeziehen will, so wird damit der Weg fortgesetzt, der mit dem Wirtschaftsstrafgesetz und dem bisherigen Ordnungswidrigkeitengesetz begonnen wurde. Wir kommen damit aber in einen entscheidend größeren Anwendungsbereich des Ordnungswidrigkeitsrechts als bisher.
Es ist daher durchaus verständlich, worauf der Herr Minister eben schon hingewiesen hat, daß manche grundsätzliche Frage erneut aufgeworfen wird, angefangen damit, ob dieser Weg verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist, daß nunmehr auch auf dem Gebiet des Verkehrsrechts den Verwaltungsbehörden die Befugnis zur Ahndung von Verstößen zugestanden werden soll. Diese Frage ist aber sicherlich geklärt, nachdem die notwendigen rechtsstaatlichen Sicherungen im Entwurf gewahrt sind, die das Bundesverfassungsgericht voraussetzt.
Gewichtiger ist wohl die weitere Frage, ob denn Verkehrsübertretungen nicht einen ganz anderen
Unrechtsgehalt in sich bergen als die bisherigen Ordnungswidrigkeiten, und zwar deshalb, weil hier etwa der Gefährdungstatbestand unmittelbar neben dem Formalverstoß liege und aus diesem Grunde schwerlich nur von einem Ungehorsam gegen ein Ordnungsrecht die Rede sein könne, auf den der Staat lediglich mit einer Ordnungsstrafe quasi als Pflichtenmahnung - um das Wort von Erik Wolf zu gebrauchen - antworte.
Aber hier kann man nicht übersehen, daß in der Praxis der Gesetzgebung der ursprünglich zugrunde gelegte, tiefgreifende qualitative Unterschied zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit seine Bedeutung weithin eingebüßt hat. Hat der Gesetzgeber doch vielfach abstrakte Gefährdungsdelikte als Ordnungswidrigkeiten bewertet, und zwar auch Zuwiderhandlungen gegen Gebote und Verbote, die ebenso dem Schutz von Leben und Gesundheit dienen sollen, wie dies die Verhandlungsnormen im Verkehrsrecht auch bezwecken.
Angesichts dieser Erwägungen ist nicht einzusehen, weshalb Verkehrsübertretungen mit einer anderen Elle gemessen werden sollen als derartige Tatbestände, die bereits als Ordnungswidrigkeiten statuiert sind. Vielmehr kann man mit dem Bundesgerichtshof auch davon ausgehen, daß Handlungen erst dann einen kriminellen Unrechtsgehalt haben, wenn sie wesentliche Gemeinschafts- oder Individualwerte berühren, nicht aber bereits dann, wenn sie bloß die reibungslose Verwirklichung von Verwaltungsaufgaben tangieren, wozu zweifellos auch die erforderliche Ordnung im Straßenverkehr zählt, und darüber hinaus dem Täter - was die sozialethische Bedeutung angeht - nicht zur Last gelegt werden kann, er habe sich gegen die staatliche Rechtsordnung aufgelehnt in einem Sinne, der grundsätzlich mit einer fehlerhaften Persönlichkeitshaltung zusammenhängt.
Schließlich ist auch nicht zu übersehen, daß der Strafrechtsentwurf 1962 die bisherigen Übertretungstatbestände nicht mehr kennt, sondern in Ordnungswidrigkeiten umwandelt, soweit sie nicht als Vergehen deklariert werden. Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform hat diesen Vorschlag des Entwurfs aufgenommen und gebilligt. Auch aus diesem Grunde besteht keine Veranlassung, hier einen anderen Standpunkt einzunehmen und Verkehrsdelikte nicht als Ordnungswidrigkeiten in dem nunmehr gegebenen Sprachgebrauch gelten zu lassen. Ebensowenig wäre einzusehen, weshalb diese als Ordnungswidrigkeiten gewerteten Verkehrsdelikte nicht in das allgemeine Ordnungswidrigkeitengesetz gehören sollten.
Sicherlich kann es verschiedene Meinungen darüber geben, wie die einzelnen Tatbestände eingestuft werden sollen, ob als Vergehen oder als Ordnungswidrigkeiten. Dem einen wiegt der Unrechtsgehalt eines Sachverhalts stärker als dem anderen.
Entgegen den Erwägungen des vorliegenden Entwurfs hat das bayerische Innenministerium in allerjüngster Zeit Vorschläge unterbreitet. Es will zwikeiten unterscheiden und die Ahndung der schweren Ordnungswidrigkeiten allein dem Richter übertraDr. Hauser ({1})
gen. Als schwere Ordnungswidrigkeiten sollen statuiert werden: das Überholen vor einer unübersichtlichen Kuppe oder einer unübersichtlichen Kurve oder trotz nicht unterbrochener Linie auf der Fahrbahn, das Wenden auf der Autobahn, das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km in der Stunde, das Fahren mit abgefahrenen Reifen oder unzureichenden Bremsen, das anhaltende Fahren mit zu geringem Abstand bei einer Geschwindigkeit von 80 km pro Stunde und auch das Fahren bei Nebel mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepaßten Geschwindigkeit.
Hier wird nun nicht empfohlen, gewisse Tatbestände von Verkehrsunrecht, die im Entwurf als Ordungswidrigkeiten gewertet werden, als Vergehen einzustufen und damit zu einem kriminellen Unrecht zu erklären. Vielmehr wird in diesem bayerischen Vorschlag gefordert - wie es letzthin in einem Aufsatz hieß - „dem Verkehrsunrecht einen Maßanzug eigener Prägung auf den Leib zu schneidern", wenn hier schwere Ordnungswidrigkeit von einfacher unterschieden werden soll.
Rein äußerlich würden damit die als besonders „unfallträchtig" angesehenen Tatbestände noch unter die allgemeinen Ordnungswidrigkeiten eingereiht, gleichzeitig aber inhaltlich doch wieder ausgenommen. Wollte man diesem Vorschlag folgen, so bedingte dies im Ende ein Umkrempeln des gesamten Ordnungswidrigkeitengesetzes. Wäre es doch wirklich nicht zu rechtfertigen, allein im Bereich des Straßenrechts - selbst wenn man ihm eine gewisse eigenständige Regelung .nicht abstreiten wollte - schwere Ordnungswidrigkeiten zu statuieren und deren Ahndung allein dem Richter anzuvertrauen, wähernd andere Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen - wie etwa im Kartellrecht - bis zu 100 000 DM bedroht sind, als einfache Ordnungswidrigkeiten bestehen zu lassen, die dann nur von den Verwaltungsbehörden verfolgt werden können. Auch auf anderen Rechtsgebieten sind sehr wohl Tatbestände denkbar, die als schwere Ordnungswidrigkeiten anzusehen und zu bewerten wären. Dies führte aber unweigerlich zu einer Unübersichtlichkeit des ganzen Ordnungswidrigkeitenrechts, ganz abgesehen davon, daß auch in den einzeln aufgeführten Tatbeständen des bayerischen Vorschlags Verhaltensweisen denkbar sind, die gar nicht den Schuldvorwurf einer sogenannten schweren Ordnungswidrigkeit rechtfertigten. Um nur an ein Beispiel zu denken: Wie oben gesagt, soll das Überholen trotz durchlaufender, ununterbrochener weißer Linie auf der Fahrbahn eine schwere Ordnungswidrigkeit darstellen. Ist es aber nicht eine nur einfache Ordnungswidrigkeit, wenn etwa der Fahrer ganz am Anfang der weißen Linie einen langsam fahrenden Traktor überholt?
Der 5. Verkehrsgerichtstag, der in der verflossenen Woche in Goslar stattfand, hat die bayerische Anregung auch nicht aufgenommen, um nicht durch eine besondere Prüfung durch die Verfolgungsbeamten in Grenzfällen das Verfahren unnötig zu komplizieren.
Ich habe nur einige grundsätzliche Probleme herausgegriffen, die anschaulich machen sollen, um welchen Fragenkomplex es bei den Einzelberatungen in den Ausschüssen gehen wird. Insgesamt handelt es sich aber bei dieser Vorlage um eine gute und solide Vorarbeit, auf die die kommende weitere Diskussion im Parlament ohne weiteres aufbauen kann.
Ich stelle den Antrag, die beiden hier in Frage stehenden Vorlagen an die vom Ältestenrat vorgesehenen Ausschüsse zu überweisen, wobei ich mit einschließe, daß etwa auch der Sonderausschuß für Strafrecht mit eingeschaltet und zu Rate gezogen wird; denn ein gut Teil dessen, was in dieser Gesetzesvorlage angesprochen ist, ist eine Vorwegnahme der Arbeit, die insbesondere dem Sonderausschuß für Strafrecht zusteht.
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Denken Sie an die gutachtliche Äußerung des Sonderausschusses oder an die Mitbeteiligung?
An eine gutachtliche Äußerung, Herr Präsident.
Danke sehr!
Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD begrüßt die Grundkonzeption der beiden vorgelegten Entwürfe. Mit diesen beiden Entwürfen soll eine weitgehende Entkriminalisierung sogenannter Bagatellverstöße erreicht werden. Diese Linie ist schon seit langem in unserer Gesetzgebung deutlich spürbar. Der erste Schritt hierzu wurde bereits durch die Vorlage des Regierungsentwurfs zur Strafrechtsreform im Jahre 1962 gemacht. Dieser Entwurf sieht nämlich vor, daß es zukünftig nur noch Verbrechen und Vergehen gibt und die Übertretungen aus dem Strafrecht herausgenommen werden mit der Maßgabe, daß die Übertretungen zukünftig als Ordnungswidrigkeiten von den zuständigen Verwaltungsbehörden behandelt werden.
Die beiden uns heute vorliegenden Entwürfe gehen diesen Weg weiter, indem sie die verfahrensrechtlichen und die materiellen Voraussetzungen hierfür schaffen. Es bedarf hierbei noch besonders der Erwähnung, daß das Bußgeldverfahren als sehr einfaches, zügiges Verfahren angelegt ist, das dafür Sorge trägt, daß einem kleineren Verstoß die Ahndung auf dem Fuße folgt, wodurch kriminalpolitisch erreicht ist, daß eine solche Ahndung ihre besseren Früchte zeitigt, eben insofern, als eine schnelle Ahndung sicher günstiger ist, als wenn erst nach Monaten ein solcher Verstoß geahndet werden würde.
Darüber hinaus ist erreicht, daß die Gerichte - eben deshalb, weil sie in erheblicher Weise entlastet werden - sich zukünftig viel mehr denjenigen schwereren-Verkehrsverstößen widmen können, die echtes kriminelles Unrecht darstellen. Auf diese Weise wird ermöglicht, daß die Verkehrssicherheit erhöht wird.
Es kann nicht verschwiegen werden, daß einige schwerwiegende Bedenken gegen die beiden Gesetzentwürfe erhoben worden sind. Diese Bedenken müssen in den zuständigen Ausschüssen selbstverständlich angesprochen werden. Sie können nicht ohne nähere Prüfung beiseite geschoben werden. Diese Bedenken richten sich in der Hauptsache dahin, daß die Beteiligung der Polizei, und zwar des einzelnen Polizeibeamten und auch der Polizeibehörden, an diesem Bußgeldverfahren als nicht richtig angesehen wird.
Zunächst wird behauptet, daß die Polizei dann, wenn sie an diesem Bußgeldverfahren beteiligt würde, erhebliche Mehrarbeit leisten müßte und dadurch von ihrer eigentlichen Aufgabe der Verbrechensbekämpfung abgelenkt würde. Ich glaube, daß man selbstverständlich über diese Behauptung diskutieren muß, daß aber andererseits sehr viele Argumente gegen diese Behauptung sprechen. Nach unserer derzeit noch geltenden Regelung wird die Polizei mit diesen Verkehrsverstößen ohnehin von Anfang an befaßt. Sie muß im Rahmen der sogenannten richterlichen Strafverfügung jeweils dem Gericht in einer Vorlage einen Strafvorschlag unterbreiten, der - dies lehrt die Praxis - fast durchweg von den Gerichten als richtig übernommen wird. Damit ist dargetan, daß die Polizeibehörde auch zukünftig in vermehrtem Maß an diesem Bußgeldverfahren beteiligt werden kann, ohne daß dadurch für sie Mehrarbeit entsteht. Die Polizei muß nämlich ohnehin alle bei ihr eingehenden Anzeigen, alle von ihr zu behandelnden Anzeigen, dahin gehend überprüfen, ob diese Anzeigen Verkehrsverstöße beinhalten, die unter Umständen von dem Einzelrichter ohne Heranziehung des Amtsanwalts erledigt werden können oder die vielleicht etwas schwerwiegender sind und deshalb dem Amtsanwalt zugeleitet werden müssen oder die so schwerwiegend sind, daß sich die Staatsanwaltschaft von vornherein mit diesen Verkehrsverstößen beschäftigen muß. Dieser Prüfungspflicht bezüglich der Vorlage der Anzeigen kann die Polizei auch zukünftig nicht entgehen. Infolgedessen ist es folgerichtig, wenn die Polizei, da sie ja ohnehin sortieren muß, diejenigen kleineren Verkehrsverstöße, bei denen sie auch bisher einen Strafvorschlag machen muß, direkt in der Weise endgültig behandelt, daß sie zukünftig einen Bußgeldbescheid erläßt.
Der weitere Einwand, der gegen diese beiden Gesetzesvorhaben erhoben wird, ist derjenige, daß das gute Vertrauensverhältnis der Bevölkerung zur Polizei dann gestört werden würde, wenn der einzelne Polizeibeamte die Möglichkeit hätte, ein Verwarnungsgeld bis zur Höhe von 20 DM zu verhängen, und wenn darüber hinaus die Polizeibehörde auch noch die Möglichkeit hätte, einen Bußgeldbescheid bis zu einer Geldbuße in Höhe von 1000 DM auszusprechen.
Was ist hierzu zu sagen? Selbstverständlich kann man auch diesen Einwand nicht ohne weiteres abtun. Die zuständigen Ausschüsse müssen sich auch mit diesem Einwand eingehend beschäftigen. Aber grundsätzlich muß angeführt werden, daß das bisherige System der sogenannten gebührenpflichtigen
Verwarnung, das dem Polizeibeamten die Erteilung einer solchen Verwarnung bis zur Höhe von 5 DM ermöglicht, bisher gut funktioniert hat. Wir haben Zahlen, die uns beweisen, daß sage und schreibe rund 7 Millionen gebührenpflichtige Verwarnungen jährlich in der Bundesrepublik durch die Polizeibeamten verhängt werden, ohne daß es dann anschließend zu irgendwelchen- Schwierigkeiten und Verwicklungen vor Gericht gekommen wäre. Damit ist grundsätzlich dargetan, daß es gerade im Interesse des Staatsbürgers ist, wenn wir das Institut der gebührenpflichtigen Verwarnung beibehalten und unter Umständen sogar noch etwas ausweiten.
Sicher kann man darüber streiten, ob man dem einzelnen Polizeibeamten diese erweiterte Befugnis geben soll, daß er über die bisherige Grenze von 5 DM hinaus nunmehr zukünftig bis 20 DM Verwarnungsgeld verhängen kann. Auch diese Frage sollte in den zuständigen Ausschüssen eingehend besprochen werden. Immerhin darf aber in diesem Punkt noch gesagt werden, daß die einzelnen Landesbehörden ohne weiteres von der Möglichkeit Gebrauch machen können, sofern sie dies für richtig erachten, dem einzelnen Polizeibeamten einen Katalog an die Hand zu geben, damit in der praktischen Handhabung eine Vereinfachung bei der Verhängung des Verwarnungsgeldes erzielt wird. Darüber hinaus haben es - darauf muß mit einem Satz ebenfalls hingewiesen werden - die Polizeibehörden in der Hand, eine Auswahl unter den Polizeibeamten dahin gehend zu treffen, daß nur diejenigen Polizeibeamten ermächtigt werden, gebührenpflichtige Verwarnungen zu erteilen, bei denen die sichere Gewähr besteht, daß sie dieses Institut der Verwarnung auch richtig anwenden.
Ich glaube, das sind die wesentlichsten Einwände, die in der Offentlichkeit bisher gegen die beiden Gesetzentwürfe erhoben worden sind.
Sie wären noch durch den weiteren Einwand zu ergänzen - der auch schon Erwähnung gefunden hat -, daß die vorgesehene Regelung unter Umständen verfassungsrechtlich zu beanstanden sei. Meiner Überzeugung nach ist dieser Einwand völlig ungerechtfertigt. Denn es handelt sich ja - dies muß man ganz besonders betonen - lediglich um ein vorläufiges Verfahren, das nur dann funktionieren kann, wenn der Betroffene diesem vorläufigen Verfahren seine Zustimmung gibt. Der Betroffene hat es jederzeit in der Hand, durch Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid eine richterliche Kontrolle zu erzwingen. Wenn er andererseits aber aus Vereinfachungsgründen oder eben deshalb, weil er meint, daß sein kleinerer Verstoß angemessen geahndet ist, einer solchen Handhabung zustimmt, dann ist er beim besten Willen nicht benachteiligt.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch eines ganz kurz erwähnen, das mir bei der Vorbereitung zu meinen heutigen Bemerkungen aufgefallen ist. Wir reden so viel von Entkriminalisierung im Straßenverkehrsrecht, und wir sollten den Weg dieser Entkriminalisierung auch mutig weitergehen. In der „Bonner Rundschau" von gestern sind zwei Interviews abgedruckt, die sich mit diesem Problem
beschäftigen. Es hat insbesondere der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei zu den beiden Gesetzgebungsvorhaben Stellung genommen. Er wendet sich grundsätzlich nicht gegen diese Gesetzgebungsvorhaben, er wendet sich nur insoweit gegen sie, als die Polizei als Verwaltungsbehörde die Bußgeldbescheide erlassen soll; er meint, es sollten andere Behörden dazu bestimmt werden, diese Bußgeldbescheide zu erlassen. Dabei hat es die Ironie des Schicksals gefügt, daß neben diesem Interview lustigerweise eine Meldung abgedruckt ist - ich darf sie wohl mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren -, die uns deutlich zeigt, daß wir mit der Entkriminalisierung im Verkehrsstrafrecht ernst machen sollten. Die Meldung, die überschrieben ist: „Auch das geschieht", lautet: „Zu einer Geldstrafe von 10 Schilling - gleich 5,60 DM - wurde in der englischen Stadt Stockport ein fünfzehnjähriges Mädchen verurteilt, weil es bei Dunkelheit auf einem unbeleuchteten Pferd geritten war."
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Ich glaube, daß zukünftig - so etwas kann ja auch bei uns vorkommen - eine solche Angelegenheit nicht vor Gericht kommt, so daß dieses Mädchen zukünftig nicht vorbestraft ist, sondern nur mit einer Geldbuße belegt wird, die, glaube ich sagen zu dürfen, richtigerweise wohl die Polizei erteilt.
Ich darf zusammenfassend sagen, daß die SPD-Fraktion den Grundzügen dieses Entwurfs zustimmt, daß aber andererseits den Bedenken, die ernster Natur sind, insoweit Rechnung getragen werden sollte, ,als in den zuständigen Ausschüssen sehr genau und eingehend über diese Bedenken gesprochen werden sollte. In diesem Sinne schließt sich die SPD-Fraktion dem schon gestellten Antrag an, das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten dem Rechtsausschuß und dem Innenausschuß und das Einführungsgesetz dem Rechtsauchuß, dem Innenauschuß und dem Verkehrsausschuß zu überweisen, wobei jeweils der Rechtsausschuß federführend sein soll.
Dabei sei mir noch eine Bemerkung erlaubt. Die beiden Gesetzgebungsvorhaben stehen in engem Zusammenhang mit der Strafrechtsreform. Es wäre von der Arbeit her gesehen besser gewesen, wenn der Sonderausschuß Strafrecht ebenfalls an den Beratungen beteiligt worden wäre. Es wird aller Voraussicht nach ohnehin so sein, daß sich der Rechtsausschuß in den nächsten Monaten an den Sonderausschuß Strafrecht wenden und ihn um eine gutachtliche Äußerung bitten wird. Diese gutachtliche Äußerung wird dem Sonderausschuß Strafrecht eine Fülle von Arbeit bereiten. Es hätte deshalb auch im Interesse des Strafrechtsausschusses gelegen, wenn diese besondere Arbeit durch eine Mitüberweisung geschäftsordnungsmäßig und protokollarisch niedergelegt wäre. Da aber der Ältestenrat einstimmig einen anderen Beschluß gefaßt hat und ich in Anbetracht der vorgerückten Zeit keine Geschäftsordnungsdebatte heraufbeschwören möchte, schließe ich mich dem Antrage an, der schon gestellt worden ist, erlaube mir aber, darauf hinzuweisen, daß mit aller Sicherheit der Sonderausschuß Strafrecht auch bezüglich dieser Gesetzgebungsvorhaben ein gerütteltes Maß an Arbeit zu erledigen haben wird.
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Das Wort hat die die Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt zu Ihnen spreche und wenn ich namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei gleichfalls erkläre, daß wir den Grundzügen dieses Gesetzes unsere Zustimmung geben und daß wir auch der Auffassung sind, daß hier eine gute Grundlage für die Verhandlungen in den Ausschüssen geschaffen wurde, so werden Sie vielleicht fragen: wo bleibt denn jetzt die Opposition? Aber Opposition bedeutet für uns Freie Demokraten nicht, daß wir alles negieren, sondern bedeutet eine echte konstruktive Mitarbeit da, wo sie geboten ist.
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Und bei diesem Gesetz handelt es sich weiß Gott nicht um irgendein parteipolitisches Gesetz. Die Grundzüge sind allerdings insofern politisch, als es darum geht, auf dem Wege der Entkriminalisierung fortzuschreiten. Der Herr Bundesjustizminister und meine Vorredner haben schon viel in dieser Hinsicht gesagt. Ich möchte es nicht wiederholen, möchte aber doch noch auf einen Punkt hinweisen, der auch in der Diskussion, die der heutigen Beratung schon seit Monaten in der Offentlichkeit vorausgegangen ist, vielleicht nicht genügend zum Ausdruck gekommen ist, daß nämlich dieses Gesetz seine ganz große Bedeutung nicht nur für das Verkehrsstrafrecht hat, sondern auch für sehr viele andere Gesetze, vor allem auch Verwaltungsgesetze, Kartellgesetze, Gesetze des Wirtschaftsrechts, des Lebensmittelrechts usw. In dem Einführungsgesetz, das heute mitbehandelt wird, sind nicht weniger als 160 Gesetze aufgeführt, in die dieses Ordnungswidrigkeitengesetz eingreift. Wenn von der Entkriminalisierung im Zusammenhang mit idem Verkehrsstrafrecht gesprochen wurde, dann gilt dieser Begriff der Entkriminalisierung genauso für unsere Verwaltungsgesetze.
Wir bemühen uns bei der Strafrechtsreform, die Übertretungen aus dem Strafrecht herauszubringen und sie nicht mehr zu pönalisieren, sondern nur noch das zu pönalisieren, was wirklich kriminelles Unrecht ist. Ich stelle jedoch immer wieder fest, daß Verwaltungsgesetze vorgelegt werden, in denen mindere Verstöße immer noch als Vergehen behandelt werden. Erst kürzlich wurde uns das Sprengstoffgesetz vorgelegt, in dessen Schlußbestimmungen es heißt: „Mit Gefängnis wird bestraft ..." Das zeigt, wie notwendig es ist, daß auch dem Teil im Einführungsgesetz, der sich mit den ganzen anderen so bedeutungsvollen Gesetzen befaßt, entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wir sollten uns vor allen Dingen in Zukunft bei neuen Gesetzen Mühe geben, nicht als Vergehen zu werten, was an rand für sich als Ordnungswidrigkeit behandelt werden sollte.
Selbst in diesem Falle müssen wir uns noch die Frage stellen: Ist auch bei den Verwaltungsgesetzen
immer eine Bußgeldvorschrift notwendig? Kann manches nicht auch im normalen verwaltungsgerichtlichen Verfahren erledigt werden? Wenn das möglich ist, sollte man auch insofern von Bußgeldbestimmungen absehen. Auch das dient zur Entkriminalisierung.
Die Entkriminalisierung hat deshalb ihre Bedeutung, weil es doch gerade unsere guten Bürger bedrückt, wenn sie - auch wenn sie nicht beim Straßenverkehr in die Fänge des Gesetzes gekommen sind - wegen Verstoßes gegen Verwaltungsbestimmungen „Vorbestrafte" sind. Mir wurden erst jetzt wieder Fälle aus dem Gastwirtsgewerbe mitgeteilt, wo gegen eine gesundheitspolizeiliche Bestimmung verstoßen wurde. Die Betreffenden gelten wegen des sehr reformbedürftigen Straftilgungsgesetzes auf Jahre hinaus als vorbestraft.
Ich komme jetzt zu dem Hauptteil, der Entkriminalisierung von Verkehrsübertretungen. Es war vielleicht ganz gut, daß die zunächst für die vorige Woche vorgesehene erste Lesung damals nicht stattgefunden hat und in der Zwischenzeit noch der Verkehrsgerichtstag in Goslar abgehalten wurde. Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Verhandlungen dort verfolgt. In einem Zeitungsbericht wird mit Recht unter der Überschrift „Angeklagt und verurteilt: der Verkehrstod" darauf hingewiesen, daß auch hinter diesem Gesetz der Mensch steht, daß man dem Schutz des Menschen auch im Verkehr Rechnung tragen muß und daß man eine vernünftige und praktikable Lösung für kleinere Verstöße finden muß.
Etwas anderes kam in 'diesem Zeitungsbericht ganz klar zum Ausdruck. Ich zitiere einen Journalisten, dessen Name in dem Bericht leider nicht genannt wird:
Wo 'ist der Held, der den Moloch Verkehr in seinen menschlichen Verkörperungen zähmt? Wir sind Kurpfuscher an den Symptomen dieser Massenerscheinung des Jahrhunderts und haben dafür weder den Helden noch die Medizin gefunden.
Nachher wird mit aller Schärfe gesagt:
Es wurden untersucht die Gründe für das Versagen der menschlichen Ordnung gegenüber der Wirklichkeit.
Grundgedanke dieser Gesetzesvorlage ist ja wohl auch, daß man die Wirklichkeit wieder sehen will, daß man ihr gerecht werden will. Das kann allerdings nur geschehen, indem man den Weg geht, der von der Regierung vorgeschlagen wird.
Es ist schon auf die Kritik hingewiesen worden, die an dem Gesetz geübt worden ist. Ich habe mit großem Interesse die Vorschläge des bayerischen Innenministeriums gelesen. Herr Kollege Hauser, ich teile Ihre schweren Bedenken gegen die Aufteilung der Ordnungswidrigkeiten in Ordnungswidrigkeiten und schwere Ordnungswidrigkeiten. Es gibt für den Strafrichter nichts Schwierigeres, als die veschiedenen Formen der 'Fahrlässigkeit in einem Verfahren festzustellen. Ich hätte erhebliche Bedenken, wenn wir ohne genaue Konkretisierung der einzelnen Tatbestände, die Sie beispielsweise aufgeführt hatten, so weit gehen, zwischen Ordnungswidrigkeiten und schweren Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden, so daß die einen in Verwaltungsverfahren verfolgt würden, während die anderen gleich vor den Richter kämen. Hier hätte ich allerdings rechtsstaatliche Bedenken, die ich sonst bei dem konsequenten Aufbau 'des Gesetzes nicht habe. Ich halte es auch für verfassungsrechtlich richtig. Es muß aber über all 'diese 'Probleme sehr eingehend 'diskutiert werden.
Aber die Bayern machen einen anderen Vorschlag. Auch wenn er nicht zu einem Gesetz wird, sollte sich doch besonders der Verkehrsausschuß mit ihm befassen. Der Vorschlag betrifft die Frage, wie der Verkehrsunterricht gestaltet werden soll. Die Vorschläge, die von Bayern gemacht worden sind und die darauf hinauslaufen, den Verkehrsunterricht nach der Art der Täter und nach der Art ihres Verstoßes zu differenzieren, halte ich 'für sehr beachtenswert. Auch uns muß es bei diesem Gesetz darum gehen, zuerst vorzubeugen und zu verhüten, damit es möglichst wenig nicht nur zur Bestrafung, sondern auch zum Verhängen von Geldbußen kommt.
Soweit es sich um die Bußen handelt, wurde von den Vorrednern schon von deren Höhe gesprochen. Wenn Sie die Höhe der vorgesehenen Geldbußen mit der Höhe vergleichen, in der zur Zeit Geldstrafen verhängt werden, werden Sie feststellen, daß hier Spannungen vorhanden sind. Diese Geldbußen liegen teilweise um ein Mehrfaches höher als die zur Zeit vorgesehenen Geldstrafen. Auch insofern ist es notwendig, daß der Sonderausschuß Strafrecht sich mit diesem Problem befaßt, damit diese Spannen nicht so groß werden.
Weiter wurde darauf hingewiesen - auch ich habe das mit Aufmerksamkeit gelesen -, daß die Polizei Bedenken anmeldet und glaubt, ihr würden zu viele neue Aufgaben aufgebürdet. Herr Kollege Müller-Emmert hat schon eingehend dargelegt, daß das tatsächlich nicht so schlimm ist. Die Polizei muß auch jetzt schon die Anzeigen entgegennehmen und die Unfälle aufnehmen. Hierzu möchte ich sagen, daß manchmal bei der Diskussion über dieses Gesetz vielleicht 'die Entlastung der Gerichte zu stark in den Vordergrund geschoben wurde. Ob eine Tat vom Gericht oder von der Verwaltung weiter verfolgt wird, das bleibt sich arbeitsmäßig gleich; nur jemand anderes ist zuständig. Wenn ich aber mit dre Entkriminalisierung ernst machen will, kann ich diese Zuwiderhandlungen nicht bei den Gerichten lassen, sondern muß sie zu den Verwaltungsbehörden geben. Es muß auch hier darauf gesehen werden, praktikable Lösungen zu finden.
Die Frage der Zuständigkeiten möchte ich nicht weiter behandeln, da die Verfahren bereits eingehend geschildert wurden. Ich verspreche mir von diesem Gesetz tatsächlich eine ganz wesentliche Entlastung.
Auf dem Verkehrsgerichtstag von Goslar wurden die Schnellgerichte an den Autobahnen verworfen; es wurden auch erhebliche Bedenken gegen das sogenannte Kleine Fahrverbot geltend gemacht. Natürlich kommt es darauf an, daß auch kleinere Verkehrsverstöße sehr schnell geahndet werden, was
durch die Verwarnung unmittelbar durch den Polizeibeamten erreicht wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf etwas anderes aufmerksam machen. Ich will nicht 'auf die Schnellgerichte an (den Autobahnen zu sprechen kommen, denen ich gar nicht so skeptisch gegenüberstehe. Ich erwähne das folgende auch nicht deshalb, weil ich aus Stuttgart bin. Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde auf ein Stuttgarter Beispiel hingewiesen. Wir haben in Stuttgart ein Schnellverfahren, das eine Aburteilung innerhalb von zehn Tagen bis vier Wochen durch eine gute Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht ermöglicht. Das ist aber nur dadurch möglich, daß sich dort unsere Richter und auch die Ermittlungsbehörden von dem Zwang gelöst haben, alles mit Briefen zu machen. Hier werden Telefon und Fernschreiber benutzt, während in anderen Behörden die Kosten, die dadurch entstehen, noch gescheut werden. Insofern sollten wir von dieser Seite her mehr Mut zu einer Modernisierung auch im Verfahren haben, um eine schnelle Erledigung all dieser Verstöße zu erreichen.
Auch wenn die Fraktionen sich in den Grundzügen einig sind, bringt dieses Gesetz eine Fülle von Problemen mit sich, die angesichts der großen Bedeutung dieses Gesetzes in den Ausschüssen eingehend behandelt werden sollten.
Herr Kollege Müller-Emmert, Sie haben sich zum Schluß Ihrer Darlegungen so wohlwollend über die Miteinschaltung des Sonderausschusses Strafrecht geäußert. Dazu darf ich darauf hinweisen, daß sich die Vertreter der Freien Demokraten im Ältestenrat dafür einsetzten, insofern aber leider auf verlorenem Posten kämpften. Mir kommt es nicht so sehr darauf an, in welcher Form es geschieht. Alle Redner haben betont, daß der Sonderausschuß Strafrecht in die Beratung eingeschaltet werden muß, und sei es auch in der Form von Gutachten. Auch ich halte das für richtig; denn es sollen hier eine ganze Anzahl wichtiger Bestimmungen, deren Änderung an sich im Rahmen der Strafrechtsreform vorgesehen war, voweg modernisiert werden. Ich denke vor allen Dingen auch an die wichtigen Fragen der Einziehung, über die heute nicht gesprochen worden ist. Hier sind moderne Vorstellungen vorhanden. Ich denke aber auch an das schwierige Problem der Geldbußen für juristische Personen, insbesondere, wenn Geldbußen bis zu 100 000 DM verhängt werden können.
Ich denke daran, daß auch in dem eigentlichen Ordnungswidrigkeitengesetz drei Bestimmungen von erheblicher praktischer Bedeutung enthalten sind, einmal die Bestimmung über den Vollrausch, zum anderen die Bestimmungen über die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Jugendlichen und über die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben.
Das sind Einzelprobleme, auf die ich jetzt nur einmal hinweisen will. Daß wir in der zweiten Lesung im Plenum immer noch in allen Einzelheiten ganz so einig sind wie heute, wage ich nicht vorauszusagen. Aber ich bin überzeugt, es wird sich dann nicht um parteipolitische, sondern höchstens um rechtspolitische Bedenken handeln.
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Zur Klarstellung: Der Ältestenrat hat lediglich die bisherige Übung des Hauses bestätigt, daß Sonderausschüsse grundsätzlich auf ihre Aufgabe beschränkt und deswegen nicht mitberatend tätig sein sollen.
Herr Dr. Rutschke hat noch um das Wort gebeten. - Nein?
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Herr Klaus Hübner hat seine Jungfernrede - ({1})
- Er hat seine Bedenken zu Protokoll gegeben. Sie gipfeln in dem eindrucksvollen Satz: „Justitia sollte es grundsätzlich vorbehalten bleiben, mit verbundenen Augen zu tieferen Einsichten zu gelangen."
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Ich darf die Aussprache schließen. Die Vorlage soll entsprechend den Vorschlägen des Ältestenrates - Rechtsausschuß federführend, Innenauschuß und Verkehrsausschuß mitberatend - überwiesen werden; der Sonderausschuß für Strafrecht soll gutachtlich gehört werden. - Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 15. Februar 1967, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.