Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/8/1966

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Conring zu seinem 72. Geburtstag. ({0}) Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28. Oktober 1966 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz zu dem Abkommen vom 10. September 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Schiffahrt und Luftfahrtunternehmen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 17. Dezember 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die steuerliche Behandlung von Kraftfahrzeugen im deutsch-belgischen Verkehr und Im Durchgangsverkehr Gesetz zu dem Zollübereinkommen vom 8. Juni 1961 über Erleichterungen für die Einfuhr von Waren, die auf Ausstellungen, Messen, Kongressen oder ähnlichen Veranstaltungen ausgestellt oder verwendet werden sollen Gesetz über Steuerstatistiken Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 27. Oktober 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gibbert, Leicht, Dr. Süsterhenn, Holkenbrink, Josten, Dr. Klepsch, Schultz ({1}) und Genossen betr. schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Wein und Harmonisierung des Weinrechts in der EWG - Drucksache V/943 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache' V/1063 verteilt. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 31. Oktober 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mauk, Dr. Effertz, Reichmann, Bauknecht, Adorno, Struve und Genossen betr. Brüsseler Beschlüsse über zusätzliche Vorschriften für die Marktorganisation Obst und Gemüse - Drucksache V/918 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1077 verteilt. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 31. Oktober 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt ({2}) und Genossen betr. Beschlüsse des EWG-Ministerrats über die Harmonisierung der Preise für Milch und Milchprodukte - Drucksache V/978 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1089 verteilt. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 4. November 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Struve, Bauknecht, Dr. Reinhard, Stooß, Schröder ({3}), Ertl und Genossen betr. Gefahren für die deutsche Geflügelwirtschaft - Drucksache V/972 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1090 verteilt. Der Präsident des Bundestages hat am 4. November 1966 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({4}) - Drucksache V/1084 - dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat am 28. Oktober 1966 mitgeteilt, daß der Ausschuß zu der Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Festlegung des Verzeichnisses der Orte, an denen eine Mietzulage gewährt werden kann, sowie des Höchstbetrages dieser Zulage und der Bedingungen für ihre Gewährung und zu der Verordnung der Räte der EWG/EAG zur Festlegung des Verzeichnisses der Orte, an denen eine Fahrtkostenzulage gewährt werden kann, sowie des Höchstbetrages dieser Zulage und der Bedingungen für ihre Gewährung wegen der geringen Bedeutung der beiden Verordnungen davon abgesehen habe, im vorliegenden Fall erneut die verspätete Vorlage der Verordnungsentwürfe zu beanstanden, und sie zur Kenntnis genommen habe. Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 24. Oktober 1966 mitgeteilt, daß gemäß § 46 Abs. 1 des Deutschen Auslieferungsgesetzes die Bekanntmachung der dem Generalsekretär des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zugegangenen Antworten der Mitgliedstaaten Australien, Südafrika, Iran und Rwanda zur Empfehlung des Rates über gegenseitige Verwaltungshilfe im Bundesgesetzblatt 1966 Teil II S. 779 veröffentlicht ist. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung des Rats über die Einführung einer gemeinsamen Handelsregelung für Eieralbumin und Milchalbumin - Drucksache V/1036 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 25. Januar 1967; Richtlinie des Rats zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses Richtlinie des Rats zur Bekämpfung des Kartoffelnematoden - Drucksache V/1037 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 25. Januar 1967. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Dreiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({5}) - Drucksache V/1082 an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967; Vierundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 ({6}) - Drucksache V/1083 - an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Februar 1967. Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Mai 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Verordnung Nr. 161/66/EWG des Rates vom 25. Oktober 1966 über die Anpassung der Methode der Preisfeststellung auf dem Rindermarkt des einführenden Mitgliedstaats - Drucksache V/998 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten reit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden; Verordnung Nr. 163/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 zur Festlegung der Bedingungen für die Erteilung der Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen für Olivenöl Präsident D. Dr. Gerstenmaier Verordnung Nr. 164/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1965 über die Bestimmung der Hauptinterventionsorte für Olivenöl und die Kriterien für die Bestimmung der übrigen Interventionsorte an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit. der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden; Verordnung Nr. 165,66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 über die Maßnahmen bei den Preisen für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1966/1967 Verordnung Nr. 166/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1956 über die Abschöpfungen auf raffiniertes Olivenöl und einige olivenölhaltige Erzeugnisse Verordnung Nr. 167/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 über die Erstattungen und Abschöpfungen bei der Ausfuhr von Olivenöl Verordnung Nr. 168/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 betreffend die Beihilfe für Olivenöl an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden. Zu den in der Fragestunde der 69. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. Oktober 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Börner, Drucksache V/1025 Nrn. IX/9 und IX/10 *) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 29. Oktober 1966 eingegangen. Sie lautet: 1. Bei den in der Zeit vom März 1965 bis August 1966 durchgeführten wehrpolitischen Veranstaltung en im Raum Hanau handelte es sich nicht um Veranstaltungen der FDP oder anderer Parteien, sondern um wehrpolitische Seminare des Verteidigungsbezirkskommandos 43 als dienstliche Veranstaltungen nach § 4 des Wehrpflichtgesetzes, zu denen jeweils 50-70 Angehörige der Reserve hinzugezogen wurden. Als Referenten sprachen Mitglieder der im Bundestag vertretenen Parteien zu wehrpolitischen Fragen, so z. B. als Vertreter der SPD Regierungspräsident Dr. Wetzel, Darmstadt, im März 1965 über die Notstandsgesetzgebung und im November 1965 zum Thema: SPD und Landesverteidigung. Die gesetzlichen Bestimmungen über die politische Betätigung von Soldaten wurden bei allen Veranstaltungen beachtet. 2. Kreiswehrersatzämter können keine Veranstaltungen zu dienstlichen Veranstaltungen nach dem Wehrpflichtgesetz erklären. Die Hauptfeldwebel für Reservisten, die bei den Kreiswehrersatzämtern untergebracht sind und deren Postabsendestellen benützen, gehören fachlich und truppendienstlich zu den Verteidigungsbezirkskommandos. Zur Tagesordnung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte namens meiner Fraktion, die heutige Tagesordnung durch unseren Antrag betreffend Vertrauensfrage des Bundeskanzlers - Drucksache V/1070 - zu ergänzen, und zwar bitte ich, diesen Antrag als Punkt 2, also nach der Fragestunde, zu behandeln. Gleich wird hier der Versuch gemacht werden, durch verfassungsrechtliche Argumentation die Debatte und die Abstimmung über unseren Antrag zu verhindern. Dabei wird allerdings bewußt und gewollt das politische Wesen unseres Antrages verkannt und der Punkt, um den es wirklich geht, verfehlt werden. Es geht bei unserem Antrag nicht um die verfassungsmäßigen Rechte des Bundeskanzlers, die von uns nicht bestritten werden und nicht beschnitten werden sollen. Es geht darum, meine Damen und Herren, die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten des frei gewählten Deutschen Bundestages zu wahren. ({0}) *) Siehe 69. Sitzung, Seite 3237 Er muß seine Meinung sagen können. Er muß Gelegenheit haben, seinen Willen kundzutun und in einem Beschluß zu formen. Das ist der Gegenstand unseres Antrages. Wir dürfen doch nicht schweigen - wir, die deutsche Volksvertretung - und untätig sein, wenn die Krise in unserem Land so schwer ist - eine Finanzkrise, Krisenerscheinungen in der Wirtschaft - und, begünstigt durch die fortschreitende Abnahme der Autorität der Regierung in Bonn, der Neonazismus sein Haupt erhebt. ({1}) Wir dürfen nicht schweigen und untätig sein, wenn wir Zeuge davon sind, wie täglich das Ansehen dieses Landes im Ausland gemindert wird. ({2}) Der Bundeskanzler hat nach dem Grundgesetz das Recht, nur einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu weichen. Er wird in diesen Tagen manches darüber dazugelernt haben, wie groß der Unterschied zwischen dürren verfassungsrechtlichen Bestimmungen und der Lebensfülle der politischen Wirklichkeit ist, auch in Ihren Reihen. ({3}) Es ist Pflicht des Deutschen Bundestages, hier seine Sorge auszudrücken und zu verhindern, daß das Land weiter Schaden nimmt. Wir müssen auf das Ende des grausamen Spiels drängen. Das ist der Sinn unseres Antrags. Unser Antrag ist kein juristisches, sondern ein politisches Dokument. Wer hier versucht, mit formaljuristischen Argumenten unseren Antrag abzutun, der versucht in Wirklichkeit, sich, obschon er Vertreter des beunruhigten Volkes ist, der parlamentarisch-politischen Verantwortung zu entziehen. Deshalb noch einmal die Bitte, unseren Antrag als Punkt 2 auf die Tagesordnung zu setzen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Ich gebe je einem Vertreter der Fraktionen das Wort dazu. Ich bitte, sich aber dazu zu äußern, ob die Frage bei der Abstimmung geteilt werden soll. Also die Frage wäre, ob a) der Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden soll und ob er b) als Punkt 2 auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, wenn Sie die Frage teilen wollen. Bitte, Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der SPD-Fraktion zielt haarscharf am Grundgesetz vorbei auf ein politisches Spektakulum. ({0}) Die Väter des Grundgesetzes, insbesondere die sozialdemokratischen Väter, werden nur den Kopf schütteln können, so wie sie damals den Kopf schütteln mußten, als die SPD plebiszitäre Elemente in unsere parlamentarisch-repräsentative Demokratie einfügen wollte, oder wie sie es heute tun müssen, wenn sie Herrn Brandts Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes zwecks leichterer Auflösung des Bundestages hören. ({1}) Man muß sich erstaunt fragen, ob die Lehren von Weimar schon vergessen sind. ({2}) Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU weiß, daß der hier zur Debatte stehende SPD-Antrag verfassungswidrig ist, und weigert sich deshalb, ihn auf die Tagesordnung zu setzen. Im Art. 67 des Grundgesetzes steht - zweifellos mit Vorbedacht -, daß der Bundestag dem Bundeskanzler das Mißtrauen n u r dadurch aussprechen kann, daß er einen Nachfolger wählt. Dies „nur" hat klar die Bedeutung von „ausschließlich". Der Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, will dieses „nur" des Art. 67 umgehen. Das ist es. Man fragt sich natürlich: warum kreuzt die SPD so sorgfältig am Art. 67 vorbei? Nun, der Motive mögen viele sein. Am Art. 67 vorbei hat die SPD dann Art. 68 angesteuert. Aber auch hier ist der Wortlaut ebenso klar wie der Sinn. Art. 68 weist die Initiative zu dem vorgesehenen Vorgehen allein dem Bundeskanzler zu. Das, was Sie, meine Herren von der SPD, wollen, ist die Okkupation dieser Initiative durch das Parlament, und haarscharf das will das Grundgesetz nicht. ({3}) Weil das so ist, sage ich noch einmal, verweigert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem sozialdemokratischen Antrag die Aufnahme auf die Tagesordnung. Zur Reihenfolge will ich später sprechen. Aber eine Sache, Herr Kollege Mommer, muß ich jetzt noch aufgreifen, und die ist böse; Sie haben hier eben versucht, das bedauerliche Ansteigen der Stimmen für die NPD einer Seite dieses Hauses anzulasten. ({4}) Herr Kollege Mommer, eine höchst miserable Sache! ({5}) Die demokratischen Parteien dieses Hauses haben angesichts dessen, was in Hessen geschehen ist, allen Anlaß, sich auf ihre gemeinsame demokratische Grundlage zu besinnen. ({6}) Sie hätten gut daran getan, sich diese billige Polemik zu schenken, Herr Kollege Mommer. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der vorliegende Antrag gehört zu den zulässigen Möglichkeiten dieses Hohen Hauses, seinen politischen Willen zu artikulieren und auch durch Beschlußfassung zu unterstreichen. ({0}) Dieser Antrag kann nicht und er soll nicht das konstruktive Mißtrauensvotum ersetzen. Er gleicht ihm weder nach Inhalt noch nach Ziel. Dieser Antrag ist ein politisches Votum ohne verfassungsrechtliche Verbindlichkeit. Er berührt damit auch nicht die Freiheit des Bundeskanzlers, ({1}) frei zu entscheiden, was er in Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte tun will. ({2}) Dieser Antrag ist deshalb kein Verstoß gegen Geist oder Buchstaben des Grundgesetzes. ({3}) Es gehört zur Antragsfreiheit des Parlaments, daß es den Bundeskanzler allein oder die Bundesregierung zu einem Tun oder Unterlassen auffordern kann. Das ist in der Vergangenheit geschehen in bezug auf das Recht des Bundeskanzlers, Bundesminister zur Entlassung vorzuschlagen, und es geschieht fast in jeder Sitzung durch die Aufforderung an die Bundesregierung, von der ihr eigenen Gesetzesinitiative Gebrauch zu machen oder nicht Gebrauch zu machen. Wir bitten die Kollegen der CDU/CSU, der Rufsetzung dieses Punktes - und darum allein geht es in dieser Debatte - auf die Tagesordnung zuzustimmen. In dieser Stunde, meine Damen und Herren, gerade angesichts des Wahlergebnisses in Hessen, müssen die demokratischen Kräfte in diesem Hohen Hause ihre Bereitschaft zur konstruktiven politischen Diskussion unterstreichen. ({4}) Dieses Parlament muß seine Kraft und Entschlossenheit beweisen, ({5}) auch personelle und Sachfragen sauber und offen zu diskutieren. ({6}) Diese Entschlossenheit und ein sauberer und anständiger Stil sollten die Antwort der Parteien des Wiederaufbaus an jene neue Partei im hessischen Landtag sein. ({7}) Der Ort der politischen Lösung ist nicht das Beratungszimmer, sondern dieses Parlament. ({8}) Meine Damen und Herren, die Freie Demokratische Partei hat aus sachlichen Gründen die Regierungskoalition verlassen. ({9}) - Ich werde weiterreden, wenn Sie zu dem Ernst zurückkehren, der dieser Stunde angemessen ist. ({10}) Unser Verhältnis zu Bundeskanzler Ludwig Erhard war immer und ist auch heute sauber und klar. ({11}) Ihnen, Herr Bundeskanzler, ist in den letzten Wochen und Monaten hart mitgespielt worden, politisch und persönlich aus Ihren eigenen Reihen. ({12}) Wir wünschen, daß die sachliche Diskussion über diesen Antrag in dem Geist der Anständigkeit und der Fairneß erfolgt, die der Persönlichkeit des Bundeskanzlers Erhard, seiner politischen Leistung in der Vergangenheit und der Würde seines Amtes angemessen ist. ({13})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, vor der Abstimmung frage ich, ob die Teilung der Frage beantragt wird. ({0}) - Teilung der Frage. Als erste Frage steht demnach zur Entscheidung, ob der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache V/1070 auf die Tagesordnung soll. Ich lasse dann weiter abstimmen, ob als Punkt 2 oder als Punkt 3. ({1}) Ich lasse abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD, begründet von Herrn Abgeordneten Dr. Mommer, den Antrag Drucksache V/1070 auf die Tagesordnung aufzunehmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. ({2}) - Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Präsident festgestellt hat, daß der Antrag mit Mehrheit angenommen ist, beantrage ich, diesen Punkt erst als Punkt 3 auf die Tagesordnung zu setzen. Die Einbringung des Haushalts sollte zweifellos Vorrang vor diesem verfassungswidrigen Antrag haben. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Dem Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner wird widersprochen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner, den Antrag der Fraktion der SPD erst als Punkt 3 auf die Tagesordnung zu setzen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die gleiche Mehrheit wie eben. Der Antrag der Fraktion der SPD - ({0}) - Herr Abgeordneter Blank, ich bitte, meinen Entscheidungen hier nicht zu widersprechen, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden. ({1}) Das Haus ist voll besetzt. Der Sitzungsvorstand ist völlig einer Meinung. Ich stelle fest, daß der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache V/1070 als Punkt 2 auf der Tagesordnung ist. Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde - Drucksachen V/1085, V/1092 ({2}) - Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen. Die Fragestunde beginnt. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. ({3}) . - Meine Damen und Herren, ich appelliere zum letzten Male. Wenn Sie jetzt nicht Platz nehmen, muß ich die Sitzung unterbrechen. ({4}) Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Seibert: Ist ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Oktober 1965 zutreffend, demzufolge der Bundeswirtschaftsminister in einem Gespräch mit Vertretern des Groß- und Außenhandels die Preisbindung als überflüssig bezeichnet und deren Abschaffung angekündigt haben soll? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Herr Kollege, in dieser zugespitzten Form habe ich mich zur Preisbindung der zweiten Hand für Markenwaren nicht geäußert. Es ist auch nicht beabsichtigt, in absehbarer Zeit die Vorschriften über die Preisbindung erneut zu ändern. Die Kartellgesetznovelle mit ihren verschärften Vorschriften ist ja erst am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Seibert: Welche Bemühungen hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Zeit unternommen, um für ein solches in Frage Ill erwähntes Vorgehen eine Mehrheit im Parlament zu bekommen?

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Die Bundesregierung hatte 1962 im sogenannten Kartellbericht - das ist die Bundestagsdrucksache IV/617 - die Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand vorgeschlagen. Bei der Beratung dieses Vorschlags wurde deutlich, daß sich hierfür eine parlamentarische Mehrheit nicht finden lassen würde. Auch die Opposition war damals nicht für eine generelle Abschaffung des Preisbindungsprivilegs. Die Bundesregierung entschloß sich daher, die Preisbindung der zweiten Hand durch die Kartellgesetznovelle nicht abzuschaffen, sondern die aufgetretenen Mißstände durch eine verbesserte Mißbrauchsaufsicht zu bekämpfen. Der mittelständische Einzelhandel hat damit Gelegenheit, sich beizeiten darauf einzustellen, daß mit Fortschreiten des Gemeinsamen Marktes die Preisbindung sich immer schwieriger durchführen lassen wird. Ich glaube, auch die Opposition hat sich von ähnlichen Überlegungen leiten lassen; denn auch nach ihrem Kartellgesetzentwurf vom Juni 1964 sollte die Preisbindung keineswegs sofort, sondern erst ab 1968 beseitigt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfragen. Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage II/1 des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}) : Wie beurteilt die Bundesregierung Pressemeldungen der letzten Tage, nach denen deutsche Raketenwissenschaftler und -spezialisten angeblich in Verhandlungen mit China und der Südafrikanischen Union stehen sollen, um dort bei Raketen- und Flugzeugproduktionen mitzuwirken? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundesregierung sind die Pressemeldungen, die Sie erwähnen, bekannt. Unsere Erkundigungen haben jedoch nicht ergeben, daß die genannten Wissenschaftler und Konstrukteure beabsichtigen, bei der Raketen- oder Flugzeugproduktion in der Volksrepublik China oder in der Südafrikanischen Union mitzuwirken.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Worauf gründen sich diese Feststellungen, Herr Staatssekretär?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir haben unterderhand Erkundigungen darüber eingezogen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wollen Sie damit sagen, daß diese Meldungen jeder Grundlage und jeden Anhaltspunktes entbehren?

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Erkundigungen, die wir angestellt haben, lassen diesen eindeutigen Schluß nicht zu.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, Sie haben keine dritte Zusatzfrage. - Keine weiteren Zusatzfragen. Fragen II/2, II/3 und II/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer: Was konnte die zuständigen Stellen der Bundesregierung veranlassen, den Chefredakteur einer polnischen Zeitschrift zwei Monate auf die Erteilung eines Visums warten zu lassen und die Aufenthaltsdauer auf die Zeit vom 5. bis 25. Oktober zu beschränken? Weil) die Bundesregierung, wie lange Deutsche auf Erteilung von Visen zum Besuch Polens warten müssen? Wie lange dauern die Verfahren zur Erteilung von Visen im Personenverkehr mit der CSR? Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 7. November 1966 lautet: Zu Frage 1: Der Bundesregierung ist nichts davon bekannt, daß Dienststellen des Bundes den Chefredakteur einer polnischen Zeitschrift zwei Monate auf die Erteilung eines Visums hätten warten lassen. Nach meinen Feststellungen bezieht sich Ihre Frage auf den Fall des Chefredakteurs der polnischen Monatszeitschrift Polonia, Herrn Jerzy Piorkowski. Der Sachverhalt ist folgender: Ein Visumsantrag des Herrn Piorkowski vom 9. September 1966 ging am 12. September 1966 bei der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Warschau ein, die in Polen die Aufgaben einer Sichtvermerksbehörde für die Bundesrepublik Deutschland wahrnimmt. Der Antrag wurde mir am 14. September 1966 zugeleitet. Am 29. September 1966, also nach 15 Tagen, wurde der Antrag genehmigt. Die Genehmigung wurde noch am gleichen Tage fernmündlich nach Warschau durchgegeben. Herr Piorkowski ist dann am 10. Oktober 1966 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ich darf im Zusammenhang mit Ihrer Frage auf die wiederholten Erklärungen in Fragestunden des Deutschen Bundestages verweisen ({0}), wonach es gelungen ist, die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Visumsanträgen auf zwei Wochen seit Eingang bei den innerdeutschen Behörden zu verkürzen. Dem entspricht die Bearbeitungszeit im Falle des Herrn Piorkowski. Die Aufenthaltsdauer des Herrn Piorkowski wurde nicht auf die Zeit vom 5. bis 25. Oktober „beschränkt". Herr Piorkowski selbst hatte ein Visum für 20 Tage beantragt. Das ist der Grund. warum auch nur ein Visum für 20 Tage erteilt wurde. Dieses Visum hätte im Bundesgebiet auf Antrag verlängert werden können. Nach Sachlage wären von mir gegen eine Verlängerung, für die die örtliche Ausländerbehörde zuständig gewesen wäre, keine Bedenken geltend gemacht worden. Zu Frage 2: Deutsche Behörden sind an dem Einreiseverfahren in die Ostblockstaaten nicht beteiligt. Deshalb besitzt die Bundesregierung keine unmittelbaren Erkenntnisse darüber, wie lange die Erteilung von Einreisesichtvermerken für Deutsche durch die Ostblockstaaten dauert. Den besten Überblick hierüber haben die am Reisegeschäft in die Ostblockstaaten beteiligten Reisebüros. Idh habe deshalb bei einigen von ihnen anfragen lassen und die Antwort erhalten, daß die Erteilung von Einreisesichtvermerken an Deutsche für Reisen nach Polen durchschnittlich zwei bis drei Wochen in Anspruch nimmt; nach der Auskunft eines dieser Reisebüros soll die Visaerteilung bis zu acht Wochen dauern. Zu Frage 3: Ebenfalls nach Auskünften dieser Reisebüros dauert die Visaerteilung durch die tschechoslowakischen Behörden durchschnittlich ein bis zwei Wochen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage II/5 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß - auch im Hinblick auf die Feststellungen in der Frauen-Enquete ({0}) - in Umkehrung des Runderlasses des Bundesinnenministers vom 9. Februar 1955 nunmehr bei allen Frauen etwa vom dreißigsten Lebensjahr an die Anrede „Frau" verwendet werden soll, es sei denn, eine unverheiratete Frau wünscht ausdrücklich mit „Fräulein" angeredet zu werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Sie sprechen, Herr Abgeordneter, den Runderlaß des Bundesministers des Innern vom 9. Februar 1955 an, der an die obersten Bundesbehörden gerichtet war und sich mit der Führung der Bezeichnung „Frau" befaßte. Sie meinen, der Inhalt dieses Runderlasses sollte umgekehrt werden. ({0}) Darauf darf ich folgendes erwidern. Schon auf Seite 265 der Frauen-Enquete, die Sie in Ihrer Frage zitiert haben, ist ausgeführt, daß eine Prüfung darüber eingeleitet worden ist, ob etwa der Runderlaß von 1955 in Erinnerung gebracht werden oder ob eine praktikablere, ja darüber hinaus eine inhaltlich andere Regelung erwogen werden sollte. Diese Prüfung ist in vollem Gange. Wir haben für diesen Monat die Innenministerien der Länder zu einer Besprechung darüber eingeladen, denn diese hatten seinerzeit ähnliche Runderlasse herausgegeben wie der Bundesminister des Innern. Auch mit den Frauenorganisationen muß noch einmal Fühlung genommen werden. Bei diesem Stand der Erörterungen sehe ich mich, wofür Sie Verständnis haben werden, noch nicht in der Lage zu sagen, daß der Runderlaß von 1955 umgekehrt werden soll, - um noch einmal Ihren Ausdruck zu gebrauchen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie mir zustimmen, Herr Staatssekretär, daß die Frauen-Enquete aber in die Richtung meiner Frage geht und daß die Tendenz der Anregung sicher richtig ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Tendenz geht wohl dahin; aber man kann noch nicht sicher sein, ob die Mehrzahl der unverheirateten Frauen schon in einem Alter von 30 Jahren wünscht, mit „Frau" statt mit „Fräulein" angeredet zu werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe zunächst die Frage III/1 der Abgeordneten Frau Blohm auf: Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die sich für die Tätigkeit der Ärzte aus dem immer mehr zunehmenden Straßenverkehr ergeben, da sie oft nicht in der Lage sind, ihr Fahrzeug in unmittelbarer Nähe ihrer Praxisräume für dringende Besuche von Patienten bereitzuhalten und dadurch die angeforderte ärztliche Hilfe unter Umständen unnötig verzögert wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, wegen des Sachzusammenhanges die drei Fragen der Frau Kollegin Blohm zusammen zu beantworten, falls die Frau Kollegin einverstanden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte sehr. Ich rufe dann zugleich die Fragen III/2 und III/3 der Abgeordneten Frau Blohm auf: Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der gesundheitlichen Versorgung der Patienten - unbeschadet der in manchen Bundesländern und Gemeinden bereits getroffenen Regelungen - bundesgesetzliche Ermächtigungen zu schaffen, die die Ärzte in die Lage versetzen, schnelle Hilfe in Notfallsituationen zu leisten? Ist die Bundesregierung gewillt, sich dafür einzusetzen, daß Ärzte, die bei einem eiligen Patientenbesuch keine andere Möglichkeit haben als an verbotener Stelle in der Nähe der Wohnung des Patienten zu parken, hierfür nicht bestraft oder durch unnötige und zeitraubende Auseinandersetzungen mit Vollzugsorganen bei der Erfüllung ihrer ärztlichen Pflichten nicht aufgehalten werden und daß durch entsprechende gesetzliche Regelungen den regionalen und örtlichen Behörden in derartigen Fällen die gebührende Rücksichtnahme auferlegt wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Nur Berlin und Hamburg halten Parkplätze auf öffentlichem Verkehrsraum für Ärzte an deren Praxis oder Wohnung vor. Hierbei handelt es sich um eine besondere Kennzeichnung ohne rechtliche Bedeutung. Bereits am 27. Januar 1966 habe ich Herrn Kollegen Müller-Emmert auf eine Frage zum gleichen Problem schriftlich darauf hingewiesen, daß der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erst vor kurzem, nämlich in seinem Urteil vom 3. Dezember 1965, die Rechtslage erneut klargestellt hat. Er entschied erneut, daß die Straßenverkehrsordnung keine rechtliche Handhabe biete, dem Verkehr der Anlieger - also auch der Ärzte - in der Weise Rechnung zu tragen, daß zum Zwecke der Aufstellung von Kraftfahrzeugen öffentlicher Verkehrsraum bereitgestellt wird. Um die Ärzte in die Lage zu versetzen, in Notfällen schnelle Hilfe leisten zu können, habe ich auf Wunsch der ärztlichen Berufsorganisationen und des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs im Verkehrsblatt 1966, Heft 5 Seite 125 Nr. 90, auf die Möglichkeit hingewiesen, Arztfahrzeuge mit einem Dachaufsatz „Arzt - Notfalleinsatz" zu kennzeichnen. Ausnahmen vom Parkverbot für dringende Krankenbesuche können Ärzten nach den bekannten Grundsätzen vom 8. April 1959 durch die zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder gewährt werden. Die Länder lehnen es aus Gründen der Verkehrssicherheit ab, allgemeine Ausnahmegenehmigungen für das Parken in Halteverbotszonen und für das Befahren von Straßen, die für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt sind, zu erteilen. Sie haben sich auf einer diesem Zweck mit dienenden Besprechung am 18. und 19. Januar dieses Jahres wiederholt gegen eine Änderung der Rechtslage ausgesprochen, weil sie glauben, daß die jetzige Rechtslage den Bedürfnissen der ärztlichen Versorgung hinreichend Rechnung trägt. Gegen diese einhellige Auffasung der Länder, die für die Durchführung des Straßen- und des Parkverkehrs zuständig sind, kann eine andere Auffassung kaum durchgesetzt werden. Daher bin ich der Ansicht, daß es bei der bisherigen Regelung belassen werden muß.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfragen. Ich rufe die Frage III/4 des Abgeordneten Lemmrich auf: Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um dem hohen Anteil, mit dem junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 als Lenker von Kraftfahrzeugen am Verkehrsunfallgeschehen beteiligt sind, zu begegnen? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Die Statistiken zeigen, daß der Anteil der Jugendlichen unter 25 Jahren an Personenschadensunfällen höher ist als der Anteil der übrigen Altersgruppen. Diese Feststellung sagt jedoch noch nichts Endgültiges darüber aus, wodurch die höhere Unfallquote der jüngeren Kraftfahrer bedingt ist. Als geeignete Maßnahme zur Verringerung dieser Unfallbeteiligung hatte ich bereits im Jahre 1960 im Rahmen einer Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgeschlagen, das Mindestalter zum Erwerb einer Fahrerlaubnis von 18 Jahren auf 21 Jahre heraufzusetzen. Der Bundesrat hat jedoch wegen des dadurch verursachten Ausfalls von drei Jahrgängen junger Kraftfahrer für die deutsche Wirtschaft diesen Vorschlag abgelehnt. Erreicht worden ist allerdings, daß, um der höheren Unfallbeteiligung jugendlicher Kraftfahrer entgegenzuwirken, die Straßenverkehrsbehörden auf meine Empfehlung hin von der Möglichkeit, Personen unter 18 Jahren den Erwerb von Fahrerlaubnissen zu gestatten, seit Jahren kaum mehr Gebrauch machen. Wir überlegen zur Zeit, ob wir, ähnlich wie in Frankreich, die jugendlichen Kraftfahrer für einen begrenzten Zeitraum von einem Jahr oder von zwei Jahren nach Erwerb des Führerscheins verpflichten sollten, außerhalb geschlossener Ortschaften nicht schneller als 90 km/h zu fahren. Die Ergebnisse dieser Versuche in Frankreich bleiben abzuwarten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, würden Sie es für angebracht halten, die Verkehrserziehung in den höheren Schulen und in den Berufsschulen zu intensivieren, und würden Sie es aus diesem Grunde für zweckmäßig erachten, mit den Kultusministern der Länder Kontakt aufzunehmen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, seit Jahren ist es mein Anliegen, daß der Verkehrsunterricht in den höheren Schulen, vor allem aber auch in den Berufsschulen gepflegt wird. Ich habe die Herren Kultusminister der Länder in Abständen immer wieder darum gebeten. Leider habe ich dabei bisher nicht den Erfolg erzielt, der eigentlich erzielt werden müßte. Offenbar besteht ein Unterschied zwischen dem Verhalten im Straßenverkehr und den Gepflogenheiten der Kultusministerkonferenz.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, würden Sie es trotzdem nicht für angebracht halten, nochmals die Kultusminister zu bitten, dieses Problem intensiv zu beraten, nachdem die bayerische Landespolizei festgestellt hat, daß 33,5 % der als Lenker von Kraftfahrzeugen an Unfällen Beteiligten Jugendliche in der Altersgruppe 15 bis 25 Jahre sind?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, auf mein Drängen hin bin ich schon zweimal von der Kultusministerkonferenz zu einer Aussprache über diese Fragen empfangen worden. Das Ergebnis war nicht sehr nachdrücklich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage III/5 des Herrn Abgeordneten Hofmann ({0}) auf: Wird das als notwendig erkannte und häufig vorrangig genannte Bauvorhaben - die Weiterführung der Bundesstraße 303 ({1}) - durch die Kürzungen im Bundeshaushalt verzögert?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident, ich bitte die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Hofmann wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage III/6 des Herrn Abgeordneten Hofmann auf: Wann etwa wird mit dem Baubeginn der in Frage III/5 erwähnten Weiterführung der B 303 von Pfaffendorf über Ibind nach Schweinfurt zu rechnen sein?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Von der geplanten neuen Bundesstraße 303 zwischen Pfaffendorf und Gädheim östlich von Frankfurt wird als erster Teilabschnitt die Übereckverbindung zwischen Pfaffendorf und Ibind gebaut. Sie erfordert einen Aufwand von rund 25 Millionen DM. Zwischen Ibind und Schweinfurt besteht bereits eine Verbindung über die vorhandene Staatsstraße 2266, die bis zur Fertigstellung des entsprechenden Teilabschnittes der Bundesstraße 303 vom Freistaat Bayern als Baulastträger dieser Staatsstraße verbessert werden wird. Es wird angestrebt, die erforderlichen Mittel für die Übereckverbindung zwischen Pfaffendorf und Ibind sofort zur Verfügung zu stellen, sobald die nötigen Bauvorbereitungen - das sind insbesonders die Detailplanung und die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens - abgeschlossen sind. Das wird jedoch vor Mitte 1968 wahrscheinlich noch nicht der Fall sein. Für die Zufahrt zur Autobahn Schweinfurt-West aus dem Bereich Coburg - Kronach - Hof wird gleichzeitig die Bundesstraße 26 a, also die Südumgehung Schweinfurts mit zwei Mainbrücken neu und die Fortsetzung der B 303 westlich von Schweinfurt bis zur Autobahnauffahrt Schweinfurt-Nord entsprechend ausgebaut, werden. Diese umfangreichen Baumaßnahmen dürften jedoch erst nach Fertigstellung der Autobahn Bad Hersfeld/Würzburg, die für Mitte 1968 gedacht ist, beendet werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Karl Hofmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, kann heute schon in etwa gesagt werden, wann mit dem zweiten Bauabschnitt von Ibind bis Schweinfurt begonnen werden wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Nein, Herr Kollege. Ich bin zwar sehr dafür, die Angelegenheiten pro futuro vorzusehen, aber den Zeitpunkt kann ich Ihnen heute beim besten Willen nicht angeben. Ich kann nur ungefähr sagen: das wird sicherlich nicht vor 1970 möglich sein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine -weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Müller.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident, ich bitte auch hier damit einverstanden zu sein, daß die beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe die Fragen III/7, III/8 und III/9 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Fischwirtschaft am Bodensee von der von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn beabsichtigten Aufhebung der Eilstückgutbeförderung besonders betroffen würde, da sie aus beförderungstechnischen Gründen nicht auf Frachtstückgut, wegen der hohen Tarife aber auch nicht auf Expreßgut ausweichen kann? Wird die Bundesregierung bei der Behandlung des Tarifantrags Nr. 1686 der Deutschen Bundesbahn den Bedenken der Seenfischerei, der Fluß- und Teichwirtschaft Rechnung tragen? Wie können nach Ansicht der Bundesregierung die drohenden wirtschaftlichen Einbußen für die in Frage III/8 genannten betroffenen Wirtschaftszweige verhindert werden, falls es trotz aller Bedenken zu einer Einstellung des Eilstückgutverkehrs kommen sollte?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Ständige Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen am 3. November 1966 beschlossen hat, aus Rationalisierungs- und Einsparungsgründen die Eilstückgutbeförderung als besondere bisher gebräuchliche Beförderungsart nach einer gewissen Übergangszeit grundsätzlich aufzuheben. Auf die Beschlüsse dieses unabhängigen Gremiums hat die Bundesregierung keinen Einfluß. Sollte die Deutsche Bundesbahn auf Grund dieses Beschlusses der Ständigen Tarifkommission einen Antrag auf Genehmigung zur Aufhebung der Beförderungsart „Eilstückgut" vorlegen, so wird dieser Antrag entsprechend den geltenden Bestimmungen sehr sorgfältig geprüft werden. Eine Aufhebung der Beförderungsart „Eilgutwagenladungen" ist nicht von der Ständigen Tarifkommission vorgeschlagen. Da zur Zeit noch nicht feststeht, ob und welche Maßnahmen auf dem Gebiet des Eilstückgutverkehrs getroffen werden, scheint es mir verfrüht, schon jetzt von drohenden wirtschaftlichen Einbußen für die Seenfischerei oder für die Fluß- und Teichwirtschaft zu sprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfragen? - Dann kommen wir zur Frage III/10 des Abgeordneten Strohmayr: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Osterreichische Bundesbahn ab 1. November 1966 eine neue Familienfahrkarte eingeführt hat, die den halben Fahrpreis vorsieht für Familien ab zwei Kindern, wenn mindestens drei Familienmitglieder gemeinsam reisen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich darf auch hier bitten, Herr Präsident - wenn Herr Strohmayr einverstanden ist -, im Hinblick auf den Sachzusammenhang die drei Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte sehr! - Dann rufe ich noch die Fragen III/11 und III/12 des Abgeordneten Strohmayr auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Österreichische Bundesbahn erwartet, daß bei dem in Frage III/10 erwähnten Verfahren kaum Einnahmeausfälle eintreten, sondern neue Einnahmen durch ein bisher weitgehend abseits stehendes Reisepublikum erwartet werden? Ist die Bundesregierung bereit, der Deutschen Bundesbahn gleichartige wie die in Frage III/10 erwähnten Verbesserungen vorzuschlagen, falls die Erwartungen der Österreichischen Bundesbahn eintreffen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, in dieser Sache darf ich mich auf meine schriftliche Antwort vom 26. Mai 1965 zu den von Ihnen für die Fragestunde des Deutschen Bundestages am 25. Mai 1965 angemeldeten Fragen beziehen. Wie ich seinerzeit ausgeführt habe, ist die bei den deutschen Eisenbahnen geltende Ermäßigung von 50 % für jeden, auch für den einzelnen reisenden Jugendlichen aus Familien mit wenigstens drei Kindern im Alter bis zu 25 Jahren wesentlich günstiger als die früher schon in der Schweiz und jetzt auch in Osterreich eingeführten Familienermäßigung, die vorsieht, daß mindestens drei Familienmitglieder gemeinsam reisen müssen, wenn die Ermäßigung beansprucht werden soll. Bei den heutigen Reisegewohnheiten ist eine Ermäßigung auch für Familiengruppenreisen relativ weniger interessant und nur selten ausnutzbar. Dagegen bietet die von der Deutschen Bundesbahn eingeführte Ermäßigung, die für Reisen jedem Kind in beliebiger Zahl und zu beliebigem Zweck gewährt wird, viel weitergehende Möglichkeiten, von denen auch ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Ein Austauschen unserer heutigen Regelung gegen die in Osterreich und anderswo geltende Familienermäßigung würde ich als einen sozialen Rückschritt bezeichnen, und die Öffentlichkeit würde dem vermutlich mit Recht mit erbittertem Widerstand begegnen. Die Bundesregierung hält es unter diesen Umständen nicht für angezeigt, der Bundesbahn die Übernahme des österreichischen Systems nahezulegen. Nach unseren Erkundigungen erwarten die Österreichischen Bundesbahnen auch aus dieser Tarifmaßnahme keine Mehreinnahmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002275, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, wären Sie bereit, anzuregen, daß wenigstens die Altersstufen heraufgesetzt werden, wie es in Osterreich der Fall ist, also auf 6 bzw. 10 Jahre?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Das ist eine grundsätzliche Frage, die eigentlich eine einzelne Eisenbahnverwaltung nicht allein entscheiden darf, sondern die von der Union Internationale des Chemins de Fer für den ganzen Raum festgesetzt wird. Ich will die Bundesbahn aber gern darauf aufmerksam machen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Zusatzfragen? Frage III/13 des Herrn Abgeordneten Wendt: Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch ihrer Aussage vom 10. März 1966 ({0}) zur teilweisen Eingleisigkeit der Strecke Schwerte-Warburg und den bekanntgewordenen Plänen der Deutschen Bundesbahn?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, die Ihnen am 10. März 1966 gegebene Antwort entsprach den damaligen Mitteilungen, die uns der Vorstand der Deutschen Bundesbahn auf Grund vorgenommener Überprüfungen für die Gesamtstrecke Schwerte-Warburg übermittelt hat. In die von der Deutschen Bundesbahn seitdem neuerlich angeordneten und weitergehenden Untersuchungen verkehrsschwacher Hauptbahnen hat sie auch diese Strecke erneut einbezogen. Dabei hat sich gezeigt, daß die eingleisige Betriebsführung des Strekkenabschnittes von Warburg bis Brilon-Wald voraussichtlich möglich ist, ohne die Verkehrsbedienung zu beeinträchtigen oder gar das bestehende Leistungsangebot einzuschränken. Einzelergebnisse werden jedoch erst nach Abschluß der noch andauernden, umfangreichen Untersuchungen vorliegen. Zu festen Plänen konnten sich diese Untersuchungen daher bis jetzt nicht verdichten. Ich werde, falls die Deutsche Bundesbahn diese Umstellung zur Genehmigung vorlegen sollte, diese Vorschläge selbst eingehend prüfen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die Umstellung vom zweiauf den eingleisigen Betrieb dank der Möglichkeiten der neueren technischen Entwicklung auch an anderer Stelle, so in meinem Wahlkreis, mit wirtschaftlichem Erfolg ohne Beeinträchtigung der Verkehrsbedienung durchgeführt worden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Martin Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002478, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß diese Strecke - bis auf 13 km - fast vollständig neu ausgebaut worden ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Das ist ja kein Grund, Herr Kollege, nicht etwa aus wirtschaftlichen Gründen später auf den eingleisigen Betrieb überzugehen, zumal dann eben das zweite Gleis und die dort verwendeten Stoffe an anderer Stelle eingesetzt werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 111/ 14 des Abgeordneten Wendt: Kann die Bundesregierung angeben, wann die Bundesstraße 7 in den Orten Velmede und Bestwig ausgebaut wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege, es ist beabsichtigt, die Bundesstraße 7 in den Ortsdurchfahrten Velmede und Bestwig, die ja zusammengehören, in den Jahren 1968 und 1969 auszubauen. Die erforderlichen Kosten von 2,6 Millionen DM sind in den Planungen für diese beiden Jahre enthalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Martin Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002478, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß vom Landschaftsverband schon für dieses Jahr ein Ausbau vorgesehen war und auch zugesagt worden ist?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Er ist nicht zugesagt worden, sondern es ist zugesagt, worden, daß nach Fertigstellung der Kanalisation und Nebenarbeiten dieser Ausbau begonnen werden kann. Wahrscheinlich werden aber die Planfeststellung und die dazu gehörigen vorbereitenden Maßnahmen es notwendig machen, daß wir nicht vor 1968 anfangen können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Martin Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002478, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, daß die Ver-Vermessungsarbeiten vom Landesstraßenbauamt Meschede schon durchgeführt worden sind und daß die Gemeinde erhebliche Vorleistungen erbracht hat?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ja. Es ist ja auch in keiner Weise bestritten, daß diese Arbeit notwendig ist und so bald als möglich durchgeführt wird. Aber eine Strecke muß erst baureif werden, bevor sie gebaut werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf, zunächst Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher: Trifft es zu, daß es billiger ist, zwei Auslandsbriefe à 15 Gramm in ein EWG-Land zu senden als einen Brief à 30 Gramm, wie das der Bund der Steuerzahler erklärt hat?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Die Gewichtsstufen und Gebühren für Auslandsbriefe sind grundsätzlich im Weltpostvertrag von Wien festgelegt. Im Interesse der europäischen Integration haben die Postverwaltungen der sechs EWG-Länder in Ausnahme von dieser Regelung beschlossen, im gegenseitigen Postverkehr für Briefe bis 20 g und Postkarten die wesentlich niedrigeren Inlandsgebühren zu erheben. Diese Regelung auch auf Briefe über 20 g anzuwenden, ist zur Zeit noch nicht möglich, weil die Gebühren für solche Briefe in den einzelnen EWG-Ländern zu unterschiedlich sind. Für diese Briefe müssen daher noch die höheren internationalen Gebühren entrichtet werden. Die durch diese Regelung entstandene Gebührenverzerrung wurde im Hinblick auf den Integrations3288 Bedanken in Kauf genommen, um im EWG-Raum im Interesse der Bevölkerung und Wirtschaft möglichst schnell die Gebührenvergünstigungen für Briefe bis 20 g einführen zu können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001852, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, bedeutet das also, daß zu erwarten ist, daß bei weiterer Integration diese Verzerrung aufgehoben wird?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Das wird angestrebt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen IV/2 und IV/3 des Herrn Abgeordneten Maucher auf: Ist dem Bundespostminister bekannt, daß, wenn beispielsweise neben anderen Bestellungen ({0}) eine Vorratsliste bestellt wird, die Deutsche Bundespost eine Karte übersendet, mit der die Vorratsliste besonders bestellt werden muß und dadurch sowohl für die Deutsche Bundespost wie auch für die betreffenden Besteller zusätzliche Portoausgaben entstehen? Ist das Bundespostministerium bereit, solche wie die in Frage IV/2 erwähnten wiederholt vorgekommenen Vorgänge abzustellen? Ist der Herr Abgeordnete Maucher im Saal? - Nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Frage IV/4 des Herrn Abgeordneten Wendt: Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, wann die vom Zweiten Deutschen Fernsehen nicht erreichten Gebiete in Nordrhein-Westfalen mit dem Fernsehempfang rechnen können? Zur Beantwortung hat der Herr Minister das Wort.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, in Nordrhein-Westfalen strahlen z. Z. neun Fernsehsender und 33 Fernseh-Frequenzumsetzer das Zweite Fernsehprogramm aus. Mit diesen Sendeanlagen werden schon heute 84 % der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen mit dem Zweiten Fernsehprogramm versorgt. Vier Fernsehsender und 30 Fernseh-Frequenzumsetzer befinden sich im Aufbau. Sofern die für die Fertigstellung der im Aufbau befindlichen Anlagen noch benötigten Investitionsmittel im Jahre 1967 bereitgestellt werden können, kann bis etwa Ende 1968, Anfang 1969 eine annähernde Vollversorgung des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Zweiten Fernsehprogramm erreicht werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Martin Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002478, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, halten Sie es nicht für eine Ungerechtigkeit, daß 'die Fernsehzuschauer in den ländlichen Gebieten die gleichen Gebühren zahlen müssen, obwohl sie um Jahre hinter anderen Gebieten herhinken und das Fernsehprogramm erst vielleicht fünf oder sechs Jahre später empfangen können?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, Sie werden mir darin zustimmen, daß man den Aufbau eines neuen Fernsehgrundsendernetzes nicht in wenigen Wochen oder in wenigen Jahren durchführen kann. Auch rias Erste Programm im Fernsehen hat ungefähr eine Aufbauzeit von acht bis zehn Jahren gebraucht. Wir haben das Zweite Fernsehprogramm bereits innerhalb von sechs Jahren so weit ausgebaut, wie damals das Erste Programm war. Wir können nur so viel bauen, als erstens Planungskapazitäten bei uns vorhanden sind, zweitens Industriekapazitäten zur Lieferung in der Lage sind und drittens die Bundespost Investitionsmittel dafür hat, ihr Bauprogramm durchzusetzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage IV/5 des Herrn Abgeordneten Felder auf: Trifft die Pressemeldung zu, daß die Deutsche Bundespost ihre Gebühren für Sendungen „Funknachrichten an mehrere Empfänger" heute noch nach dem Stande von 1950 erhebt, obwohl diese Gebührensätze die gestiegenen Kosten bei weitem nicht mehr decken? Zur Beantwortung der Herr Bundespostminister.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Ja, es trifft zu, daß die Gebühren für die Überlassung von Sendern im Dienst ,,Funknachrichten an mehrere Empfänger" nach den Gebührenbestimmungen aus dem Jahre 1950 berechnet werden. Die hierin enthaltenen Gebühren sind nicht kostendeckend. Der Dienst „Funknachrichten an mehrere Empfänger" wird fast ausschließlich von ,der Presse in Anspruch genommen. Nach den derzeit gültigen Gebührenbestimmungen gewährt die Deutsche Bundespost der Presse in verschiedenen Dienstzweigen Vergünstigungen, z. B. im Zeitungsdienst, für Pressetelegramme und bei der Überlassung von Telegraphenleitungen. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Sendern im Dienst „Funknachrichten an mehrere Empfänger". Auf Grund dieser Vergünstigungen ergeben sich für die Deutsche Bundespost zwangsläufig gewisse Kostenunterdeckungen, die innerhalb des Posthaushalts ausgeglichen werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist es nicht so, daß schätzungsweise 80 % des Gesamtumfangs dieses Dienstes von den Bundesbehörden, dem Wetterdienst, in Anspruch genommen werden und nur etwa 10 % dieses Dienstes von der Presse, der Rest von Wirtschaftsunternehmen? Dies bedeutet, daß nach dem derzeitigen Stand durch die angeblichen Vorzugsgebühren für die Presse diese nur etwa im gleichen Maße berücksichtigt wird wie die Wirtschaft. Ist es nicht so, Herr Minister?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Natürlich kann ich bei diesem Dienst nicht zweierlei Gebühren wegen des wirtschaftlich geringen Anteils gewisser Benutzer dieses Dienstes einführen. Aber ich sehe aus Ihrer Frage, daß Sie bei diesem Dienst eine Gebührenanhebung möchten. Es ist zum erstenmal, daß ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages in einer Fragestunde diese Empfehlung der Anhebung gibt. Ich werde das gerne prüfen und in der Sitzung des Postverwaltungsrates diese Frage zur Sprache bringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß ich diese Frage gestellt habe, weil überwiegend nur die Wirtschaftsunternehmen und nicht die Presse an diesem Dienst beteiligt sind, die Presse also nur ein Minimum ausmacht?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Nach Ihren Angaben, die ich im Augenblick aus meinen Unterlagen nicht überprüfen kann, gehen Sie davon aus, daß die öffentliche Hand, also nicht die Wirtschaft, zu 80 % beteiligt ist. ({0}) - Ich werde das selbstverständlich nachprüfen. Herr Abgeordneter Felder, Sie werden in diesen Fragen durchaus einen aufgeschlossenen Minister haben. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage IV/6 des Abgeordneten Felder auf: Bei Bejahung der Frage IV/5 welches sind die Gründe für diese von der allgemeinen Gebührenpolitik der Deutschen Bundespost abweichende Haltung?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, die Antwort auf diese Frage habe ich in meine erste Antwort eingebaut. Ich glaube, daß diese Frage damit erledigt ist.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Präsident.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da Sie sagen, das seien politische Lasten und es sei zugunsten der Presse, während ich das für 80 % bestreite, - ist es nicht so, daß es sich um postpolitische Lasten handelt und daß im vorliegenden Fall das Postministerium ein postpolitisches Ziel verfolgt, nämlich die Wiederherstellung des bis 1945 vorhandenen Monopols des Funksendebetriebs, und daß damit natürlich auch die eigenen Sender der Rundfunkanstalten gemeint sind?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Das Monopol auf dem Sendegebiet wäre vom Betrieblichen, vom Technischen, von der Gesamtkonzeption her durchaus wünschenswert. Aber die Ausnahmen, die wir heute im Bereich der Rundfunkanstalten haben, und die Ausnahme, die Sie selbst kennen, im Bereich der DENA, sind für uns durchaus tragbar. Es ist also kein Grundsatz hier, eine Monopolisierung durchzuführen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Noch eine Zusatzfrage.

Josef Felder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000528, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, verneinen Sie also Bestrebungen dieser Art?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Das würde ich nicht sagen. Ich habe gesagt: Von der Gesamtkonzeption her wäre es wünschenswert, daß das gesamte öffentliche Funkwesen in einer Hand zusammengefaßt wäre. Wenn es dies aber nicht ist, so ist das noch lange kein Unglück.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Fragen IV/7 und IV/8 des Herrn Abgeordneten Dr. Schulz ({0}) auf: Hält es die Bundesregierung für richtig, daß der Bundespostminister den von ihm anläßlich einer Fragestunde vom 25. Mai 1966 erbetenen Brief eines Bundestagsabgeordneten vom 22. Juni 1966 und eine Mitte September veranlaßte schriftliche Rückfrage von dessen Sekretariat bis zum heutigen Tage weder beantwortet noch den Eingang der beiden Schriftstücke überhaupt bestätigt hat? Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß ein solches in Frage IV/7 geschildertes Verhalten eines Kabinettsmitgliedes gegenüber einem Vertreter der Legislative mit den Umgangsformen und Stilgesetzen einer Demokratie vereinbar ist?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, ich habe mir große Mühe gegeben, festzustellen, wo die in Ihrer Anfrage festgestellten Schreiben bei uns geblieben sind. Sie sind nicht eingegangen. Woran es liegt, kann ich nicht sagen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ein persönliches Gespräch führen wollten, damit Sie mir die einzelnen Daten mitteilen können, um dann zu einem Ergebnis zu kommen. Zu Ihrer zweiten Frage darf ich Ihnen sagen, daß ich als Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen bereits 1957 eine ganz klare und eindeutige Anweisung an meine nachgeordneten Dienststellen einschließlich des Ministeriums gerichtet habe, in der es u. a. in § 22 heißt: sofortige Erledigung der Anfragen und Schreiben von Parlamentsmitgliedern, - also nicht auf den Bundestag beschränkt, sondern auch auf die Landesparlamente bezogen. Ich habe dort in § 37 weiter verfügt, daß alle diese Schreiben von mir persönlich schlußgezeichnet werden, es sei denn, daß ich im Urlaub oder aus anderen Gründen nicht anwesend bin. Ich glaube, damit sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß nicht das eintritt, was Sie jetzt auf Grund eines Einzelfalles vermuten, nämlich daß das Parlament nicht ausreichend respektiert werde. Ich gebe mir große Mühe, in dieser Frage mit den Abgeordneten ein sehr korrektes und gutes Verhältnis zu haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Dr. Klaus Peter Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002107, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, selbst wenn es mir begreiflich erscheint, daß das zweite in meiner Anfrage erwähnte Schriftstück - eine formlose Rückfrage meines Sekretariats - in irgendeine Ecke der großen bürokratischen Mangel und damit in Verlust geraten ist, muß ich doch fragen: Haben Sie irgendwelche rationalen Anhaltspunkte dafür, wie es zu erklären ist, daß ein am 22. Juni diktiertes und am 23. Juni mit der Hauspost übermitteltes Schreiben, enthaltend eine ganze Reihe von Beschwerden von Postkunden über mangelnde Dienstleistungen der Deutschen Bundespost mit Originalbelegen, adressiert an den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen Herrn Richard Stücklen, den Adressaten niemals erreicht hat?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Das Schreiben oder diese Schreiben sind bei mir nicht eingegangen, und da sie nicht eingegangen sind, konnte ich auch diese Ihre Eingaben nicht bearbeiten, so daß Sie Mitte September noch einmal nachgefragt haben. Das hat aber an der Tatsache nichts geändert, daß eben die ersten Unterlagen nicht da sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Klaus Peter Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002107, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wenn ich Ihnen hier im Hause einen Durchschlag meines damaligen Briefes übergebe, dem zwar keine Belege mehr beigefügt werden können, der aber doch eine Fülle von Indizien enthält, denen nachzugehen ist, sind Sie dann bereit, diese Unterlagen nachzuprüfen, damit das in Sie und in mich gesetzte Vertrauen der Postkunden, die damals ja einige Beschwerdebriefe geschrieben haben, nicht enttäuscht wird und sie endlich zu ihrem Recht kommen?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Minister:in)

Politiker ID: 11002281

Ja, selbstverständlich; da gibt es gar keine Frage.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Die Fragen V/1 bis V/4 der Herren Abgeordneten Dr. Meinecke und Dröscher sind zurückgezogen. Ich rufe die Fragen V/5 und V/6 des Herrn Abgeordneten Flämig auf: Trifft es zu, daß die Bundesrepublik bei der Forschung und Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Halbleiter-Physik weit hinter den Ländern USA, England, Japan, UdSSR und Frankreich zurückliegt? Beabsichtigt die Bundesrepublik Konsequenzen in bezug auf eine rasche und wirksame Forschungsförderung auf dem Gebiet der Halbleiter-Physik zu ziehen? Der Herr Abgeordnete Flämig ist nicht im Hause. Die Fragen werden daher hier nicht beantwortet. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Ich rufe die Frage VI/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Bardens auf: Bis wann ist mit der Vorlage des Berichts der Bundesregierung über die finanzielle Situation der Krankenhäuser zu rechnen, der durch einstimmigen Beschluß des Bundestages am 1. Juli 1966 gefordert wurde? Ist der Herr Abgeordnete Dr. Bardens im Hause? - Ja. Ich bitte also um Beantwortung.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantworte ich die Frage wie folgt: In den Ausschüssen des Bundestags haben die Vertreter der Bundesregierung immer wieder darauf hingewiesen, daß der Bericht über die finanzielle Lage der Krankenanstalten in der Form, wie er mit dem Beschluß des Bundestags vom 1. Juli gefordert worden ist, mehrere Monate in Anspruch nehmen würde und daß er voraussichtlich nicht vor Ausgang des nächsten Frühjahrs dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Dr. Hans Bardens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000094, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, nachdem Herr Staatssekretär Bargatzky seinerzeit in der Ausschußsitzung gesagt hat, die von der SPD gestellten Fragen könnten innerhalb von vier bis fünf Wochen beantwortet werden, möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, mit mir hier festzustellen, daß die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag an der Verzögerung der Angelegenheit nicht schuld ist?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Herr Kollege, es kommt mir nicht zu, über das Verhalten der verschiedenen Parteien in diesem Hohen Hause zu richten. Der Antrag, den die Bundesregierung zu beantworten hat, ist ein Ganzes.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage VI/2 des Abgeordneten Dr. Bardens auf: Trifft es zu, daß 'die Bundesregierung bis jetzt erst einen Entwurf für einen sehr umfangreichen Fragebogen, der dem in Frage VI/1 erwähnten Bericht dienen soll, an die Länderregierungen verschickt hat?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantworte ich die Frage wie folgt: Den beteiligten obersten Landesbehörden wurde der erste Entwurf des Fragebogens bereits vor der Beschlußfassung im Bundestag im Juni zugesandt auf Grund der Vorverhandlungen, die darüber stattgefunden hatten. In Besprechungen und in StellungBundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt nahmen sind inzwischen umfangreiche Ergänzungsvorschläge vorgebracht worden. Wenn der Wert des Fragebogens für den Bericht der Bundesregierung nicht von vornherein in Zweifel gezogen werden soll, mußten die Ergänzungsvorschläge zunächst mit den noch zu beteiligenden Bundesressorts und einigen anderen Stellen im einzelnen erörtert werden.. Der von Ihnen erwähnte Entwurf eines Fragebogens enthält unter anderem eine Zusammenfassung dieser Ergänzungsvorschläge der Länder als Diskussionsgrundlage. Als Ergebnis der Stellungnahmen und Besprechungen zu diesem zweiten Entwurf, die naturgemäß viel Zeit in Anspruch genommen haben, liegt nunmehr ein wesentlich verkürzter Fragebogen vor, der in nächster Zeit an die Krankenhäuser versandt wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Dr. Hans Bardens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000094, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, trifft die Aussage einer Reihe von Verwaltungsleitern großer deutscher Krankenanstalten zu, die mir gegenüber erklärt haben, die Fragen des Parlaments an die Regierung wären viel einfacher zu beantworten gewesen, wenn man die zuständigen und informierten obersten Landesbehörden direkt und konkret gefragt hätte, wenn also die Fragen nicht an sämtliche Krankenanstalten gerichtet worden wären, sondern an die durchaus informierten obersten Landesbehörden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Wir haben die Fragen an die Landesbehörden gerichtet. Die Landesbehörden haben ihrerseits noch Ergänzungsvorschläge gemacht, doch offenbar deshalb, weil sie selber nicht in der Lage waren, die Fragen direkt zu beantworten, sondern noch komplizierende Ergänzungsfragen beantwortet haben mußten. Ich glaube also nicht, daß wir weitergekommen wären, wenn wir die Krankenhäuser ausgeschaltet hätten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Fragen VI/3 und VI/4 des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Was sind die Gründe dafür, daß in den vergangenen 7 Jahren die schon 1959 geplante Deutsche Medizinische Dokumentationsstelle noch nicht errichtet worden ist, obwohl der Deutsche Bundestag in einer Entschließung bereits am 12. Juni 1959 die Bundesregierung ersucht hat, für das Rechnungsjahr 1960 im Einzelplan des Bundesministeriums des Innern einen Titel aufzunehmen, in dem ein Zuschuß für die Errichtung und zu den Kosten des Unterhalts dieser Dokumentationsstelle bereitgestellt wird? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das in Frage VI/3 erwähnte Informationszentrum so bald wie möglich zu errichten und arbeitsfähig zu machen, um den deutschen Ärzten in Forschung, Klinik und Praxis endlich die Möglichkeit zu geben, sich in den erforderlichen Fällen schnell und umfassend über den neuesten Wissensstand der Medizin zu unterrichten? werden schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht im Saale ist. Die Frage VI/5 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Nachdem die Zahnärzte erneut eine Änderung des geltenden Lebensmittelgesetzes gefordert haben, damit durch eine Fluoranreicherung des Trinkwassers die Karies besser bekämpft werden kann, ist die Bundesregierung bereit, diesem Wunsche zu entsprechen? wird ebenfalls schriftlich beantwortet, da die Abgeordnete nicht anwesend ist. Wir kommen zu der Frage VI/6 des Herrn Abgeordneten Glombig: Stimmt die Bundesregierung mit der Auffassung des Direktors des Max-Planck-Instituts für Zellphysiologie in Berlin-Dahlem, Otto Warburg, ({0}) überein, wonach die Wissenschaft die letzte Ursache des Krebses erkannt haben soll?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, zu wissenschaftlichen Streitfragen wie der vorliegenden Stellung zu nehmen. Ich möchte mich daher auf die Bemerkung beschränken, daß die von Herrn Professor Warburg aufgestellte These über die letzten Ursachen des Krebses, soweit ich das der wissenschaftlichen Diskussion nach seinem Vortrag in Lindau habe entnehmen können, umstritten ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage? - Frage VI/7 des Herrn Abgeordneten Glombig: Bei Bejahung der Frage VI/6, was geschieht zur Verhütung des Krebses?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Da ich mich aus den angegebenen Gründen außerstande sehe, Ihre erste Frage zu beantworten, dürfte sich eine Beantwortung Ihrer zweiten Frage erübrigen. Ich möchte aber etwas hinzufügen. Selbst wenn man den Auffassungen von Professor Warburg folgt, ist mit ihnen noch kein Weg zur Behandlung der einzelnen Krebserkrankung oder zu einer allgemeinen Vorbeugung gegeben. Vielmehr wären hier noch weitgehende weitere Forschungen und Entwicklungen nötig. Bund und Länder treffen eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl der Erforschung einer wirksamen Vorbeugung als auch einer wirksamen Behandlung des Krebses dienen sollen. Dazu gehören die Errichtung des Krebsforschungszentrums in Heidelberg mit Bundes- und Landesmitteln, Maßnahmen der Aufklärung, Vorschriften des Lebensmittelrechts, Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, die Einführung von Vorsorgeuntersuchungen, für die wir uns einsetzen, die Errichtung von Speziallaboratorien, die wir fördern, und die Förderung der Krebsforschung. Diese Maß. nahmen werden zum Teil vom Bund, zum Teil von Ländern und Gemeinden, zum Teil auch als Gemeinschaftsaufgaben durchgeführt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, sind Sie der Meinung, daß diese Maßnahmen zur Verhütung bzw. Bekämpfung des Krebses auf den Ebenen des Bundes und der Länder ausreichen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Herr Kollege, Maßnahmen auf dem Gebiete der Gesundheit reichen nie aus, solange es Kranke gibt. Ich glaube aber, daß sowohl Bund wie Länder und Gemeinden das tun, was bei dem jetzigen Stand der Wissenschaft und der finanziellen Mittel möglich ist. Manches - die Belehrung, die Beratung, die Information - könnte noch intensiver getan werden. Ich möchte dazu aber sagen, daß von der Bevölkerung noch nicht einmal alle vorhandenen Beratungsstellen voll ausgenutzt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage VI/8 des Abgeordneten Fritz ({0}) auf: Trifft es zu, daß der Bundesgesundheitsminister in einer Pressekonferenz in Wiesbaden geäußert hat, das Zustandekommen der Wiesbadener Gesundheitsausstellung „Der Mensch in seiner Stadt" würde von bestimmten politischen Kreisen als eigenes Verdienst gewertet? Bitte, zur Beantwortung!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Ich beantworte die Frage mit Ja.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage VI/9 des Abgeordneten Fritz ({0}) auf: Worauf stützt der Bundesgesundheitsminister bei Bejahung der Frage VI/8 seine Behauptung?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Nach meinen Informationen hat dere Wiesbadener Oberbürgermeister bei Eröffnung der Ausstellung in Wiesbaden, dem Wahlkreis, in dem ich seit langem Kandidatin bin, erklärt, seinen besonderen Dank müsse er der sozialdemokratischen Fraktion der Stadtverordnetenversammlung, deren Initiative wir die Ausstellung verdankten, aussprechen. Er dankte besonders einer SPD-Stadtverordneten, die für das Gelingen der Ausstellung keine Mühe gescheut habe. Aus diesen Ausführungen mußte man schließen - und so waren sie wohl auch gemeint -, daß sich die SPD Wiesbadens um diese Ausstellung, eine Gesundheitsausstellung, wie sie viele Städte und Gesundheitsämter zusammen mit der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft des Landes veranstalten, besonders verdient gemacht habe. Wenn Sie dann noch berücksichtigen, daß die Rede des Herrn Oberbürgermeisters mitten im hessischen Wahlkampf gehalten wurde, dann läßt sich nicht ganz von der Hand weisen, daß man aus einer guten und nützlichen Sache, die allen Bürgern diente und aus den Mitteln aller Bürger finanziert wurde, parteipolitisches Kapital schlagen wollte. Dagegen habe ich mich gewandt, und dazu stehe ich auch.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Karl Walter Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000605, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, sind Sie sich bewußt, daß Sie durch Ihre Äußerungen dem Anliegen der Initiatoren einen schlechten Dienst erwiesen haben? Denn die Ausstellung ist durch die Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitswesen veranstaltet worden. Die Ausstellung ist auf Anregung der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion, unterstützt durch den Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden, mit den Stimmen aller im Magistrat vertretenen Parteien beschlossen worden. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, diesen Gedankengang zu loben, anstatt diese Dinge in parteipolitische Polemik ausufern zu lassen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Herr Kollege, ich habe diese Veranstaltung gelobt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick! Herr Abgeordneter, ich mache darauf aufmerksam, daß diese Frage so nicht zulässig ist. Weder Fragen noch Zusatzfragen dürfen nach den Richtlinien der Fragestunde Wertungen enthalten. Aber wollen Sie die Frage beantworten?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Ich möchte gern sagen: Ich habe die Veranstaltung gelobt. Ich darf Sie vielleicht dahin berichtigen: Die Veranstaltung ist von der hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung in Marburg ausgeführt worden. Es ist eine gut arbeitende Arbeitsgemeinschaft. Sie hat im Vordergrund gestanden und die Leistungen dazu gegeben. Es wurde auch Material, das vom Gesundheitsministerium in Bonn herausgegeben wird, verwandt. Ich habe mich mit Recht dagegen gewehrt, daß dies in der Rede des Oberbürgermeisters in erster Linie zu einer parteipolitischen Angelegenheit gemacht worden ist. Damit wollte ich gerade herausheben, daß es eine Sache aller Bürger und des gesamten öffentlichen Lebens ist und daß es eine wertvolle Angelegenheit ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage.

Karl Walter Fritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000605, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Geben Sie zu, daß es Ihnen, Frau Ministerin, vorbehalten geblieben ist, die Frage dieser Gesundheitsausstellung in den Landtagswahlkampf einzubeziehen? Sie haben es nämlich zusammen mit den Vertretern der Wiesbadener CDU und den betreffenden Landtagskandidaten versucht, während es andere Parteien nicht getan haben.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Nein, das gebe ich nicht zu. Ich glaube, es ist dem Herrn Oberbürgermeister vorbehalten gewesen, eine Veranstaltung, die allen dienen sollte, zu einer Parteisache zu machen. Da der Wahlkampf vorbei ist, könnten wir dieses Gespräch hier, wo es ohnehin nicht so ganz hingehört, ja vielleicht beschließen, Herr Fritz. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie können keine Zusatzfrage mehr stellen. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Geiger.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, gestatten Sie auf Ihre letzte Bemerkung hin die Frage: war diese Antwort die Antwort der Frau Gesundheitsminister oder die Antwort der hessischen Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Wiesbaden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (Minister:in)

Politiker ID: 11002129

Mir wäre es sympathisch, wenn diese ganze Angelegenheit im Kreis Wiesbaden geblieben wäre. Wie gesagt, sie gehört nicht ganz hierher. Ich kann mich aber nicht teilen; ich bin beides.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes sollen heute nicht behandelt werden. Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, Frage VIII/1 des Abgeordneten Dr. Tamblé: Hält es die Bundesregierung im Interesse einer Klärung der Rechtslage für angezeigt, ein Mietgesetz für den Fremdenverkehr zu erlassen, das u. a. die Entschädigungsansprüche bei Abbestellung gemieteter Zimmer regelt? Ist der Herr Abgeordnete Dr. Tamblé im Saal? - Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Der Bundesregierung sind bisher keine Umstände bekanntgeworden, die darauf schließen lassen könnten, daß es eines sogenannten Mietgesetzes für den Fremdenverkehr bedarf. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beherbungsunternehmen und ihren Gästen beurteilen sich nach den einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, in erster Linie nach den Vorschriften über die Miete. Anhaltspunkte dafür, daß diese Regelung als unbefriedigend anzusehen wäre, sind bisher nicht hervorgetreten. Dies gilt namentlich auch für die Frage, inwieweit der Gast bei Abbestellung eines gemieteten Zimmers zur Entrichtung des Beherbergungsentgeltes verpflichtet ist. Es läßt sich allerdings nicht ausschließen, daß diese Vorschriften, die den Interessen der Beherbergungsunternehmen und privater Zimmervermieter in durchaus angemessener Weise Rechnung tragen, nicht überall bekannt sind. Das besagt jedoch nicht, daß die Rechtslage unklar wäre und einer besonderen Regelung bedürfte, auch nicht vom Standpunkt der Gäste.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage.

Dr. Richard Tamble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002297, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß die Paragraphen über die „Allgemeinen Mietbedingungen", die ja für das Mieten von Häusern und Wohnungen geschaffen wurden, in Anbetracht der steigenden Bedeutung des Fremdenverkehrs und der steigenden Entwicklung der Touristik, die beide nur in einer Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses gedeihen können, den neuen Erkenntnissen angepaßt werden müssen?

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege, Sie haben nach einer notwendigen Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches gefragt. Die Frage nach den „Allgemeinen Mietbedingungen" wäre wieder ein ganz anderes Problem, das, glaube ich, nicht in diesen unmittelbaren Zusammenhang gehört. Bei diesem ist jedenfalls eine Gesetzesänderung nicht erforderlich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Richard Tamble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002297, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. gerade über den auch von Ihnen erwähnten Begriff der rechtzeitigen Zimmerabbestellung völlige Unklarheit besteht, so daß es eine dankbare Aufgabe wäre, eine gesetzliche Regelung herbeizuführen? Dabei ist an eine gesetzliche Regelung gedacht, die den beiden Seiten - nämlich den Mietern und Vermietern - gerecht wird.

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Ich glaube, daß von einer völligen Unklarheit nicht gesprochen werden kann, nachdem die Fragen inzwischen 66 Jahre in der Rechtsprechung ziemlich . eineinheitlich behandelt worden sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage. Frage VIII/2 der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus: Wird die Bundesregierung sich für eine zentrale Richterakademie als Fortbildungsstätte für Richter und Staatsanwälte einsetzen? Die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Frage VIII/3 des Abgeordneten Jahn ({0}) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung hessischer Richterräte und des Niedersächsischen Richterbundes, die bisher gebräuchlichen Richtertitel abzuschaffen und durch die Bezeichnung „Richter am . . . . gericht" zu ersetzen?

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege, Ihre Frage darf ich wie folgt beantworten: Die Änderung der Amtsbezeichnungen der Richter ist bei der parlamentarischen Beratung des Deutschen Richtergesetzes in den Jahren 1960 und 1961 eingehend erörtert worden. Die Bundesregierung hatte seinerzeit gegen die Änderung der Amtsbezeichnungen keine Einwendungen erhoben und im Einvernehmen mit den Ländern dem Rechtsausschuß Vorschläge für eine Vereinfachung vorgelegt. Da die Meinungen darüber, ob eine Änderung der Amtsbezeichnungen zweckmäßig erschien, und vor allem welche Bezeichnungen an die Stelle der bisherigen treten sollten, außerordentlich geteilt waren übrigens auch innerhalb der Richterschaft -, ist es bei den bisherigen Amtsbezeichnungen verblieben. Ein wesentlicher Grund war damals, daß keine befriedigenden Bezeichnungen für die vorsitzenden Richter und die Richter in höheren Stellen gefunden werden konnten. Bei den neuerlichen Vorschlägen zur Änderung der Richteramtsbezeichnungen sollte nicht außer acht gelassen werden, daß der Bürger mit den überkommenen Bezeichnungen eine bestimmte Vorstel3294 lung über den Richter, vor dem seine Sache verhandelt wird, verbindet. Es dürfte zweifelhaft sein, ob eine Änderung ohne eine gleichzeitige allgemeine Reform der Gerichtsbarkeit dem Ansehen der Justiz und der Richter wirklich förderlich wäre. Ich bin aber selbstverständlich bereit, Vorschläge zur Änderung der Amtsbezeichnungen, die auch bei herausgehobenen Richtern zu einer befriedigenden Lösung führen, auf ihre Durchführbarkeit zu prüfen. Dies wird jedoch nur im Zusammenwirken mit den Ländern geschehen können, da, wie bekannt, der ganz überwiegende Teil der Richter im Landesdienst steht. Ich darf aber noch bemerken, beim Bundesgerichtshof und den anderen oberen, in Zukunft obersten Gerichtshöfen ist von vornherein das Ziel, ,das Sie vielleicht anstreben, erreicht worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, stimmen Sie also mit mir darin überein, daß die vorgeschlagene neue Amtsbezeichnung der Richter besser dem verfassungsmäßigen Rang der Richter entsprechen würde?

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Ich bin nicht der Meinung, daß die jetzigen Amtsbezeichnungen dem verfassungsmäßigen Rang der Richter widersprechen, und ich will nicht behaupten, daß die neuen Bezeichnungen besser wären. Ich glaube, daß das eigentlich nicht unmittelbar mit der Verfassung zusammenhängt. Es ist mehr eine Frage, ob man das republikanische Bewußtsein der Hansestädte hat, wo alle mit „Herr Richter" angeredet werden, oder ob man traditionell deshalb, weil der Landgerichtsrat eben Mitglied eines Kollegiums ist, das Wort „Rat" verwendet, das seinem ursprünglichen Sinn nach sagt, daß der Betreffende nicht Einzelrichter ist, sondern eben in einer Kammer oder in einem Senat sitzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn ({0}).

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bedeutet Ihre Erklärung, daß Sie bereit sind, die Frage zu prüfen, daß Sie nunmehr in Verhandlungen mit den Landesjustizministern eintreten werden?

Dr. Richard Jaeger (Minister:in)

Politiker ID: 11001006

Herr Kollege Jahn, dieses Hohe Haus hat sich im Jahre 1961 oder 1962 dahin entschieden, diese Amtsbezeichnungen beizubehalten. Ich weiß nicht, ob man so kurz nach Erlaß des Gesetzes wegen dieses einen Punktes bereits eine Gesetzesänderung vorsehen sollte. Denn ohne eine Gesetzesänderung wird es ja allein schon wegen der Besoldungsordnung nicht gehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage IX/1 des Herrn Abgeordneten Ahrens ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die zu Beginn des Monats Oktober d. J. im Raum Holzminden durchgeführten Manöver der Stationierungstruppen nicht nur außergewöhnlich schwere Schäden verursacht, sondern auch ein bedauernswertes Unverständnis der Truppen gegenüber der Zivilbevölkerung aufgezeigt haben? Ist der Herr Abgeordnete Ahrens im Saal? - Ja. Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Ahrens wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte sehr. Ich rufe zusätzlich die Fragen IX/2 und IX/3 des Herrn Abgeordneten Ahrens ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, gemäß Artikel II des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikpaktes über die Rechtsstellung ihrer Truppen ein Verfahren mit dem Ziel einzuleiten, ob und inwieweit die in Frage IX/1 erwähnte Truppe ihre Pflicht verletzt haben könnte, die Gesetze des Gastlandes zu achten? Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein wertvolles Wirtschaftsgebäude während der in Frage IX/1 erwähnten Manöver durch Brand vernichtet wurde, dessen Entstehung auf den Beschuß mit Leuchtspurmunition zurückzuführen sein soll?

Not found (Staatssekretär:in)

Zu Frage 1: Auf Grund einer Rückfrage bei dem zuständigen Niedersächsischen Finanzministerium ist der Bundesregierung bekanntgeworden, daß bei dem Manöver im Raume Holzminden Schäden entstanden sind. Diese sind jedoch nach Mitteilung des Niedersächsischen Finanzministeriums keineswegs außergewöhnlich schwer. Vielmehr hielten sie sich im üblichen Rahmen, wenn sie nicht - jedenfalls nach dem bisherigen Eindruck - nach der Zahl der Fälle und der Höhe der Schäden sogar geringer waren als bei sonstigen vergleichbaren Manövern. Nur in den Forsten um den Ort Neuhaus waren größere Schäden an Forstwegen festzustellen, die aber die Bevölkerung in keiner Weise berühren. Ihr Hinweis, Herr Abgeordneter, auf Unverständnis der Truppe gegenüber der Zivilbevölkerung bezieht sich, wie mir das Niedersächsische Finanzministerium mitgeteilt hat, vermutlich auf Übungen, die, entgegen den vereinbarten Manöverbedingungen, innerhalb des Ortes Neuhaus stattgefunden haben. Diese haben offenbar zu einer erheblichen Beunruhigung der Bevölkerung geführt. Zu Frage 2: Wegen des Verhaltens der übenden Truppen hat das zuständige Niedersächsische Innenministerium noch während des Manövers nachdrückliche Vorstellungen bei den britischen Streitkräften erhoben. Diese haben eine Untersuchung zugesagt. Ich bin landesseitig gebeten worden, das Ergebnis dieser Verhandlungen auf Landesebene zunächst abzuwarten. Sollten entgegen den Erwartungen die Verhandlungen des Landes zu keinem Erfolg führen, so bin ich gern bereit, mich ebenfalls einzuschalten. Zu Frage 3: Wie mir das Niedersächsische Finanzministerium ebenfalls auf Anfrage mitgeteilt hat, ist in Brevoerde ein Wirtschaftsgebäude durch Feuer zerstört worden. Bei einer Nachtübung waren an Fallschirmen Puppen abgesetzt worden, um eine Luftlandung zu markieren. Daraufhin war eine Leuchtkugel abgeschossen worden, um den Himmèl zu erhellen. Diese fiel auf das Dach des Gebäudes und setzte es in Brand. Der Geschädigte hat bei der zuständigen Behörde bisher keinen Antrag auf Entschädigung gestellt. Die Höhe des Schadens ist daher noch nicht bekannt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfragen. Die nächsten Fragen, die Fragen IX14, IX/5 und IX/6 des Herrn Abgeordneten Seuffert: Welche Beträge sind aus der Kuponsteuer ({0}) im Abzugsverfahren aufgekommen? Wieviel von dem in Frage IX/4 erwähnten Betrag ist auf Antrag erstattet worden? In wieviel Fällen sind bei der Kuponsteuer Erstattungsanträge oder Anträge, vom Abzug abzusehen, bearbeitet worden? können im Hinblick auf die Vereinbarungen im Ältestenrat vom 15. Mai und. vom 6. November 1962 nicht aufgerufen werden, da sie Tagesordnungspunkte der laufenden Sitzungswoche betreffen. Ich rufe die Fragen IX/7 und IX/8 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({1}) auf: Teilt die Bundesregierung die Besorgnis, daß durch die mit Wirkung vom 1. Januar 1967 fortfallenden bisherigen Rückerstattungen der von den Ostberliner Stellen erhobenen Straßenbenutzungsgebühren für die westdeutschen im Berlin-Verkehr tätigen Transportunternehmen die lebensnotwendige Versorgung Berlins erheblich verteuert werden kann? Glaubt die Bundesregierung, daß die in Berlin zugelassenen Fahrzeuge des gewerblichen Güterkraftverkehrs allein in der Lage sind, die auf die in Frage IX/7 erwähnte Weise für Unternehmen in der Bundesrepublik unwirtschaftlich werdenden Transporte zu übernehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung teilt nicht die Besorgnis, daß sich durch den künftigen Wegfall der Erstattung eines Teils der von den sowjetzonalen Behörden erhobenen Straßenbenutzungsgebühren die Versorgung Berlins erheblich verteuert. Der Wert der gesamten Bezüge West-Berlins aus dem übrigen Bundesgebiet betrug im Jahre 1965 nach Angaben des Statistischen Bundesamts 10,5 Milliarden DM. Nach den Schätzungen des Bundesverbandes für den Güterfernverkehr erfolgt die Versorgung Berlins zu 40 v. H. auf der Landstraße. Der Wert der transportierten Güter beträgt demnach mindestens 4,2 Milliarden DM. Die westdeutschen Güterverkehrsunternehmen sind an dem Warenverkehr nach Berlin mit 41,7 Milliarden DM Warenwert beteiligt. Umgerechnet auf diesen Warenwert beträgt die in 1965 mit 12,5 Millionen DM erstattete Straßenbenutzungsgebühr im Durchschnitt nur 0,7 v. H. Die Bundesregierung ist deshalb der Ansicht, daß durch den Wegfall der Betriebsbeihilfen keine erhebliche Verteuerung der lebensnotwendigen Versorgung Berlins eintreten kann. Die Frage, ob die in Berlin zugelassenen Fahrzeuge den gewerblichen Güterverkehr allein übernehmen könnten, stellt sich nach Auffassung der Bundesregierung nicht, weil die Transporte durch die westdeutschen Unternehmer aus den dargelegten Gründen auch bei einem Wegfall der Betriebsbeihilfen nicht unwirtschaftlich werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Walter Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002020, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, es ist doch ohne Zweifel zu erwarten, daß, falls die Verordnung am 1. Januar in Kraft tritt, eine gewisse Transportlücke eintreten wird. Ich frage Sie: Wie gedenkt die Bundesregierung diese Transportlücke im Berlin-Verkehr zu schließen? Sie wird kommen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich teile nicht Ihre Auffassung, die Sie als Prämisse Ihrer Frage vorausgeschickt haben, nämlich daß eine Transportlücke eintreten wird. Deswegen braucht die Bundesregierung auch keine Vorsorgemaßnahmen in dieser Richtung zu treffen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß gerade die Lebensmitteltransporte von den erhöhten Kosten, die die Berlin-Transporteure in Zukunft zu tragen haben, betroffen werden, weil ihr Anteil am Straßenverkehr sehr groß ist, und daß hier sofort eine echte Belastung der Berliner Bevölkerung bei den Lebenshaltungskosten möglich wäre?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich hatte vorhin das Verhältnis genannt, in dem die Transporte nach Berlin im Durchschnitt belastet sind. Das war das relativ geringfügige Verhältnis von 0,7 v. H. Ich gebe zu, daß das eine Durchschnittszahl ist und daß die Belastung bei einzelnen Transporten höher liegen kann. Ob das bei Lebensmitteln der Fall ist, vermag ich im Moment nicht zu sagen. Ich will das aber gern prüfen. Sollten sich bei dieser Überprüfung Schwierigkeiten zeigen, wird die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um ihnen zu begegnen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hans Apel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß sich auch Probleme des Wettbewerbs zwischen bundesdeutschen und Berliner Straßentransportunternehmern stellen können und daß es zu Verlagerungen des Sitzes von Unternehmen kommen könnte, die sicherlich nicht angenehm sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß solche Wettbewerbsverzerrungen, die Sie eben erwähnten, nicht in nennenswertem Umfang eintreten werden. Aber ich möchte hinzufügen, daß bei der Stellungnahme der Bundesregierung gerade auch der Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung in einer anderen Richtung eine Rolle gespielt hat, nämlich hinsichtlich der Berufungsfälle, die schon vor der Tür stehen. Ausländische Transportunternehmer haben für sich die gleiche Vergünstigung beansprucht. Würde sie ihnen gewährt, so würde eine Wettbewerbsverzerrung in großem Umfang eintreten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wellmann.

Hans Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Befürchtung, daß- vielleicht die westdeutschen Fuhrunternehmer Büros in Berlin einrichten und dadurch die von der Bundesregierung beabsichtigte Einsparung umgehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, diesen Fragenkomplex haben wir noch nicht untersucht. Sollte es aber zu solchen Umgehungsmaßnahmen kommen, wird die Bundesregierung die daraus zu ziehenden Folgerungen Ihnen bald mitteilen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde. Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf: Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vertrauensfrage des Bundeskanzlers - Drucksache V/1070 ({0}) Ich gebe das Wort zur Tagesordnung nach § 29 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU scheut wahrlich nicht die Debatte, die jetzt vor uns steht, falls sie mit Mehrheit beschlossen wird. Da wir den Antrag der SPD-Fraktion aber für verfassungswidrig halten, beantrage ich gemäß § 29 der Geschäftsordnung ohne weitere Diskussion Übergang zur Tagesordnung. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich frage, ob dem Antrag widersprochen wird. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haus hat mit Mehrheit zwei Beschlüsse gefaßt: erstens, daß der Antrag auf die Tagesordnung kommt, und zweitens, daß er als Punkt 2 der Tagesordnung behandelt wird. Wir widersprechen dem Antrag, der hier vorgetragen wurde.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, damit Sie sehen, welche Möglichkeit Sie haben, lese ich § 29 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor: Der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung kann jederzeit bis zur Abstimmung gestellt werden und bedarf keiner Unterstützung. Wird ihm widersprochen, - das ist geschehen -so ist vor der Abstimmung ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag zu hören... . Ich frage, ob nach dieser Besprechung noch weiter das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Dann können wir abstimmen. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner auf Übergang zur Tagesordnung zu dem Punkt 2 der Tagesordnung gehört. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Im Unterschied zu heute vormittag ({0}) - gut, auch Enthaltungen, aber lassen Sie mich doch ausreden -, im Unterschied zu vorhin ist im Sitzungsvorstand keine Einmütigkeit. Das bedeutet, daß wir auszählen müssen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Im voraus möchte ich sagen, daß der Sitzungsvorstand heute vormittag geglaubt hat, mit einem Mehr von 10 Stimmen eine Mehrheit feststellen zu können. Die Auszählung hat ergeben: 246 Ja-Stimmen. Mit Nein haben 255 Mitglieder des Hauses gestimmt. Damit ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung abgelehnt. Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD hat der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser hier unter Ausschöpfung aller Geschäftsordnungsmittel umkämpfte Antrag, der Ihnen im Wortlaut vorliegt, bezweckt nicht mehr, aber auch nicht weniger, als daß der Bundestag beschließen wolle, den Bundeskanzler zu ersuchen, dem Bundestag gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes alsbald einen Antrag vorzulegen, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die Stellungnahme der Abgeordneten des Deutschen Bundestages halten wir für unvermeidlich angesichts der Koalitionskrise, angesichts der politischen Krise in der CDU/CSU und angesichts der Tatsache, daß diese Krise von der jetzt mit der Minderheitsregierung regierenden CDU/CSU auf unseren Staat übertragen wird. Dies alles geschieht zum Schaden der Autorität unserer Verfassungsorgane und zum Schaden der Handlungsfähigkeit der Staatsorgane. Weil dem so ist, stellen wir diesen Antrag: der Bundestag, das vom Volk gewählte Parlament, möge seine Meinung sagen. Wir wissen, daß der Bundeskanzler nach Art. 68 des Grundgesetzes das Recht hat, die Vertrauensfrage zu stellen. Wir haben gehört, er wolle sie nicht stellen und er werde sie nicht stellen. Wir wissen, daß der Bundeskanzler selbst entscheiden kann und muß, ob und wann er diese Vertrauensfrage stellt. Aber der deutsche Bundestag hat sowohl das Recht als auch die Pflicht, seine eigene Meinung zu sagen, und die kann er nur sagen durch Abstimmung. Damit wird dem Bundeskanzler weder ein Recht genommen noch ein Recht eingeschränkt. Aber der Bundeskanzler bekommt durch die Abstimmung des Deutschen Bundestages die Möglichkeit, seine Lage klar vor Augen zu haben. Er möge dann selbst entscheiden, was er zu tun bereit und fähig ist. Wenn uns gesagt und sogar versichert wird, die eigene Partei und Fraktion des Bundeskanzlers befaßten sich doch schon mit der Regelung des Krisenablaufs, so erwidern wir, daß wir weder die CDU als Partei noch die CDU/CSU als Bundestagsfraktion daran hindern wollen, zu tun, was ihre Aufgabe ist. Aber wir können das nicht durch persönliches Zureden. Wir können das allein durch das Feststellen eines Tatbestandes. Die parlamentarische Opposition, die Fraktion der SPD, erachtet es als ihre Pflicht, hier den Hebel anzusetzen und den übrigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Möglichkeit zu geben, sich zu erklären. Die Fraktion der SPD wird nach den Erfahrungen, die sie mit diesem Schritt und die sie in der Haushaltsberatung machen wird, die nächsten Schritte tun, die das Grundgesetz möglich macht; ich nenne z. B. das konstruktive Mißtrauensvotum. Als eine Art Vorwurf wird uns entgegengehalten, wir wollten auf diese Weise angeblich zur Auflösung des Bundestages und zur Neuwahl gelangen. Aber, meine Damen und Herren, das liegt doch in Ihrer Hand! Das Grundgesetz hat dafür ganz klare Vorschriften. Und wir halten uns an das Grundgesetz. Wir haben nicht verhehlt, daß wir es für die anständigste und für die sauberste Art der Überwindung dieser Krise halten, den Bundestag neu zu wählen. Das ist unsere Meinung. ({0}) Wenn Sie aber Neuwahlen nicht wollen, so liegt es bei Ihnen, meine Damen und Herren, eine regierungsbildende und regierungsfähige Mehrheit zu schaffen. Das haben Sie bis jetzt nicht erreicht. Wieso wird von unserem Begehren nach Neuwahl, von unserer Ansicht, daß Neuwahl des Bundestages die sauberste, die anständigste Art sei, diese Krise zu überwinden, wieso wird davon im Tone des Vorwurfs gesprochen? Das Vorrecht der Demokratie ist es doch - im Gegensatz zu totalitären und autoritären Staaten oder Gebilden -, frei wählen zu können. ({1}) Bislang, meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen, haben Sie einander selbst und haben Sie öffentlich versichert, Sie suchten nach einer Mehrheit, um die Minderheitsregierung zu verstärken. Sie haben zu verstehen gegeben, daß Sie in Ihren Partei- und Fraktionsgremien eine Art Plan hätten, um die Krise zu überwinden. Dabei haben Sie sich darauf berufen, Ihnen sei von den Wählern der Auftrag für vier Jahre erteilt worden. Meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen: mir und meinen politischen Freunden von der SPD-Fraktion erscheint es allerdings so, daß Sie den Kredit, den Ihnen die Wähler für vier Jahre gegeben haben, in einem Jahr verwirtschaftet haben; das ist ein politischer Tatbestand. ({2}) Statt nun denjenigen, der Konkurs gemacht hat, auch noch selbst als Konkursverwalter fungieren zu lassen, wie wir es gegenwärtig erleben, sollten Sie dazu beitragen, die saubere Lösung zu ermöglichen, meine Damen und Herren! Uns stimmt der Anblick, den Sie bieten, nicht schadenfroh, zu keiner Minute, in dieser lang schwelenden und nun so offen eiternden Krise. Ein Bundeskanzler, der sieben Wochen lang vergeblich einen Staatssekretär für das Bundeskanzleramt sucht und nur Absagen einhandelt, bietet einen mitleiderregenden Anblick. ({3}) Wenn Sie aber keinesfalls wollen, daß der Deutsche Bundestag neu gewählt wird, daß die Wähler also selbst klare Mehrheitsverhältnisse schaffen und dadurch die Bildung einer arbeitsfähigen Bundesregierung ermöglichen, so raffen Sie sich doch auf, aus dem Hause, so wie es nun ist, eine handlungsfähige Bundesregierung zu bilden. Das können Sie aber nicht mit Geschäftsordnungsdebatten, und das können Sie auch nicht mit Obstruktion. ({4}) Sie müssen begreifen, daß Sie dann, wenn Sie in eine Minderheitssituation geraten sind, wie es jetzt Ihre Lage ist, weder mit Geschäftsordnungskniffen noch mit Androhung von Obstruktion der Lage Herr werden können. Sie haben sich dieser Lage anzupassen, anständig, wie alle anderen demokratischen Fraktionen das auch immer getan haben. ({5}) Beenden Sie bitte das Spiel mit der Kulissenschieberei! Hören Sie-auf, in Interviews aufeinander einzureden und aufeinander einzuschießen! Nehmen Sie Stellung zu den unhaltbar gewordenen Situationen der Regierung! In Wahrheit geht es doch, meine Damen und Herren, um die Liquidation einer gescheiterten Politik. Das ist schmerzlich für die, die in diese Politik große Hoffnungen gesetzt hatten. Es ist ein Unterschied, ob man in einer Lage ist, in der einem alle atlantischen Winde in die Segel zu blasen und die Segel zu blähen scheinen, oder ob, wie es heute uns allen geht, wohin sich die Bundespolitik auch wendet, ihr der Wind ins Gesicht bläst. Aber es hängt von Ihnen ab, ob man mit dieser gewechselten Lage fertig wird, anständig fertig wird, oder ob man glaubt, man könne bocken und blocken. Das wird Ihnen und das wird unserem Volk nicht helfen, meine Damen und Herren. Wollten Sie eine Regierung zusammenbasteln, die nur weiterwursteln soll, wie Sie es in diesen letzten Wochen getan haben, so wäre die nächste Krise schon in Sicht. Sie provozieren die permanente Krise, meine Damen und Herren, und Sie helfen sich - aber ich habe Ihnen da keinen Rat zu geben - als Partei damit auch nicht. Das ist aber Ihre Sache. Bedenken Sie doch bitte, daß unsere Bundesrepublik Deutschland nicht auf einer Insel liegt. ({6}) - Das nehme ich an. Nur, Ihr Verhalten entspricht nicht der Tatsache, daß das bekannt ist. ({7}) Zur Zeit, nach der Landtagswahl vom letzten Sonntag, weisen manche Ratgeber im In- oder Ausland darauf hin, in anderen Staaten habe es auch schon gegeben und gebe es auch manchmal Regierungskrisen, deshalb werde man nicht nervös. ({8}) Sie rufen „Dänemark". Dort hat man auf saubere Weise, als klar war, daß man zwei Jahre mit ungeordneten Finanzen müßte dahinzukommen versuchen, das Folketing aufgelöst und stellt sich zur Neuwahl. Suchen Sie bitte Beispiele nicht außerhalb! Sie könnten damit nur eine schlechtere Figur machen. Worauf ich hier hinweisen will, ist, daß es manche Ratgeber des In- und des Auslandes gibt, die nun sagen: Anderswo gibt es dies auch, man muß deshalb nicht nervös werden. Aber ich bitte Sie sehr: Suchen Sie nicht falschen Trost in solchen Bemerkungen! Wir müssen im gespalteten Deutschland uns in der Demokratie bewähren. Jetzt wird es nämlich ernst. Bisher war das nur feierlich in diesen Fragen. Wie wollen Sie es denn miteinander vereinbaren und begründen, einerseits unseren Staat mit Ihrer Krise anzustecken und zu beladen, weil Sie selbst mit Ihrem Problem Bundeskanzler Erhard in Fraktion und Partei nicht fertig werden, und andererseits dem vom Volk gewählten Bundestag die Möglichkeit vorzuenthalten, seine Pflicht gegenüber dem ganzen Volk zu erfüllen, indem er auf parlamentarische Art kundtut, was zu geschehen hat, damit unser Staat nicht Schaden nimmt, weiteren Schaden nimmt? Das ist eine von Ihnen, ich gebe zu, wahrscheinlich aus einer verzweifelten Situation heraus gesuchte Notausgangstür: Ihre Parteikrise oder Fraktionskrise auf den Staat zu übertragen. Wie wollen Sie es dann rechtfertigen, einem der entscheidenden Verfassungsorgane dieses Staates, dem Deutschen Bundestag, die Möglichkeit vorzuenthalten, Stellung zu nehmen zu der Krise, die Sie auf unseren Staat übertragen?! Sie, meine Dame und meine Herren, die Sie Mitglieder dieses Minderheitskabinetts sind, können sich doch nicht nur als Mitglieder der Union verhalten. Sie dienen doch unserem Staat, Sie sind doch in der Pflicht unseres Staates. Wie wollen Sie es denn rechtfertigen, daß der Staat in den Augen seiner ärgsten Feinde als Spottgeburt erscheint, seiner ärgsten Feinde, deren eine Seite extrem links, über einen Teil Deutschlands herrscht und deren andere Seite, extrem rechts, sich rührt, weil das nun für sie eine günstige Situation zu sein scheint?! Wie wollen Sie, meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen, die Seelenqualen derer verantworten, denen es versagt war und versagt ist, an unserer demokratischen Ordnung mitzuwirken, und die doch ihre Erwartung auf uns, auf die Bundesrepublik Deutschland setzen und die dem ausgesetzt sind, was dort aus dieser Krise gemacht wird?! Herr Dr. Krone, Sie haben miterlebt und miterlitten, was unserer ersten Republik geschehen ist. Herr Dr. Gradl, Sie wissen, was die Menschen drüben fühlen und erwarten. ({9}) Herr Dr. Heck, Sie wissen sich doch mitverantwortlich und verantwortlich dafür, daß wir als Bundesrepublik Deutschland in der Erfüllung unserer Aufgabe zu bestehen haben. ({10}) Herr Lücke, Sie wissen es, ({11}) daß Deutschland eine Pflicht für uns alle ist. Herr Dr. Jaeger, das Recht ist nicht nur dazu da, Bestehendes zu retten, sondern auch dazu, Notwendiges und Werdendes dagegen zu schützen, erstickt zu werden durch Verfaulendes. ({12}) Herr Schmücker, Sie laden nicht Makel auf sich, wenn Sie einem politischen Freund in einer solchen Situation helfen, zu verstehen, was jetzt not tut. Aber Sie alle, meine Dame und meine Herren, die Sie dem Minderheitskabinett angehören, wissen doch, daß wir hier Politik, d. h. Ordnung der allgemeinen Angelegenheiten, für unser ganzes deutsches Volk zu machen verpflichtet sind. Wir wären ungetreue Volksvertreter, wenn wir die Pflicht versäumten oder zerredeten, hier heute unser Wort zur Krise zu sagen, nämlich auf parlamentarische Art zu sagen, d. h. durch Abstimmung erkennbar zu machen, was wir für erforderlich halten. Herr Dr. Barzel, Sie haben als Vorsitzender der Fraktion der CDU/CSU die Last Ihrer politischen Krise auf unseren Staat gewälzt. Sie dürfen dies nicht noch dadurch verschlimmern, daß Sie es dem Deutschen Bundestag unmöglich machen, zu tun, was seines Amtes ist. Obstruktion ist es nicht, die zur Überwindung der Krise führen kann. Wir Sozialdemokraten sehen die Lage der gegenwärtigen Bundesregierung Erhard so: sie stützt sich dem Scheine nach auf die Bundestagsfraktion der CDU/CSU; doch diese Regierungspartei ist im Bundestag nicht nur in der Minderheit, sondern sie ist auch in sich selbst so aufgespalten, daß die Regierung Erhard weder in der Außen-, der Deutschland-und der Sicherheitspolitik noch in der Wirtschafts-, der Finanz- und der Haushaltspolitik ihre eigene Partei geschlossen hinter sich hat. - Das ist ein Tatbestand. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland steht vor folgenden Aufgaben: 1. Die Bundesregierung muß um unserer äußeren Stabilität und Sicherheit willen das Verhältnis zu Washington und Paris wieder in Ordnung bringen. 2. Um der Stabilität des Bündnisses willen und als Beitrag zur Entspannung muß sie den Ehrgeiz auf atomaren Mitbesitz aufgeben. 3. Sie muß aktiv für die Normalisierung unseres Verhältnisses zu den östlichen Nachbarvölkern und für die Versöhnung mit ihnen eintreten. ({13}) 4. Sie muß Klarheit schaffen über unseren eigenen Handlungsspielraum gegenüber den Ostberliner Machthabern. Sie muß diesen Handlungsspielraum ausfüllen. 5. Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist durch die politischen Versäumnisse der bisherigen Regierung in die Gefahr der Stagnation und des Rückschlags geraten. Durch sofort einzuleitende Maßnahmen muß der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit geschaffen werden, in einen neuen Aufschwung einzutreten, damit in Zukunft Stabilität und Wachstum gleichermaßen gesichert sind. 6. Die Ordnung der Staatsfinanzen ist hierzu unabdingbare Voraussetzung. Die neue Bundesregierung muß die Haushaltskatastrophe für 1967 abwenden. Sie darf dabei die bisherige Augenauswischerei nicht fortsetzen, die für das Jahr 1968 das Defizit noch verdoppeln würde und für die folgenden Jahre ebenso. 7. Bund, Länder und Gemeinden sind die gleichermaßen notwendigen, tragenden Säulen unseres Staates. Die finanzielle Neuordnung muß allen dreien gleichberechtigt die Voraussetzung für die Lösung ihrer jeweiligen Aufgaben verschaffen. Die Bundesregierung muß für eine allgemeine Rangordnung sorgen, die sich an den wirtschafts- und sozialpolitischen Notwendigkeiten orientiert. 8. Wirtschaftliches Wachstum, finanzielle Ordnung und soziale Stabilität sind die innenpolitischen Grundlagen für den Fortschritt unserer Gesellschaft und für eine kontinuierliche Politik nach innen und nach außen. Diese Aufgaben, meine Damen und Herren, kann nur eine Bundesregierung lösen, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit hat. Ich will heute nicht Einzelheiten anleuchten, die den desolaten Zustand der Regierung und damit unseres ganzen Staats- und Verwaltungsapparats deutlich machen. Aber ich möchte Sie daran erinnern: Am Anfang dieses Monats konnten Sie hören, daß in einer Wahlversammlung der noch amtierende Bundesminister der Verteidigung an dem einen Tag über Pläne, Absichten und feste Vereinbarungen für nächste Jahre mit Stichtagen berichtete und daß er am nächsten Tag vom Inspekteur der Luftwaffe dementiert, hart dementiert wurde. Wir haben seither von dem Minister nichts wieder darüber gehört. Das ist der Zustand unserer Regierung. Den Sachverhalt selbst zu gegebener Zeit hier zur Erörterung zu bringen, mag denen überlassen bleiben, die es angeht. ({14}) Wir wollen heute hier auch nicht Details zur Debatte stellen hinsichtlich der außenpolitischen Äußerungen - sie sind sehr merkwürdig -, die der Herr Bundeskanzler etwa als Gastredner auf der Landesversammlung der CSU oder in seinem Deutschlandfunk-Interview zu Fragen der auswärtigen Politik erster Ordnung, zu Erklärungen des amerikanischen Präsidenten, den er kurz vorher doch erst besucht und konsultiert hatte, gemacht hat. Das wird alles noch zur rechten Zeit und am rechten Ort geschehen. Heute kommt es uns hier auf die entscheidenden Akzente an. Stabilität und Wachstum innen und Handlungsfähigkeit außen sind von dem Rumpfkabinett nicht zu gewährleisten. Ich komme hier für einen Moment noch einmal auf die Tatsache zu sprechen, daß wir die Bundesrepublik Deutschland im gespaltenen Deutschland sind, über dessen anderen Teil in diesem Hause jetzt keine weiteren Erläuterungen gebraucht werden. Was unsere innere Lage, was die innere Lage des gespaltenen Deutschlands betrifft, meine Damen und Herren, so leidet die Bundesrepublik unter drei Belastungen, die sich zusehends bemerkbar machen werden: erstens unter der finanziellen Lage, der Wirrnis in bezug auf das Verhältnis zwischen Gemeinden, Ländern und Bund und allem, was daraus folgt, zweitens unter der wirtschaftlichen Stagnation und den partiellen Krisen, die angekündigt werden oder sich ankündigen, und drittens unter dem offenbar begonnenen Prozeß der Auflösung gewohnter politischer Strukturen in der Bundesrepublik, den wir - ohne Schadenfreude - mit großer Sorge betrachten. Meine Damen und Herren, wer möchte es verantworten, die Bundesrepublik Deutschland auch nur einen Tag ohne handlungsfähige Regierung treiben zu lassen! Wer es verantworten will und kann, der decke weiter Herrn Bundeskanzler Erhard, der beschwere sich aber nicht über schreckliche Folgen! Heute haben wir hier alle, die wir vom Volk gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, Gelegenheit, die Souveränität des vom Volk gewählten Bundestages unter Beweis zu stellen und damit unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung einen Dienst zu erweisen. Diese Gelegenheit wollen wir Ihnen allen und uns allen geben. Sie zu nutzen, dazu rufen wir Sie auf. Dieser Dienst, meine Damen und Herren, wird mehr wert sein als Propaganda und Beschwörungen. Entziehen Sie sich diesem Dienst und dieser Pflicht nicht, meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag muß durch sein Votum aussprechen, was ist. Ich danke Ihnen für die Geduld. ({15})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat beschlossen, sich in dieser Debatte durch eine Erklärung ihres Vorsitzenden zu äußern. Im Hinblick auf die Rede des Kollegen Wehner möchte ich mich jedoch - zunächst - zu vier Punkten in gleicher Weise äußern, wie er es versucht hat, und dann zu der Erklärung übergehen. Erstens. Herr Kollege Wehner, Sie sagten: Jetzt wird es ernst, bisher war es nur feierlich. Wenn dies Ihre Meinung ist, dann sollte man nicht zugleich von Staatskrise sprechen. ({0}) Was hier vor sich geht, sehr ernsthaft vor sich geht, mit hartem Ringen vor sich geht, ist ein Ringen um eine neue Mehrheit. Dies allein ist der Punkt, um den es geht. Zweitens. Herr Kollege Wehner, Sie haben einige meiner Kollegen und auch mich an unsere besondere Verantwortung erinnert. Dies ist Ihr gutes Recht. Aber ich glaube, dessen bedurfte es nicht; denn wir, meine Damen und Herren, kennen unsere Verantwortung, wir spüren sie, wir tragen sie, wir werden ihr entsprechen. Das beste dazu wäre, diese Debatte bald zu beenden, die Sacharbeit aufzunehmen und mit seriösen Verhandlungen über die Bildung einer neuen Mehrheit zu beginnen, meine Damen und Herren. ({1}) Drittens. Herr Kollege Wehner, die Punkte, die Sie hier - in die Zukunft projiziert - vorgetragen haben, waren, wenn ich sie recht im Ohr habe, ungefähr mit dem identisch, was wir am 2. November haben lesen können. Das ist kein Einwand, sondern wenn das von dieser Stelle gesagt ist, unterstreicht es die Bedeutung einer Sache, die wir bisher nur auf einem Umdruck kannten. Ich will jetzt darauf verzichten - weil dies nicht Gegenstand der Beratungen mit meinen Freunden war -, etwa aus dem Handgelenk auf so ernste Fragen, wie Sie sie hier nannten, zu antworten. Das geht nicht so nebenher, da ist manches zu klären, da ist manches zu fragen, wie es wohl gemeint sei. Das ist wohl nicht Gegenstand dieser heutigen Debatte. Der vierte Punkt. Herr Kollege Wehner, Sie haben an einer Stelle Ihrer Rede die Anwendung von Geschäftsordnungsmöglichkeiten kritisch beurteilt. Geschäftsordnung ist eine Spielregel, und sie ist eine legitime Spielregel. Es gehört dazu die Übereinkunft, daß es legitim ist, sie anzuwenden. Das tut bald jener und bald dieser, und das paßt bald diesem und bald jenem nicht. Insgesamt ist es aber eine Spielregel, die uns allen, wie ich glaube, gut bekommt. Nun, meine Damen und Herren, zu dem, was ich im Namen meiner Fraktion hier zu erklären habe. Erstens. Die Verantwortlichen für das Zustandekommen dieser Debatte haben, wie wir meinen, der gemeinsamen Sache, die uns hier alle verbindet, keinen guten Dienst erwiesen. Diese Debatte erleichtert auch nicht die Lösung der objektiven Fragen, vor denen wir alle stehen. ({2}) Wir tragen alle alle, dies ganze Haus - Verantwortung, Regierung wie Opposition. Die Haushaltsrede des Herrn Bundesministers der Finanzen, die wir noch heute hören werden, und die anschließende parlamentarische Debatte werden doch uns allen die objektiven Fragen aus einem wichtigen Bereich, den auch Herr Kollege Wehner angeschnitten hat, deutlich machen. Über diese Fragen ist die Koalition zerbrochen. Was immer werden mag: wir alle sind verantwortlich, verantwortlich auch für die Staatsfinanzen und mit diesen für den Geldwert. Es ist doch, meine Damen und Herren, nicht etwa gewollt oder gar herbeigeführt, wenn plötzlich die Steuereingänge niedriger angesetzt werden müssen; wenn nach wissenschaftlicher sorgsamer Berechnung die Bundeseinnahmen weniger hoch als erwartet sein werden; wenn der hier im Hause von allen Fraktionen gemeinsam erklärte Wille, im Interesse unserer Sicherheit und unserer Geltung zu unseren internationalen Verpflichtungen zu stehen, auch haushaltspolitische Konsequenzen hat. Aus seiner Amtspflicht und seiner Sorge um unser gutes deutsches Geld hat zuerst der Herr Bundeskanzler die Frage aufgeworfen, ob der Haushaltsausgleich - bei aller Bereitschaft zum Sparen und Streichen - schließlich und notfalls ohne Steuererhöhungen erreicht werden könne, dies vor allem dann, wenn der Kapitalmarkt vordringlich der Stärkung unserer produktiven Wirtschaftskraft zur Verfügung stehen soll. Dies ist die Sachfrage. An dieser ist die Koalition zerbrochen. Der Betrag, um den es geht, so wird gesagt, betrifft weniger als 1/2 % unseres Sozialproduktes. Ob bei dem bisherigen Koalitionspartner andere Gesichtspunkte und Motive eine Rolle gespielt haben, wird sich zeigen, vielleicht auch in dieser Debatte. Zweitens. Die Fraktion der CDU/CSU hält den Antrag der SPD für unzulässig. Es geht um eine Verfassungsfrage von höchstem Rang, um die Stellung des Verfassungsorgans Bundeskanzler. Es geht darum, daß einem Bundeskanzler nach dem Grundgesetz das Mißtrauen nur durch die Wahl eines neuen Bundeskanzlers ausgesprochen werden kann. Die Aufforderung zur Vertrauensfrage dreht die Sache um. Ein Recht, das das Grundgesetz dem Kanzler in die Hand gibt, um sich gegen eine etwaige negative Mehrheit zu behaupten, wird nun gegen ihn umgedreht. Dieses Haus kann durch den Art. 67 des Grundgesetzes, also durch konstruktives Mißtrauensvotum, durch die Wahl eines anderen Kanzlers, seinem Willen gegen eine Bundesregierung und deren Kanzler wirksam Ausdruck geben und Veränderungen verbindlich bewirken. Dies ist das Recht des Parlaments. Ein anderes ist das Recht des Kanzlers, niedergelegt im Art. 68 des Grundgesetzes. Dieses Recht, mit allen Konsequenzen für das Parlament, die Vertrauensfrage zu stellen, ist allein Recht des Bundeskanzlers. Allein er hat durch das Grundgesetz selbst hierfür die Initiative, und wir meinen, es ist unzulässig, einen Versuch zu unternehmen, auf den Gebrauch dieses Rechtes durch ein anderes Verfassungsorgan einzuwirken. ({3}) Dies ist eine Verkennung und falsche Anwendung unseres Grundgesetzes, wie wir meinen, und das an einem Punkt, wo, wie offenkundig, das Grundgesetz gerade insoweit in seiner rechtlichen und politischen Systematik wohlausgewogen ist. Ich sage nichts Neues, wenn ich hinzufüge, daß rechtlich auch der etwa von der Mehrheit des Hauses angenommene Antrag der SPD unverbindlich wäre. Meine Damen und Herren, wir legen hierzu noch Wert auf folgendes: Auch Demokratie braucht Autorität. ({4}) - Das Haus ist sich einig; hoffentlich sind wir uns auch noch bei dem nächsten Satz meiner Erklärung einig. ({5}) Ihr wird geschadet mit jedem Versuch, in ein unzweifelhaftes Ermessen eines Verfassungsorgans durch ein anderes Verfassungsorgan einzuwirken. ({6}) Die Vertrauensfrage nach Art. 68 des Grundgesetzes ist nach unserer Meinung eine Ermessensentscheidung allein des Bundeskanzlers als Verfassungsorgan. Die initiative zum Tätigwerden nach Art. 68 ist allein dem Kanzler durch das Grundgesetz selbst gegeben. Wir behalten uns vor, zu dieser Rechtsfrage noch im einzelnen Stellung zu nehmen. Drittens. Der Antrag der Opposition geht an der wirklichen Lage vorbei. Eine Koalition ist zerbrochen. Die Bundesregierung amtiert - nach ihrem eigenen Willen für eine sehr kurze Zeit - als Minderheitenregierung. Das Ringen um eine neue parlamentarische Mehrheit ist im Gange. Dem Hause und der Öffentlichkeit ist bekannt, daß wir uns zusammen mit dem Kanzler darum bemühen, eine von einer parlamentarischen Mehrheit getragene Bundesregierung zu schaffen. Dem Hause und der Öffentlichkeit ist bekannt, daß der Bundeskanzler erklärt hat, an seiner Person werde dies Mühen um eine von einer parlamentarischen Mehrheit getragene Bundesregierung nicht scheitern. Dem Hause und der Offentlichkeit ist bekannt, daß die CDU und die CSU heute und morgen die Lage in ihren zuständigen Parteigremien erörtern wollen; daß das Präsidium der CDU gestern dem Vorschlag von Bundeskanzler Professor Dr. Erhard zugestimmt hat, „im Einvernehmen mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Verhandlungen mit der FDP und der SPD aufzunehmen, um die Voraussetzungen für die Bildung einer parlamentarischen Mehrheit zu klären". Im Hinblick hierauf ist der Antrag der Opposition weder sachgerecht noch förderlich. ({7}) Dieses Haus ist auf vier Jahre gewählt. Es hat zu zeigen, daß es alle anstehenden Fragen mit den Methoden dieses Parlaments in dieser Zeit zu lösen vermag. ({8}) Ein viertes! Wir legen Wert darauf, dies auch heute zu sagen. Wir nehmen für niemanden den ganzen wirtschaftlichen Aufstieg in Anspruch, der für die Bundesrepublik Deutschland mit der Währungsreform begann. Das ganze deutsche Volk, in allen seinen Schichten, hat dies geschafft. Wir wissen, wie sich das deutsche Volk aus dem Elend wieder emporgearbeitet hat. Aber darüber sollten wir endlich, gerade wenn wir in die Zukunft gukken, aufhören zu streiten: daß die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen für den Erfolg durch Ludwig Erhard, zunächst in Frankfurt und dann in Bonn, geschaffen wurden. ({9}) Meine Damen und Herren, wir legen Wert darauf, diese Achtung und diesen Respekt zu bekunden. Es ist nötig, heute daran zu erinnern, in einer Zeit, in der viele die Tatsachen des Weges zum Wiederaufbau und seine Bedingungen aus ihrem Gedächtnis löschen möchten und manche Jüngeren nicht wissen, wie es eigentlich war. ({10}) Wir Deutschen sind heute - aus Krieg, Vertreibung und Trümmern - in der Produktion der Welt die dritte, im Handel die zweite und im Sozialen die erste Nation der Welt. Wir sind ein modernes Land. Es wird an den Entscheidungen dieses ganzen Hauses liegen, auch an der rechtzeitigen finanzpolitischen Entscheidung dieses ganzen Hauses, ob dies so bleibt und das Fundament für morgen gesund bleibt. ({11}) Fünftens und letztens. Die Koalition, die Ludwig Erhard führte und wollte, ist zerbrochen. Wer mit Recht von einer sich wandelnden Welt spricht, in der wir Deutsche vieles neu zu überdenken haben, der kann und darf nicht so tun, als trüge irgendeiner von uns allein die Verantwortung. Die Bedingungen der deutschen Politik sind objektiv schwerer geworden. Die CDU/CSU hat die Konsequenz gezogen, daß nun mit allen demokratischen Parteien offen und vorurteilslos über den weiteren Weg der Bundesrepublik Deutschland gesprochen werden soll. Niemand kann von uns erwarten, daß wir hierbei Ludwig Erhard irgendwie ins Unrecht setzen. ({12}) Sollte dies etwa ein Neubeginn sein - und ich sage dies nicht gegen die Rede des Kollegen Wehner, sondern gegen so manche Stimme draußen und vorsorglich für andere, die hier noch sprechen könnten -, daß wir zunächst einmal die Gegensätze aufreißen und uns auch im menschlichen Bereich auseinanderreden? Der Herr Bundeskanzler hat sich der heutigen Aussprache stellen wollen. Auch dies ist eine Haltung, die Anerkennung verdient. Auch deswegen stehen wir von der CDU/CSU für ihn ein. ({13}) Meine Damen und Herren, Ludwig Erhard will nun ohne Rücksicht auf sich mit uns eine Mehrheit für eine Regierung suchen und finden. Er wie wir wissen: es geht um keinen von uns, sondern es geht - lassen Sie mich dies sagen, weil hier auf den letzten Wahlkampf angesprochen worden ist und dies unsere Parole war; nur so ist es gemeint - um Deutschland. Unser Deutschland braucht eine stabile, den ernsten Fragen der Zeit gewachsene Bundesregierung mit einer parlamentarischen Mehr3302 heit. Das ganze Haus, wir alle miteinander sind vor eine demokratische Bewährung gestellt. ({14})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.

Knut Kühlmann-Stumm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001242, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser Land braucht so schnell als möglich eine handlungsfähige Regierung. Ihre Bildung darf nicht länger hinausgezögert werden. Unser Volk erwartet, daß die parlamentarische Demokratie aus sich heraus die anstehenden personellen und sachlichen Fragen lösen kann. Eine schnelle und klare Entscheidung muß unsere Antwort auf jene politischen Kräfte außerhalb des Bundestages sein, die in Obstruktion und destruktiver Kritik die gegenwärtige Krise für ihre parteipolitischen Ziele ausnutzen wollen. ({0}) Die Freie Demokratische Partei wird mit aller ihrer Kraft konstruktiv an einer Überwindung der entstandenen Situation mitwirken. ({1}) Wir haben als Partner in der Bundesregierung mit einem Höchstmaß an Loyalität alles getan, ({2}) um diese Regierung handlungs- und schlagkräftig zu erhalten. ({3}) Wir haben entsprechend unserer klaren Koalitionsaussage im nordrhein-westfälischen Wahlkampf durch die Bildung der Landesregierung aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt, daß die Bundesregierung unter Professor Erhard für die wichtigen gesetzlichen Maßnahmen zur Stabilisierung im Bundesrat über ausreichende Mehrheiten verfügt. Wir haben in der Debatte über den Mißtrauensantrag der Sozialdemokratischen Partei gegen den Bundesverteidigungsminister von Hassel mit einer klaren Entscheidung gegen diesen Antrag der SPD die Voraussetzung dafür schaffen wollen, daß die Christlich-Demokratische Union die in ihr schwelenden Gegensätze in Gelassenheit und ohne Zeitdruck überwinden kann. Wir haben uns schließlich zum Austritt aus der Bundesregierung entschlossen, nachdem sich zeigte, ({4}) daß eben diese Gegensätze in der CDU/CSU die Formulierung einer klaren politischen Konzeption der Bundesregierung und die Kraft zu einschneidenden und unpopulären Entscheidungen verhinderten. Beides aber ist die Voraussetzung für einen Haushalt der Stabilität. Wir haben nein gesagt zu Steuererhöhungen, weil wir die richtigen politischen Entscheidungen wollen und nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Untätigkeit oder Gefälligkeit suchen können. ({5}) Der Austritt aus der Bundesregierung ist, das betone ich hier mit Nachdruck, in klarer, politisch eindeutiger und menschlich sauberer Form gegenüber dem Bundeskanzler und gegenüber der Fraktion der CDU/CSU geschehen. Wir haben nicht den Weg der Opposition in der Koalition und auch nicht den Weg der Intrige gegen den Bundeskanzler gewählt, ({6}) sondern wir haben dort die Konsequenzen gezogen, wo die sachliche Einigung in diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich erschien. Unsere Bemühungen um eine überzeugende gemeinsame Politik in der Bundesregierung sind immer wieder erschwert worden durch die permanenten Angriffe, denen die Bundesregierung, einzelne Mitglieder dieser Regierung und vor allem der Bundeskanzler selbst aus den eigenen Reihen ausgesetzt waren. ({7}) Wir sind in einen Zustand geraten, meine Damen und Herren, in dem die Energien dieser Regierung sich in innerparteilichen Auseinandersetzungen und in Angriffen auf den Bundeskanzler und andere Inhaber wichtiger Ressorts zu verbrauchen drohen, ({8}) und wir stehen vor der Gefahr, daß sich die Parteikrise in der CDU zu einer Staatskrise ausweitet. ({9}) Das kann niemanden freuen. Wir wünschen der CDU/CSU, daß sie schnell ihr Verhältnis zu Bundeskanzler Erhard klärt. ({10}) Der Bundeskanzler hat es nicht verdient, daß er das Opfer von Rivalitäten, Unentschlossenheit und persönlichen Attacken wird. ({11}) Das Wort „Ludwig Erhard ist und bleibt Kanzler" ist noch unvergessen, und schon wird über seine Mitwirkung an der eigenen Nachfolge gesprochen. Die Entscheidung darüber, meine Damen und Herren, welche Persönlichkeit aus der CDU/CSU eine neue Regierung bildet, mit wem auch immer, muß in ihren eigenen Reihen entschieden werden. Wir sind nicht bereit, Hilfestellung zu leisten gegen oder für irgend jemand. ({12}) In dieser Stunde haben alle Fraktionen dieses Hohen Hauses die Pflicht, von der Sache her und nicht durch Personaldiskussionen auf eine Überwindung der bestehenden Krise hinzuwirken. Die sozialdemokratische Fraktion, die nach ihrer Stärke in der Lage wäre, sich um die Wahl eines neuen Bundeskanzlers zu bemühen, hat sich für den Weg des hier vorliegenden Antrags entschieden. Auch Sie, meine Herren von der SPD, werden eines Tages Farbe bekennen müssen, was Sie wollen. ({13}) Sie werden vor der deutschen Öffentlichkeit darlegen müssen, ob Sie selbst eine Regierung führen, ob Sie Juniorpartner in einer anderen Regierung sein oder ob Sie weiterhin die Funktion der Opposition erfüllen wollen. Sie sollten nicht den Versuch unternehmen, sich dieser Verantwortung durch die Forderung nach Neuwahlen zu entziehen. Dieses Parlament ist in seiner Zusammensetzung in der Lage, handlungsfähige Regierungen der verschiedensten Zusammensetzungen zu bilden. Wir Freien Demokraten haben erklärt, daß wir bereit sind, auf sachlicher Grundlage Verhandlungen über die Bildung einer neuen Bundesregierung mit denjenigen politischen Kräften in diesem Hause zu führen, die uns dazu auffordern. ({14}) Wir lassen keinen Zweifel darüber, daß wir auch für die Zukunft im Interesse der parlamentarischen Demokratie für dieses Haus eine parlamentarische Opposition wünschen, und wir sind auch bereit, diese Opposition selbst zu übernehmen, ({15}) wenn die Gespräche über Sachfragen zu dem Ergebnis führen sollten, daß wir uns an einer Bundesregierung nicht beteiligen können. ({16}) Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei stimmt dem vorliegenden Antrag zu. Diese Zustimmung bedeutet keine Vorwegnahme irgendwelcher koalitionspolitischer Entscheidungen. Sie können erst nach Klärung der politischen Sachfragen getroffen werden. Wir bitten Sie, Herr Bundeskanzler, vor diesem Hohen Hause die Vertrauensfrage zu stellen. Wir bitten Sie, damit Ihre eigene Fraktion zu zwingen, Klarheit zu schaffen ({17}) über das Verhältnis zu Ihnen. Wir sind, verehrter Herr Bundeskanzler, der Auffassung, daß Sie Anspruch haben auf die öffentliche, vor aller Welt sichtbare Klärung des Verhältnisses Ihrer eigenen Freunde zu Ihnen und zu Ihrer Politik. ({18}) Wir Freien Demokraten wissen, daß Sie, Herr Bundeskanzler, sich wie wir um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Koalition bemüht haben. Deshalb können wir Freien Demokraten Ihnen auch heute in dieser Aussprache mit Anstand und Offenheit gegenübertreten. ({19})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Ludwig Erhard (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000486

Herrr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde dem Ersuchen, das Vertrauen des Hauses für mich zu erbitten, unter gar keinen Umständen nachkommen, und zwar weil ich nicht gegen Geist und Sinn der Verfassung verstoßen möchte. ({0}) Meine eigene Haltung habe ich deutlich genug gemacht, indem ich wiederholt erklärt habe: ich klebe nicht an diesem Sessel; an mir wird eine regierungsfähige Mehrheit nicht scheitern. Ich glaube, klarer kann eine Aussage nicht lauten. Aber ich lehne es ab, an einem Schauprozeß teilzunehmen, ({1}) um so mehr, als ein rechtskräftiges Urteil von Ihnen überhaupt nicht gefällt werden kann und nicht gefällt werden darf. ({2}) Es hätte Ihrer Worte nicht bedurft, um für mich ,die Lage klar erkennbar werden zu lassen; davon können Sie überzeugt sein. Es bestand kein hinreichender Grund, diese „nationale Tragödie", so wie Sie es dargestellt haben, hier aufzuführen. ({3}) Ich lehne es auch ab, Empfehlungen oder Belehrungen über Demokratie entgegenzunehmen. Was Demokratie bedeutet, Herr Wehner, weiß ich sehr wohl. ({4}) Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir auch nicht jeweils nach der gegebenen Situation, wenn es einer Partei gerade günstig scheint, einen für eine Legislaturperiode gewählten Bundestag nach Belieben wieder auflösen. Gerade das widerspricht dem Geist der Demokratie. ({5}) So bleibt meine Haltung klar, unabhängig von dem Fortgang dieser Debatte, unabhängig von der Abstimmung. Ich werde einen Antrag auf Erteilung des Vertrauens hier in diesem Hohen Hause nicht stellen. Wenn ich das sage, dann ist das nicht etwa eine Abwertung oder eine Geringschätzung dieses Hauses, sondern ich fühle mich umgekehrt als Hüter einer guten demokratischen Ordnung und als Wahrer des Grundgesetzes. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, nach dieser Erklärung, die der Herr Bundeskanzler abgegeben hat und die deutlich machen soll, er bleibe dort, wo er sei, und er werde sich nicht um die Meinung dieses Hauses kümmern, noch einmal - ({0}) - Entschuldigen Sie, Sie werden auch am Ende dieser Debatte nicht erreichen, daß Obstruktion über unsere ernsthafte Bemühung siegt. ({1}) - Das werden Sie nicht erreichen. ({2}) Ich habe hier nur in einem Punkt dem Herrn Bundeskanzler ganz entschieden zu widersprechen, wegen des hier völlig deplazierten Wortes „Schauprozeß". ({3}) Dies ist das freigewählte Parlament, und ich habe dem nichts hinzuzufügen. Wir sind das freigewählte Parlament; Herr Bundeskanzler, Sie sind auch gewählt. Das Wort ist hier deplaziert, und Sie sollten es zurücknehmen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Das Haus hat über den Antrag auf Drucksache V/1070 abzustimmen. Ich denke, daß der Antrag bekannt ist; ich brauche ihn nicht zu verlesen. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. ({0}) Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben abgestimmt 501 Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben gestimmt 255, mit Nein 246; Stimmenthaltungen keine. Der Antrag V/1070 ist damit angenommen. Bevor ich Punkt 3 der Tagesordnung aufrufe, gebe ich folgenden Brief des Herrn Bundeskanzlers bekannt: Sehr geehrter Herr Präsident, ich beehre mich, davon Kenntnis zu geben, daß der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag folgende Bundesminister unter Beibehaltung ihres bisherigen Amtes ernannt hat: Herrn Bundesminister für Wirtschaft Kurt Schmücker zum Bundesminister der Finanzen, Herrn Bundesminister für Familie und Jugend Dr. Bruno Heck zum Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau, Herrn Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Dr. Johann Baptist Gradl zum Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Herrn Bundesschatzminister Dr. Werner Dollinger zum Bundesminsiter für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Mit vorzüglicher Hochachtung Ludwig Erhard Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 ({1}) - Drucksache V/1000 Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen, Herr Kurt Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Minister:in)

Politiker ID: 11002040

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gegenwärtige parlamentarische Lage ist fraglos auch für die Einbringung eines Haushalts alles andere als ideal. Und stünden wir nicht unter einem außergewöhnlichen Zeitdruck, würde auch ich zu denen zählen, die einer späteren Beratung den Vorzug geben. Man kann es allerdings auch anders sehen und im Haushalt die Probe aufs Exempel suchen nach all den großen Grundsatzreden, die in den letzten Wochen gehalten worden sind. Das Wesentliche aber ist: die mit dem Haushaltsentwurf vorgelegten Finanz- und Steuergesetze müssen den Ausschüssen überwiesen werden, weil sonst kaum eine Möglichkeit besteht, sie - in dieser oder in einer geänderten Form - so rechtzeitig zu verabschieden, daß sie noch zum Jahresbeginn in Kraft treten können. ({0}) Dieses Hohe Haus muß also noch in diesem Jahr zu den Kernfragen der Finanz- und Haushaltspolitik Stellung nehmen, weil es sonst von der Entwicklung überrollt und in seinen eigenen Entschlüssen unfrei werden könnte. ({1}) Die Finanzierungslücke des Haushalts 1967 könnte so groß werden, daß eine Reparatur, wenn überhaupt, dann nur noch unter gefährlichen Begleitumständen für Staat und Wirtschaft möglich wäre. Dies ist leider die Wahrheit, und keines der Patentrezepte, an denen es in diesen Wahlwochen wahrlich nicht fehlt, kann darüber hinweghelfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erwarte nun nicht von Ihnen, daß Sie sich dieser Zwangslage ohne Kritik fügen. Im Gegenteil, es sollte allen Ursachen nachgegangen werden, jeder Fehler sollte genannt und es sollte hart geprüft werden, inwieweit die unvorhergesehenen Ereignisse tatsächlich außerhalb jeder Abschätzung waren. Aber niemand sollte meinen, daß eine noch so glaubwürdig klingende Schuldfeststellung ihm die Rechtfertigung gäbe, nur über mutmaßliche Versäumnisse anderer zu reden und selber zu versäumen, die Gefahr abzuwenden. ({2}) Ich wiederhole: auch ich bin von den Umständen, unter denen ich diese Vorlage zu begründen habe, keineswegs beglückt. Manche Zahl und manche Erläuterung, die ich Ihnen aus eigenem Antrieb gern gegeben hätte, kann ich Ihnen nicht sagen, weil die Arbeit in der Kürze der Zeit einfach nicht zu schaffen war. Ich bewundere ohnehin jeden Tag mehr, wie der Teil unserer Beamten und Angestellten, auf den sich die Hauptlast immer wieder konzentriert, sich fernab von den sozialen und freizeitlichen Annehmlichkeiten unserer Wohlstandsgesellschaft bis zur Erschöpfung abmüht, um all das bereitzustellen und aufzuarbeiten, was Parlament und Regierung von ihm verlangen. ({3}) Das Hauptanliegen, das ich Ihnen vortragen möchte, ist nicht die Bitte um Zustimmung zu den Vorlagen, - das ist der zweite Punkt. Meine erste und wesentlichste Bitte ist, die Beratungen in den Ausschüssen aufzunehmen und dort nach sachlichen Gesichtspunkten fristgerecht zu entscheiden. Das Parlament und jede Regierung - sie mag gebildet werden von welchen Parteien auch immer -, Parlament und Regierung brauchen diese Beschlüsse, um ihre Arbeiten fortsetzen zu können. Erhalten sie keine Beschlüsse, kann ein Schaden entstehen, der in Jahren nicht auszubessern sein wird. Weil das so ist, hat die Bundesregierung unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Professor Ludwig Erhard beschlossen, trotz des Ausscheidens der FDP aus der Regierungskoalition und dem damit verbundenen Ausscheiden des Kollegen Dr. Dahlgrün als Bundesfinanzminister, den Deutschen Bundestag um die Beratung des Haushaltsentwurfs 1967 und der dazu gehörenden Gesetze zu bitten. Das Grundgesetz gibt uns allen bestimmte Pflichten zur Haushaltspolitik auf. Diese Pflichten betreffen keineswegs allein die Regierung. Sie stellen sich auch für den Bundesrat und für den Deutschen Bundestag. Und wenn es richtig ist - und ich bin dieser Meinung -, daß das Etatrecht das vornehmste Recht des Parlaments ist, dann darf sich das Parlament nicht der Etatberatung entziehen, sondern es muß sich ihr stellen. ({4}) Parlamentarische Mehrheiten können dann den Etat gegenüber der Vorlage völlig umgestalten und dabei die Regierung politisch in die Enge treiben. Aber sie können nicht auf die Feststellung des Etats verzichten. Es heißt in Art. 110 des Grundgesetzes: „Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt". Das Grundgesetz gibt, falls der Termin nicht eingehalten werden kann, ergänzende Vorschriften, aber es bleibt bei dem Auftrag an den Gesetzgeber, den Etat als Gesetz festzustellen. Auch die weitere Vorschrift, Einnahmen und Ausgaben auszugleichen, gilt keineswegs nur für die Bundesregierung, die nach der Reichshaushaltsordnung den Entwurf des Haushalts vorzulegen hat, sondern in gleicher Weise für den Gesetzgeber, der einen Haushalt - ich wiederhole es - als Gesetz beschließen muß. Meine Damen und Herren! Die Aufstellung und die Einbringung dieses Haushalts fallen in eine Zeit des Wandels unserer wirtschaftlichen und finanzpolitischen Verhältnisse. Über die Finanzpolitik und unsere aktuellen Haushaltsschwierigkeiten kann daher nur derjenige gerecht urteilen, der diese Änderungen auch klar vor Augen hat. Lassen Sie mich deshalb - bevor ich auf die speziellen Haushaltsfragen zu sprechen komme - einige Worte zur volkswirtschaftlichen Ausgangslage sagen. Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung hat in drastischer Weise klargemacht, daß die Nachkriegszeit mit den überaus hohen Wachstumsraten vorbei ist. Das heißt nicht, daß jetzt die sieben mageren Jahre mit Elend und Not beginnen werden und Abstriche am bisherigen Wohlstand gemacht werden müssen; es geht nur um ein ausgeglicheneres Tempo in einer im übrigen weiter aufwärtsgerichteten Entwicklung. ({5}) Wir stehen schon seit einiger Zeit in einem ausgeprägten Anpassungs- und Konsolidierungsprozeß. Dieser Prozeß wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Die realen Wachstumsraten der fünfziger Jahre lagen noch bei 8 %. Die Wachstumsraten haben sich in der ersten Hälfte der sechziger Jahre bereits auf rund 5 % ermäßigt. Und sie werden sich aller Voraussicht nach bis 1970 im Rahmen von etwa 3,5 bis 4 % bewegen. Aber solche Wachstumsraten sind doch durchaus attraktiv, und sie können sich langfristig im internationalen Vergleich sehr wohl sehen lassen. Die Normalisierung der Wachstumsbedingungen ist doch nichts anderes als die natürliche Entsprechung der erreichten Vollbeschäftigung. Die Überwindung der Unterbeschäftigung, der Arbeitslosigkeit also, ist naturnotwendig mit höherem Wachstum verbunden. Dieses höhere Wachstum normalisiert sich dann ebenso natürlich, wenn die Vollbeschäftigung erreicht ist, also die Arbeitsreserven geringer geworden sind. Ein Arbeitsmarkt mit einer an Überbeschäftigung heranreichenden Vollbeschäftigung ist d e r große Erfolg unserer Wirtschaftspolitik, ({6}) aber er ist ganz selbstverständlich auch die Ursache für unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten, für unsere gegenwärtigen Erfolgsschwierigkeiten. Es ist schade, daß diese einfachen und klaren Realitäten immer wieder mißdeutet und unbewußt und leider auch bewußt zu einer Stimmungsmache mißbraucht werden, ({7}) zu einer Stimmungsmache, die allen nur schaden kann. Ob Preisentwicklung, ob Kapitalmarkt ob Zahlungsbilanz, ob Strukturprobleme einzelner Branchen und Regionen, ob Haushaltsdefizite, - für alle diese Probleme gibt es zwar auch Sonderfaktoren und eine Reihe von Sondererklärungen, sie haben aber letztlich ihre gemeinsame Ursache in der Ver3306 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode änderung des wirtschaftlichen Wachstums. Die Halbierung der Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüber den fünfziger Jahren ist also der entscheidende Tatbestand, mit dem wir uns abfinden müssen. Und ich meine, wir sollten das ohne Bitterkeit tun, wir sollten befriedigt sein, daß wir ohne nennenswerte Arbeitsreserven diese hohen Mehrleistungen weiterhin erzielen. Nach den halbierten Zuwachsraten müssen wir allerdings in größerem Umfang als bisher Vorsorge treffen, um das Wachstum der Wirtschaft auch für die Zukunft zu sichern. Das wiederum verlangt Bescheidung bei vielfältigen und im einzelnen unbestreitbar berechtigten Wünschen. ({8}) Die verlangsamte Wirtschaftsentwicklung führt zwangsläufig zu einer entsprechend abgeschwächten Einnahmesteigerung, nicht zu einer Abschwächung der Einnahmen. Dann kommt hinzu: Trotz Zurückstellung vieler an sich berechtigter Ausgabenwünsche konnte die Ausgabenvermehrung nicht in dem Umfang begrenzt werden, wie es von der Einnahmeentwicklung her geboten gewesen wäre. Infolgedessen haben alle öffentlichen Haushalte mit großen Schwierigkeiten bei der Deckung ihres Finanzbedarfs zu kämpfen. Damit stellen sich der Finanzpolitik neue und zum Teil völlig andersgeartete Aufgaben. Mußte es in der Vergangenheit das Hauptziel sein, angemessene Lebensverhältnisse für alle Schichten unserer Bevölkerung zu schaffen, so gilt es nunmehr, die Grundlagen für die Zukunftssicherung zu gestalten. Das eben erfordert ein Umdenken und eine Überprüfung aller Aufgaben und Ausgaben. Entscheidend für die Gewährung von Leistungen können künftig nicht mehr der Besitzstand und die gesetzliche Fixierung von Ausgaben sein, sondern nur die Sicherung unserer künftigen Lebensgrundlagen. Dazu bedarf es einer längerfristigen Orientierung der Finanzpolitik und einer konsequenten, zugleich aber behutsamen und nicht abrupten Umstellung. Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen allen Ernstes zu erwägen, baldmöglichst alle ausgabewirksamen Gesetze unter den gesetzlichen Generalvorbehalt der haushaltsmäßigen Möglichkeiten zu stellen. Ausnahmen ,davon sollte es nur dann geben, wenn sie rechtlich zwingend geboten sind. Sosehr also ein harter Kurs nötig ist, so wenig darf er zu Lasten nur einer Gruppe oder weniger Gruppen unseres Volkes gehen. Die deutsche Bevölkerung soll wissen, daß die Bundesregierung die Prinzipien ihrer Gesellschafts- und Sozialpolitik nicht in Frage stellen lassen wird. ({9}) Das Festhalten an diesen Grundsätzen bedeutet andererseits nicht, daß der Bereich der Sozial- und Gesellschaftspolitik finanzpolitisch tabu sein kann und darf. 'Die Anpassung muß in allen Bereichen erfolgen. Wenn wir alle, ob Parlament, Bundesregierung, aber auch Unternehmer und Gewerkschaften, diesen Weg der Anpassung nicht freiwillig gehen, so wird die ökonomische Entwicklung diese Anpassung erzwingen. Doch diese Anpassung wird dann einen weitaus höheren Preis erfordern, als er heute nötig ist, einen Preis, 'der die Grundlagen unseres Staates nur zu leicht erschüttern könnte. Nicht Nachgiebigkeit gegenüber allen noch so berechtigten Forderungen - von den unberechtigten rede ich gar nicht - und schon gar nicht die Selbstschonung zu Lasten anderer, sondern Härte und Prioritätsentscheidungen nach den sachlichen Notwendigkeiten und der Maxime der sozialen Gerechtigkeit sind die Devise einer guten Politik. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ausgehend von dieser Grundhaltung hat die Bundesregierung am 29. September 1966 den Entwurf des Bundeshaushalts 1967 und die damit im Zusammenhang stehenden folgenden Gesetzentwürfe beschlossen: ein Erstes Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung ({10}), ein Zweites Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung ({11}) und ein Zweites Gesetz über 'das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Am 26. Oktober 1966 hat die Bundesregierung nach zehnstündiger eingehender Beratung einstimmig beschlossen, die für den Haushalt 1966 aufgetretenen Schwierigkeiten durch den Nachtragshaushalt 1966 zu lösen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung festgestellt, daß die bei Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 1967 am 29. September 1966 noch nicht bekannten Mehrbelastungen bzw. Mindereinnahmen durch einen Ergänzungshaushalt 1967 aufgefangen werden sollen. Ich möchte diese Daten noch einmal in die Erinnerung zurückzurufen, weil dies zu einer sachgerechten Behandlung der Haushaltsprobleme unerläßlich ist. Man kann alle Einzelentscheidungen und die Entwicklung bis heute nur dann richtig beurteilen, wenn man bei der Prüfung beachtet, welche Tatsachen zu einer bestimmten Zeit vorlagen oder bekannt waren. Man gelangt - gewollt oder ungewollt - ganz zwangsläufig in eine schiefe Betrachtung, wenn man den Ablauf der Ereignisse nicht mehr unter Berücksichtigung des Zeitfaktors wertet, sondern aus dem Wissen nur des heutigen Tages diskutiert. Der Bundesminister der Finanzen, Herr Kollege Dr. Dahlgrün, hat am 27. August 1966 den Grundsatzbeschluß des Kabinetts, das Volumen des Bundeshaushalts 1967 auf 73,9 Milliarden DM zu begrenzen, in einer Pressekonferenz bekanntgegeben. Die Bundesregierung hatte sich unter erheblichen Anstrengungen bemüht, die Zuwachsrate des Bundeshaushalts in konjunkturpolitisch vertretbaren Grenzen zu halten. Die Einnahmesteigerung gegenüber dem Vorjahr war mit rund 5 Milliarden DM veranschlagt. Schon bei dem Grundsatzbeschluß waren sich a 11 e Kabinettsmitglieder - ich wiederhole: a 11 e Mitglieder des Kabinetts - darüber im klaren, daß diese Mehreinnahmen nicht ausreichen würden, um die unabweisbaren zusätzlichen AufBundesminister Schmücker gaben zu erfüllen, und daß darum erhebliche Ausgabenkürzungen vorgenommen werden müssen. In dem genannten Grundsatzbeschluß ging die Bundesregierung davon aus, daß der Zuwachs des Ausgabenvolumens für den Haushalt 1967 von 7,2 v. H. nur deswegen konjunkturpolitisch vertretbar ist, weil in diesem Zuwachs erhebliche Beträge mit kontraktiver Wirkung enthalten sind. Damals standen das Volumen des Bundeshaushalts und seine konjunkturelle Wirkung im Mittelpunkt der öffentlichen Erörterung. Es ist die Aufgabe der konjunkturpolitischen Beobachtung, die sich ständig verändernden Verhältnisse zur Kenntnis zu nehmen und den Mut zu haben, sich mit ihnen jeden Tag aufs neue auseinanderzusetzen. Heute ergeben sich in dieser Auseinandersetzung andere Konsequenzen als noch vor wenigen Monaten. Wer dies nicht wahrhaben will, dem sei geraten, das jüngste Datenbild genau zu studieren und die Vergleiche zum September zu ziehen. Im übrigen ist es für die Offentlichkeit, die es gern mit gleichbleibenden Aussagen zu tun hat, gar nicht so einfach, in einer Debatte mit fortgesetzt sich ändernden Zahlen Schritt zu halten, zumal diese Zahlen außerdem immer noch umstritten sind. Und da ist es Sache der Politik, jedem demagogischen Mißbrauch dieser unvermeidbaren Änderungen entgegenzuwirken, anstatt ihn selber zu betreiben. ({12}) Die Bundesregierung konnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 1967 davon ausgehen, daß der Haushalt in seinen Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen war und daß das Ausgabevolumen den konjunkturellen Notwendigkeiten entsprach. Nach Verabschiedung des Bundeshaushalts durch die Bundesregierung am 29. September 1966 sind jedoch neue Entwicklungen aufgetreten und neue Tatsachen bekanntgeworden. Sie waren bei der Verabschiedung des Haushaltsentwurfs durch die Bundesregierung in diesem Ausmaß nicht vorauszusehen. Sie müssen aber bei der weiteren Behandlung des Haushaltsentwurfs berücksichtigt werden. Auf Grund der neueren Entwicklung kann deshalb der ursprüngliche Haushaltsentwurf 1967 heute nicht mehr als ausgeglichen betrachtet werden. Die Bundesregierung hat deshalb sehr rasch alles in ihren Kräften Stehende getan, um die haushaltsmäßigen Auswirkungen der neuen Umstände zu prüfen und zu berücksichtigen. Dazu hat es nicht erst der Anregung des Bundesrates bedurft. Bevor der Bundesrat, ohne auf die bemerkenswerten Empfehlungen seines Finanzausschusses einzugehen, seine Entschließung verabschiedete, die im Kern übrigens einen Verzicht auf eine Stellungnahme im ersten Durchgang darstellt, hatte ich bereits im Auftrage der Bundesregierung einen Ergänzungshaushalt angekündigt. Die Bundesregierung hat am 4. November 1966 diesen Ergänzungshaushalt beschlossen, der aus folgenden Gründen notwendig geworden ist. Erstens. In den Verhandlungen mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ist es unabweisbar geworden, in Erfüllung des Devisenausgleichsabkommens weitere Vorauszahlungen zu leisten, mit denen spätere Beschaffungen durchgeführt werden sollen. Dieser Verpflichtung kann sich die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die gewaltigen finanziellen Aufwendungen, die unsere amerikanischen Freunde für die Verteidigung der Freiheit und für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aufbringen, schon aus moralischen Gründen nicht entziehen. Neben der im Nachtrag 1966 vorgesehenen Sonderzahlung von 1 Milliarde DM und der vorzeitigen Ablösung des Restbetrages der Nachkriegswirtschaftshilfe in Höhe von annähernd 800 Millionen DM bleibt noch ein Betrag von rund 1,8 Miliarden DM bis zum 30. Juni 1967 zu finanzieren, für den Mittel im Entwurf des Haushalts 1967 zunächst nicht ausreichend vorgesehen waren. Dafür, daß die Bundesregierung davon absehen mußte, Mittel für den Devisenausgleich in bestimmter Höhe im Haushaltsentwurf 1967 einzuplanen, bevor das Ergebnis der Verhandlungen vorlag, wird, so hoffe ich, jeder Verständnis haben, der sich in dem Geschäft internationaler Verhandlungen auskennt. Weil noch immer weit verbreitet die Ansicht zu hören ist, es handle sich bei den Devisenzahlungen um Barleistungen für den Aufenthalt amerikanischer Truppen in Deutschland, nehme ich noch einmal die Gelegenheit wahr, dieser irrigen Auffassung entgegenzutreten. ({13}) Es geht bei diesen Abkommen darum, in echter Gegenseitigkeit für einen Teil der Gelder, die amerikanisches Militär in Deutschland in Devisen ausgibt, Rüstungsgüter in den USA zu kaufen, Rüstungsgüter, die gebraucht werden, allerdings nicht in gleichbleibenden Beschaffungsgrößen, sondern in unterschiedlichen Beträgen und Zeiträumen. Mit dieser Feststellung habe ich keine Aussage über die kommenden Vereinbarungen treffen wollen. Bei ihnen kann man nicht ohne Bindung an die amerikanische und die deutsche Zahlungsbilanz verhandeln. ({14}) Zweitens. Neben der Korrektur bestimmter Ausgabepositionen, die, wie z. B. die Zuschüsse für die knappschaftliche Rentenversicherung, auf Grund jüngster Schätzungen über die Ansätze des Haushaltsentwurfs 1967 hinaus zu Mehrausgaben von 180 Millionen DM führen, bedarf der Haushaltsentwurf 1967 insbesondere auch deswegen einer Ergänzung, weil die Steuereinnahmen hinter den dem Entwurf zugrunde gelegten Erwartungen voraussichtlich um 1,1 Milliarden DM zurückbleiben. Die in dem Entwurf des Bundeshaushalts 1967 enthaltenen Steueransätze beruhen auf Schätzungen des bekannten Arbeitskreises Steuerschätzung vom April dieses Jahres. Dieser Arbeitskreis, dem außer Vertretern des Bundes Vertreter der Länder, der Deutschen Bundesbank und der wirtschaftswissenschaftlichen Institute angehören, ist bei seinen Beratungen am 12. Oktober dieses Jahres, also nach Verabschiedung des Haushaltsentwurfs durch das Kabinett, in seiner Mehrheit zu dem Ergebnis ge3308 kommen, daß das Bruttosozialprodukt im nächsten Jahr nicht, wie früher angenommen, um nominal 7 %, sondern nur um 6,3 % steigen wird. Der Vorgang, daß man mit der Annäherung an den Schätzungszeitraum auch seine Schätzungen korrigiert, ist nun alles andere als ungewöhnlich und alles andere als dramatisch. ({15}) Die Finanzexperten dieses Hohen Hauses sollten es nicht zulassen, daß Nichtkenner der Materie daraus Sensationsmeldungen konstruieren. ({16}) Im übrigen sind die neuen Schätzungen auch deshalb notwendig geworden, weil wir mit unseren gemeinsamen Stabilitätsbemühungen weiter vorangekommen sind. Auch deshalb werden wir die ursprünglich erwarteten Steuermehreinnahmen nicht erreichen, sondern einen um 1,1 Milliarden DM kleineren Betrag. Die Bundesregierung könnte, rein rechtlich gesehen, den Haushaltsentwurf 1967, wie im September beschlossen, passieren lassen. Aber sie möchte ganz bewußt das Parlament und die Offentlichkeit auf die veränderte Situation hinweisen, um alle vor Illusionen zu bewahren. Man darf nicht von Voraussetzungen ausgehen, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr entsprechen. Zur mittelfristigen Planung gehört der Mut zur täglichen Anpassung. Wer ihn nicht hat, rennt ins Verderben der rechthaberischen, selbstherrlichen Planwirtschaft. ({17}) Drittens. Die Bundesregierung betrachtet seit langem mit Sorge die Finanznot der Städte und Gemeinden. Die Hauptlast der Sozialinvestitionen, die als Voraussetzungen für das Wachstum unserer Wirtschaft und den Wohlstand unserer Bürger Vorrang vor vielen anderen genießen, fällt in den Aufgabenbereich der Städte und Gemeinden. Ich nenne insbesondere die ungelösten Probleme des innerstädtischen Verkehrs. Deshalb ist die Bundesregierung der Meinung, daß Bundesregierung und Bundestag mutig und offen den Weg einer tragbaren Erhöhung der Mineralölsteuer gehen sollten, um damit den Städten und Gemeinden bei der Lösung ihrer Verkehrsprobleme helfen zu können. ({18}) Ich erwähne dankbar die Vorarbeiten des Kollegen Müller-Hermann, der mit seinen Vorstößen viel getan hat, um die Offentlichkeit für eine derartige Lösung des Problems zu gewinnen. Die Bundesregierung trägt mit ihrem Vorschlag auch den von den Städten und Gemeinden bei den Hearings zum Stabilitätsgesetz vorgetragenen Wünschen Rechnung und folgt der einstimmigen Entschließung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages. Durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf pro Kilogramm soll es ermöglicht werden, den kommunalen Anteil am Aufkommen der Mineralölsteuer zunächst im Jahre 1967 um 440 Millionen DM zu erhöhen. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Bevölkerung dieser Sofortmaßnahme großes Verständnis entgegenbringt, zumal die Mehrbelastung der Verkehrsteilnehmer ihrer eigenen Sicherheit zugute kommt. Meine Damen und Herren, auf Grund der aufgezeigten Entwicklung besteht im Haushalt 1967 eine Deckungslücke von fast 3 Milliarden DM, die im Rahmen des vorliegenden Haushaltsentwurfs mit seinem Volumen von 73,9 Milliarden DM nicht ausgeglichen werden kann. Die Bundesregierung hat deshalb am 4. November einen Ergänzungshaushalt beschlossen und ihn dem Bundesrat am 7. November zugeleitet. Vor Aufstellung dieses Ergänzungshaushaltes hat die Bundesregierung sorgfältig alle Möglichkeiten von Ausgabenkürzungen geprüft. Sie hat dabei fast jede Anregung, die aus der interessierten Offentlichkeit an sie herangetragen worden ist, untersucht. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß, bevor an Steuererhöhungen herangegangen wird, alle Einsparungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein sollten. Das gilt nicht nur für Steuererhöhungen, die durch Heraufsetzung der Tarife entstehen, sondern auch für Steuererhöhungen, die beim Fortfall von Vergünstigungen eintreten. Die zwischen diesen beiden Arten gemachte fein säuberliche Unterscheidung wird nach meiner Meinung sehr übertrieben. ({19}) Wie schwer es war, weitere Ausgabenkürzungen vorzunehmen, wird jedermann bei dem Hinweis deutlich, daß vor der Aufstellung des ursprünglichen Haushaltsplanes 1967 bereits Streichungen in Höhe von 5,4 Mrd. DM vorgenommen wurden. Natürlich hat die Bundesregierung sich auch überlegt, ob sie den politisch scheinbar so plausiblen Weg der Globalkürzung gehen sollte. Sie hat dies nicht getan, weil diese sogenannten globalen Maßnahmen wegen der rechtlichen Bindung der meisten Haushaltstitel gar keine globalen, sondern nur sehr partielle Aktionen darstellen würden. Es gibt gar keine tatsächliche globale Streichungsmöglichkeit. Wenn das aber so ist, dann sollte man sich ein langes Allgemeingerede über globale Kürzungen ersparen und sofort die Mühe der Einzeluntersuchung auf sich nehmen. Die Bundesregierung ist jedem dankbar, der über die Vorschläge, die sie gemacht hat, hinaus politisch durchsetzbare Anregungen gibt. Aber es hat keinen Sinn, daß einzelne oder Gruppen aus der Schonung ihres Bereichs heraus immer nur bei anderen abzugsfähige Beträge entdecken. ({20}) Daß die Bundesregierung jene Vorschläge, welche den Bundeshaushalt zu einem reinen Verwaltungsetat degradieren und damit den Ausstieg aus jeglicher Politik fordern, nicht ernst nimmt, dürfte nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch im größten Teil der deutschen Offentlichkeit verstanden werden. Ich stimme übrigens dem Kollegen Hermsdorf in seinem Urteil über einen bestimmten Radikalvorschlag durchaus zu. Es wird im Ergänzungshaushalt vorgeschlagen, weitere Ausgabenkürzungen von 560 Millionen DM vorzunehmen. Zu beachten bleibt ferner, daß der Verteidigungshaushalt neben den ausgewiesenen 200 Millionen zusätzlich mit rund 500 Millionen für die Deckung des Offset-Abkommens herangezogen wird. Diese Umschichtungen müssen Sie bei den Kürzungen mit berücksichtigen.. Es ist der Bundesregierung besonders schwer gefallen, für die Entwicklungshilfe und die Bundesrückerstattung eine Kürzung der Ansätze um je 100 Millionen DM vorzusehen. Sie sieht die darin liegenden Schwierigkeiten für unsere Politik, hat aber diesen Vorschlag aus dem Zwang der Finanzlage nicht auslassen können. Man muß sehen, daß ein weiteres Aussteigen aus der Entwicklungshilfe eine politische Selbstbeschränkung darstellt, die bis in die Deutschlandfrage hineinwirkt. Die Empfänger der Entwicklungshilfe mögen aber auch bedenken, daß die Bundesrepublik auf die Dauer nur helfen kann, wenn sie wirtschaftlich stark und leistungsfähig bleibt. Im Bereich der Kriegsopferversorgung glaubt die Bundesregierung durch einen Umbau der Möglichkeit der Kapitalisierung von Grundrenten im Bundeshaushalt einen Betrag von 120 Millionen DM einsparen zu können, ohne daß dadurch den Kriegsopfern ein Nachteil entsteht. Es ist daran gedacht, die gesetzliche Einengung der Kapitalisierung aufzulockern und eventuell die Renten in beschränktem Ausmaß beleihbar zu machen. Dazu kämen dann allerdings die Risiko- und Zinshilfen. Die Bundesregierung folgt mit diesen ihren Kürzungen übrigens weitgehend den Empfehlungen des Ausschusses des Bundesrates, wenngleich der Bundesrat selber sie nicht aufgegriffen hat. Nun zum Offset-Abkommen. Die Bundesregierung glaubt es verantworten zu können, 500 Millionen DM zum Zwecke des Devisenausgleichs am Geldmarkt aufzunehmen. Im früheren Stadium der Beratungen war man davon ausgegangen, zur Schonung des Bundeshaushalts über 1 Milliarde DM über den Geldmarkt zu decken. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß dieser Plan aufgegeben worden ist. Es wäre eine zu formalistische Betrachtung gewesen, eine Betrachtung, die sich nur nach einem äußeren Zahlenbild orientiert, wenn man den Steuerzahler angeblich geschont und dafür den Kapitalmarkt beansprucht hätte. ({21}) Die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes ist eine wirtschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges. Man darf diese Aufgabe nicht vernachlässigen, ja, wir dürfen nicht einmal unsere Anstrengungen vermindern, auch dann nicht, wenn wir dadurch zu unpopulären Steuerdebatten gezwungen werden. Stabilität und Vollbeschäftigung sind auf einen funktionierenden Geld- und Kapitalmarkt angewiesen. Ein um über 1 Milliarde DM verkürzter Kapitalmarkt ist für unsere Wirtschaftsentwicklung gefährlicher als eine maßvolle Verbrauchsteuererhöhung. ({22}) Oder um es positiver zu sagen: der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Vorschlag entspricht volkswirtschaftlichen Überlegungen, zumal er auch der Entlastung künftiger Haushalte dient. Weitere 240 Millionen DM sollen durch den Abbau von Steuervergünstigungen aufgebracht werden. Dabei sind von der Bundesregierung alle sogenannten Privilegien untersucht worden. Der Abbauvorschlag der Regierung betrifft einen Bereich, in dem die Vergünstigung die Regelbesteuerung nicht erst erträglich macht, sondern die Vergünstigung zwar einen traditionellen, aber doch tatsächlichen Vorteil bietet. Es handelt sich um den völligen Wegfall des Mineralölprivilegs bei der Umsatzsteuer, nachdem im Steueränderungsgesetz bereits ein teilweiser Abbau dieses Privilegs vorgesehen war. Bei der nochmaligen Überprüfung der steuerlichen Begünstigungen hat sich gezeigt, daß man hier nicht vorschnell über das Ziel hinausschießen darf. Nicht jede Abweichung von der Regelbesteuerung ist eine Begünstigung im Sinne einer Subvention, sondern durch manche Abweichung wird häufig erst insgesamt eine sachgerechte Besteuerung ermöglicht. Für den Rest der Deckungslücke von 1,7 Milliarden DM sieht die Bundesregierung unter den gegebenen Umständen nach sorgfältiger Prüfung der Auswirkungen und unter Berücksichtigung der Entwicklung der Ausgaben in den nächsten Jahren zu ihrem Bedauern keinen anderen Ausweg, als dem Parlament eine Erhöhung bestimmter Verbrauchsteuern vorzuschlagen. Die vorgesehenen Steuererhöhungen beschränken sich auf eine Erhöhung bestimmter Verbrauchsteuern, und zwar der Tabaksteuer um 29,78 %, der Branntweinsteuer um 100 DM je hl reinen Alkohol und der Mineralölsteuer um 3 Pf je Kilogramm, davon 2 Pf zweckgebunden für die Finanzierung von Nahverkehrsaufgaben in den Gemeinden. Die Bundesregierung hat dabei bewußt von dem Vorschlag einer Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer abgesehen, weil sie eine Erhöhung dieser Steuern in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation nicht für angebracht hält. Die Bundesregierung glaubt jedoch, daß die Erhöhung der genannten Verbrauchsteuern für den Verbraucher zumutbar ist. Sie erwartet keineswegs freudige Zustimmung; sie weiß, daß auch solche maßvollen Steuererhöhungen ein Opfer bedeuten. Aber es nützt kein noch so schönes Reden. Wir müssen maßvolle Beiträge verlangen, wenn wir Wirtschaft und Finanzen intakt halten wollen. Die Frage, um die es geht, ist, wo wir im Interesse einer möglichst gerechten Verteilung die Steuerbelastung ansetzen sollen. Darf ich das oft gebrauchte und, wie ich meine, sehr einprägsame Bild eines Journalisten übernehmen: Damit nicht nur der „Zigaretten rauchende Autofahrer", der eine „Pulle Schnaps" in seinem Wagen hat - die er natürlich nur zu Hause trinkt -, betroffen wird, hält die Bundesregierung es für angemessen, auch an die Verbrauchsteuer heranzugehen, die alle Unternehmen und alle Verbraucher betrifft. Sie schlägt vor, die Umsatzsteuer für die Umsätze, die über 15 Millionen DM jährlich hinausgehen, von 4 v. H. auf 4,25 v. H. anzuheben. Daß die meisten der betroffenen Großbetriebe beim gegenwärtigen Umsatzsteuersystem im Schnitt zumindest einen Steuervorteil von 0,25 % haben, kann ernsthaft nicht bestritten werden. Die Mehrbelastung der meisten Großbetriebe, die mit der Einführung der Mehrwertsteuer eintreten wird, dürfte - das weisen die Vorausberechnungen aus - in vielen Fällen höher sein als die jetzt vorgesehene Belastung von 0,25 %. Die der Bundesregierung empfohlene Aufhebung der umsatzsteuerlichen Organschaft ist in ihren wirtschaftlichen Folgen heute noch nicht übersehbar und rechtlich überdies sehr umstritten. Übrigens müßte ein großer Teil der damit verbundenen Belastung - wenn nicht sogar der größte - von der Stahlindustrie getragen werden, die ohnehin mit sehr erheblichen Sorgen zu kämpfen hat, was bedeuten würde, daß alle diese Beträge auf den Bundeshaushalt zurückrollen. Das Ausgabevolumen des Bundeshaushalts 1967 würde sich nach diesen Vorschlägen von 73,9 Milliarden DM um fast 1,4 Milliarden DM auf 75,28 Milliarden DM erhöhen. Die Bundesregierung hält eine solche Erhöhung des Ausgabevolumens unter wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten für vertretbar. Dies gilt auch bei konjunkturpolitischer Betrachtung. Ich will Ihnen weiß Gott nicht erzählen, daß dieser Haushalt konjunkturpolitische Maßschneiderei sei. Aber ich halte den Vorschlag nach den gegenwärtigen Erkenntnissen und bei Abwägung der politischen Möglichkeit für eine optimale Lösung. Es handelt sich im wesentlichen nicht um eine Ausweitung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage, sondern um eine Umverteilung von Kaufkraft vom Privatverbrauch auf öffentliche Ausgaben. Zum anderen geht ein Teil der Ausgaben ins Ausland und tritt deshalb auf den heimischen Märkten nicht als Nachfrage auf. Ich will auch offen aussprechen, daß sich seit Beginn der Arbeiten am Haushalt 1967 die Konjunkturlage so gewandelt hat, daß wir für 1967 keinen betont restriktiven Kurs mehr zu steuern haben. Die Ausgabensteigerung für öffentliche Investitionen ist konjunkturpolitisch eher erwünscht. Es liegt unter diesen Umständen aber auf der Hand, daß es völlig abwegig wäre, die Steigerungsrate des Haushalts 1967 etwa als Leitlinie für die Erhöhung des privaten Verbrauchs und damit auch der privaten Einkommen anzusehen. Das sollte man, auch dann, wenn die Zahlen dicht beieinander liegen, nicht tun. Eher sollte man sich überlegen, wieviel die öffentlichen Leistungen zur Verbesserung der privaten Lebensbereiche bis hin zur Einkommenssteigerung durch die Beseitigung persönlicher Unkosten beitragen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich in ihrem Deckungsvorschlag um ein zumutbares und ausgewogenes Verhältnis zwischen Ausgabekürzungen, Abbau von Subventionen und mäßigen Steuererhöhungen bemüht. Sie hat dabei teilweise die Überlegungen des Finanzausschusses des Bundesrates aufgegriffen. Mit dieser Feststellung möchte die Bundesregierung nicht behaupten - ich sagte es schon -, daß ihre Vorschläge unbedingt der Weisheit letzter Schluß sind. Ich möchte hier aber ausdrücklich betonen, daß die Bundesregierung jeden Vorschlag aus der Mitte des Parlaments begrüßen wird, der unter Beachtung unserer politischen Grundsätze und Ziele geeignet ist, dieses Verhältnis zu verbessern und den Dreiklang zwischen Ausgabenkürzungen, Abbau von Subventionen und Steuererhöhungen noch besser abzustimmen. Im Finanzbericht 1966 hat das Bundesministerium der Finanzen nach dem Stand vom 31. Januar dieses Jahres, also nach Verkündung des Haushaltssicherungsgesetzes, eine Vorschau auf die künftigen Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Rechnungsjahren bis 1970 veröffentlicht. Bereits damals wurde aufgezeigt, daß die hohe Deckungslücke in 1966, die zum Erlaß eines Haushaltssicherungsgesetzes führte, keineswegs einmalig war. Sie ist strukturell bedingt. Der defizitäre Ausgabenüberhang setzt sich in die Zukunft fort. Die Finanzierungslücken machen nach den damals veröffentlichten Zahlen im Mittel der Jahre bis 1970 sechs bis sieben Milliarden DM jährlich aus. Wieweit Kreditmittel zur Schließung dieser Finanzierungslücken herangezogen werden können, hängt von der Entwicklung des Kapitalmarktes und der konjunkturellen Situation in den einzelnen Jahren ab. Darüber sind über längere Zeit hinweg schwerlich auch nur einigermaßen sichere Aussagen zu machen. Voraussehen ließ sich damals allein, daß selbst bei einer Besserung der Kapitalmarktlage die genannten Finanzierungslücken von 6 bis 7 Milliarden DM jährlich kaum mehr als zu einem Drittel durch Kreditmittel geschlossen werden können. Daraus konnte schon aus damaliger Sicht geschlossen werden, daß in den Jahren bis 1970 eine Deckungslücke von jeweils mehreren Milliarden DM zu befürchten war. Die Ursachen dieser, zu äußerster Besorgnis Anlaß gebenden Entwicklung sind vielfältig. Sie liegen sowohl auf der Einnahme- wie auf der Ausgabeseite: 1. Die bereits erwähnte Abflachung der Zuwachsraten des Wirtschaftswachstums wird in Zukunft zu einer geringeren Zunahme des Steueraufkommens führen. 2. Die Ausgabenbeschlüsse, die in der Vergangenheit gefaßt wurden, stammen sämtlich aus der Zeit der hohen Zuwachsraten. 3. Die Kürzungen des Haushaltssicherungsgesetzes waren zum ganz überwiegenden Teil nur für ein Jahr, nämlich 1966, beschlossen. 4. Die Dynamisierung der konsumtiven Ausgaben führt zu jährlichen Steigerungsraten, die erheblich über den Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts und den davon abhängigen Steuereinnahmen liegen. All diese Gründe zusammengenommen ergaben das in der Finanzvorschau im Finanzbericht 1966 zum Ausdruck gekommene bedrückende Bild der Bundesfinanzen für die Zukunft. Die Bundesregierung hat bereits unmittelbar nach den letzten Wahlen bewiesen, daß sie es nicht bei der resignierenden Feststellung „begrenzter Möglichkeiten zur Finanzierung neuer Aufgaben" bewenden lassen wollte. Sie hat vielmehr schon damals schnell und entschlossen den Entwurf eines Haushaltssicherungsgesetzes vorgelegt, der auch die Billigung der Mehrheit dieses Hohen Hauses fand. Dieses Gesetz muß - trotz einiger Unzulänglichkeiten im Detail, die darin bestanden, daß die Mehrzahl der Bestimmungen sich vorerst nur auf ein Jahr bezog und in zahlreichen Fällen Ausgabeverpflichtungen nur zeitlich verschoben oder vorübergehend außer Kraft gesetzt wurden - doch als erster praktischer Schritt angesehen werden, über die bloße Bestandsaufnahme hinaus zu einer mehrjährigen Haushaltsgestaltung zu gelangen. In notwendiger und folgerichtiger Fortentwicklung der mit diesem Gesetz eingeleiteten Maßnahmen zur Neuordnung der Haushaltswirtschaft des Bundes hat die Bundesregierung eine Kabinettskommission zur Erstellung einer mehrjährigen Haushaltsgestaltung ernannt, die konkrete Vorschläge zur Festigung der Bundesfinanzen im Rahmen einer mehrjährigen Dringlichkeitsordnung machen sollte. Bei den Arbeiten der Kabinettskommission stellte sich heraus, daß der Ausgabenüberhang tatsächlich noch höher war, als in der Finanzvorschau vorgesehen. Damit wurde einmal mehr die Erfahrung bestätigt, daß der Ausgabenbedarf in der Sicht auf die Zukunft stets in einer perspektivischen Verkleinerung erscheint, weil die „Sehschärfe" mit zunehmender Entfernung zwangsläufig geringer wird. So ist in der Vorausschau im Finanzbericht 1966 der Ausgabebedarf für die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe unterschätzt. Die neuen Marktordnungen der EWG für Milch, Zucker, 01e, Fette und anderes mehr führen zu wesentlichen Beitragserhöhungen an den Agrarfonds und zu Mehrausgaben für die im Einzelplan 10 veranschlagten Marktordnungsmaßnahmen. Hinzu treten die Auswirkungen aus einer verstärkten Inanspruchnahme von Förderungsmaßnahmen nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz. Diese Aufzählung von Einzelbeispielen ist keineswegs vollständig. Ins Gewicht fällt vor allem noch, daß die alte Finanzvorausschau keine Aufwendungen für neue Maßnahmen enthielt, sondern sich im wesentlichen auf eine Fortschreibung bestehender Ausgabepositionen beschränkte, die sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ergab. Die Aufgaben der Kabinettskommission zur Erstellung einer mittelfristigen Haushaltsgestaltung erschöpfen sich aber keineswegs in der Herstellung des formalen Ausgleichs zwischen Einnahmen und Ausgaben. Es sollte und mußte vielmehr zugleich Raum geschaffen werden für die Lösung der drängenden neuen Aufgaben, wie z. B. für die Förderung von Wissenschaft und Forschung, für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung im Sinne einer gerechten Neuregelung, für die Hilfsmaßnahmen zur Überwindung der strukturellen Schwierigkeiten im Steinkohlenbergbau und die anderen Aufgaben der Strukturpolitik, von denen ich hier nur stellvertretend für viele den Stahlsektor nennen will, ferner für die Lösung der Verkehrsprobleme, vor allem in den Ballungszentren, und schließlich auch noch für die Maßnahmen zum Schutz unserer Zivilbevölkerung in Spannungsfällen, die durch das vorzeitige Inkrafttreten der sogenannten einfachen Notstandsgesetze mit Vorrang in Angriff genommen werden sollen. Es ist einleuchtend, daß die Bundesregierung ihr Hauptaugenmerk zunächst darauf richten mußte, die Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts 1967 zu ermöglichen. Darüber hinaus führt aber die Verwirklichung der Ihnen vorgelegten Vorschläge der Bundesregierung - im Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1967, - im Finanzplanungsgesetz, - im Steueränderungsgesetz - und im Zusammenhang mit dem Ergänzungshaushalt auch zu einer wesentlichen Herabsetzung der Deckungslücken für die weitere Zukunft, und zwar in Milliardenhöhe, weil diese Vorschläge - anders als das Haushaltssicherungsgesetz in seinen wesentlichen Bestimmungen - verstärkt auch die Auswirkungen auf die Haushalte ab 1968 berücksichtigen. Der Ausblick auf die Zukunft unterstreicht deshalb die unabweisbare Notwendigkeit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen. Ich will und darf andererseits keineswegs verhehlen, daß trotz all dieser Maßnahmen für die Jahre ab 1968 weiterhin noch hohe Deckungslücken zu erwarten sind. Für 1968 übersteigt der bei Verwirklichung der vorgelegten Steuerrechtsänderungsvorschläge zu erwartende Zuwachs an ordentlichen Einnahmen insgesamt nur verhältnismäßig geringfügig ({23}) die konsumtiv wirkenden Mehrausgaben im Haushalt von 1968. Diese Mehrausgaben ergeben sich aus der gesetzlich festgelegten oder aus sonstigen Gründen zwangsläufigen Dynamisierung und aus der natürlichen Steigerung der Personalausgaben, der Sozialleistungen und sonstiger einkommenverteilender Maßnahmen. Das bedeutet, daß bei der gegebenen Ausgabe- und Einnahmestruktur des Bundeshaushalts 1968 keine hinreichenden ordentlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die bestehenden internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und die Sozialinvestitionen weiter zu verstärken. Dieses Bild bessert sich infolge der vorgesehenen neuen Maßnahmen in den Folgejahren etwas, aber nicht grundlegend. Die Kabinettskommission zur Erstellung einer mehrjährigen Haushaltsgestaltung hat sich deshalb nicht auf die Ihnen jetzt vorgelegten Vorschläge beschränkt, sondern zusätzliche Überlegungen angestellt, wie die Deckungslücken noch weiter verkleinert werden können. Eine erneute grundlegende Überprüfung unserer gesamten Ausgabenstruktur ist unausweichlich, wenn die Steuerbelastung in einem Rahmen gehalten werden soll; der die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft nicht in Frage stellt. Die Finanzplanung, wie sie von der Bundesregierung im Stabilitätsgesetz gefordert wird, und die Aufstellung von Prioritäten sind nun einmal keine Zauberworte, die alle Probleme von selber lösen. Eine echte Finanzplanung, d. h. der Übergang von der Einjährigkeit zur Mehrjährigkeit in der Haushaltsplanung, und die Verwirklichung einer mehrjährigen Dringlichkeitsordnung, in der einerseits Prioritäten gesetzt, andererseits aber auch auf bisher als Prioritäten angesehene Schwerpunkte verzichtet werden muß, fordern von uns allen sehr harte Entscheidungen und ein Umdenken. Ich weise sehr bewußt auf die sonst uns allen für die weitere Zukunft drohenden Gefahren in aller Offenheit hin und verzichte auf jegliche Schönfärberei. ({24}) Ich wiederhole, daß Entscheidungen über finanzwirtschaftliche Prioritäten zu den schwierigsten politischen Aufgaben gehören und damit zwangsläufig Widersprüche auslösen müssen. Es gibt nun einmal keine von allen Gruppen akzeptierte Dringlichkeitsskala für öffentliche Aufgaben. Das Urteil hierüber hängt vielmehr von dem politischen Standort und den jeweiligen Interessen des einzelnen ab. Auch hier gilt, was ich an anderer Stelle schon gesagt habe: Wer die eine odere andere Maßnahme aus seiner Sicht ablehnt, der muß bereit sein, eigene Vorschläge zur Lösung des Gesamtproblems zu machen. Bei den weiteren Arbeiten darf im übrigen nicht außer acht gelassen werden, daß der Bundeshaushalt nur einen Teil des öffentlichen Finanzvolumens erfaßt. Im Hinblick auf die enge Verzahnung der Gebietskörperschaften untereinander ist die Finanzplanung im Endstadium nicht isoliert nur vom Bund durchführbar. Wenn eine echte wertende und vergleichende Dringlichkeitsordnung der öffentlichen Aufgaben und Ausgaben geschaffen werden ) soll, müssen auch die Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und möglichst auch die Sozialversicherungsträger im Sinne eines „kooperativen Föderalismus" einbezogen werden. Es verdient in diesem Zusammenhang Erwähnung, daß die bereits vor mehr als Jahresfrist eingeleiteten vorbereitenden Arbeiten an einer gemeinsamen mittelfristigen Haushaltsvorausschau von Bund und Ländern im Arbeitskreis der Haushaltsabteilungsleiter inzwischen in ein Stadium getreten sind, das erwarten läßt, das in naher Zukunft für Bund und Länder - also noch ohne Gemeinden - eine gemeinsame Haushaltsvorausschau als Vorstufe einer gemeinsamen Finanzplanung vorgelegt werden kann. Damit wären immerhin bereits nahezu 8 % des Gesamtvolumens der öffentlichen Hand - ohne Sozialversicherungsträger - erfaßt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorausschau der Entwicklung des Bundeshaushalts macht deutlich, daß wir nicht nur 1966 und 1967, sondern auch in den künftigen Haushaltsjahren mit beträchtlichen Finanzierungslücken zu rechnen haben. Der Einnnahmezuwachs wird schon durch die automatische Steigerung verschiedener gesetzlich gebundener Ausgaben weitgehend aufgezehrt. Deshalb bleibt praktisch kein Raum für die Erfüllung neuer Aufgaben. Dafür müßten dann so oder so Deckungsmittel bereitgestellt werden. Ich will damit sagen: das Mittel drastischer Ausgabekürzungen bleibt uns auch in den nächsten Jahren nicht erspart. Steuererhöhungen dürfen nur letzter Ausweg sein, so wie es die Bundesregierung am 26. Oktober einstimmig beschlossen hat. Wenn die Bundesregierung auch heute von dem Vorschlag einer allgemeinen Steuererhöhung absieht, so deshalb, weil sie erstens Steuererhöhungen größeren Umfangs in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation für ein ungeeignetes Mittel zum Haushaltsausgleich hält und sie zweitens sehr genau weiß, daß der Haushalt und die Steuerlast unerträglich anschwellen müßten, wenn die unvermeidbaren und erforderlichen Aufgaben und Ausgaben etatisiert werden, ohne daß gleichzeitig die alten Ausgaben überprüft werden. Der Haushaltsausgleich wird auch künftig ganz überwiegend wie schon dieses Mal durch Ausgabekürzungen sichergestellt werden müssen. Aus dieser Überlegung heraus hat die Bundesregierung dem Hohen Haus mit dem Haushaltsentwurf 1967 den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung vorgelegt, durch den gesetzlich gebundene Ausgaben in Höhe von 3 Milliarden DM auf gesetzlichem Wege gekürzt werden sollen. Zusammen mit den Kürzungen gesetzlich ungebundener Ausgaben durch Kabinettsbeschluß vom 29. September 1966 in Höhe von 2,4 Milliarden DM und den Ausgabekürzungen im Ergänzungshaushalt 1967 von 560 Millionen DM ergibt das insgesamt ein Kürzungsvolumen von nahezu 6 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, man muß diese Zahlen im Zusammenhang sehen, um die Anstrengungen würdigen zu können, die die Bundesregierung unternommen hat, um dem Parlament einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dazu kommt die Rücknahme von Steuerbegünstigungen durch das Ihnen vorliegende Steueränderungsgesetz 1966 mit einem Volumen von 540 Millionen DM; zusammen mit dem Ergänzungshaushalt 1967 ergibt sich somit ein Abbau steuerlicher Vergünstigungen von 780 Millionen DM. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier ein paar grundsätzliche Worte zum Steueränderungsgesetz einfügen. Gewiß haben hier fiskalische Gründe Pate gestanden. Es wäre aber falsch, dieses Gesetz nur unter diesem Aspekt zu sehen, wie überhaupt die Steuerpolitik heute nicht nur den öffentlichen Bedarf zu decken hat, sondern auch als Mittel der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik eingesetzt wird. Dies gilt auch für die Neuregelung der Sparförderung. Sie ist ganz unabhängig von fiskalischen Erwägungen fällig. Sie ist keine vom Haushalt erzwungene Notmaßnahme, sondern eine gesellschaftspolitisch gewollte Modernisierung! Über die Verbesserung der einen oder anderen Vorschrift und die Vermeidung von verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten mag man reden, aber die neue Richtung sollte nicht verfälscht werden. Ich komme nun wieder auf die Gesamtbetrachtung zurück. Meine Damen und Herren. Sie sehen aus den vorgetragenen Zahlen, daß sich die Belastungen, ,die sich für uns alle aus der mäßigen Steuererhöhung ergeben, doch recht bescheiden ausnehmen gegenüber den Belastungen einzelner Gruppen, die diese durch Verzicht auf bisherige Zuwendungen auf sich nehmen müssen. Auch der Staat verzichtet auf die Erfüllung von dringenden Aufgaben, weil er sich nicht übernehmen darf. Die Lasten, die er dabei auch ,an den Bürger zurückgeben muß, sollte niemand übersehen. Ich brauche Ihnen hier die einzelnen Bestimmungen dieser Gesetze nicht näher zu erläutern. Ich nehme an, sie sind Ihnen bekannt. Ich möchte auch hier wiederum betonen, daß die Bundesregierung nicht darauf beharrt, daß das Parlament alle Vorschlage unverändert übernimmt. Zu keinem Zeitpunkt hat die Bundesregierung behauptet, daß die von ihr gemachten Vorschläge unantastbar seien. Wer solches unterstellt, muß sich die Vermutung gefallen lassen, daß er in der Rolle der Regierung sich doktrinär verhalten würde. Natürlich kann man den Standpunkt vertreten, daß die Kilometergeld-Pauschale nicht so hart gekürzt werden sollte. Nur muß man dann einen Ersatzvorschlag machen. Die Aufgabe heißt doch nicht, völlig abstrakt eine Steuerregelung zu ändern, sondern es geht - zumindest auch - um die Bereitstellung von Haushaltsmitteln. Danach wird gefragt, und darauf muß geantwortet werden. Worauf die Bundesregierung jedoch in aller Entschiedenheit bestehen muß, ist, daß das Kürzungsvolumen insgesamt nicht unterschritten wird. In weitere als die vorgeschlagenen Steuererhöhungen auszuweichen, kann die Bundesregierung dem Hohen Hause ebenfalls nicht empfehlen. Dagegen wird die Bundesregierung mit Sicherheit keine Einwendungen erheben, wenn das Parlament von sich aus Ausgaben kürzt, - sofern diese Kürzungen keine Einengung der politischen Arbeit bedeuten. Ich weiß also - und wiederhole es -, daß dieser Haushalt kein Idealhaushalt ist und daß das Finanzplanungsgesetz, das im übrigen in eine mehrjährige Finanzplanung überleiten soll, nicht alle Ansprüche erfüllt. Die Neuorientierung der Haushaltspolitik und die Anpassung der Ausgabenstruktur an die veränderten Verhältnisse können nicht von heute auf morgen erfolgen. Dafür ist auf Grund der Vorbelastungen des Haushalts die zur Disposition stehende Finanzmasse zu gering. Die Umstrukturierung kann nur allmählich und schrittweise gelingen. Meine Damen und Herren! Bei aller unumgänglichen Anpassung und zusätzlichen Belastung, die dieser Haushalt 1967 bringen wird, ist er aber zugleich auch ein Haushalt der erheblichen Leistungsverbesserung. Auch insofern ist er ein politischer Etat. Man spricht in der Offentlichkeit bei diesem Etat fast nur von Kürzungen und zusätzlichen Belastungen, und man übersieht dabei dann die Ausgabensteigerung von rund 5,1 Milliarden DM. Gewiß sieht der Haushalt Kürzungen in einzelnen Positionen vor, aber in der Mehrzahl handelt es sich doch dabei lediglich um eine Reduzierung der Zuwachsraten und nicht um einen Verzicht auf bisherige Leistungen. Diesen Beschneidungen und Kürzungen stehen aber in anderen Ansätzen umfangreiche und grundlegende Leistungsverbesserungen gegenüber, die den unverzichtbaren Aufgaben einer auf soziale Gerechtigkeit, innere und äußere Sicherheit und Vorsorge für die Zukunft gerichteten Politik entsprechen. Der erste Schwerpunkt der Ausgabensteigerung liegt dabei im Bereich der Sozialleistungen, die mit einem Anstieg von rund 1,6 Milliarden DM nunmehr insgesamt 23 Milliarden DM oder 31 Prozent des Gesamtetats erreichen. Mit dieser Steigerung werden allein 915 Millionen DM für zusätzliche Aufwendungen im Bereich der Kriegsopferversorgung und eine weitere Milliarde für die Aufstockung der Zuschüsse für die Rentenversicherungen einschließlich Knappschaft bereitgestellt. Wer angesichts einer solchen Erhöhung der Sozialleistungen auf annähernd ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts von einer „Stabilisierung zu Lasten des kleinen Mannes" spricht, der betreibt eine Irreführung der öffentlichen Meinung. ({25}) Dieser Etat ist kein Etat des Abbaus der Sozialpolitik, sondern er bringt die fälligen Verbesserungen der sozialen Leistungen zugunsten weiter Kreise unserer Bevölkerung. Wenn dafür auch innerhalb des Gesamtblocks der Sozzialleistungen die eine oder andere Position gekürzt werden mußte, so hat daß mit Demontage oder Abbau nichts zu tun. Die Gesamtbetrachtung dieses Ausgabenkomplexes zeigt deutlich, daß hier nicht abgebaut, sondern weiter aufgebaut wird. Ich muß aber ebenso davor warnen, aus gut gesicherter persönlicher Position heraus gegen die soziale Sicherung in unserem Staate schlechthin zu polemisieren. ({26}) Der Streit sollte jeweils nur um das rechte Maß gehen, niemals um das Ob. Den zweitgrößten Ausgabenblock bilden auch in diesem Haushalt wiederum die Ausgaben für die militärische und die zivile Verteidigung. Mit einer Steigerung von rund 1,9 Milliarden DM erreichen sie im Jahre 1967 rund 20,6 Milliarden DM und beanspruchen damit einen Anteil von 26,7 % der Gesamtausgaben des Bundes. Das ist gewiß eine gewaltige und nach Meinung vieler unserer Mitbürger sogar eine zu gewaltige - Summe. Mir ist nur zu gut bekannt, wie das Bundesfinanzministerium - und ich darf Herrn Dahlgrün besonders erwähnen - gerade diesen Ausgabenbereich immer wieder sorgfältig überprüft hat. Und dies zu tun, wird nicht nur im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums die bittere Arbeit eines jeden Finanzministers sein. Aber wir dürfen uns durch die Erfahrung, daß die Ausgaben für die Verteidigung nicht überall populär sind, nicht von der Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit abbringen lassen. ({27}) Nur eine kurzsichtige, auf den Tageserfolg bedachte Politik kann auf Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft verzichten. Die Tatsache, daß in der Weltpolitik manches in Bewegung geraten zu sein scheint, darf uns nicht verführen. Jede Vernachlässigung der Verteidigungsanstrengungen ist auch unter den heutigen Verhältnissen eine Gefahr für die Sicherheit Europas. Sie würde darüber hinaus die Solidarität mit unseren westlichen Verbündeten, die größtenteils weit höhere Opfer für die Verteidigung bringen als wir, empfindlich schwächen. ({28}) Die Sicherung der Freiheit gegenüber allen Bedrohungen von außen kostet ihren Preis, und diesen Preis müssen wir im eigenen Interesse zahlen. Selbst wenn sich in absehbarer Zeit im Zuge einer kontrollierten Abrüstung oder ihr gleichzusetzender Abkommen Einsparungsmöglichkeiten ergäben, würden die freiwerdenden Mittel mit Sicherheit zur Finanzierung der bei solchen Verträgen doch anzustrebenden friedlichen Möglichkeiten dringend gebraucht werden. ({29}) Der Aufwand für die äußere und die soziale Sicherheit ist im übrigen nur das unverzichtbare Gegenstück zu einer stetigen und fortschrittlichen Entwicklung im Innern. Diesem zweiten Ziel dient auch der Etat 1967 wiederum in vielen erweiterten Positionen. Der Größenordnung nach an erster Stelle stehen hierbei wiederum die Leistungen für verkehrswirtschaftliche Aufgaben, die mit rund 7,48 Milliarden DM oder einem Anteil von 10 % des Gesamtetats den drittgrößten Ausgabenblock bilden. Neben den notwendigen Zuschüssen von 2,5 Milliarden DM für die Bundesbahn, die ihr weitere Fortschritte bei der unumgänglichen Rationalisierung ermöglichen sol- len, und den Hilfen für die Deutsche Bundespost wird das Hauptgewicht bei den Ausgaben für den Straßenbau, einschließlich des Ausbaus des Nahverkehrs, liegen. Die Bundesregierung weiß, daß im Bereich des Verkehrs noch große Aufgaben zu erfüllen sind, die wir im Interesse einer gleichgewichtigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht vernachlässigen dürfen. Dieser Haushalt bemüht sich, den gestellten verkehrspolitischen Erfordernissen bis an die Grenze des Möglichen gerecht zu werden. Den viertgrößten Ausgabenblock stellen auch in diesem Etat wiederum die Ausgaben für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. In einer Reihe von Positionen mußten wir zwar Kürzungen vornehmen, das Ausgabevolumen im Einzelplan 10 ist aber mit 4,7 Milliarden DM gegenüber dem Vorjahr insgesamt unverändert geblieben. Die Umstrukturierung der Einzelansätze innerhalb dieses Gesamtbetrages ist vor allem die Konsequenz der verschiedenen Brüsseler Entscheidungen zur Agrarpolitik. Die Tatsache aber, daß die Hilfen für die Landwirtschaft insgesamt in der Vorjahreshöhe erhalten bleiben sollen, zeigt das Bemühen der Bundesregierung, die Landwirtschaft auf ihrem Weg in den Gemeinsamen Markt tatkräftig zu unterstützen. Wir können und wollen nicht denjenigen zustimmen, die uns immer wieder raten, die deutsche Landwirtschaft ihrem eigenen Schicksal zu überlassen. Die Agrarpolitik der Bundesregierung, die sich auch in diesem Etat 1967 niederschlägt, will der deutschen Landwirtschaft helfen, ihre Leistungsfähigkeit weiter zu stärken, damit den dort tätigen Menschen ein angemessener Lebensunterhalt gesichert werden kann. Ein besonderes Schwergewicht hat dieser Haushalt bei den Ausgaben für Wissenschaft und Forschung. Wenngleich die Wissenschaftsförderung nur zum Teil Sache des Bundes ist, sind im Haushalt 1967 mehr als 3 Milliarden DM, d. h. 562 Millionen DM mehr als 1966, für Wissenschaft und Forschung vorgesehen, davon allein im Einzelplan des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung rund 1,6 Milliarden DM. Dieser Einzelplan steigt mit rund 280 Millionen DM oder 20,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr im Vergleich zum Gesamthaushalt weit überproportional. Angesichts der Finanzlage des Bundes sind diese Zahlen ein Beweis dafür, daß die Bundesregierung klare Prioritätsentscheidungen trifft. Sie weiß, daß Ausgaben für Forschung und Wissenschaft entscheidende Investitionen für die Zukunft unseres Volkes und unseres Landes sind. Der wissenschaftliche Fortschritt ist der Wegbereiter des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, er ist zugleich die unentbehrliche Hilfe für die Bewältigung der Folgeerscheinungen der industriellen und zivilisatorischen Entwicklung. Gewiß können und sollen die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer ökonomischen Nützlichkeit betrachtet werden; das würde unweigerlich eine geistige und kulturelle Verarmung zur Folge haben. Aber es wäre auch falsch, würden wir die ökonomischen und sozialen Aspekte einer intensiven Wissenschaftsförderung mißachten. Ausgaben für Forschung und Wissenschaft sind kein Luxus, den man sich nur in Zeiten voller Kassen leisten kann, sie sind vielmehr unabdingbare Bausteine für unsere eigene wirtschaftliche und soziale Zukunft - und gerade in Perioden drohender finanzieller Verengungen unverzichtbar. ({30}) Unsere eigene Zukunft wird aber darüber hinaus auch entscheidend davon abhängen, ob und wie reibungslos es gelingt, die jetzige Wirtschaftsstruktur den zunehmenden Marktveränderungen anzupassen und die noch vorhandenen Reserven zu mobilisieren. Die Bundesregierung hat deshalb für die Förderung und Erleichterung der strukturellen Anpassung und damit des Wachstums nicht nur einen Katalog von Grundsätzen beschlossen, sondern sie legt im Etat 1967 auch wiederum ein konkretes Wirtschaftsförderungsprogramm vor. Der eindeutige Schwerpunkt dieser Wirtschaftsförderung liegt bei den Maßnahmen zugunsten des deutschen Steinkohlebergbaus. Die Anpassung dieses wichtigen Wirtschaftszweiges an die veränderte Marktsituation ist eine Aufgabe, die den Einsatz beträchtlicher Haushaltsmittel erfordert. Meine Damen und Herren, es ist einfach nicht wahr, wenn behauptet wird, daß diese Hilfen der Konservierung eines überholten Zustandes dienen. Es wird eine Anpassung an die Absatzmöglichkeiten in einer Klarheit vollzogen, wie es bisher in keinem Land mit vergleichbarer Lage geschehen ist. Wir werden dabei weiterhin dafür sorgen, daß soziale Härten und gesamtwirtschaftliche Einbußen so gering wie nur eben möglich gehalten werden. Der Strukturwandel findet statt, aber wir wollen ihn unter Kontrolle halten. Das kostet Geld - das kostet ein solidarisches Opfer aller. ({31}) Aber auch außerhalb von Kohle und Stahl setzt die Bundesregierung ihre erfolgreiche Arbeit zur Leistungsverbesserung fort. Ich erwähne besonders die Förderung der mittleren und kleineren Betriebe. Sinnvolle Strukturpolitik bedeutet aber nicht nur Hilfe bei der Anpassung von Branchen an veränderte Marktverhältnisse, sie bedeutet vor allem auch Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Die sektorale und die regionale Strukturpolitik müssen sich weitgehend ergänzen. Die Bundesregierung hat den bisherigen Ansatz für regionale Hilfen um rund 30 Millionen auf jetzt 170 Millionen DM erweitert. Die verschiedenen Programme des Bundes zugunsten der wirtschaftlich schwach entwickelten und einseitig strukturierten Regionen und insbesondere des Zonenrandgebietes sollen dazu beitragen, den Verfassungsauftrag zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu erfüllen und die wirtschaftlichen Leistungsreserven dieser Gebiete besser zu nutzen. Eine intensive Regionalpolitik ist sowohl eine unabweisbare gesellschaftspolitische Verpflichtung gegenüber der gesamten deutschen Bevölkerung als auch ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Diese Verantwortung für die gegenseitige Hilfe haben wir aber nicht nur gegenüber unserer eigenen Bevölkerung, sondern auch - natürlich in anderem Maße - gegenüber den Völkern, die noch in der wirtschaftlichen Entwicklung stehen. Die Bundesrepublik kann sich auch bei den Schwierigkeiten der derzeitigen Haushaltslage der Verpflichtung für die Hilfe an die Entwicklungsländer nicht entziehen. Entwicklungshilfe ist nicht eine Sache, die man tun oder lassen kann, je nach dem, wie es einem gerade auskommt. Wir stehen in der Verpflichtung zur internationalen Solidarität und müssen den Entwicklungsländern im Rahmen unserer Möglichkeiten bei ihrem Aufbau helfen. Die Ausgabenansätze für Entwicklungshilfe sollen deshalb im Einzelplan 23 von 1,55 Milliarden auf 1,87 Milliarden DM erhöht werden. Mit dieser Steigerung leistet die Bundesrepublik einen ihrer Lage angemessenen Beitrag zur Sicherung des Friedens und des Fortschrittes in der ganzen Welt. Im übrigen kann man diese Zahlen nur im Zusammenhang mit den handelspolitischen Hilfen richtig würdigen. Die Zuwachsraten für die Ausfuhr der Entwicklungsländer nach Deutschland betrugen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre 9,5 % pro Jahr. Diese Zahl liegt erheblich über der Zuwachsrate der Gesamtausfuhren der Entwicklungsländer von knapp 6 °/o. Trotz steigender deutscher Exporte haben die Entwicklungsländer ihren Aktivsaldo Deutschland gegenüber ständig vergrößert. 1965 lag er bei 3,1 Milliarden DM. Das ist unsere beste Entwicklungshilfe. Meine Damen und Herren! Der Bund hat aber nicht zuletzt auch eine Verpflichtung als Arbeitgeber gegenüber seinen jetzigen und ehemaligen Bediensteten. Die Aufwendungen für Besoldung und Versorgung haben ein recht erhebliches finanzielles Gewicht. Sie sind auch im Interesse einer leistungsfähigen Verwaltung von großer Bedeutung für unser aller Wohlfahrt. Es ist deshalb sowohl ein Gebot der Fürsorgepflicht als auch eine sachliche Notwendigkeit, wenn die Bundesregierung die Wiederherstellung der Ausgeglichenheit des Besoldungsgefüges bei Bund und Ländern anstrebt. Durch die Gesetzentwürfe zur Änderung des Artikels 75 des Grundgesetzes und des Bundesbesoldungsgesetzes werden wir einen Ansatz für eine in den wesentlichen Fragen einheitliche und insgesamt fortschrittliche Besoldungspolitik von Bund und Ländern gewinnen. Nur dann, wenn der Bund als Dienstherr seine Pflichten gegenüber den Bediensteten erfüllt, können wir erwarten, daß wir für die Aufgaben des Bundes den notwendigen qualifizierten Nachwuchs bekommen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme nun zur Frage des Anteils von Bund und Ländern an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wie Sie wissen, liegt dem Bundeshaushalt 1967 auf der Einnahmeseite ein unveränderter Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von 39 °/o zugrunde. Im Zusammenhang mit der Forderung des Bundesrates, von dem bisherigen Beteiligungsverhältnis abzugehen, ist der Vorwurf erhoben worden, der Bundeshaushalt sei nicht ausgeglichen. Die Bundesregierung hält diesen Vorwurf für unbegründet. Es stehen sich die Rechtsauffassungen von Bundesrat unid Bundesregierung gegenüber. Wir meinen, daß die Auffassung der Länder, der Bundesanteil verringere sich am 1. Januar 1967 automatisch auf 35 %, nicht mit unserer Verfassung in Einklang steht. Ich will die sehr komplizierte Rechtsproblematik hier nicht austragen. Die Bundesregierung hat in der Begründung zum Gesetzentwurf und in ihrer Stellungnahme zu den Äußerungen des Bundesrates ihren Standpunkt dargelegt. Unsere Bevölkerung aber hat wenig Verständnis für Rechts- und Kompetenzstreitereien zwischen den Organen des Bundes. Sie hat ein besseres Empfinden für die Zusammengehörigkeit, als es zwangsläufig diejenigen haben können, 'die sozusagen von Amts wegen auf die Wahrung der Zuständigkeiten bedacht sein müssen. Nur von der Zusammengehörigkeit der öffentlichen Aufgaben und Ausgaben her kann eine vernünftige Regelung ides Beteiligungsverhältnisses getroffen werden. Nach Art. 106 Abs. 4 unseres Grundgesetzes haben Bund unid Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Es müssen die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abgestimmt werden, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden unid die Einheitlichkeit 'der Lebensverhältnisse gewahrt bleibt. Daraus ergibt sich folgerichtig, daß man über eine Neuregelung des Beteiligungsverhältnisses erst reden und entscheiden kann, wenn die notwendigen Aufgaben und Ausgaben abgesteckt sind. Dann erst kann man aus dem gesamten Ausgabevolumen die sachgerechte Relation zwischen Bund und Ländern entwickeln. Es müssen also die Aufgaben und die Ausgaben dafür festliegen, bevor man die Einnahmen verteilen kann. Eine Änderung ,des Beteiligungsverhältnisses auf Grund des genannten Verfassungsartikels kann nur zulässig sein, wenn dies durch die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben von Bund und Ländern geboten ist. Meine Damen und Herren, es ist zwar ein 'bestechender Gedanke, der harten Auseinandersetzung um Beteiligungsquoten durch einen vorherigen Kompromiß aus dem Wege zu gehen. Ich verhehle nicht, daß ich selber sehr viel Vorliebe für diese Methode habe. Aber der ordentliche Weg ist 'derjenige, welcher uns von der Verfassung vorgeschrieben ist. Es ist der normale Weg der Gesetzgebung unter der Kontrolle der Offentlichkeit und unter verantwortlicher Mitwirkung aller dazu berufenen Personen und Institutionen. Man tue doch bitte nicht so, als sei ein Notstand eingetreten, weil wir den ordentlichen normalen Weg beschritten haben. ({32}) Diejenigen, welche den normalen, öffentlich kontrollierten Weg nicht wollen, setzen sich sehr leicht dem Verdacht aus, sie möchten der detaillierten Sachdebatte ausweichen. Das aber, meine Damen und Herren, darf auf gar keinen Fall geschehen! Die Frage nur auf das Zahlenspiel 35/65 oder 39/61 oder irgendeine Zwischengröße zuzuspitzen, ist eine schreckliche Vereinfachung. Es geht, wie gesagt, darum, wer welche Aufgaben 'zu erfüllen hat und wie diese Aufgaben zu finanzieren sind. Sie müssen also finanziert werden. Unserem Grundgesetz entsprechend sollen die Steuerpflichtigen nicht über Gebühr belastet werden und muß die Gleichheit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik gewahrt bleiben. Unter diesen beiden letzten Punkten verstehe ich, daß nicht etwa der Bund großmütig, um nicht zu sagen großspurig, auf 39 % verzichtet und den Einnahmeausfall durch Steuererhöhungen deckt. Ich verstehe weiter darunter, daß die reicheren Länder nicht einfach von Quoten ausgehen, die sie selber befrieldigen, aber den 'ärmeren Ländern zwar ,den Art. 107 Abs. 2 belassen, aber ihnen in Wirklichkeit das Nachsehen geben. ({33}) Zu diesem Kapitel gehört nicht zuletzt, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen zugunsten der Länder und Gemeinden mit in Rechnung gestellt werden müssen. Wird das Steueränderungsgesetz gemäß dem vorgelegten Entwurf beschlossen, so treten damit auch bei den Ländern Einnahmeverbesserungen und Ausgabeentlastungen ein. Sie belaufen sich 1967 schätzungsweise auf rund 300 Millionen DM und werden bis 1970 auf rund 900 Millionen DM anwachsen. Dazu kommt noch, daß die Bundesregierung den Gemeinden eine fühlbare Hilfe gewähren will. Sie hat, wie ich es bei der Erläuterung des Ergänzungshaushalts bereits darlegte, dafür Leistungen in Höhe von 440 Millionen DM vorgesehen. Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Weniger aus rechtlichen Gründen - aber auch aus solchen -, vielmehr aus politischen, und um den Auftrag der Verfassung zu erfüllen, muß die Bundesregierung darauf bestehen, daß an eine Änderung der Beteiligungsquote nur dann herangegangen wird, wenn gleichzeitig die Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden zur Debatte gestellt werden. Der Bundeshaushalt mit der folgenden Ergänzung enthält also kein Defizit, das aus dem Beteiligungsverhältnis herrühren könnte. Meine Damen und Herren, sollen Einnahmen abwandern - ich würde lieber sagen: besser nein -, dann müssen auch Aufgaben und Ausgaben mitgehen. ({34}) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich habe gesagt, daß die Bundesregierung nicht den Anspruch erhebt, einen ideal konstruierten Haushaltsplan vorgelegt zu haben. Im Hinblick auf die notwendige längerfristige Zielsetzung einer Umorientierung handelt es sich um einen Übergangshaushalt. Er ist ein Haushalt, der an der Schwelle steht: er erfüllt zwar einerseits noch nicht alle Bedingungen, die wir an die künftige Finanzpolitik stellen müssen, aber er ist auch mehr als nur eine Fortschreibung der bisherigen Entwicklung, er leitet über in eine neue Phase. Diejenigen, die diesen Haushalt kritisieren und die Ausgaben noch erheblich gekürzt haben wollen, sollten erkennen, daß ein Anpassungsprozeß Zeit braucht, wenn er ohne unverhältnismäßig großen Schaden vollzogen werden soll. Unsere wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Wirklichkeit ist so differenziert, daß sie eine Roßkur, die alles auf einmal will, nicht ertragen kann. Ausgabenkürzung ist in unserer Lage das vorrangige Prinzip. Dieses Prinzip wird aber wirklichkeitsfremd und politisch gefährlich, wenn es die Grundlagen des friedlichen Ausgleichs und der Politik der sozialen Gerechtigkeit antastet. Wie es keine gute Sozial-, Kultur- oder Wirtschaftspolitik ohne Rücksicht auf die finanzpolitischen Notwendigkeiten geben kann, so kann es andererseits auch keine gute Finanzpolitik ohne Rücksicht auf die unverzichtbaren sozial-, kultur und wirtschaftspolitischen Erfordernisse geben. Berücksichtigen wir alle diese Aspekte, so ist der von der Bundesregierung vorgelegte Haushalt für 1967 sicherlich ein Kompromiß, aber ein Kompromiß, wie er dem Wesen und dem Inhalt einer verantwortungsvollen Politik entspricht. Das ist doch die Aufgabe der Politik, gute Kompromisse zu finden! Die robuste Durchsetzung von Sonder- oder Einzelanliegen war noch niemals eine gute Politik. ({35}) Diejenigen, meine Damen und Herren, die den guten Kompromiß verachten, kommen hoffentlich niemals wieder in ein deutsches Bundesparlament. Zum guten Kompromiß aber gehört Mut, genausoviel Mut wie zur Grundsatztreue. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß die von ihr vorgeschagenen Maßnahmen zum Ausgleich des Haushalts im Dreiklang von Ausgabenkürzung, Subventionsabbau und Einnahmensteigerung abgestimmt sind und so den politischen und ökonomischen Erfordernissen von heute Rechnung tragen. Die Bundesregierung bleibt wie immer offen für jede Kritik und für jeden konstruktiven Änderungsvorschlag, auch für neue Kürzungsvorschläge aus der Mitte dieses Hauses. Ich bitte Sie, bei allen Änderungsvorschlägen von den Grundsätzen auszugehen, die auch die Bundesregierung bei der Vorlage des Bundeshaushalts 1967 und den damit verbundenen Gesetzentwürfen geleitet haben: Erstens. Die Finanzpolitik ist ein Teil der Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität und des Wachstums. Ausgabenkürzungen und Mehrbelastungen müssen so gerecht wie möglich verteilt werden. Zweitens. Der Haushalt muß den inneren und äußeren Frieden sichern. Deshalb sind die Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber den sozial Schwächeren und unsere Mitarbeit an der Erhaltung des Friedens in der Welt vorrangig. Drittens. Die Regierung eines so großen Landes wie des unsrigen kann nicht auf Politik verzichten. Der Haushalt ist eine Regierungserklärung in Zahlen. Je mehr wir ihn mit gesetzlichen Verpflichtungen fesseln, um so geringer wird die Kraft, die täglich neuen politischen Aufgaben zu bewältigen. Wir wollen nicht verwalten, sondern regieren und Politik machen - dem muß der Haushalt entsprechen! Und das besonders in Zeiten politischer Ungewißheit. ({36}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Feststellung des Haushalts ist Sache der gesetzgebenden Körperschaften. The Bundesregierung hat Ihnen den Entwurf des Bundeshaushalts und das Zweite Gesetz über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die übrigen Gesetze zur Beratung und Entscheidung vorgelegt. Der von mir dargestellte Ergänzungshaushalt wird zusammen mit unseren hier ebenfalls erläuterten zusätzlichen Steueränderungsvorschlägen dem Bundesrat und diesem Hohen Hause zugeleitet werden. In den Anlagen zu dieser Rede, die ich Ihnen, einer langjährigen Übung folgend, gleich übergeben lassen werde, finden Sie bereits die Entwürfe zu den notwendigen Ergänzungsgesetzen. Die CDU/CSU-Fraktion hat der Regierung mitgeteilt, daß sie ebenfalls einen Initiativgesetzentwurf über Steueränderungen vorlegen wird. Die Bundesregierung begrüßt diesen Schritt, weil damit - und darauf kommt es ihr an - sofort konkrete Grundlagen für die weitere Beratung in den Ausschüssen geschaffen werden. Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon dargestellt, daß diese Beratungen auf ein Ergebnis drängen. Wenn wir bis zum Jahresende die vom Finanzplanungsgesetz und dem Steueränderungsgesetz 1966 berührten Fragen nicht geregelt haben, werden wir im nächsten Frühjahr sehr nachteilige Folgen erleben. Ich habe die Überzeugung, daß alle Fraktionen dieses Hauses den Zwang, der in der Sache liegt, erkennen und entsprechend handeln. Was den Haushalt selbst angeht, so habe ich Ihnen erläutert, welche Folgerungen wir aus den in den letzten Wochen veränderten Umständen gezogen haben. Auch heute muß damit gerechnet werden, daß weitere, jetzt noch nicht vorhersehbare Ereignisse bis zur endgültigen Verabschiedung des Etats neue Entscheidungen nötig machen. Wie die Dinge liegen, ist der Entwurf der Bundesregierung mit seinen Ergänzungen eine optimale Grundlage für die weitere Arbeit. Ich bin sicher, daß der endgültig verabschiedete Etat diese Behauptung rechtfertigen wird. Wer Besseres weiß, der soll es sagen. Wir stehen jedem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber. Ich darf namens der Bundesregierung anregen, den Entwurf des Bundeshaushalts 1967 und die damit zusammenhängenden Gesetzentwürfe den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zu überweisen. Ich danke Ihnen. ({37})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Das Haushaltsgesetz ist eingebracht und begründet. Die Fraktionen haben vereinbart, daß mit der Aussprache übermorgen, also Donnerstag, begonnen werden soll. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 10. November 1966, 9 Uhr. Ich schließe die heutige Sitzung.