Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
. Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 4. November 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Gesetzentwurf zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen an Beamte, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit - Drucksache V/1015 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V11098 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 69. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. Oktober 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Tamblé, Drucksache V/1025 Nrn. IX/6, IX/7 und IX/8 5), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 7. November 1966 eingegangen. Sie lautet:
I. Nach meinen Richtlinien über die „Förderung der Ausbildung der Truppe durch Übernahme von Arbeiten auf wirtschaftlichem Gebiet" ({0}) können unter bestimmten Voraussetzungen ({1}) Pioniereinheiten der Bundeswehr zur Beseitigung von Bunkerresten eingesetzt werden. Mit dem jeweiligen Auftraggeber ist ein Vertrag abzuschließen, in dem grundsätzlich die Erstattung der durch die Übernahme der Arbeiten entstehenden Personal- und Sachkosten der Bundeswehr vorzusehen ist. Zu dem vom Auftraggeber zu bezahlenden Sachaufwand bei Sprengarbeiten gehören u. a. die Kosten für die Spreng- und Zündmittel. Sofern also eine Gemeinde Pioniereinheiten der Bundeswehr mit der Beseitigung von Bunkerresten beauftragt, ist sie als Auftraggeber verpflichtet, die Kosten der Sprengmittel für die in ihrem Interesse durchgeführten Arbeiten zu ersetzen.
2. Die von Ihnen erwähnten Sprengarbeiten im Jahre 1965 wurden nicht nach meinen vorerwähnten Richtlinien, sondern auf Grund besonderer Absprachen mit der Landesregierung Schleswig-Holstein und den betroffenen Gemeinden abgewickelt. Obwohl ein besonderes Ausbildungsinteresse an den Bunkersprengungen nicht gegeben war, hatte sich die Bundeswehr wegen des starken Interesses der Landesregierung und der Gemeinden an der Verschönerung des Landschaftsbildes der Fremdenverkehrsinsel Sylt damit einverstanden erklärt, die Sprengungen als Pionierübung durchzuführen. Dadurch wurde erreicht, daß besondere Personalkosten nicht angesetzt zu werden brauchten. Die Landesregierung verpflichtete sich, den Pionieren aus den Beständen ihrer Munitionsräumgruppe die notwendigen Spreng stoffe zu liefern. Da die der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Zünd mittel eine risikolose Sprengung nicht gewährleisteten, mußten handelsübliche Zündmittel ({2}) beschafft werden, um Schäden an Gebäuden zu vermeiden. Zum Ankauf dieser Zündmittel standen weder dem Land Schleswig-Holstein noch der Bundeswehr Mittel zur Verfügung. Deshalb wurde vereinbart, daß die Gemeinden als eigenen Beitrag zu der gerade in ihrem Interesse liegenden Bunkerbeseitigung die Zündmittel liefern. Da den Gemeinden jedoch keine zum Einkauf von Zündmitteln
S) Siehe 69. Sitzung, Seite 3237 D
berechtigte Person zur Verfügung stand, hat ein Bundeswehroffizier im Einvernehmen mit der Amtsverwaltung und den Gemeinden die Zündmittel für Rechnung der Kommunalbehörden eingekauft. Die Zündmittelrechnung wurde anschließend von der Landesregierung Schleswig-Holstein der Amtsverwaltung zur Bezahlung zugeleitet.
Bei dieser Sachlage ist es durchaus gerechtfertigt, daß dem Amt Landschaft Sylt für die im Jahre 1965 durchgeführte Sprengung von Bunkerresten die - im Vergleich zu den von Land und Bundeswehr erbrachten Leistungen unerheblichen -Zündmittelkosten angelastet wurden, zumal diese Kostenübernahme abgesprochen war und eine rechtliche Verpflichtung der Bundeswehr zur Beseitigung von Bunkerresten nicht bestand.
3. Etwaige Ansprüche gegen das frühere Deutsche Reich auf Beseitigung von Bunkerresten fallen unter das Allgemeine Kriegsfolgengesetz. Sie sind von der Bundesrepublik Deutschland nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes nur dann zu erfüllen, wenn ihre Erfüllung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Maßnahmen zur Beseitigung von Bunkerresten sind von der Landesregierung Schleswig-Holstein nur veranlaßt worden, um das Landschaftsbild der Insel Sylt durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verschönern. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht verpflichtet, derartige Maßnahmen zu finanzieren.
Es liegt Ihnen eine Liste auf Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor:
Richtlinie des Rats über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut der Reben
Drucksache V/1099 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 22. Februar 1967
Verordnung Nr. 170/66/EWG des Rats vom 27. Oktober 1966 betreffend die Erhöhung der Abschöpfungen, die von der Bundesrepublik Deutschland, vom Königreich Belgien und von der Französischen Republik auf bestimmte Rinder- und Rindfleischeinfuhren aus dritten Ländern erhoben werden
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn ins Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden
Siebenundzwanzigste Verordnung zur Anderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksache V/1081 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967.
Erhebt sich gegen die Überweisung Widerspruch? - Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist.
Die Tagesordnung soll ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Das Wort hat Herr Rösing.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion
der CDU/CSU bitte ich, als Punkt 6 b auf die heutige Tagesordnung zu nehmen den Entwurf eines Ergänzungsgesetzes zum Steueränderungsgesetz 1966. Dieser Entwurf steht im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt und dem Ergänzungshaushalt zum Haushalt 1967. Wie ich höre, ist der Entwurf mittlerweile bereits dem Bundesrat zugeleitet. Er soll das Defizit abdecken, das im Bundeshaushalt 1967 entstanden ist. Ich bitte um Annahme unseres Antrags.
Sie haben den Antrag gehört. Besteht Einverständnis des Hauses?
({0})
- Ich darf den Antrag zur Abstimmung stellen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das erste war nach Meinung des Vorstandes die Mehrheit. Bei Stimmenthaltungen angenommen.
Ich schlage vor, daß das Steueränderungsgesetz 1966 - Drucksache V/1068 - Punkt 6 a und das Ergänzungsgesetz zum Steueränderungsgesetz 1966 - Drucksache V/1096 - Punkt 6 b der Tagesordnung wird.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
- Drucksachen V/1085, V/1092 Wir beginnen mit den restlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage IX/9 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal auf:
Welche Gründe hat der Bundesfinanzminister dafür, daß bei früheren Einheitswertfeststellungen ein Fragebogen von vier Seiten genügte, während heute 10 Seiten benötigt werden?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
Frau Präsidentin, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) gemeinsam beantworten?
Ist der Fragesteller damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich rufe also auch die Fragen IX/10 und IX/11 auf:
Welche gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigen im einzelnen die Fragen der Seiten 3 bis 8 der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1964?
Glaubt der Bundesfinanzminister, daß die Fragen nach kompliziertesten Einzelheiten auf den in Frage IX/9 erwähnten Fragebogen die Richtigkeit der Erklärung fördert und den Aufwand an Kraft und Zeit, insbesondere der meist nicht Sadikundigen, rechtfertigt?
Ich nehme an, Herr Abgeordneter, daß sich Ihre Fragen im wesentlichen auf den meist gebrauchten Erklärungsvordruck für das Ertragswertverfahren beziehen, nämlich auf den Vordruck EW 102, Grundstücksbeschreibung für bebaute Grundstücke.
Dafür, daß dieser Vordruck gegenüber dem bisher verwendeten Vordruck für Fortschreibungen nach altem Recht an Umfang zugenommen hat, gibt es mehrere Gründe. Einmal werden die Einfamilienhäuser im Unterschied zum bisherigen Recht zum größten Teil nicht im Sachwertverfahren, sondern im Ertragswertverfahren bewertet. Diese Tatsache macht es notwendig, daß der neue Vordruck viele Fragen enthält, die anders als früher für die Bewertung der Einfamilienhäuser erforderlich sind. Auch für die anderen bebauten Grundstücke hat das Bewertungsgesetz 1965 eine Reihe neuer Vorschriften gebracht. So ist die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit zum Teil neu geregelt. Ich darf hierzu nur auf die Einbeziehung der Anteile des Grundstückseigentümers an gemeinschaftlichen Hofflächen oder Garagen in das Grundstück hinweisen. Ferner bestehen für die Nichtberücksichtigung der dem Bevölkerungsschutz dienenden Gebäude oder Gebäudeteile neue Vorschriften. Schließlich seien noch die Vorschriften über die Bewertung des Wohnungseigentums und des Teileigentums sowie der Gebäude auf fremdem Grund und Boden erwähnt. Diese und andere Neuregelungen bedingen zusätzliche Fragen.
Ich möchte aber auch auf folgendes hinweisen. Damit nicht zu eng geschrieben werden muß, ist für die Mietaufstellung für Wohnraum und für Geschäftsraum je eine Doppelseite vorgesehen, obwohl man vielleicht mit zweimal je einer einfachen Seite ausgekommen wäre. Im Unterschied zum bisherigen Vordruck ist jetzt ausreichend freier Raum für etwaige Ausführungen des Grundstückseigentümers über wertmindernde Umstände gelassen worden. Insofern beruht der Umfang des Vordrucks auf einer Gestaltung, die gerade die Ausfüllung erleichtern sollte.
Im übrigen sollte man sich nicht allzusehr von der Zahl der gestellten Fragen beeindrucken lassen. Viele Fragen sind nur mit einem schlichten Nein oder Ja oder durch ein Kreuz in einem dafür vorgesehenen Feld zu beantworten; so von Seite 1 unten bis Seite 3 oben, ebenso auf Seite 9 oben und auf Seite 10 oben. Oft brauchen weitere Fragen nicht beantwortet zu werden, wenn eine Vorfrage verneint wird.
Zu Ihrer zweiten Frage. Die gesetzlichen Vorschriften rechtfertigen die meisten Fragen auf den Seiten 3 bis 8 des Vordrucks, wenn vielleicht auch die eine oder andere Frage hätte unterbleiben können. Hier hat sich offenbar ein etwas zu großer Hang zum Perfektionismus breitgemacht. Die §§ 77 und 82 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1965 machen allerdings die Angaben über den Grund und Boden notwendig, weil der Wert des Grund und Bodens einmal als Mindestwert des bebauten Grundstücks in Betracht kommt und zum anderen die Höhe eines Zuschlags bei übergroßer Fläche bestimmt; § 82 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1965 rechtfertigt auch die Angaben über die Größe der bebauten Fläche, um prüfen zu können, ob auch hier Zuschläge wegen übergroßer Fläche vorzunehmen sind.
§ 80 des Bewertungsgesetzes 1965 macht die allgemeinen Angaben über die Gebäude erforderlich, um den Vervielfältiger bestimmen zu können;
ebenso die Höhe der ursprünglichen und der bei der Erneuerung des Gebäudes aufgewendeten Kosten, weil danach gegebenenfalls eine Korrektur des Baujahres für die Bestimmung des Vervielfältigers in Betracht kommt;
§§ 76 und 79 des Bewertungsgesetzes 1965 erfordern die Gebäudebeschreibung auf Seite 4. Die Einfamilien- und Zweifamilienhäuser werden statt im Ertragswertverfahren im Sachwertverfahren bewertet, wenn sie sich von der Vielzahl der Einfamilienhäuser und Zweifamilienhäuser, die im Ertragswertverfahren bewertet werden, durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich unterscheiden. Dabei ist auf die Gesamtheit der Bauteile Rücksicht zu nehmen. Außerdem dient die Gebäudebeschreibung, falls das Ertragswertverfahren anzuwenden ist, der Ermittlung der üblichen Miete; § 79 des Bewertungsgesetzes rechtfertigt die Mietnachweisung auf den Seiten 5 bis 8. Die Angaben sind zur Ermittlung der Jahresrohmiete, auf der das Ertragswertverfahren aufbaut, erforderlich.
Zur Frage 3 möchte ich folgendes bemerken. Die eine oder andere Frage wird gewiß nicht immer richtig beantwortet werden. Dadurch dürfte aber das Gesamtbild der Beschaffenheit des Grundstücks nicht entscheidend beeinflußt werden. Darauf kommt es aber an, so daß sich der Aufwand letztlich doch lohnt. Im übrigen darf ich auf die Antworten verweisen, die der damalige Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Dahlgrün, in der Fragestunde vom 27. Oktober 1966 zum gleichen Fragenkomplex gegeben hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn im Finanzausschuß für die Vielzahl der Einfamilienhäuser das Ertragswertverfahren vorgesehen war, warum muß dann wegen 5 % solcher Gebäude, die wegen besonderer Gestaltung oder Ausstattung in wesentlicher Abweichung von der Vielzahl der Grundstücke, die dem Sachwertverfahren unterworfen sind, auf Seite 4 die gesamte technische Konstruktion eines Bauwerks, mit Hohlkörpern, Holzbalken, Kalksandsteinen, leichtem Holzdach, Schiefer- oder Schindeldach und so weiter, so geht das durch die ganze Seite, angegeben werden - nirgendwo im Gesetz ist das vorgesehen! -, und ist Ihnen bekannt, daß der Ausschuß gerade mit Rücksicht auf die Gefahr, die jetzt aufgetaucht ist, Wert darauf gelegt hat, daß das Sachwertverfahren nur in wenigen Ausnahmefällen angewandt werden sollte?
Herr Abgeordneter, das ist mir durchaus bekannt. Ich habe aber in meiner Antwort schon darzulegen versucht, daß die von mir genannten Vorschriften im Gegensatz zu früher eben doch eine Vermehrung der Fragen zwangsläufig zur Folge hatten.
Die von Ihnen gestellte Frage, warum man nun auf 5% der Gebäude so viel Aufwand verwendet,
kann ich nur damit beantworten, daß man - das ist auch die Ansicht der Länderfinanzministerien, die ja letztlich für die Durchführung verantwortlich sind - in diesen Fällen die Ortsbesichtigung ersparen wollte und, um dieses Ziel zu erreichen, einen um viele Fragen ergänzten Fragebogen herausgegeben hat. Aber ich habe ja bereits hinzugefügt, daß ich selber den Eindruck habe, daß sich hier ein gewisser Hang zum Perfektionismus breitgemacht hat. Die eine oder andere Frage hätte sicherlich nicht gestellt zu werden brauchen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie soll ein Einfamilienhauseigentümer die ortsübliche Miete feststellen? Nachdem ich zweieinhalb Stunden zur Ausfüllung des Formulars gebraucht hatte - als Fachmann -, stand ich vor dieser Frage; und dann habe ich mich gefragt, ob ich nun bei allen meinen Nachbarn herumlaufen und hören soll, welche Miete in meiner Gegend ortsüblich ist. Sehen Sie irgendwo im Gesetz einen Anhaltspunkt dafür, daß der Eigentümer von sich aus ermitteln soll, welche ortsübliche Miete gezahlt wird?
({0})
Eine expressis verbis im Gesetz ausgesprochene Bestimmung gibt es nicht, soweit ich das Gesetz im Augenblick übersehe; aber mein damaliger Minister Dr. Dahlgrün hat bereits ausgeführt, daß es durchaus die Pflicht der Finanzämter ist, allen Grundstückseigentümern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn sie mit dem Formular nicht zurechtkommen. Das ist auch in einer inzwischen anberaumten Referentenbesprechung noch einmal betont und zugesagt worden.
Ich darf aber noch hinzufügen, Herr Abgeordneter, daß die negative Kritik, die der Vordruck in diesem Hause erfahren hat, keineswegs allgemein ist, sondern daß es auch andere Stimmen gibt. Der Bayerische Haus- und Grundbesitzerverband hat sich z. B. sehr positiv zu diesem Fragebogen geäußert und gesagt, wenn der Gesetzgeber so viele Verfeinerungen und Verbesserungen beschließt, dann müßte - ({0})
- Herr Abgeordneter, ich habe nur zitiert, was ein Landesverband zum Ausdruck gebracht hat.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, ist es möglich und werden Sie gegebenenfalls dazu bereit sein, für die große Zahl der gängigen Ein- und Zweifamilienhäuser, an denen keine technischen Besonderheiten sind, ein einfacheres Verfahren vorzusehen und vorzuschreiben?
Herr Abgeordneter, es ist Ihnen sicherlich bekannt, und ich habe es schon ausgeführt, daß dafür der Bundesfinanzminister nicht zuständig ist. Wir haben aber auf Grund der vorangegangenen Fragestunde bereits von unserem Hause mit den Länderfinanzministerien Fühlung genommen. Leider ist in diesem Punkte der Wunsch nach Vereinfachung auf taube Ohren gestoßen. Die Bewertungsreferenten aller Länder waren der Meinung, daß diese Fragen nicht noch weiter zu reduzieren seien. Ich bedaure das; aber es ist so.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, unter Hinweis auf die Diskussion in der Fragestunde vom 27. Oktober dieses Jahres, als ich den Bundesfinanzminister auf die unzumutbare Belastung für viele Hausbesitzer hinwies, die ohne Inanspruchnahme eines Steuerberaters oder eines Architekten vielfach nicht auskommen, und unter Hinweis auf meine Frage - das möchte ich noch einmal besonders hervorheben -, ob Sie sich Gedanken gemacht haben, wie viele Steuerbeamte wie viele Jahre an der Auswertung dieser Fragebögen sitzen sollen, möchte ich Sie noch einmal fragen, ob Sie nicht die nach meiner Meinung klare Zusicherung des ehemaligen Bundesfinanzministers hier im Hause, daß er sich mit den Länderfinanzverwaltungen ins Benehmen setzen werde, um noch eine Vereinfachung durchzuführen, weiter nachhaltig vertreten.
Herr Abgeordneter, ich habe soeben ausgeführt, daß dieser Zusage des ehemaligen Finanzministers bereits nachgekommen ist. Zwar war Herr Dr. Dahlgrün zeitlich nicht mehr in der Lage, mit den Finanzministern selbst zu sprechen; aber es ist zu diesem Zwecke eine Referentenbesprechung einberufen oder vielmehr eine ohnehin einberufene Referentenbesprechung dazu benutzt worden, diesen Fragenkomplex noch einmal anzusprechen, mit dem Ergebnis, das ich Ihnen bekanntgegeben habe. Zwar sind die Länderfinanzverwaltungen bereit, allen Steuerbürgern jede nur erdenkliche Hilfe zu gewähren, wenn sie nicht von Hausbesitzervereinen ohnehin Hilfe erfahren; aber hinsichtlich einer Vereinfachung haben die Bewertungsreferenten der Länder leider keine Neigung gezeigt, irgendwelchen Vereinfachungstendenzen zu entsprechen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier.
Nachdem der ehemalige Bundesfinanzminister erklärt hat, daß diese Fragebögen
in Zusammenarbeit der Bundesfinanzverwaltung und der Länderfinanzverwaltungen herausgegeben worden seien, hat doch auch die Bundesfinanzverwaltung daran Anteil und müßte doch in der Lage sein, auch jetzt noch auf eine Vereinfachung zu drängen.
Herr Abgeordneter Baier, obwohl ich aus Ihren Ausführungen keine Frage herausgelesen habe, möchte ich Ihnen erwidern, daß die Zusage des Herrn Bundesministers Dr. Dahlgrün nach wie vor besteht. Ich habe ja gesagt, daß er in der ihm noch zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr Gelegenheit gefunden hat, mit den Ministern selbst zu sprechen. Aber das werden wir noch nachholen.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Ich bitte, Wiederholungen zu vermeiden. Im übrigen bitte ich, Platz zu nehmen und etwas Ruhe zu bewahren.
Herr Staatssekretär, unbeschadet der Antwort des Bayerischen Hausund Grundbesitzerverbandes, der sehr wenig zu tun hat mit der Masse der Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern, darf ich Sie fragen: Sind Sie sich darüber im klaren, daß die Mehrheit der Betroffenen diesen Fragebogen als einen Affront der Bürokratie gegenüber den Betroffenen empfindet? Ich kann hier nicht für das Haus, aber doch wohl für einen substantiellen Teil der Mitglieder dieses Hauses sprechen.
Herr Abgeordneter, die Bezeichnung „Affront" kann ich nicht als richtig anerkennen. Daß der Fragebogen in gewisser Hinsicht vielleicht zu bürokratisch aufgestellt worden ist, habe ich schon durch meine persönliche Stellungnahme hier zu erkennen gegeben. Wir werden den dringenden Appell, den ich aus dem Echo dieses Hohen Hauses entnehme, nochmals den Länderfinanzministern sehr nachdrücklich nahelegen, um doch zu einer Vereinfachung zu kommen.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, was Sie davon halten, daß mir mein Finanzamt entgegen Ihrer Ankündigung über die Hilfestellung der Finanzämter mitgeteilt hat - da ich als Abgeordneter nämlich ebenfalls zu dumm bin, um diese Fragebogen ausfüllen zu könnnen -, daß es vor dem nächsten Jahr gar nicht in der Lage sei, mich in dieser Frage beraten zu können.
({0})
Ich kann zu dieser konkreten AusStaatssekretär Grund
kunft in Ihrem Einzelfall von mir aus nichts sagen, werde aber diesen Fragenkomplex, nämlich ob die Finanzbehörden der Länder in der Lage sind, in ausreichendem Maße Hilfestellung zu leisten, ebenfalls mit den Länderfinanzministern erörtern.
Herr Abgeordneter Könen ({0}) zu einer ersten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort in bezug auf die Stellungnahme der von Ihnen angesprochenen Fragebogenbewertungsreferenten entnehmen, daß z. B. auch die Frage, ob eine einfache oder eine etwas teurere Tapete genommen worden ist, unter den Komplex fällt, bei dem die Fragebogenbewertungsreferenten eine Vereinfachung verweigern?
Genau diese Frage habe ich im Sinne gehabt, als ich davon sprach, daß hier offenbar doch einem leider immer wieder festzustellenden Hang zum Perfektionismus nachgegeben worden ist. Ich würde diese Frage in der Tat ebenfalls als nicht am Platz ansehen.
Herr Könen zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, unter Hinweis auf die vorige Fragestunde, in der Sie schon zu den Dingen Stellung genommen haben - um es vereinfacht zu sagen: Sie beriefen sich damals darauf, daß schließlich das Gesetz schuld sei -, darf ich Sie jetzt einmal fragen, wo diese Tapetenangelegenheit eine gesetzliche Grundlage findet.
({0})
Herr Abgeordneter, ich habe soeben schon gesagt, daß mir die Behandlung dieser Frage genauso unangebracht erscheint wie Ihnen persönlich.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Unertl zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es angesichts des großen Durcheinanders, das hier in der Fragestunde und seinerzeit auch hei den Antworten Ihres Ministers a. D. zum Ausdruck gekommen ist - der ja, wie Sie selber sagten, unter Zeitdruck stand -, besser ist, das ganze Dilemma zu beseitigen, indem man die Sache um ein Jahr verschiebt und neue vereinfachte Fragebogen herausbringt, die dem normalen Bürger endlich die Möglichkeit geben, mit diesem Papierkrieg fertigzuwerden?
({0})
Herr Abgeordneter, dieser Auffassung bin ich ganz und gar nicht. Das, was der Gesetzgeber beschlossen hat, ist dringend notwendig, um die verschiedensten Probleme zu lösen. Wir können die Einheitsbewertung, auch im Hinblick auf die Finanzreform, nicht um ein ganzes Jahr verschieben.
({0})
Herr Abgeordneter Untertl zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der Gesetzgeber, der die neue Einheitsbewertung beschlossen hat, dabei nicht von dem Papierkrieg ausgegangen ist, der jetzt die einzelnen Steuerzahler und die Inhaber von Steuernummern belastet?
Die Frage habe ich schon beantwortet; ich bin derselben Auffassung.
Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus zu einer ersten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind denn einmal Überlegungen darüber angestellt worden, wie hoch die Verwaltungskosten sind, die durch diesen umständlichen Erhebungsbogen entstehen?
Frau Abgeordnete, die Frage der Verwaltungskosten ist zweifellos geprüft worden. Wie ich schon sagte, ist dieser Fragebogen so ausführlich gestaltet worden, um Ortsbesichtigungen zu vermeiden; sonst hätten sich die Beamten die Häuser an Ort und Stelle ansehen müssen. Derartige Ortsbesichtigungen würden noch größere Verwaltungskosten verursachen.
Herr Staatssekretär, damit ist nur ein Teil meiner Frage beantwortet. Wären Sie bereit, dem Bundestag bekanntzugeben, wie hoch die Verwaltungskosten insgesamt geschätzt werden? Nicht nur die Ortsbesichtigungen, sondern auch die Auswertung dieser Fragebogen erfordern ja Arbeit von Beamten und Angestellten und verursachen damit Verwaltungskosten.
Ich bin gerne bereit, Ihnen eine Auskunft zu geben. Im Moment kann ich sie nicht geben, weil ich das Zahlenwerk nicht zur Hand habe. Aber ich werde diese Frage schriftlich beantworten.
Im übrigen glaube ich jedoch, daß die Auswertung des Fragebogens, auf dem ja immer mit „Ja - Nein" oder sogar mit einem Strich, wenn die Vorfrage verneint worden ist, geantwortet werden kann, relativ leicht und sogar auf technischem Wege vorgenommen werden kann.
({0})
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Gleichmäßigkeit der Besteuerung dadurch leidet, daß es nicht möglich ist, die abgegebenen Fragebogen, die ja Steuererklärungen sind, sorgfältig von Amts wegen zu prüfen, und der gegenwärtige Fragebogen wegen der Unprüfbarkeit durch die Finanzverwaltung einer Ungleichmäßigkeit Tür und Tor öffnet?
Herr Abgeordneter, das glaube ich nicht. Ich habe schon bei der Beantwortung der zweiten Frage zum Ausdruck gebracht, daß es im wesentlichen darauf ankommt, sich ein Gesamtbild von dem zu bewertenden Grundstück zu verschaffen. Dem wird nicht entgegenstehen, daß die eine oder andere Frage falsch oder nicht beantwortet wird. Der Finanzbeamte wird in der Lage sein, ein abgerundetes Bild zu finden, und damit scheint mir auch das Gebot der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit gewahrt zu sein.
Sie geben also damit zu, daß es am Ergebnis nichts ändert, wenn die eine oder andere Frage nicht sorgfältig beantwortet ist. Ich frage: weshalb sind dann diese Fragen überhaupt gestellt, wenn es auf die einzelne genaue Beantwortung nicht ankommt?
Ich habe gesagt, daß die eine oder andere Frage sicherlich nicht oder nicht richtig beantwortet wird. Ich gehe aber davon aus, daß die Mehrzahl der Fragen doch beantwortet wird und beantwortet werden kann und daß sich aus der Beantwortung der Mehrzahl der Fragen ein durchaus richtiges Bild über die Beschaffenheit des Grundstückes und Gebäudes ergeben kann.
Wenn aber die Mehrzahl der Fragen falsch beantwortet ist, wie will die Finanzverwaltung dann feststellen, was falsch und was richtig ist? Wie will sie zu einem gleichmäßigen Besteuerungsergebnis kommen?
Sie unterschätzen, glaube ich, doch die Intelligenz der Finanzbeamten. Wenn die Mehrzahl der Fragen falsch beantwortet wird, wird eben doch eine Ortsbesichtigung notwendig werden, die das Bild dann aufklärt.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, würden Sie aus den Fragen, die aus den verschiedenen Fraktionen kommen, den Schluß ziehen, daß es in diesem Hause offenbar eine weit verbreitete Meinung gibt, daß man zumindest für die einfacheren Häuser, also die Masse der Ein- und
Zweifamilienhäuser, den Fragebogen tatsächlich drastisch vereinfachen müßte? Könnte man das nicht dadurch erreichen, daß von seiten der Finanzverwaltungen auf die Beantwortung eines Teils der Fragen einfach verzichtet wird, und zwar zumindest für Einoder Zweifamilienhäuser?
Herr Abgeordneter, ich habe bereits zum Ausdruck gebracht, daß ich den Appell dieses Hohen Hauses sehr wohl gehört habe. Ich werde mich dafür einsetzen, daß er bei den Länderfinanzverwaltungen nicht auch nur gehört, sondern auch erhört wird in dem Sinne, wie Sie es soeben angeregt haben.
Damit sind diese Fragen beantwortet.
Frage IX/12 des Abgeordneten Weigl:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten eines ,,kleinen Grenzverkehrs" an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze?
Ist der Herr Abgeordnete Weigl im Saal? Ja.
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Weigl zusammen beantworten?
Ich nehme an, der Fragesteller ist damit einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage IX/13 des Abgeordneten Weigl auf:
Ist die Bundeszollverwaltung auf den dauernd steigenden Güterverkehr bzw. Tourismus an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze bzw. auf einen eventuellen „kleinen Grenzverkehr" personell vorbereitet?
Zur ersten Frage nehme ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt Stellung: Der „kleine Grenzverkehr", d. h. ein nachbarschaftlicher Verkehr zwischen den Bewohnern der beiderseitigen Grenzzonen, hat zur Voraussetzung, daß Grenzübergänge in ausreichender Zahl vorhanden sind. Wie der Herr Bundesminister des Innern bereits in der Fragestunde am 11. Oktober dieses Jahres ausgeführt hat, hat die tschechoslowakische Regierung nach 1945 einseitig 15 Übergänge geschlossen. Die Initiative zur Erleichterung im Reiseverkehr sowie im „kleinen Grenzverkehr" müßte also von der tschechoslowakischen Seite ausgehen. Sie hat bisher jedoch nur erkennen lassen, daß sie den Straßenübergang bei Bayerisch-Eisenstein wieder in Betrieb nehmen wird, sobald die Verkehrsentwicklung das erfordert. Die Bundesregierung wünscht Verbesserungen auch im kleinen Grenzverkehr. Sie wird jede sich bietende Gelegenheit und Möglichkeit aufgreifen, um für den grenzüberschreitenden Güter- und Reiseverkehr neue Grenzübergänge zu eröffnen. Sie würde, wie gesagt, auch Erleichterungen für den kleinen Grenzverkehr begrüßen.
Zur zweiten Frage bemerke ich, daß sowohl der Reiseverkehr als auch der Güterverkehr über die
deutsch-tschechoslowakische Grenze bereits in den letzten Jahren eine beachtliche Steigerung erfahren haben. Die Bundeszollverwaltung ist auf ein weiteres Ansteigen des Verkehrs vorbereitet. Sie wird rechtzeitig dafür Sorge tragen, daß bei einer Öffnung weiterer Übergänge die erforderlichen Beamten zur Verfügung stehen.
({0})
Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Ich komme nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage XI/1 des Abgeordneten Dröscher auf:
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß Kriegsopfern und Sozialrentnern, die oft jahrelang auf zusprechende Urteile der Sozialgerichte warten müssen, für Beträge, die ihnen offensichtlich zu Unrecht vorenthalten worden sind, keine Verzinsung gewährt wird?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
In der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung ist es gesetzlich nicht vorgesehen, daß Rentenbezüge zu verzinsen sind, die dem Berechtigten erst auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung zugesprochen werden. Das Bundessozialgericht hat in seinen Urteilen vom 16. Dezember 1964 und vom 25. Mai 1965 für die Sozialversicherung sowie in seinem Urteil vom 25. November 1965 für die Kriegsopferversorgung entschieden, daß Zinsen nicht beansprucht werden können. Insbesondere hält das Bundessozialgericht eine entsprechende Anwendung der §§ 288, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die den Anspruch auf Verzugs- und Prozeßzinsen im Zivilrecht regeln, für rechtlich nicht möglich; es vertritt die Auffassung, der Gesetzgeber habe durch sein Schweigen zu erkennen gegeben, daß der zum Bezug von sozialen Leistungen Berechtigte keinen Anspruch auf Zinsen gegen den Versicherungs- oder Versorgungsträger haben soll.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß die Frage der Verzinsung im Recht der sozialen Leistungen aus Anlaß der Vorbereitungsarbeiten für die Reform des Ersten Buches der Reichsversicherungsordnung im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingehend geprüft wird. Die Reform hat eine Neuregelung der gemeinsamen Vorschriften für alle Versicherungszweige zum Inhalt. Bei dieser Prüfung werden sowohl die Rechtsentwicklung, die auf dem Gebiet der Verzinsung öffentlich-rechtlicher Leistungen im gesamten Bereich des öffentlichen Rechts eingetreten ist, als auch die Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts und nicht zuletzt die hiermit verbundenen verwaltungstechnischen Probleme Berücksichtigung finden müssen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Staatssekretär, sind Sie - wenn wir unterstellen, daß die höchstrichterlichen Urteile, von denen Sie gerade gesprochen haben, auf Grund der bestehenden Gesetze gefällt worden sind - nicht mit mir der Ansicht, daß bei dem Ungleichgewicht zwischen den Versicherungsträgern und dem einzelnen klagenden Staatsbürger, auf Grund der schlechteren finanziellen Möglichkeiten der Kläger gegenüber den Beklagten, meistens Sozialrentner oder Kriegsopfer, hier eine andere Regelung auch deshalb gefunden werden muß, weil die lange Dauer der Prozesse die Verhältnisse von früher einfach verändert hat?
Herr Abgeordneter, ich sagte, die Frage wird im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geprüft.
Herr Abgeordneter Dröscher, zweite Zusatzfrage.
Kann ich dieser Andeutung entnehmen, daß man dem Problem grundsätzlich positiv gegenübersteht?
Ich kann die Frage mit Ja beantworten.
Ich rufe die Frage XI/2 der Abgeordneten Frau Rudoll auf:
Hält die Bundesregierung die Feststellungen von Prof. Dr. Stoll, Mannheim, über die er auf dem Fortbildungskongreß in Meran gesprochen hat, für richtig, daß hei der Mehrzahl der klinischen Entbindungen der Klinik nicht das Sprechstundenblatt nach den Richtlinien über die Vorsorgeuntersuchung von Schwangeren vorgelegen hat?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
Der Bundesregierung ist der genaue Wortlaut der Meraner Äußerungen von Herrn Professor Dr. Stoll nicht bekannt. Ich vermag daher nicht zu sagen, ob Herr Professor Dr. Stoll Feststellungen, wie sie in Ihrer Frage zum Ausdruck kommen, getroffen hat.
Um aber eine Übersicht über die Erfahrungen bei der Anwendung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu gewinnen, wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Bundesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung um einen Bericht hierüber bitten. Im Rahmen dieses Berichtes sollen dann auch die Erfahrungen mit dem sogenannten Sprechstundenblatt dargestellt werden.
Frau Rudoll!
Kennen Sie die Zeitschrift der Ortskrankenkassenverbände? In ihr ist ein Artikel über diese Tagung erschienen. Wenn Sie Wert darauf legen, kann ich Ihnen die Nummer und das Erscheinungsdatum mitteilen.
3328 Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode Kattenstroth, Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung: Frau Abgeordnete, ich kenne die Zeitschrift. Ich habe den Aufsatz allerdings nicht gelesen. Damit wir aber nicht von dem Votum eines Professors oder einer sachverständigen Persönlichkeit abhängig sind, möchte sich das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einen Überblick über die Erfahrungen insgesamt verschaffen. Ich habe gesagt, daß wir uns bei dieser Überprüfung befinden.
Ich rufe die Frage XI/3 der Abgeordneten Frau Rudoll auf:
Bemüht sich die Bundesregierung, die unter den Ärzten bestehende Auffassung zu berichtigen, daß die Mutterschaftsrichtlinien keine Weltergabepflicht bezüglich der Sprechstundenblätter an die Krankenhausärzte vorsehen?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
Die Richtlinien, Frau Abgeordnete, sehen unter Nr. 21 vor, daß bei einem Wechsel des Arztes die vorliegenden Befunde von dem ersten Arzt dem anderen Arzt zur Verfügung gestellt werden sollen, wenn die Schwangere zustimmt. Für den Fall, daß der von uns anzufordernde Bericht ergibt, daß unter den Ärzten die in Ihrer Frage dargestellte Auffassung besteht, wird sich die Bundesregierung bei den mit der Durchführung der Richtlinien betrauten Körperschaften der Ärzte und Krankenkassen um eine Änderung dieser Auffassung bemühen.
Frau Rudoll, eine Zusatzfrage? - Wird nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage XI/4 der Abgeordneten Frau Rudoll auf:
Unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der Ärzteschaft, in der Bundesrepublik einen einheitlichen Mütterpeß einzuführen, in den viele der im Formular des Sprechstundenblattes vorgesehenen Eintragungen übernommen werden, um den Krankenhausärzten durch den Mütterpaß wesentliche Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen von Schwangeren rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen?
Die Einführung eines einheitlichen Mütterpasses in der Bundesrepublik wirft eine Reihe grundsätzlicher, zum Teil auch rechtlicher Fragen auf, die einer eingehenden Prüfung bedürfen. In diese Prüfung müßten mehrere Bundesressorts eingeschaltet werden. Von dem Ergebnis dieser Prüfung würde abhängen, ob Bemühungen der Ärzteschaft um Einführung eines solchen Mütterpasses unterstützt werden können.
Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage XI/5 des Abgeordneten Killat auf:
Wie hoch ist der bisher eingetretene Beitragsverlust hei den Trägern der Deutschen Rentenversicherung auf Grund der mit der Härtenovelle vorgenommenen Streichung des § 1386 der Reichsversicherungsordnung, der die Arbeitgeber aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zur Beitragsleistung von beschäftigten Rentnern und Pensionären verpflichtete?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.
Zu der Zeit, als noch die Arbeitgeberanteile für beschäftigte Altersruhegeldempfänger entrichtet werden mußten, sind die Einkünfte aus diesen Anteilen in den Beitragseinnahmen der Versicherungsträger nicht getrennt erfaßt worden. Infolgedessen besitzen weder der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung noch der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Unterlagen für die Feststellung des Beitragsausfalles, der durch den Fortfall der Arbeitgeberanteile für beschäftigte Altersruhegeldempfänger entstanden ist. Bei der Streichung des § 1386 der Reichsversicherungsordnung und des § 113 des Angestelltenversicherungsgesetzes durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965, die sogenannte Härtenovelle, ist seinerzeit der Beitragsausfall auf rund 200 Millionen DM jährlich geschätzt worden. Diese Schätzung dürfte vielleicht zu hoch gewesen sein. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat in ihrem Haushaltsplan für 1966 nur einen Beitragsausfall von 15 Millionen DM angenommen.
Herr Abgeordneter Killat, erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie viele Rentner und Pensionäre nach Schätzung des Bundesarbeitsministeriums durch den Fortfall dieser Beitragspflicht für die Arbeitgeber als zusätzliche Arbeitskräfte gewonnen worden sind?
Ich kann diese Frage nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Nach unseren Feststellungen, die wir auf Grund Ihrer Frage getroffen haben, ist es auch wohl sehr schwer, darüber eine exakte Zahl anzugeben.
Herr Abgeordneter Killat, zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die seinerzeitige Bestimmung über die Beitragspflicht auch für Rentner und Pensionäre war eine arbeitsmarktpolitische Schutzvorschrift. Besteht nunmehr nicht die Gefahr, daß bei gewissen kritischen Entwicklungen oder auch strukturellen Änderungen der um 7 % teurere ältere Angestellte entlassen wird und dagegen die Pensionäre und Ruhegeldempfänger weiter beschäftigt werden?
Herr Abgeordneter, mit einer solchen Möglichkeit ist natürlich immer zu rechnen. Ich hoffe nur im Interesse der älteren Arbeitnehmer, daß die Arbeitgeber eine solche Möglichkeit nicht ausnutzen werden.
Damit ist die Frage beantwortet. Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Vizepräsident Frau Dr. Probst
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf, und zwar zunächst die Frage XII/1 des Herrn Abgeordneten Collet:
Welche Gründe haben dazu geführt, daß in Zweibrücken der Standort der Bundeswehr mit Ausnahme einer kleinen Außenstelle aufgelöst wird?
Frau Präsidentin, ich bitte, die drei Fragen des Abgeordneten Collet im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Besteht Einverständnis? - Das ist so.
Ich rufe dann auch noch die Fragen XII/2 und XII/3 des Herrn Abgeordneten Collet auf:
Ist sich die Bundesregierung darüber klar, welche Konsequenzen sich aus der in Frage XII/1 erwähnten Auflösung für clic Stadt Zweibrücken ergeben?
In welcher Weise hat die Bundesregierung dafür Sorge getragen, daß die deutschen Zivilbeschäftigten durch die in Frage XII/1 erwähnte Auflösung in ihrer Existenz gesichert sind?
Der Grund für diese Bitte, Herr Abgeordneter, liegt darin, daß gestern am späten Nachmittag im Bundesverteidigungsministerium eine Mitteilung der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland eingegangen ist, die die bisherigen Unterbringungswünsche der Amerikaner in Zweibrücken modifiziert. Bisher hatte es den Anschein, als ob große Teile der deutschen Garnison verlegt werden müßten. Ich habe nunmehr den Eindruck, daß sich eine Verlegung in diesem großen Umfange nicht als notwendig herausstellen wird. Im gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings läßt sich Endgültiges nicht sagen. Die Verhandlungen mit den Amerikanern müssen fortgeführt werden.
Unter diesen Umständen ist es auch nicht möglich, abzuschätzen, welche Konsequenzen eine Verringerung der deutschen Garnison für die Stadt Zweibrükken hätte. Der Oberbürgermeister hat bei seiner Vorsprache mit einer Delegation des Stadtrates am 14. Oktober - wenn ich das Datum richtig in Erinnerung habe - dargelegt, daß eine Verlegung großer Teile der deutschen Garnison nachteilige Auswirkungen für die Stadt hätte. Es war vereinbart worden, daß diese Angaben konkretisiert und mit Zahlen belegt werden sollten, damit eine Nachprüfung möglich wäre. Eine solche Darstellung ist mir bisher nicht vorgelegt worden.
Aus dem erwähnten Grunde ist es auch nicht möglich, zu sagen, ob und wie viele zivile Arbeitnehmer der Deutschen Bundeswehr bei einer Verlegung von Teilen der Garnison betroffen werden und ob das überhaupt ins Gewicht fällt. Es ist ganz selbstverständlich, daß sich die Bundeswehr um eine anderweitige Unterbringung - soweit notwendig -- unter Schonung des bisherigen Besitzstandes und der Rechtsstellung dieser zivilen Arbeitnehmer - bemühen würde.
Zu der Frage, aus welchen Gründen überhaupt eine Umgarnisonierung in Zweibrücken in Erwägung gezogen werde, ist folgendes zu sagen: Das Ausscheiden Frankreichs aus der integrierten Kommandostruktur der NATO zwingt die amerikanischen Streitkräfte, ihre Einrichtungen bis zum 31. März 1967 aus Frankreich zu verlegen, Die amerikanischen Streitkräfte sind mit der Bitte um Stationierungshilfe auch an die Bundesrepublik herangetreten. In erster Linie handelt es sich um die Unterbringung von Einrichtungen und Dienststellen der Logistik, an denen die Bundeswehr selbst im Rahmen der kooperativen Logistik sehr interessiert ist.
Wegen der Überlassung von Unterkunftsraum in Zweibrücken sind die Amerikaner am 18. und 19. Juli 1966 schriftlich an das Bundesverteidigungsministerium herangetreten. Bei der Prüfung der damaligen Wünsche blieb für die Unterbringung eines zentralen logistischen Stabes als einzig geeigneter Standort Zweibrücken übrig. Andere deutsche Garnisonsorte, die die Mindestforderungen der amerikanischen Streitkräfte nach Größe und Lage erfüllen würden, gibt es nicht.
Nachdem die Präsenz der amerikanischen Truppen in Deutschland von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses als wesentlicher Bestandteil der deutschen Sicherheit anerkannt wird, konnte und durfte wohl auch der Wunsch der amerikanischen Streitkräfte nicht abgeschlagen werden, ihnen bei der Verlegung ihrer Stäbe und Einrichtungen aus Frankreich behilflich zu sein.
Herr Abgeordneter, ich erkläre, daß ich Ihnen und auch den übrigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, die sich bereits früher wegen der Belegung der Stadt Zweibrücken an das Bundesverteidigungsministerium gewandt haben, das Ergebnis der noch anhängigen Verhandlungen mit den amerikanischen Streitkräften in Deutschland so rasch als möglich mitteilen werde.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Collet.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung den US-Streitkräften im Standort Zweibrücken mehr Raum für Unterkünfte angeboten hat, als von den Amerikanern speziell in Zweibrücken gefordert wurde?
Nein, das trifft nicht zu. Im übrigen wiederhole ich aus meiner Antwort, daß die Verhandlungen über die Unterbringungswünsche der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland bezüglich Zweibrückens noch andauern.
Zweite Frau r Probst: Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Collet.
Herr Staatssekretär, auf welche Informationen stützen sich die Mitteilungen von Herrn Ministerpräsidenten Altmeier und Herrn Staatssekretär Duppré, nach denen diese Herren
der Stadt Zweibrücken vor einigen Wochen mitgeteilt haben, daß nur geringfügige deutschen Truppeneinheiten nach außerhalb verlegt werden müßten?
Sie stützen sich auf Mitteilungen über den damaligen Stand der Verhandlungen mit den amerikanischen Streitkräften. Die damalige Planung sah vor, daß von deutscher Seite in Zweibrücken der Brigadestab und die Stabs- und Versorgungskompanie einer Luftlandebrigade zurückbleiben, während die übrigen deutschen Truppenteile in andere Garnisonsorte verlegt werden sollten. Das entsprach dem damaligen Stand der Verhandlungen, über den auch die Stadt informiert worden ist. Inzwischen hat sich das, wie ich in meiner Antwort ausgeführt habe, geändert.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Staatssekretär, bietet dieser Fall Zweibrücken nicht wieder Anlaß dafür, zu überlegen, ob es nicht doch zweckmäßiger wäre, auch die Beschäftigten bei den alliierten Streitkräften in den öffentlichen Dienst zu übernehmen, damit die Mobilität der Bündnistruppen in den einzelnen Garnisonen besser gewährleistet wäre? Dann hätten wir dieses Problem nicht!
Herr Abgeordneter, zunächst einmal steht in dem konkreten Fall noch nicht fest, ob welche und wie viele deutsche Arbeitnehmer betroffen sein werden. Sie wissen aber selbst, daß sich das Bundesverteidigungsministerium in dieser Hinsicht in der Vergangenheit bemüht hat und auch gewisse Fortschritte erzielen konnte. Wir werden diese Bemühungen fortsetzen.
Herr Abgeordneter Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, wenn ich recht gehört habe, sagten Sie, daß das Ansuchen der Amerikaner am 18. und 19. Juli erfolgt sei. Wenn dies so ist, stimmen Sie dann mit meiner Überlegung überein, daß die Behauptung, der Bundesminister der Verteidigung habe bereits im Juni bei einer Rede anläßlich der Vereidigung in Zweibrücken dieses Ansuchen gekannt und deshalb in seiner Rede Aussagen gemacht, die nicht zutreffen, falsch ist?
Eine solche Behauptung wäre falsch. Das Bundesverteidigungsministerium ist von den amerikanischen Wünschen auf Überlassung von Unterkunftsraum in Zweibrücken, wie ich in meiner Antwort gesagt habe, erstmals - ich darf es noch einmal nachlesen - mit Schreiben vom 18. und 19. Juli unterrichtet worden. Herr Bundesminister von Hassel konnte infolgedessen im Juni, als er
meiner Erinnerung nach in Zweibrücken war, davon noch nichts wissen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie, da sich eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses früher in der hier angesprochenen Frage an den Bundesminister der Verteidigung gewendet haben, abschließend fragen: wann, glauben Sie, ist mit einer endgültigen Beschlußfassung über diese Frage zu rechnen?
Den Zeitbedarf kann ich deswegen um so weniger angeben, als es sich nicht um ein lokales Problem Zweibrücken handelt. Im Falle von Verlegungen von Garnisonen oder Teilen von Garnisonen werden unter Umständen eine Vielzahl von Garnisonsstädten betroffen. Es ist ein sehr schwieriges Verfahren, das im einzelnen auszuhandeln. Ein gewisser Zeitdruck geht von dem Datum aus, das ich genannt habe, also davon, daß die amerikanischen Streitkräfte in Europa ihre Basen in Frankreich bis zum 31. März des nächsten Jahres geräumt haben müssen. Für die Verlegungen steht demnach relativ wenig Zeit zur Verfügung.
Herr Abgeordneter Brück zu einer Zusatzfrage bitte.
Herr Staatssekretär, bedenken Sie bei der Behandlung dieses Problems auch, daß bei den deutschen Einheiten in Zweibrücken vor allem Rekruten aus dem Saarland und aus der Pfalz dienen und, wenn sie in ein anderes Bundesland verlegt würden, der Kontakt zu ihren Familien sehr erschwert würde?
Mir ist bekannt, Herr Abgeordneter, daß das bedingt, daß die Rekruten aus dem Saargebiet oder dem angrenzenden pfälzischen Raum bis zu ihren Garnisonsorten unter Umständen größere Entfernungen zurücklegen müssen.
Herr Abgeordneter Collet zur dritten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin vorgetragen, nach Ihrer Information sei noch keine Mitteilung eingegangen, aus der hervorgehe, welche wirtschaftlichen Konsequenzen sich für Zweibrücken aus einer solchen Verlegung ergäben. Ist Ihnen nicht bekannt, daß durch Ausgaben der Truppen und ihrer Angehörigen in Zweibrücken ein Umsatz von durchschnittlich 9 Millionen DM im Jahr festgestellt wurde?
Herr Abgeordneter, ich habe in der Besprechung mit dem Herrn Oberbürgermeister
von Zweibrücken ausdrücklich vereinbart - und es ist mir zugesagt worden -, daß die Stadtverwaltung das Material vorlegen werde. Ich wiederhole, daß ich es bisher noch nicht gesehen habe.
Herr Abgeordneter Collet zur vierten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß, nachdem in den vergangenen Jahren für Unterkünfte, Sportstätten und Wohnungen für die Familien in Zweibrücken sehr hohe Investitionen vorgenommen wurden, solche Kosten vom Bund und damit vom Steuerzahler erneut für einen anderen Standort getragen werden müßten?
Ich möchte annehmen, daß das im Grunde zutrifft. Aber hier sind die verschiedenen Interessen und Notwendigkeiten gegeneinander abzuwägen, Herr Abgeordneter. In diesem Fall - ich habe das ausgeführt - müssen und sollten wir den amerikanischen Streitkräften in Europa im Rahmen unserer Möglichkeiten behilflich sein.
Herr Abgeordneter Collet zur fünften Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hätten Sie es nicht für sinnvoller gehalten, den Amerikanern gleich die Plätze und Standorte anzubieten, die Sie zur Verlegung der deutschen Truppen angeboten haben - beispielsweise in Kaiserslautern und Bexbach, wo es noch freie Unterkünfte gab -, da doch die Amerikaner dann auch in dem gleichen Raum stationiert wären, auf den sie Wert legen?
Nach den Informationen, die ich besitze, gab es in dem Raum um Zweibrücken keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten, so daß zum Teil größere Verlegungen geplant werden mußten.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Collet!
Wie erklären Sie es sich dann, daß die von Zweibrücken wegzuverlegenden Truppen beispielsweise zum Teil nach Kaiserslautern und Bexbach verlegt werden sollten?
Ich sagte, Herr Abgeordneter, daß nicht alle Truppen in diesem Raum unterzubringen waren. Ein Teil sollte im Raum der Pfalz untergebracht werden, soweit das möglich war. Nur wenn das nicht möglich war, mußte man sich zu Verlegungen in weiter entfernte Garnisonsorte entschließen.
Herr Abgeordneter Kaffka.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung überhaupt die Absicht, die deutsche Garnison in Zweibrücken zu erhalten?
Das geht aus den bisherigen Verhandlungen und meinen Antworten, wie ich glaube, eindeutig hervor. Soweit sich das nur irgendwie ermöglichen läßt, ist es natürlich auch unser Bestreben, daß Verlegungen mit all den Konsequenzen, die damit für die Familien, für die schulpflichtigen Kinder und dergleichen verknüpft sind, auf ein geringstmögliches Maß beschränkt bleiben.
Herr Abgeordneter Kaffka, zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie die Frage: Wird eine deutsche Garnison nach anderen Maßen bemessen als in diesem Falle eine amerikanische?
Ich weiß nicht, worauf Sie mit dieser Frage hinauswollen, Herr Abgeordneter. Würden Sie das bitte erläutern.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Nähe von Zweibrücken, in Landau, weite Bereiche von Kasernenanlagen freistehen, in die ohne weiteres amerikanische Truppen hineingelegt werden könnten?
Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Damit sind wir am Ende des ersten Punktes der Tagesordnung, der Fragestunde, angekommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersichten 9 und 10 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
- Drucksachen V/1026, V/1027 -
Das Wort zur Beratung wird nicht begehrt. Ich schließe die Beratung. Die Anträge liegen Ihnen vor. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es ist antragsgemäß beschlossen.
Ich rufe nunmehr die Beratung zu den Punkten 3 bis 6 - einschließlich des Punktes 6 b) - der Tagesordnung auf:
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 ({1})
- Drucksache V/1000 4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset3332
Vizepräsident Frau Dr. Probst
zes über das Beteiligungsverhältnis an der
Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
- Drucksache V/1066 5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung ({2})
- Drucksache V/1067 -
6. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetsez zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung ({3})
- Drucksache V/1068
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Zweiten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung ({4})
- Drucksache V/1096 Ich darf davon ausgehen, daß bei der Begründung zum Haushaltsgesetz der Herr Bundesfinanzminister die unter den Punkten 4 bis 6 a genannten Vorlagen bereits mit eingebracht hat. Auf Begründung des Punktes 6 b wird verzichtet. Ich schlage dem Hohen Hause vor, die Aussprache über die Punkte 3 bis 6 a sowie 6 b der Tagesordnung zu verbinden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn der Aussprache über den Entwurf eines Bundeshaushaltes für das Jahr 1967 habe ich namens meiner politischen Freunde aus der CDU/CSU an die Bundesregierung, aber insbesondere an Herrn Minister Schmücker, dem ich auch zu seinem heutigen 47. Geburtstag recht herzlich gratulieren darf,
({0})
und seinen engeren Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium sowie an die Herren Staatssekretär Grund und Ministerialdirektor Korff vom Finanzministerium und an alle ihre Mitarbeiter ein herzliches Wort des Dankes zu richten. Sie haben in diesen Wochen und Tagen weit über das Maß des Üblichen hinaus - wohl bedingt durch die Lage, die hier in Bonn entstanden war - ihre Pflicht getan. Mir ist bekannt, daß bis an die Grenze des physisch noch Möglichen gearbeitet wurde. Das heute und jetzt hier festzustellen und gleichzeitig besonders anzuerkennen, scheint mir nicht nur Pflicht der CDU, sondern Pflicht des gesamten Deutschen Bundestages zu sein.
({1})
Heute sind es genau zwei Wochen her, seit die von vielen schon lange herbeigeredete und heraufbeschworene Krise eintrat. Regierungskrise - ja, das ist es, was wir im Augenblick noch erleben. Hoffen wir, daß sie bald vorüber ist! Hüten wir uns aber davor, meine Damen und Herren, uns und unserem Volk einzureden oder einreden zu lassen, daß wir uns in einer Staatskrise befinden! Das wird doch hoffentlich dieser Bundestag - und er hat dazu die Möglichkeit - niemals zulassen. Alle Seiten dieses Hauses sind sich in diesem Wollen hoffentlich einig.
({2})
Wir haben aber auch keine Wirtschaftskrise, wenn auch, wie wir alle wissen, Schwierigkeiten in Teilbereichen der Wirtschaft vorhanden sind. Diese wird es aber immer geben; sie sind nichts Außergewöhnliches. Als wir uns im Februar über das Sachverständigengutachten unterhielten, hat niemand an solche Schwierigkeiten gedacht.
Aber auch diese, von uns sicherlich ernstzunehmenden Schwierigkeiten ändern nichts an der tatsächlichen Lage. Wider Erwarten hat der Export einen beträchtlichen Aufschwung genommen. Unvermindert hält die Vollbeschäftigung an, obgleich nicht verkannt werden darf, daß der Arbeitsmarkt in Bewegung geraten ist. Trotzdem, zur Unruhe ist kein Anlaß.
({3})
Denn von über 20 Millionen Beschäftigten wurden Ende Oktober, wie die Zahlen, die gestern in den Zeitungen veröffentlicht worden sind, ausweisen, nur 145 800 als arbeitslos registriert. Gleichzeitig waren immer noch 436 090 offene Stellen vorhanden, und die Zahl der beschäftigten Gastarbeiter - die ja nur den Mangel an eigenen Arbeitskräften ausgleichen - liegt weiterhin über der Millionengrenze.
Was aber am bedeutsamsten ist: Seit dem Frühjahr ist die Preisentwicklung ganz spürbar ruhiger geworden. Also keine Krise, sondern Beruhigung der Konjunktur, wie sie noch im September anläßlich der ersten Lesung des Stabilitätsförderungsgesetzes von allen Fraktionen dieses Hauses verlangt worden ist. Die Konjunkturmotoren laufen also langsamer. Da ist noch nicht beunruhigend, und wir alle sind verpflichtet, dieses unserem Volk zu sagen und die falsche Meinung über die wirtschaftliche Lage und deren weitere Entwicklung richtigzustellen. Ein guter Anlaß ist die erste Lesung des Haushalts, weil eine falsche Volksmeinung von einer Wirtschaftskrise sehr leicht zu Fehl- oder gar Panikreaktionen führen kann, die unsere Überlegungen zum Haushalt unmittelbar beeinflussen müssen. Unsere Bürger können davon überzeugt sein, daß zu ernster Besorgnis und zu Angst vor einer allgemeinen Wirtschaftskrise wirklich kein Anlaß besteht.
({4})
Auch die einschränkenden Maßnahmen, die angekündigt sind, um die Haushalte der kommenden Jahre in Ordnung zu halten, ändern daran nichts. Auch sie sind notwendig zur Erhaltung, Festigung und weiteren Mehrung unseres gemeinsam erarbeiteten Wohlstands.
Die erste Lesung des Entwurfs des Haushalts 1967 unterscheidet sich grundlegend von allen früheren Debatten über die Haushaltsrede, die seit der Errichtung der Bundesrepublik in diesem Hohen Hause
stattgefunden haben. Allen Haushaltsentwürfen war gemeinsam, daß sie unter dem Spannungsverhältnis zwischen den politisch und sachlich erstrebenswerten Wünschen und Forderungen und den beschränkten Deckungsmöglichkeiten standen. Auch in Zeiten stürmisch aufsteigender Konjunktur und wachsender Steuereinnahmen reichten die zu erwartenden Einnahmen insgesamt niemals aus, um auch nur annähernd alle Wünsche zu erfüllen.
Bei dem nunmehr vorgelegten Haushaltsentwurf scheinen sich dagegen alle ungünstigen Entwicklungen zusammengefunden zu haben. An der Frage, wie die öffentlichen Finanzprobleme gelöst werden sollen, ist die bisherige Regierungskoalition zerbrochen. Ausgangspunkt war die große Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im Bundeshaushalt und die Frage nach ihrer Deckung. Die Ursachen der Dekkungslücke und - das sollte man wieder einmal feststellen - auch der zu erwartenden Deckungslücken in den kommenden Haushalten liegen schon in früheren Jahren, nicht erst in den Jahren 1964 und 1965. Der Bundestag - also Abgeordnete aller hier vertretenen Parteien - ist der Versuchung erlegen, mit weit über das vernünftige, noch vertretbare Maß hinausgehenden staatlichen Leistungen die Gunst der Wähler zu gewinnen. Politik wurde oft mit Geld-ausgeben gleichgesetzt. Die Warnungen weniger Kollegen aus allen Fraktionen dieses Hauses wurden in den Wind geschlagen. So entstanden Forderungen an den Staat, die in vollem Umfang einfach nicht befriedigt werden können. Schon Ende 1965 mußte daher das sogenannte Haushaltssicherungsgesetz gesetzlich festgelegte oder vorgesehene Verpflichtungen in Milliardengröße außer Kraft setzen.
Nun aber, ein Jahr später, stehen wir vor neuen einschneidenden Maßnahmen. Schon die Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1967 begegnete großen Schwierigkeiten, da das Haushaltssicherungsgesetz vom 24. Dezember des vergangenen Jahres überwiegend nur den Ausgleich des Bundeshaushalts 1966 sicherstellte. Die Bundesregierung sah sich deshalb gezwungen - und es ist zu begrüßen, daß sie sich hierzu frühzeitig entschlossen hat -, zugleich mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 1967 die Entwürfe eines Steueränderungsgesetzes und eines Finanzplanungsgesetzes einzubringen. Beide Gesetze sollen, wie ihr Name sagt, zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung dienen.
Ich kann zugleich im Namen meiner Freunde dieses Vorgehen der Bundesregierung, ohne mich auf Einzelheiten festzulegen, nur begrüßen. Die erstmals für 1965 und in verbesserter Form für 1966 gegebenen mittelfristigen Finanzvorausschauen auf die künftige Entwicklung des Bundeshaushalts haben trotz aller vorhandenen Mängel uns in der CDU/ CSU-Fraktion schon frühzeitig erkennen lassen - und wir haben das anläßlich der Beratung des Haushalts 1966 bereits gesagt -, daß der Ausgleich künftiger Haushalte weitere rigorose Eingriffe voraussetzen wird. Auch ist uns klar, daß wir uns nicht darauf beschränken dürfen, nur den Haushalt 1967 auszugleichen. Unumgänglich sind vielmehr weiterreichende Maßnahmen zur Sicherung einer längerfristig ausgeglichenen Entwicklung der öffentlichen Haushalte im Rahmen der Gesamtwirtschaft.
({5})
Leider traten bereits wenige Wochen nach Verabschiedung des Entwurfs durch das Kabinett Umstände ein, die im Zeitpunkt der Verabschiedung entweder noch nicht erkennbar oder noch nicht überschaubar waren; vorher war eine gewisse Haushaltsreife für bestimmte Mittel noch nicht vorhanden. Ich meine dabei die Abwicklung des Devisenausgleichsabkommens mit den Vereinigten Staaten und die als Folge der Beruhigung der Konjunktur notwendige Neuschätzung der Steuereinnahmen des Bundes. Beide Umstände zwangen dazu, über den Haushalt hinaus Deckung für zu erwartende Steuerausfälle in Höhe von 1 090 000 000 DM und für fällig werdende Devisenausgleichsleistungen in Höhe von rund 1,3 Milliarden DM zu finden. Mit anderen Worten, die Haushaltslage hat sich unter diesen Gesichtspunkten innerhalb von wenigen Wochen um rund 2,4 Milliarden DM verschlechtert.
Bei diesen Darlegungen habe ich den Streit zwischen dem Bund und den Ländern über den Anteil an den Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer bewußt vernachlässigt, ohne zu übersehen, daß eine Durchsetzung des Standpunkts der Länder zu einer weiteren Haushaltsverschlechterung um Milliarden DM führen würde. Die Bundesregierung hat nämlich durch die gleichzeitige Einbringung eines Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer den gesetzgebenden Körperschaften vorgeschlagen, das bestehende Beteiligungsverhältnis von 39 : 61 zu belassen. Da der Haushaltsentwurf nicht mehr und nicht weniger als eine zahlenmäßige Vorausschau der Bundesregierung über die Finanzwirtschaft des Bundes im kommenden Rechnungsjahr darstellt, ist sie meines Erachtens nicht gehalten, sich den Rechtsstandpunkt der Länder zu eigen zu machen, solange ihr Gesetzentwurf von den gesetzgebenden Körperschaften nicht behandelt und abgelehnt worden ist.
Wir regen in diesem Zusammenhang an, auch das Gesetz über das Beteiligungsverhältnis so schnell wie möglich zu behandeln, damit wir hoffentlich zur dritten Lesung schon ein Ergebnis der Verhandlungen vorliegen haben.
({6})
Wenn unter diesen Umständen, meine Damen und Herren, auch aus diesem Hause Stimmen laut geworden sind, daß der vorgelegte Haushaltsentwurf nicht den Anforderungen des Grundgesetzes entspreche und damit keine Grundlage für die Beratungen in diesem Hohen Hause sei, muß ich diese Auffassung schärfstens zurückweisen. Für die Frage der Ausgeglichenheit des Haushaltsentwurfs kann nur der Zeitpunkt der Verabschiedung durch die Bundesregierung maßgebend sein.
Nach den Finanzverfassungsbestimmungen des Grundgesetzes sind alle Verfassungsorgane, nämlich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, verpflichtet, einen in Einnahme und Ausgabe ausgeglichenen Haushalt aufzustellen und zu verabschie3334
den. Dieses Hohe Haus darf es sich daher nicht so einfach machen, wie dies draußen in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen namhafte Institutionen getan haben. Dieses Hohe Haus kann sich auch nicht in die gleiche Lage versetzen wie der Bundesrat, der im ersten Durchgang den Haushaltsentwurf als ungeeignet bezeichnet, aber sich gleichzeitig versagt hat,
({7})
Vorschläge zu machen, wie der Haushaltsplan nach seiner Auffassung ausgestaltet werden sollte, um den Anforderungen des Artikels 110 des Grundgesetzes zu entsprechen.
({8})
Ja, der Bundesrat hat noch nicht einmal die immerhin zu erwägenden Ergebnisse, die seine Ausschüsse erarbeitet haben, als Material aufgenommen oder weitergegeben.
Der Bundestag kann einer klaren Entscheidung nicht ausweichen; denn das Gebot einer ausgeglichenen Haushaltswirtschaft verpflichtet auch dieses Hohe Haus. Eine Ablehnung des Gesetzes wäre zwar formell möglich. Dadurch würde aber mit Sicherheit, meine Damen und Herren, unserem Staat unabsehbarer und nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt.
Machen wir uns die Folgen einer Ablehnung des Haushaltsentwurfs und der ihn begleitenden Gesetze einmal zahlenmäßig klar; vielleicht gibt uns das die Nüchternheit, die uns allein zu richtigen Entscheidungen führen kann.
Bei Verzögerung der Behandlung des Finanzplanungsgesetzes, so daß es vor Ende dieses Jahres nicht mehr verabschiedet werden könnte, würden Kürzungen in Höhe von rund 100 Millionen DM monatlich bei laufenden Ausgaben nicht eintreten. Bei einer Verspätung des Wirksamwerdens des Steueränderungsgesetzes würde bereits bei einer Verzögerung um einen Monat mit einem Ausfall von Mehreinnahmen in Höhe von rund 250 Millionen DM zu rechnen sein. Wenn das gesamte Gesetzeswerk z. B. erst im Mai in Kraft träte, beliefe sich die Verschlechterung der Haushaltslage nach den vorliegenden Gesetzentwürfen auf mehr als eine Milliarde DM. Sollten die Länder nur 35 % Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer abführen, so würde die Haushaltslücke aus einem verspäteten Inkrafttreten des Gesetzeswerkes auf weit über 1,6 Milliarden DM steigen. Unter Berücksichtigung der nach Verabschiedung des Entwurfs eingetretenen Verschlechterung würde auf das Jahr gerechnet ein Fehlbetrag in der Größenordnung von weit über 4 Milliarden DM entstehen. Bei der Langwierigkeit unseres Gesetzgebungsverfahrens könnte dieser Fehlbetrag auch durch noch so rigorose Steuererhöhungen im Rechnungsjahr 1967 nicht mehr aufgeholt werden.
Da der Bund auch, ganz abgesehen von der gegenwärtigen Schwäche des Geld- und Kapitalmarkts, keine Möglichkeit besitzt, Lücken dieser Größenordnung durch Kassenkredite auszufüllen, würde eine solche Entwicklung dazu zwingen, alle nicht gesetzlich und vertraglich gebundenen Leistungen und Maßnahmen einzustellen. Was ein derartiger Ausgabenstopp für die deutsche Volkswirtschaft bedeuten würde, ist kaum abzusehen. Das von anderer Seite gebrauchte Wort, daß aus der Kabinettskrise keine Wirtschafts- oder gar Staatskrise werden darf, ist - nur in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren - daher leider keine überspitzte Formulierung, sondern könnte allzu leicht Wirklichkeit werden, dann nämlich, wenn nicht alle Fraktionen dieses Hohen Hauses - und ich nehme dabei keine aus - die Bereitschaft zeigen, jenseits von Parteiinteressen das Notwendige zur Gesunderhaltung unseres Wirtschaftsgefüges und unseres Staatswesens zu tun.
({9})
Auch die Kassenlage des Bundes zwingt zu sofortigem Handeln. Die Kassenlage hat sich, wie wir wissen, 1966 gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Das ist im wesentlichen eine Folge des stärkeren Abflusses der Haushaltsmittel im Bereich der Verteidigung, der schon im ersten Rechnungshalbjahr das zeitanteilige Soll überschritten hat. Außerdem wird die Kassenlage durch den Fehlbetrag 1965 belastet, der in Höhe des Restbetrages von 528 Millionen DM erst im Laufe des Jahres 1967 haushaltsmäßig abgedeckt wird. Die schon bestehenden Schwierigkeiten werden noch erhöht, da der Haushalt 1966 auf Grund der neueren Entwicklung auf der Einnahmeseite voraussichtlich mit einem kassenmäßigen Defizit abschließen wird. Diese Situation ist besonders deshalb bedrohlich, weil bereits jetzt für die erste Hälfte des Jahres 1967 ein erhöhter Liquiditätsbedarf des Bundes absehbar ist. Ich nenne hier nur die erhöhten Leistungen zugunsten des Devisenausgleichsabkommens und das zu erwartende geringere Steueraufkommen.
Diese Umstände zusammengenommen begründen die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit des Bundes im Laufe des ersten Halbjahres 1967. Zur Ermöglichung der laufenden Ausgaben ist der Bund ohnehin in jedem Jahr zur Inanspruchnahme von Kassenkrediten bei der Bundesbank gezwungen. Die Kreditlinie, bis zu der die Bundesbank im äußersten Notfall gehen kann, beläuft sich nach dem Bundesbankgesetz auf 3 Milliarden DM. Selbst wenn dieser Betrag in voller Höhe zur Verfügung stände - was eine echte Geldschöpfung mit den sich daraus ergebenden währungspolitischen Konsequenzen bedeutete -, würde auch das nicht ausreichen, die Zahlungsfähigkeit des Bundes im ersten Halbjahr 1967 sicherzustellen. Auch daraus ergibt sich die unabdingbare Forderung, Ausgabenkürzungen und Einnahmeverbesserungen in jedem Fall zum 1. Januar 1967 wirksam werden zu lassen.
Meine Freunde und ich begrüßen daher das mutige Vorgehen der Bundesregierung, trotz fehlender Mehrheit einen umfassenden Vorschlag zur Vermeidung einer Finanzkrise vorzulegen. Der Vorschlag, den Herr Kollege Minister Schmücker in seiner Haushaltsrede vorgetragen hat, enthält nämlich nicht nur - das möchte ich besonders hervorkehren, weil es in den letzten Tagen untergeganLeicht
gen ist - negative Vorschläge in Gestalt von Kürzungen und Steuererhöhungen, sondern umfaßt audi die Lösung oder doch wenigstens den ersten Schritt zur Lösung wesentlicher Finanzprobleme für die Zukunft. Ich nenne nicht nur die völlige Abwicklung des laufenden Devisenabkommens mit den USA durch Anhebung des Verteidigungshaushalts um rund 1,1 Milliarden DM, sondern auch einen ersten und entscheidenden Beitrag zur Lösung der Nahverkehrsprobleme in den Gemeinden und die Anpassung der Zuschüsse an die knappschaftliche Rentenversicherung an den echten Bedarf, der durch die verschiedenen Maßnahmen zur Lösung der Kohlenkrise fühlbar steigen muß. Mit den vorgesehenen Mehrausgaben von 1,9 Milliarden DM werden daher öffentliche Bedürfnisse gedeckt, die wohl von keinem Mitglied dieses Hohen Hauses ernstlich bestritten werden können.
Die im Ergänzungshaushalt vorgeschlagenen neuen Kürzungen in Höhe von 560 Millionen DM sind so verteilt, daß keine. lebenswichtigen Aufgaben vernachlässigt werden. Wenn darunter auch eine gewisse Verlangsamung der Abwicklung der Bundesrückerstattungsverpflichtungen enthalten ist, so dürfen wir erwarten, daß die betroffenen Kreise dafür Verständnis aufbringen, daß die Abwicklung dieser Wiedergutmachung notwendigerweise in den Rahmen des finanzwirtschaftlich Möglichen eingepaßt werden muß.
Im Ergänzungshaushalt hat die Bundesregierung den Abbau weiterer Vergünstigungen vorgesehen. Inwieweit die Möglichkeit besteht, noch mehr Kürzungen vorzunehmen und weitere Vergünstigungen abzubauen, muß den Einzelberatungen überlassen bleiben. Wir sehen hier noch gewisse, allerdings sehr eingeschränkte Möglichkeiten.
Allein durch die Ausgabeverniinderung und durch den Wegfall von Steuervorteilen den Haushaltsausgleich für die Periode bis 1970 herbeizuführen und gleichzeitig die Mittel freizumachen, die für die unbedingt notwendigen Sozialinvestitionen benötigt werden, wie das von gewissen Seiten immer wieder vorgetragen wird, ist deshalb sachlich einfach nicht durchführbar und unrealistisch. Es müssen auch Steuererhöhungen als allerletztes Mittel in Betracht gezogen werden. Diese Möglichkeit muß schon deshalb ins Auge gefaßt werden, damit sich nicht Jahr für Jahr das wiederholt, was mit dem Haushaltssicherungsgesetz für das Jahr 1966 begonnen hat und nunmehr für das Jahr 1967 mit dem Finanzplanungs- und dem Steueränderungsgesetz fortgesetzt wird.
({10})
Unter diesen Aspekten würdigen wir auch die Steuererhöhungsvorschläge der Bundesregierung im Ergänzungshaushalt. Wir werden selbstverständlich bei den Einzelberatungen sehr sorgfältig prüfen, ob die Vorschläge der Regierung nun die besten in diesem Augenblick sind. Wir werden uns auch vorbehalten müssen, das eine oder andere an Möglichkeiten ergänzend vorzuschlagen. Meine Fraktion ist z. B. der Meinung, daß eine Erhöhung der Schnapssteuer - ich darf den Ausdruck wohl verwenden zwecklos sein wird, wenn nicht gleichzeitig die sogenannte Umsatzsteuerpräferenz für Berlin im Bereich der Spirituosen ebenfalls angefaßt wird.
({11})
Die Auseinandersetzungen über die Frage der Notwendigkeit von Steuererhöhungen haben zu einem Bruch der bisherigen Koalition geführt. In der öffentlichen Auseinandersetzung 'hierüber ist immer wieder versucht worden, den Eindruck zu erwecken, als ob wir, die CDU/CSU-Fraktion, begeisterte Anhänger einer Steuererhöhung seien, während unser früherer Koalitionspartner als entschiedener Gegner jeder Steuererhöhung in Erscheinung trat. Nichts, meine Damen und Herren, ist unrichtiger als eine solche Vereinfachung.
({12})
Steuererhöhungen sind für uns, wie wir oft genug betont haben, letztes Mittel, wenn alle anderen Wege versagen. Wir müssen allerdings bei unseren Überlegungen den Blick über das Jahr 1967 hinaus lenken.
({13})
Bloße Verschiebungen und Verlagerungen auf spätere Rechnungsjahre, wie sie im Haushaltssicherungsgesetz teilweise erfolgt sind, würden uns der Lösung der anstehenden Fragen keinen Schritt näherbringen, sondern die Probleme noch weiter verschärfen.
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Der Ernst der Situation und die daraus resultierende Notwendigkeit der im Finanzplanungsgesetz und Steueränderungsgesetz sowie im Zusammenhang mit dem Ergänzungshaushalt vorgeschlagenen Maßnahmen werden ja gerade erst deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß wir im Jahre 1967 nicht vor einer einmaligen Ausnahmesituation stehen, sondern - das mag man bedauern; aber es ist Tatsache - daß vielmehr die Deckungslücken in den Folgejahren ab 1968 ganz sprunghaft ansteigen werden, falls nicht bald Entscheidendes geschieht.
Gerade die für die Folgejahre zu erwartenden exorbitant hohen Deckungslücken zeigen, daß Ausgabekürzungen in der zur Schließung dieser Dekkungslücken erforderlichen Größenordnung nicht möglich erscheinen, ohne daß das Sozialgefüge schwerwiegend erschüttert, die äußere Sicherheit durch eine weitreichende Einschränkung des Verteidigungshaushalts gefährdet, die weitere Entwicklung im Bereich der Sozialinvestitionen gestoppt und die Verpflichtungen im internationalen Bereich, namentlich gegenüber der EWG, nicht eingehalten werden könnten. Keine dieser Folgen möchte meine Fraktion.
Wir müssen uns nun einmal alle klarmachen, daß auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts überhaupt keine wesentlichen Reserven mehr enthalten sind. Jede weitere umfangreichere Herabsetzung des Ausgabebedarfs setzt ganz einschneidende Eingriffe und echte Verzichte auf bisher als Schwerpunkte angesehene Aufgaben voraus. Den in erster Linie anzustrebenden Kürzungen zur Sicherung des Haushaltsausgleichs auch in der Zukunft sind angesichts
der rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten bei über 90 % festgelegter Ausgaben in diesem Bundeshalt einfach Grenzen gesetzt.
Wenn deshalb gewisse Steuererhöhungen in Erwägung gezogen werden müssen, so sind wir uns bewußt, daß in der gegenwärtigen labilen Konjunktursituation allgemeine Steuererhöhungen nicht zu vertreten sind, weil hiervon zusätzliche unerwünschte Wirkungen auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmer und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ausgehen. Diesen Gedanken kann jedoch weitgehend begegnet werden, indem die Steuererhöhungen auf den konsumtiven Bereich konzentriert werden. In diesem Fall dürften die Wachstumskräfte der Wirtschaft am wenigsten beeinträchtigt werden. Maßvolle Steuererhöhungen im Verbrauchssektor ermöglichen in der gegenwärtigen kritischen Situation des Kapitalmarktes zugleich eine wünschenswerte Zurückhaltung des Bundes in der Aufnahme von Krediten. Im übrigen darf bei der Würdigung von Steuererhöhungen unter konjunkturellen Gesichtspunkten nicht übersehen werden, daß die hierdurch gewonnenen Deckungsmittel im Wege der Erfüllung öffentlicher Aufgaben wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden. Es handelt sich also nicht um eine Kaufkraftabschöpfung, die eine unerwünschte Dämpfung der Wirtschaftskonjunktur zur Folge hätte.
In diesem Zusammenhang auch ein kurzes Wort zum Volumen des Etats, der nach den neuesten Vorschlägen der Regierung um rund 9 % gegenüber
dem Vorjahr gestiegen ist. Sicherlich hat die Begrenzung der Staatsausgaben auf eine bestimmte Höhe einen gewissen Richtwert. Vom Standpunkt eines Budgets, das gewisse Funktionen erfüllen muß und das gleichsam als Puffer und Zugkraft zwischen der Wirtschaft, also der Industrie und dem Verbraucher, und der öffentlichen Hand fungieren soll, bedeutet aber eine solche Begrenzung der Staatsausgaben noch nicht allzuviel. Jedenfalls ist es nicht der wesentlichste Akt moderner Budgetpraxis. Entscheidend ist, daß wir im voraus möglichst die Nah- und Fernwirkungen abzuschätzen wissen, die sich bei einem automatischen Anstieg der Einnahmen und vermehrten staatlichen Ausgaben ergeben. Sicherlich - und da werden alle zustimmen müssen - ist es ein Unterschied für die weitere konjunkturelle Entwicklung, ob der Staat die konsumtiven Ausgaben erhöht oder ob er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel mehr investiven Zwecken zuführt.
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Es ist auch wichtig, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang kurz zu erwähnen, daß allein aus dem Verteidigungsetat plus der 500 Millionen DM, die auf dem Kapitalmarkt bzw. Geldmarkt aufgebracht werden sollen, zur Abwicklung des Devisenausgleichsabkommens mit den USA 2,5 Milliarden DM gleich über 3 % des Gesamtvolumens konjunkturneutral in die USA fließen.
Immer wieder, meine Damen und Herren, wird der Gedanke einer Kürzung des Verteidigungshaushalts ins Gespräch gebracht. Was hier an Kürzungen bei den laufenden Ausgaben möglich erscheint, hat
die Bundesregierung mit dem angekündigten Ergänzungshaushalt im wesentlichen selbst vorgeschlagen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß der Verteidigungshaushalt um 1,1 Milliarden DM erhöht werden muß, um die laufenden Verpflichtungen gegenüber den USA abzulösen. Diese Zahlen werden sich in den nächsten Jahren in Lieferungen modernsten Materials für die Bundeswehr umsetzen und ihre Abwehrbereitschaft erheblich stärken. Vielleicht tragen diese Zahlen auch dazu bei, daß im Laufe der nächsten Jahre eine gewisse Entlastung in diesem Bereich stattfinden kann.
Auch von meinem Standpunkt und vom Standpunkt meiner politischen Freunde aus gesehen lassen die Regierungsvorschläge noch viele Wünsche offen. Ich will Ihnen hier nur die sehr weitgehende Kürzung der Ausbildungszulage und die Verlagerung der Aufwendungen für den Mutterschutz auf die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erwähnen. Ich muß hier auch im Namen meiner Fraktion den Vorbehalt anmelden, daß wir bei den weiteren Beratungen im Ausschuß den Versuch machen werden, in diesen beiden Punkten eine andere, sachgerechter erscheinende Lösung zu finden.
Dasselbe gilt auch für die so heftig diskutierte Herabsetzung der Kilometerpauschale. Auch hier werden wir hoffentlich zu einer anderen Lösung kommen, als sie von der Bundesregierung in ihrem Entwurf vorgeschlagen worden ist, einer Lösung, meine Damen und Herren, die den teilweise berechtigten Einwendungen Rechnung trägt und die nach unserer- Meinung eine Senkung nicht von 50 auf 10 Pfennig, wie die Regierung es vorsieht, sondern etwa von 50 auf 36 Pfennig - auch das zunächst nur eine unbestimmte Zahl - bringen soll.
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Wesentliche Bedeutung, meine Kolleginnen und Kollegen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer mittelfristigen Vorausplanung, wird bei den Einzelberatungen des Etats zweifellos der Lösung des Problems der Sparförderung zukommen. Wie sich aus dem Finanzbericht für das Jahr 1967, den wir noch in den letzten Tagen erhalten haben, ergibt, werden Leistungen im Rahmen des Sparprämiengesetzes noch stärker als erwartet den Spielraum künftiger Haushaltsdispositionen einengen, weil gerade hier noch erhebliche Reserven für die Inanspruchnahme der Prämienbegünstigung zu vermuten sind. Wie notwendig hier eine Lösung ist, wird am besten deutlich, wenn wir uns die geschätzten Leistungen für die Jahre 1967 bis 1970, also vier Jahre, ansehen. Die Prämienausgaben und Steuermindereinnahmen insgesamt sollen für diesen Zeitraum 31 Milliarden DM betragen, d. h. sie steigen von rund 6,5 Milliarden DM im Jahre 1967 auf fast 10 Milliarden DM im Jahre 1970.
Anzuerkennen ist, daß im Etatentwurf für die Deutsche Bundesbahn wiederum ein erheblicher Betrag zur Verfügung gestelt wird. Dieser Betrag reicht aber nach unserer Meinung noch nicht aus, um entscheidende - und darauf wird es ankommen - Investitionsmaßnahmen durchzuführen. Wie wir aus
der Presse entnehmen konnten, wurden die Mittel für Investitionen gerade in den letzten Tagen um mehr als 1 Milliarde DM bei der Bundesbahn gekürzt. Es wird daher zu überlegen sein - und wir wollen das hier zur Erwägung stellen -, ob nicht aus dem ERP-Vermögen für diese Zwecke ein beträchtlicher Betrag frei gemacht werden kann.
Ein Sonderproblem stellt sich im Einzelplan für Ernährung und Landwirtschaft. Hier ist der Ausgaberahmen auf den Ansatz von rund 4740 Millionen DM wie in diesem Jahr begrenzt. Dadurch ist eine gewisse Umstrukturierung der Ausgaben vornehmlich zur Deckung des Mehrbedarfs von rund 560 Millionen DM für die verschiedenen EWG-Fonds auf Grund der Marktordnungen infolge von Beschlüssen des EWG-Ministerrats vorgesehen. Möglicherweise entstehen so Schwierigkeiten, die Schwerpunkte der agrarpolitischen Zielsetzung zu verwirklichen. Allerdings fließen in späteren Jahren Mittel aus den EWG-Fonds wieder an die Landwirtschaft zurück. Eine Prüfung der Möglichkeiten, gerade unter diesem Gesichtpunkt des späteren Zurückfließens, ob eine Art Vorfinanzierung vorgenommen werden kann, sollte daher erfolgen.
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Aufs lebhafteste begrüße ich, daß die Bundesregierung den lange erörterten Vorschlag unseres Kollegen Müller-Hermann aufgegriffen hat, die Mineralölsteuer um 3 Pfennig zu erhöhen, um damit den bereits erwähnten Beitrag zur Lösung des Nahverkehrsproblems in den Gemeinden zu leisten. Ich bin mir bewußt, daß von interessierter Seite bemängelt wird, daß nicht das gesamte Mehraufkommen aus der Mineralölsteuererhöhung, so wie sie jetzt vorgesehen wird, sondern nur zwei Drittel im Ende für diesen Zweck bereitgestellt werden. Aber auch hier muß der oberste Grundsatz der Finanzwirtschaft gelten, daß nicht Einzelinteressen - mögen sie noch so schwerwiegend sein -, sondern das Gesamtinteresse in den Vordergrund gestellt wird. Der Haushaltsausgleich kann nach meiner Ansicht nur gesichert werden, wenn auch aus diesem Mehraufkommen ein Teil eben dieses Drittel - als allgemeines Deckungsmittel eingeplant wird.
Bei den weiteren Beratungen werden wir allerdings zur Diskussion stellen, ob nicht in Anlehnung an das Gutachten zur Finanzreform versucht werden soll, den dort aufgestellten Grundsatz - Verwendung eines bestimmten Prozentsatzes des zweckgebundenen Mineralölsteueraufkommens zur Lösung der gemeindlichen Verkehrsprobleme - schrittweise zu verwirklichen.
Im übrigen darf ich feststellen, daß wir uns vorbehalten müssen, bei den Einzelberatungen zu dem, was uns die Bundesregierung sonst, insbesondere im Entwurf des Etats, vorgeschlagen hat - sowohl hinsichtlich der Steuermehreinnahmen als auch in bezug auf die Umschichtung und Kürzung von Ausgaben -, Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Wir sind gewillt, wenn wir in einzelnen Bereichen Änderungen der Struktur dieser Vorschläge vornehmen, selbst andere Vorschläge, die denselben Zweck beinhalten müssen, vorzubringen.
Die Einwände der alten und neuen Opposition gegen den Ergänzungsvorschlag der Bundesregierung werden sich sicher - und das hat sich schon aus etlichen Äußerungen ergeben - darauf konzentieren, daß auch er die Streitfrage um den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ungelöst läßt. Wir teilen jedoch die Auffassung der Bundesregierung, daß die Voraussetzungen, die 1963 für eine Änderung des Bundesanteils sprachen, auch heute noch unverändert fortbestehen. Die Ausgaben des Bundes auf der einen und die der Länder und Gemeinden auf der anderen Seite haben sich nicht so unterschiedlich entwickelt, daß von der Ausgabenseite her eine Neuverteilung gefordert werden könnte. Es würde den Sinn des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes völlig ins Gegenteil verkehren, wollte man die scharf gekürzten Ausgaben des Bundes mit den mehr oder weniger ungekürzten oder mäßig herabgesetzten Ausgabeforderungen von Ländern und Gemeinden vergleichen.
Der Bund hat überdies seit mehreren Rechnungsjahren seinen außerordentlichen Haushalt nach den Möglichkeiten der Kreditaufnahme unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der anderen öffentlichen Hände bemessen. Er mußte das tun, weil nach der Haushaltsübung des Bundes bereits seit Jahren zwischen den Ausgaben des ordentlichen und des außerordentlichen Haushalts kein qualitativer Unterschied besteht. Die außerordentlichen Ausgaben des Bundes unterscheiden sich in ihrer Dringlichkeit und Unabweisbarkeit in keiner Hinsicht von den ordentlichen Ausgaben.
Ich erwähne nur zwei Beispiele. In den vergangenen Rechnungsjahren sind die Ausgaben für den Bundeswehrwohnungsbau und für die Kapitalhilfe im außerordentlichen Haushalt untergebracht worden. Beiden Ausgaben lagen rechtliche Verpflichtungen zugrunde. Sie mußten daher genauso bedient werden wie rechtlich festliegende Ausgaben des ordentlichen Haushalts. Im Gegensatz dazu waren in zahlreichen Ländern und Gemeinden die außerordentlichen Haushalte vielfach weit höher als die in Aussicht stehenden Kredite. Das galt auch schon zu einer Zeit, in der der Kapitalmarkt noch nicht die heutige Schwäche aufwies.
Ich erwähne dies nur, meine Damen und Herren, um zu zeigen, daß bei der Bemessung der Anteile an den Gemeinschaftssteuern die Ausgabenwünsche, auch wenn sie im Haushalt ihren Niederschlag gefunden haben, keineswegs die gleiche Qualität haben und daß die Vergleichbarkeit der Ausgaben des Bundes auf der einen und der Länder und Gemeinden auf der anderen Seite voraussetzt, daß deren Unabweisbarkeit und die Möglichkeit der Streckung geprüft werden.
Sollte es im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens doch zu einer Senkung des Bundsanteils kommen, weil das Anteilsgesetz ein Zustimmungsgesetz ist und deshalb im Vermittlungsausschuß eine Lösung gefunden werden muß, so möchte ich für mich und meine Freunde keinen Zweifel daran lassen, daß dadurch der Ausgleich des Bundeshaushalts 1967 weder in Frage gestellt werden kann noch darf. Die Länder müssen sich deshalb darüber
im klaren sein - hier kann ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmücker in seiner Haushaltsrede nur nachhaltig unterstützen -, daß in Höhe des dann eintretenden Ausfalls an Steuereinnahmen Kürzungen vorgenommen werden müssen und daß es unvermeidlich sein wird, auch solche Ansätze zu kürzen, die sich auf Übertragungen auf die Länderhaushalte beziehen.
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Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß es bis zur Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes im Jahre 1955 ständige Übung war, den Bundesanteil durch ein Gesetz festzulegen, das vielfach erst nach dem Haushaltsgesetz in Kraft trat, weil regelmäßig der Vermittlungsausschuß, in einem Fall sogar dreimal, angerufen werden mußte. Alle Vorwürfe, daß aus diesem Grunde der nunmehr vorliegende Haushaltsentwurf dem Grundgesetz widerspreche, stoßen daher ins Leere.
Aus der Rede meines Kollegen Minister Schmücker habe ich mit Genugtuung entnommen, daß die mittelfristige Finanzplanung erstmalig für die Ausgestaltung des Haushaltsentwurfs und seiner Ergänzung maßgebend gewesen ist. Die mittelfristige Finanzplanung, von der auch ich hoffe, daß sie nach Durchrechnung der sich aus dem Ergänzungsvorschlag ergebenden Änderungen diesem Hohen Hause zugänglich gemacht wird, hat aufgedeckt, daß die Dynamisierung der konsumtiven Ausgaben und die Verpflichtungen aus den Römischen Verträgen bis in das Jahr 1971 hinein das gesamte zu erwartende Mehr an Steuereinnahmen auffressen. Hierin liegt die eigentliche Problematik des Bundeshaushalts und die Ursache dafür, daß auch das jetzt vorliegende Finanzplanungsgesetz zwar ein entscheidender Schritt zur Überleitung in eine längerfristige Finanzplanung bedeutet, aber noch nicht die endgültige Lösung einer längerfristigen Haushaltspolitik bringen kann. Es ist daher notwendig, die Zeit zu nutzen, um die längerfristige Finanzplanung weiter auszubauen und schließlich die Planungen des Bundes auch mit denen der Länder und Gemeinden abzustimmen und damit zu einer echten Prioritätsentscheidung bei allen öffentlichen Aufgaben und Ausgaben zu kommen.
Letztlich können wir die öffentliche Hand nicht nur aus der isolierten Sicht des Bundes, aus der isolierten Sicht des einzelnen Landes oder gar aus der isolierten Sicht jeder einzelnen Gemeinde sehen. Für den Bürger draußen im Lande ist die öffentliche Hand mit Recht ein einheitliches Ganzes. Wenn wir deshalb die Aufgaben und Ausgaben in die Zukunft hinein vorausschauend planen, um sie mit den begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen, so kann nur die Gesamtschau in Abstimmung zwischen den verschiedenen Ebenen unseres Staates, Bund, Ländern und Gemeinden also, eine wirkliche, ausgewogene Lösung herbeiführen.
Aus dem Bereich des Bundes, meine Damen und Herren, müssen wir aus der gegebenen Situation, die sich aus dem überproportionalen Anstieg der
dynamisierten konsumtiven Ausgaben ergibt, sehr bald Konsequenzen ziehen. Um überhaupt die Steuerbelastung in einem vertretbaren Rahmen zu halten, werden wir um weitere umwälzende Eingriffe in die Struktur unserer Bundesausgaben nicht herumkommen. Dabei müssen wir den Mut haben, nach der Rechtfertigung, der Notwendigkeit und der Zielsicherheit der einzelnen Ausgabepositionen in allen Bereichen zu fragen. Der alsbaldigen Entscheidung, was im einzelnen zu machen ist, wo gekürzt werden soll und welche Steuern eventuell noch zusätzlich erhöht werden müssen, können wir so oder so nicht ausweichen. Das Problem der Gesunderhaltung der Staatsfinanzen ist und bleibt ein, wenn nicht das zentrale Problem der Innenpolitik. Die äußerst schwierige finanzwirtschaftliche Lage, in die wir gekommen sind, zwingt dazu, meine Damen und Herren, unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Lösung dieses Problems zu konzentrieren. Von seiner rechtzeitigen und richtigen Lösung hängt letztlich das Wohl und Wehe unseres Staates und aller seiner Bürger ab. Diese Aufgabe geht alle an.
Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, daß wir in diesem Punkt an einer Wende stehen und daß es notwendig ist, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden, um dieses Problem jenseits politischer Meinungsverschiedenheiten gemeinsam zu lösen. Die Folgen eines Nichthandelns werden nicht nur die künftige Bundesregierung, sondern eben alle Staatsbürger zu tragen haben.
Die Ereignisse der letzten Monate sind nicht dazu angetan gewesen, meine Damen und Herren, das Ansehen unserer Demokratie nach innen und außen zu stärken. Um so notwendiger ist es, daß wir gemeinsam die erforderlichen Entscheidungen treffen, um unsere finanzielle Ordnung gesund zu erhalten und damit die Voraussetzungen für ein weiteres Wachstum unserer Wirtschaft und für eine Stärkung unseres Gemeinwesens zu schaffen. Was heute an leichten chirurgischen Eingriffen versäumt wird, kann vielleicht schon in wenigen Monaten zu existenzgefährdenden Maßnahmen zwingen. Deshalb muß dieses Hohe Haus unverzüglich an eine sachliche, konstruktive Arbeit gehen.
Das Gesamtproblem geht allerdings nicht allein den Bund, auch nicht allein die öffentliche Hand im ganzen an. In dieser Frage sind vielmehr alle Gruppen unseres Volkes angesprochen. Nur im Zusammenspiel aller werden wir das, was dieses Volk nach schwerer Niederlage und völligem Zusammenbruch wiederaufgebaut hat, erhalten und, wenn auch weniger hektisch, steigern können.
Lassen Sie mich deshalb, meine Damen und Herren, mit einem Zitat aus Wilhelm Röpkes „Torheiten der Zeit" schließen. Ich darf es mit Genehmigung der Frau Präsidentin vorlesen:
Die Gesellschaft kann nicht existieren, ohne daß irgendwo eine Bremse des ungezügelten Willens und Appetits eingebaut wird, und je weniger die Menschen selber in ihrem eigenen Innern darüber verfügen, um so mehr muß sie ihnen von außen angelegt werden.
) Leicht
Er schließt:
Ich kenne kein Land, das alle diese Sätze mehr beherzigen sollte als Deutschland.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem ersten Entwurf für den Bundeshaushalt 1967 hatte die Bundesregierung trotz großer Verspätung nur das Fragment eines Haushaltsplanes vorgelegt. Die Beurteilung, die dieser Haushalt in der Öffentlichkeit, bei den Ländern und Gemeinden, im Koalitionsstreit und wo auch immer gefunden hat, trifft die Finanzpolitik der bisherigen Regierungskoalition insgesamt. Noch bevor der Entwurf veröffentlich war, stand fest, daß große Verpflichtungen, die aus dem Haushalt zu erfüllen sind, gar nicht etatisiert waren, daß die bisherige unsolide Finanzierungswirtschaft durch Verschiebung von Ausgabenpositionen auf Nebenhaushalte weitergetrieben wurde und daß schließlich auf der Einnahmenseite ein Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM in der völlig irrealen Vorstellung eingesetzt worden war, nach dem 1. Januar 1967 werde der Bund auch weiterhin den bisherigen Anteil am Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer erhalten.
Kaum hatte die Bundesregierung nun diesen Torso eines Haushalts veröffentlicht, mußte sie schon einräumen, daß die Einnahmenseite auch insoweit unrealistisch war, weil sie auf überholten Steuerschätzungen beruhte. Damit war die vorhandene Finanzierungslücke noch um rund 1,1 Milliarden DM größer geworden. Wenige Tage später wurde zugegeben, daß ein Ergänzungshaushalt unausbleiblich sei, da der bisherige Entwurf eben nicht alle voraussehbaren Ausgaben enthielt. Wieder ein paar Tage danach wurde von CDU/CSU-Seite erklärt, daß Steuererhöhungen nur als das äußerste Mittel, aber immerhin als notwendig angesehen würden, um den Haushalt auszugleichen. Danach folgte der mit starken Worten ausgetragene Streit zwischen den Koalitionspartnern über Steuererhöhungen, bei dem der Finanzminister gegen die Regierung auftrat und der nur scheinbar mit einem Nachgeben der FDP ausging. Der FDK-Tagesdienst der FDP bekannte in einer offiziellen Presseerklärung am 25. Oktober unter anderem:
Zu den für eine mittelfristige Finanzplanung unbedingt erforderlichen politischen Entscheidungen über den voraussichtlichen Umfang der künftigen Haushalte waren verbindliche Vorstellungen des Bundeskanzlers und der Vertreter der CDU/CSU ebensowenig zu erfahren wie zu den Fragen der Konzeption, die diesem Haushalt zugrunde liegen soll. Das gilt auch für den Verhandlungsauftrag für künftige Devisenausgleichsabkommen, obwohl bereits verhandelt wird.
Über die Höhe der für den Haushalt 1967 möglichen Haushaltslücke und über den künftigen
Bedarf hat sich die CDU unterschiedlich geäußert. Die Vertreter der FDP haben dennoch den Versuch gemacht, zu einzelnen Vorschlägen zur Kürzung die Auffassung der CDU/CSU zu erfahren. Das war nicht möglich. Die von den Vertretern der FDP wiederholt vorgetragene Frage nach dem Umfang und der Verwendung der von der CDU/CSU vorgesehenen Steuererhöhung ist nicht beantwortet worden.
Das in aller Kürze zur Art, w i e die Regierung diesen Haushalt zustande gebracht hat und wie es zur Bruchlandung gekommen ist.
Bei der Frage der politischen Verantwortlichkeit für die Haushaltsentwicklung der letzten Jahre muß an einige Reden erinnert werden. Damit will ich der Legende vorbeugen, daß die jetzige krisenhafte Finanzsituation aus heiterem Himmel und für alle Verantwortlichen überraschend gekommen sei. Am 9. Juli 1965 verkündete Bundeskanzler Erhard auf dem Wirtschaftstag der CDU/CSU in Düsseldorf:
Wir haben zwar nicht offiziell langfristige Haushaltsvoranschläge vorgelegt, aber ich weiß ziemlich gut, wie es um den Haushalt 1966 und 1967 bestellt ist, wie es heute schon bestellt ist. Dabei rechne ich noch gar nicht mit alledem, was möglicherweise im Jahre 1966 und 1967 noch aufgetürmt werden soll, und das gibt wirklich ein Bild, das uns unmittelbar eine Verantwortung aufzwingt. Die Verantwortung trägt für diese Bundesregierung an vorderster Stelle die CDU/CSU.
Dennoch vermochte die so dringend beschworene Verantwortung weder den Bundeskanzler noch den Bundesfinanzminister dazu zu bewegen, vor dem Parlament die Haushaltslage dieser Darstellung entsprechend klarzustellen. Mit keinen Ausreden können die damaligen Mitglieder der Bundesregierung entschuldigen, daß sie es vor der Bundestagswahl 1965 unterlassen haben, das Parlament unter durch Zahlen zu belegende Bezugnahme auf die bedrohliche Finanzsituation des Bundes nachdrücklich vor den finanzwirtschaftlichen Auswirkungen bestimmter Gesetzesbeschlüsse zu warnen, denn sowohl der Bundesfinanzminister als auch der Bundeskanzler besitzen eine besondere verfassungsrechtliche Position hinsichtlich der Ordnung der Bundesfinanzen.
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung in der heutigen Nummer der „Welt" auf Seite 6. Ich persönlich weigere mich bis zum Beweis des Gegenteils, das, was hier dem Herrn früheren Bundesfinanzminister und der FDP unterstellt wird, als richtig anzunehmen.
({0})
Hierzu wird sich die FDP selber, wahrscheinlich Herr
Dahlgrün, äußern. Aber einen Satz in dieser Veröffentlichung der „Welt" sollten wir nicht übersehen.
Da heißt es nämlich: Grund
- d. h. der Staatssekretär Grund aus dem Bundesfinanzministerium
hatte schon vor rund eineinhalb Jahren in einem Brief an den Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß er sich außerstande sehe, die Verantwortung für die Entwicklung der Bundesfinanzen zu übernehmen.
({1})
Vor eineinhalb Jahren hat das der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium an den Herrn Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, geschrieben! Was hat der Herr Bundeskanzler daraufhin getan?
Geradezu grotesk wirkt es, wenn man in diesem Zusammenhang die Ausführungen Bundeskanzler Erhards in der Regierungserklärung vom 18. Oktober 1963 noch einmal nachliest. Er sagte damals:
Die kommenden Haushaltsberatungen werden den Rahmen für die möglichen Ausgaben und Leistungsverbesserungen zu setzen haben. Ich hoffe, daß dieses harte Muß als ein zwingendes Gebot beachtet werden wird. Würde sich diese meine Erwartung nicht erfüllen,
- am 18. Oktober 1963! dann erwächst mir aus meinem Diensteid die Verpflichtung, um das deutsche Volk vor Schaden zu bewahren, den Artikel 113 des Grundgesetzes anzuwenden.
({2})
Vor seiner Anwendung werde ich gewiß nichts
unversucht lassen, die Fraktionen zu einer maßvollen, die Stabilität gewährleistenden Ausgabenwirtschaft zu bewegen,
- nie hat der Herr Bundeskanzler mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion hierüber gesprochen aber ich würde mich auch nicht scheuen, den zunächst vielleicht unpopulär anmutenden Weg des Einspruchs zu beschreiten. Schließlich hat die Bundesregierung die Verantwortung gegenüber jedem deutschen Bürger und damit auch gegenüber jedem Sparer.
({3})
Soviel aus der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 18. Oktober 1963. An diese starken Worte oder an dieses verbindlich abgegebene Versprechen sollte sich aber der Herr Bundeskanzler in den entscheidenden Augenblicken nicht mehr erinnern. Ihm fehlte der Mut zu einer vielleicht unpopulären, dafür aber um so größeren entscheidenden Verantwortung.
({4})
Im zwei Pressekonferenzen, am 5. Juli und am 6. August 1965, ist von dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt und von mir als Mitglied der SPD-Regierungsmannschaft auf die „außergewöhnlich ernste finanzpolitische Situation in der Bundesrepublik Deutschland" aufmerksam gemacht worden. Auf meine Darstellung, daß eine Finanzkatastrophe des Bundes drohe, falls nicht umgehend und entsprechend gehandelt würde, hatte Kanzler Erhard
- nach einer Meldung von dpa am 13. August 1965 - die im Lichte heutiger amtlicher Erkenntnisse unvertretbare Äußerung abgegeben:
Wenn die SPD von einer Finanzkatastrophe spricht, so nehmen Sie es nicht ernst; nehmen Sie es heiter.
({5})
Das sagte ein Bundeskanzler seinen Wählern, der nach seinen eigenen Äußerungen, nämlich auf dem Wirtschaftstag der CDU/CSU am 9. Juli 1965 in Düsseldorf, „ziemlich gut wußte, wie es um den Haushalt 1966 und 1967 bestellt ist" !
Für die auf bloße Optik bedachte Haushaltswirtschaft der Bundesregierung ist es symptomatisch, daß der Bundesfinanzminister später, d. h. nach den Bundestagswahlen, und zwar am 11. Februar 1966 vor dem Bundesrat und am 2. März 1966 vor dem Bundestag, den Haushalt 1965 als einen mit ungewöhnlichen Risiken belasteten Regierungsentwurf bezeichnet hat, während er dann den Entwurf zum Haushalt 1966 in seiner Etatrede mit den Worten lobte:
Wenn man die Fakten sprechen läßt, glaube ich feststellen zu können, daß Bundesregierung und Koalition sich ernsthaft um eine wahrhaft solide und konjunkturgerechte Finanzpolitik bemüht haben und daß dieses Bemühen auch erfolgreich gewesen ist.
Der Bundeskanzler hat in der Haushaltsdebatte 1966 am 27. Mai dieses Jahres versichert:
Die Bundesregierung ist entschlossen, auch für den Bundeshaushalt 1967 sowie für die sich anschließenden Jahre dieser Legislaturperiode die Politik einer soliden Haushaltsgebarung fortzusetzen.
Hier im Bundestag erklärt am 27. Mai 1966!
Angesichts des vorgelegten Haushaltsentwurfs, der in seiner Mischung von Unfertigkeit und Unsolidität eine Zumutung für das ganze Parlament darstellt, kann man nur noch eine Schlußfolgerung ziehen, nämlich die: Die Finanz- und Haushaltspolitik der beiden Regierungen Erhards hat am bitteren Ende der Regierungstätigkeit des derzeitigen Bundeskanzlers ein Stadium an Unvermögen erreicht, das wirklich nicht mehr zu überbieten ist und bei dem Staat und Wirtschaft ernsthaft Schaden nehmen.
({6})
Für den, der eben meinte, selbst in dieser Situation das Ganze noch mit einem Lachen abtun zu können, möchte ich Herrn Hans Mundorf zitieren, der in einem Artikel des „Industriekurier" - der vor den Bundestagswahlen nicht uns, sondern Ihnen Wahlhilfe geleistet hat - am 8. November folgendes ausführte:
Es muß einmal mit aller Brutalität gesagt werden, daß das Fiasko unserer Bundesfinanzen durch die unglaubliche Leichtfertigkeit von Bundesregierung, Bundestag und den drei Parteien in Sachen Haushaltspolitik verursacht wurde.
({7}) - Warten Sie mal! Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Sie haben vor allem im Wahljahr 1965 blind und blanko Wechsel unterschrieben, für die keine Deckung vorhanden ist. Wie im Vollrausch wurden Zahlungsversprechen gemacht, die die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft bei weitem übersteigen und die nun zu Protest gehen.
Das schreibt Hans Mundorf, der Sie vor den Bundestagswahlen unterstützte. Daß sich das insbesondere an die Adresse der Bundesregierung richtet, ist doch wohl nicht zu bestreiten. Da in diesem Zitat von „den drei Parteien" gesprochen wird, verehrter Herr Kollege, will ich, lediglich um einem Irrtum vorzubeugen, anmerken, daß hiermit selbstverständlich nur die CDU, die CSU und die FDP gemeint sein können.
({8})
- Wollen Sie bestreiten, daß die CSU eine eigene Partei darstellt? Das haben Sie doch in diesen Monaten der Koalitionskrise nun wirklich gemerkt.
Wer sich über unsere Bemühungen im 4. Deutschen Bundestag, die damalige Bundesregierung wieder auf den Pfad der Tugend der Haushaltssolidität zurückzuführen, unterrichten will, lasse sich das Bundestagsprotokoll vom 26. Februar 1965 geben und studiere noch einmal sorgfältig die Kommentare aller maßgebenden Zeitungen zu unserer Kritik am Wahlhaushalt der Unsolidität sowie an den sachlichen Unzulänglichkeiten der Finanzpolitik der Regierungskoalition und bezüglich unseres Vorgehens, eigene Anträge und Gesetzentwürfe mit finanziellen Auswirkungen aus finanzpolitischer Verantwortung zurückzuziehen. Eine der maßgeblichen Zeitungen bemerkte damals unter anderem, Bundesregierung und Koalitionsparteien wären in souveräner Mißachtung der drohenden finanz- und haushaltspolitischen Gefahren zur Tagesordnung übergegangen. Übrigens spricht Dieter Vogel in der FAZ vom 31. Oktober dieses Jahres in seinem Artikel „Der Etat hängt in der Luft" von der sozialdemokratischen Oppositionspartei - das muß man ja jetzt hinzufügen, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen -, „die an den augenblicklichen Kalamitäten relativ unschuldig sei".
Meine Damen und Herren, wenn sich der Bundesbürger die Frage vorlegt: Wie ist dieses Wirtschaftswunderland in eine solche Finanzkatastrophe hineingeraten, durch äußere, von der Bundesregierung nicht zu verantwortende Ursachen oder durch offensichtliches Verschulden der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien?, dann haben ihm meine bisherigen Ausführungen eine klare Antwort gegeben. In Stichworten seien weitere Ursachen hinzugefügt: fehlende Finanzreform; fehlende mittelfristige Finanzplanung - es ist doch geradezu lächerlich, von dem Blättchen, das als Anlage der Rede des Herrn Ministers Schmücker beigefügt war, als von einer mittelfristigen Finanzplanung zu sprechen; wer so argumentiert, der kann doch nicht mehr ernst genommen werden! -;
({9})
fehlende Rangfolge der von Bund, Ländern und Gemeinden zu lösenden Aufgaben; seit Jahren fehlende Kontrolle seitens der Bundesregierung über das, was von der Einnahmeseite her möglich ist.
Meine Damen und Herren, sagen wir es klar und deutlich: Die Bundesregierung wußte nicht Bescheid. Heute beschäftigt sie sich mit den Problemen von gestern und nicht mit denen von morgen. Daher führte sie nicht, sondern ließ sich von den Ereignissen überführen. Man kann sich nicht, wie bisher amtlich geübt, prozyklisch verhalten, und zwar derart stur, daß die Forderung nach antizyklischer Verhaltensweise bei den bisherigen Bundesregierungen zur Traumweltvorstellung gehörte. Zu dem Punkt der Etatrede des derzeitigen Bundesfinanzministers zitiere ich gerade in diesem Zusammenhang folgende Sätze aus dem Kommentar der „Stuttgarter Zeitung" vom 9. November:
Es ist einfach nicht wahr, daß die Ursache der Finanzmisere in abgeschwächtem Wirtschaftswachstum liegt. Gerade Schmücker sollte in diesem Punkt auf dem Boden der Realitäten bleiben.
Zu diesem Thema und den dazu gehörenden Fragenkomplexen wird im Laufe der Debatte mein Kollege Professor Schiller Stellung nehmen.
Wenn man nun weiter vom amtierenden Bundesfinanzminister in seiner Etatrede die Forderung hörte, daß er allen Ernstes zu erwägen gibt - ich zitiere wörtlich -, „baldmöglich alle ausgabenwirksamen Gesetze unter den gesetzlichen Generalvorbehalt der haushaltsmäßigen Möglichkeiten zu stellen", und sich an die Aufforderung seines Parteivorsitzenden Erhard vom 13. August 1965 an die Wähler erinnert: „Wenn die SPD von einer Finanzkatastrophe spricht, so nehmen Sie es nicht ernst, nehmen Sie es heiter" -, dann muß man schon sagen: welch eine Wandlung und welch ein erneuter Mutbeweis, nach diesem Offenbarungseid, wenn auch nur noch vorläufig, als Bundeskanzler weiter zu amtieren!
Herr Minister Schmücker, der ausführte, er hätte uns aus eigenem Antrieb gern manche Zahl und manche Erläuterung gegeben, das aber nicht könne, weil die Arbeit in der Kürze der Zeit einfach nicht zu schaffen war, sollte sich mit seinen Freunden überlegen, wie groß die Schwierigkeiten für eine Fraktion sind, die bisher in Bonn immer als Opposition fungieren mußte, nun von vorgestern auf heute eine Stellungnahme zu erarbeiten, die hieb- und stichfest ist. Wie schwer wird es aber auch für alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses sein, das zu tun, was Minister Schmücker am Anfang seiner Rede verlangt hat, nämlich - ich zitiere wörtlich - „noch in diesem Jahr zu den Kernfragen der Finanz- und Haushaltspolitik Stellung zu nehmen, weil der Bundestag sonst von der Entwicklung überrollt und in seinen eigenen Entschlüssen unfrei werden könnte". Und Herr Minister Schmücker fügte hinzu: „Die Finanzierungslücke des Haushalts 1967 könnte so groß werden, daß eine Reparatur, wenn überhaupt, dann nur noch unter gefährlichen Begleitumständen für Staat und Wirtschaft möglich wäre. Dies ist leider die Wahrheit."
Wir sollen nun in wenigen Wochen ohne ausreichende Kenntnis der Zahlen und der Erläuterungen, die sich bisher nach seiner Aussage nicht einmal der amtierende Bundesfinanzminister verschaffen konnte, ohne einen zusammenhängenden, dem jetzigen Erkenntnisstand entsprechenden einheitlichen Haushaltsentwurf und ohne eine für verantwortliche Entscheidungen unentbehrliche mittelfristige Finanzplanung Alternativen entwickeln, sie beraten, ihnen zustimmen oder sie ablehnen. Ich muß schon sagen, meine Damen und Herren: In welch eine Lage ist dieses Parlament hineingeraten!
Und trotzdem gebe ich Herrn Minister Schmücker in einem recht: Man kann nicht nur Schuldfeststellungen treffen und über Versäumnisse anderer reden, wenn man selber versäumt, „die Gefahr abzuwenden". - In seinem während der Rede verteilten Manuskript stand dann noch - und das sprach Herr Minister Schmücker nicht aus -: „was in diesem Augenblick noch möglich ist". - Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist bereit und gewillt, das Bestmögliche beizutragen, um die Finanzkrise aufzufangen und den Weg einer Rückkehr zur Finanzordnung vorzubereiten.
Aber auch ohne die derzeitige besonders schwierige Haushaltssituation sind jeder Opposition für eine Alternative Grenzen gesetzt, da eigentlich nur die Haushaltsexperten der Ministerien im letzten wissen, was sich hinter den Kulissen der Etatpositionen einschließlich der Bindungsermächtigungen abspielt. Ein besonders typisches Beispiel hierfür ist der durch die Kleine Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 15. Juni 1965 ausgelöste Vorgang, der die Vorauszahlungskonten für Rüstungskäufe im Ausland betrifft, - damals immerhin ein Betrag von rund 1,8 Milliarden DM.
Politisch bleibt entscheidend, daß keine Opposition aus ihrer Position heraus Alternativen entwickeln kann, die die letzte Aussagekraft besitzen, da ja nicht sie Regierungspolitik betreibt. Jeder Haushalt ist aber die in verpflichtenden Zahlen ausgedrückte Regierungspolitik. Sowohl die Einnahme- als auch die Ausgabeseite werden immer maßgebend von Gesetzen und deren Zielsetzungen beeinflußt, für die in vollem Umfang die Regierungskoalition und nur höchstens partiell die Opposition Verantwortung trägt. Wer diese Überlegungen mit einer Handbewegung abtut, verkennt die Zusammenhänge und begeht eine in der Politik unverantwortliche Kurzschlußhandlung: er ist unrealistisch! Politik soll und muß sich aber gerade in der Finanz- und Haushaltspolitik an Realitäten ausrichten. So ist der Versuch einer Alternative, einer Darstellung unserer Vorstellungen zu betrachten und zu werten.
Lassen Sie mich jetzt zu einigen Fragenkomplexen Stellung nehmen, die den Haushaltsentwurf der Bundesregierung mit den dazugehörenden Gesetzen und unsere Überlegungen betreffen.
Erstens zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. In ihrer Darstellung der Rechtslage behauptet die Bundesregierung, das erste Beteiligungsgesetz habe die bis dahin geltende Regelung in Art. 106 Abs. 3 des
Grundgesetzes endgültig abgelöst. Die Bundesregierung beruft sich auf die Auffassung des Gesetzgebers und hebt hervor, das Verhältnis von 39 % entspräche der Verfassung.
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Die Rechtsansicht der Bundesregierung ist irrig. Das Gesetz vom 11. März 1964 hat ausdrücklich nur eine bis zum 31. Dezember 1966 befristete Regelung getroffen. Am 1. Januar 1967 tritt die Bestimmung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes automatisch wieder in Kraft, d. h., ab 1967 beträgt der Bundesanteil am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer wieder 35 %. Er ergibt sich aus dem Wesen der Befristung, daß mit dem Ablauf der Frist die 1964 getroffene Regelung jede rechtliche Verbindlichkeit für die Zukunft verloren hat. Oder will die Bundesregierung vielleicht behaupten, das erste Beteiligungsgesetz sei wegen seiner Befristung verfassungswidrig?
Im übrigen gibt es bei der klaren Fassung des Beteiligungsgesetzes gar keinen rechtlichen .Anknüpfungspunkt, eine dem eindeutigen Wortlaut widersprechende Gesetzesauslegung zu betreiben. Es ist nach Auffassung meiner Fraktion daher völlig unmaßgeblich, ob jemand bei der Schaffung des Gesetzes der Ansicht gewesen ist, bis 1967 werde die Finanzreform in Kraft treten - das konnte man bei dieser Bundesregierung schon gar nicht annehmen ({11})
und damit werde das Beteiligungsverhältnis überflüssig, oder ob bei Verabschiedung des Gesetzes von Vertretern der damaligen Regierungsfraktionen Rechtsbehauptungen aufgestellt und Vorbehalte erklärt worden sind.
Wenn die Bundesregierung durch ein zweites Beteiligungsgesetz nach Artikel 106 Abs. 4 des Grundgesetzes das Beteiligungsverhältnis am Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer ändern will, dann muß sie überzeugend darlegen, daß die Voraussetzungen der Verfassungsbestimmungen auch gegeben sind. Die Finanzlage der Länder hat sich jedoch nicht in der Weise entwickelt, daß die Länder weiterhin auf einen Anteil von 4 % an dem Steueraufkommen verzichten können.
Wenn Sie das nicht glauben, dann fragen Sie um 13 Uhr bei Beginn Ihrer Fraktionssitzung bitte den derzeitigen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Kiesinger!
({12})
Der bisherige Bundesfinanzminister hat selbst darauf hingewiesen, daß bei Verhandlungen über eine Neuaufteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei der Finanzsituation der Länder auch die Lage der Gemeinden mit berücksichtigt werden muß. Das Gutachten über die Finanzreform erkennt die prekäre Finanzlage der Gemeinden die Haushaltssituation des Jahres 1964 hat sich inzwischen noch erheblich zu Lasten der Gemeinden verschlechtert - dadurch an, daß es eine Erhöhung der kommunalen Finanzmasse um 2 Milliarden DM für notwendig hält. Die inzwischen eingetretenen AuswirDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
kungen der Kapitalmarktschwäche auf die notwendigsten Infrastrukturinvestitionen der Kommunen machen die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer Verbesserung der gemeindlichen Einnahmen noch augenscheinlicher und noch zwingender.
Bei den hier zur Rede stehenden 2 Milliarden DM würden etwa 500 Millionen DM über den kommunalen Finanzausgleich den Gemeinden zufließen, ein Vorgang, der für die endgültige Entscheidung eine besondere Bedeutung hat. Wenn wir nun ein Stückchen Finanzreform vorziehen und bei der Aufgabenentflechtung von Bund und Ländern 700 Millionen DM zugunsten des Bundes übernehmen - selbstverständlich ohne daß dabei die gemeinsame Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben durch Bund und Länder berührt wird -, so würden sich die 2 Milliarden DM aufteilen in 800 Millionen DM für die Länder, wobei intern der Länderfinanzausgleich beachtet werden muß, 700 Millionen DM für den Bund und 500 Millionen DM für die Gemeinden. Das scheint der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eine für alle Beteiligten vertretbare und konstruktive Lösung zu sein.
Nun zur Mineralölsteuer. Die Bundesregierung beabsichtigt, durch eine Anhebung der Mineralölsteuer um 3 Pfennig pro Kilogramm - ich zitiere aus der Rede des Herrn Schmücker - „den kommunalen Anteil am Aufkommen der Mineralölsteuer zunächst im Jahre 1967 um 440 Millionen DM zu erhöhen". Diese 3 Pfennig machen aber 660 Millionen DM aus, so daß gleich wieder hintenherum 220 Millionen DM für den Bundeshaushalt kassiert werden. Gerade bei der Bewältigung der dringlichen Verkehrsprobleme der Gemeinden haben die letzten Bundesregierungen versagt und das Vertrauen in gesetzliche Zusagen erschüttert. Auch im vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts 1967 wird die im Straßenbaufinanzierungsgesetz verankerte Zweckbindung von 50 % des Mineralölsteueraufkommens umgangen und eine Kürzung des Straßenbauhaushalts des Bundes um 500 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet, daß die gesetzliche Zweckbindung nur noch 43 % statt 50 % ausmacht.
Im Hinblick auf die Mißstände im Straßenverkehr, die zu steigenden Unfallziffern und großen volkswirtschaftlichen Verlusten führen, ist das verhängnisvoll und falsch. Die Kürzung der bisherigen geringen Zuweisungen des Bundes an die Gemeinden von weniger als 3 % der Einnahmen aus dem Mineralölsteueraufkommen des Kraftverkehrs auf 2 %, nämlich auf 175 Millionen DM, kann in keiner Weise verantwortet und auch nicht mit diesem neuen Vorschlag vertuscht werden. Nicht einmal bei dieser Sachlage macht die amtierende Bundesregierung den Vorschlag, eine etwaige Erhöhung der Mineralölsteuer in vollem Umfang den Gemeinden zukommen zu lassen, wobei ich mir allerdings auch nicht vorstellen kann, wie dabei eine ausreichende Sicherung gegen Manipulationen dieser Beträge innerhalb des Bundeshaushalts in späteren Jahren entstehen könnte.
Nun zu dem Komplex soziale Sicherheit. Im Haushaltsvorschlag 1967 sollen Mittel, die eindeutig für Aufgaben der sozialen Sicherung bestimmt sind, in
gesetzgeberischen Eilmaßnahmen zu Sondersteuern gemacht werden.
Hier muß ich zu den gesetzgeberischen Eilmaßnahmen noch einmal folgendes sagen: Während sich die Bundesregierung Monate und Jahre Zeit nimmt bis sie eine Gesetzesvorlage dem Bundestag zuleitet, erwartet sie dann immer, daß der Bundestag solche Gesetzesvorlagen von erheblicher Bedeutung in wenigen Wochen verabschiedet. Das ist einfach unmöglich.
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Auch die Abgeordneten müssen genügend Zeit zu einer verantwortlichen Durcharbeitung haben, wobei der Sachverstand eine entscheidende Rolle spielt.
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen nach dem Finanzplanungsgesetz für staatliche Verpflichtungen zur Mutterschaftshilfe verwandt werden. Es ist nach Art. 7 des Finanzplanungsgesetzes beabsichtigt, durch einen Sonderbeitrag von 0,2 % des für den Arbeitslosenversicherungsbeitrag zugrunde liegenden Arbeitsentgelts im kommenden Jahr einen wesentlichen Teil des sogenannten Mutterschaftsgeldes zu finanzieren. Eine sachliche Begründung für diese Manipulation gibt es nicht. Sie wird nicht einmal in der Begründung der Regierungsvorlage versucht.
Die „Süddeutsche Zeitung" schreibt dazu am 20. Oktober 1966:
Der Trick ist eines Roßmarktes würdig. Einerseits wird der Bundeshaushalt um 330 Mio DM entlastet, andererseits merkt der Beitragszahlende diese „Sondersteuer" aber nicht, weil sie durch eine just 0,2 % betragende Verminderung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung ausgeglichen wird.
Beiträge zur Unfallversicherung sollen Bundessubventionen für die Landwirtschaft ersetzen: Der Bundeszuschuß für die landwirtschaftliche Unfallversicherung soll um 140 Millionen DM verringert und die Lasten der landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträger im gleichen Ausmaß durch ein sogenanntes Gemeinlastverfahren den Berufsgenossenschaften im gewerblichen Bereich aufgebürdet werden. Das finanzielle Interesse der Unternehmer an wirksamer und kostensparender Unfallverhütung wird aber in dem Maße beeinträchtigt, in dem sie die finanziellen Lasten mittragen sollen, auf deren Entstehung und Ausmaß sie keinerlei Einfluß haben.
({14})
Wegen der gesundheitlichen Sicherheit am Arbeitsplatz und auch aus anderen Überlegungen, die noch vorzutragen wären, müssen wir gegen die beabsichtigte und wahrscheinlich unüberlegte Vorschrift schon jetzt unsere Bedenken anmelden.
Durch Art. 20 des Finanzplanungsgesetzes soll die Tragbarkeitsgrenze für Mietbeihilfen nach dem Wohngeldgesetz, die seit dem 1. April 1965 gewährt werden und auf die sich viele Familien in ihrem materiellen Lebensrahmen eingestellt haben, angehoben und damit das Wohngeld herabgesetzt werden. Es klingt recht eigenartig, wenn in der Be3344
gründung dazu von „Wahrung des Vertrauensschutzes" und „Vermeidung überhöhter Verwaltungsaufwendungen" die Rede ist. Wir werden deshalb der Herabsetzung des Wohngeldes nicht zustimmen.
Die Ausbildungsbeihilfe nach dem Kindergeldgesetz verliert nach dem Finanzplanungsgesetz jeden vernünftigen Sinn. Am 1. April 1965 trat das Gesetz über die Ausbildungsförderung in Kraft. Nach den Wahlen wurde durch das Haushaltssicherungsgesetz vom 20. Dezember 1965 - also 3/4 Jahr später - für die Kalenderjahre 1966 und 1967 die Ausbildungszulage von 40 DM monatlich auf 30 DM monatlich gekürzt. Jetzt - ein weiteres Jahr später - soll durch das Finanzplanungsgesetz die gekürzte Ausbildungszulage nur denjenigen Personen gewährt werden, die mindestens für zwei Kinder Ausbildungszulagen erhalten.
Was soll der Bürger, was soll die Verwaltung von einem Gesetzgeber denken, wenn innerhalb von noch nicht zwei Jahren an der ohnehin unzureichenden Ausbildungszulage die zweite einschneidende Verschlechterung vorgenommen wird. Der bildungspolitische Effekt der ungezielt gewährten niedrigen Beträge geht nun durch die Begrenzung auf Familien, denen mindestens für zwei Kinder Ausbildungszulage gewährt wird, praktisch verloren.
War schon die ursprüngliche Konzeption verfehlt, so ist die Regelung auf Grund des Finanzplanungsgesetzes sowohl bildungs- wie sozialpolitisch sinnwidrig. Deshalb ist es gesellschaftspolitisch geboten, die noch verbleibenden Rudimente des sogenannten Pennälergehalts wegzuräumen und damit den Weg für eine bildungs- und sozialpolitisch gezielte Ausbildungsförderung frei zu machen.
({15})
Auch in diesem Haushalt führt die Bundesregierung die von der Opposition beanstandete Praxis fort - diesmal in Höhe von 1250 Millionen DM -, Schuldverschreibungen statt Barzuschüsse an die Sozialversicherungsträger zu geben, nachdem sie den Betrag von 500 Millionen DM im Jahre 1964 auf je 750 Millionen DM in den Jahren 1965 und 1966 gesteigert hatte. Nicht nur die Opposition hat immer wieder darauf hingewiesen, daß es keineswegs die Aufgabe der Sozialversicherungen ist, mit ihren Geldern Lücken des Haushalts zu schließen.
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Der frühere Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün hat die optische Reduzierung des Haushaltsvolumens durch Hingabe von Schuldbuchforderungen an die Rentenversicherungsträger in der Haushaltsdebatte 1965 damit verteidigt, daß es sich „wirtschaftlich allein um eine Stundung von Ansprüchen gegen den Bund handele". Allerdings gab er zu, daß er diese Praxis schon für 1965 eigentlich nicht mehr habe anwenden wollen. Also auch Herr Dahlgrün hatte Skrupel.
Eine solche Verschiebung der Lasten auf zukünftige Haushalte engt nicht nur die schon jetzt außerordentlich geringe Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Parlaments für die Vergabe von
Haushaltsmitteln in den kommenden Jahren weiter ein, sondern hat ökonomisch auch noch eine Schwächung des ohnehin schon desolaten Kapitalmarktes zur Folge, weil nämlich den Rentenversicherungsträgern die Mittel vorenthalten werden, die sie sonst über den Kapitalmarkt zu Investitionszwekken, und zwar zu sehr vernünftigen Investitionszwecken, zur Verfügung gestellt hätten, wohin aber diese Gelder, wenn sie beim Bund bleiben, nicht fließen.
Eine Anmerkung zur Agrarpolitik: Im Zuge des Übergangs zum Agrarmarkt der EWG im nächsten Jahr muß die Herstellung der Wettbewerbsgleichheit aller Partner in den Vordergrund der agrarpolitischen Überlegungen gestellt werden. Selbstverständlich müssen diese Bestrebungen auch ihren Niederschlag im Einzelplan 10 finden. Die deutsche Landwirtschaft hat zur Vorbereitung auf dem europäischen Markt von sich aus große Anstrengungen unternommen und bereits beachtliche Erfolge in dieser Richtung erzielt, die wir voll anerkennen. Sie darf deshalb erwarten, daß sie in ihren Bemühungen weiterhin jede vertretbare Unterstützung erfährt.
Allerdings können ernsthafte Bemühungen um die Stabilisierung der Finanz- und Haushaltswirtschaft des Bundes auch am Einzelplan 10 nicht vorübergehen. Bei genauer Durchsicht des Landwirtschaftsetats wird offenkundig, daß einige wenige Titel mit erhöhten Ansätzen „Polster" aufweisen, die im Interesse der Haushaltswahrheit und -klarheit eine Überprüfung erfordern. Einkommenswirksame und investitionsfördernde Maßnahmen sind davon nicht betroffen.
Im übrigen wäre die Frage erwähnenswert, ob und inwieweit die in Zukunft immer stärker erforderlichen Finanzbeiträge an den EWG-Agrarhaushalt nicht in einem gesonderten Kapitel des Einzelplans 10 oder einem besonderen Einzelplan zusammengefaßt werden können.
Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Neuregelung der Sparförderung. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält eine baldige Neuregelung der Sparförderung für dringend geboten. Die jetzige Vorlage ist aber Schnippelarbeit und nicht ausreichend durchdacht. Der Vorschlag trägt weder der gesamtwirtschaftlichen Lage noch den jetzigen konjunkturpolitischen Erfordernissen Rechnung. Die Gesichtspunkte, die die SPD in einem sorgfältig ausgewogenen Reformkonzept beachtet wissen will, sind die folgenden: 1. Harmonisierung der Sparförderung, 2. Überprüfung der Kumulierungsmöglichkeiten und der Dauer der Sperrfristen, 3. zusätzliche Sparanreize für kleine Einkommen und 4. Unterscheidung zwischen volkswirtschaftlich notwendigem Sparen und der Förderung der privaten Vorsorge für Alters- und Notzeiten.
Der Finanzausschuß des Bundesrates hat am 21. Oktober in seiner Stellungnahme zum Sparprämiengesetz zum Ausdruck gebracht, daß 1. der Entwurf in sich nicht ausgewogen sei, 2. das in dem Entwurf vorgeschlagene NachversteuerungsverfahDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
l ren praktisch nicht durchführbar ist, 3. das in ,dem Entwurf vorgesehene Kumulationsverbot verwaltungsmäßig kaum praktiziert werden könne und 4. die durch die Gesetzesvorlage angekündigte Änderung der Sparförderung mit Wirkung ab 5. Oktober 1966 eine Rechtsunsicherheit habe entstehen lassen, die so schnell wie möglich beseitigt werden müsse.
Wir schlagen daher vor, daß die Bundesregierung diese Vorlage, die ohnehin keine finanziellen Auswirkungen für den Bundeshaushalt 1967 haben wird, zurückzieht, damit wir gerade auf diesem wichtigen Gebiet umgehend zur Rechtssicherheit zurückkehren. Meine Fraktion ist bereit, sofort interfraktionell an einem Gesetzentwurf mitzuarbeiten, der ein sorgfältig ausgewogenes Konzept zur Neuregelung der Sparförderung so realisiert, daß mit dem 1. Januar 1968 die Neuordnung in Kraft treten kann.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion an die anderen Fraktionen hiermit die Bitte heranträgt, bei den Beratungen der kommenden Wochen auf Gesetzesänderungen zu verzichten, die für 1967 keine oder nahezu keine finanziellen Auswirkungen haben. Wir meinen, diese Vorlagen sollten Anfang des nächsten Jahres neu und gründlich bearbeitet werden, 'um sicherzustellen, daß sie in einer jeder Nachprüfung standhaltenden Fassung bei überlegter Zielsetzung so in Kraft treten können, daß die gewünschten finanziellen Auswirkungen, die auch wir bejahen, ab 1. Januar 1968 gesichert sind.
Bezüglich des Steueränderungsgesetzes 1966 darf ich pauschal festhalten, daß wir mit den Einschränkung der Kilometerpauschale ebensowenig einverstanden sind wie mit der Streichung des landwirtschaftlichen Freibetrages, der Streichung des Freibetrages für freie Berufe oder der Beseitigung der Steuerfreiheit im Siedlungs- und Heimstättenwesen.
Unter Berücksichtigung unserer Haltung zu den dargestellten Positionen haben wir uns entschlossen, bei der von der SPD-Bundestagsfraktion vorzutragenden Konzeption von einem Kernhaushalt auszugehen, dem ein Stabilisierungshaushalt beigefügt ist, der in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres dann in Kraft gesetzt werden könnte, wenn die beiden entscheidenden Voraussetzungen vorliegen, nämlich Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und Beitrag zu einem antizyklischen Verhalten der öffentlichen Hand.
Der Bundeshaushalt 1967 mit dem Ergänzungshaushalt weist jetzt einen Betrag von 75,28 Milliarden DM aus. Das ist eine Steigerung um 7,7 %, wenn wir als Vergleichsbasis das Volumen 1966 einschließlich des Ergänzungshaushalts mit 69,9 Milliarden DM wählen. Der SPD-Kernhaushalt schließt mit einem Endbetrag von 72,61 Milliarden DM ab. Das ist eine Steigerung um 3,9 % gegenüber 1966 einschließlich Ergänzungshaushalt; wenn wir den Stabilisierungshaushalt mit seinem Entbetrag von 2,5 Milliarden DM hinzunehmen, ist es eine Steigerung um 7,4 %.
Ausgehend vom Regierungsentwurf ohne Berücksichtigung des Ergänzungshaushalts im einzelnen, da er uns noch nicht vorliegt, aber unter Beachtung der in der Etatrede vorgetragenen wichtigsten Änderungen, ergeben sich folgende Zahlen für unseren Kernhaushalt. Wir gehen, wie gesagt, von der Zahl des Regierungsentwurfs aus - 73,92 Milliarden DM - und nehmen an, daß eine Kürzung von 600 Millionen DM im Verteidigungshaushalt verantwortet werden kann. Dabei sagen wir aber auch, daß wir mit dieser Kürzung das Zuwachstempo im Verteidigungshaushalt verlangsamen. Wenn wir eine Anpassung unserer Wehrpolitik an neue Gegebenheiten wünschen, bedarf das einer vorherigen gründlichen politischen Beratung. Da würde meiner Meinung nach der Finanz- und Haushaltspolitiker an zweiter Stelle stehen. Zuerst muß die politische Entscheidung getroffen werden. So gilt auch für Kürzungsmöglichkeiten bei diesem Haushalt eine solche Grenze, die die Funktionsfähigkeit des Bundesverteidigungshaushalts weiter sichert.
Wir sehen Kürzungen in den übrigen Einzelplänen mit einem Betrag von 910 Millionen DM vor. Wir werden die Vorlage und alle einzelnen Positionen den Damen und Herren des Hauses nachher zustellen, damit sie die Gelegenheit einer genauen Überprüfung haben. Die Kürzungen in den übrigen Einzelplänen machen also 910 Millionen DM aus, Übertragungen von Aufgaben an die Länder -darüber sprach ich schon - 700 Millionen DM und Verlagerung von Ausgaben in den Stabilisierungshaushalt 1,05 Milliarden DM. Das macht zusammen 3,26 Milliarden DM.
Nun stehen aber diesen Kürzungen, soweit sie in der Regierungsvorlage beabsichtigt sind, auch bestimmte Auffassungen der Sozialdemokratischen Partei entgegen. Wir wollen Änderungen des Finanzplanungsgesetzes nicht in einer Höhe von 470 Millionen DM. Auch darüber lassen wir die Einzelheiten den übrigen Fraktionen zugehen, damit sie sich diese unsere Vorstellungen ansehen können.
An Devisenausgleichszahlungen haben wir - wie in der Rede des Herrn Ministers Schmücker vorgetragen - auch plus 1,3 Milliarden DM eingesetzt, obwohl wir nicht ganz sicher sind, ob nun 1,3 oder 1,8 Milliarden DM in Frage kommen. Wir haben uns dahin gehend unterrichten lassen, daß hinsichtlich der 500 Millionen DM eine Übereinstimmung zwischen Bundesfinanzministerium und Bundesverteidigungsministerium noch nicht voll erzielt wurde. Wenn das richtig ist, bedeutet das auch eine gewisse Vorsicht bei der Kürzung im Verteidigungshaushalt, wenn man also noch zusätzlich 500 Millionen DM etwa für Rüstungskäufe im Verteidigungshaushalt abwickeln möchte.
Durch die vorgestrigen Ausführungen haben wir erfahren, daß wir bei der knappschaftlichen Rentenversicherung nach dem vorläufigen Ist-Ergebnis einen Mehrbedarf von 180 Millionen DM haben. Die Summe der Erhöhungen beläuft sich daher auf 1,95 Milliarden DM. Das Volumen des Kernhaushaltes beträgt also 72,61 Milliarden DM.
Nun zur Einnahmeseite. Hier haben wir es, meine Damen und Herren von der früheren Regierungskoalition, natürlich erheblich schwerer, weil wir nach unseren Vorstellungen von einem Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 35 % ausgehen und ausgehen müssen. Das ist auch dann eine zusätzliche Belastung, wenn Sie die 700 Millionen DM abziehen, die wir ja verlagern wollen, so daß ein Saldo von 1,3 Milliarden DM eintritt.
Wir müssen also hier einsetzen: die Korrektur nach der Steuerschätzung mit minus 1,1 Milliarden DM, die Herabsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 39 auf 35 % mit minus 2 Milliarden DM, die Beibehaltung der Kilometerpauschale mit minus rund 200 Millionen DM und keine Beseitigung der Umsatzsteuerbefreiung im Siedlungs- und Heimstättenwesen - j eden-falls nicht so überhastet, denn es handelt sich da um ein ganz altes Privileg, über das man mindestens einmal in Ruhe sprechen sollte - mit minus rund 80 Millionen DM. Das ergibt Mindereinnahmen in Höhe von 3,38 Milliarden DM.
Nun, das reicht natürlich nicht. Also mußten wir auch den mutigen Schritt unternehmen, nämlich uns an die Kürzung von unsichtbaren Finanzhilfen, an die Kürzung von Subventionen, heranwagen. Wir sind dabei auf einen Betrag von 1,18 Milliarden DM gekommen. Wir wir hier tun wollen, legen wir Ihnen vor, damit Sie es nachprüfen können. Ich muß auch hier sagen, meine Damen und Herren, daß das nicht das letzte Wort sein kann. Wie ich den Ausführungen des Bundesministers Schmücker zu einzelnen Positionen entnehmen konnte, ist ein Spielraum für Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen vorhanden.
Aber eine Kürzung von unsichtbaren Subventionen etwa in einer Größenordnung von 1,2 Milliarden DM ist eben unabweislich, wenn man nicht den anderen Weg der Steuererhöhungen gehen will, und das wäre sicher in dieser Lage kein Verhalten, das mit der Konjunkturentwicklung in Übereinstimmung stehen würde.
Wir haben dann noch bei einigen anderen Positionen - bei wirtschaftlichen Unternehmen, Verwaltungseinnahmen usw. - insgesamt Verbesserungen von etwa 570 Millionen DM vorgesehen, so daß wir bei den Einnahmen des Kernhaushalts gleichfalls zu einem Betrag von 72,61 Milliarden DM kommen.
Beim Stabilisierungshaushalt handelt es sich um ein Volumen von 2,5 Milliarden DM. Das sind die Verlagerung von Ausgaben aus den Einzelplänen des Kernhaushalts in Höhe von 1,05 Milliarden DM und zusätzliche Investitionsausgaben von 1,45 Milliarden DM. Beides ergibt das Volumen dieses Stabilisierungshaushalts von 2,5 Milliarden DM, denen Anleiheermächtigungen in gleichem Betrage gegenüberstehen.
({17}) - Einen Moment, ich sage dazu noch etwas.
Bei den Überlegungen, ob und in welchem Ausmaß bei einer nach sozialdemokratischen Vorstellungen zu betreibenden Politik - das ist natürlich die wichtigste Voraussetzung unserer Überlegungen; bitte, ich muß ja auch bei Ihren Überlegungen voraussetzen, daß Sie die Grundlagen Ihrer gesamten Regierungspolitik berücksichtigen und diese finanzwirtschaftlichen Auswirkungen ermitteln - in der zweiten Hälfte des Jahres 1967 Kapitalmarktmittel in Anspruch genommen werden können, muß an den vorgesehenen Zinsen- und Tilgungsdienst für Inlandsverschuldung und die Abtragung der Vorjahresfehlbeträge erinnnert werden, um den geringeren Grad der Belastung zu erkennen. Ich meine, wir sollten wenigstens intern wirklich saldieren und sagen: was fließt da an Zinsen- und Tilgungsdienst
- selbstverständlich nicht bei der Auslandsverschuldung, sondern nur bei der Inlandsverschuldung
- und Abdeckung an Fehlbeträgen zurück, um dann festzustellen, was es da für eine Differenz gibt.
Mein Kollege Hermsdorf wird unsere Auffassungen zu den Einzelheiten der Haushaltssituation in Verbindung mit unserer Alternative noch vortragen. Wir haben meine Ausführungen mit den Zahlen, aber auch den Anlagen, die Ihnen Aufschluß darüber geben, was wir an den Einzelplänen kürzen wollen, vervielfältigen lassen und möchten Ihnen diese Anlagen zur Überprüfung zur Verfügung stellen, mit dem Hinweis: bitte, das ist eine Vorstellung, das ist ein Vorschlag, der mit im Raume steht, weil wir uns der Notwendigkeit, als sozialdemokratische Opposition an der Deckung der Haushaltslücke echt und verantwortlich mitzuwirken, nicht entziehen wollen und werden.
({18})
Bei der Rede des amtierenden Bundesfinanzministers - ich sagte es schon - hatte ich den Eindruck, daß sich Herr Schmücker ebenfalls einen gewissen Bewegungsspielraum abgesteckt hat. Seine Bereitschaft, über andere, bessere Vorschläge zu sprechen, war unverkennbar. Daher sagt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion: Unsere Alternative ist ein diskutierfähiger Vorschlag und nicht unbedingt das letzte Wort. Jeder bessere Vorschlag überwindet eine von uns in Aussicht genommene gute Regelung, wenn - und das ist allerdings die entscheidende Voraussetzung - von allen Seiten der gute Wille vorhanden ist.
Lassen Sie mich am Schluß noch eine Feststellung wiederholen. Die bisherige amtliche Wirtschafts- und Finanzpolitik orientierte sich leider an dem, was gestern war. Wir müssen aber heute schon an morgen und übermorgen denken und uns auf ein antizyklisches Verhalten einrichten. Das BlindeKuh-Spielen können wir uns insbesondere in Geldfragen nicht mehr leisten.
Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß entschlossenes Handeln not tut, um aus der Krise herauszukommen und um die nahe und die fernere Zukunft zu meistern. Wenn die Bundesrepublik nicht Gefahr laufen will, im friedlichen Wettstreit der Nationen an den Rand der politischen Mitwirkung gedrückt zu werden, dann muß sie alles tun, um ein starker Wirtschaftsfaktor und ein fairer
Welthandelspartner für West und Ost einschließlich der neutralen Welt zu sein oder zu werden. Das bedeutet, daß unsere Wirtschaftskonjunktur nicht in den Würgegriff der Unfähigkeit geraten darf und daß nach Bildung einer neuen, leistungsbereiten und dazu fähigen Regierung die entscheidenden Voraussetzungen für schnelles und richtiges Handeln geschaffen werden müssen.
Meine Damen und Herren! Politik ist das Bemühen, Ausgleiche zu vollziehen und im Bestreben nach einer neuen, als besser erkannten Regelung mindestens das Notwendige möglich zu machen. Auch der Finanzpolitiker hat daher keineswegs allein den öffentlichen Finanzbedarf zu sehen; er muß gleichfalls die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte, die soziale Gerechtigkeit und das Ziel einer allgemeinen Wohlstandsförderung beachten sowie sein politisches und fachliches Bemühen ständig in den Dienst dieser Aufgabe stellen. Politik ist also auch in unserem finanzpolitischen Teilbereich eine Gemeinschaftsaufgabe mit dem Ziel der Sicherung des Gemeinwohls.
Im Zusammenhang mit diesen politisch hochbedeutsamen Beratungen des Bundeshaushalts 1967 und den dazu gehörenden Gesetzen möchte ich daher am Schluß meiner Rede zehn aktuelle politische Gebote als Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion herausstellen:
1. Die mittelfristige Finanzplanung darf nicht länger verzögert werden. Sie ist nunmehr sofort vorzulegen, weil erst durch diese mittelfristige Finanzplanunng die Grundlagen für die konjunktur- und bedarfsgerechten Entscheidungen über die Prioritäten der notwendigen, von Bund, Ländern und Gemeinden zu lösenden Aufgaben, verbunden mit einer wirtschaftlich vernünftigen Abstimmung der Finanzierungsmöglichkeiten, geschaffen werden.
2. In einem Wirtschaftsbericht hat die Bundesregierung jeweils zu Beginn des Jahres ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Zielvorstellungen sowohl qualitativ als auch quantitativ darzustellen, wie das in den Anträgen der SPD-Bundestagsfraktion zum Stabilisierungsgesetz gefordert wird.
3. Die Finanzreform ist, nachdem das Sachverständigen-Gutachten schon seit Februar 1966 vorliegt, ohne Verzug gesetzgeberisch in Angriff zu nehmen, um eine rationale Finanz- und Haushaltspolitik in der Bundesrepublik zu gewährleisten. Auch die Haushaltsrechtsreform duldet keinen längeren Aufschub.
({19})
4. Bei allen Bemühungen um Preisstabilität darf das wirtschaftliche Wachstum nicht außer acht gelassen oder gefährdet werden. Die Finanzpolitik, die den von ihr geforderten Beitrag zu einer möglichst störungsfreien wirtschaftlichen Entwicklung erbringt, leistet sich selbst den größten Dienst.
5. Alle Pläne, die Steuererhöhungen bezwecken, sind sorgfältig unter den folgenden Gesichtspunkten zu prüfen: a) ob sie zum notwendigen antizyklischen Verhalten der öffentlichen Hand beitragen, b) welche langfristigen Auswirkungen für die Verwirklichung außerfiskalischer Ziele eintreten und c) ob sie - wie Professor Neumark formuliert hat - insbesondere einer gleichmäßigeren sozialen Verteilung des Volkseinkommens und einer Verstetigung des Wirtschaftsgeschehens dienen.
6. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist erreichbar durch die Aufhebung der Kuponsteuer, wie wir sie in unserem Gesetzentwurf, der heute noch zur Beratung ansteht, fordern, die Lockerung der Restriktionspolitik der Deutschen Bundesbank und die Wiederherstellung eines sauberen politischen Klimas, in dem das Vertrauen der Anleger und der Sparer gedeihen kann.
7. Der Etatausgleich 1967 darf nicht zu Lasten der investiven Ausgaben erfolgen, die schon bisher im Bundeshaushalt zu kurz gekommen sind. Die Bedeutung öffentlicher Investitionen sollte angesichts der noch mangelhaften Infrastruktur und ungenützter Kapazitäten nicht mehr unterschätzt werden.
8. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schlägt vor, den Bundeshaushalt - wie vorgetragen - in einen Kernhaushalt und einen nach konjunkturpolitischen Gesichtspunkten auszugestaltenden Stabilisierungshaushalt zu gliedern.
9. Mehr als bisher ist die öffentliche Meinung durch eine entsprechende Darstellung der Zielsetzungen davon zu überzeugen, daß öffentliche Ausgaben nicht weniger produktiv zu sein brauchen als private Ausgaben und daß gerade die gegenwärtige Situation besondere Anstrengungen der öffentlichen Finanzpolitik erforderlich macht, um eine beginnende Stagnation zu überwinden. Die Steuerzahler werden es sicherlich honorieren, wenn ihnen durch einen klaren Zielkatalog die Bedeutung oder unter Umständen die Vordringlichkeit von Aufgaben der Finanz- und Haushaltspolitik verständlicher als bisher gemacht wird.
10. Die innere Stabilität und die Sicherheit nach außen sind zwei Seiten einer Münze. Diese Münze ist der freiheitliche demokratische Staat. Das hat zur Folge:
a) Innere Stabilität ist durch die Finanzpolitik nur dann mit zu sichern, wenn sie sich in allen Bereichen um ein antizyklisches Verhalten bemüht.
b) Sicherheit nach außen kann nicht nur eine Frage der militärischen Verteidigungsmöglichkeiten sein, sondern hat auch unsere volkswirtschaftliche Leistungskraft und geordnete Zustände im Innern des Staates zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, für die bisherige Bundesregierung, das Erhard-Kabinett II, und ihre gescheiterte Koalition gilt das Wort aus einem Vortrag auf dem Eisenhüttentag am 4. November dieses Jahres in Düsseldorf: Gute Zeiten können dazu verleiten, arrogant und träge zu werden! Aber ich möchte für uns alle hier im Parlament den nächsten Satz hinzufügen: Schlechte Zeiten machen munter und wach, und ich glaube, wir sind heute hellwach!
({20})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bei diesem Stand der Debatte noch nicht in die Diskussion eingreifen, sondern lediglich zu der zitierten Pressemeldung Stellung nehmen. Ich habe vorhin meinerseits eine Presseverlautbarung herausgegeben, und ich glaube, es dient der weiteren Aussprache, wenn ich Ihnen diese Pressemitteilung bekanntgebe. Sie lautet:
Der Vorwurf, daß die Finanzlage des Bundes durch Nichtbekanntgabe von Zahlen verschleiert worden sei, trifft nicht zu. Es trifft weiter nicht zu, daß die Kabinettskommission für die mittelfristige Finanzplanung über die voraussehbare künftige Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen des Bundes im unklaren gelassen worden sei. Richtig ist vielmehr, daß diese Kabinettskommission in allen Phasen der Beratungen die wesentlichen Zahlen der mittelfristigen Finanzvorausschau, insbesondere die Entwicklung der Deckungslücken, sorgfältig geprüft hat. Allerdings war in dieser Kabinettskommission ausdrücklich Vertraulichkeit der Beratungen vereinbart worden.
Es ist richtig, daß der Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen die aus diesen Zahlen zu ziehenden Schlußfolgerungen anders gesehen hat als Minister Dahlgrün und daß er am 25. Oktober 1966 angeboten hat, aus dieser andersartigen Beurteilung der finanzpolitischen Gesamtsituation die Konsequenzen zu ziehen.
({0})
Herr Bundesfinanzminister, wollen Sie die Frage zulassen?
Ja.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!
Herr Minister Schmücker, ist der Brief an den Herrn Bundeskanzler vor eineinhalb Jahren in der erwähnten Form geschrieben worden oder nicht?
Danach müßte ich mich erst erkundigen. Über diese Vorgänge bin ich im einzelnen nicht informiert.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers Schmücker. Wir möchten nur einen Satz hinzufügen. Am 27. Oktober 1965, also
zwei Tage nach dem Rücktrittsangebot des Herrn Staatssekretärs, ist der Herr Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün und sind die anderen FDP-Minister des Kabinetts wegen unterschiedlicher Meinungen über die Haushalts- und Finanzpolitik aus der Regierung ausgeschieden. Wir bedauern, daß eine so angesehene Zeitung wie die „Welt" in einer derartigen Weise Nachrichten verbeitet, die nur zur Brunnenvergiftung in diesem Hohen Hause führen.
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Meine Damen und Herren! Die Beratung des heutigen Tages erfolgt in einer ernsten, sachlichen und würdigen Form entsprechend der Bedeutung der Probleme, die wir zu lösen haben. Wir behandeln hier formell den Bundeshaushalt des Jahres 1967. Untrennbar damit verbunden ist aber eine Reihe weiterer gesetzlicher Maßnahmen: das Finanzplanungsgesetz, der Nachtragshaushalt des Jahres 1966, das Ergänzungsgesetz zum Steueränderungsgesetz 1966, das die CDU-Fraktion eingebracht hat und im Hintergrund all unserer Überlegungen das Stabilitätsgesetz, das in den Ausschüssen zur Beratung vorliegt und dort bereits erhebliche Beratungsfortschritte gemacht hat.
Die Regierung, die in der heutigen Debatte dem Parlament gegenübersteht, ist ein Kabinett des Übergangs. In wenigen Tagen oder in kurzer Zeit wird eine neue Bundesregierung die Aussprache mit dem Parlament führen und die Politik in Deutschland gestalten. Deshalb kann die heutige Beratung, diese erste Lesung keine grundsätzlichen Entscheidungen der verschiedenen Parteien über die politischen Möglichkeiten bieten. Diese erste Beratung dient mehr der Darstellung der politischen Absichten für die Zukunft, für die zukünftige Politik in Deutschland. Wir sollten glücklich sein, daß uns eine Reihe solcher bedeutsamen Vorstellungen vorgetragen worden ist, wie sie. z. B. Kollege Dr. Möller vorhin vorgebracht hat. Er hat ein geschlossenes Gebäude einer möglichen Haushaltsund Finanzpolitik vorgetragen, und wir sollten jede Anregung und jeden Vorschlag mit allem Ernst genauestens prüfen. Die Zusammenarbeit aller Teile dieses Hauses, gleichgültig, ob sie Regierungspartei oder Opposition bilden, ist notwendig, um die Probleme zu lösen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß auch ich für meine Fraktion ein gewisses Zahlenwerk vorlege, ein Zahlenwerk, das sich mit den Problemen des Bundeshaushalts 1967 befaßt, das Vorschläge der Regierung und eigene Vorschläge der Freien Demokratischen Partei gegenüberstellt und ebenfalls ein in sich geschlossenes Ganzes finanzpolitischer Möglichkeiten darbietet.
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Es gibt ohne Zweifel drei Fragenkomplexe, die die Bundesfinanzen im nächsten Jahr belasten: 1. die Frage des Devisenausgleichs zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, 2. der allgemeine Fehlbedarf des Bundeshaushalts 1967, der sich durch
Steuermindereinnahmen und zusätzliche Ausgaben an anderen Stellen ergibt und 3. das nicht gelöste Verhältnis von Bund und Ländern in bezug auf die Aufteilung der Gemeinschaftssteuern, die beiden Ebenen der öffentlichen Hand zufließen. Ich habe einigen Kollegen der CDU und der SPD das Zahlenwerk vorgelegt - wir haben es vorhin verteilen lassen -, so daß die Positionen von mir nicht unbedingt im einzelnen aufgezählt zu werden brauchen; das würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber gestatten Sie mir, daß ich einige Hauptprobleme aus diesem Komplex herausgreife und im einzelnen darstelle.
Wenn wir uns über Lösungsvorschläge unterhalten wollen, müssen wir beginnen mit dem Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Das ist die Ausgangsstellung für die Gestaltung des Bundeshaushalts im nächsten Jahr. Es ist für uns alle äußerst bedauerlich, daß es im Laufe des Sommers 1966 nicht gelungen ist, durch Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Länderregierungen eine Klärung herbeizuführen, um die wir ja nicht herumkommen, gleichgültig wann die Klärung erfolgt. Irgendwann wird die Klärung geschehen müssen, und dann stehen wir vor Realitäten, denen wir nicht ausweichen können.
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Natürlich ist es Aufgabe des Bundes, seinen Standpunkt nüchtern zu vertreten, um seinen Standpunkt zu kämpfen, zu versuchen, den Anteil zu gewinnen, den er glaubt, für seine Politik benötigen zu müssen. Darum müssen wir, wenn wir unsere Verhandlungsposition nicht von vornherein schwächen wollen, vom Rechtsstandpunkt des Bundes ausgehen, mag er in der Sache umstritten sein oder nicht. Ausgehen sollten wir also vom Rechtsstandpunkt des Bundes, der ja im Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1967 niedergelegt ist und der auch in der Einbringungsrede ,des Herrn Bundesfinanzministers Schmücker nicht aufgegeben worden ist. Die Bundesregierung macht keine Änderungsvorschläge und geht davon aus, daß ihr 39 % als Anteil an den Gemeinschaftssteuern zufließen.
Aber, meine Damen und Heren, sosehr wir gewillt sind - schon zur Verbesserung unserer Verhandlungssituation -, den Rechtsstandpunkt zur Ausgangsstellung zu machen, so sehr müssen wir natürlich bereit sein, die Realitäten zu sehen, und die Realitäten beginnen an einer Stelle mit dem Problem der sogenannten finanzschwachen Länder. Im Jahre 1966 waren dies fünf Länder, nämlich Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Bayern; im Jahre 1967 sind es wahrscheinlich noch vier, nämlich Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Wir hatten im Jahre 1966 eine Regelung für diese sogenannten finanzschwachen Länder gefunden, nach der der Bund in einer Sonderzuweisung diesen finanzschwachen Ländern neben der normalen Aufschlüsselung der Gemeinschaftssteuern insgesamt 180 Millionen DM zugeführt hat. Diese Zuführung ist auf Wunsch des Bundesrates geschehen. In dieser Maßnahme ist also nicht, wie es manchmal erklärt wird, ein Bestechungsversuch der Bundesregierung zu sehen, um finanzschwache Länder aufzukaufen und mit ihren Stimmen eine Mehrheit im Bundesrat zu finden. Es war eine Maßnahme, die durch den Wunsch des Bundesrates, durch die Gemeinschaft der Länder insgesamt ausgelöst wurde.
Ich glaube, daß die Situation der finanzschwachen Länder, abgesehen von Bayern, das sich nunmehr aus der schlechten Lage etwas herausbewegt hat, insgesamt nicht besser geworden ist. Zum Teil ist durch Strukturunterschiede ,die Lage noch kritischer geworden, so daß wir - das ist der erste Vorschlag, den ich hier für die FDP mache - die im Jahre 1966 getroffene Sonderregelung für finanzschwache Länder auch im Jahre 1967 fortsetzen wollen, und zwar mit einem erhöhten Betrag, den wir mit 300 Millionen DM beziffern.
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Wir gehen bei diesem Vorschlag davon aus, daß er nichts ist als eine Zwischenlösung bis zur Finanzreform, um die Zeit bis zur Finanzreform zu überbrücken. Hier allerdings ist es unbedingt notwendig, zu erklären, daß ,die Finanzreform durch alle Anstrengungen des Parlaments und der Regierung so vorwärts getrieben werden muß, daß wir 1968 mit festen Tatbeständen rechnen können. Wir können nicht länger mit Zwischenlösungen operieren. Jeder Monat, der hier verloren wird, erschwert erneut 'die Probleme, die sich uns 1968 und 1969 automatisch auch hinsichtlich 'der finanziellen Ausstattung der Gemeinden stellen.
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Wir sollten also in dem Vorschlag, den ich hier gemacht habe - 300 Millionen DM -, eine nochmalige Zwischenlösung sehen, die den Raum bis zur endgültigen Neuaufteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern überbrückt.
Wir haben an anderer Stelle unserer Vorschläge zur Abdeckung des zu errechnenden Fehlbetrages vorgesehen, Freibeträge für verschiedene Berufe komplett zu streichen. Diese Streichung der Freibeträge für alle Berufsgruppen würde die Einnahmen des Bundes um etwa 200 bis 230 Millionen DM erhöhen und die Länder bei der Aufteilung 39 : 61, von der ich ausgegangen bin, insgesamt mit 530 Millionen DM Mehreinnahmen ausstatten. Dem steht eine Verschlechterung der Einnahmen der Länder gegenüber, da es keine Zweifel darüber gibt, daß wir die Kilometerpauschale nicht bei 10 Pf, sondern höher festsetzen werden. Wir sind in unserem Zahlenspiel davon ausgegangen, daß die Kilometerpauschale mit 36 Pf festgesetzt wird, was für die Länder eine Mindereinnahme von 230 Millionen DM bedeutet.
Saldiere ich diese Mindereinnahme mit der Mehreinnahme durch die Streichung der Freibeträge für alle Berufsgruppen, dann 'bekommen die Länder insgesamt 300 Millionen DM mehr. Die finanzschwachen Länder bekämen durch die Sonderzuweisung noch einmal 300 Millionen DM zusätzlich. Damit haben wir einen Ausgangspunkt für sinnvolle Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gewonnen, wobei wir zwar von unserem Rechtsstandpunkt aus3350
gehen, aber nicht mit der Sturheit, zu erklären: es gibt gar keine andere Chance. Wir haben damit den Ländern mindestens ein Verhandlungsangebot gemacht, das uns in den Gesprächen hoffentlich weiterbringen wird.
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Wenn auch dieses Verhandlungsangebot dann noch nicht zu dem von uns gewünschten Ergebnis führt, werden wir weitere Lösungen im Rahmen von Überlegungen zu finden haben, wie sie Kollege Möller hier angestellt hat. Wir werden dann in stärkerem Umfang an 'Subventionen oder an Steuervergünstigungen herangehen müssen. Im Endeffekt gibt es aber eine Grenze, unter die der Bund nicht gehen kann. Wir müssen mit einer gewissen Einnahmequote rechnen, und ich glaube, daß diese Einnahmequote unter keinen Umständen unter 37 % liegen kann. Gehen wir darunter, dann allerdings gefährden wir die Aktionsfähigkeit einer Bundesregierung, gleichgültig wie sie zusammenestellt sein mag.
Wenn ich von dieser Grundvoraussetzung Bund und Länder ausgehe, gewinne ich die Basis für das Zahlenspiel, das mir den Fehlbetrag im Bundeshaushalt deutlich macht.
Wir haben mit Steuermindereinnahmen von 1,1 Milliarden DM zu rechnen. Wir sind nicht in der Lage, nachzuprüfen, ob es wirklich 1,1 Milliarden DM sein werden; kein Mensch ist dazu in der Lage. Wir nehmen diese 1,1 Milliarden DM als Erklärung der Regierung hin und bauen auf dieser Zahl auf, damit uns niemand den Vorwurf macht, wir seien unrealistisch und wollten von irgendwelchen utopischen Vorstellungen ausgehen.
Zu diesen Mindereinnahmen ergeben sich Mehrausgaben: 300 Millionen DM an finanzschwache Länder, Erhöhung der Ausgaben für die knappschaftliche Rentenversicherung 180 Millionen DM, Nichtübernahme der Zuschüsse für landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften durch gewerbliche Berufsgenossenschaften - wir werden dieser Maßnahme nicht zustimmen -,
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das macht eine Mehrausgabe von 140 Millionen DM. Mindereinnahme auf Grund der Kilometerpauschale: 120 Millionen DM.
Das ergibt einen Fehlbetrag von 1840 Millionen DM. Wie kann diese gewaltige Quote gedeckt werden? Einmal durch Minderausgaben, zum anderen durch Mehreinnahmen.
Die Minderausgaben haben wir im einzelnen ebenso genau zusammengestellt wie Sie, Herr Kollege Dr. Möller, für die SPD, und wir sind erstaunlicherweise zu fast parallelen Zahlenvorstellungen gekommen. Ich habe mir z. B. den Passus Ihrer Rede zum Haushalt des Bundesaußenministers angesehen. Sie kommen auf einen Streichungsvorschlag von 58 Millionen DM, ich komme auf 59 Millionen DM. Das zeigt - da wir uns ja mit unseren Zahlen nicht vorher abgestimmt haben, jeder wollte hier mit dem Erstgeburtsrecht erscheinen -, daß bei unterschiedlichen Vorstellungen doch gleiche Ergebnisse herauskommen. Dasselbe, Herr Kollege Leicht, ergibt sich in Kooperation oder im Gegenspiel mit der Bundesregierung. Etwa die Hälfte unserer Streichungsvorschläge deckt sich mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung vorschlägt. Wir haben die Posisitionen mit einem kleinen x versehen, um es deutlich zu machen. Es gibt eben, wenn man die Probleme des Haushalts nüchtern betrachtet, hier in diesem Parlament zwischen allen Parteien eine Fülle von Übereinstimmungen. Das muß in der heutigen Situation auch einmal herausgestellt werden.
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Wir möchten also die Entwicklungshilfe um 200 Millionen DM kürzen. Wir sind der Meinung, daß im Verteidigungshaushalt bei den Bauvorhaben, den Personalkosten - es ist ja eine gewisse Zahl von Positionen nicht besetzt - und gewissen Ersatzbeschaffungen 300 Millionen DM eingespart werden können und an verschiedenen anderen Stellen des Haushalts insgesamt 300 Millionen DM, die wir auch im einzelnen aufgegliedert haben. Der Umbau des Systems der Finanzierung der Kapitalisierung von Kriegsopferrenten deckt sich mit dem Vorschlag der Bundesregierung, der 120 Millionen DM einbringt. Restliche Streichung des „Pennälergehalts" : 115 Millionen DM. Und so setzt sich unsere Zahlenreihe fort; Streichungen insgesamt in Höhe von 1,2 Milliarden DM.
Dazu treten Mehreinnahmen: die totale Abschaffung des Mineralölsteuerprivilegs, die 240 Millionen DM bringt, die Erhöhung der Umsatzausgleichsteuer Stahl - sie liegt in den Ausschüssen und wird in wenigen Tagen oder Wochen verabschiedet sein -, die uns 50 Millionen DM bringt, und die Streichung der Freibeträge für alle Berufsgruppen, also freie Berufe, Landwirte, Arbeitnehmer, mit einer Mehreinnahme des Bundes von 330 Millionen DM.
Das ergibt Haushaltsverbesserungen von 1880 Millionen DM, also einen Überschuß über den Fehlbetrag von 40 Millionen DM, der zum Manipulieren im Spielraum verwendet werden kann.
Dazu müssen wir Möglichkeiten sehen, in gewissen Sektoren unserer Verwaltung Vereinfachungen und Einsparungen vorzunehmen, die sich nunmehr leichter ergeben, weil das Bundeskabinett neu konstruiert wird. Wir sind der Meinung, daß der Zeitpunkt gekommen ist, die Position des Bundesbeauftragten in Berlin, die vor einigen Monaten geschaffen worden ist, wieder zu streichen. Es muß erörtert werden, ob die dritte Abteilung, die im Bundeskanzleramt geschaffen wurde und über deren Schaffung wir alle im Haushaltsausschuß nicht sehr glücklich waren - keiner war froh darüber -, nun nach der Wahl eines neuen Bundeskanzlers nicht überflüssig ist. Das Verhältnis Bundesverteidigungsratsminister und Bundeskanzleramt ist neu zu überprüfen und zu überdenken. Der Grund, der uns dazu geführt hat, das Ministerium Bundesverteidigungsrat zu verstärken - über den alle drei Fraktionen im Haushaltsausschuß gleiche Ansichten geäußert haben -, entfällt nunmehr. Wir haben durchaus Chancen, im Zuge einer Verwaltungsvereinfachung oben zu beginnen - einer VerwaltungsvereinDr. Emde
fachung, die dadurch, daß sie an der Spitze beginnt, ein Symbol und ein Beispiel für den ganzen Staatsapparat sein kann.
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Es gibt aber für uns von der FDP keinen Zweifel, daß das schwierigste Problem, das wahrscheinlich mitentscheidend für die schlechte Haushaltslage ist, in der wir uns befinden, das Problem des Devisenausgleichs zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ist. Lassen Sie mich zuerst darstellen, wie wir uns die Lösung vorstellen, und dann zu dieser Frage einiges Grundsätzliches sagen.
Die Bundesregierung hat einen Vorschlag gemacht, bei dem sie von der Vertragssumme von 5,4 Milliarden DM ausgeht, die bis heute gezahlten Beträge abrechnet, den Nachtrag 1966 mit 1 Milliarde DM einstellt, Kapitalmarktmittel und den Verteidigungshaushalt im Jahre 1967 mit je 500 Millionen DM anspricht, eine Zwischenfinanzierung der Bundesbank von 800 Millionen DM vorsieht und den dann verbleibenden Restbetrag von 1,3 Milliarden DM durch Mittel abdeckt, die im Rahmen der Steuererhöhungen gewonnen werden. Sie kommt damit zu einer völligen Lösung des Problems.
Wir gehen von der gleichen Vertragssumme aus. Wir erkennen den Nachtrag 1966 mit der einen Milliarde auch in seiner inneren Konstruktion an, obwohl uns das sehr schwer gefallen ist - aber es gibt keinen anderen Weg. Wir erkennen die Möglichkeit der Zwischenfinanzierung der Bundesbank mit 800 Millionen DM an. Nun kommt aber der erste Unterschied zum Vorschlag der Bundesregierung: Wir sind der Meinung, daß der Verteidigungshaushalt seine volle Erhöhungsquote von 1,2 Milliarden DM für den Devisenausgleich zur Verfügung stellen soll, daß er also in der vollen Höhe von 1,2 Milliarden DM im nächsten Jahr in Amerika Waffen kaufen oder entsprechende Beträge nach den Vereinigten Staaten transferieren soll.
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Dann verbleibt ein Restbetrag von 1,1 Milliarden DM. Wir haben natürlich eine Reihe von Gesprächen geführt, um die Haltbarkeit unserer Überlegungen nach allen Seiten abzudecken und abzustützen, und wir sind überzeugt, daß es möglich ist, im Rahmen einer Devisenzwischenlösung bei Einschaltung der Bundesbank oder bei einer Zwischenfinanzierung über Kapitalsammelstellen diese 1,1 Milliarden DM im nächsten Jahr zu beschaffen und sie dann im Laufe der kommenden Haushaltsjahre aus den Verteidigungshaushalten abzudecken.
Meine Damen und Herren, ich will auch gleich die Schwäche oder die Folgen einer solchen Finanzierungsmaßnahme darstellen, damit nicht nachher in Zwischenfragen oder in anderen Reden gesagt wird, wir hätten die Realitäten verkannt. Ich sehe die Schwierigkeiten, die sich ergeben. Sie liegen darin, daß dann die Verteidigungshaushalte der Jahre 1967 und 1968 und sogar noch eine Quote des Verteidigungshaushalts des Jahres 1969 mit der Abwicklung
eines Devisenausgleichsabkommens belastet sein werden, dessen Laufzeit in Wirklichkeit am 30. Juni des Jahres 1967 zu Ende gegangen ist. Das bedeutet, daß wir in der Möglichkeit, ein neues Devisenausgleichsabkommen mit den Vereinigten Staaten abzuschließen, erheblich begrenzt sind.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß meine Fraktion dieses Problem in der Vergangenheit und in der Gegenwart immer wieder angeschnitten hat. Die Ursache der Verpflichtungen ist uns allen bekannt. Die Verpflichtungen entstehen durch die Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland, durch Devisenabflüsse, die dadurch in Amerika erfolgen. Bis zum Jahre 1965 waren die Dinge unproblematisch, weil bis dahin stets Käufe in den Vereinigten Staaten erfolgten, die weit über die Devisenverluste der amerikanischen Truppen in Deutschland hinausgingen. Erst von 1965 an ist die Frage prekär geworden, nämlich von dem Augenblick an, wo in Amerika nicht mehr in gleichem Maße Rüstungsgut gekauft wurde, weil die Ausrüstung der Bundeswehr in einer Phase abgeschlossen war, und heute befinden wir uns in einem Zustand, in dem wir militärisches Ausrüstungsgerät in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien beim besten Willen nicht in einem Umfange kaufen können, der mit den Zahlungsbilanzverlusten übereinstimmt, die in Amerika und England durch die Stationierung von Truppen in Deutschland entstehen.
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Wir haben immer auf diese Schwierigkeit hingewiesen, und wir bedauern, daß in den Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Vereinigten Staaten dieses Problem den Amerikanern nicht in aller Präzision dargestellt worden ist. Ich erinnere an eine Diskussion, die ich hier mit Herrn Verteidigungsminister von Hassel geführt habe. Dabei habe ich erklärt: es ist schlecht, wenn wir aus einer falsch verstandenen Loyalität gegenüber unseren Verbündeten heraus Zusagen machen, die wir nachher nicht einhalten können oder für die wir uns dann in abenteuerliche Operationen stürzen müssen. Noch schlimmer ist es allerdings, zu sagen: Wir halten das Abkommen nicht. Zu unserem Abkommen müssen wir stehen, so bitter uns das ankommen mag; denn heute ist für dieses Land in der Beurteilung durch andere Länder nichts wichtiger, als daß es zu seinem Wort steht, mag es ihm noch so hart ankommen.
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Darum sollte unseren Partner in künftigen Verhandlungen klarer Wein eingeschenkt werden. Unseren Partnern sollte klargelegt werden, welche finanziellen und haushaltsmäßigen Möglichkeiten wir haben. Ich bin überzeugt, daß es eine Kleinigkeit bedeutet, den im Jahre 1965 nicht mehr eingebauten Passus von der Haushaltslage in ein neues Abkommen einzubauen. Man sollte sich aber nicht auf einen Ausweg festlegen, sondern man müßte unseren Partnern klarlegen, daß wir in diesem Beschaffungstal, das bis zum Jahre 1969 vor uns liegt, eben aus technischen Gründen nicht in der Lage sind, Material in diesem Umfang zu kaufen, und daß, wenn bei unse3352
ren Partnern Devisenprobleme bestehen, in anderer ' Weise Lösungen gefunden werden müssen, aber nicht aus dem deutschen Bundeshaushalt heraus.
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Meine Damen und Herren, das ist das Bukett unserer Vorschläge. Man mag zu diesem Bukett stehen, wie man will, aber es ist in sich geschlossen, es ist eine Diskussionsgrundlage. Wir sind natürlich über jede Position dieses Buketts zu reden bereit. Es handelt sich nicht um ein Ultimatum an irgend jemanden, sondern das ist eine Verhandlungsbasis, von der wir ausgehen, damit in den nächsten Wochen hier im Parlament Entscheidungen für die Zukunft gefällt werden können. Es gibt wohl keinen Zweifel daran, daß nunmehr die Stunde der politischen Entscheidung gekommen ist und daß es nicht mehr in der Kraft des Haushaltsausschusses oder besonders gewitzter Haushaltsfachleute liegt, technische Ausgleiche herbeizuführen, wenn nicht grundsätzliche Remedur dort geschaffen wird, wo durch innere Unsicherheit oder innere Fehler die Politik zu Ausgaben und zu Verpflichtungen gezwungen hat, die man, als man diese Verpflichtungen einging, entweder nicht deutlich genug gesehen hat oder nicht sehen wollte.
Ich will hier nicht - ich habe das schon einmal vor einem Jahr getan - mit der Vergangenheit rechten. Als über das Haushaltssicherungsgesetz gesprochen wurde, habe ich für meine Partei gesagt: auch wir erklären, daß wir an manchen Fehlentscheidungen der Vergangenheit mitschuldig sind, aber wir sind bereit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und in Zukunft besser zu arbeiten.
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Wenn alle sich zu einer solchen Haltung durchringen könnten, wäre wohl mancher politische, mancher demagogische und mancher menschliche Zündstoff aus den Beratungen herausgenommen.
Wir sind überzeugt, daß der Vorschlag des früheren Finanzministers, unseres Kollegen Dahlgrün, zum Etat durch den neuen Vorschlag der Bundesregierung nicht verbessert, sondern verschlechtert worden ist. Quantitativ ist das Haushaltsvolumen gesteigert worden; qualitativ ist eine Fülle von Konsumausgaben und eine Fülle von Subventionen beibehalten worden, die wir ausräumen müssen und im Laufe der nächsten Monate ausräumen werden. Wir wissen, daß das, was mit dem Finanzplanungsgesetz von der Regierung vorgelegt worden ist und was wir hier an Vorschlägen erarbeitet und vorgetragen haben, nur das Problem des Bundeshaushalts 1967 löst. Darüber ist sich die Freie Demokratische Partei völlig klar. Die Finanzvorausschau macht deutlich, daß auch für das Jahr 1968 und für die kommenden Jahre jetzt Lösungen gefunden werden müssen, wenn wir nicht im nächsten Herbst erneut über die gleiche Misere hier an der gleichen Stelle reden wollen.
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Es gibt zwei Möglichkeiten, die Probleme zu lösen, zwei Möglichkeiten, die wir - das möchte ich besonders den Kollegen der CDU/CSU sagen - sine
ira et studio, wirklich ohne Vorurteil und Festlegung, untersucht und behandelt haben, nämlich einmal die Möglichkeit der Steuererhöhung oder der Erschließung neuer Steuerquellen und zum anderen die Möglichkeit der Senkung der Ausgaben. Wir sind bei unseren Überlegungen von der konjunkturpolitischen Situation ausgegangen. Die konjunkturpolitische Situation erfordert auch heute möglichst die Beibehaltung des gegebenen Haushaltsvolumens, da das Bruttosozialprodukt ja über die vorher berechnete Quote im Jahre 1967 hinaus nicht zunimmt, sondern nach den Schätzungen, die die Institute uns gegeben haben, die Zuwachsquote des Sozialprodukts im Laufe des Jahres 1967 etwas absinken wird.
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- Herr Kollege Leicht, wir haben drei bis vier Jahre darum gekämpft, in einer Koalition gemeinsam darum gekämpft, daß die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts etwa mit der Zuwachsrate des Haushalts übereinstimmt. Wir haben dieses Ziel nie erreichen können; ich gebe das zu. Aber wir haben immer für dieses Ziel gekämpft. Nun wird dieses Ziel und damit die ganze Politik, die wir in diesem Sektor drei bis vier Jahre unter Schmerzen und Not gemeinsam getragen haben, plötzlich aufgegeben, und von der Anpassung der Zuwachsraten der beiden Bereiche wird überhaupt nicht mehr gesprochen.
Sind neue Erkenntnisse gewonnen worden? Ich wäre bereit zu folgen, wenn uns neue Erkenntnisse über die Konjunktursituation zu einer solchen Entscheidung gebracht hätten. Oder wird diese Politik nur darum aufgegeben, weil man Angst hat, den politischen Kampf um Ausgabekürzungen zu führen?
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Ich will hier nicht zitieren, was in Regierungserklärungen gesagt worden ist. Es ist zu deutlich in der Erinnerung eines jeden Mitglieds dieses Hohen Hauses und zu sehr in der Erinnerung der deutschen Öffentlichkeit. Ich erinnere nur an die Kritik, die erhoben wurde, als der Bundeshaushalt mit 73,9 Milliarden DM vorgelegt wurde. Da hieß es, er sei zu hoch, und es traten eine ganze Reihe von ehrenwerten Mitgliedern auch dieses Hauses auf und sagten, man müsse ihn um 1 bis 11/2 Milliarden DM kürzen. Ich habe in den Monaten damals geschwiegen, weil ich wußte, daß wir glücklich sein könnten, ihn bei 73,9 Milliarden DM zu halten. Alle Vorstellungen, auch diejenigen, die der Bund der Steuerzahler in solch großzügiger Weise vorlegt, sind Schall und Rauch; sie zerstieben an den harten Realitäten, denen wir hier gegenüberstehen.
Aber was ist konjunkturpolitisch heute notwendig in einer Situation, in der wir vor dem Winter stehen? Der Winter bringt immer eine gewisse Rezession in Teilen unserer Volkswirtschaft. Was ist notwendig in einer Situation, in der die Investition der öffentlichen Hand zu sinken beginnt, in einer Situation, in der die Investitionen der Wirtschaft zu sinken beginnen, in einer Situation, in der
tatsächlich die Restriktionspolitik der Bundesbank voll zugegriffen hat, in einer Situation steigenden Unbehagens in der Öffentlichkeit bei der Betrachtung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung? Meine Damen und Herren, wir wissen ja, was die psychologische Auswirkung von Gesetzen oder Entwicklungen in der Öffentlichkeit bedeutet. Wirtschaftspolitik und Konjunkturpolitik sind immer ein Stück Einkalkulierung psychologischer Möglichkeiten. Wer sich in einen Abwärtstrend hineinbewegt, der kann damit Dinge auslösen, die dann nicht einfach mehr durch finanztechnische Maßnahmen beseitigt werden können.
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Wir müssen eine konjunkturpolitische Beweglichkeit für das Frühjahr beibehalten. Dazu gehört die Notwendigkeit, eine stabile, aktionsfähige und aktionswillige Bundesregierung am Werke zu sehen. Beides zusammen, die Einsetzung echter Konjunkturmittel und eine stabile Regierung, die Vertrauen ausströmt, ist in der Lage, die Folgen der Rezession zu überwinden, denen wir uns zweifelsohne im Februar und März nächsten Jahres gegenübersehen werden.
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Meine Damen und Herren, so utopisch das klingt: in einer solchen Konjunktursituation ist der normale Weg, an Steuersenkungen zu denken, daran zu denken, Mittel am Kapitalmarkt zu besorgen, um dann von zwei Seiten her auf die Belebung der Wirtschaft einzuwirken. Ich weiß, daß das Wort Steuersenkung in der heutigen Situation nicht vortragbar ist, aber das wäre an sich das kulturpolitisch richtige Verhalten. Aus diesem Grund, aus der Zuführung neuer Mittel in die Wirtschaft, ist es notwendig, die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei über den Abbau der Kuponsteuer in allem Ernst und in aller Genauigkeit zu prüfen.
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Die Ausgangslage zur Beurteilung der Konjunktursituation ist anders als 1966, als die Kuponsteuer eingeführt worden ist.
A ber nun ein Wort zu dem Problem, an dem sich der Bruch der alten Koalition vollzogen hat, zu der Frage der Steuererhöhung. Wir haben im vergangenen Jahr einen Sektor unserer Steuern erhöht, die Branntweinsteuer und Sektsteuer. Heute liegen erste Zahlen vor, erste Zahlen über das Ergebnis, und aus diesen Zahlen können wir erkennen, daß wir zweifelsohne nicht die Mehreinnahmen erreichen werden, an die man gedacht hat, als die Steuererhöhungen vorgeschlagen wurden. Ich gehe einmal davon aus, daß die Erhöhung der Branntwein- und Sektsteuer im vorigen Jahr nicht aus taktischen Gründen von einer Partei vorgetragen wurde, um damit innere Schwierigkeiten zu überwinden, sondern daß das echte Ziel dieser Steuererhöhung darin bestehen sollte, dem Bundeshaushalt Mehreinnahmen zuzuführen. Es ist eindeutig, daß Steuererhöhungen im Konsumsektor in ihrer Einnahmesteigerung sich immer mit einem ganz erheblichen Verzögerungseffekt auswirken. Es ist eindeutig, daß
Steuererhöhungen, die nur einen Teil eines Sektors betreffen, zum Abwandern auf andere Verbrauchsgüter führen, daß der Branntweinverbrauch zurückgegangen ist, ohne daß deshalb der Alkoholteufel weniger grassiert. Die Leute trinken dann eben andere Alkoholika. Sie trinken nicht mehr die, die teurer geworden sind, einfach weil sie sich ärgern, weil sie es denen oben auch einmal zeigen wollen, weil sie erbost sind. So ist doch die persönliche Reaktion, die auch manche zu Hause selbst getroffen hat. Meine Frau hat auch gesagt: Der Sekt wird teurer, jetzt trinken wir einmal ein paar Monate keinen Sekt mehr. Das geht doch überall in ganz Deutschland so.
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Dabei gehe ich davon aus, daß Sekt heute ein Getränk ist, das im Rahmen eines normalen Haushalts als gelegentliches Feiertagsgetränk durchaus konsumiert werden kann. Ähnliche Erfahrungen haben wir mit der Tabaksteuer gemacht. In der Schweiz ist die Tabaksteuer erhöht worden. Effekt: Umsatzrückgang um 24,6 %. Wir wissen doch, was geschehen wird, wenn die Tabaksteuer jetzt zum Termin X, ganz egal wann, erhöht wird: Jeder wird sich vorher so viel Zigaretten zu Hause in die Schublade legen, wie noch irgendwie haltbar sind. Wir haben doch heute .die Tropenpackungen, und ich kann mir zehn, zwanzig oder dreißig Stangen wegpacken. Damit wird also erreicht, daß die Steuererhöhung nicht reicht.
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- Wir werden im Jahre 1967, Herr Leicht, nicht die 500 Millionen bekommen. Der Effekt wird zu einem viel, viel späteren Zeitpunkt stattfinden.
Bei der Mineralölsteuer ist die Sache noch viel komplizierter. Mit dem Vorschlag, einen Teil des Mineralölsteuergewinns ,den Gemeinden zuzuführen, wird nach unserer Überzeugung ein neuer Verfassungskonflikt zwischen Bund und Ländern heraufbeschworen. Ich habe mit einer Reihe von Länderministern über dieses Problem gesprochen; die sagen: Das ist unsere Aufgabe, erhöht unsere Quote im Steuerverbund, und wir werden das Notwendige für den Gemeindewegebau, für den Verkehrswegebau in den Gemeinden und Städten tun. Das ist die Argumentation der Länder, und ich glaube, sie ist richtig, solange wir nicht die Finanzreform haben mit der Aufgabenneuverteilung und dem Komplex Gemeinschaftsaufgaben, z. B. Verkehrswegebau, der dann gemeinsam von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden kann. Solange wir das nicht haben, ist der Standpunkt der Länder berechtigt. Sie sagen: Wenn schon Geld, dann erhöht unseren Verbund, und wir werden das den Gemeinden zuleiten.
Und eine zweite Frage, meine Damen und Herren: Wie sollen denn die 440 Millionen DM verteilt werden? Nach Kopfquote? Will man jeder Gemeinde nur etwas geben, dann reicht es nicht vorn und nicht hinten. Oder will man das konzentriert diesem und jenem Land geben und sagen: Ihr seid dann zuständig!? Herr Kollege Leicht, dann ist der Weg, die Länder im Steuerbund um diesen Betrag besser
auszustatten, tatsächlich einfacher. Er ist verwaltungsmäßig erheblich einfacher.
Im übrigen ist dies nach unserer Überzeugung ein nicht ausgewogener Vorgriff auf die kommende Finanz- und Gemeindefinanzreform, die sicherlich einen Umbau mancher Steuern, auch in ihrer Höhe, bringen wird. Ich möchte nicht, daß wir uns heute diese Chance verbauen und das zum Teil im Bundeshaushalt verfrühstücken. Das muß mit ein Stück der Finanzreform im nächsten Jahr sein.
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Nein, meine Damen und Herren, wer Haushaltszuwachs und Zuwachsquote des Bruttosozialprodukts einigermaßen im Einklang halten will, wer konjunkturpolitisch richtig handeln will, wer nicht die unsozialsten Steuern erhöhen will - die Verbrauchsteuern sind nämlich die unsozialsten Steuern -, der muß bereit sein, die Ausgaben zu senken.
Wir haben eine zweite Aufgabe: Das Verhältnis zwischen Investition und Konsum muß bei uns neu überdacht werden. Ausgabesenkungen können nur erfolgen, wo nicht bedeutsame Notwendigkeiten der Investition getroffen sind. Im Gegenteil, in der heutigen Situation ist es notwendig, die Investitionen der Infrastruktur und der Wirtschaft zu verbessern. Wir werden die künftigen Aufgaben nur dann lösen können, wenn unsere Wirtschaft und das Angebot, das der Staat der Wirtschaft im Zuge der Infrastruktur bietet, ständig verbessert werden. Wir sind uns völlig einig darüber. Wir ringen nur um den Weg, wie wir dort hinkommen.
Ich glaube, daß die Korrektur gewisser Gesetze der Vergangenheit nicht als „soziale Demontage" bezeichnet werden kann; denn durch das, was wir hier bis jetzt vorgeschlagen haben, wird keine Maßnahme getroffen, die die soziale Sicherheit betrifft. Wird etwa die soziale Sicherheit durch die völlige Aufhebung des Pennälergehalts beeinflußt oder durch Herabsetzung von Beihilfen für Sowjetzonenflüchtlinge, so weh das an der einen oder anderen Stelle tun wird? Damit ist nichts von dem geschehen, was mit dem bösen Schlagwort „soziale Demontage" umgeht; denn nirgendwo - nirgendwo! - werden sozialpolitische Primärmaßnahmen eingeschränkt.
Aber wir sollten etwas anderes bedenken. Das System unserer sozialen Sicherung ist auf Breitenwirkung angelegt. Fast 90 % der rund 21 Millionen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik sind samt ihren Angehörigen in dieses System eingeschlossen. Der Prozentsatz derer, die an die Einrichtungen unserer Sozialversicherung gar keine Ansprüche stellen, ist verschwindend gering. Das muß man sich vor Augen halten, wenn man hier diese politische Diskussion über soziale Demontage oder Steuererhöhungen führt. Diese Alternative besteht nämlich überhaupt nicht. Ein so umfassendes Sicherungssystem kann nicht finanziert werden, ohne daß zu seiner Ausgabendeckung überwiegend die Gesicherten selbst herangezogen werden. So ist doch die Realität in unserem Sozialversicherungswesen. Kurz gesagt: Die Zahl der Reichen, die es in der Bundesrepublik im Vergleich zur Zahl der Arbeitnehmer gibt, ist überhaupt nicht in der Lage, den Zuschuß an das System der sozialen Sicherung zu leisten, der nicht durch direkte Beiträge aufgebracht wird.
Noch ein Wort zu der „sozialen Demontage". Wir werden die Renten im nächsten Jahr um die vorgesehene Quote erhöhen. Die Kriegsopferversorgung wird entscheidend verbessert werden.
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- Wir wollen nur die 120 Millionen DM in der Kriegsopferversorgung einsparen, die auch die Regierung vorgeschlagen hat, und zwar durch den Umbau des Systems der Finanzierung der Kapitalisierung von Kriegsopferrenten. Weiter steht nichts in unseren Vorschlägen. - Diese Verbesserung bei den Renten und in der Kriegsopferversorgung erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem wir Auswirkungen der Restriktionspolitik erleben, in dem das Preissystem sich stabilisiert hat, der Preisanstieg blockiert worden ist, so daß wir hoffen können, im nächsten Jahr zum erstenmal zu erleben, daß diese Rentensteigerung sich voll als Einkommensverbesserung der Rentenempfänger auswirkt, etwas politisch Hochbedeutsames! In einer solchen Phase sollte man nicht von „sozialer Demontage" reden.
Falsch wäre die Addition von Erhöhung von Verbrauchsteuern, Abbau von Sondervergünstigungen und Beitragserhöhungen in der Sozialversicherung. Man kann nicht alle diese drei Schritte zur gleichen Zeit tun. Man muß aus diesem Paket auswählen. Leider sind in den Vorschlägen der Regierung diese drei Dinge geschlossen zusammengefaßt. Das setzt im Endeffekt Lohnforderungen in Bewegung und anschließend an den Lohn natürlich auch die Preisspirale, die wir jetzt mühsam gebremst haben.
Die Erkenntnis, daß soziale Gerechtigkeit nicht allein durch eine Politik des Indexdenkens und Indexhandelns erreicht werden kann, wird mehr und mehr Allgemeingut. Wir glauben das auch aus den Ausführungen von Herrn Minister Schmücker entnehmen zu können, nachdem wir vorgestern von ihm gehört haben, daß auch der Bereich der Sozial- und Gesellschaftspolitik auf die Dauer finanzpolitisch nicht tabu sein kann und sein darf. Die Anpassung, so erklärt Herr Minister Schmücker, müsse in allen Bereichen erfolgen. Wenn wir ihn richtig verstanden haben, so bedeutet dies, daß auch als bewährt erkannte Grundsätze auf die richtige Form ihrer Durchführung überprüft werden sollen.
Meine Damen und Herren, wenn wir aber den Willen und die Bereitschaft haben, in unserem Innern, im Innern unseres Volkes, mit einer klaren und nüchternen Politik der Realität zu arbeiten, dann müssen wir der Gerechtigkeit halber auch unsere außenpolitischen Verpflichtungen überprüfen. Wir müssen in den Diskussionen mit unseren Partnern von den Einschränkungen ausgehen, die wir uns selbst im Innern auferlegen, wenn wir im Gesamten unserer Politik glaubwürdig bleiben wollen.
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Ich möchte mich hier noch einmal auf einige Worte berufen, die Herr Kollege Dr. Möller zum Schluß seiner Ausführungen gemacht hat. Sicherheits- und
Verteidigungspolitik als wesentliche Bestandteile der Außenpolitik sind letzten Endes nicht von der finanziellen Situation eines Landes abhängig. Aber es kann keine Außen- und Sicherheitspolitik getrieben werden, die nicht von den wirtschaftlichen und finanziellen Realitäten eines Staates ausgeht. Das ist die Grundlage.
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Wir sind der Überzeugung, daß sich durch die allgemeine Entwicklung der Politik die Situation um unser Land herum doch sowieso verändert hat, die Situation, in der wir Außen- und Sicherheitspolitik betreiben. Wir wissen, daß sich die Bundeswehr mindestens bis zum Jahre 1969 in einem Beschaffungstal befinden wird. Ich glaube, es wird kaum bestritten, daß erst ab 1970 der neue Panzer konzipiert und eingeführt sein wird. Erst ab 1970 oder 1971 wird die neue Form der Luftverteidigung - seien es neue Maschinen, seien es Raketen - geplant und eingesetzt werden können. Bis dahin haben wir ein gewisses Tal, und die Amerikaner müssen diese Realität anerkennen.
Wir haben - um nun ins Allgemeine dieser politischen Fragen zu kommen - als FDP seit Jahren die Entspannungspolitik als Ziel unserer Außenpolitik in Europa gefordert, eine Entspannungspolitik, die heute im Zuge von Verhandlungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs mit der Sowjetunion sichtbar wird. Ich meine, wir können auf die Dauer nicht Politik gegen diese Entspannungspolitik machen, wenn wir die deutschen Interessen richtig wahren wollen. Wir müssen uns im Gleichklang mit unseren Verbündeten befinden. Das ist eines der Grundprinzipien, mit denen wir Politik machen wollen.
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Wir haben für ,die Freie Demokratische Partei mehrfach unseren Verzicht auf Mitbesitz oder Mitbeteiligung an der Atomwaffe klar und deutlich ausgedrückt, immer wiederholt und dargestellt an unserer Ablehnung der MLF und ANF. Wir halten diesen Standpunkt weiterhin für notwendig. Wir gehen von ihm nicht ab und machen ihn mit zum Teil unserer politischen Forderung für die künftige Gestaltung deutscher Politik in den Jahren 1968/ 1969.
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Meine Damen und Herren, Entspannung bedeutet natürlich auch Diskussion über Truppenabzug, Diskussion über Truppenabzug, die wir nicht ausgelöst haben, sondern die vom amerikanischen Präsidenten 'geführt wird. Es gibt genügend Reden der amerikanischen Politiker - entscheidende Reden -, in denen von beiderseitigem Truppenabzug in Europa gesprochen wird. Wir sollten nicht im Abzug einer amerikanischen Division die Aufgabe der amerikanischen Sicherheitspolitik für Europa und für die NATO sehen. Herr McNamara hat selbst in Paris gesagt, man möge mit dem „nose-counting", dem Zählen der Nasen der hier stationierten Amerikaner aufhören, und statt dessen von der militärischen
Kraft der hier stationierten Verbände und von der Kraft des Bündnisses insgesamt ausgehen.
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Meine Damen arid Herren, wenn wir uns diesen Realitäten anpassen, sind die Devisenforderungen, die die Amerikaner stellen können, schon vom Grundsatz, von ,der Ausgangsposition her sowieso erheblich geringer, als sie es zur Zeit bei den 250 000 Mann sind, die in Deutschland stehen. Ich glaube, ein kombiniertes Verhandeln in dieser Weise, ein Eingehen auf die Wünsche der amerikanischen Außenpolitik, ein Eingehen auf ihre Entspannungswünsche mit der deutschen Forderung, daß diese Politik natürlich zum Ziele haben muß, die Deutschlandpolitik, die Wiedervereinigungspolitik vorwärtszutreiben, und die Feststellung, daß wir in dem isolierten Truppenabzug nicht das alleinige Heil sehen, sondern daß wir ihn verknüpft haben möchten mit Fortschritten in der Deutschlandpolitik, das sollte echte Handlung nach vorn, in die Zukunft sein. In derselben Stunde, in der wir so zu verhandeln beginnen, werden sich die Fragen des Haushaltsausgleichs, der Problematik des Devisenausgleichs in einer ganz anderen, viel geringeren Höhe stellen, als ,das in 'der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Dazu gehört aber die weitere Erkenntnis, daß die Belastungen, die die EWG für uns mit sich bringt, vom Jahre 1968 an verlorene Zuschüsse in Höhe von mindestens 1 Milliarde DM bedeuten. Auch hier sollte sich die jetzige Regierung überlegen, ob nicht Möglichkeiten gegeben sind, mit der EWG über die Agrarfrage zu verhandeln, und ob nicht eines der Ziele dieser Verhandlungen sein kann, den Termin der Senkung des Getreidepreises noch einmal zu verschieben. Ich glaube, diesen Versuch müssen wir machen; denn die sich in diesem Sektor für die Zukunft ergebenden Haushaltsbelastungen können nicht hingenommen werden, ohne daß die deutsche Regierung das Äußerste getan hat, um diese Belastung so gering wie möglich zu halten.
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Wir fühlen uns zu dieser Anregung darum besonders berufen, weil auch der amtierende Herr Bundeskanzler in Gesprächen immer wieder angedeutet hat, wie schwer ihn diese Last politischer Zusagen drückt und wie glücklich er wäre, wenn nicht die politischen Zusagen in voller Höhe diese finanziellen Auswirkungen gehabt hätten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ein Teil der gesetzlichen Maßnahmen, die in den Ausschüssen liegen, verlangt dringende Verabschiedung: das Stabilitätsgesetz, das Finanzplanungsgesetz. Beide Gesetze müssen rasch verabschiedet werden, das Finanzplanungsgesetz, um uns nicht ab 1. Januar in steigende Ausgaben laufen zu lassen, das Stabilitätsgesetz, weil es mit ein Stück Instrumentarium künftiger konjunkturpolitischer Maßnahmen sein wird.
Darüber hinaus aber ist die Bildung einer handlungsfähigen, vom Vertrauen einer Mehrheit dieses Hauses getragenen Regierung die Voraussetzung zu erfolgreicher Weiterarbeit. Herr Bundesfinanz3356
minister, das Parlament kann natürlich den Etat ändern, es kann ihn umgestalten, aber es kann nicht gegen Grundsätze der Regierung stehen. Es muß eine Übereinstimmung zwischen der Regierung und einer Parlamentsmehrheit bestehen, wenn wir sinnvoll handeln wollen. Ein Gegensatz zwischen der Politik von Parlament und Regierung ist nicht geeignet für die schwere Zeit, in der wir uns heute befinden.
Für uns Freie Demokraten ist dieser Haushaltsentwurf mit ein Stück politischer Entscheidung gewesen, einer politischen Entscheidung, die uns aus dem Kabinett herausgeführt hat. 1,7 Milliarden DM Steuererhöhungen machen es uns unmöglich, diesen Entwurf als Grundlage unserer Arbeit hinzunehmen. Methoden und Mittel dieses Haushaltsausgleichs entsprechen nicht unseren politischen Vorstellungen und Wünschen. Unsere Gegenvorschläge, die in sich abgewogen sind, sind eine echte Alternative. Wir hoffen, daß sich das Parlament bei seiner Entscheidung dieser Alternative bedient.
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Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es am richtigsten ist, jetzt in die Mittagspause einzutreten, obwohl wir bis 13 Uhr tagen wollten. Inzwischen ist eine interfraktionelle Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß die Mittagspause in Anbetracht einiger anderer Erwägungen, die in diesem Hause
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angestellt werden, bis 15.30 Uhr verlängert werden soll. Ich unterbreche deshalb die Sitzung bis 15.30 Uhr.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Regierung und Regierungsfraktion hätten sich diese Debatte heute ersparen können, wenn die erste Lesung dieses Haushalts zurückgestellt worden wäre, bis in diesem Hohen Hause wieder eine Regierungsmehrheit vorhanden ist. Wir hätten dann vielleicht eine Situation erlebt, in der der Kollege Möller einen Etat positiv bewertet oder der Kollege Emde wiederum für diese Vorlage der Regierung gesprochen hätte.
Die Fraktion der CDU/CSU hat sich die Frage sehr genau überlegt, ob diese wohlerwogenen Gründe für die jetzige Behandlung in erster Lesung wirklich durchschlagend sind.
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Unsere Fraktion hat es aus der Verantwortung für
unser Volk aber für notwendig gehalten, hier die
erste Lesung ohne jeden Zeitverlust durchzuführen.
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- Darauf komme ich sofort, Herr Kollege Möller.
- Mein Kollege Albert Leicht hat hier ausgeführt, welcher Schaden entstanden wäre, wenn unter Umständen ein Verzögerungseffekt von mehreren Wochen eingetreten wäre.
Es war nun bekannt, daß die Opposition dieses Hauses überlegt, einen Vertagungsantrag zu stellen. Dieser Antrag ist nicht gestellt worden. Wir sehen das ebenfalls als einen konstruktiven Beitrag an.
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Wir werten das aber auch so, daß damit die Gründe, die für uns maßgebend waren, von der Opposition gewürdigt worden sind.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Möller hat dem sachlichen und konstruktiven Teil seiner Rede eine Polemik vorangestellt, die zurückgewiesen werden muß. Ich hätte von mir aus nicht vorgehabt, auf die alte Frage, auf die Frage nämlich, wodurch die gegenwärtigen Schwierigkeiten verursacht worden sind, erneut einzugehen, wenn nicht der Kollege Möller diesen alten Streit hier wieder neu aufgerührt hätte.
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Ich will nicht wiederholen, was ich vor einem Jahr anläßlich der Debatte zur Regierungserklärung hier ausgeführt habe. Ich habe damals an Hand nicht widerlegter Fakten dargetan, daß auch die Opposition an dieser Entwicklung ihr gerüttelt Maß an Mitverantwortung trägt.
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Ich möchte nur mit einem einzigen Punkt auf diese Dinge zurückkommen. Der Herr Kollege Möller hat ausgerechnet den „Industriekurier" zitiert. Er hat dabei eine sehr bemerkenswerte Auslegung gefunden, daß nämlich unter den drei Parteien die CDU, die CSU und die FDP zu verstehen seien, aber nicht die SPD. Ich bin sehr erfreut darüber, daß er an die CSU als eigene Partei gedacht hat. Aber im Sinne des Verfassers war als dritte Partei hier die SPD zu sehen.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich mich vielleicht mit einem Zitat aus der gleichen Zeitung revanchieren. Im „Industriekurier" vom 5. November findet sich ein sehr interessanter Artikel mit der Überschrift: „Vergessene Sünden - Der Bundeshaushalt und die Wahlversprechungen der SPD." Es heißt darin:
Die SPD-Opposition im Bundestag weidet sich an den Schwierigkeiten der Regierung, den Etat für 1967 auszugleichen. Vor welchen Ausgabenverpflichtungen aber stände sie, wenn der Wählerwille ihr 1965 Gelegenheit gegeben hätte, ihre Wahlversprechen zu erfüllen?! Die SPD ist damals mit einem ganzen Paket von Plänen und Entschließungen in den Wahlkampf gegangen. Volksversicherung, Vorsorgeuntersuchungen, Bildungsurlaub, Eigentumspolitik, Ausbau des Familienlastenausgleichs standen ebenso auf dem Programm wie die Erhöhung
und Dynamisierung der Kriegsopferversorgung und die Förderung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen. Wie stets in Wahlkämpfen, schaukelte man sich gegenseitig hoch. Und so wie man an den langfristig wirksamen Ausgabebeschlüssen der Ara Adenauer alles andere als unbeteiligt war, trägt die SPD ein gerüttelt Maß an Mitschuld auch für die Beschlüsse der Erhard-Ära. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, so wäre der Sozialetat des Bundes längst in schwindelerregende Höhen enteilt.
Ich möchte das Zitat nicht fortführen. Es wird dann detailliert und mit Zahlenangaben ausgeführt, worin diese Mehranforderungen bestanden haben.
Ich meine aber, wir sollten dieses beliebte Spiel in diesem Hohen Hause allmählich abschließen und sollten uns - was in dieser Debatte ja auch geschehen ist mit den konstruktiven Vorschlägen befassen.
Noch ein letztes Wort dazu. Auch wenn in der „Stuttgarter Zeitung" das Gegenteil steht, bleibt es trotzdem wahr, daß wegen der rückläufigen Zuwachsrate des Sozialprodukts die Steuereinnahmen des Bundes absinken, dadurch eine neue Situation entstanden ist und also die Haushaltsenge dieses und der kommenden Jahre objektive Ursachen hat. Wir können erleichtert darüber sein, daß sich so schnell Wirkungen der Stabilisierungsbemühungen der letzten Monate gezeigt haben. Wir müssen nun aber alle zusammen mit dieser Situation haushaltsmäßig fertigwerden.
Es sind nun viele konkrete Vorschläge gemacht worden, wie die Haushaltslage durch weitere Kürzungen oder durch Einnahmeverbesserungen stabilisiert werden könnte. Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer hat detaillierte Kürzungsvorschläge gemacht, ebenso der Deutsche Industrie- und Handelstag. Die noch umfassenderen Kürzungsvorschläge des Bundes der Steuerzahler
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sind bereits von Herrn Kollegen Hermsdorf und heute vormittag von Herrn Kollegen Emde charakterisiert worden. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat eine Liste von Vorschlägen entwickelt, in der auch die Erhöhung einiger Verbrauchsteuern enthalten ist. Eine Abgeordnetengruppe der CDU/ CSU hat sich ebenfalls bemüht, zum Regierungsentwurf eine Reihe von Alternativvorschlägen zu erarbeiten. FDP und SPD haben heute sehr umfassende konkrete Vorschläge vorgelegt.
Es ist zunächst positiv festzustellen, daß alle diese Gruppen sich nicht auf allgemeine Forderungen zur erhöhten Sparsamkeit und Konsolidierung des Haushalts beschränkt haben, sondern konstruktive Vorschläge vorgelegt haben. Die Bundesregierung hat in ihren Ergänzungshaushalt bereits einige dieser Vorschläge aufgenommen. Die Reaktionen bei den Betroffenen aber auf viele der sonst noch gemachten Vorschläge, insbesondere im Bereich der Sozialpolitik und auch der Landwirtschaft, haben gezeigt, wo hier einfach politische Realitäten sind, die beachtet werden müssen.
Wir werden in den Beratungen der nächsten Wochen in diesem Parlament sehr rasch zu konstruktiven Lösungen kommen müssen. Eine Reihe der vorgeschlagenen Maßnahmen haben als Termin des Inkrafttretens den 1. 1. 1967. Es ist aber auch klar, daß die Regierung im Parlament sehr rasch eine Mehrheit braucht, wenn diese Stabilisierungsmaßnahmen wirklich fristgerecht in Kraft treten sollen. Aus Verantwortung für unser deutsches Volk müssen wir uns bemühen, so rasch wie möglich diese Mehrheit zustande zu bringen. Ich darf hier einfügen, daß die Fraktion der CDU/CSU vor wenigen Minuten einen konstruktiven Akt vollzogen hat, indem sie Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger mit der Aufgabe betraut hat, eine solche Regierungsmehrheit herzustellen.
Die CDU/CSU-Fraktion nimmt für sich in Anspruch, in dieser schwierigen Lage für unser Volk das Notwendige getan zu haben. Besonders Bundeskanzler Professor Dr. Erhard gebührt das Verdienst, in dieser schwierigen Lage alles getan zu haben, um den Fortgang der Beratungen nicht zu hemmen. Er hat getreu seinem Amtseid, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, gehandelt. Wir sind ihm dafür zu großem Dank verpflichtet. Ich bin sicher, daß die Öffentlichkeit den Respekt vor dieser Haltung nicht versagen wird.
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Nachdem SPD und FDP heute vormittag umfangreiche, detaillierte Vorschläge zum Haushalt vorgelegt haben, muß ich betonen, daß wir diese Vorschläge als wertvoll und konstruktiv ansehen und sie sehr sorgfältig prüfen werden. Beide Redner haben betont, daß sie für eine sachliche Diskussion offen sind. Einige Vorschläge, besonders der FDP, decken sich mit Vorschlägen, die im Ergänzungshaushalt zum Haushalt 1967 bereits enthalten sind. Andere kommen den bereits bekannten Änderungsvorschlägen des Fachkreises der CDU/CSU-Abgeordneten entgegen. Ich darf darauf hinweisen, daß mein Kollege Albert Leicht diese unsere Vorschläge vor 14 Tagen bereits dem Haushaltsexperten der SPD, Kollegen Hermsdorf, übermittelt hat, um im Rahmen eines sachlichen Gesprächs die gegenseitigen Vorschläge miteinander abzuklären.
Nun zu einigen der in diesen Vorschlägen der SPD und FDP angesprochenen Fragen.
Es ist bezeichnend, daß hinsichtlich des Beteiligungsverhältnisses SPD und FDP völlig widersprechende Standpunkte einnehmen. Ich glaube, daß die Absage des Kollegen Möller an den Rechtsstandpunkt der Bundesregierung in diesem Stadium der Verhandlungen den Interessen des Bundes nicht förderlich war. Mein Kollege Bremer wird zu der angesprochenen Verfassungsfrage, wenn Gelegenheit dazu ist, noch im einzelnen Stellung nehmen. Objektiv ist festzuhalten, daß der Vorschlag der FDP für die steuerschwachen Länder größere finanzielle Vorteile bringt, weil natürlich bei einer allgemeinen Quotenerhöhung die steuerstarken Länder entsprechend stärker partizipieren. Es ist bekannt, daß die steuerschwachen Länder über die 4 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hinaus noch
eine Ergänzungszuweisung des Bundes verlangen. Meine Ausführungen zur Finanzvorausschau werden zeigen, daß die SPD sich sehr genau überlegen sollte, ob sie leichthin auf diese 2 Milliarden DM auch in künftigen Jahren einschließlich des zu erwartenden Zuwachses verzichten kann.
Zur Mineralölsteuererhöhung bemängelt die SPD, daß den Gemeinden zu wenig gegeben wird. Die FDP möchte die Beteiligung bis zum Inkrafttreten der Finanzreform zurückstellen. Auch hier zeigen sich gegenteilige Standpunkte.
Was die Kürzung der Kilometerpauschale anlangt, so hat die CDU/CSU bereits vor langer Zeit Änderungsvorschläge veröffentlicht, die eine wesentliche Reduzierung der von der Regierung vorgeschlagenen Kürzungen beinhalten. Ebenso will die CDU/CSU die Mutterschaftshilfe nicht von der Arbeitslosenversicherung getragen wissen, sondern macht andere Vorschläge, die wahrscheinlich weitgehend mit dem, was die SPD vorgeschlagen hat, übereinstimmen.
Auch zur Ausbildungshilfe haben wir von der CDU/CSU wichtige und, wovon wir fest überzeugt sind, sehr positive Vorschläge erarbeitet.
Was die Sparförderung anlangt, so sind wir uns mit der SPD einig, daß sehr rasch eine grundlegende Reform notwendig ist. Die FDP hat sich bisher diesem Gedanken verschlossen. Deshalb sind wir in diesem Punkt bis heute noch nicht weitergekommen, obwohl die Mehrausgaben gerade bei der Sparförderung in den nächsten Jahren lawinenartig anwachsen werden.
Was die Schuldverschreibungen anlangt, so will ich die ausführliche Debatte der vergangenen Lesungen nicht wiederholen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß in anderen Ländern ähnliche Regelungen durchaus als normal und vertretbar angesehen werden.
Die SPD weist immer wieder darauf hin, daß der Bundeshaushalt mit Tricks arbeite. Dazu möchte ich lediglich noch einmal den „Industriekurier" zitieren und auf eine Veröffentlichung hinweisen, die sich mit dem Lande Hessen befaßt. Im „Industriekurier" vom 29. Oktober 1966 ist nämlich sehr detailliert und mit objektiven Zahlen, die auf Angaben des Statistischen Bundesamts beruhen, dargelegt, wie dort im Vergleich der einzelnen Haushaltsjahre nun wirklich die Dinge so manipuliert werden, daß ganz falsche Zuwachsraten entstehen. Im Bundeshaushalt jedenfalls wird man von Tricks nicht sprechen können. Es ist immer ganz klar und offen dargelegt worden, welche Maßnahmen hier vorgeschlagen werden, wenn man auch selbstverständlich über die einzelnen Maßnahmen durchaus noch diskutieren kann.
Schließlich noch ein Wort zur Agrarpolitik. Es sind hier von Außenstehenden viele weitergehende Streichungsvorschläge gemacht worden, und auch der Herr Kollege Möller hat heute vormittag angedeutet, daß im Einzelplan 10 noch das eine oder andere zu tun wäre. Ich möchte demgegenüber nur darauf hinweisen, daß für die Landwirtschaft noch zusätzliche Schwierigkeiten entstehen, weil Leistungen an den EWG-Agrarfonds schon aus den Haushaltsmitteln 1967 bedient werden müssen. Wir jedenfalls werden uns bemühen, im Interesse unserer deutschen Landwirtschaft Lösungen zu finden, die keine unzumutbaren Härten oder Einschränkungen beinhalten.
Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß die SPD die Streichung von Steuerfreibeträgen ablehnt, während die FDP über das hinaus, was die Regierungsvorlage enthält, auch noch den sogenannten Arbeitnehmerfreibetrag gestrichen wissen will. Wenn das verwirklicht würde, dann wäre das allerdings in der Tat ein sehr wesentlicher Eingriff in das Sozialgefüge und in den sozialen Besitzstand.
Der Vorschlag der SPD, nur fristgebundene Gesetze zu behandeln, erscheint mir mindestens insofern erwägenswert, als wir wahrscheinlich die fristgebundenen Gesetze vorrangig werden behandeln müssen, um sie bis zum 1. Januar 1967 noch in Kraft treten zu lassen.
Was den Vorschlag der FDP anlangt, ohne Steuererhöhungen auszukommen, so möchte ich im Zusammenhang mit meinen Ausführungen zur Finanzvorausschau dazu noch einiges sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie immer die Mehrheit in diesem Hause aussehen wird - wir sollten uns auf jeden Fall keine Illusionen über die Haushaltslage des Bundes in den nächsten Jahren machen. Wenn man nicht eine Inflationspolitik einleiten will, wird kaum Gelegenheit sein, in der nächsten Zeit große Ausgaben für den Konsum zu Lasten der Staatskasse zu machen. Es ist deshalb konstruktiv nüchtern die Ausgangssituation festzuhalten.
Die Finanzvorausschau, die mit dem Finanzbericht 1965 eingeleitet und 1966 auf einen Zeitraum von vier Jahren erweitert wurde, ergibt nach dem neuesten Stand ein düsteres Bild. Ich will die groben Umrisse hier darstellen, möchte aber gleichzeitig betonen, daß wir die Situation ändern können, wenn wir uns in einem klaren Willen dazu zusammenfinden.
Der Haushalt 1967 schließt nach dem neuesten Stand mit einem Betrag von 75,2 Milliarden DM ab. Eine Fortschreibung der staatlichen Zahlungsverpflichtungen nach dem Regierungsentwurf des Steueränderungs- und des Finanzplanungsgesetzes, aber ohne die Ergänzungsvorlagen, ergibt bei Einrechnung einiger Schwerpunkte folgendes Bild. Voraussichtlicher Bedarf 1968: 84,5 Milliarden DM; 1969: 90 Milliarden DM; 1970: 95,1 Milliarden DM; 1971: 97,4 Milliarden DM. Dabei ist für Schwerpunkte bei Wissenschaft und Forschung eine jährliche Zuwachsrate von 20 % vorgesehen. Ebenso sind die Bundesleistungen für den Verkehr, insbesondere auch den örtlichen Verkehr, angemessen erhöht. Auch die Ausgaben für den EWG-Agrarhaushalt sind dabei einbezogen.
Die Deckungsseite zeigt nach meiner Kenntnis folgende Situation. Es ist von einem 39%igen Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auch in den nächsten Jahren ausgegangen.
Als nominale Zuwachsrate für Steuereingänge wurde vorgesehen 1968: 5,5 %, 1969: 5 %, 1970: 4,5% und 1971 ebenfalls 4,5 %.
Es wird also davon ausgegangen, daß sich die Schere zwischen nominalen und realem Wachstum im Zeichen der Stabilisierung mehr und mehr schließt und daß unsere Währung stabil bleibt.
Die Steuereinnahmen auf der Deckungsseite gestalten sich nach dieser Finanzvorausschau folgendermaßen: 1968 76,5 Milliarden DM, 1969 80,7 Milliarden DM, 1970 83,9 Milliarden DM, 1971 87,5 Milliarden DM. Hier kommen nun die Auswirkungen des Ergänzungsetats hinzu, und deshalb waren und sind wir der Meinung, daß die Lösung der FDP nicht praktizierbar ist, weil sie zwar für das Haushaltsjahr 1967 einen unter Umständen diskutablen Vorschlag beinhaltet, aber in den kommenden Jahren die Schere zwischen Verpflichtungen und Deckungsmöglichkeiten noch weiter öffnet, statt sie zu schließen. Wenn wir also die Verbesserungen im Ergänzungshaushalt zugrunde legen, dann ergibt sich folgender weiterer Zuwachs zur Schließung der Dekkungslücke: 1968 2,8 Milliarden, 1969 3 Milliarden DM, 1970 3,1 Milliarden und 1971 3,2 Milliarden DM.
Es wird dann davon ausgegangen, daß auch im außerordentlichen Haushalt, also insbesondere bei der Aufnahme von Darlehensmitteln, sich die Situation in den nächsten Jahren wieder konsolidieren wird und deshalb die Schuldaufnahmen des Bundes wieder in einem vernünftigen Verhältnis zu den sonstigen Einnahmen und Ausgaben stehen können. Deshalb ist im außerordentlichen Haushalt von 1,5 Milliarden DM im Jahre 1968 und von 1,7 Milliarden DM in den folgenden Jahren ausgegangen.
Es bleibt dann immer noch eine bemerkenswerte Deckungslücke in diesen nächsten Jahren. Sie beläuft sich für 1968 auf 3,7 Milliarden DM, für 1969 auf 4,6 Milliarden DM, für 1970 auf 6,4 Milliarden DM und für 1971 auf 5 Milliarden DM. Dabei ist natürlich zu betonen. daß wir uns jedes Jahr bemühen müssen, die Ausgaben noch herunterzudrükken. Solche Kürzungsquoten sind ein durchaus möglicher und diskutabler Betrag. In jedem Falle muß aber festgehalten werden, daß bei dieser Vorausschau nur einige neue Schwerpunkte angesprochen sind, daß insbesondere irgendwelche großen Ausgaben für konsumtive Leistungen hier nicht eingerechnet sind.
Diese Vorausschau, die vorsichtig zu einem Finanzplan ausgebaut ist, zeigt aber deutlich, wie bitter notwendig sofortige Maßnahmen zur Einnahmeverbesserung waren. Mit einem bloßen Verschieben der Ausgaben auf die nächsten Jahre, insbesondere auch im Rahmen des Devisenabkommens, war es hier in der Tat nicht getan. Die Vorausschau zeigt weiter, daß die Maßnahmen bei der Erstellung des Haushalts 1967 zwar sehr wichtig und entscheidend waren, daß sie einen Schritt nach vorn darstellen, daß wir damit allein aber noch nicht über den Berg sind. Ich habe zu denjenigen Abgeordneten gehört, die immer dafür eingetreten sind, daß wir jetzt möglichst endgültig die Finanzsituation bereinigen. Ich muß angesichts dieser Finanzvorausschau zugestehen, daß noch ein guter Teil der Arbeit vor uns liegt, die wir im Laufe der Beratungen des Haushalts 1967 erledigen müssen oder - und da bin ich mit dem Kollegen Emde völlig einer Meinung - mit der wir spätestens im Jahre 1968 zu einer endgültigen Bereinigung kommen müssen.
Für dieses Parlament bedeutet das, daß erstens keinesfalls Einschränkungsmaßnahmen, die von der Regierung vorgeschlagen worden sind, ersatzlos wegfallen können, daß wir uns zweitens auch nicht mit einem bloßen Umbau der Leistungen und Ausgaben zufriedengeben können, sondern daß wir drittens noch zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen, die entweder die Ausgaben für künftige Jahre kürzen oder aber die Einnahmen weiter verbessern. Die künftige Regierungsmehrheit wird also entweder jetzt bei den Haushaltsberatungen oder spätestens bei den Haushaltsberatungen 1968 weitere entsprechende Maßnahmen treffen müssen. Wer das nicht zugesteht, der vermag entweder die Realitäten nicht zu erkennen, oder er verschließt bewußt die Augen vor der Wirklichkeit.
Diese Finanzvorausschau mit gewissen Projektelementen ist natürlich noch kein vollständiger Finanzplan. Aber schon hier wird offenbar, welche gewaltigen Unsicherheitsfaktoren dabei zutage treten. Wer wagt heute ernsthaft, die Steuereinnahmen z. B. schon für das Jahr 1971 vorausschätzen? Hier werden hypothetische Zahlen zugrunde gelegt, darauf aber konkrete Ausgabeprojekte gebaut. Je mehr wir Ausgaben auf Jahre hinaus fixieren, um so mehr machen wir uns zu Gefangenen unserer eigenen Wünsche. Was aber geschieht, wenn sich die Basis von einem Jahr zum anderen plötzlich ändert? Werden wir dann die Besitzstände, die mit solchen Projektierungen geschaffen sind, ohne weiteres wieder beseitigen können? Das sind nur einige Fragen, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängen.
Man möchte nun geneigt sein, angesichts der aufgezeigten künftigen Schwierigkeiten die Finanzreform in eine ferne, rosige Zukunft zu verschieben. Aber genau die gegenteilige Folgerung ist richtig. Solange Bund und Länder infolge der hohen jährlichen Zuwachsraten unseres Sozialprodukts volle Kassen hatten, konnten sie getrennt nebeneinander wirtschaften. Die Enge der öffentlichen Haushalte in unserer gegenwärtigen Konsolidierungsphase zwingt aber dazu, zusammenzurücken und eine bessere Verzahnung der Aufgaben und der Ausgaben durchzuführen. Das muß nicht unbedingt eine Zentralisierung der Zuständigkeiten zum Schaden der Eigenständigkeit der Länder bedeuten. Zwar stärkt der Rückgang der Zuwachsraten bei den öffentlichen Mitteln die zentrale Finanzwirtschaft. Auch im Rahmen der Stabilisierungsgesetze wird es notwendig, die Vollmachten der Bundesgewalt - einschließlich des Bundesrates - zu erweitern. Die Finanzreform kann hier zu einem sehr wertvollen Regulativ werden, das eine sachgerechte Verteilung der Aufgaben für die Zukunft gewährleistet. Es muß mit Nachdruck gefordert werden, daß die Gesetzentwürfe zur Finanzreform noch in dieser Legislaturperiode eingebracht und behandelt werden. Der Regierungsentwurf zur Mineralölsteuererhöhung, der mit dem
Ergänzungshaushalt 1967 eingebracht wurde, ist ein erster Schritt in dieser Richtung. Es ist zweckmäßig, wenn Regierungsentwürfe zur Verwirklichung der Finanzreform zuerst mit den Ländern vorberaten werden, um möglichst ein Einvernehmen herzustellen. Gerade die gegenwärtige Auseinandersetzung um den Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zeigt, welche Risiken für die Haushalte des Bundes und der Länder von einer solchen Ungewißheit über den Einnahmeanteil ausgehen.
Ein besonders wichtiges Kapitel der Finanzreform ist die Neuordnung des Gemeindefinanzsystems. Diese Reform kann nur im Rahmen der Umstellung auf die Mehrwertsteuer realisiert werden und bedarf daher einer längeren Vorarbeit. Die damit verbundene Verzögerung darf uns aber nicht hindern, dringliche Maßnahmen vorweg zu treffen. So ist die vorgesehene Überlassung eines Anteils von rund 10 °/o der zweckgebundenen Mineralölsteuer als ein erster Schritt auf einem rasch zu beschreitenden Wege anzusehen.
Der Bund hilft auch bei der Lösung besonders dringlicher Probleme des Nahverkehrs, z. B. in der bayerischen Landeshauptstadt München. Wenn das gerade in einer Zeitspanne geschieht, in der der Bund größte Haushaltssorgen hat, dann wird damit unterstrichen, wie vordringlich uns diese Fragen erscheinen.
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In absehbarer Zeit wird sich dieses Hohe Haus auch mit der Frage der Haushaltsreform eingehend zu befassen haben. Es gilt, das Haushaltsrecht den veränderten Verhältnissen anzupassen. Es ist nicht möglich, mit den traditionellen Vorschriften den modernen Anforderungen an eine staatliche Finanz-und Haushaltspolitik zu genügen. Es werden auch Änderungen des Grundgesetzes notwendig werden. Einige Abgeordnete der CDU/CSU haben dazu bereits einen Vorschlag erarbeitet. Es soll aber zunächst die Regierungsneubildung abgewartet werden, bis diese Vorschläge vorgelegt werden.
Für eine moderne Haushaltswirtschaft sind im wesentlichen folgende Neuerungen notwendig: Veranschlagung der Ausgaben für mehrere Jahre, eine kassenwirksame Veranschlagung, Wegfall des außerordentlichen Haushalts, Neuregelung der Verpflichtungsermächtigungen, die bisher „Bindungsermächtigungen" genannt werden, Übertragbarkeit der Ausgaben, bessere Durchsichtigkeit des Haushaltsplanes ganz allgemein, eine zeitgemäße Haushaltssystematik unter ökonomischen Gesichtspunkten und schließlich eine umfassende Modernisierung des Kassenwesens und der Rechnungslegung. Die konjunkturgerechte Haushaltspolitik und die mehrjährige Finanzplanung werden schon durch das hoffentlich bald zu verabschiedende Stabilitätsgesetz gefordert. Es ist vordringlich, daß die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Stabilitätsgesetzes mit der geltenden Haushaltsordnung konform gehen. Nur so können die Budgeteinheit und eine haushaltsrechtliche Gesamtschau erhalten bleiben. Deshalb muß die Haushaltsreform bald zum Abschluß gebracht werden. Wir erwarten, daß die neue Bundesregierung alsbald einen Gesetzentwurf vorlegt, nachdem die Arbeiten im Arbeitsausschuß der Finanzministerien von Bund und Ländern zügig verlaufen.
Wenn wir uns mit den Zukunftsperspektiven der Finanz- und Haushaltspolitik und deren Einflüssen auf die wirtschaftliche Entwicklung befassen, dann wird die Zielrichtung der staatlichen Ausgaben von entscheidender Bedeutung. Es ist nicht so sehr entscheidend, daß die jährliche Zuwachsrate der Staatsausgaben genau mit der realen Zuwachsrate des Sozialprodukts in jedem Jahr übereinstimmt; wenn es natürlich auch richtig ist, was Herr Kollege Emde hier heute vormittag ausgeführt hat, daß wir uns nämlich in einer Phase der Konsolidierung und Stabilisierung sehr intensiv darum bemüht haben, diese Dinge in Übereinstimmung zu halten. Entscheidend ist aber die Richtung der Impulse, die von den staatlichen Ausgaben ausgehen.
Der Bericht der Deutschen Bundesbank für das erste Halbjahr 1966 gibt uns da sehr wertvolle Hinweise. Danach hat sich das Wachstum der Investitionen in der Bundesrepublik besonders stark abgeschwächt. Dies steht im Zusammenhang damit, daß sich die Ertragslage der Unternehmen in diesem Zeitraum weiter deutlich verschlechtert hat, während die Lohneinkommen stärker angestiegen sind, wenn auch nicht mehr so stark wie im Vorjahr. Eine Übersicht über die Jahre 1960 bis 1966 zeigt, daß die Gewinne und Vermögenserträge von 39 % auf 31 % des Volkseinkommens gefallen sind, während die Lohnquote von 61 % auf 69 % gestiegen ist. Diese Ergebnisse zeigen doch wahrhaftig, daß wir uns nicht etwa in einem Zustand des sozialen Abbaus befinden, sondern daß im Gegenteil auch von dort her unsere sozialpolitische Spitzenstellung in der Welt deutlich unterstrichen wird. Damit ist aber ganz deutlich das Wachstum unserer Wirtschaft in der Zukunft angesprochen.
Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom September zeigt weiter, daß die öffentliche Hand ihre Investitionsausgaben ebenfalls vermindert hat. Diese Entwicklung dürfte sich im zweiten Halbjahr des Jahres 1966 noch verstärken. Die konsumtiven Leistungen, besonders der Versicherungsträger, sind dagegen unvermindert angestiegen, ebenso der private Verbrauch. Der Haushaltspolitik der öffentlichen Hand ist damit eine ganz besonders deutliche Aufgabe gestellt. Ihre rein konsumtiven Leistungen müssen auf ein angemessenes Maß gedrosselt werden, und den Zukunftsinvestitionen ist auch vom Haushalt her ein absoluter Vorrang einzuräumen.
Die Ansätze der Finanzplanung, die ich dargestellt habe, weisen klar in diese Richtung. Zuwachsquoten sind dort für Wissenschaft, Forschung und für Verkehr eingeräumt, rein konsumtive Ausgaben sind nicht projektiert. Selbstverständlich werden wir auch weiterhin sozial fortschrittlich sein. Wir wollen unseren Spitzenplatz in den Sozialleistungen in der Welt behaupten. Aber wir werden genau auf den vertretbaren Grenzbereich achten müssen. Es darf nicht geschehen, daß Personengruppen aus
Steuergeldern Zuwendungen erhalten, wenn sie deren absolut nicht. bedürfen.
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Dagegen werden Staat und Gemeinden das Schwergewicht ihrer Ausgaben auf die Zukunftsinvestitionen zu legen haben.
({10})
Der Herr Finanzminister hat in seiner Haushaltsrede schon angedeutet, daß wegen der fortschreitenden Konsolidierung die staatliche Investitionspolitik nicht auf allen Sektoren gedrosselt werden muß. Der Bericht der Bundesbank zeigt aber auch deutlich die positiven Aspekte der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung auf, und das ist auch von dieser Stelle heute schon festgestellt worden. Wer wirklich gegenüber unserem Volk verantwortungsbewußt handelt, der wird deshalb keine Krisenstimmung anheizen. Er wird das Vertrauen in unserem Volk zu unserer wirtschaftlichen Entwicklung stärken und dadurch die bereits deutlich sichtbaren Erfolge der Stabilisierungspolitik unserer Bundesregierung rechtfertigen.
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Die Debatte hat eine bemerkenswerte Übereinstimmung aller Redner in diesem Hause gezeigt. Es gilt jetzt, sofort gemeinsam ans Werk zu gehen und die aufgezeigten Probleme rasch und wirksam anzupacken.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Professor Dr. Schiller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion, die die derzeitige, noch amtierende Minderheitsregierung trägt, hat ihren Kürwillen betätigt. Die Bewertung der Kür überlassen wir den Göttern. Wir haben nur die Hoffnung, daß die Betätigung dieses Kürwillens ihren Tatwillen nicht reduziert und daß wir heute und hier uns weiterhin gemeinsam der Sache, nämlich dem Haushalt, zuwenden können. Herrn Althammers Darlegungen kann ich als einen Beweis dafür - wenigstens im großen ansehen, daß Sie nach dem Kürwillen auch zum Tatwillen bereit sind. Deshalb glaube ich, meine Damen und Herren, daß es gestattet ist, mit ein paar Worten das gesamtwirtschaftliche Konzept der SPD zu skizzieren, das hinter unseren konkreten etatpolitischen Vorschlägen steht, die heute morgen dargelegt wurden.
Meine Damen und Herren, es gilt heute als eine Selbstverständlichkeit, daß Finanzpolitik nur in ständiger Orientierung an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung betrieben werden darf. Wie leicht man von dieser Regel abkommt und in welch absurden Widersprüchlichkeiten man landet, zeigt der heute vorgelegte Etatentwurf. Mit Stolz wird verkündet - und vorige Woche hörten wir es noch -: Wir sind das zweitgrößte Welthandelsland und der drittgrößte Industriestaat. Aber zugleich befinden wir uns doch in den öffentlichen Finanzen und besonders in den Bundesfinanzen in einem Zustand, der mehr dem eines Entwicklungslandes gleicht.
({0})
Unsere exotischen Zinssätze; Herr Burgbacher, geben der ganzen Geschichte noch einen besonderen Akzent.
({1}) Bisher wurde gesagt, auch von ihrer Seite:
({2})
Die Bundesrepublik ist wirtschaftlich ein Riese und weltpolitisch ein Zwerg. Das kommt nicht von mir, sondern von einem bekannten Mann aus der CSU.
({3})
Zu diesem bekannten Widerspruch hat sich ein neuer hinzugesellt. Dabei ist die öffentliche Finanzwirtschaft - Sie werden mir gleich zustimmen - sicherlich quantitativ alles andere als ein Zwerg. Zwergenhaft war höchstens die finanzpolitische Konzeption, die im Bund dahinterstand, wie man da ohne Vorausschau - das wurde heute morgen gesagt - und ohne Plan - das hat uns Herr Kollege Schmücker mit Offenheit dargestellt - in einen noch nicht absehbaren Abgrund von Zukunftsbelastungen hineingeraten ist.
Herr Kollege Althammer hat heute diesen Teil der Feststellungen von Herrn Kollegen Möller als Polemik bezeichnet und darauf geantwortet. Nun, eines steht doch fest, Herr Kollege Althammer: Die Grundursache der Malaise, vor der wir stehen, müssen wir immer wieder kühl 'und nüchtern feststellen: Man hat in diesen letzten Jahren Finanzpolitik allerhöchstens bis zum Tellerrand, d. h. bis zum Jahresende, betrieben. Ich will gar nicht darauf eingehen, daß man heute morgen in Sachen „mittelfristige Finanzplanung" aus einer Zeitung den Eindruck hatte, daß diese wichtige Aufgabe der mittelfristigen Finanzplanung sich nach dem Titel 007, nämlich mit James-Bond-Methoden, vollzogen hätte.
({4})
- Ja natürlich, muß doch auch ein bißchen sein. Ihnen ist ja nicht danach zumute.
({5})
Ich halte es im übrigen für wenig stilvoll, daß nachträglich solche richtigen oder falschen Indiskretionen herauskommen. Ich glaube, mit der Erklärung von Herrn Schmücker ist die Sache klarer geworden und auf ihren sachlichen Gehalt zurückgeführt worden. Aber die mittelfristige Finanzplanung ist - das ist einfach nicht abzustreiten - vor drei Jahren versprochen worden. Das wollen Sie nicht hören, meine Damen und Herren. In der damaligen Regierungserklärung wurde gesagt - das ist die einzige Zitierung dieser Art, die ich aus der Vergangenheit bringe -:
Er erweist sich ... als notwendig, die üblichen
Jahreshaushalte in längerfristige, etwa vier
Jahre währende Haushaltsüberlegungen einzubetten.
Dazu sagte dieser Tage Armin Grünewald: Auch Formulierungsfehler haben ihr Schicksal; denn die Überlegungen über eine mittelfristige Finanzplanung haben tatsächlich drei Jahre gewährt mit dem Ergebnis, daß wir im Finanzbericht 1967 noch nicht einmal die kümmerlichen Ansätze von 1966, nämlich eine Projektion der Fortschreibungen und der Ressortwünsche, wiederfinden. Wir alle, als Leser und Sucher, fanden jetzt in diesem Finanzbericht 1967 nur einen weißen Fleck.
Aber für diesen weißen Fleck „mittelfristige Finanzplanung" hat dann der amtierende Finanzminister, Herr Schmücker, einen „komparativen" Ersatz geboten - so hat es wohl in seinem Kreis gelautet -, und zwar in der Anlage 5, in der die mutmaßliche Entwicklung der ordentlichen Bundeseinnahmen bis 1971 den durch Gesetz oder sonstige Verpflichtung entstehenden konsumtiven Ausgaben des Bundes gegenübergestellt wird. Aber, Herr Schmücker, ich muß leider feststellen: Das ist doch nur eine Teildarstellung. Es fehlen auch jegliche Angaben über die Annahmen zur Entwicklung des Sozialprodukts, es fehlt die Einbettung in eine Gesamtrechnung, und es fehlen noch viele andere Dinge. Aber schon diese Teildarstellung, die Sie mit der Anlage gegeben haben, ist bedrückend genug. Außerdem kennen wir die Ziffer der kommenden jährlichen Deckungslücken ohne Sondermaßnahmen in Höhe von 8 Milliarden DM, die uns Herr Dr. Heck im Fernsehen verraten hat. Herr Schmücker selbst bekennt in seiner Etatrede, daß trotz der von ihm eingebrachten Zusatzmaßnahmen - Finanzplanungsgesetz, Steueränderungsgesetz, Ergänzungshaushalt usw. - „für die kommenden Jahre weiterhin noch hohe Deckungslücken zu erwarten sind."
Meine Damen und Herren, was da in Heller und Pfennig oder besser in Milliarden oder Millionen auf uns zukommt, wissen anscheinend wir alle nicht. Wir wissen nur eines: man hat dem Parlament bei seinen Beschlüssen nie einen klaren Rahmen vorgehalten, der genau die Grenze des Möglichen angab; man ließ Beschlüsse zu oder ergriff sogar Initiativen zu Beschlüssen, und man trieb eine Finanzpolitik, bei der sich die später zwangsläufig folgenden Ausgaben - und das wird nun klar - wie die Kaninchen vermehren. Das ist die Situation.
({6})
- Ich habe gesagt, es ist diesem Hause das
steht doch fest - nie der Rahmen des Möglichen, nie die Grenze vorgehalten worden.
({7})
- Dann sind wir einig. Die Finanzpolitik bestand in diesem Fall in der Tat nur aus Mutmaßungen über das „große Ganze". Das müssen Sie doch zugeben.
So hat man also Verständnis dafür, daß der Finanzminister seine Etatrede sehr auf „moderato" abgestimmt hat und den von ihm eingebrachten Etat sehr bescheiden als „Übergangshaushalt" bezeichnete. Der „Übergänge" sind allerdings viele denkbar. Der Verbrauchsteuerzahler wird sich vielleicht, wenn er von den Verbrauchsteuererhöhungen hört, die von der Minderheitsregierung vorgeschlagen werden, an das niederdeutsche Sprichwort erinnern: „Es ist alles ein Übergang, sagte der Fuchs, da zog man ihm das Fell über die Ohren." Sie kennen das. Aber ich nehme an, der Wirtschaftsminister, der nun als amtlicher wirtschaftspolitischer Nothelfer in Steuersachen fungiert, hat daran nicht gedacht. Er hat wohl mehr an den schlichten Übergang von „Unordnung in Ordnung" gedacht. Ich glaube, dieser Übergang war wohl das, was er meinte. Unordnung und spätes Leid, das haben Sie jetzt zu tragen, und das erleben wir mit Ihnen allen zusammen.
({8})
Ich möchte deswegen sagen, objektiv ist das, was
sich jetzt langsam herausstellt, in einem Jahresetat
nicht zu schaffen und nicht in Ordnung zu bringen.
({9})
Eigentlich müßte man nach einem einjährigen Übergangshaushalt, wie immer er gestaltet wird, dann zwei Jahre in die Hand nehmen, um so zu einem tragbaren Rahmen zu kommen, innerhalb dessen sich ein Gleichgewicht herstellen ließe.
({10})
Doch sehen wir einmal von diesen Überlegungen ab. Heute und hier und in den weiteren Haushaltsberatungen muß doch erst einmal Kassensturz gemacht werden - der ist doch immer noch nicht erfolgt -, Inventur und Bilanz samt aller zukünftigen Verpflichtungen. Politisch nennen wir das seit langem - und das fordern wir seit langem als Sozialdemokraten Bestandsaufnahme. Das muß als erstes nun auch finanziell gemacht werden. Wir fordern dabei zuallererst - wo wir hier in diesem Parlament auch stehen mögen -, daß man dem deutschen Volk dann nach dem Kassensturz die ungeschminkte Wahrheit sagt.
({11})
Der jeweilige Finanzminister, wer immer er sei, möge sich dann mit Lichtenberg trösten: „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen."
({12})
Wir selbst haben uns schon bei der dritten Lesung des Haushalts 1966, am 27. Mai, ausdrücklich bereit erklärt, auch an unpopulären Beschlüssen verantwortlich mitzuwirken, wenn uns die vollständige, wohlfundierte Gesamtrechnung bis 1969/70 aufgemacht würde. Eine neue Bundesregierung wird also - und das ist das Zweite - das Hauptbuch der Nation aufschlagen und vollkommen einsehbar machen müssen. Das Ergebnis wird sicherlich sein: der Haushalt, auch der Haushalt 1967, muß noch einmal durchforstet werden, und es müssen Opfer gebracht werden.
In einem kürzlich erschienenen, sehr prophetischen Buch von Klaus Harpprecht, der, glaube ich, für die rechte Seite dieses Hauses ein sehr unverdächtiger Zeuge ist, wird gesagt:
Der Wähler hat ein Recht auf Ehrlichkeit - und er verdient sie in jeder Hinsicht. Das verlangt, daß die Parteien auch streng mit sich selbst sind. Sie können nicht lange über ihre Verhältnisse, d. h. ohne Wahrheit leben.
Einen Schritt im Sinne dieser Notwendigkeiten und dieser Absichten zur Wahrheit hin stellt unser vorgelegter Kernhaushalt dar - einen Schritt, soweit er uns jetzt möglich ist. Die unsichtbaren Finanzhilfen - das wurde heute morgen gesagt; sprich: die unsichtbaren Subventionen - werden hier in diesem unserem ersten Vorschlag um 9 % gekürzt - immerhin ein Wort -, und die sichtbaren Subventionen werden um ca. 5 bis 6 % gekürzt. Das ist die eine Aktionsrichtung, die wir mit dem Kernhaushalt auch wirtschaftspolitisch ausdrücken wollen.
Wir sind zu weiteren oder anderen Schritten zu einer Flurbereinigung des Haushalts bereit. Sie ist fällig. Aber, meine Damen und Herren, diese Arbeit ist nur die eine Seite der Medaille. Der Appell an „Schweiß und Tränen", der kürzlich aus Süddeutschland kam, der allgemeine Aufruf zur Buße genügt doch nicht. Wenn wir mit diesen Aufrufen gewisse Haltungen und Bereitschaften in unserem Volke wiederherstellen, ist das gut und ein wesentliches Mittel, um den Bundeshaushalt - ich sage das einmal so - zu entrümpeln. Aber es wäre völlig falsch, jetzt, in dieser Phase unserer wirtschaftlichen Entwicklung, lediglich eine restriktive Finanzpolitik durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zu betreiben.
({13})
Wir halten nichts von Erklärungen, daß man grundsätzlich gegen oder für Steuererhöhungen sei. Die Frage der Steuererhöhungen sollte nach unserer Meinung in erster Linie unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten und ganz speziell unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten entschieden werden. Wir stellen jetzt nur eines fest: Steuererhöhungen würden in dieser Konjunkturphase nicht in die Landschaft passen.
({14})
Denn Steuererhöhungen würden nicht antizyklisch, sondern prozyklisch wirken, d. h. die derzeitigen Tendenzen zur wirtschaftlichen Stagnation verstärken.
Meine Damen und Herren, diese konjunkturpolitische Aussage gilt auf alle Fälle für die Lohn- und Einkommensteuer,
({15})
und ich bin sehr froh, daß Herr Kollege Leicht in diesem Punkt eine klare Aussage in derselben Richtung wie ich gemacht hat. Aber mit solchen Steuererhöhungen, meine Damen und Herren, wie auch immer - ich komme gleich noch auf die Verbrauchsteuern -, würden wir weitere Wachstumsverluste
der Volkswirtschaft vorbereiten und damit wieder künftige Defizite der öffentlichen Haushalte produzieren. Das ist der Punkt.
({16})
Nun wende ich mich den konjunkturpolitisch weniger gefährlichen Verbrauchsteuererhöhungen zu. Auf jeden Fall gilt der Nachfrageeffekt auch hier. Auch diese Steuererhöhungen wirken jetzt, wenn auch nicht so stark, prozyklisch. Man muß bedenken, daß jede Verbrauchsteuererhöhung gerade in dieser Situation einen ungünstigen Preiseffekt haben wird. Ich stimme da also in beiden Fällen mit dem Kollegen Emde völlig überein.
Mich hat sehr erfreut zu hören, daß auch der Kollege Leicht sehr deutlich gesagt hat: Weder durch Ausgabenstopp noch allein durch Steuererhöhungen ist ein Ausgleich herbeizuführen. Ich freue mich auch, daß er wenigstens gegenüber zwei von der Minderheitsregierung vorgeschlagenen Verbrauchsteuererhöhungen gewisse Vorbehalte angebracht hat.
Meine Damen und Herren, unser Kernetat sieht von beiden Dingen ab. Ich möchte das erklären. Er will der deutschen Volkswirtschaft eine Chance geben, wieder zu steigenden Zuwachsraten zu kommen, wieder in einen neuen Aufschwung zu gelangen. Wir können den Kernhaushalt auch als einen Schonhaushalt bezeichnen. Seine Zuwachsrate - das ist heute morgen dargelegt worden - ist erheblich niedriger als die Zuwachsrate des gesamten nun vorgelegten Haushaltsentwurfs der Minderheitsregierung.
Aber, meine Damen und Herren, ich sage es ganz deutlich: Der Kernhaushalt genügt für sich allein nicht. Er ist notwendig für eine Politik der Sparsamkeit und der Ordnung. Aber diese Politik der Sparsamkeit und der Ordnung darf nicht in eine Politik der Deflation umschlagen.
({17})
Eine Politik der Deflation, der Restriktion auf beiden Seiten wäre der Beginn - so sage ich - einer „Brüning-Ara", und die will wohl niemand in diesem Saal.
({18})
Deswegen haben wir - getrennt und besonders zu finanzieren; das ist der zweite Teil - aus wachstums- und konjunkturpolitischen Erwägungen den Stabilisierungshaushalt in Höhe von 2,5 Milliarden DM hinzugefügt.
Der Stabilisierungshaushalt soll jetzt aufgestellt und im nächsten Jahr in dem Zeitpunkt, da es die Konjunktur verlangt oder erlaubt, durch einen Beschluß des Parlaments oder der Regierung - darüber kann man sich unterhalten - teilweise oder ganz in Kraft gesetzt werden. Früher nannte man das Eventualhaushalt.
Um dieses Konzept des Stabilisierungshaushalts zu verdeutlichen, muß ich einen Blick auf unsere wirtschaftliche Lage, auf unsere wirtschaftliche Entwicklungsphase werfen. Nach derzeitiger amtlicher
Meinung sind unsere wirtschaftlichen Probleme Ausdruck eines nun zitiere ich den Finanzminister -„ausgeprägten Anpassungs- und Konsolidierungsprozesses"; sie seien Ausdruck des Übergangs - da kommt wieder das Wort - von den hohen realen Wachstumsraten der 50er Jahre, die, wie Sie, Herr Schmücker, sagen, noch bei 8 % lagen, auf die natürlicherweise niedrigeren realen Wachstumsraten der Zukunft, die in der Etatrede von Herrn Schmücker für die Zeit his 1970 auf etwa 3,5 bis 4 % geschätzt werden. Übrigens, Herr Schmücker, liegen wir mit dieser Schätzung an der Untergrenze der kontinentaleuropäischen OECD-Länder; auch das muß gesagt werden.
Aber zu der Feststellung von dem Übergang und daß darauf alle Probleme zurückzuführen seien, darf ich mit aller Offenheit sagen, sie erklärt doch nur einen Teil der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit im ganzen beweist uns anderes und Wesentlicheres. Wie die Konjunktursituation heute beurteilt wird, möchte ich folgendermaßen skizzieren.
Erstens. Für das Jahr 1966 wird noch eine reale Zuwachsrate des Sozialproduktes von 3,5% angenommen. Die Arbeitsgemeinschaft der Forschungsinstitute schätzt für das erste Halbjahr 1967 eine Rate von nur 2,3%. Meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung noch tragen, wenn wir diese Zahl erreichen, stimmt die ganze Haushaltsrechnung 1967 nicht, die uns heute aufgemacht worden ist; dann ist die wieder überholt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet jetzt für das ganze Jahr 1967 real nur mit 2,2%, allerdings unter der Voraussetzung, daß keine Änderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik eintritt.
Zweitens. Das Ifo-Institut - um also die ganze bunte Lese zu machen - nennt das Jahr 1966 wirtschaftlich das „Jahr der Planrevisionen". Die Unternehmerpläne wurden ständig revidiert, und zwar nur in einer Richtung, nach unten, in den Keller. 1965 Planung der Investitionen mit einer Zunahme um 16%, dann 5 %, heute auf 3 % revidiert, und für 1967 wird zum erstenmal sogar eine negative Rate der Investitionen erwartet.
Meine Damen und Herren von der Minderheitsregierung und von der Partei oder Fraktion, die diese Minderheitsregierung trägt, Sie hören heute von mir nicht das Wort ;Wirtschaftskrise".
({19})
Das Wort „politische Krise" brauche ich nicht in den Mund zu nehmen; das kennen Sie besser als ich, das ist klar.
({20})
Auf jeden Fall müssen Sie eines mit mir feststellen: Das Jahr 1965 war ein Jahr der Sünde, das Jahr 1966 war finanzpolitisch ein Jahr der schönen Täuschungen. Ein Zweites müssen wir gemeinsam feststellen: Das Investitionsklima in der deutschen Volkswirtschaft hat sich in diesen Monaten rasch und böse verschlechtert. Auch das ist ein Tatbestand.
Drittens. Das Bundeswirtschaftsministerium konstatiert für den industriellen Produktionsindex für September 1966 gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang um 1,8 % und bei den Auftragseingängen gar einen Rückgang um 3,7 %. Meine Damen und Herren, das ist nicht die Krise, aber das ist der Weg in die Stagnation. Das müssen Sie auch zugeben.
Das kann man nicht, wie es der Finanzminister getan hat - vielleicht denkt der Wirtschaftsminister anders -,
({21})
als einen „Konsolidierungs- oder Anpassungsprozeß" bagatellisieren. Ich will gar nicht fragen, ob das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit seiner Prognose recht hat, daß wir im kommenden Winter vorübergehend eine Zahl von 500 000 Arbeitslosen haben werden. Darüber will ich gar nicht rechten; das wären 2 %. Es genügt mir jetzt die Feststellung des Ifo-Instituts, daß die schwindende Investitionsneigung - und nun kommt es wörtlich - „die Gefahr eines sich selbst nährenden Schrumpfungsprozesses in sich trägt". Ich glaube, diese Feststellung genügt.
Diese Flaute, diese mögliche Schraube nach unten ist nicht mehr bloße Anpassung, sie ist auch nicht von außen über uns gekommen. Es ist doch kein schwarzer Freitag in New York passiert. Dieser Stagnationsprozeß ist selbst fabriziert, er ist hausgemacht bei uns, weil man sich auf seiten der staatlichen Konjunkturpolitik passiv verhalten hat und das ganze Geschäft der Restriktionspolitik der Bundesbank überlassen hat. Wir sind in dieser Konstellation, wenn das so weitergeht, auf dem besten Wege, die Grenze des wirtschaftspolitisch Erlaubten zu überschreiten.
({22})
- Ich darf diesen Gedankengang zu Ende führen, Herr Burgbacher.
Nun bin ich ein großer Verteidiger der Autonomie der Bundesbank. Aber ich darf doch mit allem Freimut auf den § 12 des Bundesbankgesetzes hinweisen. Darin steht nämlich, daß die Bundesbank unter Wahrung ihrer Hauptaufgabe auch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen hat. Vielleicht wird die Bundesbank darauf sagen: Es gab eben keine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung; wir haben mit unserer sehr weit getriebenen Restriktionspolitik einfach ein Vakuum ausgefüllt! - Das kann die mögliche Antwort sein. Die Antwort für die Zukunft wird sein, meine Damen und Herren - von dieser Seite -: Dieses Vakuum in der staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik wird in Zukunft verschwinden.
Im übrigen hat diese einseitige Belastung der Bundesbank und die nach dem Urteil vieler, auch aus Ihren Reihen, zu weit getriebene Restriktionspolitik der Bundesbank ein paar wenig schöne gesellschaftspolitische und auch politische Nebenprodukte gezeitigt. In Zeiten hoher Zuwachsraten geht das mit den Strukturwandlungen alles sehr leicht.
Aber bei schrumpfenden Zuwachsraten, bei kleinen Expansionsraten werden die Strukturwandlungen natürlich zuungunsten der mittleren und kleinen Betriebe verschärft, sie werden schmerzhafter. Damit hat diese einseitige Politik auch einen Beitrag zu den Erscheinungen des Poujadismus in Deutschland geleistet. Das müssen wir auch ganz sachlich zur Kenntnis nehmen.
({23})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burgbacher?
Ja.
Herr Kollege Dr. Schiller, glauben Sie, daß der Übergang von einer preistreibenden, überhitzten Konjunktur zur möglichen Stabilität ohne vorübergehende Rückgänge in der Investition und im Auftragseingang möglich ist?
Es war unser Programm und es war der Sinn des Gutachtens des Sachverständigenrates, diesen Übergang ohne Stagnation herbeizuführen.
({0})
Ich beziehe mich darauf. Ich sage nicht: ich glaube daran - Sie haben ja gefragt, ob ich glaube, daß ... -, sondern ich bin fest überzeugt, daß das die beste Lösung gewesen wäre.
({1})
Das ist ja gar nicht meine Frage gewesen.
Doch!
Nein. Ich habe gefragt, ob Sie allen Ernstes glauben, daß der Übergang von einer preistreibenden, überhitzten Konjunktur zur möglichen Stabilität ohne vorübergehende Rückgänge der Investitionen und des Auftragseingangs möglich ist. Diese vorübergehenden Rückgänge identifizieren Sie in sehr geschickter Rhetorik mit dem Begriff Stagnation. Danach habe ich überhaupt nicht gefragt.
({0})
Herr Kollege Burgbacher, wenn Sie eine restriktive Politik betreiben oder tolerieren oder sogar befürworten, dann kann man sich in diesem Augenblick doch nur über das Ausmaß unterhalten, und genau das Ausmaß habe ich hier getadelt. Ich habe klar und deutlich gesagt: Wir überschreiten die Grenze des Erträglichen. Es muß eine Wende eintreten, und zu dem, was dazu nötig ist, wollte ich jetzt in meinem nächsten Punkt etwas sagen.
Unsere Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik muß geändert werden. Es ist also ein Kurswechsel nötig, nicht nur in der Politik im ganzen, auch hier, aber nicht ein Kurswechsel im Sinne eines wilden Wachstumsfanatismus, Herr Burgbacher, auch nicht im Sinne einer zügellosen Politik des „billigen Geldes", sondern, wie wir sagen, im Sinne eines systematischen, planvollen Weges nach oben, einer Politik der Förderung von Stabilität und Wachstum zugleich. Ich frage also: Warum sollen wir nicht im Jahre 1967 eine reale Wachstumsrate von über 4 % statt von 2,2 % erreichen können? Allerdings genügt dazu nicht ein einziges Patentrezept, sondern es ist eine Vielzahl von Mitteln notwendig, und die will ich Ihnen jetzt darlegen.
Das erste ist die sofortige Abschaffung der Kuponsteuer. Unser Antrag liegt da.
({0}).
- Ja, ich muß Ihnen das Bukett sagen, Herr Haase. Es sind nicht alle so aufmerksam wie Sie, daß sie merken, daß wir schon früher mal darüber geredet haben. - Unser Antrag liegt vor. Hoffentlich hat ein bekanntes Mitglied der CSU seine öffentliche Stellungnahme gegen die Kuponsteuer und für die Abschaffung der Kuponsteuer nicht geändert. Im übrigen freue ich mich, daß Herr Emde bei diesem Thema Sie alle zum Nachdenken aufgefordert hat. Sollte sich in diesem Hause eine Mehrheit für die Abschaffung der Kuponsteuer ergeben, meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, wir werden einen positiven Ankündigungseffekt bei der Kursbildung auf den Märkten draußen bekommen.
({1})
Zweitens ist - zum Leidwesen von Herrn Haase
muß ich es wiederholen - eine schrittweise Lockerung der Restriktionen der Bundesbank erforderlich, beginnend mit einer Herabsetzung der Mindestreserven. Der Prozeß des Umdenkens ist bei der Bundesbank doch anscheinend im Gange. Man sollte das also fördern.
Drittens ist die Verbesserung und der Ausbau des von einigen Regierungsmitgliedern anscheinend schon längst vergessenen Entwurfs eines Stabilisierungsgesetzes - das gibt es nämlich auch noch! - im Sinne unserer 17 sozialdemokratischen Anträge notwendig,
({2})
und zwar der Ausbau im Sinne eines Rahmengesetzes zur Förderung von Stabilität und Wachstum der Wirtschaft. So sind unsere 17 Anträge - ({3})
- Die 17 Anträge liegen auf dem Tisch. Wir warten immer noch auf andere Anträge.
Im übrigen müssen wir eines sagen: Die ungeschützte Androhung der Kreditplafondierung durch den Regierungsentwurf hat in der jetzigen Konjunktursituation keine guten Folgen gehabt. Das können Sie in den Zeitungen lesen. Sie hat bei vielen Unternehmern dazu geführt, daß Kredite gehortet werden. Zusagen werden als Kredite genommen, weil man nicht weiß, was kommt, und diese. Kredite werden bei anderen Banken angelegt. Das führt dazu, daß Kredite nicht in Investitionen umgesetzt werden. Das hat weiter depressiv gewirkt.
Im übrigen, hätten wir jetzt eine Konjunkturausgleichsrücklage im Sinne des Entwurfs, dann müßte sie doch im kommenden Jahr aufgelöst werden. Diesem Gedanken, Herr Schmücker, entspricht unser Stabilisierungshaushalt. Umgekehrt muß ich nun allerdings sagen: ich habe Ihre Anlage 5 als Ersatz für den weißen Fleck im Finanzbericht 1967, diesen Versuch einer Projektion, sehr genau studiert, und wenn ich mir das schreckliche Ergebnis dieser Anlage 5 ansehe, dann weiß ich eigentlich nicht, wie der Bund in den kommenden Jahren eine Konjunkturausgleichsrücklage ansammeln kann. Das ist mir schleierhaft. Da kommt mir jener Vorgang wie ein Glasperlenspiel vor. Das ist einfach unvorstellbar an Hand Ihrer Anlage 5. Ich kann da nur feststellen: als der Stabilisierungsgesetzentwurf mit der Konjunkturausgleichsrücklage vorgelegt wurde, wußte in der damaligen Regierung wahrscheinlich die Rechte nicht, was die Linke tat, oder umgekehrt.
Viertens. Bei aller Überlegung über das, was ein verbessertes Gesetz bringen würde, halten wir es für notwendig, daß der Staat finanzpolitisch in Bälde für die Konjunktur ein Zeichen gibt. Daher unser Stabilisierungshaushalt. Er könnte und sollte dann in Kraft gesetzt werden - um es noch einmal zu sagen -, wenn die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt sich einigermaßen entkrampft haben. Das verlangt allerdings eine pflegliche, behutsame, systematische Politik zur Wiederbelebung des Kapitalmarktes, und das muß sofort beginnen. Auch ) das gehört zum Kurswechsel in eine neue Politik.
Fünftens. Aber auch solange der Stabilisierungshaushalt, festgestellt hier im Hause - hoffentlich bald -, noch nicht in Kraft gesetzt ist, wird er sich, davon sind wir überzeugt, mit den 2,5 Milliarden DM positiv auswirken, indem er die Unternehmererwartungen, indem er die Planungen der Unternehmungen, die zur Zeit - wie gesagt - im Keller liegen, die ganz depressiv sind,
({4})
positiver werden läßt. - Sehen Sie sich doch, Herr Burgbacher, die Zahlen der Institute an! Nun gehen Sie mal zum Konstruktiven über! Wir sehen diesen Stabilisierungshaushalt, auch solange er noch nicht in Kraft ist, als ein Signal, als grünes Licht für einen neuen Aufschwung unserer Wirtschaft an.
Sechstens. Die letzte und vielleicht wichtigste Bedingung für einen neuen Weg nach oben, für eine sichtbare Verbesserung des verschlechterten Investitionsklimas muß allerdings von der politischen Seite erfüllt werden. Wir alle wissen - da sind wir uns einig -: dem weiteren Verfall der Staatsautorität muß Einhalt geboten werden. Der Vertrauensschwund auch in der Wirtschaft, die Verwirrung in der Wirtschaft muß beendet werden. Die Menschen in der Wirtschaft müssen wieder den Kurs des Staatsschiffes erkennen können. Diese klare Sicht zu schaffen, liegt bei denen, die sich hier in diesem Hause um eine handlungsfähige Regierung bemühen.
So weit unser Konzept, unser Versuch einer unkonventionellen Methode, um die Finanz- und Wirtschaftsmisere der kommenden Monate zu überwinden.
Um es zusammenzufassen: Erstens Kernhaushalt als Ausdruck des Willens zur Entrümpelung des Etats, als Ausdruck der Sparsamkeit, der Ordnung, der Rationalisierung, aber zugleich als Schonhaushalt für die Bevölkerung und für die Wirtschaft.
Zweitens: Stabilisierungshaushalt als konjunkturpolitischer Impulserteiler. Diese Funktion des Stabilisierungshaushaltes - und das möchte ich zu Herrn Althammer sagen - ist etwas anderes als der Ergänzungshaushalt von Herrn Schmücker. Sein Ergänzungshaushalt ist doch nur eine nachträgliche Korrektur gegenüber falsch vorausgeschätzten oder gegenüber neuen Tatbeständen. Es mag auch ganz richtig sein, daß man sich zu solchen Korrekturen durch einen Ergänzungshaushalt gezwungen sieht. Nur ist das etwas ganz anderes als der Stabilisierungshaushalt. Der Stabilisierungshaushalt soll absichtlich der Konjunktur und den Konjunkturerwartungen zusätzlich einen Impuls geben.
Ich darf hinzufügen, um es ganz deutlich zu machen: Dieser Stabilisierungshaushalt soll auf der Ausgabenseite aus Investitionen bestehen. Wir alle wissen, daß die Kürzungen - auch die Kürzungen in unserem Kernhaushalt - mehr zu Lasten der Investitionen und weniger zu Lasten der Konsumausgaben gehen. Das ergibt sich aus der Natur der Sache; denken Sie an die Personalausgaben! Gegen diese Verlagerung soll der Stabilisierungshaushalt ein Gegengewicht darstellen. Wer spricht denn heute noch von Gemeinschaftsaufgaben? Der Stabilisierungshaushalt soll dafür sorgen, daß die Gemeinschaftsaufgaben oder, wenn Sie so wollen, Sozialinvestitionen gerade in einem möglichen Aufschwung endlich mehr zu ihrem Recht kommen. Auch das ist seine Funktion.
Meine Damen und Herren, ich komme auf das Letzte. Wenn Sie dieses Zweistufenmodell oder diesen Zweiphasenplan, der ein Vorschlag und ein Versuch ist, beurteilen, werden Sie sicherlich die Frage stellen: Was geschieht bei einem neuen Aufschwung, der finanzpolitisch gefördert wird, mit den Preisen und Löhnen? Das ist eine berechtigte Frage. Sicherlich ist in diesem Jahr die Preissteigerungsrate von ihrem Höhepunkt mit 4,5 % im April 1966 inzwischen heruntergekommen; aber im ganzen Jahresdurchschnitt werden wir kaum unter 3 % gelangen. Sie erinnern sich alle - ich habe vorhin schon darauf hingewiesen - an das zweite Jahresgutachten ,des Sachverständigenrates. Die Sachverständigen schlugen damals bekanntlich eine „konzertierte Aktion zur Stabilisierung ohne Stagnation" vor. Dieses Gutachten - wir wissen es alle - wurde im Februar dieses Jahres mit forscher Hand vom Tisch gefegt. Vielleicht wurde damals von jemandem eine Sternstunde verpaßt. Denn für die Ablehnung des Gutachtens tauschte die Regierung Erhard II mit ihrer Politik etwas anderes ein, nämlich wirtschaftliche Wachstumsverluste und politische Unstabilität. Wir können auch sagen, die
Regierung Erhard II erreichte das umgekehrte Ziel das Sachverständigengutachtens, sie erreichte Stagnation ohne Stabilität.
Aber wie ,dem auch sei, wenn jetzt die Weichen neu gestellt werden sollen, sollte man den damaligen Gedanken der Gutachter, .den Gedanken einer konzertierten Aktion nicht vergessen. Auch in der neuen Lage, in ,der Aufgabe, einen Aufschwung in Stabilität zu veranstalten, sollte eine neue Bundesregierung, die sich ein expansives Ziel der Finanz- und Wirtschaftspolitik setzt, zu einer „konzertierten Aktion für Stabilität und Aufschwung" aufrufen. Das müßte der neue Name einer konzertierten Aktion in dieser neuen Situation sein. Die neue Regierung sollte sich nicht scheuen, wenn Gewerkschaften und Unternehmerverbände sich wie damals in der Überhitzung freiwillig zu einem gleichzeitigen und gleichmäßigen Verhalten zusammenfinden, dann ihrerseits den runden Tisch zur Verfügung zu stellen; sie sollte mit ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik ein Beispiel geben und, wenn gewünscht, auch neue Leitlinien des Sachverständigenrates unterstützen und mit ihrer Regierungsautorität ausstatten.
Damit, auch mit der „konzertierten Aktion" im Aufschwung, ist ein weiterer Rahmen angedeutet, in dem unsere etatpolitischen Vorschläge konzipiert wurden. Wir treten hier nicht an, Herr Burgbacher, mit der Haltung der billigen Besserwisserei. Wir sagen nicht: „Wir haben alles immer richtig vorausgesagt". Das wäre sehr billig.
({5})
Keine Partei hat hier ein Patentrezept, keine Partei hat einen Sonderzugang zu irgendeiner Kasse, auch nicht zu einer Himmelskasse; diesen Zugang gibt es nicht.
({6})
- Wir fordern von uns allen, Herr Burgbacher, daß Schluß gemacht wird mit der bequemen „Neigung, sich durchzuwursteln 'und durchzumogeln".
({7})
Es darf einfach nicht wieder passieren - wie das jetzt bei dem Entwurf für den Haushalt 1967 der Fall war -, daß ,der neue amtierende Finanzminister - oder das Streichquintett - einem Manne gleicht, der sich verzweifelt bemüht, aus Billardkugeln eine Pyramide zu errichten.
({8})
({9})
Fritz Ullrich Fack hat kürzlich aus Anlaß der Krise auf die drei Eigenschaften hingewiesen, die Max Weber dem Politiker abverlangt, nämlich Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Ich sage es frei heraus: wir setzen dabei für jede Bundesregierung die ersten beiden Eigenschaften, Leidenschaft und Verantwortungsgefühl, als selbstverständlich voraus. Allerdings hat Max Weber vor 50 Jahren gesagt: Die bloße Geste der Gesinnungsethik genügt für die Politik nicht; die Verantwortungsethik muß hinzukommen. Das nur als Randbemerkung. Was wir aber besonders verlangen, ist
das bisher fehlende Augenmaß. Wir fordern von einer neuen Bundesregierung ganz einfach die Fähigkeit - sie war bisher in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht vorhanden -, Ziele zu erkennen, Ziele zu bestimmen, sie weithin sichtbar zu machen und die Mittel für diese Ziele rechtzeitig zu planen. Um dieses Minimalerfordernis der Zielformulierung und der Planung der politischen Mittel auf die Ziele hin kommen Sie bei uns nicht herum; von diesem Minimalerfordernis werden wir in keinem Fall abweichen.
({10})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit mir nicht noch einmal wie bei der Stabilitätsdebatte der Vorwurf gemacht wird, daß ich mich erst zum Schluß zu Wort melde, darf ich vielleicht zwischendurch eine Stellungnahme abgeben. Es erfreut Sie vielleicht, wenn auch ich die Debatte als wohltuend sachlich empfinde. Ich möchte sagen: nun, das sind wir Wirtschafts- und Finanzpolitiker ja eigentlich so gewohnt. Herr Möller sagte: Wir sind alle hellwach. Nun ja, das sind wir. Wir spüren sehr deutlich, daß wir alle uns möglicherweise recht nahe der Verantwortung befinden. Wenn man der Verantwortung sehr nahe ist, muß man aber mit den Zahlen und mit den Dingen ein wenig anders umgehen, als wenn man sich in aussichtsloser Entfernung von ihnen befindet.
({0})
Herr Möller, lassen Sie sich die Lust am Zitieren nicht schmälern, auch wenn meine gedruckte Rede etwas mehr enthalten hat als die gesprochene. Es kam mir selber vor, daß sie ein bißchen lang war. Deshalb habe ich etwas ausgelassen. Aber die gedruckten Passagen gelten. Ich stehe zu all diesen Passagen. Sie allerdings haben etwas mehr gesagt, als in Ihrer gedruckten Rede steht, so z. B.: fehlende Finanzreform, fehlende mittelfristige Finanzplanung. Sie haben gesagt: „Es ist doch geradezu lächerlich, von dem Blättchen, das als Anlage der Rede des Herrn Ministers Schmücker beigefügt war, als von einer langfristigen Finanzplanung zu sprechen. Wer so argumentiert, der kann doch nicht ernst genommen werden." Nun, Herr Möller, das haben Sie sehr geschickt ausgedrückt. Sie haben doch damit sagen wollen, daß derjenige, der das vorgelegt habe, nicht ernst genommen werden könne, oder die Leute sollten es zumindest glauben.
({1})
In Wirklichkeit habe ich aber gar nicht so argumentiert, sondern ich habe mich ausdrücklich vor dem Hohen Hause entschuldigt. Ich habe gesagt, daß ich leider nicht in der Lage sei, das Material vorzulegen, das ich lieber vorgelegt hätte.
({2})
Herr Kollege Möller, darf ich das eben noch zu Ende führen. Ich weiß sehr wohl, daß Sie das nicht gesagt haben, und Sie werden jetzt wahrscheinlich auch sagen, daß Sie es nicht hätten sagen wollen; aber so mußte es natürlich aufgefaßt werden. Ich frage mich, warum Sie das sagen. Tun Sie das doch nicht!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, würden Sie davon Kenntnis nehmen, daß ich mich mit dieser Feststellung auf Ausführungen des Herrn Kollegen Leicht bezogen und selbstverständlich nicht Sie gemeint habe?
Nun, Herr Kollege Möller, dann muß sich Herr Kollege Leicht dann äußern. Ich weiß nicht, was eine Antwort mit Ja oder Nein in diesem Augenblick bedeutet; ich kann das nicht übersehen. Zumindest möchte ich sagen, daß ich nicht so argumentiert habe und ich mir nicht einbilde, daß das etwa ausreichendes Zahlenmaterial sei.
Nun das Zweite: wir sind in Zeitnot geraten. Meine Damen und Herren, das ist richtig. Aber darf ich einmal darauf hinweisen, wie das entstanden ist. Sehr mutig haben wir eines guten Tages beschlossen, unser Haushaltsjahr auf das Kalenderjahr umzustellen. Damit haben wir uns nicht nur die ganze Sylvesterzeit und alles, was so drum und dran hängt, verdorben, sondern wir haben auch übersehen, daß eine neue Legislaturperiode jeweils etwa im Oktober beginnt und daß wir damit von Anfang an bei den Arbeiten in Zeitverzug geraten. Wenn wir auf die Dauer aus dieser Geschichte herauskommen wollen, müssen wir irgendeine Konsequenz ziehen. Nach den Wahlen wird eine neue Regierung gebildet, die normalerweise vor November nicht tätig werden kann. Wenn das Haushaltsjahr mit dem Kalenderjahr beginnen muß, ist das im ersten Jahr einfach nicht zu schaffen, bei Komplikationen wahrscheinlich nicht einmal im zweiten Jahr. Die Folge ist, daß man möglicherweise erst im dritten, vierten Jahr terminmäßig zu Rande kommt. Das geht auf die Dauer nicht. Ich wollte nur auf diesen objektiven Umstand hinweisen, der nicht im Verschulden irgendeines Teils liegt.
Das Nächste: Sie haben auf die Finanzkrise hingewiesen. Meine Damen und Herren, ich komme gleich im Zusammenhang mit meiner Antwort auf die Ausführungen des Kollegen Schiller noch darauf zurück. Wenn man auf Gefahren hinweist, kann doch nicht von anderer Seite behauptet werden, daß man damit zugebe, sich schon in einer Krise zu befinden. Wollen Sie etwa denjenigen, die den Mut haben müssen, auf die Zwangsläufigkeiten hinzuweisen, jede Kraft nehmen, das zu tun? Nein, wir befinden uns gegenwärtig weder in einer Wirtschafts- noch in einer Finanzkrise. Wir müssen nur die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, damit wir nicht in solche Gefahren hineinkommen.
Natürlich müssen wir einiges von dem umstellen, was das gesamte Hohe Haus beschlossen hat. Ich will mich gar nicht ausnehmen, obwohl ich einen guten Grund hätte; denn ich befand mich damals gesundheitlich leider in einem schlechten Zustand und lag bewegungsunfähig im Krankenhaus. Ich will mich gar nicht ausnehmen. Aber, meine Damen und Herren, an diesen Erscheinungen sind wir alle voll beteiligt. Wäre man bei den Vorschlägen der Bundesregierung geblieben, besonders beim Einkommensteuergesetz, sähen die Dinge trotz der Ereignisse, die sich bei der Bundesbahn eingestellt haben, und trotz der sehr erheblichen Erhöhung beim Kindergeld und anderem anders aus.
Ich muß es auch zurückweisen, daß etwa die Misere aus den Restriktionen, also aus wirtschaftspolitischen Maßnahmen herrührt. Ich habe auch nicht gesagt, daß die gegenwärtige Situation eine Folge dieser Maßnahmen sei, sondern ich habe gesagt: auch diese Maßnahmen tragen natürlich dazu bei. Man mußte sie mit in Rechnung stellen. Ich habe es nie absolut gesagt. Ich weiß, daß hier sehr viele Komponenten eine Rolle spielen.
Nun, Herr Kollege Dr. Möller, muß ich damit kurz auch auf die mittelfristige Planung kommen; und ich hoffe, daß ich hier von Herrn Schiller diesmal etwas Schützenhilfe bekomme. Ich habe bei der Beratung des Stabilitätsgesetzes darauf hingewiesen, daß nach meiner Meinung viele Beobachter unter der mittelfristigen Planung sich vorstellen, daß man aus einer zu raschen Verfügung, von dem - wie man so sagt - Leben von der Hand in den Mund in eine mittelfristigere Überlegung hineinkommen müßte. Das ist auch notwendig; aber im wesentlichen kommt es darauf an, die Manövriermasse zu vergrößern und den Haushalt wieder zum Kernstück der Politik zu machen. Das heißt, die zählebigen langlebigen Gesetze nicht weiter für die gesamte Haushaltsführung bestimmend sein zu lassen. Das hat natürlich eine Folge, Herr Kollege Möller, und hier haben Sie mich nicht richtig zitiert: Ich habe ausdrücklich gesagt, daß die rechtlichen Bindungen unangetastet sein müssen. Wenn Sie diese Voraussetzung machen, dann können wir eine Vielzahl von Gesetzen, wie es bei einigen schon der Fall ist, unter den Vorbehalt der haushaltsmäßigen Möglichkeiten stellen. Tun wir das nicht, können wir nicht ernst machen mit einer mittelfristigen Politik. Ich möchte Herrn Schoettle zum Zeugen anrufen, der immer wieder darauf hingewiesen hat, daß wir Finanzgesetze nur im Zusammenhang mit dem Haushalt beschließen dürfen und daß wir uns in unseren Finanzgesetzen nicht unnötig auf viele Jahre festlegen dürfen; denn niemand weiß, wie das nächste Jahr sein wird. So verstehe ich es, meine Damen und Herren. Wir müssen eine Vielzahl von Gesetzen aus der Zählebigkeit, aus der Langlebigkeit herausbringen, damit wir insgesamt wieder uns beim Haushalt politisch entscheiden können. Das bißchen, das heute noch übrig ist, ist doch keine Politik. Wegen dieses Restes, der als Manövriermasse noch zur Verfügung steht, mittelfristige Planung zu machen, das lohnt keinen weißen Fleck, das lohnt auch keine zwei
Schreibmaschinenseiten. Da muß man schon mehr tun.
({0})
Herr Möller, Sie haben dann die einzelnen Positionen aus dem Haushalt oder die einzelnen unangenehmen Positionen, die Kürzungsvorschläge, vorgenommen, und ich möchte Ihnen bestätigen, daß alle Ihre Argumente, die Sie vorgetragen haben, richtig sind. Wenn wir in der phantastisch glücklichen Lage wären, daß wir nur unberechtigte Forderungen abzuwehren hätten, dann wäre dieses Geschäft ein angenehmes. Aber wir befinden uns doch in der unangenehmen Situation, daß wir berechtigte Anliegen abbauen müssen, daß wir unter berechtigten Anliegen einige beseitigen müssen, weil wir mit unserer Wirtschafts- und Finanzkraft einfach nicht die Möglichkeit haben, alle diese berechtigten Forderungen auf einmal zu erfüllen. Wenn es nur darum ginge, unberechtigte Forderungen zu beseitigen, nun, dann würde es einen Spaß machen. Leider ist das Geschäft unangenehmer, und so kommt es also zum Schluß auf die Abwägung der Vor- und Nachteile und noch mehr auf die politische Entscheidung an, auf die politische Entscheidung, die nicht darin besteht, daß derjenige, der die stärkste Gruppe hinter sich hat, sich durchsetzt, sondern daß die Betroffenen den Mut zu einem echten Kompromiß haben. Darum habe ich gesagt: Zum echten Kompromiß gehört genauso viel Mut wie zur Grundsatztreue.
({1})
Damit Sie es an einem Beispiel sehen, Herr Kollege Möller, möchte ich nur eine Position aus Ihrer Liste vornehmen, und das ist die Beseitigung der Unterstützung - ich darf es einmal so sagen - der Erdölförderung. Sie haben hier eine Kürzung von 167 Millionen DM vorgeschlagen. Ich gebe Ihnen zu, man muß überlegen, ob das notwendig ist. Ich sage Ihnen, ich bin zur Zeit der Meinung, man sollte es nicht tun. Aber ich will Ihnen nur, Herr Kollege Möller, die Schwierigkeiten der einzelnen Positionen dartun, indem ich Sie, ohne daß ich damit jemand verärgern will, an eine kleine Debatte erinnere, die in einer Fragestunde, von Ihnen sehr gut organisiert und inszeniert, stattgefunden hat. Das war die Frage Texaco.
({2})
Von seiten der Fraktionsführung der SPD wurde mir in dieser Fragestunde - die Fragen sind ja sowieso nur eine Frage der Interpunktion und nicht des Inhalts - vorgehalten, daß ich in Finanzbewegungen eingegriffen hätte, die sich doch letzten Endes zugunsten der deutschen Wirtschaft, der Anteilseigner usw., auswirken würden. Damit diese Frage gestellt werden konnte, mußte am selben Tag eine Frage des Abgeordneten Dröscher - auch von der SPD -, der mich deswegen tadeln wollte, zurückgezogen werden, und die SPD wand sich nun aus dieser peinlichen Lage: hier internationaler, dort nationaler Kurs.
Nun, ich will darauf nur hinweisen, wenn wir diesen Punkt untersuchen. Ich will damit nur andeuten, daß auch bei Ihnen unterschiedliche Meinungen sein können, und das ist ein gutes demokratisches Recht. Herr Kollege Schiller, in dieser Erdölfrage stehen wir vor einer Grundsatzentscheidung unserer Energiepolitik: Wollen wir den Anschluß an die internationale Erdölproduktion gewinnen und damit selbst etwas auf unserem Markt zu sagen haben -- das können wir doch nur, wenn wir an die Erdölgewinnung einen Anschluß gewinnen -, oder wollen wir unseren Markt aufgeben? Das ist die Frage.
({3})
Wenn Sie sich dafür entscheiden, daß wir diese Machtposition aufgeben, müssen Sie es begründen. Möglicherweise müssen wir es tun, weil andere Dinge wichtiger sind. Aber, meine Damen und Herren, ich will Ihnen an diesem Beispiel nur dartun, daß es in keinem Fall darum geht, irgendwelche unberechtigten Forderungen abzubauen, sondern daß es darum geht, gute Anliegen bei Ihnen wie bei uns gegeneinander abzuwägen und sich dann am Ende politisch zu entscheiden. In diesem Punkte möchte ich weiterhin dafür plädieren, daß wir an unserem Energiemarkt auch in Sachen Erdöl ein gewichtiges Wort mitzureden haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Minister Schmücker, wir haben bereits im vorigen Jahr die Frage der Erdölsubvention von uns aus im Zusammenhang mit der Frage der Kürzung des Haushalts 1966 zur Sprache gebracht. Wir haben damals hier eine Debatte gehabt, in der mit aller Leidenschaft von Herrn Windelen der Absicht, diese Erdölsubvention zu streichen, widersprochen worden ist.
({0})
Ich bitte, eine Frage zu stellen.
Ich habe mich sehr gefreut, daß die Regierung für das Jahr 1967 eine Kürzung in genau der Höhe, die wir vorgeschlagen haben, vorgesehen hat, und bin der Meinung, daß man jetzt auch diesen Vorschlag der SPD diskutieren kann.
Das war keine Frage, Herr Kollege.
Er hat nur die Interpunktion vergessen: „Ich frage Sie ..."
Herr Hermsdorf, ich habe Ihren Vorschlag so aufgefaßt, daß Sie alles streichen wollen. Das halte ich für gefährlich. Wenn Sie es nicht tun wollen, - gut, einverstanden. Mir kam es darauf an, darzutun, daß es gegen alle Vorschläge, von welcher Seite sie auch gemacht werden, einen Berg von Bedenken gibt und daß es nicht genügt, nur diese Bedenken hier vorzutragen. Man muß zum Schluß Farbe be3370
kennen und man muß nachher sagen, woher man den Groschen nimmt.
({0})
Nun zu den zehn Punkten! Eine schöne Übung: Jetzt wird hier in Punkten - „essentials" pflegten wir zu sagen ({1})
- „pflegten", Vergangenheit! - gearbeitet.
Der erste Punkt heißt: Mittelfristige Planung darf nicht länger verzögert werden, sie ist sofort vorzulegen usw. Herr Schiller hat vorhin auf den häufigen Wechsel der Schätzungen hingewiesen und hat damit die Gefährlichkeit dieses Unterfangens dargestellt. Ich bin weiterhin der Meinung, daß eine mittelfristige Planung auch bei der Unmöglichkeit, exakte Zahlen vorzulegen, versucht werden muß und daß in jedem Augenblick, wo neue Zahlen da sind, die Anpassung erfolgen muß. Aber in diesem Augenblick der Anpassung ist es nach meiner Meinung nicht erlaubt, die erfolgte Anpassung etwa als Fehlleistung von früher hinzustellen. Das geschieht leider zu häufig.
Wir haben im Stabilitätsgesetz nach meiner Meinung jetzt die richtigen Voraussetzungen, um zu einer mittelfristigen Finanzplanung zu kommen. Meine Herren, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, wie schwierig es gewesen ist, beim Bundesrat eine Addition der Landes- und Gemeindehaushalte zu erreichen. Herr Hermsdorf, das ging nur über zu Stillschweigen verpflichtete Vertrauenspersonen. Meine Damen und Herren, wenn das noch heute der Fall ist, dann kann Ihnen eben - ohne diese Unterlagen - eine mittelfristige Planung leider noch nicht vorgelegt werden. Ich hätte Ihnen etwas vorlegen können. Aber Herr Schiller, mit meinem Namen verbinde ich das so lange nicht, bis die Gemeinden und die Länder verpflichtet sind, mir die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
({2})
Alles andere geht sonst zu leicht in die Irre. Wir haben das Stabilitätsgesetz nicht vergessen; ich hoffe, daß wir das Material am Freitag übergeben können, um hier voranzukommen. Ich gehe auch mit Ihnen einig, daß diese mittelfristige Planung so schnell wie möglich aufgestellt werden muß.
Herr Professor Schiller möchte eine Frage stellen.
Aber Herr Kollege Schmücker, Herr Bundesfinanzminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das, was in der Anlage 5 von Ihnen gebracht wird, auch auf den Bund beschränkt noch nicht einmal der Ansatz einer mittelfristigen Finanzplanung ist?
Ich brauche das nicht zu wiederholen. Das habe ich Ihnen vorhin bestätigt. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen in der kurzen Zeit das Material zu geben, das ich Ihnen selber gern geben möchte. Sie können mit einer
mittelfristigen Planung, Herr Kollege Schiller, erst etwas anfangen, wenn Sie die Gesamtziffern von Bund, Ländern und Gemeinden haben, weil Sie sonst nur die Hälfte des öffentlichen Volumens haben. Wie wollen Sie eine Investitionspolitik, wie wollen Sie eine Konjunkturpolitik betreiben, wenn Sie diese Dinge außer acht lassen! Das geht doch einfach nicht.
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber wir müssen das Stabilisierungsgesetz haben, um dann korrekte Zahlen vorlegen zu können. Der Bund allein kann die Dinge auch nicht machen, Herr Schiller, sonst kommen wir zu Fehlschlüssen - wie bisher, möchte ich fast hinzufügen.
Zum zweiten. Sie haben einen Wirtschaftsbericht gefordert: einverstanden, Zu Punkt 3, 4 und 5: ebenfalls einverstanden.
Nun kommen Sie im Punkt 6 auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Ja, meine Damen und Herren, wenn es Ihnen recht ist, ziehen wir die Frage der Kuponsteuer vor. Aber ich glaube, Sie wollen zum Schluß eine Begründung abgeben. Ich wollte Ihnen meine Stellungnahme eigentlich erst zu diesem Zeitpunkt bekanntgeben. Darf ich aber doch schon so viel sagen: ich bestreite nicht, und ich habe nie bestritten, daß durch die Einführung der Kuponsteuer der Bund sozusagen in seine eigenen Konditionen Eingriffe machte. Das war eine höchst unschöne Sache. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß, wenn wir keine Kuponsteuer haben, das internationale Steuergefälle dahin führt, daß uns das fluktuierende Kapital bevorzugt. Es kommt und geht, wie es will, und wenn Sie sich einmal die Rückrechnung über Einkommensteuer und Doppelbesteuerung ansehen, stellen Sie fest, daß das mehr als zwei Drittel sind. Meine Damen und Herren, auch wenn wir aus konjunkturpolitischen Gründen diese Steuer nicht hätten haben wollen, aus Gerechtigkeitsgründen wäre ich für sie gewesen. Denn ich sehe nicht ein, daß sich jemand der Steuerpflicht dadurch entziehen kann, daß er, soweit mit Ländern kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, hier ohne Ertragsbesteuerung bleibt und den vollen Anteil erhält. Ich wundere mich ein wenig darüber, daß Sie so mir nichts, dir nichts in Ihrer Fraktion über diese Dinge hinwegkommen.
({0})
Das ist doch eine ganz erhebliche Frage der Steuergerechtigkeit.
({1})
Herr Professor Schiller hat eine Frage.
Aber Herr Schmücker, ist Ihnen nicht bekannt - um nur zwei andere Namen zu zitieren -, daß der Staatssekretär a. D. Müller-Armack und der Finanzminister a. D. Etzel der Meinung sind, daß die Kuponsteuer abzuschaffen ist, und daß Herr Müller-Armack das in einem größeren Gutachten dargelegt hat?
({0})
Herr Professor Schiller, ich habe vor Namen immer großen Respekt; aber Argumente waren sie für mich noch nie.
({0})
Ich möchte dann zur Lockerung der Restriktionspolitik der Deutschen Bundesbank etwas sagen. Meine Damen und Herren, Sie sollten doch wissen, daß schon etliche Maßnahmen getroffen und im Anlaufen sind. Ich glaube auch nicht, daß wir in der Beurteilung sehr weit auseinanderliegen. Aber es könnte geschehen, daß sich der heute nachlassende Kostendruck in dem Augenblick, in dem wir vorschnell lockern, wieder erhöhte. Dann würden wir um den gesamten Effekt gebracht werden. Ich glaube, es kommt sehr darauf an, den richtigen Tag auszumachen. Man soll auf den letzten Metern vorm Schuß nicht unsicher werden, Herr Kollege Schiller.
Was nun die Wiederherstellung eines sauberen politischen Klimas und des Vertrauens der Anleger und der Sparer angeht, meine Damen und Herren, so darf ich mich auf das beziehen, was ich soeben gesagt habe. Ganz wesentlich kommt es aber darauf an, daß wir das Stabilitätsgesetz beschließen und durchführen, sofort anwenden, meine Damen und Herren!
({1})
- Haben Sie einen Zweifel daran? Glauben Sie, das bloße Dasein des Gesetzes genügt schon, um alles zu regeln? Ich bin nicht der Meinung. Ich habe keinen Zweifel, daß beispielsweise Herr Schiller, wenn er den Auftrag bekäme, sofort handeln würde. Die Tatsachen würden ihn dazu zwingen.
Der siebte Punkt, meine Damen und Herren, ist eigentlich sehr bezeichnend. Sie sagen: Der Etatausgleich 1967 dürfe nicht zu Lasten der investiven Ausgaben erfolgen, die schon bisher im Bundeshaushalt zu kurz gekommen seien; die Bedeutung öffentlicher Investitionen solle angesichts der noch mangelhaften Infrastruktur und der ungenützten Kapazitäten nicht mehr unterschätzt werden. - Das ist sehr richtig, aber die zweite Hälfte fehlt; Sie müssen nämlich den Mut haben, sich auch mit den konsumtiven Ausgaben auseinanderzusetzen. Aber das verschweigen Sie jedesmal, da gehen Sie nicht heran. Sie singen das Loblied der Investitionen, aber das „Leidlied" der zu kürzenden Zuwachsraten der konsumtiven Ausgaben singen Sie nicht.
In Punkt 8 schlagen Sie die Trennung des Haushalts vor. Sie wissen, daß Sie sich hier in einer alten Liebe, so möchte ich fast sagen, mit mir begegnen. Aber ich sehe es etwas anders. Ich glaube, daß ein Stabilittätshaushalt allein nicht genügt. Man müßte - das ist eine rein technische Frage - eine Trennung nach dem investiven Teil und nach dem konsumtiven Teil vornehmen. Daß dabei die konjunkturpolitisch relevanten Teile besonders berücksichtigt werden müßten, ist selbstverständlich.
In Punkt 9 zitieren Sie praktisch meine eigene Rede; es ist eine Wiederholung, wenn auch vielleicht besser formuliert. Das trifft sich jedenfalls mit unseren Überlegungen. Das gleiche gilt für Punkt 10.
Herr Kollege Emde, ich darf nun ein paar Worte zu Ihren Ausführungen sagen. Sie haben sich noch einmal mit der Frage auseinandergesetzt, ob es erlaubt sei, einen Bundeshaushalt mehr auszuweiten, als es dem Zuwachs des Bruttosozialprodukts entspricht. Man sollte das nach Möglichkeit nicht tun. Man darf es vor allem dann nicht tun, wenn man die steuerliche Deckung nicht hat. Aber eine generelle Regel aufzustellen, man dürfe es überhaupt nicht tun, geht mir persönlich zu weit. Das kann man nämlich nie durchhalten. Das Wesentliche ist, daß die steuerliche Deckung in dem entsprechenden Ausmaß erfolgt und daß auch die Differenz zwischen nominalem und realem Zuwachs mit berücksichtigt wird, d. h. also, daß eine Überdeckung erfolgen muß, die entweder in eine sicherlich dringend benötigte, aber kaum bald aufzubauende Konjunkturausgleichsrücklage oder aber in solche Ausgaben zu stecken ist, die kontraktiver Art sind, wie wir das auch in unserem Vorschlag vorgesehen haben.
Meine Damen und Herren, ich darf nun zu der Rede unseres geschätzten Kollegen Schiller kommen. Herr Schiller, ich finde, die Übertreibungen bei Ihnen klingen immer so nett, daß man sie Ihnen gar nicht verübeln kann. Sie verstehen es, sie in so nette Sätze zu kleiden, und ich freue mich jedesmal mit Ihnen, wie prächtig Ihnen das gelingt. Ich bemühe mich auch hin und wieder, aber ich schaffe es nicht ganz.
({2})
- Sie haben einen guten Namen, aber ich bin nur an dem Tage geboren.
({3}) - Ich sagte es Ihnen gerade.
Nun zu den einzelnen Punkten. Sie haben gesagt: Wir stellen jetzt nur fest, Steuererhöhungen würden in dieser Konjunkturphase nicht in die Landschaft passen, sie würden nicht antizyklisch, sondern prozyklisch wirken, d. h. die derzeitigen Tendenzen zur wirtschaftlichen Stagnation verschärfen.
Herr Kollege Schiller, Sie haben in Ihrem Haushalt zusammen mit dem Stabilitätshaushalt 3,2 Milliarden DM Kapitalmarktmittel vorgesehen. Glauben Sie denn allen Ernstes, daß es möglich ist, das ohne Beeinflussung der Verhältnisse am Kapitalmarkt durchzuziehen? Wir wollen unsere Politik darauf ausrichten, alsbald wieder mehr Mittel zu bekommen. Wenn wir aber jetzt mit dieser unerhört großen Forderung an den Kapitalmarkt herangingen, müßte das einen Schock auslösen. Ich halte es für viel richtiger, zunächst einmal zu versuchen, die Dinge in konjunkturpolitisch weniger empfindlicher Weise, mit geringeren Auswirkungen zu regeln und dann nachher, wenn sich die Lage beruhigt, zu sehen, was zu tun ist. Von vornherein mit dieser Summe auf den Kapitalmarkt loszusteuern, das scheint mir zu hart zu sein.
({4})
- Herr Schiller, da ist mir aber etwas zuviel Vorläufigkeit in der mittelfristigen Planung!
Herr Hermsdorf möchte eine Frage stellen.
Bitte.
Herr Minister Schmücker, haben Sie übersehen, daß wir in dem sogenannten Kernhaushalt Kapitalmarktmittel von nur 0,6 Milliarden DM haben? Haben Sie weiter übersehen, daß der sogenannte Stabilisierungshaushalt erst im Laufe des Jahres anlaufen soll? Sie können also nicht sofort davon ausgehen, daß wir 3 Milliarden DM Kapitalmarktmittel vorgesehen hätten. Außerdem stimmt die Zahl im ganzen nicht.
Herr Hermsdorf, wir geben das Geld doch überhaupt nicht im Januar aus. Der Haushalt gilt doch für das ganze Jahr, und die Betrachtungen, die ich hier anstelle, gelten für das ganze Jahr. Bei mir können Sie unterstellen, daß ich so weit rechnen kann.
({0})
Aber meine Befürchtung ist in der Tat, Herr Hermsdorf, daß diese Anforderung zu groß ist. Sie können anderer Meinung sein. Wir werden darüber diskutieren. Ich habe gerade den Vorschlag gemacht, zur Entlastung des Kapitalmarkts eine maßvolle Verbrauchsteuererhöhung durchzuführen. Dem scheint mir Ihr Vorschlag entgegenzustellen.
Nun sprachen Sie davon, jetzt sei ein Kurswechsel notwendig. Herr Schiller, wir wollen nicht darüber streiten, ob dieses Wort vielleicht etwas zu stark ist. Ich finde, wenn man eine mittelfristige oder überhaupt bewußt eine Konjunkturpolitik betreibt, muß man natürlich wissen, was man in der jeweiligen Phase zu tun hat. Wenn man allerdings auf eine Belebungspolitik umschaltet, dann sollte man das nicht Kurswechsel nennen; denn aus diesem Wort soll doch hervorgehen, daß alles, was bis dahin geschehen war, falsch war. Das können Sie aber nicht andeuten wollen. Darum meine ich, das Wort Kurswechsel ist etwas zu stark.
({1})
- Nun, das ist doch kein Kurswechsel. Glauben Sie, das sei ein Kurswechsel, Herr Schiller? So weit sollte sich kein Politiker von seinen Grundsätzen entfernen, daß er jeweils in der Wahl eines anderen Mannes einen Kurswechsel sieht!
({2})
Herr Schiller, wir freuen uns alle, daß Sie hier sind. Aber einen Kurswechsel haben Sie für die SPD nicht mitgebracht.
({3})
Zu den schrittweisen Lockerungen der Restriktionen habe ich einiges gesagt.
Sie haben sich dann auf das Stabilitätsgesetz bezogen. Ich bin mit Ihnen der Meinung: Eile! Eile! Aber auch mit Vernunft! Wir werden Ihnen am Freitag die Unterlagen geben, und zwar so, Herr Schiller, wie es der Ausschuß gewünscht hat: als Referentenentwürfe ohne politische Einmischung des Ministers. Hoffentlich werfen Sie mir das nicht als mangelhafte Regierungskunst vor.
Meine Damen und Herren, bevor ich zu einer Darstellung komme, die ich gern Herrn Schiller entgegenhalten wollte, möchte ich noch rasch auf zwei Punkte zu sprechen kommen.
Herr Schiller, Sie haben gesagt, daß die Bundesbank die Politik der Bundesregierung zu unterstützen habe. Das ist richtig.
({4})
- Ja, natürlich. Ich möchte auch sagen, daß die Bundesbank das tut. Ich freue mich, daß die Bundesbank von ihren Mitteln Gebrauch gemacht hat, weil die Bundesregierung dies infolge einer in dieser Beziehung nach meiner Meinung unzulänglichen Verfassungslage nicht konnte, und uns unterstützt hat. Ich hoffe, daß wir, wenn wir das Stabilitätsgesetz haben, künftig nicht auf einem Rad zu bremsen brauchen, sondern daß wir Wahlmöglichkeiten haben.
Eigentlich bin ich nur in einem Punkt ernsthaft zornig geworden, Herr Schiller; aber ich hoffe, daß wir uns auch hier wieder sehr schnell verständigen. Sie haben nämlich gesagt, daß diese Restriktionsmaßnahmen zu einer Mißstimmung geführt hätten, und dann erwähnten Sie den Poujadismus. Herr Schiller, wenn Sie damit das Wahlergebnis in Hessen gemeint haben sollten, dann möchte ich dem entgegentreten. Es gibt eine landläufige Auffassung, daß Kleingewerbetreibende und Bürgerliche dazu neigen, so einen Unsinn zu machen. Dieser Unsinn ist leider ein Fehler aller Bevölkerungsschichten. Wir sollten nicht sagen, daß sich das nur einseitig bei bestimmten sozialen Gruppen auswirkt.
({5})
- Herr Schiller, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu Stellung nehmen würden.
Bitte, Herr Professor Schiller!
Ist Ihnen bekannt, daß ich gemeint habe: ein „Element", ein „Teilbetrag"?
Herr Schiller, ich möchte Ihnen sagen, daß wir in den letzten Jahren gerade im gewerblichen Mittelstand so viel politische Solidität gehabt haben, daß der Poujadismus nicht einmal in den schwierigen Jahren, als er in Frankreich durchbrach, als hier in Deutschland die Werber herumliefen und Mittelstandsparteien und ähnlichen Unsinn machen wollten und als sich die Verbände ihm geschlossen entgegenBundesminister Schmücker
gestellt hatten, in Deutschland nicht die Bohne der Chance hatte; das wollte ich nur feststellen.
Herr Schmitt-Vockenhausen möchte eine Frage stellen.
Herr Minister Schmücker, wären Sie bereit, sich einmal bei Herrn Minister Lücke Unterlagen über die Struktur der NPD zu besorgen, damit Sie sich unterrichten können, wie sich leider bei um ihre Existenz besorgten Kreisen eine besondere Bereitschaft zum Beitritt gezeigt hat?
Herr Schmitt-Vockenhausen, ich bedauere außerordentlich, daß Sie mit dieser Frage andeuten wollten, daß in der Tat in diesen Kreisen eine besondere Anfälligkeit für derartige Dinge vorhanden ist. Ich kenne diese Märchen auch aus früheren Zeiten. Ich wehre mich dagegen, daß man diese Behauptung einfach generell aufstellt.
({0})
- Nein, das sind nicht die Fakten.
({1})
Ich wehre mich dagegen, daß man diese soziale Schicht als politisch besonders anfällig bezeichnet. Das ist sie nicht.
({2})
- Aber Herr Schmitt-Vockenhausen hat das soeben angedeutet. Herr Schiller, mit Ihnen bin ich einig. - Bitte!
Herr Kollege Schmücker, ich möchte das also auch bei Ihnen wieder auf das rechte Gleis bringen. Es geht hier gar nicht um Vorwürfe, sondern es geht einfach um eine Analyse. Müssen Sie nicht zugeben, daß in einer Zeit zweijähriger Restriktionen die Großen leichter als die Kleinen über die Runden kommen und die Kleinen damit in einer Welt der großen Einheiten unsicher werden? Darum geht es doch.
Ich weiß das, und ich gebe Ihnen die Antwort darauf. Es gibt keinen Bereich, der einen so großen Strukturwandel hinter sich hat - auch nicht die Landwirtschaft - wie z. B. das Handwerk, und es gibt keinen Bereich, der diesen Strukturwandel mit so geringer Staatsunterstützung so meisterhaft bestal-tet hat, wie das Handwerk.
({0})
Meine Damen und Herren, wenn Sie das alles in Rechnung stellen, dann werden Sie verstehen, daß ich als jemand, der aus diesen Kreisen kommt, mich dagegen wehre, wenn hier von Poujadismus - und sei es auch nur in gutgemeinten Andeutungen - die Rede ist. Wir haben den Poujadismus in Deutschland verhindert und werden das auch weiterhin tun; er hat in Deutschland keinen Nährboden.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte nun zum Schluß kommen; allerdings wird dieser Schluß etwas länger. Herr Schiller, ich will gern mit Ihnen darüber noch sprechen; es soll keine Streitfrage sein, aber es muß klar sein, daß wir hier nicht eine besondere Gruppe angreifen.
Herr Schmitt-Vockenhausen möchte noch eine Frage stellen.
Herr Minister, ich hoffe, aus Ihren letzten Bemerkungen entnehmen zu können, daß Sie gesehen haben, in welche Richtung die Analyse geht, daß es gar nicht im allgemeinen um das Handwerk, um die mittelständischen Betriebe, sondern um ganz bestimmte besorgte Menschen geht, die sich von dem Geschrei dieser Leute angezogen gefühlt haben.
Ich möchte nur sagen: das hat mit Poujadismus nichts zu tun.
({0})
- Aber das ist das Wort, auf das ich zu sprechen gekommen bin. Ich kann mich nur mit dem auseinandersetzen, was hier gesagt worden ist, nicht mit dem was gedacht wird.
Herr Schiller, Sie sind anerkanntermaßen ein Anhänger der rationalen Wirtschaftspolitik. Das heißt doch, daß wir uns bemühen sollten, vernunftgemäß zu handeln. Das heißt weiter - Sie haben das sehr hart ausgedrückt -, daß man nicht nur die Wahrheit sagen, sondern die Wahrheit auch immer sagen muß. Wir machen die Einschränkung: internationale Verhandlungen; es gibt auch andere Situationen, in denen man Zurückhaltung üben muß. Aber das ist das Schlimmste, was den Politikern vorgeworfen werden kann, daß sie um die Dinge herum reden. Das darf nicht passieren, und ich tue das auch nicht, und ich habe das nicht getan.
Nur gehört zur rationalen Wirtschaftspolitik nicht nur, daß man die Wahrheit sagt, sondern daß man die Bevölkerung darauf vorbereitet, daß sie die Wahrheit hören kann, hören will und auch ertragen und vertragen kann, daß sie nicht, wenn sie mit peinlichen Wahrheiten konfrontiert wird, in Gefühle - sprich: Demonstrationen - ausweicht, sondern daß sie sich mit Verstand um die Dinge kümmert und nach Auswegen sucht.
Warum sage ich das? Weil ich wirklich eine ernsthafte Klage hier vor diesem Hause - nicht an dieses Haus - aussprechen möchte. Ich meine, daß die deutsche Bevölkerung zu wenig auf diese Wahrheiten vorbereitet wird. Nehmen Sie den Fall Ruhrgebiet. Ich möchte gern, daß man offen darüber spricht, was Mobilität der Arbeitskräfte bedeutet und was sie in harten Einzelschicksalen ausmacht,
damit verhindert wird, daß die Menschen sich zu Demonstrationen zusammenrotten und wir dann politische Entscheidungen fällen müssen, die in der Sache falsch sind.
({1})
Das heißt, daß wir sehr viel tun müssen, um all denen entgegenzutreten, die mit halben Wahrheiten durch das Land gehen. Wir müssen uns große Mühe geben, die Menschen von den Gefühlen - nun, wir können sie ihnen nicht nehmen - immerhin so weit wegzubringen, daß sie die Wahrheit ertragen können. Dazu gehört, daß man eine Art, die Wahrheit zu sagen, hat, die eben auch die Vernunft zuläßt.
({2})
- Darf ich den Gedanken zu Ende führen. - Man kann viele wahre Tatsachen aneinanderreihen, aber sie dann so beleuchten, daß sie sich doch verfärben. Man kann sogar - wie Kollege Schmidt ({3}) einmal gesagt hat - durch eine geschickte Aneinanderreihung von Tatsachen mit der Wahrheit die Unwahrheit sagen. Ich möchte Sie bitten, daß wir die Wahrheit nicht in Samt und Seide verpacken, sie nicht kosmetisch verputzen, sondern daß wir sie offen aussprechen, bei Tageslicht betrachten, ohne Nebenabsicht äußern, aber unsere Menschen bitten, die Wahrheit nun auch mit Vernunft zu akzeptieren und nicht sofort auszuweichen in Gefühle oder in unvernünftige Reaktionen. Diese Bitte, daß dies mehr getan wird, habe ich an alle, auch an alle Verbände.
Herr Schiller, einige Passagen Ihrer Rede, z. B. als Sie die verschiedenen Verschätzungen miteinander verglichen, klangen so, als handele es sich hier um alte Fehler. Nun, wer schätzt, der macht Fehler. Sie haben das zum Schluß mit einem glänzenden Abschluß alles wieder vom Tisch gewischt. Aber wer Sie nur bis dahin gehört hatte, mußte diesen Eindruck haben. Ich möchte Sie nur bitten, in Ihren künftigen Reden nach Möglichkeit etwas mehr das Bemühen einzuflechten, jeweils die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen, ohne ins Gefühlsmäßige auszuweichen.
Gestatten. Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen?
Bitte!
Herr Minister, Sie haben heute gute Grundsätze entwickelt. Darf ich fragen, ob Sie beispielsweise die Ausführungen von Herrn Bundeskanzler Erhard im letzten Wahljahr, daß die Kohlenförderung bei 140. Millionen t bleiben werde, auch in diese Kategorie von Versprechen, die Sie gegeißelt haben, einreihen würden.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich könnte Ihnen jetzt mit dem französischen Sprichwort antworten, daß es sich nicht gehört, Politiker an alte Versprechen zu erinnern - ich erinnere Sie ja auch nicht an Ihre alten Versprechungen -; aber ich tue das nicht.
({0})
Es gab einen Zeitpunkt, da konnte man in der Tat überlegen - ich habe nicht zu den Anhängern dieser These gehört -, ob es nicht richtig sein könnte, eine Garantiesumme für diesen Bereich zu geben. Es gibt auch heute noch Leute, die diesen Standpunkt vertreten. Das hat sich als falsch erwiesen. Und jetzt kommt der Witz der Geschichte: Wer etwas sagt, von dem er fest überzeugt ist, sagt in dem Augenblick, wo er es ausspricht, die Wahrheit. Wenn sich das nachher als unmöglich herausstellt, können Sie doch nicht sagen, er habe früher die Unwahrheit gesagt.
({1})
Das ist ein typischer Beweis für das, was ich meine: daß man nicht aus einem späteren Wissen - wenn man vom Rathaus kommt, ist man klüger, als wenn man hineingeht - eine frühere Aussage beurteilen darf. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Zwischenfrage.
({2})
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zum Schluß eine kurze Darstellung der Situation geben, wie ich sie sehe.
Erstens. Das Wachstum läßt nach; das ist richtig. Die Inlandsumsätze der Investitionsgüterindustrien sind im dritten Quartal knapp auf Vorjahresniveau. Die Auftragseingänge sind rückläufig, minus 7 0%, ebenso die Auftragsbestände. Mit dem Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen ist auch in den nächsten Monaten zu rechnen.
Zweitens, Bauinvestitionen. Die Bauproduktion lag im dritten Vierteljahr um 2,8 % unter dem Vorjahr. Eine anhaltende Dämpfung scheint sicher zu sein, da die Zahl der Baugenehmigungen sinkt, die Finanzmittel knapp und teuer sind. Die Kreditzusagen für den Wohnungsbau sind abnehmend, Januar/August gegenüber dem Vorjahr um etwa 3,6 %.
Auch die Kreditexpansion - das ist das dritte - ist insgesamt nachlassend. Die Nachfrage wird durch den hohen Zins gebremst.
Der private Verbrauch - viertens - schwächt sich ab, da sich die Einkommensexpansion verlangsamt. Die Umsätze des Einzelhandels im dritten Quartal liegen nur noch 4,6 % über dem Vorjahresniveau.
Fünftens. Das Lohneinkommen steigt langsamer, bedingt hauptsächlich durch schwächeren Beschäftigungsanstieg, abnehmende Arbeitszeit, weniger Überstunden und ruhigere Tarifentwicklung. Das Tariflohnniveau lag im dritten Quartal um 6,6 % über dem Vorjahr nach plus 7,4 % im zweiten Quartal.
Sechstens. Die Beschäftigung in Industrie und Baugewerbe ist rückläufig. Der Arbeitsmarkt ist entspannt. Das Stellenangebot ist rasch abnehmend.
Ende Oktober gab es 223 000 offene Stellen weniger - aber immerhin noch offene Stellen - als im Oktober 1965. Die Arbeitslosenzahl ist tendenziell steigend. Sie lag im Oktober 1966 um 53 000 höher als im Oktober 1965.
Siebtens. Die Produktion wird durch ein Nachlassen des Auftragseingangs gebremst. Der Auftragseingang wuchs im dritten Vierteljahr nur noch wenig an - um 0,7 % - und war zuletzt sogar rückläufig, und zwar um 1,8 % gegenüber September 1965. Als stützender Faktor ist allein die Auslandsnachfrage zu melden. Die Aufträge des Auslands - nicht nur der Export - sind kräftig steigend, im dritten Vierteljahr um 10,8 %. Die Ausfuhrumsätze expandieren beschleunigt, im dritten Vierteljahr um 15,3 %, im zweiten Vierteljahr um 12,8 %, im ersten Vierteljahr um 9,1 %. Der Aktivsaldo der Handelsbilanz ist stark zunehmend, da der Einfuhrsog nachgelassen hat.
Nun die Beurteilung. Die Preissituation kann nach nunmehr dreimonatiger Stabilität als einstweilen beruhigt gelten. Die Konsolidierung ist auch am Arbeitsmarkt im Gange. Die generelle Abkühlung ist wegen ihres Effekts hinsichtlich größerer Rationalität im Einsatz von Arbeitskraftreserven und Kapital willkommen. Die Stabilität - da stimme ich Ihnen voll und ganz zu - darf nicht mit Stagnation, schon gar nicht mit einer Krise erkauft werden. - In den letzten Tagen ist ein Zeitungsartikel erschienen, Herr Schiller, von dem man sagen kann, daß er aus einem sechs Wochen alten Stehsatz kam; es stimmte nicht, was in einer Zeitung vor einigen Tagen gemeldet worden ist.
Darum erfordert die Lage größte Aufmerksamkeit, damit ein etwaiges Abgleiten der Konjunktur frühzeitig erkannt wird. In einem solchen Falle muß zweifellos über das, was jetzt getan wird, hinaus sofort gehandelt werden. Wir sind absolut sicher, daß die Lage in jedem Fall beherrscht und unter Kontrolle gehalten werden kann.
Der richtige Zeitpunkt für eine etwaige Lockerung der Kreditpolitik und für eine Änderung der allgemeinen wirtschaftspolitischen Linie wird von der Bundesregierung - „wird", im Präsens - und der Bundesbank besprochen. Er sollte nicht unter den Druck von Reportagen gestellt werden, sehr wohl aber unter den Druck von fachlich seriösen Darstellungen, die allesamt von uns auch berücksichtigt werden.
({3})
Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Denn es müssen nicht nur im Kostendruck die hohen Zinsen, sondern auch andere Kostensteigerungen verschwinden, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Ich werde darum meine Besprechungen, die in den letzten Tagen durch die parlamentarische Situation - das ist höflich ausgedrückt, nicht wahr? - unterbrochen worden sind, in den nächsten Tagen oder sofort weiterführen. Ich bitte Sie herzlich, jeder Panikmache entgegenzutreten, so wie das auch getan worden ist.
Ich wiederhole: Wir sind absolut sicher, daß die Lage in jedem Fall beherrscht und unter Kontrolle gehalten werden kann. Das nenne ich rationelle Wirtschaftspolitik.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Darf ich vorab - bewußt vorab! - zu einer Äußerung des Herrn Bundesfinanzministers Schmücker Stellung nehmen, die an die Adresse meines Fraktionskollegen Dr. Emde gerichtet war und die Frage betraf, ob der Bundeshaushalt über die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts hinaus steigen dürfe oder nicht. Herr Bundesfinanzminister, ich erlaube mir - wenn der Herr Präsident es gestattet -, einen Satz aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Januar 1964 vorzulesen, in der er gesagt hat: „Ich bin also von seiten der Regierung nicht bereit, über die mit real 4,5 % angenommene Zuwachsrate hinauszugehen."
({0}) - Man kann natürlich sagen: „Damals."
({1})
- Herr Kollege, ich bin bisher mit meinen Unterstellungen nicht so weit gegangen, daß ich dem Bundeskanzler die Fähigkeit abgesprochen habe, seine Regierungserklärung selber zu machen und zu überprüfen.
({2})
Wenn Sie ihm das nach Ihrer heutigen Sitzung unterstellen wollen, ist das Ihre Angelegenheit.
Herr Bundesfinanzminister, ich glaube, Sie werden es wohl hinnehmen müssen, daß mein Kollege Dr. Emde zum Bundeshaushalt 1967 und angesichts der konjunkturellen Lage des Herbstes 1966 gesprochen hat; und für diese Situation ist der Satz ebenso richtig wie die damalige Äußerung des Herrn Bundeskanzlers Professor Erhard.
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt ist letztlich nichts anderes als die zahlenmäßige Addition der Politik einer Regierung. Deshalb ist es guter Brauch, daß in der Haushaltsdebatte auch über politische Fragen, die mit dem Haushalt in engem Zusammenhang stehen, gesprochen wird. Um die Bedeutung des Haushalts zu erkennen, genügt allein der Hinweis darauf, daß wir heute vom Bruttosozialprodukt 24,5 % für die öffentliche Hand in Anspruch nehmen und damit, wenn Sie so wollen, umverteilen. Wenn man die steuergleichen Abgaben, die auf Gesetz beruhen, hinzurechnet, sind es gar 33 %, d. h. ein Drittel. Das bedeutet aber, daß ein Haushalt im Umfang und in der Struktur einen erheblichen Einfluß auf die wirtschaftliche Lage und die zukünftige wirtschaftspolitische Entwicklung hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat, wohl in seiner Eigenschaft als Bundeswirtschaftsminister, soeben eine Menge von Zahlen genannt, die ich nicht
im einzelnen wiederholen möchte. Einige Daten genügen: Gesamtwachstum 4 % im Branchenschnitt, Investitionsgüter 2,8 %, Verbrauchsgüter 8,5 %. Das ist die derzeitige Lage. Sie wirkt sich - ich sehe davon ab, weitere Zahlen zu nennen - strukturell so aus: besondere Probleme bei Kohle und Stahl; erstmalig Normalisierungsprozeß - so möchte ich es bezeichnen - in der Bauwirtschaft mit einer teilweisen strukturellen Marktsättigung, zum Teil beruhend auf überdimensionierten Kapazitäten; Einengung der Gewinnspannen durch anhaltenden Kostenauftrieb; und schließlich: eine stetige Verlangsamung der Wachstumsrate.
Das im Augenblick - und ich glaube, das genügt - zur wirtschaftspolitischen Lage.
Einhergeht mit dieser Situation eine Veränderung der Regionalstrukturen, die wir auf der einen Seite wegen der Nivellierungstendenzen zwischen den einzelnen Bundesländern begrüßen können, die auf der anderen Seite aber auch eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, insbesondere soweit sie das Rhein-Ruhr-Gebiet mit den dortigen Problemen, basierend auf der konjunkturellen Lage bei Kohle und Stahl, betreffen.
Das Ziel der Politik - hier könnte ich die ganze Regierungserklärung vom Herbst 1965 zitieren - ist: Stabilität und Wachstum.
Ich glaube, wir sollten uns - da darf eigentlich gar keine Divergenz zwischen ,den einzelnen Seiten des Hauses bestehen - darüber im klaren sein, daß ein Erfolgskriterium in bezug auf diese Politik in der Feststellung besteht, wie groß die Differenz zwischen den Raten des Produktivitätsfortschritts und des Geldwertschwunds ist. Das heißt, ein Fortschritt ist auch dann zu verzeichnen, wenn die gesamtwirtschaftliche Produktion steigt oder wenn die Rate der Preissteigerungen bei gleichbleibender gesamtwirtschaftlicher Produktivität geringer wird. Diese beiden Kriterien sollten wir uns immer vor Augen halten, auch bei dem Haushalt.
Wir müssen uns fragen, ob der Bundeshaushaltsentwurf so, wie er uns jetzt vorliegt, zusammen mit dem Ergänzungshaushalt, diesem Ziel: Stabilität und Wachstum - deren Erfolgskriterien ich aufgezeigt habe - gerecht wird.
Da erhebt sich zunächst die Frage der Höhe dieses Haushalts. Hierzu möchte ich mich nicht mehr äußern; mein Kollege Emde hat dazu eingehende Ausführungen gemacht. Ich möchte aber, Herr Bundesfinanzminister, einige Worte zur Ausgabenstruktur sagen. Was mich an diesem Haushalt stört, ist die Tatsache, daß die unproduktiven Ausgaben, seien es die Verteidigungsausgaben, seien es Subventionen, die nicht der Produktivitätssteigerung dienen, seien es die Ausgaben für den sozialen Konsum - ich wage, das hier auszusprechen, da Sie soeben glaubten, daß andere es nicht wagten -, ein Ausmaß erreicht haben, das in keinem gesunden Verhältnis mehr zu den produktiven Aufwendungen dieses Haushalts steht, und zwar auch zu den Ausgaben des Haushalts, die der Infrastruktur dienen, beispielsweise dem Straßenbau. Wir müßten davon ausgehen, daß der Haushaltsausschuß und
später dieses Parlament die Aufgabe hat, den Haushalt in der Form zu verbessern, daß ein besseres Verhältnis gefunden wird zwischen den investiven und damit auf die Zukunft unseres Volkes gerichteten Ausgaben und denen, die wir heute verfrühstücken, obwohl wir sie in den siebziger Jahren eigentlich brauchten; lassen Sie es mich einmal so trivial aussprechen.
({3})
Herr Bundesfinanzminister, die Frage, ob man diesem Ziel durch Steuererhöhungen dienen kann, ist natürlich eine kritische Frage, vor allen Dingen wenn ich die Steuererhöhungen verschiedener Art darauf untersuche.
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es eine Möglichkeit wäre, Verbrauchsteuern zu erhöhen, um der Stabilität zu dienen. Ich bin aber entgegen Ihrer Auffassung der Meinung, daß die Methode, Verbrauchsteuern zu erhöhen und sie anschließend sofort wieder in den sozialen Konsum umzupumpen, nicht diesem Ziel dient. Der neue Haushalt tut das aber sehr wohl; denn wie ich im Bulletin lese, sind von 5,9 Milliarden DM Steigerungsrate allein 5,4 Milliarden DM keine produktiven Ausgaben. Wie man in diesem Augenblick noch von einer „sozialen Demontage" reden kann, ist mir nachgerade unverständlich. Denn wenn ich Verbrauchsteuern erhöhe, treffe ich doch primär die einkommensschwächeren Kreise. Der Arbeitgeber, der Generaldirektor ist kaum in der Lage, entsprechend seinem Einkommen mehr zu rauchen oder mehr zu trinken als der Arbeitnehmer. Sie nehmen es also genau den Kreisen weg, denen Sie zu helfen vorgeben.
({4})
Es als eine soziale Demontage zu bezeichnen, wenn man das verhindern will, scheint mir geradezu - ich möchte nicht einen bestimmten Kollegen des Hauses ansprechen, er hat ja heute schon so viel mitmachen müssen - eine Floskel zu sein.
Lassen Sie mich ein Wort zur konjunkturellen Wirkung dieser Steuern sagen. Die Verbrauchsteuern, erhöht und gezielt in den produktiven, investiven Teil des Haushalts hineingestellt, könnten der abflachenden Investitionsgüterkonjunktur sehr wohl zugute kommen und damit für die siebziger Jahre richtig sein.
({5})
Da sie aber anders verteilt werden, entspricht hier die Einnahmestruktur nicht den Erfordernissen der Ausgabestruktur, und deswegen sind sie abzulehnen.
Ich habe aber noch viel größere Bedenken. Denn es ist ja nicht nur von den Verbrauchsteuern geredet worden. In der Besprechung am 24. Oktober im Bundeskanzleramt hat niemand anders als der Herr Bundeskanzler
({6})
die Ergänzungsabgabe zur Lohn-, Einkommen- und
Körperschaftsteuer in die Debatte eingeführt. Herr
Kollege, die Frage, ob n u r er oder sogar er,
ist wieder ein Problem Ihrer Fraktion. Für mich bestimmt er bis zur Stunde die Richtlinien der Politik.
({7})
- Ich sage Ihnen nur, daß er es in den Verhandlungen am 24. Oktober als eine notwendige Maßnahme angeführt hat. Das darf man doch wohl noch ausführen, wenn das offen erklärt worden ist. Diese Ergänzungsabgabe, die nichts anderes ist als eine Erhöhung der Lohn- und Einkommensteuer, ist in unserer konjunkturellen Lage tödlich; sie ist deswegen tödlich, weil sie genau den Spielraum einengt, den die Wirtschaft zur Gestaltung der Zukunftsaufgaben braucht.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Perspektiven sagen. Ich bin mit Herrn Professor Schiller und Herrn Finanzminister Schmücker der Meinung, daß wir eine längerfristige Anpassungs- und Konsolidierungsphase brauchen werden, um diese Probleme zu lösen, schon allein deshalb, weil ein Teil des Haushalts durch Gesetz gebunden ist und die Gesetze eben nicht sofort, sondern nur sukzessiv geändert werden können.
Ich bin ebenfalls der Meinung, daß wir uns in Zukunft daran gewöhnen müssen, trotz geringerer Wachstumsraten eine stabile Politik zu treiben, was manchem in diesem Hause etwas schwerfällt, weil er ganz andere politische Vorstellungen hat.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zur Lohnpolitik sagen. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich so leicht tun und der einen Seite, den Arbeitnehmern oder den Gewerkschaften, oder der anderen Seite, den Arbeitgebern, den Vorwurf machen, sie seien schuld an einer zu starken Lohnexpansion. Meine Damen und Herren, schuld an dem Bewegungsspielraum, in dem sich bei voller Tariffreiheit die Tarifpartner bewegen, ist niemand anders als der Staat; denn er setzt die Grenzen, in denen die Bewegung möglich ist. Wir haben doch eins klar gespürt: sobald wenigstens die Bundesbank als einzige eine konsequente Stabilitätspolitik, vielleicht ein wenig überzeichnet, aber notwendig, eingeschlagen hatte, zeichneten sich schon Tendenzen bei beiden Partnern ab, auf eine sehr vernünftige Linie zurückzugehen. Lassen Sie mich hier einen Satz sagen von dem ich abzugehen nicht bereit bin. Der Staat hat die Aufgabe, bei voller Wahrung der Tariffreiheit ohne Zwang durch eine vorbildliche Staatspolitik alle anderen zu zwingen, es ihm gleichzutun.
({8})
Ein Beitrag dazu kann auf dem gesetzgeberischen Wege das Stabilitätsgesetz sein, dessen Schönheitsfehler darin besteht, daß die außenwirtschaftlichen Einwirkungen nicht hinreichend abgesichert sind.
({9})
Lassen Sie mich eine weitere Frage aufwerfen. Wichtig für die Zukunft unserer Wirtschaft, für die Finanzkraft unseres Staates und damit für die Frage, ob wir weiterhin in einem sozialen Rechtsstaat leben wollen, ist auch die psychologische Situation
der Unternehmerschaft, von der die Bereitschaft zum wirtschaftlichen Risiko abhängt. Diese psychologische Situation vermögen wir nicht mit Gesetzen herbeizuführen, auch nicht mit einem Stabilitätsgesetz, sogar dann nicht, wenn wir es voll anwenden. Für die psychologische Situation unserer Unternehmer und damit für die Gestaltung der Zukunft unseres Volkes ist ganz entscheidend, ob die deutsche Unternehmerschaft das Gefühl haben kann: sie hat in Bonn eine Regierung, die von einer Mehrheit des Hauses getragen wird und bereit ist, zu handeln, transparent zu machen und wieder zu handeln.
Die beste Voraussetzung für ein gesundes wirtschaftliches Wachstum wäre neben einem in seiner Struktur veränderten, in seinem Volumen reduzierten Haushalt eine souverän navigierende Regierung statt kurzfristig lavierender Politiker.
({10})
Der Herr Abgeordnete Bauknecht zieht seine Wortmeldung zurück und gibt seine Ausführungen zu Protokoll. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Haushaltsgesetz 1967 an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer soll an den Finanzauschuß - federführend - sowie an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Beim Finanzplanungsgesetz schlägt der Altestenrat Überweisung an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Finanzausschuß vor. Schließlich wird vorgeschlagen, das Steueränderungsgesetz 1966 - Punkt 6 a - sowie das Ergänzungsgesetz zum Steueränderungsgesetz 1966 - Punkt 6 b - an den Finanzausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Die Überweisungen sind beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes
- Drucksache V/1011 Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufhebung der Kuponsteuer, die wir beantragen, ist eine wichtige Vorbedingung für die Sanierung des Kapitalmarktes, und die Sanierung des Kapitalmarktes ist ein wichtiges Glied in den Operationen, die zur Sanierung unserer Finanzen und zur Heilung unserer Finanzmisere notwendig sind. Deswegen gehört dieser Punkt in den Gesamtzusammenhang dieses Tages.
Obwohl dieser Punkt so wichtig ist, glaube ich doch in der Lage zu sein, mich bei seiner Begründung kurz fassen zu können. Außerdem gibt es für diese Aufhebung so viele wichtige Gründe, daß man sie gar nicht alle aufzählen könnte. Auf Grund von Äußerungen in diesem Hause, auch von Beratern dieses Hauses aus der Wirtschaft - einschließlich des Herrn Vorsitzenden der CSU und noch stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU - ist zu erwarten, daß wir eine sichere Mehrheit für diesen Antrag im Hause finden werden.
Ich werde mich also jetzt nicht weiter darüber verbreiten, warum bereits die Einführung dieser Steuer seinerzeit ein Fehler war. Sie haben die Steuer ohne unsere Zustimmung und trotz unserer Warnung beschlossen. Ich gebe Ihnen zu, daß Sie den Beschluß seinerzeit mit Zweifeln, eigentlich mit schlechtem Gewissen und weniger aus Überzeugung als aus Eigensinn gefaßt haben. Ich erinnere daran, daß der Herr Kollege Luda die Kuponsteuer sehr vorsichtig als ein „notwendiges Übel" bezeichnet hat. Er hat damals als Begründung einen angeblich dringenden konjunkturpolitischen Anlaß angeführt und auch die Möglichkeit des Eintretens einer Zinserhöhung nicht geleugnet. Er wollte sie in Kauf nehmen. Er hat damals auch systematische Gründe angeführt, die für diese Steuer sprächen. Deswegen möchte ich, bevor ich auf die heutige Lage eingehe, die sicherlich für die Aufhebung der Kuponsteuer spricht, einige Worte zu diesen systematischen Gründen sagen; denn wenn diese tatsächlich bestünden, müßte man sie ja heute noch berücksichtigen.
Damals hat Herr Kollege Luda gesagt, es handle sich um ein System, das in der EWG überwiegend bestehe - was nebenbei gesagt objektiv falsch ist -, es handle sich um ein System, das wir sowieso einführen müßten. Nun, meine Damen und Herren, die Einführung einer solchen Quellensteuer als Prinzip des internationalen Verkehrs ist eine durchaus diskutable Angelegenheit. Die Auffassung, daß jemand, der von auswärts Kapital in ein Land wie unseres gibt, so wohltätig handle, daß man nicht daran denken könne, ihm hier Zinsen dafür abzunehmen, ist zweifellos überholt. Das Prinzip der Quellensteuer auch bei Zinsen ist sicherlich das modernere Prinzip. Wenn deshalb solche Änderungen angestrebt werden, so kann man das durchaus nicht nur erwägen, sondern auch unterstützen. Aber, meine Damen und Herren, für unsere Lage hier sind unsere Doppelbesteuerungsabkommen und nicht irgendwelche Wünsche maßgebend.
Was die Maßnahme betrifft, die hier getroffen worden ist, so komme ich in einer Parenthese auf das zurück, was Herr Wirtschaftsminister Schmücker gesagt hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Ansicht, es widerstrebe der Gerechtigkeit, daß der Inländer für diese Zinseinkünfte Steuern zahle, der Ausländer aber nicht, jedenfalls bei uns nicht, und daß wir nicht kontrollieren könnten, ob er im Ausland Steuern zahle. Das ist aber nun genau das Prinzip, das wir in unseren maßgebenden Doppelbesteuerungsabkommen unterschrieben haben, Herr Minister. Deswegen müßten wir, wenn wir eine Änderung - sie wäre, wie gesagt, erwägenswert - eintreten lassen wollten, erst an die Änderung unserer Abkommen herangehen und dürften mit solchen Maßnahmen beginnen, die erstens einmal von vornherein einen fiskalischen Mißerfolg zur Folge haben und zweitens - darauf kommt es an - eine Mißachtung der Abkommen bedeuten. Wie andere Leute ihre Einwohner besteuern oder welche Arten von Steuerflucht oder Steuerfreiheit sie zulassen, das ist nun eine Angelegenheit, in die wir uns nicht gerade als Weltpolizisten einmischen können. Dazu sind wir einfach nicht imstande.
Das Verfahren, das hier angewandt worden ist, unterliegt sicherlich keinen juristischen Einwänden - daran kann auch ein tüchtiger Anwalt, von denen wir ja einige im Hause haben, kaum etwas ändern -, schon gar keinen verfassungsrechtlichen Einwänden. Wenn wir dieser Überzeugung wären, dann wäre unsere Reaktion von Anfang an ganz anders gewesen. Aber daß hier einseitig eine Steuer erhoben wird, die im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen in einem weitgehend zur Förmlichkeit gewordenen, aber doch lästigen Verfahren zurückerstattet werden muß, hat auf jeden Fall verärgert. Deswegen ist ja auch fiskalisch praktisch kein Ertrag angefallen, und meine Frage nach dem wirklichen fiskalischen Ergebnis kann ja nachher beantwortet werden.
Daß eine so kurzsichtige Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit des eigenen Kapitalmarktes und der Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Finanzen stattfand, mußte international Mißfallen erwecken. Letzten Endes konnte - und das ist ja das Maßgebende - der Auslandsanleger erwarten, daß Werte, die er in einem Rentenpapier und vor allen Dingen in einem staatlichen Papier dort anlegt, nicht durch staatliche und durch Steuermaßnahmen entwertet werden. Man ist darüber enttäuscht, daß man entweder nicht die Mittel oder auch nicht den Willen hat, dem notwendig eintretenden Kursverfall entgegenzutreten. Der Durchschnittskurs der sechsprozentigen Staatsanleihe war im März 1964, als dieses Gesetz angekündigt wurde, 100,8 %. Schon im nächsten Monat, im April, ist er auf 99,4 % gefallen, was man - eine Senkung um mehr als einen Punkt - damals als eine katastrophale Entwicklung bei Staatspapieren angesehen hat. Und jetzt stehen diese Papiere, die gold-edged, goldgerändert, sein sollten, im August 1966 auf 86 %. Meine Damen und Herren, das ist einfach eine Schande. Das ist untragbar für einen Staat von dem internationalen Renommee, das wir beanspruchen. Das hat natürlich eine ganz katastrophale Auswirkung gehabt.
Dabei ist die Auslandsverschuldung, wenn das irgendwie gemeint gewesen sein sollte, keineswegs wirklich zurückgegangen. Selbstverständlich sind andere Wege gefunden worden - das ist aus den Zahlen der Bundesbank zu erkennen, wenn auch aus der Saldozahl nichts ganz Genaues festgestellt werden kann -, andere Wege, gefährlichere Wege, Wege kurzfristiger Art und teuerere Wege. Der wirkliche Kreditbedarf, soweit er aus dem Ausland befriedigt werden sollte, ist natürlich weiter aus
dem Ausland befriedigt worden. Allerdings ist das eine Möglichkeit, die sich nur die private Wirtschaft, nicht aber die öffentliche Wirtschaft, nicht die Gemeinden bisher zunutze machen konnten. Die deutschen Firmen sind Gott sei Dank weiter kreditwürdig, jedenfalls da, wo sich die deutsche Regierung nicht in die Konditionen einmischen kann. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Finanzierung solcher Anleihen zum Teil auch durch deutsche Geldgeber, sogar zu einem großen Teil durch deutsche Geldgeber, erfolgt, wenn es überhaupt ein Geheimnis ist. Das hat auch gar nichts mit Steuerflucht zu tun; dieses Etikett hat man der Sache ja auch einmal aufkleben wollen. Wenn derjenige, der sein Geld bei Siemens anlegen will und die Zinsen durchaus ehrlich versteuern will, darauf Wert legt, dieses Geld an Siemens in Luxemburg zu übergeben, weil dann die Kapriolen der deutschen Steuergesetzgebung sich nicht in seine Konditionen und nicht in seine Kurse einmischen können, ist das voll verständlich.
Das Ergebnis war, daß die Ausländer, die im Jahre 1963 noch 1991 Millionen DM, also fast 2 Milliarden DM, festverzinsliche Papiere - im Saldo der Käufe und Verkäufe - auf dem deutschen Markt erworben hatten, im Jahre 1965 per Saldo 103 Millionen DM erworben haben. 1966 scheinen sich bisher Käufe und Verkäufe ausgeglichen zu haben. Das heißt, es sind fast 2 Milliarden DM Nachfrage auf dem deutschen Kapitalmarkt ausgefallen, und die übrigen Faktoren des Kapitalmarkts einschließlich des Rückhalts, den doch mindestens Staatspapiere in den öffentlichen Finanzen finden sollten, waren nicht stark genug, die sich daraus ergebende Kursentwicklung abzufangen.
Die Folgen für den Fiskus sind, daß er jetzt mindestens 71/2 % zahlen muß, während er voriges Jahr 6 % zahlen mußte, und nicht einmal zu diesen Bedingungen die Papiere placieren kann. Er hat sich seine eigene Finanzierung abgeschnitten. Wenn das weiter so geht, werden wir die Beträge, die für die Tilgung laufend erforderlich sind, kaum aus neuen Kapitalmarktaufnahmen aufbringen können. Die Kosten der Stützungskäufe, die so zaghaft und mit offenbar unzureichenden Mitteln übernommen worden sind, daß es wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn man überhaupt nicht die Illusion erweckt hätte, zu stützen, sind nie genau bekanntgeworden. Sie werden wahrscheinlich auch nie genau angegeben werden können oder angegeben werden; denn die Möglichkeiten, so etwas abzuschieben und zu verschieben, sind ja groß genug.
({0})
Welcher Teil der negativen Entwicklung der Steuereinnahmen, die wir im Augenblick beklagenswerterweise festzustellen haben, d. h. welche Steuerausfälle auf die Wertpapierabschreibungen entfallen - insbesondere natürlich bei den Banken und Versicherungen, die die Abschreibungen vornehmen müssen und können und die daraus selbstverständlich eine erkleckliche Steuerreserve haben -, ist noch nicht berechnet worden.
Was übrigbleibt., sind die erhöhten Zinsen für alle Leute, dazu die erhöhten Geldkosten auf den Nebenwegen, die natürlich zwangsläufig beschritten worden sind. Wir haben uns also mit dieser ganzen Konjunkturdämpfungsmaßnahme ein preistreibendes Element mehr eingekauft. Ich habe manchmal das Gefühl, daß in gewissen Supertheorien moderner, spitzfindiger Wirtschaftstheoretiker ganz in Vergessenheit geraten ist, daß ja auch Zinsen Preiselemente sind und daß Zinserhöhungen - und die Erhöhung langfristiger Zinsen erst recht - selbstverständlich Preiserhöhungen mit sich bringen müssen, nicht nur die Lohnerhöhungen, von denen man so gerne spricht, so daß jedenfalls bei den langfristigen Zinsen in der freien Wirtschaft die preistreibende Wirkung einer Zinserhöhung der momentanen Nachfrageeinschränkung durch die Zinserhöhung in der Konjunkturwirkung wahrscheinlich ziemlich gleichkommt. Die Last bleibt, wie gesagt, der Wirtschaft, gerade natürlich der langfristig rechnenden Wirtschaft. Was die Hypothekenbanken dazu gesagt haben, haben Sie ja wohl alle zur Kenntnis genommen. Und was für eine Bedeutung die Möglichkeit, Mittel auf unserem Pfandbriefmarkt zu beschaffen, und die Zinsen, die das kostet, für unsere ganze Bau- und Wohnungswirtschaft haben, braucht man nicht zu sagen.
Die Last bleibt der Wirtschaft. Die Last bleibt am ärgsten der Gemeinde, die notgedrungen, stellvertretend für ihre Bürger als Verbraucher, in erster Linie langfristige Kredite braucht und wegen der schlechten Steuerverteilung zur Verschuldung gezwungen ist. Meine Damen und Herren, hier war kein Augenmaß. Der Beweis, daß das nicht vorhanden war, sollte ja einfach schon in der Tatsache gesehen werden können, daß die Ursache dieses Zustroms - in seinem Ausmaß zugegebenermaßen in einem bestimmten Moment etwas bedenklichen Zustroms - von Auslandsgeld auf den Kapitalmarkt ja doch das Zinsgefälle zwischen der Bundesrepublik und dem Ausland war. Wir hatten schon damals etwas überhöhte Zinsen. Das Ende dieser ganzen Operation ist, daß das Zinsgefälle erhöht worden ist und daß es nun bereits in solchem Maße erhöht worden ist, daß das wirklich spekulative Geld bereits in der Lage ist, auf Grund dieses Zinsgefälles die Kuponsteuer zu überspringen.
Nein, es hätte mehr Augenmaß dafür bestehen sollen, daß nun einmal bei dem voll liberalisierten Geld- und Kapitalverkehr, bei dem wir doch bleiben wollen, jedenfalls Manipulationen der langfristigen Sätze in einem Teilgebiet eines solchen großen liberalisierten Zusammenhangs auf diese Weise nicht möglich sind.
Neben diesen internationalen Auswirkungen ist sicherlich die Auswirkung auf den Sparer die schlimmste. Diese Maßnahme hat jede Rücksicht auf den deutschen Sparer vermissen lassen. Wir haben damals darauf hingewiesen. Nach den letzten Zahlen der Bundesbank stellen wir nun fest, daß die Sparquote seit dem zweiten Halbjahr 1965 rückläufig ist und im ersten Halbjahr 1966 mit 10,0 % bereits nahe an den Stand von 1963 zurückgesunken ist. Meine Damen und Herren, ich halte das für ein
Zeichen höchster Alarmstufe. Ein Absinken der Sparquote - und das bei immer ansteigender Wachstumsentwicklung der Einkommen selbst - ist meines Wissens seit der Währungsreform nur einmal vorgekommen. Das war damals, als ein genau so falsches Gesetz verabschiedet worden war, das Kapitalmarktförderungsgesetz. Und es ist wieder bereinigt worden, nachdem dieses Gesetz gefallen war. Der Effekt ist - um das klarzumachen -, daß im ersten Halbjahr 1965 bei 135,6 Milliarden DM verfügbaren Einkommen der Privathaushalte 119,1 Milliarden DM verbraucht und 16,5 Milliarden DM Ersparnis gebildet worden ist, während im ersten Halbjahr 1966 bei 144,6 Milliarden DM verfügbaren Einkommen der Privathaushalte - also 9 Milliarden DM mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum - 130,1 Milliarden DM, also 11 Milliarden DM mehr, verbraucht und 2 Milliarden DM weniger, nämlich nur 14,5 Milliarden DM, in die Ersparnis gegangen sind.
Der Spareinlagenzuwachs ist im ersten Halbjahr 1966 um 16,5 % gesunken gegenüber einer Zunahme von 40% im gleichen Vorjahreszeitraum.
Der Wertpapiererwerb durch Private ist um 52,1 % zurückgegangen gegenüber einer Zunahme von noch 8,8 % im gleichen Vorjahreszeitraum. Das hat dazu geführt, daß die Privaten für 2 Milliarden DM weniger Wertpapiere erworben haben als früher
Was heißt das, meine Damen und Herren? Das heißt nicht nur, daß ein Kapitalmarkt, auf . dem 2 Milliarden DM Auslandsnachfrage und gleich darauf 2 Milliarden DM Inlandsnachfrage wegen der Kursentwicklung ausfallen, sehr schwer in Ordnung zu bringen sein wird; es heißt weiter, daß - wie aus den Zahlen und wie auch aus den weiteren Berechnungen der Bundesbank in ihrem letzten Bericht ersichtlich - unter den übrigen Faktoren der Inlandsnachfrage, die sich ja inzwischen beruhigt und etwas stabilisiert haben, jedenfalls die private Verbrauchsnachfrage mehr noch als im Vorjahre gestiegen ist und daß wir uns also bei dieser Operation ein weiteres Inflationselement, einen weiteren preiserhöhenden Faktor eingekauft haben.
Auf den kleinen Mann kommt hier zu allem sonst, zu den Gedanken, die er sich sonst über die Preissteigerungen macht, ein preissteigerndes Element aus den Zinserhöhungen hinzu, die die Wirtschaft aufzubringen hat, und dies zusätzlich zu den Verlusten aus den Kursen, die sich für ihn natürlich als Wertverlust des Kapitals darstellen. Denn, meine Damen und Herren, wenn der kleine Mann von Stabilität redet, meint er langfristige Stabilität. Er meint, daß er seine Altersvorsorge und seine Familienvorsorge langfristig und verfügbar auf der Hand hat, daß er, wenn er sich schon Gedanken über den realen Wert seiner Ersparnisse macht - und der kleine Mann ist nach wie vor auf Geldersparnis angewiesen -, doch wenigstens den Nominalwert jederzeit voll verfügbar haben will. Wenn solche Elemente auf ihn zukommen, kann es freilich nicht Wunder nehmen, daß er nicht mehr mitmacht, daß er in die Verbrauchsnachfrage geht und die Preiserhöhungen damit weitertreibt.
Wir haben uns also mit dieser Operation zur Konjunkturdämpfung preissteigernde Elemente eingekauft, Preiserhöhungen aus der Zinserhöhung, Preiserhöhungen aus zunehmendem Privatverbrauch. Wir haben uns eine absinkende Sparleistung eingekauft, und wir haben uns einen vollständigen Vertrauensverlust gerade für die öffentlichen Papiere aus der katastropahlen Kursentwicklung eingekauft. So stellt sich das Ergebnis dar unter der Annahme, daß man überhaupt noch Konjunkturdämpfung weiter für erforderlich hält.
Aber jetzt sind wir ja doch wohl schon bei der Wende. Jetzt wird schon von der Bundesbank zugegeben, daß das Steuer herumgelegt werden kann. Wir haben ja vom Herrn Wirtschafts- und Finanzminister vorgestern gehört, daß er keine weiteren restriktiven Maßnahmen mehr für notwendig hält. Das sollte Anlaß sein, hier Schluß zu machen und diese Steuer zu beseitigen, bevor sie doppelt schädlich wird. Wir haben natürlich nicht die Illusion, daß dann mit einem Schlag alles in Ordnung wäre. Das ist der erste Schritt. Das ist die notwendige Vorbedingung zur Sanierung des Kapitalmarkts. Aber ich bitte: folgen Sie dem Rat Ihrer Parteiführer, folgen Sie unserem Rat, folgen Sie dem Gebot der Stunde! Werfen wir das Scheusal in die Wolfsschlucht!
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir gestatten würden, eine Berichtigung anzubringen. Ich habe vorhin gesagt, Herr Kollege Dröscher habe bei einer Fragestunde seine Fragen zurückgezogen. Das war in der Form nicht richtig. Er hat sich mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden erklärt. Ich möchte das der Ordnung halber hier sagen.
Herr Kollege Seuffert, ich bedauere: ich kann Ihren Vorschlägen nicht zustimmen, und ich möchte sehr kurz zu Ihren Überlegungen zur Wirtschaft und zum Kapitalmarkt Stellung nehmen.
Zuvor aber zu dem „Ungeheuer". Sie wissen, dieses „Ungeheuer" wütet in fast allen Ländern. Es gibt diese Kuponsteuer in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, in Luxemburg, Italien, der Schweiz, in Österreich, Dänemark, Schweden, Norwegen, Großbritannien, in den USA und in Kanada. Das mag nicht für die Sache sprechen, aber im Hinblick auf die internationale Gleichmäßigkeit der Besteuerung spielt es eine gewisse Rolle.
Meine Damen und Herren, die Kuponsteuer ist nach meiner Auffassung nicht die Ursache für die Kapitalmarktsituation. Die Ankündigung dieser Steuer führte im Sommer 1964 nur zu ganz vorübergehenden Auslandsverkäufen. Seitdem hat sich der Kapitalverkehr in Rentenwerten - wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf - normalisiert. Diese Normalisierung bedeutete allerdings auch den FortBundesminister Schmücker
fall der im Jahre 1963 auf 2 Milliarden DM angeschwollenen Auslandskäufe. Trotz dieses Ausfalls von Auslandskäufen kam es 1964 nicht zu wesentlichen Schwierigkeiten, weil die deutschen Sparer für 2 Milliarden DM mehr Rentenpapiere kauften. Die wahren Gründe für die heutige Kapitalmarktsituation sind vor allem die übermäßige Kapitalnachfrage der öffentlichen Hand, der dadurch ausgelöste Attentismus der Kapitalanleger sowie der Rückgang der Ersparnisbildung in den privaten Haushalten.
Ganz kurz zu den steuerpolitischen Überlegungen, die zur Einführung der Kuponsteuer geführt haben.
1. Ein seit 1931 bestehender Steuerverzicht sollte durch die Kuponsteuer beseitigt werden. Es war die erklärte Absicht, eine seit Jahrzehnten bestehende Lücke zu schließen. Es erschien auf die Dauer nicht gerechtfertigt, einerseits die den Inländern zufließenden Zinsen zur Besteuerung heranzuziehen, andererseits aber die den Ausländern zufließenden Zinsen aus inländischen festverzinslichen Wertpapieren weiterhin der inländischen Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Kuponsteuer dient damit der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwischen Inländern und Ausländern.
2. Die Bundesrepublik hat durch die Einführung der Abzugsteuer das international anerkannte Recht zur Quellenbesteuerung, wie es auch von anderen für Kapitalinvestitionen bedeutsamen Staaten für Dividenden, Lizenzgebühren und Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren praktiziert wird, für sich in Anspruch genommen. Die Einführung der Kuponsteuer muß deshalb - ich sagte es bereits - auch als ein Beitrag zur Steuerharmonisierung im internationalen Bereich angesehen werden.
3. Eine Aufhebung der Kuponsteuer würde auch ihre Wiedereinführung praktisch unmöglich machen, selbst wenn eine erneute veränderte wirtschaftliche Situation dazu drängen sollte.
4. Ich darf Ihnen nun einige Zahlen nennen, die besonders die Notwendigkeit unterstreichen, die Steuer beizubehalten.
In der Zeit vom 28. Juni 1965 bis zum 30. Juni 1966, also im ersten Jahr der vollen Wirksamkeit der Kuponsteuer, sind 65 899 000 DM als Kuponsteuer vereinnahmt worden. Davon sind nach dem Stand vom 30. Juni 1966 101/2 Millionen DM auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen erstattet worden. Dies entspricht einer Erstattungsquote von 16 %. Nach den vorliegenden Meldungen der Länder war zwar am 30. Juni 1966 ein Teil der möglichen Erstattungsanträge noch nicht gestellt, und ein Teil der gestellten Anträge war auch noch nicht bearbeitet. Demnach ist noch mit weiteren Erstattungen zu rechnen. Die Erstattungsquote wird aber höchstens 25 bis 35 % der vereinnahmten Kuponsteuer betragen.
Die niedrige Erstattungsquote ist insbesondere deswegen bemerkenswert, weil die kuponsteuerpflichtigen Zinsscheine etwa zu 90 % aus Staaten vorgelegt werden, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, das eine Erstattung der Kuponsteuer vorsieht.
Hieraus ergibt sich der Schluß, daß die vom Ausland betriebene Anlage in inländischen festverzinslichen Wertpapieren zumindest in weitgehendem Umfang aus Fluchtkapital stammt, das sich der Besteuerung im Wohnsitzstaat bewußt entzieht und für eine Erstattung nach den Vorschriften der Dpppelbesteuerungabkommen deshalb nicht in Betracht kommt. Durch diese Steuer werden in der Tate jene Kreise getroffen, die auch getroffen werden sollten, nämlich das internationale Fluchtkapital.
5. Meines Erachtens läßt sich eine Wirtschaftspolitik, die sich von den Grundsätzen des Stabilitätsgesetzes leiten lassen muß, nicht durch dieses fluktuierende, vielfach als „heißes Geld" bezeichnete Kapital aufbauen.
Auch ist es nicht vertretbar, die Bundesrepublik auf diesem Gebiet erneut zu einer Steueroase werden zu lassen, zumal sie seinerzeit, als sie noch diese Oase war, von den internationalen Gremien OECD und EWG aufgefordert worden ist, eben diese Steuer einzuführen.
Meine Damen und Herren, ich kann deshalb eine Aufhebung der Kuponsteuer nicht befürworten, bin aber für eine Harmonisierung im internationalen Bereich sehr zu haben. Meines Erachtens sollten wir bei unseren Bestrebungen, den Kapitalmarkt wieder voll funktionsfähig zu machen, die durch das Stabilitätsgesetz gezeigte Richtung verfolgen. Dann wird auch die Bundesbank am ehesten in der Lage sein, die Restriktionen wieder abzubauen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU ist sehr dankbar für ,die Gelegenheit, zu dem streitigen Thema der Kuponsteuer hier Stellung nehmen zu können. Dabei möchte ich gleich anfangs bemerken, daß wir den Antrag der Opposition ablehnen.
Wenn wir diese Sache heute abend hier kurz miteinander erörtern wollen, dann müssen wir uns noch einmal vergegenwärtigen, wie die Situation damals war, als wir uns für diese Steuer entschlossen haben. Sie wissen, daß wir es seinerzeit mit dem Problem der importierten Inflation zu tun hatten. Das erste Jahresgutachten hat in .der Ziffer 158 darauf hingewiesen, daß ,die Hauptquelle des Geldwertschwundes in der Außenwirtschaft liege. Ein Jahr vor Ankündigung der Kuponsteuer, die bekanntlich am 23. März 1964 erfolgte, waren über 2 Milliarden DM Netto-Kapital hier zu uns herein-geflossen.
Welche Möglichkeiten gab es seinerzeit, unsere Währung gegen diese sogenannte importierte Unstabilität zu schützen? Es waren vier Möglichkeiten denkbar: einmal flexible Wechselkurse einzuführen, zum anderen Senkung der Abgaben und Vergünstigungen beim grenzüberschreitenden Verkehr,
drittens die Anwendung ,des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes und viertens die Einführung der Kuponsteuer. Wir haben uns seinerzeit für die Einführung der Kuponsteuer entschieden.
Das erste Jahresgutachten hat in den Ziffern 171 und 192 zur Kuponsteuer ausschließlich positiv Stellung genommen. Das muß hier noch einmal eindeutig unterstrichen werden. Das gleiche tat das zweite Jahresgutachten, indessen Ziffer 125 festgestellt wurde: Die Kuponsteuer wirkt weiter abschirmend. Das zweite Jahresgutachten hat keineswegs die Aufhebung der Kuponsteuer verlangt.
Wir können also heute dankbar feststellen, daß dieses Mittel, für das damals die Bundesregierung und wir uns entschieden haben, prompt gewirkt hat, daß mit der Ankündigung dieser Kuponsteuer das Problem der importierten Inflation erledigt war. Nur durch diese wirksame Maßnahme hat die Bundesbank ihre Handlungsfreiheit zurückerlangt. Wenn wir heute feststellen können, daß, wenn auch nach langer Frist, die Bremsmaßnahmen der Bundesbank wirksam sind, dann ist die eigentliche Ursache dieser Tatsache darin zu erblicken, daß wir hier im Parlament uns mit Mehrheit seinerzeit für diese Maßnahme entschieden haben.
Zwangsläufige Nachteile haben wir bewußt in Kauf genommen. Herr Kollege Seuffert hat mich zitiert. Ich habe damals von einem „notwendigen Übel" gesprochen und gesagt, daß im Vergleich zu den anderen Maßnahmen, ,die theoretisch möglich gewesen wären, die Kuponsteuer immerhin das kleinere Übel war. Daß Störungen am Kapitalmarkt auftreten würden, war nur zu natürlich und von vornherein anzunehmen. Aber das ist reparabel. Nicht reparabel sind erfahrungsgemäß Geldwertverluste. Das war für uns der entscheidende Gesichtspunkt.
Jetzt die zweite Frage: war die Kuponsteuer Ursache der Kapitalmarktmisere? Es wäre vielleicht nicht sehr überzeugend, wenn ich selber das letzte Wort spräche. Lassen wir zwei Kreditinstitute sprechen. Sie wissen, daß gerade die Banken gegen diese Kuponsteuer Sturm gelaufen sind. Ich verweise auf den Wirtschaftsdienst der Berliner Handelsgesellschaft vom 11. Dezember 1965, wo an Hand von konkreten Zahlen ausdrücklich dargelegt ist, daß nur in den ersten vier Monaten nach Ankündigung dieser Steuer eine zinssteigernde Wirkung - nämlich auf 6,3 % - eingetreten ist. Dort wird ferner ausgeführt und an Hand statistischen Materials nachgewiesen, daß die eigentliche Markterschütterung erst in der zweiten Hälfte 1965 eingetreten ist, und zwar nach Ansicht der Berliner Handelsgesellschaft durch die verschärfte Passivierung der Zahlungsbilanz und durch übersteigerte Ansprüche der öffentlichen Hand.
Eine zweite Stellungnahme: Geschäftsbericht der Nationalbank in Essen für 1965. Da heißt es, 1965 hätten keine nennenswerten Rückflüsse aus dem Ausland stattgefunden, also habe die Kuponsteuer - im Jahre 1965 ist sie ja in Kraft getreten - nicht die Markterschütterung verursacht. Wörtlich heißt es in dem Geschäftsbericht der Nationalbank:
„Sicherlich wären die Preise ohne Kuponsteuergesetz noch stärker gestiegen."
Meine Damen und Herren, das sind Stellungnahmen von Passivbeteiligten, von privaten Kreditinstituten. Ich meine, diese Tatsache hat ein ganz besonderes Gewicht.
Zum Argument der Berliner Handelsbank, es seien Ansprüche der öffentlichen Hand gewesen, die den Kapitalmarkt kaputtgemacht hätten, noch folgendes: 1965 hat sich die Nettobilanz aller öffentlichen Haushalte bei uns in der Bundesrepublik Deutschland um 7 Milliarden DM verschlechtert. Die Wirtschaft einschließlich Wohnungsbau hat im Jahre 1965 6 Milliarden DM Fremdmittel zusätzlich aufgenommen. Die private Ersparnisbildung hat aber in dem gleichen Jahr nur 6 Milliarden DM betragen. Bei diesem Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage war es zwangsläufig, daß die Zinsen auf dem Kapitalmarkt stiegen, und der am stärksten strapazierte Teilmarkt, nämlich der Rentenmarkt, mußte durch diese Übernachfrage zwangsläufig funktionsunfähig werden.
Aber es gibt noch weitere Gründe für diese Markterschütterung, und zwar einmal den Investitionsboom, den wir im Jahre 1964 und zumindest in der ersten Hälfte des Jahres 1965 gehabt haben, nämlich 1964 mit +18 % und im Jahre 1965 mit etwa +15 %, und das bei abnehmender Selbstfinanzierung in der deutschen Volkswirtschaft! Hinzu kommt als weitere Ursache die Restriktionspolitik, und es kommen hinzu die Zinssteigerungen in den Nachbarstaaten.
Trotz der Kuponsteuer ist das Kapitalaufkommen am Rentenmarkt weiter gestiegen. Das muß sich jeder Kritiker heute ins Bewußtsein bringen. Der Netto-Absatz von März 1964 bis März 1965 hat 17 Milliarden DM ausgemacht, während in den 14 vorangegangenen Monaten, d. h. vor Einführung und sogar vor Ankündigung der Kuponsteuer, nur 15,7 Milliarden DM abgesetzt werden konnten. Seit Herbst 1964 gleichen sich ausländische Verkäufe und Käufe aus. Der ausländische Besitz an Festverzinslichen war Ende 1965 mit 6,3 Milliarden DM sogar etwas höher als Ende 1963, also vor Ankündigung der Kuponsteuer.
Der Finanzausschuß, der diese Dinge ausführlich zu beraten haben wird, wird aus diesen Zahlen die richtigen Schlüsse ziehen und zu dem Ergebnis kommen, daß die Kuponsteuer nicht die Ursache für die Kapitalmarktmisere gewesen ist.
Weiterhin müssen wir die heutige Situation betrachten. Aufhebung der Kuponsteuer?, das ist die Frage, die uns gestellt ist. Nun, eine Aufhebung der Kuponsteuer in diesem Zeitpunkt hätte keine Auswirkung auf den Kapitalmarkt; das ist der offenkundige Tatbestand. Im Ausland sind die Zinsen heute höher. Wir haben im Ausland überall einen allgemeinen Kursverfall. Schauen Sie nach den USA, schauen Sie nach Frankreich, um nur die beiden eklatantesten Beispiele zu nennen. Die Leute in den USA und England dürfen auf Grund der bestehenden Devisenvorschriften noch nicht einmal kaufen.
Es wäre auch unerwünscht im Hinblick auf unsere Stabilisierungspolitik, die wir eigentlich doch alle tragen wollen, wenn die öffentliche Hand ihre Defizite durch Verschuldung gegenüber dem Ausland abdeckte. Unerwünscht ist schon einmal, daß der bereits hohe ausländische Besitz an deutschen Rentenpapieren von 6,3 Milliarden DM erheblich ansteigt. Herr Emminger hat am 24. Oktober 1966 in Frankfurt gesagt:
Die Hereinnahme von Auslandsgeld würde monetär die gleiche expansive Wirkung haben, wie wenn die Notenbank selbst den Kapitalmarkt durch Geldschöpfung unterstützte.
Ja, meine Damen und Herren, wer Inflation machen will, der braucht keine ausländischen Komplizen, der braucht bloß hier in Deutschland die Notenpresse in Gang zu setzen. Das ist die Quintessenz dieses Urteils von Herrn Emminger, der ich mich anschließen möchte. Die Notenpresse würde verhindern, daß wir dann noch laufend Zinszahlungen ans Ausland leisten müßten, und die Notenpresse würde auch verhindern, daß eventuell durch plötzlichen Abruf ausländischer Gelder eine Kettenreaktion in der deutschen Volkswirtschaft eintreten könnte. Die Gefahr einer Kettenreaktion ist nicht klein. Herr Minister Schmücker hat eben zahlenmäßig dargelegt, wie hoch die Quote ausländischen Steuerfluchtgeldes bei den Anlagen hier im Inland ist. Das ist ein besonders labiler Faktor.
Die sozialdemokratische Fraktion hat jetzt diesen Antrag vorgelegt. Natürlich, die Situation wandelt sich ständig. Ich bin deshalb mit den Kollegen von meiner Fraktion der Meinung, daß alle Veranlassung besteht, heute über den neuen Tatbestand nochmals zu reden auf Grund des objektiven Befundes und der Erfahrungen, die wir gemacht haben. Aber, meine Damen und Herren, die Haltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Frage der Kuponsteuer war in der Vergangenheit durchaus schwankend. Sie haben sich in der dritten Lesung der Stimme enthalten, und ein halbes Jahr später hat der Herr Kollege Schiller im Wahlkampf, am 14. 9. 1966, als Sprecher der SPD wörtlich erklärt: Nach der Reduzierung der deutschen Ausfuhrüberschüsse ist zu prüfen, ob die Kuponsteuer noch erforderlich ist.
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Nach Ansicht von Herrn Kollegen Schiller ist sie also zumindest bis dahin erforderlich gewesen. Ja, 1964 forderte die SPD selbst Maßnahmen gegen die importierte Inflation, und seit einem Jahr fordern Sie, meine sehr geehrten Herren Kollegen von der SPD, eine außenwirtschaftliche Absicherung. Dieses Anliegen ist sicherlich gerechtfertigt. Aber wir sind uns doch wohl alle darin einig, daß eine außenwirtschaftliche Absicherung global zur Zeit nicht durchgesetzt werden kann. Sie kann nur punktuell erreicht werden, und dieses hier, die Kuponsteuer, ist eine punktuelle Absicherung, auf die wir nicht verzichten sollten.
Welche Alternative wollen Sie denn ergreifen, wenn nicht diese Form einer punktuellen außenwirtschaftlichen Absicherung? Flexible Wechselkurse verlangen Sie doch selbst nicht. § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes? Nun, das hätte eine desintegrierende Wirkung, und ich glaube, auch das werden Sie doch wohl nicht wollen.
Damals haben Sie eine Senkung der Vergütungen beim grenzüberschreitenden Verkehr verlangt. Sie wollten also den Grenzausgleich bei der Umsatzsteuer variabel machen. Das erste Jahresgutachten hat sich mit dieser möglichen Alternative bereits befaßt und sich in Nr. 240 c sehr reserviert zu diesem Vorschlag ausgedrückt. Ich erinnere auch an den Streit, den ich seinerzeit mit Herrn Kollegen Kurlbaum hier in dieser Sache gehabt habe. Es war am 25. Juni 1964 in der Debatte über das Steueränderungsgesetz 1964. Da habe ich gesagt: An der Umsatzsteuer im Grenzausgleich zu manipulieren ist sehr gefährlich. Wir alle leben von unserer Exportfähigkeit. Da hat mir Herr Kollege Kurlbaum wörtlich geantwortet: Herr Kollege Luda, ist Ihnen entgangen, daß wir mit keinem Wort von Exportdrosselung gesprochen haben? Herr Kollege Kurlbaum wollte damals diesen SPD-Vorschlag offenbar so darstellen, als wollte man dadurch höchstens eine Importbelebung bewirken. Ganz anders aber Herr Kollege Schiller am 29. November vorigen Jahres hier in diesem Hause wörtlich: „Das" - nämlich diese Manipulation mit der Umsatzsteuer an der Grenze - „war das Wegbringen der Exportüberschüsse." ... „Das war der entscheidende Vorschlag, um die Exportsalden wegzubringen." Es waren da also über die Intentionen der SPD ganz offenbar unterschiedliche Auffassungen. Aber das eine möchte ich sagen, nachdem Herr Kollege Schiller auch jetzt wieder seiner Sorge Ausdruck gegeben hat, daß die Wachstumsraten der deutschen Wirtschaft allzusehr zurückgehen könnten: Wenn man diesem Vorschlage der SPD folgte, dann würde bei Anwendung dieser Methode der Export gedrosselt werden - siehe Zitat Schiller -, und man kann sich eine brutalere und willkürlichere vorsätzliche Reduzierung des Wachstums der deutschen Volkswirtschaft wahrlich nicht vorstellen. Aus diesem Grunde sind wir gegen diesen Vorschlag der SPD gewesen und werden auch in Zukunft dagegen sein. Diese Wachstumsverluste wären volkswirtschaftlich nicht zu verantworten.
Rechtssystematische Gründe hat Herr Minister Schmücker soeben ausgeführt; ich kann das hier ausklammern.
Aber die Tatsache steht fest, daß wir vor Einführung der Kuponsteuer Steueroase gewesen sind. Es steht fest, daß gerade Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, oftmals beklagt haben, daß deutsche Kapitalien in ausländische Steueroasen wandern, sehr zum Nachteil des deutschen Fiskus und der deutschen Volkswirtschaft. Diese Feststellungen sind ernst zu nehmen. Man kann aber die entsprechenden Anklagen gegen ausländische Steueroasen nur so lange im Munde führen, als man selber bereit ist, deutsche Steueroasen für ausländisches Fluchtgeld zu liquidieren. Das haben wir damals getan, und das war ein vernünftiger Sinn dieser unserer Maßnahme.
Auch auf den Gesichtspunkt der EWG-Steuerharmonisierung möchte ich noch hinweisen. Wir haben uns hier vor zweieinhalb Jahren zu diesem Schritt entschlossen. Sollte man in der EWG demnächst im Sinne der Steuerharmonisierung der Meinung sein: Alle EWG-Mitgliedstaaten verzichten auf die Quellenbesteuerung, - nun gut, dann ist es dann an der Zeit, diese Steuer wiederaufzuheben. Wir können sie aber heute nicht nach einer kurzen Lebensdauer wiederaufheben, um vielleicht demnächst in Brüssel die Weisung entgegennehmen zu müssen, sie wegen der Harmonisierung wieder in Kraft zu setzen.
Nun, meine Damen und Heren, es ist eine gründliche Prüfung des SPD-Antrages im Finanzausschuß erforderlich. Ich möchte ausdrücklich sagen, die Kuponsteuer ist keine Frage der Weltanschauung; das ist von uns niemals behauptet worden, und es ist wichtig, das auch jetzt nochmals festzuhalten. Ich gebe zu, daß man vom fachlichen Standpunkt unterschiedlicher Meinung sein kann. Dann muß man aber, in die Vergangenheit gerichtet, bereit sein, zu sagen, welche Alternative man denn damals lieber ergriffen hätte, und dann muß man für die Gegenwart feststellen: Wenn einerseits hier von der SPD immer wieder von notwendiger außenwirtschaftlicher Absicherung sogar anklägerisch gesprochen wird, dann ist es ein Widerspruch, wenn auf der anderen Seite die Aufhebung dieses Teiles einer außenwirtschaftlichen Absicherung beantragt wird.
Abschließend möchte ich noch sagen: die Bundesregierung hat sich seinerzeit nicht im Alleingang zu dieser schmerzlichen, unangenehmen Maßnahme entschlossen, sondern auf Vorschlag und in ständigem Benehmen mit der Deutschen Bundesbank. Es ist von seiten der SPD immer wieder behauptet worden', alle Stabilisierungsmaßnahmen, die überhaupt in der Zeit des Ungleichgewichts in den letzten ein bis anderthalb Jahren ergriffen worden seien, seien von der Bundesbank ausgegangen, die Bundesregierung habe nichts gemacht. Im Sinne der Kooperation von Bundesbank und Bundesregierung und der Mehrheit in diesem Hause ist diese damals beschlossene Steuer ein gutes Beispiel dafür, daß beide Seiten agiert haben, und zwar mit promptem Erfolg agiert haben. Das ist das Urteil, das heute nach meiner Ansicht über diese Steuer zu sprechen ist. Aber Einzelheiten müssen ausführlich beraten werden, das ist völlig klar, und wir sehen den Beratungen im Finanzausschuß gern entgegen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Luda hat für die CDU hier eine Erklärung abgegeben. Ich möchte deshalb auch etwas zu dem Thema sagen, weil er damit nur einen Teil der CDU meinen
kann; denn eine ganze Reihe von Kollegen sind in dieser Frage anderer Meinung.
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- Das wird sich im Ausschuß herausstellen. - Ich
erinnere auch an die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Strauß hier im Plenum, zu denen er nach wie vor steht, in denen er gefordert hat, die Kuponsteuer aufzuheben.
Meine Damen und Herren, diese Kuponsteuer ist eines der umstrittensten Gesetzgebungsvorhaben gewesen, die durch dieses Haus gegangen sind. Keiner hat es damals mit vollem Herzen mitgemacht, vor allem, weil eine Rückwirkung im Sinne einer Verschlechterung für den Anleger damit verbunden war. Das war im Steuerrecht eine ungewöhnliche Maßnahme, die sich auch sehr nachteilig auf das Vertrauen der ausländischen Anleger ausgewirkt hat.
Ein Weiteres! Ich erinnere mich noch sehr gut an so manche Debatten im Finanzausschuß, in denen wir darauf hingewiesen wurden, daß - wie es wörtlich im Finanzbericht 1963 heißt - „die Steuerpolitik nur mit großer Umsicht und Behutsamkeit in den Dienst außerfiskalischer Zielsetzungen gestellt werden darf". Der erste Zweck dieser Steuer war nämlich nicht, Einnahmen zu erzielen, sondern die konjunkturpolitische Zielsetzung, Kapitalbilanzüberschüsse im Interesse der Währungsstabilität zu begrenzen.
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Erst in zweiter Linie sollte eine Oasenwirkung beseitigt werden. So das Protokoll des Finanzausschusses, Abschlußsitzung vom 16. Dezember 1964.
Herr Kollege Luda hat behauptet, daß der Kursverfall im Jahre 1964 nicht auf die Kuponsteuer zurückzuführen sei. Ich verweise ihn auf das Sachverständigengutachten von 1965, wo auf Seite 89 wörtlich ausgeführt ist: „Der Kursverfall am Rentenmarkt im Jahre 1965 und die damit verbundene Erhöhung der Effektivverzinsung war die Folge der Kuponsteuer." Dabei hatten maßgebende Fachleute wie z. B. der Präsident der Deutschen Pfandbriefanstalt vor diesem Gesetz gewarnt, weil, wie er wörtlich sagte, „kein Mensch in der Lage ist, zu sagen, wie die Entwicklung in der nächsten Zeit in der Frage der einströmenden Auslandsgelder verlaufen wird".
Wir wissen heute, daß - neben anderen Gründen - wegen der Abgaben und vor allem wegen der Zurückhaltung der Ausländer astronomisch hohe Zinsen, Kursrückgänge, Verluste bis zu 20 % an den Wertpapieren eingetreten sind, obwohl gerade diese Papiere in den Prospekten, z. B. auch des Bundes, als besonders sicher bezeichnet werden. Das war für den mühsam aufgebauten Kapitalmarkt ein harter Schlag, von dem er sich nicht so leicht wieder erholen kann. Vor allem war dies Ergebnis für den kleinen Wertpapiersparer hart, wenn er in dieser Zeit sein Geld benötigte und zum Verkauf gezwungen war. Dabei sollte gerade dieser kleine Sparer die dauernde Stütze des Kapitalmarktes
sein, und ich glaube, wir sollten alles tun, um ihn wieder zum Kapitalmarkt zurückzuführen.
Heute ist die Situation der Zahlungsbilanz, unter der wir die Kuponsteuer beschlossen haben, nicht mehr gegeben. Jedermann weiß, daß das Zinsgefälle nach ,der Bundesrepublik nicht mehr so groß ist wie damals, daß die Fluchtgelder aus dem Ausland, aus den uns umgebenden Ländern bestimmt nicht mehr in der damaligen Höhe zu erwarten sind und daß unsere Handelsbilanz nicht mehr in der damaligen Höhe aktiv ist, so daß unsere Zahlungsbilanz auf weite Jahre hinaus passiv bleiben wird. Wir haben hohe Zahlungen an das Ausland weiterhin zu leisten, hohe Überweisungen ,der Gastarbeiter werden bleiben, und ein hohes Reisebilanzdefizit wird ebenfalls die Kapitalbilanz verschlechtern. Ich sage deshalb: Gefahren für eine zu große Liquidität im Inland können von der Zahlungsbilanz nicht mehr ausgehen, selbst wenn Ausländer in der früheren Höhe an den deutschen Kapitalmarkt zurückkehren würden, was mindestens sehr zweifelhaft ist. Das wird urn so mehr gelten, wenn wir das Stabilitätsgesetz verabschiedet haben; denn dann wird es ja die Regierung in ,der Hand haben, die Inanspruchnahme das Kapitalmarktes, vor allem durch die öffentliche Hand, auf das richtige Maß zu beschränken. Aus der Aufhebung der Kupon, steuer werden sich also keine neuen Gefahren für unsere Währung ergeben.
Ich verspreche mir von der Aufhebung der Kuponsteuer durchaus positive Wirkungen. Zunächst einmal wird sich das für eine Industrienation untragbar hohe Zinsniveau ermäßigen. Die Kapitalzinsen sind entscheidend für die Investitionsmöglichkeit und die Investitionslust der Unternehmen.
Weiter: Zinsen sind Kasten, und überhöhte Zinsen bedeuten überhöhte Kosten. Überhöhte Kosten passen aber schlecht in die Landschaft der Preisberuhigung und der Preisreduzierung, solange die Mehrkosten abgewälzt werden können. Ist dies nicht mehr möglich, dann wird die Investitionslust der Unternehmer gedämpft. Damit wird aber das Wachstum unserer Wirtschaft entscheidend verringert.
Wir wissen, daß der eine Wachstumsfaktor, die menschliche Arbeitskraft, an seine Grenzen stößt. Entwicklungsfähig ist heute nur noch der andere Faktor, nämlich die Investitionen. Doch dazu gehört Geld, und zwar billiges Geld. Mindestens darf unsere Wirtschaft nicht weiterhin gegenüber den wichtigsten Konkurrenzländern in doppelter Weise benachteiligt sein: einmal durch teureres Geld für Investitionen und zum anderen durch teureres Geld für die Ausfuhrfinanzierung. Gerade unsere Exportwirtschaft als Stütze unserer Volkswirtschaft ist entscheidend auf einigermaßen gleiche Sätze bei der Investitions- und der Ausfuhrfinanzierung angewiesen.
Was die Wachstumsförderung anlangt, möchte ich nur sagen, daß ich mit manchen Stimmen aus dem Wirtschaftsministerium nicht übereinstimme. Ich glaube, daß die sechs Konjunkturforschungsinstitute, die vor kurzem ihre Stellungnahme abgegeben haben, recht haben, wennn sie erklären, daß die bisher einseitig auf Stabilisierung gerichtete Konjunkturpolitik in Richtung auf eine stärker wachstumsorientierte Politik überprüft werden müsse. Zu dieser stärkeren Investitionspolitik gehört die Aufhebung der Kuponsteuer.
Die Höhe der Zinsen, die hemmend auf die Investition wirkt, sehe ich auch als mittelständisches Problem. Es liegt nahe, daß gerade die kleinen und mittleren Betriebe am stärksten von einem überhöhten Zinsgefüge betroffen werden. Sie haben keinen Zutritt zum Kapitalmarkt. Sie haben auch keine Möglichkeit, auf Euro-Dollar auszuweichen. Sie müssen alle Härten, die sich im inländischen Bankapparat ergeben, auf sich nehmen. Deshalb meine ich, daß wir auch an diese Bereiche denken sollten.
Neben diesen Bereichen der Wirtschaft sind - der Herr Kollege Seuffert hat das schon ausgeführt - die Bereiche der Eigentumsbildung sehr stark von der Kuponsteuer betroffen worden. Das gleiche gilt für die Strukturverbesserung der Landwirtschaft. Auch unsere allgemeinen Gemeinschaftsaufgaben, die in großer Fülle vor uns stehen, sind durch diese Maßnahmen in eine große Gefahr geraten. Sehr viele Gründe sprechen also dafür, diese Steuer abzuschaffen.
Nun meinen manche, der deutsche Kapitalmarkt müsse aus eigener Kraft wieder gesunden. Ich weiß, daß wir Parlamentarier alles tun müssen, um durch Einschränkung der öffentlichen Aufgaben eine Gesundung des Kapitalmarkts zu erreichen. Das wollen wir ja durch das Stabilitätsgesetz tun. Darüber hinaus ist aber die Aufhebung der Kuponsteuer eine weitere Maßnahme, um den Kapitalmarkt wieder schnell in Gang zu bringen. Wir haben auf dem Gebiet der Gemeinschaftsaufgaben große Projekte vor uns, deren Durchführung uns deshalb besonders schwerfällt, weil wir uns in Deutschland zweimal den Wahnsinn völliger Substanzvernichtung geleistet haben und deshalb ein besonders kapitalarmes Land sind.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Luda hat erklärt, daß es diese Steuer auch in anderen Ländern der EWG gebe und wir uns nur EWG-konform verhielten, wenn wir sie beibehielten. Ich muß dazu sagen, daß das nicht stimmt. In den Ländern, in denen eine ähnliche Regelung getroffen ist, werden diese Steuern meistens nicht von dem Anleger, sondern von dem Emittenten getragen, so daß sie nicht als eine derartige Abschöpfung, als Quellensteuer für den Anleger erscheinen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch davor warnen, zu sagen, daß man diese Steuer noch beibehalten sollte, um in der EWG eine sogenannte Harmonisierung durchführen zu können. Wir wissen aus Äußerungen maßgebender Herren der EWG, daß dort keine große Begeisterung für die deutsche Kuponsteuer besteht. Man überlegt sich vielmehr, in welcher anderen Form man die Besteuerung von Kapitalerträgen vornehmen könnte.
Zum Schluß noch ein Wort zu der Frage, ob die Anlage von ausländischen Geldern bei uns nicht
eine Gefahr für unsere Wirtschaft darstellt. Meine Damen und Herren, das, was an deutschen Werten von Ausländern gekauft worden ist, macht nicht einmal 10 % aus. Nicht einmal 10 % unserer Rentenpapiere sind in der Hand von Ausländern. Natürlich können diese Papiere schnell auf den Markt geworfen werden. Dazu kann ich aber nur sagen, daß das auch bei deutschen Anlegern passieren kann. Immerhin sind in der Zeit, nachdem man die Kuponsteuer eingeführt und der Schock die Anleger erfaßt hatte, nur ca. 15 % der Wertpapiere, die in ausländischer Hand waren, auf den deutschen Markt gekommen. Im ganzen sind etwa 900 Millionen DM auf den deutschen Markt geworfen worden. In dem Maße, in dem die Anlagen der Ausländer in festverzinslichen deutschen Wertpapieren zurückgegangen sind, sind die Ausleihungen von Euro-Dollars in Deutschland größer geworden. Wir wissen alle, daß die Euro-Dollar-Anlagen für unsere Wirtschaft wesentlich gefährlicher sind; denn sie sind kurzfristig und können jederzeit von dem deutschen Kreditnehmer zurückgefordert werden. Sie können dann eine echte Gefahr für diese Betriebe hervorrufen.
Bei den festverzinslichen Papieren kann nur das abgesetzt werden, was der Kapitalmarkt aufnimmt, und das bei großer Abgabe nur mit hohen Verlusten, so daß der Abgabe hier eine natürliche Grenze gezogen ist.
Aus all diesen Gründen scheint mir die Zeit gekommen zu sein, diese Steuer abzuschaffen. Ich möchte deshalb dafür plädieren, daß der Antrag der SPD positiv aufgenommen wird.
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Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung - mitberatend - vor. Bestehen gegen den Überweisungsvorschlag des Ältestenrates Bedenken? - Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol
- Drucksache V/329 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache V/1005 Berichterstatter: Abgeordneter Löbbert ({1})
Ich danke Herrn Abgeordneten Löbbert für seinen Bericht.
Zur zweiten Beratung, die ich hiermit eröffne, gebe ich das Wort dem Abgeordneten Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, den der Finanzausschuß zu diesem Tagesordnungspunkt vorgelegt hat, ist unvollständig. Wenn der Herr Berichterstatter nicht anwesend sein sollte, um den Bericht hinsichtlich der Beratungen über eine vorgeschlagene Änderung des § 84 des Gesetzes noch zu ergänzen, möchte ich die Zurückverweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß zur Ergänzung des Berichts vorschlagen und dies zum Antrag erheben.
({0})
Herr Abgeordneter Krammig, ich meine, Sie müßten dann schon sachlich motivieren, warum die Unvollständigkeit des Berichts die Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfs nicht ermöglicht.
Herr Präsident, ich habe gedacht, in der Kürze liegt die Würze; aber ich kann es auch länger machen.
Im Finanzausschuß wurde der Antrag gestellt, § 84 des Branntweinmonopolgesetzes zu ändern. Es handelte sich hierbei darum, daß bei der durch das Haushaltssicherungsgesetz erhöhten Abgabe auf Monopolsprit von 1000 auf 1200 DM pro Hektoliter Weingeist auch der für Arzneimittel verwendete Branntwein dem erhöhten Steuersatz unterzogen wurde. Das widersprach einer mehr als zwanzigjährigen Übung. Um den alten Steuersatz für den Branntwein wiederherzustellen, wurde der Antrag gestellt, § 84 Abs. 1 Nr. 2 zu ändern, indem dort ausdrücklich auch Branntwein zur Herstellung von Arzneiwaren aufgenommen wird. Über diesen Punkt hat der Finanzausschuß über eine Stunde beraten und -ist dann zu dem Ergebnis gekommen, daß jetzt keine Gelegenheit dazu sei, diesem Antrag stattzugeben. Da es sich hierbei nach meinem Dafürhalten um einen recht wesentlichen Punkt der Erörterung des Finanzausschusses handelte, sollte sich der Bericht auch hierauf erstrecken, um als ein vollständiger Bericht bezeichnet zu werden.
Ihre Ausführungen, Herr Abgeordneter Krammig, verhindern nicht die Verabschiedung des Gesetzentwurfs, so wie er vorliegt, es sei denn, Sie stellen einen Antrag,
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einen Sachantrag, § 84 zu ändern. Solange Sie das nicht tun - ({1})
- Aber doch nicht sachlich motiviert!
Herr Präsident, ich habe den Antrag auf Zurückverweisung an den Finanzausschuß gestellt, damit der Bericht dahin gehend ergänzt wird.
Aber eine Änderung des Berichtes erfordert doch nicht eine Zurückverweisung. Die Vorlage ist doch verabschiedungsreif. Aber bitte, ich stelle Ihren Antrag zur Abstimmung.
Vizepräsident Dr. Dehler
Herr Abgeordneter Krammig verlangt die Zurückverweisung an den Ausschuß zur Ergänzung des Berichtes. Wer zustimmt, gebe Handzeichen. Gegenprobe! - Die Vorlage ist damit an den Finanzausschuß zurückverwiesen.
Wir kommen dann zu den Zusatzpunkten zur Tagesordnung. Ich rufe zunächst Zusatzpunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Saatgutgesetzes
- Drucksache V/1075Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wird dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates widersprochen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 70/66/EWG ({0})
Drucksache V/1076 Eine Aussprache wird nicht gewünscht. - Dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates wird nicht widersprochen. Damit ist der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß, an den Innenausschuß als mitberatenden Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen.
Ich rufe Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildungsurlaub
- Drucksache V/965 Auch hier wird dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates nicht widersprochen. Der Antrag ist damit an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Arbeit als mitberatenden Ausschuß überwiesen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 11. November, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.