Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, abweichend von der Übung dieses Hauses haben wir heute am Dienstag, der den Fraktionen gehört, eine Fragestunde vereinbart. Ich danke dem Haus, daß es dieser Abweichung von unserer Regel gefolgt ist. Der Sinn der Vorverlegung dieser Fragestunde ist der, dem verehrten Repräsentanten der Mutter der Parlamente, dem Speaker des Unterhauses von England, Gelegenheit zu geben, eine deutsche Fragestunde mitzuerleben.
Mir ist es - sicher mit Ihnen - eine Freude, bei dieser Gelegenheit den Speaker hier im Deutschen Bundestag herzlich willkommen zu heißen.
({0})
Mr. Speaker, wir sind uns bewußt, daß es nicht nur für dieses Haus, sondern für das deutsche Volk eine Ehre ist, daß zum erstenmal ein britischer Speaker in Deutschland und in seinem Parlament zu Gaste ist. Wir wissen diese hohe Ehre zu schätzen, und wir sind Ihnen dankbar, daß Sie sich zu dieser Reise entschlossen haben. Wir sind Ihnen aber besonders dankbar für den Stil und die freundschaftliche Gesinnung, mit der Sie uns begegnet sind. Sie haben den Präsidenten dieses Hauses im Juli in Ihrem Hause in einer ganz besonders freundlichen Weise aufgenommen. Es ist mir unvergeßlich, wie freundlich nicht nur Sie, sondern auch die Mitglieder Ihres ehrwürdigen Hauses meiner Begleitung und mir begegnet sind, und ich hoffe, Sie haben den Eindruck, daß wir diese Gesinnung der Freundschaft und der freundschaftlichen und kollegialen Verbundenheit zu würdigen wissen und daß sie Ihnen hier auch begegnet.
Mr. Speaker, wir sind Ihnen besonders dafür dankbar, daß Sie bei diesem Besuch nicht auf das große Zeremoniell Wert gelegt haben, sondern daß es Ihnen ganz besonders darum zu tun war, einen Einblick zu gewinnen in die Arbeitsmethoden und auch etwas in die menschliche Atmosphäre und Kollegialität, in der in diesem Hause gearbeitet wird.
Sie sind der erste auswärtige Besucher, der an einer Sitzung teilgenommen hat, die sonst streng unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet, der heute der Sitzung des Ältestenrats beigewohnt hat, der uns dabei auch einige interessante Hinweise gegeben und einige Bemerkungen zu unserer Sitzung und unserer Arbeit gemacht hat.
Sie haben uns hier gestern schon in einer Rede Wesentliches gesagt, und ich glaube, Mr. Speaker, daß Sie uns auch damit einen Dienst getan haben.
Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen in diesem Augenblick hier vor diesem Hause unsere aufrichtige und herzliche Dankbarkeit ausspreche, Ihnen, dem Repräsentanten eines großen Parlaments, Ihnen, dem Repräsentanten eines Landes, das wie kein anderes seit Jahrhunderten für den Parlamentarismus und damit für die Sache der Freiheit in der Welt gewirkt hat. In Respekt gegenüber dieser historischen Leistung, aber auch gegenüber der schlichten menschlichen Verbundenheit, mit der Sie uns freundschaftlich begegnet sind, empfangen wir Sie heute hier in diesem Hause. Wir bitten Sie, dieser freundschaftlichen Gesinnung und kollegialen Verbundenheit, wenn Sie zurückkehren, gegenüber den Mitgliedern Ihres Hauses Ausdruck zu geben. Mr. Speaker, es ist uns eine Ehre, daß Sie hierhergekommen sind, und wir hoffen, daß Sie mit Ihrem Hause uns weiter freundschaftlich und kollegial verbunden bleiben. Das jedenfalls ist die Gesinnung und die Grundempfindung, mit der dieses Haus Sie in dieser Stunde auf das herzlichste willkommen heißt.
({1})
Meine Damen und Herren, nun spreche ich dem Herrn Kollegen Rehs die Glückwünsche des Hauses zum 65. Geburtstag aus.
({2})
Weiter teile ich dem Hause mit, daß die Vorlage des Bundesministers der Finanzen zum Beschluß des Deutschen Bundestages vom 25. Juni 1965 betreffend Vorlage der Unterlagen für die Ertragswerte der Sonderkulturen - Drucksache V/959 - gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - überwiesen werden soll. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats zur Festsetzung der gemeinsamen Schwellenpreise für Reis in den Mitgliedstaaten ohne eigene Erzeugung für die Zeit vom 1. Dezember 1966 bis 31. August 1967 ({3})
- Drucksache V/966 -
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. Oktober 1966;
Verordnung Nr. 131/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 142/64/EWG des Rats über die Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke
Verordnung Nr. 132/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 130/65/EWG des Rats über die Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung für die Grob- und Feingrießsorten aus Mais, die in der Brau-Industrie Verwendung f inden
Verordnung Nr. 134/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 zur Änderung der Verordnungen Nm. 45, 46, 116, 129/63/EWG und 59/64/EWG des Rats, soweit diese Bruteier von Hausgeflügel und lebendes Hausgeflügel mit einem Gewicht von höchstens 185 Gramm betreffen
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden;
Verordnung Nr. 133/66/EWG des Rats vom 22. September 1966 über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren im vierten Vierteljahr
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Zu der in der Fragestunde der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Oktober 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Meinecke, Drucksache V/958 Nr. IX/4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers von Hassel vom 6. Oktober 1966 eingegangen. Sie lautet:
Die Summe der zur Zeit nicht besetzten Stellen für Sanitätsoffiziere ({4}) beträgt nach dem Organisations- und Stellenplan ({5}) 612. Das sind 44,97 % der im Haushalt 1966 bewilligten Planstellen.
Die Summe der zur Zeit nicht besetzten Stellen für Sanitätsoffiziere ({6}) beträgt jedoch nach dem Stärke- und Ausrüstungsnachweis ({7}) 1519. Das sind 66,98 % der nach STAN erforderlichen Stellen. Diese Zahl gibt das eigentliche Fehl an, da die Zahl der für 1966 genehmigten Planstellen im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Besetzbarkeit niedriger liegt, als es der zu leistenden Aufgabe entspricht.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zum einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksachen V/970, V/980 -
Ich glaube, daß wir in dieser Woche auf die Fragestunde am Freitag verzichten können. Das bedeutet
dennoch, daß am Freitag um 9 Uhr begonnen wird.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau, der Frage Ill des Herrn Abgeordneten Baien
Was geschieht seitens des Bundeswohnungsbauministeriums, um den Bau von Altenwohnungen ideell und materiell zu fördern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau.
Ich bitte zunächst das Hohe Haus
*) Siehe 61. Sitzung, Seite 3005 D
um Nachsicht, wenn ich ausgerechnet in Anwesenheit unseres hohen englischen Gastes diese erste Frage etwas langatmig beantworte, was ich sonst zu vermeiden trachte. Die Frage ist aber sehr umfassend gestellt und läßt keine kurze Antwort zu.
Zur materiellen Förderung des Wohnungsbaus für alte Menschen hat die Bundesregierung bereits am 19. 3. 1964 erklärt, daß beabsichtigt sei, die Vorsorge für alte Menschen zu verstärken. Dies ist inzwischen geschehen durch 1. gesetzliche Verankerung der besonderen Förderung dieses Personenkreises -§ 19 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes -, 2. Erhöhung der bisherigen Förderungssätze durch die Richtlinien vom Oktober 1964 und 3. durch Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel aus Rückflüssen. Es wurden seit 1961 66 Millionen DM bereitgestellt, und zwar die Hälfte - 33 Millionen DM - in den Jahren 1961 bis 1965 und im Jahre 1966 allein ebenfalls 33 Millionen DM. Für das Rechnungsjahr 1967 ist ein Bewilligungsrahmen von 40 Millionen DM vorgesehen.
Zur ideellen Förderung ist zu sagen: Im Juli 1965 hat mein Haus in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und Beratungsinstitut für Städtebau und Wohnungswesen in Nürnberg die Broschüre „Wohnungsbau für alte Menschen" herausgegeben. In ihr wird gezeigt, welche städtebaulichen und wohnungstechnischen Lösungen möglich sind. In einem besonderen Arbeitskreis „Wohnungsversorgung alter Menschen" wurden soziologische, planerische und bautechnische Fragen der Schaffung von Wohnraum für alte Menschen behandelt und hierbei auch ärztliche Überlegungen berücksichtigt. Das Institut für Bauforschung in Hannover ist beauftragt worden, Untersuchungen über Anforderungen an den Wohnungsbau für alte Menschen vorzunehmen. Zur Unterstützung des Forschungsinstituts ist eine beratende Arbeitsgruppe aus namhaften Fachleuten gebildet worden, in der auch das Bundeswohnungsministerium vertreten ist. Ein reger Gedankenaustausch findet mit verschiedenen europäischen und außereuropäischen Fachleuten statt.
Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß ich, ebenso wie mein Amtsvorgänger es tat, bei fast jeder Gelegenheit darauf hinweise, wie besonders wichtig die Förderung von Wohnheimen für alte Menschen ist.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es trotz der für den Anfang sicherlich ganz respektablen Leistungszahlen angesichts der längeren Lebenserwartung und der veränderten gesellschaftlichen Struktur unseres Volkes doch notwendig wird, die materielle, aber auch die ideelle Förderung - damit meine ich auch in Beratung über geeignete Wohnformen zur wohnraummäßigen Versorgung der alten Menschen - in Zukunft in weit verstärkterem Maße fortzusetzen ' und dabei alle Kreise, auch die Länder und die Gemeinden - es ist ja eine Gemeinschaftsaufgabe -, noch stärker dafür zu interessieren?
In dieser Meinung trete ich Ihnen bei, vor allem mit dem Hinweis auf die längere Lebenserwartung.
Zu einer Zusatzfrage Frau Meermann.
Herr Minister, gibt es in Ihrem Hause eine Vorschrift, wonach die Sondermittel für den Wohnungsbau für alte Menschen nur gegeben werden können, wenn es sich um Eigenheimbau oder aber um geschlossene größere Altensiedlungen handelt?
Mir ist eine solche Vorschrift im Augenblick nicht bekannt.
Sie würden also nichts dagegen haben, Herr Minister, wenn die Länder solche Sondermittel z. B. auch Wohnungsbaugenossenschaften zuteilen würden, damit diese in den kleineren Orten, wo es keine großen geschlossenen Siedlungen geben kann, einzelne Altenwohnungen in ihre normalen Siedlungen einstreuen können?
Ich habe gegen ein solches Verfahren keine Bedenken. Ich würde es sogar für richtig halten.
Ich rufe die Frage I/2 des Abgeordneten Jacobi ({0}) auf:
Wie weit sind Vorbereitungen für eine Rechtsverordnung der Bundesregierung gemäß § 14 Abs. 2 des Dritten Bundesmietengesetzes gediehen, auf Grund deren bei Mieterhöhungen nach der Preisfreigabe wie bisher Bestimmungen über eine angemessene Miete getroffen werden sollen?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß im gegenwärtigen Augenblick kein Bedürfnis für eine neue Angemessenheitsverordnung besteht. Denn wir haben auf Grund des Dritten Bundesmietengesetzes die Möglichkeit, auch in den „schwarz" gebliebenen Kreisen eine Erhöhung vorzunehmen, die der der früheren Angemessenheitsverordnung entspricht.
Dazu kommt, daß die Bundesregierung in der gegenwärtigen Situation bemüht ist, von sich aus keine Anreize zu Preiserhöhungen auf irgendwelchen Gebieten zu geben.
Schließlich bedürfte eine solche Verordnung der Zustimmung des Bundesrats. Aber die zuständigen Minister der Länder haben bis jetzt übereinstimmend den Erlaß einer solchen Verordnung abgelehnt, so daß ihre Vorlage keine Aussicht hätte, verwirklicht zu werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, indem ich darüber hinwegsehe, daß Sie meine Frage, die sich auf die Vorbereitungen bezog, leider nicht beantwortet haben, darf ich fragen, ob Ihnen klar ist, daß die Nichtberücksichtigung eines klaren Wunsches der Mehrheit des Ausschusses auf Erlaß der Verordnung praktisch dazu führt, daß genau das Gegenteil dessen eintritt, was Sie erhoffen, daß nämlich heute ein Vermieter nach seinem Gutdünken eine Miete festsetzen und sich der betroffene Mieter nicht mehr auf eine Tabellenmiete berufen kann. Diese neue Rechtslage ist weitgehend unbekannt, und im Lande besteht Rechtsunsicherheit.
Herr Kollege Jacobi, ich glaubte, Ihre Frage beantwortet zu haben. Ich habe gesagt: wir beabsichtigen zur Zeit nicht, eine solche Verordnung zu machen. Damit habe ich natürlich zugegeben, daß Vorbereitungen für eine solche Verordnung nicht getroffen worden sind. Nun ist es zweifellos richtig, daß der Nichterlaß einer solchen Verordnung die Kehrseite hat, von der Sie sprechen. Andererseits würde sich der Erlaß einer solchen Verordnung zur Zeit so auswirken, daß sicherlich auch in den bereits „weißen" Kreisen eine Unruhe entstünde. Man müßte dort nämlich feststellen, daß man sich seinerzeit mit den bisherigen niedrigeren Sätzen begnügt hat, daß aber nun eine neue Verordnung käme, die nur Sinn hätte, wenn die Sätze etwas höher wären. Damit würde der Anreiz zu solchen Erhöhungen in „weißen" Kreisen zusätzlich geschaffen. Ich glaube, das muß berücksichtigt werden. Ich bin aber gern bereit, im Ausschuß diese Frage noch einmal zu besprechen.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bewußt, daß die neue Rechtslage selbst den Behörden unbekannt ist, und halten Sie es nicht für zweckmäßig, die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, daß in allen Kreisen ab 1. Juli dieses Jahres die Angemessenheitsverordnung praktisch tot ist und daß jeder betroffene Mieter nunmehr entweder zur Schiedsstelle oder zum Gericht gehen muß, wenn von ihm eine nach seiner Meinung unangemessene Miete verlangt wird?
Das stimmt nicht, Herr Kollege Jacobi. Es kann nach wie vor auf Grund des Dritten Bundesmietengesetzes von dieser Möglichkeit Gebrauch 'gemacht werden. Im übrigen bin ich gern bereit, zu einer Aufklärung über die Rechtslage beizutragen, und ich glaube nicht, daß auch bei Behörden in dieser Sache weitgehend Irrtümer verbreitet sind.
Zusatzfrage, Frau Meermann.
Herr Minister, ist Ihnen erinnerlich, daß es bei der Diskussion über die Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft der Wille der Mehrheit dieses Hauses war,
daß man von den gebundenen Mieten über die Angemessenheitsmiete zur frei vereinbarten Miete kommen sollte, und ist Ihnen auch bewußt, daß eine solche Praxis Ihres Hauses den Mehrheitswillen torpediert?
Das können Sie nicht sagen, verehrte Frau Kollegin. Zunächst handelt es sich bei dem Abbau der Wohnungszwangswirtschaft ja um eine Maßnahme, die sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt, und naturgemäß können sich in diesem Zeitraum die gesamten Verhältnisse, die konjunkturpolitische Situation usw. ändern. Ich meine, es ist das Recht der Bundesregierung, die hier eine Verordnungsbefugnis hat, solche Änderungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt eben, wie ich schon sagte, daß die Länder nicht mitziehen, und die brauchen wir notwendig für den Erlaß von Verordnungen. Man kann also nicht davon reden, daß die Bundesregierung oder mein Haus den Willen des Bundestages nicht respektiere. Es bleibt selbstverständlich dem Bundestag, wenn er sieht, daß die Regierung von einer Ermächtigung, von der er wünscht, daß von ihr Gebrauch gemacht wird, nicht Gebrauch macht, unbenommen, das gesetzlich zu regeln.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ohne daß ich mich mit dem ehemaligen Bundesjustizminister über das, was Recht ist, hier anlegen kann, möchte ich doch einmal fragen: wäre es nicht richtig gewesen - abgesehen von der Frage, ob es Recht ist -, über eine so wichtige Frage einmal zumindest im Ausschuß mit uns zu diskutieren, statt das auf kaltem Wege zu machen, statt uns einfach vor die vollendete Tatsache zu setzen, eine Tatsache, die jetzt nicht wieder rückgängig zu machen ist?
Ich habe nicht von einer vollendeten Tatsache gesprochen, sondern nur gesagt, daß die Bundesregierung das zur Zeit nicht beabsichtige. Ich habe bereits zum Ausdruck gebracht, daß ich selbstverständlich bereit bin, im Ausschuß darüber zu diskutieren.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Minister, war es nicht der Sinn der Tabellenmiete, eine stufenweise Überführung der Mieten in die Marktwirtschaft zu gewährleisten, und glauben Sie nicht, Herr Minister, daß die sowieso stärkere Stellung des Vermieters in vielen Fällen den Mieter nun davon abhalten wird, gegen überhöhte Mieten behördliche oder gerichtliche Schritte zu unternehmen?
Das glaube ich nicht, da die Zahlen sowohl über die Mietpreisentwicklung als auch die eingereichten Räumungsklagen betreffend bisher gezeigt haben, daß sich die Mietpreise im Durchschnitt um ein Geringes über den Sätzen der Angemessenheitsverordnung gehalten haben und daß die Zahl der Räumungsklagen mit Ausnahme eines Landes sogar zurückgegangen ist.
Zweite Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht, daß die Mieter nur aus Angst, die Kündigung zu erhalten, von diesen Schritten absehen?
Es ist sicher möglich, daß das in vielen Fällen der Fall ist; das ist nicht zu bestreiten.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Minister, bedarf es nicht der Klarstellung, daß - unabhängig von dem soeben debattierten Problem - doch alle öffentlich geförderten Wohnungen, für die die öffentlichen Mittel nicht bis zum 1. September 1965 zurückgezahlt worden sind, weiterhin in der Kostenmiete gebunden sind?
Für diese Klarstellung danke ich Ihnen.
Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Frage II/1 des Abgeordneten Müller ({0}) :
Wann wurde die Bundesregierung von dem Brief des ,,Stellvertretenden Zonen-Ministerpräsidenten'' Alexander Abusch an den Regierenden Bürgermeister von Berlin unterrichtet, in dem die Einladung zu neuen Passierscheingesprächen angekündigt worden sein soll?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Herr Präsident, ich darf die drei Fragen gleich hintereinander beantworten, weil sie im Zusammenhang miteinander stehen.
Bitte sehr! Ich rufe auch die Fragen II/2 und II/3 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Zu welchem Zeitpunkt wurde die Bundesregierung über die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Korber und Kohl unterrichtet?
Welche Vorkehrungen sind getroffen worden, um künftig in jedem Stadium der Passierscheingespräche gegenseitige unzureichende Informationen zwischen Berlin und Bonn zu vermeiden?
Zur Frage 1: Die Bundesregierung wurde
vom Senat von Berlin am Montag, dem 26. September, morgens von dem Brief unterrichtet, den der stellvertretende Vorsitzende des Zonenministerrats Abusch am Freitag, dem 23. September, an den Senat von Berlin gerichtet hatte. Dieses Schreiben ging am Freitagabend beim Senat von Berlin ein und wurde am Montag, dem 26. September, dem Regierenden Bürgermeister vorgelegt. Die Unterrichtung der Bundesregierung erfolgte umgehend.
Zur Frage 2: Zum gleichen Zeitpunkt unterrichtete der Senat von Berlin die Bundesregierung davon, daß ein Terminvorschlag von Zonenstaatssekretär Kohl für eine erste Besprechung mit Senatsrat Korber eingegangen sei.
Zur Frage 3: Die Frage geht von der Annahme aus, als habe der Senat von Berlin die Bundesregierung unzureichend informiert. Das war nicht der Fall, wenn man von einem Mißverständnis über den Unterzeichnungstermin absieht. Dieses Mißverständnis ist sofort geklärt worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Zu der Frage 1. - Herr Bundesminister, in welcher Form ist die Bundesregierung über den Inhalt des Briefes unterrichtet worden?
({0})
Der Brief ist in verschlüsseltem Fernschreiben dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen zugesandt worden. Gleichzeitig wurde der Bevollmächtigte, Staatssekretär Krautwig, informiert, entsprechend dann auch das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt.
Zweite Zusatzfrage.
Eine weitere Frage zu Frage 1. Hat nicht die Bundesregierung bisher die Annahme solcher Briefe von sogenannten Regierungsmitgliedern der SBZ verweigert bzw. diese Briefe so behandelt, als hätten sie sie überhaupt nicht erreicht? Welche Änderung ist eingetreten?
Es ist bereits 1963, Herr Kollege Müller, ein Brief des stellvertretenden Zonenministerratsvorsitzenden Abusch abgegeben worden. Auf Grund dieses damaligen Briefes sind dann die Passierscheingespräche in Gang gekommen. Die Übergabe dieses Briefes vollzog sich noch privater als die damalige durch einen Berliner Kaufmann, so daß beim besten Willen der Absender des Briefes und der Inhalt von außen nicht erkannt werden konnten.
Weitere Zusatzfrage.
Zur Frage 3: Wurde und wird die Bundesregierung regelmäßig und unmittelbar nach jedem Gespräch unterrichtet, und wie?
({0})
Die Bundesregierung wird - so ist das seit 1963 üblich - sofort von dem Inhalt eines Gesprächs über die Passierscheinregelung informiert, und spätestens am nächsten Tag liegt das Protokoll des Gesprächs in einem Fernschreiben dem Kanzleramt, dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und dem Auswärtigen Amt vor.
({0})
Weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der erst jetzt bekanntgewordenen - so stellt es sich nämlich dar - Erklärung des Herrn Kohl vor der Unterzeichnung des Protokolls über die Wiedereröffnung der Härtestelle in Berlin zu ziehen, die da lautet - darf ich zitieren -:
Kurz, kurz! Müller ({0}) ({1}) :
Das von uns unterzeichnete Abkommen kann nur korrekt realisiert werden, wenn entsprechend den Vereinbarungen zwischen der Regierung der DDR und dem Senat von Berlin ordnungsmäßige Beziehungen unterhalten werden. Die von Ihnen
- ich setze in Klammern: Korber abgegebene einseitige Erklärung ist deshalb gegenstandslos.
Wie lange will sich die Bundesregierung solche Behandlung noch gefallen lassen?
Herr Kollege Müller, über die rechtliche Wertung der von Herrn Kohl nach der Unterzeichnung abgegebenen Erklärung besteht Einvernehmen zwischen der Bundesregierung und dem Berliner Senat. Diese Erklärung ist rechtlich irrelevant. Es herrscht auch Einvernehmen über die Wertung der beiden Erklärungen - erst der Kohlschen und dann der Korberschen - vor der Unterzeichnung. Die Unterzeichnung ist erfolgt im Einvernehmen mit der Bundesregierung, nachdem dieses Einvernehmen in einer Bundeskabinettssitzung unter Teilnahme des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und des Senators Schütz erzielt worden war.
Was die kommunistische Propaganda jeweils aus solchen Fragen dann zu machen pflegt, entzieht sich unserer Einflußnahme. Bei Kommunisten muß man immer mit Mißdeutungen und Propagandamanövern rechnen. Das sollte uns im Hinblick auf die menschlichen Erleichterungen nicht berühren.
({0})
Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Mattick? - Bitte sehr!
Ich wollte den Herrn Minister nur fragen - aber das ist schon halb beantwortet -, ob der Herr Minister weiß, daß der Herr Kollege Müller soeben aus dem „Neuen Deutschland" zitiert hat.
({0})
Herr Kollege Mattick, es ist dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen nicht möglich, alle Unterlagen der Abgeordneten dieses Hohen Hauses einzusehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Bundesminister, hält die Bundesregierung es für wünschenswert, daß ein Abgeordneter darauf angewiesen ist, aus dem „Neuen Deutschland" zu erfahren, daß Herr Kohl nachher eine für die rechtliche Bedeutung zwar irrelevante, aber für die politische Zukunft wichtige Erklärung abgegeben hat?
({0})
Ich glaube, daß diese Erklärung für die politische Zukunft nicht wichtig ist. Sie beweist nur, wie schwierig es ist, mit Kommunisten Vereinbarungen zu treffen. Je weniger wir uns davon beeindrucken lassen, je souveräner wir solche Propagandamanöver hinnehmen, um so besser.
({0})
Zweite Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung demnach darauf bestehen, daß bei einer zukünftigen Verabredung wiederum ganz klar erklärt wird, daß ohne Rücksicht auf die Differenzen über Ortsbezeichnungen usw. abgeschlossen wird?
Herr Kollege, die Bundesregierung wird sich zusammen mit dem Berliner Senat wie bisher darum bemühen, Passierscheinbegegnungen in Berlin zu erreichen ohne irgendwie geartete Verschlechterungen unserer Rechtsposition.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.
Herr Minister, wird die Bundesregierung überlegen, ob sie und, wenn ja, in welcher geeigneten Weise sie darauf einwirken kann, daß nicht durch eine derartige Behandlung solcher nach vollzogener Unterschrift sich ereignender Vorgänge diese Vorgänge selbst erst ein Gewicht bekommen, das diejenigen, die sie angezettelt haben, ihnen gern beilegen möchten?
({0})
Herr Kollege Wehner, ich glaube, daß es gut ist, gerade auch angesichts der bevorstehenden Bemühungen um Weihnachts- und Neujahrspassierscheine in Berlin alles zu vermeiden, was als eine Erschwerung kommender Verhandlungen gedeutet werden könnte.
({0})
Meine Damen und Herren, ehe ich weitergehe: In meinem Fahrplan müßte jetzt der Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aufgerufen werden. Der Herr Bundesminister des Innern hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß er morgen wegen zwingender dienstlicher Inanspruchnahme dem Hause nicht Rede und Antwort stehen könne. Das war im Ältestenrat noch nicht bekannt. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß wir deshalb jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern aufrufen.
Ich rufe die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel ({0}) auf:
Wie hoch waren die Kosten für die Wahl zum 5. Deutschen Bundestag gemäß § 51 des Bundeswahlgesetzes?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel ({1}) :
Hat die ständige Wahlkreiskommission - nach § 3 des Bundeswahlgesetzes - der Bundesregierung Bericht erstattet?
Nach § 3 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes hat die Wahlkreiskommission ihren Bericht mit Vorschlägen über die Wahlkreiseinteilung der Bundesregierung im Laufe des ersten Jahres nach dem Zusammentritt des Bundestages - 19. Oktober 1965 - zu erstatten. Wie ich von dem Herrn Präsidenten des Statistischen Bundesamts, dem Vorsitzenden der Kommission, erfahren habe, wird der Bericht fristgerecht, also in den nächsten acht Tagen, vorgelegt werden.
Frage IV/3 des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel ({0}) :
Wann ist mit der Weiterleitung des in Frage IV/2 erwähnten Berichtes an den Deutschen Bundestag zu rechnen?
Die Bundesregierung wird den Bericht nach Eingang unverzüglich dem Bundestag zuleiten und im Bundesanzeiger veröffentlichen.
Zusatzfrage.
Ist Ihnen, Herr Minister, schon bekannt, ob sich aus diesem Bericht Veränderungen der bisherigen Wahlkreisgrenzen ergeben werden?
Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, kann mit diesem Bericht auch die Frage der Nachwahl mit zur Erörterung gestellt werden, die bei eventuellen Änderungen der Wahlrechtsgesetzgebung mitbehandelt werden sollte?
Vielleicht bietet sich hierbei Gelegenheit, diese Frage mitzubehandeln.
Keine Zusatzfragen mehr? - Dann rufe ich die Frage IV/4 des Herrn Abgeordneten Kubitza auf:
Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen zu einer allgemeinen Förderung des Fernschulwesens, beispielsweise durch Einführung eines speziellen Posttarifs nach den international üblichen Bestimmungen für Korrektursendungen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Die Bundesregierung sieht den Fernunterricht als eine bedeutsame Ergänzung unseres herkömmlichen Bildungswesens an und wird ihm im Rahmen des Möglichen alle Hilfe zuteil werden lassen. Der Stand der Überlegungen ist, soweit hier - im Zusammenhang mit Ihrer ersten Frage - nicht von Herrn Staatssekretär Kattenstroth berichtet wird, gegenwärtig folgender.
Im Hinblick auf die Entschließung des Deutschen Bundestages zum Steueränderungsgesetz 1965 wird zur Zeit allgemein, also auch für den Bereich des Fernunterrichts, geprüft, ob im Einkommensteuerrecht neben den bereits jetzt absetzbaren Kosten der Fortbildung auch die Kosten der Ausbildung als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden können. Die Prüfung wird demnächst abgeschlossen sein.
Wie sie wissen, wird gegenwärtig in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses der Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes ({0}) beraten. Die ursprüngliche Fassung dieses Entwurfs sieht für Fernlehrinstitute keine Befreiung von der Umsatzsteuer vor. Hier wird geprüft werden, ob die für private Schulen in § 4 Nr. 14 des Entwurfs vorgesehene Steuerbefreiung unter anderem auch auf Fernlehrinstitute ausgedehnt werden kann.
Die Frage einer Ermäßigung des Postgebührentarifs für Korrektursendungen wird von der Bundesregierung - hier ist Herr Kollege Stücklen federführend - geprüft werden. Ich muß freilich darauf hinweisen, daß die Ertragslage der Post hier den Möglichkeiten enge Grenzen zieht. Auch bedürfte die Ermäßigung, an die der Fragesteller hier denkt, einer Änderung der Rechtsverordnung, die natürlich eine Fülle von Problemen zwangsläufig mit sich bringen würde.
Ich werde Sie, Herr Abgeordneter, über das Ergebnis meiner Überlegungen unterrichten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind auch Überlegungen im Gange, daß die Fernschüler beim Direktunterricht Fahrpreisermäßigung bei der Bundesbahn erhalten können?
Natürlich ist auch überlegt worden, Teilnehmern an Fernlehrgängen Schülertarife für Eisenbahnfahrkarten zuzubilligen. Die schwierige wirtschaftliche Situation der Deutschen Bundesbahn erlaubt es aber nicht, den Kreis der Personen, denen Schülerermäßigung zusteht, in absehbarer Zeit zu erweitern. Mit diesem Problem hat sich das Hohe Haus zuletzt wohl wegen der neu eingeführten Altersgrenze für Schülerfahrkarten mehrfach befassen müssen, wenn ich mich recht erinnere.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, wie hoch die Zahl der Fernschüler in der Bundesrepublik ist, aus der sich die finanziellen Belastungen ersehen ließen?
Ich bin im Moment überfragt und werde die Zahl schriftlich mitteilen.
Frage IV/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Hudak:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß für den Nachweis zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft für die aus Südosteuropa im Zuge der Familienzusammenführung kommenden Deutschen bis zu 17 Belege verlangt werden, die in den meisten Fällen von den Betroffenen nicht aufzubringen sind, so daß ihre Einbürgerung erschwert wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Ich möchte, wenn Sie erlauben, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Hudak wegen ihres sachlichen Zusammenhanges gemeinsam beantworten.
Einverstanden. Dann rufe ficht noch die Frage IV/6 des Abgeordneten Dr. Hudak auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Staatsangehörigkeitsproblem des in Frage IV/5 genannten Personenkreises durch eine Novellierung des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes zu lösen, damit bei der Einbürgerung dieses Personenkreises der unterschiedlichen Behandlung in den einzelnen Bundesländern ein Ende bereitet wird?
Bei den deutschen Volkszugehörigen, die aus Südosteuropa im Zuge der Familienzusammenführung in die Bundes3052
republik einreisen, handelt es sich in der Regel um Personen, die nach Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ohne weiteres mit ihrem Zuzug die Rechtsstellung eines Deutschen ohne Staatsangehörigkeit erwerben. Diese Personen haben nach § 6 des Ersten Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes einen Anspruch auf Einbürgerung, es sei denn, daß Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die jeweils einzubürgernde Person gefährde die innere oder die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
Die Einbürgerung obliegt den Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder. Der Bund ist dabei nicht beteiligt. Vor der Entscheidung über eine Einbürgerung nach § 6 des Ersten Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes sind in erster Linie die Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit den §§ 1 und 6 des Bundesvertriebenengesetzes, vor allem also die deutsche Volkszugehörigkeit des Bewerbers, zu prüfen. Über Art und Umfang dieser Prüfung bestehen keine gesetzlichen Bestimmungen, da es sich dabei um einen verwaltungstechnischen Vorgang handelt. Jedoch haben die Länder Verwaltungsvorschriften hierzu erlassen, die weitgehend miteinander übereinstimmen. Diese sehen vor allem vor, daß der Bewerber die notwendigen Personenstandsurkunden beibringt; sind solche Urkunden nicht zu beschaffen, so hat der Bewerber seine Angaben anderweitig glaubhaft zu machen.
In der Praxis vereinfacht sich die Prüfung erheblich, wenn der Bewerber in der Lage ist, einen Bundesvertriebenenausweis vorzulegen. Ich kann den einschlägigen Erlassen der Länder nicht entnehmen, daß bei der Einbürgerung nach § 6 des Ersten Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes generell unzumutbare Beweisanforderungen gestellt werden. Von grundsätzlichen Unterschieden in der Praxis der einzelnen Bundesländer ist mir nichts bekannt. Wenn Behörden hier und da ein Zuviel an Nachweisungen und Belegen gefordert haben sollten, so kann es sich meines Erachtens nur um Einzelfälle handeln, die den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder zu unterbreiten wären.
Die Bundesregierung beabsichtigt keine Änderung des Ersten Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes. Nach den soeben von mir gemachten Äußerungen erachtet die Bundesregierung eine solche Änderung auch nicht für erforderlich.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie der Meinung, daß bei der Einbürgerung dieses Personenkreises der Bundesvertriebenenausweis als Grundlage für die Einbürgerung genügt?
Wenn der Bundesvertriebenenausweis vorliegt - das führte ich bereits aus -, vereinfacht sich die Prüfung erheblich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Merkatz.
Darf ich fragen, welche Kriterien angewandt werden, um die Volkszugehörigkeit festzustellen. Die Volkszugehörigkeit im südosteuropäischen Raum ist oft sehr schwer genau zu bestimmen. Ich denke hier an Familien, die geschichtlich sowohl in Deutschland als auch in Ungarn als auch in Osterreich als auch im weiteren Raum ansässig gewesen sind. Dort wird restriktiv verfahren, wenn nicht die Muttersprache zugleich Deutsch ist. Halten Sie diese Regelung, die vor allen Dingen an den geschichtlichen Tatsachen vorbeigeht, für richtig?
Ich glaube mit der etwas ausführlichen Antwort dargetan zu haben, wie problemreich das Thema ist. Ich würde jede Anregung, das Verfahren zu erleichtern, gern entgegennehmen und diskutieren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Bundesminister, würden Sie die zahlreichen Fälle einer Überprüfung unterwerfen lassen, die eben nicht nach § 6 des Ersten Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes zur Einbürgerung kommen, sondern bei denen auf wesentlich ältere Vorschriften eines, ich glaube, 1924 erlassenen Staatsangehörigkeitsgesetzes Bezug genommen wird. Ich meine Personen, die sich insbesondere als Alleinstehende auf Gesellschaftsreisen, sei es nach Österreich, sei es nach Skandinavien, sei es nach Italien, als deutsche Volkszugehörige um Asyl und um Zuflucht in der Bundesrepublik bewerben. Würden Sie das vom Innenministerium verfügte sogenannte D1-Verfahren, das auch vom Auswärtigen Amt als sehr umständlich angesehen wird, einer Vereinfachung unterwerfen lassen?
Ich bitte, Hen Abgeordneter, damit einverstanden zu sein, daß ich diese Frage schriftlich beantworte. Nur so kann ich der Bedeutung der Frage gerecht werden.
Frage IV/7 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller ({0}) :
Strebt die Bundesregierung die Öffnung weiterer Grenzübergänge zur CSSR an?
Ja, die Bundesregierung würde die Wiedereröffnung weiterer Grenzübergangsstellen zur Tschechoslowakei begrüßen. Die Initiative hierzu wird jedoch von der tschechoslowakischen Seite ausgehen müssen, die nach 1945 15 Übergangsstellen geschlossen hat. Unsererseits wird jede tschechoslowakische Anregung unverzüglich aufgegriffen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie es begrüßen, wenn auf lokaler Ebene auf bayerischer Seite Initiativen ergriffen
Dr. Müller ({0})
würden, die zu einer Öffnung bestimmter Grenzübergänge führen könnten?
Ich glaube, diese Frage können wir nur auf Bundesebene regeln.
Zweite Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß es in einem konkreten Fall weitgehend durch die Initiative eines Landrats zur Öffnung der Grenze kam?
Dann immer nur in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und dem beteiligten Land.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß Fragen von deutschen Abgeordneten an tschechoslowakische Regierungsstellen im Hinblick auf den Inhalt dieser hier vorliegenden Frage von tschechoslowakischer Seite mit dem Bemerken beantwortet wurden: Wir würden es gern tun, wir sind aber wegen unserer geringen Baukapazitäten nicht in der Lage, solche Grenzübergänge neu zu eröffnen.
Das ist mir nicht bekannt, aber ich bin für den Hinweis sehr dankbar.
Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zu den Fragen VII/1, VII/2 und VII/3 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Trifft es zu, daß der Bundesverband der privaten Waldbesitzer die Forderung erhoben hat, für die Benützung ihrer Waldungen durch Spaziergänger, Wanderer usw. finanziell entschädigt zu werden?
Trifft es zu, daß die Waldbesucher zu finanziellen Leistungen herangezogen werden sollen, falls nicht die öffentliche Hand sich zu Zuschüssen bereit findet?
Wie beurteilt die Bundesregierung die in Frage VII/1 erwähnten Bestrebungen, vor allem im Hinblick auf das anstehende Bundeswaldgesetz?
Ist der Herr Abgeordnete Strohmayr im Hause? - Er ist nicht im Hause. Dann können die Fragen hier auch nicht beantwortet werden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf, zunächst Frage VI/1 des Herrn Abgeordneten Jacobi ({0}) :
Entspricht die Behauptung im Oktoberheft der Zeitschrift „Deutsches Panorama" den Tatsachen, daß während der letzten drei Jahre Ferienwohnungskäufern in der Bundesrepublik Verluste von mindestens 5 Millionen DM entstanden und darüber hinaus Investmentzeichnungen in Höhe von 30 Millionen DM gefährdet sind?
Herr Abgeordneter Jacobi ist nicht im Haus. Dann wird die Frage hier nicht beantwortet.
Das gleiche gilt für die Frage VI/2 des Herrn Abgeordneten Jacobi:
Reichen die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen der Aufsichtsrechte aus, um unsoliden Geschäftspraktiken von Ferienhaus-Investment-Fondsgesellschaften oder ähnlichen Einrichtungen wirksam entgegenzutreten?
Dann rufe ich die Fragen VI/3 und VI/4 des Herrn Abgeordneten Dorn auf:
Treffen Meldungen zu, daß im Widerspruch zu den Grundsätzen, nach welchen Bauvorhaben der NATO auszuschreiben und zu vergeben sind, an dem Projekt Lasteau ({1}) ausschließlich belgische Bauunternehmungen beteiligt werden sollen?
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die deutsche Bauwirtschaft entsprechend den erheblichen finanziellen Leistungen der Bundesrepublik für das in Frage VI/3 erwähnte Projekt zur Ausschreibung und Vergabe hinzuzuziehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann - Drucksache V/980 -, zunächst zu Frage 1:
Welches sind die Grundlagen, auf denen die Anträge der Versicherungswirtschaft auf Erhöhung der Kraftfahrzeugversicherungsprämien beruhen?
Die Frage 1 beantworte ich wie folgt. Die kalkulatorischen oder rechnerischen Grundlagen für die vorliegenden Anträge auf Erhöhung der Tarife sind die statistischen Erkenntnisse über die Schadenaufwendungen der Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit. So sind die durchschnittlichen Aufwendungen je Schadenfall bei Personenkraftwagen von 803 DM im Jahre 1963 auf 1045 DM im Jahre 1965, d. h. um 29 % angestiegen. Trotz der jährlichen Vergrößerung des Versicherungsbestandes um rund 1 Million Risiken und einer geringen Abnahme der Schadenhäufigkeit ist deshalb der durchschnittliche Aufwand für Schadenzahlungen je Versicherungsvertrag in diesen zwei Jahren um 9 % gestiegen.
Die Ursache für diese starke Verschlechterung liegt vor allem in der Steigerung der Aufwendungen der Versicherer für Reparaturkosten. Nach Angaben der Versicherer sind im Jahre 1965 allein 60 % der Gesamtaufwendungen von über 2,1 Milliarden DM in der Haftpflichtversicherung an die Reparaturwerkstätten geleistet worden, während der Anteil der Reparaturkosten z. B. im Jahre 1954 knapp 36 % betrug. Auch die Erhöhungen der Gebühren für Rechtsanwälte und für Ärzte sowie die gestiegenen Aufwendungen für Krankenhauspflege, für Verdienstausfall und andere Entschädigungen spielen hier eine Rolle.
Bereits bei der Kalkulation und der Genehmigung der geltenden Tarife im Herbst 1964 war erkennbar, daß bei Personenkraftwagen die eingerechneten Sicherheitszuschläge für die zukünftige Schadenentwicklung in Höhe von nur 1 % bei einer dreijährigen Tarifperiode nur dann ausreichend sein würden, wenn die Schadenentwicklung in den folgenden Jahren besonders günstig verlaufen würde. Wie der
Vergleich der Zahlen für 1963 und 1965 zeigt, ist dies jedoch leider nicht eingetreten, und die Ergebnisse der ersten Monate von 1966 lassen sogar befürchten, daß die Entwicklung sich weiter verschlechtert. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts hat die Zahl der Verkehrstoten im ersten Halbjahr 1966 um 14 %, die Zahl der Verletzten um 13 % und die Zahl der Unfälle mit schwerem Sachschaden sogar um 25 % zugenommen.
Im übrigen beschränken sich die Anträge auf eine Erhöhung der Haftpflichtprämien für Personenkraftwagen und Kombiwagen, während die Prämien für alle anderen Fahrzeugarten, insbesondere für Zweiräder und Lastkraftwagen, unverändert bleiben. Für die sogenannten Familienwagen wird sogar eine beträchtliche Ermäßigung der geltenden Tarife beantragt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält Ihr Haus es für zweckmäßig und notwendig, die Frage des angemessenen Anstiegs der Reparaturkosten einmal zu untersuchen?
Ich glaube, das ist notwendig. Wir haben schon bei den Versicherungsunternehmen angeregt, daß dieser starke Anstieg der Reparaturkosten erörtert wird. Dazu sind auch Besprechungen zwischen den Versicherungsgesellschaften und den großen Automobilfirmen, die ja weitgehend Einfluß auf die Reparaturwerkstätten nehmen können, notwendig. Man sollte sich aber keiner Täuschung darüber hingeben, daß der Anstieg der Reparaturkosten ganz überwiegend auf die Zunahme der Schadensfälle zurückzuführen ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.
Herr Staatssekretär, wird das Ministerium im Zusammenhang mit der Erhöhung der Prämien bei Personen- und Kombiwagen auch darauf hinwirken, daß die Frage der andersartigen Versicherung von Kombifahrzeugen, nämlich hinsichtlich der Unterscheidung von echten Lastkraftwagen und sogenannten Familienkombis, einer neuen Regelung zugeführt wird, wie das der Herr Bundesfinanzminister in einer früheren Fragestunde schon in Aussicht gestellt hat?
Herr Abgeordneter, wir haben die Gesamtheit der hier anstehenden Fragen sehr eingehend mit den Versicherungsgesellschaften erörtert. Ich darf nur sagen, daß das Ergebnis der Erörterungen ein wesentlich geringerer Anstieg der Prämien, ich will einmal sagen: als ursprünglich in der Idee vorgesehen war, gewesen ist. Die spezielle Frage, die Sie gestellt haben, bejahe ich.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die bevorstehende Erhöhung auch bei der geplanten Herabsetzung der Kraftfahrzeugpauschale berücksichtigt?
Herr Abgeordneter, ich glaube, das sind zwei Problemkreise, die der Autobesitzer verständlicherweise als im Zusammenhang stehend ansieht. Das Bundeswirtschaftsministerium hat zwar auf den in sich geschlossenen Fragenkreis einen Einfluß, hat aber nur im Rahmen der Vorschriften der PR 15/59 Genehmigungen zu erteilen. Wir bemühen uns, im Laufe der Verhandlungen auf die Gestaltung der Tarife einzuwirken. Im übrigen haben wir jedoch einer rechtlichen Verpflichtung Folge zu leisten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Meine Frage geht dahin, ob nicht wegen der finanziellen Schlechterstellung. des Kraftfahrers durch Senkung der Kraftfahrzeugpauschale und angesichts einer solchen Erhöhung der Kosten gerade im Hinblick auf den einzelnen Fahrer seitens der Bundesregierung erneut Überlegungen anzustellen sind.
Herr Abgeordneter, ich muß leider erklären - und ich kann das durch eine Fülle betrüblicher Fakten nachweisen -: für die Kfz-Versicherung ergibt sich die vorgesehene Erhöhung allerdings als eine Konsequenz der Verhältnisse auf den deutschen Straßen und - verzeihen Sie, wenn ich das hinzufüge - auch der Kraftfahrer insgesamt.
Ich rufe die Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der 1962 eingeführten Unternehmenstarife den Antrag aller 106 in der Bundesrepublik zugelassenen Haftpflichtversicherungsgesellschaften auf Genehmigung von einheitlich höheren Tarifen?
Die Frage 2 beantworte ich wie folgt. Da die geltenden Preisvorschriften Ende 1967 außer Kraft treten und zur Zeit die Durchführungsverordnung zum Pflichtversicherungsgesetz vorbereitet wird, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine vollständige Neukalkulation der Tarife für sämtliche Kraftfahrzeugarten auf der Grundlage des alten Preisrechts unterbleiben und die nächste Tarifreform sich nach den neuen Vorschriften des Pflichtversicherungsgesetzes und der Durchführungsverordnung richten sollte. Das ist auch vertretbar, weil die statistischen Ergebnisse des Jahres 1965 für die meisten Fahrzeugarten keine
bedrohliche Verschlechterung des Schadensaufwandes erkennen lassen. Die Versicherungsgesellschaften haben daher beantragt, die Haftpflichttarife für Personenkraftwagen und für Kombinationswagen, deren Schadensentwicklung ich eben dargelegt habe, zu korrigieren. Im übrigen sollen die geltenden Unternehmenstarife, wie vorgesehen, bis zum 31. 12. 1967 in Kraft bleiben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, entschuldigen Sie eine etwas indiskrete Frage: Wenn man sieht, daß 106 Gesellschaften, deren Kostenstruktur zweifellos unterschiedlich ist, eine einheitliche Tarifanhebung beantragen - und die Bundesregierung genehmigt sie -, regt sich da nicht der Verdacht, daß es sich hier um ein stillschweigend akzeptiertes Kartell handelt?
Herr Abgeordneter, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Unternehmenstarife viel unterschiedlicher sind, als von den Kraftfahrern, den Versicherten und auch von der Öffentlichkeit im allgemeinen angenommen wird. Ich könnte hier an Hand der Unterlagen nachweisen, daß die Differenzierung recht erheblich ist. Ich will nur einmal den Normaltarif beim Volkswagenwerk nennen - Sie gestatten mir, daß ich die Namen der Versicherungsgesellschaften nicht bekanntgebe -: er differiert zwischen 270 und 243 DM. Diese unterschiedliche Struktur wird durch die prozentual einheitliche Anhebung natürlich nicht aufgehoben.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, darf ich folgendes bemerken. Der Problemkreis ist anläßlich der Verabschiedung des Kartellgesetzes von dem Hohen Haus erörtert worden. § 102 des Kartellgesetzes sieht vor, daß die §§ 1 und 15 des Kartellgesetzes auf die Versicherungsunternehmen keine Anwendung finden, da sie den Aufsichtsbehörden unterstehen. Nur insoweit ist eine Einschränkung gemacht und gilt diese Ausnahme nicht, als ein offensichtlicher Mißbrauch vorliegt. Hierzu darf ich erklären, daß das Bundeskartellamt von vornherein in die Verhandlungen eingeschaltet worden ist und an den Verhandlungen in allen Phasen teilgenommen hat. Dadurch ist garantiert, daß kein, wie es im Kartellgesetz, glaube ich, wörtlich heißt, offensichtlicher Mißbrauch vorliegt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie mir wenigstens konzedieren, daß ich mit Recht sage, Ihre Antwort kann mich nicht ganz befriedigen, nachdem Sie selbst festgestellt haben, wie unterschiedlich die Kostenstruktur ist?
Nein, Herr Abgeordneter. Die unterschiedliche Struktur bleibt erhalten, auch wenn wir eine einheitliche Anhebung von 7,5 % haben. Im übrigen hätte der Schadensverlauf sicherlich auch eine höhere Anhebung, ich will nicht sagen, gerechtfertigt, aber doch sehr verständlich erscheinen lassen. Was da herausgekommen ist, ist das Ergebnis mühevoller, im übrigen auf allen Seiten sehr verständnisvoll geführter Verhandlungen gewesen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, würden Sie zugeben, daß nach der Art und Weise der vorgesehenen Erhöhung bei dem Kraftfahrer der Eindruck entstehen kann, die Prüfung sei nicht mit der notwendigen Unabhängigkeit erfolgt, und würden Sie zugeben, daß es auf die Dauer sinnvoll wäre, die Sache transparenter zu machen und die Vertreter der Kraftfahrer in die Prüfung der Unterlagen mit einzuschalten?
Herr Abgeordneter, wir haben die Versicherungsgesellschaften sehr ermuntert, daß sie alles tun sollten, um die Kraftfahrer über die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären, die den Erhöhungsanträgen zugrunde liegen. Ich möchte aber noch einmal unterstreichen, daß das schließlich nicht Sache des Bundeswirtschaftsministeriums ist. Ich begrüße aber sehr die Fragestunde, die die Chance gibt, auch dem Hohen Hause Aufklärung darüber zu geben. Gestatten Sie mir bitte, noch drei Zahlen über die Erhöhung des Schadensdurchschnittes zu nennen. Er betrug im Jahre 1954 424 DM, im Jahre 1960 617 DM und im Jahre 1965 1045 DM. Das sind leider die Realitäten.
Dann die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann:
Hält es die Bundesregierung mit dem Prinzip der Gefahrengemeinschaft in der Versicherungswirtschaft für vereinbar, die Prämien für diejenigen Kraftfahrzeuge um zusätzlich 5 Prozent zu erhöhen, die in Großstädten von über 100 000 Einwohnern zugelassen sind?
Die Frage 3 darf ich wie folgt beantworten. Zur Zeit sind zirka ein Viertel aller im Bundesgebiet vorhandenen Personenkraftwagen in Orten mit mehr als 100 000 Einwohnern zugelassen. Die Schadenaufwendungen für diese Versicherungsnehmer mit Wohnsitz in Großstädten sind seit Jahren erheblich höher als für alle übrigen Versicherungsnehmer. Der Unterschied betrug 1965 zirka 15 %. Das ist nicht etwa - wie irrigerweise gelegentlich angenommen wird - Ausdruck einer unterschiedlichen Fahrfertigkeit, sondern eine Folge der höheren Verkehrsdichte in den Großstädten. In den Großstädten ist die Schadenhäufigkeit rund doppelt so hoch wie in Orten unter 5000 Einwohnern. Allerdings beträgt der Schadendurchschnitt in den Großstädten „nur" 935 DM, gegenüber 1247 DM auf dem
Lande. Die Versicherer sind der Auffassung, daß es auf die Dauer mit dem Grundprinzip einer risikogerechten Tarifierung der Prämie nicht vereinbar sei, wenn dreiviertel der Versicherungsnehmer deshalb wesentlich höhere Prämien zahlen müssen, als ihrem Schadenbedarf entspricht, weil das restliche Viertel einen um 15 % höheren Aufwand verursacht. Sie haben deshalb beantragt, diesem Unterschied im Schadenbedarf bei der Prämienberechnung in Zukunft wenigstens teilweise Rechnung zu tragen und für Großstädte einen Zuschlag von 5 % zuzulassen. Da auch die Kraftfahrer, die nicht in Großstädten wohnen, zu der Verkehrsdichte in den Großstädten beitragen, soll dieser Zuschlag allerdings erheblich niedriger als 15 % sein.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es Ihr Haus für richtig, daß bei der Ermittlung, nach deren Ergebnis die Fahrer in Großstädten ein überdurchschnittlich schweres Risiko und die Fahrer in Orten bis 5000 Einwohner ein überdurchschnittlich günstiges Risiko darstellen, die sogenannten Beamtenfahrzeuge - das sind immerhin mehr als 15 % aller Pkw-Fahrzeuge - ausgeklammert und somit das Großstadtschadensbild erheblich verschlechtert wird?
Herr Abgeordneter, ich habe schon auf die Gruppe der Versicherungsnehmer, die aus Gründen der größeren Risikogerechtigkeit anders behandelt werden und die fast 2,5 Millionen Personen umfaßt, hingewiesen. Was die Beamten anlangt, so fällt es mir als Beamten natürlich ein wenig schwer, Ihre Frage zu beantworten. Aber ich muß darauf aufmerksam machen, daß der Unterschied in der Schadenhäufigkeit und im Schadenbedarf hier gegenüber dem allgemeinen Schadenverlauf exorbitant ist. Ich darf hier die Zahlen nennen. Im Jahre 1965 hat auf tausend Haftpflichtversicherungen die Schadenhäufigkeit in Großstädten im allgemeinen 241 betragen, bei Beamten insgesamt 138. Der Schadenbedarf ist - nicht mehr überraschend in Übereinstimmung mit dieser Zahl - eben auch sehr unterschiedlich. Der Schadenbedarf beträgt in Großstädten 225 DM, in Mittelstädten 195 DM, bei der Gruppe der Beamten insgesamt 135 DM. Ich würde sagen, es ist ein gutes Ergebnis der Konkurrenz, die auf diesem Markt herrscht, daß für beachtliche Personengruppen, die sich aus irgendwelchen Gründen im Verkehr anders verhalten und weniger Schaden verursachen, auch andere Tarife zur Verfügung gestellt werden. Allerdings muß der Gesichtspunkt der Größe der Risikogemeinschaft natürlich aufrechterhalten werden. Aber die Zahl der Beamten ist groß genug, um eine solche Risikogemeinschaft darzustellen.
Zweite und letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter MüllerHermann.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Haus einmal untersucht, ob es nicht auch andere Berufsgruppen, die ihre Fahrzeuge in gleicher Weise wie die Beamten benutzen, z. B. Angestellte und Arbeiter, ebenso überdurchschnittlich gute Risiken darstellen wie die Beamten?
Herr Abgeordneter, ich glaube, es war ein mit dem Hohen Hause besprochener Vorgang und ein wesentlicher Fortschritt, daß das Bundeswirtschaftsministerium sich im Jahre 1959 durch die Preisverordnung Nr. 15/59 aus der unmittelbaren Verantwortung in diesem Bereich zurückgezogen hat, nicht weil es Sorge vor der Verantwortung hatte, sondern weil es der Meinung war, daß die differenzierte Gestaltung auf diesem so sehr wichtigen Wirtschaftssektor dem Versicherungsnehmer, dem Verbraucher zugute kommt. Darum ist das nicht mehr eine unmittelbare Verantwortung des Bundeswirtschaftsministeriums.
Ich weiß aber, daß sich die Versicherungen sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Ich darf hier sagen, daß z. B. die Geistlichen aller Konfessionen ebenfalls im Verhältnis zu den Verkehrsteilnehmern im allgemeinen ein sehr differenziertes Risiko darstellen, natürlich ein geringeres Risiko, und daher auch in die Beamtenversicherung aufgenommen worden sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Börner.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie mit Ihrer flammenden Verteidigungsrede für das Fahrverhalten der Beamten eben der Begründung für diesen von der Versicherungswirtschaft gewünschten Schritt praktisch den Boden entzogen haben, der darin besteht, daß man sich hier nach territorialen Grundsätzen und nicht nach dem Fahrverhalten richtet?
Herr Abgeordneter, ich würde nicht meinen, daß die Prämien nur nach einem Grundsatz gestaltet werden sollten. Ich halte es für sehr vernünftig, daß hier bei der differenzierten Gestaltung der Unternehmenstarife regionale Gesichtspunkte - es sind ja eigentlich keine regionalen Gesichtspunkte, sondern Strukturgesichtspunkte: Großstädte, Kleinstädte - oder hier Berufsgesichtspunkte - aus irgendwelchen Gründen fährt eben der Beamte vorsichtiger; vielleicht verdient er sein Geld nicht ganz so leicht
({0})
und muß daher eben mehr auf sein Fahrzeug aufpassen - eine Rolle spielen.
({1})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, sind Ihre Ausführungen nicht geeignet, der Bundesregierung zu empfehlen, daß sie künftig eine regionale Standesversicherungswirtschaft einführt?
({0})
Herr Abgeordneter, ich würde meinen, wir haben diese wirtschaftshistorische Phase aus gutem Grund überwunden. Wir sollten nicht in sie zurückfallen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Börner.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß es bei Zustimmung der Bundesregierung zu dieser Erhöhung nach territorialen Gesichtspunkten logisch wäre, Leute, die ganz allein wohnen wie z. B. Förster oder Einödbauern, von der Haftpflichtversicherung überhaupt zu befreien?
Herr Abgeordneter, ich habe schon deutlich genug ausgesprochen, daß dem Gesichtspunkt der Risikogemeinschaft, der Zusammenfassung einer gehörigen großen Zahl von Versicherten, Rechnung getragen werden muß. Eine gewisse Differenzierung ist vernünftig, eine Differenzierung bis zum letzten ist unvernünftig. Dann brauchen wir keine Versicherung mehr. Im übrigen muß ich aber noch einmal sagen, daß die Genehmigung des Bundesministeriums für Wirtschaft und damit die unmittelbare Verantwortung in diesem Bereich im § 16 der Preisverordnung Nr. 15/59 geregelt ist. Wir sind nicht die Gestalter der Tarife, sondern - und ich meine nach wie vor, daß das ein großer Fortschritt war - die Versicherer sind die Gestalter der Tarife. Im § 16 ist vorgeschrieben, unter welchen Gesichtspunkten die Genehmigung zu erteilen ist und unter welchen ausschließlich geregelten Gesichtspunkten die Genehmigung zu versagen ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie wenigstens zugeben, daß Ihre Statistik von den Beamten, die Sie wiedergegeben haben, deshalb niedrige Zahlen, d. h. Schadensquoten ausweist, weil die Beamten dauernd mit dem Dienstwagen fahren?
({0})
Herr Abgeordneter, ich glaube, die Zahl der Beamten, die oft mit einem Dienstwagen fahren, ist so gering, daß sie in der Gesamtheit überhaupt keine Rolle spielt. Obendrein ist die
Statistik hier natürlich nach Berufen gegliedert, und der Beamte, der mit dem Pkw führt, ist in der Statistik als Beamter geführt, wie andere als Kaufmann oder als Landwirt geführt werden. Die Tatsache, daß ein Beamter außerdem irgendwann einmal mit dem Dienstwagen fährt, sollte doch dabei keine Rolle spielen.
({0})
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leber.
Herr Staatssekretär, wenn Sie Ihrer Haltung, die Sie gegenüber den Beamten einnehmen, treu bleiben, müßten doch eigentlich aus Gründen der Gerechtigkeit den autofahrenden Frauen niedrigere Tarife eingeräumt werden als den Männern, weil die Frauen doch unfallfreier fahren als die Männer; das weist doch die Statistik aus.
({0})
Ich muß leider das Hohe Haus mit einer Wiederholung langweilen.
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär! Bei aller Geduld: keine Wiederholungen und möglichst kurz fassen!
Es ist nicht Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, die Tarife zu gestalten. Die Frage, wie wir verfahren würden, wenn uns die Versicherungen einen für Männer und für Frauen differenzierten Tarif vorlegten, werden wir dann beantworten, wenn ein solcher Antrag gestellt wird.
Ich dachte nur an eine Empfehlung!
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stein.
Herr Staatsekretär, Ihre Schilderung des vorbildlichen Verhaltens der Automobilfahrer, die im Beamtenverhältnis sind, verführt doch zu der Auffassung, daß man eigentlich alle Automobilfahrer verbeamten sollte.
({0})
Schluß der Fragestunde und damit auch Schluß für heute mit der Plenarsitzung.
Nächste Sitzung morgen, Mittwoch, den 12. Oktober, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.