Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich bekanntzugeben, daß gemäß § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Bericht über die Auswirkungen der EWG-Marktorganisationen auf dem Agrargebiet - Drucksache V/1108 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - überwiesen werden soll. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß so beschlossen worden ist.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. November 1966 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
Gesetz zu dem Abkommen vom 29. April 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Rettungseinsätzen und Rücktransporten mit Luftfahrzeugen
Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Landbeschaffung ({0}).
Der Bundesminister für Verkehr hat am 10. November 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}), Bading, Mertes und Genossen betr. Schutz von Mensch und Tier auf Verkehrswegen -- Drucksache V/1034 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1107 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, ,Landwirtschaft und Forsten hat am 10. November 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({2}), Dröscher, Frehsee, Bading, Blume, Fellermaier, Porzner, Saxowski, Seither und Genossen und der Fraktion der SPD betr. Situation der deutschen Forstwirtschaft - Drucksache V/1054 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1127 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 17, November 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauer ({3}), Schlager, Röhner, Ehnes, Wagner, Lemmrich, Bauknecht, Fritz ({4}), Dr. Häfele, Dr. Aigner, Ertl, Reichmann und Genossen betr. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft - Drucksache V/1057 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1132 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 18. November 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wehrtechnische Forschung - Drucksache V/1039 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1134 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 18. November 1966 ,die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rüstungsgeschäfte mit der Firma Hispano-Suiza - Drucksache V/1041 - teilweise beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1135 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 11. November 1966 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestapes vom 2. April 1965 über den derzeitigen Stand der Prüfung darüber berichtet, welche gesetzgeberischen Maßnahmen erforderlich sind, um sozialversicherungsrechtliche Nachteile auszuschließen, die Versicherten durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts entstehen können.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 7. November 1966 mitgeteilt, daß gegen die
Verordnung Nr. 133/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren im vierten Vierteljahr 1966
keine Bedenken bestehen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 11. und 18. November 1966 mitgeteilt, daß gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken bestehen:
Verordnung Nr. 137/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über besondere Maßnahmen zum Absatz von verarbeiteter Butter aus privater Lagerhaltung
Verordnung Nr. 138/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 zur Änderung der Verordnung Nr. 111/64/EWG des Rates und zur Abweichung von Artikel 14 Absatz ({5}) der Verordnung Nr. 13/64/EWG des Rates bezüglich Kondensmilch
Verordnung Nr. 131/66/EWG des Rates vorn 22. September 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 142/64/EWG des Rats über die Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke
Verordnung Nr. 132/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 130/65/EWG des Rats über die Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung für die Grob- und Feingrieß-sorten aus Mais, die in der Brau-Industrie Verwendung finden
Verordnung Nr. 134/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 zur Änderung der Verordnungen Nrn. 45, 46, 116, 129/63/EWG und 59/64/EWG des Rats, soweit diese Bruteier von Hausgeflügel und lebendes Hausgeflügel mit einem Gewicht von höchstens 185 Gramm betreffen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Siebenundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({6}) - Drucksache V/1136 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 8. März 1967;
Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksache V/1081 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967.
Der Präsident hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Richtlinie des Rats über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut der Reben
- Drucksache V/1099 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 22. Februar 1967;
Verordnung Nr. 170/66/EWG des Rats vom 27. Oktober 1966 betreffend die Erhöhung der Abschöpfungen, die von der Bundesrepublik Deutschland, vom Königreich Belgien und von der Französischen Republik auf bestimmte Rinder- und Rindfleischeinfuhren aus dritten Ländern erhoben werden
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Vizepräsident Dr. Schmid
Zu den in der Fragestunde der 69. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. Oktober 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Müller ({7}), Drucksache V/1025 Nrn. IX/ 18, IX/ 19 und IX/20 *) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 10. November 1966 eingegangen:
1. Die Abwanderung von Wissenschaftlern der Luft- und Raumfahrtindustrie wird von der Bundesregierung in jedem Falle mit großer Sorgfalt beobachtet.
Eine generelle Verstärkung der Neigung abzuwandern ist kaum zu befürchten. Die im Jahre 1966 für Forschung und Entwicklung benötigten Haushaltsmittel stehen zur Verfügung. Von einer Mittelkürzung kann im Ergebnis also nicht mehr gesprochen werden. Gewisse Schwierigkeiten sind allerdings dadurch entstanden, daß einige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mehr und früher Geld beanspruchten, als vorauszusehen war, und daß hierdurch an einigen Stellen des Programms Umstellungen erforderlich wurden. Sofern auch für 1967 die für Forschung und Entwicklung als notwendig angesehenen Mittel im Haushaltsansatz berücksichtigt werden, können Forschungen und Entwicklungen in dem geplanten Umfange weiterhin durchgeführt werden.
Es besteht somit kein erkennbarer Anlaß zu der Befürchtung, daß aus Forschungs- und Entwicklungsbereichen, für die das Bundesverteidigungsministerium zuständig ist, zunehmend Wissenschaftler in die Vereinigte Arabische Republik abwandern.
Die Frage, was geschehen kann, um wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie zu erhalten, ist kürzlich Gegenstand eines ausführlichen Gesprächs mit dem Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie gewesen. Dieses Gespräch wurde vor dem Hintergrund der ernsten Entwicklung der Haushaltslage des Bundesministeriums der Verteidigung geführt. Hierbei wurde festgestellt, daß Abwanderungen wirksam nur verhindert werden können, wenn genügend Arbeitsmöglichkeiten in den wichtigen Schwerpunkten geschaffen werden. Solche Schwerpunkte sind die modernen Projekte des Flugzeugbaues mit ihren Komponenten, z. B. den Triebwerken und der elektronischen Ausrüstung, ferner die gesamte Raumfahrt.
Die Aufgabe, sich in diesem Sinne um den Aufbau von Schwerpunkten in den modernen naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen zu bemühen, obliegt nicht nur dem Bundesverteidigungsministerium. Auch die für die zivile Luft- und Raumfahrtforschung und -entwicklung verantwortlichen Ministerien sind beteiligt. Im Verein mit dem Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie sollte es möglich sein, Abwanderungstendenzen wirksam zu begegnen.
2. Der Bundesminister der Verteidigung wurde in den letzten beiden Jahren mehrfach darauf angesprochen, die Form des Wehrdienstes für Abiturienten, insbesondere für solche, die Naturwissenschaften, Mathematik und Physik studieren wollen, zu ändern. Derartigen Wünschen wurde nicht entsprochen, da nach Auffassung der Bundesregierung kein Unterschied zwischen Abiturienten und anderen Wehrpflichtigen gemacht werden sollte. An dieser Auffassung hält die Bundesregierung auch heute noch fest.
Im Juni 1966 habe ich mit dem Präsidenten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ein eingehendes Gespräch geführt über dessen Vorschläge zur Wehrdienstleistung durch künftige Studenten der Mathematik und Physik. Die Vorschläge gehen dahin, die künftigen Studenten der Mathematik und Physik nach einem rein militärischen Grundwehrdienst von 6 Monaten anschließend in entsprechenden technischen Bereichen der Bundeswehr einzusetzen, um dadurch für sie Kontakte zu naturwissenschaftlichen und technischen Vorgängen herzustellen.
Dem steht jedoch entgegen, daß die zum Grundwehrdienst herangezogenen Abiturienten lediglich ein Berufsinteresse, jedoch keine Universitätsausbildung und keine Fachkenntnisse haben. Die künftigen Mathematik- und Physikstudenten müßten an den entsprechenden Einrichtungen der Bundeswehr auf Dienstposten verwendet werden, ohne daß sie den fachlichen Anforderungen dieser Dienstposten genügen könnten. Gleichzeitig würden diese Dienstposten den Fachkräften entzogen.
Ich darf jedoch darauf hinweisen, daß ich vor über einem Jahr die Weisung erteilt habe, daß sich alle Wehrpflichtigen - so auch die Abiturienten - einer Eignungs- und Verwendungsprüfung zu unterziehen haben, damit sie nach der allgemeinen Grundausbildung im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten entsprechend ihrer Eignung und Neigung eingesetzt werden können. Zwar können zur Zeit wegen der außerordentlich hohen Zahl von Abiturienten - im Jahre 1967 werden es über 30 000 sein - deren Wünsche nur teilweise berücksichtigt werden. Jedoch wird mit fortschreitender Normalisierung der Abiturientenquote - für das Jahr 1969 werden ungefähr 15 000 Abiturienten erwartet - die Verwendung dieses Personenkreises in den Streitkräften zunehmend den Berufswünschen angepaßt werden können.
3. Bei den französischen und amerikanischen Streitkräften werden die Abiturienten - soweit sie nicht ohnehin zum Grundwehrdienst einberufen werden - an ihren Universitäten durch Ausbildungskader der Streitkräfte an einzelnen Tagen an ihrer Waffe ausgebildet. Die besten avancieren hierbei zum Reserveoffizier ({8}). Nach dieser Ausbildung und
*) Siehe 69. Sitzung, Seite 3242 B
dem Abschluß des Stadiums werden diese Personen zum vollen Grundwehrdienst herangezogen.
Dennoch hat sich gezeigt, daß trotz dieses Verfahrens den Wünschen und Vorstellungen eines großen Teiles der Studenten häufig nicht entsprochen werden kann, weil einmal die auf der Universität erworbenen mathematischen oder physikalischen Kenntnisse nicht kongruent sind mit den in der Armee auszuübenden Funktionen und weil zum anderen für die große Zahl der auf der Universität Vorgebildeten passende Dienstposten in ausreichender Zahl nicht vorhanden sind.
Abschließend darf ich bemerken, daß es unrealistisch wäre, an den deutschen Universitäten neben dem Studium eine militärische Ausbildung betreiben zu wollen, da die hierfür notwendige Organisation zu teuer und zu personalaufwendig wäre.
Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde
- Drucksache V/1133 Ich rufe die Frage des Abgeordneten Rollmann unter I - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes - auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die Zukunft des Referats Jugend- und Studentenpublizistik im Presseund Informationsamt der Bundesregierung?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs von Hase vom 18. November 1966 lautet:
Das Sachgebiet „Jugend und Studenten" ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit den Sachgebieten „Kirchen, Wissenschaft, Frauen und Sport" in einem Referat der Inlandsabteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung zusammengefaßt. Die Zusammenlegung dieser Sachgebiete hat sich als notwendig und zweckmäßig erwiesen. Ein eigenes Referat „Jugend- und Studentenpublizistik" besteht daher im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung nicht. Wie bisher, werden auch in Zukunft die informationspolitischen und publizistischen Aufgaben der Sachgebiete „Jugend und Studenten" im Rahmen der Gesamtaufgabenstellung des Presse- und Informationsamtes in diesem Referat wahrgenommen.
Ich darf darauf hinweisen, daß bereits mit Organisationsverfügung vom 16. April 1963 die Sachgebiete „Jugend und Sport", die bis dahin ein selbständiges Referat bildeten, mit dem Sachgebiet „Frauen" zu einem Referat „Fachpublizistik" vereinigt wurden. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat darüber hinaus in seinem Gutachten vom Mai 1966 über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Presse- und Informationsamtes empfohlen, daß die verwandten Sachgebiete „Jugend und Sport" innerhalb eines größeren Referates nicht, wie bisher, von zwei Hilfsreferenten, sondern nur noch von einem Hilfsreferenten bearbeitet werden.
Die im „Jugendinformationsdienst" vom 2. und 11. November 1966 verbreitete Meldung, wonach „das Fachreferat Jugend- und Studentenpublizistik nicht mehr als selbständiges Referat fortgeführt wird" und „die Abschaffung dieses Referates im Presse-und Informationsamt bedeutet, daß die Bundesregierung nicht mehr gewillt sei, die Anregungen und Überlegungen der Jugendpublizistik zur Kenntnis zu nehmen", geht im ersten Falle von einer falschen Voraussetzung aus und ist im zweiten Falle unzutreffend.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung widmet der Jugendpublizistik nach wie vor größte Beachtung. Es ist gewährleistet, daß die informationspolitischen Aufgaben der Bundesregierung auf dem Sachgebiet Jugend und Studenten auch künftig in vollem Umfang wahrgenommen werden.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Hirsch unter II - Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen - auf:
Gilt nach Auffassung der Bundesregierung heute noch das Helmstedter Abkommen vom 3./4. Oktober 1949, nach dem ein Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen über die Zonengrenze nach Westberlin grundsätzlich nicht erwünscht ist und deshalb für jeden einzelnen Fall eine gebührenpflichtige Genehmigung erforderlich ist?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe
Vizepräsident Dr. Schmid
die Frage III/1 des Abgeordneten Lautenschlager auf:
Warum ist es der Bundesregierung bis jetzt nicht gelungen, durch Verhandlungen die Schutzzölle, die aur deutsche Autos bei der Einfuhr nach Italien und Frankreich erhoben werden, abzubauen bzw. die Ausfuhrsubvention, die französischen Automobilfirmen beim Export nach Deutschland gewährt wird, durch Importzölle bzw. Abschöpfungen aufzufangen?
Die Einfuhrzölle für deutsche Automobile sind in Italien und in Frankreich seit 1958 um 80 % gesenkt worden. Diese beschleunigte Zollsenkung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist zu einem großen Teil auf eine deutsche Initiative zurückzuführen. Im Juli 1968 werden alle Automobilzölle in der Gemeinschaft fortgefallen sein.
Die Ungleichheit, auf die Sie, Herr Abgeordneter, mit Recht hinweisen, stammt aus der ungleichen Umsatzbesteuerung in den betreffenden Ländern. Deshalb gehört zu den vordringlichen Forderungen der deutschen Europapolitik die Beseitigung dieser Ungleichheiten. Der nächste Fortschritt in dieser Richtung würde mit der Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland erreicht werden. Die 1. und 2. Richtlinie zur Umsatzsteuerharmonisierung in Brüssel geht in die gleiche Richtung. Auf deutsches Drängen hat der Ministerrat verbindlich beschlossen, diese beiden Richtlinien vor dem 31. Januar nächsten Jahres zu verabschieden. Es bleibt das Ziel der deutschen Europapolitik, eine weitergehende Steuerharmonisierung zu fordern, weil erst mit der Beseitigung der Steuergrenzen aus der Zollunion eine Wirtschaftsunion werden wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß der deutschen Automobilindustrie dadurch ein Schaden erwächst, daß sie in dem Zeitraum, der jetzt noch zu überbrücken ist, sich nicht den Markt dort in dem Maße erobern kann, wie sie es bei vorzeitigem Abbau der Schutzzölle, der vom Ausland auf deutsche Automobile erhoben wird, erreichen könnte?
Die Bundesregierung glaubt, daß die bisherige Senkung von Einfuhrzöllen - von 40 oder 45 % auf 8 oder 9 %, von 30 % auf 6 % - schon eine Erleichterung auch für die deutsche Automobilindustrie auf diesen fremden Märkten gewesen ist. Die Bundesregierung weiß, daß zur völligen Herstellung der Wettbewerbsgleichheit die Harmonisierung nicht nur der Steuersysteme, sondern auch der Steuersätze notwendig ist. Das bleibt ihr Ziel.
Ich rufe die Frage III/2 des Herrn Abgeordneten Lautenschlager auf:
Warum fördert die Bundesrepublik die Gründung von Filialbetrieben der deutschen Automobilindustrie, insbesondere des Volkswagenwerkes, in den Ostblockstaaten nicht, während Frankreich und Italien auf diesem Gebiet ihrer Fahrzeugindustrie kräftige Hilfe gewähren?
Die Bundesregierung ist bereit und vorbereitet, die Lieferung von Automobilfabriken in Oststaaten zu fördern. Bisher ist die Bundesregierung mit einem einzigen konkreten Plan befaßt worden, nämlich mit den Vorstellungen deutscher Automobilfirmen für eine Tätigkeit in Rumänien. Wegen der Größenordnung von Ausfuhrbürgschaften, mit denen dieses Projekt gefördert werden sollte, hat damals das Bundeskabinett darüber beraten und unverzüglich positiv entschieden. Minister Schmükker hat dann bei seinem Aufenthalt in Rumänien deutlich gemacht, daß die Bundesregierung den Aufbau einer deutschen Automobilfabrik in Rumänien unterstützen würde.
Wenn die deutschen Auomobilhersteller trotz dieser Förderung bisher keine Aufträge für solche Objekte erhalten haben, so ist dies auf Umstände zurückzuführen, auf die die Bundesregierung keinen Einfluß hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann den Widerspruch zwischen dem, was Sie eben ausgeführt haben, und den Erklärungen, die Professor Nordhoff unlängst vor der Presse abgegeben hat?
Die Bundesregierung ist zwar durch einen Vertreter im Aufsichtsrat des Volkswagenwerkes vertreten. Die Motive, die die Geschäftsleitung des Volkswagenwerkes bei ihren Dispositionen geleitet haben, unterliegen nicht der Kritik der Bundesregierung an dieser Stelle. Ich kann aber versichern, daß der Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat des Volkswagenwerkes exakt auf den gleichen Sachverhalt hingewiesen hat, den ich hier vorgetragen habe.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf, zunächst Frage VII/1 des Abgeordneten Dr. Effertz:
Welche Überlegungen veranlaßten den EWG-Ministerrat, bei der Berechnung der Kosten für den Ausrichtungs- und Garantiefonds zur Durchführung der gemeinsamen Milchmarktordnung über die Vorschläge der Kommission hinauszugehen?
Die Fragen werden von Herrn Abgeordneten Wächter übernommen.
Die dem Parlament bekannten Berechnungen der EWG-Kommission in den Vorschlägen über gemeinsame Preise - es handelt sich um die Drucksache V/414 Seite 11 ff. - beruhten damals auf einem Richtpreis von 38 Pf pro kg ab Hof. Für einen Richtpreis von 39 Pf/kg, den der Ministerrat beschlossen hat, wurden aber weitere Berechnungen notwendig, die von der Kommission vorgelegt wurden. Daraus erklärt sich die in der Beantwortung der Kleinen Anfrage zitierte Zahl von 440 Millionen DM.
3412 Deutscher Bundestag - S. Wahlperiode
Zusatzfrage.
Sind Sie der Meinung, Herr Bundesminister, daß die Berechnungen der EWG-Kommission, wonach die Erhöhung der Erzeugerrichtpreise für Milch von 38 auf 39 Pf pro kg ab Hof einem Stützungsmehraufwand von 440 Millionen DM gleichkommt, richtig sind, oder ist die Vorausschätzung der Experten des Bundesfinanzministeriums mit rund 800 Millionen DM richtig?
Das ist sehr schwer zu sagen, und zwar deshalb, weil eine ganze Reihe von Unbekannten in diese Rechnung einbezogen werden müssen, die praktisch erst durch die Entwicklung bestätigt oder eben auch nicht bestätigt werden. Das war der Anlaß für die Bundesregierung, einen Test anzulegen, der uns Sicherheit dafür gibt - noch rechtzeitig vor Inkrafttreten des gemeinsamen Preises -, ob das Modell die Erwartungen erfüllt oder nicht.
Frage VII/2 des Abgeordneten Dr. Effertz:
Worauf stützt sich die Meinung des Bundesernährungsministers ({0}), daß über die bisherigen deutschen Einzugs- und Absatzgebiete noch keine Entscheidungen getroffen seien und daß im Falle einer Aufhebung eine mehrjährige Übergangszeit durchzusetzen sei?
Hierzu kann ich nur meine Ausführungen zur Frage 8 von Herrn Dr. Schmidt ({0}) wiederholen, daß bisher noch keine Entscheidungen über die deutschen Einzugs- und Absatzgebiete gefallen sind. Ich selbst habe nochmals anläßlich der Verhandlungen im Juni/Juli des Jahres im EWG-Ministerrat eine mehrjährige Übergangszeit für den Fall gefordert, daß die deutsche Regelung mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar ist. Der Ministerrat hat sich bisher mit diesem Problem noch nicht befaßt. Das wird bei der Vorlage der Trinkmilchmarktordnung geschehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}).
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß nach den Protokollen diese Frage in den entscheidenden Beratungen des Ministerrats überhaupt nicht berührt worden ist?
Nein, das trifft nicht zu; das ist erwähnt worden. Die Frage steht erst bei der Trinkmilchmarktordnung an. Zur Zeit ist die Lage so, daß die juristische Abteilung der Kommission die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Marktordnung für Milch prüft.
Zweite Zusatzfrage.
Halten Sie also insoweit die Protokolle des Ministerrats für falsch?
Ich halte die Protokolle nicht für falsch; ich habe sie nur nicht nachgeprüft. Es kann auch sein, daß das als eine Inzidenz-Bemerkung nicht aufgenommen worden ist. Es steht aber fest - und es kann auch unter Beweis gestellt werden -, daß diese Frage von mir angeschnitten wurde.
Frage VII/3 des Abgeordneten Dr. Effertz:
Ist die Frage einer Änderung des jetzt beschlossenen Systems der EWG-Milchmarktordnung bei den Verhandlungen in Brüssel bereits Gegenstand der Beratungen gewesen, um schon jetzt entsprechende Maßnahmen vorzusehen für den Fall, daß ein Erzeugererlös von 39 Pf je kg Milch ab Hof über den Markt nicht zu erzielen ist?
Zusammen mit den Beschlüssen des EWG-Ministerrates vom Juli dieses Jahres ist folgende Entschließung gefaßt worden:
Der Rat beschließt vor dem 31. 1. 1968 auf Vorschlag der Kommission, welche zusätzlichen Interventionen zur Sicherung des Richtpreises erforderlich sind.
Zu diesem Zeitpunkt kann der Ministerrat nach dem Stand der Entwicklung notwendige Ergänzungen beschließen.
Die Frage einer Änderung des jetzt beschlossenen Systems ist bisher nicht Gegenstand von Beratungen im EWG-Ministerrat gewesen.
Zusatzfrage.
Falls Ihre in der Antwort auf Drucksache V/1089 ausgesprochenen Erwartungen bezüglich des zu erreichenden Erzeugerrichtpreises für Milch nicht in Erfüllung gehen, würden Sie dann die Möglichkeit für eine Subventionierung der Milchanfuhrkosten in Höhe von 2 Pf je kg sehen, wie es der Präsident des Deutschen Bauernverbandes vorgeschlagen hat?
Das wäre eine Überlegung. Aber ich glaube, daß man auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen muß.
Zusatzfrage.
Herr Minister, entspricht die Antwort in der Drucksache V/1089 der einheitlichen fachlichen Meinung Ihres Ministeriums, oder waren es politische Gründe, ,die dazu führten, eine Antwort zu formulieren, ,die im Gegensatz zur Auffassung ,des Deutschen Raiffeisenverbandes, der milchwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften und der gesamten milchwirtschaftlichen Praxis steht?
Es ist bestimmt sehr schwer, angesichs eines derartigen Neulandes mit den vielen Unbekannten, vor allem angesichts des noch nicht genau vorauszuberechnenden Verhaltens der Produzenten in den sechs Ländern etwas ganz Präzises auszusagen. Hier wird es Meinungsverschiedenheiten geben, bis die Praxis einmal ihr Urteil fällt.
Eine Zusatzfrage.,
Herr Minister, würde eine Subventionierung von 2 Pf für die Anfuhrkosten, die Sie vorhin als möglich hingestellt haben, den EWG-Richtlinien entsprechen? Wäre sie damit für uns also praktikabel?
Die Sache ist so, Herr Kollege, daß ein Beschluß über eine Subvention im Rahmen einer Marktordnung den EWG-Richtlinien entsprechen muß. Es handelt sich also um eine genehmigte, beschlossene Subvention; sie würde nicht zulässig sein, wenn ein Land ohne Beschluß des Ministerrats so etwas anordnen wollte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, hält der EWG-Ministerrat eine solche Subventionierung bei uns und damit auch in den anderen EWG-Ländern für möglich?
Sie wollen mich auf das Gebiet der Prophetie ziehen. Ich weiß nicht, was der Ministerrat tun wird. Ich müßte erst untersuchen, ob man diesen oder einen anderen Weg gehen müßte, alles unter der Voraussetzung, daß unsere Erwartungen, die wir an den Versuch knüpfen, sich im nächsten Jahr nicht erfüllen sollten. Das gilt im übrigen nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für die übrigen fünf Staaten, die ja den Einheitspreis erreichen wollen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, diesen Fragenkomplex einmal zwischen den Vertretern Ihres Hauses und den Vertretern der Milchwirtschaft einschließlich der Wissenschaft prüfen zu lassen?
Sehr gern, und zwar um so lieber, als das dafür zuständige Institut in Kiel schon mit dieser Prüfung befaßt ist und auch gewisse Unterlagen vorbereitet hat. Wir sind in einer dauernden Prüfung begriffen, und ich bin sehr gern bereit, einen entsprechenden Prüfungstermin abzuhalten.
Ich rufe die Frage VII/4 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) auf:
An welche Maßnahmen denkt die Bundesregierung, um beim Wegfall des Trinkmilch-Werkmilchausgleichs einen nationalen gleich wirksamen Ausgleich zwischen den Erlösen für Trinkmilch und für Werkmilch erreichen zu können?
Wie ich bereits in der Antwort zur Frage 9 der Kleinen Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) ausführen durfte, ist ein Ausgleich zwischen Trinkmilch und Werkmilch im Gemeinsamen Markt nicht mehr erforderlich, da die Erlöse bis auf die Differenz von 2 Pf netto pro kg für die Trinkmilch der Standardqualität einander angeglichen werden.
Zusatzfrage.
Glaubt die Bundesregierung, daß eine Regionalisierung des Butterinterventionspreises, der ja mit erheblichen Einbußen verbunden wäre, wirklich eine Auswirkung auf die Produktion haben wird?
Wenn wirklich Einbußen zu erwarten sind, gibt es wohl keinen Zweifel, daß daraus die Produzenten Schlüsse ziehen, und zwar Schlüsse, die sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gehen können. Im landwirtschaftlichen Produktionsbereich machen wir immer wieder die Erfahrung, daß Preisveränderungen nicht unbedingt zu einer Einschränkung der Produktion führen, sondern das Volumen vielmehr vergrößert wird, um dadurch den entgangenen Einkommensanteil zu gewinnen.
Ich rufe die Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) auf:
Auf welche Berechnungen stützt sich die Bundesregierung bei der Beantwortung der Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage auf Drucksache V/1089, wonach hei der Milch, die bei der Verarbeitung zu Butter und Magermilch ({1}) eingesetzt wird, ein Nettoerlös erzielbar sein wird, der um 0,5 bis 1 Pf je kg unter dem gemeinsamen Richtpreis, bei der übrigen Milch jedoch um 0,5 bis 1 Pf über dem Richtpreis, liegt?
Die Zahlen beruhen auf Berechnungen der EWG-Kommission und Berechnungen meines Hauses.
Die EWG-Kommission hat in den Vorschlägen über gemeinsame Preise ({0}) in der Tabelle B I/9 eine preislich geringere Verwertung von Butter und Magermilch von 1,25 Pf/kg für die EWG und in der Tabelle B I/10 von 0,65 Pf/kg für die Bundesrepublik bei einem Richtpreis von 38 Pf/kg ab Hof errechnet.
Die Berechnungen der Bundesregierung bei einem Richtpreis von 39 Pf/kg ab Hof, der der gemeinsame Preis sein soll, ergeben: für zu Butter und Magermilch verarbeitete Milch bei einem Interventionspreis für Butter von 7,05 DM, einem Nettoerlös der Magermilch zu Futterzwecken im Durchschnitt von
7,6 Pf/kg und einer Stützung von 5,5 Pf/kg für Magermilch einen Erlös von mindestens 38,1 Pf/kg für die übrigen Milcherzeugnisse von mindestens 39 Pf/kg und für Trinkmilch und Frischmilcherzeugnisse von mindestens 40,5 Pf/kg, alles ab Hof gerechnet.
Diese Erlöse ergeben bei den augenblicklichen Verwendungen der Milch im Durchschnitt annähernd den gemeinsamen Richtpreis von 39 Pf ab Hof bzw. 41,2 Pf frei Molkerei.
Es ist die Behauptung aufgestellt worden, daß die Mindererlöse der zu Butter und Magermilch verarbeiteten Milch nicht maximal 1 Pf/kg, sondern 3,75 Pf/kg betragen. Dabei werden aber unrichtigerweise vom Preis für Magermilch zu Futterzwecken noch 2,75 Pf/kg Kosten, nämlich Transportkosten usw., abgezogen, die nach der EWG-Kalkulation, auf der die Berechnung der Bundesregierung beruht, der Butter anzulasten sind.
Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß parallel zu dem Abbau des Milchpreises der Butterinterventionspreis schrittweise angehoben werden müßte, um einen reibungslosen Übergang zu den in der EWG-Milchmarktordnung gesetzten Preiszielen zu gewährleisten?
Die Bundesregierung ist dieser Meinung.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie in der Lage, zu sagen, auf welchem Magermilchrückgabepreis der von Ihnen angegebene Nettoerlös bei der Verarbeitung zu Butter und Magermilch beruht?
Wir sind ausgegangen von einem Nettoerlös - der auch der Rückgabepreis ist - von 7,6 Pf.
Frage VII/6 des Herrn Abgeordneten Peters ({0}) :
Glaubt die Bundesregierung, mit der bei der Beantwortung der Frage 4 auf der Drucksache V/1089 errechneten Preiserhöhung von 0,50 bis 1,00 DM je kg für Schnittkäse, halbfetten Käse sowie bei Milchpulver auskommen zu können, um den gemeinsamen Richtpreis für angelieferte Milch von 41,2 Pf je kg frei Molkerei zu erreichen?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Walter übernommen.
Ich möchte die Frage mit Ja beantworten.
Zusatzfrage!
Hat die Bundesregierung schon einmal ein Rechtsgutachten über die Frage erstellen lassen, ob das System der Einzugs- und Absatzgebiete in der Milchmarktordnung der Bundesrepublik nicht doch konform sein könnte mit den einschlägigen Bestimmungen des EWG-Vertrages?
Ein solches Gutachten ist zur Zeit bei der Kommission in Brüssel in Bearbeitung. Wir werden das Ergebnis abwarten und uns dementsprechend verhalten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Bundesminister, in einer Pressemitteilung Ihres Hauses vom 17. November wird die Behauptung aufgestellt, daß die Marktpreise für Milchprodukte nach dem Übergang auf das EWG-System nicht in dem gleichen Umfang zu steigen brauchen wie die Schwellenpreise. Sind Sie in der Lage, Herr Bundesminister, diese Behauptung, die im Widerspruch zu allen Erklärungen und Feststellungen der Wissenschaft und der Milchwirtschaft steht, zu begründen?
Ich bin durchaus in der Lage, das zu begründen. Sie wissen, daß die Schwellenpreise etwas höher angezogen werden sollen, als es die Mitteilung besagt, nämlich z. B. auf 1,33 DM/kg für Schnittkäse. Der Schwellenpreis ist aber nicht allein maßgebend für den Marktpreis. Wir haben ausgerechnet, daß eine Preiserhöhung auf dem Markt für Schnittkäse um i DM in diesem Fall die Rechnung aufgehen lassen würde.
Frage VII/7 des Herrn Abgeordneten Fritsch ({0}) :
Wie beurteilt die Bundesregierung die von verschiedenen interessierten Seiten gewünschte Errichtung eines Nationalparks im Bayerischen Wald unter besonderer Berücksichtigung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Belange?
Der Bundesregierung liegen gegenwärtig nur Pressemeldungen und Stellungnahmen einzelner Verbände über die vorgeschlagene Errichtung eines Nationalparks im Bayerischen Wald vor, die eine Beurteilung dieses Projekts aber nicht zulassen. Es wurden auch noch keine Erörterungen darüber angestellt, ob die Gründung eines Nationalparks die Zuständigkeit des Bundes berührt.
Sollte aber ein solcher Nationalpark im Sinne internationaler Vorbilder beabsichtigt sein - was nicht bekannt ist -, dann würde die Berücksichtigung land- und forstwirtschaftlicher Belange eine sehr gründliche Planung erforderlich machen. Diese Planung müßte sich vor allem erstrecken auf die räumliche Abgrenzung, die Eigentums- und derzeitigen Nutzungsverhältnisse des auszuwählenden Gebietes, auf das nach Zahl und Art einzusetzende Wild, die Regulierung seiner Population und auf
die zu treffenden Schutzmaßnahmen, um Beeinträchtigungen der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft, der Jagd, des bestehenden Naturparks Vorderer Bayerischer Wald und des Landschaftsschutzes auszuschließen.
Sie sehen also, daß das ein ganzes Bündel von Schwierigkeiten ist, die damit noch keineswegs erschöpfend aufgezählt sind, und ich glaube, daß es nicht unerhebliche Schwierigkeiten - auch finanzieller Art - bereiten wird, ein solches Projekt zu verwirklichen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß dem tschechischen Parlament bereits ein Antrag vorliegen soll, jenseits der Grenze, also im Böhmer Wald, ein zunächst beinahe zehnmal so großes Gebiet als Naturschutzpark auszuweisen, als das zunächst einmal für den Bayerischen Wald beabsichtigt ist?
Ich höre die Meldung zum erstenmal, sie ist sehr interessant. Es wäre zu klären, ob ein Nationalpark im Sinne dieses Begriffes - ich habe das soeben etwas umrissen oder ein Park in der Art, wie wir sie in Naturschutzbereichen einrichten, gegründet werden soll. Aber ich sehe nicht recht den Zusammenhang zwischen dieser Absicht und den Überlegungen, die da und dort angestellt werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie dabei zumindest nicht den räumlichen Zusammenhang zunächst einmal bejahen und dabei zugeben und anerkennen müssen, daß hier, sofern deutscherseits ein derartiges Vorhaben durchgeführt werden sollte, wesentlich in die landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Strukturen des Bayerischen Waldes und damit des Grenzlandes eingegriffen wird, so daß es doch auch für die Bundesregierung von erheblichem Interesse sein müßte, rechtzeitig hier mit tätig zu werden?
Herr Kollege Fritsch, ich werde mich dafür interessieren, ob an dieser Meldung etwas Konkretes ist. Aber ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir mit der Einrichtung von Naturparken sehr gute Erfahrungen gemacht haben, die ja eine etwas andere Organisation haben und die vor allem - ich möchte einmal sagen - die Erholungswirkung und die allgemeine Nutznießung zur Erholungswirkung für die Bevölkerung in einem viel höheren Maße offenhalten, als das bei einer abgegrenzten, eingezäunten, der Bewirtschaftung entzogenen und sehr aufwendigen Einrichtung eines Nationalparkes der Fall wäre.
Ich rufe die Frage VII/8 des Abgeordneten Fritsch ({0}) auf:
Ist damit zu rechnen, daß, abweichend von den Bundesrichtlinien, dem Land Bayern Ausnahmeregelungen in den Investitionsbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe des Inhalts zugestanden werden, daß die Förderung des Silobaues und der Errichtung von Unterdachtrocknungsanlagen und Gülleanlagen für die Zeit vom I. Januar 1966 his zum Erlaß der Bundesrichtlinien vom 16. Juni 1966, soweit solche Maßnahmen im genannten Zeitraum fertiggestellt wurden, fortgesetzt werden kann?
Eine solche Möglichkeit ist dem Bayerischen Staatsministerium bereits eingeräumt worden, und zwar durch ein Schreiben vom 25. Oktober 1966. Natürlich ist die Erlaubnis, solche Projekte zu Ende zu führen, die schon begonnen waren, nicht auf Bayern beschränkt, sondern sie ist allgemein erteilt worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie dabei im Rahmen Ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten besonders ins Auge fassen, daß davon zunächst und in besonderer Weise kleinbäuerliche Betriebe des Zonenrand- und Grenzgebietes und des Bayerischen Waldes, also von der Natur benachteiligte Gebiete, betroffen werden und daß zur Vermeidung besonderer Härten dafür gesorgt werden müßte, daß für ,diesen Zeitraum diese bereits angefangenen Maßnahmen finanziell gestützt werden?
Es ist bereits in dem Schreiben erwähnt, daß es sich in erster Linie um den Ausgleich für Härtefälle handelt.
Wir fahren fort unter IV mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.
Ich rufe die Frage IV/1 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele private deutschsprachige Schulen im Ausland sich in großer materieller Notlage befinden, unter unwürdigen Unterrichtsbedingungen leiden und deswegen dem kulturellen Ansehen Deutschlands draußen schaden?
Die Bundesregierung hat seit der Wiederaufnahme der Tätigkeit ides Auswärtigen Amts nach dem Kriege dem Wiederaufbau der deutschen Auslandsschulen, die als Folge der Kriegsereignisse zum größten Teil ihren Betrieb einstellen mußten und ihre Vermögenswerte verloren hatten, ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat in den vergangenen 15 Jahren in ständig steigendem Maße einer wachsenden Zahl von Schulen erhebliche finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung gestellt. Im laufenden Rechnungsjahr hat das Hohe 'Haus für diese Zwecke 72,6 Millionen DM bewilligt, die mehr als 250 deutschsprachigen Schulen und einer großen Anzahl von deutschen Sprachkursen für Schüler im Ausland zugute kommen. Trotz der bisherigen beträchtlichen Leistungen der Bundesregierung sind
naturgemäß noch nicht alle Schäden behoben, die der fast totale Zusammenbruch des deutschen Auslandsschulwesens als Folge des Krieges verursacht hatte.
Ich rufe die Frage
IV/2 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Kennt die Bundesregierung die erschütternde Dokumentation über Situation und Entwicklung dieses ältesten Zweiges der kulturellen Ausstrahlung Deutschlands, nämlich der deutschsprachigen Schulen im Ausland, welche der „Freundeskreis deutscher Auslandsschulen e. V." am 9. November 1966 veröffentlicht hat?
Die in Frage kommende Meldung Nr. 281 der Deutschen Presse-Agentur vom 9. November 1966 gibt Erklärungen wieder, mit denen sich der „Freundeskreis deutscher Auslandsschulen e. V.", eine Einrichtung der gewerblichen Wirtschaft zur Förderung deutschsprachiger Schulen im Ausland, am gleichen Tage in der begrüßenswerten Absicht an die Öffentlichkeit gewandt hat, um Spenden für die deutschen Auslandsschulen zu werben. Den Ausdruck „Dokumentation" würde ich auf diese Veröffentlichung freilich nicht anwenden. Der „Freundeskreis" greift aus der Vielzahl von der Bundesregierung geförderter schulischer Einrichtungen zwei Einzelfälle heraus, in denen sich Schulträger mit der Bitte um zusätzliche Hilfe an ihn gewandt haben. Die Meldung erweckt den nicht gerechtfertigten Eindruck, als müßten hieraus verallgemeinernde Schlußfolgerungen auf den gegenwärtigen Zustand der deutschen Schulen im Ausland im ganzen gezogen werden. Bemühungen der Bundesregierung, die in der dpa-Meldung erwähnte unzulängliche Unterbringung der Deutschen Schule in Den Haag zu verbessern, sind im übrigen seit längerem im Gange und haben mittlerweile als Zwischenlösung bis zur Erstellung eines Neubaus zur Anmietung geeigneter Mieträume geführt.
Ich rufe die Frage
IV/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Auslaudsschulmisere auf dem in Frage IV/2 erwähnten Sektor zu beseitigen?
Von einer allgemeinen „Auslandsschulmisere" kann nicht gesprochen werden. Wenn heute auch noch manche Wünsche, insbesondere hinsichtlich der Unterbringung der Schulen, offenstehen, so können 'die Leistungen der Bundesregierung auf diesem wichtigen Gebiet der Auslandskulturarbeit nur dann richtig eingeschätzt werden, wenn man sie in Verhältnis setzt zu dem außerordentlich hohen Nachholbedarf, der seit Beendigung des Krieges zu erfüllen war. Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft nachdrücklich bemühen, im Rahmen der für diese Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel die Arbeitsbedingungen und Leistungen der von ihr geförderten deutschsprachigen Schulen im Ausland weiter zu verbessern, und hofft hierbei auf die Unterstützung des Deutschen Bundestages.
Ich rufe die Frage
IV/4 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Welche Maßnahmen zur Beteiligung an den Soforthilfeaktionen zur Rettung und Bergung der durch die Unwetterkatastrophe in Florenz bedrohten Kunstwerke und Baudenkmäler hat die Bundesregierung angesichts der besonderen Rolle ergriffen, welche die Kunstwerke dieser Stadt für die deutsche Kunst- und Kulturgeschichte besitzen?
Ich begrüße es, daß sich die Gelegenheit bietet, in diesem Hause die Anteilnahme der Bundesregierung an den noch nicht abschätzbaren Verlusten an Kunstwerken zum Ausdruck zu bringen, die nicht nur das italienische Volk, sondern die ganze Welt betroffen haben.
Zu der gestellten Frage darf ich bemerken, daß sofort nach Bekanntwerden der Überschwemmungskatastrophe in Florenz unsere Botschaft in Rom zusammen mit den deutschen Instituten in Italien Fühlung mit dem italienischen Kultusministerium aufgenommen und Hilfe zur Rettung der Kunstwerke angeboten hat. Die Bundesregierung hat am 16. November 1966 dem Generalsekretär der UNESCO in Paris für die von der UNESCO eingeleiteten Hilfsmaßnahmen eine Geldspende überreichen lassen. Ferner hat die Botschaft Rom für die Nationalbibliothek in Florenz als erste Hilfe Papier, Talkum und weiteres Material zum Trocknen von Büchern und Handschriften vermittelt und dem Archäologischen Museum die Mitarbeit von acht Archäologen angeboten. In Florenz ist durch zwei Mitarbeiter der Botschaft eine ständige Verbindungsstelle eingerichtet worden. Weitere deutsche Hilfsmaßnahmen, vor allem technischer Art, werden geprüft. Zur Zeit halten sich zwei deutsche Kunstsachverständige in Florenz auf, der Restaurator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz, Professor Taubert, und der Schatzmeister des Deutschen Kunsthistorischen Instituts, Geheimrat Kreuter. Von zuständiger italienischer Seite ist in diesen Tagen jedoch die Botschaft darauf hingewiesen worden, daß die ausländischen Hilfsmaßnahmen über die UNESCO koordiniert werden sollten.
Dies ist der gegenwärtige Stand unserer Bemühungen. Maßgebend für unsere weitere Hilfe können hiernach nur konkrete Anforderungen der italienischen Stellen sein, die allein entscheiden können, was nottut. Von deutscher Seite ist die Bereitschaft zu helfen mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß alle Maßnahmen sich sehr lange hinziehen werden; italienische- Sachverständige schätzen, daß für die Restaurierung der Kunstwerke ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren erforderlich sein wird.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die Bundesregierung wegen dieser Maßnahmen die Kultusminister der Länder konsultiert hat, da sie doch bei den in den kommenden Jahren folgenden Operationen wahrscheinlich diejenigen sind, die die Leute bereitstellen müssen, die nach meiner Kenntnis der Wünsche
der italienischen Regierung im Zuge der Restaurierungsaktion gebraucht werden?
Ich möchte das annehmen, Herr Abgeordneter. Sicherlich werden wir nicht ohne die Mitarbeit der Landeskultusministerien auf diesem Gebiet tätig werden können.
V, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage V/1 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus:
Wie lange dauert die Erteilung eines Visums für Reisende aus osteuropäischen Ländern?
Durchschnittlich dauert es zur Zeit zwei Wochen, gerechnet vom Tage des Eingangs bei den innerdeutschen Behörden an. Ich darf wegen der Einzelheiten auf die ausführliche Antwort verweisen, die auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann am 25. Mai dieses Jahres gegeben worden ist, und auf die schriftliche Antwort zu der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer, die im Protokoll der Fragestunde vom 8. November 1966 abgedruckt ist.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann trifft also die Kritik, die in der Presse erhoben worden ist, daß es manchmal sogar sechs Wochen dauere, bis die Visa erteilt würden, nicht zu?
In dieser Form sicherlich nicht, Frau Abgeordnete. Es gibt einzelne Fälle, in denen die Frist von zwei Wochen nicht innegehalten werden kann. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, so z. B. den, daß die Angaben, die der Antragsteller macht, ungenau sind und Rückfragen, insbesondere im Ausland, stattfinden müssen, oder den, daß die Firmen, die als Referenz angegeben werden, es mit der Beantwortung nicht sonderlich eilig haben. Aber wir sind bemüht, diese Frist innezuhalten. Im Durchschnitt sind es zwei Wochen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist das auch ungefähr die Frist, die die Ostblockländer brauchen, um Visa an Deutsche zu erteilen, oder sind da Divergenzen in der Zeitdauer?
Ich habe die Frage nicht verstanden.
Bei meiner Frage handelt es sich darum, wie lange die Erteilung eines deutschen Visums für Angehörige der
Ostblockländer dauert; Sie sagen, zwei Wochen. Jetzt frage ich, ob, wenn Deutsche einen Antrag auf Einreisevisa für die Ostblockländer stellen, das dort auch ungefähr zwei Wochen dauert.
Jedenfalls dauert es nicht weniger Zeit.
Frage V/2 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus:
Für welchen Zeitraum erhalten die in Frage V/1 erwähnten Reisenden eine Aufenthaltsgenehmigung?
Hierfür läßt sich kein einheitlicher und allgemein verbindlicher Zeitraum nennen. Die Zeiten sind verschieden je nach dem Zweck der Reise. Es kann sich um ein paar Tage oder auch um Wochen oder Monate handeln. Im allgemeinen wird dabei dem Antrag gefolgt, der die Wünsche des Antragstellers wiedergibt. Bei geschäftlichen Besuchen werden die deutschen Firmen, die als Besuchsziel angegeben werden, befragt, welche Zeitdauer sie für angemessen halten.
Eine Zusatzfrage.
Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Herr Staatssekretär, ist die Darstellung, die vor einiger Zeit in der Presse gegeben wurde - es handelte sich, soviel ich weiß, um die „Frankfurter Rundschau" -, richtig, daß wir nur für 60 Tage Aufenthaltsgenehmigung erteilen, während die Ostblockländer, z. B. Rumänien, bereit wären, 90 Tage zu geben? Gibt es hier gewisse Höchstgrenzen? Worauf es mir ankommt, ist, daß hier eine gleichmäßige Behandlung ist und daß wir nicht schlechtere Bedingungen setzen als die Ostblockländer.
Das ist sicherlich nicht unsere Absicht. Wenn es im Einzelfall so gehandhabt worden sein sollte, so werden wir dem nachgehen und das in Ihrem Sinne berichtigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine weitere Verkürzung der von Ihnen genannten Fristen im Interesse des Wirtschaftsaustauschs insbesondere mit den osteuropäischen Ländern und mit Südosteuropa notwendig wäre?
Sicherlich, Herr Abgeordneter, das ist meine Meinung. Nur wäre es unehrlich, wenn ich Ihnen nicht sagte, daß sich die Frist von zwei Wochen nicht mehr wesentlich verkürzen läßt, da selbst dann, wenn wir die Dienststellen personell so gut ausstatten wie irgend möglich, diese Frist im allgemeinen benötigt wird, um die nötigen Nach3418 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode
Staatssekretär Ernst
prüfungen vorzunehmen. Aber wir sind natürlich bemüht, sie herabzusetzen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würden Sie in die Wirtschaftsgespräche, insbesondere mit südosteuropäischen Ländern, eine weitere Vereinfachung dieses Verfahrens einbeziehen?
Wenn das möglich ist, natürlich.
Frage V/3 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Welche Folgerungen wird die Bundesregierung aus den im Poignant-Bericht ({0}) enthaltenen Feststellungen treffen, wonach der Anteil der Kinder aus Familien von Industriearbeitern, Bauern, Dienstpersonal etc. an der Gesamtzahl der an den Hochschulen Studierenden
30,0 % in Großbritannien,
12,6 % in Frankreich,
11,5 % in Belgien,
10,0 % in den Niederlanden und nur
7,5 % in der Bundesrepublik Deutschland
beträgt?
Die Frage, wie die Zahl dieser Kinder an den höheren Schulen und an den Hochschulen vermehrt werden kann, wird in der Bundesrepublik seit Jahren unter dem Thema „Erschließung von Begabungsreserven" diskutiert. Ich darf hierzu vor allem auf die Bundestagsdebatten bei der Beantwortung der Großen Anfragen zur Bildungspolitik im März und Dezember 1964 verweisen.
Soweit Arbeiterkinder - wenn ich diesen Begriff einmal der Kürze halber benutzen darf - das Abitur ablegen, ist der Besuch der Hochschulen finanziell durch das Honnefer Modell gesichert. Die Eltern von Schülern an weiterführenden Schulen erhalten Ausbildungszulagen. Unabhängig von diesem finanziellen Teil wird es aber vor allem darum gehen, die Eltern begabter Kinder von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihre Kinder weiterführende Schulen und Universitäten auch tatsächlich besuchen zu lassen. Dieser Aufgabe hat sich in letzter Zeit dankenswerterweise die Aktion „Gemeinsinn" angenommen, vielerorts auch die Studentenschaft, aber auch Wirtschaftsbetriebe.
Die Bundesregierung wird über den Bildungsrat, der diese Probleme erörtert, auf eine Ausnutzung der Bildungsreserven hinwirken und diese gesellschaftspolitische Zielsetzung bei jeder anderen sich bietenden Gelegenheit unterstützen. Die Länder haben bereits Publikationen zu diesem Thema herausgebracht. Das Netz der höheren Schulen ist erfreulicherweise verdichtet. So lag z. B. in Bayern im Wintersemester 1964/65 der Anteil der Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien an der Gesamtzahl der Studierenden an den Hochschulen bei 9,8 %. Im übrigen sind internationale Vergleiche deswegen ein bißchen mit Vorsicht anzusehen, weil nicht ganz klar ist, ob in allen Ländern unter „Studierenden" und „Arbeitern" immer 'die gleichen Gruppen verstanden werden wie in unserer Statistik.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, wenn ich unterstelle, daß wir beide und die deutsche Öffentlichkeit mit Recht über das Ergebnis dieses Poignant-Berichtes entsetzt sind, der in erschreckender Deutlichkeit eine Erbschaft bloßlegt, die wir anzutreten haben, dann möchte ich fragen: wer ist eigentlich an dieser Misere schuld, die bei uns - im Gegensatz zu 'den anderen europäischen Staaten - offensichtlich vorhanden ist? Ist es die Kulturhoheit der Länder, oder sind es gesellschaftspolitische Gründe?
Herr Abgeordneter, die Frage ist etwas schwer zu beantworten. Ich möchte nicht gern sagen: Schuld oder Nicht-Schuld. Das Problem ist sehr kompliziert. Wir sind der Meinung, daß es eben nicht nur finanzielle Gründe sind, sondern 'daß häufig die ganze Einstellung, die im Elternhaus herrscht, es den Kindern nicht erleichtert, etwa akademische Berufe zu ergreifen, die das Kind in eine ganz andere Welt führen, als es die der Eltern ist. Das ist menschlich verständlich, es ist aber etwas, was wir abbauen müssen. Wir können das sicherlich nicht von heute auf morgen mit einem spektakulären Erfolg abbauen. Über die Notwendigkeit, das zu tun, sind wir uns jedoch alle einig.
Ich darf aber noch einmal sagen, daß es vorwiegend bei den Ländern liegt, hier etwas zu tun, und daß der Bund nur sehr mittelbare Einflußmöglichkeiten hat. Deswegen versuchen wir mit Nachdruck - wie ich in meiner Antwort schon gesagt hatte -, über den Bildungsrat dieses Problem anzugehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind die übrigen ähnlich erschreckenden Perspektiven des Poignant-Berichtes - etwa hinsichtlich der Zahl der Studenten an den naturwissenschaftlichen Fakultäten - und andere sehr eingehende Informationen dieses Berichtes von der Bundesregierung geprüft worden, und welche Schlüsse werden daraus für Gespräche mit der Kultusministerkonferenz gezogen?
Es werden Schlüsse für die Erörterungen im Bildungsrat daraus gezogen, in dem die Arbeiten - wie wir in Übereinstimmung mit den Ländern feststellen können - erfreulicherweise sehr gut vorwärtsgehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, in welcher Weise Sie sich konkret vorstellen, wie die Bundesregierung über den Bildungsrat diesem Übel abhelfen will?
Bei den Kindern aus den Kreisen, von denen ich zuerst sprach - also aus Arbeiter- und Bauernkreisen -, kann man das nur durch eine sehr intensive Aufklärungsarbeit über die Möglichkeiten, die diese Berufe bieten, und über den Strukturwandel des Erwerbslebens, der in unserer und in der folgenden Generation vor sich geht, tun. Bei dem Nachwuchs der naturwissenschaftlichen Fakultäten ist das im wesentlichen ein Problem des Unterrichts schon auf der höheren Schule und der Gestaltung des Studiums selbst. Darüber hat schon eine sehr detaillierte Besprechung in der letzten gemeinsamen Sitzung der Kommission des Bildungsrates stattgefunden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß diese unterprivilegierten Schichten einen Nachholbedarf haben, aus dem die Berechtigung herzuleiten ist, eine ganz besondere Bemühung zu unternehmen, damit Kinder aus diesen Schichten studieren können?
Ohne Zweifel, Herr Abgeordneter. Ich wollte mit meiner Antwort nur sagen, daß die Hindernisse zum Teil in der geistig-seelischen Einstellung der Eltern liegen, ohne daß man ihnen daraus einen Vorwurf machen kann, und daß man wegen der Natur der Sache diese Dinge nicht so rasch abbauen kann, wie wir es alle sicherlich gern möchten.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für denkbar, daß in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den anderen genannten Ländern die besonders lange Schulzeit stört, d. h. daß gerade in den Schichten, die hier genannt sind, bei Arbeitern, kleinen Bauern usw., das frühe Verdienen eine Rolle spielt, so daß die überlange Schulzeit die Kinder aus diesen Bereichen hindert, auf die Hochschule zu gehen?
Das glaube ich sicher, Herr Abgeordneter. Alle finanziellen Förderungen, die wir geben, können ja nur erreichen, daß das Kind die Eltern nichts kostet. Die Tatsache, daß das Kind in dieser Zeit nichts verdienen kann und damit nicht zum Unterhalt der Eltern zusätzlich beitragen kann, können wir aber nicht aus der Welt schaffen. Wenn dieser Gesichtspunkt bei den Eltern eine Rolle spielt, ist das sicher einer der Gründe, die zu der relativ geringen Beteiligungsquote dieser Kreise beitragen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, die Zahlen, die in diesem Bericht veröffentlicht worden sind, widersprechen, so meine ich jedenfalls, den Tendenzen der Politik der Bundesregierung. Welche Möglichkeiten sehen Sie, da grundsätzlich etwas zu ändern?
Die Zahlen widersprechen ohne Zweifel der Politik der Bundesregierung. Allerdings wissen wir das nicht erst seit diesem Bericht, sondern es war uns vorher schon bekannt, daß da ein Rückstand ist, der aufgeholt werden muß. Ich sagte schon, Herr Abgeordneter: Man kann außer der finanziellen Förderung nur durch eine weitgehende Aufklärungsarbeit etwas tun.
Herr Abgeordneter Kühn.
Herr Staatssekretär, im Anschluß an die letzte Frage des Kollegen Schulze-Vorberg: Wenn man zunächst - da stimme ich Ihnen zu die Bereitschaft, die Kinder in weiterführende Schulen zu schicken, bei den Betroffenen selber wecken muß - es ist also nicht primär ein finanzielles Problem -, wenn wir aber trotzdem gerade im Ausbildungshilfegesetz eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung dieser Bereitschaft geschaffen haben, ist es da nicht unverständlich, daß gerade aus Kreisen, die jetzt diese Frage so hochspielen, starke Widerstände gegen das Ausbildungshilfegesetz vorgetragen werden?
Mindestens erscheint es mir nicht konsequent.
Keine Frage mehr.
Ich rufe die Fragen V/4, V/5 und V/6 des Abgeordneten Flämig auf:
Billigt die Bundesregierung den in der Empfehlung 471 der Beratenden Versammlung des Europarates vom 29. September 1966 gemachten Vorschlag für die Selbstfinanzierung des interkommunalen Austauschs?
Ist die Bundesregierung bereit, im Ministerkomitee des Europarates dafür einzutreten, daß im Budgetdes Europarates ein ständiger Betrag für die Verwirklichung des Planes zur Weiterentwicklung des interkommunalen Austauschs eingesetzt wird?
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der Empfehlung 471 der Beratenden Versammlung des Europarates den Plan zur Weiterentwicklung des europäischen interkommunalen Austauschs weiter zu verfolgen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Lücke vom 22. November 1966 lautet:
Die Bundesregierung begrüßt alle Initiativen, die dem Gedanken einer europäischen Einigung dienen. Auch der interkommunale Austausch, insbesondere der Austausch von Jugendlichen, ist ein wirksames und bewährtes Mittel zur Förderung der Einigungsbestrebungen. Die Bundesregierung ist daher grundsätzlich bereit, den Plan zur Weiterentwicklung des europäischen interkommunalen Austausches weiter zu verfolgen.
Sie erkennt dankbar an, daß die Gemeinden ihren eigenen und wertvollen Beitrag zur Errichtung eines geeinten Europas, abgesehen von dem jährlichen Zuschuß des Europarates in Höhe von 50 000 Frs., aus eigenen Mitteln finanzieren.
Vizepräsident Dr. Schmid
Das in der Empfehlung 471 der Beratenden Versammlung des Europarates vorn 29. September 1966 vorgeschlagene System einer Selbstfinanzierung, wonach der Europarat jeder Gemeinde zu den ihr entstehenden Kosten für den interkommunalen Austausch einen Zuschuß von 5 bis 10 % zahlen soll, könnte eine nicht übersehbare und daher haushaltsrechtlich bedenkliche Erhöhung des Zuschusses von jährlich 50 000 Frs. bedeuten. Zur Frage einer Erhöhung des Zuschusses hat die Bundesregierung bereits in der Fragestunde vom 1. Juli 1966 in ihrer Antwort auf Ihre Anfrage Stellung genommen. Die Ergebnisse der 1. Sitzung des Ad-hoc-Ausschusses enthalten noch keine abschließende Stellungnahme hierzu, so daß sich die Bundesregierung auch heute noch nicht endgültig zur Frage einer Erhöhung des Zuschusses äußern kann.
Der Zuschuß-Betrag von 50 000 Frs. ist im Haushalt 1966 des Europarates unter Ziffer 5, Titel 88 bis 92 ausgewiesen, und zwar ist er in der Gesamtsumme von 433 500 Frs. enthalten, die als Ausgabe auf dem Gebiet der örtlichen Gemeinden ausgebracht ist. Der Zuschuß dient nach den Erläuterungen des Haushaltsplanes des Europarates ausdrücklich dem interkommunalen Austausch. Damit dürfte dem Anliegen, wie es in Ihrer zweiten Frage zum Ausdruck kommt, Rechnung getragen sein.
Ich rufe die Frage V/7 des Abgeordneten Schwabe auf:
Ist die Bundesregierung willens und in der Lage, gewissen Radikalisierungserscheinungen in der öffentlichen politischen Auseinandersetzung durch eine verstärkte Förderung der politischen Bildungsarbeit entgegenzuwirken?
Ja, die Bundesregierung beabsichtigt das und glaubt sich auch, mindestens soweit ihre Zuständigkeit reicht, dazu in der Lage. Mein Minister hat, seit er sein Amt als Innenminister angetreten hat, sich sehr nachdrücklich darum bemüht, die politische Bildungsarbeit zu intensivieren. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Rede erinnern, die mein Minister vor dem Industrieclub in Düsseldorf im Frühjahr dieses Jahres gehalten hat und in der er betont hat, daß es darum geht, dem Staatsbürger klarzumachen, daß es in seinem eigenen Interesse keine Alternative zur Demokratie geben kann. Dieser Standpunkt ist auch später noch einmal in einem Artikel in der „Welt" bekräftigt worden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß man nach der jetzt eingetretenen Lage doch überprüfen sollte, ob nicht der Antrag der sozialdemokratischen Abgeordneten im Kuratorium, dem bereits einmal hundertprozentig zugestimmt war, statt der 20 Pfennig, die jetzt im Haushalt der Bundeszentrale angesetzt sind, 50 Pfennig pro Kopf der Bevölkerung und Jahr einzusetzen, der neuen Situation adäquat wäre?
Herr Abgeordneter, ich darf dazu zweierlei sagen. Ich glaube, daß in allen Fraktionen die Überzeugung besteht, daß die Mittel für die politische Bildung aufgestockt werden müssen.
Darüber hinaus aber geht es, meine ich, auch darum, die politische Bildungsarbeit in ihren Inhalten selbst anders als bisher zu gestalten. Ich glaube, daß man sich zunächst einmal darum bemühen muß, weitere Teile der Bevölkerung mit der Bildungsarbeit anzusprechen, als das gegenwärtig geschieht. Im Grunde das wissen wir alle - besucht ja eine verhältnismäßig dünne Schicht immer wieder die Veranstaltungen und Vorträge, während wir glauben, daß man damit weiter greifen muß. Wir glauben auch, daß man in der Thematik der politischen
Bildungsarbeit mehr auf die ganz konkreten Gegenwartsaufgaben und auf die ungelösten Zukunftsaufgaben abstellen sollte, und zwar ganz konkret, nicht so sehr in allgemeinen, mehr oder weniger philosophischen Ausführungen über das Wesen und die Geschichte der Demokratie. Wir glauben, daß man die angelsächsischen Staaten tun das mit besserem Erfolg als wir - die Mitarbeit von Rundfunk und Fernsehen an diesem Problem erreichen muß, was man nach unserer Ansicht - soweit wir Besprechungen geführt haben - auch kann.
Im Enderfolg glauben wir, daß man organisatorische und personelle Konsequenzen in der Besetzung der Bundeszentrale selbst ziehen muß, um das zu erreichen, was wir wollen, Herr Abgeordneter. Ich führe das nur an, um deutlich zu machen - aber das ist Ihnen sicherlich auch bekannt -, daß das alles Dinge sind, die man nicht von heute auf morgen schon in die Realität umsetzen kann.
Eine Zusatzfrage.
Würden Sie, Herr Staatssekretär, im Zuge dieser Überlegung über neue Wege auch unsere Anregung prüfen, zusammen mit dem Präsidenten dieses Hohen Hauses dafür Sorge zu tragen, daß über das Parlament als den wesentlichen Bestandteil der Demokratie mehr und nachdrücklichere Informationen herausgegeben werden, um auch so der Vokabel, diesem Begriff „die in Bonn" mit seiner ganzen Abwertung entgegenzutreten?
Ohne Zweifel, Herr Abgeordneter, gehört das dazu. Ich darf sagen, daß mein Minister den Wunsch und die Absicht hat, sobald die Richtlinien, von denen ich hier sprach, einigermaßen konkret vorliegen - das wird sicherlich in den nächsten Wochen der Fall sein -, eine Debatte in diesem Hause über die Intensivierung der politischen Bildungsarbeit zu erbitten.
Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung auch der gesetzlichen Einführung eines Bildungsurlaubs grundsätzlich positiv gegenübersteht?
Herr Abgeordneter, ich kann hier nicht für die Bundesregierung sprechen, weil ich nicht weiß, ob sich die Bundesregierung mit diesem Problem befaßt hat. Wir selber würden diesem Gedanken positiv gegenüberstehen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Präsident, wir fragen doch hier die Bundesregierung, und da muß die Bundesregierung doch auch antworten; oder nicht?
Da muß ich sagen, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung jedenfalls als Kollegium darüber noch keinen Beschluß gefaßt hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, würden Sie dafür Sorge tragen, daß bei den Überlegungen über eine Neugestaltung der politischen Bildungsarbeit auch die Frage geprüft wird, ob die bisherige politische Bildungsarbeit in der Bundeswehr den hohen Anforderungen entspricht, die Sie soeben hier charakterisiert haben?
Das werden wir tun. Allerdings liegt die Zuständigkeit dafür beim Bundesverteidigungsministerium, das aber sicherlich diesen Fragen sehr aufgeschlossen gegenübersteht.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es sich bei der politischen Bildungsarbeit nicht allein um eine Geldfrage handelt, sondern bei der Bundeswehr hauptsächlich auch um die Frage, ob wir den wirklichen Verteidigungsauftrag klar definieren können?
Ohne Zweifel!
Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß ausgerechnet im Frühjahr dieses Jahres in einzelnen Ländern, so z. B. bei uns in Rheinland-Pfalz, die Mittel für die Erwachsenenbildung und damit auch die Mittel für die politische Erwachsenenbildung um bis zu 30 % gekürzt worden sind?
Ich halte das für bedauerlich, Herr Abgeordneter, weil die Auswirkungen in keinem Verhältnis zu dem stehen, was dadurch erspart wird.
Herr Abgeordneter Lohmar zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich auf Ihre Bemerkung in Parenthese zu Beginn Ihrer Ausführungen zurückkommen, daß die Bundesregierung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Möglichkeiten dies oder jenes beabsichtige. Wie ist das zu verstehen? Wollen Sie eine Erweiterung der verfassungsmäßigen Möglichkeiten, oder wie meinen Sie ,das?
Herr Abgeordneter, daran hatte ich primär nicht gedacht. Ich wollte darauf hinweisen, daß das, was wir tun, im wesentlichen nur über den Bundeshaushaltsplan und über die Bundeszentrale für politische Bildung geschehen kann und auf das was die Länder tun, nur einen mittelbaren Einfluß hat, weil wir den Ländern an sich keine Weisungen geben können, wie sie politische Bildungsarbeit betreiben sollen. Ich bin aber sicher, daß wir in einem Gespräch mit den Ländern weitgehende Übereinstimmung erzielen werden. Denn hier liegt weder zwischen Bund und Ländern noch zwischen den Parteien eine sachliche Meinungsverschiedenheit vor.
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen! Frage VI/1 des Abgeordneten Schmidt ({0}) :
Ich frage die Bundesregierung, wie hoch sind z. Z. die fiskalischen Gesamtbelastungen bei. Benzin folgender Arten: eingeführtes Ferligbenzin ausländischer Herkunft, eingeführtes Fertigbenzin aus Ostdeutschland sowie Benzin innerdeutscher Fabrikation hergestellt aus importierten Rohölen, Benzin innerdeutscher Fabrikation hergestellt aus in der Bundesrepublik hergestellten Rohölen?
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) zusammen beantworten zu dürfen, weil allgemeine Gesichtspunkte für sie gemeinsam gelten.
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter Schmidt ({0})? - Dann rufe ich zugleich die Fragen VI/2 und VI/3 des Abgeordneten Schmidt ({1}) auf:
Ergibt sich hinsichtlich der Besteuerung von Superkraftstoffen ein Unterschied?
Wie hoch ist die entsprechende fiskalische Gesamtbelastung bei Dieselkraftstoffen?
Die fiskalische Belastung aller Kraftstoffe ist in erster Linie durch die Mineralölsteuer bestimmt. Die anderen Abgaben, die von Fall zu Fall noch in Betracht kommen, treten an Bedeutung zurück. Es sind dies der Zoll, die Umsatzausgleichsteuer und die Umsatzsteuer. Da die Mineralölsteuer von dem einzelnen Kraftstoff ohne Rücksicht auf seine Herkunft immer in gleicher Höhe erhoben wird, unterscheidet sich die Gesamtbelastung gleicher Kraftstoffe verschiedener Herkunft nur sehr wenig. Sie kann übrigens immer nur im Durchschnitt angegeben werden, weil alle Abgaben außer der Mineralölsteuer vom Wert bzw. vom Entgelt abhängen, die beide von Fall zu Fall geringfügig verschieden sein können.
Nun zu den einzelnen Fragen die präzisen Zahlen:
Die fiskalische Gesamtbelastung bei Benzin beträgt im Durchschnitt für 1 Liter bei eingeführtem Benzin aus Drittländern 33,62 DPf, bei eingeführtem Benzin aus dem EWG-Raum 33,21 DPf, bei eingeführtem Benzin aus der SBZ 32,95 DPf, bei Benzin
inländischer Herstellung aus Importrohöl 33,13 DPf, bei Benzin inländischer Herstellung aus Inlandsrohöl 33,11 DPf.
Die fiskalische Gesamtbelastung des Superkraftstoffs ist in allen Fällen nur um etwa 0,11 DPf je Liter höher als die des Normalbenzins. Das entspricht der höheren Umsatzsteuer an der Tankstelle, die sich aus dem höheren mittleren Tankstellenpreis von 59 DPf je Liter ergibt. Geringfügige Unterschiede, die etwa beim Zoll und der Umsatzausgleichsteuer für eingeführtes Benzin auftreten, können nicht festgestellt werden, weil in der Außenhandelsstatistik zwischen Normalbenzin und Superbenzin nicht unterschieden wird.
Die fiskalische Gesamtbelastung beim Dieselkraftstoff beträgt im Durchschnitt für 1 Liter bei Einfuhr aus Drittländern 30,21 DPf, bei Einfuhr aus dem EWG-Raum 29,98 DPf, bei Einfuhr aus der SBZ 29,61 DPf, bei Inlandsherstellung aus Importrohöl 29,91 DPf und bei Inlandsherstellung aus Inlandsrohöl 29,89 DPf.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, wie ist die fiskalische Belastung der Treibstoffe wie Benzin und Dieselkraftstoff in der Bundesrepublik im Verhältnis zu den übrigen EWG-Ländern und Großbritannien?
Herr Abgeordneter, auch hierzu habe ich die Zahlen parat. Die steuerliche Belastung beträgt in den anderen EWG-Ländern - und daraus ergibt sich dann das Verhältnis zu unseren Belastungen - beim Benzin in Frankreich etwa 59,5 DPf, in Belgien und Luxemburg etwa 42,5 DPf, in Italien etwa 44 DPf und in den Niederlanden etwa 33 DPf. Die Belastung des Dieselkraftstoffs beträgt in Frankreich etwa 35,5 DPf, in Belgien und Luxemburg nur etwa 5 DPf, in Italien etwa 37 DPf und in den Niederlanden nur etwa 2,5 DPf.
In Großbritannien sind Benzin und Dieselkraftstoff in gleicher Höhe mit 44 DPf je Liter belastet.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage VI/4 des Abgeordneten Rollmann auf:
Wann werden die notwendigen Ausführungsbestimmungen zum Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz vom 22. Mai 1965 erlassen?
Auf Grund der im Beweissicherungsund Feststellungsgesetz enthaltenen Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen ist von der Bundesregierung am 4. August 1965 eine Erste Durchführungsverordnung verkündet worden, in der die Einrichtung der sogenannten Auskunftstellen geregelt ist. Diese Stellen müssen vor allem zur Begutachtung der vorliegenden Anträge eingeschaltet werden.
Der Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung wird von mir in diesen Tagen dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung vorgelegt. Er bedarf dann allerdings noch der Billigung des Bundesrates, die, je nachdem, wann der Beschluß der Bundesregierung herbeigeführt werden kann, noch in der letzten Bundesratssitzung dieses Jahres oder in der ersten nächstjährigen Sitzung im Februar erteilt werden könnte.
Die Zweite Durchführungsverordnung wird die wichtigste materielle Frage zur Durchführung des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes regeln, nämlich die Ersatzeinheitsbewertung des Grundbesitzes. Nach ihrer Verkündung bedarf es einer weiteren Rechtsverordnung der Bundesregierung nur noch für den zahlenmäßig weniger bedeutsamen Bereich des Betriebsvermögens sowie für einige weitere Fragen von untergeordneter Bedeutung, zu deren Regelung aber die ersten Erfahrungen der Praxis abgewartet werden müssen.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen VI/5 bis VI/9 auf:
VI/5. Abgeordneter Freiherr von und zu Guttenberg
Entspricht die in der Öffentlichkeit verbreitete Information den Tatsachen, nach der Staatssekretär Grund in der Kabinettsitzung vom 26. Oktober andere Haushaltszahlen, nämlich niedere Einnahmen- und höhere Ausgabenschätzungen vorgelegt habe, als dies in früheren Kabinettsitzungen der Bundesfinanzminister a. D. Dr. Dahlgrün getan hatte?
VI/6. Abgeordneter Freiherr von und zu Guttenberg
Wann und bei der Beratung welcher ausgabenwirksamer Gesetze hat der damalige Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün in Kabinett, Bundesrat und Bundestag darauf hingewiesen, daß die vorliegenden Gesetze angesichts der kommenden finanziellen Entwicklung in Kürze wieder geändert werden müssen?
VI/7. Abgeordneter Freiherr von und zu Guttenberg
Entsprechen zahlreiche Meldungen den Tatsachen, wonach der für die Bundesfinanzen zuständige damalige Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün einen Haushaltsentwurf 1967 nach Erarbeitung in seinem Ministerium vorgelegt, sich dann im Kabinett gegenüber seinem eigenen Entwurf der Stimme enthalten und in seiner FDP-Fraktion schließlich gegen diesen gestimmt hat?
VI/8. Abgeordneter Dr. Marx ({0})
Wie beurteilt die Bundesregierung den Artikel vom 10. November 1966 in der „Welt" unter den Überschriften „Bundesfinanzen - FDP verschleierte die Haushaltslage - Dahlgrün durfte die echten Zahlen nicht nennen - Staatssekretär Grund bot Rücktritt an" und den erneuten Artikel in der gleichen Zeitung vom 11. November 1966, wonach der damalige Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün seinen Ministerkollegen die wirklichen Zahlen des Bundeshaushaltes 1967 „und damit die gefährliche, wahre Haushaltslage" nicht vor dem 26. Oktober 1966 offengelegt habe?
VI/9. Abgeordneter Dr. Marx ({1})
Trifft es zu, daß - nach dem in Frage VI/8 genannten ersten Artikel - der damalige Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün seinem Staatssekretär Grund erst nach energischen Vorhaltungen des Bundeskanzlers die Erlaubnis gegeben habe, die in seinem Ministerium seit langem erarbeiteten Haushaltszahlen dem Kabinett vorzulegen und damit die wahre Haushaltssituation deutlich zu machen?
Die Fragesteller haben sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage VI/10 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Sind der Bundesregierung Presseverlautbarungen - „Augsburger Allgemeine" vom 1. November 1966 - bekannt, wonach
Vizepräsident Dr. Schmid
der Vorstandsvorsitzende der BASF erklärt hat, daß bei einer Erhöhung der Ertragsteuer die BASF unter Umständen ihren Sitz ins Ausland verlegen werde?
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Strohmayr zusammen beantworten?
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage VI/11 auf:
Welche Meinung hat die Bundesregierung zu der in Frage VI/10 erwähnten Androhung?
Der Bundesregierung sind mehrere Presseverlautbarungen mit dem von Ihnen genannten Inhalt bekannt. Die Bundesregierung beurteilt Überlegungen hinsichtlich einer Sitzverlegung ins Ausland wie folgt:
Die Verlegung des Sitzes ins Ausland hat für sich allein keine Auswirkungen auf die Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer, solange noch die Geschäftsleitung im Inland ist. Das Unternehmen bleibt nach wir vor unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und unterliegt mit den auf die inländischen Betriebstätten entfallenden Erträgen unverändert der Gewerbeertragsteuer. Abgesehen davon wird die Sitzverlegung handelsrechtlich nur im Wege der Auflösung der Gesellschaft möglich sein. Das wiederum würde zur vollen Versteuerung der stillen Reserven bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbeertragsteuer führen.
Das Unternehmen würde nur dann aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheiden, wenn es Sitz und Geschäftsleitung ins Ausland verlegte. Das aber hätte zunächst die eben erwähnte Folge, daß die stillen Reserven aufgelöst und bei der Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer voll versteuert werden müßten. Das Unternehmen würde auf Grund einer solchen Maßnahme auch nicht aus der deutschen Besteuerung voll ausscheiden, sondern es bliebe beschränkt, d. h. mit seinen inländischen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig. Lediglich mit seinen ausländischen Einkünften unterläge es nicht der deutschen Körperschaftsteuer. Das bedeutet aber für das Unternehmen in der Regel keinen besonderen Vorteil. Denn selbst bei unbeschränkter Steuerpflicht sind vielfach die ausländischen Einkünfte auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen ohnehin befreit, oder die für die ausländischen Einkünfte gezahlte ausländische Steuer ist auf die deutsche Steuer anzurechnen. Demnach ergibt sich nur in den Fällen ein Vorteil, in denen die im Ausland erhobene Steuer geringer ist als die inländische.
Es besteht aber ein wesentlicher Nachteil, der mit der Verlegung von Sitz und Geschäftsleitung verbunden ist, nämlich der, daß das Schachtelprivileg verlorengeht und auch die Organschaftsregelung nicht mehr angewendet werden kann. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz beträgt bei beschränkt steuerpflichtigen Unternehmen zwar nur 49 v. H. anstatt in der Regel 51 v. H. bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Dem Unternehmen steht aber
nicht die Ermäßigung ,der Körperschaftsteuer auf 15 v. H. für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen zu.
Was die Gewerbeertragsteuer betrifft, so bleibt bei der Verlegung von Sitz und Geschäftsleitung ins Ausland ,die bisherige Besteuerung unverändert, da die Gewerbeertragsteuer ohnehin nur die auf die inländischen Betriebstätten entfallenden Erträge erfaßt.
All ,das zeigt, daß die Verlegung von Sitz und Geschäftsleitung ins Ausland kaum nennenswerte steuerliche Vorteile, andererseits aber erhebliche Mehrbelastungen bringt. Dem entsprechen auch die bisherigen Beobachtungen. Sitzverlegungen der Kapitalgesellschaften ins Ausland spielen, wie aus dem Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlegungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben, vom 23. Juni 1964 hervorgeht, eine untergeordnete Rolle. Es besteht also keine Veranlassung, Erwägungen anzustellen, ob gegebenenfalls die Erhöhung von Ertragsteuern Kapitalgesellschaften veranlassen könnte, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen. Im übrigen bestehen auch keine Pläne der jetzigen Bundesregierung für eine solche Steuererhöhung.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, die ,der Vorstand der BASF und viele Bürger dieses Landes vertreten, daß jede Steuererhöhung zur Selbstverstümmelung der deutschen Volkswirtschaft führt?
Nein, diese Auffassung vertrete ich nicht. Allerdings meine ich, daß eine Steuererhöhung, die im Spitzensatz über die optimale Grenze hinausgeht - Sie kennen den psychologischen Bruchpunkt -, Nachteile für die deutsche Wirtschaft zur Folge hätte und sie wettbewerbsmäßig belasten würde.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir nicht auch der Auffassung, ,daß eine Steuererhöhung das Wachstum hemmt und daß später dadurch auch Steuerausfälle herbeigeführt werden?
Wenn die Steuererhöhung so groß ist, daß sie die optimale Grenze, von der ich eben sprach, überschreitet, dann in der Tat ja. Denn von diesem Zeitpunkt an führt eine zu hohe Steuer nicht zu einer Mehreinnahme, sondern letztlich zu einer Mindereinnahme.
Frage VI/12 des Herrn Abgeordneten Seuffert:
Warum ist im Steuerändernagsgesetz 1966 die Beseitigung des § 51 Abs. 1 Ziffer 2 Buchstabe t EStG ({0}) nicht vorgesehen, obwohl die Bundesregierug laut ihrer Antwort vom 22. August 1966 auf meine damalige Anfrage der Ansicht ist, daß die Begünstigung beseitigt weiden sollte?
Herr Abgeordneter Seuffert ist nicht im Saale? - Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Die Fragestunde ist zu Ende.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses ({1}) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung
b) Beratung der Sammelübersicht 11 des Petitionsausschusses ({2}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 30. September 1966 eingegangenen Petitionen - Drucksache V/1125 Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 113 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erstattet der Petitionsausschuß dem Plenum vierteljährlich einen Mündlichen Bericht über seine Tätigkeit. Ich möchte heute nicht über die vielfältigen Beschwerden einzelner Personen gegen Maßnahmen oder Unterlassungen von Behörden sprechen, sondern über die Bitten, die uns alle als Gesetzgeber etwas angehen, über die Hinweise auf Mängel in der Gesetzgebung.
Nicht alle Bitten in dieser Richtung sind realisierbar. Heute sollen auch nur die erwähnt werden, die besonders in letzter Zeit, und zwar häufig, angesprochen wurden. Außerdem scheint mir der Zeitpunkt, darüber zu sprechen, richtig zu sein. Am Ende einer Legislaturperiode kann man keine Hinweise und Bitten auf Anträge zu Gesetzesänderungen mehr in die Tat umsetzen.
Bei den vielfältigen Wünschen an die gesetzliche Rentenversicherung muß man neben den Auswirkungen auf die finanzielle Lage der Versicherungsträger auch den Verwaltungsaufwand, der mit ständigen Änderungen verbunden ist, ins Verhältnis zu den erzielten Verbesserungen für die Gesamtheit der Versicherten setzen.
Ein Anliegen aber vieler Sozialversicherter ist die noch weitergehende Berücksichtigung beitragsloser Zeiten als rentensteigernde Ersatz- und Ausfallzeiten. Ich darf z. B. die Schul-, Fachschul- und Hochschulzeiten erwähnen, die nach geltendem Recht als Ausfallzeiten nur anerkannt werden, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist. Dem Wunsche mehrerer Petenten, die genannten Zeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn die Ausbildung unverschuldet, insbesondere wegen der schwierigen Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse, abgebrochen werden mußte, ist der Gesetzgeber bisher nicht nachgekommen. Man wird häufig nicht mit Sicherheit feststellen können, ob ein Studium wirklich infolge äußerer
Umstände und nicht aus subjektiven Gründen abgebrochen werden mußte; aber man sollte der Nachkriegszeit doch besser Rechnung tragen.
Zweitens. Wiederholt Klage geführt wurde in letzter Zeit über die derzeitige Fassung des § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes. Einrichtungshilfe wird nur gewährt, wenn die Einkünfte des Berechtigten und seiner Familienangehörigen im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor der Antragstellung, jedoch längstens seit Eintreffen des Antragstellers im Geltungsbereich des Gesetzes im Monatsdurchschnitt 500 DM zuzüglich 120 DM für die Ehegattin und je 60 DM für seine sonstigen Familienangehörigen nicht übersteigen. Viele Flüchtlinge sehen in dieser Einkommensgrenze ein Ärgernis und eine Strafe für diejenigen, die nach ihrem Zuzug durch eigene Initiative und Arbeit in normale Lebensverhältnisse mit einem diese Grenze übersteigenden Einkommen gekommen sind. Sie wünschten, daß die Einkommensgrenze durch eine Gesetzesänderung fallengelassen werde. Bekanntlich ist das Flüchtlingshilfegesetz in seiner derzeitigen Fassung nach den Erklärungen von Abgeordneten aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen schon bei seiner Verabschiedung nur als ein weiterer Schritt auf dem Wege der Gleichstellung der Zonenflüchtlinge mit den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten angesehen worden. Die Bundesregierung hat - insbesondere auch in einer Stellungnahme zu einer diesbezüglichen Petition - wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, die Frage der Notwendigkeit der Einkommensgrenze des § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes mit dem Ziele einer Lockerung oder Aufhebung zu prüfen. Noch ehe das Ergebnis dieser Prüfung bekanntgeworden ist, haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP mit Drucksache V/1104 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flüchtlingshilfegesetzes vorgelegt. Einziges Ziel dieses Entwurfs ist die Änderung der Einkommensgrenze von 500 DM auf 700 DM. Es wird zu überlegen sein, ob man damit schon einen Endpunkt gegeben sieht.
Drittens. Ein weiterer Punkt, der wiederholt zu Eingaben an den Petitionsausschuß geführt hat, ist die geltende Regelung des § 272 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes, die für den überlebenden Ehegatten eines verstorbenen Unterhaltshilfeberechtigten die Rechtsnachfolge in der Unterhaltshilfe nur zuläßt, wenn der Berechtigte im Zeitpunkt des erstmaligen Bezugs dieser Ausgleichsleistung mit dem überlebenden Ehegatten bereits verheiratet war. Die Ausschließung eines erst nach dem vorgenannten Zeitpunkt angeheirateten Ehegatten bedeute - so wird in der Beschwerde ausgeführt - insbesondere dann eine außergewöhnliche Härte, wenn die später eingegangene Ehe bis zum Tode des Berechtigten längere Zeit bestanden und der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten das 65. Lebensjahr bereits überschritten hatte.
Die aus der Ausschließung der Rechtsnachfolge nach Maßgabe des § 272 Abs. 2 für den überlebenden Ehegatten sich ergebende Härte wird noch augenfälliger, wenn der später angeheiratete Ehegatte auch in eigener Person als unmittelbar Geschädigter Vermögensverluste erlitten hat und der
Frau Jacobi ({0})
Grundbetrag der für ihn ermittelten Schadensgruppe gemäß § 266 des Lastenausgleichsgesetzes dem Grundbetrag des Berechtigten als Bemessungsgrundlage für die Kriegsschadensrente zugerechnet worden ist.
Die bei der Gestaltung der Vorschriften erfolgte Abgrenzung entsprach den früheren engeren Vorstellungen über die Gewährung von Kriegsschadensrente an Rechtsnachfolger.
Wie sich aus einer Stellungnahme des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte zu einer diesbezüglichen Petition ergibt, stimmt er mit dem Bundesminister der Finanzen darin überein, daß die Frage der Gewährung der Unterhaltshilfe an den überlebenden Ehegatten in Fällen der dargestellten Art jedoch nunmehr einer Überprüfung unterzogen werden sollte. Eine den Vorstellungen der Beschwerdeführer entsprechende gesetzliche Änderung erscheint insbesondere deshalb geboten, weil in anderen sozialen Leistungsbereichen teilweise günstigere Regelungen schon getroffen worden sind. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn die als notwendig erkannte Erweiterung bereits bei der nächsten Novellierung des Lastenausgleichsgesetzes berücksichtigt würde.
Ein Problemkreis, der gerade in jüngster Zeit immer wieder Gegenstand zahlreicher Eingaben bildet, betrifft die Reform des Rechts des unehelichen Kindes. Wenn auch in der Mehrzahl dieser Zuschriften ein konkreter Fall im Vordergrund steht, der die Gerichte oder die Jugendbehörden beschäftigt hat bzw. noch beschäftigt und der dadurch aus verfassungsrechtlichen Gründen einer parlamentarischen Behandlung entzogen ist, so bleibt doch der dringliche Wunsch nach einer baldigen und zeitgemäßen Neugestaltung des Unehelichenrechts sowie die Kritik am Gesetzgeber unüberhörbar. Es ist die Kritik daran, daß der Gesetzgeber den Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes, der ja die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen Kindern zum Ziele hat, bisher nicht erfüllt hat.
Ich möchte mich auf einige grundlegende Fragen beschränken, deren Lösung den Petenten offensichtlich besonders am Herzen liegt.
Es sind dies im wesentlichen die gleichen Probleme, die in der Kleinen Anfrage der Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus und Genossen vom 16. März 1966 ihren Niederschlag gefunden haben.
An erster Stelle wäre hier die Forderung nach einer Streichung der Vorschrift zu nennen, die bestimmt, daß ein uneheliches Kind und dessen Vater als nicht verwandt gelten. Diese Forderung wird nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Schaffung einer Möglichkeit des persönlichen Verkehrs zwischen dem Kind und dem Vater erhoben, einem Wunsch, dem das geltende Recht bisher entgegensteht.
Weiterhin ist ein Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch, der der Mutter lediglich das Personensorgerecht für ihr Kind, nicht aber die elterliche Gewalt zubilligt, Ziel der Kritik und der Reformwünsche. Breiten Raum nehmen die Eingaben ein, in denen eine völlige Neuordnung des Unterhaltsrechts angeregt wird. Schließlich sei noch die außerordenlich komplizierte Frage des Erbrechts des unehelichen Kindes am Nachlaß seines Vaters erwähnt, das in den Petitionen sowohl Gegner wie Befürworter findet.
Im Hinblick darauf, daß das Bundesjustizministerium bereits vor Jahren die für eine Reform des Unehelichenrechts erforderlichen Arbeiten in Angriff genommen und nunmehr auch einen entsprechenden Referentenentwurf fertiggestellt hat, sind einschlägige Petitionen entweder auf Antrag des Petitionsausschusses durch das Hohe Haus der Bundesregierung als Material überwiesen worden oder vom Büro für Petitionen unter Hinweis auf die zu erwartenden gesetzgeberischen Maßnahmen unmittelbar beschieden worden.
In der Erkenntnis, daß die Gesamtreform des Unehelichenrechts der vorweggenommenen Behandlung von Einzelfragen dieser Materie vorzuziehen ist, hat sich der Petitionsausschuß dieser Erledigungsformen bedient und auf eventuelle eigene Gesetzesinitiativen verzichtet. Er hat dies nicht zuletzt in der Erwartung getan, daß dem Hohen Hause der in der Antwort der Bundesregierung auf die vorerwähnte Kleine Anfrage angekündigte Regierungsentwurf innerhalb eines vertretbaren Zeitraums zugehen wird.
Über die Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts, das aus der Jahrhundertwende stammt, sind wir uns wohl alle einig. Es ist eine Reform, deren Notwendigkeit auch vor dem Hintergrund der Zahl von fast 49 000 unehelichen Geburten im Jahre 1965 und der Existenz von insgesamt rund 1,3 Millionen unehelicher Minderjähriger in der Bundesrepublik deutlich wird.
Fünftens. Junge Beamte beklagten sich in mehreren Petitionen über die beruflichen Nachteile, die ihnen durch Ableistung des Grundwehrdienstes erwüchsen. Für die Zeitdauer des wegen des Wehrdienstes verlängerten Vorbereitungsdienstes würden ihnen nur Unterhaltszuschüsse an Stelle von Dienstbezügen gezahlt. Der Zeitpunkt der Anstellung verschiebe sich um die Dauer der verlängerten Probezeit. Der Zeitpunkt der Erfüllung der Förderungs- und Aufstiegsvoraussetzungen gemäß § 9 Abs. 4 der Bundeslaufbahnverordnung werde um die Zeitdauer der verspäteten Anstellung hinausgeschoben. Die Mängel könnten durch eine Änderung des § 9 Abs. 6 des Arbeitsplatzschutzgesetzes, wie sie bereits in der Fragestunde der 50. Sitzung des 4. Deutschen Bundestages am 5. Dezember 1962 von der Bundesregierung in Aussicht gestellt und später wiederholt angekündigt worden ist, teilweise beseitigt werden. Der Ausschuß erwartet, daß diese Änderung nun unverzüglich in Angriff genommen und durchgeführt wird.
Sechstens. In einer nicht unerheblichen Zahl von Eingaben wird gerügt, daß die am 1. April 1965 eingeführte Ausbildungszulage nach dem Bundeskindergeldgesetz ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens der Eltern gewährt werde, während
Frau Jacobi ({1})
andererseits einkommensschwache Familien mit nur einem Kind nichts erhielten.
Siebentens. In Eingaben zur Kriegsopferversorgung wurde überwiegend eine Änderung der Anrechnungsbestimmungen, eine Beseitigung der Kürzung der Ausgleichs- und Elternrente bei Erhöhung anderer Einkünfte, insbesondere der Sozialrente, sowie eine Anpassung der Leistungen der Kriegsopferversorgung an die wirtschaftliche Entwicklung gefordert. Diesen Anliegen wird nunmehr nach der Regierungsvorlage für ein Drittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts entsprochen werden.
Alle Eingaben, die dem Petitionsausschuß zur Frage des Lärms in der Umgebung von Flughäfen sowie seiner Bekämpfung und Minderung zugingen, wurden anläßlich der Ausschußberatung der Drucksachen V/355 und V/356 ({2}) dem federführenden Ausschuß für Gesundheitswesen als Material überwiesen. Die Ausschüsse, die sich zur Zeit mit entsprechenden Materien befassen, erhalten von uns immer als Material die Petitionen, die dazu vorliegen.
Schließlich, meine Damen und Herren, ein allgemeines Anliegen, das sich aus einer Petition zum Bundesumzugskostengesetz ergab. Bei Änderung von Gesetzen sollten etwa notwendige Verwaltungsvorschriften möglichst bald in Kraft gesetzt werden. Die Eingabe führte auf Veranlassung des Ausschusses zu einer teilweise positiven Erledigung durch nachträgliche Erstattung von Umzugskosten und veranlaßte ein Dankschreiben des Einsenders, in dem es unter anderem heißt:
Es erfüllt mich besonders das Wirken des Petitionsausschusses mit Genugtuung, weil dadurch sichergestellt wird, daß auch dem kleinen Bürger Recht gegenüber der Bürokratie und der Auslegung von Rechtsverordnungen widerfährt.
({3})
Eine sehr lobenswerte Einrichtung.
Mit diesen Worten, meine Damen und Herren, sind der Sinn und die Bedeutung des Petitionsrechts in der Demokratie und des Petitionsausschusses für das ganze Parlament umrissen.
Ich bin vor einem Jahr in den Ausschuß eingetreten und habe mir als Vorsitzende einen schnellen und intensiven Überblick über den Umfang der Petitionen und die Kompliziertheit der Materie verschafft. Meine Damen und Herren, ich habe festgestellt, daß der Umfang der Arbeit, wenn der Petitionsausschuß und die Arbeit des Büros nicht so gut organisiert wären, mit den Kräften, die uns zur Verfügung stehen, gar nicht zu bewältigen wäre. Es wird darum notwendig sein, daß wir auch vor allen Dingen mit den uns bewilligten Juristen nicht eine Stelle unbesetzt lassen; denn sonst wird die Arbeit tatsächlich gehemmt. Das wirkt sich nach draußen sehr unangenehm aus. Wir müssen dankbar sein, daß wir mit der Arbeit so zu Rande kommen, wie es jetzt der Fall ist. Ich bitte, dem in der Bewilligung und in der Ausfüllung der Stellen auch Rechnung zu tragen.
Ich möchte mich meinerseits bei dem Büro für Petitionen und seinem Leiter für die bisher geleistete Arbeit und Unterstützung herzlich bedanken.
({4})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir abzustimmen.
Wer gemäß dem Antrag des Ausschusses beschließen will, möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1966 ({0})
- Drucksache V/1110 Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Begründung des Entwurfs des Haushalts 1967 habe ich dem Hohen Hause mitgeteilt, daß die Bundesregierung am 26. Oktober 1966 einen Nachtragshaushalt beschlossen hat. Dieser Nachtragshaushalt war notwendig geworden, weil sich nach der Verabschiedung des Haushalts 1966 - das war Ende Mai - herausstellte, daß für eine Anzahl von zusätzlichen zwangsläufigen Ausgaben die Dek-kung geschaffen werden mußte.
Der Nachtragshaushalt sieht im einzelnen folgende Mehrausgaben vor: Sonderzahlung an die Regierung der Vereinigten Staaten zur teilweisen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem laufenden Devisenausgleichsabkommen 1 Milliarde DM, Hilfsmaßnahmen zugunsten des Kohlebergbaues - das war die Tarifvereinbarung - 28,7 Millionen DM, Kriegsopferversorgung 300 Millionen DM, Zuschuß an die Knappschaftliche Rentenversicherung 100 Millionen DM, Zuwendungen an die Deutsche Bundesbahn 300 Millionen DM, Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz 120 Millionen DM, Leistungen nach dem Kindergeldgesetz 150 Millionen DM, Leistungen der Kriegsopferfürsorge 61,3 Millionen DM. Das sind zusammen 2,06 Milliarden DM.
Der weitaus größte Posten dient demnach der Abwicklung des Devisenabkommens mit den USA. Der Ausgangspunkt war, die Devisenausgaben für die amerikanischen Truppen in der Bundesrepublik durch Rüstungskäufe in den USA auszugleichen. Die Abwicklung dieser Käufe kam durch verschiedene Umstände ins Stocken. Ich erwähne das Erreichen eines gewissen Abschlusses in der Ausrüstung der Bundeswehr, die Diskussion über die künftige Verteidigung und die inneren Schwierigkeiten in der NATO.
Es ergibt sich nunmehr, ,daß für die Abwicklung des Offset-Abkommens für die laufende ReferenzBundesminister Schmücker
periode bis zum 30. Juni 1967 das folgende Bild. Von den Gesamtverpflichtungen über 5,6 Milliarden DM werden bis zum Schluß des Rechnungsjahres ohne den heute zur Debatte stehenden Nachtrag 1966 1,3 Milliarden DM gedeckt sein, so daß eine Lücke von 4,3 Milliarden DM verbleibt. Diese soll noch im Rechnungsjahr 1966 auf Grund des vorliegenden Nachtrages durch eine Zwischenfinanzierung über 1 Milliarde OM und durch vorzeitige Ablösung der restlichen Nachkriegswirtschaftshilfe um 0,8 Milliarden DM, also insgesamt um 1,8 Milliarden DM vermindert werden, so daß im ersten Halbjahr 1967 ein Betrag von 2,5 Milliarden DM ungedeckt bleibt. Die vorzeitige Ablösung der Nachkriegswirtschaftshilfe hat zwar mit dem Offset-Abkommen unmittelbar nichts zu tun. Die amerikanische Regierung hat aber zu erkennen gegeben, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen bereit ist, diese Zahlung, die durch die Einschaltung der Deutschen Bundesbank erfolgen soll, als anrechnungsfähig anzuerkennen. In meiner Haushaltsrede habe ich zum Verteidigungshaushalt 1967 ausgeführt, daß aus dem ursprünglich vorgesehenen Plafond von 18,5 Milliarden DM 1,2 Milliarden DM für anrechnungsfähige Rüstungsaufträge in den USA verwendet werden. In dem Entwurf des Ergänzungshaushaltes 1967 ist eine Erhöhung der Beschaffungstitel des ordentlichen Verteidigungshaushalts urn 0,8 Milliarden DM und weiter im außerordentlichen Haushalt eine zusätzliche Zwischenfinanzierung in Höhe von 0,5 Milliarden DM vorgesehen. Das ergibt 2,5 Milliarden DM. Mit diesen Mitteln kann der Überhang bis zum 30. Juni 1967 völlig ausgeglichen werden.
Zur Beurteilung der Ausgleichsverpflichtungen möchte 'ich betonen, daß die Bundesregierung, unterstützt von allen Fraktionen, sich zu einer Ablösung dieser Verpflichtungen bekannt hat. Über ,die Art der Abwicklung gibt es in diesem Hohen Hause unterschiedliche Auffassungen. Die Bundesregierung hält ihre Vorschläge vor allem im Hinblick auf die gegenwärtige konjunkturelle Lage für die besseren. Soweit 'in der Debatte zur ersten Lesung des Entwurfs des Bundeshaushalts 1967 andere Vorschläge gemacht worden sind, tragen sie nach Auffassung der Bundesregierung leider der Sach- und Rechtslage nicht ausreichend Rechnung. Das gilt auch für den bestechenden Gedanken, die Deutsche Bundesbank stärker als vorgesehen in die Abwicklung einzuschalten.
Der über die Offset-Abwicklung hinausgehende weitere Mehrbedarf im Haushalt 1966 von insgesamt 1,06 Milliarden DM wird durch Ausbringung einer ,globalen Minderausgabe in derselben Größenordnung bei Kap. 60 02 Tit. 300 gedeckt. Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Bewirtschaftungsmaßnahmen durchgeführt, durch die Einsparungen in der veranschlagten Höhe zu erwarten sind. Einen detaillierten Bericht über die Art der Einsparungen wird die Bundesregierung im Haushaltsausschuß bei der Beratung des Nachtragshaushalts erstatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit der Einbringung des Nachtragshaushalts benutzen, um Klarheit in die vielen unterschiedlichen Berichte über die gegenwärtige Haushaltslage und die Entwicklung der nächsten Jahre zu bringen. Ich wiederhole dabei Angaben, die schon bei früheren Gelegenheiten gemacht worden sind.
Wenn der Deutsche Bundestag die Vorlagen der Bundesregierung akzeptiert oder sie in einer Form annimmt, bei der er zwar Einzelverschiebungen durchführt, aber das Gesamtvolumen nicht antastet, dann ist der Haushalt ,des Jahres 1967 ausgeglichen.
({0})
Es braucht also 1967 kein Defizit zu entstehen.
Die Bundesregierung ist sich natürlich der Tatsache bewußt, daß die Beratungen unter einem unangenehmen Zeitdruck stehen. Sie muß aber darauf hinweisen, daß dies die Folge eines unglücklichen Zusammentreffens mehrerer Termine ist, die sie nicht in der Hand hat. Die Schwierigkeiten für die Beratungen werden also keineswegs verkannt. Aber es sollte nicht behauptet werden, daß wir unweigerlich vor einem Riesendefizit stünden. Der Bundestag kann den Ausgleich für 1967 herstellen. Die Vorschläge dazu sind erarbeitet.
Wenn keine Beschlußfassung erfolgt, dann allerdings wird eine beträchtliche Deckungslücke aufgerissen. Die Vorschläge der Bundesregierung sind so geartet, wie ich das in meiner Haushaltsrede bereits dargestellt habe, daß sie für die nächsten Jahre durchgreifen. Es kann keine Rede davon sein, daß 1970 unausweichlich ein Defizit von 10 oder wieviel Milliarden DM entstehen muß. Wer dies behauptet, unterstellt, daß weder die Bundesregierung noch das Parlament handeln werde.
Ich möchte Ihnen jetzt von einer Feststellung Kenntnis geben, welche die Bundesregierung heute morgen verabschiedet hat.
Die Bundesregierung hat sich heute mit einem Bericht des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen Finanzvorausschau befaßt, den in Vertretung des Finanzministers Staatssekretär Grund erstattete. Das Kabinett informierte sich insbesondere über die in der vergangenen Woche erstellte Finanzvorausschau.
1. Bei jeder Vorausschau auf künftige Einnahmen und Ausgaben ist zu beachten, daß sie ihrer Natur nach nur eine Projektion der bisherigen Erkenntnisse auf einen zukünftigen Zeitabschnitt sein kann. Deshalb muß das Zahlenwerk im einzelnen immer wieder an die sich ständig ändernden Erkenntnisse, Annahmen und Absichten angepaßt werden.
2. Bei der in der vergangenen Woche erstellten Finanzvorausschau ist u. a. von folgenden Voraussetzungen ausgegangen worden:
a) Rechtzeitige Verabschiedung der von der Bundesregierung zusammen mit dem Haushaltsentwurf und dem Ergänzungshaushalt vorgelegten Gesetzentwürfe,
b) gleichbleibender Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 39 vH.
3. Danach ergibt sich für die Haushalte bis 1970 folgendes Bild:
a) Ausgabenbedarf für 1967 75,398 Mrd. DM, 1968 84,5 Mrd. DM, 1969 89,7 Mrd. DM und 1970 94,9 Mrd. DM.
c) Zuzüglich Nahverkehrsmaßnahmen in den Gemeinden für 1967 0,440 Mrd. DM, 1968 0,5 Mrd. DM, 1969 0,6 Mrd. DM und 1970 0,6 Mrd. DM.
d) Abzüglich Ausgabenkürzungen gemäß Ergänzungshaushaltsgesetz 1967 für 1967 0,560 Mrd. DM, 1968 0,3 Mrd. DM, 1969 0,3 Mrd. DM und 1970 0,4 Mrd. DM.
e) Verbleibender Ausgabenbedarf für 1967 75,278 Mrd. DM, 1968 84,7 Mrd. DM, 1969 90,0 Mrd. DM und 1970 95,1 Mrd. DM.
f) Ordentliche Einnahmen für 1967 72 288 Mrd. DM, 1968 76,7 Mrd. DM, 1969 80,7 Mrd. DM und 1970 84,1 Mrd. DM.
g) Zuzüglich Mehreinnahmen gemäß Ergänzungshaushaltsgesetz 1967 für 1967 1,950 Mrd. DM, 1968 2,8 Mrd. DM, 1969 3,0 Mrd. DM und 1970 3,1 Mrd. DM.
h) Kreditmittel für 1967 1,040 Mrd. DM, 1968 1,5 Mrd. DM, 1969 1,7 Mrd. DM und 1970 1,7 Mrd. DM.
i) Das bedeutet eine Deckungslücke für 1967 von 0 DM, für 1968 von 3,7 Mrd. DM, für 1969 von 4,6 Mrd. DM und für 1970 von 6,2 Mrd. DM.
4. Werden Finanzplanungsgesetz und Steueränderungsgesetz sowie die von der Bundesregierung dazu vorgelegten Ergänzungsgesetze nicht verabschiedet, würde sich für 1967 eine Deckungslücke von rund 6 Milliarden DM ergeben;
({1})
die in Ziffer 3 ausgewiesenen Deckungslücken für die Jahre 1968 bis 1970 würden sich um 4,5 bis 5 Milliarden DM jährlich erhöhen. Die Finanzlücke würde sich auch dann erhöhen, wenn die gesetzgebenden Körperschaften den Bundesanteil unter 39 % festsetzen, ohne daß eine Aufgabenverschiebung stattfindet.
5. Spätestens seit der Veröffentlichung der Finanzvorausschau im Finanzbericht 1966 war die ernste Haushaltslage des Bundes für jedermann auch hinsichtlich des Zahlenwerks, über das die Presse damals breit berichtet hat, offen dargelegt.
({2})
Von einer Verschleierung der Haushaltslage durch die Bundesregierung kann keine Rede sein.
({3})
6. Diese Feststellung enthebt weder die Bundesregierung noch die gesetzgebenden Körperschaften der Verpflichtung, alsbald weitere Schritte zur Schließung der künftig zu erwartenden Deckungslücken zu tun. Das gilt auch für den in Ziffer 4 erwähnten Fall, daß die gesetzgebenden Körperschaften einen niedrigeren Satz als 39 % beschließen. Die
Kabinettskommission zur Erstellung einer mehrjährigen Haushaltsgestaltung hat bereits Überlegungen angestellt, wie die Deckungslücken ab 1968 noch weiter verkleinert werden können. Eine erneute grundlegende Überprüfung unserer gesamten Ausgabenstruktur ist unausweichlich, wenn die Steuerbelastung in einem Rahmen gehalten werden soll, der die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft nicht in Frage stellt.
II.
Die Bundesregierung hat sich auch mit der öffentlichen Diskussion über die Haushaltslage des Bundes befaßt. Sie erklärt dazu:
1. Bereits der im September 1964 veröffentlichte Finanzbericht 1965 ({4}) enthält einen ersten Überblick über die finanziellen Möglichkeiten und die Ausgabeverpflichtungen des Bundes in den Jahren 1965 bis 1967 nach dem Stand vom 15. August 1964.
2. Vor der Beschlußfassung über die Vielzahl von ausgabewirksamen Gesetzen zum Schluß der letzten Legislaturperiode sind die Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Haushaltsausschuß über die hieraus in Zukunft zu erwartenden Kosten vom Bundesminister der Finanzen schriftlich unterrichtet worden.
3. Im Juni 1965 hat dann der Bundesminister der Finanzen die Bundesregierung und die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen an Hand konkreter Zahlen über die in den Jahren bis 1968 zu erwartenden, hohen Deckungslücken unterrichtet. Diese Darlegungen führten zu den Kabinettsbeschlüssen vom
14. Juli und 12. August 1965, in denen angekündigt wurde, daß bereits zum Ausgleich des Bundeshaushalts 1966 „schärfste Einsparungen" vorgenommen und alle ausgabenwirksamen Gesetze sowie alle nicht auf Gesetz beruhenden Ausgaben darauf überprüft werden müßten, ob sie im Rahmen einer sachlichen und politischen mehrjährigen Dringlichkeitsordnung „voll oder nur teilweise" aufrechterhalten werden können oder ob sie zunächst zurückgestellt werden müssen". Darüber ist im Bulletin vom
15. Juli und 13. August 1965 berichtet worden.
({5})
4. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach den letzten Wahlen hieraus durch die Vorlage eines Haushaltssicherungsgesetzes die Konsequenzen gezogen.
5. Der Finanzbericht 1966 ({6}), veröffentlicht Ende Februar 1966, enthält eine Vorausschau auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts in den Rechnungsjahren 1966 bis 1970 nach dem Stand vom 31. Januar 1966. Darin sind folgende Beträge ausgewiesen, um die die voraussichtlichen Gesamtausgaben die voraussichtlichen ordentlichen Einnahmen des Bundes übersteigen ({7}) : 1967 5,6 Mrd. DM, 1968 6,0 bis 7,0 Mrd. DM, 1969 6,9 bis 7,9 Mrd. DM und 1970 5,0 bis 6,0 Mrd. DM.
Nach der in der vergangenen Woche erstellten Finanzvorausschau sind aus heutiger Sicht Dek-
kungslücken in folgender Höhe zu erwarten: 1967 0 DM, 1968 3,7 Mrd. DM, 1969 4,6 Mrd. DM und 1970 6,2 Mrd. DM.
Aus diesen Zahlenreihen geht hervor, daß sich die Bundesregierung mit Erfolg um die Schließung der Deckungslücken bemüht hat.
III.
1. Im übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, daß die jetzt erarbeiteten Zahlen zwar die Gefahren aufzeigen, die entstehen können, nicht aber als unabänderliche Tatsachen gelten müssen. Die Bundesregierung will warnen und die politischen Kräfte darauf hinweisen, daß einschneidende Beschlüsse zur Wahrung der Haushaltsstabilität notwendig sind. Die Bundesregierung ist sich vollauf bewußt, daß der Ausgleich des Bundeshaushalts nicht nur zwingend vorgeschrieben, sondern auch eine entscheidende Voraussetzung für die Wahrung der Geldwertstabilität, die Sicherung des Wirtschaftswachstums und die Erhaltung der Vollbeschäftigung ist. Niemand kann aus dem Zahlenwerk Ansprüche gegen künftige Bundeshaushalte herleiten.
2. Die Bundesregierung hat zusammen mit dem Haushalt 1967 Gesetzentwürfe vorgelegt, durch die die möglichen Deckungslücken der kommenden Jahre entscheidend verringert werden. Sie weist erneut darauf hin, daß die Verabschiedung keinen Aufschub duldet.
3. Bei den weiteren haushaltspolitischen Entscheidungen wird die Bundesregierung an folgenden Grundsätzen für den Ausgleich der Haushalte festhalten: a) Kürzungen, soweit nur irgendwie vertretbar; b) Abbau von Subventionen und Begünstigungen; c) notfalls - aber nur notfalls - maßvolle Erhöhung von Verbrauchsteuern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Fraktionen dieses Hauses im Zusammenhang mit den Besprechungen über die Regierungsneubildung den eben erwähnten, in meinem Ministerium erarbeiteten Überblick über den Ausgabebedarf überreicht. Dieser Überblick ist nach geltenden Gesetzen aufgestellt. Die kommenden Programme sind nach einem Erfahrungsschlüssel der Finanzverwaltung berechnet. Dieses Material ist Informationsmaterial und keine politische Absichtserklärung. Sinn dieser Mitteilung ist es, den Fraktionen eine Prüfung zu ermöglichen, in welchen Bereichen sie nach ihren eigenen politischen Vorstellungen Kürzungen vornehmen möchten. Ich wiederhole, dieses Papier ist keine mittelfristige politische Absichtserklärung der Bundesregierung. Es ist eine Zusammenstellung, die auf Bitten einer Fraktion dieses Hauses gemacht und ihr überreicht worden ist. Ich bedaure sehr, daß dieses Papier in anderer Weise als angefordert gebraucht worden ist.
Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen, daß es in der Bundesrepublik und in unserem Parlament nicht möglich sein sollte, eine Lage in einem Zwischenbericht darzustellen, ohne daß die dabei deutlich werdenden Gefahren als unausweichlich aufgebauscht werden. Ich habe auf die Gefahren der kommenden Entwicklung gerade deswegen immer wieder hingewiesen, um Sie, meine Damen und Herren, dafür zu gewinnen, eben diese Gefah ren zu beseitigen. Welchen anderen Weg sollte ich denn gehen? Ich wiederhole mit Nachdruck, es ist möglich, diese Gefahren zu beseitigen, es ist möglich mit einer ganz normalen Kraftanstrengung, ohne daß dabei Abstriche in der Lebenshaltung gemacht werden müssen. Allerdings muß man einige Mühe auf sich nehmen. Wörter wie „Bankrotterklärung" sind völlig fehl am Platz.
({8})
Diese Worte reden eine Krise herbei, die gar nicht besteht. Es wäre mir viel lieber, man würde bei den Einzelwünschen im Gegensatz zu 1965 nicht versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, sondern den Vorrang des Haushaltsausgleichs sichern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin selbstverständlich auch weiterhin gern bereit, sämtliche Zahlen, die ich erarbeiten kann, zu nennen und zur Verfügung zu stellen. Ich halte nichts davon, wie ein Geheimniskrämer vorzugehen. Wer die Zahlen liest, erkennt sogleich, daß wir aufpassen müssen, und zwar illusionslos aufpassen müssen, wenn wir nicht in einen Strudel geraten wollen. Die Zahlen sagen aber auch, daß dann, wenn wir aufpassen und das Notwendige tun, der Haushaltsausgleich, so wie er für 1966 erreicht worden ist, auch für 1967 und die folgenden Jahre durchgesetzt werden kann. Wir sollten uns nicht allzu lange über Globalzahlen unterhalten, sondern in den Fraktionen an die Arbeit gehen, um abzuklären, zu welchen Maßnahmen man politisch bereit ist. Das allein ist vorrangig die Frage, um die es geht. Um sie darf nicht herumgeredet werden, sie muß angepackt werden.
({9})
Für 1967 liegen Ihnen, meine Damen und Herren, die Vorschläge vor. Ich hoffe, daß die neue Regierung ebenso in der Lage sein wird, für die folgenden Jahre gleich gute Vorschläge Ihnen zu unterbreiten.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Windelen.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt die Einbringung des Nachtragshaushaltsplans 1966 durch die Bundesregierung. Dieser Nachtragshaushaltsplan löst zwar nicht alle Probleme des laufenden Haushalts oder gar der kommenden Haushalte, aber er erleichtert sie.
Man mag zwar bedauern, daß im Zeitpunkt der Beratung hier neue Lücken im Haushalt 1966 sichtbar werden. Ein Steuerausfall für 1966 in einer Größenordnung von 750 Millionen DM zeichnet sich ab. Aber eine Deckung dieses Ausfalls ist nach den geltenden Bestimmungen des Haushaltsrechts erst im Jahre 1968 geboten. Man sollte ihn deswegen in diesem Augenblick nicht zusätzlich fordern. Man sollte allerdings schon jetzt deutlich darauf hinwei3430
sen, daß auch diese Lücke zusätzlich zu schließen ist, damit darüber keine Unklarheit bleibt.
Der Ausgleich des Bundeshaushalts 1966 war nur mit sehr großer Mühe möglich. Es bedurfte einschneidender Maßnahmen auf der Ausgabenseite, es bedurfte der Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes durch die damalige Regierungsmehrheit, um Mindestvoraussetzungen zu schaffen. Die SPD hat diese Bemühungen damals, aus welchen Gründen immer, leider nicht unterstützt.
({0})
Die Regierungsparteien hatten damals schon sehr eindringlich darauf hingewiesen, daß weitere harte Maßnahmen folgen müßten, um die Haushaltswirtschaft wieder auf eine sichere und solide Grundlage zu stellen. Ich kann hier davon absehen, noch einmal die verschiedenen Veröffentlichungen der Regierung, die verschiedenen Hinweise auch von Abgeordneten hier im Hause und außerhalb dieses Hauses anzuführen; Herr Minister Schmücker hat eine Aufzählung dieser Hinweise gegeben. Aber auch ich möchte noch einmal wenigstens auf den Finanzbericht 1966 verweisen, der auf die Haushaltsentwicklung in aller Deutlichkeit hinweist und sie nach dem damaligen Stand quantifiziert. Sie brauchen zu den dort schon aufgerechneten künftigen Haushaltslücken nur die zusätzlich inzwischen aufgetretenen Belastungen hinzuzurechnen - z. B. die Steuerausfälle, z. B. die zusätzliche Belastung durch Devisenausgleich, z. B. die Verbesserung der Kriegsopferversorgung -, und Sie kommen etwa zu den Zahlen, die heute teilweise in sensationeller Aufmachung publiziert werden.
({1})
Ich kann mich also nach den Ausführungen von Herrn Minister Schmücker auf einige Zitate aus dem Finanzbericht 1966 beschränken. Er errechnet die voraussichtliche Deckungslücke für 1968 mit 6 bis 7 Milliarden DM, für 1969 mit 7 bis 8 Milliarden DM und für 1970 mit 5 bis 6 Milliarden DM, unter Außerachtlassung der Darlehensfinanzierung. Er führt dann aus, daß diese permanente Finanzlücke darauf zurückzuführen sei, daß durch automatische Steigerungen der Ausgaben auf Grund der einigen Gesetzen innewohnenden Dynamisierung der jährliche Einnahmenzuwachs mehr als aufgezehrt werde. Hieraus werde deutlich - so heißt es dort -, daß es sich bei den wiederkehrenden Finanzlücken um einen strukturell bedingten defizitären Ausgabenüberhang handelt. Er fährt fort:
Zur Beseitigung dieser Finanzierungslücken bedarf es einschneidender Maßnahmen. Wenn Steuererhöhungen vermieden werden sollen, müssen auf der Ausgabenseite tiefgreifende Umstellungen vorgenommen werden. Von den gegenwärtig im Bundeshaushalt vorhandenen Schwerpunkten können nur wenige bestehenbleiben. Alle Ausgabenansätze, und zwar auch die, die bisher als politisch unantastbar angesehen wurden, müssen daraufhin untersucht werden, ob sie zur Erhaltung unseres Staatswesens und zur Zukunftssicherung unabweisbar sind oder inwieweit es vertretbar ist, notwendige Investitionen so lange hinauszuschieben, bis die Haushaltslage ihre Durchführung gestattet.
({2}) unvermeidbar sein, eine Reihe von Ausgabengesetzen erneut mit dem alleinigen Ziel zu ändern, die Ausgaben herabzusetzen. Dabei wird es in erster Linie darauf ankommen, die konsumtiven Ausgaben zu senken, um den Aufwendungen für die Zukunftssicherung, wozu in erster Linie auch die Wissenschaftsförderung gehört, den Raum im Haushalt zu sichern, der ihnen zukommt.
Und ein letztes Zitat:
Die vorstehenden Übersichten über die Haushaltsentwicklung zeigen deutlich,
- damals schon deutlich! daß ein Spielraum für die Übernahme neuer Aufgaben durch den Bund nicht vorhanden ist und daher neu auftretende Aufgaben nur durch eine weitere Einschränkung an anderer Stelle in Angriff genommen werden können.
Das war damals die Lage, und das ist sie auch heute noch.
Statt die Bevölkerung in dieser Situation mit unverantwortlichen Katastrophenmeldungen zu beunruhigen - ich will mir hier Einzelheiten ganz ersparen, um diese Unruhe nicht noch zu vergrößern
({3})
und um künftige notwendige Verhandlungen nicht noch weiter zu erschweren -, sollte man lieber an die Arbeit gehen.
({4})
- Sollte man an die Arbeit gehen! Was wir hier tun, ist ein Teil dieser Arbeit, und wir wünschten, man würde das deutlicher sehen.
({5})
Die Probleme, mit denen wir es jetzt hier zu tun haben und an denen alle ein Teil Verantwortung tragen, sind nur dann zu lösen, wenn wir gemeinsam an die Arbeit gehen.
({6})
- Herr Wehner, sie sind lösbar.
({7})
- Sie sind lösbar, aber nicht ({8})
auf dem bequemen Wege. Die Regierung ist den unbequemen, aber realistischen Weg mit der Einbringung des Haushaltssicherungsgesetzes gegangen, sie geht ihn weiter mit der Einbringung des Nachtragshaushaltsplans, sie ging ihn weiter mit der Einbringung des Haushalts 1967 und der ihn beWindelen
gleitenden Gesetze und Maßnahmen, und das, obschon diese Regierung in der Minderheit ist, das, obschon sie allein diese Aufgaben nicht tragen kann, und das, obschon diese Dinge sicher nicht populär sind.
Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Regierung dabei bisher unterstützt, und sie wird es auch weiterhin tun.
({9})
- Und sie wird es auch weiterhin tun!
({10})
({11})
Nach den Plänen und den Entwürfen der Bundesregierung ist der Haushalt 1967 durchaus solide auszugleichen. Die Deckungslücken in den Jahren 1968 bis 1970 sind ebenfalls so zu begrenzen, daß auch sie gedeckt werden können, wenn man die notwendigen Maßnahmen ergreift. Bei der Verabschiedung des Haushalts 1966 waren sich alle Parteien einschließlich der Opposition darüber einig, daß dieser Haushalt in der damaligen Sicht solide gedeckt war, daß er in der damaligen Sicht - bitte lesen Sie die Protokolle, lesen Sie die Haushaltsrede von Herrn Schoettle, lesen Sie die Ausführungen von Herrn Hermsdorf nach - relativ gut ausgeglichen war. Wir hatten dabei bewußt auf globale Kürzungen verzichtet, wir hatten auf globale Minderausgaben verzichtet. Dieser Ausgleich war nicht leicht. Er ist mit großer Mühe aller Beteiligten zustande gekommen einmal durch das Haushaltssicherungsgesetz als Voraussetzung, zum andern durch eine Fülle von Einzelkürzungen, die wir im Haushaltsausschuß gemeinsam erarbeitet haben.
Dennoch sollte der Nachtragshaushalt, der uns heute vorliegt, kein Anlaß sein, die Regierung zu tadeln. Es ist der bessere und der ehrlichere Weg, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, als die Dek-kung der unabweisbar notwendigen Ausgaben durch Haushaltsüberschreitungen vorzunehmen. Wir waren uns immer darüber einig - und wir haben das stets von der Regierung gefordert -, daß Haushaltsüberschreitungen nur dann vorgenommen werden sollten, wenn die Ausgaben unabweisbar und vorher nicht absehbar gewesen sind. Wir haben im Haushaltsausschuß und im Rechnungsprüfungsausschuß immer kritisiert, wenn die Regierung von der Möglichkeit der Haushaltsüberschreitungen einen zu extensiven Gebrauch gemacht hat. Wir haben sie ersucht, in solchen Fällen lieber den Weg eines Nachtragshaushalts zu gehen. Die Regierung ist diesen Weg gegangen.
Der Haushalt 1966 ist auf einer - damals jedenfalls - realistischen Basis aufgebaut worden, auf der Basis realistischer Schätzungen. Das hieß allerdings in der Praxis: auf der Basis minimaler Ansätze. Ich erinnere an die Rede des Herrn Kollegen Schoettle, in der er sehr nachdrücklich forderte, aus diesem Haushaltsentwurf alle Luft herauszulassen. Wir haben ihm damals alle zugestimmt, und wir haben uns bemüht, auch das letzte Restchen von Luft herauszulassen. Das Ergebnis war natürlich,
daß dieser Haushalt keinen Spielraum für unvorhersehbare Ausgaben hatte, zumal da der Haushaltsausschuß über die Regierungsvorlage hinaus eine ganze Anzahl von zusätzlichen Kürzungen ausgebracht hat.
Man mag zwar bedauern, daß der Ausgleich im Nachtragshaushaltsplan in Höhe von über einer Milliarde D-Mark durch harte Bewirtschaftungsmaßnahmen vorgesehen ist und daß wir in diesem Augenblick noch nicht übersehen, wo die Abstriche erfolgen werden. Aber andernfalls wäre der Ausgleich nur über eine weitere Expansion des Haushalts möglich gewesen. Die Deckungsfrage will ich gar nicht stellen. Es mag also bedauerlich sein, daß wir im Augenblick noch nicht wissen, an welchen Stellen die Einsparungen vorgenommen werden sollen. Aber ich glaube, man muß einräumen, daß das die Regierung endgültig erst gegen Ende des Haushaltsjahres übersehen kann. Wenn man aber einmal die Zwischenabschlußergebnisse und den Ablauf des Haushalts 1966 beobachtet, dann kann man in etwa übersehen, in welchen Bereichen Einsparungen anfallen werden.
Man kann natürlich auch kritisieren, daß der Devisenausgleich mit einer Miliarde erst jetzt in den Haushalt eingestellt worden ist. Wir müssen aber einräumen, daß diese Notwendigkeit letztlich erst nach dem Besuch von Bundeskanzler Erhard in Washington deutlich geworden ist.
({12})
Daraufhin allerdings hat meine Fraktion sehr nachdrücklich gefordert, daß diese nun sichtbar gewordene Summe zumindest noch mit einem Teilbetrag in den Haushalt dieses Jahres eingestellt wird. Eine vorherige Einstellung in den Haushaltsplan hätte wohl Verhandlungen überflüssig gemacht. Man sollte sie deswegen nicht fordern.
Ich möchte es Ihnen und mir ersparen, in der ersten Lesung noch auf einzelne Positionen des Nachtragshaushalts einzugehen. Die Drucksache liegt Ihnen vor. Der Herr Minister hat die einzelnen Positionen noch einmal aufgeführt. Ich möchte nur zu einer Teilfrage noch etwas sagen. Im Einzelplan des Wirtschaftsministers sind weitere 90 Millionen für Hilfsmaßnahmen für den Kohlebergbau im Zusammenhang mit den Tarifvereinbarungen - ich nenne hier das Stichwort „Nachholschicht" - ausgebracht. Der Haushaltsausschuß ebenso wie der Bundestag ist damals davon ausgegangen, daß es bei diesen Maßnahmen zu einer Kostenteilung mit den betroffenen Ländern kommen würde, und zwar im Verhältnis 2 Teile für den Bund, 1 Teil für die betroffenen Länder. Wenn auch die Zusagen der betroffenen Länder damals sicherlich nicht in rechtlich bindender oder in vertraglicher Form gegeben worden sind, so sollte man doch diese Zusagen nicht in Frage stellen. Der Bundesrat tut das leider, wenn auch in vorsichtiger Form. Das sollte man nicht tun, weil man hier ein Vertrauenskapital verwirtschaften könnte, das wir für künftige Maßnahmen auf dem gleichen Sektor noch sehr notwendig brauchen werden.
({13})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Der vorliegende Nachtragshaushalt kann nicht alle Haushaltsprobleme lösen. Er ist aber ein weiterer Schritt zu einer realistischen Finanz- und Haushaltspolitik. Wir bitten daher um eine rasche Verhandlung in den Ausschüssen und um eine baldige Verabschiedung.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Bundesregierung die Gelegenheit der Beratung des Nachtragshaushalts 1966 benutzt hat, um auf die mittelfristige Finanzplanung einzugehen, die in diesen Tagen Gegenstand der Erörterungen und der Untersuchungen war.
Bevor ich zu diesen beiden Themen im Namen meiner Fraktion einige Ausführungen mache, möchte ich zu den Ausführungen meiner Vorredner folgendes bemerken. Wir haben von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister einen Katalog vorgetragen bekommen, der mit dem Jahre 1964 begann und bis zum heutigen Tag reichte und in dem dargestellt worden ist, welche Warnungen und Mahnungen in Finanzberichten und bei anderen Gelegenheiten -einmal nach dieser Darstellung in einem Schreiben an die Koalitionsfraktionen; dazu gehört bekanntlich nicht die SPD - geäußert worden sind, wie die Einnahmeentwicklung zu betrachten und wie ernst die finanzielle Lage des Bundes sei. Wenn ich diesen ganzen vom Bundeswirtschaftsminister vorgetragenen Katalog auf mich wirken lasse, dann kann ich nur fragen: warum ist es der Bundesregierung seit 1964 nicht möglich gewesen, die Parteien, die diese Bundesregierung getragen haben, zu veranlassen, so finanzwirtschaftlich verantwortlich zu handeln, wie das nach diesem Katalog von Mahnungen und Warnungen notwendig war?
({0})
Damit, meine Damen und Herren, können Sie doch wirklich nicht uns ansprechen. Denn wenn es Ihrer Regierung nicht gelungen ist, Sie, die Koalition, auf den Pfad der finanzwirtschaftlichen Tugend zu führen, wie konnten Sie dann eine Gefolgschaft von uns erwarten, die wir ja nicht über dieses Material verfügen, das außerhalb der Finanzberichte an Sie herangetragen worden ist!
Ich habe wirklich nicht die Absicht gehabt, heute noch einmal auf diese Dinge aus der Vergangenheit zurückzukommen. Ich dachte, das sei eigentlich mit der letzten Haushaltsdebatte endgültig zu Grabe getragen worden und wir würden uns jetzt damit zu beschäftigen haben, wie wir aus dieser Situation anständig herauskommen. Aber nach dem, was vorgetragen worden ist, und nachdem auch Herr Kollege Windelen noch eine Bemerkung gemacht hat, die ich noch zum Anlaß einer besonderen Untersuchung nehmen möchte, darf ich, aber nur um der historischen Wahrheit willen, ergänzend folgendes hinzufügen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat im 4. Deutschen Bundestag am 26. Februar 1965 in allem Ernst die Finanzlage - so, wie wir sie sahen- dargestellt und Sie aufgefordert, Anträge und Gesetzentwürfe mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen - ähnlich wie wir - zurückzuziehen.
({1})
Sie haben sich darüber lustig gemacht; das können Sie doch nicht bestreiten.
({2})
Wenn Sie das heute bestreiten wollen, meine Damen und Herren, dann bitte ich Sie, das amtliche Protokoll über diese Bundestagssitzung zu Rate zu ziehen und festzustellen, wie dort Ihr Verhalten in Zwischenbemerkungen und Zurufen gewesen ist.
({3}) Das ist doch Tatsache.
Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal wiederholen, was ich schon bei anderer Gelegenheit in diesen Tagen gesagt habe, Glauben Sie mir, daß es nicht einfach ist, sich in einer Bundestagsfraktion, die sich seit Existenz der Bundesrepublik Deutschland und eines Deutschen Bundestages in einer Oppositionsstellung befindet, klarzumachen, daß sie finanzwirtschaftlich verantwortlicher handeln solle als die Koalition, die in diesen 17 Jahren so oder in anderer Weise hier tätig gewesen ist.
({4})
Meine Damen und Herren, wir brauchen auch gar nicht in die Ferne zu schweifen; das Schlechte ist so nah.
({5})
Denken Sie an die Tagung des Bundes der Heimkehrer! Das ist in den letzten Oktobertagen 1966
ich wiederhole zum Nachdenken: in den Oktobertagen 1966 - gewesen. Lesen Sie die Mitteilungen darüber einmal durch! Dann werden Sie feststellen müssen, daß dort die Vertreter der Koalitionsparteien erklärt haben: „Mit einem Beschluß der CDU/CSU-Fraktion ist grünes Licht zu einer Novellierung der Entschädigung der Heimkehrer gegeben worden." Unser Vertreter, mein Freund Fritz Büttner, hat auf derselben Tagung auf den Ernst der Lage hingewiesen und ein Schreiben des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vorgelegt - ausgefertigt vor den Bundestagswahlen 1965 mit der Erklärung: „Wir sind bereit, für eine Novellierung der Entschädigung der Heimkehrer einzutreten, wissen aber nicht, welch eine Finanzsituation wir nach den Bundestagswahlen vorfinden. Wir machen unsere Entscheidung abhängig von den finanziellen Möglichkeiten, die uns nach den Bundestagswahlen 1965 noch gegeben sind."
In demselben Zusammenhang hat der sozialdemokratische Bundestagabgeordnete in den letzten Oktobertagen 1966 erklärt: „Ich bin aus diesem Grunde trotz der anderslautenden Erklärungen der
Koalitionsfraktionen nicht in der Lage, Ihnen irgendeine Versprechung zu machen. Das läßt sich nicht mit der Verantwortung eines Vertreters der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vereinbaren."
({6})
Das, meine Damen und Herren, ist der Tatbestand. Und da können Sie sich doch nicht hinstellen und hier so tun, als wenn die Bundestagsfraktion, die bisher keine Regierungsverantwortung zu tragen hatte, für das verantwortlich gemacht werden könnte, was Ihnen heute nicht mehr paßt.
({7})
Meine Damen und Herren, ich bin der letzte, der hier etwa eine Bankrotterklärung abgeben möchte. Ich bin der letzte, der unverantwortliche Katastrophenmeldungen für richtig hält. Das paßt ganz sicher nicht in unsere Situation hinein. Aber ich wäre dann schon dafür, daß man hier im Wortlaut und mit Namen, um wen es sich dabei handelte, zitiert sowie deutlich macht, auf welcher Basis da eine Behauptung aufgestellt worden ist.
Wenn man Vorwürfe erhebt, muß man hinsichtlich der eigenen Wahrheitsliebe ein besonderes Vorbild sein. Herr Kollege Windelen, Sie können doch nicht im Ernst diese Lesart aufrechterhalten, die Sie hinsichtlich der 3,6 Milliarden DM Devisenausgleichszahlungen an die USA vorgetragen haben.
({8})
Darf ich noch einmal aus dem Gedächtnis zitieren. Punkt 1: Am 20. Dezember 1965 ist das Haushaltssicherungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Spätestens an diesem Tage hätten der Bundeskanzler und der Bundesverteidigungsminister, als sie nach Weihnachten 1965 in die USA kamen, wissen müssen, wie die Haushaltswirtschaft des Bundes aussieht. Trotzdem haben sie nach Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes ein Devisenausgleichsabkommen in Höhe von 5,4 Milliarden DM mit den USA abgeschlossen, zahlbar vom 1. Januar 1966 bis zum 30. Juni 1967, und zwar ohne Vorbehaltsklausel,
({9})
erstmalig ohne Vorbehaltsklausel hinsichtlich der Haushaltslage.
({10})
Ich habe das in der Debatte nach der Rückkehr der Herren aus Amerika vorgetragen.
Gucken Sie sich doch einmal das Kommuniqué über die Verhandlungen zwischen dem Herrn Präsidenten der USA und dem Herrn Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland an, und gucken Sie sich das Kommuniqué an, das nach der letzten Reise des Herrn Bundeskanzlers im Herbst dieses Jahres herausgegeben worden ist.
({11})
Sie werden dann feststellen: dieser Wortlaut bestätigt eindeutig, daß die USA darauf bestehen,
daß diese Devisenausgleichszahlungen wie vereinbart geleistet werden. Wir haben hier eine Debatte darüber geführt. Das kann doch gar nicht mehr in Abrede gestellt werden. Da kann man doch heute nicht erklären: Wir mußten erst abwarten, was bei dieser Reise des Herrn Bundeskanzlers herauskam. Dann hätten Sie doch mindestens bei Vorlage des Haushalts 1967 darauf hinweisen und eine entsprechende Etatisierung vornehmen müssen. Das, was Sie auch jetzt an Verpflichtungen zu Devisenausgleichszahlungen erfüllen, erfüllen Sie auf Stottern und erfüllen Sie nicht in dem Zuge, der notwendig ist, um der Welt, insbesondere der westlichen Welt, zu beweisen, daß wir zu unserem Wort stehen. Und das ist das gewesen, was die Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vor der Reise des Herrn Bundeskanzlers in diesem Hohen Hause erklärt haben und was sie erklärten, als der Bundeskanzler aus Amerika zurückkam. Wir haben gesagt: wir sollten als Opposition, als sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht dafür geradestehen, was für ein Wort ein Bundeskanzler, der nicht von unserem Vertrauen getragen wird, draußen im Ausland und bei unseren Freunden gibt; aber wir stehen auch zu diesem Wort, das eine Bundesregierung gegenüber unseren Freunden gibt. Über ein solches von der Bundesregierung gegebenes Versprechen, über eine solche von Mitgliedern der Bundesregierung eingegangene Vereinbarung darf es bei unseren Freunden keine Auslegungsschwierigkeiten, keine Ausdeutung geben. Das läßt unsere Lage, die Lage der Bundesrepublik Deutschland, nicht zu. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis.
({12})
Nun eine Bemerkung zum Nachtragshaushalt 1966. Ich stimme mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister überein, wenn er davon ausgeht, daß die Mehrausgaben in Höhe von 2060 Millionen DM unabweisbar sind. Das gilt selbstverständlich auch für die Devisenhilfe in Höhe von einer Milliarde DM, die jetzt wieder für den USA-Kredit im Nachtragshaushalt auftaucht.
Ich möchte aber auf zwei Punkte hinweisen, und ich bitte Sie, in aller Ruhe und Sachlichkeit zu überlegen, ob mit diesen Punkten die Solidität der Haushaltswirtschaft angesprochen ist oder nicht.
Sie wollen eine Erhöhung des Volumens um rund eine Milliarde DM dadurch vermeiden, daß Sie 1060 Millionen DM Minderausgaben durch Bewirtschaftungsmaßnahmen erreichen. Dazu will ich persönlich nichts sagen, möchte aber den Herrn Staatssekretär Grund zitieren, der in der Sitzung des Bundesrats vom 11. November dieses Jahres zu dem Thema folgendes gesagt hat:
1060 Millionen DM sind immerhin eine recht erhebliche Summe, und dies in der relativ kurzen Zeit noch zu erwirtschaften, ist keineswegs einfach. Es steht im Augenblick noch nicht fest und wird sich erst beim Vollzug des Haushalts 1966 erweisen, bei welchen Ressorts und in welcher Höhe diese globale Minderausgabe letztlich erwirtschaftet werden kann. Eine Vielzahl von Ressorts ist davon betroffen.
Man muß mindestens anmerken, daß es doch sehr zweifelhaft ist, ob durch solche Bewirtschaftungsmaßnahmen in so kurzer Zeit und bei einem nicht sehr in der Bewegung noch auszudehnenden oder einzuengenden Bundeshaushalt eine derartige Summe erwirtschaftet werden kann.
Für die Devisenhilfe an die USA wollen Sie einen Kredit bei den Kapitalsammelstellen aufnehmen. Ich halte das für ein durchaus vertretbares Verfahren in der Lage, in der wir uns befinden - um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, will ich das gleich sagen -, vor allen Dingen, wenn man das in einer vernünftigen Vereinbarung mit den Beteiligten zu erreichen vermag. Aber wir wollen uns auch hier nichts vormachen, meine Damen und Herren. Wenn Sie einen Teil Ihrer Verpflichtungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern mit Schuldbuchforderungen begleichen, können Sie doch nicht im Ernst behaupten, daß das keine Auswirkungen auf den Kapitalmarkt habe. Das wollen wir in diesem Zusammenhang doch noch einmal festhalten, weil wir sonst einfach in falsche Größenordnungen kommen.
Wenn Sie nun im Nachtragshaushalt Kreditermächtigungen erbitten und sich diesen Kredit bei den Kapitalsammelstellen besorgen wollen, wenn Sie am 8. November das Volumen an Kapitalhilfen von 540 Millionen DM auf 1040 Millionen DM erhöht haben und jetzt im Nachtragshaushalt 1966 für den gleichen Zweck noch einmal 1 Milliarde DM anfordern, dann wollen wir festhalten, daß damit für die Zeit, in der Sie die Mittel der Kapitalsammelstellen in Anspruch nehmen, Mittel für andere Inanspruchnahmen am Kapitalmarkt natürlich ausfallen. Wir wollen weiter festhalten, daß Sie also mit dem Ergänzungsetat für das Jahr 1967 500 Millionen DM zusätzlich und mit dem Nachtragshaushalt 1966 1 Milliarde DM anfordern. Das ist eine Summe von 1,5 Milliarden DM in wenigen Tagen.
Ich sage das deswegen, weil ich meine, Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie hätten den Artikel der „Welt" „Kein Etatausgleich durch neue Anleihen - Illusionen verschleiern nur die Lage" besser nicht geschrieben, einen Artikel, der am 18. November 1966 erschienen ist und - um mich einer bei einer anderen Gelegenheit gemachten Bemerkung zu erinnern - sicherlich nicht aus dem Stehsatz kommt. In diesem Artikel sagen Sie:
Heute steht die Opposition - damit sind wir gemeint selbst in Gefahr, sich und der Öffentlichkeit den Blick durch von ihr abgeblasene rosarote Illusionsnebel zu trüben. Zu keinem anderen Ergebnis kann jedenfalls kommen, wer die Vorschläge der Opposition, wie die Ausgaben und Einnahmen des Bundes im Jahre 1967 ins Gleichgewicht gebracht werden könnten, kritisch betrachtet; denn sie empfiehlt im wesentlichen, auf Kreditaufnahmen auszuweichen.
Meine Damen und Herren, wer innerhalb von drei
Tagen - 8. 11. bis 11. 11. - selbst 11/2 Milliarden
Kapitalmarktmittel in Anspruch nimmt, der kann
aus einer solchen Alternative, wie sie die sozialdemokratischen Bundestagsfraktion entwickelt, doch nicht einen derartigen Schluß ziehen! Wir haben das doch nicht in einigen grauen Novembertagen getan, sondern in der Überlegung: Wie ist es möglich, zu einer vernünftigen Haushaltswirtschaft im Bunde zurückzukommen? Aus dieser Überlegung ist von meinem Kollegen Schiller bei uns in der Bundestagsfraktion der Vorschlag gemacht worden, nun einen Kernhaushalt aufzustellen und einen Stabilisierungshaushalt hinzuzufügen. Wir haben erklärt, was wir in diesen Stabilisierungshaushalt hinübernehmen wollen.
Diesen Stabilisierungshaushalt mit einem Volumen von 2,5 Milliarden DM wollten wir etwa in der zweiten Hälfte des Jahres 1967 - ich habe vorhin von November 1966 gesprochen - unter zwei Voraussetzungen, über die wir eingehend gesprochen haben, in Anspruch nehmen. Die erste Voraussetzung war, daß wir gemeinsam den deutschen Kapitalmarkt wieder funktionsfähig machen; denn daß er nicht funktionsfähig ist, das kann doch niemand bestreiten. Es ist eine wichtige Aufgabe für jede neue Bundesregierung und jede neue Koalition, den Kapitalmarkt wieder funktionsfähig zu machen und ,dabei vor allen Dingen den grauen und schwarzen Kapitalmarkt zu beseitigen und wieder zu normalen Zuständen und normalen Zinsen zurückzukehren. Das ist doch eine wirklich vordringliche Aufgabe.
({13})
Wir haben geglaubt und sind dabei in guter Gesellschaft einiger Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen des Hauses, daß eine der Voraussetzungen, den Kapitalmarkt wieder funktionsfähig zu machen, die Aufhebung der Kuponsteuer sei. Darüber hat mein Kollege Seuffert in der damaligen Debatte einiges ausgeführt. Ich meine, wenn Sie nun in einem solchen Artikel erklären, wir wichen in den Überlegungen, wie eine Sanierung der Bundesfinanzen zu erreichen ist, einfach auf den Kapitalmarkt aus, dann können Sie doch diese beiden Vorgänge nicht einfach in einem Atemzug nennen.
Wir haben, bevor uns der Ergänzungshaushalt bekannt war - und das muß ich auch sagen, weil das dem Gedächtnis einiger einfach entschwunden ist -, erstens einen Betrag von rund 1,2 Milliarden DM an Streichungen durch den Abbau der unsichtbaren Finanzhilfen erreichen wollen. Das ist Punkt 1. Punkt 2 ist: wir haben gesagt, daß es in diesem Zustand vertretbar ist, etwa 600 Millionen DM im Verteidigungshaushalt zu streichen. Wir haben darauf hingewiesen, daß höhere Streichungen zur Voraussetzung haben, daß eine andere, politisch zu entscheidende Konzeption über ,die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland vorliegt.
({14})
Ich meine, das ist eine verantwortliche Betrachtungsweise. Wir haben weiter im einzelnen dargestellt, daß wir 920 Millionen DM in anderen Einzelplänen kürzen möchten. Das ist ein Gesamtbetrag von 2,72 Milliarden DM für dieses Stadium der
Haushaltsberatungen und der Herbeiführung normaler Verhältnisse in den Bundesfinanzen.
Nun, meine Damen und Herren, in der „Stuttgarter Zeitung" von heute habe ich einen interessanten Kommentar zu der Finanzsituation gefunden unter der Überschrift „Das Schuldenbuch ist aufgeschlagen". Da heißt es:
Nun mußte der Offenbarungseid endlich geleistet werden, freilich nur gegenüber der SPD-Verhandlungskommission. Das Resultat ist erschreckend zwar, aber noch schrecklicher war und ist der Versuch, sich an der Wahrheit vorbeizudrücken.
({15})
- Ich weiß nicht, wer nach Ihrer Auffassung Katastrophenpropaganda macht.
({16})
- In der Haushaltsberatung der vorigen Woche, in der Debatte, die wir - ({17})
- Meine Damen und Herren, es ist ja nicht das erste Mal, daß wir davon gesprochen haben, daß eine solche Politik in eine Finanzkatastrophe hineinführt.
({18})
- Wenn Sie mich daran erinnern, kann ich Ihnen sagen, es ist eben Ihr Fehler, daß Sie nur das Protokoll der letzten Haushaltsdebatte heranziehen. Sie müssen die Protokolle der letzten Jahre heranziehen, aus denen hervorgeht, daß wir immer wieder warnend gefordert haben, eine Politik zu betreiben, die nicht in diese Finanzkatastrophe hineinführt. Das kann aber doch nicht im Zusammenhang mit der Erklärung des Herrn Kollegen Windelen von unverantwortlichen Katastrophenmeldungen stehen.
Nun, meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung zugehen lassen, auf die ich jetzt eingehen möchte, und zwar auch deswegen, weil sowohl vom Herrn Bundeswirtschaftsminister als auch von dem Redner der CDU/CSU-Fraktion immer wieder auf den Finanzbericht hingewiesen wurde und auch einige andere Erklärungen dazu abgegeben worden sind. Ich möchte aber eines festhalten. Soweit die mittelfristigen Schätzungen vom 17. November in Frage kommen, die ja wohl mit den Zahlen identisch sind, die heute der Herr Bundeswirtschaftsminister vorgetragen hat oder die der Presse übergeben wurden, hat uns der Herr Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausgabenzusammenstellung nach den geltenden Gesetzen und Programmen erfolgt ist. Es sind also die Ausgabensteigerungen - so hat uns Herr Bundeswirtschaftsminister Schmücker mitgeteilt - nach den rechtlichen Verpflichtungen bereits zusammengezogen mit den mutmaßlichen Programmen. Die mutmaßlichen Programme sind nach einem Erfahrungssatz des Bundesministeriums der Finanzen berechnet und stellen keine Aussagen über die Absichten der einzelnen Ressorts dar. Das war die Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers Schmücker, der noch hinzufügte: Durch solche Addition entstehen Schwierigkeiten. Die Zahlen sind daher noch keine gültige Aussage für die Regierungspolitik, und der Ausgabenbedarf soll noch getrennt ermittelt werden a) nach geltenden Gesetzen und anderen rechtlichen Verpflichtungen und b) nach den derzeit absehbaren Programmen. Das möchte ich noch sagen, um hier kein Mißverständnis in der Bewertung auftreten zu lassen.
Sie sehen, daß wir in den Unterlagen, die ich Ihnen habe zustellen lassen und die ich dem Bundestagsprotokoll bitte beifügen zu dürfen*), zunächst von den Zahlen des Finanzberichts 1966 und 1967 mit den voraussichtlichen Finanzierungslücken von 1,372 Milliarden DM im Jahre 1966 und 5,6 Milliarden DM im Jahre 1967 ausgegangen sind. Nach den Unterlagen, die wir am 17. November erhalten haben, soll nach geltendem Recht, also bei einem Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 39 %, eine Deckungslücke von 6,084 Milliarden DM vorhanden sein, und zwar unter Inanspruchnahme von Kreditmarktmitteln in Höhe von 540 Millionen DM. Der Haushaltsentwurf 1967 ohne Ergänzungshaushalt weist noch eine Deckungslücke von 2,570 Milliarden DM auf. Die Deckungslücke ist beseitigt, wenn wir das Steueränderungsgesetz, das Finanzplanungsgesetz, den Ergänzungshaushalt und die Ergänzungsgesetze hinzunehmen und nach wie vor von einem Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von 39 v. H. ausgehen.
Darf ich Sie, meine Damen und Herren, darauf aufmerksam machen, daß bei dem so herbeigeführten Haushaltsausgleich z. B. erstens die Änderung des Beteiligungsverhältnisses bezüglich der Einkommen- und Körperschaftsteuer unberücksichtigt geblieben ist. Das ist eine Differenz von rund 2 Milliarden DM. Es kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß es nicht realistisch ist, in diesem Augenblick noch davon auszugehen, daß der Bund diese 4 % Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftsteuer gleich 2 Milliarden DM auch in vollem Umfang in Anspruch nehmen kann. Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß, selbst wenn man saldiert, also ein Stück der Finanzreform vorauszieht und Aufgaben, die im Bundeshaushalt etatisiert sind, aber Länderaufgaben sind, wieder zurücküberträgt, immer noch eine Differenz von 1,3 Milliarden DM übrigbleibt.
({19})
Meine Damen und Herren, selbst wenn Sie am 11. November im Finanzausschuß mit Mehrheit be-
*) Siehe Anlage 10
schlossen haben, diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen, ändert es nichts an der Tatsache, daß ganz sicherlich der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anrufen wird, wenn auch in zweiter und dritter Lesung eine entsprechende Mehrheit des Deutschen Bundestages hier so votiert. Es ist ganz sicher, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht das alte Beteiligungsverhältnis, also 39% für den Bund und 61 % für die Länder, wiederherstellt. Das muß man doch einmal aussprechen, weil sich um denselben Betrag, um den sich der Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer vermindert, die Deckungslücke erhöht, so daß bei der Bewertung jeder Zahl, die hier steht, gefragt werden muß: Inwieweit erhöht sie sich, inwieweit wird auf Grund eines Vorschlages des Vermittlungsausschusses oder wessen immer eine Lösung gefunden, die auch eine Belastung für den Bundeshaushalt ergibt?
Zweitens ist bei dem Haushaltsausgleich nicht berücksichtigt der Fehlbetrag aus dem Bundeshaushalt 1966, z. B. die erwarteten Steuermindereinnahmen, die schon nach der alten Schätzung vom 12. Oktober 1966 auf 750 Millionen DM zu beziffern sind. Hinzu kommt die Frage, ob im Haushalt 1966 noch Minderausgaben in Höhe von 1,060 Milliarden DM erzielt werden können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine Erläuterung zu der mittelfristigen Schätzung vom 17. November 1966 eingehen, weil das auch für Sie ein objektiver Maßstab zur Beurteilung der Situation sein könnte; denn das stammt nicht von uns, sondern aus dem Bundesfinanz- und dem Bundeswirtschaftsministerium. In dieser Darstellung vom 17. November ich bitte, auf Seite 2 meiner Zusammenstellung die Zahl „27." in „17." zu ändern - heißt es:
Die Schätzung der Steuereinnahmen im Jahre 1967 geht nicht nur von der voraussichtlichen Entwicklung des Bruttosozialprodukts aus, sondern basiert auch auf den Steuereinnahmen im Jahr 1966 nach der letzten Schätzung. Die jetzt bis Oktober 1966 vorliegenden Ergebnisse der Steuereinnahmen zwingen jedoch zu der Erwartung, daß die Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 1966 voraussichtlich noch stärker zurückbleiben werden, als bei der letzten Schätzung angenommen werden mußte ({20}). Nach der inzwischen eingetretenen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird die Schätzung der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts im Jahr 1967 ({21}) kaum noch zu halten sein. Es ist nach den derzeitigen Einnahmeergebnissen zu befürchten, daß wegen der abgeschwächten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im zweiten Halbjahr 1966 der auf 1,09 Mia DM geschätzte Steuerausfall im Jahre 1967 sich der pessimistischeren Erwartung der Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem geschätzten Steuerausfall von 1,9 Mia DM - annähern wird.
Meine Damen und Herren, das ist keine Katastrophenmeldung, sondern das ist eine Feststellung in
der mitttelfristigen Schätzung vom 17. November 1966, verfaßt von Herren des Bundesfinanz- und des Bundeswirtschaftsministeriums.
Wenn man also sieht, daß auch diese Steuerschätzungen nach dem derzeitigen Stand nicht erreicht werden können, dann muß man mindestens einmal darauf hinweisen. Wenn Sie diese drei Positionen nehmen, dann kommen Sie zu einem Betrag, der mindestens bei 2 1/2 Milliarden DM liegt, gleich, wie Sie die einzelnen Positionen bewerten. Aber das ist der Mindestbetrag der Differenz gegenüber den amtlichen Erklärungen und Schätzungen. Ich sage das nicht wegen irgendeiner Panikmache, oder was Sie sonst unterstellen mögen, sondern einfach, weil Sie sich an der Konsequenz dieser Feststellungen nicht vorbeimogeln dürfen, wenn wir endlich eine solide Grundlage für eine Neuordnung unserer Finanzwirtschaft finden wollen.
Bei der Beurteilung sind die Auswirkungen des Finanzplanungsgesetzes, das Änderungen von insgesamt 22 Gesetzen mit Auswirkungen von rund 3 Milliarden DM vorsieht, ebenso zu berücksichtigen wie die Einnahmeverbesserungen durch das Steueränderungsgesetz 1966 und das entsprechende Ergänzungsgesetz zum Ergänzungshaushalt in Höhe von insgesamt etwa 2,5 Milliarden DM. 3 Milliarden DM plus 2,5 Milliarden DM sind 5,5 Milliarden DM. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 8 Milliarden DM.
Der Vergleich zwischen dem Finanzbericht 1966 und der mittelfristigen Schätzung vom 17. November dieses Jahres am Schluß dieser Tabelle ergibt ohne Berücksichtigung von Fehlbeträgen und Kreditmitteln - und so muß man wohl rechnen -, in beiden Fällen nach geltendem Recht, erhebliche Finanzierungslücken. Wenn Sie die Finanzierungslücken nach dem Finanzbericht, die für 1967 6,1, für 1968 6,5, für 1969 7,4 und für 1970 5,5 Milliarden DM ausmachen, einmal zusammenzählen, bekommen Sie eine Deckungslücke in Höhe von 25,5 Milliarden DM für diese vier Jahre. Nach den Schätzungen vom 17. November dieses Jahres immer nach geltendem Recht und ohne Berücksichtigung von Fehlbeträgen und Kreditmitteln - beträgt die Deckungslücke 40,9 Milliarden DM. Das ist eine Differenz von 15,4 Milliarden DM insgesamt oder von rund 4 Milliarden DM pro Jahr. Das, meine Damen und Herren, muß gesagt werden, wenn Sie sich hier auf den Finanzbericht 1966, insbesondere auf die Seite 97, beziehen.
Lassen Sie mich bitte noch hinzufügen: Das Ganze ist nur erreichbar mit dem Versuch, erhebliche Einnahmeverbesserungen durchzuführen. Aus der Aufstellung, die ich als Anlage 1 beigefügt habe, können Sie die Einnahmeverbesserungen entnehmen.
Herr Bundesminister Schmücker hat vorhin bei seinen Ausführungen folgendes vorgetragen:
Bei den weiteren haushaltspolitischen Entscheidungen wird die Bundesregierung an folgenden Grundsätzen für den Ausgleich der Haushalte festhalten:
a) Kürzungen, soweit nur irgendwie vertretbar;
- Stellungnahme der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion: ja -
b) Abbau von Subventionen und Begünstigungen;
- Stellungnahme der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion: ja -
c) notfalls - notfalls - maßvolle Erhöhungen von Verbrauchsteuern.
Meine Damen und Herren, da ist hinzuzufügen: Das alles, was Sie über die Deckung des Haushalts 1967 ausgeführt haben, ist überhaupt nur erreichbar, wenn die in Ihren Vorschlägen vorgesehenen erheblichen Erhöhungen von Verbrauchsteuern vom Parlament, von einer Mehrheit, angenommen werden. Das muß man hinzufügen, damit darüber Klarheit besteht.
Sie wollen nach dem Steueränderungsgesetz 1966 544 Millionen DM Steuermehreinnahmen im Jahre 1967 erzielen; der Betrag steigt auf etwa 1,1 Milliarden DM im Jahre 1970. Dabei ist ein Hauptposten, die Kilometerpauschale mit 215 Millionen DM für 1967, im Streit. Ich sehe im Moment noch nicht, ob Sie dafür eine Mehrheit finden. Ferner ist die Einschränkung des Mineralölsteuerprivilegs mit 240 Millionen DM angesetzt.
Im Ergänzungshaushalt sehen Sie Mehreinnahmen in Höhe von rund 2 Milliarden DM vor. Diese rund 2 Milliarden DM ergeben sich durch Erhöhung der Tabaksteuer, der Branntweinsteuer, der Mineralölsteuer und verschiedener Umsatzsteuern. Das ist also bereits das, was in Ziffer 3 c der Erklärung des Herrn Bundesministers Schmücker als „notfalls maßvolle Erhöhung von Verbrauchsteuern" bezeichnet ist. Wenn Sie sagen: Wir haben jetzt im Bundeshaushalt 1967 nach den Vorstellungen der derzeitigen Bundesregierung keine Deckungslücke mehr, dann müssen Sie hinzufügen: wir haben keine Dekkungslücke mehr, weil wir von dem, was in Ziffer 3 c angeführt ist - notfalls maßvolle Erhöhung von Verbrauchsteuern -, bereits in einem Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM Gebrauch gemacht haben, und diesen Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM halten wir für maßvoll. Dann haben Sie eine komplette Darstellung, die den Tatsachen entspricht.
In einem anderen Artikel hieß es gestern in der „Welt": „Der Defizitriese geistert durch den Bundestag" - der Artikel ist von einem Redakteur der „Welt" verfaßt worden, also wir haben nichts damit zu tun - und „Bonn braucht eine Mehrheit für Vergleichsverfahren". Ich meine, daß mit den beiden Überschriften unsere Finanzsituation nicht schlecht bezeichnet worden ist.
Sie sagen nun, für dieses Hohe Haus und für die hier vertretenen Fraktionen sei es ganz wichtig, dafür zu sorgen, daß bis Mitte Dezember die Beschlüsse in den Ausschüssen und im Plenum gefaßt werden, mit denen, ausgehend von der Vorlage der Bundesregierung, die Deckungslücke geschlossen wird oder mit denen bestimmte Vorschläge der Bundesregierung durch andere Vorschläge ersetzt werden, die sich aber in derselben Größenordnung bewegen; jeder Monat Verzögerung koste uns eine beträchtliche Stange Geld. Dazu muß ich zweierlei sagen.
Erstens kann die sozialdemokratische Bundestagsfraktion keine Verantwortung dafür übernehmen, daß sie in einem so späten Zeitpunkt mit dieser Fülle von Gesetzesvorlagen befaßt worden ist.
({22})
Sie müssen auch die Reihenfolge berücksichtigen. Wir haben innerhalb weniger Wochen den Bundeshaushalt 1967 mit dem Finanzplanungs- und mit dem Steueränderungsgesetz, den Ergänzungshaushalt 1967 mit weiteren ergänzenden Gesetzen für die Finanzplanung und für Steueränderungen und schließlich den Nachtragshaushalt 1966 erhalten, der heute hier in erster Lesung beraten wird. Das alles innerhalb von wenigen Wochen ist doch keine Finanzwirtschaft und keine Finanzpolitik aus einem Guß, wie sie gerade in dieser Situation nötig wäre.
({23})
Ich bitte Sie. sich auch in unsere Lage zu versetzen, die wir über keinen Apparat der Ministerien und der erforderlichen wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter verfügen, um diese ganze Fülle von Material und Zahlen und Eingriffen in bestehende Gesetze so übersehen zu können, daß der einzelne Kollege in unserer Fraktion in der Lage wäre, in diesen wenigen Wochen in vollem Umfang die Verantwortung für die zu fassenden Beschlüsse zu tragen. Das ist ein entscheidender Punkt, wenn Sie in einem demokratischen Staat argumentieren und wenn Sie von der Funktionsfähigkeit des Bundestages bzw. des Parlaments ausgehen.
Zweitens. Nach den uns gewordenen Mitteilungen ist die Situation so, daß jeder Monat später als der Beginn am 1. Januar 1967 uns rund 300 Millionen DM kostet: 26 Millionen DM bei der Kilometerpauschale, 185 Millionen DM, wenn Erhöhungen der Tabak-, Mineralöl-, Branntwein- sowie der Umsatzsteuer für Großbetriebe nicht erfolgen, und 69,7 Millionen DM für einige Positionen dieser Finanzplanung, immer monatlich! Ich könnte mir vorstellen, daß die letzten etwa 70 Millionen DM am wenigsten umstritten sind. Aber es ist ganz sicher eine Entscheidung nicht nur für heute und morgen, wenn man den Vorschlägen der Bundesregierung für die Kilometerpauschale und die Erhöhung der Verbrauchsteuern folgt. Eine Entscheidung, die Verbrauchsteuern zu erhöhen, so wie ich sie eben nannte, betrifft nicht nur den Januar 1967 oder das Haushaltsjahr 1967, das ist eine Entscheidung für die nächsten Jahre und bedarf daher gründlicher Überlegung. Sie ist, wie ich zugebe, in erster Linie keine finanzwirtschaftliche Erwägung, sondern unter Beachtung der konjunkturpolitischen Erfordernisse eine politische Entscheidung, zu der sich die Fraktionen verstehen müssen.
Wir sind mit allen anderen Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses der Meinung, weder Augenwischerei noch Basteleien beseitigen den finanzwirtschaftlichen Notstand, der auch, was man bei den jetzigen Diskussionen nicht übersehen darf,
bei den Ländern und Gemeinden besteht. Ich möchte noch mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß bei der Erörterung der Bundesfinanzen die Finanzlage der Länder und Gemeinden nicht vergessen werden darf.
({24})
Meine Damen und Herren, die finanzwirtschaftliche Not führt zu dem Gebot der realistischen Einnahmeschätzung, der Sorgfalt in der Überlegung aller Konsequenzen unserer Ausgabenwirtschaft und der Erkenntnis, daß zur erforderlichen Stabilität auch das wirtschaftliche Wachstum gehört. Ohne dieses wirtschaftliche Wachstum ist kein Haushaltsausgleich zu erzielen und keine gesellschaftspolitische Dynamik möglich. Nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird es höchste Zeit, daß wir auf einer soliden Basis neu beginnen.
({25})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten stimmen dem Nachtragshaushalt für 1966 zu. Die Ausgaben sind, wie auch mein Herr Vorredner soeben betonte, unabweisbar, und die Deckung, die vorgesehen ist, ist zweckentsprechend. Das gilt sowohl für die durch Bewirtschaftungsmaßnahmen herauszuholenden Beträge wie insbesondere auch für die Anleihe in Höhe von einer Milliarde, die vorgesehen ist, auch unter den besonders vorgesehenen Bedingungen. Die Abdeckung der Devisenausgleichszahlungen in Höhe von 1 Milliarde DM in dieser Form ist auch in einem Vorschlag vorgesehen, den mein Kollege Emde hier anläßlich der ersten Lesung des Haushalts für die Freien Demokraten vorgetragen hat. Ich habe feststellen können, daß auch der Herr Vertreter der Sozialdemokratischen Partei dieser Lösung, die im Nachtragshaushalt für die Devisenausgleichszahlungen vorgesehen ist, zugestimmt hat.
Dieser Nachtragshaushalt ist notwendig als ein Stück der Stabilisierung der Finanzverhältnisse insgesamt. Die Finanzsituation, das ist schon festgestellt worden, ist seit Februar 1966, nämlich seitdem der Finanzbericht der Bundesregierung erschienen ist, bekannt. Ich darf an dieser Stelle nur erwähnen, daß unterdessen der Finanzminister Dr. Dahlgrün auch einen Brief veröffentlicht hat, in dem er schon 1965 auf die Finanzlage seinerzeit intern hingewiesen hatte.
Ich möchte Bundesminister Schmücker ausdrücklich für die Feststellung danken, daß die Bundesregierung keinerlei Zahlenverschleierung getrieben hat; ich darf diese Feststellung - wie es ja gemeint war - auch auf den Finanzminister Dahlgrün beziehen.
Nun haben wir, und dazu möchte ich noch etwas sagen, ein Zahlenwerk vor uns, von dem Herr Bundesminister Schmücker gesprochen hat: ein Zahlenwerk vom 17. November 1966, das eine gewisse
Bedeutung gewonnen hat, weil einzelne Zahlen daraus schon veröffentlicht worden sind. Ich habe mit großer Befriedigung festzustellen, daß Herr Bundesminister Schmücker hier erklärt hat, diesem Zahlenwerk liege keine politische Absichtserklärung zugrunde und es spiegele keine mittelfristige Finanzpolitik wider. Ich möchte also feststellen, daß es sich um einen statistischen Überblick handelt, der keinen politischen Aussagewert hat. Das soll nicht heißen, daß er keinen Wert hat; er hat eben einen statistischen Wert, aber keinen politischen Aussagewert. Das heißt: es steht weder die gegenwärtige Bundesregierung noch der gegenwärtig amtierende Finanzminister hinter diesem Zahlenwerk in dem Sinne, daß sie bestimmte Ansätze für Programme und andere Dinge politisch decken. Das ist eine außerordentlich wichtige Feststellung.
Man darf ein solches Zahlenwerk nicht vergleichen mit den im Finanzbericht 1966 seinerzeit durch die Bundesregierung und den Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün unter „Vorausschau auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts in den Rechnungsjahren 1966 bis 1970" auf den Seiten 93 ff. veröffentlichten Zahlen.
Auf Seite 98 bringt der Bericht eine „Übersicht über die rechtlich gebundenen Ausgaben von wesentlicher Bedeutung". Für das Jahr 1970 ist in diesem Überblick festgehalten, daß die Ausgaben, die rechtlich gebunden sind, sich auf 77,2 Milliarden DM belaufen.
Auf Seite 97 dagegen ist eine kleine Tabelle, in der die voraussichtlichen Finanzierungslücken 1966 bis 1970 festgehalten sind. In dieser Tabelle ist der voraussichtliche Gesamtausgabebedarf 1970 mit 86,1 Milliarden DM angegeben.
Ich möchte zur Verdeutlichung darauf hinweisen, daß die Differenz zwischen den 77,2 Milliarden DM rechtlich gebundenen Ausgaben für 1970 und diesem Betrag von 86 Milliarden DM, also eine Differenz von rund 10 Milliarden DM, eben das ist, was man die Politik nennt, die ein solches Zahlenwerk widerspiegelt. Während das Zahlenwerk im Finanzbericht auch politisch von dem damaligen Finanzminister gedeckt wurde, ist das jetzige Zahlenwerk vom 17. November 1966, das die Überschrift trägt „Ausgabebedarf nach geltenden Gesetzen und Programmen", nicht politisch gedeckt. Daraus erklärt sich - und das ist das Wesentlichste - die Diskrepanz in den Abschlußzahlen. Die Deckungslücken differieren nicht unerheblich.
Es sei noch einmal festgestellt, daß man diese beiden Zahlenwerke nicht miteinander vergleichen kann. Ich brauche zum Beweis dafür nur auf einige Dinge hinzuweisen wie z. B. die Personalkosten, wo Planungen einbezogen sind, die sich auf Ausgaben von sicherlich jährlich über 1 Milliarde DM belaufen. Ich darf auf die Nummer III.28 verweisen, wo im Familienlastenausgleich Erhöhungen vorgesehen sind, die politisch noch gar nicht erörtert worden sind. Oder ich darf darauf hinweisen, daß das sogenannte „Pennälergehalt" wieder mit einem Betrag von 40 DM eingesetzt ist
({0})
ja, ich nenne es nur einmal der Kürze halber so - und daß dieser Ansatz mit 40 DM z. B. gegenüber den Vorschlägen der Freien Demokraten zum Ausgleich des Haushalts 1967 als Ausgangspunkt im Jahre 1970 einen Unterschied von rund einer halben Milliarde D-Mark bedeutet.
({1})
- Ich bestreite gar nicht, daß hier etwas eingesetzt werden muß. Ich stelle nur fest, daß weder die Bundesregierung noch der amtierende Bundesfinanzminister politisch diese Ansätze decken, und darauf kommt es doch an, denn gerade daraus ergeben sich die Unterschiede in der Höhe der Deckungslücken.
Ich darf auch ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Ansätze für die Steigerung des Sozialprodukts unterschiedlich sind, so daß auch aus der Einnahmenseite heraus diese Zahlenwerke nicht verglichen werden können.
Ich möchte zu dem Jahr 1967 und seinen Haushaltsschwierigkeiten, zu denen insbesondere Herr Kollege Möller Stellung genommen hat, hier keine weiteren Ausführungen machen. Ich möchte für die Freien Demokraten nur noch erklären: Die Gesetze, die vorliegen und die eine Ergänzung des Haushalts 1967 darstellen, müssen bis zum 31. Dezember 1966 verabschiedet werden, weil sonst Milliardenbeträge zusätzlich zu decken wären und so die Deckungsschwierigkeiten erhöht würden. Soweit ich unterrichtet bin - ich sage das jetzt aus dem Stegreif -, sind das etwa 300 Millionen DM monatlich. Sie können sich alle selbst ausrechnen, was dann eine Verzögerung auch nur um einen Monat an neuen Schwierigkeiten für uns alle mit sich brächte.
Ich möchte zum Schluß nur noch kurz zu dem Stellung nehmen, was Bundesminister Schmücker hier sagte, nämlich daß angesichts der Finanzlage, die wir nun alle kennen, besondere Maßnahmen ergriffen werden müßten. Er hat dankenswerterweise dabei erklärt - was wir Freien Demokraten ja in den letzten Wochen immer besonders betont haben -, daß Ausgabekürzungen an erster Stelle stehen müssen. Er hat ferner vom Abbau von Vergünstigungen gesprochen. Auch das begrüßen wir.
Er hat dann die vorsichtige Formulierung von der maßvollen Erhöhung von Verbrauchsteuern verwendet. Hier müssen wir anmerken - das ist von meinem Kollegen Emde in der Haushaltsdebatte gesagt worden, und daran hat sich nichts geändert -, daß nach unserer Auffassung der Haushalt 1967 ohne Steuererhöhungen ausgeglichen werden kann und daß es finanzpolitisch unüblich und auch noch nicht dagewesen ist, daß man bereits über Steuererhöhungen für spätere Haushalte in zukünftigen Jahren spricht. Das wird sich auch für die Zukunft nicht empfehlen, schon deshalb nicht, weil sonst jedem Finanzminister, wer auch immer auf dem Platze sitzt, eine sorgsame Arbeit mit dem Rotstift unmöglich gemacht wird, da dann bereits Festlegungen für
die künftigen Jahre getroffen wären, die einer solchen sorgfältigen Arbeit entgegenstünden.
Ich möchte generell noch hinzufügen, daß für die weiteren Jahre nach 1967 unserer Meinung nach die Bundesregierung, die im Amt sein wird, zeitgerechte Deckungsvorschläge machen muß und daß auch bei diesen Deckungsvorschlägen dann der Satz gelten muß, daß in unserer Situation im Augenblick konjunkturell, aber auch allgemein - weil wir im Vergleich die höchste Steuerbelastung haben - Steuererhöhungen nur der letzte Ausweg sein dürfen, weil sie der schlechteste Ausweg sind. Alle anderen Möglichkeiten müssen Vorrang haben und müssen vorher ausgeschöpft werden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde es für einen außerordentlichen Gewinn halten, wenn aus dem letzten Teil der Ausführungen des Kollegen Möller wie auch aus dem letzten Teil der Ausführungen des Kollegen Starke hervorginge, daß diese beiden Fraktionen bereit sind, in dieser Woche und in den kommenden Wochen diese vordringlichen Beratungen mitzumachen und - immer natürlich vorbehaltlich des einen oder anderen Änderungsvorschlages zu einem guten Abschluß zu bringen. - Ich sehe, daß der Kollege Möller nickt, und ich meine, wir können hier einen positiven Ertrag dieser Diskussion feststellen.
({0})
Der Herr Kollege Möller hat auf eine Ausarbeitung hingewiesen, die er hat verteilen lassen. Auf dem Deckblatt dieser Ausarbeitung steht, daß nunmehr der finanzpolitische Offenbarungseid - gemeint ist: von unserer Seite - geleistet worden sei. Es tut mir außerordentlich leid, daß in diesem Stadium der Verhandlungen damit noch einmal die ganze Vergangenheit angesprochen und aufgerissen worden ist. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen dazu nur eines sagen: ein Scherbengericht gegen unsere Fraktion wird hier jedenfalls nicht stattfinden.
({1})
Ich darf deshalb das, was der Kollege Möller hier ausgeführt hat, in einigen Punkten ergänzen.
Es ist keineswegs so, als trüge nur eine einzige Fraktion oder - wenn ich von der Vergangenheit spreche - nur die damalige Koalition die Verantwortung für den finanzpolitischen Weg, den wir gegangen sind.
({2})
Ich darf darauf hinweisen, daß sich die Oppositionsfraktion in den vergangenen Jahren in fast allen
Einzelpunkten bemüht hat, mit ihren kostensteigern3440
den Vorschlägen die Regierungskoalition weitaus zu überbieten.
({3})
Ich möchte, nur um diesen Punkt richtig zustellen, kurz sagen, um welche konkreten Anträge es sich dabei handelt. Diese Gesetzentwürfe und kostenwirksamen Anträge der SPD-Fraktion sind von mir in einer Liste zusammengestellt worden, die im Protokoll der Sitzung vom 29. November 1965 nachzulesen ist. Dort sind sämtliche Anträge, mit Drucksachennummer und mit. Angabe der Hunderte von Millionen, die sie kosten würden, verzeichnet. Die Abschlußsumme beträgt 9,2 Milliarden DM.
({4})
- Meine Damen und Herren, ich habe hier erklärt: wenn in der verbreiteten Erklärung der SPD von einem Offenbarungseid die Rede ist, dann ist es ganz klar, daß wir die Pflicht haben, uns gegen solche Feststellungen zu verwahren.
({5})
Ich darf Sie, um Gerechtigkeit in ;diesen Dingen zu üben, auf das hinweisen, was als Wahlprogramm der SPD im Bundestagswahlkampf 1965 verkündet worden ist. Damals hat sich die Opposition die Mühe gemacht, eine Vorausberechnung der möglichen Einnahmen bis zum Jahre 1971 darzulegen. Sie schließen mit 76 Milliarden ab. Dann ist ein Programm der Opposition verkündet worden. Die Zahlen, die das kostet, schwankten zwischen einem Betrag von 25 Milliarden als Maximum und 18 Milliarden als Minimum. Projizieren Sie diese damaligen Vorschläge auf unsere heutige Situation und dann überlegen Sie sich, ob die Opposition berechtigt ist, in dieser Weise Vorwürfe zu erheben, wie das geschehen ist.
({6})
Herr Kollege Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage 'des Herrn Abgeordneten Seuffert?
Herr Kollege, wenn Sie schon so viel Wert 'darauf legen, in ;der Vergangenheit herumzusuchen,
({0})
darf ich Sie erinnern an das Wahlprogramm und die Wahlprognose des noch derzeitigen Herrn Bundeskanzlers, es sei lächerlich, von einer Finanzkrise zu sprechen?
Sehr verehrter Herr Kollege, ich komme auf diesen Punkt - Finanzkrise, Finanzchaos - noch zu sprechen. Aber weil Sie schon sagen: „in der Vergangenheit herumzuwühlen, darf ich daran erinnern: der Herr Kollege Möller hat bei der ersten Lesung des Haushalts 1967 seitenlang mit vielen Zitaten diese Dinge wieder aufgeführt. Ich habe damals in meiner Erwiderung in einem kurzen Absatz mich dagegen geäußert und habe es mir geschenkt, ausführlich darauf einzugehen. Nur weil in der heutigen Debatte wiederum vom Herrn Kollegen Möller diese Dinge so ausführlich und so einseitig behandelt worden sind, bin ich auf diese Dinge zurückgekommen.
({0})
Es ist nicht allein das Recht der Opposition, darüber zu reden - wenn schon über die Vergangenheit gerechtet werden soll -, sondern dann müssen Sie uns schon gestatten, daß wir unseren Standpunkt ebenfalls darlegen.
({1})
Herr Abgeordneter Althammer, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}) möchte eine Frage stellen.
Bitte!
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, zur Verdeutlichung dessen, was Sie kritisieren, noch einmal klarzumachen, was Sie eigentlich beanstanden an den damals - heute vor mehr als anderthalb Jahren - von der Opposition - Sprecher war in dem Fall Dr. Möller - vorgelegten finanziellen Vorschauen. Das waren ja damals die einzigen Vorschauen, die es gab; denn die Regierung ihrerseits weigerte sich, solche vorzulegen.
({0})
Aber was haben Sie konkret zu kritisieren? Ich habe eben gehört - vielleicht wollen Sie das jetzt korrigieren -, daß Sie die Zahlen, die für vier Jahre genannt waren, so dargestellt haben, als ob sie auf ein Jahr Bezug gehabt hätten.
Herr Kollege Schmidt, ich bitte mir doch nichts zu unterstellen. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß eine Prognose für vier Jahre vorgesehen war. Und wenn Sie es genau wissen wollen, dann will ich Ihnen auch das sagen, was ich in diesem Zusammenhang zu beanstanden habe. Ich habe zu beanstanden, daß in den vergangenen Jahren fast bei jedem Gesetz die Opposition Anträge mit wesentlich höheren Summen gestellt hat
({0})
und daß dann draußen in der Öffentlichkeit unsere Kollegen und wir angegriffen worden sind, weil wir für dieses oder jenes Projekt angeblich nicht genügend Verständnis hätten und Einsparungen machen wollten. Und dann sind doch in diesem Parlament die Kompromisse daraus entstanden. Man kann uns doch nicht mit dieser Sache allein belasten.
({1})
Herr Abgeordneter Leicht möchte eine Frage stellen.
Herr Kollege Dr. Althammer, ist Ihnen vielleicht entgangen - vielleicht können Sie es mir bestätigen -, daß nach der Erklärung des Herrn Brandt, die Sie zitiert haben, bezüglich der 78 Milliarden auf fünf Jahre, am 9. September, also einige Tage später, Herr Möller allerdings erklären mußte -- ich sage das nur zur Feststellung wegen der Frage des Herrn Schmidt -, daß es nur 48 Milliarden seien?
({0})
Herr Kollege Leicht, ich möchte dieses Kapitel nun wirklich beenden. Vielleicht darf man den Kollegen Schmidt noch darauf hinweisen, daß er es nach einer Äußerung der „Frankfurter Allgemeinen" gewesen ist, der damals objektiverweise festgestellt hat, daß hier im Parlament, wenn man schon von „überzogenen Ausgaben" spreche, auf allen Seiten allzumal Sünder zu finden seien.
Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Schmidt ({0}) ?
Herr Präsident, ich möchte mit meinen Ausführungen zum Schluß kommen. Ich sehe wirklich im Moment kein fruchtbares Ergebnis darin, die Dinge der Vergangenheit noch ausführlicher zu behandeln.
({0})
Ich möchte deshalb die Frage stellen, warum es in diesem Parlament nicht möglich sein soll, die Entwicklung in der Wirtschaft und bei den Finanzen auch einmal sachlich und nüchtern zu sehen. Die Situation war doch so, daß wir in den Jahren des stürmischen Wiederaufbaus Zuwachsraten von 10 % und mehr hatten, und wir haben uns natürlicherweise auch in unserer Ausgabengebarung auf die dementsprechend hohen Steuerzuwachsraten eingestellt. Vielleicht ist es auch dadurch begründet, daß man uns Haushaltsleuten - und ich würde jetzt sagen: bei allen Parteien - nicht rechtzeitig mit unseren Warnungen geglaubt hat,
({1})
weil sich in diesen Jahren immer wieder am Jahresende herausgestellt hat, daß eben wegen der stürmischen Weiterentwicklung die Einnahmen höher waren, als man ursprünglich angenommen hatte.
({2})
Ich meine, diese Dinge müßten doch nüchtern und
für alle verständlich und vernünftig darzulegen sein.
Der Herr Minister hat nun ausführlich begründet, in welcher Weise die Regierung reagiert und gehandelt hat. Man darf darauf hinweisen, daß der Haushalt in all diesen Jahren abgeglichen worden ist und wir, wenn selbstverständlich auch unter Mühen
und Schwierigkeiten, für das Jahr 1967 einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt haben. Ich darf vielleicht ergänzend sagen, daß der Brief des früheren Herrn Finanzministers, der hier schon öfters zitiert worden ist, auch den Fraktionsvorsitzenden aller Fraktionen dieses Hauses vorgelegt worden ist, so daß auch von dort her eine ausreichende Aufklärung stattgefunden hat.
Nun komme ich zu der Finanzvorausschau für die Zukunft. Eines war ja hochinteressant. Vor 14 Tagen habe ich in meiner Rede hier von diesem Platz aus die genauen Zahlen genannt, die die Steuereinnahmen für die nächsten Jahre betreffen, und die Zahlen, die die fortgeschriebenen gesetzlichen Ausgaben betreffen. Ich habe dann dargestellt, auf welche Weise die Deckungslücke durch diesen Ergänzungshaushalt geschlossen werden kann und welche einigermaßen vertretbaren Lücken dann noch bleiben. Ich habe gesagt, daß wir im Haushaltsjahr 1967 einen ausgeglichenen Haushalt, im Haushaltsjahr 1968 eine Differenz von 3,7 Milliarden DM, 1969 von 4,6 Milliarden DM usw. haben werden. Diese Zahlen sind bereits vor 14 Tagen genannt worden. Ich verstehe nicht, warum in den letzten Tagen nun plötzlich Sensationsmeldungen herausgegeben worden sind, als wäre das alles brandneu. Wer sich um die Dinge gekümmert hat, der konnte damals bereits dieses Zahlenmaterial kennen. Aber eine Deckungsdifferenz von 3,7 Milliarden DM nimmt sich natürlich wesentlich weniger dramatisch aus als das, was in irgendwelchen Zeitungen zu lesen war, daß nämlich schon im Haushalt 1967 10 Milliarden DM fehlen würden. Das war eine objektiv unrichtige Darstellung. Wenn schon von 10 Milliarden DM für das Haushaltsjahr 1970 die Rede ist, dann muß man doch auch darauf hinweisen, daß hier Zuwachsquoten zugrunde gelegt sind.
Nun frage ich im Ernst: Wer will mit einigermaßen Sicherheit sagen, ob wir im Jahre 1970 eine Zuwachsrate von 5 %, wie sie hier zugrunde gelegt ist, haben werden? Das kann doch heute noch niemand sagen. Insofern muß man doch, wenn man objektiv bleiben will, auch solche auf die Zukunft, auf das Jahr 1970 projizierte Zahlen mit dem entsprechenden Vorbehalt behandeln.
Der Herr Kollege Möller hat nun auch zum Beteiligungsverhältnis Stellung genommen und hier erklärt, daß bei all den vorgelegten Zahlen der Prozentanteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 39 % angegeben sei; das sei doch äußerst fraglich. Ich darf darauf erwidern, wir haben uns selbstverständlich auch mit diesem Punkt bereits befaßt. Wir haben uns überlegt, wie man einen Kompromißvorschlag erarbeiten kann. Wir haben dabei zusätzlich berücksichtigt, daß die besonders steuerschwachen Länder auch mit diesem Mehranteil von 2 oder 4 % nicht auskommen werden. Wir werden uns bemühen, dem Bundesrat einen entsprechenden Kompromiß in dieser Frage vorzuschlagen. Wir sind sogar so weit gegangen, daß wir uns überlegt haben: wenn hier kein für uns vernünftiger und tragbarer Kompromiß möglich ist,
dann müssen eben gewisse Aufgaben und Ausgaben an die Länder abgegeben werden.
({3})
Alle diese Dinge sind bereits überlegt worden. Deshalb kann man hier nicht sagen, daß das ganze
Werk des Haushalts 1967 von dorther unsolide sei.
Genauso ist es mit dem Fehlbetrag für 1966. In dieser Beziehung ist schlicht und klar festzustellen: erstens einmal weiß man noch nicht den genauen Fehlbetrag, zum zweiten muß nach unserer Verfassung dieser Fehlbetrag erst im übernächsten Jahr abgedeckt werden. Das ist für uns doch kein neues Problem. Solche Fehlbeträge waren schon immer in den kommenden Haushaltsjahren zu bewältigen.
Ein Wort zum Schluß. Es wäre ein völlig falscher Standpunkt, wenn man jetzt in dieser Situation etwa versuchen wollte, ein Scherbengericht zu veranstalten oder zu erklären, daß hier jemand einen Offenbarungseid zu leisten hätte.
({4})
Denn eine Lehre sollten wir aus den Vorgängen der letzten Wochen und auch aus den Landtagswahlen gezogen haben: wenn wir hier im Parlament diesen Streit ausdehnten und wenn eine Seite versuchen sollte, diese ganzen Dinge auf die andere Seite abzulagern, dann würden in Wirklichkeit ganz andere Leute davon profitieren; das ist doch ganz klar.
({5})
Ich glaube, wir haben gerade auch bei der Bewältigung der Haushaltssituation dieses Jahres und der kommenden Jahre alle Veranlassung, eine gewisse Solidarität des Parlaments zu entwickeln. Damit bin ich wieder am Anfang meiner Ausführungen. Leider war ich gezwungen, die Ausführungen des Kollegen Möller über die Vergangenheit richtigzustellen. Ich möchte aber noch einmal stark unterstreichen, was hier an Bereitschaft von allen Fraktionen schon in den letzten Wochen zum Ausdruck gekommen ist, positiv an der Bewältigung der anstehenden Probleme mitzuarbeiten. Das scheint mir das eigentlich Wertvolle zu sein. Wir sollten endlich Schluß damit machen, die Dinge übermäßig zu dramatisieren.
Die Finanzsituation ist zu bewältigen. Über eines müssen wir uns allerdings klar sein: alle Kollegen in diesem Hause müssen zur Disziplin bereit sein. Wenn jetzt wir Haushaltsleute erklären, daß die Dinge ins Lot zu bringen sind, dann darf nicht sofort wieder gesagt werden: Ausgezeichnet, jetzt können wir neue Gesetze beschließen und neue Ausgaben veranlassen. Vielmehr muß das ganze Haus den Willen zur Disziplin haben. Wenn dieser Wille vorhanden ist, werden wir auch die Haushaltssituation bewältigen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht viel zu dieser Debatte sagen, aber ich glaube, daß man an sie noch wiederholt zurückdenken wird.
Hier ist ein großes Wort, das Wort von der „Solidarität des Parlaments" gesprochen worden. Wir werden uns dieses Wort merken. Sie müssen sich vergegenwärtigen, daß wir vor ganz wenigen Wochen, nämlich am 10. November dieses Jahres, genötigt waren, unsere Stellungnahme zum Haushaltsplan für das Jahr 1967 abzugeben, wobei Sie - ich meine die sitzende Regierung - uns alle die Zahlen vorenthalten haben, von denen Sie heute so tun, als hätte sie eh jeder kennen können, von denen ich aber noch vor wenigen Tagen gehört habe, daß sie denjenigen, die daran beteiligt waren, genauso neu seien wie uns. Das mögen die enträtseln, die sich unter sich über solche Fragen nicht einig werden können. Nur, meine Damen und Herren, jetzt ist nicht die Zeit, an irgendwelche Solidarität zu appellieren.
Ich möchte Ihnen, weil Sie hier auf das Jahr 1965 zurückgekommen sind und weil Sie glauben, eine Legende von 1965 weiterspinnen zu können, etwas zur Unterstreichung dessen sagen, was mein Kollege Möller hier erklärt hat, der damals wahrlich eine ganz große Arbeit getan hat, die wir auch aktenkundig machen werden, hinsichtlich dessen, was der Beitrag der parlamentarischen Opposition sein kann gegenüber einer Regierung, die sich im Wahljahr völlig verantwortungslos benommen hat.
({0})
Daran müssen Sie doch denken, wenn Sie an solche Dinge erinnern und glauben, uns hier abstrafen zu können. Wir empfinden das so. Sie werden lange daran denken, meine Damen und Herren. Sie können mit uns nicht umgehen wie mit Schulbuben.
({1})
- Das Schreien heben Sie sich für Ihre eigenen Schwierigkeiten auf! Wir bleiben völlig kalt in dieser Situation.
({2})
Wir sind uns der Stunde völlig bewußt.
({3})
Wir fallen weder auf Wehleidigkeit noch auf Provokationen herein. Auf nichts fallen wir herein.
({4})
Ich will Ihnen sagen, daß es da 1965 eine Zeitschrift
„Politische Meinung" gab, herausgegeben mit der ausdrücklichen, durch Vorwort bekräftigten und durch faksimilierte Unterschrift sozusagen noch glaubwürdig gemachten Erklärung, daß der Bundeskanzler Erhard dies alles teile, mit Versprechungen, von denen man, wenn sie eine Opposition gemacht hätte, gesagt hätte: Na ja, weil sie Opposition ist.. Wollen Sie das vielleicht noch einmal vorgelesen haben, diesen Unfug, den Ihre Leute damals mit dem Signum des jetzt hier sitzenden - nein, soeben ist er weggegangen - Bundeskanzlers einer Minderheitsregierung in die Welt gesetzt haben, von der
35-Stunden-Woche, den 7,80 DM Stundenlohn und
was da sonst noch für ein Unfug gestanden hat?
({5})
Was ist denn das? Für wen halten Sie uns denn? Wir sind doch anständige Leute; wir waschen doch nicht anderer Leute Wäsche.
({6}) Zehn Tage vor der Wahl
({7})
- entschuldigen Sie, Geschrei macht mich doch nicht irre ({8})
hat unsere Seite sich bereit erklärt,
({9})
unsere Vorausschätzungen für die nächsten vier Jahre - ({10})
- Schreien Sie doch nicht so dumm; Sie können doch hier reden, Herr Leicht. Ich sage Ihnen noch einmal, daß wir zehn Tage vor der Wahl erklärt haben, daß wir unsere Vorausschätzungen und alles, was es an Kosten auf Grund unserer Absichten gibt, bereit sind den von der Regierung ernannten unparteiischen Sachverständigen einzureichen, wenn auch die CDU und wenn auch die Regierung das tut. Sie haben es nicht getan. Wir könnten diese damalige Vorausschätzung heute guten Gewissens veröffentlichen. Ich nehme an, wir werden es auch tun müssen, wenn Sie glauben, Sie könnten in diesen Dingen herumwühlen und Schlußfolgerungen daraus ziehen, die Ihnen passen.
({11})
Meine Damen und Herren, Sie werden Zeit haben, über diese Sachen nachzudenken, die Sie hier anrichten.
({12})
- Lachen Sie bitte nicht!
({13})
Der Bundesfinanzminister Ihrer Regierung, die kürzlich als Koalitionsregierung auseinandergebrochen ist und jetzt als Minderheitsregierung weiter figuriert, hat kürzlich einen Brief veröffentlicht, den er im Jahre 1965 geschrieben hat. Es ist eine seltsame Art, wie diese Koalition glaubt, Streitigkeiten untereinander in Ordnung bringen zu können, und wie man glaubt, den Leuten, die von all den Dingen und der Schwergewichtigkeit der Dinge gar keine wirkliche Ahnung haben können, beibringen zu können, daß das alles gar nicht so schlimm ist, wenn es Ihnen gerade so paßt, daß Sie das sagen. Ich muß sagen, ein Finanzminister - wer es auch immer gewesen sein konnte - hätte sich bei der Sachlage, wie sie damals vorlag, nicht damit begnügen dürfen, einen Brief zu schreiben und zum Bundeskanzler zu gehen oder den Brief abzuschicken. Er hätte damals gehen und sagen müssen: Herr Bundeskanzler, meine Ansichten über die finanzielle und die Haushaltslage sind die und die; ich fürchte, es geht nicht anders, als daß Sie von dem Mittel Gebrauch machen, das Sie allein in der Hand haben, nämlich von Art. 113; und wenn Sie davon nicht Gebrauch machen, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich schon einen Brief in meiner Tasche habe; das ist das einzige Mittel, das ich als Finanzminister habe, nämlich ich muß Ihnen meinen Rücktritt erklären, weil nur so gezeigt werden kann, daß es notwendig ist, die Notbremse zu ziehen. Das war die damalige Situation.
({14})
Das hätte er tun müssen.
({15})
- Ich spreche jetzt über Ihren Versuch, nicht über Ihren persönlichen. Ich greife ja gar niemand persönlich an. Ich spreche über den Versuch, daß Sie ein Tuch über einen Vorgang ziehen möchten, der ganz anders behandelt zu werden verdient, als Sie von ihm wegkommen zu können glauben. Da habe ich. entschuldigen Sie, meine Ansicht über die Pflicht, die der Finanzminister damals gehabt hätte, gesagt. Daß er seine Lage damals anders gesehen und anders aufgefaßt hat, ist seine Sache. Ich sage, was er meiner Ansicht nach hätte tun müssen. Insofern bin ich auch der Meinung, daß es nicht ausreicht, daß er dann ein Jahr und ein paar Monate später einen Brief veröffentlicht, den er damals geschrieben hat. Das war kein geeignetes Mittel und ist auch heute kein geeignetes Mittel. Der Bundeskanzler, von dem man ja Wunder gesagt hatte, ehe er antrat, und von dem man auch heute noch glaubt, man könne ihm sozusagen den völlig ehrenvollen Abschied geben, so daß alle die noch aufstehen müssen, die er in dieser Zeit gekränkt, verletzt, beleidigt hat - das möchten Sie doch -,
({16})
der Bundeskanzler hätte damals auch ohne diese Warnung - denn er ist ein Mann, der von der Wirtschaft und der Finanzwissenschaft einiges weiß, wie man uns immer erzählt hat - von sich aus die Notbremse ziehen müssen. Das haben beide nicht getan. Der eine hat es offenbar nicht verlangt, und der andere hat es nicht von sich aus getan.
Ich muß sagen, unter solchen Umständen dann hinzutreten und auf uns Eindruck machen zu wollen, indem Sie sagen: na also, Sie haben ja damals auch nicht davon Abstand genommen, Forderungen zu stellen!, obwohl wir unsere Aufassung heute guten Gewissens vortragen und auch vorlegen können, das ist ein untaugliches Mittel. Ich möchte Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, mit uns können Sie nicht ein Spiel treiben, wie Sie es bisher mit Koalitionspartnern getrieben haben.
({17})
Sie müssen den politischen Konkurs, den Sie erlitten haben, und seine Begleiterscheinnungen selbst verantworten.
({18})
Das haben wir hier am 8. November - ich sage Ihnen offen: schweren Herzens - gesagt; denn das ist genau das, woran unser Volk und unser Staat leiden, daß Sie sich so verhalten, wie Sie sich auch jetzt wieder zu verhalten versuchen.
({19})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Ausführungen, wie wir sie soeben gehört haben, sollte man in aller Ruhe und Sachlichkeit antworten; denn ich glaube, daß durch die Gegenüberstellung der Tatsachen die Klarheit gewonnen werden kann.
Verehrter Herr Kollege Wehner, ich habe Ihnen keine Zahlen vorenthalten. Ich habe damals in der Haushaltsdebatte gesagt, ich sähe mich nicht imstande, eine mittelfristige Planung vorzulegen, weil eine Durchrechnung der Ziffern durch mich selber noch nicht habe geleistet werden können; im übrigen würde ich die Zahlen vorlegen, um die vorbereiteten Arbeiten zu ermöglichen; ich wisse sehr wohl, daß die Durchführung nur einer neuen Bundesregierung überlassen werden könnte.
Meine Damen und Herren, eine mittelfristige Planung ist eine politische Absichtserklärung.
({0})
Wenn ich aber Material vorlege, um jedem die Möglichkeit zu geben, über Koalitionen zu verhandeln, dann muß ich mich dieser politischen Absichtserklärung enthalten. Sonst bin ich inkonsequent.
({1})
Meine Damen und Herren, weil das so ist, habe ich sofort, als Herr Kollege Schiller mich telefonisch darum gebeten hatte -- der Kollege Brandt hatte' mir die Bitte übermittelt -, die bekannten Ziffern zu Blöcken zusammengefaßt, damit man einen Einblick gewinnt und jeder aus seiner speziellen Erfahrung annähernd sagen kann, welche Manövrier-masse zur Verfügung steht. Darum ging es mir, und darum geht es mir auch noch heute. Mir in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, ich hätte Zahlen vorenthalten, halte ich zumindest nicht für ganz gerechtfertigt.
Nun zum zweiten Punkt. Man kann in der Tat darüber streiten, ob es richtiger gewesen wäre, daß die Bundesregierung 1965 vom Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht hätte. Darüber kann man streiten. Aber wenn man darüber streitet, darf man nicht übergehen, was tatsächlich getan worden ist. Ich rede nicht von den Anträgen usw. Darüber ist genug gesprochen worden. Ich habe Ihnen vorhin verlesen, daß die Bundesregierung im Zusammenhang mit diesen Beschlüssen ausdrücklich erklärt hat, daß sie von Art. 113 keinen Gebrauch mache, weil das zur totalen Außerkraftsetzung der Gesetze führen würde, daß sie aber darauf aufmerksam mache, daß sofort nach Wiederbeginn der Arbeit eine umfangreiche Durchforstung notwendig sei,
um den Haushaltsausgleich sicherzustellen. Meine Damen und Herren, das mag man als nicht ausreichend ansehen. Das verüble ich keinem. Aber man darf es doch nicht übergehen, wenn man den zeitlichen Ablauf der Dinge hier behandelt.
({2})
Herr Kollege Wehner, daß wir diese Formulierung von damals keineswegs nur so in den Wind gedacht haben, das beweist doch, daß wir sofort an ein Haushaltssicherungsgesetz herangegangen sind.
({3})
- Und vor der Wahl angekündigt! ({4})
- Vor der Wahl angekündigt, meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen die Daten genannt.
({5})
- Meine Damen und Herren, Sie mögen das überhört haben: im Bulletin am 15. Juli und 13. August veröffentlicht! Das habe ich Ihnen vorhin mitgeteilt.
({6})
Wenn Sie es nicht gelesen haben, dafür kann ich nicht. Aber es ist angekündigt worden. und der Wahrheitsbeweis für diese Dinge ist angetreten worden. Darauf kommt es doch im wesentlichen an.
Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei, daß es darauf ankommt, jetzt das Zahlenwerk durchzuarbeiten, damit sich jeder auf die politischen Entscheidungen vorbereiten kann, die keinem erspart bleiben.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Bevor ich auf die Rede des Kollegen Wehner mit wenigen Worten antworte, möchte ich im Namen der Bundestagsfraktion der CDU/CSU dem Kollegen Schmücker Dank sagen für schwere Arbeit, die er in kurzer Zeit solide, tapfer und tüchtig geleistet hat.
({0})
Sodann möchte ich darauf hinweisen, daß die Dinge, die mit der Vergangenheit zu tun haben, von dem Kollegen Althammer nicht deshalb vorgetragen worden sind, weil er dies gewünscht hätte oder es so präpariert gewesen wäre, sondern deshalb, weil dies nach dem Gang der Debatte und den Einlassungen der Opposition zu diesem Thema nötig war.
Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion der CDU/CSU scheut keine Debatte über die Vergangenheit.
({1})
A) Sie hält es allerdings für besser, die Kraft und den Blick den Gegenwartsproblemen und der Zukunft zuzuwenden.
({2})
Herr Kollege Wehner, Sie haben erneut von einigen Dingen der Vergangenheit gesprochen. Was dazu zu sagen war, hat der Kollege Althammer gesagt, und ich habe die Absicht, mich - im Gegensatz zu Ihnen - wirklich nicht provozieren zu lassen. Ich meine nämlich, daß durch Ihre Rede, Herr Kollege Wehner, keines der Probleme, die hier auf dem Tisch liegen, gelöst worden ist und daß auch durch diese Rede die Lösung keines der anstehenden Probleme sachlich gefördert worden ist.
({3})
Meine Damen und Herren, uns geht es in dieser Lage, in der wir am 8. November nach dem Zerbrechen der Koalition gesagt haben, was nottutund dazu stehen wir -, darum, eine parlamentarische Mehrheit zu finden, die rechtzeitig dafür sorgt, daß nicht - auch im Finanziellen - jene Entwicklungen eintreten, von deren Gefahren hier sehr deutlich gesprochen worden ist.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sind nicht hier, um recht zu haben, um recht zu behalten und um über Vergangenes rechthaberisch zu streiten. Wir sind hier, um das zu tun, was heute für morgen notwendig ist.
({5})
Wir sind dazu da, um - wenn wir rechtzeitig sehen, daß ein Weg oder eine Entwicklung gefahrvoll sein könnte, rechtzeitig und ohne Rücksicht auf dieses oder jenes, auch auf Prestigedenken - das Sachgerechte und Notwendige für unser Volk zu tun. Dazu sind wir bereit, meine Damen und Herren.
({6})
Wir wiederholen noch eine Feststellung, die am Beginn der Beratungen dieses ganzen Hauses ungefähr heute vor einem Jahr stand. Wir haben damals gesagt: Die Verantwortung aller in diesem Hause ist unabhängig von dem Grad der Beteiligung an der Bundesregierung.
({7})
Das wollen Sie doch nicht bestreiten, Herr Eschmann! Das können Sie doch gar nicht bestreiten! Sie denken doch anders! Sie denken doch auch an Ihre Verantwortung! Wir haben doch davon gesprochen, welche Verantwortung die Opposition und welche Verantwortung die Regierung hat, und jeder weiß, daß wir in Gesprächen offen nach allen Seiten - sind, um eine Mehrheit für eine stabile und dauerhafte Regierung und eine gute Politik zu bekommen,
({8})
und werden uns dadurch nicht stören lassen. - Ich
stelle zu meiner Freude fest, daß die Zurufe von links etwas mehr von hinten kommen.
Lassen Sie mich in der Sache noch etwas zu all den Zahlenwerken sagen, die den einen oder anderen so oder so beeinflussen mögen. Diese Zahlen sind Ausdruck einer Politik. Die Zahlen sind zu ändern durch Politik. Wir geben zu, es sind hier Probleme. Aber wenn jemand sagen sollte, hier seien Katastrophen, hier seien Konkurse oder hier sei die Notwendigkeit von Währungsreformen, sagen wir nein, meine Damen und Herren. Probleme: Ja! Katastrophen: Nein!
({9})
Hier sind Probleme, die mit klarer Mehrheit rechtzeitig lösbar sind. Die Zahlenwerke haben den Vorteil, daß Punkt für Punkt deutlich wird, wo was ist und wo was entstehen könnte, wenn wir nicht mit ausreichender Mehrheit rechtzeitig das Notwendige tun und sehen, wohin die Reise geht.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Fraktion der CDU/CSU haben für den Haushalt 1967 eine gesamte Vorlage, bestehend aus vielen Einzelheiten, gemacht, die, wenn sie in allen Teilen - und dies ist richtig verstanden worden -akzeptiert wird, 1967 einen ausgeglichenen Haushalt ohne Deckungslücke enthält. Wir laden alle Verantwortlichen dieses Hauses ein, durch rechtzeitiges Handeln, durch Hilfe dabei, daß wir rasch eine ausreichende Mehrheit für eine Bundesregierung bekommen, durch sachgerechtes Handeln daran mitzuwirken, daß die finanzielle Ordnung in unserem Lande bleibt, daß dies ein Ort der Stabilität bleibt. Dies ist die Voraussetzung für all die anderen Dinge in der Politik. Wir leisten dazu unseren Beitrag, indem wir das tun, was heute notwendig ist und was in diesem Jahr noch in Kraft gesetzt werden muß, wenn die Entwicklung gut bleiben soll.
({10})
Ich schließe die Aussprache. Der Entwurf des Nachtragshaushalts 1966 ist dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Besteht Einverständnis? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
- Drucksache V/505 -Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache V/1004 ({1})
Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Artzinger vor. Herr Abgeordneter Dr. Artzinger will seinen Bericht ergänzen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Faust-Zitat beginnen: „O daß die Fülle der Gesichte der trockne Schleier stören muß." Es ist leider meine Aufgabe, trocken zu schleichen.
Dr. Arzinger
Erlauben Sie mir ein paar kurze Bemerkungen zu meinem Bericht. Der Bundesrat und der mitberatende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen des Bundestages hatten die ersatzlose Streichung der Nummern 3 und 4 des Artikels 1 des Gesetzentwurfs beantragt. Der federführende Finanzausschuß ist bei seiner endgültigen Beschlußfassung diesen Voten nicht gefolgt. Der Grund dafür ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Ich halte es es aber für erwünscht, ihn mündlich nachzutragen.
Der Vertreter des Finanzministeriums hat im Ausschuß dargelegt, die bisherige überhöhte Begünstigung für Seeschiffe sei materiell nicht zu verteidigen; es sei damit zu rechnen, daß die EWG-Kommission den für solche Fälle gegebenen Rechtsweg einschlagen werde. Da das Bundesfinanzministerium zudem für die Zukunft eine günstigere Definition der vergünstigungsfähigen Werklieferungen im Rahmen von Großreparaturen in Aussicht stellen konnte, beschloß der Ausschuß gemäß der Regierungsvorlage.
Zum zweiten! In den Beratungen des Ausschusses sind einige Probleme offengeblieben, insbesondere die Frage gewisser österreichischer Lieferungen von Warmbreitband an deutsche Verarbeiter. Diese Lieferungen werden mit Genehmigung der Hohen Behörde in Luxemburg durch ein Zollkontingent begünstigt, weil sie auf langfristigen Liefer- und Abnahmeverträgen beruhen und teilweise auch zu einer Koordinierung der Investitionsvorhaben geführt haben. Der Ausschuß hat keine Möglichkeit gesehen, für diese Lieferungen eine Sonderregelung im Gesetz vorzusehen, weil die Umsatzausgleichsteuer nur von der Belastung der inländischen Erzeugung ausgehen kann. Ob sich in anderer Weise ein Ausgleich finden läßt, muß geprüft werden.
Zum dritten! In meinem Bericht muß in den Ausführungen Art. 1 Nr. 2 Buchstabe d) auf Seite 3 der letzte Satz gestrichen werden, der lautet: „Die Vorschrift soll zum 1. Januar 1967 in Kraft treten." Das setzt allerdings voraus, daß das Hohe Haus einer auf dem Umdruck 103 unter Ziffer 2 vorgeschlagenen Änderung zustimmt, in Art. 5 die Worte „Buchstaben b bis d" durch die Worte „Buchstaben b und c" zu ersetzen. Die Vorschrift des Buchstaben d soll nicht erst am 1. Januar 1967, sondern bereits am Tage nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten, weil es sich um eine notwendige deklaratorische Vorschrift handelt, die lediglich einen bereits jetzt vorhandenen Rechtszustand kodifiziert.
Zum vierten lassen Sie mich als Sprecher der Fraktionen der FDP und der CDU/CSU einen Satz zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 103 Ziffer 1 sagen. Es handelt sich um Positionen, die uns im Einvernehmen zwischen Bundeswirtschaftsund Bundesfinanzministerium nach Verabschiedung im Ausschuß nahegebracht worden sind. Wir haben uns bei dieser Siebzehnten Novelle ebenso wie bereits beim Zwölften Umsatzsteueränderungsgesetz an die Vorschläge der beteiligten Ministerien gehalten. Das geschieht auch mit diesem Umdruck.
Ich bitte das Hohe Haus, die Änderungsanträge auf Umdruck 103 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 103 vor, der soeben von dem Herrn Abgeordneten Dr. Artzinger begründet worden ist. Wird dazu noch das Wort gewünscht? -({0}) - Zur Abstimmung!
Ich bitte, über Ziffer 1 und Ziffer 2 getrennt abzustimmen.
Selbstverständlich. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 103 *) Ziffer 1 zur Änderung des Art. 1 Nr. 7. Wer zustimmt, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen die Stimmen der SPD angenommen.
({0})
- Darf ich bitten, zu wiederholen. Wer dagegen ist, gebe Zeichen. - Gegen einige Stimmen der SPD mit großer Stimmenmehrheit angenommen.
Ich rufe dann den Änderungsantrag des Abgeordneten Collet auf Umdruck 104 auf, der sich mit dem Änderungsantrag der Abgeordneten Becker, Leicht, Dr. Süsterhenn und Genossen auf Umdruck 105 deckt.
Zur Begründung seines Antrags hat das Wort Herr Abgeordneter Collet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst zwei Vorbemerkungen. Zunächst darf ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß die Kollegen Becker, Leicht, Dr. Süsterhenn und Genossen von der CDU einen im Wortlaut gleichen Antrag wie der bereits von mir gestellte eingereicht haben. Ich darf daraus doch wohl den Schluß ziehen, daß mein Antrag auch Ihre Unterstützung und Zustimmung finden wird.
In einer zweiten Vorbemerkung zu dem, was ich zur Begründung des Antrags zu sagen habe, darf ich auf folgendes hinweisen. Ich bin mir darüber klar, daß die Probleme, die im Bereich der Schuhindustrie auftreten, nicht allein auf dem Weg über die Erhöhung der Umsatzausgleichsteuer zu lösen sind. Ich bin aber der Meinung, daß so ein kleiner Teil dazu beigetragen werden kann, daß diese Probleme gelöst werden.
Bei der Beurteilung des Antrags sind drei Gesichtspunkte zu beachten; zunächst die kalkulatorische Situation in der Schuhindustrie der Bundesrepublik, zweitens, wie sich dieser Antrag bei einer Annahme auf die Verbraucher auswirkt, und drit-
*) Siehe Anlage 2
tens die Situation für die Arbeitnehmer und ihre Familien im Bereich der Schuhindustrie.
Zu Punkt 1. Am 4. März, am 10. März und am 14. April hat der Verband der Schuhindustrie Eingaben an den Herrn Bundesminister der Finanzen und an den Herrn Bundeswirtschaftsminister gemacht und gebeten, die Umsatzausgleichsteuer für die Tarifnummer 6402 von 6 % auf 8 % anzuheben. Schon im Jahre 1964 war von den Ministern anerkannt worden, daß die Vorbelastung bei Schuhen mehr als 8 % betrug. Die Vorbelastungen sind im Juli dieses Jahres neu berechnet worden, um nachzuprüfen, ob bei den veränderten Verhältnissen die Vorbelastungen noch die gleichen sind. Aus diesen Berechnungen bei insgesamt 13 typischen Artikeln wurde wiederum eine Belastung von mehr als 8 %, nämlich 9,66 %, festgestellt.
Mit den Herren Wirtschaftsministern von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern wurde im Sommer dieses Jahres gesprochen. Sämtliche Herren haben erklärt, sie würden für eine Anhebung der Ausgleichsteuer bei Schuhen auf 8 % eintreten. Insbesondere gilt dies auch für Herrn Wirtschaftsminister Leuze von Baden-Württemberg, der im Jahre 1964 noch gegen eine Anhebung gestimmt hatte. Am 14. Oktober fand eine Besprechung bei Herrn Ministerpräsident Altmeier ({0}) statt, der sich bei der derzeitigen Lage der Schuhindustrie ebenfalls ganz entschieden für eine Anhebung auf 8 % aussprach.
Die Schuhindustrie begründet ihren Antrag mit dem starken Anstieg der Einfuhren aus der EWG und aus asiatischen Niedrigpreisländern. Vom Januar bis zum September sind die Schuheinfuhren um 21 % angestiegen. Besonders gravierend ist, daß auch die Lederschuheinfuhr um 26% gestiegen ist. Die Schuheinfuhr belief sich im ersten Halbjahr 1966 auf 38,6 % der Inlandsproduktion. Es besteht die Befürchtung, daß dieser Prozentsatz noch weiter anwächst, nicht nur im zweiten Halbjahr 1966, sondern auch im Jahre 1967. Da eine Erhöhung des Verbrauchs nur in geringem Umfange wahrscheinlich ist, weil der Verbrauch an sich schon hoch ist, muß damit gerechnet werden, daß die Produktion von Lederschuhen im Jahre 1967 auf rund 100 Millionen Paar zurückgeht. Es steht fest, daß die Aufträge für Frühjahr und Sommer 1967 im Durchschnitt um mindestens 15 % unter denen dieses Jahres liegen.
Hinzukommt, daß die Schuhfabrikanten mit ihrer Frühjahrsproduktion schon .im Oktober beginnen mußten, währen sie bisher erst im Dezember damit begonnen hatten.
Dieser Rückschlag der Produktion gegenüber 1965, der etwa 17 % betragen wird, ist auf den starken Anstieg der Einfuhren zurückzuführen, während die Ausfuhr stagniert, weil in den traditionellen Abnehmerländern der EFTA die hohen Außenzölle die Einfuhr nach diesen Ländern behindern.
In den letzten zwei Jahren haben über 40 mittlere und kleinere Schuhfabriken ihre Produktion einstellen müssen. Es ist zu befürchten, daß die mehrfache Zahl von Firmen ebenfalls in eine solche
Situation kommt, "wenn die Einfuhren so weiter wachsen.
Herr Abgeordneter Collet, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) ?
Bitte!
Herr Kollege, gestatten Sie folgende Zwischenfrage. Sind Sie sich darüber im klaren, daß die Umsatzausgleichsteuer keine Schutzzollfunktion hat, sondern die bei der Einfuhr entstandene Vorbelastung wegnehmen soll? Sind Sie in der Lage, uns Gründe anzugeben, die diese Umsatzausgleichsteuerbelastung als zu hoch bzw. als zu niedrig erscheinen lassen?
Herr Kollege, wenn Sie von Anfang an zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, daß ich einleitend von der Vorbelastung und ihrer Höhe gesprochen habe und daß ich Ihnen die Zahlen dazu
({0})
- sie sind beim Statistischen Bundesamt festzustellen - ebenfalls vorgetragen habe.
({1})
Ich nehme an, Sie haben das am Anfang nicht gehört.
Es steht fest, daß der Rückschlag gegenüber 1965, wie vorhin schon gesagt, etwa 17 % betragen wird.
Wenn wir nun von der gegebenen Situation ausgehen, daß andere Firmen ebenfalls betroffen werden können, dann müssen wir berücksichtigen, daß vor allen Dingen im Raum Pirmasens - die Verhältnisse dort kenne ich besonders gut - eine schwierige Situation eintreten wird.
Nun zum zweiten Punkt, der Situation für den Verbraucher. Es wird in Diskussionen immer wieder gesagt: „Der Verbraucher hat keine Vorteile aus der EWG" hier dreht es sich natürlich auch um Einfuhren aus Ländern außerhalb der EWG -, „wenn man durch andere Maßnahmen diese Vorteile wieder aufhebt." Dazu ist folgendes festzustellen. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen aus Ihren Erfahrungen beim Schuheinkauf, daß es Preisgruppen von 29,50 DM, 31,50 DM, 33,50 DM, 35,50 DM usw. gibt; also Zweimarkspannen. Die Erhöhung um 1% bedeutet, vom Abgabepreis des Produzenten an den Händler von 15 oder 20 DM her gesehen, 15 bzw. 20 Pfennig. Der Händler wird sicher nicht Preise von 29,65 oder 31,65 DM festlegen, um die 15 Pfennig abzufangen. Hier geht es also um die Produzenten und die Beschäftigten dort und zum anderen auch um unser Steueraufkommen ohne Nachteil für den Verbraucher. Sie sollten dabei eines wissen: daß der Handel im Durchschnitt auf Importschuhe 60 bis 65 % und auf die Inlandsproduktion 40 bis 50 % draufschlägt.
Wenn ich zum dritten und letzten Punkt noch einige Bemerkungen machen darf: In Pirmasens, wo ich die Verhältnisse besonders gut kenne, lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Schuhindustrie, und etwa ein Drittel der bundesdeutschen Schuhproduktion liegt dort. Die Verhältnisse, die dort jetzt eingetreten sind, sind sicherlich nicht mit denen im Ruhrgebiet zu vergleichen, weil es sich hier um kleinere Zahlen handelt; aber sie sind in kleinerem Rahmen mit ihnen artverwandt. Wir haben erstmalig seit vielen Jahren im Herbst Kurzarbeit, und zwar zur Zeit in 55 Betrieben mit 3500 Beschäftigten. Wir haben erstmalig seit vielen Jahren in dieser Jahreszeit in der Schuhindustrie Arbeitslose. Am 18. November waren es 700 allein bei einem Arbeitsamt.
Ich darf Sie abschließend unter Einbeziehung dessen, was über die Auswirkungen der Umsatzausgleichsteuer gesagt wurde, ebenso herzlich wie dringend bitten, da kein Nachteil für die Verbraucher entsteht, dem Antrage zuzustimmen.
({2})
Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 105 hat das Wort der Herr Abgeordnete Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige kurze Bemerkungen zu dem Antrag auf Umdruck 105.
Die deutsche Schuhindustrie steht schon seit Jahren unter einem Importdruck aus bestimmten Ländern, der ihr schwer zu schaffen macht. Der Antrag ist eingebracht worden, um der Schuhwirtschaft wenigstens eine kleine Hilfe zu geben. Die Schwierigkeit des Importdrucks ist insbesondere - und da möchte ich Herrn Kollegen Schmidt auf seine Zwischenfrage antworten - durch die gravierende Ungleichheit bei der Vorbelastung entstanden. Die Schuhwirtschaft hat ausgerechnet - und das ist im Bundeswirtschaftsministerium vorgetragen worden -, daß die Vorbelastung für Inlandsschuhe um 8,2 bis 9,57 % höher liegt als bei Importschuhen. Diese Zahlen sind vom Bundeswirtschaftsministerium auch nicht bestritten worden. Ich will Ihnen nur sagen: Im Jahre 1966 wird die Schuheinfuhr etwa 40 Millionen Paar betragen und damit etwa 33 % der deutschen Schuhproduktion ausmachen. Im Jahr 1965 waren es erst 22 %. Wenn sich die Einfuhr weiter so erhöht, werden wir im kommenden Jahr mit einem Anteil von 50 % rechnen müssen.
Meine Damen und Herren, ich brauche auf die besondere Situation in den Importländern, auf die unterschiedlichen Lohn- und sonstigen Kosten, hier nicht einzugehen. Hinzu kommt, daß in den letzten Monaten ein verstärkter Druck aus den Ostblockländern, aus Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, eingetreten ist. Wir möchten nichts anderes, als daß mit der Annahme dieses Antrages einigermaßen eine Gleichheit in der Vorbelastung hergestellt wird. Selbst wenn Sie unserem Antrag folgen, von 7 % auf 8 % hinaufzugehen, bleibt immer noch ein Rückstand von etwa 1 % zu Lasten der deutschen Schuhwirtschaft.
({0})
Ich möchte Sie deshalb herzlich bitten, diesem unserem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen. Auch ich darf unterstreichen: Der Antrag kostet den deutschen Verbraucher und den deutschen Steuerzahler nichts. Im Gegenteil, er wird noch für den Bundeshaushalt eine Einnahme bringen, die zwischen 4,2 und 5 Millionen DM liegt.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete van Delden.
van Delden ({0}) : Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl ich mit der Lederindustrie verwandt und verschwägert bin, muß ich zu meinem Bedauern sagen, daß ich den Worten meiner Herren Vorredner nicht zustimmen kann. Ich erinnere an die Debatte vor zwei oder drei Jahren, in der wir das gleiche Problem hatten. Wir haben mehr als ein halbes Jahr über die Positionen, die wir anheben können oder nicht anheben können, gesprochen. Wir haben uns alle nur schwer dazu entschlossen, einige wenige Positionen anzuheben.
Ich darf Ihnen sagen, meine verehrten Herren Vorredner, daß das Argument der Einfuhr allein kein Kriterium ist. Es gibt Positionen, beispielsweise bei Textilien, bei denen wir eine Einfuhr haben, die bis an 100 % heranreicht, und trotzdem keine Erhöhungen vorgenommen worden sind.
Wenn wir dem vorliegenden Antrag zustimmten, würde das nach dem Prinzip der Gerechtigkeit eine Lawine auslösen. Denn was dem einen hiernach zusteht, steht dem anderen genauso zu. Ich bitte Sie daher, aus diesen Gründen beide Anträge abzulehnen.
Auch zu einer Überweisung an den Ausschuß möchte ich nicht raten; denn dadurch würde mit Sicherheit die gesamte Siebzehnte Novelle wieder aufgerollt werden, und das Wirksamwerden der gesamten auf diesem Sektor geleisteten Arbeit würde weiter hinausgezögert werden.
({1})
Frau Kurlbaum-Beyer hat sich noch zu Wort gemeldet. Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Debatte macht es notwendig, einige kurze Ausführungen zu machen.
Die Siebzehnte Novelle hatte in ihrer ursprünglichen Fassung überhaupt keine materielle Bedeutung. Sie ist vom Ausschuß in ihrer Gesamtheit angenommen worden. Schwierigkeiten ergaben sich in dem Augenblick, als die Anlage eingebracht wurde, die eine Erhöhung der Umsatzausgleich-
steuersätze für den Bereich der Stahl-, der Textil-und einen Teil der Lederindustrie vorsieht.
Hier geht es einfach um zwei Gesichtspunkte. Einmal geht es um die wirtschaftliche Situation in einigen Industriezweigen. Insoweit ist vor allem die Beschäftigungslage der Ausgangspunkt für die Anlage im Rahmen der Siebzehnten Novelle. Auf der anderen Seite dürfen wir aber nicht vergessen, daß mit der Erhöhung der Umsatzausgleichsteuersätze die Gefahr von Preiserhöhungen verbunden ist, und diese Gefahr veranlaßt zumindest eine Anzahl meiner Kollegen, dem Anhang der Novelle, der die Umsatzausgleichsteuersätze betrifft, ihre Zustimmung zu versagen. Es gibt jetzt also bei der sozialdemokratischen Fraktion eine unterschiedliche Abstimmung: diejenigen, die der wirtschaftlichen Seite den Vorrang geben, werden dem Antrag ihre Zustimmung geben, diejenigen, die die verbraucherpolitische Seite sehen, werden den Antrag ablehnen. Das wollte ich im Hinblick auf den zuletzt eingebrachten Antrag noch einmal zum Ausdruck bringen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge auf den Umdrucken 104 *) und 105 **), die ich gleichzeitig zur Abstimmung stelle. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Welcher Meinung ist der Sitzungsvorstand? - Es besteht Einmütigkeit, das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Art. 1 als ganzen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
({0})
Ich rufe Art. 2 auf. Wortmeldungen und Änderungsanträge liegen nicht vor. Das gleiche gilt für Art. 3 und Art. 4. Wer Art. 2, Art. 3 und Art. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich?
- Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu Art. 5. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag auf Umdruck 103 Ziffer 2 vor. - Wird das Wort zur Begründung begehrt?
({1})
- Er ist begründet worden. - Ich frage, ob sonst das Wort gewünscht wird? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 103 Ziffer 2 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr stelle ich den Art. 5 als Ganzes zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Hand*) Siehe Anlage 3
**) Siehe Anlage 4
zeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich?
- Angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich stelle das Gesetz als Ganzes nach Maßgabe der Beschlüsse der zweiten Beratung zur Abstimmung. Besteht damit Einverständnis? - Widerspruch erhebt sich nicht. Ich stelle also das Gesetz als Ganzes
- mit Einleitung und Überschrift - zur Abstimmung. Wer in dritter Lesung dafür ist, der erhebe sich. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Nun kommen wir zum Tagesordnungspunkt 4:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes ({2})
- Drucksache V/680 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({3})
- Drucksache V/1047 Berichterstatter: Abgeordneter Geldner ({4})
Wünscht der Abgeordneter Geldner das. Wort zur Berichterstattung? - Herr Geldner wünscht das Wort nicht zur Berichterstattung, sondern zur Aussprache. - Herr Abgeordneter Geldner, bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Um unsere nachfolgende Abstimmung zu verdeutlichen, darf ich zu dieser Gesetzesvorlage einige Ausführungen machen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes soll einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden. Ich möchte für die Fraktion der Freien Demokraten darauf hinweisen, daß wir über die Form, in der diesem Urteil entsprochen werden soll, nicht sehr glücklich sind. Das Bundesverfassungsgericht hat eine freiwillige Versicherungsmöglichkeit für mitarbeitende Ehegatten gefordert. Unter Berücksichtigung des derzeit geltenden Rentenversicherungsrechtes wäre nach unserer Auffassung dem Urteil am zweckmäßigsten durch eine Befreiungsmöglichkeit für den mitarbeitenden Ehegatten entsprochen worden. Dies hätte auch dem besonderen Charakter eines entgeltlichen Arbeitsverhältnisses zwischen den Ehegatten sinnvoll Rechnung getragen. Ein entsprechender Antrag der Freien Demokraten im Sozialpolitischen Ausschuß ist, wie Sie aus dem Schriftlichen Bericht entnehmen können, abgelehnt worden. Wir bedauern das sehr.
Mit der jetzt vorliegenden Fassung bleibt die volle Entscheidungsfreiheit nur denjenigen Ehegatten, die ein entgeltliches Arbeitsverhältnis untereinander eingehen wollen, vorbehalten, soweit sie ein Entgelt von monatlich 1800 DM und mehr vereinbaren können.
Wir erkennen an, daß für alle bestehenden ent- geltlichen Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten ein guter Kompromiß insoweit gefunden wurde, alsdiesen eine Befreiungsmöglichkeit bis zum 31. Dezember 1969 eingeräumt wird.
Darüber hinaus ist es nunmehr Aufgabe insbesondere des Handwerks, des Bundesverbands der freien Berufe und der Mitgliederorganisationen des Einzelhandels und anderer Branchen, bei denen die volle Mitarbeit des Ehegatten charakteristisch ist, darauf hinzuweisen, daß diese Befreiungsmöglichkeit auch für alle entgeltlichen Arbeitsverhältnisse noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres möglich ist. Die Betreffenden sollten sich daher überlegen, ob im Interesse der Anerkennung der Mitarbeit des Ehegatten wie auch im Interesse der gemeinsamen beruflichen Existenz solche Arbeitsverhältnisse für die Zukunft zweckmäßig sind.
Aus unserer grundsätzlichen Einstellung heraus ist uns eine Zustimmung zu einer allgemeinen Versicherungspflicht, d. h. zu Art. 1, nicht möglich, weil insbesondere das Verfassungsgericht die Schaffung einer freiwilligen Versicherungsmöglichkeit für ausreichend gehalten hat. Wir werden jedoch dem gesamten Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht versagen, um dem Urteil des Verfassungsgerichts Rechnung zu tragen.
({0})
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es liegen auch keine Änderungsanträge vor. Ich schließe damit die Beratung und komme zur Abstimmung in zweiter Lesung.
Es liegt Ihnen die Zusammenstellung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes auf Drucksache V/680 mit den Beschlüssen des Ausschusses für Sozialpolitik vor. Da keine Änderungsanträge gestellt sind, darf ich vorschlagen, daß wir das Gesetz als Ganzes mit Einleitung und Überschrift zur Abstimmung stellen. Es erhebt sich kein Widerspruch. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Keine Gegenstimme. Wer enthält sich? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe dasselbe Gesetz in gleicher Form auf zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz als Ganzem mit Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Einstimmig angenommen.
Die Behandlung von Punkt 5 der Tagesordnung ist durch Beschluß des Ältestenrates auf Freitag verschoben.
Ich rufe nunmehr Punkt 6 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Höhne, Marx ({0}), Seidel, Folger, Dr.
Müller ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Anlage A der Handwerksordnung
- Drucksache V/1030 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? -Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Folger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine sehr geehrten Herren! Während der Beratung eines interfraktionellen Gesetzentwurfs zur Änderung der Handwerksordnung im damaligen Mittelstandsausschuß ist eine Änderung der Anlage A der Handwerksordnung beschlossen worden. Die Anlage A ist das Verzeichnis der Gewerbe, die als Handwerk betrieben werden können. So ist das Gesetz dann auch am 9. September 1965 verkündet worden.
Der Mittelstandsausschuß hat es damit begründet, daß es sich um mundartliche Berufsbezeichnungen handle, daß die zwölf Jahre Gültigkeit der Handwerksordnung zu einer entsprechenden Klarstellung der Handwerkerbezeichnungen genügt hätten, und daß zur Entwicklung eines Gemeinsamen Marktes der Wegfall dieser sogenannten mundartlichen Bezeichnungen wünschenswert sei. Man könne der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft solche doppelten und dreifachen Bezeichnungen nicht anbieten.
Wegen dieses Beschlusses des Bundestages, die alten Handwerkerbezeichnungen wegfallen zu lassen, ist nicht nur bei den betroffenen Handwerkern, sondern bei einem großen Teil der Öffentlichkeit in Süddeutschland eine Aufregung entstanden; man kann fast sagen: es ist eine Rebellion entstanden.
({0})
Auf einmal soll es keine Schreiner, keine Spengler, keine Metzger, keine Tapezierer, keine Dekorateure usw. mehr geben. Da findet man in den Zeitungsartikeln und in den Leserbriefen Charakterisierungen wie: dumm, überflüssig, bösartig, borniert, Einheitsbrei, geist- und seelenlose Gleichmacherei, anmaßend, Kommerzjargon, Sprachhegemonie, Bevormundung, Abbau der föderalistischen Freizügigkeit, kommandierter Zungenschlag kleindeutscher Gepflogenheit, Holzköpfe, widernatürlich, Vermassung, Nivellierung, Unsinn, Verödungspolitiker, provinzlerische Arroganz. Wer es nicht glaubt, dem stelle ich meine Unterlagen zur Verfügung.
({1})
Alle diese Ausdrücke stammen aus Veröffentlichungen.
({2})
Von „schildbürgerlicher Bonner Logik" ist noch gesprochen worden und von vielem anderem mehr. Alle diese Vorwürfe sind seitdem nicht verstummt. Das geht auch einem sonst recht abgebrühten und dickfelligen Abgeordneten unter die Haut. Wir fürchten, daß wir in Zukunft nicht mehr „Grüß Gott" oder „Tschüß" sagen dürfen, sondern „Guten Tag" sagen müssen,
({3})
daß wir nicht mehr „Samstag" sagen dürfen, sondern „Sonnabend" sagen müssen, daß sich der bayerische Schriftsteller Karl Spengler nicht mehr „Spengler" nennen darf, sondern „Karl Klempner" heißen muß,
({4})
oder die Firma Haeberlein-Metzger AG in Zukunft „ Haeberlein-Fleischer AG" heißen sollte.
({5})
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage meines Kollegen Fritsch und auf eine mündliche Anfrage meines Fraktionskollegen Martin Hirsch auch darauf hingewiesen, daß es sich um mundartliche Bezeichnungen handele. Er hat davon gesprochen, daß der, Verlust landsmannschaftlicher Eigenarten im Interesse der Einheitlichkeit hingenommen werden müsse. Wir Antragsteller möchten dem Herrn Bundeswirtschaftsminister sagen, daß wir nicht bereit sind, einen solchen Verlust hinzunehmen. In der gleichen Auskunft hat der Herr Bundeswirtschaftsminister auch noch davon gesprochen, daß es den Handwerkern unbenommen bleibe, sich wie bisher zu bezeichnen; nur im behördlichen Verkehr könnten die Ausdrücke nicht mehr gebraucht werden. Ich finde, das ist glatt eine Täuschung; denn die Handwerkerbezeichnungen werden ja hauptsächlich im Verkehr mit Behörden gebraucht. Die Innungen dürfen z. B. nicht mehr in die Zeugnisse, Gesellen-und Meisterbriefe die alten Handwerksbezeichnungen hineinschreiben, sondern müssen die neuen Bezeichnungen verwenden,
({6})
weil es die alten behördlichen einfach nicht mehr gibt.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es sich nicht um mundartliche Bezeichnungen handelt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist ebenso wie der damalige Mittelstandsausschuß insofern einem Irrtum, ich möchte fast sagen: einem Leichtsinn unterlegen. Es handelt sich um Ausdrücke aus dem Althochdeutschen. Sie sind auch von althochdeutschen Ausdrücken, wie z. B. „Schrein", „Schaff", „Spange" und anderen, abgeleitet. Mundartlich wäre es, wenn z. B. verlangt würde, daß das Wort „Hemd" mit dem altbayerischen Ausdruck „Pfoad" begleitet sein müßte und das auch im amtlichen Sprachgebrauch benutzt werden könnte oder müßte. Es gibt nicht nur in der deutschen Sprache, sondern in allen Sprachen für dieselbe Sache häufig verschiedene Bezeichnungen. Das macht den Reichtum einer Sprache aus, das macht ihre Farbigkeit aus, und vor allem gibt das die Möglichkeit zu feinen Differenzierungen. In der Jägersprache z. B. gibt es für die gleiche Sache die Wörter „Schwanz", „Rute", „Blume", „Lunte".
({7})
Ich wäre neugierig, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister auch den Verlust dieser Eigenheit hinnehmen möchte, da es Jäger geben soll, die manchmal über die deutsche Sprachgrenze hinauskommen.
Wir müssen uns auch fragen: Warum eigentlich ist für zwischenstaatliche Vereinbarungen und für
die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes festgelegt worden, daß nur die vorwiegend in Norddeutschland gebräuchlichen Ausdrücke geeignet sind? Warum ist man eigentlich nicht auf den Gedanken gekommen, die gestrichenen Ausdrücke zu verwenden und die norddeutschen Ausdrücke herauszustreichen? Das wäre genauso gut möglich gewesen. Und warum kommt man eigentlich nicht auf den Gedanken, wenn es schon um die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes und der EWG geht, die deutsche Sprache überhaupt abzuschaffen und durch eine andere Sprache zu ersetzen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Vorschlag des Ältestenrats, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zu überweisen, zuzustimmen.
({8})
Ich eröffne die Beratung. - Das Wort hat der Abgeordnete Schulhoff.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Gestern habe ich in der Fraktion meinen bayerischen Freunden versprochen, nichts Böses gegen die Bayern zu sagen. Nur aus diesem Grunde versuche ich jetzt, zu diesem Antrag sachlich Stellung zu nehmen. Sie haben gehört, es geht um die Wiedereinführung einiger mundartlicher Bezeichnungen für handwerkliche Berufe in der Handwerksordnung. Ich darf aber gleich darauf aufmerksam machen, daß es nicht Handwerker sind, die das verlangen, sondern Kollegen, die vielleicht mit Handwerkern bekannt sind, und daß dieser Antrag jetzt, nach Abschluß der Landtagswahlen, womöglich nicht mehr aktuell ist. Er hat an Interesse verloren. Jetzt bekommen Sie keine einzige Stimme mehr dadurch.
({0})
Sie hätten dadurch wahrscheinlich auch keine Stimme mehr bekommen.
Aber ich will das Thema, das zur Heiterkeit der Anwesenden beigetragen hat, in aller Freundschaft abhandeln. Eigentlich möchte ich dazu sagen, es ist schwierig, darüber keine Satire zu schreiben.
Meine Damen und Herren, die Handwerksordnung ist im Jahre 1965 novelliert worden, nachdem sie zwölf Jahre vorher verabschiedet worden war. Wir - ich meine ,das Handwerk - haben also zwölf Jahre gewartet, bis wir an eine Novelle gedacht haben, obwohl sich im Laufe dieser zwölf Jahre wiederholt Fehlerquellen gezeigt haben, die man damals, im Jahre 1953, nicht vorhersehen konnte. Wir haben gemeint, wenn man ein Gesetz verabschiedet, kann man es nicht am nächsten Tag wieder und dann noch aus geringem Anlaß - novellieren. Die Abgeordneten aller Fraktionen, die an der Vorbereitung dieses Gesetzes mitwirkten, waren sich damals einig, daß man versuchen sollte, eine möglichst klare, einfache und moderne Rege3452
lung für die handwerkliche Berufsordnung zu finden. Dazu gehörte natürlich auch, daß man das sehr unübersichtliche Verzeichnis der handwerklichen Berufe, die sogenannte Positivliste, straffte und in den Bezeichnungen vereinfachte. Wir haben daher auch die zahlreichen mundartlichen Bezeichnungen - norddeutsche und süddeutsche, Herr Kollege - in dem Gesetzestext nicht mehr ausdrücklich aufgeführt. Die Gründe hierfür sind in dem vom Kollegen Lange - der jetzt leider nicht mehr hier ist - und mir abgefaßten Bericht zu Drucksache IV/4361 ausführlich angegeben. Es heißt dort unter anderem:
Der Ausschuß hat es für unmöglich gehalten, in der Bundesrepublik für ein und denselben Beruf und die damit begründete Tätigkeit mehrere Bezeichnungen zu haben und diese der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzubieten."
Diese ,gesetzlich klare Regelung aber schließt nicht aus, daß ein Handwerker sich auch in Zukunft der regional üblichen und allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen seines Berufs bedient. Selbstverständsich kann sich jeder Schornsteinfeger in Bayern auch weiterhin „Kaminkehrer" und jeder Tischler „Schreiner" nennen. Durch die Handwerksordnung wird ihm hierin keinerlei Beschränkung auferlegt. Das ist auch durch den Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 20. Juli 1966, der an die Handwerkskammern und an die Regierung gerichtet ist, in der Öffentlichkeit ausdrücklich klargestellt. Es heißt indiesem Erlaß im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Kollege, gesagt haben, es bestünden keine Bedenken dagegen, die althergebrachten Bezeichnungen, die sich mit dem Begriffsinhalt ,der in der Anlage A verwendeten Bezeichnungen völlig decken, auch im amtlichen Verkehr - Herr Kollege, hören Sie bitte zu, ich habe auch Ihnen zugehört - weiter zu verwenden. Die Behauptung des Kollegen, daß das nicht möglich sei, ist hiermit also richtiggestellt. Der Bundesminister für Wirtschaft - das haben Sie bereits erwähnt - hat den gleichen Standpunkt eingenommen, auch der Deutsche Handwerkskammertag.
Dazu darf ich noch sagen, daß wir in unserer Organisation, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem ich als Vizepräsident angehöre, zwei bayerische Präsidenten haben, und zwar den Präsidenten .des Zentralverbandes, Herrn Wild, und den bisherigen Präsidenten des Deutschen Handwerkskammertages, Herrn Hockelmann. Beide haben in keiner Weise solche Wünsche geäußert wie Sie. Ich sagte ja bereits, der Wunsch kommt nicht vom Handwerk, sondern von Nichthandwerkern. Es besteht bei dieser Sachlage -
Herr Kollege Schulhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch, bitte?
Ja, bitte, selbstverständlich.
Herr Kollege Schulhoff, ich finde Ihre Ausführungen außerordentlich lehrreich. Darf ich aber trotzdem fragen, wo eigentlich steht, was eine hochsprachliche und was eine mundartliche Bezeichnung ist? Wo haben Sie denn kundgemacht, das zu unterscheiden, was die Hochsprache und die Mundart vorschreiben? Oder ist Ihnen nicht bekannt, daß alle handwerklichen Bezeichnungen mundartliche Bezeichnungen sind und Sie jedenfalls nur der Meinung sind, es sei Hochsprache, weil Sie sie gerade sprechen?
Aber das ist doch allgemein bekannt. Ich verstehe die Frage gar nicht.
({0})
- Hafner z. B. ist eine mundartliche Bezeichnung, und zwar ist das eine Untergruppe des Keramikerhandwerks. Aber nun meine Frage. Was ist ein Häfner? Wissen Sie das?
({1})
- Das weiß man nur in Bayern. Aber Sie sind ja Journalist, Sie wissen alles, das weiß ich.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege, da Sie gesagt haben, der Antrag komme von Nichthandwerkern: Ist Ihnen bekannt, daß von den Unterzeichnern dieses Antragges zehn ein Handwerk gelernt haben?
Ja, dann üben sie es aber womöglich schon lange nicht mehr aus.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Ich glaube, daß alle diejenigen, die das Gesetz gemacht haben - ich glaube, selbst so mancher Handwerksinnungsfunktionär - ihr Handwerk nicht mehr ausüben. Glauben Sie, daß man deswegen kein Handwerker mehr ist, weil man es zur Zeit nicht mehr zum Brötchenverdienen ausübt?
Ach, sehen Sie einmal, da muß ich immer an Adolf Hitler denken, der war Maler und Anstreicher und beschloß eines Tages, Politiker zu werden.
({0}) - Ich bitte um Entschuldigung!
Ich glaube, Herr Kollege, daß der Vergleich unpassend ist. Ich muß diesen Vergleich zurückweisen.
Also, ich nehme das, was ich eben gesagt habe, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.
Aber, Herr Kollege, Sie werden mir recht geben, daß jeder Mensch, der seinen Beruf wechselt, doch damit zum Ausdruck bringen will, daß er an dem Beruf nicht mehr hängt; sonst würde er ihn doch weiter ausüben.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Also, Herr Kollege, ich muß mich gegen diese Argumentation wehren. Es gibt Leute, die Berufe erlernt haben, die als Handwerker begonnen und sich eine Ausbildung erarbeitet haben.
Sie müssen eine Frage stellen, Herr Kollege.
Ja, schön. Sie brauchen dazu das handwerkliche Fundament, und meinen Sie, daß das deshalb ein unehrenhaftes Verlassen ihres erlernten Handwerks ist?
Von „unehrenhaft" habe ich doch überhaupt nicht gesprochen. Es ist doch nicht unehrenhaft, einen Beruf zu wechseln. Nur ist die Frage die, ob man, wenn man schon sehr lange nicht mehr in dem Beruf tätig ist, noch weiß, was in diesem Beruf verlangt wird und was nicht. Das ist doch etwas ganz anderes. Darf ich jetzt fortfahren?
({0})
- Ich wäre schon längst fertig.
({1})
- Was kann ich denn dafür, wenn Sie fragen?
Es besteht bei dieser Sachlage überhaupt kein Bedürfnis für eine Änderung des Gesetzes. Die sogenannten traditionsbewußten Handwerkskreise - ich bin auch traditionsbewußt, ich bin Sohn eines Handwerkers und habe die Tradition fortgesetzt, wenn ich vielleicht auch anders aussehe - sind in keiner Weise gehindert, an den althergebrachten Berufsbezeichnungen festzuhalten. Darum ging es Ihnen ja, daß man nach wie vor in Bayern diese alten gebräuchlichen Berufsbezeichnungen - ({2})
- Ja, hören Sie mal, Sie haben hier noch die BerlinKlausel verlangt! Wollen Sie denn unbedingt, daß man in Berlin die bayerischen Berufsbezeichnungen verwendet? Das ist doch wohl eine Übertreibung. Aber machen Sie es, wie Sie es wollen.
Neben der Wiedereinführung der mundartlichen Bezeichnungen wird, vielleicht unbeabsichtigt, versucht, das Verzeichnis der handwerklichen Berufe sachlich zu ändern, und zwar z. B. durch die Einführung der Worte „Pflasterer", „Hafner" sowie „Polsterer, Dekorateure, Tapezierer". Auf ausdrücklichen Wunsch dieser Berufe haben diese Handwerker umfassendere neue Bezeichnungen erhalten, um den Berufsinhalt klarer anzusprechen und das inzwischen eingetretene Schwergewicht der wirtschaftlichen Entwicklung zu verdeutlichen. Der Berufsstand ist dankbar dafür, daß wir diese Ausdrücke gewählt haben. Hier schreibt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes - das ist der größte und maßgebendste Verband - an den Deutschen Handwerkskammertag:
Sehr geehrte Herren!
Wir möchten der Ordnung halber betonen, daß wir bezüglich der gesetzlichen Namensgebung für das Straßenbauhandwerk an der Ihnen bekannten Meinung festhalten und die Beifügung des Wortes „Pflasterer" weiterhin ablehnen.
Pflasterer - das ist ein „Ministraßenbauer"; das
wird Ihnen auch als Nichthandwerkern bekannt sein.
({3})
Dieser mit der Handwerksordnung - die Sie bei zwei Enthaltungen auf seiten der SPD, im übrigen einstimmig verabschiedet haben - erzielte Fortschritt soll nun auf Wunsch einer Minderheit rückgängig gemacht werden. Dazu sollten Sie, meine Damen und Herren, sich nicht hergeben. Das Gesetzesvorhaben ist überflüssig. Zum Teil würden durch die Novelle bereits erreichte Vorteile wieder rückgängig gemacht werden.
Ich bin deswegen dafür, daß der Antrag nicht überwiesen wird, sondern daß wir den Antrag ablehnen, und ich habe die herzliche Bitte an Sie und Ihre Kollegen, den Antrag zurückzunehmen. Wir haben im Augenblick einige andere Sorgen als mundartliche Bezeichnungen, meine Damen und Herren. Sie alle waren sich darüber klar, daß wir in Deutschland in einer sehr schwierigen Situation stehen, daß wir zumindest in einer Finanzkrise stehen, daß wir noch nicht einmal wissen, wer hier in vier Wochen die Regierung bilden wird. Und dann kommen Sie mit einem solchen überflüssigen Antrag. Ich bitte um Ablehnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte der Sache nicht so viel hochpolitischen Akzent wie mein Vorredner beimessen, bin aber auch weit davon entfern, die Dinge zu verniedlichen. Ich weiß, daß sich hier die Geister an der Main-Linie scheiden.
({0})
Herr Kollege Schulhoff war ja gestern in der Fraktionssitzung noch viel heftiger als heute. Er hat
wahrscheinlich daran gedacht, daß er seinen Urlaub nicht mehr in Seebruck verbringen dürfte, wenn er sich zu sehr in unsere bayerischen Belange hineinmischte.
({1})
Meine Damen und Herren, lieber Kollege Schulhoff, der Wunsch kommt vom Handwerk, das möchte ich hier ganz eindeutig feststellen. Hier hat der Herr Kollege Folger genau richtig tendiert. Es gibt hier aber auch kein Jägerlatein, sondern ich möchte sagen: Wenn das, was, wie Sie, Herr Kollege Schulhoff, sagten, einstimmig im Bundestag beschlossen wurde, jeder Kollege vor der Beschlußfassung hätte nachlesen können, wäre die Einstimmigkeit damals vielleicht nicht zustande gekommen. Ich war übrigens sehr verwundert, daß auch der Bundesrat dieses Gesetz ohne irgendwelche Gegenstimmen hat passieren lassen.
Wenn Karl Valentin noch lebte, würde er sagen: Ich laß' mir meine Semmelknödel auch durch einen Beschluß des Deutschen Bundestages nicht in Brötchenknödeln verwandeln.
({2})
Würde Ludwig Thoma den Text der Novelle, lieber Kollege Schulhoff, genau studieren können, hätte er im Grabe bestimmt keine Ruhe, er würde sich mindestens einmal umdrehen.
Diese Verdrehung vom herkömmlichen Sprachgebrauch kommt nicht nur in der jetzt zitierten Handwerksnovelle und sonst in der Gesetzgebung vor. Als bayerischer Gastwirt wundere ich mich oft, wenn ich die Speisenkarten in den bayerischen Lokalen - außerhalb des Weißwurstäquators maße ich mir nicht an, Kritik zu üben - lese. In Bayern ist das Eisbein eben eine Surhaxe, Klöße bleiben Reibeknödel oder Semmelknödel, rote Beete sind rote Rüben, die Schlagsahne ist bei uns der Schlagrahm, der Rotkohl ist Blaukraut, die Limonade heißt Kracherl, die österreichische Kalbsstelze heißt Kalbshaxe, und der Schäfflertanz in München wird nie ein Böttcherreigen werden. Der Samstag ist kein Sonnabend, und „Grüß Gott" wird nicht ersetzt durch „Tschüß" .
({3})
- Das ist auch erlaubt. Warum denn nicht?
Aber wir wollen einmal, weil schon der Kollege von der SPD damit begann, unsere bayerische Sprachregelung etwas unter die Lupe nehmen. Da wurde vorhin von einem Kollegen aus der FDP die Frage gestellt, woher denn der Ausdruck von der Hochsprache komme. Ich habe hier vor mir liegen - und ich glaube, Herr Kollege Folger hat aus Zeitgründen nicht davon gesprochen -, was eine namhafte Münchener Autorengruppe, die sogenannten „Turmschreiber", am 4. Juli 1966 an mehrere Abgeordnete wegen dieses Gesetzes geschrieben haben. Ich möchte mit der Erlaubnis der sehr verehrten Frau Präsidentin jetzt nur einige Auszüge aus diesem Schriftstück vorlesen. Da heißt es u. a.:
Bestrebungen massiver Art, unsere Sprache zu majorisieren, sind ja nicht nur in diesem Bundes-Edikt im Gange.
({4})
Den allzeit hurtigen, nördlichen Kommerz-Jargon im Gaststättengewerbe, im Fremdenverkehr, in der Lebensmittelbranche und in der täglichen Werbung über Presse, Funk und Fernsehen genießen wir lange schon mit Überdruß. Ausgerechnet ein Ukas in einer liberal orientierten Bundesrepublik tritt nun dieser geschäftigen Demontage der föderalistischen Freizügigkeit an die Seite.
Uns Bayern bedeutet das in der eigenen Landschaft geborene Wort, die Hochsprache und die Mundart, mehr als vielleicht manch anderem deutschen Stamm. Ganz und gar lehnen wir aber einen kommandierten Zungenschlag kleindeutscher Gepflogenheit ab.
Das sind nur Auszüge.
Ich habe damals auf diesen Brief erwidert, daß ich mich gern bereit erkläre, falls notwendig, im Deutschen Bundestag eine Gesetzesänderung herbeizuführen.
Ich darf, um Sie nicht mehr zu langweilen, auf verschiedene Verlautbarungen in den süddeutschen und bayerischen Zeitungen verweisen. Was Herbert Schneider im „Münchner Merkur" oder in der „Süddeutschen Zeitung" zu diesem Thema gesagt hat, hat mein Vorredner, Herr Folger, bereits auszugsweise wiedergegeben. Ich unterstreiche diese Darlegungen voll und ganz.
Meine Damen und Herren, ich begrüße das, was die SPD-Kollegen hier jetzt beantragen. Aber: „Spät kommt ihr, doch ihr kommt" ! Wir waren früher da, Herr Kollege Folger. Wegen der erwähnten großen Aufregung im Handwerk, in den Kammern, bei den Besprechungen mit den Präsidenten der bayerischen Handwerkskammern und den Geschäftsführern sind damals die Kollegen Wieninger, Rainer, Schmidhuber, Unertl, Dr. Kempfler und andere zum bayerischen Wirtschaftsminister gegangen und haben dort erklärt, daß wir in Bayern eine Auslegung dieses Gesetzes erreichen möchten.
Die von Herrn Kollegen Schulhoff erwähnte Ministerialentschließung vom 20. Juli 1966 möchte ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin hier im Wortlaut wiedergeben dürfen, weil ich der Meinung bin, daß man dann, wenn der Wortlaut auch den Antragstellern bekannt ist, vielleicht über die weitere Behandlung des Antrages reden kann. Es heißt hier wörtlich:
Im Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung vom 9. 9. 1965 ({5}) fehlen die in der früheren Fassung der Anlage A bei mehreren Handwerken aufgeführten sogenannten „mundartlichen" Bezeichnungen, z. B. „Schreiner" neben „Tischler", „Metzger" neben „Fleischer". In der öffentlichen Diskussion wurde darauf hingewiesen, daß diese Bezeichnungen seit Jahrhunderten in der Schriftsprache
eines großen Teils des deutschen Sprachgebietes gebraucht werden. Es ergab sich die Frage, ob und inwieweit die Handwerksordnung den Gebrauch der in der Anlage A zur Handwerksordnung verwendeten Bezeichnungen der Handwerke vorschreibt.
Hierzu wird bemerkt:
Erstens. Durch die Verwendung bestimmter, nicht in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland gebräuchlicher Bezeichnungen der einzelnen Handwerke in der Anlage A zur Handwerksordnung wird in die Freiheit der Gewerbetreibenden, sich im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr zur Bezeichnung ihres Handwerks der regional üblichen, allgemein verständlichen Bezeichnungen zu bedienen, nicht eingegriffen. Die Handwerker können weiterhin die hergebrachten Bezeichnungen „Kaminkehrer", „Spengler", „Schreiner", „Schäffler", „Metzger", auch in Verbindung mit dem Meistertitel führen.
Zweitens. Es bestehen keine Bedenken dagegen, die althergebrachten Bezeichnungen, die sich mit dem Begriffsinhalt der in der Anlage A verwendeten Bezeichnungen völlig decken, auch im amtlichen Verkehr weiterhin zu verwenden. Da aber handwerksrechtliche Verwaltungsakte grundsätzlich über das Gebiet hinaus, in dem diese Bezeichnungen gebraucht werden, für den ganzen Geltungsbereich der Handwerksordnung Gültigkeit haben, wird anheimgegeben, künftig eventuell die jeweils einschlägige Bezeichnung der Anlage A etwa in Form eines Klammerzusatzes hinzuzufügen.
Dies ist allen Kammern bekannt. Damit haben sich die Präsidenten der Kammern - auch Herr Präsiden Wild, Herr Kollege Schulhoff - und alle in Bayern, die sich mit der Frage beschäftigen, zufrieden gegeben.
Ich möchte sagen, das Anliegen ist gar nicht so von der Hand zu weisen; es wäre berechtigt. Ich weiß aber nicht, ob den Antragstellern der Wortlaut der Ministerialentschließung, den ich jetzt vorgetragen habe, bekannt war. Ich möchte anregen, zu überlegen, ob man nicht den Antrag, der vielleicht in Unkenntnis dieser Ministerialentschließung gestellt worden war, zurückziehen könnte. Ich möchte die Antragsteller darum bitten, das zu tun, nachdem feststeht, daß diese Frage, die für uns in Bayern eine wichtige Rolle spielt, nach der Verabschiedung des Gesetzes in dieser Weise erledigt ist.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Herr Schulhoff einem Nichthandwerker erlaubt, hier auch einige Worte zu sagen.
({0})
Genau das, Herr Präsident!
Herr Präsident Schulhoff, ich maß leider sagen, daß Ihre Schlagfertigkeit von vorhin im umgekehrten Verhältnis zu der Kenntnis der Sprachentwicklung gestanden hat, die hier für uns sehr wichtig ist. In Wahrheit können Sie mir, Herr Präsident Schulhoff, nicht nachweisen, daß Ihre Auffassung, weil sie mehrheitlich vertreten wird, eine gewachsenere oder eine Auffassung der Hochsprache ist. Ihre Worte vorhin beruhten auf dem entscheidenden Irrtum, als ob die Mundart, der Dialekt, gegenüber der Hochsprache zweitrangig sei.
Sie wissen wie es zu dieser deutschen Hochsprache gekommen ist. Durch eine mehr oder weniger zufällige historische Entwicklung haben wir über die Reformation die sächsische Kanzleisprache als Hochsprache übernommen. Die einzige Mundart, die eigentlich keine ist, sondern ein schlecht ausgesprochenes Hochdeutsch, ist bis zum heutigen Tage das Sächsisch-Anhaltinische. Insofern muß man also zunächst einmal davon ausgehen, daß hier im Bundestag ich fürchte fast: ohne Mitwirkung des Kulturpolitischen Ausschusses - damals einfach Mehrheitsentscheidungen getroffen worden sind, die uns Süddeutschen so, wie sie hier drinstehen, einfach nicht schmecken. Deshab - das möchte ich Ihnen sagen, Herr Präsident Schulhoff verdient dieser Antrag in allem Ernst noch einmal geprüft zu werden. Der Kulturpolitische Ausschuß wäre sicher bereit - wir haben ja dort einige Philologen, zu denen ich mich nicht zählen darf -, ebenfalls gutachtlich hierzu Stellung zu nehmen.
({1})
- Entschuldigen Sie, Herr Winkelheide. Es gibt auch Dinge, die für unsere Sprachentwicklung wichtig sind, und wir haben hier eine Verantwortung dafür. Wir hatten schon einmal eine Zeit, in der es das Wort „Sprachregelung" als amtliche Bezeichnung gab. Ich bedaure, daß es heute noch leichtsinnigerweise mit verwendet wird; denn .die Sprachregelung war in Wahrheit der Versuch, obrigkeitsstaatlich die Regelung der Gedanken in einem ganzen Volk zu erreichen. Das sollte uns hier aufhorchen lassen. Das sage ich in allem Ernst.
Hier geht es darum, daß ,die Kollegen aus Bayern, die diesen Antrag gestellt haben, wie ich meine, mit Recht, einer amtlich geforderten und geförderten Verarmung .der Muttersprache entgegenwirken wollen. Das sollten wir eigentlich unterstützen.
Sie haben natürlich recht: gesetzlich ist die Sache ganz klar, ,die anderen Bezeichnungen sind nicht verboten. Aber es ist eben eine Tatsache, Herr Präsident Schulhoff - hier muß ich Sie als Handwerkskammerpräsidenten ansprechen -, daß auf diese Weise in Jahrhunderten ,die Sprache schongeradezu verändert worden ist, und zwar durch gesetzliche Bezeichnungen und Vorschriften an Stelle einer natürlichen und, wie ich meine, sehr wichtigen Entwicklung. Schauen Sie einmal in der deutschen Literatur nach, wo eigentlich die wirklichen Erzähler gesessen haben! Doch dort, wo ein starker mundartlicher Einschlag vorhanden gewesen ist, und nicht dort, wo man die Sprache nach irgendwelchen amt3456
lichen Vorstellungen schabloniert hat. Das ist doch, glaube ich, für uns sehr wichtig.
({2})
Insofern haben Sie sich, Herr Schulhoff, und auch diejenigen, die das damals hier geschaffen haben, die Sache einfach zu leicht gemacht.
Wir im Schwäbischen meinen folgendes, und das ist ja nicht nur Baden-Württemberg, sondern das geht ja noch ein bißchen weiter, wir haben auch die Verantwortung für die Bevölkerung, die jenseits der Grenzen von Baden-Württemberg diese Mundart spricht,
({3})
z. B. für die „Unerlösten" in Bayern, wie Sie wissen, und für die Alemannen in der Schweiz und in Vorarlberg; für die darf ich hier sprechen. Daß die z. B. den Küfer kennen, finde ich eine sehr ehrenwerte Sache, und bei uns käme kein Mensch auf die Idee, das Küferhandwerk etwa in Schäffler- oder Böttcherhandwerk umzutaufen. Wir sollten dies ruhig so lassen. Es hat einen guten Sinn, daß es so heißt. Ich möchte die Liste hier nicht fortsetzen.
So einfach jedenfalls, wie Sie es sich machen, daß gewisse Mehrheiten künftig bestimmen, wie gesetzliche Ausdrücke zu handhaben sind, obwohl es sich um gewachsene Berufsbezeichnungen handelt, die nicht durch Mehrheitsbeschluß verändert werden können, darf man es sich nicht machen. Das, meine ich, sollten wir hier zur Kenntnis nehmen. Wir sollten in allem Ernst nicht nur den Mittelstandsausschuß, sondern auch die, die sich der deutschen Sprache in diesem Hause besonders verantwortlich fühlen, nämlich ,die Kollegen Philologen - und wir haben eine Menge sehr guter Philologen hier, auch Philologen im Nebenberurf, die wirklich etwas von ihrer Sprache verstehen, ich darf nur an die Mitglieder des Präsidiums allesamt erinnern; die sind hier bestimmt mehr firm als mancher von uns -, darum bitten, dieses Handwerksgesetz einmal daraufhin zu untersuchen, ob nicht durch eine allzu starke Europäisierung des Denkens in Wahrheit der deutschen Muttersprache geschadet wird, wenn wir auf diese Ausdrücke künftig verzichten. Deshalb bitte ich um allen Ernst bei dieser Frage, auch wenn sie zu später Abendstunde hier behandelt wird.
({4})
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Ausschußüberweisung. Der Altestenrat schlägt Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen vor.
({0})
- Dazu kommt der Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik, meine Damen und Herren.
(Abg. Moersch: Der Ausschuß wird von
sich aus gutachtlich Stellung nehmen! ({1})
- Also auch Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik; Sie haben den Vorschlag gehört. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? -Bei einer Gegenstimme angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Tagesordnung. Der Altestenrat schlägt Ihnen vor, die Tagesordnung damit für heute zu schließen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, 14.30 Uhr, ein.
Meine Damen und Herren, alle Punkte, die heute nicht mehr behandelt werden konnten, werden morgen auf der Tagesordnung stehen mit Ausnahme des Punktes 5, der am Freitag behandelt wird.
Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.